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German Pages 1414 [1400] Year 2009
Steuerzentrierte Rechtsberatung Festschrift für Harald Schaumburg
STEUER ZENTRIERTE RECHTS BERATUNG FESTSCHRIFT FÜR HARALD SCHAUMBURG ZUM 65. GEBURTSTAG herausgegeben von
Wolfgang Spindler Klaus Tipke Thomas Rödder 2009
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ISBN 978-3-504-06041-1 ©2009 by Verlag Dr, Otto Schmidt KG, Köln
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Einbandgestaltung: )an P Lichtenford, Mettmann Satz: A Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Gerrnany
Über Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Harald Schaumburg, geboren am 16. April 1944 in Königswinter, vollendet am 16. April 2009 sein 65. Lebensjahr. Das Steuerrecht hat das berufliche Leben von Harald Schaumburg geprägt. Er war nach der Ausbildung an der nordrhein-westfälischen Landesfinanzschule in Nordkirchen (1966) zunächst im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung tätig. Nachdem er 1968 das Abitur nachgeholt hatte, begann er im Wintersemester 1968/69 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Vom zweiten Semester bis zum Ersten juristischen Staatsexamen (1972) war Harald Schaumburg studentische Hilfskraft im Institut für Steuerrecht der Universität zu Köln (Institutsdirektor war damals Klaus Tipke), danach bis 1975 Wiss. Assistent in diesem Institut. 1973 verfasste er seine Dissertation zum Thema „Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht“. Das Zweite Staatsexamen folgte dann 1976. Anfang 1976 rief Hans Flick Klaus Tipke in der Kölner Universität an und fragte ihn, ob er nicht eine für die Praxis geeignete Nachwuchskraft aus seinem Schülerkreis benennen könne. Nachdem Harald Schaumburg benannt worden war, nahm er seine Tätigkeit in der 1971 von Hans Flick und Rudolf Gocke gegründeten Sozietät auf. Ende 1977 wurde Harald Schaumburg Partner der Sozietät, 1994 wurde sie in Flick Gocke Schaumburg umbenannt. Seit 1994 hat Harald Schaumburg dort auch die führende und prägende Position eingenommen. In dieser Zeit hat sich Flick Gocke Schaumburg von einer Steuerrechts-Boutique mit etwa 20 Berufsträgern in Bonn zu einem führenden deutschen interdisziplinären steuerzentrierten Rechtsberatungsunternehmen mit etwa 200 Berufsträgern an den vier Standorten Bonn, Berlin, Frankfurt und München entwickelt, gilt nach einschlägigen Publikationen sogar als die führende deutsche Steuerrechtspraxis. Zum Mandantenkreis gehören in- und ausländische Konzerne, bedeutende national und international tätige Familienunternehmen, vermögende Privatleute und Familien, Stiftungen, öffentliche und gemeinnützige Institutionen. Harald Schaumburg hat in die Entwicklung von Flick Gocke Schaumburg einen großen Teil seiner bewundernswerten Schaffenskraft und Energie investiert. Dass er dabei so erfolgreich war, ist natürlich auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Herauszuheben ist aber insbesondere, dass er im besten Sinne unternehmerisch denkender Freiberufler ist. Er erledigt seine Beratungsaufgaben überwiegend höchstpersönlich, kann dabei seine überragenden Fachkenntnisse ausspielen und akquiriert und verantwortet seine Mandate weitgehend selbst. Stets hat er dabei das Ganze, das Unternehmen insgesamt, im Blick. Harald Schaumburg ist eine echte Beraterpersönlichkeit. Er ist in seiner Arbeit unabhängig. Er muss sich nicht anbiedern. Er vertritt nichts Unvertretbares, drängt seine Mandanten nicht in aussichtslose Prozesse. Qualitätsund Professionalitätsstreben, Neugier, Freude an Veränderungen und zugleich V
Über Harald Schaumburg
Seriosität – auch diese freiberuflichen Eigenschaften zeichnen Harald Schaumburg aus. Dass er sich durch seine profunden Rechtskenntnisse und sein berufliches Wirken auch den Respekt der Finanzverwaltung erwarb, versteht sich. Harald Schaumburgs Beratungsschwerpunkte sind: Internationales Steuerrecht, Unternehmenssteuerrecht, Gesellschaftsrecht, Unternehmensakquisitionen und Umstrukturierungen, Erbfolge- und Unternehmensnachfolgeplanung. Damit ist auch die Essenz seines praktischen Berufslebens angesprochen, die steuerzentrierte Rechtsberatung, weshalb auch diese Festschrift den Titel „Steuerzentrierte Rechtsberatung“ trägt. Harald Schaumburg ist indessen nicht nur Steuerrechtspraktiker, er ist auch Wissenschaftler. Auch nach seinem Wechsel in die Praxis kappte er nicht seine rechtstheoretischen Wurzeln. 1977 wurde er Lehrbeauftragter der Universität zu Köln für Internationales Steuerrecht. Aus den Vorlesungsskripten „Außensteuerrecht“ und „Recht der Doppelbesteuerung“ entstand im Laufe einer Reihe von Jahren das seinesgleichen nicht habende, voluminöse Werk „Internationales Steuerrecht“ (in der 2. Auflage von 1998 vorliegend). „Der Schaumburg“ füllte nach dem Urteil der rezensierenden Fachleute wegen seiner systematischen Konzeption und der Ausführlichkeit der Darstellung eine Lücke aus und erhielt Bestnoten. In Würdigung insbesondere seines Lehrbuchs und seiner erfolgreichen Lehrtätigkeit wurde Harald Schaumburg 1994 zum Honorarprofessor der Universität zu Köln ernannt. Die Publikationen und Vorträge von Harald Schaumburg sind zahlreich und in der Fachwelt höchst geschätzt, seine Lehrtätigkeit an der Universität zu Köln ist für die Studenten ein besonderes Highlight. Wer Harald Schaumburg einmal als Dozenten oder Referenten erlebt hat, hat von seinen didaktischen Fähigkeiten profitiert. Er kann fesselnd vortragen und sorgt bei Bedarf durch Pointen, nur gelegentlich auch durch Polemik dafür, dass niemand abschweift. Aber bei allem Engagement in der Sache: pathetisch wird er nicht. Harald Schaumburgs Vorträge und Veröffentlichungen sind theoretisch fundiert, aber praxisbezogen. Rhetorisches Geschwätz, praktisch leerläufige Phrasen sind nicht seine Sache. Auch wenn er sich einmal zugespitzt äußert; verletzend ist er nie. Vor diesem Hintergrund, der ganz außergewöhnlichen anwaltlichen und wissenschaftlichen Karriere von Harald Schaumburg, erstaunt es nicht, dass er den Kreis seiner beruflichen Aktivitäten immer auch noch weiter gezogen hat: Er ist Mitglied von Aufsichtsräten und Beiräten verschiedener Unternehmen, Testamentsvollstrecker von privaten und unternehmerischen Vermögen, auch Vorstandsmitglied gemeinnütziger Vereinigungen. Er war u. a. Mitglied der Unternehmensteuer-Reformkommission (1999) und gehörte dem Wissenschaftlichen Beirat der Arbeitsgruppe „Kommunalsteuern“ beim Bundesministerium der Finanzen an (2002/03). Harald Schaumburg wird auch von Politikern um Rat gefragt. Wiederholt hat er als Sachverständiger an Hearings von Bundestags-Ausschüssen teilgenommen.
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Über Harald Schaumburg
Im privaten Umgang ist Harald Schaumburg – durchaus in einem gewissen Gegensatz zu seinem beruflichen Auftreten – eher reserviert-zurückhaltend, distanziert; intensive freundschaftliche Verbindungen außerhalb der beruflichen Sphäre sind eher die Ausnahme. Vor allem mit seinem akademischen Lehrer Klaus Tipke verbindet den Jubilar nicht bloß eine akademische, sondern auch eine persönliche Freundschaft, in die auch Ehefrau Heide eingeschlossen ist. Zwar gibt es immer wieder auch Stunden der Muße für private Interessen und Präferenzen: Politik und Geschichte, auch Architektur und Kunst, insbesondere Konzerte. Harald Schaumburg hat jedoch in seinem Leben bisher der beruflichen Aktivität eindeutig den Vorrang eingeräumt. Dass er darunter leiden oder es „noch einmal anders machen“ würde, darf man indessen getrost verneinen. Harald Schaumburg strahlt aus, dass der Beruf ihn nicht nur zeitlich ausfüllt, sondern auch erfüllt. Der Beruf wird nicht als Last empfunden, und die wissenschaftlichen Aktivitäten werden als Hobby betrachtet. So wie wir den Jubilar kennen, wird er alles daran setzen, sein opus magnum „Internationales Steuerrecht“ bald in dritter Auflage vorzulegen. Auch wenn Harald Schaumburg einmal überarbeitet ist und unter beruflichem Druck und Hektik die Stimmung leidet, steht ihm seine unverdrossene und zielbewusste, einfühlsame und ausgleichende Ehefrau Heide zur Seite. Er hat sie beim Repetitor kennen und alsbald schätzen gelernt. 1973 wurde geheiratet. Dr. Heide Schaumburg ist Vizepräsidentin des FG Köln und arbeitet selbst sehr viel. Dass ihr Mann noch mehr arbeitet, wirft sie ihm nicht vor. Heide Schaumburg ist eine ideale Lebensgefährtin und -kameradin, auch eine wertvolle Diskussionspartnerin. Sie findet trotz Berufs immer die Kraft, ihren Mann bei Bedarf zu stützen, ihn evtl. zu bestärken, zu ermuntern. Viel Kraft und Freude zieht Harald Schaumburg auch aus dem Miteinander mit seinen beiden Töchtern, die Juristinnen sind, den Juristen-Eltern als Vorbildern nacheifernd. Diese Festschrift ehrt Harald Schaumburg zu seinem 65. Geburtstag. Das wäre nicht möglich gewesen ohne die Autoren dieser Festschrift. Den Autoren – das sind Hochschullehrer, Anwalts- und Steuerberaterkollegen, Leiter von Steuerabteilungen großer Unternehmen, Finanzbeamte und Richter der Finanzgerichte – bekunden wir deshalb ausdrücklich einen ganz besonderen Dank für ihr Engagement. Auch wenn Festschriftenbeiträge gemeinhin nicht im Lichte der Öffentlichkeit stehen, sind wir sicher, dass die Beiträge in dieser Festschrift ihren Entdeckern die größte Freude machen werden. München/Köln/Bonn im März 2009
Die Herausgeber
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Inhalt Seite
Über Harald Schaumburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines Steuerrecht – Steuerpolitik Dieter Birk Ordnungsmuster im Steuerrecht – Prinzipien, Maßstäbe und Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Alfons Kühn/Dr. Harald Hendel/Jens Gewinnus/ Dr. Alexander Neeser/Brigitte Neugebauer/Bianca Blottko Steuerrechtsprechung und was der Gesetzgeber daraus macht . . . . . . .
21
Joachim Lang Steuergerechtigkeit und Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Heinrich Montag Entwicklungstendenzen der Steuerberatung im Konzern . . . . . . . . . . . .
65
Thomas Rödder Steuerzentrierte Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
Stephan Schauhoff Steuerzahlung als Sanktion für zweckwidriges Verhalten – Grundüberlegungen zu steuerrechtlichen Lenkungsnormen . . . . . . . . .
95
Heide Schaumburg Die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht . . . . . . . . . . . . . . .
111
Jürgen Schmidt-Troje Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung – Anmerkungen zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 zur Vererblichkeit des Verlustabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
Roman Seer Steuerverfahrensrechtliche Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Wolfgang Spindler Der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht im Zusammenwirken für ein verfassungskonformes Steuerrecht . . . . . . . .
169
Klaus Tipke Steuerberatung – auf rechtsunsicherem Fundament . . . . . . . . . . . . . . . .
183 IX
Inhalt Seite
II. Unternehmenssteuerrecht Eugen Bogenschütz Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
Georg Crezelius Steuerrechtsfragen der atypisch stillen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . .
239
Ewald Dötsch Verlustnutzung bei Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
Stephan Eilers Die Zinsschranke in der Finanzmarktkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
Ullrich Fechner/Hans Lethaus Die optional transparente Besteuerung der GmbH, ein Ausweg aus der GmbH & Co. KG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Brigitte Fischer Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – Bewertung aus Sicht eines international tätigen deutschen Personengesellschaftskonzerns .
319
Rudolf Gocke/Matthias Rogall Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
Joachim Hennrichs Bilanzierung und Bewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht und IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
Oliver Hötzel Bilanzielle Konsequenzen der Übernahme nicht passivierter Verbindlichkeiten beim Unternehmenserwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
Rainer Hüttemann Steuerliche Aspekte der Corporate Social Responsibility von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405
Ursula Ley Die steuerliche Behandlung des Verkaufs von Anteilen an Personengesellschaften – ein steuerliches up-date . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423
Steffen Neumann Die Innengesellschaft innerhalb der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
445
Ulrich Prinz Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei qualifizierten Gesellschafterdarlehen – unsystematisch und fragwürdig, aber gestaltbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
X
Inhalt Seite
Andreas Schumacher Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG im Rahmen von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
477
Martin Strahl Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle unter besonderer Berücksichtigung der Unternehmensteuerreform 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493
Jochen Thiel Die Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften (§ 8c KStG) – ein krasser Wertungswiderspruch im Körperschaftsteuerrecht . . . . . . .
515
III. Internationales Steuerrecht Hubertus Baumhoff Die steuerliche Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541
Jens Blumenberg Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
Gottfried E. Breuninger Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
Klaus-Dieter Drüen Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Limitation der Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern . . . . . . . . . . .
609
Guido Förster Ausländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
629
Markus Frischmuth Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht . . . . . . . . . . .
647
Gerrit Frotscher Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
Wolfgang Haas Funktionsverlagerung – Verhältnis zu DBAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
715
Anton Hauck Zur Reichweite des internationalen Korrespondenzprinzips . . . . . . . . .
741
Norbert Herzig Europäisierung und Internationalisierung der steuerlichen Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
751 XI
Inhalt Seite
Johanna Hey Vorrecht des Quellenstaates und binnenmarktkonforme Besteuerung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . .
767
Bernd Jonas Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen . .
793
Stefan Köhler Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU . . .
813
Norbert Krawitz/Jens Kalbitzer Der internationale Erb- und Schenkungsfall als Auslöser der Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Heinz-Klaus Kroppen Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG . . . . . . . . . . . .
857
Michael Lang Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
879
Mag. Reinhard Leitner Deutsche Unternehmensteuerreform 2008 und ihre Auswirkungen auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
889
Rolf Möhlenbrock Die Behandlung einer britischen „Schein“-Limited im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
913
Gert Müller-Gatermann Das SEStEG im Überblick – Entstrickung und Verstrickung sowie neues Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
939
Klaus Sieker Inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
957
Franz Wassermeyer Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
971
Berthold Welling Die Funktionsverlagerungsbesteuerung im Lichte der OECDÄußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
985
IV. Erbschaftsteuerrecht/Erbfolge Hans Flick Die Kunst des Mandantengesprächs in Fragen der Unternehmernachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII
997
Inhalt Seite
Frank Hannes Testamentarisches Auffangnetz zur Verschonung unternehmerischen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 Bernd Noll Schenkungsteuerliche Fragen bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften im Lichte aktueller Entwicklungen . . . . . . . 1025 Christian von Oertzen Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG – Ein Beispiel interdisziplinärer Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045 Detlev J. Piltz Das neue ErbStG im Spiegel des Gleichheitsgebots (Art. 3 GG) . . . . . . 1057 Michael Schmitt Der mühsame Weg zu einem neuen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1079
V. Verkehrsteuerrecht/Verbrauchsteuerrecht Stefan Behrens Zur Relevanz der Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im Grunderwerbsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107 Hans Nieskens Intra-community supplies: eine kritische Analyse zum Zeitpunkt und Ort grenzüberschreitender Warenbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1147 Wolfram Reiß Unternehmensumstrukturierungen und Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . 1165 Christoph Wäger Organschaft im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189 Matthias Winter Umsatzsteuer: Nichtsteuerbare Vermögensübertragungen bei Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1213
VI. Steuerstrafrecht Wolfgang Joecks Klimawandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1225 Roman Leitner Das österreichische Bankgeheimnis – Bollwerk im deutschen Steuerstrafverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1239 XIII
Inhalt Seite
Karsten Randt Reichweite und Grenzen der steuerlichen Erklärungspflicht im Steuerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1255 Franz Salditt Herausforderung – aktuelle politische und andere Erwartungen an das Steuerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1269
VII. Gesellschaftsrecht – Konzernrecht Mathias Habersack Aufsteigende Kredite nach MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1291 Marcus Lutter Corporate Governance in Deutschland – der große Sprung . . . . . . . . . . 1307 Reinhard Pöllath/Vanessa Döring Haftung der Geschäftsführung von Stiftung und Verein – Untersuchung, Durchsetzung, Vorbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1317 Hans-Joachim Priester Abhängigkeitsbericht bei isoliertem Verlustdeckungsvertrag? . . . . . . . 1327 Stefan Simon Verschmelzung und Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung – Rechtliche, steuerliche und bilanzielle Überlegungen zu §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1341
Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1359 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365
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Verzeichnis der Autoren Prof. Dr. Hubertus Baumhoff Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Universität Siegen Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Partner, Clifford Chance, Frankfurt Prof. Dr. Dieter Birk Universitätsprofessor, Professur für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung des Finanz- und Steuerrechts, Westfälische WilhelmsUniversität Münster Bianca Blottko Diplom-Finanzwirtin, Referatsleiterin Steuern in der EU, EU-Institutionen, EU-Haushalt, EuGH-Verfahren, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Brüssel Dr. Jens Blumenberg Steuerberater, Partner, Linklaters LLP, Frankfurt Eugen Bogenschütz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Allen & Overy LLP, Frankfurt Dr. Gottfried E. Breuninger Rechtsanwalt, Partner, Allen & Overy LLP, München Prof. Dr. Georg Crezelius Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Steuerrecht, Universität Erlangen/ Bamberg Vanessa Döring P+P Pöllath + Partners Attorneys-at-Law Tax Advisors, München Ewald Dötsch Referent Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Internationales Steuerrecht und Umwandlungssteuerrecht bei der Oberfinanzdirektion Koblenz Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, HeinrichHeine-Universität Düsseldorf Dr. Stephan Eilers, LL.M. (Tax) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner, Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Köln Dr. Ullrich Fechner Rechtsanwalt, Boehringer Ingelheim, Ingelheim am Rhein XV
Verzeichnis der Autoren
Brigitte Fischer Dipl.-Kauffrau, Steuerberaterin, Freudenberg & Co. Kommanditgesellschaft, Weinheim Dr. Hans Flick Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Mitgründer der Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg, Bonn Prof. Dr. Guido Förster Universitätsprofessor, Steuerberater, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Dr. Markus Frischmuth Dipl.-Ökonom, Leiter Steuern, ZF Friedrichshafen AG, Friedrichshafen Prof. Dr. Gerrit Frotscher Universitätsprofessor, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen – International Tax Institute – der Universität Hamburg Jens Gewinnus Rechtsanwalt, Referatsleiter Unternehmensteuern, steuerl. Gewinnermittlung, Umwandlungsteuer, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin Rudolf Gocke Dipl.-Kfm., Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Mitgründer der Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg, Bonn Dr. Wolfgang Haas Rechtsanwalt, BASF SE, Ludwigshafen Prof. Dr. Mathias Habersack Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Eberhard Karls-Universität Tübingen Dr. Frank Hannes Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn Dr. Anton Hauck Rechtsanwalt, Steuerberater, Leiter Zentralbereich Steuern Deutsche Post AG, Bonn Dr. Harald Hendel Rechtsanwalt, Referatsleiter Arbeitnehmerbesteuerung national und international, betriebliche Altersversorgung, Internationales Steuerrecht, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin Prof. Dr. Joachim Hennrichs Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für Gesellschaftsrecht, Abt. 2: Kapitalgesellschaften, Bilanzrecht, Inhaber des Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht, Universität zu Köln XVI
Verzeichnis der Autoren
Prof. Dr. Norbert Herzig Universitätsprofessor, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Seminar für ABWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Universität zu Köln Prof. Dr. Johanna Hey Universitätsprofessorin, Direktorin des Instituts für Steuerrecht, Universität zu Köln Dr. Oliver Hötzel Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn Prof. Dr. Rainer Hüttemann Universitätsprofessor, Dipl.-Volksw., Geschäftsführender Direktor des Instituts für Steuerrecht, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Prof. Dr. Wolfgang Joecks Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Strafrecht, insbesondere Wirtschaftsund Steuerstrafrecht, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Bernd Jonas Generalbevollmächtigter, Thyssen Krupp AG, Düsseldorf Jens Kalbitzer Dipl.-Kfm., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen Prof. Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Partner, Ernst & Young AG, Eschborn/Frankfurt, Mitglied des Aufsichtsrats Ernst & Young AG, Honorarprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Prof. Dr. Norbert Krawitz Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen Prof. Dr. Heinz-Klaus Kroppen, LL.M. Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Deloitte & Touche GmbH, Düsseldorf, Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum Alfons Kühn Rechtsanwalt, Bereichsleiter Finanzen, Steuern, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin Prof. Dr. Joachim Lang Rechtsanwalt, Steuerberater, Universitätsprofessor, em. Direktor des Instituts für Steuerrecht der Universität zu Köln XVII
Verzeichnis der Autoren
Prof. Dr. Michael Lang Universitätsprofessor, Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht, WU Wirtschaftsuniversität Wien Mag. Reinhard Leitner Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Leitner + Leitner GmbH & Co. KG, Linz, Österreich Prof. Dr. Roman Leitner Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Leitner + Leitner GmbH & Co. KG, Linz, Honorarprofessor an der Karl-Franzens-Universität Graz Dr. Hans Lethaus Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Boehringer Ingelheim, Mainz Prof. Dr. Ursula Ley Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Ebner Stolz Mönning Bachem, Köln, Professorin an der Fachhochschule Köln Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marcus Lutter em. Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Rolf Möhlenbrock RD, Referatsleiter in der Steuerabteilung, Bundesministerium der Finanzen, Berlin Heinrich Montag Dipl.-Kfm., Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter Steuern der E.ON AG, Düsseldorf Gert Müller-Gatermann Ministerialdirigent, Unterabteilungsleiter Zentralabteilung, Bundesministerium der Finanzen, Berlin Dr. Alexander Neeser Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Referatsleiter Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin Brigitte Neugebauer Rechtsanwältin, Referatsleiterin Erbschaft- und Schenkungsteuer, Einkommen-, Kapitalertrag- und Abgeltungsteuer, Verfassungsrecht, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin Dr. Steffen Neumann Ministerialdirigent, Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf XVIII
Verzeichnis der Autoren
Prof. Dr. Hans Nieskens Rechtsanwalt und Steuerberater, Vorsitzender des UmsatzsteuerForum – Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts e.V., München Dr. Bernd Noll Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn Dr. Christian von Oertzen Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Frankfurt Prof. Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Universität Mannheim Prof. Dr. Reinhard Pöllath, LL.M. Rechtsanwalt, Partner, P+P Pöllath + Partners Attorneys-at-Law Tax Advisors, München, Honorarprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Hans-Joachim Priester Notar a.D., Honorarprofessor an der Universität Hamburg Prof. Dr. Ulrich Prinz Dipl.-Kfm., Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Dr. Karsten Randt Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn Prof. Dr. Wolfram Reiß Emeritus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. Thomas Rödder Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Universität zu Köln Dr. Matthias Rogall Steuerberater, Flick Gocke Schaumburg, Bonn Prof. Dr. Franz Salditt Justizrat, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Neuwied, Honorarprofessor an der FernUniversität in Hagen Dr. Stephan Schauhoff Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn XIX
Verzeichnis der Autoren
Dr. Heide Schaumburg Vizepräsidentin des Finanzgerichts, Köln Dr. Jürgen Schmidt-Troje Präsident des Finanzgerichts, Köln Prof. Dr. Michael Schmitt Ministerialdirigent, Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium BadenWürttemberg, Stuttgart Prof. Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Universität Mannheim Prof. Dr. Roman Seer Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Steuerrecht, Ruhr-Universität Bochum Dr. Klaus Sieker Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Frankfurt Prof. Dr. Stefan Simon Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Honorarprofessor an der Universität zu Köln Dr. h.c. Wolfgang Spindler Präsident des Bundesfinanzhofs, München Dr. Martin Strahl Steuerberater, Partner, Carlé_Korn_Stahl_Strahl, Köln Prof. Dr. Jochen Thiel Rechtsanwalt, Kaarst Prof. Dr. Klaus Tipke Emeritus der Universität zu Köln Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer Rechtsanwalt, Steuerberater, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, Vorsitzender Richter am BFH a.D., Honorarprofessor an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn Dr. Christoph Wäger Richter am Bundesfinanzhof, München Berthold Welling Rechtsanwalt, Leiter des Bereichs Recht, Steuern und Wettbewerb beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Berlin Dr. Matthias Winter Diplomökonom, Flick Gocke Schaumburg, Bonn XX
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Ordnungsmuster im Steuerrecht – Prinzipien, Maßstäbe und Strukturen Inhaltsübersicht I. Der gegenwärtige Zustand des Steuerrechts 1. Instrumentalisierung von Steuernormen oder: die verengte Gerechtigkeitsdiskussion 2. Prinzipien und Regeln 3. Wandel der Maßstäbe II. Das Dilemma des Gesetzgebers 1. Steuerrecht ist ertragsorientiert: Gestaltungsspielraum des Gesetz-
gebers und Sicherung des Steueraufkommens 2. Maßstäbe schaffen noch keine Ordnung 3. Die Reichweite von Prinzipien III. Strukturen 1. Prinzipien haben Leitfunktion 2. Strukturen haben Ordnungsfunktion
Kaum ein Politiker spricht heute über das Steuerrecht, ohne zugleich dessen Kompliziertheit zu beklagen. Parlamentarier fordern die Vereinfachung und wirken doch ohne vernehmbare Bedenken an Gesetzesvorhaben mit, die an Kompliziertheit kaum mehr zu überbieten sind. Auch der Bundespräsident wird nicht müde, die Verständlichkeit des jeden Bürger betreffenden Steuerrechts anzumahnen1. Und selbst der Präsident des Bundesfinanzhofs beklagte, dass das Steuerrecht mittlerweile in einem „Zustand sei, den selbst Experten nicht mehr durchschauen können”2. In einem merkwürdigen Gegensatz zu diesem politisch weit verbreitetem Wunschdenken zur Steuervereinfachung stehen die Forderungen, die Politiker fast täglich an das Steuerrecht stellen: Es soll nicht nur finanziellen Ertrag bringen, sondern den Bürger zu politisch erwünschtem Verhalten erziehen, soziale Schieflagen beseitigen, aber zugleich bestimmte Gruppen verschonen, die Lebensgewohnheiten verändern und gesellschaftliche Umgestaltungen befördern. Es dürfte kaum ein Rechtsgebiet geben, das so vielen politischen Erwartungen ausgesetzt ist und zur Durchsetzung so mannigfaltiger Forderungen eingesetzt wird.
__________ 1 „Die Ordnung der Freiheit“ – Rede beim Arbeitgeberforum „Wirtschaft und Gesellschaft“ in Berlin vom 15.3.2005; „Arbeit für alle, Bildung für alle“ – Interview mit dem Handelsblatt vom 29.11.2007; „Arbeit, Bildung, Integration“ – Berliner Rede vom 17.6.2008. Reden und Interviews im Internet abrufbar: www.bundespraesident.de. 2 Spindler lt. Handelsblatt vom 24.6.2008: http://www.handelsblatt.com/politik/ deutschland/steuersystem-wird-immer-komplizierter;1447664; ders. in Nachhaltige Steuerpolitik, Beiträge zum 60. Geburtstag von Alfons Kühn, 2008, S. 49.
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Dieter Birk
I. Der gegenwärtige Zustand des Steuerrechts Trotz dieser verbreiteten Meinung von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Steuerrechts und den hohen Erwartungen an seine Funktionsfähigkeit wird der Zustand der Steuerrechtsordnung allgemein nur beklagt3. Die Steuergesetzgebung sei zu einer Experimentiergesetzgebung verkommen, das Steuerrecht sei durch ständige Veränderungen so deformiert worden, dass es auch international einen immer schlechteren Ruf erlangt habe4. 1. Instrumentalisierung von Steuernormen oder: die verengte Gerechtigkeitsdiskussion „Steuern kommt von steuern”, so war ein Beitrag in einer Sonntagszeitung überschrieben5, in dem sich der Autor mit dem Vorschlag des Bundesumweltministers auseinandersetzte, für klimaschonende Waren die Mehrwertsteuer zu senken. Warum nicht auch eine Dickensteuer gegen die grassierende Fettleibigkeit und Steuerfreiheit für Babynahrung zur Förderung der Geburtenrate, so die berechtigte Frage. Steuern wurden schon immer auch als Lenkungsmittel eingesetzt. Besonders anschauliche historische Beispiele sind die Bartsteuer des Zaren Peters des Großen, der zur Veränderung modischer Gewohnheiten das Tragen von Bärten mit einer Steuerpflicht belegte6. Oder die Nachtigallensteuer, die die Stadt Potsdam zum Schutz der Nachtigallen in den königlichen Gärten einführte7. Je mehr Aufgaben aber der Staat an sich zieht und je stärker er sich in der Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung sieht, umso mehr entdeckt er die Steuer als Mittel, Veränderungsprozesse zu befördern. Das Ausmaß, das der Steuerinterventionismus mittlerweile erreicht hat, ist beispiellos. Zu den klassischen Anreizen (Spendenabzug, Förderung der Altersversorgung, der Denkmalpflege, des Umweltschutzes usw.) sind Lenkungstatbestände hinzugekommen, die die neuen Möglichkeiten, welche die Globalisierung der Wirt-
__________ 3 Wiegard lt. Handelsblatt vom 24.6.2008: http://www.handelsblatt.com/politik/ deutschland/steuersystem-wird-immer-komplizierter;1447664; Lang, StuW 2007, 1 f.; Tipke, Ein Ende dem Einkommensteuerwirrwarr!? Rechtsreform statt Stimmenfangpolitik, 2006, S. 15 ff., 55 ff.; Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch – Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 2003, S. V. 4 Lang, StuW 2005, 1 verweist auf die Effizienzbewertung des deutschen Steuersystems nach einer Umfrage des World Economic Forum zur Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften aus dem Jahre 2003. Das deutsche Steuersystem erreichte nur den vorletzten Platz (Platz 101 von 102 bewerteten Ländern). Nach dem Global Competitiveness Report 2008/2009 erreicht Deutschland von insgesamt 134 bewerteten Ländern Platz 105, vgl. World Economic Forum, The Global Competitiveness Report 2008/ 2009, S. 425. 5 Hank in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am Sonntag vom 24.8.2008, S. 10. 6 Schmölders, Bart und Hochzeit, Fenster und Pelze – Kein Ende der Steuerbelastung in Sicht, Kuriosa der Steuergeschichte, in Schultz, Mit dem Zehnten fing es an, 1986, S. 245; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 26. 7 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, 1979, S. 141; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 27.
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Ordnungsmuster im Steuerrecht – Prinzipien, Maßstäbe und Strukturen
schaft eröffnet, begrenzen sollen und damit der Sicherung des Steueraufkommens dienen. So wird der Abzug des Zinsaufwands als Betriebsausgabe beschränkt (§ 4h EStG) und damit ein Verstoß gegen das Nettoprinzip hingenommen, um dem Abzug von Steuersubstrat ins Ausland entgegenzuwirken8. Der Verlagerung geschäftswertbildender Elemente ins Ausland, die sich zwischen verbundenen Unternehmen vollzieht, soll durch steuerliche Folgen, die an „Funktionsverlagerungen” geknüpft werden, entgegengewirkt werden9. Hierdurch werden Grundsätze der Realisation und Regeln der internationalen Einkünfteabgrenzung missachtet10. Überhaupt werden Gerechtigkeitsfragen immer mehr vom Lenkungseffekt und nicht vom Belastungseffekt her diskutiert (Abschaffung des Splitting zur Emanzipationsförderung11, Abschaffung der Kilometerpauschale als Umweltschutzmaßnahme12, Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer zur Arbeitsplatzsicherung13). Gerechtigkeit im Steuerrecht ist nicht mehr Belastungsgerechtigkeit, sondern mündet immer mehr in die Frage ein, was das Steuerrecht leisten kann, um die Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit der politischen Parteien zu verwirklichen, die im Parlament die Mehrheit haben. Damit ist aber der Beliebigkeit steuerlicher Gerechtigkeitsvorstellungen Tür und Tor geöffnet. Nirgends wird dies deutlicher als in dem von der GrünenPolitikerin Hermenau vorgetragenen Vorschlag, die Einkommensteuer generell für Frauen zu senken (Steuersatz von 10–40 %) und dafür den für Männer generell zu erhöhen (Steuersatz 17–47 %)14. Die Idee, die nicht neu ist15, orientiert sich an dem Ziel, Arbeitsmarktchancen von Frauen zu erhöhen und die Rollenverteilung in der Familie zu ändern. Wie weit hier die Verwirrung in den Köpfen fortgeschritten ist, zeigt die Bezugnahme der Politikerin auf einen Berliner Verfassungsrechtler, der gesagt haben soll, dass die generelle Steuerbegünstigung der Frauen gleichheitssatzkonform sei, und das sich dort ebenfalls findende Zitat einer Chefvolkswirtin einer Landesbank, die sogar von einem „cleveren Ansatz, der zu mehr Gleichberechtigung führt”, sprach16. Interessant ist auch, dass die zerfasernde Gerechtigkeitsdiskussion in erster Linie für das Einkommensteuerrecht kennzeichnend ist. Die Erbschaftsteuerreform hat nur ansatzweise eine Gerechtigkeitsdiskussion hervorgerufen, sie war im Grund geprägt, von dem Verlangen der verschiedenen betroffenen Gruppen, steuerlich verschont zu bleiben17. Gerechte Lastenverteilung war nie der Grundgedanke dieser Reform. Das Ergebnis, wonach nur gut 5 % der Erb-
__________ 8 9 10 11 12 13 14 15
Zur Frage der Rechtfertigung Musil/Volmering, DB 2008, 12. Looks/Scholz, BB 2007, 2541. Hey, BB 2007, 1303 (1307 f.); J. Lang in FS für Reiß, 2008, 379 (394 ff.). BT-Drs. 13/7895, S. 6, 23. BT-Drs. 14/4435, S. 7, 9. BT-Drs. 15/5448, S. 1 f.; BT-Drs. 15/5555, S. 1; BT-Drs. 16/7918, S. 23 f., 33 f. Süddeutsche Zeitung vom 11.7.2007, Nr. 131, S. 17. Alesina/Ichino, „Steuerreform für die Hälfte“ – Kommentar, in Financial Times Deutschland vom 24.4.2007, S. 26. 16 Süddeutsche Zeitung vom 11.7.2007, Nr. 131, S. 17. 17 Dazu Lang, StuW 2008, 189.
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fälle überhaupt steuerlich erfasst werden, spricht jedenfalls dem Gedanken der Belastungsgerechtigkeit Hohn. Das Umsatzsteuerrecht, in der Bedeutung für die Staatsfinanzierung mit dem Einkommensteuerrecht fast gleichauf18, enthält zwar auch eine Reihe von Befreiungs- und Lenkungstatbeständen, ist aber von der Gerechtigkeitsdiskussion bisher weitgehend ausgespart geblieben. Das mag daher kommen, dass es durch die Europäische Richtlinie stark vorgeprägt ist. Die Frontlinien verlaufen aber dort ganz anders. Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer und lässt sich auf die individuellen Verhältnisse gar nicht abstimmen. Eine Verfassungsbeschwerde wegen übermäßiger Belastung von Familien durch die Anhebung des Steuersatzes auf 19 % hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen19. Dazu kommt, dass sie durch das System des Vorsteuerabzugs sehr bürokratisch und betrugsanfällig ist20 und Reformvorschläge sich vor allem auf diesen Bereich unbewältigter Probleme beziehen. Aber auch andere Bereiche direkter Steuern werden unter Gerechtigkeitsaspekten kaum diskutiert. So wird die Einkommensteuer der juristischen Person, die Körperschaftsteuer, die einen flachen Steuersatz (15 %) hat, vor allem unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft21 und der Frage der Rechtsformneutralität22 diskutiert. Für die Gewerbesteuer als Zusatzbelastung der Gewerbetreibenden werden praktisch nur Gründe der Finanzausstattung der Gemeinden vorgebracht23. Interessant ist auch, dass die Frage, in welchem Ausmaß die drei Phasen der wirtschaftenden Tätigkeit der Menschen (Einkommenserzielung, Vermögensbildung, Konsum)24 steuerlich belastet werden sollen, wenig diskutiert wird. Der Vermögensbestand wird in Deutschland fast gar nicht belastet. Insgesamt ist die Reformdiskussion sehr kopflastig auf das Einkommensteuerrecht konzentriert. Hier finden im Wesentlichen die steuerlichen Verteilungskämpfe und der Kampf der Argumente um die Durchsetzung von Prinzipien, Regeln und Maßstäben statt. 2. Prinzipien und Regeln In einem Beitrag über „Rechtssystem und praktische Vernunft” unterscheidet Alexy zwischen Regeln und Prinzipien. Prinzipien seien Optimierungsgebote,
__________ 18 Für 2008 werden die Einnahmen aus der Einkommensteuer auf 199,0 Mrd. Euro und aus der Umsatzsteuer auf 176,2 Mrd. Euro geschätzt. Vgl. BMF, Finanzbericht 2009, S. 132 f. 19 BVerfG, Kammerbeschluss v. 6.12.2007 – 1 BvR 2129/07, BFH/NV 2008, Beilage 2, S. 166 f. 20 Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch: Ein Vorschlag zur Reform der Umsatzsteuer und der Verkehrssteuern, 2008, S. 19 f. 21 Koalitionsvertrag von CDU, CSU, SPD vom 11.11.2005, S. 81; BT-Drs. 16/4841, S. 1, 29; Lang, BB 2006, 1769. 22 Lang in FS für Reiß, S. 379 (386 f.); Koalitionsvertrag von CDU, CSU, SPD vom 11.11.2005, S. 81; BT-Drs. 16/4841, S. 1, 29; Zur Entwicklung der Reformdiskussion: Hey in HHR, EStG/KStG, Einf. KStG, Anm. 180 ff. 23 Kathstede, Die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer und das Modell der kommunalen Einkommen- und Gewinnsteuer (BDI/VCI-Modell), 2008, S. 104 f. 24 Birk, Steuerrecht, 2008, Rz. 71 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 4 Rz. 95.
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Ordnungsmuster im Steuerrecht – Prinzipien, Maßstäbe und Strukturen
während Regeln definitiven Charakter haben. „Als Optimierungsgebote sind Prinzipien Normen, die gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird.”25 Prinzipien können in unterschiedlichen Graden erfüllt werden, sie sind abwägungsbedürftig und spannungsgeladen. Es gehört also gewissermaßen zu ihrem Wesen, dass sie nicht stets erfüllt werden. Demgegenüber sind Regeln, also gesetzte Rechtsnormen, stets verbindlich. „Wenn eine Regel gilt und anwendbar ist, dann ist es geboten, genau das zu tun, was sie verlangt, nicht mehr und nicht weniger.”26 Prinzipienkollisionen werden nach einem Wertungsmuster gelöst, d. h. das zurückweichende Prinzip bleibt Teil der Rechtsordnung. „In einem anderen Fall kann die Vorrangfrage umgekehrt zu lösen sein.”27 Bei Regelkollisionen wird hingegen einer Regel die Geltung abgesprochen. Prinzipienkollisionen werden durch den Vorgang der Gewichtung, Regelkollisionen durch den Vorgang des Ausschlusses gelöst28. Aber Normen stehen als Regeln nicht isoliert da, sondern erfüllen ihren Zweck nur in strukturellen Zusammenhängen. Zwar gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln, den Geltungsausschluss bei Kollisionslagen durchzuführen, sie kommen aber – wenn sie als Auslegungsfiguren dienen – nicht ohne Wertungen aus. Noch relativ einfach mag die Frage zu beantworten sein, welche Norm lex specialis ist und weshalb ihr der Vorrang gebührt; schwieriger ist es, wenn bei der Auslegung zwei Wertungsvorgänge ineinander greifen. Dies ist beim Steuerrecht nicht selten der Fall. Die Frage, ob Ausgaben dem Bereich der Lebensführung oder dem Bereich der Berufsausübung zuzuordnen sind, kommt ohne Wertungen nicht aus. Beruflich bzw. betrieblich veranlasste Kosten sind nach der Regel des § 9 Abs. 1 Satz 1 oder § 4 Abs. 3 EStG Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben. Aufwendungen, die ein Firmeninhaber aus Anlass seines Geburtstags durch Einladung von Kunden und Geschäftsfreunden tätigt, können Betriebsausgaben sein29, während Aufwendungen eines Schulleiters für Jubiläen, Verabschiedungen und Krankenbesuchen des Schulpersonals den Kosten der Lebensführung zugerechnet werden30. Der Wertungsvorgang im Rahmen der Abgrenzung zwischen beruflichem und/oder privatem Anlass der Aufwendung und die Frage, welchem Bereich schwerpunktmäßig die Aufwendungen zuzurechnen sind, läuft also bei Arbeitnehmern anders ab als bei Selbständigen31. Woran das liegt, legt die Rechtsprechung nicht vollständig offen32. Klar ist, dass das Verhältnis zwischen § 12 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG – also zweier Normen, die gegenläufige Anordnungen treffen – in jedem Einzelfall in einem Geltungsausschluss münden muss (wenn man nicht zur Aufteil-
__________ 25 26 27 28 29 30 31 32
Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (407). Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (408). Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (409). Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (408); Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 77. FG BW v. 11.7.2002 – 3 K 119/99, EFG 2003, 50; FG Berlin-Brandenburg v. 20.6.2007 – 1 K 1377/03 B, DStRE 2008, 265. FG Bremen v. 17.1.2008 – 4 K 168/07 (6), EFG 2008, 1281. Dazu Siegers, EFG 2008, 1281 f. Siehe dazu BFH, VI R 43/04, BFH/NV 2008, 357; VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767.
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barkeit der Kosten kommt, was die Rechtsprechung bisher grundsätzlich ablehnt33). Da aber der Regelkonflikt nicht durch eine methodische Vorrangfigur (lex posterior oder lex specialis) gelöst werden kann, bleibt der Rechtsanwender auf die Auslegung verwiesen, die er mit seinen Wertungsmustern versehen wird (nicht erfolgsabhängige Entlohnung ist ein Indiz gegen die berufliche Veranlassung34). Die Unterscheidung zwischen Regeln (Normen) und Prinzipien ist bedeutsam für die juristische Argumentation. Normen werden angewandt und sind Gegenstand der Subsumtion. Prinzipien sind in der Regel nur Argumentationsmaterial, sie werden „gefüllt”, relativiert, und manchmal in Worten der Politiker „modernisiert”. Beispielhaft hierfür ist eine Äußerung des Staatssekretärs im BMF Nawrath zur Eröffnung der 59. Steuerrechtlichen Arbeitstagung der Fachanwälte für Steuerrecht in Wiesbaden. Zu dem Vorwurf, dass der Gesetzgeber durch einzelne Vorschriften (Zinsschranke, Funktionsverlagerung usw.) das objektive Nettoprinzip verletzt habe, meinte er, der Gesetzgeber habe dieses Prinzip nur modernen Gegebenheiten angepasst. Prinzipien würden eben nicht die gleichen bleiben, sondern müssten stets an die Veränderungen in der Gesellschaft angeglichen werden35. Sind aber Prinzipien nicht nur vage, sondern auch (politisch) instrumentalisierbar für beliebige Regelungszwecke, sind sie also gar nicht in der Lage, eine systemprägende Kraft zu entfalten, die den Anforderungen der Rechtssicherheit entspricht, so fragt sich, ob es nicht besser ist, auf Prinzipien ganz zu verzichten. Im Steuerrecht wurde diese Debatte mit großem Nachdruck in Bezug auf die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips geführt. Die Debatte kann hier nicht nachgezeichnet werden, aber die Hauptargumente waren stets die Unbestimmtheit und die Beliebigkeit der Inhalte36. Aber ebenso wie Prinzipien als Bestandteile eines Rechtssystems notwendig sind, sollte man auf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht verzichten37. Denn Prinzipien ermöglichen rationale Argumentationsverfahren und liefern nachvollziehbare Argumentationsstrukturen, die in einem reinen Regelsystem nicht zur Verfügung stünden38. Ganz im Gegensatz zu den Behauptungen der Gegner der Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht wäre ein Verzicht auf die Prinzipienebene ein Rationalitätsverlust39. Ich möchte dies an drei Überlegungen ver-
__________ 33 Ständige Rechtsprechung seit: BFH, GrS 2/70, BFHE 100, 309 = BStBl. II 1971, 17; BFH, GrS 3/70, BFHE 100, 317 = BStBl. II 1971, 21; BFH, GrS 8/77, BFHE 126, 533 = BStBl. II 1979, 213. 34 So ausdrücklich das FG Bremen v. 17.1.2008 – 4 K 168/07 (6), EFG 2008, 1282. 35 Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2008/2009: Aktuelle steuerrechtliche Beiträge, Referate und Diskussionen der 59. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung vom 5. bis 7.5.2008, Herne 2009. 36 Dazu Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Wien 2000, S. 58 ff., 117 ff.; s. a. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1982, S. 39 ff. 37 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Ertragsteuerrecht, in Verhandlungen des Vierzehnten Österreichischen Juristentags, 2000, S. 53 (70 f.). 38 Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (415). 39 Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 1987, S. 405 (417).
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deutlichen: der prinzipiengeleiteten Subsumtion, der Rechtfertigung eines Prinzipiennachrangs und der scheinbaren Prinzipienkollision. Aufwendungen, die ein Schulleiter anlässlich von Jubiläen, Verabschiedungen usw. von Kollegen tätigt, dienen keinen privaten Zwecken und haben keine Auswirkungen auf die private Lebenssituation des Schuldirektors. Trotzdem hat das FG Bremen einen Werbungskostenabzug untersagt, und zwar im Wesentlichen mit dem Argument, dass es sich dabei um „Ausdruck gesellschaftlicher Gepflogenheiten” handle und sich die „Zuwendungen nicht von dem persönlichen Verhältnis des Klägers zu den begünstigten Personen trennen” ließe40. Aber dieses Argument lässt sich auch gegen Zuwendungen von Arbeitgebern anlässlich von Jubiläen, Verabschiedungen usw. von Arbeitnehmern anführen41. Letztlich legt das Gericht unterschiedliche Maßstäbe an gleiche Aufwendungen an, je nachdem ob sie im Bereich selbständiger oder unselbständiger Arbeit anfallen42. Das Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigt indes eine solche Unterscheidung nicht. Auf den Grad der Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit der beruflich bedingten Aufwendungen (der im ArbeitgeberArbeitnehmerverhältnis höher sein mag) kommt es nicht an. Eine prinzipiengeleitete Subsumtion, also eine Auslegung, die sich am objektiven Nettoprinzip als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips orientiert, wäre zu einem anderen Ergebnis gekommen43. Die Rechtfertigung des Prinzipiennachrangs ist das Ergebnis einer Prinzipienkollision. Hier wird deutlich, dass sich Prinzipien im Steuerrecht in Argumentationsstrukturen wiederfinden, was bei einem bloßen Regelsystem nicht der Fall wäre. Ein Beispiel ist die Abschmelzregelung im neuen Erbschaftsteuergesetz. Ein Teil der nach dem Regeltatbestand geschuldeten Erbschaftsteuer bei Betriebsübergängen soll entfallen, wenn der Erbe bzw. Beschenkte den Betrieb sieben Jahre weiterführt und während dieser Frist keine Arbeitnehmer entlässt (sog. Lohnsummentest)44. Die Neuregelung weicht also bei der steuerlichen Behandlung von Betriebsvermögen vom Leistungsfähigkeitsprinzip ab und folgt einem völlig anderen Gestaltungsprinzip, das sich am Erhalt von Betrieben und Arbeitsplätzen orientiert. Die Prinzipien der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Besteuerung als Mittel der Arbeitsplatzsicherung kollidieren, und der Gesetzgeber muss abwägen und rechtfertigen, warum er seinem Lenkungskonzept gegenüber dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Ausdruck der steuerlichen Belastungsgerechtigkeit den Vorrang einräumt. Die Begünstigungen müssen aber geeignet sein, den Lenkungszweck zu erreichen, der Lenkungszweck muss gleichheitsgerecht ausgestaltet sein45, und die Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der
__________ 40 FG Bremen, EFG 2008, 1281 (1282). 41 BFH, VI R 48/99, BStBl. II 2003, 724. 42 Das klingt in der Entscheidung des FG Bremen auch ausdrücklich an, EFG 2008, 1282. 43 In dieser Richtung auch Siegers, EFG 2008, 1283 unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2008 – VI R 17/07, BStBl. II 2008, 234. 44 § 13a ErbStG (Neufassung). 45 BVerfGE 93, 121 (148); 99, 280 (296); 110, 274 (293); 116, 164 (182); 117, 1 (32).
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Leistungsfähigkeit darf nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen46. Es gibt erhebliche und berechtigte Zweifel daran, ob die Neuregelung diesen Anforderungen gerecht wird47. Die dritte Fallgruppe, die die Notwendigkeit von Prinzipien als Grundlage eines rationalen Argumentationsverfahrens verdeutlicht, ist die scheinbare Prinzipienkollision. Ich erläutere sie am Beispiel der Besteuerung von Abgeordneten. Abgeordnete haben bekanntlich nur ihre sog. Diäten zu versteuern (§ 22 Nr. 4 EStG), die sog. Aufwandspauschale, die zur Zeit rd. 45.000 Euro im Jahr ausmacht48, bleibt steuerfrei (§ 3 Nr. 12 EStG). Die Höhe der Pauschale fällt völlig aus dem Rahmen, was ein Abgeordneter typischerweise aufwendet (welchen Abgeordneten nimmt man überhaupt als Maßgröße?), so dass Typisierungsargumente und Pauschalierungsargumente die Steuerfreistellung nicht rechtfertigen können49. Vielfach wird versucht, sie mit dem Prinzip der Volkssouveränität zu rechtfertigen, dem gegenüber dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Vorrang einzuräumen sei50. Die Vertreter des Souveräns, als die sich die Abgeordneten sehen, hätten niemanden Rechenschaft abzulegen, auch und insbesondere nicht den Finanzbeamten darüber, welche Aufwendungen sie im Interesse des freien Mandats tätigten51. Es ist ziemlich offensichtlich, dass hier keine Prinzipienkollision vorliegt, eine solche also nur vorgeschoben wird, um eine Privilegierung zu rechtfertigen. Das geltende Steuerrecht lässt nur beruflich veranlasste Aufwendungen zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu. Soll diese Beschränkung Geltung erlangen, muss sie von der Finanzverwaltung wie jedes andere Recht, das Grenzen setzt, kontrolliert werden. Das Prinzip der Volkssouveränität rechtfertigt es nicht, dass sich Abgeordnete außerhalb der für alle geltenden Rechtsregeln stellen, ihnen also Aufwand in nicht typisierter Höhe zugerechnet wird, den sie nicht nachweisen müssen. Das freie Mandat kann durch die Einhaltung des (für alle anderen) geltenden Steuerrechts nicht gefährdet sein. 3. Wandel der Maßstäbe Prinzipien sind relativ, das „Pochen” auf Prinzipien deutet meist auf Spannungslagen hin, die in einem prinzipiengeleiteten System in bestimmten Abwägungsstrukturen aufzulösen sind. Hinter den Prinzipien stehen Wertvorstellungen. Werte in einer Rechtsordnung sind erst dann „wertvoll”, wenn sie jus-
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46 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 70. 47 Seer, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages am 5.3.2008 zur Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, S. 6 f. (www.bundestag.de/ausschuesse/a07/anhoerung/087/ Stellungnahmen/index. html); Schulte, FR 2008, 341 (348); Schulte/Birnbaum, DStZ 2007, 409 (414 f.); Viskorf, FR 2007, 624 (628); Birk/Pöllath, ZRP 2006, 209. 48 3782 Euro monatlich s. www.bundestag.de/mdb/mdb_diaeten/1334e.html, ergibt jährliche Pauschale von 45.384 Euro. 49 v. Arnim in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 48 Rz. 179 ff.; Stalbold, Die steuerfreie Kostenpauschale der Abgeordneten, 2004, S. 171, 192 ff. 50 Waldhoff, FR 2007, 225 f. 51 So der Abgeordnete Meister in einer Diskussion s. FR 2008, 691; Steuerberater Magazin 8/2008, S. 6.
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titiabel sind. Justitiabel sind sie nur, wenn sie eine gewisse Verbindlichkeit aufweisen. Verbindlichkeit weisen sie wiederum nur auf, wenn ihnen Maßstabscharakter zukommt. Fairness im Steuerrecht52 mag ein vernünftiger Grundsatz sein, rechtliche Bedeutung wird er nicht erlangen, weil er kein tauglicher Maßstab für hoheitliche Rechtsakte ist. Verbindliches Recht ist regelmäßig kodifiziertes Recht, verbindliche Werte drücken sich also in höherrangigen Rechtsnormen aus. Art. 134 WRV normierte den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als normatives Gebot: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.” Das Grundgesetz enthält keine Aussage über die Maßstäbe des Steuerrechts. Das ist erstaunlich, da das Steuerrecht finanzielle Belastungen verteilt und Belastungen besonders gerechtigkeitsempfindlich sind. Die Aussage des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, ist gerade für das Steuerrecht wenig hilfreich. Würde sie so verstanden, dass jeder die nominell gleiche Steuerlast zu tragen hätte (poll tax), würde dies als höchst ungerecht empfunden werden. Das BVerfG wendet deshalb den Gleichheitssatz „bereichsspezifisch” an53. In jahrzehntelanger Rechtsprechung hat das BVerfG den Gleichheitssatz im Steuerrecht in Konkretisierungsstufen entfaltet und dabei als erste Maxime das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als gleichheitsrechtliches Gebot formuliert: „Art. 3 Abs. 1 GG fordert steuerliche Lastengleichheit, also die im Belastungserfolg gleiche Besteuerung des gesetzlich bestimmten Steuergegenstandes (vgl. BVerfGE 84, 239 [271]; 96, 1 [6]; 99, 280 [289]). Die Besteuerung ist damit an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten (vgl. BVerfGE 61, 319 [343 f.]; 82, 60 [86]; 89, 346 [352]). Als horizontale Steuergleichheit gebietet der Gleichheitssatz, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 99, 246 [260]).”54 Der Maßstab des Gleichheitssatzes ist in hohem Maße für unterschiedliche gesetzgeberische Regelungsvorstellungen offen. Das BVerfG spricht von einem „weitreichenden Spielraum”, den der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes habe. Er sei „in der Gestaltung hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei”55. „Will er eine bestimmte Steuerquelle erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz solange nicht verletzt, wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen, insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Natur, beruht (vgl. BVerfGE 49, 343 [360]; 50, 386 [392]; 65, 325 [354]).”56 Sind also schon Prinzipien abwägungsoffen und entfalten nur begrenzte Bindungskraft, dann ist der Maßstab der Belastungsgleichheit, aus dem Prinzipien
__________ 52 53 54 55 56
Weber-Grellet, StuW 1999, 311 (316). BVerfGE 84, 239 (268). BVerfGE 105, 17 (46). BVerfGE 105, 17 (46). BVerfGE 105, 17 (46).
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erst entwickelt werden, noch weiter. Um nicht ganz ins Unverbindliche abzugleiten, behilft man sich mit einem weiteren Grundsatz, nämlich dem Grundsatz der Folgerichtigkeit. „Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit.”57 Folgerichtigkeit heißt, dass der Gesetzgeber Prinzipien in Konkretisierungsstufen zu verwirklichen hat, so dass sich die Ausgestaltung einzelner Regelungen auf Grundentscheidungen zurückführen lässt58. Beim Leistungsfähigkeitsprinzip bedient er sich hierzu Unterprinzipien wie des objektiven und subjektiven Nettoprinzips. Nach der Regelung des „Ausgangstatbestandes” habe der Gesetzgeber „die einmal getroffene Belastungsentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen”59. Das Gebot der Folgerichtigkeit lenkt den Blick auf die Strukturen der Rechtsordnung. Ein Handeln ist folgerichtig, wenn eine Grundentscheidung konsequent durchgeführt wird. Folgerichtig können auch verschiedene Grundentscheidungen sein, wenn sie in verschiedenen Teilsystemen, also Regelungsbereichen enden. Folgerichtigkeit erfordert also nicht unbedingt eine übergreifende Konzeption, sondern kann auch innerhalb einer höchst unterschiedlichen Normenstruktur eingehalten werden. Entscheidend ist aber, dass die unterschiedlichen Normstrukturen ein „Mindestmaß an Systemorientierung“ aufweisen60. Der Grundsatz der Folgerichtigkeit öffnet auf der einen Seite dem Gesetzgeber neue Spielräume, da er ihn nicht auf übergreifende Regelungskonzeptionen festlegt, andererseits zwingt er den Gesetzgeber zum strukturellen Denken. Denn folgerichtig ist ein Recht nur, wenn es Strukturen aufweist, wenn es zumindest in den Teilbereichen logisch aufgebaut ist. So hat mit der Einführung der Abgeltungsteuer ab dem Jahre 2009, der Gesetzgeber einerseits mit dem Prinzip der synthetischen Einkommensteuer gebrochen, andererseits hat er in einem Teilbereich neue Strukturen geschaffen, die ganz neuen Regeln folgen. Die Frage ist nicht, ob dieses Teilsystem mit dem Gesamtsystem der Einkommensteuer harmoniert – das tut es nicht –, sondern ob das Teilsystem in sich folgerichtig aufgebaut ist. Unterschiede in der Behandlung verschiedener Einkunftsarten sind zwar rechtfertigungsbedürftig. Kann der Gesetzgeber aber einen Rechtfertigungsgrund vorweisen, so kommt es nur noch darauf an, dass der Systemwechsel konsequent und in sich schlüssig ist61. Hier mag es
__________ 57 BVerfGE 110, 412 (433); ähnlich BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 57. 58 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 63. 59 BVerfGE 93, 121 (136); s. a. BVerfGE 99, 88 (959). 60 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 70. 61 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 80.
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ein Problem bei der Gleichbehandlung von Zinsen und Dividenden geben62, aber dafür lassen sich auch wieder sachliche Gründe anführen63. Schafft der Gesetzgeber ein neues Regelwerk, so bindet der Grundsatz der Folgerichtigkeit nicht an frühere Grundentscheidungen64. Gerade das Beispiel der Abgeltungsteuer zeigt, dass trotz der manchmal beschwörenden Bezugnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip die Wirkung verfassungsrechtlicher Maßstäbe zur Herausbildung eines Systems relativ gering ist. Wenn es um verschiedene Besteuerungssysteme geht, ist der Spielraum des Gesetzgebers sehr weit. Auch Systemdurchbrechungen werden toleriert, wenn sie nur plausibel begründet sind, wenn die kollidierenden Subsysteme folgerichtig strukturiert sind.
II. Das Dilemma des Gesetzgebers In einem Beitrag in der SZ vom 3.9.200865 vertraten die Politiker Steinbrück und Koch die Auffassung, dass die Reformfähigkeit des Staates gefährdet sei, sollte das BVerfG die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklären. Es gehe um die politische Glaubwürdigkeit des Subventionsabbaus, um die Fortsetzung der Haushaltssanierung und um die Erhaltung des finanzpolitischen Gestaltungsspielraums für zukünftige Generationen. An dem Beitrag wird die tiefe Kluft im Denken zwischen steuerpolitischen Akteuren und den Reformern deutlich, die sich um die Systematisierung des Steuerrechts und um Verwirklichung der Prinzipien bemühen. Unabhängig vom Standpunkt in der Sache ging es in den Positionen der Rechtsprechung um die Frage, ob die Abschaffung der Pauschale mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Einklang steht66. Nichts davon bewegte die beiden Steuerpolitiker in dem genannten Beitrag. Ihnen ging es um die 2,5 Mrd. EUR Mehreinnahmen und den dadurch gewonnenen finanziellen Handlungsspielraum. Welche Erwartungen stellen wir an das Steuerrecht? Sicher ist, dass Steuern den notwendigen Ertrag erbringen müssen, um die staatlichen Aufgaben finanzieren zu können. Zu dieser Aufgabenerfüllung soll jeder seinen gerechten Beitrag leisten. Aber darin erschöpfen sich die Erwartungen nicht: Zunehmend instrumentalisiert der Staat die Gestaltungseffekte der Steuern, versucht die Vermögensverteilung über die Steuern zu ändern, den Arbeitsmarkt zu beeinflussen, den Möglichkeiten der Verlagerung von Steuerquellen entgegenzuwirken. Die Erwartungen an das Steuerrecht sind so heterogen wie in keinem anderen Rechtsgebiet. Das führt in einen Teufelskreis der Komplizierung und Unübersichtlichkeit: Der Gesetzgeber, der seinen Gestaltungsspielraum nut-
__________ 62 Intemann, DB 2007, 1658 (1659 ff.), hält diese Gleichbehandlung für diskriminierend und verfassungswidrig. 63 Eckhoff, FR 2007, 989 (996). 64 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 80. 65 SZ Nr. 205, S. 7. 66 BFH v. 18.5.2007 – VI R 17/07, BStBl. II 2008, 234; FG BW v. 7.3.2007– 13 K 283/06, DStRE 2007, 583; FG Köln v. 29.3.2007 – 10 K 274/07, EFG 2007, 1090.
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zen will, gerät nicht nur immer mehr in den Konflikt mit verfassungsrechtlichen Maßstäben, sondern auch mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, die den internationalen Wettbewerb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die staatlichen Budgetinteressen schützen. Der Gesetzgeber gerät in ein Dilemma, dessen Ausweg noch nicht erkennbar ist. 1. Steuerrecht ist ertragsorientiert: Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und Sicherung des Steueraufkommens Primäre Funktion des Steuerrechts ist es, dem Staat Geldmittel zuzuführen. Aber das ist nur das Ergebnis, das sich in Haushaltszahlen niederschlägt, die sich wiederum am veranschlagten Bedarf orientieren. Für die Ertragsseite spielt es zunächst keine Rolle, ob die Belastung des einzelnen gerecht ist. Das Steuerrecht muss „funktionieren”, um mit möglichst wenig staatlichem Aufwand möglichst hohe Ergebnisse zu erzielen. Am besten funktionieren Steuern, die unmerklich sind, die also möglichst geringen Steuerwiderstand hervorrufen67. Das spricht für eine Verlagerung des Aufkommens von den direkten Steuern zu den indirekten Steuern. Die letzte Umsatzsteuererhöhung hat diesen Trend bestätigt. Aber das wirft nicht nur Gerechtigkeitsprobleme auf, weil diese Steuern nicht an die individuelle Leistungsfähigkeit anknüpfen, sondern es hat auch negative Auswirkungen auf das Konsumverhalten, weil sich die Preise verteuern. Das wiederum schädigt die Wirtschaft und ruft Ausweichverhalten hervor (z. B. Tankstellenstaus in Österreich aufgrund höherer Mineralölsteuer in Deutschland), das den Staat leer ausgehen lässt. Der Gesetzgeber ist also, ob er will oder nicht, auf ein Steuersystem verwiesen, welches auf mindestens so viel Akzeptanz stößt, dass der Steuerpflichtige nicht das Land verlässt, die Steuerquellen verlagert oder seinen Konsum außerhalb des Landes tätigt. Sobald der Staat aber versucht, Steuerquellen im Inland zu sichern, stößt er auf neue Grenzen, die nicht im Verfassungsrecht, sondern im Europarecht angesiedelt sind. Der Gestaltungsspielraum, dessen er sich als Souverän von Verfassungs wegen so sicher fühlte, ist plötzlich durch den Einfluss einer supranationalen Rechtsordnung eingeschränkt. Damit sind ganz neuartige Konflikte vorprogrammiert. Der das Budget planende Staat, der verständlicherweise das Steuerrecht von seinem wirtschaftlichen Ergebnis her betrachtet, wird misstrauisch, wenn es die erwarteten Ergebnisse nicht bringt. Von diesem Misstrauen ist es nur ein kleiner Schritt zum Vorwurf des Missbrauchs, dem sich der Steuerpflichtige schnell ausgesetzt sieht, wenn er versucht, durch Gestaltungen seine Steuerlast zu minimieren. Je internationaler das Wirtschaftsleben wird, desto mehr Möglichkeiten bieten sich, da sich der Steuerpflichtige die Vorteile verschiedener Rechtsordnungen zunutze machen kann. Das Dilemma, das sich aus dem Zwang des Staates, einerseits Budgetsicherung zu betreiben, andererseits die Freiräume des Bürgers zu sichern, ergibt, ist un-
__________ 67 Adam Smith, Wohlstand der Nationen, 5. Aufl. 1789, Neudruck 2005, S. 704.
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übersehbar. Klassischerweise versucht der Staat, Auswüchse dieser Freiheit – oder was er dafür hält – durch Missbrauchsvorschriften zu bekämpfen. Die wechselvolle Geschichte des § 42 AO und dessen Auslegung zeugt davon68. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 42 AO ist der Gesetzgeber dazu übergegangen, besondere Missbrauchsvorschriften zu schaffen, was aber neue Probleme hervorrief, da bei Nichteingreifen der Sondernorm (lex specialis) plötzlich der Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift verwehrt war69. Das Problem wird durch die Einräumung der europäischen Grundfreiheiten verstärkt. Sie eröffnen dem Bürger neue Möglichkeiten, dem Zugriff des Steuerstaats zu entkommen und bringen damit gleichzeitig die steuerlichen Regelungen in ein „Wettbewerbsverhältnis”, welches den hochentwickelten Sozialstaat in die Defensive drängt. Budgetsicherungsmechanismen, die bisher funktioniert haben, laufen plötzlich leer. Nichtanerkennung von Einkommensverlagerungen in andere Staaten etwa durch Gesellschafterfremdfinanzierung (Lankhorst-Hohorst)70, Versagung der Verlustberücksichtigung über die Grenze (Marks & Spencer, Lidl)71, Nichtanerkennung ausländischer Körperschaften durch Hinzurechnungsbesteuerung (Cadbury Schweppes)72, Erfassung unrealisierter Werte bei Wegzug (Lasteyrie du Saillant)73 sind Versuche des Gesetzgebers, der Erosion des Steueraufkommens zu begegnen. Der EuGH hat die staatliche Budgetsicherung grundsätzlich nicht als Rechtfertigung der Diskriminierung anerkannt. Die Ausnutzung unterschiedlicher steuerlicher Bedingungen und Steuersätze in der Gemeinschaft durch den Steuerpflichtigen kann einen Missbrauchsvorwurf nicht begründen74. Allerdings hat der EuGH neuerdings die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis als Rechtfertigungsüberlegung herangezogen75. 2. Maßstäbe schaffen noch keine Ordnung In der Regel sind es die Gerichte, die Maßstäbe prüfen und anwenden. Führt diese Prüfung zur Annahme eines Verfassungsverstoßes, haben sie die Norm nach Art. 100 GG dem BVerfG vorzulegen. Maßstäbe bewähren sich also im Einzelfall, und es ist Sache des BVerfG, ihnen eine Prägung zu verleihen, die über den Einzelfall hinausgeht. Aber selbst wenn das BVerfG dies tut und „Maßstäbe setzt”76, zeigt sich in der dann nachfolgenden Gesetzgebungspraxis immer wieder, wie wenig durchsetzungsstark sie sind, da es regelmäßig zum Konflikt mit divergierenden Gruppeninteressen kommt.
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68 69 70 71 72 73 74 75 76
Drüen in Tipke/Kruse, AO, Vor § 42 Tz. 1. Dazu Drüen in Tipke/Kruse, AO, Vor § 42 Tz. 13. EuGH, Rs. C-324/00 v. 12.12.2002 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779–11817. EuGH, Rs. C-446/03 v. 13.12.2005 (Marks & Spencer), Slg. 2006, I-10837–10886; EuGH, Rs. C-414/06 v. 15.5.2008 (Lidl Belgium), ABl EU 2008, Nr. C 171/6. EuGH, Rs. C-196/04 v. 12.9.2006 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995–8054. EuGH, Rs. C-9/02 v. 11.3.2004 (Lasteyrie du Saillant), Slg. 2004, I-2409–2460. Dazu Hey, FR 2008, 1033 (1037). EuGH, Rs. C-446/03 v. 13.12.2005 (Marks & Spencer), Slg. 2006, I-10837–10886. Dazu jüngst die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Pendlerpauschale, BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74.
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Das beste Beispiel hierzu aus jüngster Zeit ist die Reform der Erbschaftsteuer. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 7.11.200677 das damals geltende Erbschaftsteuerrecht wegen der grob unterschiedlichen Bewertung der einzelnen Vermögensarten für verfassungswidrig erklärt. Es hat bei der Entwicklung gleichmäßiger Maßstäbe drei Ebenen unterschieden: die Ebene der Bewertung, die Ebene der Bemessungsgrundlage und die des Tarifs. Auf der Ebene der Bewertung hat sich der Gesetzgeber strikt an dem gemeinen Wert (Verkehrswert) auszurichten78. Auf der Ebene der Bemessungsgrundlage kann der Gesetzgeber jedoch zu Lenkungszwecken Steuerverschonungen, also Durchbrechungen der Belastungsgleichheit, zulassen, die dann allerdings der strengen Prüfung am Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegen79. Und schließlich darf sich die Tarifbelastung am Verwandtschaftsgrad und der Höhe der Bereicherung orientieren80. Die Verschonung auf der Ebene der Bemessungsgrundlage hat der Gesetzgeber in der Reform so umfangreich ausgestaltet, dass weite Teile des Betriebsvermögens und des privaten Grundvermögens unter bestimmten Voraussetzungen, die der Steuerpflichtige gestalten kann, völlig steuerfrei übertragen werden können81. Die steuerliche Regelbelastung, deren Herstellung Ausgangspunkt der Überlegungen des BVerfG war, wird im neuen Erbschaftsteuergesetz zur Ausnahme. Die wirtschaftliche Bereicherung als Anknüpfung steuerlicher Belastung wird zum Spielball der Steuerplanung, Steuerzahlung ist nicht mehr die Folge eines Zuwachses an Leistungsfähigkeit, sondern Folge ungeschickter rechtlicher Gestaltung des Vorgangs des Vermögensübergangs. Die Grundidee der Entscheidung des BVerfG, nämlich Schaffung von Belastungsgerechtigkeit durch Setzung von Maßstäben wird völlig verfehlt, ja geradezu pervertiert. Maßstäbe sind – wie dieses Beispiel eindringlich zeigt – keine Ordnungsmuster, sie können aus sich heraus keine Ordnung hervorbringen. Wenn der Gesetzgeber behauptet, er habe sich durch Schaffung einheitlicher Bewertungsmaßstäbe an die Maßstäbe des BVerfG gehalten, so zeigt dies die Orientierungslosigkeit der Gesetzgebung. Denn wenn auch die massive Verschonung der Vermögensübertragung „erst” im zweiten Schritt erfolgt, so wird doch damit der die verfassungsgerichtliche Entscheidung tragende Grundgedanke der Belastungsgerechtigkeit strukturell verfehlt, weil die Neuregelung das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung völlig aus den Augen verloren hat.
__________ 77 BVerfGE 117, 1. 78 BVerfGE 117, 1 (Leitsatz 2): „Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss … einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein.” 79 BVerfGE 117, 30 ff. (69). Zu den Rechtfertigungsvoraussetzungen von Lenkungsnormen: Birk, Steuerrecht, 11. Aufl. 2008, Rz. 203 ff. 80 BVerfGE 93, 165 (174 f.). 81 Bei einer Haltefrist von 7 bzw. 10 Jahren werden 85 % bzw. 100 % des Betriebsvermögens erbschaftsteuerrechtlich verschont, wenn das Vermögen nicht zu mehr als 50 % bzw. 10 % aus Verwaltungsvermögen besteht und eine bestimmte Lohnsumme erreicht wird, §§ 13a, 13b ErbStG (Neufassung) (Alternative Verschonungsmodelle). Wohnimmobilien können bei 10-jähriger Selbstnutzung durch den Erben steuerfrei übertragen werden, § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG (Neufassung).
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3. Die Reichweite von Prinzipien „Ausnahmen bestätigen die Regel”. Prinzipien können durchbrochen, der Politiker sagt auch „modernisiert” oder den „Gegebenheiten angepasst” werden (s. oben I. 2.). In der Sache wird damit nur kaschiert, dass Prinzipien missachtet werden82. Aus Gründen politischer Opportunität wird unsystematisches Recht geschaffen. Prinzipien haben in der Praxis der Steuergesetzgebung eine geringe Reichweite, sie können das Steuerchaos nicht vermeiden. Wirksam gegengesteuert werden kann nur, wenn an die Prinzipiendurchbrechung hohe Rechtfertigungsanforderungen gestellt werden83. Prinzipien sollten nur bei Kollisionslagen oder bei gewichtigen sachlichen Gründen durchbrochen werden. In beiden Fallgruppen sind Abwägungen vorzunehmen. Zur ersten Gruppe (Vorrang eines gegenläufigen Prinzips) zählt z. B. die Beschränkung der Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers. Das Abzugsverbot der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer vermeidet das Eindringen in den besonders geschützten häuslichen Bereich, was aber zur Herstellung der gleichmäßigen Besteuerung erforderlich ist, da die Anerkennung nicht von der bloßen Deklaration als Arbeitszimmer abhängen darf84. Insoweit dient die Versagung der Abziehbarkeit der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs in einem besonders missbrauchsanfälligen und kaum kontrollierbaren Bereich. Der Gesetzgeber nimmt Verstöße gegen das objektive Nettoprinzip um des Prinzips eines praktikablen Verwaltungsvollzugs in Kauf, was gerechtfertigt ist, da er eine flächendeckende Kontrolle solcher im „häuslichen Zusammenhang”, also in der Nähe zur privaten Lebensführung stehender Aufwendungen ohnehin nicht sicherstellen könnte85. Schwierig sind die Abwägungsvorgänge in der zweiten Gruppe der Prinzipiendurchbrechung aufgrund eines sachlichen Grundes. Wann ist dieser so gewichtig, dass er die Durchbrechung rechtfertigen kann? Der Gesetzgeber sollte jedenfalls nicht jeden beliebigen Grund als Rechtfertigung anerkennen, wie dies vielfach der Fall ist. Vielmehr sollte er eine Wertung vornehmen, in die insbesondere verfassungsrechtliche Wertvorstellungen einfließen. Gerechtfertigt ist danach der Spendenabzug nach § 10b EStG86, während für die Mehrzahl der Steuerbefreiungen des § 3 EStG oder die Privilegierung bestimmter Einkünfte im Bereich der Einnahmen (steuerfreie Lohnzuschläge, § 3b EStG) oder Ausgaben (volle Abziehbarkeit der Werbungskosten bei geminderter Miete, § 21 Abs. 2 EStG87) gewichtige sachliche Gründe nicht angeführt werden können. Ob die jüngste Entscheidung des BVerfG zur Kilometerpauschale („Aus-
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82 Hey, FR 2008, 1033. 83 So auch der Ansatz in der Entscheidung des BVerfG zur Abschaffung der Pendlerpauschale, BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 57. 84 BVerfGE 101, 297 (311). 85 Dagegen Broudré in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Anm. 1493, die die Norm als Vereinfachungsnorm für ungeeignet hält. 86 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 1 Rz. 65 ff.; Geserich in K/S/M, § 10b Anm. A 447. 87 Dazu jüngst Ch. J. Müller, Einnahmenverzicht im Einkommensteuerrecht durch verbilligte Wohnungsvermietung an Anghörige, Diss. Münster 2008 (erscheint 2009).
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nahmen … bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes …“)88 eine Wende in der Gesetzgebung bewirken wird, ist schwer abzusehen, wäre aber zu wünschen.
III. Strukturen Steuerrecht besteht mehr und mehr aus Segmenten, die immer weniger zueinander passen. Wer Ordnung schaffen will, wird diesen Befund anerkennen müssen. Einheitliche Steuersysteme „aus einem Guss“, die sich durchgehend an bestimmten Maßstäben ausrichten, wird es nicht geben. Bisher sind alle Reformentwürfe, die mit dieser Vorstellung angetreten sind, gescheitert. Schon viel gewonnen wäre daher, wenn Teilrechtsgebiete strukturell bereinigt würden, wenn die Normstrukturen unabhängig von ihrer Einpassung ins Gesamtsteuersystem folgerichtig und widerspruchsfrei wären. 1. Prinzipien haben Leitfunktion Verständliches Recht hat klare Strukturen und ist keine bloße Ansammlung verschiedener Regelungen, kein Wust an Regeln, Ausnahmen und Rückausnahmen. Vor allem Klaus Tipke hat in zahllosen Veröffentlichungen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entfaltet, in seinem 1971 erschienen Aufsatz „Steuerrecht – Chaos, Konglomerat oder System?” hat er vor der Systemlosigkeit gewarnt89. Wenn die Systemwidrigkeit zur „Systemhaftigkeit” erwachse, dann sei dies nur eine Anhäufung von Ungerechtigkeiten, die sich nicht zu einer „generellen Gerechtigkeit” zusammenfügen lasse. Prinzipien müssen eine Leitfunktion für die Schaffung und Änderung geltenden Rechts entfalten, nur so kann das Recht auch dauerhafte Akzeptanz einfordern. Prinzipien müssen „übersetzt“ werden, d. h. sie bedürfen der konsequenten Konkretisierung durch Unterprinzipen, die sich zumindest als plausible Ausprägungen des Grundprinzips (Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit) erklären lassen. Prinzipien sollen die Strukturen prägen und die steuerpolitische Diskussion an Werte binden. Geht diese Prägekraft verloren, droht Orientierungslosigkeit und Chaos. Nirgendwo wird das besser deutlich als im Reformgesetz zur Erbschaftsteuer. So ist die erbschaftsteuerliche Freistellung von vererbten Betrieben ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, welches gleiche Besteuerung des Leistungsfähigkeitszuwachses aufgrund Vererbung oder Schenkung fordert. Die Durchbrechung dieses Prinzips bedarf der Rechtfertigung. Die ursprüngliche Idee, Arbeitsplätze schaffende Familienunternehmen bei der Unternehmensnachfolge zu begünstigen, ist im Zuge der Reform zunehmend in den Hintergrund geraten und wurde überlagert von interessengeprägten Verschonungskonzepten. Immer mehr gewann man in der steuerpolitischen Diskussion den Eindruck, dass sich die Verhältnisse umgedreht haben und sich derjenige rechtfertigen muss, der
__________ 88 BVerfG v. 9.2.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 56. 89 Tipke, StuW 1971, 2 ff.
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Ordnungsmuster im Steuerrecht – Prinzipien, Maßstäbe und Strukturen
für eine gleichmäßige Belastung der Erben von Betriebsvermögen eintritt. Die Reform dieses steuerrechtlichen Teilgebiets ist nicht prinzipiengeleitet, sondern vielmehr von steuerpolitischen Gestaltungsvorstellungen geprägt, die überzeugenden und widerspruchsfreien Rechtsstrukturen zuwider laufen. Das neue Erbschaftsteuerrecht ist nicht vom Grundsatz gleichmäßiger Belastung getragen, sondern es ist gekennzeichnet von willkürlichen Sonderbelastungen (vor allem in der Steuerklasse II und III, aber auch bei Verfehlen der Verschonungsoptionen) gekennzeichnet, so dass hierauf der Satz Tipkes zutrifft: „Ein Gesetzgeber, der zur Fütterung des Haushalts bald diese, bald jene Gruppe sonderbelastet, verhält sich leider wie ein Räuber, der nach Bedarf und Gelegenheit bald diesen, bald jenen anfällt.“90 2. Strukturen haben Ordnungsfunktion Prinzipien ohne Umsetzung in Rechtsstrukturen bleiben „Spielmaterial” für politische Lippenbekenntnisse. Erst die Normstrukturen zeigen, was die Prinzipien wirklich wert sind. Erst die Strukturen schaffen die konkrete Ordnung, die im Steuerrecht Voraussetzung für Akzeptanz und Einsicht des einzelnen in die Notwendigkeit seines Beitrags ist. Strukturen setzen Prinzipien voraus, sie müssen vermitteln, wie sie die Prinzipien umsetzen oder warum sie in bestimmten Bereichen den Prinzipien nicht folgen. Deutschland hat wie alle anderen Staaten ein Vielsteuersystem, welches vor allem die Entstehung von Leistungsfähigkeit (durch Einkommen oder Vermögensübertragung) oder die Verfügung über Leistungsfähigkeit (durch Konsum oder Vermögensverwertung) besteuert. Beide Anknüpfungsbereiche für die Besteuerung weisen erhebliche strukturelle Mängel auf. Die wichtigste Steuer auf den Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen, die Umsatzsteuer, ist zerklüftet, aber Abhilfe im Rahmen nationaler Gesetzgebung ist nicht mehr möglich, da dieses Rechtsgebiet nahezu vollständig durch europäisches Rechtlinienrecht vorgeprägt ist91. Überkommene Ordnungsmuster im Einkommensteuerrecht befinden sich in Auflösung. Aber auch dieser Auflösungsprozess muss „geordnet” und strukturiert erfolgen, soll nicht ein Chaos entstehen. Der Gesetzgeber hat ab dem 1.1.2009 das System des synthetischen Einkommensbegriffs durchbrochen und ein neues Regelungsregime der Abgeltungssteuer geschaffen. Auch wenn dieser Wechsel in einem Teilbereich des Einkommensteuerrechts einen Bruch im Gesamtsystem herbeiführt, so ist verfassungsrechtlich hiergegen nichts einzuwenden, wenn die neuen Regelungen für den klar abgegrenzten Bereich durchdacht, folgerichtig und widerspruchsfrei gestaltet wurden92. Auch eine duale Einkommensteuer wäre verfassungsrechtlich zulässig, es kommt nur darauf an, dass die Teilstrukturen folgerichtig
__________ 90 Tipke, DB 2008, I. 91 Dazu Kirchhof, DStR 2008, 1 ff.; Kirchhof hat jüngst auch einen Reformvorschlag vorgelegt: Umsatzsteuergesetzbuch, 2008. 92 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 80.
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sind93. Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, das Nettoprinzip durchgehend dem Einkommensteuerrecht als Strukturmerkmal zugrunde zu legen94. Aber er kann auch nicht willkürlich vorgehen, etwa wenn Fahrtkosten zum Arbeitsplatz einerseits nicht abzugsfähig, andererseits (ab dem 21. Kilometer) doch wieder abzugsfähig sein sollen. Das BVerfG fordert bei der Durchbrechung von Prinzipien, denen – wie beim objektiven Nettoprinzip – eine Leitfunktion zukommt, ein „Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung“95, die die Neuregelung des § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 ESG nicht aufwies. Erhebliche strukturelle Mängel weist auch die Gewerbesteuer auf, die nur eine besondere Gruppe belastet und für die es außer dem Finanzbedarf der Kommunen keine sachliche Rechtfertigung gibt. Sie belastet nur bestimmte Einkünftebezieher und verfehlt auch in ihrer Ausgestaltung grundlegend die Erfordernisse steuerlicher Gleichbehandlung96. Durch die (strukturell ebenfalls mangelhafte) Anrechung ist sie teilweise in der Einkommensteuer aufgegangen oder wird gedanklich (was die Belastungsfolgen betrifft) der Körperschaftsteuer zugerechnet. Die Gewerbesteuer ist wie die neue Erbschaftsteuer ein Musterbeispiel orientierungsloser, strukturell verfehlter und nur an politischen Opportunitätsgründen orientierter Gesetzgebung, „die zu ungerechtfertigten Über- und Unterentlastungen führt“97. Hätte das BVerfG in der Entscheidung vom 21.6.200698 die gleichen Rechtfertigungsanforderungen wie neuerdings bei der Abschaffung der Kilometerpauschale99 angestellt, hätte es der Vorlage des BFH stattgeben müssen. Ordnungsmuster, die Rechtsgebiete prägen, müssen also nicht alle mit der gleichen Intensität prinzipienorientiert sein. Einfachheit, Sicherung des Steueraufkommens, volkswirtschaftliche Rücksichtnahme können Regelungsregime erfordern oder nahe legen, die unterschiedlichen Ordnungsmustern folgen. Aber auch diese Teilgebiete müssen nachvollziehbar, begründbar, folgerichtig aufgebaut und – wenn auch nach abweichenden Regeln – an der Grundidee der Belastungsgerechtigkeit orientiert sein. Sind sie das nicht, entfalten sie keine Ordnungsfunktion, die jedem Recht, auch dem Steuerrecht immanent sein sollte. Statt Ordnung entsteht Chaos und Willkür. Besteuerungsergebnisse werden Zufallsergebnisse, die das Gerechtigkeitsempfinden der Steuerbürger verletzen, Korrekturen hervorrufen, die Komplizierung verschärfen, die Akzeptanz schwächen und der (Steuer-)Rechtskultur insgesamt schaden100.
__________ 93 Dazu Meyer-Sandberg, Die Duale Einkommensteuer als Modell ungleicher Besteuerung von Arbeit und Kapital, 2008, S. 133 ff., 258 ff. 94 Das BVerfG hat erneut offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip ein Verfassungsprinzip ist, BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 63. 95 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 81. 96 Hey, DStJG 24 (2001), 155 (204 ff.). 97 Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl. 2008, § 35 Rz. 29; s. a. Kathstede, Die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer und das Modell der kommunalen Einkommenund Gewinnsteuer (BDI/VCI-Modell), 2008, S. 25 ff. 98 BVerfGE 116, 164 ff. 99 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 Rz. 56 ff. 100 Dazu K. Vogel, Der Verlust des Rechtsgedankens im Steuerrecht als Herausforderung an das Verfassungsrecht, in DStJG 12 (1989), S. 123 ff.
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Alfons Kühn/Harald Hendel/Jens Gewinnus/ Alexander Neeser/Brigitte Neugebauer/Bianca Blottko
Steuerrechtsprechung und was der Gesetzgeber daraus macht Inhaltsübersicht I. Rechtsformneutrale Besteuerung durch Tarifbegrenzung nach § 32c EStG: BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96; BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99
VI. Wegzugsbesteuerung/Entstrickung/ Niederlassungsfreiheit: EuGH v. 11.3. 2004 – Rs. C-9/02 – Lasteyrie du Saillant
II. Besteuerung von Beteiligungserträgen aus dem EU-Ausland: EuGH v. 7.9. 2004 – Rs. C-319/02 – Petri Mikael Manninen und v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke
VII. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 – 14 AStG bei beherrschten ausländischen Gesellschaften: Urteil des EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes
III. Die Steuerfreiheit des Existenzminimums: Urteil des BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5, 9, 14/91 IV. Steuerliche Absetzbarkeit von Berufsausbildungskosten: Urteile des BFH v. 4.12.2002 – VI R 120/01, und v. 17.12.2002 – VI R 137/01
VIII. Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen: BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91 und v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 IX. Vorsteuerabzug aus Bewirtungsaufwendungen: BFH v. 10.2.2005 – V R 76/03
V. Die steuerliche Gleichbehandlung von gesetzlichen Renten und Pensionen: BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99
Der Jubilar ist eine herausragende Persönlichkeit der Steuerrechtspflege. Wichtige, wegweisende Entscheidungen in Unternehmen, bei Gerichten und in der Politik wurden und werden von seinem sicheren Rechtsgefühl geprägt. Für die Fragen, wie weit darf der Steuerstaat gehen und wo beginnt der freiheitsrechtlich geschützte private Verfügungsbereich, hat Harald Schaumburg eine große Sensibilität entwickelt. Achtung und Akzeptanz bei Mandanten, in Politik, Steuerverwaltung, bei Gerichten und ebenso in Wirtschaft und Wissenschaft – national und international – sind der Lohn. Dem Gesetzgeber hat er als Mitglied der „Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung“1 in den Jahren 1998/99 mit den „Brühler Empfehlungen“ große Dienste erwiesen und die Steuergesetzgebung in eine europafreundliche Richtung gelenkt. Den respektvollen Umgang mit der Rechtsprechung
__________ 1 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmungsbesteuerung, Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 66.
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hat der Jubilar in der Reformkommission vehement eingefordert und in einer Form durchgesetzt, die der überhasteten Steuergesetzgebung der Gegenwart besonders gut tun würde. Darum geht es hauptsächlich bei den nachfolgenden Ausführungen. Besonders hervorzuheben ist auch, dass der Jubilar praktisch im Alleingang ein Modell für eine Sondertarifierung nicht entnommener Gewinne in Höhe des Körperschaftsteuersatzes entwickelte. Als sich die „Brühler Kommission“ mit der Frage befasste, wie Personenunternehmen, die sich nicht in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft organisieren können oder wollen, in ähnlicher Weise wie Kapitalgesellschaften an der abgesenkten Unternehmensbesteuerung teilhaben können, ohne in die rechtlichen Strukturunterschiede zwischen Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Einzelunternehmen einzugreifen, wies Harald Schaumburg einen präzisen Weg2. Sein Vorschlag zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne sollte für Personenunternehmen optional das für Kapitalgesellschaften entwickelte Konzept der Definitivbelastung mit Anteilseigner-Entlastung öffnen. Bei Entnahme sollte die Nachversteuerung der Gewinne nach Maßgabe des individuellen Einkommensteuersatzes erfolgen. Der Gesetzgeber konnte sich dazu in den Jahren 1999/2000 noch nicht durchringen. Es hat bis ins Jahr 2007 gedauert, bis mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.20073 die Idee des Jubilars für eine „Begünstigung nicht entnommener Gewinne“ in leider unvollkommener Form des aktuellen § 34a EStG Eingang in die Unternehmensbesteuerung gefunden hat. Die folgende Abhandlung stellt sich anhand einiger Gerichtsentscheide exemplarisch der Frage, ob und wie rechtlicher Rat zu politischen Entscheidungen führt. Es ist eine Gemeinschaftsarbeit des Bereichs Finanzen, Steuern des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Die Kolleginnen und Kollegen beehren den Jubilar und zeigen, dass sich der steuersystematische Kern der Urteile nur selten in der politischen Umsetzung durch den Gesetzgeber wiederfindet.
I. Rechtsformneutrale Besteuerung durch Tarifbegrenzung nach § 32c EStG: BFH v. 24.2.1999 – X R 171/964; BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/995 Als sich die „Brühler Kommission“ mit der Rechtsformneutralität der Besteuerung für Personenunternehmen befasste, lag es nahe, den Sondersteuersatz nach § 32c EStG von damals 42 v. H. auf 35 v. H. für gewerbesteuerlich vorbelastete Gewinne abzusenken und die Tarifsenkung (optional) auf freie Berufe und die Land- und Forstwirtschaft auszudehnen. Denn die mit dem Gesetz zur
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Modell 2, BMF-Schriftenreihe Heft 66, S. 19 f., 82 ff. BGBl. I 2007, 1912. BStBl. II 1999, 450 ff. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116/164 ff.
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Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.19936 eingeführte partielle Einkommensteuersenkung für Personenunternehmen zielte darauf ab, die Grenzsteuerbelastung für gewerbliche Einkünfte zu begrenzen. Damit wurde erreicht, dass die Spreizung zwischen Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerhöchstsatz vermindert und die Rechtsformneutralität verbessert wurde. Die „Brühler Kommission“ musste jedoch einen anderen Weg gehen. Mit dem Vorlagebeschluss, vom 24.2.1999 hatte der BFH Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG angemeldet. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob die einkommensteuerliche Tarifbegrenzung zur Milderung der Ertragsteuerbelastung auf gewerbliche Einkünfte, die der Gewerbesteuer unterlagen, beschränkt werden darf oder ob der Gleichheitssatz des Art: 3 Abs. 1 GG verlangt, die Tarifbegrenzung auch auf ausgeschüttete GmbH-Gewinne auszudehnen, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung bei der GmbH der Gewerbesteuer unterlagen. Der X. Senat vertrat anders als die Vorinstanz7 die These, die Norm sei verfassungswidrig. Eine unterschiedliche steuerliche Belastung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, auf welche der „zählbar gemachte Belastungsgrund“ abzielt, durchbreche eine vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit. Aus dem Gebot der Folgerichtigkeit ergebe sich, dass für Abweichungen erhöhte Begründungsanforderungen gelten. Diese seien nicht zu erkennen. Argumente für die Verfassungskonformität der Norm hatte der BFH in dem Vorlagebeschluss nur erwähnt, jedoch nicht vertieft. Insbesondere wurde nicht gewürdigt, dass die Norm typisierend unterstellt, dass ein Teil der vorbelasteten Einkünfte thesauriert und ein anderer Teil ausgeschüttet wird. Das BVerfG korrigierte mit Beschluss vom 21.6.2006 den BFH und stellte fest, dass keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch § 32c EStG vorlag. In dieser Entscheidung bestätigte das BVerfG, dass bezogen auf die gesetzgeberischen Zielsetzungen auch gröbere Typisierungen bei der Ausgestaltung zulässig sind, die die Zusatzbelastung mit der Gewerbesteuer berücksichtigen sollen. Außerdem liefert die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft gegenüber dem Anteilseigner einen hinreichenden sachlichen Grund für eine unterschiedliche Besteuerung. Die Entscheidung aus Karlsruhe kam leider für die Reformgesetzgebung zu spät. In den Jahren 1999/2000 hatte sich der Gesetzgeber bereits für die in der Reformkommission als Modell 38 empfohlene Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung in Form einer pauschalen Steuerermäßigung entschieden. Das Modell wurde in § 35 EStG aufgenommen. Es sieht eine pauschale Minderung der auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entfallenden tariflichen Einkommensteuer vor. Parallel dazu ist die Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften (§ 32c EStG – alt) entfallen.
__________ 6 FKPG, BGBl. I 1993, 944. 7 FG BW v. 20.9.1996 – 9 K 195/96, FR 1997, 308. 8 BMF-Schriftenreihe, Heft 66, 20.
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Das Modell ist in der Ausprägung von § 35 EStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 bestätigt worden. Inzwischen hat der BFH mit Urt. v. 23.4.2008 – X R 32/069 eine bislang offene Flanke geschlossen: Der Verfall von Anrechnungsüberhängen bei der Gewerbesteuer ist verfassungsgemäß. Die Forderungen nach Festsetzung einer negativen Einkommensteuer mit Erstattung oder Einführung einer Vor- bzw. Rücktragsregel können zwar wirtschaftlich und politisch weiter erhoben werden. Die rechtliche Begründung hat jedoch an Kraft eingebüßt. Die pragmatische Verrechnungsnorm wird deshalb wie die Gewerbesteuer selbst noch eine längere Lebensdauer haben.
II. Besteuerung von Beteiligungserträgen aus dem EU-Ausland: EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Petri Mikael Manninen10 und v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke In beiden Entscheidungen stellt der EuGH fest, dass die Versagung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die persönliche Einkommensteuer gegen die Kapitalverkehrsfreiheit in der EU verstößt. Die Staaten Finnland und Deutschland werden sogar verpflichtet, die Anrechnung über die Grenze zu gewähren. Beide Entscheidungen sind für die betroffenen Steuerpflichtigen vorteilhaft. Sie bringen jedoch den öffentlichen Haushalten erhebliche Einnahmerisiken11. In Deutschland hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die vom EuGH nicht anders erwarteten Urteile bereits mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.10.200012 reagiert und das Körperschaftsteuer-Vollanrechnungsverfahren durch das Halbeinkünfteverfahren abgelöst. Die „Brühler Kommission“ hatte unter Mitwirkung des Jubilars die entscheidende Vorarbeit geliefert. Die von „Manninen“ und „Meilicke“ befürchteten Fiskal-Effekte prägten aber auch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.200713 und viele weitere Steuerrechtsänderungen, die möglicherweise in der nächsten BT-Wahlperiode wieder revidiert werden müssen. Die Überbetonung der Gewerbesteuer bei der Unternehmensbesteuerung gehört dazu. Der rot-grünen Bundesregierung und ihrem Finanzminister Hans Eichel hatte man eine solch wegweisende Steuerreform im Jahr 2000 mit deutlich niedrigeren Tarifen i. H. v. 25 % in der Körperschaftsteuer und max. 42 % in der Einkommensteuer nicht zugetraut; die Kritik hat lange, bis in die 15. Wahlperiode angehalten. Sie entzündete sich vor allem an der Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens und an den Übergangsbestimmungen vom komplizierten alten zum wesentlich einfacheren neuen Recht.
__________ 9 BFH v. 23.4.2008 – X R 32/06, BStBl. 2009, 7. 10 ABI. C-262/4 vom 23.10.2004, 4. 11 Mitschke verlangt nicht zuletzt wegen „Meilicke“ die Nichtanwendung der EuGHRechtsprechung im Bereich der direkten Steuern, NWB Fach 2, 9805–9808. 12 Umsetzung der „Brühler Empfehlungen“, BGBl. I 2000, 1433. 13 BGBl. I 2007, 1912.
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Unbestritten waren die Vorteile des Vollanrechnungsverfahrens bei reinen Inlandssachverhalten wie etwa die Vermeidung einer steuerlichen Doppelbelastung, Rechtsform-, Gewinnverwendungs- und Finanzierungsneutralität. Diese Vorteile hatten 78 Universitätsprofessoren veranlasst, das Anrechnungsverfahren in einem öffentlichen Aufruf14 gegen eine „unbedachte Reform“ zu verteidigen. Die gravierenden Schwächen15 wie Komplexität, Missbrauchsanfälligkeit, Zerlegungsprobleme auf die beteiligten Steuergläubiger und insbesondere die Probleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten inklusive der Haushaltsrisiken wurden allerdings zu wenig gewichtet. Das Halbeinkünfteverfahren löste ab 2001 die Vollanrechnung ab. Es war von der Idee des österreichischen Doppel-Halbsatzverfahrens beeinflusst. Die auf Ebene der Körperschaften entstandene Belastung wurde in pauschaler Form bei den Anteilseignern berücksichtigt, indem nur die Hälfte der vorbelasteten Einkünfte angesetzt wurde. Ein großer Fortschritt dieser Reform war die Freistellung von Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen bei verbundenen Unternehmen nach § 8b KStG. Dieser Schritt war steuersystematisch nötig, volkswirtschaftlich richtig und politisch mutig. Zu Unrecht wurde die Qualität dieser Reformgesetzgebung durch den signifikanten Rückgang des Körperschaftsteueraufkommens in der Übergangsphase vom Vollanrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren angezweifelt. Ursächlich für den Körperschaftsteuerrückgang war ein Einbruch der Weltkonjunktur und der damit verbundene Rückgang der Unternehmensgewinne sowie die verstärkte Ausschüttungsaktivität der Kapitalgesellschaften und die Inanspruchnahme von Körperschaftsteuerguthaben, das im Vollanrechnungssystem als Folge von Gewinnthesaurierungen angesammelt wurde. Die Reformkritiker haben – gewollt oder nicht gewollt – ausgeblendet, dass der Rückgang der Körperschaftsteuer durch einen fast gleich hohen Zuwachs der Kapitalertragsteuer weitgehend neutralisiert wurde. Diese Entwicklung – verstärkte Mobilisierung von Körperschaftsteuer-Guthaben – war allerdings vorhersehbar und auch vermeidbar. Das Mitglied der „Brühler Kommission“ Arnold Willemsen hatte diese Befürchtungen in den Kommissionsberatungen deutlich artikuliert und in einem Votum dokumentiert16. Er prognostizierte, dass viele Unternehmen auf Druck ihrer Aktionäre Sonderausschüttungen vornehmen, um die Steuerguthaben ihren Aktionären gut zu bringen. Daraus, so war bereits 1999 zu befürchten, würden sich für den Fiskus erhebliche Steuerausfälle ergeben, die in der kritischen Haushaltssituation um die Jahrtausendwende vermieden werden sollten. Der Gesetzgeber hat diese Befürchtungen ignoriert. Die tatsächliche Entwicklung hat die Befürchtungen aus der Wirtschaft übertroffen; die Sondervorschriften für den Umgang vom Vollanrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren wurden mehrfach zugunsten des Fiskus und
__________ 14 BB 2000, 1269. 15 BMF-Schriftenreihe, Heft 66, 45 ff. 16 BMF-Schriftenreihe, Heft 66, Anlage 5, 2.
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zum Nachteil der Steuerzahler geändert. Auch die Steuergesetzgebung der großen Koalition in der 16. Wahlperiode ist davon beeinflusst: Sie hat im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.200717 die Körperschaftsteuer mit der Absenkung des Tarifs auf 15 % weiter „bagatellisiert“ und im Gegenzug die Gewerbesteuer in ihrer fiskalischen Bedeutung auch durch Streichung des Betriebsausgabenabzugs deutlich aufgewertet. Mit dem zusätzlichen Einbau von Hinzurechnungen von Mieten, Zinsen, Lizenzzahlungen und Leasingraten hat die große Koalition auf einem Umweg Vorschub für eine neue Substanzbesteuerung geleistet.
III. Die Steuerfreiheit des Existenzminimums: Urteil des BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5, 9, 14/9118 Jedem Steuerbürger muss nach Abzug der Einkommensteuerschuld soviel verbleiben, wie er für den notwendigen Lebensunterhalt benötigt. Der Maßstab hierfür ist der Mindestbedarf der (damaligen) Sozialhilfe. Damit hat das BVerfG dem Gesetzgeber deutliche Grenzen gesetzt. Der Entscheidung lagen mehrere Sachverhalte zugrunde; ein Sachverhalt betraf den Einkommensteuertarif des Jahres 1991. Im Jahre 1991 betrug der einkommensteuerliche Grundfreibetrag 2.871 Euro (5.616 DM). Die Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe beliefen sich im Mittel in der Bundesrepublik auf ca. 6.100 Euro (12.000 DM) pro Jahr. Hierin waren – neben dem Regelsatz der Sozialhilfe – die Kosten der Unterkunft und Heizung und einmalige Hilfen enthalten. Unter Berücksichtigung eines etwaigen erwerbsbedingten Mehrbedarfes, ergab sich ein gemittelter jährlicher Anspruch i. H. v. ca.7.200 Euro (14.000 DM). Vor diesem Hintergrund wäre eine verfassungsrechtliche Beleuchtung der vorgenannten Regelungen anhand des Maßstabes von Art. 3 GG, wenigstens jedoch – wie bis dato erfolgt19 – im Lichte des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG als besondere Ausprägung des Gebotes der Achtung der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG nahe liegend gewesen. Stattdessen machte das BVerfG die Feststellung der Verfassungswidrigkeit am Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und dessen Konkretisierungen in Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) und 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) fest. Das BVerfG leitete aus den genannten Freiheitsgrundrechten ab, dass dem Steuerbürger ein Kernbestand des Erworbenen erhalten bleiben müsste; insbesondere verbietet sich eine „Erdrosselungssteuer“. Daraus leitet sich ab, dass ihm nach Begleichung seiner Einkommensteuerschuld noch genügend verbleiben müsse, um seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des notwendigen Lebensunterhaltes
__________ 17 BGBl. I 2007, 1912. 18 BVerfGE 87, 153 ff. 19 BVerfG v. 29.5.1990, BStBl. II 1990, 653.
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hat der Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum, der sich an den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem gemeinhin anerkannten Mindestbedarf orientiert. Eine solche Grundentscheidung hatte der Gesetzgeber im Rahmen des Sozialhilferechts zum damaligen Zeitpunkt bereits getroffen. Von dieser Grundentscheidung darf der Gesetzgeber jedoch nicht abweichen, wenn es um die Einkommensbesteuerung geht. Insofern muss er dem Bürger bei der Einkommensteuer das belassen, was er ihm aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt. Hierbei darf der Steuergesetzgeber Typisierungen vornehmen, auch wenn das Sozialhilferecht auf den individuellen Bedarf abstellt. Der Steuergesetzgeber reagierte hierauf – zunächst übergangsweise mit dem FKPG vom 23.6.199320 – mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.199521. Der Grundfreibetrag des § 32a EStG wurde an die Größenordnung der Sozialhilfe angepasst (1993: 10.529 DM, 1994: 11.069 DM, 1996: 12.095 DM). Aus fiskalischen Gründen griff die Bundesregierung in die gesetzgeberische Trickkiste und führte eine zweite Progressionsstufe ein. Somit sollte sichergestellt werden, dass die Steuerfreiheit des Existenzminimums keine Steuerausfälle nach sich zog. Darüber hinaus wurde die Grenze des Spitzensteuersatzes nicht parallel verschoben. Für die Steuerpflichtigen, die ein Einkommen über dem Existenzminimum erwirtschaften, bedeutet diese Tarifänderung eine Steuererhöhung, da die Progression verstärkt wurde. In den folgenden Jahren wurde der Grundfreibetrag immer wieder durch Gesetzesänderungen – zuletzt im Jahre 2005 – angepasst. Der Gesetzgeber konnte sich aber bislang nicht durchringen, einen gesetzestechnischen Automatismus oder eine regelmäßige Überprüfung der Höhe des Grundfreibetrages zu statuieren, obwohl die laufende Geldentwertung und die damit verbundene Steigerung des Existenzminimums dazu Anlass gegeben hätten. Vielmehr muss man unterstellen, dass auf diesem Weg der Politik regelmäßige Wahlgeschenke – im Rahmen von „Steuerentlastungen der unteren Einkommen“ – eröffnet wurden, obwohl letztlich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Anpassung besteht. Völlig versäumt hat es der Gesetzgeber, auch die Progressionsobergrenzen anzupassen. Im Gegenteil: diese wurden in den letzten Jahren sogar gesenkt. Ausgehend von der Aussage des BVerfG, dass sich das Existenzminimum an den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem gemeinhin anerkannten Mindestbedarf orientiert, liegt auch in der Progressionsobergrenze eine Grundentscheidung des Gesetzgebers dahingehend, ab welcher Grenze ein weit überdurchschnittliches Großeinkommen vorliegt. Während das Existenzminimum eine unregelmäßige Anpassung erfährt, rutschen immer mehr Normalverdiener in höhere Progressionsstufen und immer mehr Gutverdiener unterliegen dem Höchststeuersatz, obwohl sie nicht zu der „Einkommenselite“ gehören; vor 15 Jahren mag dies mit einem entsprechenden Einkommen noch
__________ 20 BGBl. I 1993, 944. 21 BGBl. I 1995, 1250.
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der Fall gewesen sein. Denkt man weitere zehn Jahre voraus, so werden bei unterstellter weiterer Anpassung des steuerfreien Existenzminimums auch Normalverdiener dann in die Nähe des Höchststeuersatzes geraten. Dieses Problem ist nur lösbar, wenn man den Einkommensteuertarif an Werte koppelt, die nicht oder nur sehr wenig der politischen „Gestaltungswillkür“ unterworfen sind. Innerhalb der gesetzlichen Sozialversicherung geschieht dies heute bereits durch die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen. Nur ein solcher „Tarif auf Rädern“ gewährleistet eine relativ gleich bleibende Steuerbelastung bei real gleich bleibenden Einkommen. Die Lohnsteigerungen würden bei den Arbeitnehmern besser ankommen, da sie nicht jedes Mal in eine aufgrund der Progression höhere Steuerbelastung verschoben werden. Damit könnte auch den Verhandlungen der Tarifparteien ein wenig Spannung genommen werden.
IV. Steuerliche Absetzbarkeit von Berufsausbildungskosten: Urteile des BFH v. 4.12.2002 – VI R 120/0122, und v. 17.12.2002 – VI R 137/0123 Mit diesen Entscheidungen hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung zur steuerlichen Absetzbarkeit von Berufsausbildungskosten geändert. Jede Maßnahme der Berufsausbildung als auch der Umschulung dient demnach der Erzielung (zukünftiger) Einnahmen und stellt damit vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Diesem Paradigmenwechsel war eine lange Zeit der Unsicherheit der steuerlichen Handhabung von Ausbildungskosten vorangegangen. Ausgehend von der Aussage des Reichsfinanzhofes vom 24.7.1937 (Az.: IV A 20/36)24, wonach die Erlangung der für den „Lebenskampf“ notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten der privaten Lebensführung zuzurechnen sei, wurde lange Zeit zwischen Kosten der ersten Berufsausbildung – als Sonderausgaben – und Fortbildungskosten – als Werbungskosten – unterschieden. Die zunehmende Vielfältigkeit der Ausbildungswege und der Zwang, immer öfter die berufliche Perspektive zu wechseln (lebenslanges Lernen), führte denn auch beim sechsten Senat des BFH zur Einsicht, dass bei der Erlangung beruflicher Qualifikationen generell ein Veranlassungszusammenhang zur Einkunftserzielung anzunehmen ist. Die Änderung der Rechtsprechung wurde als Vereinfachung begrüßt25. Die Finanzverwaltung wandte die Entscheidungen nicht in vollem Umfang an26. Der Gesetzgeber reagierte darauf einerseits mit einer Erhöhung des Sonderausgabenabzuges auf 4.000 Euro für die Kosten der Berufsausbildung (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und andererseits wurde statuiert, dass Aufwendungen des Steuer-
__________ 22 23 24 25 26
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BFHE 201, 156 ff. BFHE 201, 211 ff. RStBl. 1937, 1089. Drenseck, DStR 2004, 1766 ff. Statt vieler: OFD Karlsruhe v. 11.2.2003 – S 2270 A-27-St 322.
Steuerrechtsprechung und was der Gesetzgeber daraus macht
pflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium Kosten der privaten Lebensführung seien, wenn sie nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemacht werden (§ 12 Nr. 5 EStG). Damit wurde das Urteil des BFH zum Werbungskostenabzug bei einer erstmaligen Berufsausbildung obsolet. Die dem Fiskus missliebige Rechtsprechung des BFH wurde durch diese Gesetzgebung ihres systematisch korrekten Ansatzes beraubt und ins Gegenteil verkehrt. Gerade die erhoffte Vereinfachung der Gesetzesanwendung entfällt, da es nunmehr weiterhin notwendig ist, zwischen einer Erstausbildung und einer Fortbildung zu unterscheiden. Neuer Streitstoff tut sich bei dem Begriff „Erststudium“ auf: Ist das erste abgeschlossene Studium oder auch das zuerst begonnene, aber abgebrochene Studium gemeint? Insoweit möchte man gar nicht an einen steuerinduzierten Erstsemestertourismus denken! Die gesetzgeberische Reaktion ruft jedoch auch verfassungsrechtliche Bedenken hervor. Neben einer möglichen verfassungswidrigen Rückwirkung dürfte ein Verstoß gegen das steuerliche Nettoprinzip viel schwerwiegender sein. Die nunmehr seitens des BFH geklärte Erwerbsbezogenheit sämtlicher beruflicher Ausbildungskosten bestätigt gleichzeitig, dass diese Aufwendungen des Steuerbürgers nicht willkürlich einer Abzugsbeschränkung unterliegen können. Die Durchbrechung des steuerlichen Nettoprinzips bedarf einer Rechtfertigung, wobei allein fiskalische Zwecke nicht genügen. Da Berufsausbildungskosten regelmäßig zwangsläufig entstehen, ist kein Raum für eine Durchbrechung des Nettoprinzips gegeben. Darüber hinaus entsteht der Aufwand auch nicht in der privaten Lebenssphäre, sondern eben gerade im (vor)beruflichen Bereich, wie der BFH ausführte. Der Gesetzgeber wird sich jedoch seiner Verantwortung letztlich nicht entziehen können. Die beim BFH anhängigen Verfahren zu § 12 Nr. 5 EStG (Az.: VI R 49/07, VI R 31/07, VI R 14/07, VI R 6/07, VI R 79/06) werden – ggf. im Rahmen einer Vorlage beim BVerfG – für Klarheit sorgen und den Gesetzgeber in Zukunft vom vorschnellen Erlass von Gesetzen gegen missliebige BFH-Rechtsprechung abhalten.
V. Die steuerliche Gleichbehandlung von gesetzlichen Renten und Pensionen: BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/9927 Mit diesem Beschluss hat das BVerfG entschieden, dass die damalige Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von Pensionen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt. Diese unterschiedliche Besteuerung stellte eine Ungleichbehandlung dar, die keine Rechtfertigung fand. Nach der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtslage wurden Beamtenpensionen grundsätzlich voll besteuert und gesetzliche Renten lediglich mit dem Ertragsanteil. Die Besteuerung der Beamtenpensionen wurde durch einen
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27 BVerfGE 105, 73 ff.
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Versorgungsfrei- und einen Altersentlastungsbetrag etwas abgeschwächt. Im Ergebnis waren z. B. im Jahre 1996 eine Pension (Ledige) ab einer Höhe von ca. 22.400 DM und eine gesetzliche Rente ab einer Höhe von ca. 63.000 DM steuerpflichtig. Insbesondere unterstellte der Gesetzgeber beim Bezug der gesetzlichen Rente einen Kapitalrückfluss aus bereits versteuerten und in den Erwerbsjahren eingezahlten Beiträgen, der im Regelfall 73 % betragen sollte. Tatsächlich beruht die gesetzliche Rentenzahlung nicht allein auf Zahlungen des Rentenbeziehers, sondern auch auf steuerfreien Zuschüssen des Arbeitgebers sowie auf einem Bundeszuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung, der im Jahre 1998 ca. 24 % betrug. Darüber hinaus finanziert sich die gesetzliche Rentenversicherung nicht im Kapitaldeckungsverfahren, sondern im Umlageverfahren, was die Festlegung eines steuerpflichtigen Zins- bzw. Ertragsanteils aus volkswirtschaftlicher Sicht äußerst schwierig macht. Das BVerfG gab dem Gesetzgeber auf, die Besteuerung der Alterseinkünfte dem Gleichheitssatz entsprechend zu gestalten. Hierbei standen dem Gesetzgeber grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen: Entweder würde eine Besteuerung in der Erwerbsphase vorgenommen – vorgelagerte Besteuerung – mit der Folge dass die Altersvorsorgebeiträge aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt werden müssten. Oder aber man würde die Beiträge zur Altersvorsorge steuerfrei stellen und erst während der Rentenphase den Rückfluss einschließlich Zinsen versteuern – nachgelagerte Besteuerung. Der Bundesgesetzgeber entschied sich mit dem Alterseinkünftegesetz28 für das Modell der nachgelagerten Besteuerung. Für Bezieher gesetzlicher Renten hätte eine Sofortumstellung jedoch eine Doppelbesteuerung bedeutet, da ein Teil der geleisteten Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet wurde. Deshalb wurde hierfür beginnend ab dem Jahr 2005 eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2040 festgelegt. Ebenfalls stufenweise werden der Versorgungsfreibetrag und der Altersentlastungsbetrag abgebaut. Ab 2005 wurde der Werbungskostenpauschbetrag für Pensionen auf 102 Euro gesenkt. Umgekehrt wurde der Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen erheblich ausgeweitet (20.000 Euro pro Jahr). Hierfür gilt jedoch ebenfalls eine Übergangsfrist, allerdings „nur“ bis zum Jahr 2025. Somit wird die Steuerfreistellung der Altersvorsorgeaufwendungen früher erreicht als die volle Besteuerung der Alterseinkünfte. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers zur steuerlichen Gleichbehandlung der Alterseinkünfte ist zu begrüßen, auch wenn sie aufgrund der Entscheidung des BVerfG erzwungen wurde. Ebenfalls positiv ist die Entscheidung zugunsten einer nachgelagerten Besteuerung, da das Ansparen aus unversteuerten Beträgen grundsätzlich einen höheren Kapitalstock zum Ende der Erwerbsphase erwarten lässt (Sparen aus dem „Brutto“), auch wenn sich diese Aussage im Rahmen des Umlageverfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung relativiert.
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28 BGBl. I 2004, 1427.
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Die Klarheit der Grundentscheidungen wird leider durch die Belastungen eingetrübt, die sich trotz der Übergangsfristen ergeben. Die Generation, die zum Ende der Übergangsfrist, also im Jahr 2040, in den Ruhestand geht, muss den vollen Rentenbetrag versteuern. Umgekehrt haben diese Rentenempfänger noch bis zum Jahr 2025 einen erheblichen Teil ihrer Beiträge aus schon versteuerten Einkünften zu leisten. Die realen Auswirkungen dieser Doppelbesteuerung wird man aus heutiger Sicht nur schätzen können. Mit der zunehmenden Steuerpflicht der Rentenempfänger hat die Diskussion um den Steuertarif eine weitere Dimension erhalten. Bisher galt für die allermeisten Bezieher gesetzlicher Renten, dass sich mit Erreichen des Rentenalters Lohn- und Einkommensteuer erübrigen. Mit steigenden Ertragsanteilen der Neurentner und der durch laufende Rentenanpassungen bedingten Erhöhung des steuerpflichtigen Rententeils der Bestandsrentner rückt für viele Rentner die Höhe des Grundfreibetrages und des sich anschließenden Tarifverlaufs in das persönliche Blickfeld. Nicht nur Erwerbstätige, sondern auch viele Rentner bekommen nunmehr die „kalte“ Progression zu spüren, weil steigende Renteneinkommen entweder zur Steuerpflicht oder aber zu einem höheren Grenzsteuersatz führen. In Zukunft wird daher der politische Druck zur laufenden Anpassung des Tarifverlaufs an die Entwicklung der Einkommen noch weiter zunehmen.
VI. Wegzugsbesteuerung/Entstrickung/Niederlassungsfreiheit: EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteyrie du Saillant29 Der französische Kläger Hughes de Lasteyrie du Saillant verlegte seinen langjährig in Frankreich belegenen Wohnsitz nach Belgien. Zu diesem Zeitpunkt hielt er seit über fünf Jahren Wertpapiere, die zum Bezug von mehr als 25 % der Gewinne einer Gesellschaft berechtigten, die ihren Sitz in Frankreich hatte. Entsprechend der französischen Regelung zur Wegzugsbesteuerung (Art. 167 bis CGI) wurde der Kläger hinsichtlich der Wertsteigerungen, die als Differenz zum ursprünglichen Anschaffungspreis zwischenzeitlich eingetreten waren, besteuert. Zur Abmilderung des Steuerzugriffs sah die französische Regelung lediglich einen Zahlungsaufschub vor. Der EuGH erkennt in der französischen Regelung zur Wegzugsbesteuerung eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG). Im Gegensatz zu Personen, die ihren Wohnsitz in Frankreich beibehalten, würden Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz verlagern, zur Besteuerung eines Einkommens herangezogen, das noch nicht realisiert sei. Zielsetzung des Art. 43 EG sei nicht nur, eine Schlechterstellung von Inländern im Aufnahmemitgliedstaat zu vermeiden. Die Niederlassungsfreiheit verbiete auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindere.
__________ 29 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004, 180 = GmbHR 2004, 504 = IStR 2004, 236 = NJW 2004, 2439.
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Im Kern geht es um die Frage, ob ein Mitgliedstaat die Besteuerung stiller Reserven an Ersatzrealisationstatbeständen ausrichten darf, wenn ein Wirtschaftsgut „steuerlich“ ins Ausland verlagert wird mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht im Wegzugsstaat anschließend entfällt. Für diese Frage findet sich in der Entscheidung nicht einmal der Ansatz einer Antwort30. Das könnte den Schluss nahe legen, dass legislativer Änderungsbedarf nur in solchen EUMitgliedstaaten besteht, in denen die Wegszugsbesteuerung allein mit der Zielsetzung mit der Missbrauchsverhinderung begründet wird. Diese Sichtweise wäre jedoch zu eng. Angesichts der Breitenwirkung, die von den Einzelfallentscheidungen des EuGH für alle Mitgliedstaaten ausgeht, ist es geboten, die evidente Zielsetzung einer Norm nicht unter Hinweis auf die Ausführungen des beklagten Mitgliedstaates schlicht auszublenden31. Im Übrigen ist jeder EU-Gesetzgeber verpflichtet, europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten unabhängig von einschlägigen EuGH-Entscheidungen und ihren speziellen Begründungen legislativen Gehorsam zu leisten32. Mit dem Wegzug einer Person in einen anderen EU-Mitgliedstaat verliert der bisherige Sitzstaat nach dem jeweiligen DBA in der Regel für bestimmte steuerliche Reserven das Besteuerungsrecht. Andererseits ist unbestritten, dass jeder Staat das Recht hat, die Besteuerung von Wertsteigerungen sicher zu stellen, die während des Aufenthalts eines Steuerpflichtigen in diesem Staat eingetreten sind33. Dies schließt jedoch nicht die Befugnis ein, im Falle des Wegzugs eine Gewinnrealisierung zu fingieren und sofort zu besteuern. Zulässig ist nur eine Sicherstellung der Besteuerung für den späteren Fall der tatsächlichen Veräußerung34. Wegen der insoweit gleichgelagerten Problematik gilt dies in gleicher Weise für die Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen und die Besteuerung eines grenzüberschreitenden Transfers von Betriebsvermögen. Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen des SEStEG35 unterschiedliche Konsequenzen aus der Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH gezogen. In dem neu gefassten § 6 AStG ist für die Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen eine Stundungsregelung vorgesehen: Sie gilt für Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates, die in diesem Staat ihre unbeschränkte Steuerpflicht durch Wegzug in einen anderen EU/EWR-Staat beendet haben und dort einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegen. Hier kommt es zu einem Steuerzugriff auf die stillen Reserven erst bei tatsächlicher Veräußerung der Kapitalbeteiligung oder bei einem Wegzug in einen Drittstaat. Bis dahin wird die festgesetzte und ge-
__________ 30 Wassermeyer, GmbHR 2004, 613. 31 Seer/Kahler/Rüping/Thulfaut, EWS 2005, 289 (304). 32 Tipke/Lang, Steuerrecht 19. Aufl. Köln 2008 § 4 Rz. 81 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., Köln 2000, S. 470 f.; Schaumburg, DB 2005, 1129 (1130). 33 Wassermeyer, GmbHR 2004, 615; dies erkennt auch der EuGH, a. a. O., (Fn. 29) Rz. 65 an. 34 Schießl, NJW 2005, 849 (853); Schön, IStR 2004, 289 (300). 35 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782.
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schuldete Steuer von Amts wegen und ohne Sicherheitsleistung gestundet. Diese Regelung entspricht den europarechtlichen Anforderungen. Zu einer solchen Lösung mochte sich der deutsche Gesetzgeber beim grenzüberschreitenden Transfer von Betriebsvermögen jedoch nicht bereit finden. Für diese Fallgestaltungen wird eine Sofortbesteuerung normiert. Lediglich bei einem Transfer von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens innerhalb des EU/EWR-Raums ist eine Steuerstreckung vorgesehen, die zudem nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zugute kommt (§ 4g EStG). Diese Sofortbesteuerung unrealisierter stiller Reserven verstößt gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nach Art. 3 GG36. Art. 3 Abs. 1 GG fordert, dass nur der reale Vermögenszuwachs in Gestalt des aktuell verfügbaren „disponiblen“ Einkommens dem steuerlichen Zugriff unterworfen werden darf. Das Realisationsprinzip ist ferner Ausdruck des Substanzschutzes gem. Art. 14 GG37. Unter europarechtlichen Gesichtspunkten sind die Grundfreiheiten des EGVertrages zu beachten. Grenzüberschreitende Sachverhalte dürfen im Binnenmarkt im Vergleich zum Inlandssachverhalt grundsätzlich steuerlich nicht schlechter gestellt werden. Löst die grenzüberschreitende Tätigkeit belastendere Steuerfolgen aus als ein vergleichbarer innerstaatlicher Vorgang, sind die Grundfreiheiten tangiert. Natürliche Personen dürfen mit ihrer grenzüberschreitenden unternehmerischen Tätigkeit gem. Art. 43 EG nicht anders als mit ihrer innerstaatlichen unternehmerischen Tätigkeit besteuert werden. Dies gilt sowohl für die Aufnahme eines unternehmerischen Engagements (Niederlassungsfreiheit) als auch für die Beendigung. Gesellschaften werden über Art. 48 EG entsprechend in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit einbezogen. Auslandsinvestitionen von Inländern und Inlandsinvestitionen von Ausländern dürfen gem. Art. 56 EG auch steuerlich nicht anders als Inlandsinvestitionen durch Inländer behandelt werden (Kapitalverkehrsfreiheit). Dies ist grundsätzlich auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu beachten. Soweit die wirtschaftlichen Grundfreiheiten nicht einschlägig sind, können sich Unionsbürger darauf berufen, dass ihre grenzüberschreitende Bewegung steuerlich nicht schlechter gestellt sein darf als die innerstaatliche Bewegung, Art. 18 EG (allgemeine Freizügigkeit). Diskriminierende oder beschränkende Regelungen des nationalen Steuerrechts verstoßen gegen höherrangiges Primärrecht, wenn sie nicht durch überragende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Der EuGH hat bislang Regelungen als gerechtfertigt anerkannt, die der Vermeidung einer (konkreten) Gefahr der Steuerumgehung dienen, für eine wirksame steuerliche Kontrolle zwingend erforderlich oder zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystem un-
__________ 36 Lediglich bei einer Entnahme von Betriebsvermögen ins Privatvermögen wird eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angenommen, die eine Sofortbesteuerung rechtfertigt, vgl. Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (206). 37 Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (205).
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erlässlich sind. Demgegenüber sieht der EuGH die Gefahr von Steuermindereinnahmen nicht als hinreichende Rechtfertigung für einen Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheiten an. Im Übrigen müssen die Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen; sie muss zur Erreichung eines mit dem EG-Vertrag konformen Ziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein38. Mit der Normierung der Sofortbesteuerung beim Transfer von Betriebsvermögen sieht sich der deutsche Gesetzgeber im Einklang mit der Stellungnahme der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 1999/4371 zu § 6 AStG, nach der Deutschland das Recht zustehe, Wertzuwächse seiner Steuerpflichtigen zu besteuern39. Dieser Hinweis geht fehl. Zwar ist dieses Recht selbst völlig unbestritten; die Europäische Kommission hat in dieser Stellungnahme jedoch nichts zur Frage des Besteuerungszeitpunkts gesagt. Eine Präferenz für die Sofortbesteuerung lässt sich daher aus dieser Stellungnahme nicht ableiten. Als Argument gegen die Stundungslösung wird vom Gesetzgeber u. a. die mangelnde tatsächliche Umsetzbarkeit vorgebracht. Insbesondere fehle eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Beitreibung von Steueransprüchen im Rahmen der gegenseitigen Amtshilfe. Daher sei eine Stundungslösung im betrieblichen Bereich – anders bei der Wegzubesteuerung natürlicher Personen – verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sie als Folge des Massenphänomens tatsächlich nicht durchführbar und damit der Gesetzesvollzug nicht gesichert sei. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass es sich bei der grenzüberschreitenden Verlagerung von Betriebsvermögen keineswegs um ein Massenphänomen handelt. Eine Sofortversteuerung ist daher auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die Rechtfertigungsgründe des deutschen Gesetzgebers stehen daher mit der EuGH-Rechtsprechung nicht im Einklang. Das Gericht hat im Bereich der direkten Steuern die Missbrauchsbekämpfung als Rechtfertigungsgrund bislang noch in keinem Urteilsfall anerkannt. Einer solchen Rechtfertigung stand stets die Unverhältnismäßigkeit der beschränkenden Norm entgegen. So darf die Regelung nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Eine Rechtfertigung typisierender Vorschriften ist ausgeschlossen. Steuerliche Regelungen, die generell bestimmte Situationen erfassen, anstatt speziell rein künstlichen Konstruktionen entgegen zu treten, können einen Eingriff in die Grundfreiheiten nicht rechtfertigen. Auch das Argument eines erhöhten administrativen Aufwands vermag als Rechtfertigungsgrund nicht zu überzeugen. Die Sofortbesteuerung im Falle der Entstrickung ist daher eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung europarechtlicher Grundfreiheiten. Entsprechende Verstöße gegen internationales und europäisches Recht enthält der allgemeine Entstrickungstatbestand des § 12 Abs. 1 erster Halbsatz KStG
__________ 38 EuGH, a. a. O., (Fn. 29) Rz. 59 ff.; Ismer/Reimer/Rust, EWS 2004, 207 (210 ff.). 39 SEStEG-Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, S. 26.
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für den Fall einer Sitzverlegung einer Europäischen Gesellschaft aus Deutschland heraus. Danach soll die Besteuerung von stillen Reserven auf die Anteile zwar auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung verschoben werden; unter Durchbrechung der einschlägigen DBA soll der Steuerzugriff aber auf den zu diesem Zeitpunkt, nicht auf den zum Zeitpunkt der Sitzverlegung berechneten Veräußerungsgewinn erstreckt werden. Diese Regelung nimmt eine Doppelbesteuerung bewusst in Kauf und durchbricht damit auch sämtliche europäische DBAs, ohne dass dies zugegeben wird. Mit der im SEStEG getroffenen Regelung zur Besteuerung des grenzüberschreitenden Transfers von Betriebsvermögen verweigert sich der deutsche Steuergesetzgeber also nicht nur den Anforderungen des EG-Rechts nach Maßgabe der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur Auslegung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Mit der Verankerung eines allgemeinen Entstrickungstatbestandes geht er sogar einen Schritt zurück und verschärft die Diskrepanz zwischen dem deutschen Unternehmensteuerrecht und den Vorgaben des EG-Vertrages. Mit dieser Haltung provoziert der deutsche Steuergesetzgeber weitere Entscheidungen mit einschneidenden Wirkungen für das bestehende Besteuerungssystem. Mit seiner Verweigerungshaltung lässt er dem EuGH keine andere Wahl, als im Rahmen seiner Rechtsprechung den Grundfreiheiten des EG-Vertrages Vorrang vor den nationalen Vorschriften des deutschen Steuerrechts einzuräumen. Die sich daraus regelmäßig ergebende Gefahr von Steuer-Rückforderungen betroffener Steuerpflichtiger nimmt der deutsche Steuergesetzgeber dabei offenbar bewusst in Kauf. Die Gefahr erheblicher Auswirkungen auf den Haushalt durch spätere EuGHUrteile ließe sich allein dadurch vermeiden, dass in Anlehnung an die Vorgaben der EG-Fusionsrichtlinie ein umfassendes System des Besteuerungsaufschubs mit späterer Nachversteuerung unter Zugrundelegung des Betriebsstätten-Prinzips im deutschen Unternehmensteuerrecht verankert wird. In den Fällen, in denen das Betriebsstätten-Prinzip eine künftige Besteuerung der stillen Reserven nicht ermöglicht, insbesondere auf der Ebene der Besteuerung des Anteilseigners, wäre eine vorläufige Steuerfestsetzung unter Stundung nach Maßgabe des § 165 AO ein EG-rechtlich verträgliches Instrument der Sicherung der Besteuerung stiller Reserven.
VII. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 – 14 AStG bei beherrschten ausländischen Gesellschaften: Urteil des EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes In seinem Urteil vom 12.9.2006 entschied der EuGH über die Hinzurechnungsbesteuerung. Er stellte fest, dass Hinzurechnungssysteme, die den Gewinn einer beherrschten Gesellschaft in niedrig besteuernden ausländischen Staaten der inländischen Gesellschaft zurechnen, grundsätzlich gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV verstoßen. Jedoch ist eine Hinzurechnungsbesteuerung für ausländische beherrschte Gesellschaften europarechtlich zulässig, wenn diese Systeme der Missbrauchsbekämpfung dienen. Missbrauch 35
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liegt bei einer rein künstlichen Gestaltung zur Steuerumgehung vor40. Dies kann insbesondere bei Tochtergesellschaften der Fall sein, die eine reine „Briefkastenfirma“ oder eine „Strohfirma“ sind. Problematisch sind die heranzuziehenden Kriterien, um herauszufinden, wann eine solche künstliche Gestaltung zur Steuerumgehung in der Praxis vorliegt, etwa bei einer Beteiligungsverwaltung. Die Niederlassungsfreiheit soll es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen41. Sie setzt voraus, dass die betroffene Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und eine wirtschaftliche Tätigkeit wirklich ausübt42. Wenn dies anhand von objektiven und von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten dargelegt wird, muss von der Hinzurechnungsbesteuerung ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art Abstand genommen werden. Anhaltspunkte für die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit können das Ausmaß der Geschäftsräume, des Personals und der Ausrüstungsgegenstände sein43. Jedoch stellt der EuGH nur beispielhaft diese Kriterien auf, so dass die Grenze zwischen tatsächlicher wirtschaftlicher Tätigkeit und einer rein künstlichen Gestaltung zur Steuerumgehung offen bleibt. Obwohl der Entscheidung ein britischer Sachverhalt zugrunde lag, wirkte sie sich auch auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung aus. Aufgrund der äquivalenten Regelungen im deutschen Steuerrecht (vgl. §§ 7 ff. AStG a. F.) war auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung europarechtlich nicht mehr haltbar. Daher hat das BMF mit Schr. v. 8.1.200744 auf die EuGH-Rechtsprechung – im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung – schnell reagiert. Es nannte darin Anhaltspunkte, durch die nachgewiesen werden kann, wann keine rein künstliche Gestaltung vorliegt und somit die Hinzurechnungsbesteuerung nicht angewendet wird: – Die Geschäftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft muss am Marktgeschehen aktiv, ständig und nachhaltig ausgeübt werden. – Sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal muss ständig beschäftigt werden. Es muss über Qualifikationen verfügen, die es diesem ermöglichen, die ihm übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig zu erfüllen. – Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft müssen ursächlich aufgrund der eigenen Gesellschaftsaktivität erzielt werden.
__________ 40 41 42 43 44
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EuGH v. 12.9.2006 Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, BB 2006, 2118, Rz. 55. EuGH a. a. O., Rz. 53. EuGH a. a. O., Rz. 54. EuGH a. a. O., Rz. 64. BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99.
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– Im Fall der Geschäftsbeziehung zu nahe stehenden Personen muss die Leistung der ausländischen Gesellschaft wertschöpfende Bedeutung für den Leistungsempfänger haben. Außerdem muss die Ausstattung von Kapital zu der erbrachten Wertschöpfung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Anpassung des AStG an die EuGH-Entscheidung ist 2007 durch das Jahressteuergesetz 200845 erfolgt. Der neue § 8 Abs. 2 AStG schließt nunmehr die Hinzurechnungsbesteuerung für inländisch beherrschte Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU aus, wenn die Gesellschaft eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und der Steuerpflichtige dies nachweist. Weitere Voraussetzung ist, dass ein steuerliches Auskunftsabkommen mit dem Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft besteht und somit die Finanzbehörde eine Nachprüfungsmöglichkeit durch zwischenstaatliche Amtshilfe hat46. Dies ist eine Voraussetzung, die ebenfalls nicht im Urteilstext vorhanden ist und auch nicht im BMF-Schreiben erwähnt wurde. Dass die wenig konkreten Nachweispflichten des BMF-Schreibens dazu geeignet sind, eine künstliche Gestaltung zur Steuerumgehung aufzudecken, darf allerdings bezweifelt werden. Die Mitgliedstaaten sollen zwar prüfen, ob die ausländische Gesellschaft auch tatsächlich wirtschaftlich tätig ist, nur soll diese Prüfung laut EuGH-Urteil anhand von „objektiven Anhaltspunkten“ durchgeführt werden. Das BMF-Schreiben geht hier zu weit, denn es werden inhaltliche Substanz- und Aktivitätsanforderungen an die ausländische Gesellschaft gestellt, die nicht von dem EuGH-Urteil gedeckt werden. Dies wird insbesondere anhand folgender Punkte deutlich: – Personal Der EuGH betont in seinem Urteil, dass das bloße Vorhandensein von Personal ein Anhaltspunkt für eine wirtschaftliche Tätigkeit sein kann. Hingegen ist das vom deutschen Gesetzgeber aufgestellte Kriterium im Hinblick auf das Personal47 überzogen. – Ursächlichkeit der Einkünfte durch Gesellschaftsaktivität Dieses Kriterium hat keine Legitimation durch die EuGH-Rechtsprechung. Vielmehr dürften die Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 2.5.2006 den deutschen Gesetzgeber auf dieses Kriterium gebracht haben. Er erwähnt dieses Kriterium in der Tz. 114. Jedoch stellt er auch fest, dass die Ursächlichkeit der Einkünfte in der Praxis schwierig nachzuweisen sei. Der EuGH hat die Passage – vielleicht gerade wegen der Praxisuntauglichkeit – nicht in seinen Urteilstext aufgenommen. Ob der neue § 8 Abs. 2 AStG den europarechtlichen Vorgaben genügt, ist zweifelhaft. Die Voraussetzung, dass nur bei Vorhandensein eines steuerlichen
__________ 45 BGBl. I 2007, 3150. 46 § 8 Abs. 2 S. 2 AStG. 47 Es muss sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal ständig beschäftigt sein und sowie über Qualifikationen verfügen, die eigenverantwortliche und selbständige Arbeit ermöglicht.
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Auskunftsabkommens die Hinzurechnungsbesteuerung nicht zur Anwendung kommt, scheint zwar noch verhältnismäßig. Denn auch die nationalen Finanzverwaltungen müssen Kenntnis über die Sachlage in den anderen Mitgliedstaaten gewinnen können, um die korrekte Steuer zu ermitteln. Jedoch lässt sich aus dem Wortlaut des EuGH-Urteils nicht ableiten, dass es sich bei einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit um eine aktive, ständige und nachhaltige Tätigkeit handeln muss – wie es der Gesetzesbegründung des § 8 Abs. 2 AStG zu entnehmen ist48. Denn auch eine reine passive Tätigkeit (z. B. die Verwaltung von Beteiligungen) steht unter dem Schutz des EuGH-Urteils. Dieses unterscheidet gerade nicht zwischen aktiver und passiver Tätigkeit. Durch die sehr engen und nicht durch das Urteil getragenen Interpretationen der Nachweise stehen die deutschen, EU-weit tätigen Unternehmen vor Rechtsund Planungsunsicherheit. Einzelfallentscheidungen führen zu langwierigen Verfahren und erhöhten Beratungs- und Gerichtskosten. Das Vorgehen der Finanzverwaltung ist daher ein echtes Wettbewerbshindernis.
VIII. Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen: BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/9149 und v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/0250 Innerhalb von gut 10 Jahren haben beide Senate des BVerfG die jeweils geltende Fassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. In beiden Fällen wurde nicht die Besteuerung als solche gerügt. Vielmehr ging es jeweils um die gleichheitswidrige Bewertung unterschiedlicher Vermögensgegenstände. Der Entscheidung vom Juni 1995 lag die Frage zugrunde, ob die unterschiedliche Belastung von Kapitalvermögen auf Basis gegenwartsnaher Verkehrswerte einerseits und von Grundvermögen auf Basis – zwar pauschal angepasster, aber nicht kontinuierlich fortentwickelter – Einheitswerte aus dem Jahr 1964 andererseits verfassungsgemäß war. Die Karlsruher Richter verneinten diese Frage mit Hinweis auf die weit auseinanderfallenden Bewertungsergebnisse und sahen darin einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Maßgebend für die Entscheidung war, dass die grundlegende Konzeption des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974), der Besteuerung gegenwartsnahe Werte zugrunde zu legen (zur turnusmäßigen Neubewertung vgl. § 21 BewG), zwar für das Kapitalvermögen verwirklicht, für den Grundbesitz hingegen unerfüllt geblieben war. Unabhängig vom konkreten Sachverhalt der Verfassungsbeschwerde stellte das BVerfG allgemeine Grundsätze zur Erbschaftsbesteuerung auf: So ist die Besteuerung dadurch begrenzt, dass nahen Familienangehörigen der Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil – bei kleinen Vermögen völlig steuerfrei – zugute kommen muss. Freibeträge und – an die realitätsnahen
__________ 48 S. 157 der Gesetzesbegründung. 49 BVerfGE 93, 165–179; BGBl. I 1995, 1192 = BStBl. II 1995, 671. 50 BVerfGE 117, 1–70; BGBl. I 2007, 194.
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Gegenwartswerte – angepasste Steuertarife seien hierzu adäquate Mittel. (Rz. 28 f., Rz. 36) Verfassungsrechtlich ergibt sich dies aus der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie dem Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG folgt, dass die verminderte Leistungsfähigkeit betrieblich gebundenen Vermögens gegenüber ungebundenem Vermögen bei der Erbschaftsbesteuerung berücksichtigt werden muss (Rz. 30 f.). Das BVerfG trug dem Gesetzgeber also bereits im Jahr 1995 auf, eine dem Gleichheitssatz entsprechende Neuregelung zur Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu finden und es gab ihm darüber hinaus auf „die auf die derzeit geltende Bemessungsgrundlage anwendbaren Steuersätze an die künftige erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage anzupassen“ (Rz. 36). Zudem erteilte das BVerfG dem Gesetzgeber den Auftrag, betrieblich gebundenes Vermögen steuerlich stärker zu begünstigen. Die Erbschaftsteuerlast hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Erwerber dieses Vermögens auf Grund der Sozialgebundenheit im Vergleich zu Erwerbern anderen Vermögens vermindert leistungsfähig sind und die Erbschaftsteuerlast die Fortführung des Betriebs nicht gefährden darf (Rz. 30 f.). Dabei räumten die Richter dem Gesetzgeber eine weitreichende Gestaltungsbefugnis ein, sich bei seinen Regelungen auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen oder sozialpolitischen Erwägungen leiten zu lassen (Rz. 36). Der Gesetzgeber versuchte, diesen Anforderungen im Jahressteuergesetz 1997 (JStG 1997) vom 20.12.199651 Rechnung zu tragen. In den aufgeworfenen Bewertungsfragen hat er sich auf die Neuregelung der Grundstücksbewertung beschränkt. Der Steuerwert von Grundbesitz wird nicht mehr „auf Vorrat“ bezogen auf einen festgelegten Stichtag ermittelt sondern nur im Bedarfsfall (Bedarfsbewertung, § 138 BewG) und je nach Art des Grundbesitzes auf unterschiedliche Art und Weise. Dabei wurde bewusst als Bewertungsziel nicht der Verkehrswert i. S. d. § 9 BewG angestrebt52. Für Betriebsvermögen blieb es bei der mit dem Steueränderungsgesetz 199253 verankerten weitgehenden Übernahme der Steuerbilanzwerte. Bereits mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.199554 sollte die Begünstigung des § 13a ErbStG mit Wirkung vom 1.1.1996 zum einen über das Betriebsvermögen hinaus auf Anteile an sog. familienbezogenen Kapitalgesellschaften und zum anderen über den Freibetrag hinaus um einen Bewertungsabschlag von 25 % ausgedehnt werden. Motiv für die Einführung des Abschlags war die – bereits vor der Entscheidung des BVerfG in der Politik verfestigte – Überlegung, dass „das betriebliche Vermögen mittel- oder langfristig im Betrieb gebunden ist und daher nicht kurzfristig für Erbschaftsteuerzahlungen aufge-
__________ 51 JStG 1997 vom 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049 = BStBl. I 1996, 1523. 52 Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/4839 vom 11.6.1996, II. Besonderer Teil zu Art. 1 (Bewertungsgesetz). 53 Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze – StÄndG 1992 vom 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 54 JStG 1996 vom 11.10.1995, BGBl. I 1995, 1250 = BStBl. I 1995, 438, 591 f.
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bracht werden kann“55. Mit dem JStG 1997 wurde – im Sinne der BVerfGEntscheidung – der Bewertungsabschlag auf 40 % angehoben56. Kaum war das neue Erbschaftsteuerecht in Kraft getreten, gab es das nächste verfassungsrechtliche Vorlageverfahren57. Stein des Anstoßes war nunmehr die unterschiedliche Besteuerung eines Grundstücks auf Basis des Bedarfswerts einerseits und des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung des Grundstücks auf Basis des Verkehrswerts andererseits. Auch in diesem Verfahren58 beschränkten sich die Karlsruher Richter nicht auf die Beurteilung der unterschiedlichen erbschaftsteuerliche Bewertung nur dieser Vermögensgegenstände. Sie nahmen die Vorlage des BFH vielmehr zum Anlass, die gesamten Bewertungsregelungen umfänglich zu überprüfen. Ihrer bisherigen Linie treu bleibend, derzufolge eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umgesetzt werden muss, bestimmten sie, dass eine verfassungskonforme Bewertung einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein muss. Die bisherigen Bewertungsmethoden führen jedoch nach Ansicht der Karlsruher Richter zu willkürlichen Ergebnissen. Ihre Anwendung führt erneut zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Aus Gründen der Rechtssicherheit bleiben die geltenden Vorschriften bis zu einer gesetzlichen Neuregelung – längstens bis zum 31.12.2008 – weiter anwendbar. Über die Verfassungsmäßigkeit der Begünstigungen nach §§ 13a, 19a ErbStG, isoliert oder ggf. im Zusammenwirken mit der Bewertung u. a. von betrieblichen Vermögen, brauchte das Gericht auf der Grundlage seiner Auffassung nicht mehr zu entscheiden. Es hat jedoch deutlich gemacht, dass eine Entlastung einzelner Vermögensgruppen bis hin zu einer vollständigen Steuerfreistellung möglich ist. Voraussetzung ist, dass die Verschonung in einer an die einheitliche (Verkehrswert-)Bewertung anschließenden zweiten Stufe erfolgt59. Auf dieser zweiten Ebene dürfen steuerliche Lenkungsziele die einheitlich ermittelte Bemessungsgrundlage modifizieren und Verschonungsnormen die erb-
__________ 55 Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/901 vom 27.3.1995, II. Besonderer Teil zu Art. 15 (Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz), S. 157. 56 Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/4839 vom 11.6.1996, II. Besonderer Teil zu Art. 2 (Erbschaft- und SchenkungsteuerG) Zu Nr. 4 (§ 13a ErbStG): Bei der Bemessung der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen ist nach dem Beschluss des BVerfG vom 22.6.1995 zu berücksichtigen, dass Erwerber dieses Vermögens aufgrund der Sozialgebundenheit im Vergleich zu Erwerbern anderen Vermögens vermindert finanziell leistungsfähig sind. Die Erbschaftsteuerlast muss also so bemessen werden, dass die Fortführung des Betriebs nicht gefährdet wird. Die Verpflichtung, eine verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen, ist unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zwischen Erblasser und Erwerber. Der Gesetzgeber hat diesen Vorgaben bereits im Standortsicherungsgesetz mit der Einführung eines Freibetrags von 500 000 DM ab 1994 und im Jahressteuergesetz 1996 mit der Einführung eines Bewertungsabschlags von 25 v. H. bei gleichzeitiger Erstreckung dieser Entlastungsmaßnahmen auf Anteile an sog. familienbezogenen Kapitalgesellschaften Rechnung getragen. 57 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598. 58 BVerfG v. 6.11.2006 – 1 BvL 10/02, DStR 2007, 235. 59 BVerfG v. 6.11.2006, Rz. 98, 106.
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Steuerrechtsprechung und was der Gesetzgeber daraus macht
schaftsteuerliche Belastung bei Vorliegen ausreichender Rechtfertigungsgründe reduzieren bzw. entfallen lassen60. Der Gesetzgeber muss nun gemessen an den verfassungsrechtlichen Vorgaben der aktuellen Entscheidung des BVerfG das Bewertungsrecht neu fassen. Wegen der zu erwartenden deutlich höheren Bemessungsgrundlage muss auch die Erbschaftsbesteuerung als solche angepasst werden. Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf des Erbschaftsteuerreformgesetzes61 eine äußerst komplizierte, gestaltungs- und streitanfällige Lösung vorgelegt. Verfassungsrechtler haben auch gegen diesen Entwurf massive verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Einfache und ökonomisch sinnvolle Lösung werden aus politischem Kalkül verworfen, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des vorgelegten Entwurfs negiert. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das BVerfG das nächste Mal mit der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsbesteuerung auseinander setzen muss.
IX. Vorsteuerabzug aus Bewirtungsaufwendungen: BFH v. 10.2.2005 – V R 76/0362 Mehr noch als mit den zuvor dargestellten Beispielen werden wir in der Umsatzsteuer mit jeder neuen Entscheidung daran erinnert, was es heißt, sich an einem übernationalgesetzlichen Rechtsrahmen messen zu müssen. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)63 gilt zwar nicht unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, sondern verpflichtet diesen (nur) zur Umsetzung in nationales Recht. Jeder Einzelne kann sich aber – nach den Entscheidungen von EuGH64 und BFH65 – gegenüber einer nachteiligen nationalen Vorschrift auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen. In Bezug auf Bewirtungsaufwendungen hat dem zunächst der BFH Rechnung getragen. In soweit standen nämlich folgende zwei Rechtsanordnungen gegenüber: Durch das Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/200266 wurde durch § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG 1999 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG der Vorsteuerabzug auf 80 % (später 70 %) der angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen beschränkt. Damit war der Vorsteuerabzug für Bewirtungsaufwendungen um 20 % (30 %) zu kürzen. Die Beschränkung auf 80 % galt seit dem 1.4.199967.
__________ 60 BVerfG v. 6.11.2006, Rz. 98, 111. 61 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, BTDrucks. 16/7918 vom 28.1.2008. 62 BFH v. 10.2.2005 – V R 76/03, BStBl. II 2005, 509. 63 Richtlinie 2006/112/EG vom 28.11.2006. 64 EuGH v. 8.6.2006 – Rs. C-430/04 – Feuerbestattungsverein Halle, HFR 2006, 830 m. w. N. 65 BFH v. 23.11.2000 – V R 49/00, BStBl. II 2001, 266. 66 BGBl. I 1999, 402 = BStBl. I 1999, 304. 67 Art. 7 Nr. 11 und Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002.
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Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie68 (= Art. 168 MwStSystRL) ist der Steuerpflichtige aber befugt, die Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Und dieses Recht auf Vorsteuerabzug kann nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH wegen seiner Bedeutung für das System der Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht eingeschränkt werden, es sei denn, eine Einschränkung ist in der MwStSystRL bzw. in der 6. EG-Richtlinie selbst vorgesehen (sog. Stand-Still-Klausel)69. Da eine solche Ausnahmeregelung für die Einschränkung des Vorsteuerabzugs von Bewirtungsaufwendungen nicht zur Verfügung stand, war die Entscheidung des BFH70 vorauszusehen. Er urteilte, die Vorsteuerabzugsbeschränkung sei durch die 6. EG-Richtlinie nicht gedeckt; die Klägerin könne sich auf das für sie günstigere Gemeinschaftsrecht berufen. Und der Gesetzgeber zog nach: Er hat die Vorsteuerabzugsbeschränkung für Bewirtungsaufwendungen in § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG durch das JStG 200771 praktisch gestrichen. Mit derselben Begründung wurden die Abzugsverbote für Umzugskosten72 und für Reisekosten73 aufgehoben. Letzteres ging ebenfalls auf eine Entscheidung des BFH zurück74. So richtig die Entscheidungen des BFH vom 23.11.2000 und vom 10.2.2005 in der Sache sein mögen, so umstritten ist nach wie vor die Kompetenz, die sich der BFH in den Entscheidungen eingeräumt hat. Er hat nämlich nicht etwa nur Zweifel an der Vereinbarkeit nationalen Rechts mit der europäischen Richtlinie geäußert und die Frage dem EuGH vorgelegt, sondern, da er keine Zweifel am Verstoß gegen die 6. EG-Richtlinie hatte, selber entschieden, dass das deutsche Recht nicht anzuwenden sei. Hierin wird in der Kommentarliteratur zum Teil ein „skandalöser Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und gegen das Verwerfungsmonopol des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG“ erblickt, weil mit Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung drei Verfassungsorgane bei Einführung der Norm von der Vereinbarkeit mit EGRecht und Verfassung ausgegangen waren. Davon, dass die Unvereinbarkeit zweifelsfrei sei, könne deshalb keine Rede sein75. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden und es ist nach Art. 100 Abs. 1 GG kein Gericht befugt, ein nachkonstitutionelles Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit unbeachtet zu lassen, sofern nicht das BVerfG die Nichtigkeit festgestellt hat. Wird die Vereinbarkeit mit EU-
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68 Richtlinie 77/388/EWG vom 17.5.1977. 69 EuGH v. 19.9.2000 – Rs. C-177/99 – Ampafrance, UR 2000, 474 und Rs. C-181/99 – Sanofi Synthelabo, HFR 2000, 919; BFH v. 23.11.2000 – V R 49/00, BStBl. II 2001, 266. 70 BFH v. 10.2.2005 – V R 76/03, BStBl. II 2005, 509. 71 BGBl. I 2006, 2878. 72 Ebenfalls durch das JStG 2007, BGBl. I 2006, 2878. 73 Durch das StÄndG 2003, BGBl. I 2003, 2645. 74 BFH v. 23.11.2000 – V R 49/00, BStBl. II 2001, 266. 75 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG – Kommentar, Einführung Rz. 260 (Februar 2007).
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Steuerrechtsprechung und was der Gesetzgeber daraus macht
Recht bezweifelt bedarf es stets einer vorhergehenden Entscheidung des EuGH im Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV. Erst nach einer solchen Entscheidung dürfen und müssen sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden dem EuGH-Spruch entgegenstehendes nationales Recht unbeachtlich lassen76. Ganz anders und höchst bedenklich jedoch Klenk, Richter des V. Senates des BFH a. d., in einem bemerkenswerten Aufsatz („Die Zukunft der deutschen Umsatzsteuer – aus Sicht der deutschen Rechtsprechung“)77: „BFH und FG tun jedenfalls gut daran, die Richtlinienbestimmungen nur dann unmittelbar anzuwenden, wenn die Sache klar zu sein scheint. Unter dieser Voraussetzung hat die Rechtsprechung gegenüber dem Gesetzgeber und der Verwaltung ein Gewicht, wie es die dritte Gewalt bislang noch nicht hatte. Sie wendet das gemeinschaftsrechtswidrige Gesetz nicht an, steht also insoweit über der Legislative.“ Natürlich ist der Gesetzgeber befugt und angehalten, gemeinschaftsrechtswidrige Normen zu ändern oder aufzuheben. Bedenklich erscheint aber, wenn sich das BMF, als Vorbereiter von Rechtsänderungen, ausschließlich auf die Ansicht des BFH beruft und dessen Rechtsansicht als unumstößlich darstellt. So wurde die Streichung der Vorsteuerabzugsbeschränkung bei Bewirtungsaufwendungen wie folgt begründet: „Der BFH hat mit Urteil vom 10.2.2005 … entschieden, dass sich der Unternehmer auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht in Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie berufen kann. Die … Regelung zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs für 30 % … der angemessenen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass … ist daher aufzuheben.“78 Genauso wie der Gesetzgeber nicht sämtliche Einzelfälle im Umsatzsteuerrecht mit Gesetzeskraft regeln sollte79, ist er andererseits verpflichtet, nationale Rechtsnormen permanent auf ihre EU-Rechts-Tauglichkeit zu überprüfen und nicht auf Entscheidungen des BFH zu warten, an die er, wie oben dargestellt, nicht gebunden ist. Dem Gesetzgeber wäre zu wünschen, dass er in soweit selbstbewusster auftritt. Andererseits kranken viele Gesetzesvorhaben daran, dass warnende Stimmen im Vorfeld nicht ernst genug genommen werden. Dies gilt umso mehr, wenn diese Bedenken bereits in das Gesetzgebungsverfahren einfließen. So hatten die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft bereits in ihrer Eingabe zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf die Europarechtswidrigkeit der Beschränkung des Vorsteuerabzugs hingewiesen80. Die Maxime für den Gesetzgeber muss also lauten: „Im Gesetzgebungsverfahren ausreichend prüfen und die Hinweise der Sachverständigen beachten, damit die Anwender der neuen Normen Rechts- und Planungssicherheit haben.“
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Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rz. 11. UVR 2006, 107 (110). BR-Drucks. 622/06 v. 1.9.2006 zu Art. 7 Nr. 8 Buchst. a und b. Siehe hierzu: Nieskens, UR 2007, 125. Eingabe vom 3.12.1998, S. 107 f.; vgl. auch Winter, UR 1998, 451.
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Steuergerechtigkeit und Globalisierung* Inhaltsübersicht I. Grenzüberschreitende Verwirklichung von Prinzipien der Steuergerechtigkeit II. Steuergerechtigkeit im Wettbewerb der Steuersysteme III. Verfehlte Politik der Sicherung von Steuersubstrat
IV. Die verlorene Vermögen- und Erbschaftsteuergerechtigkeit V. Einkommensteuergerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung VI. Resümee
I. Grenzüberschreitende Verwirklichung von Prinzipien der Steuergerechtigkeit Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gilt als das Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung1. Ausgehend von dieser Erkenntnis schildert Harald Schaumburg2 in seinem Beitrag zur Festschrift für Klaus Tipke die Restriktionen des Leistungsfähigkeitsprinzips gegenüber dem Äquivalenzprinzip im internationalen Steuerrecht. Dort kollidieren seit jeher zwei interdisziplinär höchst umstrittene Leitprinzipien der Besteuerung. Juristen erkennen in dem Leistungsfähigkeitsprinzip das Fundament für Steuergerechtigkeit, während Ökonomen das Äquivalenzprinzip zu präferieren pflegen3. Die nationalökonomischen Steuertheorien waren bis zum 19. Jahrhundert ganz vom Äquivalenzprinzip geprägt4. Adam Smith5 öffnete den Weg zum Leistungsfähigkeitsprinzip: Die Untertanen jeden Staates sollen Steuern im Verhältnis zum Einkommen zahlen, das sie unter dem Schutze des Staates
__________ * Mit diesem Beitrag danke ich Harald Schaumburg und seiner Frau Heide für die langjährige großzügige Unterstützung des Instituts für Steuerrecht. Mein Dank gilt ihm auch für seine vorzüglichen Vorlesungen des internationalen Steuerrechts an der Universität zu Köln. 1 Dazu die Habilitationsschrift von D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., Köln 2000, S. 479 ff., sowie m. w. N. J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, § 4 Rz. 81 ff. 2 Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in FS für K. Tipke, Köln 1995, S. 125. 3 Dazu die Habilitationsschrift von B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, Berlin 2001. 4 Dazu B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip (Fn. 3), S. 45 ff. Siehe auch F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale, Stuttgart/New York 1978 (Nachdruck der Ausgabe von 1937), S. 80 ff. 5 The Wealth of Nations, erstmals im Jahre 1776 veröffentlicht.
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genießen6. Damit war der Grundstein für die opfertheoretische Rechtfertigung der Steuer gelegt. Jean Jacques Rousseau entwickelte in seinem „Discours sur l’économie politique“ von 1755 die Idee der Steuerprogression, die äquivalenztheoretisch an den Nutzen von Vermögen und Einkommen anknüpfte. Rousseau entwickelte diesen Ansatz opfertheoretisch radikal weiter: Das Lebensnotwendige müsste steuerfrei bleiben; das Überflüssige könnte im Notfall ganz weggesteuert werden7. Im 19. Jahrhundert begründete die Nationalökonomie das gegenwärtige Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips8, das von Ökonomen als Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit verstanden und in dieser Funktion auch heftig kritisiert wird9. Hingegen hat die Steuerrechtswissenschaft das Leistungsfähigkeitsprinzip als verteilungspolitisch neutralen Maßstab für die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten entwickelt. Die Steuerlast soll nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugeteilt werden. Danach hat das Leistungsfähigkeitsprinzip hauptsächlich die Funktion eines Prinzips zur Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit10. Ob eine Steuerlast progressiv, proportional oder gar regressiv zugeteilt wird, ist aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ableitbar11. Das ist Sache der Sozialpolitik, eines bestimmten sozialpolitischen Verständnisses von Belastbarkeit der Steuerzahler. Ein progressiver Einkommensteuertarif kann sowohl nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip als auch nach dem Äquivalenzprinzip gerechtfertigt werden12. Während Ökonomen die rechtswissenschaftlichen Lehren des Leistungsfähigkeitsprinzips häufig missverstehen13, wird von Juristen kaum wahrgenommen,
__________ 6 So die erste von vier Steuermaximen (equality, certainty, convenience of payment, economy in collection): „The subjects of every state ought to contribute towards the support of the government, as nearly as possible, in proportion to the revenue which they respectively enjoy under the protection of the state” (Wealth of Nations, Book V, Chapter II, Part II: Of Taxes). 7 Siehe F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale (Fn. 4), S. 163. 8 Dazu ausf. D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip (Fn. 1), S. 23 ff. 9 Exemplarisch die Habilitationsschrift von K. Schmidt, Die Steuerprogression, Tübingen 1960, S. 41 ff. 10 Dazu die Habilitationsschrift von J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Rechtssystematische Grundlagen steuerlicher Leistungsfähigkeit im deutschen Einkommensteuerrecht, Köln 1981/88. 11 Grundlegend K. Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, Köln 1981, S. 97: „Der progressive Tarif ist kein Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips. Die gleichmäßige Anwendung dieses Prinzips führt zur Proportion, nicht zur Progression …“ A. A. 1958 noch BVerfGE 8, 51 [68 f.]: Die Gerechtigkeit verlange, „dass im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere …“ 12 So wie Adam Smith, Wealth of Nations (Fn. 6) P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, Tübingen 2000, S. 53 f.: Der progressive Einkommensteuersatz rechtfertige sich aus der „überproportionalen Teilhabe des Einkommensbeziehers an den von der Rechtsgemeinschaft bereitgestellten Erwerbschancen …“ 13 Pars pro toto B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip (Fn. 3), S. 22: „Im Bereich des Steuerrechts und des Finanzverfassungsrechts gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip als der zentrale Maßstab für die Steuererhebung … Begünstigt wird die rechtswissen-
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warum das Äquivalenzprinzip für Ökonomen gerecht ist. Bereits der Begriff der „Äquivalenz“ verstellt den Blick zur Sinnhaftigkeit des ökonomischen Steuerprinzips. Nach dem juristischen Steuerbegriff sind Steuern Geldleistungen ohne staatliche Gegenleistung (§ 3 Abs. 1 AO). Damit ist einer „Äquivalenz“ von Steuer und staatlicher Gegenleistung a priori der Boden entzogen. Den Gerechtigkeitsgehalt des ökonomischen Steuerprinzips kennzeichnen präziser die Begriffe „benefit principle“ oder „principio de beneficio“. Die deutschsprachige interdisziplinäre Diskussion könnte weniger missverständlich geführt werden, wenn das Äquivalenzprinzip als „Nutzenprinzip“ bezeichnet werden würde. Nach diesem Prinzip werden Steuern nach dem Nutzen gerechtfertigt, den der Steuerzahler aus der steuerfinanzierten Gemeinschaft zieht. Die Rechtfertigung von Steuern nach dem Nutzenprinzip soll den Steuerzahler idealiter zum Gewinner machen, indem die Vorteilhaftigkeit der steuerfinanzierten Gemeinschaft die Steuerlast überwiegt. Diesem Ideal stehen Staaten wie z. B. die Schweiz nahe, bei denen gemeinschaftlich verantwortete Sicherheit und Lebensqualität in einem günstigen Verhältnis zur Steuerlast stehen. Schweizer sind froh, nicht in der „deutschen Steuerhölle“14 leben zu müssen. Die Aufteilung von Steuersubstrat auf mehrere Staaten im internationalen Steuerrecht aktiviert das Nutzenprinzip zu Lasten des Leistungsfähigkeitsprinzips. Grenzüberschreitende Steuergerechtigkeit kann nicht allein mit steuerlicher Leistungsfähigkeit erklärt werden15. Das Nutzenprinzip drängt sich in eine augenscheinliche Alleinherrschaft des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dadurch wird aber das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht verletzt oder gebrochen; es wird vielmehr mit dem Nutzenprinzip (sach)gerecht kombiniert16. Der umfassende Leistungsfähigkeitsmaßstab des in mehreren Staaten erwirtschafteten Welteinkommens wird nutzentheoretisch modifiziert. Der Wohnsitzstaat, in dem die persönlichen Verhältnisse am besten festgestellt werden können, beansprucht die Besteuerung des Welteinkommens. Jedoch darf der Quellenstaat, unter dessen Schutz ein Teil des Welteinkommens erwirtschaftet worden ist, einen nutzentheoretisch fairen Anteil an der Steuerzahlung beanspruchen. Das durch das Quellen- oder Territorialitätsprinzip konkretisierte Nutzenprinzip ist ein gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip abzuwägendes Prinzip internationaler Steuergerechtigkeit17: Besteuert der Wohnsitzstaat
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schaftliche Auffassung dabei durch eine ausgeprägte organische Staatsauffassung, die die Rechtfertigung einer Steuererhebung nicht weiter hinterfragt …“ Dazu wird u. a. K. Tipke zitiert, vermutlich jedoch nicht gründlich gelesen, da der Name mehrfach falsch („Tiepke“) geschrieben wird. So die Schweizer Presse zur Liechtensteiner Steueraffaire im Februar 2008. Vgl. hierzu H. Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369. Vgl. dazu die Prinzipienlehre von C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, Berlin 1969, S. 113 ff. Grundlegend hierzu K. Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8, 3, 17 ff. (Besteuerung von Auslandseinkünften nach Prinzipien internationaler Gerechtigkeit), 23 f. (Abwägung der Opfer- und Nutzenargumente); Worldwide vs. Source
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das Welteinkommen und rechnet er die Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte an, so erreicht er alle Ziele internationaler Steuergerechtigkeit: Er vermeidet Doppelbesteuerung, befriedigt voll das Leistungsfähigkeitsprinzip und er respektiert das vom Quellenstaat in Anspruch genommene Nutzenprinzip. Doppelbesteuerungsrechtlich üblich ist aber auch die Aufteilung von Steuerquellen, indem ausländische Einkünfte aus dem Welteinkommen herausgeschnitten werden. Hierdurch wird dem Nutzenprinzip zu Lasten des Leistungsfähigkeitsprinzips entsprochen. Grenzüberschreitende Steuergerechtigkeit wird im Binnenmarkt der Europäischen Union von den Grundfreiheiten des EG-Vertrages beherrscht18. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entfaltet die Grundfreiheiten zum einen gleichheitsrechtlich als Diskriminierungsverbote und zum anderen freiheitsrechtlich als Beschränkungsverbote19. Das Diskriminierungsverbot bezieht sich auf die Ungleichbehandlung von In- und Ausländern. Das Beschränkungsverbot verbietet nationale Maßnahmen, die die Ausübung von Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können. Der EuGH stellt strikt darauf ab, ob eine Transaktion zwischen EU-Staaten steuerlich schlechter behandelt wird als eine Transaktion innerhalb eines EU-Staats. Hingegen vernachlässigt der EuGH das Leistungsfähigkeitsprinzip20 und die sog. Kohärenz des nationalen Steuersystems21. Das zeigt deutlich die Rechtsprechung zur Wegzugsbesteuerung22 und zu den Verlustausgleichsbeschränkungen23.
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taxation of income, Intertax 1988, 216, 319 ff., 393 ff., sowie H. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip (Fn. 2), S. 128 ff.; Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, § 5 Rz. 62 ff. Nach Art. 14 Abs. 2 EG-Vertrag umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrages gewährleistet ist. Zur Dogmatik des EuGH im Überblick s. m. w. N. J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 2 Rz. 56 ff., und umfassend die Habilitationsschrift von J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, Tübingen 2008, S. 193 ff., 278 ff., 320 ff., und zur Rechtfertigung von Beschränkungen: S. 332 ff. Dazu J. Hey, Erosion nationaler Besteuerungsprinzipien im Binnenmarkt?, StuW 2005, 317. Hingegen bewerten Heide und Harald Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306, die Judikatur des EuGH als Beitrag, „dass die hinsichtlich des Leistungsfähigkeitsprinzips bestehenden legislativen Umsetzungs- und Vollzugsdefizite verringert werden.“ Dazu A. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, „Konvergenz“ des Gemeinschaftsrechts und „Kohärenz“ der direkten Steuern in der Rechtsprechung des EuGH, Köln 2002. EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409, sowie EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409. Dazu m. w. N. J. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 18 Rz. 519. Nach EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866, ist die Anerkennung von Verlusten einer Tochtergesellschaft im Sitzstaat der Muttergesellschaft nur als ultima ratio geboten. Dazu J. Hey, GmbHR 2006, 113 (Haben die Mitgliedstaaten den EuGH domestiziert?); Steuerrecht (Fn. 22), m. w. N. Ebenso versagte EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831 die Verrechnung von Verlusten einer ausländischen Betriebstätte beim Stammhaus, solange
Steuergerechtigkeit und Globalisierung
II. Steuergerechtigkeit im Wettbewerb der Steuersysteme Das Nutzenprinzip gewinnt im Wettbewerb der Steuersysteme24 erhebliche Bedeutung. Er ist Teil des Staatenwettbewerbs um mobile Produktionsfaktoren und hat sich durch die Globalisierung ganz erheblich verschärft. Normativ ist der Staatenwettbewerb schwer in den Griff zu bekommen25. Die Staaten verfolgen zunächst ein legitimes Ziel, wenn sie den Wohlstand der Nation zu mehren suchen. Hierzu stellt sich die Frage, welche Mittel sie einsetzen, ob sie sich „fair“ oder „unfair“ verhalten. Eine internationale Steuerwettbewerbsordnung26 steckt noch in den Kinderschuhen. Immerhin gibt es den europäischen Verhaltenskodex27 und schon seit 20 Jahren die Bemühungen der OECD, den hinnehmbaren (acceptable) vom schädlichen (harmful) Steuerwettbewerb abzugrenzen28. So ist grundsätzlich festzustellen, dass sich Staaten, d. h. ihre Regierungen und Parlamente sehr wohl wettbewerblich wie private Marktteilnehmer verhalten. Sie halten sich keineswegs staatsrechtlich vornehm zurück. Kraft ihrer völkerrechtlichen Souveränität sind sie sogar besser gestellt als private Marktteilnehmer, deren Wirtschaftsfreiheit durch staatlich durchsetzbare Rechtsordnungen eingeschränkt ist. Demzufolge gibt es Staaten, die ungeachtet aller Anstrengungen supranationaler Organisationen die Möglichkeiten eines völkerrechtsfreien Raums schamlos für den Wohlstand der eigenen Nation ausbeuten. Das Bedürfnis nach einer internationalen Steuerwettbewerbsordnung mit „gerechten“ (fairen) Verhaltensregeln ist unabweisbar. Im Kern besteht das unfaire Verhalten darin, bestimmte Steuervorteile allein ausländischen Investoren zu gewähren29 und damit die Steuerpflichtigen zu diskriminieren, die als Ansässige mitunter schon viele Jahre Beiträge zum nationalen Wohlstand leisten.
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die vortragsfähigen Verluste im Betriebstättenstaat berücksichtigt werden können. Die Beschränkung der Verlustverrechnung sei durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Der EuGH will sowohl die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten bewahren (Nutzenprinzip!) als auch die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung verhindern (Leistungsfähigkeitsprinzip!). Dazu m. w. N. J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 8 Rz. 72 f., und zuletzt M. Rodi, Internationaler Steuerwettbewerb, StuW 2008, 327. C. Seiler, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, München 66, S. 15, leugnet bereits den faktischen Zustand. Der Wettbewerbsbegriff sei schon „sprachlich unglücklich gewählt, weil es keinen Markt der Staaten, also keinen Wettbewerb zwischen ihnen gibt … Erst recht kann der Wettbewerbsbegriff keine normative, speziell europarechtliche Bedeutung erlangen …“ Ebenso P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, München/Wien 2004, S. 37 ff. (Der Gesetzgeber handelt autonom, steht nicht im Wettbewerb). Zu einem Versuch einer normativen Bewertung M. Rodi, Steuerwettbewerb (Fn. 24), S. 330. Zu den Grundlagen einer internationalen Steuerwettbewerbsordnung M. Rodi, Steuerwettbewerb (Fn. 24), S. 332 ff., und umfassend J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit (Fn. 19). Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung v. 1.12.1997, BR-Drucks. 814/97. Dazu m. w. N. J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 2 Rz. 55. Dazu M. Rodi, Steuerwettbewerb (Fn. 24), S. 333 f. Vgl. hierzu den in Fn. 27 zitierten Verhaltenskodex.
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Entgegen der Auffassung von Paul Kirchhof30 handelt der nationale Gesetzgeber im Steuerwettbewerb nicht autonom. Er steht vielmehr unter einem eminenten Anpassungsdruck, den auch der 66. Deutsche Juristentag31 als Rechtfertigung für „systematische Veränderungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung und der Besteuerung von Kapitalvermögen“ anerkannt hat. Der „global player“ wägt die steuerlichen Bedingungen gegen den Nutzen einer Investition in einer nationalen Volkswirtschaft ab und bezieht dabei in sein Kalkül eine Fülle von Standortfaktoren ein, die weit über staatliche Verantwortlichkeiten hinausreicht. Die Größe des Marktes und seine Nähe zur Produktion der Güter, die Absatzchancen, die technische und kulturelle Infrastruktur, die Lebensqualität, das Bildungsniveau und die Innovationskraft der Bevölkerung; all dies und mehr sind Entscheidungsparameter für wohlstandseffiziente, Arbeitsplätze schaffende Investitionen in einem Land. Steuern sind Entscheidungsparameter, deren Bedeutung im Verhältnis zu anderen Standortfaktoren häufig überschätzt wird. Hohe Steuerlasten verschaffen dem Steuerparameter nur in Relation zu den anderen Standortfaktoren mehr Gewicht. Es gibt Volkswirtschaften wie die US-amerikanische und Standorte wie New York, wo hohe Steuerlasten hingenommen werden, weil die Standortfaktoren in ihrer Gesamtheit eine positive Nutzenbilanz ergeben. Überschätzt werden auch die Tarifbelastungen in Relation zu den anderen die Qualität eines nationalen Steuersystems bestimmenden Bedingungen. Die klassischen Steuermaximen von Adam Smith haben bis heute nicht ihre Wahrheit eingebüsst. „Equality“ im Sinne von gleichmäßiger Austeilung von Steuerlasten, die Akzeptanz der Steuerlast vermittelt und nicht zuletzt auch niedrige Steuersätze ermöglicht, „certainty“ im Sinne von Steuerplanungssicherheit und transparenten, verständlichen Steuernormen, „convenience of payment“ im Sinne von Steuern, die auf liquide Mittel zugreifen und zu Zeitpunkten zumutbarer Belastung erhoben werden, und schließlich „economy in collection“ im Sinne eines Steuervollzugs, der dem Steuerzahler möglichst wenig Aufwand verursacht, was ein streitanfälliges und kompliziertes Steuerrecht nicht zu gewährleisten vermag. All dies sind Kriterien, die auch die Gerechtigkeit eines Steuersystems ausmachen und die zu dem Schluss führen, dass die Gerechtigkeit eines Steuersystems seine Wettbewerbsfähigkeit steigert. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verliert an Boden gegenüber dem Nutzenprinzip, indem Steuern auf das Einkommen, besonders Steuern auf Unternehmensgewinne und Kapitalerträge reduziert werden müssen32. Das Modell der syn-
__________ 30 P. Kichhof, Der sanfte Verlust der Freiheit (Fn. 25). 31 DJT in Stuttgart 2006, Sitzungsbericht, Teil Q, München 2006, S. 167, Beschluss Nr. 3: „Der Steuerstaat steht heute unter einem internationalen Anpassungsdruck, der ökonomisch auch als ‚Wettbewerb der Steuersysteme‘ beschrieben werden kann. Das Ziel einer Sicherung der Leistungsfähigkeit des ‚Wirtschaftsstandorts Deutschland‘ rechtfertigt systematische Veränderungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung und der Besteuerung von Kapitalvermögen.“ 32 Siehe M. Rodi, Steuerwettbewerb (Fn. 24), S. 329, und Beschluss des 66. DJT (Fn. 31).
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thetischen Einkommensteuer kann nur mehr als „flat tax“ gerettet werden33. Ein „race to the bottom“ ist jedoch nicht zu befürchten. Im Steuerwettbewerb muss die Nutzenrelation der Belastung durch Steuern auf das Einkommen zu den übrigen Standortfaktoren akzeptabel sein. Die Steuern auf das Einkommen müssen gerecht im Sinne der vorgenannten Steuermaximen von Adam Smith optimiert werden. Dann wird ihre fiskalische Ergiebigkeit im Wettbewerb der Steuersysteme bewahrt werden können. Im Steuerwettbewerb ist zu beobachten, dass der Anteil der indirekten Steuern am Steueraufkommen zunimmt. Auch in Deutschland hat sich Steueraufkommen von den direkten auf die indirekten Steuern verlagert. Der Umsatzsteuersatz ist innerhalb eines Jahrzehnts von 15 auf 19 Prozent angehoben worden34. Indirekte Steuern lassen sich schwerlich am Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichten, wie dies rechtswissenschaftlich versucht wird: Lehre35 und Rechtsprechung des BVerfG36 folgen der Auffassung des Finanzwissenschaftlers Günter Schmölders37, wonach in der Verwendung von Einkommen steuerliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Konsumleistungsfähigkeit ist unbestreitbar eine Art von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit38. Jedoch ist es höchst zweifelhaft, ob eine indirekte Besteuerung des Konsums noch als gerechte Belastung steuerlicher Leistungsfähigkeit verstanden werden kann. Die direkte sog. konsumorientierte Besteuerung39 vermag die persönlichen Verhältnisse des Steuerträgers zu berücksichtigen; diesbezüglich ist die indirekte Besteuerung blind: Für die Verwirklichung des Verbrauchsteuertatbe-
__________ 33 So z. B. durch den Vorschlag der 25-Prozent-Einheitssteuer von P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, Heidelberg 2003. 34 Ab 1.4.1998 von 15 auf 16 Prozent und dann ab 1.1.2007 von 16 auf 19 Prozent. Siehe H. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, § 12 Allg., Anm. 25 u. 31. 35 Insb K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl., Köln 2003, S. 981, und H. G. Ruppe in Doralt/Ruppe, Steuerrecht I, 9. Aufl., Wien 2007, Rz. 1202: „Die USt ist als Steuer auf die Einkommensverwendung mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen zu rechtfertigen. Nicht nur die Erzielung des Einkommens, sondern auch seine Verwendung bringt wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck“. Siehe auch J. Förster, Die Verbrauchsteuern, Heidelberg 1989, S. 99 ff. (Einkommensverwendung als Indikator der Leistungsfähigkeit). 36 BVerfGE 16, 64 [74]; 49, 343 [354]; 65, 325 [346]; 114, 316 [334]: „Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt.“ 37 Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 1956, S. 635, S. 640 f. (mittelbare Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit als Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern). 38 Dazu umfassend J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit (Fn. 19), S. 583 ff. (Der Konsum als rechtsethisch vertretbarer Leistungsfähigkeitsindikator). 39 Zur konsumorientierten Besteuerung von Einkommen s. m. w. N. J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 4 Rz. 113 ff.
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standes ist es irrelevant40, ob indirekt steuerbelasteter Konsum überhaupt aus einem Einkommen bestritten wird oder ob er per Kredit finanziert wird, ob jemand über seine Verhältnisse lebt, insolvent wird und sich seinen Konsum von der Bank bezahlen lässt, die den Kredit abschreibt. Es ist irrelevant, ob verbrauchsteuerlich gleich belastetes Brot von einem Millionär oder einem Bettler verzehrt wird, ob existenznotwendiger Lebensbedarf41 oder Luxuskonsum belastet wird. Steuerliche Leistungsfähigkeit lässt sich bei indirekter Besteuerung allenfalls vermuten42 oder typisiert43 annehmen. Es dient dem gerechten Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips, wenn seine Herrschaft im Bereich der indirekten Steuern nicht künstlich aufrecht erhalten wird. In diesem Bereich alter Steuern44 herrscht bei genauer Betrachtung immer noch das herkömmliche Nutzenprinzip: Steuern sind der Preis für staatliche Ordnung und Sicherheit, die der Konsument in Anspruch nimmt. Es ist gerecht, wenn auch Touristen zu dem Gemeinwesen, in dessen Land sie weilen, ihren Beitrag leisten. Je spezieller die indirekte Konsumsteuer belastet, desto deutlicher wird ihr nutzentheoretischer Gehalt45: Die Mineralölsteuer kann wie eine Straßennutzungsgebühr gerechtfertigt werden. Umweltbezogene Steuern sind der Preis für die Nutzung von Umweltgütern und gesundheitsbezogene Steuern dienen der Abgeltung zusätzlicher Kosten, die Raucher und Trinker dem öffentlichen Gesundheitswesen aufbürden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Steuerrecht nicht monistisch von einem einzigen Prinzip der Steuergerechtigkeit beherrscht wird. Leistungsfähigkeitsprinzip und Nutzenprinzip teilen sich die Rechtfertigung von Steuern. Der Schwerpunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips liegt bei den direkten Steuern, während das Nutzenprinzip die indirekten Steuern dominiert. Indirekte Steuern vermag das Leistungsfähigkeitsprinzip nur sehr eingeschränkt mittels „vermuteter“ oder „typisierter“ wirtschaftlicher Leistungs-
__________ 40 P. Kirchhof, 40 Jahre Umsatzsteuergesetz – Eine Steuer im Umbruch, DStR 2008, 1 (3): „Woraus die Leistungsfähigkeit resultiert, ist unerheblich; das Steuergesetz nimmt die persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Verbrauchers nicht zur Kenntnis, kann also nicht unterscheiden, ob der Bettler oder der Millionär die Umsatzsteuer zahlt, ob die eingesetzte Kaufkraft aus Kapitalreichtum, aus Arbeitseinsatz, aus Lotteriegewinn, einem Darlehen oder aus Almosen herrührt.“ 41 Die vielfach diskutierte Steuervergütung bezüglich des existenznotwendigen Lebensbedarfs sieht das Umsatz- und Verbrauchsteuerrecht nicht vor. Zu diesem Defizit m. w. N. J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit (Fn. 19), S. 600. 42 So P. Kirchhof, a. a. O., (Fn. 40). 43 So P. Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, Heidelberg 2008, S. 20: „Die Besteuerung knüpft an die am Markt einsetzende Kaufkraft, die Vermögensverwendung an. Die hierin typisierend zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit des Verbrauchers belegt eine steuerlich nutzbare Finanzkraft.“ 44 G. Schmölders, Verbrauch- und Aufwandsteuersystem (Fn. 37), S. 636: „Die finanzwissenschaftliche Literatur kennt die Verbrauchsteuern ursprünglich als sog. Akzisen, die zusammen mit den Zöllen die ältesten Formen der Besteuerung darstellen.“ Zur Geschichte der Verbrauchsteuern ausf. J. Förster, Verbrauchsteuern (Fn. 35), S. 4 ff. 45 Dazu B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip (Fn. 3), S. 218 ff.
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fähigkeit zu rechtfertigen. Im Wettbewerb der Steuersysteme fördern die Naturgesetze der Ökonomie das Nutzenprinzip, weshalb seine Bedeutung im Verhältnis zum Leistungsfähigkeitsprinzip zunimmt. Das heißt nicht, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Verlierer der Globalisierung werden muss. Sein Stellenwert der Steuergerechtigkeit kann durchaus behauptet werden, wenn es in seinem angestammten Herrschaftsbereich konsequent verwirklicht wird; das ist die direkte Besteuerung von Einkommen.
III. Verfehlte Politik der Sicherung von Steuersubstrat Klassisches Beispiel für die erwähnte Überschätzung tariflicher Belastungen im Wettbewerb der Steuersysteme ist die Unternehmensteuerreform 200846, mit der hauptsächlich das Ziel verfolgt wurde, die Steuerwettbewerbsfähigkeit durch tarifliche Entlastung von Unternehmen zu verbessern47. Die nominale Ertragsteuerbelastung der thesaurierten Gewinne von Kapitalgesellschaften wurde unter die optisch bedeutende Grenze von 30 Prozent abgesenkt48. Für Personenunternehmen wurde die Sondertarifierung des § 34a EStG mit dem Ziel eingeführt, die einbehaltenen Gewinne von Personenunternehmen „in vergleichbarer Weise wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft tariflich zu belasten.“49 Mit der Gegenfinanzierung der Tarifentlastungen verletzte der Gesetzgeber fundamentale Besteuerungsprinzipien, vor allem das Nettoprinzip50. Er machte das deutsche Unternehmenssteuerrecht komplizierter und streitanfälliger. Die Steuermaximen von Adam Smith wurden so massiv missachtet, dass es zweifelhaft ist, ob sich die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Unternehmenssteuerrechts überhaupt verbessert hat. Die internationale Krise der Finanzsysteme und die sich 2009 abzeichnende schwere weltwirtschaftliche Rezession veranlassen zu Dispositionen über Steueraufkommen in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe51. Angesichts dieser Entwicklung der öffentlichen Haushalte stellt sich das Entlastungsvolu-
__________ 46 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 2332; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007. 47 Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 1 (A. Problem und Ziel). 48 Von dem in der EU höchsten nominalen Belastungssatz von 38,65 Prozent (s. Gesetzentwurf, a. a. O., [Fn. 46], S. 29) auf 29,83 Prozent (15 Prozent Körperschaftsteuer, 0,83 Prozent Solidaritätszuschlag und 14 Prozent Gewerbesteuer bei einem Hebesatz von 400). 49 Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 62. 50 Dazu J. Hey, Verletzung fundamentaler Besteuerungsprinzipien durch die Gegenfinanzierungsmaßnahmen des UntStRefG 2008, BB 2007, 1303; J. Lang, Kritik der Unternehmensteuerreform 2008, in FS für W. Reiß, Köln 2008, S. 379. 51 So ist ungewiss, wie viel die Bürgschaften für Banken und Großunternehmen den Steuerzahler kosten werden. Der Freistaat Bayern ruinierte bereits sein Budget, indem er 10 Mrd. Euro für die Rettung der Landesbank opferte. Bei Abgabe des Manuskripts stand nach einem Konjunkturprogramm von 32 Mrd. Euro ein zweites in gleicher Größenordnung zur Diskussion.
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men der Unternehmensteuerreform 2008 von 5 Mrd. Euro52 als tagespolitisch kurzatmige Fehlentscheidung dar. Der Umfang der Tarifentlastung reicht wohl für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Unternehmenssteuerrechts aus. Hingegen werden die Maßnahmen zur Sicherung von Steuersubstrat dem Steueraufkommen längerfristig betrachtet Schaden zufügen53. Mit der Zinsschrankenregelung der §§ 4h EStG; 8a KStG54 und der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 AStG55 soll die Verlagerung von Steuersubstrat in das Ausland verhindert werden. Diese europarechtswidrige56 Einmauerungspolitik zur Sicherung von Steuersubstrat erinnert an den Mauerbau der DDR, die unfähig gewesen war, ihre Bürger im Land zu halten. Tatsächlich wird die Einmauerung dazu beitragen, dass sich Unternehmen künftig stärker vom Ausland aus organisieren werden. Hierbei geht es nicht nur um die Vermeidung von Steuern. Die Bewertung der Steuerlast nach dem Nutzenprinzip bezieht nämlich auch die Kosten ein, die durch Mängel des Steuersystems verursacht werden. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Steuersystems erschöpft sich nicht in niedrigen Steuersätzen; sie lebt ebenso von „equality“, „certainty“, „convenience of payment“ und „economy in collection“, von materieller Steuergerechtigkeit, Einfachheit, Transparenz, Planungssicherheit und ökonomischer Effizienz.
IV. Die verlorene Vermögen- und Erbschaftsteuergerechtigkeit Die seit dem 17. Jahrhundert entstehenden neuzeitlichen Lehren der Steuergerechtigkeit knüpften ursprünglich am Vermögen an. Die technischen Möglichkeiten zur Ermittlung des Vermögensertrages waren noch nicht entwickelt, so dass es nahe lag, die Erwerbsquelle selbst zu besteuern57. Es ent-
__________ 52 Siehe Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 30. Der Freistaat Bayern verausgabte den doppelten Betrag für die Rettung seiner Landesbank. 53 Verfehlt ist die Einschätzung im Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 1: „Hauptziel der Unternehmensteuerreform ist … neben der Erhöhung der Standortattraktivität die längerfristige Sicherung des deutschen Steuersubstrats.“ 54 Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 31: Die Zinsschranke soll „verhindern, dass Konzerne mittels grenzüberschreitender konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung Erträge … ins Ausland transferieren. Weiterhin soll die Zinsschranke verhindern, dass Konzerne sich gezielt über ihre deutschen Töchter auf dem Kapitalmarkt verschulden und über die gezahlten Zinsen … die Steuerbemessungsgrundlage verringern.“ 55 Gesetzentwurf eines UntStRefG 2008 (Fn. 46), S. 31: „Die Regelungen zu Funktionsverlagerungen sollen dazu beitragen, die Besteuerung in Deutschland geschaffener Werte sicherzustellen …“ 56 Dazu J. Hey, Die Zinsschranke als Maßnahme zur Sicherung des inländischen Steuersubstrats aus europa- und verfassungsrechtlicher Sicht, in FS für C. Djanani, Wiesbaden 2008, S. 109, und m. w. N. J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 2 Rz. 38, Rz. 63 ff. 57 So K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 919. Zur Historie die Beiträge zur Vermögensteuer im Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, von B. Fux, 1. Aufl., Tübingen 1927, S. 133 (141 f.), ausführlich von E. Grossmann, 2. Aufl., Tübingen 1956, S. 525 ff., und von H. Fecher, 3. Aufl., Tübingen 1980, S. 454, (455 f.), historische Skizze.
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sprach der Agrargesellschaft, den Grund und Boden als Steuerquelle zu erkennen58. Später trat das Geschäftsvermögen von Handel und Gewerbe hinzu59. Die Steuern auf das Vermögen wurden zunächst nutzentheoretisch als Preis für den staatlichen Schutz des Vermögens gerechtfertigt60. Im 18. Jahrhundert begann die Herrschaft des Leistungsfähigkeitsprinzips. Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 bemisst die „contribution commune“ nach den Vermögensverhältnissen der Bürger61. Im 19. Jahrhundert wurde die Vermögensteuer als Sollertragsteuer auf der Basis der sog. Fundustheorie gerechtfertigt. Die „fundierten“ Einkünfte dürften stärker, d. h. zusätzlich zur Einkommensteuer belastet werden, da sie anders als Arbeitseinkünfte durch das Vermögen gesichert seien62. Das BVerfG63 hat sich der Sollertragsteuerlehre angeschlossen. Von Verfassungsrechtlern wird der Steuerzugriff auf das Vermögen nicht nur für zulässig, sondern sogar für geboten erachtet64. Im 21. Jahrhundert sind Steuern auf das Vermögen nicht mehr zeitgemäß. Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit konzentriert sich auf Erwerbseinkommen, die zwei Grundvoraussetzungen steuerlicher Leistungsfähigkeit erfüllen, zum einen realisierte steuerliche Leistungsfähigkeit, die durch den Prozess des Erwirtschaftens bestätigt wird, und zum anderen die Liquidität der Steuerzahlung, die das Erwirtschaften von Einkommen vermittelt. Sollertragsfähigkeit unterstellt steuerliche Leistungsfähigkeit65. Wird ruhendes Vermögen besteuert, so ist ungewiss, auf welchem Wert die Besteuerung basiert. Die Unsicherheit der Bewertung wird zum permanenten Quell der Ungleichbehandlung von Wirtschaftsgütern, die wie Geld einen sicher feststellbaren Wert haben und Wirtschaftsgütern mit latenten Wertfaktoren wie insbeson-
__________ 58 Im 17. Jahrhundert wurde das Ideal der Alleinsteuer auf Grund und Boden entwickelt. Dazu F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale (Fn. 4), S. 166 ff. 59 Siehe K. Tipke, a. a. O., (Fn. 57). 60 So in unserer Zeit noch P. Kirchhof, Grundzüge des Steuerrechts, in Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 7, Tübingen 1977, S. 324, (329): „Private Vermögenssubstanz darf für die unerlässliche Finanzausstattung des Staates herangezogen werden, um dadurch den staatlichen Schutz einer privatnützigen Vermögensordnung zu ermöglichen.“ Gegen die äquivalenztheoretische Rechtfertigung insb. K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 920 ff. 61 Art. XIII: „…contribution commune … doit être également repartie entre tous les citoyens en raison de leurs facultés.” „Facultés” ist mit „Vermögensverhältnisse“ zu übersetzen (s. BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84, 239 [269] betr. Zinsen). 62 Dazu K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 922 ff.; H.-W. Arndt, Rechtfertigung der Besteuerung des Vermögens aus steuersystematischer Sicht, DStJG 22 (1999), S. 25 (28 f.). 63 Vermögensteuerbeschluss v. 22.6.1995, BVerfGE 93, 121 [136 ff.] (steuerlicher Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens), 139 (Besteuerung des „fundierten Einkommens“). 64 So insb. D. Birk, Rechtfertigung der Besteuerung des Vermögens aus verfassungsrechtlicher Sicht, DStJG 22 (1999), S. 7, (16): „Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit fordert eine Vermögensteuer, welche die Vermögenssubstanz belastet.“ 65 Gegen Fundustheorie und Sollertragsbesteuerung K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 922 ff. (927): „Bloße Erwerbsmöglichkeiten sollte man nicht besteuern“; J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 4 Rz. 101.
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dere Kunstgegenstände66. Ruhendes Vermögen vermittelt als Sachvermögen häufig keine aktuelle Liquidität der Steuerzahlung. Sachvermögen wie Immobilien, Unternehmen, Kunstgegenstände kann entweder aktuell überhaupt nicht veräußerbar sein oder die Veräußerung ist nur zu sehr ungünstigen Bedingungen möglich. Die Steuerlast eskaliert zu einem Vermögensschaden, der zusätzlich den Steuerzahler trifft. Die Besteuerung der Vermögenssubstanz wird im Zeitalter der Globalisierung, im Zeitalter der globalen Mobilität von Vermögen nicht mehr hingenommen. Wie in Deutschland gibt es in den allermeisten Ländern keine allgemeine Vermögensteuer mehr. Die Grundsteuer ist als Restvermögensteuer auf das immobile Vermögen übrig geblieben67. Etwa 500 Mrd. Euro deutsches Kapital liegen im Ausland, zu einem guten Drittel in der Schweiz68. Das ist hauptsächlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu verdanken, die international im Würgegriff der Globalisierung erstickt. Zunehmend mehr Staaten schaffen diese Steuer ab. Im Wettbewerb der Steuersysteme zeigt Wien einen deutlichen Erkenntnisvorsprung vor Berlin. Wie das BVerfG69 hat der österreichische Verfassungsgerichtshof70 die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer erkannt. Der Nationalrat hat sie nicht saniert. In Deutschland war bis zur Ausfertigung des Reformgesetzes durch den Bundespräsidenten fraglich, ob die Erbschaft- und Schenkungsteuer das Schicksal der Vermögensteuer erleiden würde, als verfassungsrechtlich unanwendbares Relikt im Bundesgesetzblatt archiviert zu bleiben. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet unbeschadet der Tatsache, dass sie als Steuer auf das zugewendete Einkommen gerechtfertigt werden kann71, ruhendes Vermögen und hat damit die substanzsteuerlichen Wirkungen der Vermögensteuer. Sie ist fiskalisch ineffizient. Ihr Aufkommen betrug 2006 3,763 Mrd. Euro72. Ihr Anteil am gesamten Steueraufkommen liegt wie in anderen Ländern deutlich unter einem Prozent73. Der fiskalische Bruttoertrag wird durch unverhältnismäßig hohe Bürokratiekosten geschmälert. Nimmt man die Ertragsteuerausfälle infolge Kapitalflucht, Abwanderung, Liquidation
__________ 66 Dazu J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 4 Rz. 104; Das verfassungsrechtliche Scheitern der Erbschaft- und Schenkungsteuer, StuW 2008, 193 f. 67 Zur nutzentheoretischen Rechtfertigung der Grundsteuer J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 8 Rz. 44. 68 So Schätzungen der Deutschen Bundesbank und der Deutschen Steuergewerkschaft. 69 BVerfG v. 7.11.2006, BVerfGE 117,1. 70 Erkenntnisse v. 7.3.2007 G 54/06 u. a., öBGBl. Abs. 1 Nr. 9/2007, sowie v. 15.3.2007 G 23/07 u. a., öBGBl. Abs. 1 Nr. 39/2007. 71 Dazu J. P. Meincke, Rechtfertigung der Erbschaft- und Schenkungsteuer, DStJG 22 (1999), S. 39; K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 872 f. (Einkommen des Erben oder Beschenkten); Erbschaftsteuerbeschluss v. 22.6.1995, BVerfGE 93, 165, 172: Die Erbschaftsteuer belaste „den durch den Erbfall beim Erben anfallenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit …“ 72 Siehe J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 8 Rz. 19. 73 0,7 Prozent von 534 Mrd. Euro Gesamtaufkommen (s. J. Lang, a. a. O., [Fn. 72]). BVerfG v. 7.11.2006 (Fn. 69): Bis 1997 lag der Anteil am Gesamtaufkommen unter 0,5 Prozent; er stieg dann bis 2004 auf einen Höchstwert von knapp einem Prozent.
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und Insolvenz von Unternehmen, auch die Lohnsteuerausfälle infolge Verlust von Arbeitsplätzen74 ins Blickfeld, so wird die Erbschaft- und Schenkungsteuer sogar zur verfassungswidrigen Fiskalverluststeuer75. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist umverteilungspolitisch ineffizient. Im Jahre 2002 gab es lediglich 123.399 Erbschaftsteuerfälle und 29.496 Schenkungsteuerfälle; lediglich 670 Fälle betrafen Vermögen von mehr als 2,5 Mio. Euro76. Das Erbschaftsteueraufkommen wird also von relativ wenigen Steuerpflichtigen erbracht. Der untere Vermögensbereich ist dem erbschaftsteuerlichen Zugriff nicht ausgesetzt, weil nach dem Erbschaftsteuerbeschluss des BVerfG von 199577 das normale, durchschnittliche, persönliche und familiäre Gebrauchsvermögen zu verschonen ist. Der obere Vermögensbereich ist durch Abwanderung in das erbschaftsteuerfreie Ausland dezimiert. Die fiskalische und umverteilungspolitische Ineffizienz der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlarvt die Floskel der von der Bundesregierung behaupteten Chancengerechtigkeit78 als Farce. Die Kollateralschäden der Erbschaft- und Schenkungsteuer treffen besonders auch sozial schwache Bürger, z. B. Mieter, wenn große Wohnanlagen an sog. Heuschrecken-Investoren veräußert werden oder gering qualifizierte Arbeitnehmer, wenn ihre Arbeitsplätze bei der Veräußerung oder Liquidation von Unternehmen verloren gehen. Derartige Wirkungen versucht der Gesetzgeber durch verfassungswidrige Verschonungsregelungen79 abzumildern. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer dürfte im Spannungsverhältnis von nicht mehr zeitgemäßer Umverteilungsideologie und Steuerwettbewerbsfähigkeit ein drittes Mal80 vor dem BVerfG scheitern81.
__________ 74 Zweifelhaft ist, ob die Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1 ErbStG) im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet ist, Arbeitsplätze zu sichern. Das erbschaftsteuerlich induzierte Festhalten an Arbeitsplätzen kann mehr Arbeitsplätze kosten als sichern (dazu J. Lang, Erbschaft- und Schenkungsteuer [Fn. 66], S. 198 f.). Die bevorstehende Rezession dürfte erbschaftsteuerlich dazu anreizen, mehr Arbeitsplätze als notwendig abzubauen, um den Erben eine günstige Ausgangslage zu verschaffen. Arbeitsplatzpolitisch am effizientesten wäre die gänzliche Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer. 75 Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG wird durch das Übermaßverbot geschützt (dazu BVerfG gegen den Halbteilungsgrundsatz v. 18.1.2006, BVerfGE 115, 97 [114 ff.]). Im Zeitalter der Globalisierung fehlt der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits die fiskalische Geeignetheit (dazu J. Lang, Erbschaft- und Schenkungsteuer [Fn. 66], S. 203 f.). 76 So die Auskunft der Bundesregierung in 2007. 77 A. a. O. (Fn. 71), S. 174/175, hinweisend auf den Vermögensteuerbeschluss, a. a. O., (Fn. 63), S. 140 f. 78 Entwurf der Bundesregierung eines Erbschaftsteuerreformgesetzes, BT-Drucks. 16/7918, S. 23: „Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wird auch künftig einen erheblichen Beitrag dazu leisten können, durch die Besteuerung die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft zu erhöhen.“ 79 Dazu J. Lang, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Fn. 66), S. 197 ff. 80 Nach den Entscheidungen des BVerfG von 1995, a. a. O., (Fn. 71) und von 2006, a. a. O., (Fn. 69). 81 Dazu umfassend J. Lang, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Fn. 66).
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V. Einkommensteuergerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung Das Schicksal der Erbschaft- und Schenkungsteuer zeigt, dass die steuerliche Umverteilung von Vermögen im Wettbewerb der Steuersysteme nicht durchzusetzen ist. Demgegenüber ist die Einkommensteuer umverteilungseffizient geblieben82. Das Einkommensteuerrecht ist das Gebiet, in dem das Leistungsfähigkeitsprinzip am besten verwirklicht werden kann83. Aber auch hier wirkt der Wettbewerb der Steuersysteme gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, gebietet die Niedrigbesteuerung der Einkommen aus international mobilen Erwerbsquellen (Unternehmen und Finanzkapital)84. Das Prinzip der synthetischen Einkommensteuer85, die Gesamtheit der Einkünfte einem einheitlichen Einkommensteuertarif zu unterwerfen, erscheint nurmehr in Gestalt einer „flat tax“ durchsetzbar mit der Folge, dass das Steueraufkommen ganz überwiegend mit indirekten, dem Leistungsfähigkeitsprinzip fernen Steuern erzielt werden muss. Im Koalitionsvertrag von 200586 wurde das skandinavische Modell der dualen Einkommensteuer als Reformoption einer wettbewerbsfähigen und zugleich noch fiskalisch ergiebigen Einkommensteuer vereinbart. Dieses Modell geht davon aus, dass der Staat gegenüber dem sozial ortsgebundenen Arbeitnehmer eine höhere tarifliche Belastung durchsetzen kann als bei mobilen Erwerbsquellen und begrenzt die progressive Steuerbelastung auf die „Arbeitseinkommen“, während die „Kapitaleinkommen“ niedrig proportional besteuert werden87. Die duale Einkommensteuer besticht durch ihre investiven Neutralitätseigenschaften und trägt der Inflationsanfälligkeit des Kapitals Rechnung. Ansonsten ist sie weder einfach noch gerecht: Besonders bei gemischten Einkünften aus Unternehmen bereitet sie nahezu unlösbare Abgrenzungsprobleme. Ein Paradigmenwechsel von der synthetischen zur dualen Einkommensteuer ist wohl als grundlegende Belastungsentscheidung verfassungs-
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82 Nach der Statistik von 2003 tragen die ersten 5 Prozent der Einkommensteuerzahler (Summe der Einkünfte ab 85.224 Euro) 38 Prozent des Einkommensteueraufkommens, die ersten 10 Prozent (Summe der Einkünfte ab 65.951 Euro) 50,7 Prozent und die untere Hälfte der Einkommensteuerzahler nur 7,5 Prozent des Einkommensteueraufkommens (Statistisches Bundesamt VIC4-37311110-0202). 83 BVerfGE 61, 319 [343 f.]; 82, 60, 86: Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folge „für das Gebiet des Steuerrechts, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muss. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist …“ 84 Siehe den in Fn. 31 zit. Beschluss des 66. Deutschen Juristentages. 85 Dazu K. Tipke, Steuerrechtsordnung (Fn. 35), S. 668 ff. (Einheitssteuer oder Schedulensteuer?); J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 9 Rz. 1. 86 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, Zeilen 3412 f.: „Wir werden eine Grundsatzentscheidung zwischen synthetischer und dualer Einkommensbesteuerung treffen.“ 87 Siehe die im Auftrag der Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft und Arbeit vom Sachverständigenrat in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut, München, und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, verfasste Expertise: Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale Einkommensteuer, BMF-Schriftenreihe, Bd. 79, Bonn 2006.
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rechtlich zulässig88. Jedoch ist die Einkommensteuer der zentrale Ort für die Steuergerechtigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips. Soll ihre fiskalische Ergiebigkeit mittels Progression bewahrt bleiben, so verstärkt die Schärfe der Progression das Bedürfnis nach synthetischer Gleichbehandlung der Einkommen. Die Beschränkung der Progression auf Arbeitseinkommen, weil die Steuerpflichtigen dem Steuerstaat nicht ausweichen können, verkennt den Aspekt, dass Staaten auch im Wettbewerb um Bezieher von Arbeitseinkommen stehen. Besonders diejenigen, die durch Innovation und technischen Fortschritt den wesentlichsten Beitrag zum Wohlstand einer Nation leisten können, sind so qualifiziert, dass sie auch im Ausland arbeiten können. Sie sind dem Steuerstaat nicht ausgeliefert. Demnach gebietet auch der Wettbewerb der Steuersysteme eine Einkommensteuer, die alle Bürger als gerecht empfinden können. Das ist nur der Fall, wenn das Einkommensteuerrecht prinzipientreu ausgestaltet ist. Dazu hat die Kommission „Steuergesetzbuch“ im November 2008 den Entwurf eines Einkommensteuergesetzes89 vorgestellt. Er erinnert die Politik an das Versprechen einer strukturellen Einkommensteuerreform90, vereinfacht durchgreifend die Deklarationspflichten91 und setzt den Schwerpunkt alternativ zu Tarifsenkungen mit gerechtigkeitsschädlichen Gegenfinanzierungen auf die Reform der Bemessungsgrundlage, die steuerliche Leistungsfähigkeit richtig zu messen hat92. Maßgeblich ist das Lebenseinkommen93, das
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88 Zur gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung der tariflichen Ungleichbehandlung Sachverständigenrat u. a., Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung (Fn. 86), S, 17 ff.; J. Englisch, Die Duale Einkommensteuer – Reformmodell für Deutschland?, Bonn 2005, S. 93 ff.; N. Meyer-Sandberg, Die Duale Einkommensteuer als Modell ungleicher Besteuerung von Arbeit und Kapital, Frankfurt/M. 2008. 89 Publikation der Stiftung Marktwirtschaft, Berlin 2008. Vgl. auch das von der Stiftung Marktwirtschaft im Januar 2008 veröffentlichte steuerpolitische Programm, S. 46 ff. Die Kommission „Steuergesetzbuch“ hat den „Kölner Entwurf eines Einkommensteuergesetzes“ (Köln 2005) fortentwickelt. 90 Ein solche wurde im Koalitionsvertrag von 2005 (Fn. 86), Zeilen 3454 ff., vereinbart: „Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bleibt der beherrschende Grundsatz im deutschen Einkommensteuerrecht. Er sichert eine gleichmäßige und gerechte Besteuerung aller Bürger … Wir stimmen darin überein, das Einkommensteuerrecht zu vereinfachen, um mehr Transparanz, Effizienz und Gerechtigkeit zu erreichen. Wir streben … eine Neuformulierung des Einkommensteuerrechts an …“ 91 Nach § 42 Abs. 4 des Entwurfs erhält jeder unter der seit kurzem eingeführten lebenslänglichen Steuernummer einen maschinellen Steuererklärungsentwurf, in dem die der Finanzbehörde bekannten Tatsachen verarbeitet sind. Für die meisten Bürger hierzulande wird die „Steuererklärung per Mausklick“ Realität, da sie ausschließlich Quelleneinkünfte (nach dem Entwurf Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus Finanzkapital und aus Zukunftssicherung) haben. Zu den Einzelheiten des elektronisch vereinfachten Steuerverfahrens s. §§ 42 bis 44 sowie Begründung des Entwurfs, S. 53 ff. 92 Zu dieser Fundamentalfunktion des Leistungsfähigkeitsprinzips J. Lang, Bemessungsgrundlage (Fn. 10). 93 Dazu näher J. Lang, Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 49 (63 ff.); Konsumorientierte Besteuerung von Einkommen aus rechtlicher Sicht, in FS für M. Rose, Heidelberg/New York 2003, S. 325 (333 ff.).
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durch steuerliche Zinsbereinigung des Einkommens94 und nachgelagerte Besteuerung des Einkommens95 periodisch richtig gemessen wird. Einkünfte aus Zukunftssicherung werden wohl zunehmend nachgelagert besteuert96. Jedoch bewegt sich das geltende Steuerrecht international im Spektrum partieller Lösungen97. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird durch Subprinzipien konkretisiert. Im Vordergrund steht das objektive und subjektive Nettoprinzip, der Steuerabzug von Erwerbsaufwendung und die Steuerfreiheit des Existenzminimums. Das Einkommensteuerrecht ist von Normen zu entlasten98, mit denen abweichend von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden. Prinzipientreue heißt im Zeitalter der Globalisierung vor allem Anerkennung und Verwirklichung von Prinzipen des internationalen Steuerrechts und des Europarechts; das Einkommensteuerrecht darf nicht europarechtswidrig eingemauert werden99. Das Einkommensteuerrecht muss auch verfassungsfest sein. Das BVerfG hat 2008100 die folgerichtige Verwirklichung des objektiven101 und des subjektiven102 Nettoprinzips erneut angemahnt und noch einmal be-
__________ 94 Dazu mit Nachweisen der ökonomischen Literatur J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1) § 4 Rz. 118; Entwurf eines Steuergesetzbuchs, BMF-Schriftenreihe Heft 49, Bonn 1993, §§ 150 ff., § 162 (zinsbereinigte Unternehmensteuer); Modell der Einfachsteuer des Heidelberger Steuerkreises (dazu M. Rose [Hrsg.], Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, Heidelberg 2002. 95 Dazu umfassend C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, Berlin 2004. 96 Das derzeitige Normenchaos von Riester- und Rürup-Rente ordnet der in Fn. 89 zit. Entwurf der Kommission „Steuergesetzbuch“ als „Einkünfte aus Zukunftssicherung“. 97 Die Sondertarifierung einbehaltener Gewinne mit anschließend progressiver Nachbelastung kann als partiell nachgelagerte Besteuerung (s. C. Dorenkamp, a. a. O., [Fn. 95], S. 303 ff.), die abschließende Niedrigbesteuerung von Kapitaleinkommen als partiell zinsbereinigte Besteuerung verstanden werden. Das Modell der dualen Einkommensteuer basiert auf dem Konzept der Zinsbereinigung, das die in Fn. 87 zit. Expertise, S. 5, als Idealkonzept anerkennt; leider spiele diese Reformoption in der deutschen steuerpolitischen Diskussion „trotz ihrer attraktiven Neutralitätseigenschaften keine Rolle“. In Kroatien wurde 1994 eine zinsbereinigte Unternehmensteuer eingeführt; sie halbierte die Arbeitslosigkeit von ca. 16 Prozent innerhalb eines Jahres. Dieses Ergebnis eines von Manfred Rose geleiteten volkswirtschaftlichen Feldversuchs, den ich mit meinem in Fn. 94 zit. Entwurf unterstützen durfte, zähle ich zu den größten Erfolgen meines Berufslebens. 98 Dogmatische Grundlage ist die Unterscheidung von Fiskalzweck-, Sozialzweckund Vereinfachungszwecknormen (s. J. Lang, Steuerrecht [Fn. 1], § 4 Rz. 19 ff.). 99 Siehe oben III. mit Nachweisen in Fn. 56. 100 Beschluss des Zweiten Senats BVerfG v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, FR 2008, 372, betr. Krankenversicherungsbeträge und Urteil des Zweiten Senats, BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74 m. Anm. Greite – betr. Entfernungspauschale. 101 Urteil v. 9.12.2008 (Fn. 95): „Zu den Anforderungen an eine folgerichtige Abgrenzung von Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht“ (Leitsatz). 102 Beschluss v. 13.2.2008 (Fn. 95): „Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall können Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein“ (2. Leitsatz). So bereits § 36 Abs. 1 Satz 2
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tont, dass eine rein fiskalisch motivierte Durchbrechung des Nettoprinzips verfassungsrechtlich unzulässig sei103. Es hat allerdings den Verfassungsrang des Nettoprinzips weiterhin offen gelassen. Jedenfalls könne der Gesetzgeber das Nettoprinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen104, mit einer derartigen Begründung die Entfernungspauschale ganz abschaffen105. Damit eröffnet sich dem Gesetzgeber ein weites Operationsfeld, auf dem das Nettoprinzip mit allen möglichen Rechtfertigungen erlegt werden kann106. Es bleibt nun abzuwarten, wie weit das BVerfG diesen legislativen Gestaltungsspielraum der Rechtfertigungen abstecken wird. Indessen besteht unbeschadet der Verfassungsrechtslage das Bedürfnis, den zentralen Ort der Steuergerechtigkeit von Lenkungsnormen frei zu halten, etwa Konjunkturpolitik nicht mit dem Ausbau von Steuervergünstigungen107, sondern mit der Rückkehr zum Nettoprinzip108 zu betreiben. Das Einkommensteuerrecht liefert das Fundament der Steuergerechtigkeit, das im Zeitalter der Globalisierung unerlässlich ist. Namentlich Verletzungen des Nettoprinzips schwächen die Akzeptanz der Besteuerung, erhöhen den Steuerwiderstand und erschweren damit den Steuervollzug. Der Bürger widersteht einer Steuer, wenn er in ihr nicht seine persönlichen Verhältnisse berücksichtigt findet.
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Nr. 4 des oben (Fn. 89) zit. Kölner Entwurfs, fortgeführt in § 29 Abs. 1 Nr. 4 des Kommissionsentwurfs, wonach abziehbar sind „Beiträge zu Versicherungen für die Abdeckung von Sonderbedarfausgaben, z. B. Kranken-, Pflege-, Invaliditäts- und Unfallversicherungen“. Urteil v. 9.12.2008 betr. Entfernungspauschale (Fn. 95), Tz. 61, im Anschluss an BVerfGE 6, 55 [80]; 19, 76 [84 f. ]; 82, 60 [89]; 116, 164 [182]: Kein „sachlicher Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen … ist … der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung …“ Urteil v. 9.12.2008 (Fn. 95), Tz. 63: „Das BVerfG hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip … Verfassungsrang hat; jedenfalls aber kann der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen …“ Dazu greift das Urteil v. 9.12.2008 (Fn. 95), Tz. 70, das im Mai 2008 von der Stiftung Marktwirtschaft veröffentlichte Plädoyer des Kronberger Kreises gegen die Abzugsfähigkeit von Wegekosten auf, „weil sie gesamtwirtschaftlich unerwünschte Fehlanreize biete.“ Bereits BVerfG v. 2.10.1969, BVerfGE 27, 58 [64 f.], argumentiert lenkungspolitisch („verkehrstechnische“ Erwägungen). U. Steenken, Die Zulässigkeit gesetzlicher Pauschalierungen im Einkommensteuerrecht am Beispiel der Entfernungspauschale, Diss. jur. Passau 2002, S. 243, plädiert für die Abschaffung der Entfernungspauschale, um „die Umwelt zu schützen“. So die geradezu beliebig mögliche Rechtfertigung eines Abzugsverbots mit den in Fn. 99 zitierten „gesamtwirtschaftlich unerwünschten Fehlanreizen“, z. B. eines Betriebsausgabenabzugsverbots für „gesamtwirtschaftlich unerwünschte“ Kraftfahrzeuge, weil sie z. B. zu viel Benzin verbrauchen. Z. B. die Erweiterung der Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen nach § 35a EStG. Besonders konjunktureffizient die Abschaffung der Zinsschranke (§ 4h EStG). Die verfassungsgerichtliche Wiederherstellung der Entfernungspauschale begrüßte die Bundeskanzlerin aus konjunkturpolitischen Gründen.
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Ab 2009 werden Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 25 Prozent109 abgeltend besteuert (§§ 20; 32d; 43 Abs. 5 EStG). Diese Sondertarifierung ist im Steuerwettbewerb gleichheitsrechtlich wegen der Vollzugsdefizite110 bei der Besteuerung des international mobilen Finanzkapitals gerechtfertigt111. Indessen ist das mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008112 eingeführte Abgeltungsteuerrecht nicht nur viel zu kompliziert ausgefallen. Zudem wird das Prinzip der synthetischen Einkommensteuer in nicht gerechtfertigtem Umfang durchbrochen, indem die sondertarifierte Schedule der Kapitaleinkünfte im Falle einer Veranlagung beibehalten wird. Soweit der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert, trägt die Rechtfertigung mit Vollzugsdefiziten nicht mehr. Die Schedulisierung der Kapitaleinkünfte auch im Falle der Veranlagung ist rein fiskalisch motiviert und daher verfassungsrechtlich unzulässig113. Gegenstand des Steuerwettbewerbs sind neben dem mobilen Kapital die Unternehmen114 als wesentliche Wohlstandsfaktoren einer Volkswirtschaft. Wie oben (III.) dargelegt werden die steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmensbesteuerung nicht allein durch niedrige Tarife, sondern auch durch qualitative Kriterien (Steuergerechtigkeit, Einfachheit, Transparenz, Planungssicherheit, ökonomische Effizienz) geprägt. Die Gesamtheit von Eigenschaften wird sodann in die nutzenökonomische Bewertung eines Standorts einbezo-
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109 § 32d Abs. 1 S. 1 EStG. Die Gesamtbelastung mit Kirchensteuer (nach der Formel des § 32d Abs. 1 S. 4 EStG 1,32 Euro bei 9 Prozent KiSt) und Solidaritätszuschlag (1,38 Euro) beträgt 27,7 Prozent. Diese Belastung erscheint im Steuerwettbewerb als noch zu hoch. 110 Grundlegend dazu BVerfG v. 9.3.2004, BVerfGE 110, 94 [112 ff.] betr. Spekulationseinkünfte. 111 Zur Rechtfertigung der Abgeltungsteuer s. 66. DJT in Stuttgart 2006 (Fn. 31), Beschluss Nr. 17 (die Abgeltungsteuer könne „die Steuererhebung vereinfachen und Besteuerungslücken schließen“), sowie das Gutachten G von C. Spengel, S. 62 f., die Referate (Teil Q) von: R. Mellinghoff, S. 85, (115): Vereinfachung und außerordentlich hohe Mobilität des Finanzkapitals, und R. Seer, S. 127 (147 f.) sowie die Beiträge von J. Hey, JZ 2006, 852 (858), und J. Lang, NJW 2006, 2209 (2212). Die Kommission „Steuergesetzbuch“ empfiehlt in dem oben (Fn. 89) zit. Entwurf eine gegenüber dem geltenden Recht stark vereinfachte Regelung (§ 53); Begründung (S. 35/36): „Die Liechtensteiner Steueraffäre hat die Dimension der Kapitalflucht und die Vollzugsproblematik aufgedeckt. Sie machte klar, dass die Information der Finanzbehörden und die Aufdeckung von Steuerhinterziehungen von Zufällen abhängt, die eines rechtsstaatlichen Steuervollzugs nur bedingt würdig sind. Somit besteht ein dringendes Bedürfnis nach einer Besteuerung, welche den materiellen Steueranspruch in Einklang mit den realen Vollzugsmöglichkeiten bringt.“ 112 Art. 1 Nrn. 22, 27, 39 UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 113 So die st. Rspr. des BVerfG, zuletzt hervorgehoben durch das in Fn. 95 zit. Urteil v. 9.12.2008 betr. Pendlerpauschale, Tz. 61 u. 69. Zur Verfassungswidrigkeit des geltenden Abgeltungsteuerrechts J. Englisch, StuW 2007, 221; J. Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 9 Rz. 505 ff. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 5 des oben (Fn. 89) zitierten Entwurfs gilt die Sondertarifierung nicht, wenn der Steuerpflichtige die gesamten abgeltend besteuerten Einkünfte in die Einkommensteuererklärung aufnimmt. Es gelten uneingeschränkt die Normen der synthetischen Einkommensteuer. 114 Auch der 66. DJT, a. a. O., (Fn. 31), erkennt die wesentlichen wettbewerblichen Anpassungen „im Bereich der Unternehmensbesteuerung und der Besteuerung von Kapitalvermögen.“
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gen115. In den jährlich durchgeführten Meinungsumfragen des World Economic Forum rangiert das deutsche Steuerrecht bezüglich seiner ökonomischen Qualität auf den letzten Plätzen. Die qualitativen Eigenschaften der Unternehmensbesteuerung hat der Gesetzgeber mit der Unternehmensteuerreform 2008 verschlechtert116 und damit nicht den richtigen Weg zur Steuerwettbewerbsfähigkeit beschritten. Das zeigt exemplarisch der Ausbau der Regelung für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung zu einem allgemeinen Zinsabzugsverbot117. Die Zinsschranke kann akzeptiert werden für Finanzierungen zwischen verbundenen Unternehmen. Hingegen ist das allgemeine Zinsabzugsverbot wegen rein fiskalischer Verletzung des objektiven Nettoprinzips nicht nur verfassungswidrig118; es erschwert weit reichend die Fremdfinanzierung unternehmerischer Investitionen und bildet damit einen schweren Standortnachteil. Mit der Sondertarifierung des § 34a EStG ist eine hochkomplexe Regelung geschaffen worden, mit der keine Belastungsidentität zwischen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen erreicht und auch sonst das Ziel der Rechtsformneutralität verfehlt wird119. Die dualistische Struktur der Unternehmensbesteuerung ist beibehalten worden120. Wir plädieren für die Erweiterung der Körperschaftsteuersubjekte auf Personengesellschaften121, um die in-
__________ 115 C. Spengel, Gutachten G zum 66. DJT (Fn. 105), S. 29: „Die neuere steuertheoretische Forschung liefert mittlerweile empirisch belastbare Ergebnisse über die Effizienz und Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs. Ausgangspunkt bildet die Tiboutsche Effizienzvermutung, die im Kern eine Äquivalenz zwischen der Bereitstellung öffentlicher Güter und Steuereinnahmen unterstellt.“ 116 Zur Kritik des UntStRefG 2008 v. 14.8.2007 (Fn. 46) bereits oben III. 117 Siehe §§ 4h EStG; 8a KStG, die in Fn. 54 zit. Begründung, und die Fundamentalkritik von J. Hey, Zinsschranke (Fn. 56). 118 So bereits J. Lang, Kritik der Unternehmensteuerreform 2008 (Fn. 50), S. 389 ff., (391), bestätigt durch das Urteil v. 9.12.2008 betr. Entfernungspauschale (Fn. 98). 119 Dazu J. Hey, Konzept der Sondertarifierung des § 34a EStG, DStR 2007, 925; J. Lang, a. a. O., (Fn. 113), S. 383 ff.; Steuerrecht (Fn. 1), § 9 Rz. 838 (m. w. N.). 120 Die Lobby ertragstarker Personenunternehmen hat erreicht, dass einerseits die tarifliche Belastung einbehaltener Gewinne abgesenkt wird (dazu auf der Grundlage der Teilsteuerrechnung: M. Schiemann, § 34a EStG – ein dynamisches Entscheidungsmodell) und andererseits die Vorteile transparenter Besteuerung genutzt werden können. So sind insb. Unternehmensverluste mit positiven Einkünften der (Mit-) Unternehmer verrechenbar und die z. T. sehr niedrig im Quellenstaat besteuerten Gewinne ausländischer Betriebstätten einkommensteuerfrei. Die gesteigerte Komplexität des neuen Steuerrechts für Personenunternehmen vereinigt das „Beste aus zwei Welten“ (so J. Englisch auf dem „Expertengespräch Integrationsmodelle“ der Kommission „Steuergesetzbuch“ am 15.6.2005 in Berlin, Tagungsbericht der Stiftung Marktwirtschaft, S. 9). 121 J. Hey, Expertengespräch Integrationsmodelle (Fn. 120), S. 5; Integration von Personenunternehmen in die niedrige Besteuerung thesaurierter Gewinne, in FS für A. Raupach, Köln 2006, S. 479 (492 f.); in Tipke/Lang, Steuerrecht (Fn. 1), § 18 Rz. 542; J. Lang, a. a. O., (Fn. 113), S. 388 f. Der Vorschlag einer „einheitlichen Unternehmensteuer“ der Kommission „Steuergesetzbuch“ (steuerpolitisches Programm [Fn. 89], S. 16 ff., ist doppelbesteuerungsrechtlich problematisch (vgl. steuerpolitisches Programm, S. 37 ff.). Daher präferieren wir eine körperschaftsteuerliche Lösung (so das Projektkonzept der Kommission „Steuergesetzbuch“ vom Januar 2005, S. 7).
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ternationale Rechtsformneutralität zu verbessern. Dem Prinzip der synthetischen Einkommensteuer sollte durch die Regelung der sog. transparenten Entnahme entsprochen werden122. Die Gewerbesteuer sollte durch eine allgemeine kommunale Unternehmensteuer123 ersetzt werden. Damit werden gleichheitsgerecht alle die kommunale Infrastruktur nutzenden Unternehmen belastet, was die weitere Absenkung der tariflichen Belastung ermöglicht124. Nach alledem kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit qualitativ verbessert werden, ohne das Steueraufkommen zu strapazieren.
VI. Resümee Seit jeher wirken im internationalen Steuerrecht Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip zusammen. Der Gerechtigkeitswert des Äquivalenzprinzips (präziser: des Nutzenprinzips) rekurriert auf den Nutzen, den der Steuerzahler aus der steuerfinanzierten Gemeinschaft zieht. Das Nutzenprinzip ist ein Prinzip ökonomischer Effizienz, weshalb es von Ökonomen bevorzugt wird. Die nationalökonomischen Steuertheorien waren bis zum 19. Jahrhundert ganz vom Äquivalenzprinzip geprägt. Im Übergang des Verständnisses von Steuergerechtigkeit auf das Leistungsfähigkeitsprinzip hat Adam Smith Leistungsfähigkeitsprinzip und Nutzenprinzip in seiner ersten Steuermaxime125 über „equality“ vereinigt: Untertanen sollen Steuern im Verhältnis zum Einkommen zahlen, das sie unter dem Schutze des Staates genießen. Seine ökonomische Effizienz verschaffte dem Nutzenprinzip wachsende Bedeutung im Wettbewerb der Steuersysteme. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verliert Gewicht durch den zunehmenden Anteil indirekter Steuern an der Gesamtbelastung des Bürgers und durch den Verlust der Vermögen- und Erbschaftsteuergerechtigkeit. Daraus resultiert das unabweisbare Bedürfnis, die zu komplexe, das Leistungsfähigkeitsprinzip vielfach durchbrechende Besteuerung der Einkommen zu sanieren und strikt am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten, um in der Steuerrechtsordnung den Wert gerechter Zuteilung der Steuerlasten nach der Fähigkeit zur Steuerzahlung zu bewahren.
__________ 122 Steuerpolitisches Programm der Kommission „Steuergesetzbuch“ (Fn. 89), S. 27: Abzug der Entnahmen von der unternehmen- bzw. körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage und Einmalbesteuerung durch die Einkommensteuer des (Mit-)Unternehmers. 123 Das Vier-Säulen-Modell der Kommission „Steuergesetzbuch” (s. steuerpolitisches Programm [Fn. 89], S. 40 ff.; M. Jachmann, StuW 2006, 115; J. Lang, Steuerrecht [Fn. 1], § 8 Rz. 97) empfiehlt als 3. Säule eine streng ertragsabhängige Unternehmensteuer (s. Fn. 116). Die kommunale Unternehmensteuer ist doppelbesteuerungsrechtlich unproblematisch, da bereits ihr Tatbestand die Doppelbesteuerung durch örtliche Anknüpfung auf der Grundlage des Nutzenprinzips (s. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht [Fn. 17], Rz. 15.245) vermeidet. 124 Der oben (Fn. 48) zitierte Gewerbesteueranteil von 14 Prozent an der Ertragsteuerbelastung thesaurierter Gewinne von Kapitalgesellschaften i. H. v. 29,83 Prozent ist aus der Sicht des Doppelbesteuerungsrechts viel zu hoch. 125 Originalzitat in Fn. 6.
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Entwicklungstendenzen der Steuerberatung im Konzern Inhaltsübersicht I. Ausgangssituation 1. Aktuelle Rahmenbedingungen 2. Erwartungen der Entscheidungsträger a) Optimierung der Steuerposition b) Optimierung der steuerlichen Rechnungslegung c) Optimierung von Ressourcen II. Entwicklungstendenzen der internen Steuerberatung im Konzern 1. Funktionen der internen Steuerberatung a) Steuerpolitik b) Tax Accounting/Reporting c) Tax Risk Management d) Funktionsschwerpunkte 2. Organisationsfragen a) Positionierung der Steuerabteilung b) Eigenständigkeit der Steuerabteilung
c) Zentralisierung aa) Zentralisierte Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz bb) Räumliche Zentralisierung cc) Führungs- und Steuerungsmechanismen 3. Ressourcenoptimierung a) Personal aa) Anforderungsprofile bb) Motivation b) Kosten c) IT-Tools d) Outsourcing/Cosourcing III. Entwicklungstendenzen der externen Steuerberatung im Konzern 1. Akzeptanzfaktoren 2. Beratungspotentiale IV. Resümee
I. Ausgangssituation In einer Zeit, in der die Wirtschaft durch weiterhin zunehmende Internationalisierung und Globalisierung geprägt und mit einer weltweiten Wirtschaftsund Finanzkrise konfrontiert ist, steht auch die Steuerberatung im Konzern einmal mehr vor der Notwendigkeit, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen zu müssen. Diese Aufgabe ist mit Sicherheit nicht neu1, denn auch für die Steuerberatung im Konzern gilt der Grundsatz: „Nichts ist beständiger als der Wandel“. Neu ist allerdings, dass der Wandel sich nicht relativ stetig vollzieht, sondern die aktuelle Krisensituation einen radikalen Umbruch in den Organisationsstrukturen und Prozessen multinationaler Konzerne erwarten lässt, der die Frage nach einem umfassenden Re-engineering auch für die Steuerberatung im
__________ 1 Vgl. dazu bereits Rose, Steuerberatung und Wissenschaft, StbJb 1969/70, 31 ff., mit Hinweis auf eine Veröffentlichung von Fundeisen vom 10.11.1919; Rose/Eggesiecker/ Reuter/Niermann, Steuerberatung in den 80er Jahren, StbJb 1980/81, 561 ff.
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Konzern aufwirft und forciert. Wie diese Frage zu lösen und entscheiden ist, hängt von den Rahmenbedingungen ab, unter denen sich Steuerberatung im Konzern aktuell vollzieht. Der notwendige Handlungsbedarf wird darüber hinaus auch maßgeblich durch die Erwartungen bestimmt, die von den verantwortlichen Entscheidungsträgern im Unternehmen ausgehen. Steuerberatung im oder auch für den Konzern vollzieht sich zumindest bei multinationalen Konzernen in der Praxis zu einem wesentlichen Teil intern in einer Steuerabteilung2. Zu einem bedeutenden Teil wird die Steuerberatung für den Konzern auch von externen Beratern wahrgenommen3. Harald Schaumburg, den der Verfasser als Student und Assistent am Institut für Steuerrecht der Universität zu Köln schon vor mehr als 30 Jahren kennen- und schätzen gelernt hat, hat dieses Beratungsfeld nicht nur in der Tradition des Sozietätsgründers Hans Flick4 fortgeführt, sondern mit großem Engagement und Erfolg zum Nutzen vieler Unternehmen ausgebaut, geprägt und fortentwickelt. Der nachfolgende Beitrag ist Harald Schaumburg in dankbarer Anerkennung gewidmet und der Versuch, aus der Sicht eines Unternehmenspraktikers Tendenzen der weiteren Entwicklung aufzuzeigen. 1. Aktuelle Rahmenbedingungen Steuerberatung im Konzern vollzieht sich heute in einem komplexen und turbulenten Umfeld. Globale Wirtschaftstrends, die durch dramatisch veränderte Wettbewerbsbedingungen, Geschäftsmodelle, Finanzmärkte und Rohstoffpreise gekennzeichnet sind, haben zu einer komplexen weltweiten Krisensituation geführt und Turbulenzen ausgelöst, in denen staatliche Eingriffe nicht nur isoliert erfolgen, sondern rechtlich und regulatorisch tief greifende Strukturveränderungen zu erwarten sind5. Dies gilt umso mehr, als ein globaler Wettbewerb auf regional unterschiedlichen Märkten zu Organisationsformen führt und geführt hat, die sich von rechtlichen Strukturen lösen und über Landesgrenzen hinaus global koordiniert und optimiert werden6. Operativ verbindet sich mit dieser Entwicklung das Ziel, über rechtliche und nationale Grenzen hinweg Schnittstellen und
__________ 2 Vgl. dazu insb. Hebig, Steuerabteilung und Steuerberatung in der Großunternehmung, Berlin 1984; Herzig/Vera, Die Organisation von Steuerabteilungen, DB 2001, 1; Herzig/Vera, Die Stellung der Steuerabteilung in der Unternehmensorganisation, DB 2001, 441; Vera, Organisation von Steuerabteilungen und Einsatz externer Steuerberatung in deutschen Großunternehmen, Lohmar/Köln 2001. 3 Vgl. dazu Fn. 2. Außerdem insb. auch Jonas, Freiberufler als steuerliche Berater von Großunternehmen, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Hans Flick zum 70. Geburtstag, Köln 1997, 195 ff. 4 Vgl. dazu oben auch Klein/Stihl u. a. (Fn. 3), Vorwort. 5 Schofield/Walford, How you can manage tax in turbulent times, International Tax Review 11/2008, 42. 6 Vgl. dazu bereits Herzig, Globalisierung und Besteuerung, WPg 1998, 280 (281).
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Komplexitäten abzubauen und die „grenzenlose“ oder „virtuelle“ Unternehmung zu schaffen7. Im Gegensatz dazu wird die Besteuerung auch weiterhin primär durch die Anknüpfung an die rechtliche Unternehmensstruktur und die nationale Steuerhoheit bestimmt8. Damit korrespondiert der Wegfall operativer Schnittstellen steuerlich mit zusätzlichen Schnittstellen und Komplexitäten, die durch das Schlagwort „Business goes global, taxes stay local“ treffend beschrieben werden9 und ein systembedingtes Konfliktpotential schaffen, das multinationale Konzerne vor extreme Herausforderungen stellt. Dieses Konfliktpotential resultiert international zunächst aus dem permanenten Wettbewerb nationaler Steuersysteme, der auch in der Europäischen Union ungebrochen fortbesteht10. Konfliktpotential ergibt sich darüber hinaus vor allem auch aus den Komplexitäten des nationalen Rechts, das durch eine Vielzahl von Systembrüchen und Harmonisierungsdefiziten gekennzeichnet ist11 und mit kasuistischen Ad-hocMaßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krisensituation weiter destabilisiert und fragmentiert wird12. Die Notwendigkeit, sich mit diesem Konfliktpotential intensiv auseinanderzusetzen, um Chancen zu nutzen und drohende Belastungen zu vermeiden, ist keineswegs auf Phasen profitablen Wachstums mit entsprechenden steuerpflichtigen Einkommen beschränkt. Im Gegenteil: Gerade dann, wenn die Vor-
__________ 7 Vgl. dazu grundsätzlich Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmen, 3. Aufl., Wiesbaden 1997. Dazu auch Raupach, Wechselwirkungen zwischen der Organisationsstruktur und der Besteuerung multinationaler Konzernunternehmungen, in Manuel R. Theisen (Hrsg.), Der Konzern im Umbruch, Stuttgart 1998, 59 ff.; Herzig (Fn. 6), 281; Prinz, Ertragsteuerfragen moderner Konzepte der Unternehmensorganisation, FR 2000, 537. 8 Vgl. dazu i. e. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, 107 ff. 9 Endres, Die Neuordnung des Europa-Geschäfts unter steuerlichen Aspekten, in IDW, Globale Unternehmenstätigkeit und inländische Besteuerung, Bericht über die Steuerfachtagung 1996 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V., Düsseldorf 1997, 92; Jackstein, Das deutsche Steuerrecht im Wettbewerb mit ausländischen Steuersystemen, in G. Burmester/D. Endres (Hrsg.), FS für Helmut Debatin, München 1997, 179 (201); Raupach (Fn. 7), 62. 10 Vgl. dazu Raupach (Fn. 7), 62. 11 Vgl. grundlegend dazu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., Köln 2000, 16 ff., Bd. II, 2. Aufl., Köln 2003, 1220 ff.; dazu insb. Englisch, Verwirklichung der Steuerrechtsordnung durch eine Rechtsreform, StuW 2006, 85 ff.; Kirchhof, Die freiheitsrechtliche Struktur der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 3 ff.; Lang, Die gleichheitsrechtliche Verwirklichung der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 22 ff.; Lang, BB-Forum: Unternehmenssteuerreform im Staatenwettbewerb, BB 2006, 1769; Müller, Steuersysteme im Wettbewerb, StuW 2006, 173 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, StuW 2007, 201 ff.; Rodi, Internationaler Steuerwettbewerb, StuW 2008, 327 ff.; Breinersdorfer, Kompliziertes Steuerrecht, muss das sein?, StuW 2008, 216 ff. 12 Ein Beleg dafür ist der begrenzte Ausschluss der Anwendung des § 8c KStG durch § 14 Abs. 2 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (BGBl. I 2008, 1982), während „ordentliche“ Verluste nach § 8c KStG weiter diskriminiert werden. Vgl. dazu Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, 820, m. w. N.
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steuerergebnisse zurückgehen und die finanzielle Lage angespannter wird, steigt der Handlungszwang und der steuerliche Beratungsbedarf13. Bei geringeren oder zurückgehenden Wachstumsraten des Vorsteuerergebnisses steigt die relative Bedeutung der Steuern sowohl für den Konzernüberschuss als auch für die Cash-Position und den Unternehmenswert massiv an14. Die sog. Hebelwirkung der Steuern kann insofern zu Performance-Steigerungen führen, die bei stagnierendem oder zurückgehendem Geschäft operativ nur schwer zu erreichen sind15. Steuern gewinnen insofern gerade in Krisenzeiten unter Performance-Gesichtspunkten für die interne Steuerung im Unternehmen zusätzlich an Bedeutung. Diese Bedeutung ist mit der Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung nach US-GAAP oder IFRS auch in der externen Berichterstattung zunehmend von Interesse. Der Nachsteuerertrag wird als langfristig entnehmbarer Unternehmensgewinn für die Marktkapitalisierung und die Aktienbewertung entscheidend durch den Ertragsteueraufwand bestimmt16. Die Entwicklung und Weiterentwicklung der entsprechenden Rechnungslegungsstandards17 sind indessen nicht nur auf die quantitative Erfassung des originären und latenten Steueraufwandes gerichtet. Sie enthalten darüber hinaus auch eine Vielzahl weiterer steuerorientierter Informationsanforderungen, deren Ermittlung, Analyse und Kommunikation nur mit erheblichen Anstrengungen zu bewältigen ist. Wie hoch die Anforderungen sind, zeigt sich überraschenderweise allein daran, dass Steuerfragen in den USA auch in 2008 eine wesentliche Ursache für sog. „Material weaknesses“ und Restatements waren18, obwohl die Problematik dort nach den Bilanzskandalen der Vergangenheit bereits intensiv angegangen wurde. Dieser Befund führt vor Augen, dass die externe steuerliche Berichterstattung erhebliche Risiken beinhaltet, denen im Konzern Rechnung zu tragen ist. Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen ist zusammenfassend Folgendes zu konstatieren: Ein zunehmend komplexes wirtschaftliches Umfeld, komplexe steuerrechtliche Regelungen und Rechnungslegungsstandards und daraus resultierende Risiken führen für die Steuerberatung im Konzern zu einem
__________ 13 Vgl. dazu Ernst & Young, Steady course, uncharted waters, Findings from the third Ernst & Young global tax risk survey, 2008, 9; außerdem auch Schofield/Walford, How you can manage tax in turbulent times, International Tax Review 11/2008, 42. 14 Vgl. dazu Herzig, WPg Sonderheft 2003, 80; Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote: Vom Tax Accounting zum Tax Management, Ubg 2008, 631. 15 Vgl. dazu auch Schneider, Organisatorische Stellung der Steuerabteilung in einer Unternehmung, DStR 2001, 2038. 16 Vgl. dazu Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, Einflussfaktoren, Planung, Messung, Management, München 2008, 2. 17 Vgl. dazu insb. DRS 10, Latente Steuern im Konzernabschluss; IAS 12, SFAS 109. Vgl. dazu Kröner/Beckenhaub (Fn. 16), 4; Meyer/Loitz/Quella/Zerwas, Latente Steuern, Wiesbaden 2008. 18 Vgl. dazu Ernst & Young (Fn. 13), 9.
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massiven Anstieg der Anforderungen19, der letztlich mit den unternehmerischen Notwendigkeiten und subjektiven Erwartungen der Entscheidungsträger im Unternehmen in Einklang gebracht werden muss. 2. Erwartungen der Entscheidungsträger Wie die Erwartungen der Entscheidungsträger im Unternehmen konkret aussehen, hängt letztlich von einer Vielzahl individueller Zielparameter ab20. In einer pragmatischen Verkürzung lassen sich diese Ziele schlagwortartig als Optimierung der Steuerposition, der steuerlichen Rechnungslegung und der notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen zusammenfassen. a) Optimierung der Steuerposition Steuern entziehen dem Unternehmen Liquidität und Vermögen und kollidieren dadurch mit den finanziellen Zielen gewinnorientierter Unternehmen. Dass sich daraus insbesondere für multinationale Konzerne das Ziel ableitet, Steuern minimieren zu wollen, wird in der politischen Diskussion zwar verschiedentlich behauptet. Der Realität wird diese Zielsetzung jedoch allein deshalb nicht gerecht, weil sie letztlich auf eine Einstellung jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit hinausliefe21. Realistischerweise geht es vielmehr darum, die Steuerposition eines Unternehmens als Gesamtheit der steuerlichen Interessen sowohl finanziell als auch qualitativ zu optimieren. Dabei geht es bei der finanziellen Optimierung im Sinne einer relativen Steuerminimierung darum, den Barwert zukünftiger Zahlungsabflüsse zu begrenzen und dadurch den Unternehmenswert zu erhöhen, ohne das wirtschaftliche Interesse an einer Fortführung des Unternehmens in Frage zu stellen. Gleichzeitig wird dem Interesse des Staates an einer Finanzierung von Gemeinwohlaufgaben Rechnung getragen, die auch dem Unternehmen zugute kommen und im Zuge einer Corporate Responsibility gestärkt werden22. Neben der finanziellen Optimierung geht es aber weiterhin auch um qualitative Zielsetzungen, die die Erwartungen der Entscheidungsträger bestimmen. Die Optimierung der Steuerposition hat jedenfalls dort ihre Grenzen, wo das Legalitätsprinzip nicht mehr gewahrt wird und das Straf- und Ordnungswidrig-
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19 Vgl. dazu insb. Elgood/De Backer, The ‚best practice’ tax function, Price Waterhouse Coopers LLP, 2. Aufl., United Kingdom 2006, 7 ff., die die Situation bereits 2006 relativ drastisch beschreiben: „If you’re not riding the wave of change, you’ll soon find yourself beneath it“; vgl. dazu außerdem auch Ernst & Young (Fn. 13), 8; Schofield/ Walford (Fn. 5), 42. 20 Vgl. theoretisch dazu insb. Paulus, Determinanten und Strukturen steuerlicher Entscheidungsprozesse in der Unternehmung, Diss., Göttingen 1978; Hebig, Steuerabteilung und Steuerberatung in der Großunternehmung, Berlin 1984, 64 ff.; Vera, Organisation von Steuerabteilungen und Einsatz externer Steuerberatung in deutschen Großunternehmen, Lohmar/Köln 2001, 30 ff. jeweils m. w. N. 21 Vgl. dazu bereits Rose, Betriebliche Steuerplanung, Angewandte Planung 1977, 57 (63 ff.). 22 Vgl. dazu z. B. den E.ON-/CR-Bericht 2007, Düsseldorf 2008, 7; www.eon.com/ Verantwortung.
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keitenrecht beginnt23. Abgesehen davon, dass der Grenzbereich keinesfalls scharf konturiert ist, sprechen die persönliche Verantwortung der Entscheidungsträger und der Imageschaden, der insbesondere auch für das Unternehmen entstehen würde, dagegen, diese Grenzbereiche bewusst auszunutzen. Das Bemühen, steuerliches Prestige oder eine steuerliche Reputation aufzubauen und bewusst auf anrüchige Grenzgestaltungen zu verzichten, ist insofern – anders als offenbar in früheren Zeiten24 – mit Sicherheit kein Zeichen mehr für die Unfähigkeit steuerlicher Berater. Es ist vielmehr Ausdruck einer veränderten Einstellung gegenüber dem Fiskus, die keineswegs altruistisch ist. Abgesehen davon, dass Reputation und Ansehen die Glaubwürdigkeit fördern, wenn politische, insbesondere auch steuerpolitische Anliegen vorgetragen werden, schaffen sie Vertrauen, das langfristig bei Ermessens- oder Wertungsspielräumen positiv wirken kann und sich insoweit letztlich sogar „auszahlt“. Im Sinne von Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit ist auch die Sicherheitserwartung im Konzern stark ausgeprägt. Es gilt der Satz: No surprise! Dies erfordert eine umfassende und frühzeitige Information über mögliche Chancen und Risiken mit entsprechend strukturierten Prozessen und Anpassungsmaßnahmen. Diese Anpassungsmaßnahmen setzen schließlich auch Flexibilität voraus und führen letztlich zu der Erwartung, sich angemessen und rechtzeitig auf veränderte wirtschaftliche und steuerliche Rahmenbedingungen einstellen zu können. b) Optimierung der steuerlichen Rechnungslegung Aus dem massiven Einfluss der Steuern auf die Kerngrößen der externen Berichterstattung25 hat sich zwangsläufig auch eine veränderte Erwartungshaltung für die Steuerarbeit im Konzern ergeben. Steuerdaten sind in hohem Maße kapitalmarktrelevant mit der Konsequenz, dass die klare Erwartung der Entscheidungsträger im Unternehmen besteht, die Steuerdaten sowohl quantitativ als auch qualitativ zu optimieren. Diese Optimierung orientiert sich wesentlich an den entsprechenden Performance-Zielen wie Konzernüberschuss und Cashflow. Die Optimierung orientiert sich darüber hinaus aber auch wie bei der Optimierung der Steuerposition an qualitativen Zielen. In Anbetracht der Komplexitäten und Risiken, die sich insbesondere bei der Ermittlung latenter Steuern ergeben26, wird dabei erwartet, die notwendigen Daten korrekt, rechtzeitig und vor allem auch verlässlich zu ermitteln. Mit diesen qualitativen Erwartungen verbindet sich zugleich der Anspruch, den externen Anforderungen und internen Notwendigkeiten eines angemessenen Risikomanagements gerecht zu werden.
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23 Vgl. dazu i. E. auch Paulus (Fn. 20), 61 ff. 24 Vgl. dazu Rose, Verunsicherte Steuerpraxis, Steuerberater-Jahrbuch 1975/1976, 41 ff., 76; Paulus (Fn. 20), 65. 25 Vgl. dazu Kröner/Beckenhaub (Fn. 16), 2. 26 Vgl. dazu Loitz, Latente Steuern und steuerliche Überleitungsrechnung bei der Umstellung auf IAS/IFRS, KoR 2003; Langenbucher, Latente Steuern – ein wesentliches Problem bei der Umstellung auf und Anwendung der IFRS, BB 2005, Beil. zu Heft 20.
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c) Optimierung von Ressourcen Gerade in wirtschaftlich angespannten Situationen steigt die permanente Erwartung, begrenzte Ressourcen optimal einzusetzen. Sie wird gerade in Krisenzeiten noch einmal zusätzlich verstärkt. Dabei geht es sicher nicht darum, durch externe Benchmarks „Headcounts“ zu vergleichen. Die Erwartung besteht vielmehr darin, Personal und Sachmittel aufgabenadäquat, effizient und kostenbewusst einzusetzen. So berechtigt diese Erwartung grundsätzlich auch ist, so differenziert müssen die Folgerungen sein, die daraus im Einzelfall zu ziehen sind. Einspareffekte, die operativ in beeindruckender Weise erzielt werden, können gerade in der Krise nicht ohne weiteres die Richtschnur für Anpassungsmaßnahmen beim Einsatz steuerlicher Ressourcen sein.
II. Entwicklungstendenzen der internen Steuerberatung im Konzern 1. Funktionen der internen Steuerberatung Geht man von den aktuellen Rahmenbedingungen und Erwartungen aus, stellt sich zunächst die Frage danach, welche Auswirkungen sich daraus für die konkreten Funktionen der Steuerberatung ergeben. Unabhängig von der Ausgestaltung im Detail27 konzentrieren sich die Bemühungen, die konkreten Aufgaben der Steuerberatung systematisch zu erfassen, auf Funktionen, die Rose als Steuerdeklarationsberatung, Steuerrechtsdurchsetzungsberatung und Steuergestaltungsberatung klassifiziert28. Diese Klassifizierung wird den heutigen Anforderungen im Konzern in zweierlei Hinsicht nicht mehr gerecht: a) Steuerpolitik In Anbetracht eines Steuerrechts, das sich durch Initiativen von Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Rechtsprechung permanent weiterentwickelt, kann die Steuerarbeit im Konzern sich nicht mehr darauf beschränken, das Steuerrecht in seiner Ausprägung durch Rechtsnormen, Verwaltungsanweisungen und Urteile als Datum zu betrachten. Steuerarbeit im Konzern muss vielmehr bereits bei der Entstehung von Rechtsnormen mitwirken29. Diese Mitwirkung kommt dem Unternehmen im Interesse der Informationsbeschaffung als unerlässliche Voraussetzung für eine angemessene Gestaltungsberatung unmittelbar zugute.
__________ 27 Vgl. dazu insb. Hebig, Steuerabteilung und Steuerberatung in der Großunternehmung, Berlin 1984; Vera, Organisation von Steuerabteilungen, Einsatz externer Steuerberatung in deutschen Großunternehmen, Lohmar/Köln 2000. 28 Vgl. dazu i. E. auch Jonas (Fn. 3), 198; Rose, Einführung in den Beruf des Steuerberaters, 2. Aufl., Köln 1995, 122 ff. 29 Vgl. dazu auch Cox, Stakeholder communication, in Tax management in companies, 2. Aufl., London 2008. Dies zeigt sich auch in der Zusammenarbeit und Ergebnissen der Stiftung Marktwirtschaft. Vgl. dazu www.stiftung-marktwirtschaft.de sowie Stiftung Marktwirtschaft, Kommission „Steuergesetzbuch“, Steuerpolitisches Programm, Berlin 2006, Vorwort.
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Letztlich geht die Aufgabe im Sinne einer konzeptionellen Mitwirkung jedoch weit darüber hinaus. Über eine intensive Verbandsarbeit, Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen und Verwaltungsvorschriften, Teilnahme an Gesprächskreisen mit Industrievertretern, Vertretern der Finanzverwaltung und Politikern und der Entwicklung von Steuerreformkonzepten, ist diese Mitwirkung im Ergebnis als „Steuerpolitik“30 darauf gerichtet, aus Unternehmersicht und -interesse steuerliche Systemdefizite und Schwachstellen aufzudecken, zu beseitigen und dadurch die bestehenden Rahmenbedingungen für das Unternehmen verlässlicher zu machen und zu verbessern. b) Tax Accounting/Reporting Für die Steuerberatung im Konzern ist bei der Abgrenzung der Funktionen darüber hinaus auch insoweit eine Ergänzung erforderlich, als die „klassischen“ Abgrenzungen den veränderten Anforderungen einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung und den daraus resultierenden Anforderungen der Entscheidungsträger im Unternehmen nicht gerecht werden. Im Ergebnis ist daher eine neue Funktion erforderlich, die auf die Optimierung der steuerlichen Rechnungslegung und Berichterstattung gerichtet ist und in Anlehnung an den internationalen Sprachgebrauch inzwischen durchweg als Tax Accounting/Reporting bezeichnet wird31. Inhaltlich geht es dabei im Wesentlichen um – die Bearbeitung und Begutachtung entsprechender Grundsatzfragen – die Begleitung/Weiterentwicklung der steuerorientierten Normen und Standards der Rechnungslegung – die Ermittlung des Ertragsteueraufwands und des steuerlichen Cashflows für Monats-, Quartals- und/oder Jahresabschlüsse sowie Planungsrechnungen – die Ermittlung, Analyse und Reporting der entsprechenden Daten und der steuerorientierten Anhangsangaben32, einschließlich der steuerlichen Überleitungsrechnung, im Rahmen des Konzernabschlusses, des Geschäftsberichts und bei Analysten- und Pressekonferenzen. c) Tax Risk Management Ausgehend von den regulatorischen Anforderungen einerseits und den internen Erwartungen andererseits ist Steuerberatung im Konzern über die klassischen Funktionen hinaus heute auch nicht mehr ohne ein angemessenes Tax
__________ 30 Die Bezeichnung orientiert sich plakativ am allgemeinen Sprachgebrauch und unterscheidet sich insoweit begrifflich von Ansätzen der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, die Steuerplanung und Steuerpolitik mehr oder weniger gleichsetzt. Vgl. Federmann, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre als Wissenschaftsdisziplin, Wiesbaden 1977, 62. 31 Vgl. dazu insb. Kröner, Tax Accounting – Ein Perspektivenwechsel, SteuerberaterJahrbuch 2004/2005, Köln 2005, 275 ff.; Kröner/Beckenhaub (Fn. 16), 2. 32 Dazu insb. auch Loitz, Latente Steuern und steuerliche Überleitungsrechnung bei der Umstellung auf IAS/IFRS, KoR 2003, 516, 520.
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Risk Management zu verantworten33. Ausgehend von den Regelungen des Sarbanes Oxley Act34 und den vergleichbaren Folgeregelungen in Europa35 setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die regulatorischen Anforderungen an ein internes Kontrollsystem keine reine Pflichtübung mehr sind, um Risiken der externen Berichterstattung zu vermeiden. Tax Risk Management wird vielmehr als umfassende Pflicht, aber auch als Chance verstanden, Strukturen und Prozesse insgesamt zu optimieren und damit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen in Krisenzeiten Rechnung zu tragen36. Es geht damit weit darüber hinaus, die Erfassung von Steuerrisiken im Sinne der Vorsorge für Betriebsprüfungen37 und Schwachstellen im Financial Reporting aufzuzeigen, sondern zielt allgemein darauf ab, steuerbedingte Risiken in allen Steuerfunktionen systematisch zu erfassen und die notwendigen Gegensteuerungsmaßnahmen zu implementieren. Tax Risk Management ist insofern kein isolierter Prozess, sondern integrierter Bestandteil anderer Steuerfunktionen und Teil der unternehmensweiten Risikosteuerung38. d) Funktionsschwerpunkte Geht man von den aktuell notwendigen Ergänzungen aus und berücksichtigt weiter, dass Tax Risk Management nicht isoliert steht, sondern in die anderen Funktionen integriert ist39, lässt sich schwerpunktmäßig folgende Abgrenzung vornehmen. – Steuerpolitik/Tax Policy – Steuerplanung/Tax Planning – Steuerliche Rechnungslegung und Berichterstattung/Tax Accounting and Reporting – Steuerdeklaration und Durchsetzung/Tax Compliance and Litigation Ausgehend von der Analyse und Mitgestaltung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb der steuerpolitischen Funktion folgt die steuerbewusste Analyse unternehmerischer Sachverhalte durch die Steuerplanung. An die Steuerplanung schließt sich die steuerliche Berichterstattung im Rahmen des Tax Accounting an, bevor durch die Tax Compliance-Funktion die Erfüllung der steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten und ggf. auch der Versuch
__________ 33 Vgl. dazu Elgood/Paroissien/Quimby, Tax Risk Management, PricewaterhouseCoopers, London 2004; Crest, How Sarbanes Oxley is changing tax services, International Tax Review, 11; Loitz, Auswirkungen von Section 404 des Sarbanes Oxley Act auf die Tätigkeit von Steuerabteilungen, WPg 2005, 817; Johnston, The explosion of tax risk, International Tax Review 10/2006, 24. 34 Vgl. Loitz (Fn. 33), 817. 35 Vgl. dazu Loitz (Fn. 33), 829. 36 Vgl. dazu Ernst & Young (Fn. 13), 8. 37 Vgl. zu den Anforderungen, die sich daraus aus IAS 12 und FIN 48 ergeben, insb. Meyer/Loitz/Quella/Zerwas, Latente Steuern, Wiesbaden 2009, 109 ff. 38 Vgl. dazu insb. Elgood u. a. (Fn. 33); KPMG, Tax risk management in the financial sector, An international KPMG survey, 2004. 39 Vgl. dazu Ernst & Young (Fn. 13), 8.
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erfolgt, eigene Rechtspositionen durch außergerichtliche und gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren durchzusetzen. Klar ist, dass diese idealtypische Abgrenzung nur plakativ Hauptfunktionen herausstellen kann und insoweit primär dazu dient, im Unternehmen steuerliches Problembewusstsein zu schaffen. Real sind die einzelnen Funktionen in starkem Maße miteinander verknüpft und interdependent. Das veranschaulichen die folgenden Beispiele: – Steuerpolitische Bemühungen, im Interesse des Standortes die Steuersätze zu senken, wirken sich nicht nur unmittelbar auf Planungsansätze aus, sie können auch massive Auswirkungen auf das Tax Accounting haben, wie die Abschreibung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge zeigt40. – Bemühungen im Rahmen des Tax Accountings, die Steuerquote zu optimieren, sind zu einem erheblichen Teil obsolet, wenn die entsprechenden Einflussparameter nicht hinreichend durch die Steuerplanung gestaltet werden41. – Kreative Steuerplanung im Grenzbereich kann das Verhältnis zur Finanzverwaltung nicht nur bei der Tax Compliance belasten, auch die Glaubwürdigkeit und Reputation bei steuerpolitischen Initiativen wird geschwächt42. – Schließlich wird ein unangemessener Konfrontationskurs gegenüber Festsetzungsfinanzamt und Betriebsprüfung im Rahmen der Tax Compliance auf Seiten der Finanzverwaltung kaum die Bereitschaft fördern, Steuerplanung durch die Erteilung verbindlicher Auskünfte zu erleichtern. Im Ergebnis lassen die bestehenden Interdependenzen und Schnittstellen nur einen Schluss zu: Die einzelnen Ausprägungen der Steuerfunktionen stehen nicht isoliert nebeneinander. Sie sind daher grundsätzlich nicht zu trennen, sondern nur mit einem integrierten Organisationskonzept in den Griff zu bekommen. 2. Organisationsfragen Geht man von diesem integrierten Ansatz aus, empfiehlt es sich zunächst, die Steuerberatung im Konzern grundsätzlich intern zu organisieren43. Wie diese Organisation zu erfolgen hat und ob und inwieweit externe Unterstützung geboten oder opportun ist, hängt letztlich von den individuellen Verhältnissen ab44. Geht man von der aktuellen Entwicklung aus, sind insbesondere folgende Fragen von Bedeutung:
__________ 40 Vgl. dazu grundsätzlich Meyer/Loitz/Quella/Zerwas (Fn. 17), 67 ff. 41 Vgl. Kröner/Beckenhaub (Fn. 16), 47. 42 Wer sich z. B. am Handel mit Verlustvorträgen beteiligt hat, wird kaum Goodwill bei Vorschlägen zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten des § 8c KStG finden. 43 Vgl. dazu auch Vera (Fn. 2), 66 ff. 44 Vgl. dazu i. E. Hebig, Steuerabteilung und Steuerberatung in der Großunternehmung, Berlin 1984; Vera (Fn. 2); Herzig/Vera, Die Organisation von Steuerabteilungen, DB 2001, 1.
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a) Positionierung der Steuerabteilung Steuerabteilungen sind in der Praxis heute bereits häufig direkt der Unternehmensleitung unterstellt45. Soweit dies in der Praxis noch nicht der Fall ist, besteht grundsätzlich Handlungsbedarf. Historisch gewachsene Strukturen und Prozesse können vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen allein sicher nicht als Rechtfertigung für suboptimale Lösungen dienen. Auch Hinweise auf begrenzte Führungsspannen oder Personal-Grading-Aspekte sind letztlich nicht ausschlaggebend. – Wer in die direkte Führung durch Leitungsorgane einzubeziehen ist, ist primär keine Frage der Führungsspanne, sondern der Prioritäten und der Bedeutung für das Unternehmen. – Dies gilt grundsätzlich auch in Bezug auf Personal-Grading-Konzepte, die sich konzeptionell häufig primär auf operative Performance-Indikatoren beziehen und daher der Steuerfunktion nur unzureichend gerecht werden können. Entscheidend ist vielmehr der Beitrag, den „Steuerberater“ zum Erfolg des Konzerns leisten können. Ausgehend von den Auswirkungen der Steuer auf den Unternehmenswert und der bestehenden Hebelwirkung46 ist die unmittelbare fachliche und disziplinarische Zuordnung der Steuerfunktion zu den Leitungsorganen zwingend47. Aufgrund der evidenten Einflüsse der Steuern auf die finanzielle Position und die finanzielle Berichterstattung des Konzerns geht es konkret um die unmittelbare Zuordnung zum CFO, und zwar durchgängig auf allen Konzernstufen48. Steuerfragen so als echte Führungsentscheidungen herauszustellen49, ist insbesondere auch dann geboten, wenn klassische Organisationsstrukturen durch virtuelle Konzepte ersetzt werden. „Grenzenlose“ operative Führung verlangt hochrangige steuerliche Führung, um steuerliches Konfliktpotential nicht nur zu erkennen, sondern Problemlösungen durchsetzen zu können und die dafür
__________ 45 Vgl. dazu insb. Schneider, DStR 2001, 2038; Vera, Organisation von Steuerabteilungen und Einsatz interner Steuerberatung im deutschen Großunternehmen. Lohmar/ Köln 2001, 100 ff. m. w. N. und empirischen Belegen. 46 Vgl. oben Fn. 15. 47 Vgl. dazu insb. auch Schneider, DStR 2001, 2038. 48 Vgl. dazu insb. auch Elgood, Structuring the tax function, in Tax management in companies, 2. Aufl., International Tax Review, London 2008, 37. Die unmittelbare Anbindung an den CFO ist auf nachgeordneten Konzernstufen gerade auch dann notwendig, wenn eine dezentrale Steuerabteilung disziplinarisch an die Steuerabteilung der Zentrale angebunden ist (dazu unten, S. 77 ff.). Entscheidend ist der uneingeschränkte, vollständige und rechtzeitige gegenseitige Informationsaustausch durch direkte Berichtswege und die Vermeidung ineffizienter Informationsflüsse durch fachfremde Instanzen. Der „Instanzenweg“ birgt nicht nur das Risiko, dass Informationen verzögert, gefiltert oder nicht hinreichend erfasst und kommuniziert werden können. Er bindet auch in der Vor- und Nachbereitung von Entscheidungen und Abstimmungsprozessen erhebliche Kapazitäten und kann daher zu Risiken und Ineffizienzen führen, die auch duch informelle Berichtswege nicht zu vermeiden sind. 49 Dazu bereits Rose (Fn. 21), 65 mit Hinweis auf Gutenberg.
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notwendige Akzeptanz zu erhalten. Der „richtigen“ hierarchischen Positionierung kommt insoweit eine Signalwirkung und Ordnungsfunktion zu, die die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit fördert. b) Eigenständigkeit der Steuerabteilung Aus der hierarchischen Positionierung einer Steuerabteilung folgt zwar nicht zwangsläufig ihre Eigenständigkeit50. Praktische Schwierigkeiten sind indes regelmäßig kein hinreichender Grund, an dieser Stelle organisatorisch fragwürdige Kompromisse eingehen zu müssen und die Steuerabteilung in andere Abteilungen zu integrieren. Letztlich geht es dabei darum, klare Verantwortungen zu schaffen und Zielkonflikte zwischen unterschiedlichen Abteilungen offenzulegen und zu lösen. Dem steht die Integration der Steuerfunktion in andere Abteilungen oder Bereiche unterhalb der Leitungsebene entgegen. Folgt man dem Ansatz einer integrierten Steuerfunktion, sind die Teilaufgaben dieser Funktion so heterogen, dass die Verantwortung, sie zu integrieren und als Tax Manager „unter einen Hut“ zu bekommen, eine extreme Herausforderung darstellt51. Selbst bei intensivstem Bemühen und bestem Willen aller Beteiligten stoßen die Führungskapazitäten allein wegen der begrenzten fachlichen Einbindungstiefe an Grenzen, wenn versucht wird, diese Integration z. B. auf das Rechnungswesen, die Finanzabteilung und/oder das Controlling auszudehnen. Die unmittelbaren und zwangsläufigen Folgen sind Informationsdefizite, die allein aus den formalen Informationsflüssen resultieren und auf Dauer auch nicht durch informelle Informationswege zu ersetzen sind. Als weitere Folge kann die Qualität von Entscheidungen und Prozessen leiden mit der Konsequenz, dass sich vermeidbare Risiken ergeben, die letztlich zu Schwächen des internen Kontrollsystems und bei der Ressourcenqualität führen52. Eine Integration der Steuerfunktion in andere Funktionen ist vor diesem Hintergrund im Ergebnis nicht zielführend. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der organisatorischen Zuordnung des Tax Accountings und Reportings. Klar ist, dass es aufgrund der vielfältigen Schnittstellen zwischen Rechnungswesen und Steuern zumindest auf den ersten Blick keine Patentlösung gibt53. Die Verantwortlichkeit der Steuerabteilung allein aus den Positionsbezeichnungen der Gewinn- und Verlustrechnung ableiten zu wollen54, wäre sicher zu vordergründig, denn es steht außer Frage, dass gerade bei der Ermittlung der latenten Steuern eine Vielzahl von Schnittstellen zum Rechnungswesen besteht. Klar ist aber auch, dass es beim Tax Accounting nicht ausschließlich um
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Vgl. dazu Schneider, DStR 2001, 2040. Vgl. dazu Elgood (Fn. 48), 37 (40). Vgl. dazu die Ergebnisse von Elgood (Fn. 48), 37 (40). Vgl. dazu Loitz, Latente Steuern und steuerliche Überleitungsrechnung bei der Umstellung auf IAS/IFRS, KoR 2003, 521. 54 Vgl. Kröner/Beckenhaub (Fn. 16), 2.
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Erfassung und Gestaltung von Daten der Rechnungslegung geht. Allein aufgrund der Konzernsteuerquote als „prominenter“ Kennzahl geht es vielmehr um eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die insgesamt zum „Kerngeschäft“ der Steuerabteilung gehören. Die Zuordnung des Tax Accountings zur Steuerabteilung ist insofern keineswegs ein pragmatischer Kompromiss, sondern überzeugendes Ergebnis einer konsistenten Regelung von Verantwortlichkeiten55. c) Zentralisierung aa) Zentralisierte Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz Mit der unmittelbaren Anbindung an die Leitungsorgane korrespondiert für die Steuerfunktion zwangsläufig auch ein starker Zentralisierungsgrad56. Eine Zentralisierung ist zumindest dann und insoweit unabdingbar, als es um eine umfassende und konzernweite Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz geht. Operatives Geschäft, das über einzelne Rechtsträger und nationale Grenzen hinweg geführt wird, muss durch eine zentrale Steuerfunktion mit Entscheidungskompetenz begleitet und koordiniert werden, weil die steuerlichen Implikationen ansonsten nicht rechtzeitig und/oder nicht angemessen erkannt und optimiert werden können. Organisatorisch gilt der Grundsatz „Taxes stay local“ im Hinblick auf Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen gerade nicht. Er ist vielmehr durch den Satz „Tax responsibility goes central“ zu substituieren. Diese Substitution ist das notwendige Regulativ, um global und grenzenlos geführten Geschäftseinheiten auf „Augenhöhe“ gegenübertreten und zu einem Interessensausgleich kommen zu können, der nicht nur operativen, sondern auch steuerlichen Interessen gerecht wird und daher für den Konzern insgesamt zum Optimum führt. bb) Räumliche Zentralisierung Welche Folgerungen aus einer zentralisierten Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz für die Frage der konkreten Lokalisierung der Steuerfunktion zu ziehen sind, hängt entscheidend von den individuellen Verhältnissen ab. Die Fokussierung auf die Steuerposition des Konzerns und die Gesamtinteressen des Konzerns sprechen ebenso wie Koordinierungsvorteile und Skaleneffekte beim Ressourceneinsatz dafür, die Zentralisierung der Steuerfunktion auch lokal möglichst weitgehend umzusetzen57. Letztlich ist der Zentralisierungsansatz aber kein Selbstzweck und daher hinsichtlich der loka-
__________ 55 Vgl. dazu auch Loitz, Latente Steuern, KoR, 2003, 521; Loitz/Taetzner/Weber, The great crossover, in Tax management in companies, International Tax Review, 2. Aufl., London 2008, 14. 56 Vgl. dazu auch Schneider, Die steuerliche Arbeitsteilung innerhalb der Unternehmung, Zentralisation und Dezentralisation steuerlicher Aufgaben in Großunternehmen, DStR 2001, 1224. 57 Vgl. dazu insb. auch Schneider, Die steuerliche Arbeitsteilung innerhalb der Unternehmung, Zentralisation und Dezentralisation steuerlicher Aufgaben in Großunternehmen, DStR 2001, 1224; Elgood, (Fn. 48), 37 (38).
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len Umsetzung dann zu relativieren, wenn das konkrete Geschäftsumfeld dies erfordert oder opportun erscheinen lässt. Eine lokale Zentralisierung stößt zunächst dort an ihre Grenzen, wo es um internationale Sachverhalte geht, die länderspezifisches Know-how voraussetzen. Dieses Know-how ist grundsätzlich nicht zentral zu bündeln, sondern erfordert zwangsläufig ausländische „Satelliten“ der Zentrale, die das notwendige Know-how entweder lokal in der jeweiligen Jurisdiktion oder regional gebündelt für einheitliche Wirtschaftsräume zur Verfügung stellen. Darüber hinaus kann der Zentralisierungsansatz auch national dann einzuschränken sein, wenn das operative Geschäft nicht homogen ist, sondern Besonderheiten aufweist, die steuerliches Spezial-Know-how und die Nähe zum operativen Geschäft verlangen. Schließlich ist ein steuerlicher Zentralisierungsansatz grundsätzlich auch nicht losgelöst und isoliert vom Aufbau und den Prozessen anderer Funktionsbereiche im Konzern umzusetzen. Soweit Schnittstellen, z. B. zum Rechnungswesen oder der Finanzabteilung, bestehen, können gleichgerichtete Ansätze zu Synergieeffekten führen, die in wirtschaftlich angespannten Lagen eine besondere Bedeutung erlangen und verstärkt zur Diskussion über die Zweckmäßigkeit sog. Shared Service Center beitragen58. Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis diese Diskussionen für andere Funktionsbereiche führen, geht es primär um standardisierte Massenprozesse, die als „Hilfsfunktion“ anzusehen sind. Für eine erfolgreiche Steuerfunktion sind sie insofern allenfalls in begrenztem Maße geeignet59. cc) Führungs- und Steuerungsmechanismen Unabhängig davon, inwiefern und wie stark der Zentralisierungsansatz im Einzelfall eingeschränkt wird, ist eine Einschränkung der zentralen Entscheidungskompetenz und Verantwortlichkeit nicht zu akzeptieren. Der entsprechende Führungsansatz ist in der Organisation daher klarzustellen und durch entsprechende Konzernrichtlinien oder vergleichbare Durchgriffsrechte zu reglementieren und zu dokumentieren. Wenn dezentrale Steuerfunktionen nicht unmittelbar zentral geführt, sondern in dezentrale Geschäftseinheiten integriert werden, ist es mit Klarstellungen und Dokumentationen allein regelmäßig nicht getan. Die lokale Integration birgt die Gefahr, dass für die dezentrale Steuerfunktion disziplinarische Abhängigkeiten zum lokalen Management entstehen, die sich in der Performance-Beurteilung niederschlagen und den notwendigen Ausgleich operativer und steuerlicher Interessen verhindern oder zumindest erschweren, weil potentielle Zielkonflikte nicht oder nicht hinreichend adressiert und kommuniziert werden. Die Gefahr steigt umso mehr, je stärker die individuelle Performance an operativen Vorsteuergrößen gemessen wird. Dies kann dazu führen, dass selbst im Senior Manage-
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58 Vgl. Dazu auch Price Waterhouse, Rechnungswesen als Erfolgsfaktor im Wettbewerb, 2004. 59 Vgl. dazu auch Schneider (Fn. 56), 1224 f.
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ment operativ allenfalls ein eingeschränktes Interesse an steuerlichen Optimierungsmaßnahmen besteht, die die individuelle Performance, z. B. als Personalaufwand oder Beratungskosten, belasten und sich positiv „nur“ in „irrelevanten“ Steuereffekten niederschlagen60. Was in diesem Umfeld hilft, um potentielle Loyalitätskonflikte der lokalen Steuerfunktion zu verhindern, ist entweder eine Anpassung der KPI’s61 des lokalen Managements oder eine disziplinarische Anbindung der dezentralen Steuerfunktion an die Zentrale. Um das lokale Management weiterhin auf das operative Geschäft zu fokussieren, ist der aktuelle Trend klar auf die disziplinarische Anbindung ausgerichtet62. 3. Ressourcenoptimierung Neben der Klärung der organisatorischen Grundprämissen kommt auch der Optimierung der Ressourcen gerade in Krisenzeiten eine nochmals verstärkte Bedeutung zu. a) Personal Was die personellen Ressourcen angeht, besteht die Herausforderung vor allem darin, veränderten Anforderungsprofilen Rechnung zu tragen und die hohe Motivation der Mitarbeiter zu erhalten63. aa) Anforderungsprofile Der aktuelle Wandel in der Steuerfunktion schlägt sich selbstverständlich zunehmend auch in einem veränderten Anforderungsprofil für die Leitungspositionen nieder. Fachliche Expertise ist sicher nach wie vor notwendig, aber keineswegs hinreichend. Erforderlich ist zusätzlich vielmehr auch die Fähigkeit, komplexe Prozesse und hochqualifizierte Experten im Konzerninteresse zu koordinieren, steuerliche Interessen intern und extern gegenüber allen Stakeholdern zu vertreten und so klar und verständlich zu kommunizieren, dass sie die notwendige Akzeptanz finden64. Unerlässliche Voraussetzung dafür ist vor allem auch die Fähigkeit, die richtigen Mitarbeiter einzustellen und auf Dauer zu halten. Dies ist heute eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte im Steuerbereich65.
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60 Vgl. dazu insb. auch Elgood/De Backer (Fn. 19), 33 f. 61 KPI: Key Performance Indicator. 62 Vgl. dazu Elgood (Fn. 48), 38. Um die organisatorischen Schnittstellen klar und eindeutig zu regeln, ist damit letztlich eine Neuorientierung in der Abgrenzung der Funktionen und Verantwortlichkeiten dezentraler Managementstrukturen angezeigt. 63 Wenn im Folgenden Leiter oder Mitarbeiter angesprochen werden, sind selbstverständlich auch Leiterinnen oder Mitarbeiterinnen erfasst. 64 Vgl. dazu i. E. Dell’ Anna/Stäubli, Role of the head of tax, in Tax management in companies, 2. Aufl., International Tax Review, London 2008, 20; Cox, Stakeholder communication, in Tax management in companies, a. a. O., 33. 65 Ernst & Young (Fn. 16), 11.
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Diese Herausforderung resultiert allgemein aus einem außerordentlich engen Markt für qualifizierte Mitarbeiter im Steuerbereich66. Sie wurde zusätzlich verstärkt durch die speziellen Anforderungen im Tax Accounting, denen bislang weder die universitäre Ausbildung noch die weiterführenden Berufsqualifikationen zum Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater hinreichend Rechnung tragen. Was notwendig ist, wenn „fertige“ Mitarbeiter auf dem Markt nicht zur Verfügung stehen, ist die Einstellung engagierter Nachwuchskräfte, die gezielt weiterentwickelt werden und dazu bereit sein müssen, sich dauerhaft mit komplexen Fragen des Tax Accountings auseinanderzusetzen. bb) Motivation Die Bereitschaft und Motivation, sich mit Steuerfragen im Allgemeinen und dem Tax Accounting im Besonderen professionell zu beschäftigen, wird durch eine attraktive Vergütung sicher initiiert und gefördert. Auf Dauer ist die Motivation aber nur dann auf dem notwendigen hohen Niveau zu halten, wenn drei wesentliche Voraussetzungen erfüllt werden. – Gegenüber dem Mitarbeiter ist von vornherein ein offenes Erwartungsmanagement geboten, das den Anforderungen und Perspektiven der konkreten Position gerecht wird. – In der Personalarbeit ist ein Paradigmenwechsel erforderlich, der Personalentwicklung nicht nur auf die Führungskräfteentwicklung einengt, sondern auch Experten dauerhaft fördert und angemessen incentiviert67. – Schließlich und vor allem ist Motivation aber auch eine Frage der Akzeptanz und Anerkennung der geleisteten Arbeit. In dieser Hinsicht sind Führungskräfte gerade dann zu vermehrten Anstrengungen gefordert, wenn es um Positionen geht, deren wichtiger Beitrag zum gemeinsamen Erfolg z. B. erst dann „auffällig“ wird, wenn Daten nicht rechtzeitig oder nicht in der notwendigen Qualität ermittelt und verarbeitet werden. b) Kosten Dass sich auch die Steuerfunktion permanent – und in gesamtwirtschaftlichen Krisensituationen zusätzlich verstärkt – einem wachsenden Kostendruck stellen muss, ist selbstverständlich. Selbstverständlich sollte es aber auch sein, dass eine integrierte Steuerfunktion kein cost-center ist68, dessen Effizienz allein durch isolierte Kostensenkungsinitiativen mit pauschalen Vorgaben nach dem Motto „Jeder hat seinen Beitrag zu leisten“ zu steigern ist. Notwen-
__________
66 Vgl. dazu van der Enden/van der Laan, Gaining control, in Tax management in companies, 2. Aufl., London 2008, 18; außerdem auch Ernst & Young (Fn. 16), 14; Loitz/Taetzner/Weber, The great crossover, in Tax management in companies, a. a. O., 14 (16). 67 Vgl. dazu auch van der Enden/van der Laan, Gaining control, in Tax management in companies, 2. Aufl., International Tax Review, London 2008, 18 (21). 68 In der Realität ist dies leider aber immer noch nicht durchgängig der Fall. Vgl. dazu Elgood/Da Becker (Fn. 19), 24.
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dig ist vielmehr eine differenzierte Kosten-Nutzen-Analyse, die über vordergründige Einspareffekte hinaus auch die materiellen und immateriellen Wertbeiträge erfasst, die durch die Steuerfunktion geschaffen werden, und Risiken aufzeigt, die verschärft oder vermieden werden. Die Steuerquote ist dazu nur bedingt geeignet69, so dass konzeptionell auf jeden Fall umfassendere Performance-Indikatoren zu entwickeln sind. Unabhängig davon, dass eine rein kostenorientierte Steuerung für die Steuerfunktion insofern grundsätzlich nicht in Betracht kommt, ist gerade auch in Krisenzeiten insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: – Im Tax Compliance und Tax Accounting sind „Grundlasten“ gesetzlich oder regulatorisch bedingt und grundsätzlich nicht disponibel. – Geschäftspolitisch sind insbesondere in Krisenzeiten Anpassungen von Strukturen, Prozessen und Geschäftsmodellen in der Diskussion, Planung und Umsetzung, die nicht nur die „Grundlast“ im Tax Compliance and Tax Accounting massiv erhöhen, sondern zusätzliche Anforderungen an die Steuerplanung stellen und letztlich ebenfalls nicht disponibel sind. – Schließlich sind bei einer integrierten Steuerfunktion auch die Personalkosten allenfalls in eingeschränktem Maße disponibel: Abgesehen von arbeitsrechtlichen Restriktionen ist eine zyklische Personalanpassungspolitik nicht nur angesichts knapper Personalressourcen und unter Motivationsgesichtspunkten verfehlt. Sie wäre auch ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen, durch Kontinuität in der Steuerfunktion die Basis für eine optimale Begleitung operativer Veränderungen zu legen, um Werte zu erhalten und zusätzlich zu schaffen. Kostenmanagement oder besser Performance in der Steuerfunktion ist insofern keine temporäre Ad-hoc-Maßnahme, sondern ein langfristig und permanent angelegtes Konzept, Strukturen und Prozesse auf Redundanzen zu überprüfen und effizient zu gestalten. Die IT-Nutzung ist dabei heute einer der wesentlichen Schwerpunkte. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage nach der Einschaltung externer Berater. c) IT-Tools Die globale Vernetzung und auch die stetige Weiterentwicklung in der IT machen auch vor der Steuerberechnung nicht halt. Hat es früher genügt, einfache Berechnungsblätter zu verwenden, greift man heute auf komplexe Steuerberechnungsprogramme zurück, die in der Lage sind, die länderspezifischen Steuerberechnungen global agierender Konzerne abzubilden. Der Trend zu immer schnelleren Abschlüssen und der Anstieg der Datenmenge (Datenflut) zwingen Konzerne zu standardisierten Verfahren zur Ermittlung der notwendigen Steuern und Anhangsangaben. Ferner ist es notwendig, IT-gebundene Lösungen für Überleitungsrechnungen (TRR), Analysen
__________ 69 Vgl. Dell’ Anna/Stäubli, Role of the head of tax (Fn. 64), 28 (31).
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(Abweichungen, Gegenüberstellungen, Plausibilitäten) und Validierungen zu implementieren, um die Datenqualität und ein angemessenes Risikomanagement sicherzustellen. Hierbei gehen die großen Konzerne momentan die unterschiedlichsten Wege: angefangen von fertigen Lösungen der Berater bis hin zu umfangreichen Eigenentwicklungen, teilweise Web-basiert, aber auch direkt in Rechnungslegungssystemen wie SAP70. Je größer oder internationaler ein Konzern ist, desto größer sind auch die Herausforderungen in diesem Bereich. Daher tendieren viele Konzerne zu Eigenentwicklungen, um die eigenen Anforderungen optimal abdecken zu können. Dies bringt für Steuerabteilungen völlig neue Tätigkeitsbereiche hervor, da hier steuerliches, aber auch IT Knowhow gefragt ist. Dadurch verändert sich das Bild der klassischen Steuerfunktion in Großkonzernen nachhaltig. Ihr klassisches Einsatzgebiet wie Steuergestaltung und Compliance wird um Tätigkeitsfelder wie IT Projekte, technische Prozessentwicklung und zentrale Governance-Strukturen erweitert. Der Nutzen dieser Erweiterung liegt auf der Hand71. Eine einheitliche Berechnung bzw. Darstellung mit standardisierten Prozessen ermöglicht eine bessere zentrale Lenkung durch die Konzernsteuerabteilung, sei es bei der Integration von neuen Gesellschaften, bei der Analyse oder bei der Abbildung der Steuern. Auch Support oder Schulungen sind hier deutlich einfacher durchzuführen. Ferner können bei guter Einführung neuer Systeme und systembasierter einheitlicher Prozesse konzernweit Synergieeffekte im Steuerbereich realisiert werden. Dieser Trend lässt sich nicht aufhalten und der Vormarsch von ITTools wird weiter gehen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung in der IT bringt eine kontinuierliche Aktualisierung der bestehenden IT-Tools (Releasewechsel) mit sich und ermöglicht für die Zukunft sicher effizientere Lösungen. d) Outsourcing/Cosourcing Der Einsatz externer Berater steht unter Effizienz-Gesichtspunkten im Konzern nach aller Erfahrung dauerhaft und in Krisenzeiten verstärkt unter „besonderer Beobachtung“72. Als hoch empfundene Stundensätze wirken dabei außerordentlich emotional. Außerdem besteht der Eindruck, kurzfristig und flexibel über Beratereinsätze disponieren und dadurch kostenorientiert bei angespannter Ertragslage „quick wins“ realisieren zu können. Unabhängig davon, dass diese Einstellung und Zielsetzung im Einzelfall durchaus berechtigt sein kann, geht es im Konzerninteresse rational letztlich aber allein um die Frage, ob der Einsatz externer Berater gegenüber „In-HouseLösungen“ einen Mehrwert schafft und insoweit effizienter ist. Tendenziell ist dazu im Einzelnen Folgendes festzuhalten:
__________ 70 Vgl. dazu insb. auch Schutzmann, The role of technology, in Tax management in companies, 2. Aufl., International Tax Review, London 2008, 23; Morgant, Process or technology, in Tax management in companies, a. a. O., 41. 71 Vgl. dazu insb. auch Schutzmann (Fn. 70), 23; Morgant (Fn. 70), 41. 72 Vgl. dazu i. E. auch Jonas (Fn. 3); Gonella/Starke, Ausgliederung von Dienstleistungen aus Konzernsteuerabteilungen, BB 1996, 1253.
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– Ein Outsourcing im Sinne einer kompletten Ausgliederung der Steuerfunktion auf einen externen Dienstleister kommt bei einer integrierten Steuerfunktion grundsätzlich nicht in Betracht, weil die unternehmensinterne Vernetzung unerlässlich ist, durch unzureichende personelle Kontinuität permanent neuer und hoher Einarbeitungsbedarf mit erheblichen Synergieverlusten und Kosten entsteht und nicht zuletzt auch das Verhältnis zur Finanzverwaltung und Kommunen eher „distanziert“ ist. – Externe Beratung kann jedoch dann und insofern sinnvoll sein, wo es im Sinne eines Cosourcing darum geht, temporäre und außerordentliche Bedarfsspitzen abzudecken und spezielles Fach- und Prozess-Know-how zur Verfügung zu stellen, das konzernintern nicht mit vertretbarem Aufwand bereitzustellen ist. Externe Beratung behält daher trotz angespannter Budgets ihre Bedeutung, wenn sie die gestellten Anforderungen und Erwartungen erfüllt und gezielte Beratungspotentiale anbietet.
III. Entwicklungstendenzen der externen Steuerberatung im Konzern Mit dem Ergebnis, dass die Bedeutung der externen Steuerberatung im Konzern in Zukunft unvermindert anhält, resultieren Erwartungen an oder Herausforderungen für den Berater, die seine Akzeptanz im Unternehmen bestimmen, mögliche Beratungspotentiale aufzeigen und möglicherweise zu Anpassungen der Servicekonzepte führen. 1. Akzeptanzfaktoren Voraussetzung für eine optimale Zusammenarbeit zwischen interner und externer Beratung ist eine Reihe von Akzeptanz- und Erfolgsfaktoren. Individualität: Steuerberatung im Konzern ist nur eingeschränkt zu standardisieren. Gefragt sind differenzierte und individualisierte Problemlösungskonzepte, die sich nicht oder nur eingeschränkt vervielfältigen lassen. Von daher sind steuerliche Produktentwickler, die kreative Konzepte flächendeckend vermarkten, nicht gefragt. Gefragt ist vielmehr ein loyaler Erfahrungstransfer, der die Bereitschaft und Verpflichtung beinhaltet, gewonnene Erkenntnisse zurückhaltend zu verwerten. Diese Zurückhaltung liegt im Interesse des Mandanten, der in einem Dauerrechtsverhältnis mit der Finanzverwaltung steht und regelmäßig kein Interesse daran hat, durch grenzwertige Gestaltungen Dritter in Probleme zu laufen. Kontinuität: Gefragt ist auch Kontinuität und zwar in der Person, in der Sache und in der Einstellung. Personelle und sachliche Kontinuität sind umso schwerer darzustellen, je größer Beratungsteams sind und je häufiger die Zusammensetzung wechselt. Gefragt sind daher kleine Beratungsteams mit konsistenter und kontinuierlicher Führung. Erfahrung/Souveränität/Kompetenz: Mit der Heranziehung bei Spezial- und Grundsatzfragen können letztlich nur erfahrene Berater mit Spezialkompetenz und Souveränität bestehen. Welche Kompetenz gefragt ist, hängt primär von 83
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der konkreten Problemstellung und damit von den Anforderungen des Mandanten ab. Souveränität ist dabei insbesondere auch dann erforderlich, wenn die gewünschte Leistung nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann und von daher Grund für Wechsel oder eine Ergänzung des Beraters angezeigt ist. Konstruktivität: Bei der Einschaltung externer Berater geht es nicht um „Patentlösungen“, sondern um partnerschaftliche, konstruktive Zusammenarbeit73. Als Vorleistung des Unternehmens ist dazu eine umfassende und offene Problembeschreibung notwendig, um dem Berater die notwendige Sachverhaltsnähe so effizient wie möglich zu vermitteln. Außerdem bedeutet Konstruktivität auch, klare Wertungen abzugeben und Risiken so zu qualifizieren, dass Stellungnahmen, die als „Versicherung“ gedacht sind, im Hinblick auf den Ausschluss von Haftungsrisiken nicht zu zusätzlicher Verunsicherung führen. Kostenbewusstsein: Mit dem Hinweis, dass guter Rat teuer ist, ist ein angemessenes Kostenbewusstsein nicht zu ersetzen. Interne Performance- und Budgetierungsanforderungen sind nur dann einzuhalten, wenn externe Kosten im Vorfeld hinreichend kalkuliert und verlässlich und transparent abgerechnet werden. 2. Beratungspotentiale Die weiterhin stetig wachsende Komplexität der wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen wird den Bedarf an externer steuerlicher Beratung in Spezialfragen auch in Zukunft nicht vermindern. Im Gegenteil: Trotz fortschreitender, interner Spezialisierung sind komplizierte Sachverhalte auch zukünftig nicht wirtschaftlich mit eigenem Personal zu lösen, wenn das dazu notwendige Know-how und die Kontakte zur Finanzverwaltung und zur Gerichtsbarkeit konzernintern nicht aufzubauen sind74. Dieser „Wettbewerbsvorsprung“ der externen Beratung wird in Zukunft noch weiter anwachsen. Veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit, die Eckpfeiler der geltenden Steuerrechtsordnungen an diese Entwicklungen anzupassen75, wird bereits heute als Beratungspotential großer Beratungspraxen wahrgenommen und genutzt. Im Ergebnis entstehen dadurch fachliche Frühwarnsysteme, die zukünftige Konfliktpotentiale für Unternehmen systematisch erfassen, analysieren und Konzepte für Lösungsansätze entwickeln und koordinieren. Dies gilt nicht nur für internationale Entwicklungen, wie die Harmonisierung in der EU oder der Rechtsprechung des EuGH, sondern auch national bei der Entwicklung von Steuerreformkonzepten. Diese „steuerorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit“ wird prozessorientiert zu weiteren Beratungspotentialen führen. Standardlösungen sind
__________ 73 Vgl. dazu auch Jonas (Fn. 3), 203. 74 Vgl. dazu i. E. Jonas (Fn. 3), 202. 75 Vgl. Herzig (Fn. 6), 280 (281).
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zwar für steuerliche Planungskonzepte wenig hilfreich. Hilfreich wäre es jedoch, wenn die Bemühungen, integrierte Lösungskonzepte für Prozesse und Anwendungen zu entwickeln, weiter forciert würden. Durch die Nutzung konzernübergreifender Erfahrungen bei der Integration von handels- und steuerrechtlichen Kompetenzen, von Steuern und steuerlicher Rechnungslegung sowie bei der Integration von Facharbeit und Fachprozessen durch die erfahrungsgestützte Entwicklung systematischer Funktionsabläufe und steuerorientierter IT-Konzepte sind mit Sicherheit noch zusätzliche Beratungspotentiale zu erschließen.
IV. Resümee Die Steuerberatung im Konzern steht einmal mehr vor großen Herausforderungen. Sich diesen Herausforderungen zu stellen, ist für einen „Steuermann“ Verpflichtung, Ansporn und Chance zugleich, und zwar unabhängig davon, ob er im Unternehmen oder als externer Berater zum Nutzen des Konzerns seinen Mann steht. Es gilt, auch in stürmischen Zeiten mit Weit- und Zuversicht einen klaren steuerlichen Kurs zu bestimmen, zu halten und mit ambitionierten Zielen zu einer stabilen „Kursentwicklung“ beizutragen. Harald Schaumburg hat dies in der Vergangenheit mit großem Erfolg getan und wird sicher auch in Zukunft auf dem Weg zu immer neuen Ufern mit voller Kraft voraus wertvolle Beiträge leisten.
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Steuerzentrierte Rechtsberatung Harald Schaumburg ist seit nunmehr 30 Jahren Partner von Flick Gocke Schaumburg. Er war der erste Neupartner nach den Sozietätsgründern Hans Flick und Rudolf Gocke, wurde später zum Mitnamensgeber der Sozietät und hat die letzten 14 Jahre im Partnerkreis die führende Position eingenommen. In dieser Zeit hat sich Flick Gocke Schaumburg von der Steuerrechts-Boutique Dr. Flick & Partner mit etwa 20 Berufsträgern in Bonn zu einem führenden deutschen steuerzentrierten Rechtsberatungsunternehmen mit etwa 200 Berufsträgern an den vier Standorten Bonn, Berlin, Frankfurt und München entwickelt. Dazu hat Harald Schaumburg wesentlich durch seine eigene Arbeitsleistung beigetragen. Vor allem aber hat er auch gemeinsam mit seinen Partnern in dieser Zeit immer Wert darauf gelegt, dass die Menschen, die Flick Gocke Schaumburg ausmachen, durch ganz bestimmte Eigenschaften geprägt sind, und – damit untrennbar verwoben – gemeinsam mit ihnen ein Gerüst von Leitlinien für das Unternehmen Flick Gocke Schaumburg entwickelt. In der Summe macht beides letztlich das Erfolgsgeheimnis von Flick Gocke Schaumburg aus. Das Schlagwort Steuerzentrierte Rechtsberatung, das auch dieser Festschrift den Namen gegeben hat, steht für dieses gelungene Hin und Her zwischen der Tätigkeit, Förderung und Entwicklung von individuellen Beraterpersönlichkeiten einerseits und der Verfolgung eines dynamischen und zugleich behutsamen Unternehmensgesamtkurses um den zentral steuerrechtlichen Beratungsgegenstand andererseits. Heute hat Flick Gocke Schaumburg mit dieser Philosophie und dabei insbesondere mit der Steuerzentriertheit seiner Aktivitäten am deutschen Rechtsberatungsmarkt eine Alleinstellung erreicht. Dies ist Veranlassung genug, nachstehend zu Ehren von Harald Schaumburg die wesentlichen Leitlinien der Steuerzentrierten Rechtsberatung in seinem Sinne und im Sinne der Partner von Flick Gocke Schaumburg nachzuzeichnen.
Individualität und Unternehmensorientierung Der einzelne Mensch ist wichtiger als das Unternehmen, die Organisation. Dieses in freiheitlichem Denken wurzelnde Selbstverständnis hat Harald Schaumburg stets verfochten und geprägt. Übertragen auf ein Rechtsberatungsunternehmen bedeutet dies, dass es am wichtigsten ist, die richtigen Köpfe zu gewinnen und zu Beraterpersönlichkeiten zu entwickeln bzw. am besten sich entwickeln zu lassen – nicht das Besetzen von Stellen und die Erfüllung eines durch eine Administration entwickelten Planes stehen im Vordergrund. Ein guter Berater beschafft sich seine Arbeit selbst (sie ergibt sich gleichsam automatisch), er wird nicht von einer Organisation mit Arbeit versorgt. Diese Überzeugung hat sich über die vielen Jahre immer wieder genauso 87
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bewahrheitet wie die Einsicht, dass das Zulassen und Fördern des individuellen Strebens in einem arbeitsteiligen Gesamt ganz im Sinne von Adam Smith geeignet ist, zugleich das Wohlergehen des Ganzen bestmöglichst zu fördern. Gleichzeitig ist die Perspektive, gemeinsam mit anderen erstklassigen Beraterpersönlichkeiten als Individuum seine individuellen Ziele verfolgen zu können, für den Einzelnen besonders attraktiv. Der gute und starke NachwuchsJurist, der gute und starke Nachwuchs-Wirtschaftswissenschaftler sieht in diesem Umfeld besondere Chancen, nicht so sehr die mit dem Fehlen von Stellenbeschreibungen und einzelnen Schrittvorgaben verbundenen Risiken – Individualität in diesem Sinne meint also auch ein besonderes Maß an Freiheitsgraden, ein Fehlen an zu starken Korsettstangen, das die Entwicklung ganz unterschiedlicher Fähigkeiten und heterogener Charaktere, von wirklichen „Typen“, erst ermöglicht. Dass dabei allerdings auch nie die Zugehörigkeit zum Ganzen, zum Unternehmen und die Orientierung daran aus den Augen verloren werden darf – auch diese Notwendigkeit hat Harald Schaumburg stets zum Ausdruck gebracht. Wer kann von sich sagen, dass er bei aller individuellen Klasse alleine Ähnliches erreicht hätte wie im gemeinsamen Arbeiten mit den vielen Partnern und Kollegen unter einem sich immer stärker als eigenständige „Marke“ etablierenden Namen? Dass dies niemand sagen kann und jeder bei der Verfolgung und Erfüllung seiner individuellen Ziele wesentlich vom Miteinander in einem gemeinsam betriebenen Unternehmen lebt, ist letztlich der Kitt in einem freiberuflich strukturierten Beratungsunternehmen, aus dem auch die bei aller erforderlichen Individualität so wichtige Identifikation mit dem gesamten Unternehmen resultiert. Dies gilt auch für Flick Gocke Schaumburg. Das Ganze ist eben viel mehr als die Summe seiner Teile.
Steuerzentriertheit Harald Schaumburg ist Steuerrechtler. Flick Gocke Schaumburg ist ein steuerzentriertes Rechtsberatungsunternehmen. Diese Steuerzentriertheit ist für führende deutsche Rechtsberatungsunternehmen inzwischen vollständig untypisch, sie ist in diesem Kreis praktisch ein Alleinstellungsmerkmal. Während es andere führende Rechtsberatungsunternehmen für richig hielten, Full Service auf möglichst vielen Rechtsberatungsfeldern anzubieten oder sich bspw. allein auf Transaktionen und die damit verbundenen Rechtsberatungsfelder zu konzentrieren, ist Flick Gocke Schaumburg bei seiner Steuerzentriertheit geblieben, ist insoweit also „gegen den Strom geschwommen“. Dies hat zu zunehmender Unterscheidbarkeit, zu einer stärkeren Wahrnehmbarkeit, zu einer wirklichen Spitzenstellung in diesem Beratungssegment geführt. Wer sich die entsprechenden Rankings sowohl der Rechtsberatungsunternehmen als auch der einzelnen Beraterpersönlichkeiten anschaut, findet dies seit Jahren bestätigt. Steuerzentriertheit heißt, dass der steuerrechtliche Beratungsgegenstand für Flick Gocke Schaumburg der wichtigste, der prägende ist, und dass alle steuer88
Steuerzentrierte Rechtsberatung
rechtlich relevanten Beratungsgebiete möglichst intensiv und hochklassig bearbeitet werden. Insoweit ist tatsächlich Full Service angestrebt. Darüber hinaus sind zur steuerrechtlichen Beratung komplementäre Beratungsfelder Gegenstand der Aktivitäten von Flick Gocke Schaumburg. Harald Schaumburg hat vor allem die Entwicklung der komplementären gesellschafts- und erbrechtlichen Beratung wie auch der Wirtschaftsprüfung stets gefördert und vorangetrieben. Die inzwischen sehr breite Palette der Kompetenzfelder von Flick Gocke Schaumburg, die alle wichtige Bestandteile des Gesamtunternehmens sind, macht das deutlich. Sie wird in der nachstehenden Übersicht zum Ausdruck gebracht:
Rechtsberatung Harald Schaumburg wie auch Flick Gocke Schaumburg betreiben Steuerberatung als Rechtsberatung, auch auf den anderen genannten Beratungsfeldern wird (von Wirtschaftsprüfung abgesehen) primär Rechtsberatung betrieben. Diese Aussage ist wichtig, da im Steuerberatungsmarkt überwiegend nicht Rechtsberatungsunternehmen, sondern mit Wirtschaftsprüfungsunternehmen verbundene Steuerberatungsunternehmen tätig sind. Die ausdrückliche Betonung der steuerzentrierten Beratung als Rechtsberatung hat zu der heute erreichten Marktstellung von Flick Gocke Schaumburg wesentlich beigetragen. 89
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Rechtsberatung heißt, dass überwiegend auf Basis juristischer Ausbildung und unter Anwendung juristischer Methoden Rechtsanwendungsfragen beantwortet, Rechtspositionen verteidigt und entsprechende Gestaltungsaufgaben bewältigt werden. Dabei versteht sich der Berater naturgemäß vor allem als rechtlicher Interessenvertreter seines Mandanten, im steuerlichen Bereich also des Steuerpflichtigen. Er hilft ihm dabei, mit den hoch komplexen und vielfach nicht mehr nachvollziehbaren Anforderungen sowie den wirtschaftlich regelmäßig gravierenden Auswirkungen des Steuerrechts als einem strafbewehrten Eingriffsrecht fertig zu werden, sorgt dabei jedenfalls annähernd für den Abbau von staatlichem Herrschaftswissen, in diesem Sinne also für eine „Waffengleichheit“ mit dem steuerrechtssetzenden und -durchsetzenden Staat und seinen Repräsentanten (Gerd Rose) und verschafft seinem Mandanten gegenüber anderen Steuerpflichtigen steuerlastbedingte Wettbewerbsvorteile bzw. verhindert zumindest das Entstehen von steuerlastbedingten Wettbewerbsnachteilen. Entsprechendes gilt in allen komplementären Beratungsgebieten. Rechtsberatung heißt aber auch, dass sich der Berater bewusst ist, dass er sich als Handelnder in einem in bestimmter Weise konstruierten Rechtsstaat bewegt, dass er auch Organ der Rechtspflege ist und dass er seine Rolle in der richtigen Balance, im richtigen Verhältnis zu Vertretern der Exekutive, Judikative und Legislative versteht. In diesem Sinne ist richtig verstandene Steuerzentrierte Rechtsberatung stets auch „staatstragend“, bejaht im Grundsatz die Notwendigkeit der Steuererhebung für unser funktionierendes Gemeinwesen, die Notwendigkeit einer auf Steuergerechtigkeit zielenden „Steuerrechtskultur“ (Klaus Tipke und Paul Kirchhof) und lehnt Steueraggressivität ab. All dies (die Beratung „im System“ statt „gegen das System“) beugt vor allem einem allzu technokratischen, artifiziellen, zielgerichteten Gesetzesverständnis vor und bürgt damit für eine vergleichsweise hohe Solidität und Akzeptanz der Beratungsergebnisse bei allen Beteiligten.
Interdisziplinarität Gleichzeitig ist Steuerzentrierte Rechtsberatung in nahezu jedem Fall auch und besonders wirtschaftliche Beratung. Sie kommt ohne eine intensive Durchdringung der wirtschaftlichen Realität, ohne ein tiefschürfendes betriebs- und volkswirtschaftliches Verständnis und die damit oft verbundene sachverhaltsgestaltende Kreativität nicht aus (der bekannte, den Digesten entlehnte und ohnehin falsch verstandene Spruch „Iudex non calculat“ bringt dies nur unzureichend zum Ausdruck). Die Medaille der Steuerzentrierten Rechtsberatung hat sowohl eine juristische als auch eine wirtschaftswissenschaftliche Seite. Deshalb wäre es, wie Harald Schaumburg stets vertreten hat und wie dies auch schon in den Sozietätsgründern Hans Flick und Rudolf Gocke zum Ausdruck kommt, deutlich zu kurz gesprungen, wenn sich ein Unternehmen der steuerzentrierten Rechtsberatungsaufgabe nur mit juristisch ausgebildeten Beratern annehmen würde. Vielmehr bedarf es des interdisziplinären Miteinanders von Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern sowie idealiter auch der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung von Juristen sowie der juristischen 90
Steuerzentrierte Rechtsberatung
Ausbildung von Wirtschaftswissenschaftlern. Dementsprechend ist der Kreis der Berater von Flick Gocke Schaumburg in etwa gleichgewichtig juristisch und wirtschaftswissenschaftlich geschult (wobei sowohl die Juristen als auch die Wirtschaftswissenschaftler die Steuerzentrierte Rechtsberatung im vorstehend erläuterten Sinne verstehen) und findet möglichst oft eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im konkreten Mandat statt. Auch die Gegebenheiten in der deutschen Hochschullandschaft tragen dem bekanntlich Rechnung: Der steuerberatende Nachwuchs wird genauso an Lehrstühlen für Steuerrecht wie auch an solchen für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre ausgebildet. Darüber hinaus wird Interdisziplinarität bei Flick Gocke Schaumburg auch so verstanden, dass die steuerrechtliche Beratung möglichst oft Hand in Hand mit komplementärer gesellschafts- und erbrechtlicher Rechtsberatung sowie mit Wirtschaftsprüfungs-Dienstleistungen erbracht wird. Auch dies ist mit interdisziplinärer Steuerzentrierter Rechtsberatung gemeint.
Freiberuflereinstellung und Verantwortlichkeit, Qualität und Professionalität Harald Schaumburg ist im besten Sinne unternehmerisch denkender Freiberufler. Er erledigt seine Beratungsaufgaben überwiegend höchstpersönlich, ist auf Grund eigener überragender Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig und akquiriert und verantwortet seine Mandate weitgehend selbst. Qualitäts- und Professionalitätsstreben, Mandantenorientierung, Kompetenz, Erfahrung, Souveränität, Konstruktivität, Neugier, Freude an Veränderung und zugleich Seriösität – auch diese auch freiberuflichen Eigenschaften zeichnen Harald Schaumburg aus. Freiberuflereinstellung heißt eben im Idealfall, sowohl exzellenter Fachmann als auch guter Unternehmer zu sein und die mit der Selbständigkeit des Freiberuflers einhergehende Freiheit vor allem als umfassende Verantwortlichkeit für das eigene Tun zu begreifen (gegenüber Mandanten, Partnern und Mitarbeitern). Das Schlagwort „Der Chef kocht bei uns noch weitgehend selbst“ steht stellvertretend für das im vorstehenden Sinne verstandene freiberufliche Selbstverständnis der Partner von Flick Gocke Schaumburg. Es geht einher mit der Überzeugung, dass jeder Partner seine ganz wesentliche Aufgabe in der Mandatsbearbeitung hat. Mit der Freiberuflereinstellung ist es unvereinbar, dass man ab Erreichen einer bestimmten Karrierestufe die eigene Beratungsaktivität weitgehend einstellt und vor allem Managementfunktionen erfüllt. Dass ein Rechtsberatungsunternehmen ab einer bestimmten Größe auch gewisser organisatorischer Strukturen bedarf, steht dazu nicht in Widerspruch, sondern ist vielmehr umgekehrt geradezu notwendige Bedingung für eine im vorstehenden Sinne verstandene, eigenverantwortliche, qualitativ hochstehende und professionelle Steuerzentrierte Rechtsberatung. Organisation und Administration bleiben indessen stets so schlank wie möglich, bieten nur den möglichst optimalen Rahmen für die freiberufliche Aufgabenerfüllung. 91
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Wissenschaftlichkeit Harald Schaumburg ist auch Wissenschaftler. Seine Publikationen und Vorträge sind zahlreich und in der Fachwelt höchst geschätzt, seine Lehrtätigkeit an der Universität zu Köln für die Studenten ein besonderes Highlight. Dies bringt zum Ausdruck, dass Steuerzentrierte Rechtsberatung sich auch durch Wissenschaftlichkeit auszeichnet, durch die regelmäßige vertiefte, vor allem analytische Untersuchung steuerrechtlicher Fragestellungen. Nur dann, wenn man sich neben der konkreten Mandatsarbeit auch wissenschaftlich mit abstrakten Fragestellungen aus seinem Beratungsgebiet beschäftigt, ist man in der Lage, sich mit anderen an der Spitze der Entwicklung und der Erkenntnis zu bewegen und damit auch einen Spitzenplatz im Kreis der steuerzentrierten Rechtsberater zu behaupten. Die Wissenschaftlichkeit ist deshalb auch ein erstrangiges freiberufliches Akquisitionsinstrument. Harald Schaumburg hat dies von Anfang an erkannt. Dementsprechend sind viele Partner von Flick Gocke Schaumburg auch wissenschaftlich tätig. Regelmäßige Publikationen und Vorträge sind nicht nur gewünscht, sie gehören fast schon „zum guten Ton“. Die Zahl der Honorarprofessoren und Lehrbeauftragten an Universitäten ist außerordentlich.
Internationalität „Business goes global, taxes stay local“ (zitiert nach Norbert Herzig). Dass trotz der immer stärker zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit die Steuererhebung bisher weitgehend Ausdruck nationaler Souveränitätsrechte geblieben ist, ist letztlich ein wesentlicher Grund dafür, dass es ein führendes steuerzentriertes Rechtsberatungsunternehmen, das wie Flick Gocke Schaumburg nur in einem Staat vertreten ist, überhaupt geben kann. Dennoch sind naturgemäß sowohl die Anforderungen als auch die Möglichkeiten, die mit der gewachsenen und sich immer weiter entwickelnden Internationalität auch für ein rein national basiertes steuerzentriertes Rechtsberatungsunternehmen einhergehen, geradezu mit Händen zu greifen. Die Tätigkeiten der Mandanten produzieren Tag für Tag immer mehr grenzüberschreitende Fragestellungen sowohl „outbound“ als auch „inbound“. Bei dem Wettbewerb um die besten Nachwuchsköpfe kommt man ohne Internationalität längst nicht mehr aus. Und auch auf der Ebene des Steuerrechts (und der komplementären Rechtsgebiete) als Beratungsgrundlage wird man trotz des gegenwärtigen beklagenswerten Anti-Europa-Trends zumindest langfristig stärkere Internationalisierungstendenzen erwarten können (jedenfalls dann, wenn auch politisch eine stärkere Europäisierung gelingt – „The power to tax is the power to govern“ (zitiert nach Brigitte Knobbe-Keuk)). Harald Schaumburg hat dem von Anfang an dadurch Rechnung getragen, dass er – wie auch schon anfänglich Hans Flick – das Internationale Steuerrecht zu seinem Haupt-Forschungsgebiet gemacht hat. Viele Partner von Flick Gocke Schaumburg sind dem gefolgt und haben auch ihre praktischen Beratungsauf92
Steuerzentrierte Rechtsberatung
gaben (im steuerlichen Bereich wie auch in den komplementären Kompetenzfeldern) wesentlich im internationalen Umfeld. Es sind intensive Beziehungen zu erstklassigen Beraterkollegen in allen wichtigen Industriestaaten entstanden. Und es besteht unter den Partnern von Flick Gocke Schaumburg ein Konsens, dass zur Steuerzentrierten Rechtsberatung auch eine verstärkte Kooperation mit besonders ausgewählten ausländischen Beratungsunternehmen gehört.
Wachsen primär aus eigener Kraft, unbedingte Offenheit für neue Partner Flick Gocke Schaumburg ist, wenn man das Unternehmen mit anderen führenden Rechtsberatungsunternehmen vergleicht, von vergleichsweise großer Stabilität geprägt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass das Wachstum bei aller Dynamik vergleichsweise behutsam, primär aus eigener Kraft und organisch erfolgt ist. Dies hat dazu geführt, dass fast alle heutigen Partner von Flick Gocke Schaumburg mit den Leitlinien der Steuerzentrierten Rechtsberatung „groß geworden“ sind, sie im Laufe der Zeit verinnerlicht und auf dieser Basis immer wieder selbst fortentwickelt und nicht aufgrund einer anderen Historie in Abrede gestellt haben. Partner-Seiteneinsteiger sind bei Flick Gocke Schaumburg eine begrüßte und gewollte Ausnahme, wenn dafür ein strategischer Bedarf gesehen wird; ansonsten sind sie aber nicht die Regel. Die damit im Interesse der Stabilität verbundene Selbstbeschränkung kann allerdings nur dann funktionieren, wenn – wie dies auch Harald Schaumburg stets eingefordert hat – bei allen Partnern eine unbedingte Offenheit für neue Partner aus dem eigenen Mitarbeiterkreis und das damit einhergehende Wachstum aus eigener Kraft besteht. Dies ist bei Flick Gocke Schaumburg ganz ausgeprägt der Fall. Gute und herausragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Weiterentwicklung hin zu echten Beraterpersönlichkeiten werden als das wichtigste Gut, das eigentliche Zukunftspotential des Unternehmens ein- und wertgeschätzt. Und: Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter weiß, dass die Tür für die Partnerschaft für sie bzw. ihn offen steht, wenn die klar kommunizierten Kriterien für eine Partnerposition erfüllt werden. Auch in diesen Kriterien kommen die Leitlinien der Steuerzentrierten Rechtsberatung zum Ausdruck, vor allem: Die Entwicklung einer eigenen Beraterpersönlichkeit, die fachliche Güte und Reputation in den von Flick Gocke Schaumburg bearbeiteten Kompetenzfeldern („Wofür stehst Du?“), die unternehmerische Ausrichtung und der entsprechende wirtschaftliche Erfolg und die Erfüllung von Aufgaben für das Unternehmen insgesamt.
Leistungsgerechtigkeit und Kollegialität Das Wachsen primär aus eigener Kraft, gepaart mit der unbedingten Offenheit für neue Partner bedeutet notwendigerweise, dass im Partnerkreis von Flick Gocke Schaumburg völlig unterschiedliche freiberufliche Beraterpersönlichkeiten mit individuell ganz unterschiedlichen Stärken und Schwächen gegeben 93
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sind. Die fachliche Güte und Reputation, die unternehmerische Ausrichtung und der entsprechende wirtschaftliche Erfolg, die Erfüllung von Aufgaben für das Unternehmen wie auch die in der Vergangenheit erbrachten Aufbauleistungen sind bei den Einzelnen individuell mehr oder weniger ausgeprägt. Dem bei der Beteiligung der Partner am Erfolg des gemeinsam betriebenen Unternehmens in einer dem Gebot der Leistungsgerechtigkeit folgenden, allseits akzeptierten Form Rechnung zu tragen, ist naturgemäß nicht einfach. Die Partner von Flick Gocke Schaumburg haben aber auch dies immer wieder vorbildlich bewältigt und damit den Blick dafür frei gehalten, dass die Anstrengungen zur Mehrung des gemeinsamen Erfolgs wichtiger sind als die Anstrengungen zur Verteilung des selben. Auch dazu hat Harald Schaumburg beigetragen. Damit korrespondiert, dass ein steuerzentriertes Rechtsberatungsunternehmen ohne ein kollegial-respektvolles Ziehen „an einem Strang“, ohne einen freundschaftlichen Teamgeist, ohne Wertschätzung aller im Unternehmen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gelingen, nicht erfolgreich sein kann. Kollegialität in diesem Sinne ist zwar eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Sie zu leben und für alle erlebbar zu machen, wird aber naturgemäß um so schwieriger und um so wichtiger, je größer und damit auch unübersichtlicher ein freiberuflich geprägtes Beratungsunternehmen wird. Deshalb gehört auch ein besonderes Bemühen darum und die Würdigung entsprechender sozialer Kompetenz zu der von den Partnern von Flick Gocke Schaumburg praktizierten Steuerzentrierten Rechtsberatung.
Führung Schließlich ist folgendes entscheidend: Harald Schaumburg ist sich stets bewusst gewesen, dass noch so einleuchtende, durch die Partner gemeinsam im Laufe der Zeit herausgearbeitete Leitlinien weder Sinn noch Effekt haben, wenn sie nicht durch die führenden Köpfe selbst erfahrbar vorgelebt werden. Akzeptanz und Erfolg sind Konsequenz von Vorbild, von vorbildhaftem Verhalten. Dies ist der wesentliche Ausdruck von Führung in einem freiberuflich strukturierten Beratungsunternehmen. Auch insoweit hat Harald Schaumburg – bei allen Stärken und Schwächen, die natürlich auch ihn auszeichnen – für die Partner von Flick Gocke Schaumburg Maßstäbe gesetzt.
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Stephan Schauhoff
Steuerzahlung als Sanktion für zweckwidriges Verhalten – Grundüberlegungen zu steuerrechtlichen Lenkungsnormen Inhaltsübersicht I. Politik und Wissenschaft im Steuerrecht II. Nachträgliche Steuererhebung wegen verfehlter Einkommensverwendung
IV. Die Neugestaltung der Sanktionen für zweckwidriges Verhalten V. Schluss
III. Der Grundsatz der Vermögensbindung im deutschen Recht
I. Politik und Wissenschaft im Steuerrecht Wer, wie der Verfasser, sein Handwerk bei Harald Schaumburg gelernt hat, gerät unweigerlich in den Widerstreit von Steuerrechtswissenschaft und Steuerpolitik: Die anzuwendenden Normen sind auf wissenschaftlich fundierte Rechtsprinzipien zurückzuführen, bei der Auslegung der Normen sind diese Rechtsprinzipien im Rahmen zulässiger Auslegemethoden zu beachten und in der Rechtspraxis ist dann das wohl begründete Ergebnis im Interesse des Mandanten durchzusetzen. Die wissenschaftliche Durchdringung der Materie in Verbindung mit der pragmatischen Rechtsdurchsetzung im Interesse des Mandanten, die Harald Schaumburg uns vorbildlich vorgelebt hat und weiter vorlebt, prägt das Wirken unserer Partnerschaft. Allerdings: Das Steuerrecht, war, ist und wird zumindest in Teilen eine dogmatisch prinzipienlose Materie bleiben. Fiskalzweck-, Sozialzweck- und Vereinfachungszwecknormen sind bunt gemischt1. Jede Steuerreform belegt, dass die Politik, Repräsentanten unser aller Denken und Wünschen, von der Frage, welches staatliche Mehr- oder Minderaufkommen aus einer Normänderung für die Steuerzahler insgesamt resultiert und was den einzelnen Wähler als Mehrbelastung oder -entlastung trifft, stellenweise weit mehr bewegt wird als von dem Bemühen, die Normen klar und folgerichtig zu gestalten. Durch Steueränderungen zu erzielende kurzfristige politische Effekte sind zur Gewinnung der Zustimmung des Volkes weitaus einfacher zu vermitteln als die Gestaltung eines nachhaltig gut arbeitenden Steuersystems. Es liegt in einer Demokratie in der Natur der Sache, dass die Politik ihre Gestaltungsfreiheit im Rahmen der verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen bewahren möchte und daher kurzfristigen fiskalischen Effekten eine höhere Bedeutung beimisst als
__________ 1 Dazu K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 73 ff.
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die Rechtswissenschaft, die diese Ziele der Normsetzung bei ihrer Beurteilung ausblendet2. Typische Sozialzwecknormen, die das Steuerrecht bietet, finden sich im Gemeinnützigkeitsrecht. Dabei handelt es sich um Normen, die sozialpolitisch im engeren Sinne, kulturpolitisch, forschungspolitisch, umweltpolitisch, gesundheitspolitisch, motiviert sind. Die Steuerentlastungen werden vorgesehen, weil die Tätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft dem Gemeinwohl dient. Was dem Gemeinwohl tatsächlich dient, ist naturgemäß politisch umstritten. Kern der Steuerbefreiung für gemeinnützige Körperschaften ist, dass der Staat Einkommen unbesteuert lässt, welches der Steuerpflichtige nicht privatnützig, sondern ausschließlich, vollständig und zeitnah zum gemeinen Besten verwenden muss3. Die Anerkennung einer gemeinnützigen Einkommensverwendung als Minderung besteuerbarer Leistungsfähigkeit ist gesetzlich möglich, wenn auch verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Allerdings stellt sich die Frage, ob zu den entsprechend förderungswürdigen Gemeinwohlzwecken auch eigennützige Zwecke der Mitglieder gehören dürfen, z. B. die Förderung von Hobbies, von Geselligkeit, der Freizeitgestaltung oder aber auch des Sports4. Die Debatte in der Wissenschaft, in wiefern die politischen Staatsorgane befugt sind, einzelne Zwecke in den Gemeinnützigkeitskatalog aufzunehmen oder nicht, offenbart insbesondere ein verschiedenes Staatsverständnis der jeweiligen Wissenschaftler: Der Ermessensspielraum, der der Politik bei der Definition gemeinnütziger Zwecke zugestanden wird, ist ganz unterschiedlich angelegt. Während den einen der Umstand, dass mit der Steuerfreistellung für gemeinnützige Zwecke eine Steuervereinfachung für Kleinvereine erreicht wird, bereits genügt, möchten andere die Gemeinnützigkeit für sittliche oder geistig hochstehende Tätigkeiten ähnlich den piae causae reservieren. Durch die Aufnahme des Hundesports sei die Gemeinnützigkeit „auf den Hund gekommen“, so ein berühmtes Verdikt5. Hinter der juristischen Debatte verbirgt sich in der Sache die Rechtsfrage, ob Art. 3 GG den Gesetzgeber zwingt, einen in sich stimmigen Katalog gemeinnütziger Zwecke aufzustellen oder inwiefern der Gesetzgeber Praktikabilitätserwägungen in die Normgestaltung einfließen lassen darf6. Aus Sicht des BVerfG sind Durchbrechungen des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung regelmäßig gerechtfertigt, wenn diese Verletzungen einem besonderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Zweck dienen, weil Willkür dann auszuschießen
__________ 2 Politik und Wissenschaft gleichen sich allerdings darin, dass Meinungsstreit herrscht und sich stets nur temporär Mehrheiten oder herrschende Meinungen bilden, von daher ist der Richtigkeitsanspruch, der sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft erhoben wird, zu relativieren. 3 Kirchhof, Gemeinnützigkeit – Erfüllung staatsähnlicher Aufgaben durch selbstlose Einkommensverwendung, DStJG 26 (2003), Gemeinnützigkeit, hrsg. von M. Jachmann, S. 1 ff. 4 Vgl. dazu Fischer, Gemeinnutz und Eigennutz am Beispiel der steuerlichen Sportförderung, in FS für Klaus Offerhaus, 1999, 597. 5 Tipke, StuW 1989, 185 (189). 6 Dazu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 336 ff.
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sei. Der wirtschaftliche oder soziale oder gesellschaftliche Zweck wird nicht gewichtet. Ob die Verfolgung des wirtschaftlichen oder sozialen Zwecks gerechtfertigt, erforderlich, geeignet oder verhältnismäßig ist, pflegt nicht geprüft zu werden, weil darüber eben nicht die Verfassungsrichter, sondern in einer parlamentarischen Demokratie die Parlamentarier zu entscheiden haben7. Die Kritik der Rechtswissenschaft am ausgefransten Katalog steuerbegünstigter Zwecke8 ist zwar aus staatspolitischer Sicht verständlich. Andererseits muss die Rechtswissenschaft akzeptieren, dass aus den vielfältigen Staatszielen und -aufgaben die förderungswürdigen gemeinnützigen Zwecke nicht juristisch deduziert werden können, sondern politisch festgelegt werden, bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit und von daher die Definitionshoheit der Politik dazu, was als gemeinnützige Zielsetzung anzuerkennen ist, grundsätzlich zu respektieren ist. Auch wenn die Politik die Staatsziele und -aufgaben definieren darf, so muss das darauf aufbauende Steuerrecht zur Erreichung der definierten Ziele folgerichtig ausgestaltet sein9. Fernab der steuerpolitischen Debatte stellt sich daher die Frage, wie das Gemeinnützigkeitsrecht gesetzestechnisch so ausgestaltet werden kann, dass die gesetzgeberische Zielsetzung möglichst effektiv erreicht wird. Das Gemeinnützigkeitsrecht vieler Staaten dieser Erde gleicht sich in wesentlichen Grundzügen: – Es ist organisationsbezogen ausgestaltet, d. h. nur die Tätigkeit für oder Zuwendungen an oder Einkünfte von gemeinnützigen Körperschaften sind steuerbegünstigt. Seinen wesentlichen Grund hat dieses Förderungskonzept darin, dass es dem Staat leichter fällt, die Gemeinwohlbezogenheit der Tätigkeit zu überwachen, wenn die Organe der Körperschaften schon kraft deren Satzung an eine ausschließlich gemeinnützige Tätigkeit gebunden sind und bereits in der Satzung eindeutig formuliert ist, was steuerlich begünstigte gemeinwohlbezogene Tätigkeit in diesem speziellen Fall meint. – Aus dieser organisationsbezogenen Ausrichtung ergibt sich die für das Gemeinnützigkeitsrecht und zahlreiche andere Sozialzwecknormen oder Lenkungsnormen typische enge Verschränkung von zivilrechtlichem Satzungsrecht und Steuerbegünstigung. Gemeinnützige Körperschaften müssen der sog. formellen Satzungsmäßigkeit genügen, in dem die Satzung selbst den Gemeinnützigkeitsvorschriften entspricht. – Die gemeinnützige Körperschaft muss sodann durch ihre tatsächliche Geschäftsführung nachweisen, dass sie ausschließlich, unmittelbar, selbstlos und zeitnah den satzungsmäßig festgelegten Zweck verfolgt hat. Die Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung unterliegt dabei u. a. in Ausprägung der vorgenannten Grundsätze einem Angemessenheitsgebot. Letztlich wird nicht jede einzelne Handlung der Organe der gemeinnützigen
__________ 7 Vgl. BVerfGE 38, 61 (80). 8 Vgl. Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG 26 (2003), Gemeinnützigkeit, S. 11 (26 ff.). 9 Zuletzt BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08.
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Körperschaft darauf untersucht, ob sie als solche zweifelsfrei dem gemeinnützigen Zweck diente. Werden aus der ex post-Sicht Fehlmaßnahmen festgestellt, die den gemeinnützigen Zweck tatsächlich nicht gefördert haben, so führt dies nicht zwangsläufig zum Verlust der Steuerbegünstigung10. Geschuldet wird das Bemühen um die Zweckverwirklichung, nicht die tatsächliche Zweckerreichung. Irren ist menschlich, auch für Organe gemeinnütziger Körperschaften. Letztlich findet eine Gesamtwürdigung des Wirkens der Körperschaft in dem abgelaufenen Veranlagungszeitraum statt. Einzelne Verstöße mögen zwar so schwerwiegend gewesen sein, dass die Gemeinnützigkeit im Ganzen für den betreffenden Veranlagungszeitraum abzuerkennen ist. Aber nicht jede Fehlmaßnahme, nicht jeder Irrtum, nicht jede im Nachhinein sich als unsinnig herausstellende Handlung kann es rechtfertigen, die Steuerbefreiung für einen Veranlagungszeitraum zu versagen. Vielmehr ist eine Würdigung aller Handlungen im abgelaufenen Veranlagungszeitraum vorzunehmen um festzustellen, ob die Tätigkeit der Körperschaft insgesamt auf die gemeinnützige Zweckerfüllung gerichtet war. – Die tatsächliche Geschäftsführung muss nicht unmittelbar den gemeinnützigen Erfolg bewirkt haben, sondern sie muss, wie § 63 AO es formuliert, auf die Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks gerichtet gewesen sein. Daraus ergibt sich, dass gemeinnützige Körperschaften nicht einer Erfolgshaftung unterliegen, sondern ein zielgerichtetes Bemühen um den gemeinnützigen Erfolg schulden. – Auf Grund dieses Gesamturteiles kann es nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes dazu kommen, dass die Steuerbegünstigung nicht gewährt wird. War die tatsächliche Geschäftsführung doch nicht auf die gemeinnützige Zweckerfüllung in hinreichender Weise gerichtet, wird die Steuerbegünstigung für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum versagt. Bei schwerwiegenden Verstößen kann die Gemeinnützigkeit sogar rückwirkend für bis zu zehn Veranlagungsperioden aberkannt und eine Nachversteuerung durchgeführt werden (§ 61 Abs. 3 AO). Dies kann insbesondere in den Fällen erfolgen, wenn in der Zeit der Gemeinnützigkeit angespartes Vermögen in erheblichem Maße zweckwidrig verwandt wurde. Während die Politik somit den Katalog der förderungswürdigen gemeinnützigen Zwecke definiert, ist es Aufgabe der Steuerrechtswissenschaft, die Voraussetzung der Steuerbefreiung im Einzelnen zu erarbeiten, insbesondere aber auch ein folgerichtiges System zu entwickeln, welche Rechtsfolgen bei Zweckverfehlungen eingreifen. Insoweit die Widerspruchsfreiheit des Rechtssystems zu befördern und die vorhandenen Normen daraufhin zu überprüfen ist fernab der politischen Erwägungen Ziel dieses Beitrags.
__________ 10 Dazu Schauhoff, DStJG 26 (2003), 133 (144); Bott in Schauhoff Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 9 Rz. 80; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, S. 143.
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II. Nachträgliche Steuererhebung wegen verfehlter Einkommensverwendung Folge des Verlustes der Steuerbegünstigung der Gemeinnützigkeit, aber auch vieler anderer ertragsteuerlicher Steuerbefreiungen, ist, dass der Staat nachträglich ein Einkommen besteuert, welches zunächst steuerfrei gestellt blieb, weil es der Steuerpflichtige zum gemeinen Nutzen oder einem anderen gesetzlich bestimmten Zweck verwenden sollte. Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang von Mittelfehlverwendung und Sanktion der Besteuerung. Die Steuererhebung ist nicht auf das fehlverwendete Einkommen beschränkt. Unberücksichtigt bleibt auch, dass das Einkommen, möglicherweise nahezu vollständig, für die gemeinnützigen Zwecke bereits ausgegeben wurde, wenn den Steuerpflichtigen nachträglich die Sanktion der Steuerzahlung trifft. Das Risiko, nachträglich ein Einkommen besteuern zu müssen, welches möglicherweise sogar steuerbegünstigt, aber nicht entsprechend den Gemeinnützigkeitsvorschriften verwandt wurde, trifft die gemeinnützige Körperschaft. Aus der Begleitung in einer Betriebsprüfung kenne ich den Fall, dass eine Wohlfahrtsorganisation mit jährlichen Umsätzen über 100 Mio. Euro ein zunächst als Zweckbetrieb anerkanntes Jugendheim auf einer Nordseeinsel mangels Auslastung zum Hotelbetrieb umbaute. Wegen der erheblichen Anfangsinvestitionen und der schwierigen Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Anschaffungskosten machte dieser nunmehr steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb über vier Jahre einen geringen Verlust. Der Organisation sollte nunmehr nach den Regeln der Tz. 4 ff. zu § 55 Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) für jedes Jahr des Verlustes die Steuerbegünstigung aberkannt werden. Der Transfer von geringen Mitteln aus dem steuerbegünstigten Bereich in einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Verlustbetrieb sollte die Versteuerung des gesamten für gemeinnützige Zwecke in diesen Jahre bereits eingesetzten Einkommens nachträglich begründen. Die in Deutschland maßgebenden Rechtsfolgen des Verlustes der Gemeinnützigkeit sind nicht selbstverständlich. Andere Länder haben ganz andere Lösungen gefunden11. In manchen Ländern ist die Umwandlung einer gemeinnützigen Körperschaft in eine Rechtsform, die nicht die Non Profit-Natur der Organisation sicherstellt, schlichtweg untersagt. Eine Verletzung dieses Grundsatzes endet in zivil- oder sogar strafrechtlichen Folgen und Haftungstatbeständen für die Treuhänder bzw. Verwalter. Ohne Zustimmung der Charity Commission dürfen in Großbritannien Charities ihre Zwecksetzung nicht verändern. Ähnliche Überlegungen gelten im deutschen Recht für rechtsfähige Stiftungen des Bürgerlichen Rechts, auch für Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts oder bei denen von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verwalteten unselbständigen Stiftungen und bei geistlichen Genossenschaften. Gemäß § 62 AO muss bei den letztgenannten Orga-
__________ 11 Zum Folgenden vgl. IFA, Cahiers de droits fiscal international: Taxation of Non Profit Oraganizations, Volume L XXX IV A 1999; H. Fischer, Ausstieg aus dem Dritten Sektor, S. 141 ff.
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nisationen nicht die dauerhafte Bindung des Vermögens für gemeinnützige Zwecke in der Satzung definiert werden. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist darin zu sehen, dass der Gesetzgeber eine satzungsmäßige Bindung des in der Zeit der Gemeinnützigkeit geschaffenen Vermögens bei solchen Einrichtungen für entbehrlich gehalten hat, die zusätzlich noch einer öffentlich-rechtlichen Aufsicht oder Kontrolle, sei es durch Haushaltsrecht, staatliche Verwaltung oder kirchliche Aufsicht, unterliegen. Denn die Aufsichtsbehörde würde, so die Erwartung des Gesetzgebers, ihre Zustimmung zur Änderung der gemeinnützigen Zwecksetzung versagen12. Es kann bezweifelt werden, ob der Gesetzgeber hinreichend bedacht hat, dass die Beurteilung, ob eine bestimmte Zweckverfolgung tatsächlich gemeinnützig ist, nicht nur durch das Wirken der Körperschaft geprägt ist, sondern ebenso durch politische Wertungen. Fällt eine Tätigkeit eines Betriebs gewerblicher Art auf Grund derartiger politischer Veränderungen auf einmal nicht mehr in den Bereich der Gemeinnützigkeit hinein, so wird der Betrieb gewerblicher Art seine Tätigkeit fortsetzen wollen, dann eben ohne Steuerbefreiung. Der Grundsatz der Vermögensbindung sollte für diese Fälle genau so gelten, wie für alle anderen gemeinnützigen Körperschaften. Die Schlüsselfrage ist, ob eine Körperschaft das in der Zeit der Gemeinnützigkeit gebildete Vermögen dann behalten darf, wenn die Politik oder Rechtsprechung auf Grund gewandelter Auffassungen entscheidet, bestimmte Tätigkeiten aus der Gemeinnützigkeit auszuscheiden, oder ob gemeinnützige Körperschaften gezwungen sind, unabhängig von ihrem individuellen Zweck sich dem politischen Wandel anzupassen und gegebenenfalls eine Zweckkorrektur vorzunehmen haben. In Deutschland wurde beispielsweise 1988 die sog. Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft. Der Gesetzgeber hat den betroffenen Körperschaften den Übergang ihres Vermögens in die Steuerpflicht unter Aufdeckung der stillen Reserven ihres Vermögens erlaubt, ohne dass das Vermögen neuen gemeinnützigen Zwecken hätte gewidmet werden müssen13. In Argentinien ist dann, wenn der Wegfall der Gemeinnützigkeit auf einer geänderten Ansicht der Finanzverwaltung oder einer Gesetzesänderung beruht, geregelt, dass für die Vergangenheit keine Besteuerung nachgeholt werden kann14. Es gibt aber auch eine Reihe von Ländern, die den Grundsatz der Vermögensbindung nicht kennen. Eine besonders originelle Lösung der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften gilt in Dänemark. Grundsätzlich unterliegen auch Non Profit-Organisationen der Steuerpflicht nach den allgemeinen Regularien. Allerdings ist ihnen erlaubt, das Einkommen vollständig über die Abzugsfähigkeit von gemeinnützig motivierten Ausgaben zu mindern, so dass entsprechend tätige Non Profit-Organisationen bei entsprechendem Nachweis keine Steuern zu zahlen haben. In der Sache ergibt sich damit, dass dann, wenn das Einkommen nur teilweise für die gemeinnützige Zweckverwirklichung eingesetzt wurde,
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12 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 85/91, BStBl. II 2005, 149 (151). 13 Vgl. dazu auch Pöllath/Richter in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, § 43 Rz. 101. 14 Messineo in IFA Cahiers de droits fiscal international: Taxation of Non Profit Organizations, S. 207 (223).
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partiell Steuern zu bezahlen sind, während in Deutschland eine ausschließliche Mittelverwendung für die gemeinnützigen Zwecke gefordert wird und bei teilweiser Fehlverwendung aber das gesamte Einkommen besteuert wird. Dänemark kennt auch keine Übergangsprobleme beim Wechsel aus der Gemeinnützigkeit. In den USA sind verschiedene Sanktionen bei dem Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit bekannt, ohne dass die Reichweiten jeweils eindeutig geklärt wären15. So wird schon über die Reichweite der Vermögensbindung aus theoretischer Sicht gestritten. Sieht man die Vermögensbindung als „Gegenleistung“ für die gewährten Steuervergünstigungen (Tax benefit theory), so unterliegt nur das Vermögen dieser Bindung, das auf Grund der Steuerprivilegien angesammelt wurde. Sieht man hingegen die Rechtfertigung in der traditionellen sog. charitable trust theory so unterliegt das gesamte Vermögen der Widmung für gemeinnützige Zwecke unabhängig davon, wann es gebildet wurde. Auch für das deutsche Recht ist nicht geklärt, welcher Grundsatz letztlich durchschlagen soll. Darüber hinaus kennt das US-amerikanische Recht noch ein Strafsteuersystem für excess benefit transactions (Sec. 4958 IRC). Hintergrund dieser Regelung war die Idee, dass nicht jeder Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht im Zusammenhang mit persönlichen Bereicherungen zur Aberkennung der Steuerprivilegien mit weitreichenden Folgen für die gesamte Organisation führen soll, sondern vielmehr der Bereicherte und die in der Organisation Verantwortlichen persönlich haftbar gemacht werden sollen. Das Strafsteuersystem greift unabhängig von der möglichen Aberkennung der Steuerprivilegien der Körperschaft. Beide Konsequenzen schließen sich nicht aus, doch ist es möglich, dass allein die Strafsteuer i. H. v. 25 % des Wertes der Bereicherung greift. Ergänzend dazu schulden die Manager der Organisation auch noch eine Strafsteuer i. H. v. 10 % der Bereicherung, wenn sie selbst an dem Verstoß beteiligt gewesen sein sollten. Zudem wird gesetzlich eine Korrektur des Verstoßes verlangt, ansonsten erhöht sich die Strafsteuer. Die unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Ländern zeigen die Sachprobleme auf. Zum einen stellt sich die Frage, welches Vermögen überhaupt dauerhaft gemeinnützigen Zwecken gewidmet ist. Handelt es sich dabei um das Vermögen, welches in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildet wurde, und bei Verlust der Gemeinnützigkeit noch vorhanden ist? Oder muss das gesamte Vermögen einer gemeinnützigen Körperschaft für immer gemeinnützigen Zwecken gewidmet bleiben, weil Vermögensbindungen dann, wenn sie mit der gemeinnützigen Zwecksetzung einhergehen, für ewig gelten? Sodann stellt sich die Frage, wie ein entweder durch Akt des Gesetzgebers oder Rechtsprechungswandel erzwungener Verlust der Gemeinnützigkeit sich auf die Vermögensbindung auswirkt. Muss die Körperschaft ihren Zweck ändern oder darf der Zweck ohne Vermögensverlust durch Übertragung des Vermögens auf eine andere gemeinnützige Körperschaft fortgeführt werden? Schließlich ist offen, wie der Umstand bewertet werden soll, ob Einkommen, welches nach rückwirkendem Wegfall der Steuerbegünstigung bereits in erheblichen Teilen für gemeinnützige Zwecke verwendet worden ist, beim Verlust der Gemein-
__________ 15 Im Detail: H. Fischer, Ausstieg aus dem Dritten Sektor, S. 147 ff.
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nützigkeit der Besteuerung unterworfen werden darf und allenfalls bei Zuwendungen an andere gemeinnützige Organisationen im Rahmen der sog. Spendenhöchstbeträge die Besteuerung durch die Einkommensverwendung gemildert wird. Der rückwirkende Wegfall der Steuerbegünstigung erfasst nach der bestehenden gesetzlichen Regelung das gesamte in der Vergangenheit erzielte Einkommen. Das Einkommen der letzten Jahre kann nachträglich der Besteuerung unterworfen werden, auch wenn es zu erheblichen Teilen zwischenzeitlich für gemeinnützige Zwecke verwandt wurde. Insofern kann die Körperschaft gegebenenfalls eine Steuer schulden, die das vorhandene Vermögen übersteigt. Zudem wird in einer Reihe von Rechtsordnungen die Frage diskutiert, ob nicht die Sanktion des Verlustes der Steuerbegünstigung den Falschen trifft, wenn wegen einzelner Verstöße nicht die wirtschaftlich Begünstigten, sondern letztlich die Organisation existenzgefährdende Steuern nachentrichten muss. Auch wird im deutschen Recht teilweise für unklar gehalten, ob sich der Grundsatz der Vermögensbindung allein auf den Fall der Auflösung, Aufhebung oder Fortfall des gemeinnützigen Zwecks für die gemeinnützige Körperschaft beschränkt oder ob auch massive Fehlverwendungen des Vermögens zum rückwirkenden Wegfall der Steuerbegünstigung über mehrere Veranlagungszeiträume führen16.
III. Der Grundsatz der Vermögensbindung im deutschen Recht Der Grundsatz der Vermögensbindung wird im deutschen Recht in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO definiert. Danach darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Der Grundsatz der Vermögensbindung erfasst damit den letzten Akt der Mittelverwendung. Offen ist aber, was Gegenstand der gemeinnützigen Vermögensbindung ist17. Die oben herausgearbeiteten unterschiedlichen Begründungen für den Grundsatz der Vermögensbindung finden sich auch im deutschen Gemeinnützigkeitsrecht. So scheint die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung zuzuneigen, dass das gesamten Vermögen einer gemeinnützigen Körperschaft grundsätzlich auf alle Zeit gemeinnützigen Zwecken gewidmet bleiben muss, auch soweit es aus der Zeit vor Beginn der Steuerpflicht stammt18. Beispiel für diese enge Auslegung ist die Interpretation, die die Finanzverwaltung dem Grundsatz der Vermögensbindung in Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO gibt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind vom Grundsatz der Vermögensbindung nur die Bareinlagen der Mitglieder oder Gesellschafter oder die offenen Sachein-
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16 So Pöllath/Richter in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, § 43 Rz. 85, 99; a. A. Finanzverwaltung in Tz. 8 zu § 61 AEAO. Die Auffassung der Finanzverwaltung erscheint wegen der gesetzlichen Regelung in § 63 Abs. 2 AO vorzugswürdig. 17 Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 5 Rz. 177 ff. 18 Erlass des Finanzministeriums Brandenburg v. 31.8.1993, DB 1993, 1902 im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder.
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lagen der Gesellschafter in eine gemeinnützige GmbH ausgenommen19. Sonstige Zuwendungen in das Vermögen durch den Gesellschafter führen dagegen zur Vermögensbindung. Wie diese Differenzierung auf Vermögenszuwendungen durch Mitglieder an den Verein und den Stifter an die Stiftung zu übertragen ist, wird nicht recht deutlich, zumal die Finanzverwaltung selbst in Tz. 23 zu § 55 AEAO als Zweck der gesetzlichen Regelung festhält, dass durch sie verhindert werden soll, dass das Vermögen, das sich auf Grund der Steuervergünstigungen gebildet hat, später zu nicht begünstigten Zwecken verwendet wird. Wer dagegen ein Verständnis vom Grundsatz der Vermögensbindung in der Art hat, dass davon nur die Wertsteigerungen des Vermögens der gemeinnützigen Körperschaft erfasst sein sollen, die in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildet werden konnten, legt § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO anders aus20. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO führt aus, dass das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf. Als Mitglieder sind bei der gemeinnützigen GmbH die Gesellschafter, bei der Stiftung durch die Legaldefinition in § 55 Abs. 2 AO die Stifter gemeint. Aus dem Gesetzeswortlaut wird hinreichend deutlich, dass von der Vermögensbindung nur die Wertsteigerungen in der Zeit der Steuerbegünstigung erfasst sind. Die These der Finanzverwaltung, durch den Begriff „eingezahlte Kapitalanteile“ würde deutlich, dass nur Bareinlagen und offene Sacheinlagen nach Maßgabe gesellschaftsrechtlicher Vorschriften darunter fallen, überzeugt nicht. Ausdrücklich stellt die Norm auf Zuwendungen von Mitgliedern, Stiftern und Gesellschaftern ab, so dass der rechtsformübergreifende Grundsatz deutlich wird. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er auf den gemeinen Wert der geleisteten Sacheinlagen abstellt und eben den Nominalwert der Kapitalanteile oder Sacheinlage unberücksichtigt lässt, deutlich gemacht, dass der Grundsatz der Vermögensbindung nur das in der Zeit der Steuerbegünstigung geschaffene Vermögen meint, nicht aber das von den Initiatoren zugewendete Vermögen. Allerdings gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Spendenabzug und der Reichweite des Grundsatzes der Vermögensbindung. Behält sich der Zuwendungsgeber die Möglichkeit vor, das zugewendete Vermögen später wieder zurückzuholen, so kann er nicht den Spendenabzug in Anspruch nehmen21. Auch aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass ein Zuwendungsgeber sich durchaus vorbehalten darf, das Vermögen wieder zurück zu holen. Obwohl der Gründer der gemeinnützigen Körperschaft sich diese Möglichkeit offen hält, kann die Körperschaft die Gemeinnützigkeit für ihr künftiges Einkommen beanspruchen.
__________ 19 Tz. 22 zu § 55 Anwendungserlass zur AO. 20 So beispielsweise Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 5 Rz. 175 ff.; Schauhoff, DStJG 26 (2003), 133 ff.; vgl. zum Meinungsstand auch H. Fischer, Der Ausstieg aus dem Dritten Sektor, S. 177. 21 BFH v. 5.2.1991 – I R 63/91, BStBl. II 1992, 748 (749).
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Folgt man dagegen der These der Finanzverwaltung, müssten Stifter oder Gesellschafter, die Vermögen nur zeitweise einer gemeinnützigen Körperschaft zur Nutzung für gemeinnützige Zwecke überlassen wollen, statt einer Einlage in das Eigenkapital ein Darlehen gewähren. Wenn der Zuwendende aber den Spendenabzug beanspruchen möchte, muss er das Vermögen dauerhaft für gemeinnützige Zwecke widmen. Wenn umgekehrt aber der Zuwendungsgeber vom Spendenabzug keinen Gebrauch gemacht hat, kann er grundsätzlich das einmal gewährte Vermögen zurückbekommen, unabhängig davon, ob das Vermögen in eine Stiftung, einen Verein oder ein Gesellschaft eingezahlt wurde. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass sämtliches einmal eingezahltes Vermögen dauerhaft für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden muss, kennt das deutsche Recht nicht. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO stellt auf Grund seines Wortlautes und Sinnzusammenhangs auf die Wertsteigerung des Vermögens in der Zeit der Gemeinnützigkeit ab, die natürlich auch dadurch auftreten kann, dass Dritte, insbesondere Spender oder andere Zuwendungsgeber einer gemeinnützigen Körperschaft in der Zeit der Gemeinnützigkeit Vermögen zuwenden. Mit der Gestaltung des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO hat der Gesetzgeber bewusst das Interesse von Initiatoren gemeinnütziger Projekte aufgenommen, gegebenenfalls ihr einmal hingegebenes Vermögen auch wieder zurückfordern zu können. Eine ewige Bindung des hingegebenen Vermögens kennt das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht nicht. Der Gesetzgeber handelt damit klug, weil durch die Forderung nach ewigen Bindungen naturgemäß Schwellenängste erzeugen werden, die die dauerhafte Vermögenswidmung unwahrscheinlicher machen. Der in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO gewählte Vermögensbegriff macht deutlich, dass damit keine gegenständliche, sondern eine wertmäßige Betrachtungsweise gewählt wurde. Das ursprünglich gewährte Vermögen kann wertmäßig den Mitgliedern der Körperschaft zurückgewährt werden, auf das gegenständliche Vorhandensein der gewährten Vermögensgegenstände kommt es nicht an. Darüber hinaus werden weitere Einschränkungen des Grundsatzes der Vermögensbindung diskutiert. Während gemeinnützige Körperschaften und auch Pensions-, Sterbe- und Unterstützungskassen (§ 6 KStG, allerdings mit anderen Rechtsfolgen) das in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildete Vermögen dauerhaft für die Zweckverfolgung einsetzen müssen, soll nicht rückwirkend die Steuerbegünstigung verloren gehen, gilt dieser Grundsatz für viele andere steuerbefreite Institutionen, beispielsweise Berufsverbände, nicht. Es stellt sich die Rechtsfrage, wieso gerade bei diesen Körperschaften die Vermögensbindung einer strengeren Rechtfertigung unterliegt, als dies bei zahlreichen anderen steuerbefreiten Institutionen der Fall ist, denen die Steuerbegünstigung jeweils nur bezogen auf einen Veranlagungszeitraum gewährt oder nicht gewährt wird. Einen allgemeinen Grundsatz dergestalt, dass bei allen steuerbegünstigten Institutionen das in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildete Vermögen auf ewig dem steuerbegünstigten Zweck gewidmet sein muss, kennt das deutsche Recht nicht. Hintergrund dessen könnte die Erkenntnis sein, dass die Körperschaften typischerweise nur dann ihren steuerbegünstigten Zweck verwirklichen, wenn sie ihr Einkommen jeweils zeitnah für den steuerbegünstigten Zweck verwenden. Von daher kann es nicht zu einer übermäßigen Ver104
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mögensbildung kommen. Der Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung ist im Gemeinnützigkeitsrecht detailliert ausgeprägt, während für zahlreiche andere Steuerbegünstigungsvorschriften insoweit weit weniger eindeutige Regelungen gelten. Von der zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen sind aber beispielsweise die Rücklage nach § 58 Nr. 7 AO, wodurch einer gemeinnützigen Körperschaft ermöglicht wird, in der Zeit der Steuerbegünstigung Vermögen zu bilden, um eine höhere Sicherheit für schlechtere Zeiten zu erlangen. Wenn eine Körperschaft die Gemeinnützigkeit verliert oder auf die Gemeinnützigkeit verzichtet, versteht es sich, dass entsprechend gebildete Rücklagen in jedem Fall noch zeitnah für gemeinnützige Zwecke verwandt werden müssen. Das selbe gilt für nach § 58 Nr. 6 AO gebildete Rücklagen. Auch bei Verlust der Steuerbegünstigung sind entsprechende, zunächst nicht für den gemeinnützigen Zweck verwandte Mittel, dafür noch auszugeben. Denn entsprechende Vermögensmehrungen einer gemeinnützigen Körperschaft waren zunächst allein unter der Bedingung, dass die gemeinnützige Tätigkeit fortgeführt wird, von der Besteuerung freigestellt. Fällt nun diese Bedingung weg, muss die Besteuerung nachgeholt werden. Somit leuchtet ein, dass die in der Zeit der Steuerbegünstigung realisierten Vermögenssteigerungen bei Wegfall der Steuerbegünstigung nachträglich der Besteuerung zu unterwerfen sind, wenn diese Vermögenswerte nicht auf andere gemeinnützige Körperschaften übertragen werden, wie dies § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO vorschreibt. Weniger überzeugend sind die gesetzlichen Regelungen in Bezug auf andere Rechtsfolgen: Zum einen können Mittelverwendungen für gemeinnützige Zwecke in der Zeit, in der die Steuerbegünstigung verloren wurde, nur beschränkt steuerlich abgezogen werden. Zum anderen stellt sich die Rechtsfrage, ob die Pflicht, sämtliches Vermögen dauerhaft für gemeinnützige Zwecke zu verwenden, auch in der Zeit der Gemeinnützigkeit unrealisierte Vermögenssteigerungen erfassen darf. Zudem muss eine gemeinnützige Körperschaft, die ihr Vermögen aus versteuertem Einkommen gebildet hat, weil sie es in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt hat, auch dauerhaft gemeinnützigen Zwecken widmen, obwohl diese Form der Vermögensbildung nicht steuerlich begünstigt wurde22. Allerdings bietet das geltende Recht für eine entsprechende einschränkende Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es steht dem Gesetzgeber frei, dem Grundsatz der Vermögensbindung das gesamte, in der Zeit der Gemeinnützigkeit gebildete Vermögen, zu unterwerfen. Auch kennt das deutsche Recht für Körperschaften, die die Steuerbegünstigung verlieren, keine Sonderregelung für den Spendenabzug. Die Höhe des Spendenabzugs bleibt an Einkommensgrenzen, beispielsweise gegenwärtig 20 v. H. des Einkommens, gebunden. Vermeintlich gemeinnützige Körperschaften, die selbst durch operative Tätigkeiten ihr Einkommen für gemeinnützige Zwecke verwenden, in einer nachfolgenden Betriebsprüfung aber rückwirkend zumindest für den Prüfungszeitraum die Steuerbegünstigung verlieren, können nicht in den Genuss des Spendenabzugs kommen, während
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22 Kritisch: H. Fischer, Der Ausstieg aus dem Dritten Sektor, S. 180.
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Förderkörperschaften, die das erwirtschaftete Einkommen einer anderen gemeinnützigen Körperschaft zuwenden, wenigstens in Höhe des Spendenhöchstrahmens entsprechende Zuwendungen bei Verlust der Gemeinnützigkeit abziehen können. Verliert eine Körperschaft, wie eine Krankenanstalt, bei der sich Einkommenserzielung und Mittelverwendung decken, die Gemeinnützigkeit, so wird es wegen vollständig steuerlich abzugsfähiger Mittelverwendung regelmäßig nicht zur Nachversteuerung kommen. Diese Ungleichbehandlung lässt sich kaum rechtfertigen, da alle Körperschaften entsprechend ihrer Zwecksetzung eine gemeinnützige Mittelverwendung betrieben haben und die Körperschaft, die die Gemeinnützigkeit rückwirkend verliert, daher nicht mit von vornherein steuerpflichtigen Personen verglichen werden sollte, es sei denn, es geht um eine von vornherein insgesamt nicht gemeinnützige Tätigkeit und nicht nur um einzelne Mittelfehlverwendungen. Auch fällt auf, dass gemeinnützige Körperschaften, die die Steuerbegünstigung verlieren, unabhängig davon, wie das Einkommen tatsächlich verwendet wurde, dieses nachträglich der Besteuerung unterwerfen müssen. Dagegen beschränkt sich die sog. Veranlasserhaftung einer Körperschaft für erhaltene Spenden nach der Rechtsprechung des BFH nur auf die jeweils konkret fehlverwendeten Beträge, nicht aber auf sämtliche Mittel. Der BFH hat festgestellt, dass eine Fehlverwendung im Spendenhaftungsrecht nicht gegeben ist, wenn eine Körperschaft Spenden zwar zu dem in der Bestätigung genannten Zweck verwendet, selbst aber nicht als gemeinnützig anerkannt wird. Mit anderen Worten: In diesen Fällen wird die Körperschaft an der tatsächlichen Verwendung der Beträge für gemeinnützige Zwecke gemessen, darauf ist die Haftung beschränkt. Bei der nachträglichen Aberkennung der Gemeinnützigkeit soll dagegen die tatsächliche Verwendung des Einkommens keine Rolle mehr spielen, sondern das Einkommen nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften besteuert werden, als ob es überhaupt nicht für die gemeinnützige Zweckverfolgung verwendet worden wäre. Insofern ist eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften geboten. Soweit eine gemeinnützige Körperschaft, die die Gemeinnützigkeit für eine Veranlagungsperiode verloren hat, nachweisen kann, dass sie die Mittel tatsächlich ganz überwiegend für gemeinnützige Zwecke verwendet hat, sei es in der Form, dass Zuwendungen an andere gemeinnützige Körperschaften gemacht wurden oder das Geld selbst für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wurde, mindern entsprechende Ausgaben unabhängig von der Höhe des Spendenabzugsrahmens die Steuerpflicht. Dies sollte jedenfalls dann gelten, wenn die Körperschaft beim Verlust der Gemeinnützigkeit weder grob fahrlässig noch vorsätzlich agiert hat. Insofern ist eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften geboten, da ansonsten gegen das verfassungssrechtliche Übermaßverbot verstoßen würde23. Es würde Einkommen nachträglich besteuert, welches für gemeinnützige Zwecke bereits verwendet wurde, weil die Organe der Körperschaft subjektiv davon ausgingen und ausgehen durften, dass sie die
__________ 23 Vgl. auch FG Berlin v. 26.7.2001 – 7 B 7372/00, EFG 2001, 1338.
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Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen und daher verpflichtet sind, das Einkommen für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Nach dem gesetzlich kodifizierten Grundsatz der Vermögensbindung muss eine Körperschaft ihr gesamtes bei dem Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit vorhandenes, in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildetes Vermögen, ob realisiert oder nicht realisiert, ob aus versteuertem oder unversteuertem Einkommen gebildet, einer anderen gemeinnützigen Körperschaft oder zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zuwenden, soll das gesamte Einkommen nicht rückwirkend für zehn Jahre versteuert werden. Wird das Einkommen rückwirkend versteuert, bleibt nach dem Gesetzeswortlaut unberücksichtigt, inwiefern das erzielte Einkommen noch als Vermögen vorhanden ist, bis auf die im Rahmen der Spendenhöchstbeträge abziehbare Einkommensverwendung. Dieser umfassende Grundsatz der Vermögensbindung ist nicht folgerichtig ausgestaltet und bedarf der Korrektur.
IV. Die Neugestaltung der Sanktionen für zweckwidriges Verhalten Will man den Rechtszustand verbessern, so ist es notwendig, ein abgestuftes Sanktionssystem einzuführen, in dem die vollständige Aberkennung der Gemeinnützigkeit auf schwere Verstöße beschränkt bleibt. Kleinere Mittelfehlverwendungen sollten durch Strafzahlungen in Gestalt einer Fehlverwendungsabgabe, wie dies auch für die Spendenhaftung vorgesehen ist, sanktioniert werden24. Das geltende Recht kennt bereits die mildere Sanktion für die Fälle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung (§ 63 Abs. 4 AO). Eine entsprechende einschränkende Sichtweise ist auch geboten, falls beispielsweise wirtschaftliche Dauerverlustbetriebe vorübergehend aus dem ideellen Bereich subventioniert werden. Auch bei einzelnen unangemessenen Ausgaben ist nicht gerechtfertigt, die Gemeinnützigkeit im Ganzen zu versagen, sondern sollte das Sanktionssystem an die einzelne unangemessene Ausgabe anknüpfen. Schwerwiegende Verstöße bilden dagegen die vorsätzliche Mittelfehlverwendung, beispielsweise indem Gelder der gemeinnützigen Körperschaft für private eigennützige Zwecke von den Organen abgezweigt wurden. Auch dann, wenn tatsächlich nicht der gemeinnützige Satzungszweck, sondern eine nicht gemeinnützige Tätigkeit verfolgt wird, der Körperschaft also bei Würdigung ihres tatsächlichen Verhaltens das Prädikat der Gemeinnützigkeit nicht gegeben werden kann, ist die Sanktion grundsätzlich die Versteuerung des in der jeweiligen Veranlagungsperiode erzielten Einkommens. Abgezogen werden können jeweils die Zuwendungen, die tatsächlich zugunsten gemeinnütziger Zwecke gemacht wurden. Beim endgültigen Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit wäre es angebrachter, wenn nur die Mittel dauerhaft gemeinnützigen Zwecken gewidmet werden müssen, die im Moment des Ausstiegs nicht zeitnah für gemeinnützige Zwe-
__________ 24 So zutreffend Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 4 Rz. 169.
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cke verwandt wurden, weil sie in Rücklagen nach den §§ 58 Nr. 6 ff. AO eingestellt worden sind oder weil sie, wie in § 58 Nr. 11 AO angesprochen, für gemeinnützige Zwecke gegeben wurden. Auch müssen für gemeinnützige Zwecke verwandt werden sämtliche Vermögenswerte, für die eine Zuwendungsbestätigung erteilt wurde. So könnte die Vermögensbindung de lege ferenda auf die noch nicht verwendeten Spendenbeträge bzw. das wegen der Absicht zur steuerbegünstigten Verwendung steuerfrei gestellte Einkommen beschränkt werden25. Im Übrigen würde es aber ausreichen, wenn bei Verlust der Gemeinnützigkeit keine Schlussverwendung des gesamten Vermögens für gemeinnützige Zwecke angeordnet wird, sondern die Körperschaft gezwungen wird, die Buchwerte fortzuführen, so dass bei späteren Gewinnrealisationen die Besteuerung nach den allgemeinen Regeln eingreift. Insoweit wäre eine Änderung des § 13 KStG erforderlich, der bislang eine steuerfreie Aufstockung der in der Zeit der Steuerbegünstigung gebildeten stillen Reserven auf die Teilwerte bei Verlust der Steuerbegünstigung vorsieht. Natürlich lässt sich darüber diskutieren, ob nicht eine strengere Bindung an den gemeinnützigen Zweck vorgenommen werden sollte. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass das Gemeinnützigkeitsrecht eben nicht nur steuerliche Vorteile, sondern auch erhebliche Bindungen mit sich bringt26. In einer sich schnell wandelnden Welt kann es durchaus angezeigt sein, den Wechsel von Non Profit-Organisationen in die Steuerpflicht zu erleichtern. Der Staat bekommt Mehrsteuern, wenn die Organisationen in die Steuerpflicht wechseln können, ohne von der Höchststrafe, nämlich dem Verlust des gesamten Vermögens, bedroht zu sein. Damit wird den Organisationen eine Anpassung an sich ändernde Wettbewerbslagen erleichtert, ohne Bindungen aufrecht erhalten zu müssen, die dem notwendigen wirtschaftlichen Erfolg entgegenstehen können. Schließlich würde die Möglichkeit des erleichterten Wechsels dem Gesetzgeber helfen, auf veränderte Wettbewerblagen rascher zu reagieren und beispielsweise Zweckbetriebe aus der Gemeinnützigkeit zu entlassen, wenn kommerzielle Wettbewerber in gleichem Maße wie Gemeinnützige bestimmte Nischenangebote machen können27. Die rechtspolitische Alternativüberlegung, nämlich dass mit der Steuerbegünstigung der Gemeinnützigkeit Missbrauch betrieben werden könnte, wenn der Wechsel zu sehr erleichtert wird28, verkennt, welch strengen Regeln gemeinnützige Körperschaften unterliegen. Auf Grund der Nachweispflichten ist erkennbar, wie viel Spenden bestätigt wurden, welches Vermögen gebildet wurde und wie viel von dem Vermögen noch zeitnah für gemeinnützige Zwecke verwandt werden muss. Im Zweifel wird die gemeinnützige Körperschaft die ihr günstigen Um-
__________ 25 Vgl. Schauhoff, DStJG 26 (2003), 133 (150 ff.); zustimmend Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 5 Rz. 181; ablehnend H. Fischer, Der Ausstieg aus dem 3. Sektor, S. 179. 26 Vgl. Schauhoff in Schauhoff (Hrsg.), Handbuch der Gemeinnützigkeit, Einleitung Rz. 55 ff. 27 Vgl. Schauhoff, FS für Rainer Walz, 2007, 661; Schauhoff/Kirchhain, DStR 2008, 1713. 28 H. Fischer, Ausstieg aus dem Dritten Sektor, S. 179.
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stände beweisen müssen. Ein Missbrauch ist auch in den Fällen nicht erkennbar, in denen beispielsweise Vereinsgründer Vermögen in einen Verein einlegen, nach einigen Jahren der gemeinnützigen Mittelverwendung aber wieder aussteigen wollen. Solange sich Steuerbefreiung und tatsächliche Verwendung der befreiten realisierten Einkünfte für gemeinnützige Zwecke decken, gibt es keinen Grund für den Staat, die ewige Verhaftung eines einmal ohne Inanspruchnahme des Spendenabzugs hingegebenen Vermögens für gemeinnützige Zwecke zu verlangen. Die Regeln über die Rechtsfolgen bei Verlust der Gemeinnützigkeit oder einer anderen Steuerbefreiung sollten weitaus zielgenauer ausgestaltet werden. Bei Erhalt der für gemeinnützige Körperschaften typischen Sonderregeln über den Zusammenhang von Spendenbestätigung und Verwendungspflicht für entsprechend zugewandte Mittel kann das Sanktionensystem beim Verlust einer Steuerbefreiung insgesamt weitaus differenzierter ausgestaltet werden, als es gegenwärtig der Fall ist. In der Zeit der Steuerbegünstigung angesammeltes und steuerfrei realisiertes Einkommen muss bei Verlust der Steuerbegünstigung für den steuerbegünstigten Zweck verwandt werden, soll es nicht zur Nachversteuerung kommen. Unrealisierte Vermögenssteigerungen bleiben unversteuert, andererseits sind die Buchwerte mit Eintritt in die Steuerpflicht fortzuführen.
V. Schluss Noch ist es der Gesetzgebung nicht gelungen, ein widerspruchsloses System der Sanktionen bei Zweckverfehlung der Mittelverwendung durch steuerbegünstigte Körperschaften zu schaffen. Die Sanktion und der Umfang der Steuerbegünstigung entsprechen sich nicht. Übermäßige Rechtsfolgen bedürfen der verfassungsrechtlichen Legitimation. Auch wenn sich übermäßige Sanktionen, beispielsweise eine Strafbesteuerung, aus Abschreckungsgründen im Einzelfall legitimeren lassen, so muss das System insgesamt doch zielgerichtet ausgestaltet sein. Daran fehlt es im gegenwärtigen deutschen Recht. Eine einschränkende Auslegung der vorhandenen Normen lässt sich allenfalls verfassungsrechtlich wegen eines Verstoßes gegen den Folgerichtigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot legitimieren. Um die zunehmend entstehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen, besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, um ein in sich stimmiges System der nachträglichen Steuererhebung bei Verlust der Steuerbegünstigung zu schaffen. Harald Schaumburg, der mir eine Reihe von Rechtsfragen aus dem Gemeinnützigkeitsrecht nahebrachte, ist Wertungswidersprüchen im Steuerrecht in engagierten Diskussionen mit den jungen Anwälten stets nachgegangen. Diese produktive Unruhe vermittelt zu haben, ist sein unschätzbarer Beitrag zum Wohlergehen der Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg, aber auch in Wissenschaft und Gesetzgebung zur Verbesserung des Steuerrechts insgesamt. Dafür sei ihm persönlich noch einmal ausdrücklich gedankt.
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Heide Schaumburg
Die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht Inhaltsübersicht I. Schriftlichkeit und Mündlichkeit II. Die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung III. Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung IV. Der Ablauf der mündlichen Verhandlung V. Die Bedeutung der mündlichen Verhandlung VI. Das Erscheinen in der mündlichen Verhandlung VII. Die Rüge von Verfahrensmängeln in der mündlichen Verhandlung 1. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör a) Verstoß den Grundsatz der Mündlichkeit
b) Rüge bei fehlerhafter Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung c) Rüge bei Verletzung der Sachaufklärungspflicht und bei Übergehen eines Beweisantrags d) Rüge bei fehlerhafter Beweisaufnahme 2. Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens 3. Rügelose Einlassung bei Befangenheit eines Richters VIII. Die Bedeutung des Protokolls IX. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung X. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung XI. Ergebnis
Bei Gericht sind sich der Jubilar und die Finanzrichterin in ihrer mehr als 35 Jahre andauernden Ehe bisher nie begegnet. Nach einem Telefonat von Hans Flick – „Spreche ich mit dem ‚Steuer-Schaumburg‘?“ – wurde der Jubilar Rechtsanwalt in der Bonner Kanzlei und sie später Finanzrichterin in Köln. Sie haben viele Gemeinsamkeiten. Ein faires Verfahren und rechtliches Gehör haben sich beide zum Ziel gesetzt. Der Bedeutung einer mündlichen Verhandlung vor Gericht, die häufig unterschätzt wird, waren sich beide aus der Sicht des Rechtsanwalts und der Richterin immer bewusst.
I. Schriftlichkeit und Mündlichkeit Das finanzgerichtliche Verfahren wird weitgehend schriftlich geführt und vielfach auch auf diese Weise abgeschlossen. Dies hat sicherlich Vorteile, denn das klägerische Begehren und die Begründung hierfür können in optimaler Weise vorbereitet und ausformuliert werden. Die Gegenseite – das Finanzamt – kann sich in Ruhe mit dem Vorbringen beschäftigen und ebenfalls wieder schriftlich Stellung beziehen. Die meisten Verfahren erledigen sich auf diese Weise entweder durch ein – ggf. auch teilweises – Einlenken des beklagten Finanzamtes und Erledigung der Hauptsache oder durch eine Klagerücknahme, so dass im 111
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schriftlichen Verfahren1 ein Kosten- oder Einstellungsbeschluss ergeht. Vorher ist es allenfalls zu einem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter2, nicht aber zu einer mündlichen Verhandlung gekommen. Der Schriftverkehr – im Verfahren die sog. vorbereitenden Schriftsätze – hat aber auch Nachteile. Er ist zeitaufwändig und kann auch schnell zu Unstimmigkeiten und Missverständnissen3 und zu verhärteten Fronten und zum Beharren auf einem einmal vertretenen Standpunkt führen. Es ist mit Sicherheit für den Vertreter des Finanzamtes schneller und leichter, den Vortrag des Klägers schriftlich zu bestreiten, als den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigtem unmittelbar in der Diskussion und im persönlichen Gespräch damit zu konfrontieren, dass sein Vortrag nicht der Wahrheit entspreche. Da der überwiegende Teil der finanzgerichtlichen Verfahren schriftlich abläuft, wird die Bedeutung der mündlichen Verhandlung, die auf jeden Fall zum Abschluss des Verfahrens führen soll und aufgrund derer das Urteil ergeht, von dem Kläger und auch von seinem Berater häufig unterschätzt. Hier bietet sich, sofern nicht bereits ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden hat, für den Kläger erstmals die Gelegenheit, sein Begehren im Gespräch mit dem beklagten Finanzamt und der Richterbank auch mündlich vorzutragen. Die mündliche Verhandlung ist für ihn auch die letzte Chance, den Sachverhalt klarzustellen und zu ergänzen, neue bisher nicht berücksichtigte Tatsachen und Beweismittel vorzutragen4 und Missverständnisse ausräumen. Sie dient insbesondere dazu, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren5. Nicht selten wird sich der Sachverhalt nach der mündlichen Verhandlung anders darstellen, als aufgrund bloßen Aktenstudiums vor der Verhandlung6.
II. Die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung Für das Finanzgericht gilt – wie für alle anderen Gerichtszweige auch – der Grundsatz der gerichtlichen Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung. Allerdings ergehen grundsätzlich nur Urteile aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 90 Abs. 1 FGO), sofern hiervon aus prozessökonomischen Gründen keine Ausnahmen vorgesehen sind (§§ 90 Abs. 2, 90a, 94a Abs. 1 Satz 1 FGO7). Andere Entscheidungen – wie Beschlüsse – können nach § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung ergehen. Das Gericht kann aber auch in
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§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO. § 79 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Siehe auch Streck, Der Steuerstreit, 2. Aufl. Köln 1994, Rz. 274. So auch Streck, a. a. O., Rz. 955. BT-Drucks. IV/1446, S. 36. Harald Schaumburg, Reform des finanzgerichtlichen Revisionsrechts, StuW 1999, 68 ff. (70). 7 Für den BFH gilt insoweit zusätzlich § 126a FGO: Hier kann eine mündliche Verhandlung gegen den Willen des Klägers nur im Revisionsverfahren unterbleiben, wenn der BFH die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
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diesen Fällen – dies ist in der Praxis allerdings nicht die Regel – eine mündliche Verhandlung anberaumen, wenn es eine solche für sachdienlich hält. An einen entsprechenden Antrag der Beteiligten ist es aber nicht gebunden8. Aus Gründen der Prozessökonomie ist es den Finanzgerichten in geeigneten Fällen gestattet, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1 FGO9). Das Mündlichkeitsprinzip wird allerdings normalerweise dann wieder hergestellt, wenn die Beteiligten hiergegen den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen10, um ihr Begehren in einer mündlichen Verhandlung zu erläutern11. Damit den Beteiligten dieses Recht auf mündliche Verhandlung nicht abgeschnitten wird, ergibt sich bei Auslegung des § 90a Abs. 4 FGO im Wege teleologischer Reduktion ein Wiederholungsverbot für einen weiteren Gerichtsbescheid; das Finanzgericht darf nach einem Antrag auf mündliche Verhandlung gegen einen Gerichtsbescheid keinen erneuten Gerichtsbescheid erlassen12. Bei Bagatellsachen mit einem Streitwert unter 500 Euro kann das Gericht aus prozessökonomischen Gründen sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen (§ 94a Satz 1 FGO) und dabei auch auf das Mündlichkeitsprinzip verzichten. Allerdings muss nach § 94a Satz 2 FGO auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Das Finanzgericht ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus darauf hinzuweisen, dass es gem. § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden will13. Ohne einen solchen Hinweis wird der Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren verletzt. Dass der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter die Rechtslage auch verfahrensrechtlich überblickt, an die Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bei einem niedrigen Streitwert denkt und ggf. den Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 94a Satz 2 FGO stellt, bedeutet, überspannte Anforderungen an den Kläger bzw. an dessen Prozessbevollmächtigten zu stellen. Das Finanzgericht sollte alles tun, um dem Kläger nicht das Gefühl zu vermitteln, er sei „überfahren“ worden14. Eine sol-
__________ 8 BFH v. 22.11.1994 – VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791; v. 6.5.1999 – XI S 2/99, BFH/NV 1999, 1368; Tipke in Tipke/Kruse, § 90 FGO Tz. 1. 9 Gilt über § 121 FGO auch für den BFH, BFH v. 13.5.2004 – 9 R 8/02, BFH/NV 2004, 1290. 10 § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO. 11 Ein Antrag auf mündliche Verhandlung kann aber auch aus taktischen Gründen erfolgen, etwa um eine Breitenwirkung der Entscheidung zu vermeiden. Dies wird von der Rechtsprechung nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen. Der Kläger kann mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung die Klage zurücknehmen. Ebenso darf ein Finanzamt gleichzeitig mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung der Klage abhelfen und die Hauptsache für erledigt erklären; vgl. z. B. BFH v. 30.3.2006 – V R 12/04, BStBl. II 2006, 542. 12 Vgl. BFH v. 2.7.1998 – IV R 39/97, BStBl. II 1999, 28; v. 22.6.1984 VI R 246/80, BStBl. II 1984, 720 zum früheren Vorbescheid. 13 So ausdrücklich BFH v. 27.5.2002 – VII B 187/01, BFH/NV 2002, 1356; v. 10.1.1995 – IV B 90/94, BFH/NV 1995, 802; kritisch Koch in Gräber, § 94a Rz. 5; Tipke in Tipke/ Kruse, § 94a FGO Rz. 6. 14 So auch ausdrücklich Tipke in Tipke/Kruse, § 94a FGO Rz. 6; Koch in Gräber, § 94a Tz. 5.
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che Situation lässt sich von der Klägerseite dadurch vermeiden, dass bei jeder Klageerhebung prophylaktisch darauf hingewiesen wird, dass auf jeden Fall mündliche Verhandlung beantragt werde. Schließlich können sich die Beteiligten aber auch mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklären (§ 90 Abs. 2 FGO) und damit auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ihnen insoweit eingeräumten Rechte verzichten. Von einem solchen Verzicht ist grundsätzlich abzuraten15.
III. Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Die Finanzgerichtsordnung sieht vor, dass der Rechtsstreit möglichst in einer einzigen mündlichen Verhandlung erledigt werden soll (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies setzt voraus, dass der Sachverhalt vollständig ermittelt ist und die meisten der Argumente schon vorher im Laufe des Verfahrens von den Beteiligten ausgetauscht worden sind. Der Berichterstatter hat sich schon oftmals in den Schriftsatzaustausch der Beteiligten eingeschaltet und diesen mit richterlichen Hinweisen – schriftlich oder telefonisch – oder sogar mit Hilfe eines Erörterungstermins gelenkt. Der schriftsätzliche Vortrag der Beteiligten (§ 77 Abs. 1 Satz 1 FGO) und die Anordnungen des Vorsitzenden oder Berichterstatters (§§ 79, 79b FGO) dienen grundsätzlich nur der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, führen aber in zahlreichen Fällen schon zu einem früheren Abschluss des Verfahrens. Für Senatssitzungen bereitet der Berichterstatter ein Votum vor, das den wesentlichen Inhalt der Akten enthält. Dieses Votum wird in der Praxis unterschiedlich ausgestaltet. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn es in Urteilsform gehalten wird und einen Entscheidungsvorschlag enthält, solange der einzelne Richter oder der Senat noch nicht endgültig festgelegt ist und alle an der Entscheidung mitwirkenden Richter bereit sind, die ggf. von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Gesichtspunkte bei der Urteilsfindung noch zu berücksichtigen16. Bei der Fertigung eines Urteilsentwurfs handelt es sich um ein allgemein übliches und zulässiges Verfahren der Terminsvorbereitung und Urteilsfindung. Für die Meinungsbildung in einem Senat ist es nämlich unerlässlich, dass, bevor die zuständigen Richter gemeinsam über den Fall (vor)beraten, ein Bericht vorliegt, der den gesamten Sachund Streitstand wiedergibt und der soweit möglich auch einen Entscheidungsvorschlag enthält17. Nur dann ist ein sachgerechtes Abwägen aller bis zu diesem Zeitpunkt bekannten entscheidungserheblichen Gesichtpunkte in der regelmäßig stattfindenden Vorberatung der Berufsrichter des Senats möglich.
__________ 15 Zu Einzelheiten s. zum Gliederungspunkt „Zum Verzicht auf mündliche Verhandlung“. 16 So zuletzt BFH v. 18.7.2006 – X B 206/05, BFH/NV 2006, 1877 m. w. N. 17 Ebenso Schmidt-Troje/Schaumburg, Der Steuerrechtsschutz, 3. Aufl., Köln 2008, II Rz. 604.
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Auch die Beteiligten, insbesondere der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter, sollten die mündliche Verhandlung ernst nehmen und sehr sorgfältig vorbereiten18. Dabei sollte bedacht werden, dass die mündliche Verhandlung, die den Schlusspunkt des Verfahrens setzen soll, normalerweise der letzte Zeitpunkt ist, in dem noch Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen oder Anträge gestellt werden können19. Der Sachverhalt muss vollständig mit allen Details, die von Bedeutung sein könnten, vorgetragen werden, auch wenn die steuerliche Relevanz für den Kläger oder seinen Prozessbevollmächtigten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dies ist Voraussetzung dafür, dass der BFH das Verfahren später ggf. zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht zurückverweisen kann. Es gibt – außer wenn eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 FGO gesetzt worden war – keine gesetzlichen Vorschriften, wonach erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Tatsachen und Beweismittel zurückgewiesen werden können, wenn sie erheblich sind. Selbst wenn eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 FGO abgelaufen ist, sollte nicht davor zurückgeschreckt werden, noch die aus Sicht des Klägers und seines Beraters erforderlichen Tatsachen vorzutragen oder noch Nachweise, ggf. sogar durch Stellung eines präsenten Zeugen, zu erbringen. Es besteht durchaus die Chance, dass das Gericht auch ein verspätetes Vorbringen noch berücksichtigt. Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist nach § 79b Abs. 3 FGO nämlich nur unter engen Voraussetzungen – Verzögerung des Verfahrens bei Zulassung und keine genügende Entschuldigung für das verspätete Vorbringen sowie vorherige Belehrung über die Folgen – möglich und muss darüber hinaus ermessensfehlerfrei erfolgen. Die Vernehmung eines präsenten Zeugen bedeutet dabei grundsätzlich keine Verzögerung des Verfahrens20. Das Gericht ist nach einem längeren Verfahren über einen solchen Verlauf mit Sicherheit nicht besonders erfreut. Aus diesem Grund sollte neues Vorbringen nicht umfänglich in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll diktiert werden, sondern schon vorher schriftlich abgefasst und der entsprechende Schriftsatz spätestens in der mündlichen Verhandlung übergeben werden. Besser ist es noch, wenn der Schriftsatz möglichst noch vor dem Sitzungstermin an das Gericht – am besten per Fax – übersandt wird. So kann sich auch das Gericht schon vorher auf die neue Situation einstellen und ggf. auch den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufheben. Auch sollte vorher angekündigt werden, wenn beabsichtigt ist, präsente Zeugen zum Termin mitzubringen.
__________ 18 Siehe dazu auch Mack, Die mündliche Verhandlung, AO-StB 2004, 443 ff. (445); Lemaire, Die drei Phasen der mündlichen Verhandlung, AO-StB 2002, 348 ff. (349). 19 Streck, a. a. O. Fn. 3, Rz. 954. 20 So von Groll in Gräber, § 79b Rz. 24; BFH v. 19.7.1994 – VIII R 60/93, BFH/NV 1995, 717 ff. (719) mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Vorgängervorschrift des Art. 3 § 3 Abs. 1 Nr. 3 VGFGEntlG.
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IV. Der Ablauf der mündlichen Verhandlung Für den Finanzgerichtsprozess gilt der Grundsatz des fairen Verfahrens als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG)21. Die mündliche Verhandlung läuft dabei immer nach einer bestimmten Grundstruktur ab22. Dabei wird der Prozessstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Gericht unter Mitwirkung der Beteiligten durch verschiedene Maßnahmen aufbereitet: Nach Feststellung, wer zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, und Aufnahme der erschienenen Personen ins Protokoll trägt zunächst der Vorsitzende oder – was die Praxis ist – der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor (§ 92 Abs. 2 FGO). Dabei wird in den meisten Fällen ein vorbereiteter Tatbestand verlesen. Hier empfiehlt es sich, besonders aufmerksam zu sein. Denn der Aktenvortrag dient nicht nur der Unterrichtung der Beteiligten, sondern auch der übrigen Mitglieder des Gerichts, vor allem der ehrenamtlichen Richter. Dieser Vortrag soll klarstellen, von welchem Sachverhalt das Gericht ausgeht, und zugleich den wesentlichen Inhalt der Akten zum Gegenstand des Verfahrens machen. Da der Vortrag auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt konzentriert ist, kann ihm möglicherweise schon die Richtung entnommen werden, in die eine Entscheidung des Gerichts gehen wird. Anschließend erhalten die Beteiligten – zunächst der Kläger, dann der Beklagte – das Wort, um – so der Gesetzestext – ihre Anträge zu stellen und zu begründen (§ 92 Abs. 3 FGO). In der Praxis wird die Sache zunächst erörtert und erst kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung werden die Anträge zu Protokoll gegeben. Vor Erörterung des Sach- und Streitstandes sollte auch kein Antrag gestellt werden, weil dann die Gefahr besteht, einen nicht sachgerechten Antrag oder einen zu weitgehenden Antrag später – ggf. mit Kostenfolge – einschränken zu müssen. Nach dem Vortrag des Berichterstatters fragt der Vorsitzende an oder es sollte zunächst klargestellt werden, ob das Gericht von dem vorgetragenen Sachverhalt ausgehen kann oder ob diesbezüglich Korrekturen oder Ergänzungen erforderlich sind. Ggf. sollte vom Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten darauf bestanden werden, dass diese Korrekturen, vor allem aber Ergänzungen, sofern sie für die Entscheidung wesentlich sind23, in das Protokoll aufgenommen werden. Gleiches kann auch für den Beklagten gelten. Hier wird nämlich ggf. die Grundlage für einen späteren Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gelegt, wenn der Ausgang eines Rechtsmittelverfahrens vom „richtigen“ Tatbestand abhängig ist. Der Vorsitzende hat die Sache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern (§ 93 Abs. 1 FGO) und darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle
__________ 21 Vgl. Drüen, Das Verbot überraschender Entscheidungen im FG-Prozess, AO-StB 2002, 196 ff. 22 Vgl. dazu Schmidt-Troje/Schaumburg, Der Steuerrechtsschutz, 3. Aufl., Köln 2008, II Rz. 602 ff. 23 Z. B. streitige Tatsachen, die als unstreitig dargestellt sind, fehlende Sachverhaltselemente, Beweisantritte.
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für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden (§ 76 Abs. 2 FGO). Dabei können die übrigen Mitglieder des Gerichts – einschließlich der ehrenamtlichen Richter (§ 16 FGO) – in Ausübung ihres Fragerechts mitwirken (§ 93 Abs. 2 FGO). Auch werden Beweise grundsätzlich in einer mündlichen Verhandlung erhoben (§ 81 Abs. 1 FGO). Hat sich das Verfahren während der mündlichen Verhandlung nicht anderweitig durch Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärungen erledigt, erklärt der Vorsitzende nach Erörterung der Streitsache und Aufnahme der Anträge ins Protokoll die mündliche Verhandlung für geschlossen (§ 93 Abs. 3 Satz 1 FGO) und verkündet den Beschluss, ob eine Entscheidung nach Beratung verkündet oder zugestellt wird24. Für diesen Senatsbeschluss ziehen sich die Richter normalerweise nicht zurück, sondern die Abstimmung der Richter erfolgt – kaum sichtbar – in der mündlichen Verhandlung. Ist der Fall entscheidungsreif, ergeht in der Regel ein Urteil. Die Verkündung erfolgt normalerweise noch am selben Tag durch Verlesen der Urteilsformel (§ 104 Abs. 1 FGO). Bei Zustellung des Urteils ist die Urteilsformel innerhalb von zwei Wochen der Geschäftsstelle zu übergeben (§ 104 Abs. 2 FGO) und kann dann dort von den Beteiligten abgerufen werden. Hierauf haben die Beteiligten einen Rechtsanspruch25, um schnellstmöglich Klarheit zu haben, wie das Verfahren ausgegangen ist. Während im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter in aller Regel keine Amtstracht getragen wird, ist es angemessen, empfehlenswert und geschieht auch zumeist, dass der den Kläger vertretende Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht mit Robe und weißer Krawatte auftritt. Dies empfiehlt sich auch, weil der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege eine besondere Stellung hat. Verpflichtet ist er hierzu – jedenfalls in Nordrhein-Westfalen26 – allerdings nicht. Die Finanzgerichtsordnung enthält insoweit keine Bestimmung. Durch § 59b Abs. 2 Nr. 6 Buchst. c BRAO ist die Bestimmung der anwaltlichen Amtstracht der unmittelbaren staatlichen Regelungsgewalt entzogen und der Rechtsanwaltschaft, um deren äußeres Erscheinungsbild es geht, überantwortet worden. Nach § 20 der Berufsordnung der Rechtsanwälte27 trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht eine Robe, soweit das üblich ist. Die Üblichkeit ist beispielsweise davon abhängig ist, vor welchem Gericht der Rechtsanwalt auftritt oder welche regionalen Besonderheiten herrschen. In der Finanzgerichtsbarkeit treten als Prozessbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ohne Amtstracht auf. Mit diesen soll der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter gleichgestellt werden. Der Vorsitzende kann in der mündlichen Verhandlung den ohne
__________ 24 Einzelheiten bei Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, Rzn. 606, 640 f. 25 BFH v. 30.4.2001 – VII B 28/01, BFH/NV 2001, 1287. 26 Siehe Anordnung über die Amtstracht bei den Gerichten vom 8.8.2006 – 31 – Z.5, JMBl. NRW 2006, 193, wo auf § 20 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) verwiesen wird und die immer noch gültigen Bestimmungen über die Amtstracht bei den FG des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1957, wonach den Rechtsanwälten gestattet ist, zu den Sitzungen der Finanzgerichte ihre Amtstracht anzulegen. 27 In der Fassung vom 1.7.2008.
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Robe auftretenden Rechtsanwalt jedenfalls nicht gem. § 155 FGO i. V. m. § 176 GVG von der mündlichen Verhandlung ausschließen28.
V. Die Bedeutung der mündlichen Verhandlung Nach dieser gesetzlich vorgegebenen Grundstruktur des finanzgerichtlichen Verfahrens dient die mündliche Verhandlung – ob vor dem Senat oder dem Einzelrichter – vor allem der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO)29, denn das Gericht darf seine Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO). Sie ist Ausfluss des im finanzgerichtlichen Verfahren bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes. Dabei ist die mündliche Verhandlung ein optimales Mittel, den Sachverhalt wirklich aufzuklären30, den Prozessstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu vervollständigen, zu ordnen, zu gewichten. Dies ist von besonderer Bedeutung, da es in der Finanzgerichtsbarkeit nur eine einzige Tatsacheninstanz gibt. Die mündliche Verhandlung gibt den Beteiligten deshalb Gelegenheit, ihre Belange wahrzunehmen, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern und sachdienliche Anträge zu stellen. Auf diese Weise können das Gericht und die Beteiligten gemeinsam das Gesamtergebnis des Verfahrens i. S. v. § 96 FGO als zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu erarbeiten31. Diese Gelegenheit sollte unbedingt auch vom Kläger bzw. von dessen Prozessbevollmächtigen wahrgenommen werden. Für den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten hat die mündliche Verhandlung insbesondere den Sinn, überprüfen und daran mitwirken zu können, dass das Gericht seiner Entscheidung den zutreffenden Sachverhalt zugrunde legt. Dabei kann das Gericht seiner aus § 76 Abs. 2 FGO folgenden Fürsorgepflicht am besten in der mündlichen Verhandlung nachkommen, denn dort ist ein Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter am ehesten in der Lage, auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts Missverständnisse auszuräumen, Lücken in seinem Vorbringen zu schließen und dieses auf die entscheidungserheblichen Punkte zu konzentrieren. Auf diese Möglichkeit überprüfen zu können, ob der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist, und darauf zu bestehen, dass erforderliche Beweisaufnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden, und diesbezüglich ggf. eine Rüge zu Protokoll zu geben, sollte nicht verzichtet werden. Aus diesem Grunde sollte der steuerliche Berater des Klägers auf jeden Fall in der mündlichen Verhandlung erscheinen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er habe nicht alles ihm Mögliche in dem Fall getan. Der steuerliche Berater sollte aber auch den Kläger selbst zur mündlichen Verhandlung mitbringen. Ob der Kläger geladen worden ist oder nicht, so ist doch dessen persönliche Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung häufig sehr nütz-
__________ 28 Vgl. dazu LArbG Niedersachsen, Beschl. v. 29.9.2008 – 16 Ta 333/08 m. w. N., juris mit Anmerkung von Fischer, jurisPR-ArbR 47/2008 Anm. 6. 29 Koch in Gräber, § 90 Rz-3. 30 Tipke in Tipke/Kruse, § 90 FGO Tz. 1. 31 Vgl. dazu auch BFH v. 3.9.2001 – GrS 3/98, BStBl. II 2001, 802.
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lich. Wird eine Beweisaufnahme durchgeführt, so kann der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter – ebenso wie der Beklagte – auch selbst Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen. Solche Fragen können lenkenden Charakter haben und zur Sachaufklärung wesentlich mit beitragen. Die mündliche Verhandlung ist aber auch dazu da, dass die „richtigen“ Anträge gestellt werden. Die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe sind als fachkundige Personen an die von ihnen gewählten Worte zwar grundsätzlich gebunden; sie sind beim Wort zu nehmen. Das soll auch für die von ihnen formulierten Anträge im finanzgerichtlichen Verfahren gelten. Prozesserklärungen – und somit auch Anträge – sind aber wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig32. Insofern ergibt sich in der mündlichen Verhandlung auch die Möglichkeit, die „richtigen“ Anträge zu stellen. Denn der Vorsitzende hat in der mündlichen Verhandlung darauf hinzuwirken, dass „sachdienliche Anträge“ gestellt sowie unklare Anträge erläutert werden. Der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter kann dabei der Empfehlung des Vorsitzenden folgen, wenn der Antrag zu Protokoll genommen wird. Er kann aber auch auf einem von ihm selbst formulierten Antrag bestehen, wenn er meint, dass dieser das Klagebegehren besser wiedergibt. Dieser Antrag wird dann vom Gericht wörtlich genommen und auch vollumfänglich beschieden. Die mündliche Verhandlung dient auch dazu, noch einmal zu klären, ob nicht doch eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits in Betracht kommt. Es kann für den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigen nützlich sein, dem Vertreter des Beklagten vorweg am Rande der Sitzung zu begegnen und mit diesem die Sache ggf. nochmals zu erörtern. Jedenfalls besteht für den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten die Möglichkeit – und hiervon wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht – ein Gespräch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Vorsitzenden (§ 93 Abs. 1 FGO) und den im Übrigen zur Entscheidung berufenen Richtern zu führen und dann zu entscheiden, ob ein Urteil vonnöten ist oder doch eine Einigung mit dem Beklagten stattfinden kann. Zwar gibt es im Steuerrecht keine Vergleiche über Sach- oder Rechtsfragen. Doch kommt der Steueralltag ohne „Quasi-Vergleiche“ nicht aus33. Die Beteiligten – Kläger und Finanzamt – können sich in der mündlichen Verhandlung unter der „fachkundigen Moderation“ des Gerichts34 über einen bestimmten Sachverhalt einigen oder eine tatsächliche Verständigung über bestimmte schwer aufzuklärende Sachverhaltselemente zu Protokoll geben und dann hieraus die zutreffenden Rechtsfolgen ableiten. Sagt das beklagte Finanzamt dann verbindlich zu, entsprechend der Einigung verfahren und einen geänderten Bescheid erlassen zu wollen und verzichtet der Kläger auf sein weiteres Begehren, kann die Hauptsache in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die verbindliche Zusage des Vertreters des Beklagten bereits –
__________ 32 BFH, Beschl. v. 7.11.2007 – I B 104/07 BFH/NV 2008, 799. 33 Vgl. dazu Helmer, DB 1985, 2129. 34 Eine Mediation gibt es im finanzgerichtlichen Verfahren nicht und ist dort, da es sich bei Steuerbescheiden um gebundene Verwaltungsakte handelt, auch nicht angebracht.
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ggf. auch unter Anregung, wie die Kosten verteilt werden sollen35 – in der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache für erledigt erklärt oder die Klage auch zurückgenommen werden. Die Beendigung des Verfahrens ohne Urteil geschieht in der Praxis recht häufig und ist auch aus Kostengründen sehr sinnvoll; die Gerichtsgebühren lassen sich auf diese Weise von vier Gebühren auf zwei Gebühren reduzieren36. Wichtig ist auch die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung plädieren zu können, das heißt, die wichtigsten Sachverhalselemente und seine Rechtsansichten nochmals pointiert und auch für die ehrenamtlichen Richter verständlich vortragen zu können. Dabei können auch rhetorische Fähigkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Denn eine eloquent untermauerte Sachverhaltsschilderung, gepaart mit fundierten, auf den Punkt gebrachten Rechtsausführungen, können zu einem erneuten Überdenken der Sach- und Rechtslage durch das Gericht und der bisherigen Überlegungen zum Fall führen. In der mündlichen Verhandlung können die Beteiligten schließlich auch feststellen, ob die Richterbank ordnungsgemäß besetzt ist und ob objektiv eingestellte und nicht befangene Richter an der Entscheidung mitwirken. Bestehen Bedenken, ob der Senat in der richtigen Besetzung tagt, dann kann sich der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter anhand der Geschäftsverteilungspläne, die bei den meisten Finanzgerichten inzwischen ins Internet eingestellt sind, informieren, welche Richter im Streitfall zur Entscheidung berufen sind. Ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter (§ 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 41 ZPO und § 51 Abs. 2 FGO) darf an der Entscheidung nicht mitwirken. An dessen Stelle tritt dann sein geschäftsplanmäßiger Vertreter. Die Ausschließung kraft Gesetzes ist unverzichtbar37; wird sie vom Gericht nicht beachtet, liegt ein absoluter Revisionsgrund vor (119 Nr. 2 FGO). Die mündliche Verhandlung vor dem FG ist einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse grundsätzlich öffentlich (§ 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 169 Satz 1 GVG). Ist es für den Kläger unerwünscht, seine Geschäftsgeheimnisse und steuerlichen Verhältnisse in einer mündlichen Verhandlung der Öffentlichkeit preiszugeben und möchte er diese lieber geheim halten, so sollten er bzw. sein Prozessbevollmächtigter sofort zu Beginn der Verhandlung – ggf. auch später – beantragen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Nach § 52 Abs. 2 FGO ist speziell für das finanzgerichtliche Verfahren die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn ein Beteiligter, der nicht Finanzbehörde ist, das heißt der Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigter oder ein Beigeladener dies beantragt. Der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit bedarf hier keiner Begründung; eine Verhandlung über den Antrag findet nicht statt, weil der Aus-
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35 Beliebt ist die Anregung, dass „die Kosten gegeneinander aufgehoben werden“(1) oder aber dass „der Beklagte die Gerichtskosten trägt und die außergerichtlichen Kosten von den Beteiligten selbst getragen werden“(2). Für den Kläger bedeutet dies: zu (1): Gerichtskosten zu ½ und Beratergebühren selbst; zu (2): keine Gerichtkosten und Beratergebühren selbst. 36 Siehe Kostenverzeichnis Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG Teil 6, Hauptabschnitt 1, Nr. 6111. 37 Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O., Fn. 22, II Rz. 593.
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schluss zwingend auf Antrag zu erfolgen hat. Die Wahrung des Steuergeheimnisses wird insoweit höher bewertet als die Öffentlichkeit der Verhandlung38. Die Verkündung des Urteils erfolgt aber in jedem Fall öffentlich (§ 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 173 GVG). Will der Kläger auch dies vermeiden, empfiehlt es sich, das Gericht zu bitten, von einer Verkündung abzusehen und einen Antrag auf Zustellung der Entscheidung zu stellen. Schließlich könnte in einem solchen Fall noch bei der Gerichtsverwaltung beantragt werden, von einer Veröffentlichung des – anonymisierten – Urteils abzusehen39.
VI. Das Erscheinen in der mündlichen Verhandlung Zur mündlichen Verhandlung wird vom Senatsvorsitzenden oder Einzelrichter geladen. Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen (§ 91 Abs. 1 FGO). In der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO). Häufig wird der Termin bereits wesentlich eher anberaumt, damit die Beteiligten sich darauf einrichten können. Die Ladung für die Klägerseite ergeht normalerweise ausschließlich an den Prozessbevollmächtigten. Der Kläger wird nur dann persönlich geladen, wenn das Gericht sein Erscheinen für erforderlich hält, um ggf. noch Fragen an ihn richten zu können und um ihn anzuhören. In einer solchen Ladung wird häufig darauf hingewiesen, dass das persönliche Erscheinen des Klägers „ratsam“ sei. Unabhängig davon kann das Gericht das persönliche Erscheinen des Klägers auch durch Beschluss anordnen und für den Fall des Nichterscheinens ein Ordnungsgeld androhen (§ 80 Abs. 1 FGO). Von einem solchen Beschluss wird in der Praxis aber nur selten Gebrauch gemacht. Dennoch ist es sinnvoll, dass der Kläger, auch wenn er nicht geladen worden ist, zur mündlichen Verhandlung erscheint40. Ein einmal anberaumter Termin kann nur aus erheblichen Gründen aufgehoben werden (§ 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO). Ein erheblicher Grund41 liegt regelmäßig vor bei einem bereits gebuchten Urlaub, der nicht verlegt werden kann, bei einem anderen Gerichtstermin, zu dem vorher geladen worden ist, oder bei einer plötzlichen und unvorhersehbaren Erkrankung, die den Beteiligten tatsachlich an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert42. Anträge auf Terminsverlegung gehören zum Gerichtsalltag. Ein solcher Antrag muss nachvollziehbar dahingehend begründet werden, dass erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins tatsächlich vorliegen, die auf Verlangen des Gerichts auch glaubhaft gemacht werden müssen. Der bloße Hinweis auf eine Erkränkung reicht beispielsweise nicht
__________ 38 Vgl. dazu Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 FGO Rz. 24; Schnoor, Steuergeheimnis, presserechtlicher Informationsanpruch und Öffentlichkeitsprinzip im Finanzgerichtsverfahren, StuW 2008, 303 ff. (306 f.). 39 Vgl. dazu Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O., Fn. 22, II Rz. 585. 40 Siehe dazu oben „Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung“. 41 Vgl. dazu Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, II Rz. 580. 42 BFH v. 13.2.2008 – I B 163/07, n. v.
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aus, erforderlich sind Angaben zur Art der Erkrankung, damit sich das Gericht ein eigenes Bild von der Verhinderung machen kann43. Ein Antrag auf Terminsverlegung darf keinesfalls auch nur den Anschein der Prozessverschleppung erwecken. Es kann nicht ohne weiteres damit gerechnet werden, dass einem Antrag auf Terminsverlegung entsprochen wird. Die einzelnen Senate der Gerichte entscheiden hier sehr unterschiedlich. Manche Richter sind bei einem erstmalig gestellten Terminaufhebungsantrag sehr großzügig. Solange die Beteiligten jedoch keine Mitteilung über eine Terminsaufhebung erhalten haben, müssen sie davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung am vorgesehenen Tag zum vorgesehenen Termin stattfinden wird. Deshalb besteht hier ggf. Anlass, sich durch eine telefonische Rückfrage bei Gericht über dessen Entscheidung über den Antrag zu informieren44 Wird ein neuer Prozessbevollmächtigter erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung bestellt, so bleibt ihm häufig nichts anderes übrig, als sich möglichst schnell noch in den Prozessstoff einzuarbeiten, um in der mündlichen Verhandlung auftreten zu können. Ein Wechsel des Prozessbevollmächtigten noch vor der mündlichen Verhandlung oder auch eine erstmalige Bestellung eines Bevollmächtigten stellt nämlich nur dann einen Grund zur Terminsverlegung dar, wenn es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierige Sache handelt, der Wechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung stattfindet und vom Kläger nicht verschuldet wird oder zumindest aus schutzwürdigen Gründen erforderlich ist45. Der BFH hält eine Einarbeitungszeit von zehn Tagen für den neuen Prozessbevollmächtigten auf jeden Fall für ausreichend46. Die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung bedeutet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin erschienen ist und rügelos47 zur Sache verhandelt hat. Die mündliche Verhandlung kann, sofern die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden sind, selbst dann durchgeführt werden, wenn niemand erschienen ist. Auch in diesem Fall findet das „normale“ Verfahren statt, da die Finanzgerichtsordnung kein Versäumnisverfahren und auch keine Entscheidung nur nach Aktenlage kennt. Allerdings wird die Sachaufklärungspflicht des Gerichts durch die den Beteiligten obliegenden Mitwirkungspflichten beschränkt48.
__________ 43 BFH v. 13.2.2008 – I B 163/07, n. v. 44 BFH v. 5.7.2004 – VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64 mit weiteren Nachweisen; SchmidtTroje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, II Rz. 581. 45 BFH v. 30.1.2008 – V B 72/06, BFH/NV 2008, 812; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, FGO, § 96 Rz. 266, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; SchmidtTroje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, II Rz. 580 zum Stichwort „unverschuldeter Bevollmächtigtenwechsel“. 46 BFH v. 30.1.2008 – V B 72/06, BFH/NV 2008, 812. 47 Siehe unten zu VII „Die Rüge von Verfahrensfehlern“. 48 Vgl. z. B. BFH v. 30.7.2003 – X R 28/99, BFH/NV 2004, 201; Stapperfend in Gräber, § 76 Rz. 50; Seer in Tipke/Kruse, § 76 FGO Tz. 72 ff.
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Dies gilt gleichermaßen für die richterliche Hinweispflicht49. Daraus folgt, dass zumutbarer Inhalt und Intensität der richterlichen Ermittlung in einem zwingenden Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten stehen50. Insoweit besteht eine Wechselwirkung. Schon deshalb empfiehlt es sich für den Kläger oder dessen Prozessbevollmächtigten, in der mündlichen Verhandlung zu erscheinen, um der aus § 96 Abs. 2 FGO folgenden besonderen Prozessverantwortung nachzukommen. Wer nämlich zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht mehr im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung des § 76 Abs. 2 FGO und der Sachaufklärungspflicht durch das Finanzgericht rügen.
VII. Die Rüge von Verfahrensmängeln in der mündlichen Verhandlung Die persönliche Anwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ist auch deshalb von Bedeutung, weil in verschiedenen Fällen Verfahrensmängel sofort gerügt werden müssen, um ggf. gegen die Entscheidung des Finanzgerichts mit Erfolg Rechtsmittel einlegen zu können. Auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften und die entsprechende Rüge der entsprechenden Verfahrensmängel kann aber auch gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO verzichtet werden. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich erklärt werden, er kann aber auch konkludent erfolgen, z. B. durch eine rügelose Einlassung. Das unentschuldigte Fernbleiben des Klägers und/oder seines Prozessbevollmächtigten von der mündlichen Verhandlung führt zum Verlust des Rügerechts hinsichtlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärungspflicht durch das Finanzgericht51. Denn den am Prozess Beteiligten obliegt hinsichtlich der Aufarbeitung des Streitstoffes eine prozessuale Mitwirkungspflicht, die mit der Sachaufklärungspflicht des Gerichts in einer gewissen Wechselwirkung steht52. Durch das Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung werden die Mitwirkungspflichten verletzt und wird die Gelegenheit versäumt, den Vortrag in den entscheidungserheblichen Punkten zu präzisieren Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben nämlich alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Daran fehlt es, wenn weder der Beteiligte noch sein Prozessbevollmächtigter trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung erschienen ist und kein begründeter Antrag auf Terminsänderung gestellt wurde53. Ein Rügeverzicht hin-
__________ 49 BFH v. 23.3.2005 – VII B 133/08, BFH/NV 2005, 1325. 50 BFH v. 6.5.2005 – IX B 239/03, BFH/NV 2005,1605. 51 So die ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 4.8.2006 – VII B 250/05 n. v.; v. 13.12.2006 – VII S 39/06, BFH/NV 2007, 740; v. 2.3.2005 – VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576; v. 29.10.1999 – III B 32/99, BFH/NV 2000, 580, m. w. N. 52 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 76 FGO Tz. 112. 53 BFH v. 19.1.2007 – VII B 171/06, BFH/NV 2007, 947; v. 13.8.2007 – III B 159/06, BFH/NV 2007, 2284; v. 12.3.2008 – I B 157/07, n. v.
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sichtlich weiterer Verfahrensfehler kann aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung allerdings nicht ohne weiteres abgeleitet werden54. Ein Rügerecht geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzgericht, sondern auch durch das bloße Unterlassen der rechtzeitigen Rüge verloren. Ein Verzichtswille ist insoweit nicht erforderlich55. Verfahrensmängel, auf deren Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren wirksam verzichtet worden ist, können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr geltend gemacht werden56. In solchen Fällen gehört deshalb zur schlüssigen Rüge eines Verfahrensmangels auch die Darlegung, dass die Verletzung der betreffenden verzichtbaren Verfahrensvorschrift vor dem Finanzgericht ordnungsgemäß gerügt wurde oder aus welchen Gründen eine solche Rüge nicht möglich war. Verfahrensmängel, auf deren Rüge verzichtet werden kann, sind beispielsweise: – die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, – bei Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit, – bei fehlerhafter Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung57, – bei Verletzung der Sachaufklärungspflicht58 und bei Übergehen eines Beweisantrags59, – bei fehlerhafter Beweisaufnahme60, – die Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens61, – die Befangenheit eines Richters62. 1. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör a) Verstoß den Grundsatz der Mündlichkeit Sieht das Gesetz – wie in § 90 FGO für das Urteilsverfahren – grundsätzlich die Gewährung des rechtlichen Gehörs in mündlicher Verhandlung vor, so ist dieses Recht verletzt, wenn die Mündlichkeit verfahrensfehlerhaft nicht ge-
__________ 54 So die ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 4.8.2006 – VII B 250/05 n. v.; v. 13.12. 2006 – VII S 39/06, BFH/NV 2007, 740. 55 Ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH v. 6.2.2007 – X B 136/06, n. v. unter Berufung auf BFH v. 8.10.2003 – VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217. 56 BFH v. 22.4.2008 – X B 67/07, BFH/NV 2008, 1346. 57 Ständige Rechtsprechung, BFH v. 6.2.1992 – V R 38/85, BFH/NV 1993, 102; v. 15.6.2001 – IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579; v. 3.2.2003 – VII B 13/02, BFH/NV 2003, 797; v. 18.4.2008 – VII S 3/08 (PKH), n. v., jeweils mit weiteren Nachweisen. 58 BFH v. 29.1.2004 – VI B 53/01, BFH/NV 2004, 661. 59 Zuletzt BFH v. 5.6.2008 – IX B 249/07, n. v. juris. 60 BFH v. 28.1.1993 – X B 80/92, BFH/NV 1994, 108; v. 22.4.2008 – X B 67/07, BFH/NV 2008, 1346. 61 BFH v. 17.1.1995 – V R 28/94, BFH/NV 1995, 893. 62 § 51 FGO i. V. m. § 43 ZPO.
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wahrt wird63. Es liegt ein absoluter Revisionsgrund vor (§ 119 Nr. 3 FGO), der allerdings nur zur Aufhebung der Entscheidung des Finanzgerichts durch den Bundesfinanzhof führen kann, wenn er innerhalb der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Revisionsbegründungsfrist schlüssig gerügt wird. Wird einem Beteiligten verfahrensfehlerhaft die Möglichkeit entzogen, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt insgesamt, das heißt dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), in einer an sich gebotenen mündlichen Verhandlung zu äußern, so führt dies zu einem Gehörverstoß i. S. v. Art. 103 Abs. 1 GG, § 119 Nr. 3 FGO. Dies wäre – theoretisch – der Fall, wenn die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten durchgeführt wird, obwohl zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden ist. Um dies auszuschließen, wird zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten zunächst überprüft und festgestellt, dass der ausgebliebene Beteiligte ordnungsgemäß geladen worden ist. Ist dies nicht der Fall, wird die mündliche Verhandlung vertagt. Dies ist ferner der Fall, wenn die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung ergeht, obwohl die Beteiligten hierauf nicht verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 FGO). In diesem Fall wird der Bundesfinanzhof als Revisionsgericht auf die Gehörsrüge hin das angefochtene Urteil, ohne dass eine weitere Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung stattfindet, aufheben. Denn bereits das Gesamtergebnis i. S. v. § 96 Abs. 1 FGO ist in diesem Fall verfahrensrechtlich fehlerhaft zur Grundlage der Entscheidung geworden. In diesem Fall kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger im Einzelnen ausgeführt hat, was er in einer mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Finanzgerichts hätte beeinflussen können64. Die Auswirkungen des Verfahrensfehlers lassen sich nicht beurteilen, weil im Nachhinein nicht zu rekonstruieren ist, wie sich der Ablauf der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung des Klägers dargestellt hätte. Es ist nachträglich nicht mehr feststellbar, wie die Hinweise und die Erörterung durch das Gericht (§ 76 Abs. 2, § 93 Abs. 1 und 2 FGO) sowie die Äußerungen und Gegenäußerungen der Beteiligten ausgefallen wären, insbesondere ob die Beteiligten durch die Erörterung zu weiterem Vortrag veranlasst worden wären, der das Ergebnis beeinflusst hätte. Deshalb gilt in diesen Fällen die Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO einschränkungslos65.
__________ 63 Vgl. z. B. BVerfG v. 5.10.1976 – 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, 370; BFH v. 14.5.2003 – X R 56/00, BFH/NV 2003, 1588; v.12.2.2007 – XI B 123/06, BFH/NV 2007, 1152; zur Bedeutung der mündlichen Verhandlung für die Gewährung des rechtlichen Gehörs im Urteilsverfahren vgl. ausführlich BFH v. 3.9.2001 – GrS 3/98, BStBl. II 2001, 802. 64 BFH v. 14.5.2003 – X R 56/00, BFH/NV 2003, 1588 mit weiteren Nachweisen; v. 12.2.2007 – XI B 123/06, BFH/NV 2007, 1152. 65 BFH v. 3.9.2001 – GrS 3/98, BStBl. II 2001, 802.
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b) Rüge bei fehlerhafter Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung In einer sachlich unzutreffenden Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung kann eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs gesehen werden66. Hält der Kläger bzw. sein Berater die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung für rechtswidrig, weil ihm nicht hinreichend Zeit für die Vorbereitung des Termin verblieben ist, so muss er diesen Verfahrensverstoß spätestens bis zum Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen und dafür Sorge tragen, dass die entsprechende Rüge zu Protokoll genommen wird. Bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs handelt es sich nämlich um ein gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbares Verfahrensrecht, wenn nicht der Gesamtinhalt des Verfahrens betroffen ist67. c) Rüge bei Verletzung der Sachaufklärungspflicht68 und bei Übergehen eines Beweisantrags69 Die Verletzung der Sachaufklärungspflichten, insbesondere ein übergangener Beweisantrag, kann einen Verfahrensmangel i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellen. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden. Dabei muss der Verfahrensmangel bezeichnet und gleichzeitig vorgetragen werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht insbesondere durch das Übergehen eines Beweisantrags gehört nämlich zu den verzichtbaren Mängeln (§ 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO), so dass der Verstoß grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht gerügt werden muss. Dabei geht das Rügerecht auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Hält der Kläger eine Beweisaufnahme (z. B. die Vernehmung eines Zeugen) unbedingt für erforderlich, um den Prozess gewinnen zu können, so sollte er ausdrücklich zu Protokoll geben, dass der Beweisantrag aufrechterhalten wird und dass die Nichterhebung des beantragten Beweises gerügt wird. Dabei muss auch angegeben werden, welche Behauptung des Klägers (genaue Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen bzw. präzise Angabe der Beweisthemen) der Zeuge bestätigt hätte70. Verhandelt der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht.
__________ 66 Ständige Rechtsprechung, BFH v. 6.2.1992 – V R 38/85, BFH/NV 1993, 102; v. 15.6.2001 – IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579; v. 3.2.2003 – VII B 13/02, BFH/NV 2003, 797; v. 18.4.2008 – VII S 3/08 (PKH), n. v., jeweils mit weiteren Nachweisen. 67 BFH, Beschl. v. 14.7.2008 – II B 5/08, BFH/NV 2008, 1815. 68 BFH v. 29.1.2004 – VI B 53/01, BFH/NV 2004, 661. 69 Zuletzt BFH v. 1.9.2008 – IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35. 70 Vgl. z. B. BFH v. 5.2.2004 – V B 205/02, BFH/NV 2004, 964; v. 23.7.2002 – X B 174/01, BFH/NV 2002, 1486; Ruban in Gräber, § 120 FGO Rz. 69, m. w. N.
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Etwas anderes gilt bei einem Auslandssachverhalt für einen im Ausland ansässigen Zeugen. Diesen hat der Kläger als präsenten Zeugen in der mündlichen Verhandlung selbst zu stellen71. d) Rüge bei fehlerhafter Beweisaufnahme Gemäß § 83 Satz 2 FGO steht den Beteiligten bei Beweisaufnahmen das Recht zu, sachdienliche Fragen an Zeugen und Sachverständige zu stellen. Sachdienlich sind die Fragen nur, wenn sie beweiserheblich sind. Sie müssen geeignet sein, die Sachverhaltsaufklärung unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Wird eine Frage beanstandet – z. B. als nicht sachdienlich und deshalb unzulässig – so entscheidet hierüber gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 FGO (§ 83 Satz 3 FGO) das Gericht, das heißt der Senat und nicht etwa der Vorsitzende allein. Die Entscheidung des Gerichts ist gem. § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar. Weist das Finanzgericht eine Frage zu Unrecht zurück und schränkt damit das Fragerecht des Beteiligten an den Zeugen ein72, liegt darin ein Verfahrensmangel i. S. d. § 119 Nr. 3 FGO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör), der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Verzichtet ein Beteiligter (ausdrücklich oder stillschweigend) auf sein Fragerecht, führt dies grundsätzlich zum Verlust des Rügerechts (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO). Eine schlüssige Verfahrensrüge setzt deshalb voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt, weshalb er selbst nicht in der Lage war, auf entsprechende Fragen hinzuwirken, und/oder weshalb sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit einer weiteren Befragung angesichts des bisherigen Sachstandes hätte aufdrängen müssen. Gleiches gilt bei einer Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme73, wenn etwa frühere Zeugenaussagen im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, anstatt die Zeugen noch einmal zu vernehmen. Auch hier handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz, auf dessen Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO)74. 2. Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens Die dem Gericht wegen Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis zurechenbare Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung (§ 52 FGO i. V. m. § 169 GVG) ist ein absoluter Revisionsgrund i. S. v. § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO. Indes können die Prozessbeteiligten auf die Beachtung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verzichten. Eine den
__________ 71 Siehe zuletzt BFH v. 6.2.2007 – X B 136/06, n. v., juris; vgl. auch Schaumburg/ Schaumburg, Grenzüberschreitende Sachverhaltsaufklärung im finanzgerichtlichen Verfahren: Der Zeuge im Ausland, FR 1997, 749 ff. 72 BFH v. 28.1.1993 – X B 80/92, BFH/NV 1994, 108. 73 BFH v. 22.4.2008 – X B 67/07, BFH/NV 2008, 1346. 74 Vgl. z. B. Ruban in Gräber, § 115 FGO Rz. 100 und 101, m. w. N.
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Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechende Revisionsrüge muss deshalb auch angeben, dass der die Verletzung der Öffentlichkeit begründende Mangel in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist, oder sie muss darlegen, weshalb dies nicht möglich war75. 3. Rügelose Einlassung bei Befangenheit eines Richters Den tatsächlich befangenen Richter gibt es in der Praxis nur selten. Für eine Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit reicht es aber aus, wenn der Richter durch bestimmte Umstände den Anschein erweckt, dass ein objektives Verfahren nicht mehr gewährleistet ist. Wann dies der Fall ist, dazu gibt es eine umfangreiche Kasuistik76. Ein Beteiligter kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit aber nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 51 FGO i. V. m. § 43 ZPO), ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen Die Begriffe „in eine Verhandlung eingelassen“ und „Anträge gestellt“ werden weit ausgelegt77. Ablehnungsgründe, die während einer mündlichen Verhandlung entstehen, müssen sofort geltend gemacht werden; darüber hinaus muss sich der Beteiligte weigern, den Termin weiter wahrzunehmen, wenn er sein Ablehnungsrecht nicht verlieren will. Hier gilt es für den Prozessbevollmächtigten sehr schnell abzuwägen, wie er die Rechte seines Mandanten angemessen wahrnehmen will. Wirkt ein mit Erfolg wegen Befangenheit abgelehnter Richter an der Entscheidung mit, so liegt ein absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 2 FGO) vor, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden kann.
VIII. Die Bedeutung des Protokolls Die Niederschrift hat gem. § 94 FGO i. V. m. § 165 ZPO Beweiskraft für die Wahrung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Diese Beweiskraft kann nur durch den Nachweis der Fälschung widerlegt werden. Sind in der Niederschrift bestimmte Vorgänge nicht erwähnt (z. B. Antrag des Klägers auf Vertagung), so liefert die Niederschrift den Beweis
__________ 75 BFH v. 17.1.1995 – V R 28/94, BFH/NV 1995, 893. 76 Vgl. dazu Loschelder, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters?, AO-StB 2004, 102 ff., 104 ff.; BFH v. 20.6.2003 – XI R 25/03, BFH/NV 2003, 1342 m. w. N. 77 „Anträge“ sind auch schriftliche Sachanträge im sachlichen Zusammenhang mit der angeforderten Klagebegründung sowie grundsätzlich auch Prozessanträge wie der Antrag auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheids oder die Erweiterung eines Klageantrags. So führt auch die rügelose Einlassung zur Sache in einem Schriftsatz zum Verlust des Ablehnungsrechts; vgl. auch Stapperfend in Gräber, § 51 FGO Tz. 39 f.; Loschelder, AO-StB 2004, 102 ff. (106).
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dafür, dass solche Vorgänge nicht stattgefunden haben78. Im Hinblick auf die Beweiskraft des Protokolls kann es wichtig sein, dass bestimmte Vorgänge im Protokoll erscheinen. Die Beteiligten können deshalb beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden (§ 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO), z. B. das ausdrückliche Bestreiten eines behaupteten Sachverhaltes oder das Aufrechterhalten eines Beweisantritts und die Rüge der unterlassenen Beweisaufnahme oder die Rüge eines sonstigen Verfahrensmangels. Der Beschluss, durch den die beantragte Aufnahme bestimmter Vorgänge in das Protokoll abgelehnt wird, ist unanfechtbar. Der ablehnende Beschluss muss aber in das Protokoll aufgenommen werden (§ 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 4 Satz 3 ZPO), so dass auf diese Weise erreicht werden kann, dass der Vorgang oder die Äußerung jedenfalls auf diese Weise – mittelbar – im Protokoll erscheint.
IX. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung Nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO kann das Gericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung bis zum Ergehen des Urteils79, das heißt bis zu dessen Verkündung oder seiner Zustellung, deren Wiedereröffnung beschließen80. Die Wiedereröffnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts81 und kommt in der Praxis äußerst selten vor. Reicht einer der Beteiligten, etwa der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter, nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz ein, der – aufgrund besserer, neuer Erkenntnisse – nunmehr neue erhebliche Angriffs- und Verteidigungsmittel enthält oder Verfahrensfehler rügt, so kann dieser Schriftsatz nur noch berücksichtigt werden, wenn es noch möglich ist, eine Vertagung zu beschließen, oder wenn die mündliche Verhandlung wiedereröffnet wird. Eine Verpflichtung des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht allerdings nicht, wenn ein Beteiligter nachträglich Schriftsätze einreicht und Tatsachen vorträgt, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vortragen können82. Deshalb sind derartige nachgereichte Schriftsätze, auch wenn sie mit einem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verbunden werden, grundsätzlich unbeachtlich83. Der Beschluss, durch den die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt wird, kann im Urteil begründet werden84.
__________ 78 BFH v. 30.6.2005 – X B 173/04, BFH/NV 2005, 1850; Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 94 FGO Rz. 91. 79 BFH v. 12.4.1994 – I R 43/93, BFH/NV 1995, 221; v. 17.8.1999 – IV B 22/99, BFH/NV 2000, 211; v. 28.9.1999 – IV B 60/99, BFH/NV 2000, 715; v. 25.10.2000 – VII B 198/00, BFH/NV 2001, 471 m. w. N.; v. 13.1.2004 – X B 78/03, n. v.; v. 11.1.2007 – VI S 10/06, BFH/NV 2007, 936. 80 Vgl. Einzelheiten bei Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, Rz. II 607. 81 BFH v. 29.4.2005 – VIII B 128/03, BFH/NV 2005, 1823; v. 15.10.2008 – X B 106/08, BFH/NV 2009, 40. 82 BFH v. 29.6.2006 – VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865. 83 Ebenso Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 93 FGO Rz. 14. 84 BFH v. 5.9.2005 – IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98.
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Eine Wiedereröffnung ist allerdings geboten, wenn nach Schluss der mündlichen Verhandlung bis zur Verkündung oder Zustellung des Urteils Gründe bekannt werden, die zur Aufhebung des Urteils berechtigen würden85. So ist das Gericht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn Verfahrensfehler vorliegen, wenn etwa das Gericht seiner Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist oder wenn das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend gewahrt worden ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit einem gerichtlichen Hinweis überrascht worden ist, zu dem er bzw. sein Prozessbevollmächtigter – insbesondere wegen der längere Zeit zurück liegenden Vorgänge – nicht sofort Stellung nehmen konnte und das Gericht ihm keine Gelegenheit mehr zur Stellungnahme gegeben hat86. In diesem Fall schafft die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit, reparable Fehler sofort zu beheben87. Wird ein solcher Fehler bereits in der Beratung mit den ehrenamtlichen Richtern bemerkt, so wird das Gericht regelmäßig die Vertagung beschließen, damit eine vollkommen neue mündliche Verhandlung stattfinden kann. Bei der wieder eröffneten mündlichen Verhandlung bleibt dagegen die Besetzung der Richterbank – einschließlich der ehrenamtlichen Richter – anders bei einer Vertagung88 dieselbe, denn die bereits durchgeführte mündliche Verhandlung ist zumindest auch Grundlage für die anschließend zu treffende Entscheidung89.
X. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung Bei ausdrücklichem Verzicht der Beteiligten kann gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden und ein Urteil ergehen. Aber auch in diesen Fällen kann das Gericht gleichwohl trotz des Verzichts der Beteiligten eine mündliche Verhandlung anberaumen, wenn es den Fall für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung für nicht geeignet hält90. Die Reaktion auf die – teilweise routinemäßig ergehende – Anfrage des Gerichts, ob man mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist, sollte sorgfältig abgewogen werden91. Mit dem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung sind auf den ersten Blick sicherlich einige Vorteile verbunden: Der Verzicht bedeutet eine erhebliche Zeitersparnis schon deshalb, weil sich der Kläger und. sein steuerlicher Berater nicht auf eine Verhandlung vorbereiten müssen. Sie müssen nicht zum Gerichtsort reisen und dort Wartezeiten in Kauf nehmen. Der Ver-
__________ 85 Siehe auch Koch in Gräber, § 93 FGO Rz. 10. 86 BFH v. 7.7.2006 – IV B 94/05, BFH/NV 2006, 2266; v. 4.4.2001 – XI R 60/00, BFH/NV 2001, 1504. 87 BFH v. 2.12.1998 – X R 9/96, BFH/NV 1999, 1213. 88 Siehe Schmidt-Troje/Schaumburg, a. a. O. Fn. 22, II Rz. 582 und 607. 89 BFH v. 15.7.2005 – I B 19/05, BFH/NV 2006, 68. 90 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 90 FGO Tz. 15. 91 Ebenso Stöcker, Verzicht auf mündliche Verhandlung – Nicht immer lohnt sich die Zeitersparnis, AO-StB 2002, 384 ff.
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zicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedeutet auch nicht, dass das Gericht von der gebotenen Sachverhaltsermittlung (§ 76 Abs. 1 FGO) und Beweiserhebung absehen kann92. Es dürfen auch dann keine Überraschungsentscheidungen93 ergehen. Es gibt lediglich keinen Antrag auf Tatbestandsberichtigung, wenn das Urteil ohne mündliche Verhandlung ergeht, wobei der Kläger allerdings keine Einschränkung seiner Rechte erleidet94. Dennoch sollten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklären. Der Kläger verzichtet damit freiwillig auf das ihm zustehende Recht, seine Interessen in Wahrnehmung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör persönlich – Auge in Auge, von Angesicht zu Angesicht im persönlichen Gespräch – zu vertreten.
XI. Ergebnis Für die Beteiligten, insbesondere den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten, hat die mündliche Verhandlung insbesondere den Sinn, – überprüfen zu können, ob das Gericht seiner Entscheidung den zutreffenden Sachverhalt zugrunde legt, – überprüfen zu können, ob der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist und erforderliche Beweisaufnahmen durchgeführt werden, – bei Beweisaufnahmen Fragen an Zeugen und Sachverständige zu stellen, – die wichtigsten Sachverhalselemente und seine Rechtsansichten nochmals pointiert und auch für die ehrenamtlichen Richter verständlich vorzutragen, – ein Gespräch in tatsächlicher Hinsicht und ein Rechtsgespräch mit den Richtern zu führen und dann zu entscheiden, ob ein Urteil vonnöten ist oder doch eine Einigung mit dem Prozessgegner stattfinden kann, – festzustellen, ob unvoreingenommene Richter an der Entscheidung mitwirken, – sachdienliche Anträge zu stellen, – den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens überprüfen zu können, – dem Vertreter der Gegenseite zu begegnen und mit diesem die Sache am Rande der Sitzung ggf. nochmals zu erörtern. In der mündlichen Verhandlung können bzw. müssen auch Verfahrensmängel ggf. sofort gerügt werden, um keinen Rechtsverlust zu erleiden.
__________ 92 Vgl. BFH v. 4.4.2002 – I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179 unter Berufung auf BFH v. 29.9.1992 – VII R 76/90, BFH/NV 1994, 269 (273 f.), wonach in dem Verzicht auf mündliche Verhandlung kein Rügeverzicht gem. § 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 Alt. 1 ZPO gesehen werden kann. 93 BFH v. 24.1.2008 – VIII B 163/06, BFH/NV 2008, 1099. 94 BFH v. 17.12.1999 – V B 116/99, BFH/NV 2000, 852.
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Grundsätzlich sollte einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zugestimmt werden. Insbesondere der Berater des Klägers, ob Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt, setzt sich sonst dem Verdacht aus, sich nicht genügend für seinen Mandanten eingesetzt und nicht alles für ihn Mögliche getan zu haben. Auch wenn es Zeit kostet, sollte der Berater die Gelegenheit nutzen, die Rechte seines Mandanten in der mündlichen Verhandlung wahrnehmen zu können, und in aller Regel zusammen mit seinem Mandanten zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht erscheinen.
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung Anmerkungen zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.20071 zur Vererblichkeit des Verlustabzugs
Inhaltsübersicht I. Der Beschluss des Großen Senates II. Vererblichkeit des Verlustabzugs als Gewohnheitsrecht 1. Voraussetzungen für die Annahme von Gewohnheitsrecht 2. Vorliegen der Voraussetzungen für ein Gewohnheitsrecht III. Vertrauensschutz trotz fehlenden Gewohnheitsrechts 1. Argumentation des Großen Senats 2. Rechtsgrundlage für einen Vertrauensschutz 3. Reichweite des Vertrauensschutzes a) Gesetzgebung b) Verwaltung
c) Rechtsprechung aa) Grundsatz bb) Grundsatz der Rechtskontinuität cc) Vertrauensschutz bei sog. Richterrecht IV. Bindungswirkung des sog. Richterrechts 1. Bindungswirkung gegenüber dem Gesetzgeber 2. Bindungswirkung gegenüber der Verwaltung 3. Bindungswirkung gegenüber der Rechtsprechung V. Fazit
I. Der Beschluss des Großen Senates Mit seinem Beschluss vom 17.12.2007 hat der BFH eine mehr als 40jährige gefestigte Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG aufgegeben. Seit seiner grundlegenden Entscheidung vom 22.6.19622 ist der BFH in ständiger Rechtsprechung von der Vererblichkeit des Verlustabzugs ausgegangen, weil der Erbe zivilrechtlich in vollem Umfang in die Rechtsstellung des Erblassers eintrete. Dies müsse auch steuerlich berücksichtigt werden. Der Beschluss des Großen Senats ist nicht nur wegen seiner Ausführungen zur Vererblichkeit des Verlustabzugs bemerkenswert. Besondere Beachtung verdient auch die Erörterung der Frage, ob nicht eine Rechtsprechungsänderung im Hinblick darauf ausscheiden muss, dass es sich hier möglicherweise um Gewohnheitsrecht handeln könnte. Gewohnheitsrecht ist einer Änderung durch die Rechtsprechung nicht zugänglich, wovon auch der Große Senat ausgeht.
__________ 1 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608. 2 BFH v. 22.6.1962 – VI 49/61 S, BStBl.III 1962, 386.
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Außerdem: Soweit ersichtlich schließt der Große Senat in seiner Entscheidung erstmals die Rückwirkung seiner Rechtsprechungsänderung aus und gewährt Vertrauensschutz für Altfälle. Mit den beiden zuletzt angesprochenen Fragen – Gewohnheitsrecht und Vertrauensschutz – will sich der vorliegende Beitrag auseinandersetzen. Sie sollen im Folgenden intensiver beleuchtet werden.
II. Vererblichkeit des Verlustabzugs als Gewohnheitsrecht In IV.1. seines Beschlusses nimmt der Große Senat ausdrücklich zu der Frage Stellung, ob einer Rechtsprechungsänderung nicht der Umstand entgegenstehen könne, dass es sich bei der bislang geltenden Rechtsauffassung, dass der Verlustabzug vererblich sei, um Gewohnheitsrecht handele. Er teilt die Auffassung, dass Gewohnheitsrecht nicht durch die Rechtsprechung geändert werden kann3, meint aber, die über mehr als vier Jahrzehnte geltende Rechtsprechung über die Vererblichkeit des Verlustabzugs, die auch von der Finanzverwaltung in ständiger Übung angewendet wurde, habe nicht zu einem entsprechenden gewohnheitsrechtlichen Rechtssatz geführt. Denn eine hinreichend große Zahl namhafter Autoren hätte dieser Auffassung widersprochen. In Anlehnung an eine Entscheidung des BVerfG definiert der Große Senat Gewohnheitsrecht als solches Recht, „das nicht durch förmliche Setzung, sondern durch längere tatsächliche Übung entstanden ist … und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird“4. Er nimmt insoweit zwar eine lang andauernde, über vier Jahrzehnte währende tatsächliche Übung an. Nach seiner Auffassung soll es aber an der zweiten Voraussetzung fehlen, nämlich an dem Bestehen einer allgemeinen Überzeugung der beteiligten Kreise davon, dass diese Übung auch rechtmäßig ist5. Zu den beteiligten Kreisen in diesem Sinne sollen neben den betroffenen Steuerpflichtigen, der Finanzverwaltung und den (Fach-)Gerichten auch die „anerkannten Autoren der einschlägigen Literatur“ gehören6. Dementsprechend hat es der Große Senat abgelehnt, eine ständige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren, wenn sich gegen diese Übung im Schrifttum nicht nur vereinzelte Gegenstimmen, sondern eine hinreichend große Zahl namhafter Autoren ausgesprochen hat. Diese Argumentation wirft einige Fragen auf: Was ist Gewohnheitsrecht und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Gewohnheitsrecht annehmen zu können?
__________ 3 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 433; Witt, BB 2008, 1999; Laule/Bott, DStR 2005, 497. 4 BVerfG v. 28.6.1967 – 2 BvR 143/61, BVerfGE 22, 114. 5 So auch Müller-Franken, StuW 2004, 109 ff. 6 Vgl. z. B. BFH v. 13.7.1972 – V R 33/68, BFHE 107, 60, unter 4.; Birk in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 157; Müller-Franken, StuW 2004, 109 (114), unten f.).
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Sind diese Voraussetzungen angesichts einer 46jährigen ständigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, gestützt durch entsprechende Vorgaben in den EStR tatsächlich nicht erfüllt? 1. Voraussetzungen für die Annahme von Gewohnheitsrecht Die Bildung von Gewohnheitsrecht wird von der bisherigen Rechtsprechung des BFH angenommen, wenn sich zu einer bestimmten Rechtsfrage durch ständige Übung ein Rechtsbewusstsein der beteiligten Kreise gebildet hat und die Gerichte diese Rechtsüberzeugung teilen7. Das heißt: Gewohnheitsrecht kann sich nur durch fortwährende allgemeine und gleichmäßige, aus Rechtsüberzeugung erfolgende praktische Übung entwickeln8. In diese Richtung geht auch die Definition des Großen Senats: Er bezeichnet Gewohnheitsrecht als solches Recht, „das nicht durch förmliche Setzung, sondern durch längere tatsächliche Übung entstanden ist … und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird.“9 Zu der ständigen Übung muss also die allgemeine Überzeugung der beteiligten Kreise hinzu kommen, dass die Übung geltendes Recht ist10. Diese Definition des Gewohnheitsrechts stimmt mit der vom BVerfG entwickelten Definition überein11. Der Umstand allein, dass eine Verwaltungsvorschrift längere Zeit besteht und allgemein angewendet wird, kann die Entstehung eines Gewohnheitsrechts deshalb nicht begründen. In diesem Fall könnte ein Gewohnheitsrecht nur dann bejaht werden, wenn Rechtsprechung und Verwaltungspraxis lange Zeit nicht nur in der tatsächlichen Übung, sondern auch in der Rechtsüberzeugung übereingestimmt hätten12. Die Bildung von Gewohnheitsrecht erstreckt sich über die gesamte Rechtsordnung. Sie gilt im Grundsatz auch für das Steuerrecht, d. h. auch im Steuerrecht ist die Bildung von Gewohnheitsrecht nicht ausgeschlossen13. Im Hinblick auf die gesetzliche Regelungsdichte im Steuerrecht dürfte es allerdings nur Gesetzes ergänzende und Lücken füllende Funktion haben14.
__________ 7 Vgl. BFH v. 11.11.1997 – VII E 6/97, BStBl.II 1998, 121 und BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl.II 1984, 751 ff. 8 Vgl. BFH v. 15.1.1969 – I 18/65, BFHE 95, 93 ff. 9 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 unter B. 10 Vgl. Laule/Bott, DStR 2005, 497 ff. 11 Vgl. BVerfG v. 19.10.1982 – 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149 ff. (203); Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 142. 12 BFH v. 23.11.1983 – I R 216/78, BStBl. II 1984, 277. 13 Vgl. BVerfG v. 20.5.1988 – 1 BvR 273/88, BB 1988, 1716; Birk in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 4 AO Rz. 156; Müller-Franken, StuW 2004, 109 ff. 14 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 143 m. w. N.
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2. Vorliegen der Voraussetzungen für ein Gewohnheitsrecht Hinsichtlich der Frage, ob der Verlustabzug vererblich ist, bestand und besteht eine gesetzliche Lücke. Dies dürfte unstreitig sein. Hiervon ging seinerzeit der BFH aus15; diese Auffassung teilt offenbar auch der Große Senat16. Eine ständige Übung wird man in vorliegendem Fall unzweifelhaft bejahen können und müssen: Denn die Vererblichkeit des Verlustabzugs entsprach einer mehr als 40jährigen ständigen Rechtsprechung des BFH, die auch von den Instanzgerichten zum weitaus überwiegenden Teil geteilt worden ist. Außerdem entsprach sie der entsprechend langen Verwaltungspraxis, die sogar Eingang in die Einkommensteuer-Richtlinien gefunden hatte17. Es kommt also für die Entscheidung, ob Gewohnheitsrecht vorliegt, maßgeblich darauf an, ob diese Übung vom Rechtsbewusstsein und der Rechtsüberzeugung der beteiligten Kreise getragen war. Dabei kommt es entscheidend auf die Definition der „beteiligten Kreise“ an. Versteht man die beteiligten Kreise in dem Sinne, dass hiermit nur die an der ständigen Übung direkt beteiligten Kreise zu verstehen sind, die wissenschaftliche Meinung im Schrifttum also außen vor bleiben muss18, so wird man im vorliegenden Fall wohl von einem Gewohnheitsrecht ausgehen müssen angesichts einer mehr als 40jährigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, die von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragen war19. Rechnet man – wie der Große Senat und das Schrifttum20 – zu den beteiligten Kreisen auch das einschlägige Fachschrifttum, so wird man im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung des BFH zur Vererblichkeit des Verlustabzugs in der Fachliteratur soweit ersichtlich überwiegend abgelehnt wurde21, nicht von einem gewohnheitsrechtlich geltenden Rechtssatz ausgehen können. Meines Erachtens verdient die letztgenannte Auffassung den Vorzug: Zur Annahme eines Gewohnheitsrechts reicht es sicher nicht aus, dass eine bestimmte Rechtsprechung widerspruchslos oder nahezu widerspruchslos hingenommen wird. Insoweit fehlt es an einer feststellbaren Bildung einer allgemeinen Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen. Eine solche Rechtsüberzeugung kann nur ermittelt werden, wenn sie auch artikuliert worden ist. Deshalb
__________ 15 Vgl. BFH v. 22.6.1962 – VI 49/61 S, BStBl. III 1962, 386. 16 Vgl. BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 ff. (612). 17 Vgl. EStR 1962, BStBl.I 1963, 296, 362 ff.; amtliches ESt-Handbuch 2007, H 10d zu § 10d; Laule/Bott, DStR 2005, 501. 18 So Laule/Bott, DStR 2005, 497 f. (501). 19 So Laule/Bott, DStR 2005, 497 f. (501). 20 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 ff. (616); so bereits auch BFH v. 13.7.1972 – V R 33/68, BFHE 107, 60; Drüen in Tipke/Kruse, Rz. 100 zu § 4 AO; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 433; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 157. 21 Vgl. die Zitate im Vorlagebeschluss des 11. Senats des BFH v. 28.7.2004 – XI R 54/99, BStBl.II 2005, 262 und im Beschluss des 1. Senats des BFH v. 29.3.2000 – I R 76/99, BStBl.II 2000, 622.
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kommt es entscheidend darauf an, ob die betreffende Rechtsprechung in entsprechenden Verwaltungsanweisungen (Richtlinien, Erlassen, BMF-Schreiben) und im einschlägigen Fachschrifttum zumindest überwiegend Zustimmung erfahren hat22. Gerade das einschlägige Fachschrifttum prägt das allgemeine Rechtsbewusstsein, die entsprechende Rechtsüberzeugung maßgeblich mit und zwingt vielfach die Rechtsprechung, sich mit den vorgetragenen Argumenten auseinander zu setzen und ihre Auffassung zu überdenken23. Werden im Fachschrifttum massive Bedenken gegen eine – sei es auch gefestigte – Rechtsprechung erhoben, kann man kaum von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung sprechen. Für nicht unproblematisch halte ich allerdings die Auffassung des BFH, eine ständige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis könne bereits dann nicht als Gewohnheitsrecht qualifiziert werden, wenn sich gegen diese Übung nicht nur vereinzelte Gegenstimmen, sondern eine hinreichend große Zahl namhafter Autoren ausgesprochen hat. Hier werden für die Bildung von Gewohnheitsrecht qualitative und quantitative Elemente eingeführt, die kaum justiziabel sind und dem BFH einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnen. Es bleibt offen, welche Kriterien gelten sollen für die Einordnung als „namhafter Autor“. Sind das nur ausgewiesene Universitätsprofessoren oder auch Praktiker, die mit beachtlichen Argumenten aus der Praxis zu überzeugen vermögen? Außerdem lässt sich die quantitative Komponente – „eine hinreichend große Zahl“ kaum greifen. Beide Elemente sind einer argumentativen Auseinandersetzung kaum zugänglich. Diesen Fragen soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Denn im Ergebnis ist dem Großen Senat darin zuzustimmen, dass im Hinblick auf die überwiegende Ablehnung der Vererblichkeit des Verlustabzugs im einschlägigen Fachschrifttum nicht von einem gewohnheitsrechtlich geltenden Rechtssatz ausgegangen werden kann, weil es an einer entsprechenden allgemeinen Rechtsüberzeugung fehlt. Die Entscheidung des Großen Senats macht indessen eines deutlich: Zwar gibt es grundsätzlich auch im Steuerrecht ein Gewohnheitsrecht. Es wird aber kaum praktisch werden angesichts der hohen Hürden, die der BFH für die Bildung von Gewohnheitsrecht setzt.
III. Vertrauensschutz trotz fehlenden Gewohnheitsrechts 1. Argumentation des Großen Senats Sehr ausführlich behandelt der Große Senat die Frage, ob eine Beibehaltung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs nicht unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
__________ 22 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswisenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 433. 23 Vgl. insoweit die Begründung zur Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme durch BFH v. 20.8.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 814 ff. (819).
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zugunsten der betroffenen Steuerpflichtigen geboten ist und ab wann seine Rechtsprechungsänderung greifen soll. Der Große Senat betont zwar die Kontinuität der höchstrichterlichen Rechtsprechung als wesentliches Element der Rechtssicherheit im Sinne einer Planungssicherheit für die Beteiligten. Er kommt aber – gestützt auf eine insoweit ständige Rechtsprechung24 – zu dem Ergebnis, dass der Gesichtspunkt der Kontinuität der Änderung einer selbst langjährigen ständigen Rechtsprechung auf Grund besserer Rechtserkenntnisse dann nicht entgegen steht, wenn für eine solche Rechtsprechungsänderung gewichtige sachliche Erwägungen sprechen. Andernfalls könnte es zu einer Versteinerung der Rechtsprechung kommen. Solche gewichtigen Gründe sah der Große Senat im vorliegenden Fall als gegeben an. Alsdann widmet sich der Große Senat der zweiten Frage, ab wann die Rechtsprechungsänderung gelten soll. Diese Frage ist im Grundsatz einfach zu beantworten: Da auch die Entscheidungen des Großen Senats Rechtsprechung sind und der Auslegung des geltenden Rechts dienen, müssen die Entscheidungen auf den Zeitpunkt zurück wirken, zu dem das betreffende Recht in Kraft getreten ist. Das bedeutet Rückwirkung. Dieses Ergebnis hielt der Große Senat im vorliegenden im Hinblick auf eine mehr als vier Jahrzehnte währende gefestigte Rechtsprechung und eine ebenso lang praktizierte Verwaltungsübung mit guten Gründen für nicht befriedigend. Die Rechtsprechungsänderung soll deshalb nur mit Wirkung für die Zukunft gelten, und zwar aus folgenden Gründen: Auch die Gerichte seien an das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips seien der Grundsatz der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit. Daraus ergebe sich eine Verpflichtung, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu beachten. Zwar würden höchstrichterliche Entscheidungen keine dem Gesetzesrecht vergleichbare Rechtsbindungen erzeugen, weil sie nur die Rechtslage in einem konkreten Einzelfall abbilden. Das schließe es allerdings nicht aus, bei einer Rechtsprechungsänderung diejenigen Grundsätze entsprechend anzuwenden, die für rückwirkende Gesetzesänderungen gelten, wenn eine solche Analogie nach Lage der Sache geboten sei. Wörtlich heißt es dann: Mit der vorstehenden Entscheidung kehrt der Große Senat des BFH von einer mehr als vier Jahrzehnte währenden ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, auf deren Fortbestand die Steuerpflichtigen trotz der im Schrifttum erhobenen Gegenstimmen umso mehr vertrauen durften, als sie von den Finanzbehörden ungeachtet der für den Fiskus nachteiligen Wirkung in steter, ebenfalls Jahrzehnte andauernder Verwaltungsübung praktiziert wurde. Ein nicht unerhebliches Gewicht kommt in diesem Zusammenhang auch dem Umstand zu, dass diese Verwaltungspraxis schon kurz nach Begründung der nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung in den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Einkommensteuer-Richtlinien niedergelegt und
__________ 24 Vgl. z. B. Entscheidungen des Großen Senats des BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124 (126) li. Sp.; v. 15.7.1968 – GrS 2/67, BStBl. II 1968, 666, unter III.2. f.; v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837, unter C.III.1.).
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung sodann bis heute in den Einkommensteuer-Handbüchern fortgeführt wurde. Solche Richtlinien (Art. 108 Abs. 7 GG) begründen nicht zuletzt deswegen einen besonderen Vertrauensschutz, weil sie infolge ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger, im Bundessteuerblatt und als selbständige, vom BMF herausgegebene Schriften eine große Publizität und Breitenwirkung erfahren. Entscheidend für die typisierende Gewährung von Vertrauensschutz in „Altfällen“ durch den Großen Senat des BFH spricht darüber hinaus, dass sich die Antwort auf die erste Vorlagefrage angesichts der lückenhaften gesetzlichen Regelungen nicht im Wege einer einfachen Subsumtion des Sachverhalts unter einen gesetzlichen Tatbestand und durch eine schlichte Deduktion aus den einschlägigen Rechtsnormen, insbesondere aus § 10d EStG, erschließt. Vielmehr kann die Beantwortung dieser Rechtsfrage – wie die vorstehenden Ausführungen unter D.II. und III. dokumentieren – nur unter Zuhilfenahme abstrakter Rechtsprinzipien, Wertungen und Abwägungen gefunden werden. De facto wird der Große Senat des BFH bei einem derartigen Rechtsfindungsprozess ähnlich einem Normgeber tätig. Dann aber ist nach rechtsstaatlichen Grundsätzen auch ein dem Schutz vor einer „verschärfenden“ Gesetzesänderung entsprechender oder jedenfalls angenäherter Vertrauensschutz geboten. Die von dem für sie nachteiligen Rechtsprechungswandel betroffenen Bürger haben hierauf einen von „Billigkeit und Ermessen“ unabhängigen, aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Anspruch25.
2. Rechtsgrundlage für einen Vertrauensschutz Der Grundsatz des Vertrauensschutzes wird aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet26. Zwar ist die Rechtsstaatlichkeit lediglich in Art. 28 Abs. 1 GG ausdrücklich erwähnt. Es ist aber allgemeine Meinung, dass sie Bestandteil des Art. 20 Abs. 3 GG ist, auch wenn sie in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich erwähnt ist27. Zu den wesentlichen Bestandteilen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit, der Gedanke der Verlässlichkeit der Rechtsordnung. Der Bürger soll sich auf die Beständigkeit staatlicher Hoheitsakte verlassen können28. Aus Sicht des Bürgers bedeutet Rechtssicherheit deshalb im Wesentlichen Vertrauensschutz. Staatliche Eingriffe und Belastungen müssen für den Bürger bei seinen Dispositionsentscheidungen vorhersehbar sein29. Die Ausprägung des Vertrauensschutzes muss allerdings bei den drei Staatsgewalten – Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung – zwangsläufig wegen ihrer unterschiedlichen Funktionen anders sein30.
__________ 25 26 27 28 29
Vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., S. 174. Vgl. u. a. Spindler in DStJG 27 (2004), 72 ff. m. w. N. Grzeszick in Maunz-Dürig, Art. 20 VII Rz. 33 ff. Grzeszick in Maunz-Dürig, Art. 20 VII Rz. 50. BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl.II 1986, 628 ff.; Heide Schaumburg, DB 2000, 1884. 30 Vgl. Waldhoff, DStJG 27 (2004), 129 ff. (132).
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3. Reichweite des Vertrauensschutzes a) Gesetzgebung Für die Gesetzgebung bedeutet Vertrauensschutz, dass gesetzliche Änderungen, die für den Bürger belastend sind, grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft getroffen werden sollen. Rückwirkende den Bürger belastende Gesetzesänderungen sind indessen nicht ausgeschlossen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig. Hierbei ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zu unterscheiden zwischen der sog. echten und unechten Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ändernd eingreift. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig, es sei denn, zwingende Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen diese Rückwirkung31. Solche zwingenden Gründe des Gemeinwohls sind: – – – –
Der Bürger musste mit der Neuregelung rechnen; die bisherige Rechtslage war unklar, verworren oder lückenhaft; die bisherige Regelung war ungültig; andere zwingende Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen eine Rückwirkung32.
Demgegenüber liegt eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung vor, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach der Verkündung der Norm eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung ins Werk gesetzt worden sind. Diese sog. unechte Rückwirkung unterliegt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht so strengen Beschränkungen wie die echte Rückwirkung. Allerdings braucht der Gesetzgeber auch hier wegen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips eine besondere Rechtfertigung. Diese sehr formalistische Rechtsprechung des BVerfG ist gerade im Hinblick auf einen effektiven Vertrauensschutz umstritten. Es mehren sich Stimmen in der Literatur, die besonders im Steuerrecht das Vertrauen in den Fortbestand einer Rechtslage im Zeitpunkt der Disposition des Steuerbürgers schützen wollen33. b) Verwaltung Anders verhält es sich bei der Verwaltung. Während der Gesetzgeber frei ist, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen neue gesetzliche Vorschriften zu erlassen und Gesetze zu ändern, ist die Verwaltung – ebenso wie die Rechtsprechung – an geltendes Recht gebunden, wie sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt. Hier gilt zwar auch der Rechtsgedanke des Vertrauensschutzes. Er ist aber
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31 BVerfG v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67. 32 Vgl. Spindler, DStJG 27 (2004), 69 ff. (74) und Heide Schaumburg, DB 2000, 1884 ff. jeweils m. w. N. 33 Vgl. Mellinghoff, DStJG 27 (2004), 25 ff.; Spindler, DStJG 27 (2004), 69 ff. (88 ff.); Heide Schaumburg, DB 2000, 1884 ff.
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung
durch den Gesetzgeber durch die Vorschriften über die Bestandskraft und die Aufhebung und Änderung bestandskräftiger Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich zulässiger Weise konkretisiert34. Speziell der Vertrauensschutz bei einer Änderung der Rechtsprechung ist in § 176 AO geregelt. c) Rechtsprechung aa) Grundsatz Aufgabe der Rechtsprechung ist die Entscheidung eines konkreten Einzelfalls auf der Grundlage des geltenden Rechts35. Eine gerichtliche Entscheidung hat also unmittelbar Bedeutung nur für den entschiedenen Fall, unabhängig davon, ob sie sich als Auslegung eines Tatbestandsmerkmals oder Rechtsfortbildung darstellt36. Es versteht sich von selbst, dass die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurückwirken muss, ab dem die betreffende Vorschrift in Kraft ist. Denn ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal kann nicht – Zeitraum bezogen – unterschiedlich ausgelegt werden, das Recht nicht unterschiedlich fortgebildet werden. Aus Gründen der Logik kann an sich nur eine Entscheidung richtig sein. Das bedeutet: Die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals einer gesetzlichen Vorschrift hat grundsätzlich Rückwirkung. Folglich hat auch eine Rechtsprechungsänderung in der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift grundsätzlich Rückwirkung, auch zu Lasten der Bürger. Denn die Richter sind gem. Art. 97 GG unabhängig und nur an das Gesetz gebunden, dem Gesetz verpflichtet. Deshalb kann eine bisherige Rechtsprechung den Richter nicht hindern, zukünftig anders zu entscheiden, wenn er zum Ergebnis gelangt, dass die bisherige Rechtsprechung nicht mit dem Gesetz zu vereinbaren ist37. Zwar ist auch die rechtsprechende Gewalt an das Rechtsstaatsprinzip, an die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gebunden38. Im Unterschied zu einer Gesetzesänderung greift hier der Gedanke des Vertrauensschutzes aber nur eingeschränkt ein: Denn es gibt grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand einer Rechtsprechung. Der Richter ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gehindert, zu einer neuen, besseren Erkenntnis der richtigen Rechtslage zu gelangen39. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen der Finanzgerichte, also der ersten Instanz. Gerade die Finanzgerichte haben in erster Linie den konkreten Fall zu
__________ 34 35 36 37 38
Grzeszick in Maunz-Dürig, Art. 20 VII Rz. 95 ff. Vgl. Schaumburg in DFGT 1, 73 ff. (82). Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 429. Vgl. Birk in DStJG 27, 9 ff., 22. Vgl. BVerfG v. 25.1.1989 – 2 BvR 2058/83, HFR 1989, 395; Spindler, DStR 2001, 725 ff. (729); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., 17 ff. 39 Vgl. BVerfG v. 16.12.1981 – 1 BvR 898/79, BVerfGE 59, 128 (164 ff.).
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entscheiden. Andererseits sind sie es auch, die als erste mit neuen Rechtsproblemen als Gericht konfrontiert werden. Häufig ist gerade bei neu auftretenden Rechtsfragen z. B. infolge einer Gesetzesänderung die Interpretation der betreffenden Vorschrift noch im Fluss und bedarf einer höchstrichterlichen Klärung. Häufig ist die Rechtsfrage auch literarisch noch nicht hinreichend aufgearbeitet. Deshalb kann in diesen Fällen kein Vertrauenstatbestand für den Bürger in dem Sinne entstehen, dass das Gericht „bei dem nächsten Fall“ nicht anders entscheiden dürfe40. Außerdem ist es durchaus rechtens, wenn die Finanzgerichte ein Präjudiz des BFH darauf überprüfen, ob es haltbar ist, ob es Gesetz und Recht entspricht. Gelangen sie zu der Auffassung, die höchstrichterliche Rechtsprechung entspreche nicht Recht und Gesetz, müssen sie hiervon abweichen. Denn die Bindung an Gesetz und Recht gilt für alle Gerichte – gleich welcher Instanz – in gleichem Maße41. bb) Grundsatz der Rechtskontinuität Auch für die Finanzgerichte gilt das Gebot, die Auslegung einer Vorschrift sorgfältig unter Berücksichtigung der hergebrachten Auslegungsgrundsätze vorzunehmen und deshalb ihre Auffassung nicht ohne Grund oder neue Erkenntnisse, also nicht willkürlich zu ändern. In diesem Zusammenhang ist in Rechtsprechung und Literatur der Grundsatz der Kontinuität einer Rechtsprechung entwickelt worden. Die Rechtskontinuität wird als ein Verfassungsgebot angesehen, das selbständig neben dem Grundsatz des Vertrauensschutzes steht. Sie wird aus dem gerade im Steuerrecht besonders wichtigen Gleichheitssatz (Art. 3 GG) abgeleitet42. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass gerade der Rechtsprechung des BFH für die Beteiligten – Steuerpflichtige, Berater, Finanzverwaltung – eine besondere Bedeutung zukommt: Sie wirkt in der Praxis wie eine gesetzliche Vorschrift, zumal dann, wenn sie im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird43. Rechtskontinuität zwingt die Richter, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Gründe, die für eine Rechtsprechungsänderung sprechen, gegenüber dem Kontinuitätsinteresse an der bisherigen Rechtsprechung überwiegen. Hierauf zielt auch der BFH ab, der – so auch der Große Senat – für die Änderung einer ständigen Rechtsprechung wichtige sachliche Gründe verlangt44. Dieser Grundsatz folgt meines Erachtens auch aus den Zulassungsvorschriften für die Revision, dass mit dem Revisionsurteil auch weitere Zwecke verfolgt werden: Aus § 115 FGO lässt sich der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung zumindest auch dem Allgemeininteresse
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Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 5 Rz. 27. So zu Recht Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 183. Vgl. Leisner-Egensperger, DStJG 27 (2004), 191 ff. (201) m. w. N. So auch Leisner-Egensperger, DStJG 27 (2004), 191 ff.; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 5 Rz. 27. 44 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 ff. (616); Birk, in DStJG 27 (2004), 9 ff. (22); Leisner-Egensperger, DStJG 27 (2004), 191 ff. (201).
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung
an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtsfortbildung dienen soll45. Dieser Aufgabe kann ein oberstes Bundesgericht aber nur gerecht werden, wenn es seiner Rechtsprechung eine gewisse Kontinuität verleiht und nicht ohne Grund seine Rechtsprechung häufigeren Änderungen unterwirft. So erscheint es aus der Sicht des Bürgers, aber auch der Finanzverwaltung wenig überzeugend, wenn eine langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Begründung aufgegeben wird, eine seit langem geltende Rechtsprechung finde im Gesetz keine hinreichende Grundlage46. Eine solche Begründung vermag kaum das Vertrauen in die Kontinuität einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu begründen. Denn damit wird inzidenter dargetan, die bisherige Rechtsprechung habe sich von der gem. Art. 20 Abs. 3 GG gebotenen Bindung an Gesetz und Recht entfernt gehabt. Diese Argumentation und häufigere Rechtsprechungsänderungen eines obersten Bundesgerichts führen auch zu einer reduzierten Akzeptanz höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Instanzgerichte. Denn welches Gericht lässt sich gerne von einer neuen Revisionsentscheidung bescheinigen, dass die Rechtsprechung, an der es sich orientiert hat, im Gesetz keine ausreichende Grundlage hat. Denn natürlich sind auch die Instanzgerichte an Gesetz und Recht gebunden. Deshalb sollte bei jeder Rechtsprechungsänderung überlegt werden, ob die Gründe für eine Änderung tatsächlich so gewichtig sind, dass der Gesichtspunkt der Rechtsprechungskontinuität zurücktreten muss. Gewichtige sachliche Gründe hat der Große Senat im vorliegenden Fall bejaht, da nach seiner Auffassung der bisherigen ständigen Rechtsprechung die gesetzliche Grundlage fehlte. Diese Begründung trifft sicherlich zu. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Vererblichkeit des Verlustabzugs eine gesetzliche Lücke besteht, wovon auch der Große Senat ausgeht. Denn die Vererblichkeit des Verlustabzugs ist gesetzlich nicht geregelt. Strenggenommen fehlt deshalb auch der Auffassung des Großen Senats die gesetzliche Grundlage. Während die frühere Rechtsprechung diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Gesamtrechtsnachfolge versucht hat auszufüllen, schließt der Große Senat sie durch Anwendung allgemeiner Grundsätze des Einkommensteuerrechts. Meines Erachtens liegt es zur Ausfüllung einer Lücke im Einkommensteuerrecht dogmatisch näher, wie der Große Senat zunächst zu versuchen, diese Lücke durch die Anwendung einkommensteuerrechtlicher Grundsätze zu schließen, bevor auf eine entsprechende Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften zurückgegriffen wird. Dieser methodische Ansatz dürfte dem Willen des Gesetzgebers am ehesten entsprechen47. Deshalb steht der Gesichtspunkt der Rechtskontinuität der Rechtsprechungsänderung nicht entgegen, wie der Große Senat zu Recht hervorhebt.
__________ 45 Vgl. Ruban in Gräber, FGO, § 115 Rz. 2. 46 So BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, IStR 2008, 814 ff. zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme. 47 Vgl. zur Lückenausfüllung Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. § 5 Rz. 53 ff.
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cc) Vertrauensschutz bei sog. Richterrecht Es bleibt die Frage, die sich auch der Große Senat zwangsläufig stellen musste, ob nicht in Fällen, in denen eine langjährige, von der Verwaltung und auch von Teilen des Schrifttums akzeptierte Rechtsprechung wegen ihrer Nähe zum Gewohnheitsrecht ähnlichen Vertrauensschutz genießen muss wie die Änderung gesetzlicher Vorschriften. Bei der Prüfung dieser Frage ist einmal auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung abzustellen: Die Gesetzgebung setzt Recht, die Rechtsprechung legt geltendes Recht lediglich aus. Eine Schnittstelle besteht meines Erachtens im Bereich des sog. Richterrechts, wo der Richter quasi die Rolle eines Ersatzgesetzgebers übernimmt. In diese Richtung scheint mir die Argumentation des Großen Senats zu gehen48. Aber: Kann es tatsächlich jenseits des Gewohnheitsrechts ein sog. Richterrecht geben? Der Begriff „Richterrecht“ ist nicht legal definiert; eine Definition lässt sich auch der Rechtsprechung nicht entnehmen. Auch der Große Senat vermeidet diesen Begriff. Über die Frage, ob es ein Richterrecht gibt, und welche Bedeutung ihm zukommt, ist sehr viel geschrieben worden49. Der Begriff „Richterrecht“ ist irreführend. Es handelt sich nicht um Rechtsetzung mit allgemeiner Verbindlichkeit, sondern um Rechtsprechung, da es unterhalb der Ebene des Gewohnheitsrechts anzusiedeln ist. Ihm kommt nicht die gleiche Bindungswirkung zu wie Gesetzen einschließlich dem Gewohnheitsrecht. Das heißt: Beim Vorliegen von Richterrecht dürfen die Gerichte von der betreffenden Auffassung abweichen, sie ändern; beim Vorliegen von Gewohnheitsrecht tritt wie bei Gesetzen eine Bindungswirkung ein mit der Folge, dass die Gerichte, wenn eine ständige Rechtsprechung zum Gewohnheitsrecht erstarkt ist, hiervon nicht mehr abweichen können50. Für die Frage, welche Voraussetzungen für die Annahme eines Richterrechts in diesem Sinne erfüllt sein müssen, gibt der Beschluss des Großen Senats einige Anhaltspunkte, obwohl er den Begriff „Richterrecht“ vermeidet: Zunächst einmal muss es sich um eine Rechtsprechung handeln, die eine bestehende gesetzliche Lücke ausfüllt51. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen eine unbeabsichtigte Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt52. Das gleiche muss gelten, wenn der Gesetzgeber bewusst eine Frage nicht geregelt hat, um sie z. B. einer Klärung gerade durch die Rechtsprechung zuzuführen53. Obwohl das Gericht an Gesetz und Recht gebunden ist, kann es in den Fällen, in denen eine gesetzliche Regelung fehlt – ob bewusst oder unbewusst, spielt
__________ 48 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 ff. (617); vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., S. 174. 49 Vgl. die Literaturaufstellung bei Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 vor Rz. 165. 50 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 148; Larenz, S. 431, 432. 51 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 168. 52 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 172. 53 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 169.
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keine Rolle – nicht von einer Entscheidung absehen. Dies ergibt sich aus dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten sog. Justizgewährungsanspruch. Er verpflichtet den Richter zu einer verbindlichen Entscheidung auch dann, wenn sich die Entscheidung dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen lässt54. Das bedeutet, dass die Gerichte bei Vorliegen einer Gesetzeslücke das Gesetz fortbilden müssen. Gerade die Fortbildung des Rechts gehört nach der Rechtsprechung des BVerfG zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte55. Deshalb sollte von Richterrecht auch nur in en Fällen gesprochen werden, in denen die Rechtsprechung die Rechtsordnung fortgebildet hat56 und es nicht allein um die Gesetzesauslegung geht. Voraussetzung für die Fortbildung des Rechts ist allerdings stets, dass eine gesetzliche Lücke festgestellt wird. Denn eine Korrektur gesetzlicher Vorschriften im Wege der Rechtsfortbildung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig. Hier würde das Gericht in unzulässiger Weise in die alleinige Kompetenz des Gesetzgebers zur Rechtsetzung eingreifen57. Eine gesetzliche Regelungslücke liegt im vorliegenden Fall vor. Denn der Gesetzgeber hat in § 10d EStG keine Regelung über die Vererblichkeit des Verlustausgleichs getroffen58. Dies ist unbestritten. Fraglich ist, ob noch weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen, insbesondere eine gewisse Stetigkeit der Rechtsprechung, also eine zeitliche Komponente. Muss es sich mit anderen Worten um eine gefestigte Rechtsprechung zur Ausfüllung einer bestimmten Lücke handeln, um von Richterrecht sprechen zu können? Wenn Richterrecht die Ausfüllung einer konkreten Regelungslücke im Gesetz durch die Rechtsprechung, insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung ist, entsteht Richterrecht bereits zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht erstmals die Regelungslücke im Wege der Rechtsfortbildung schließt. Insoweit darf die Frage der Entstehung von Richterrecht nicht mit der Frage verwechselt werden, ob und in welcher Weise Vertrauensschutz zu gewähren ist, wenn ein Richterrecht durch die Rechtsprechung geändert werden soll.
IV. Bindungswirkung des sog. Richterrechts 1. Bindungswirkung gegenüber dem Gesetzgeber Grundsätzlich sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Hieraus ergibt sich im Gegenschluss, dass der Gesetzgeber an Entscheidungen der Gerichte und der
__________ 54 Vgl. Kirchhof, NJW 1986, 2275 ff. (2280). 55 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, NJW 1992, 1219. 56 Ebenso Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 168; vgl. auch Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 110. 57 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, NJW 1992, 1219; Birk in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 4 AO Rz. 176. 58 Vgl. die ausgührliche Begründung einer Regelungslücke in III. des Beschlusses des Großen Senats v. 17.12.2007, a. a. O.
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Verwaltung nicht gebunden ist. Dies entspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Bindungswirkung können gem. § 31 BVerfG nur Entscheidungen des BVerfG begründen59. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber auch die Möglichkeit hat und haben muss, Richterrecht durch Gesetz zu ändern, falls er dies für notwendig hält (sog. Nichtanwendungsgesetze)60. 2. Bindungswirkung gegenüber der Verwaltung Gemäß § 110 Abs. 1 FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, zu denen auch das jeweils beklagte Finanzamt gehört. Das heißt: Die betreffende Entscheidung wirkt grundsätzlich bindend nicht über den Einzelfall hinaus und gilt nur für die konkret Beteiligten in dem Verfahren. Allerdings entfalten die höchstrichterlichen Entscheidungen des BFH in aller Regel eine gewisse präjudizielle Wirkung für vergleichbare weitere Fälle. Denn in aller Regel ist davon auszugehen, dass sich der BFH bei der Entscheidung vergleichbarer Fälle in der Zukunft ebenso wie die Instanzgerichte an dem Präjudiz orientieren werden. Wird die betreffende Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht, wird sie von der Finanzverwaltung auch für alle vergleichbaren Fälle zukünftig angewendet. Die Finanzverwaltung ist aber nicht – über den entschiedenen Einzelfall hinaus – an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Sie kann einer Rechtsprechung, die sie argumentativ nicht überzeugt, mit einem sog. Nichtanwendungserlass begegnen. Im Hinblick auf die Respektierung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, einer Loyalitätspflicht der drei Gewalten untereinander sollte ein solcher Nichtanwendungserlass allerdings nur dann erfolgen, wenn es wichtige Gründe für eine Nichtanwendung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung gibt61. 3. Bindungswirkung gegenüber der Rechtsprechung Problematisch ist die Frage, ob und inwieweit die Gerichte an ihre eigene Rechtsprechung in den Fällen gebunden sind, in denen man zu Recht von Richterrecht sprechen kann. Auch hier ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Gerichte lediglich Einzelfälle entscheiden. Das heißt, die von ihnen geäußerte Rechtsauffassung gilt nur für den jeweils entschiedenen Einzelfall. Denn die Richter sind ihrem sich aus Art. 97 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Rang nach unabhängig und in ihren Entscheidungen gem. Art. 20 Abs. 3 GG lediglich an Gesetz und Recht gebunden. Dies gilt sowohl für die Instanzgerichte als auch für die
__________ 59 Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 178; Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 119; Kirchhof, NJW 1986, 2275 ff. 60 Vgl. zu diesem Problem Harald Schaumburg, DFGT 1, 73 ff., 92 ff. 61 Ähnlich Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 119; Harald Schaumburg, DFGT 1, 73 ff., 89; Lange, NJW 2002, 3657.
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung
obersten Bundesgerichte62. Das bedeutet: Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Richterrecht kann sich der Bürger auf den Fortbestand der Rechtsprechung nicht verlassen, muss er mit einer grundsätzlich rückwirkenden Rechtsprechungsänderung rechnen. Das hat zur Folge, dass es grundsätzlich keinen Vertrauensschutz in den Fortbestand einer Rechtsprechung geben kann, auch nicht im Falle von Richterrecht. Auch der Gesichtspunkt der Rechtskontinuität kann dem Bürger in diesen Fällen keinen wirksamen Vertrauensschutz bieten, da er lediglich verlangt, dass eine Rechtsprechungsänderung durch gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt werden kann63. Eine andere Beurteilung könnte allerdings dann angebracht sein, wenn eine Abwägung zwischen dem Vertrauensschutz des Bürgers und der richterlichen Unabhängigkeit ergibt, dass ausnahmsweise der Vertrauensschutz überwiegt, also bei der Abwägung den Ausschlag geben muss. Das könnte der Fall sein, wenn zum Vorliegen von Richterrecht besondere Umstände hinzutreten, die eine schutzwürdige Vertrauensposition des Bürgers begründen. Eine solche Vertrauensposition dürfte dann anzunehmen sein, wenn das betreffende Richterrecht quasi gewohnheitsrechtlichen Charakter hat. Hiervon ist auszugehen, wenn es sich um Richterrecht handelt, das durch eine gefestigte Rechtsprechung und Verwaltungsübung bestätigt ist. In diesem Fall werden sich die Bürger und ihre Berater zu Recht auf diese durch den Fortbestand der Rechtsprechung geprägte Rechtslage eingestellt haben und ihre Dispositionen im Vertrauen auf diese Rechtslage getroffen haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Rechtsprechungsänderung unter diesen Voraussetzungen unzulässig wäre. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet es lediglich, dass der Bürger so gestellt wird wie bei entsprechenden ihn belastenden Gesetzesänderungen. Die Rechtsprechungsänderung kann deshalb frühestens auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der Rechtsprechung nicht mehr schutzwürdig ist, er also mit einer Rechtsprechungsänderung rechnen musste. Die weitere Frage ist, ob der BFH, also die Rechtsprechung selber in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz vorliegen, die Wirkung seiner Rechtsprechungsänderung für die Zukunft in seiner Entscheidung festlegen darf. Darf Vertrauensschutz auf der Rechtsprechungsebene gewährt werden? Die hierzu geäußerten Bedenken64 greifen meines Erachtens nicht durch: Wenn der verfassungsrechtlich gebotene Grundsatz des Vertrauensschutzes auch – unter bestimmten Voraussetzungen – die Rechtsprechung bindet65, muss die Rechtsprechung dieser Bindung dadurch gerecht werden können, dass sie bereits in der betreffenden Entscheidung diesen Grundsatz umsetzt, also die Rückwirkung ihrer Rechtsprechungsänderung
__________ 62 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 Rz. 183 ff.; Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 119. 63 S. oben unter III.3. c) bb). 64 Zweifelnd Fischer, DStR 2008, 697 ff. (701) und Witt, BB 2008, 1999 ff. (1202). 65 S. oben III.3. c) cc).
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einschränkt. Sie darf hier nicht untätig bleiben und darauf vertrauen, dass die Verwaltung eine entsprechende Billigkeitsregelung erlässt. Für den vorliegenden Fall der Vererblichkeit des Verlustabzugs folgt hieraus: Es lag eine mehr als 40jährige gefestigte Rechtsprechung im Sinne von Richterrecht vor, der die Finanzverwaltung von Anfang an gefolgt ist und in die Einkommensteuer-Richtlinien bzw. das Einkommensteuerhandbuch übernommen hat. Damit liegen grundsätzlich die Voraussetzungen vor, unter denen der Vertrauensschutz eine rückwirkende Änderung der Rechtsprechung verbietet und der BFH eine entsprechende Entscheidung aussprechen durfte. An der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Vererblichkeit des Verlustabzugs sind in der Literatur allerdings Zweifel geäußert worden, weil sie kaum Anlass für Dispositionen gewesen sein könnte. Denn der Erbfall, der Tod des Erblassers könne legal nicht gestaltet werden66. Vertrauensschutz bedeutet Dispositionsschutz: Der Bürger soll bei seinen Dispositionen auf den Fortbestand der entsprechenden Rechtslage vertrauen dürfen67. Wenn eine bestimmte Rechtslage nicht Grundlage für Dispositionen sein kann, fehlt es an einer der wesentlichen Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz. Allerdings greifen die in Literatur geäußerten Bedenken gegen einen Vertrauensschutz hier meines Erachtens nicht durch. Denn gerade im Zusammenhang mit einem Erbfall hat der Erbe die Entscheidung zu treffen, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt (§§ 1942 ff. BGB). Für diese Entscheidung kann es aber ausschlaggebend sein, ob eine mögliche Überschuldung des Nachlasses durch Steuervorteile kompensiert wird, die durch die Vererblichkeit des Verlustabzugs dem Erben zugute kommen. Deshalb hat der Große Senat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Rechtsprechungsänderung lediglich mit Wirkung für die Zukunft aus Vertrauensschutzgründen vorliegen. Inzwischen hat auch das Bundesfinanzministerium auf die Entscheidung des Großen Senats reagiert und in einem BMF-Schreiben vom 24.7.200868 angeordnet, dass die bisherige Rechtsprechung des BFH zum Verlustabzug in Erbfällen bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung der Entscheidung des Großen Senats im Bundessteuerblatt anzuwenden ist69. Damit ist das Bundesfinanzministerium noch über die Übergangsregelung des BFH hinaus gegangen.
V. Fazit Der Große Senat hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Gewohnheitsrechts hinsichtlich der Vererblichkeit von Verlustabzügen verneint, da es an einer entsprechenden Rechtsüberzeugung im überwiegenden Teil des Fachschrifttums gefehlt hat.
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So zu Recht Fischer, DStR 2008, 697 ff. (701) und Witt, BB 2008, 1999 ff. (1202). S. oben III.2. BMF v. 24.7.2008 – IV C 4 - S 2225/07/0006, BStBl. I 2008, 809. Die Entscheidung des Großen Senats ist im BStBl. II vom 18.8.2008 veröffentlicht.
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Vertrauensschutz und Rechtsprechungsänderung
Der Grundsatz der Rechtskontinuität hindert den BFH nicht an einer Änderung seiner mehr als 40jährigen Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs, da hierfür wichtige sachliche Erwägungen maßgeblich waren. Grundsätzlich wirkt eine Rechtsprechungsänderung auf den Zeitpunkt des Inkraftretens der betreffenden Norm zurück, da Rechtsprechung Rechtsauslegung ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet es allerdings, eine den Bürger belastende Änderung der Rechtsprechung lediglich mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen, wenn – eine gefestigte, langjährige Rechtsprechung geändert wird, – die von der Finanzverwaltung angewendet und in Richtlinien übernommen wurde und – dem Bürger hierdurch eine schutzwürdige Rechtsposition eingeräumt wurde; – an einer schutzwürdigen Rechtsposition des Bürgers fehlt es in den Fällen, in denen eine bestimmte Rechtsposition keine Grundlage für Dispositionen sein kann. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes greift nur ein, wenn der Bürger entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten hat, also disponieren kann. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Frage der Vererblichkeit des Verlustabzugs erfüllt, da der Erbe die Möglichkeit der Ausschlagung des Erbes hat.
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Steuerverfahrensrechtliche Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte Inhaltsübersicht I. Divergenz zwischen Verwaltungsauftrag und Verwaltungskönnen II. Internationaler Informationsaustausch 1. Rechtsgrundlagen zwischenstaatlicher Amtshilfe 2. Konkurrenzverhältnis zwischen DBA und gemeinschaftsrechtlichen Quellen 3. Geheimnisschutz
4. Erforderlichkeitsmerkmal/ Subsidiaritätsgrundsatz III. Modifizierte Beweisrisikoverteilung bei Auslandssachverhalten 1. Erweiterte Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO 2. Vereinbarkeit des § 90 Abs. 2 AO mit dem Gemeinschaftsrecht IV. Ausblick
I. Divergenz zwischen Verwaltungsauftrag und Verwaltungskönnen „Zu den völkerrechtlich garantierten Rechtspositionen eines Staates gehört auch dessen Anspruch darauf, dass jeder andere Staat seine Gebietshoheit respektiert mit der Folge, dass ein Staat auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung keine Hoheitsakte setzen darf“. Mit diesem Worten führt Harald Schaumburg in das Schlusskapitel zur „grenzüberschreitenden Sachaufklärung“ in seinem opus magnum zum internationalen Steuerrecht ein1. Daraus folgert er das Verbot, auf fremdem Hoheitsgebiet Außenprüfungen, Fahndungsmaßnahmen und sonstige Ermittlungen oder Sachaufklärungsmaßnahmen durchzuführen. Es gilt der Grundsatz der formellen Territorialität2. Soweit Sachaufklärungsmaßnahmen erforderlich werden, bedarf es daher der Amts- oder Rechtshilfe des betreffenden anderen Staates3. Dem Grundsatz der formellen Territorialität entspricht kein Grundsatz der materiellen Territorialität, der es verbieten würde, Rechtsfolgen des innerstaatlichen Rechts auch an ausländische Sachverhalte zu knüpfen4. Auch wenn es gute Gründe für die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts auf das
__________ 1 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, 19.1, S. 1286. 2 K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, Frankfurt/M. 1965, 342; ders. in Vogel/Lehner, DBA-Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl. Rz. 16, m. w. N. 3 H. Schaumburg (Fn. 1), a. a. O., S. 1287. 4 K. Vogel (Fn. 2), a. a. O., 101 ff.; J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, § 2 Rz. 33.
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Territorialitätsprinzip gibt5, hat das Universalitätsprinzip (Welteinkommensprinzip) das Territorialitätsprinzip (Quellenprinzip) in der Staatenpraxis weitgehend verdrängt6. Dadurch entsteht ein Missverhältnis zwischen materialer Besteuerung und seiner formalen Durchsetzung: materielle Universalität trifft lediglich auf formelle Territorialität. Die Vollziehbarkeit des nationalen Normbefehls, das Welteinkommen zu besteuern, erweist sich dadurch als defizitär. Es mangelt so an der Reziprozität zwischen lastenausteilender Norm und deren Vollzug7. Wenn das materielle Steuergesetz nicht nur Schranke, sondern auch Antrieb des Verwaltungshandelns ist8, muss das Verwaltungskönnen so weit wie möglich dem Verwaltungsauftrag angenähert werden9.
II. Internationaler Informationsaustausch 1. Rechtsgrundlagen zwischenstaatlicher Amtshilfe Es entspricht dem Gebot der Gewährleistung einer gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG, § 85 AO), in einer globalisierten Wirtschaftswelt den Informationsverkehr zwischen den Staaten zu intensivieren10. Dementsprechend hat sich die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren bemüht, die gegenseitige Amts- und Rechtshilfe mit anderen Staaten zu verstärken. Das Resultat dieses längst nicht abgeschlossenen Prozesses ist einerseits ein dichter werdendes Netz bi- und multilateraler Regelungen, andererseits aber auch eine gewisse Unübersichtlichkeit des Normengeflechts. Es lassen sich folgende Ebenen voneinander unterscheiden11: An der Spitze stehen die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte in Gestalt der EG-Amtshilfe-Richtlinie 77/799/EWG v. 19.12.197712 sowie dazu flankierend die EG-Beitreibungs-Richtlinie 76/308/EWG v. 15.3.197613. Den Bereich der Umsatzsteuer haben die Mitgliedstaaten mittlerweile aus der EG-AmtshilfeRichtlinie herausgenommen und durch die sog. Mehrwertsteuer-Zusammen-
__________ 5 Siehe näher K. Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG Bd. 8, Köln 1985, 3 (26 ff.); H. Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, FS für K. Tipke, Köln 1995, 125 (131); R. Beiser, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Lichte des Gemeinschaftsrechts, StuW 2005, 295 (298 ff.). 6 Siehe die Bestandsaufnahme v. K. Vogel in Vogel/Lehner (Fn. 2), Einl. Rz. 12. 7 Zum rechtsstaatlichen Gehalt der Wechselbezüglichkeit s. R. Seer, Der Vollzug von Steuergesetzen unter den Bedingungen der Massenverwaltung, DStJG Bd. 31, Köln 2008, 7 (8 f.). 8 Zum Legalitätsprinzip s. R. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 85 AO Tz. 6 m. w. N. (Oktober 2008). 9 Siehe auch T. Menck in K. Vogel, Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, München 1987, 1 f. 10 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 6 (Juli 2008). 11 R. Seer (Fn. 10), § 117 AO Tz. 8 (Juli 2008). 12 ABl. EG Nr. L 336, 15, mit späteren Änderungen, zuletzt vervollständigt mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129. 13 ABl. EG Nr. L 73, 18, mit späteren Änderungen, zuletzt durch RL 2004/79/EG, ABl. EU Nr. L 168, 68 f.
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arbeitsverordnung v. 7.10.200314 sogar als unmittelbar geltendes Recht, das zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts dem nationalen Gesetzgeber keinerlei Spielräume mehr belässt, ausgestaltet. Schließlich haben sie selbst im Bereich der sensiblen Zinsbesteuerung in einem wahren Kraftakt durch die Zinsertragsteuer-Richtlinie v. 3.6.200315 den Einstieg in einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch geschafft. Auch wenn dessen Effizienz in Anbetracht des begrenzten Geltungsbereichs der Richtlinie sehr skeptisch beurteilt werden darf, bleibt dieser Schritt bemerkenswert und legt zukünftige Erweiterungen nahe. Neben diesen auf dem EG-Vertrag beruhenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten sind multilaterale Abkommen vor allem im Bereich der Strafverfolgung von praktischer Relevanz. Das von den im Europarat16 organisierten 47 Staaten ratifizierte Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe17 in Strafsachen v. 20.4.195918 wird mittlerweile durch das Übereinkommen der EU-Mitgliedstaaten über die Rechtshilfe in Strafsachen v. 29.5.200019 überlagert. Weithin noch unbekannt ist die Konvention des Europarats und der OECD20 v. 25.1.1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen21. Die Bundesregierung hat am 17.4.2008 dieses Übereinkommen nun endlich unterzeichnet, so dass auch über die Europäische Union hinaus sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zukünftig erleichtern wird22. Allerdings steht die innerstaatliche Ratifizierung des Vertrages derzeit noch aus23. Zum täglichen Brot des internationalen Steuerrechts gehören dagegen die in den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Auskunftsklauseln. Diese unterscheiden sich im Einzelnen nicht unerheblich. Gemeinhin wird zwischen den sog. kleinen und den sog. großen Auskunftsklauseln unterschieden24. Diese Einteilung vergröbert jedoch die in der Abkommenspraxis
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14 ABl. EU Nr. L 264, zuletzt geändert durch VO v. 12.2.2008, ABl. EU Nr. L 44, 11. 15 ABl. EU Nr. L 157, 38. 16 Der Europarat ist nicht mit dem Rat der Europäischen Union (Ministerrat) und dem Europäischen Rat (Gremium der Staats-/Regierungschef der Mitgliedstaaten der EU u. dem Präsidenten der EU-Kommission) zu verwechseln. 17 Rechtshilfe ist die Unterstützung von Gerichten bei Rechtspflegeaufgaben, während die Amtshilfe im engeren Sinne die behördenseitige Unterstützung einer anderen Behörde bei der Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben meint. 18 Sammlung der Europäischen Verträge (SEV) Nr. 30, s. auch BGBl. II 1964, 1369 (1386). 19 ABl. EG Nr. C 197, 1 (s. auch BGBl. II 2005, 650). 20 Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). 21 Sammlung der Europäischen Verträge (SEV) Nr. 127. 22 Zu den Vertragsstaaten gehören neben Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Polen und Schweden auch Aserbaidschan, Island, Kanada, Norwegen, Ukraine und die USA. 23 Dasselbe gilt für Kanada und die Ukraine. Zu den Gründen für die langjährige Zurückhaltung der Bundesrepublik Deutschland s. M. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Diss. Münster, Köln 2004, 81 f. 24 Siehe nur die Einteilung im Merkblatt des BMF zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 25, 30 f., 39 f., unter 1.5.1 mit den Anlagen 1 u. 2.
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vorfindbaren Differenzen. Sog. kleine Auskunftsklauseln beschränken den Informationsaustausch auf solche Auskünfte, die der Durchführung des Abkommens selbst dienen25. Derart enge Klauseln finden sich vorwiegend in älteren DBA26 und in DBA, die mit Entwicklungsländern geschlossen worden sind27. Sogar noch hinter der sog. kleinen Auskunftsklausel zurück bleibt das DBA-UdSSR v. 24.11.198128, das derzeit unverändert für einige Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (Armenien, Republik Moldau und Turkmenistan) gilt. Art. 21 DBA-UdSSR beschränkt den Informationsaustausch auf die bloße gegenseitige Mitteilung von Änderungen der nationalen Steuergesetze und schließt ihn damit praktisch aus. Die kleine Auskunftsklausel entsprach schon nicht dem OECD-Musterabkommen v. 30.7.1963, das in Art. 26 bereits eine große Auskunftsklausel enthielt. Allerdings handelte es sich dabei noch um eine beschränkt große Auskunftsklausel, die nur für die in dem DBA geregelten Steuern galt und auf die Verhältnisse von in den Vertragsstaaten ansässigen Personen beschränkt war29. Derartige Einschränkungen enthalten vereinzelt auch jüngere DBA, so etwa hinsichtlich des Kreises der Steuerarten die DBA-Belarus (Weißrussland) v. 30.9.200530, DBA-Kirgisistan v. 1.12.200531 und DBA-Kroatien v. 6.2.200632. Mit dem OECD-Musterabkommen v. 11.4.1977 fiel zunächst das Ansässigkeitsmerkmal als Einschränkung für die Relevanz steuerlicher Verhältnisse. Seit der Revision des OECD-Musterabkommens im Jahre 2000 erstreckt sich die Auskunftsklausel über die in dem jeweiligen DBA geregelten Steuern hinaus auf alle Steuern, nicht aber auf Sozialversicherungsbeiträge33. Im Rahmen des großen Auskunftsverkehrs werden die Informationen primär vom Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen aufgrund der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht benötigt. Die großen Auskunftsklauseln dienen damit ebenso wie die EG-Amtshilfe-Richtlinie ganz wesentlich der Durchsetzung des Welteinkommensprinzips im Ansässigkeitsstaat34. Dem Modell dieser großen Auskunftsklausel folgen die in jüngerer Zeit von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA; dies nicht nur im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten, sondern auch zu anderen Staaten35.
__________ 25 H. Schaumburg (Fn. 1), § 19.66, S. 1325; M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 3. 26 Zur Historie der DBA-Klauseln s. M. Hendricks (Fn. 23), 68 ff. 27 Eine aktuelle Übersicht über die mit sog. Entwicklungs- und Schwellenländern vereinbarten Auskunftsklauseln gibt R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 25 (Juli 2008). 28 BGBl. II 1983, 2 = BStBl. I 1983, 90. 29 Siehe R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 21 (Juli 2008). 30 BGBl. II 2006, 1042 = BStBl. I 2007, 276. 31 BGBl. II 2006, 1066 = BStBl. I 2007, 233. 32 BGBl. II 2006, 1112 = BStBl. I 2007, 247. 33 Letztere erfasst aber Art. 2 Nr. 1 b) ii) des Übereinkommens des Europarates u. der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen v. 25.1.1988 (Fn. 21). 34 M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 3. 35 So DBA-Aserbaidschan v. 25.8.2004, BGBl. II 2005, 1146 = BStBl. I 2006, 291; DBAGhana v. 12.8.2004, BGBl. II 2006, 1018 = BStBl. I 2008, 467; DBA-Georgien v. 1.6.2006, BGBl. II 2007, 1034.
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Im Jahre 2003 ist das OECD-Musterabkommen um eine Regelung zur Beitreibungshilfe in Art. 27 ergänzt worden. Vergleichbare Erweiterungen enthielten bereits DBA, welche die Bundesrepublik mit skandinavischen Staaten abgeschlossen hatte36. Diesem Vorbild folgen nun auch jüngere DBA, so etwa Art. 28 des DBA-Polen v. 14.5.200337. Daneben existieren spezielle bilaterale Amts- und Rechtshilfeabkommen mit europäischen Staaten, die zu einem Großteil noch aus der Zeit vor Geltung der EG-Amtshilfe-Richtlinie stammen38. Schließlich finden wir unilateral § 117 AO, der die zwischenstaatliche Amtshilfe in das nationale Recht integriert und zusätzlich Fälle ermessensgesteuerter Kulanzhilfen formuliert. Das EG-Amtshilfe-Gesetz v. 19.12.198539, das EGBeitreibungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 3.5.200340 sowie die Zinsinformations-Verordnung v. 26.1.200441 setzen lediglich die Richtlinien des Gemeinschaftsgesetzgebers in das nationale staatliche Recht um und sind damit letztlich der gemeinschaftsrechtlichen Ebene zuzurechnen. 2. Konkurrenzverhältnis zwischen DBA und gemeinschaftsrechtlichen Quellen Das Normengeflecht der internationalen Informationshilfe ist also unübersichtlich und bedarf einer gewissen Ordnung. Als unmittelbar geltendes sekundäres Gemeinschaftsrecht genießt zunächst die Mehrwertsteuer-ZusammenarbeitsVO v. 7.10.2003 gegenüber bi- und unilateralen Rechtsquellen für den Bereich der Umsatzsteuer Anwendungsvorrang. Hinsichtlich der Wirkungen der in das nationale Recht umgesetzten EG-Amtshilfe-Richtlinie ist im Verhältnis zu DBA-Auskunftsklauseln zu differenzieren. Die EG-AmtshilfeRichtlinie enthält eine sog. große Auskunftsklausel. Soweit mit EU-Mitgliedstaaten abgeschlossene DBA hinter dieser Intensität zwischenstaatlicher Informationshilfe in Gestalt sog. kleiner Auskunftsklauseln zurückbleiben42, werden diese durch die EG-Amtshilfe-Richtlinie und die auf dieser beruhenden nationalen EG-Amtshilfegesetze verdrängt. Dies gilt für die betroffenen DBA
__________ 36 Siehe Art. 29 ff. DBA-Dänemark v. 22.11.1995, BGBl. II 1996, 2565 = BStBl. I 1996, 1219; Art. 29 ff. DBA-Schweden v. 14.7.1992, BGBl. II 1994, 686 = BStBl. I 1994, 422; Art. 27 DBA-Norwegen v. 4.10.1991, BGBl. II 1993, 970 = BStBl. I 1993, 655. 37 BGBl. II 2004, 1305 = BStBl. I 2005, 349. 38 M. Hendricks (Fn. 23), 67 ff., hat nachgewiesen, dass die Wurzeln der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Amtshilfeabkommen zu suchen sind. Erst später sind Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen worden, die dann auch zur Grundlage der Informationshilfe wurden. Eine Übersicht der bilateralen Amts- u. Rechtshilfeabkommen gibt R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 29 (Juli 2008). 39 BGBl. I 1985, 2436 (2441), zuletzt geändert durch das JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 40 BGBl. I 2003, 654, zuletzt geändert durch Gesetz v. 13.12.2007, BGBl. I 2007, 2897. 41 BGBl. I 2004, 128, zuletzt geändert durch VO v. 5.11.2007, BGBl. I 2007, 2562. 42 So in Art. 25 DBA-Bulgarien v. 2.6.1987, BGBl. II 1988, 770 = BStBl. I 1988, 390; Art. 23 II DBA-Luxemburg v. 23.8.1958, BGBl. II 1959, 1270 = BStBl. I 1959, 1022; Art. 23 DBA-Niederlande v. 16.6.1959, BGBl. II 1960, 1782 = BStBl. I 1960, 381; Art. 16 DBA-Tschechien v. 19.12.1980, BGBl. II 1982, 1022 = BStBl. I 1982, 905; DBA-Zypern v. 9.4.1974, BGBl. II 1977, 488 = BStBl. I 1977, 341.
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sowohl aufgrund der Lex-posterior-Regel als auch aufgrund des Anwendungsvorrangs des sekundären Gemeinschaftsrechts. Art. 11 der EG-AmtshilfeRichtlinie und § 1 Abs. 3 des EG-AmtshilfeG lassen nur solche nationalen Rechtsvorschriften unberührt, die „weitergehende Verpflichtungen zum Informationsaustausch“ beinhalten. Die EG-Amtshilfe-Richtlinie setzt so einen Mindeststandard im Sinne eines vereinheitlichten Auskunftsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten haben diese Richtlinie durch ihre Zustimmung im Ministerrat oder durch späteren Beitritt zur Europäischen Union in ihren Willen aufgenommen. Ihnen ist es nunmehr verwehrt, ihrer daraus erwachsenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung (s. Art. 12 Abs. 1 EG-Amtshilfe-Richtlinie) durch Berufung auf weniger weit reichende DBA-Regeln auszuweichen43. Dies bedeutet, dass der Auskunftsverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten mittlerweile weitgehend auf der EGAmtshilfe-Richtlinie beruht, soweit die von ihr erfassten Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-, Vermögen-, Grund- und Versicherungsteuer) betroffen sind. Soweit bilaterale DBA und spezielle Amts- und Rechtshilfeabkommen über die in der EG-Amtshilfe-Richtlinie beschriebene Intensität des Auskunftsverkehrs hinausgehen oder andere Steuerarten betreffen, gelten sie auch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter44. Harald Schaumburg hat aber darauf hingewiesen, dass auch im Anwendungsbereich der EG-Amtshilfe-Richtlinie bilaterale DBA-Regeln zwischen den Mitgliedstaaten insoweit fortwirken könnten, als sie zum Schutz der betroffenen Steuerpflichtigen Schranken mit größerer Reichweite enthalten45. Seine Auffassung könnte etwa in Fällen relevant werden, in denen ein Geschäfts- oder Berufsgeheimnis durch die grenzüberschreitende Auskunft betroffen wird. Jedoch enthält Art. 8 Abs. 2 der EG-Amtshilfe-Richtlinie ebenso wie die DBAAuskunftsklauseln eine Schutzklausel gegen die Preisgabe von Berufs- und ähnlichen Geschäftsgeheimnissen. Sie gibt dem Mitgliedstaat ein Informationshilfeverweigerungsrecht für den Fall, dass er durch die Informationsweitergabe ein Berufs- oder Geschäftsgeheimnis verletzen würde. Die AmtshilfeRichtlinie lässt damit die in solchen Fällen bestehenden Verweigerungsrechte der DBA-Auskunftsklauseln unberührt; der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts schränkt die Geheimnisse also nicht weiter ein. Ebenso hat die EG-Amtshilfe-Richtlinie den aus den DBA-Auskunftsklauseln bekannten Ordre public-Vorbehalt (Art. 8 Abs. 2 EG-AmtshilfeRL) sowie die Beschränkungen des nationalen Rechts (Art. 8 Abs. 1 EG-AmtshilfeRL) übernommen und macht damit deutlich, dass sie den aus den DBA bekannten Schutzstandard nicht absenken will.
__________ 43 Wie hier M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 16; a. A. offenbar M. Hendricks (Fn. 23), 312 ff., der die EG-Amtshilfe-Richtlinie nur als lex alia verstehen will. 44 H. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 117 AO Rz. 241 ff. (November 2005); M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), § 26 Rz. 16; R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 23 (Juli 2008). 45 H. Schaumburg (Fn. 1), § 19.31, S. 1306 f.
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In gewissen Widerspruch zu den DBA-Auskunftsklauseln setzt sich indessen § 3 Abs. 1 Nr. 4 EG-AHiG, ohne dass Art. 8 Abs. 2 EG-AmtshilfeRL dazu zwänge. Die Vorschrift macht die Informationshilfeverweigerung durch die Bundesrepublik Deutschland nicht nur von der Verletzung eines Geschäftsoder Berufsgeheimnisses, sondern darüber hinaus von einer dadurch bewirkten Schadensgefahr abhängig. Das EG-AHiG bleibt damit hinter dem Schutzstandard der DBA-Auskunftsklauseln leicht zurück. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber durch § 3 Abs. 1 Nr. 4 EG-AHiG generell die mit den einzelnen Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA-Auskunftsklauseln verändern wollte, bleibt nach dem Grundsatz völkerrechtsfreundlicher Auslegung (s. § 2 AO) die Schutzwirkung der bilateralen Klauseln trotz der verengenden Fassung im EGAHiG bestehen46. In der Praxis wird sich die im Wortlaut zutage tretende strengere Fassung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 EG-AHiG allerdings nur selten auswirken. Um eine Weiterleitung von Informationen durch den deutschen Staat im Wege einer einstweiligen Anordnung i. S. d. § 114 FGO zu verhindern, bedarf es der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und -grundes. Spätestens zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes bedarf es der Darlegung einer Schadensgefahr, um die Weitergabe der Informationen zu stoppen47. Zudem definiert der Kommentar zu Art. 26 OECD-Musterabkommen in Ziff. 19.2 selbst den Begriff des Geschäftsgeheimnisses unter Rekurs auf das Merkmal der Schadensgefahr wie folgt: „Unter einem Handels- oder Geschäftsgeheimnis werden im Allgemeinen Tatsachen und Umstände verstanden, die von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, die praktisch verwertet werden können und deren nicht erlaubte Verwertung einen ernsthaften Schaden verursachen kann (z. B. zu einer ernsthaften finanziellen Notlage führen kann)48. Es werden sich daher in der Praxis eher selten unterschiedliche Auslegungen zwischen der DBA-Auskunftsklausel und dem EG-AHiG ergeben. Ein Konkurrenzverhältnis besteht schließlich auch zwischen der EG-Betreibungsrichtlinie (bzw. den diese umsetzenden nationalen EG-Beitreibungsgesetzen) und den erweiterten großen DBA-Amtshilfeklauseln, die entsprechend Art. 27 OECD-MA auch die Vollstreckungshilfe beinhalten49. Die Beitreibungsrichtlinie überlagert die DBA-Vollstreckungsklauseln ebenso wie die speziellen Vollstreckungshilfeabkommen, welche die Bundesrepublik Deutschland mit Finnland, Italien, Niederlande und Österreich abgeschlossen hat.
__________ 46 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 77 (Juli 2008); zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung s. K.D. Drüen, ebenda, § 2 AO Tz. 2, 5 f. (April 2006). 47 Siehe M. Loose in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 114 FGO Tz. 22, 29 (Juli 2007). 48 Abgedruckt u. a. bei M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 1. 49 Siehe DBA-Dänemark u. DBA-Schweden (Fn. 36), DBA-Polen (Fn. 37); außerdem bereits Art. 27 DBA-Belgien v. 11.4.1967, BGBl. II 1969, 17 = BStBl. I 1969, 38; Art. 23 DBA-Frankreich v. 21.7.1959, BGBl. II 1961, 398 = BStBl. I 1961, 342; Art. 24 DBALuxemburg v. 23.8.1958, BGBl. II 1959, 1270 = BStBl. I 1959, 1022.
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3. Geheimnisschutz Die internationale Informationshilfe enthält einen Geheimnisschutz auf zwei Ebenen. Der ersuchende bzw. Spontanhilfen empfangende Staat unterliegt einem internationalen Steuergeheimnis (s. Art. 7 EG-AmtshilfeRL, Art. 26 Abs. 2 OECD-MA). Der ersuchte Staat hat umgekehrt Geschäfts- und Berufsgeheimnisse zu wahren (s. Art. 8 Abs. 2 EG-AmtshilfeRL, Art. 26 Abs. 3 lit. c] OECD-MA). Damit werden die grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahmen in einem stärkeren Maße beschränkt als dies bei rein nationalen Sachverhalten nach deutschem Recht, das keinen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kennt, der Fall ist. Während also das inländische Recht im Interesse einer effizienten, gleichmäßigen Besteuerung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht anerkennt und Schaden von der Wirtschaft durch das in § 30 AO verankerte Steuergeheimnis abwendet, setzt das internationale Informationshilferecht der steuerlichen Sachaufklärung eine Grenze, weil die Abwendung von Schaden durch ein internationales Steuergeheimnis nicht genügend Sicherheit bietet50. Dabei hat der Geheimnisschutz eine doppelte Richtung: Er soll einerseits die nationale Volkswirtschaft und andererseits aber auch die inländische Auskunftsperson vor den Folgen von Wirtschaftsspionage und einer lockeren Verschwiegenheitspraxis im Empfängerstaat bewahren51. Es besteht damit eine Wechselwirkung zwischen der Achtung des internationalen Steuergeheimnisses im Empfängerstaat und der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses im Auskunftsstaat. Je unsicherer die Einhaltung des internationalen Steuergeheimnisses im Empfängerstaat ist, um so eher kann und muss der Auskunftsstaat von seinem Informationshilfeverweigerungsrecht Gebrauch machen. Allerdings ist es für den betroffenen Steuerpflichtigen nicht gerade leicht, die fehlende Einhaltung des Steuergeheimnisses im Empfängerstaat nachzuweisen oder wenigstens glaubhaft zu machen. In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsverfahren) vor dem FG Köln ist dies dem Antragsteller durch Vorlage eines empirisch arbeitenden Privatgutachtens gelungen52. Der Privatgutachter hatte dazu Auskünfte von türkischen Steuerberatern, Verbänden, Journalisten und Anwälten eingeholt sowie Pressemitteilungen über die Verletzung des Steuergeheimnisses durch türkische Finanzbehörden ausgewertet. Auf dieser Basis untersagte das FG Köln einstweilig die beabsichtigte Spontanauskunft des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung an die türkische Finanzverwaltung, obwohl Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei eine sog. große Auskunftsklausel enthält, da das in Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA-Türkei verankerte internationale Steuergeheimnis in der Türkei nicht gewährleistet sei. Der Geheimnisschutz kann nur effektiv sichergestellt werden, wenn der betroffene Steuerpflichtige vor der Weitergabe der Daten angehört wird. Dem
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50 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 51 (Juli 2008). 51 M. Hendricks (Fn. 23), 149, m. w. N. 52 Siehe den Beschluss des FG Köln v. 20.8.2008 – 2 V 1948/08, EFG 2008, 1764, mit Anm. v. A. Herlinghaus.
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entsprechend verweist § 117 Abs. 4 Satz 3 AO ausdrücklich auf § 91 AO. Das Anhörungsgebot findet darüber hinaus seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 1 GG (dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und Art. 19 Abs. 4 GG (dem Gebot effektiven Rechtsschutz). Es gilt nicht nur für die Ersuchungsauskunft, sondern auch bei Spontanauskünften. Sowohl das Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch die Gefahr vollendeter, irreparabler Schäden gebieten eine Anhörung, wenn nicht ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände (z. B. Gefahr im Verzuge) entgegenstehen53. Die Anhörungspflicht besteht des Weiteren auch, wenn die deutsche Finanzbehörde eine ausländische Finanzbehörde um Informationshilfe ersuchen will54. Die dem an das Auskunftsersuchen beigefügten Instruktionen können bereits Informationen über Verhältnisse des Steuerpflichtigen enthalten, die der ausländischen Finanzbehörde bisher unbekannte Geschäfts- oder Berufsgeheimnisse tangieren oder gar verletzen können55. Im Übrigen kann auch der Subsidiaritätsgrundsatz (s. nachfolgend unter 4.) verletzt sein. 4. Erforderlichkeitsmerkmal/Subsidiaritätsgrundsatz Die internationale Amtshilfe (Ersuchenshilfe) ist subsidiär. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EG-AmtshilfeRL drückt dies wie folgt aus: „Die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staates braucht dem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, von denen sie nach Lage des Falles ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks hätte Gebrauch machen können“. Dieses Verhältnis drückte das OECD-Musterabkommen bisher in Art. 26 Abs. 1 durch das Merkmal „erforderlich“ aus. Die Revision des Musterabkommens im Jahre 2005 verwendet nunmehr nur noch das Merkmal „voraussichtlich erheblich“. Diese sprachliche Erweiterung soll einerseits für einen Informationsaustausch im weitest möglichen Umfang sorgen, andererseits aber gleichzeitig klarstellen, dass es den Vertragsstaaten nicht freisteht, „Fischexpeditionen“ zu unternehmen oder um Auskünfte zu ersuchen, die für die Steuererhebung eines bestimmten Steuerpflichtigen wahrscheinlich unerheblich sind56. Dadurch soll aber die Subsidiarität der Ersuchungsauskunft nicht in Frage gestellt werden57. Die deutsche DBAAbkommenspolitik verwendet bisher auch das Erforderlichkeitsmerkmal, das
__________ 53 M. Hendricks (Fn. 23), 343 f.; R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 AO Tz. 70 (Juli 2008). 54 Zutreffend bereits H. Schaumburg (Fn. 1), § 19.39, S. 1311. 55 Zur Unterrichtungspflicht s. auch BMF-Merkblatt (Fn. 24), zu 2.1.3. 56 So der OECD-Musterkommentar zu Art. 26 unter 5., abgedruckt bei M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 1. 57 Der OECD-Musterkommentar (Fn. 2) zu Art. 26 stellt unter 9., lit. a) dann auch klar, dass die Informationsquellen, die üblicherweise im innerstaatlichen Besteuerungsverfahren zur Verfügung stehen, zunächst auszuschöpfen sind, bevor der andere Staat um Auskunft ersucht wird; s. auch M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Rz. 35 f.
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der unilateralen Amtshilferegelung der § 117 Abs. 1 AO i. V. m. § 112 Abs. 1 AO entspricht. Das Subsidiaritätsprinzip gilt allerdings nicht im Zusammenhang mit Spontanauskünften (s. Art. 4 EG-AmtshilfeRL) und automatischen Auskünften (s. Art. 3 EG-AmtshilfeRL), die beide ohne ein entsprechendes Ersuchen erteilt werden und damit über die Amtshilfe im engeren Sinne hinausgehen. Der BFH hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die nach dem Vorbild des Art. 26 OECD-Musterabkommen formulierten DBA-Auskunftsklauseln sog. Spontanauskünfte zulassen58. Dies gilt selbst bei sog. kleinen Auskunftsklauseln, wobei selbstredend deren Grenzen zu beachten sind59. Im Bereich des EUAuskunftsverkehrs mussten bisher tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mindestens einer der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1–5 EGAHiG genannten Fälle erfüllt ist; rein subjektive Vorstellungen der Finanzbehörden reichten dafür nicht aus60. Das Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.200761 hat daraufhin jüngst die Vorschrift entsprechend Art. 4 Abs. 1 lit. a) EG-AmtshilfeRL weiter gefasst. Es müssen nunmehr nur noch Gründe bestehen, welche eine Steuerverkürzung in dem anderen Mitgliedstaat vermuten lassen. Davon ist bereits dann auszugehen, wenn die Spontanauskunft für eine mögliche Besteuerung in dem anderen Mitgliedstaat geeignet ist62. Das FG Köln fordert dabei für die Möglichkeit einer Steuerverkürzung nicht einmal mehr eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Noch weiter als die Spontanauskünfte geht schließlich der automatische Auskunftsverkehr. Während Spontanauskünfte gewöhnlich erteilt werden, weil die mitteilende Steuerverwaltung Anzeichen für eine im Ergebnis fehlerhafte (unzureichende) Besteuerung im Empfängerstaat hat, werden automatische Auskünfte überwiegend unabhängig von solchen Anzeichen erteilt63. Um diesen automatischen Auskunftsverkehr nicht zu behindern, erklärt § 2 Abs. 3 Satz 2 EGAHiG (anders als bei Spontanauskünften, s. oben unter 3.) eine Anhörung des betroffenen Steuerpflichtigen auch nicht für erforderlich. Das Bundesministerium der Finanzen hat in den letzten Jahren eine Reihe von völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen i. S. d. Art. 3 EG-AmtshilfeRL geschlossen, die einen solchen automatischen Auskunftsverkehr vorsehen64.
__________ 58 Zum DBA-USA s. BFH v. 29.4.1992 – I B 12/92, BStBl. II 1992, 645; BFH v. 10.5.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; BFH v. 17.9.2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008, 51. 59 So jüngst zum DBA-China BFH v. 29.4.2008 – I R 79/97, BFH/NV 2008, 1807. 60 BFH v. 15.2.2006 – I B 87/05, BStBl. II 2006, 616, mit zustimmender Anm. v. M. Hendricks, IStR 2006, 352 f. 61 BGBl. I 3150. 62 FG Köln v. 30.4.2008 – 2 V 1158/08, EFG 2008, 1177; s. auch EuGH v. 13.4.2000 – C-420/98, EuGHE I-2000, 2847, Rz. 16 (W.N.), mit Anm. v. J. de Weerth, IStR 2000, 462 f. 63 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 117 Tz. 71 (Juli 2008). 64 So mit den Niederlanden (BStBl. I 1997, 970), Frankreich (BStBl. I 2004, 1184), Dänemark (BStBl. I 2005, 498), Tschechien (BStBl. I 2005, 904), Litauen (BStBl. I 2005, 1008), Estland (BStBl. I 2006, 355), Lettland (BStBl. I 2006, 359) und Ungarn (BStBl. I 2006, 694).
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III. Modifizierte Beweisrisikoverteilung bei Auslandssachverhalten 1. Erweiterte Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO Auch wenn die Staaten ihre Anstrengungen einer internationalen Informationshilfe in der jüngeren Vergangenheit deutlich verstärkt haben, ist dies nach wie vor ein steiniger Weg. Zudem fordert der Subsidiaritätsgrundsatz (s. oben II.4.) von dem die Besteuerung des Welteinkommens reklamierenden Staat, zunächst alle zumutbaren eigene Anstrengungen zur Klärung des Steueranspruchs vorzunehmen. Da dies jedoch regelmäßig am Grundsatz der formellen Territorialität (s. oben I.) scheitert, bedient sich das deutsche Steuerverfahrensrecht eines beweisrechtlichen Mittels. Bereits der Reichsfinanzhof nahm für Auslandsbeziehungen eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen an65. § 90 Abs. 2 AO 1977 folgte dem ebenso wie zuvor § 171 Abs. 3 RAO und statuiert eine Sachaufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht des Beteiligten. § 90 Abs. 2 AO erweitert damit die allgemeine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 1 AO) sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Die Vorschrift knüpft an den Gedanken der Beweisnähe an. Sie legt dem Steuerpflichtigen auf, den in seiner Sphäre im Ausland verwirklichten Sachverhalt (auch zu seinen Ungunsten) aufzuklären und die für die Finanzbehörde ansonsten unerreichbaren Beweismittel selbst zu beschaffen66. So wird die in Abs. 1 ausdrücklich benannte Offenlegungspflicht zur Sachaufklärungspflicht; die Beteiligten müssen eine erschöpfende Gesamtdarstellung des steuerrelevanten Sachverhalts geben. Sie müssen Beweismittel nicht bloß benennen, sondern – weil für die Finanzbehörde aus dem Inland nicht erreichbar – auch beschaffen. Anders als in § 90 Abs. 1 AO ist in Auslandssachverhalten sogar bereits „bei der Gestaltung der Verhältnisse“ dafür Sorge zu tragen, dass die zum Nachweis erforderlichen Beweismittel vorhanden sind (sog. Beweisvorsorgepflicht, § 90 Abs. 2 S. 3 AO). Danach kann er sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. Betroffen von diesen erweiterten Pflichten sind all jene Sachverhalte, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung – und damit grundsätzlich außerhalb behördlicher Hoheitsbefugnisse – beziehen. Der Anwendungsbereich der Norm erfasst nur Vorgänge, die zwar Bezug zum Ausland aufweisen, aber für die inländische Besteuerung relevant sind67. Angesprochen sind mit anderen Worten Steuerinländer mit steuerrelevanten Auslandsbeziehungen. § 90 Abs. 2 AO verlagert damit die Sachaufklärungsverantwortung von den staatlichen Finanzbehörden auf den Steuerpflichtigen. § 90 Abs. 2 AO drängt
__________ 65 RFH v. 30.1.1930 – I A 370/29, RStBl. 1930, 151 (153); RFH v. 9.1.1934 – I A 344/32, RStBl. 1934, 382, 383, wo der RFH erstmals von einer erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten gesprochen hat. 66 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 90 Tz. 20 (April 2008). 67 BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492.
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so den Untersuchungsgrundsatz dem Prinzip formeller Territorialität folgend zurück, ohne ihn indessen vollends aufzuheben. So können die hohen Anforderungen an die gesteigerte Mitwirkungspflicht i. S. d. § 90 Abs. 2 AO nicht aufrecht erhalten bleiben, wenn die Finanzbehörde ihrerseits eine Ermittlungspflichtverletzung trifft68. Die sphärenorientierte Beweisrisikozurechnung kann nur so weit reichen, als die besondere Beweisnähe/-verantwortung des Steuerpflichtigen zum Auslandssachverhalt zurechenbar besteht. Die Beweisvorsorgepflicht steht daher unter dem Vorbehalt der tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit. Daran kann es etwa fehlen, wenn der ausländische Vertragspartner die Kooperation verweigert und der Steuerpflichtige über keine Verhandlungsmacht verfügt hat, sich Beweismittel zuvor zu sichern. In diesem Fall muss die Finanzbehörde ihr hoheitliches Sachaufklärungspotential nutzen, soweit es ihr mit zumutbarem Aufwand zur Verfügung steht69. Dazu gehören insbesondere auch die unter II. dargestellten Möglichkeiten der internationalen Amtshilfe. 2. Vereinbarkeit des § 90 Abs. 2 AO mit dem Gemeinschaftsrecht Die Literatur zieht zunehmend die Gemeinschaftsrechtskonformität des § 90 Abs. 2 AO in Zweifel70. § 90 Abs. 2 AO verschärft die verfahrensrechtliche Behandlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten im Vergleich zu reinen Inlandssachverhalten, in dem er für sie nicht nur die Auskunft und Beweisbenennung, sondern darüber hinaus auch Sachaufklärung und Beweisbeschaffung verlangt. Die Norm vermag damit die Waren-, Dienstleistungs-, Kapitalverkehrs- oder Niederlassungsfreiheit im Einzelfall zu beschränken71. Nach der sog. Gebhard-Formel ist eine nationale Maßnahme, welche die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen kann, dann gerechtfertigt, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist72. Diese Formel (sog. rule of reason) konkretisiert der EuGH in seiner Rechtsprechung durch beson-
__________ 68 Siehe FG München v. 11.6.2002 – 13 K 3487/01, EFG 2002, 1426 (1428), bei jahrelanger Untätigkeit eines OFD-Fachprüfers für Auslandsprüfungen; zum Fall s. aber auch die Revisionsinstanz (BFH v. 23.7.2003 – I R 62/02, BFH/NV 2004, 317). 69 R. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 8), § 90 Tz. 27 (April 2008). 70 H.-J. Thesling, Steuerliches Verfahrensrecht und Europarecht, DStR 1997, 848 (856 f.); A. Schnitger, Die erweiterte Mitwirkungspflicht und ihre gemeinschaftsrechtlichen Grenzen, BB 2002, 332 (336 f.); G. Frotscher, Mitwirkungs-, Nachweisund Dokumentationspflichten im Internationalen Steuerrecht, Forum der internationalen Besteuerung Bd. 23, Köln 2002, 167 (178 ff.); D. Carlé, Direkte Steuern und Europarecht, KöSDI 2003, 13583, 13588; Korts/Korts, Ermittlungsmöglichkeiten deutscher Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten, IStR 2006, 869 (872); H. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler (Fn. 44), § 90 AO Tz. 146–148 (November 2003). 71 R. Seer, Die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der erweiterten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten, IWB Nr. 5 v. 9.3.2005, Fach 11, Gruppe 2, 673 (675 f.). 72 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, Rz. 37 (Gebhard).
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dere Rechtfertigungsgründe, aus dessen Kanon hier das Territorialitätsprinzip und das daraus erwachsende Allgemeininteresse an einer wirksamen Steueraufsicht und -kontrolle73 hervorzuheben sind. In seiner mittlerweile zahlreichen Rechtsprechung hat der EuGH bei der Überprüfung materieller Beschränkungen von Grundfreiheiten am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips mehrfach auf die Möglichkeit der Sachaufklärung im Wege der EGAmtshilfe-Richtlinie hingewiesen74. Dabei versteht er die Möglichkeit der internationalen Amtshilfe aber nicht – wie in der Literatur häufig angenommen – als ein „milderes Mittel“. Der EuGH hat vor allem in jüngeren Entscheidungen vielmehr betont, dass die zuständigen nationalen Steuerbehörden durch nichts daran gehindert sind, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, die sie für die zutreffende Festsetzung der betreffenden Steuern und Abgaben für erforderlich ansehen, und ggf. bei Nichtvorlage der Nachweise daraus ungünstige beweisrechtliche Folgerungen zu ziehen75. Die EG-Amtshilfe ist also auch nach der EuGH-Rechtsprechung nicht gegenüber den nationalen Mitwirkungspflichten der Beteiligten vorrangig, sondern ist ein aliud. Nach der EG-Amtshilfe-Richtlinie und den nationalen EG-Amtshilfegesetzen besitzt die Finanzbehörde keineswegs die Möglichkeit, den im Ausland verwirklichten Sachverhalt in einem Maße aufzuklären, das der Aufklärung von Inlandssachverhalten entspricht76. Vielmehr beschränkt sich die Richtlinie und entsprechend das deutsche EG-AHG grundsätzlich auf die Gewährleistung eines passiven Informationsaustausches77. Ob und wann die Behörden ausländischer Mitgliedstaaten der deutschen Finanzverwaltung Informationshilfe gewähren, bestimmt sich nicht nach deutschem Recht (also nicht nach dem EG-AHiG), sondern nach den jeweiligen ausländischen Bestimmungen, mit denen der andere Mitgliedstaat die Amtshilfe-Richtlinie umgesetzt hat. Bleibt die Unterstützung eines Mitgliedstaats hinter den Vorgaben der EG-Amtshilfe-Richtlinie zurück, besitzt die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, nur die Möglichkeit eines Vertrags-
__________ 73 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95, EuGHE 1997, I-2471, Rz. 22, 27 ff. (Futura Participations und Singer). 74 EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90, EuGHE 1992, I-276, Rz. 18 ff. (Bachmann); v. 28.1.1992 – Rs. C-300/90, EuGHE 1992, I-314, Rz. 13 (Kommission/Belgien); v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93, EuGHE 1994, I-1137, Rz. 21 ff. (Halliburton Services); v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93, EuGHE 1995, I-225, Rz. 43 ff. (Schumacker); v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94, EuGHE 1995, I-2493, Rz. 26 (Wielockx); v. 5.10.1995 – Rs. C-321/93, EuGHE 1995, I-2821, Rz. 29 (Martinez); v. 30.1.2007 – Rs. C-150/04, EuGHE 2007, I-1163, Rz. 34–47 (Kommission/Dänemark). 75 Aus der jüngeren Rechtsprechung s. EuGH v. 4.3.2004 – Rs. C-334/02, EuGHE 2004, I-2244, Rz. 30 f. (Kommission/Frankreich); v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, EuGHE 2005, I-10866, Rz. 55 f. (Marks & Spencer); v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 70 (Cadbury Schweppes); v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04, EuGHE 2007, I-2647, Rz. 58 (Rewe Zentralfinanz); v. 27.9.2007 – Rs. C-184/05, EuGHE 2007, I-3039, Rz. 32 ff. (Twoh Int.); v. 11.10.2007 – C-451/05, EuGHE 2007, I-8251, Rz. 95 (ELISA); v. 2.10.2008 – Rs. C-360/06, IStR 2008, 773, Rz. 41 (Bauer Verlag). 76 Unzutreffend etwa G. Frotscher (Fn. 70), 180. 77 Zutreffend dagegen M. Hendricks (Fn. 23), 188, 239 f.
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verletzungsverfahrens, das entweder auf ihre Anregung die Kommission (Art. 226 EGV) oder gar die Bundesrepublik Deutschland gegen den anderen Mitgliedstaat erhebt78. Aus Sicht des für die Ermittlungen zuständigen Finanzamts als untere Finanzbehörde des Landes ist dies ganz sicher keine ernsthafte Option. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EG-AmtshilfeRL braucht die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staates dem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, von denen sie nach Lage des Falles ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks hätte Gebrauch machen können. Die zwischenstaatliche Amtshilfe steht mithin auch gemeinschaftsrechtlich unter Subsidiaritätsvorbehalt; die Inanspruchnahme der Hilfe auf Ersuchen soll regelmäßig ultima ratio sein (s. oben II.4.). Eine Ermittlungsmaßnahme des deutschen Besteuerungsverfahrens ist auch § 90 Abs. 2 AO. Würde die deutsche Finanzverwaltung von § 90 Abs. 2 AO keinen Gebrauch machen und stattdessen jeweils Auskunftsersuchen an die ausländischen Mitgliedstaaten richten, könnte diese sich auf den Subsidiaritätsvorbehalt berufen und die Auskunft verweigern. Darüber hinaus kann der angerufene Mitgliedstaat einem Auskunftsersuchen auch Gründe der Verwaltungsökonomie entgegenhalten, wenn die Informationshilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand gewährt werden kann oder die Erfüllung eigener Aufgaben ernstlich gefährdet. § 90 Abs. 2 AO kompensiert durch Stärkung der verfahrensrechtlichen Position der Finanzbehörden die Divergenz zwischen materieller Universalität und formeller Territorialität (dazu oben I.). Die Vorschrift ist damit eine konsequente Ausprägung des Territorialitätsprinzips und rechtfertigt sich durch eine sphärenorientierte Beweisrisikoverteilung79. Der Gedanke der Beweisnähe legitimiert und begrenzt die Anwendung des § 90 Abs. 2 AO. Die Vorschrift darf also nicht schematisch angewandt werden. Vielmehr hat die Finanzbehörde zu fragen, warum der Steuerpflichtige seine gesteigerte Mitwirkungspflicht nicht erfüllt. Liegt der Grund dafür, ohne dass er dies zu vertreten hat, außerhalb seiner Einwirkungssphäre, darf die Finanzbehörde zu seinen Ungunsten weder eine Beweislastentscheidung treffen noch eine nachteilige Schätzung i. S. d. § 162 Abs. 2 AO vornehmen. Vielmehr hat sie in Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Letztverantwortung die Möglichkeit eines Amtshilfeersuchens ernsthaft zu prüfen und wenn dieses nicht von vornherein ungeeignet oder aussichtslos erscheint, auch anzustrengen. Nur bei einer solchen Auslegung entspricht die zur Steueraufsicht als effizientes Mittel gebotene gesteigerte Beweisregel des § 90 Abs. 2 AO bei grenzüberschreitenden Sachverhalten dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip80. Dieser am Prinzip der Beweisnähe orientierten differenzierten gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung des Verhältnisses zwischen gesteigerter nationaler
__________ 78 Siehe M. Hendricks (Fn. 23), 240 f. 79 R. Seer (Fn. 71), IWB Fach 11, Gruppe 2, 673, 678. 80 Siehe bereits R. Seer (Fn. 71), IWB Fach 11, Gruppe 2, 673 (680).
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Mitwirkungspflicht bei EU-Auslandssachverhalten und der EG-Amtshilfe folgt nun offenbar auch der Generalanwalt Paolo Mengozzi in seinem Schlussantrag vom 14.10.2008 in der Rechtssache Persche81. In dem Rechtsstreit geht es um die Abzugfähigkeit einer Sachspende nach § 10b EStG, die Herr Persche an eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Portugal geleistet hatte. Der BFH hat in seinem Vorabentscheidungsersuchen u. a. folgende Frage gestellt82: „Begründet die Richtlinie 77/799 eine Pflicht der Finanzbehörde eines Mitgliedstaats, zur Aufklärung eines Sachverhalts, der in einem anderen Mitgliedstaat verwirklicht wurde, die Hilfe der Verwaltungsbehörden des anderen Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, oder kann der Steuerpflichtige darauf verwiesen werden, dass er nach dem Verfahrensrecht seines Mitgliedstaats bei Auslandssachverhalten die Feststellungslast (objektive Beweislast) trägt?“ Unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Twoh83 stellt der Generalanwalt in Rz. 105 ff. seines Gutachtens klar, dass die EG-AmtshilfeRichtlinie den Mitgliedstaaten nur die Möglichkeit zu Auskunftsersuchen gibt, diese aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet. Nichts könne die Finanzbehörden eines Mitgliedstaates daran hindern, von den Steuerpflichtigen, die eine Steuerbefreiung begehren, die Vorlage stichhaltiger Belege zu verlangen, anhand deren sie die erforderlichen Prüfungen vornehmen können. Letztlich verbleibe es in der „Restzuständigkeit“ der Mitgliedstaaten84, verfahrensrechtlich Beweisvorschriften einschließlich der Beweislastverteilung festzulegen. Eine gemeinschaftsrechtliche Grenze zieht der Generalanwalt dann aber in Ansehung der Grundfreiheiten. Danach dürften die Finanzbehörden die von der EG-Amtshilfe-Richtlinie zur Verfügung gestellten Möglichkeiten „nicht systematisch ignorieren“, indem sie die begehrte Steuervergünstigung einfach mit der Begründung versagten, dass der Steuerpflichtige nicht alle nötigen Beweise beibringen könne, obwohl sich dieser in vollem Umfang an deren Erhebung beteiligt habe85. Mit anderen Worten: Die Finanzbehörde hat im Einzelfall zu prüfen, ob der Steuerpflichtige alles in seiner Sphäre Mögliche getan hat, um den Beweis zu erbringen. Ist dies zu bejahen, darf die Finanzbehörde nicht einfach beweisrechtlich ungünstige Schlussfolgerungen für den Steuerpflichtigen ziehen, sondern muss ernsthaft die Möglichkeit prüfen, durch die Informationshilfe eines anderen Mitgliedstaats die Beweise zu erhalten. Dies entspricht der hier entwickelten differenzierten Lösung. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in Anknüpfung an seine Entscheidung in der Rechtssache Stauffer86 den
__________ 81 GA Mengozzi, Schlussanträge v. 14.10.2008 – Rs. C-318/07 (Persche/FA Lüdenscheid), abrufbar unter http://curia.europa.eu. 82 BFH v. 9.5.2007 – XI R 56/05, BFHE 218, 125, 136. 83 Siehe oben Fn. 75. 84 Der Begriff „Restzuständigkeit“ ist m. E. angesichts der auch im EG-Vertrag vorausgesetzten Souveränität der Mitgliedstaat jedoch deplatziert. 85 Siehe Fn. 81, a. a. O., Rz. 109 f. 86 EuGH v. 14.9.2006 – C-386/04, EuGHE 2006, I-8203 (Stauffer).
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Abzug von Spenden an ausländische Einrichtungen87 und die beweisrechtliche Lage beurteilen wird.
IV. Ausblick Der internationale Auskunftsverkehr ist mittlerweile aus seinem „Dornröschenschlaf“ erwacht und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Während noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhundert nur sehr vereinzelt grenzüberschreitende Auskunftsersuchen gestellt wurden, waren es im Jahr 2002 bereits 7.450 von deutschen Finanzbehörden an ausländische Finanzbehörden und 6.848 in umgekehrter Richtung88. Aufgrund der deutlich verbesserten Möglichkeiten des elektronischen Informationsaustausches ist die Zahl der ersuchensunabhängigen Auskünften (Spontanauskünften und automatischen Auskünften) rasant gestiegen89 und wird noch weiter steigen. Gleichwohl sind die Defizite immer noch unverkennbar. Vor allem fehlt es an einer transnationalen Verwaltungskultur. Sprachprobleme, Personalknappheit und mangelnde Kenntnis der Finanzbeamten über die Möglichkeiten und das Verfahren bilden nach wie vor praktische Barrieren für einen funktionierenden internationalen Informationsaustausch90. Zwar haben die Mitgliedstaaten bereits 1994 im Wege zwischenstaatlicher Konsultationen informell vereinbart, dass ein Auskunftsersuchen nach spätestens drei Monaten beantwortet sein sollte. Dies entspricht aber offenbar nicht den Realitäten der Praxis. Der umständliche Dienstweg schreckt ab. Es gibt zu wenig direkte Kontakte zwischen den örtlichen Dienststellen, so dass der Austausch zwischen den (entfernten) zentralen Verbindungsbehörden immer noch die Regel bildet91. Vergegenwärtigt man sich die konkrete Situation der nationalen Verwaltungsbeamten, verwundert die Zurückhaltung gegenüber dem internationalen Auskunftsverkehr nicht. Der sowieso ausgelastete Beamte hat sich bei einem zwischenstaatlichen Auskunftsersuchen mit einem Fall zu beschäftigen, ja gegebenenfalls sogar zu ermitteln, der ansonsten keinerlei Relevanz für ihn besitzt. Er wird die zusätzliche Arbeitsbelastung nur widerwillig akzeptieren, da er nicht für die Euro-
__________
87 Besteht die Rechtfertigung für den Spendenabzug in der Steuersurrogation aufgrund der staatsentlastenden Funktion von Spenden, s. R. Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, Köln 2003, 11 (21 ff.), können m. E. auch die Grundfreiheiten kein gemeinschaftsrechtliches Gebot zum Abzug von Spenden, die einen anderen Staat entlasten, begründen. Hinsichtlich dieser materiellen Kernfrage vermag ich dem Plädoyer des Generalanwalts Mengozzi daher nicht zu folgen. 88 Zahlen bei M. Hendricks (Fn. 23), 411 (Anlage 1). 89 M. Hendricks (Fn. 23), 412 (Anlage 2) nennt für das Jahr 2002 590.956 Auskünfte aus dem Ausland, aber nur 124.533 Auskünfte in das Ausland. 90 Zutreffend der Bericht der EU-Kommission v. 31.5.2006 zur Notwendigkeit einer koordinierten Strategie zur Verbesserung der Bekämpfung des Steuerbetruges, KOM 2006, 254, 6 ff.; s. auch M. Engelschalk in Vogel/Lehner (Fn. 2), Art. 26 Tz. 7, m. w. N. zu Statistiken in anderen EU-Mitgliedstaaten. 91 Immerhin gibt es mittlerweile einige (aber noch zu wenige) Verwaltungsabkommen (s. Fn. 64) mit europäischen Staaten, die eine direkte Zusammenarbeit der örtlich zuständigen Finanzbehörden z. B. in Gestalt von simultanen Außenprüfungen u.Ä. ermöglichen.
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päische Union als Dienstherrn tätig wird, sondern einen Steuerfall zugunsten einer fremden (ausländischen) Behörde bearbeitet. Umgekehrt besitzt die ersuchende Finanzbehörde keine wirksame Handhabe, gegen eine verzögerte oder unterlassene Bearbeitung von Auskunftsersuchen vorzugehen. Hier bedarf es einer weiteren, nicht nur technischen Vernetzung der Finanzbehörden, sondern auch erheblicher Investitionen in die gemeinsame Schulung und Fortbildung der Finanzbeamten. Der zur Realisierung des Welteinkommensprinzips – wie dargestellt – erforderliche große Vollzugsaufwand drängt die Frage auf, warum nicht auch auf materieller Ebene zum Territorialitätsprinzip zurückgekehrt wird92. Das aus nationaler Sicht zur Messung individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit folgerichtige Universalitätsprinzip gerät im internationalen Kontext in Konflikt mit den berechtigten Interessen ausländischer Quellenstaaten, die wegen der Verbindung ihrer Volkswirtschaften zu den Einkunftsquellen auf deren Besteuerung nicht verzichten können und wollen. Für das materielle Territorialitätsprinzip spricht, das es a priori Doppelbesteuerung vermeiden und den völkerrechtlichen Grenzen formeller Territorialität entsprechen könnte. Allerdings hat Harald Schaumburg auch hier die Schwächen klar erkannt93. Eine am Territorialitätsprinzip ausgerichtete Besteuerung vermag nur dann eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wenn das Territorialitätsprinzip frei von Widersprüchen ist. Ein weltweit akzeptiertes Territorialitätsprinzip im Sinne einer geschlossenen Gerechtigkeitsordnung, innerhalb derer für alle Staaten gleiche oder vergleichbare territoriale Anknüpfungsmerkmale für die Quellenbesteuerung gelten, ist aber nicht erkennbar. Nicht einmal zwischen den Industriestaaten besteht insoweit ein Konsens. Deshalb räumt Harald Schaumburg dem Territorialitätsprinzip international keine Realisierungschance ein, sich durchzusetzen, zumal das Interesse der exportorientierten, im Vergleich hoch besteuernden Industriestaaten an der Beibehaltung des Welteinkommensprinzip bereits aus fiskalischen Gründen überwiegt. Wenn dem so ist, führt indessen kein Weg am konsequenten Ausbau der grenzüberschreitenden Informationshilfe vorbei, um das sich aus der formellen Territorialität ergebenden Vollzugsdefizit zu schließen.
__________ 92 Siehe bereits oben unter Fn. 5. 93 H. Schaumburg (Fn. 5), a. a. O., 125 (131 f.); ders. (Fn. 1), 5.70, S. 139.
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Der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht im Zusammenwirken für ein verfassungskonformes Steuerrecht Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Bedeutung verfassungsrechtlicher Maßstäbe für das Steuerrecht III. Das Vorlageverfahren gemäß Art. 100 GG IV. Vorlagen des BFH 1. Vorlagen zu Prinzipien formaler Rechtsstaatlichkeit
2. Vorlagen zu Prinzipien materieller Rechtsstaatlichkeit a) Rechtssetzungsgleichheit b) Rechtsanwendungsgleichheit V. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts VI. Resümee
I. Einleitung Das Schwergewicht seines umfangreichen steuerrechtlichen Wirkens als Rechtsanwalt und Hochschullehrer hat Harald Schaumburg – wie ein Blick auf die Liste seiner Veröffentlichungen erweist – auf das Unternehmenssteuerrecht und das internationale Steuerrecht gelegt. Darüber hinaus hat er sich aber immer wieder auch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Maßstäben des Steuerrechts befasst1. Sowohl dieses Interesse und Engagement des Adressaten dieser Festschrift wie auch die intensive verfassungsrechtliche und -politische Diskussion in den vergangenen Monaten, insbesondere um die Neuregelung der Erbschaftsteuer sowie der sog. Pendlerpauschale, bieten Anlass, den Blick auf das Bemühen der Gerichte um die Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Steuerrecht zu lenken und die einschlägigen Rechtsprechungsergebnisse darzustellen und einzuordnen. Dies scheint umso wichtiger, als die politische Diskussion gelegentlich Zweifel dahin aufwirft, ob Aufgabe und Funktion der Rechtspre-
__________ 1 Z. B. „Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht“, in FS Tipke, Köln 1995, S. 125 ff.; „Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte – Folgerungen für Gesetzgeber und Steuerpflichtige“, GmbHR 1995, S. 613 ff.; „Besteuerung von Kapitalerträgen“, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG Bd. 24 (2001), S. 225 ff.; „Nichtanwendungserlasse, Nichtanwendungsgesetze und Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz“, in Brandt (Hrsg.), Für eine bessere Steuerrechtskultur, DFGT 1 (2004), S. 73, sowie „Handlungsbedarf vor internationalem Hintergrund“, Beitrag zum DIHK-Symposium „Nachhaltige Steuerpolitik“ am 23.6.2008, herausgegeben vom DIHK, Berlin 2008, S. 59 (63 f.).
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chung in unserem gewaltengeteilten Verfassungsstaat noch zutreffend eingeschätzt und gewürdigt werden2. Neben den verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsergebnissen soll im Folgenden auch der rechtliche Rahmen des Zusammenwirkens zwischen dem Bundesfinanzhof und dem Bundesverfassungsgericht dargestellt werden.
II. Bedeutung verfassungsrechtlicher Maßstäbe für das Steuerrecht Die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Steuerrecht ist in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund getreten. Dies belegt zum einen die umfassende, kaum noch überschaubare Literatur zu diesem Thema3. Die Bedeutung für die Rechtsschutzgewährung spiegelt sich zum anderen wieder in der Zahl der Vorlagen des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht: Nachdem der Bundesfinanzhof insoweit mit enttäuschenden Versuchen in den 80er-Jahren wiederholt gescheitert war4, hat er zunächst über viele Jahre auf weitere Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht verzichtet. Erst im Februar 1999 hat der X. Senat mit seiner Vorlage zur Tarifbegrenzung nach § 32c EStG5 einen erneuten Anlauf zur verfassungsgerichtlichen Prüfung einer steuergesetzlichen Norm unternommen. Seither, d. h. in einem Zeitraum von nunmehr zehn Jahren, hat der Bundesfinanzhof inzwischen mehr als 20 Richtervorlagen gemäß Art. 100 GG beschlossen; hierauf wird im Einzelnen unter IV. eingegangen werden. Diese bemerkenswerte Entwicklung dürfte ihren Grund in erster Linie darin haben, dass die verfassungsrechtliche Sensibilität im Bereich des Steuerrechts in den letzten Jahren signifikant zugenommen hat. Dies hängt m. E. einerseits maßgebend mit der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusammen: Während in früheren Jahren das Gericht in Karlsruhe äußerst zurückhaltend bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung steuerrechtlicher Vorschriften war, hat sich dies in den 90er-Jahren deutlich verändert. Mit zahlreichen Grundsatzentscheidungen hat das Gericht dem Steuergesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen des steuerlichen Zugriffs vor Augen geführt: So u. a. zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums6, zur Ver-
__________ 2 So hat ein maßgebender Finanzpolitiker des Deutschen Bundestages den Bundesfinanzhof als „finanzpolitisches Risiko“ bezeichnet. 3 Eine aktuelle Übersicht und Auswahl bietet Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, S. 69 ff. 4 Zunächst war der III. Senat des Bundesfinanzhofs mit seiner Vorlage zur Einheitsbewertung (BFH, Beschl. v. 12.5.1978 – III R 18/76, BFHE 125, 188, BStBl. II 1978, 446) bereits an der Zulässigkeit gescheitert (BVerfG v. 11.10.1983 – 1 BvL 73/78, BVerfGE 65, 160, BStBl. II 1984, 20). Anschließend war auch der I. Senat mit seiner bemerkenswerten Vorlage zur rückwirkenden Anwendung des Außensteuerrechts (BFH v. 3.11.1982 – I R 3/79, BFHE 137, 275, BStBl. II 1983, 259) im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben (BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl. II 1986, 628). 5 BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BFHE 188, 69, BStBl. II 1999, 450. 6 BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413.
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mögensteuer7, zur Erbschaftsteuer8 sowie jüngst zur Neuregelung der sog. Pendlerpauschale9. Diese Rechtsprechungsergebnisse des Bundesverfassungsgerichts sind sowohl von der Steuerrechtswissenschaft wie auch von der Praxis als deutliche Signale verstanden worden und haben zu einem entsprechend höheren Problembewusstsein – auch der Finanzgerichte10 – geführt. Zum anderen hat der Steuergesetzgeber immer wieder – bewusst oder unbewusst – verfassungsrechtlich zweifelhafte Entscheidungen getroffen. Harald Schaumburg hat in seinem Beitrag bei dem DIHK-Symposium am 23.6.200811 dazu ausgeführt, der Steuergesetzgeber verweigere immer wieder „legislativen Gehorsam“. So wichtig deutliche Hinweise aus der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Steuerrecht auch sind, muss jedoch auch davor gewarnt werden, dass in der steuerpolitischen Diskussion das „Schwert der Verfassungswidrigkeit“ allzu leicht gezückt wird; nicht jede rechtspolitisch unerwünschte oder vermeintlich nicht ausgewogene Regelung ist sogleich verfassungsrechtlich bedenklich oder gar verfassungsrechtlich unzulässig. Vielmehr räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in aller Regel einen weiten Gestaltungsspielraum ein und dies sollte zur Vermeidung allgemeiner Rechtsunsicherheit stärker beachtet werden. Es wäre gelegentlich wünschenswert, dass mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung steuergesetzlicher Vorhaben verantwortlicher umgegangen würde; hierzu gehört nämlich in jedem Fall eine konkrete Beschäftigung mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen Prüfmaßstäben unter Beachtung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung!
III. Das Vorlageverfahren gemäß Art. 100 GG Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Bundesfinanzhof – wie jedes andere nationale Gericht – das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn er ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung von Beginn an maßgebende Zulässigkeitskriterien für Richtervorlagen entwickelt und in formeller und materieller Hinsicht hohe Hürden für die Zulässigkeit solcher Vorlagen aufgestellt, an denen immer wieder Gerichte scheitern. Eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt hiernach nur in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist und diese
__________ 7 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl. II 1995, 655. 8 BVerfG v. 7.11-2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BGBl. I 2007, 164. 9 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, DStR 2008, 2460. 10 So auch Hey, StbJb 2007/2008, 19 (21). 11 Siehe Fn. 1.
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Überzeugung in entscheidungserheblicher Weise dargelegt hat12. Verfassungsrechtliche Zweifel an einer Norm reichen danach nicht aus13. Dementsprechend kommt eine Richtervorlage in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem ja regelmäßig rechtliche Zweifel i. S. von § 69 FGO genügen, grundsätzlich nicht in Frage. Eine Richtervorlage scheidet auch dann aus, wenn eine Norm in verfassungskonformer Weise ausgelegt werden kann. Angesichts der dargelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen geht einem Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG regelmäßig eine sehr gründliche und intensive Beratung und Prüfung in dem betreffenden richterlichen Gremium voraus. Entgegen der gelegentlich in der steuerpolitischen Diskussion geäußerten Vermutung werden kein Richter und kein richterliches Gremium sich leichtfertig zu einer Richtervorlage entschließen. Vielmehr stellt die Richtervorlage eine Art „ultima ratio“ dar, wenn das vorlegende Gericht aufgrund intensiver Beschäftigung unter Berücksichtigung einschlägiger Literatur und verfassungsgerichtlicher Judikatur zu dem Ergebnis gelangt, dass die betreffende Norm verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.
IV. Vorlagen des BFH Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschränkt den Zugriff des Steuergesetzgebers zum einen durch die Grundrechte des sog. Grundrechtekatalogs, insbesondere den aus dem Gleichheitssatz hergeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie die Grundrechte auf Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und zum anderen durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Aus diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben werden systemtragende Prinzipien als ordnungstiftende Grundwertungen des Steuerrechts hergeleitet, ohne die ein gerechtes, rechtsstaatlichen Anforderungen genügendes Recht nicht möglich ist. Bei diesen handelt es sich um verfassungskräftige Prinzipien, die nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehen; sie werden in Prinzipien formaler und materieller Rechtsstaatlichkeit unterschieden14. Die Vorlagen des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht betreffen ganz unterschiedliche dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben; sie reichen von den formalen Anforderungen an die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bis zu Problemen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie sollen im Folgenden in einer Übersicht dargestellt werden:
__________ 12 Z. B. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 unter B.I. und B.II. 13 Z. B. BVerfG v. 20.3.1952 – 1 BvL 12/51, 1 BvL 15/51, 1 BvL 16/51, 1 BvL 24/51, 1 BvL 28/51, BVerfGE 1, 189. 14 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., Köln 2000, S. 115 ff.
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1. Vorlagen zu Prinzipien formaler Rechtsstaatlichkeit a) Nach Auffassung des I. Senats des Bundesfinanzhofs hat der Gesetzgeber wiederholt in formal-rechtlicher Hinsicht gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verstoßen und das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehaltes (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG) verletzt, weil der Vermittlungsausschuss mit den eingefügten gesetzlichen Regelungen die ihm von der Verfassung gesetzten Grenzen überschritten hat. So hat er zum einen die mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29.10.199715 vorgenommene ersatzlose Streichung der Verlustnutzungsmöglichkeit in § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 199516 sowie die Änderung von Art. 8 Abs. 4 KStG17, zum anderen die durch das Steuerbereinigungsgesetz 199918 angeordnete höhere Besteuerung bestimmter umwandlungssteuerrechtlicher Übernahmegewinne für den Veranlagungszeitraum 1999 (§ 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999) dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt19. b) Mit dem XI. Senat des Bundesfinanzhofs hat – soweit ersichtlich – erstmals ein Gericht eine steuerrechtliche Vorschrift wegen Verletzung des Grundsatzes der Normenklarheit für verfassungswidrig beurteilt; der XI. Senat beanstandet die höchstkomplexe Regelung zur sog. Mindestbesteuerung in § 2 Abs. 3, § 10d EStG a. F., die nach seiner Auffassung sprachlich kaum abgrenzbare, teilweise sogar unzutreffende unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, unvollständig und systematisch irreführend ist, widersprüchliche Rechtsfolgeanordnungen enthält und sich einer unübersichtlichen Verweisungstechnik bedient. Er hat daher mit Beschluss vom 6.9.200620 hierzu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt21. c) In sechs, derzeit noch beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Vorlagen gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vertritt der Bundesfinanzhof die Auffassung, dass der Steuergesetzgeber unter Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes unzulässige, rückwirkend belastende steuerrechtliche Regelungen getroffen hat: aa) In insgesamt drei Verfahren hat der XI. Senat des Bundesfinanzhofs die rückwirkende Anwendung der sog. Fünftel-Regelung des § 34 EStG zur Besteuerung von Entlassungsentschädigungen, die gegenüber der früheren Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz eine Verschärfung darstellt, dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt22. Der Senat erachtet die Anwendung der sog. Fünftel-Regelung in den Streitfällen als Verstoß gegen das
__________ 15 BGBl. I 1997, 2590, BStBl. I 1997, 928. 16 BFH, Beschl. v. 18.7.2001 – I R 38/99, BFHE 196, 232, BStBl. II 2002, 27; zur Entscheidung des BVerfG v. 15.1.2008 s. unten unter V. 4. 17 BFH, Beschl. v. 22.8.2006 – I R 25/06, BFHE 214, 424, BStBl. II 2007, 793. 18 BGBl. I 1999, 2601, BStBl. I 2000, 13. 19 BFH, Beschl. v. 27.8.2008 – I R 33/05, noch n. v. 20 BFH v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl. II 2007, 167. 21 Az. des BVerfG: 2 BvL 59/06. 22 BFH, Beschl. v. 6.11.2002 – XI R 42/01, BFHE 200, 560, BStBl. II 2003, 257, Az. des BVerfG: 2 BvL 1/03; v. 2.8.2006 – XI R 30/03, BFH/NV 2006, 2191, Az. des BVerfG: 2 BvL 57/06 und XI R 34/02, BFH/NV 2006, 2184, Az. des BVerfG: 2 BvL 58/06.
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Verbot der Rückwirkung von Steuergesetzen. Belastende Steuergesetze dürften ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken oder schutzwürdiges Vertrauen ohne hinreichende Rechtfertigung anderweitig enttäuschen. Die notwendige Abwägung zwischen dem Ausmaß des verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen auf der einen Seite und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl auf der anderen Seite schlage in den Streitfällen zugunsten des Vertrauensschutzes des Steuerpflichtigen aus. bb) Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit Beschluss vom 16.12.200323 das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil nach seiner Auffassung die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführte rückwirkende Verlängerung der sog. Spekulationsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Er beanstandet, dass auch Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden, bei denen die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war. Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs geht im Streitfall verfassungsrechtlich von einer sog. unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung) aus. Auch in diesem Fall überwiegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bei der notwendigen Abwägung im Streitfall der Vertrauensschutz des Klägers das Änderungsinteresse des Gesetzgebers. Der Steuerpflichtige habe im Zeitpunkt der Anschaffung des Grundstücks, der maßgebenden wirtschaftlichen Disposition, auf das Fortbestehen der zweijährigen Spekulationsfrist des § 23 EStG a. F., die zu diesem Zeitpunkt bereits seit 65 Jahren unverändert galt, vertrauen dürfen. Dieses Vertrauen des Steuerpflichtigen sei auch besonders schutzwürdig, weil u. a. die Bundesregierung im Jahre 1996 auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage erklärt habe, sie denke nicht an eine Verlängerung der zweijährigen Spekulationsfrist. Öffentliche Interessen überwiegen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs dieses schutzwürdige Vertrauen des Klägers nicht. Die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist sei nämlich als Maßnahme der Gegenfinanzierung der aufgrund desselben Gesetzes sich ergebenden Steuerausfälle gedacht gewesen. Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, könne jedoch eine rückwirkende steuerliche Belastung jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn der betreffende Finanzbedarf durch andere – steuersenkende – gesetzgeberische Maßnahmen in vorhersehbarer Weise durch den Gesetzgeber selbst geschaffen worden sei. Der IX. Senat hält daher im Streitfall eine schonende Übergangsregelung verfassungsrechtlich für geboten und stellt in seinem Vorlagebeschluss verschiedene, mögliche Übergangsregelungen dar, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden soll.
__________ 23 BFH v. 16.12.2003 – IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl. II 2004, 284, Az. des BVerfG: 2 BvL 2/04.
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cc) Nach Überzeugung des IV. Senats des Bundesfinanzhofs24 ist die zu § 10a Satz 4 GewStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 9 GewStG insoweit verfassungswidrig, als danach für den Erhebungszeitraum 2000 bei einer Mitunternehmerschaft der gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug im Falle des Ausscheidens eines Mitunternehmers in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers geltende Gesetz vorsah. § 36 Abs. 9 GewStG i. d. F. des JStG 2007 begründet nach Ansicht des Senats eine echte Rückwirkung, die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG unzulässig ist, soweit sie sich steuererhöhend auswirkt. Rechtfertigungsgründe für die angeordnete rückwirkende Anwendung von § 10a Satz 4 GewStG i. d. F. des JStG 2007 liegen nach der Überzeugung des Senats nicht vor. Seine entsprechenden Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht25 hat der IV. Senat allerdings inzwischen mit Beschlüssen vom 30.10.200826 zurückgezogen, nachdem die Finanzämter in den beiden Ausgangsverfahren die Kläger klaglos gestellt und damit in der Sache den Bedenken des Bundesfinanzhofs gegen die rückwirkende Gesetzesänderung Rechnung getragen haben. Allerdings ist dies geschehen, obwohl sich die Gesetzeslage nicht geändert hat; es bleibt daher die weitere Verwaltungspraxis in gleichgelagerten Fällen abzuwarten! 2. Vorlagen zu Prinzipien materieller Rechtsstaatlichkeit Die größte Zahl der Richtervorlagen des Bundesfinanzhofs gemäß Art. 100 Abs. 1 GG betrifft Fragen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierbei ist zwischen gerügten Verstößen gegen das Gebot der Rechtssetzungsgleichheit einerseits und gegen das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit andererseits zu unterscheiden. a) Rechtssetzungsgleichheit Die zahlreichen Vorlagen des Bundesfinanzhofs zu Verstößen gegen die Rechtssetzungsgleichheit betreffen sehr unterschiedliche steuerrechtliche Regelungen. Sie sind nachfolgend in chronologischer Reihenfolge dargestellt: aa) Mit Beschluss vom 24.2.99927 hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs die Auffassung vertreten, die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a. F. sei aus folgenden Gründen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar: Zum Einen verletze die Begünstigung gewerblicher Gewinne das Gebot einer grundsätzlich gleichen und folgerichtigen Belastung der in § 2, §§ 13 ff. EStG näher bestimmten Einkommensarten, ohne dass dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre. Kapi-
__________ 24 BFH, Beschl. v. 19.4.2007 – IV R 4/06, BFHE 217, 117, BStBl. II 2008, 140, sowie IV R 59/05, BFH/NV 2007, 2334. 25 Az. des BVerfG: 1 BvL 4 und 1 BvL 5/07. 26 BFH v. 30.10.2008 – IV R 4/06, DStR 2008, 2316 mit Anm. Kempermann. 27 Siehe Fn. 5; zur Entscheidung des BVerfG v. 21.6.2006 s. unten unter V.2.
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taleinkünfte des an einer Körperschaft Beteiligten würden im Verhältnis zu durch § 32c EStG begünstigten gewerblichen Einkünften des Einzel- oder Mitunternehmers gleichheitswidrig benachteiligt, weil ohne hinreichenden Grund unberücksichtigt bleibe, dass diese Gewinne bereits bei der ausgeschütteten Körperschaft der Gewerbesteuer unterlägen hätten. Schließlich sah der Senat einen weiteren Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, dass gewerbliche Einkünfte nur insoweit tarifentlastet würden, als ihr Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 100 278 DM betrüge. bb) Mit Beschluss vom 10.11.199928 hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs das Verbot der Bildung von Jubiläumsrückstellungen i. S. von § 5 Abs. 4 EStG durch das Steuerreformgesetz 199029 als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar beurteilt. Der Senat hält sowohl das Verbot der Bildung von Jubiläumsrückstellungen als auch die Anordnung der gewinnerhöhenden Auflösung schon gebildeter Rückstellungen für verfassungswidrig. cc) Mit Beschluss vom 14.11.200130 hat wiederum der X. Senat des Bundesfinanzhofs eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die Besteuerung der Ertragsanteile von Bezügen aus Leibrenten, die Gegenleistung für den Erwerb eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens sind, mit ihrem vollen Nennbetrag – ohne Berücksichtigung eines Sparer-Freibetrags – ungeachtet dessen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass es sich um pauschalierte Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt. dd) Der II. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit seinem Beschluss vom 22.5.200231 die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 insoweit wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erachtet, als die Vorschriften zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage beim Betriebsvermögen, bei den Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie beim Grundbesitz gleichheitswidrig ausgestaltet gewesen seien. ee) Mit Beschluss vom 30.11.200432 hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil nach seiner Auffassung die Regelungen des Einkommensteuergesetzes über den Familienlastenausgleich insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, als danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen um die Kinderfreibeträge gemindert werden, die tarifliche Einkommensteuer auch dann um die Hälfte des gezahlten Kindergeldes zu erhöhen ist, wenn ihnen das Kindergeld wirtschaftlich nicht in dieser Höhe zu-
__________ 28 BFH v. 10.11.1999 – X R 60/95, BFHE 189, 479, BStBl. II 2000, 131; das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 2 BvL 1/00 derzeit noch beim BVerfG anhängig. 29 V. 25.7.1988, BGBl. I 1988, 1093. 30 BFH v. 14.11.2001 – X R 32–33/01, BFHE 197, 199, BStBl. II 2002, 183; das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/02 beim BVerfG anhängig. 31 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl. II 2002, 598; zur Entscheidung des BVerfG vom 7.11.2006 s. unten unter V.3. 32 BFH v. 30.11.2004 – VIII R 51/03, BFHE 207, 471, BStBl. II 2008, 795; das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/05 beim BVerfG anhängig.
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gekommen ist, weil die Anrechnung des Kindergeldes auf ihre Unterhaltsverpflichtung nach § 1612b Abs. 5 BGB ganz oder teilweise unterblieben ist. Nach Auffassung des BFH ist dieses Ergebnis unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Staat das Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es für den existenznotwendigen Bedarf des Steuerpflichtigen und seiner Familie benötigt wird (sog. subjektives Nettoprinzip). ff) Der X. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit Beschluss vom 14.12.200533 die Auffassung vertreten, die betragsmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen sei verfassungswidrig, weil die gesetzlichen Höchstbeträge es dem Steuerpflichtigen nicht ermöglichten, in angemessenem Umfang Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Nach seiner Auffassung gehören auch die Beiträge zur Krankenversicherung, soweit sie dazu dienen, Versicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten Umfange zu erlangen, zu den nach dem sog. subjektiven Nettoprinzip steuerlich zu verschonenden existenznotwendigen Aufwendungen des Steuerpflichtigen. gg) Mit Beschlüssen vom 22.5.200634 hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs dem Bundesverfassungsgericht die Ausschlussfrist für Antragsveranlagungen bei Arbeitnehmern nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a. F. zur Prüfung vorgelegt. Der Senat hat in der zweijährigen Ausschlussfrist für die Antragstellung eine verfassungswidrige Benachteiligung von Arbeitnehmern gegenüber anderen Steuerpflichtigen gesehen, die von Amts wegen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die beiden Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht sind inzwischen dadurch gegenstandslos geworden, dass die Finanzämter in den Ausgangsverfahren im Hinblick auf die rückwirkende Aufhebung der Frist für die Antragsveranlagung durch das JStG 2008 Abhilfebescheide erlassen und die Beteiligten dementsprechend übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben35. hh) Schließlich hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschlüssen vom 10.1.200836 dem Bundesverfassungsgericht die Neuregelung zur Entfernungspauschale in § 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 zur Prüfung vorgelegt. Nach seiner Auffassung ist die Neuregelung insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten darstellen und keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkommenssteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
__________ 33 BFH v. 14.12.2005 – X R 20/04, BFHE 211, 351, BStBl. II 2006, 312; zur Entscheidung des BVerfG v. 13.2.2008 s. unten unter V.5. 34 BFH v. 22.5.2006 – VI R 49/04, BFHE 213, 508, BStBl. II 2006, 808, und VI R 46/05, BFHE 213, 536, BStBl. II 2006, 820. 35 Beschlüsse des BFH v. 27.3.2008 – VI R 49/04 und VI R 46/05, juris. 36 BFH v. 10.1.2008 – VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl. II 2008, 234 und VI R 27/07, BFH/NV 2008, 377, zur Entscheidung des BVerfG vom 9.12.2008 s. unten unter V.6.
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Der VI. Senat hält die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als zwangsläufige Erwerbsaufwendungen, die bei der Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach dem sog. objektiven Nettoprinzips zu berücksichtigen seien. Im Übrigen handele es sich um unvermeidbare Ausgaben, denen sich der Arbeitnehmer nicht beliebig entziehen könne. Daher stelle das Abzugsverbot auch einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip dar. b) Rechtsanwendungsgleichheit Zur Frage der Rechtsanwendungsgleichheit hat sich der Vorlagebeschluss des IX. Senats des Bundesfinanzhofs vom 16.7.200237 verhalten. Mit diesem Beschluss ist dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt worden, ob die Besteuerung der sog. Spekulationsgewinne aus Wertpapiergeschäften gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1997 mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar war, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wurde.
V. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat – bis zur Drucklegung dieses Beitrages – auf die oben vorgestellten Vorlagen des Bundesfinanzhofs mit insgesamt sechs Grundsatzentscheidungen reagiert und dabei – mit einer Ausnahme – die verfassungsrechtlichen Beurteilungen des Bundesfinanzhofs in den Grundzügen bestätigt; sie sind im Folgenden chronologisch geordnet dargestellt: 1. Mit Urteil vom 9.3.200438 hat das Bundesverfassungsgericht die Besteuerung der sog. Spekulationsgewinne aus Wertpapiergeschäften gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 für nichtig erklärt. Im Anschluss an das sog. Zinsurteil vom 27.6.199139 betont das Bundesverfassungsgericht, dass nach dem Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug die in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fallende, strukturell gegenläufige Erhebungsregel in Zusammenwirken mit der zu vollziehenden materiell-rechtlichen Steuernorm deren Verfassungswidrigkeit begründet. Strukturell gegenläufig wirkten sich Erhebungsregeln gegenüber einem Besteuerungstatbestand aus, wenn sie dazu führten, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden könne. Einen solchen strukturellen Erhebungsmangel hat das Bundesverfassungsgericht – ebenso wie der vorliegende IX. Senat des Bundesfinanzhofs – bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 angenommen. Auch wenn gesicherte
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37 BFH v. 16.7.2002 – IX R 62/99, BFHE 199, 451, BStBl. II 2003, 74; zur Entscheidung des BVerfG v. 9.3.2004 s. unten unter V.1. 38 BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl. II 2005, 56. 39 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl. II 1991, 654.
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Kenntnisse über das tatsächliche Ausmaß steuerlich nicht erfasster Spekulationsgewinne und korrespondierender Steuerausfälle wirkten, so lieferten zum Einen Diagnosen der Verwaltungswirklichkeit in Verbindung mit Analysen des Verfahrensrechts tragfähige Grundlagen für die Feststellung wesentlicher tatsächlicher Erhebungsdefizite und zum Anderen gelte es, eklatante verfahrensrechtliche Mängel im Hinblick auf die Anforderungen an ein gleichmäßigen Gesetzesvollzug im Steuerrecht angemessen zu gewichten. 2. Mit seinem Beschluss vom 21.6.200640 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts – entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs – entschieden, dass die Beschränkung der Tarifbegrenzung auf gewerbliche Einkünfte durch § 32c EStG a. F. mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Einkünften finde ihre Rechtfertigung in dem Anliegen, Zusatzbelastungen durch die Gewerbesteuer zu kompensieren, sowie in dem zugrunde liegenden Konzept wirtschaftspolitischer Förderungs- und Lenkungszwecke. Zum Ausschluss der Beteiligungseinkünfte aus der begünstigenden Regelung stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft gegenüber den Anteilseignern einen hinreichenden sachlichen Grund für eine unterschiedliche Besteuerung darstelle. 3. Mit Beschluss vom 7.11.200641 hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts in Übereinstimmung mit dem vorliegenden II. Senat des Bundesfinanzhofs das geltende Erbschaftsteuerrecht maßgebend verfassungsrechtlich beanstandet. Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil sie an Steuerwerte anknüpfe, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genüge. Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage müsse wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am Gemeinwert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssten gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den Gemeinwert erfasst würden. Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung dürfe der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber zu einer verfassungskonformen Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts bis spätestens 31.12.2008 verpflichtet und das geltende Recht bis zu diesem Zeitpunkt für anwendbar erklärt.
__________ 40 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BGBl. I 2006, 1857. 41 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BGBl. I 2007, 194.
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4. Im Anschluss an sein Urteil vom 7.12.199942 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 15.1.200843 die Beurteilung des I. Senats des Bundesfinanzhofs in dessen Vorlagebeschluss vom 18.7.200144 dahin bestätigt, dass der Vermittlungsausschuss im Verfahren zum Erlass des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29.10.1997 seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen überschritten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat gleichwohl von einer Nichtigkeitserklärung abgesehen, weil das Gericht seine Grundsätze zur Funktion des Vermittlungsausschusses erst mit seinem Urteil vom 7.12.199945 und damit nach Abschluss des zu beurteilenden Gesetzgebungsverfahrens konkretisiert hatte. Auf diesem zeitlichen Zusammenhang hat nunmehr der I. Senat mit seiner erneuten Vorlage vom 27.8.200846 zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses in Zusammenhang mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 abgestellt, das am 22.12.1999, mithin nach Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7.12.1999 verabschiedet worden ist. 5. Mit Beschluss vom 13.2.200847 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums nicht nur das sog. sächliche Existenzminimum schützt. Auch Beiträge zur privaten Versicherung für den Krankheits- und Pflegefall könnten Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein. Für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwandes ist nach dieser Entscheidung auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen. Der Gesetzgeber ist nach dieser Entscheidung verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1.1.2010 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die vom X. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Vorlagebeschluss vom 14.12.200548 beanstandeten Regelungen weiter anwendbar. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Ermangelung einer Neuregelung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und zur privaten Pflegeversicherung bei der Einkommensteuer in vollem Umfange als Sonderausgaben abzugsfähig sind. 6. Mit seinem jüngsten Urteil vom 9.12.200849 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts die ihm vom VI. Senat des Bundesfinanzhofs vorgelegte Neuregelung zur sog. Pendlerpauschale in § 9 Abs. 2 EStG für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar beurteilt und den Gesetzgeber verpflichtet, rückwirkend auf den 1.1.2007 die Verfassungswidrigkeit durch Umgestaltung der Rechtslage zu be-
__________ 42 43 44 45 46 47 48 49
BVerfG v. 7.12.1999 – 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl. II 2000, 162. BVerfG v. 15.1.2008 – 2 BvL 12/01, BGBl. I 2008, 481. Siehe Fn. 16. BVerfG v. 7.12.1999 – 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl. II 2000, 162. Siehe Fn. 19. BVerfG v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, BGBl. I 2008, 540. Siehe Fn. 33. BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 und 2 BvL 2/08, DStR 2008, 2460.
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seitigen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung ist die Pauschale des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG – vorläufig – ohne die Beschränkung auf Entfernungen erst ab dem 21. Kilometer anzuwenden; dies bedeutet im Ergebnis, dass die sog. Pendlerpauschale alten Rechts zunächst Anwendung findet. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit: Der mit der beanstandeten Neuregelung vorgenommenen Einführung des sog. Werkstorprinzips fehle unter Berücksichtigung des Erfordernisses folgerichtiger Ausgestaltung der einkommensteuerrechtlichen Belastungsentscheidungen eine hinreichende sachliche Begründung für die Abkehr vom Veranlassungsprinzip bei der Abgrenzung der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage. Das im Gesetzgebungsverfahren fast ausschließlich angeführte Ziel der Haushaltskonsolidierung könne trotz aller auch verfassungsrechtlichen Dringlichkeit für sich genommen die Neuregelung nicht rechtfertigen. Förder- und Lenkungsziele, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Rechtfertigungsgrund für eine Steuerbelastung geeignet erschienen, seien im Streitfall nicht erkennbar. Auch Typisierungs- und Vereinfachungszwecke lieferten keine tragfähige Begründung; denn es handele sich bei der Neuregelung gerade nicht um eine typisierende Bewertung und Erfassung des unterschiedlichen Gewichtes der privaten und beruflichen Anteile an der Kostenveranlassung, sondern um eine ausschließlich quantitativ am Ergebnis eines erhöhten Steueraufkommens orientierte Tatbestandsabgrenzung. Schließlich fehle es auch an einem den Gesetzgeber „befreienden“ grundlegenden Systemwechsel oder einer neuen Zuordnungsentscheidung.
VI. Resümee Die dargestellten Rechtsprechungsergebnisse machen deutlich, dass die Organe der dritten Gewalt ihre Aufgabe, den Steuergesetzgeber immer wieder an die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Schranken zu erinnern, nachhaltig wahrnehmen. Bundesfinanzhof und Bundesverfassungsgericht wirken hierbei nach meinem Eindruck in gelungener Weise zusammen: So hat das Bundesverfassungsgericht die in den letzten zehn Jahren vom Bundesfinanzhof50 gezielt ausgewählten und vorgelegten Verfahren jeweils zum Anlass für Grundsatzentscheidungen genommen. Es hat dabei von den ihm zur Verfügung stehen-
__________ 50 Bei dieser Gelegenheit muss darauf hingewiesen werden, dass auch die Finanzgerichte wichtige Richtervorlagen an das BVerfG adressiert haben, die dieses zu Grundsatzentscheidungen veranlasst hat. So sind z. B. das Urteil zur Steuerfreiheit des Existenzminimums (BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5, 9, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) auf Vorlagen des Finanzgerichts Münster, des Niedersächsischen Finanzgerichts sowie des Finanzgerichts des Saarlandes und der Beschluss zur steuerlichen Gleichbehandlung von gesetzlichen Renten und Pensionen (BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl. II 2002, 618) auf Vorlage des Finanzgerichts Münster ergangen, dem Urteil zur Neuregelung der sog. Pendlerpauschale (BVerfG v. 9.12.2008, s. Fn. 49) liegen neben den Vorlagen des BFH auch solche des Niedersächsischen Finanzgerichts und des Finanzgerichts des Saarlandes zugrunde.
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den Möglichkeiten in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht: So hat es – wie oft in früheren Jahren – konkrete, zeitlich befristete Aufträge an den Gesetzgeber erteilt (so z. B. zur Erbschaftsteuer51 und zur steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung52), aber auch eine verfassungswidrige Norm für nichtig erklärt (die Besteuerung der sog. Spekulationsgewinne aus Wertpapiergeschäften gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 199853) oder – soweit ersichtlich erstmals – eine rückwirkende Gesetzesänderung angeordnet und hierzu eine vorläufige Regelung getroffen (zur sog. Pendlerpauschale). Weitere grundsätzliche Entscheidungen werden von der Praxis mit Spannung erwartet, so z. B. zur Frage des Vertrauensschutzes bei rückwirkend belastenden steuerrechtlichen Regelungen oder zu den verfassungsgerichtlichen Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot. Die zunehmende Dichte verfassungsgerichtlicher Vorgaben wird in der Steuerpolitik gelegentlich beklagt. Sie sollte aber nicht als hinderliche oder störende Einschränkung empfunden, sondern als Auftrag an den Steuergesetzgeber verstanden werden, sich unter stringenter Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe intensiv um ein gerechtes und insbesondere auch verständliches Steuerrecht zu bemühen, um auf diesem Wege wieder ein höheres Maß an Akzeptanz zu gewinnen.
__________ 51 Siehe oben unter V.3. 52 Siehe oben unter V.5. 53 Siehe oben unter V.1.
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Steuerberatung – auf rechtsunsicherem Fundament Inhaltsübersicht I. Der Steuerberater als „Organ der Rechtspflege“ II. Die Folgen der Steuerberatung auf unsicherem rechtlichen Fundament III. Risikosphären der Steuerberatung 1. Rechtsunsicherheiten der Steuerdeklarationsberatung a) Zur tatsächlichen Seite b) Zur rechtlichen Seite: Steuerrechtlich erhebliche Tatsachen
2. Rechtsunsicherheit begleitet die Steuerdurchsetzungsberatung a) Gegen unnötige Zugangshürden b) Über Erfolgsaussichten in der Sache 3. Steuergestaltungsberatung auf rechtsunsicherem Fundament a) Steuergestaltungsberatung als Rechtsberatung b) Fehlen sicherer Planbarkeit IV. Steuerberatung tut not V. Ausblick
Harald Schaumburg, der Schüler und Freund, dem dieser Beitrag zu seinem 65. Geburtstag gewidmet ist, kann auf eine große Lebensleistung, auf ein erfülltes Leben als hochangesehener steuerberatender Jurist zurückblicken, zugleich hat er viele Jahre als besonders befähigter, erfolgreicher Lehrer des internationalen Steuerrechts an der Universität Köln gewirkt. Sein Bekenntnis zur „Kölner Denkschule des Steuerrechts“ hat er 2008 auf einem Symposium zum Thema „Nachhaltige Steuerpolitik“ so formuliert: „Steuerpolitik ist Steuerrechtspolitik und nur dann erfolgreich, wenn hierdurch dem Bürger das Steuerrecht als Gerechtigkeitsordnung vermittelt wird. Nur unter diesen Voraussetzungen wird es gelingen, dass von Gesetzes wegen auferlegte Lasten akzeptiert werden.“ Dieses Statement ist deshalb so wertvoll, weil es nicht bloß ein steuerethisches Bekenntnis enthält, sondern auch eine Erkenntnis, die auf langjährige Erfahrung mit steuerberatenen Bürgern beruht1. Harald Schaumburg wird sich sicher nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, sondern seine Lebensleistung noch abrunden wollen. Für die Steuerrechtswissenschaft wäre es sehr förderlich, wenn es ihm noch gelingen würde, eine 3. Aufl. seines Meisterwerkes „Internationales Steuerrecht“ vorzulegen.
__________ 1 Jochen Thiel, auch er ein „Kölner“, hat den von H. Schaumburg formulierten Leitgedanken auch schon zitiert und einen Beitrag vorangestellt, in dem er – ganz musterhaft – „schulmäßig“ begründet, dass die wertungswidersprüchliche Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften (§ 8c KStG) verfassungswidrig ist (in dieser Schrift S. 515). Durch den vorzüglichen Beitrag von J. Thiel ist ein weiteres Mal dargetan worden, dass die prinzipienorientierte Theorie der Kölner Schule sich praktisch bewährt.
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I. Der Steuerberater als „Organ der Rechtspflege“ Steuerberatung ist Steuerrechtsberatung, ist steuerrechtsabhängig, an das Steuerrecht gebunden2. § 2 Abs. 1 der Berufsordnung der Steuerberater3 bestimmt: „Der Steuerberater ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.“ Damit schließt sich die Steuerberater-Berufsordnung an den für Rechtsanwälte geltenden § 1 BRAO an, obwohl das Steuerberatungsgesetz keine solche Feststellung enthält und auch nicht alle Rechtsanwälte mit der Bezeichnung oder Auszeichnung als „Organ der Rechtspflege“ zufrieden sind4. § 2 Abs. 1 der Berufsordnung der Steuerberater ist von der Satzungsversammlung der Steuerberaterkammer aufgrund der Ermächtigung der §§ 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; 86a StBerG beschlossen worden5. Die Berufsbezeichnung „Steuerrechtsanwalt“ statt „Steuerberater“ wäre auch nicht falsch. Und die Anwaltsrobe könnte man m. E. ohne weiteres auch den (vor den Finanzgerichten auftretenden) Steuerberatern gestatten. Der Begriff „unabhängiges Organ“ drückt aus, dass der Steuerberater – wie der Rechtsanwalt – nicht abhängig ist von seinen Mandanten sowie von Behörden und Gerichten, dass er nur durch das Recht fremdbestimmt ist, dass er dem Recht zu dienen, dafür zu sorgen hat, dass das Recht sich durchsetzt – zugunsten des Mandanten. Die Unabhängigkeit der Steuerberater kommt allerdings auch schon zum Ausdruck in § 57 Abs. 1 StBerG (dazu § 2 SteuerberaterBerufsordnung). Der Steuerrechtspflege der Steuerberater dient es vor allem, wenn sie sich dafür einsetzen, dass der Mandant nicht mehr Steuern zahlen muss als das Gesetz vorsieht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Steuerberatung „ein Teil der Rechtsberatung. Die Berufsaufgaben der Steuerbevollmächtigten [heute Steuerberater] dienen der Rechtspflege, einem wichtigen Gemeinschaftsgut. Das Leitbild des Gesetzgebers ist der Steuerbevollmächtigte, der als Mittler zwischen dem Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden dafür eintritt, dass Steuern gerecht erhoben werden. Der Steuerbevollmächtigte nimmt die Interessen seiner Klienten wahr und hat zugleich eine Vertrauensstellung gegenüber den Finanzbehörden und -gerichten“
__________
2 Unter Steuerberatung verstehe ich in diesem Beitrag nicht nur die Tätigkeit der Steuerberater i. e. S., sondern auch die der zur Steuerberatung zugelassenen Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, auch die Beratungstätigkeit in Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie in berufsübergreifenden steuerberatenden Gesellschaften. Es werden allerdings auch Vorschriften erörtert, die nur Steuerberater i. e. S. betreffen. 3 Von der Berufsordnung werden auch Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften erfasst, nicht aber Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. 4 A. Raupach hat 1996 zur Freundesgabe für F. J. Haas mit einem Aufsatz beigetragen, der den Titel trägt: „Die Anwaltschaft auf dem Weg vom „Organ der Rechtspflege“ zum „Anwalt 2000“? Ich meine allerdings, dass auch die Rechtsanwälte des Jahres 2000, soweit sie Rechtsdienstleistungen erbringen, noch „Organ der Rechtspflege“ genannt werden dürften und sollten. 5 Soweit der Begriff „Organ der Rechtspflege“ kritisiert wird: Die Begriffe „Diener des Rechts“ oder „Rechtsdienstleister“ wäre auch nicht passender. Der als Begründer der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre geltende F. Findeisen hat in einem Artikel in der Frankfurter Zeitung vom 10.11.1919 den Begriff „Steueranwalt“ verwendet.
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(BVerfGE 21, 173, 179; 54, 301, 316 f.; 59, 302, 317). – Das Bild des Mittlers ist m. E. nicht korrekt. Der Steuerberater hat nicht zwischen seinem Mandanten und dem Finanzamt zu vermitteln. Organe der Rechtspflege sind auch die (Finanz-)Behörden, die Gerichte und die Staatsanwälte (besser: Staatsrechtsanwälte). Ihnen gegenüber sind die Steuerberater gleichberechtigte Organe der Rechtspflege. Das bringt § 9 Abs. 1 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts besonders zum Ausdruck. Das heißt: Der Steuerberater darf und soll die Rechte seiner Mandanten unerschrocken, selbstbewusst und nachdrücklich vertreten und nur solche Pflichten für Mandanten erfüllen, die sich aus dem Gesetz ergeben. Einen obrigkeitsrechtlichen Akzent hat der Begriff „Organ der Rechtspflege“ nicht. Die gleichberechtigten Organe der Rechtspflege haben einander freilich zu respektieren, einander insbesondere sachlich zu begegnen. Dass Steuerberater bestandskräftige und rechtskräftige Urteile (die Mandanten betreffen) zu beachten haben, versteht sich. Für die Steuerberater und Steuerbeamten gelten zwar dieselben Gesetze, beide sind „Organe der Rechtspflege“6. Da die Gesetze aber auslegungsfähig sind, kann es dazu kommen, dass Steuerberater und Steuerbeamte Gesetze unterschiedlich auslegen. Das souveränste „Organ der Rechtspflege“ ist der Gesetzgeber. Leider nimmt er seine Aufgabe nicht so wahr, wie es rechtsstaatlich geboten wäre. Darunter leiden Steuergerechtigkeit und Steuerrechtssicherheit – und nicht zuletzt alle Steuerrechtsanwender. Näher dazu unten II.
II. Die Folgen der Steuerberatung auf unsicherem rechtlichen Fundament Die Steuerrechtspflege, die Fürsorge und Vorsorge für das Steuerrecht, ist durch die Steuergesetze gebunden und wird beeinflusst durch Steuerrichtlinien und andere Verwaltungsvorschriften sowie durch die Rechtsprechung. Dadurch entsteht die Rechtslage7. Je unsicherer die Rechtslage ist, desto schwieriger wird die Rechtspflege durch Rechtsanwendung, Steuerrechtsplanung und -gestaltung. Konkret wird die Rechtspflege erschwert durch Gesetze, – die sich nicht an Rechtsprinzipien und -regeln orientieren, gegen die Gebote der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit verstoßen und dadurch der Prinzipien- und Regelsicherheit den Boden entziehen, – die wegen ihrer Gesamtstoffmasse von Einzelnen nicht mehr zu übersehen, geschweige denn zu beherrschen sind, zumal wenn sie gegen die Gebote guter Gesetzestechnik verstoßen,
__________ 6 Dazu R. Seer, Der Finanzbeamte – Fiskalist oder Steuerrechtspfleger?, SteuStud. 1999, 294. 7 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung Bd. 12, 2003, S. 168 f.; s. auch J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 61 f. m. w. N.
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– die durch ständige Änderei die Rechtslage destabilisieren und die Steuerberater desorientieren, zumal wenn nur noch mit großem Zeitaufwand festgestellt werden kann, welche Gesetzesfassung von wann bis wann gegolten hat, – die durch Vergangenheitsbezug und wegen fehlender oder unzureichender oder unangemessener Übergangsregelungen nicht oder nicht hinreichend Rücksicht nehmen auf Steuerplanungen und -dispositionen. Die Rechtspflege wird ferner beeinträchtigt durch Änderung und Rückwirkung von Verwaltungsvorschriften, durch eine unübersichtliche Ministerialerlassund OFD-Verfügungspraxis sowie durch sog. Nichtanwendungserlasse, auch durch Rechtsprechungsänderungen und durch eine besonders lange Prozessdauer. Unter der unsicheren Rechtslage leiden zwar alle mit der Anwendung der Steuergesetze Befassten: Steuerberater, Steuerbeamte, Steuerrichter. Die Steuerberater sind aber weitaus am Stärksten betroffen. Sie müssen Risiken tragen, die Beamte und Richter nicht treffen. Für Steuerbeamte sieht § 32 AO eine Haftungsbeschränkung vor; sie dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn die fehlerhafte Behandlung eines Falles auf einer mit Strafe bedrohten Amtspflichtverletzung beruht wie Bestechlichkeit, Rechtsbeugung. Richter können nur wegen Rechtsbeugung belangt werden; aber das gehört ins Reich der Theorie. Jedenfalls, wer das Gesetz bewusst falsch anwendet, weil er bestochen worden ist oder weil er es beugen will, begeht keine Fehler wegen unsicherer Rechtslage. Auch die an der Steuergesetzgebung Mitwirkenden werden nicht zur Verantwortung gezogen, weil die schlechte Qualität ihrer Gesetze die Gesetzesanwender verunsichert, Anwendungsfehler auslöst8. Der Steuerberater befindet sich in einem Dilemma. Ob es um eine umfassende oder punktuelle, um eine retrospektive oder prospektive Beratung geht: Das Gros der Steuerbürger erwartet eine Beratung, die zu möglichst niedrigen Steuern führt. Die Zivilgerichte, die über Schadensersatzansprüche gegen Steuerberater zu entscheiden haben, halten die erwähnte Erwartung der Mandanten für gerechtfertigt, sofern sie die Grenze des Legalen nicht überschreitet. Nicht wenige Mandanten, die durchweg selbst keine Steuergesetze besitzen, sich der Schwierigkeiten, die mit ihrer Anwendung verbunden sind, nicht bewusst sind, erwarten einen perfekten, allwissenden, unfehlbaren Berater und sind mit Schadenseratzansprüchen wegen mangelhafter Beratung schnell bei der Hand. Und die Zivilgerichte, die keine Erfahrungen mit der Situation von Steuerberatern haben, verlangen viel, nicht selten auch zu viel: Der Steuerberater soll die Steuergesetze kennen müssen, mindestens das Bundessteuerblatt und die Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ zur Kenntnis nehmen müssen, Verwaltungsvorschriften und BFH-Urteile berücksichtigen müssen (die seine Mandanten betreffen könnten). Der Steuerberater soll sich so weiterbilden, dass er trotz der ständigen Gesetzesänderei immer auf dem neuesten
__________ 8 Dazu K. Tipke, StuW 2007, 201 (214).
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Stand der Rechtslage ist (dazu § 57a StBerG; § 4 Abs. 2 BOStB) und für Zwecke der Steuerplanung auch werdende oder geplante Gesetze registrieren müssen. Er soll, auch ungefragt, über Steuersparmöglichkeiten belehren und evtl. Zusagen einholen. Den Steuerbescheid soll er auf Fehler überprüfen. Allerdings gehen die Meinungen der Zivilgerichte über Pflichten der Steuerberater auseinander. Die „scharfen“ Richter verlangen so viel, dass ein Einzelberater zu seiner Information so viel lesen müsste, dass ihm für die eigentliche Beratung und Hilfeleistung gar keine Zeit bliebe, wollte er nicht auch auf seinen Schlaf verzichten. In Grenzen kann der Steuerberatervertrag schützen. Dem Ausschluss von Haftungsansprüchen sind aber Grenzen gesetzt (s. § 67a StBerG). J. Hey formuliert es so: „Das unsichere Steuerrecht überfordert auch den steuerlichen Berater. Mit zunehmender Rechtsunsicherheit steigt das Berufsrisiko. Komplexität und permanenter Wechsel des Steuerrechts stellen kaum noch erfüllbare Anforderungen an die Sorgfalt des Steuerberaters … Beratung in Unkenntnis steuerlicher Neuerungen löst als Beratungsfehler Schadensersatzforderungen aus … Die richterrechtlich konkretisierten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Steuerberaters sind hoch.“9 J. Hey spricht zutreffend von „gefahrgeneigter Tätigkeit“ des Steuerberaters und von der Steuerberaterhaftung als „Gefährdungshaftung“10. Nicht selten belasten Haftpflichtauseinandersetzungen das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant dauerhaft. So sind es vor allem die Steuerberater, die die Fehlleistungen des Gesetzgebers ausbaden müssen. Das soll allerdings nicht heißen, dass es sachgerechter wäre, wenn die Steuerberater den schwarzen Peter der Unzumutbarkeiten grundsätzlich an ihre Mandanten weitergeben dürften. Die Steuerpflichtigen sind für die schlechte Qualität der Steuergesetze ebenso wenig verantwortlich wie ihre Berater. Verständnislose Staatsanwälte und Strafrichter können andererseits Steuerberater vorschnell auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich (s. insbesondere §§ 370, 378 AO) verstricken. Die Strafsachenstellen der Finanzämter pflegen allerdings, zumal sie auch die durch den Steuergesetzgeber ausgelösten Schwierigkeiten kennen, Verständnis für die Situation der Steuerberater zu zeigen. Lässt sich doch eine Mittäterschaft des Steuerberaters oder seine Beteiligung an der Steuerhinterziehung des Mandanten nachweisen, so haftet der Berater nach § 71 AO für die verkürzten Steuern und ihre Verzinsung11. Strafbare Handlungen gehören zu den Berufspflichtverletzungen des Steuerberaters, die auch berufsgerichtlich geahndet werden können (s. §§ 89 ff. StBerG), in besonders schweren Fällen sogar mit der Ausschließung aus dem Beruf (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 StBerG). Nach § 10 StBerG müssen die Finanzämter Berufspflichtverletzungen der für ihre Ahndung zuständigen Stelle mitteilen. Dem hohen Risiko versuchen viele Steuerberater dadurch zu entgehen, dass sie sich in Gesellschaften einbringen, um sich spezialisieren zu können. Die
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9 J. Hey (Fn. 7) S. 94 ff. mit weiteren detaillierten Ausführungen; s. auch, a. a. O., S. 26. – Dazu Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung3, 1998. 10 J. Hey (Fn. 7), S. 95, 97. 11 Dazu H. Pump/W. Leibner, AO-StB 2004, 35.
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Spezialisierung hat allerdings den Nachteil, dass die Steuergesetze tendenziell als eine Anhäufung von Spezialfragen gesehen werden. Der zur Aufdeckung von Lücken, Inkonsequenzen und Widersprüchen erforderliche Gesamtüberblick wird dadurch leicht mehr und mehr vernachlässigt und kann schließlich überhaupt verloren gehen12.
III. Risikosphären der Steuerberatung Vorbemerkung: § 33 StBerG benennt die unterschiedlichen Aufgaben13 der Steuerberatung. G. Rose hat die Tätigkeiten der „Steuerdeklarationsberatung“, der „Steuerdurchsetzungsberatung“ und der „Steuergestaltungsberatung“ unterschieden14. Diese Differenzierung ist m. E. auch brauchbar für die Unterscheidung von Risikosphären, wenn man Annextätigkeiten vernachlässigt15. 1. Rechtsunsicherheiten der Steuerdeklarationsberatung a) Zur tatsächlichen Seite Die Steuerdeklarationsberatung besteht in der Hilfeleistung bei der Erfüllung der Steuererklärungspflicht und den Vorbereitungshandlungen dazu. Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuererklärungen grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben16. § 150 Abs. 2 AO bestimmt dazu: „Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Dies ist, wenn der Vordruck es vorsieht, schriftlich zu versichern.“ Obwohl die Steuererklärungsformulare überwiegend nicht unmittelbar nach Tatsachen17 zu fragen pflegen, sondern nach Besteuerungsmerkmalen und Besteuerungsgrundlagen: Nur Tatsachen können wahr
__________ 12 A. Raupach formuliert es so: „Bei einer integrierten wirtschafts- und steuerrechtlichen Beratung erfordert auch die Spezialisierung einen Generalisten mit einer guten Grundausbildung und Befähigung zum systematischen Denken; erst darauf kann eine sinnvolle Spezialisierung aufbauen“ (Freundesgabe für F. J. Haas, 1996, S. 253 [282]). 13 Die Paragraphen-Überschrift „Inhalt der Tätigkeit“ ist darauf terminologisch nicht abgestimmt. 14 S. z. B. Einführung in den Beruf des Steuerberaters2, 1995, S. 38. G. Rose spricht von Beratungssegmenten. 15 Zu Annextätigkeiten § 39 BOStB und § 5 RDG (dazu die DStV-Arbeitshilfe „Vereinbare Tätigkeiten der steuerberatenden Berufe, 2005; A. Pestke, Das Rechtsdienstleistungsgesetz aus der Sicht der Steuerberater – Neue Möglichkeiten, Stbg. 2008, 502 ff.). 16 Ich gehe hier nicht auf die Rolle der Steuerberater in einer elektronisch arbeitenden Finanzverwaltung ein; dazu R. Seer, DStR 2008, 1661. Seer analysiert das finanzbehördliche sog. E-Government am Maßstab des rechtsstaatlichen Steuervollzugs sowie die kooperative Einbindung der steuerberatenden Berufe in den Entwicklungsprozess. S. auch R. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 21 Rz. 183 m. w. N. in Rz. 227. 17 Die Frage nach dem Familienstand und nach Kindern betreffen z. B. Tatsachen.
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oder unwahr sein, nicht Rechtsauffassungen; Rechtsauffassungen können nur richtig oder unrichtig (zutreffend oder unzutreffend) sein18. b) Zur rechtlichen Seite: Steuerrechtlich erhebliche Tatsachen Das Gesetz interessiert sich nicht für beliebige Tatsachen oder Sachverhalte, sondern entsprechend dem Übermaßverbot nur für steuerrechtlich erhebliche. Das erwähnt § 150 AO zwar nicht ausdrücklich, ist aber selbstverständlich. Unerhebliche Sachverhalte müssen nicht aufgeklärt werden. Andere Vorschriften bringen diese Selbstverständlichkeit auch zum Ausdruck19. Die Steuerpflichtigen mögen Sachverhalte, die steuererheblich sein können, in der Regel besser kennen als der bevollmächtigte Steuerberater. Aber die „steuerrechtliche Erheblichkeit“ ist eine Rechtsfrage. Diese Rechtsfrage können Steuerlaien in der Regel nicht beantworten. Daher engagieren viele von ihnen Steuerberater. Das Gesetz nimmt diese Realität aber nicht zur Kenntnis. Mag die Terminologie des § 150 Abs. 2 AO auch nicht korrekt sein: Nach der Vorstellung und dem Willen des Gesetzgebers sollen die Steuerpflichtigen – ob Steuerlaien oder nicht – die Verantwortung für die Steuererklärung übernehmen, und zwar auch für die rechtliche Seite, für die steuerrechtliche Erheblichkeit. Das muss man jedenfalls dem § 150 Abs. 3 AO entnehmen, wonach grundsätzlich der Steuerpflichtige selbst, nicht sein Steuerberater, die Steuererklärung zu unterschreiben hat. Damit überfordert das Gesetz die steuerpflichtigen Laien. Es bürdet ihnen eine Verantwortung auf, die diese nicht tragen können. Das gilt auch für Autodidakten mit steuerrechtlichem Halbwissen. Selbst wenn man das durch § 150 Abs. 2 AO eingesetzte Gewissen auch auf die rechtliche Seite bezieht: Wer kein Steuergesetz und keine Rechtsprechung kennt, ist nicht in der Lage, diese Lücke durch das Gewissen – mag es auch noch so sensibel sein – auszufüllen. Wäre es anders, bräuchten wir keine juristische oder betriebswirtschaftliche Ausbildung, keine steuerrechtliche Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt und zum Steuerberater. Die Berufung auf das Gewissen in § 150 Abs. 2 AO müssen wir m. E. schlicht als „gewissenhaft“ im Sinne von „sorgfältig“ verstehen20.
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18 Auch der Sachverhalts- oder Tatsachenvortrag kann allerdings als richtig oder unrichtig bezeichnet werden. § 95 Abs. 1 Satz 1 AO spricht von der „Richtigkeit von Tatsachen“. 19 So z. B. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO („für die Besteuerung erhebliche Tatsachen“); § 91 Abs. 1 („für die Entscheidung erhebliche Tatsachen“); § 200 Abs. 1 Satz 1 („Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können“); § 370 Abs. 1 Nrn. 1, 2 („steuerlich erhebliche Tatsachen“). 20 Es fällt auf, dass die Gesetzgebung schnell bereit ist, den Bürgern mit Wahrheitsversicherung und Gewissensappellen zu kommen, dass solche Appelle aber ausbleiben, wenn es um die an der Gesetzgebung Mitwirkenden oder um die auf diese Einwirkenden geht. Warum verlangt man von Interessenverbänden keine Wahrheitsversicherung mit Gewissensbezug? Warum gibt es keine Wahrheitspflicht für Politiker im Wahlkampf? Warum wird der Wahlbetrug, die Irreführung des Wählers nicht als Wahlbetrug geahndet? – § 119 Abs. 1 ÖBAO und § 124 DBG Schweiz enthalten keinen Bezug auf das Gewissen; dasselbe gilt für § 392 ZPO.
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Auch Steuergesetze sind auslegungsbedürftig. Mit juristischen Auslegungsmethoden sind Rechtslaien aber nicht vertraut. Selbst wenn sie meinen, einzelne Begriffe zu verstehen, sie sehen doch nicht, dass die Begriffe Teil eines dogmatischen Gefüges sind, das bei der Auslegung zu berücksichtigen ist. J. Isensee beschreibt die Realität so: „Der normale Bürger versteht nicht die Steuergesetze, die ihn angehen. Er kann seine eigene Steuererklärung nicht lesen, unterschreibt blind, was der Steuerberater vorbereitet hat und beteuert nach Formular, dass er seine Angaben wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe.“21 Der Rechtsstaat – so P. Kirchhof – „verlangt vom Erklärungspflichtigen etwas Unmögliches“22. „Der Steuerpflichtige … kann seine Steuererklärung aus eigenem Rechtsverständnis nicht verantworten … Er steht einem Gestrüpp von Steuerlenkungen, Ausnahmevorschriften und gesetzlichen Formulierungsmängeln gegenüber.“23 So ist die Realität. Gesetzgeber und Finanzverwaltung kennen sie, rühren sich aber nicht. So wie ein Verwaltungsakt, der aus tatsächlichen Gründen nicht befolgt werden kann, nichtig ist (s. § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO), so muss auch ein Gesetz nichtig sein, das Unmögliches verlangt. Wir sollten allerdings nicht suggerieren, es könnten Steuergesetze geschaffen werden, die so einfach und so verständlich sind, dass jeder Laie damit umgehen könnte und dass professionelle Steuerberatung überflüssig würde. Mit Illusionen lässt sich der Realität nicht beikommen. Gleichwohl, es ist verwunderlich, dass bisher jeder Steuerlaie seine Steuererklärung unterschrieben, keiner die Unterschrift verweigert hat, auch nicht auf den Rat von Steuerberatern. Das mag auch damit zusammenhängen, dass (nach meiner Kenntnis) Laien von den Finanzämtern großzügig behandelt werden. Die Strafsachenstellen beschäftigen sich kaum mit ihnen. Es scheint jedenfalls so, als nähmen die Finanzämter das unter Bezug auf das Gewissen Versicherte und Unterschriebene selbst nicht wirklich ernst. Allerdings, die Unterschrift muss her. Das sollte zu der Überlegung führen, ob die Unterschrift allein des Steuerberaters unter der Steuererklärung de lege ferenda nicht genügen sollte. Die Erbschaftsteuererklärung verlangt schon jetzt keine Unterschrift des Steuerpflichtigen (s. § 31 ErbStG). Legt ein Bevollmächtigter des Steuerpflichtigen Einspruch ein oder erhebt er Klage und trägt er zur Begründung des Rechtsbehelfs Tatsachen vor, so übernimmt er durch seine Unterschrift die Verantwortung für den Tatsachen- oder Sachverhaltsvortrag. Der Bevollmächtigte, nicht der Steuerpflichtige unterschreibt die Schriftsätze. Der Steuerberater, der beurteilen soll, ob Tatsachen steuererheblich sind, muss zwar die Tatsachen kennen, er soll – so die Praxis – aber nicht verpflichtet sein, seinem Mandanten wegen seiner Angaben mit Misstrauen zu begegnen; er soll sich auf ihn verlassen dür-
__________ 21 StuW 1994, 4. 22 DStR 2001, 913. 23 P. Kirchhof in Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 7.
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fen24. Das ist konsequent, wenn man Steuerpflichtigen die Verantwortung für den Sachverhaltsvortrag aufbürdet. Gleichwohl sollte die Frage, ob der Steuerpflichtige oder der Berater die Unterschrift zu leisten hat, allgemein für alle Steuerarten und für die Rechtsbehelfsverfahren nochmals überdacht werden. Nach § 102 der luxemburgischen Abgabenordnung (LGT) darf der Bevollmächtigte (mandataire) statt des Steuerpflichtigen unterschreiben. Es bleibt danach noch die Frage, ob Steuerberater gegenüber dem Finanzamt autonome Rechtsansichten vertreten dürfen? Was Steuerlaien betrifft, so braucht die Frage deshalb nicht gestellt zu werden, weil Steuerlaien, die keine Steuergesetze und keine Kommentare, auch keine Rechtsprechung dazu haben, auch keine (begründete) Rechtsmeinung haben können. Wie aber steht es bei Steuerberatern? Dürfen sie – als unabhängige, gleichberechtigte „Organe der Rechtspflege“ – die Steuergesetze eigenverantwortlich bis zur Grenze vertretbarer Auslegung anwenden? Darf ihre Auslegung auch den Richtlinien der Steuerverwaltung und der Rechtsprechung zuwiderlaufen? Dürfen sie sich zum Nachweis der Vertretbarkeit ihrer Meinung auf Aufsätze und Kommentare berufen? Die Abgabenordnung schweigt. Rechtsanwälte müssen (z. B. vor Zivilgerichten) nicht die Meinung der Gerichte vertreten, auch nicht die des obersten Gerichts. Sie müssen nur damit rechnen, dass das Gericht ihrer Meinung, die das Gericht zur Kenntnis nimmt, nicht folgt. Das Gericht hat das letzte Wort. Was die Finanzämter betrifft, so haben wir eine besondere Situation. Steuererklärungen sind keine Schriftsätze. Aus Steuererklärungen können die Veranlagungsbeamten regelmäßig nicht entnehmen, welche Rechtsauffassungen den mitgeteilten Quantitäten zugrunde liegen. Auch das vom BVerfG verlangte Verifizieren ist am grünen Tisch nur sehr begrenzt möglich. Daher wird vereinzelt die Auffassung vertreten, der Steuerberater habe Abweichungen von den Richtlinien der Finanzverwaltung und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Treu und Glauben dem Finanzamt zu offenbaren, damit es in den Stand versetzt werde, auf die abweichende Meinung zu reagieren25. Diese Lösung scheint mir de lege ferenda angemessen zu sein, zumal es nicht darum geht, Steuerpflichtige und Steuerberater an die Richtlinien zu binden; im Gerichtsverfahren würden die Steuerberater weiterhin das Recht haben, sich gegen einschlägige Richtlinienvorschriften zu wenden. Nur müsste das Gesetz diese Verpflichtung anordnen. Mit dem geltenden Gesetz ist sie nicht vereinbar. Das Gesetz sieht keine Abweichungsoffenbarung als Anlage zur Steuererklärung vor und im Steuererklärungsformular ist kein Platz dafür. Folglich ist eine solche Abweichungsoffenbarungspflicht mangels gesetzlicher Grundlage im Rechtsstaat nicht ableitbar, auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Auch R. Seer ist der Meinung: „Deshalb kann der Steuerpflichtige bzw. der Steuerberater grundsätzlich von der Rechtsauffassung der ein-
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24 G. Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt Lfg. 23, § 378 Rz. 113. 25 In diesem Sinne Krabbe in Koch/Scholtz, AO5, § 150 Tz. 4/1; E. Schlüchter, Steuerberatung im strafrechtlichen Risiko, 1986, S. 70 ff.; J. Danzer, DStJG Bd. 6 (1983), 94 ff.
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schlägigen Rechtsprechung und Finanzverwaltung stillschweigend abweichen. Dabei darf er allerdings keine Tatsachen unterdrücken, die auf der Basis der Rechtsprechung und Verwaltung steuerlich relevant wären.“26 Mehr gibt das Gesetz in der Tat nicht her. Pflichtenschaffende Eingriffsnormen müssen inhaltlich bestimmt sein. Der Gesetzgeber mag die Pflichten erweitern. Steuerlaien wissen ohnehin nicht, was steuerrechtlich relevant ist. Es geht hier nicht um zivilrechtliche Pflichten aus dem Beratervertrag, sondern um Pflichten gegenüber den Finanzbehörden. Die Pflichten, die der Steuerberater wahrnimmt gegenüber dem Finanzamt, sind nicht seine eigenen Pflichten, sondern die Pflichten seines Mandanten. Diese – abgeleiteten – Pflichten dürfen sich in der Person des Steuerberaters nicht verändern, insbesondere nicht verschärfen. Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger einen Steuerbevollmächtigten beauftragt, seine Pflichten wahrzunehmen, ändert am Inhalt der Pflichten nichts. Zweierlei Pflichten, solche für Steuerpflichtige ohne Berater und solche für Steuerpflichtige mit Berater (die vom Steuerpflichtigen mehr verlangen), darf es nicht geben. Was das Steuerstrafrecht betrifft: Wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung wird bestraft, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, ferner, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO). Bei den §§ 370, 378 AO handelt es sich um Blankettnormen, die mit Steuerrecht ausgefüllt werden müssen. Auch im Steuerstrafrecht kann es nur um Pflichten gehen, die in Steuergesetzen geregelt sind. Die Steuerstrafrichter dürfen nicht Kraft Strafphantasie Pflichten hinzuerfinden. Da die §§ 370, 378 AO an unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben über steuererhebliche Tatsachen anknüpfen, dürfen Rechtsauffassungen nicht sanktioniert werden, auch dann nicht, wenn sie von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung abweichen. Ein Steuerberater, der sich eine vertretbare Rechtsauffassung bildet, ohne die Richtlinien oder die Rechtsprechung geprüft zu haben, macht sich nach geltendem Recht weder strafbar, noch handelt er ordnungswidrig27. 2. Rechtsunsicherheit begleitet die Steuerdurchsetzungsberatung a) Gegen unnötige Zugangshürden Zu den Aufgaben der Steuerdeklarationsberatung wird i. d. R. auch die Überprüfung des Steuerbescheids auf seine Rechtmäßigkeit gehören. Die Unsicherheiten der Rechtslage und die Überlastung vieler Finanzämter führt dazu, dass ein großer Teil der Steuerbescheide rechtsunrichtig (rechtswidrig, fehlerhaft) ist. Die Fehler wird der Steuerberater seinem Mandanten mitteilen und mit
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26 R. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 21 Rz. 184. 27 S. auch schon K. Tipke in Tipke/Kruse, Komm. zur AO/FGO (Lfg. 108), § 150 Tz. 16; K. Tipke, Abhängigkeiten des Steuerstrafrechts vom Steuerrecht, FS für G. Kohlmann, 2003, S. 555 ff.; a. A. E. Schlüchter, Steuerberatung und strafrechtliches Risiko?, 1986, 70 ff.
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ihm über Rechtsbehelfe beraten, dazu einen Vorschlag machen. Als „Organ der Rechtspflege“ darf der Berater sich nicht scheuen, für die Durchsetzung seines Rechtsstandpunktes gegen das Finanzamt einzutreten. Seinen Rechtsstandpunkt wird er möglichst durch Rechtsprechung und Literatur abstützen. Steuerberater mit betriebswirtschaftlicher Vorbildung werden nicht stets auch zu Liebhabern des Verfahrensrechts. Ungern haben sie es mit solchen Richtern zu tun, die Steuerberater verfahrensrechtlich erziehen wollen und dazu neigen, Verstöße gegen Form- und Fristvorschriften gehörig zu sanktionieren. Nicht selten wird die Sanktion mit einer Art Mitleidsbekundung verbunden: „ Wir hätten Ihnen so gern zu Ihrem sachlichen Recht verholfen. Nur waren uns durch das Verfahrensrecht leider die Hände gebunden.“ Dass Juristen – verallgemeinernd gesagt – ein vertrauteres Verhältnis zum Verfahrensrecht haben als Steuerökonomen, ist verständlich. Ein sachliches Rechtsgespräch lässt sich nach meiner Erfahrung aber nicht selten besser mit Steuerökonomen führen. Es gibt unter Steuerjuristen und Steuerrichtern immer wieder auch solche, die sich durch übertriebene „Förmelei“ und „Fristelei“ hervortun, vielleicht auch froh sind, in die Sache selbst nicht einsteigen zu müssen. Sie sollten sich besser auf den Geist des § 89 AO und des § 76 Abs. 2 FGO besinnen. Das rechtsstaatliche Besteuerungs- und Rechtsbehelfsverfahren ist nicht als formaljuristisches Geschicklichkeitsturnier gedacht. Ohne eine Verfahrensordnung geht es nicht. Aber es dürfen keine Verfahrensbarrieren aufgebaut werden, die den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutz unnötig oder unzumutbar erschweren und mit Sachgründen nicht gerechtfertigt werden können28. Kein Steuerberater sollte auf einen Rechtsbehelf verzichten, weil er verfahrensrechtlich noch nicht versiert ist29. Er mag bedenken: Auch die Abgabenordnung und die Finanzgerichtsordnung sind keine perfekten Verfahrensgesetze30, und leider scheitern Kläger vor dem FG nicht selten auch noch immer an unnötigen Klagevoraussetzungen, u. U. schon an übertriebenem Unterschriftsformalismus und an Klageinhaltsformalismus31. Im Übrigen: Auch Finanzämter und Finanzgerichte machen Verfahrensfehler. § 127 AO lässt allerdings sachliche Richtigkeit vor Form- und Verfahrensfehler ergehen. § 127 AO ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten32. Nur für das Verfahren vor dem BFH besteht Vertretungszwang (s. § 62a FGO). Allerdings scheitern nicht ganz selten auch versierte, erfahrene Prozessvertreter an den vom BFH aufgestellten Hürden. Zu den Hürden der Nichtzulassungsbeschwerde stellt R. Seer fest: „Aufgrund der von der Rechtsprechung
__________ 28 Näher dazu K. Tipke, StuW 2004, 3 ff. Ich bin dort für ein geordnetes Verfahren zur Durchsetzung des Rechts eingetreten und habe mich gegen rechtsverweigernden, pedantischen Verfahrensformalismus ausgesprochen. 29 Dazu M. Streck: „Viele Steuerberater betrachten die steuerliche Auseinandersetzung demgegenüber als etwas ‚Krankhaftes‘. Stolz hört man Steuerberater sagen, in der eigenen Praxis gäbe es kaum Einsprüche und Klagen.“ „Der Berater darf aber auch keinen Streit aus Inkompetenz vermeiden.“ (Stbg.-Editorial 4/1996). 30 Dazu K. Tipke, Finanzgerichtsunordnung, StuW 1993, 213 ff. 31 Dazu StuW 2004, 15 ff. 32 Dazu StuW 2004, 5 f.
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aufgestellten Darlegungsanforderungen scheitern viele Nichtzulassungsbeschwerden bereits an der Zulässigkeitshürde … Die in BFH/NV dazu dokumentierte Rechtsprechung ist uferlos und vermittelt leider den Eindruck eines „Stolperdraht“-Rechts. Dies müsste nicht so sein. Die Neufassung der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO sollte dem BFH die Möglichkeit eröffnen, seinen strengen Anforderungen an die Darlegung der Revisionsgründe zu senken … Leider hat er von dieser Möglichkeit nur sehr zögerlich und halbherzig Gebrauch gemacht.“33 Nach Erschöpfung des finanzgerichtlichen Verfahrens können Steuerpflichtige selbst Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG; §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG) einlegen. Außerdem gibt es die Normenkontrollvorlage durch das FG und den BFH (Art. 100 Abs. 1 GG; §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG). Auch die vom BVerfG aufgestellten Zugangshürden sind hoch, sogar so hoch, dass dadurch sogar Finanzgerichte abgeschreckt werden34. Obwohl Steuerberater, die nicht auch Juristen sind, nicht vor dem BVerfG auftreten können, sich also für das Verfahren vor dem BVerfG an einen Juristenkollegen wenden müssen, tun sie gut daran, sich selbst auch einen Überblick über den verfassungsrechtlichen Rechtsschutz zu verschaffen35. Jeder Steuerberater weiß um die wachsende Bedeutung des europarechtlichen Rechtsschutzes. Die Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens haben keine Möglichkeit, die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes zu erzwingen. Sie dürfen die Gerichtsvorlage an den EuGH aber anregen und sollten eine solche Anregung dann auch fundiert begründen. Vor allem, wer es mit indirekten Steuern zu tun hat, kommt um das Europarecht nicht mehr herum. Aber auch die Bedeutung für die direkten Steuern wächst aufgrund der EuGH-Rechtsprechung36. b) Über Erfolgsaussichten in der Sache Wer die prozessualen Zugangshürden überwunden hat, hat den Prozess in der Sache, um die es doch eigentlich geht, noch nicht gewonnen. Bevor ein Prozess angestrengt wird, sollten die Erfolgsaussichten nüchtern erwogen werden. Ob ein Prozess Erfolg hat, hängt von den Richtern ab, die den Sachverhalt (in der Tatsacheninstanz) aufklären und die das einschlägige Gesetz auslegen und anwenden. Über die Gesetzesauslegungsmethode gibt es unter Juristen, insbe-
__________ 33 R. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 22 Rz. 254. Über überhöhte Zugangshürden des BFH auch K. Tipke, StuW 2004, 19 f. 34 Dazu R. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 22 Rz. 282. 35 Einen kritischen Überblick gibt R. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 22 Rz. 270–291. Kursorischer Überblick auch in J. Schmidt-Troje/Heide Schaumburg, Der Steuerrechtsschutz3, 2008, S. 335 ff. 36 Einen Überblick über den europarechtlichen Rechtsschutz bietet R. Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO (Lfg. 114), Okt. 2007 und in: Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 22 Rz. 300–309. Kursorischer Überblick über die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes auch in J. Schmidt-Troje/Heide Schaumburg, Der Steuerrechtsschutz3, 2008, S. 348 ff. dort auch zur Prozessvertretung (S. 352).
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sondere unter Theoretikern, viele Meinungsverschiedenheiten. Theoretische Rechtsmethodiker beklagen, dass sie die Gerichtspraxis kaum erreichen: Viele Richter seien methodenvergessen oder begnügten sich mit methodischem Blindflug. K. Muscheler stellt zur Praxis des BGH (in Zivilsachen) kritisch fest: „Es gibt kaum höchstrichterliche Urteile, die sich überhaupt explizit über Methodenfragen äußern, und wenn das ausnahmsweise geschieht, dann wird – im Bereich des Zivilrechts – allenfalls auf das klassische Methodenlehrbuch von Larenz verwiesen …“37 Die Kritik am BGH lässt sich nicht ohne weiteres auf den BFH übertragen. Die Finanzgerichte und der BFH sind vergleichsweise methodenbewusst. In den Senaten des BFH sitzen allerdings auch Richter mit unterschiedlichen methodischen Grundauffassungen38. Verständlicherweise spielt bei richterlichen Entscheidungen auch das Rechtsgefühl eine Rolle, das Gefühl für die Notwendigkeit einer gerechten, vernünftigen Entscheidung, die auf Akzeptanz rechnen kann. Der versierte, erfahrene Prozessvertreter weiß, dass auch Richter den Einflüssen der Tradition, Erziehung, persönlichen Lebensumstände, Mentalitäten etc. unterliegen. Sie kalkulieren bei der Prüfung der Erfolgsaussichten auch ein, welcher Richter, welcher Senat entscheidet. Gleichwohl werden Prozessbeteiligte und Fachöffentlichkeit immer wieder durch den Prozessausgang überrascht. Nach der Erfahrung eines versierten Prozessanwalts gibt es „weder eine 100 %ige Erfolgssicherheit noch eine 100 %ige Misserfolgsgarantie“39. Erfolgsprognosen können auch dadurch (unbewusst) beeinflusst sein, dass Prozessvertreter am Prozess verdienen40. Da Prognosen zu Gerichtsentscheidungen zwar etwas sicherer sind als Prognosen von Aktienanalysten, aber oft weniger sicher als professionelle Wetterprognosen, ist es wichtig, dem Mandanten objektiv darzulegen, was für, was gegen den Prozesserfolg spricht. Der Mandant mag dann entscheiden. Verlorene Prozesse sind in der Regel nicht geeignet, die Reputation des Prozessführers (Rechtsanwalts, Steuerberaters) zu verbessern. Geht es um eine Revision oder um eine Verfassungsbeschwerde, so sollte der Mandant auch über die relativ hohen Misserfolgsquoten informiert werden.
__________ 37 K. Muscheler, in FS für Hollerbach, 2001, S. 99 und ff. 38 Dazu auch mein Methodenaufsatz in StuW 2008, 377 ff. Ausführlicher zur Methode des BFH K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung Bd. III, 1993, S. 1275 ff. 39 Stbg.-Editorial 4/1996. 40 In den internationalen Grundsätzen des Standesrechts der Rechtsanwälte v. 25.7.1956 (abgedruckt als Anhang im Kommentar von Lingenberg/Hummel/Zuck/ Eich zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts2, 1988, S. 947 ff.) heißt es u. a.: „Der Rechtsanwalt soll niemals unnötige streitige gerichtliche Verfahren herbeiführen … Ein Rechtsanwalt soll niemals vergessen, dass er in erster Linie nicht sein Recht auf Vergütung für seine Dienste berücksichtigen sollte, sondern die Interessen seines Mandanten und die Erfordernisse der Rechtspflege“ (S. 949). Für Steuerberater sollte nichts anderes gelten. So auch M. Streck: „Kein Streit sollte aus dem persönlichen Interesse des Beraters begonnen werden. Nur das Interesse des Mandanten ist für den Start in den Streit entscheidend.“ (Stbg.-Editorial 4/1996).
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Sind Verfahren beim Verfassungsgericht anhängig, die sich auch auf die Steuer von Mandanten auswirken können, so muss der Steuerberater das Besteuerungsverfahren wegen § 79 BVerfGG offen halten. Die Finanzverwaltung pflegt allerdings zum Mittel der Vorläufigkeitserklärung zu greifen (§ 165 AO), um eine Prozessflut zu verhindern. Der Einspruch wird m. E. wegen der Vorläufigkeitserklärung aber nicht unzulässig. 3. Steuergestaltungsberatung auf rechtsunsicherem Fundament a) Steuergestaltungsberatung als Rechtsberatung Wohl niemand hat sich dem Thema „Steuerplanung und Steuergestaltung“ – „Planungs- und Gestaltungssicherheit“ eingeschlossen – so nachhaltig und engagiert angenommen wie der 2007 verstorbene Professor der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre und Steuerberater G. Rose41. Er hielt die Steuerplanung und die nachfolgende Umsetzung des Geplanten durch Steuergestaltung für die Hauptaufgabe der Steuerberatung. Während er die Steuerdeklarationsberatung42 und die Steuerdurchsetzungsberatung als eher juristische Tätigkeit ansah, meinte er, die Steuerplanung und -gestaltung zugunsten von Unternehmen sei „primär Wirtschaftsberatung“, nämlich „Beratung mit dem Ziel einer speziellen einzelwirtschaftlichen Optimierung der Belastung aus geltendem oder zu erwartendem Steuerrecht.“43 Diesen Unterschied sehe ich nicht. Einerseits dienen doch auch Steuerdeklarations- und Durchsetzungsberatung von Unternehmen der „Optimierung der Belastung“. Und andererseits ist auch die Steuerplanung- und -gestaltung an das Gesetz gebunden44. An anderer Stelle sagt G. Rose selbst: „ohne Beachtung des tatsächlich geltenden
__________ 41 Während es zur Frage, ob Steuergesetze rückwirken dürfen, eine uferlose Literatur gibt, hält sich die Literatur über Steuerplanung und Steuerplanungssicherheit in Grenzen; sie stammt im Übrigen fast nur von Steuerökonomen: J. Schlager, Einfluss der Steuerrechtsprognose auf die Risikopolitik der Unternehmung, in: Betriebswirtschaftslehre und Recht, 1979, 329; F. W. Wagner/H. Dirrigl, Die Steuerplanung der Unternehmung, 1980; D. Schneider, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre als Steuerplanungslehre oder als ökonomische Analyse des Steuerrechts, in FS für P. Scherpf, 1983, 21; D. Schneider, Rechtssichere Gesetzesanwendung und Steuerplanung, DStJG Bd. 5 (1982), 85; Th. Rödder, Steuerplanungslehre und steuerliche Gestaltungsfindung, BB 1988, Beil. 19; W. Wacker, Betriebliche Steuerplanung, in: Lexikon der deutschen und internationalen Besteuerung3, 1994, 680; K. Kaiser, Steuerberatung als Risiko-Management, Diss. Köln 1995. Die wichtigsten Beiträge von G. Rose zu diesem Thema sind gesammelt in: G. Rose, Steuerberatung und Wissenschaft, 2006, S. 45, 95, 149, 189, 217, 247, 261, 279, 303. 42 Die Steuerdeklarationsberatung bezeichnete er auch als „rein technische Hilfe bei der Erfüllung von Steuerdeklarationspflichten“ (G. Rose, Steuerberatung und Wissenschaft, 2006, S. 49 oben). M. E. ist die Steuerdeklarationsberatung Steuerrechtshilfe, nicht bloß technische Hilfe. 43 G. Rose (Fn. 42), S. 52; s. auch S. 64. 44 B. Rüthers führt in seiner Rechtstheorie4, 2008, S. 196 f. zutreffend aus: „Die Aufgabe der Rechtswissenschaft besteht aber genauso auch darin, den rechtsberatenden Berufen, Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftsjuristen, die möglichen rechtlichen Gestaltungsspielräume aufzuzeigen und auf rechtliche Risiken hinzuweisen …“
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Steuerrechts kann eine Betriebswirtschaftliche Steuerlehre nicht sinnvoll betrieben werden.“45 Ist also auch die Steuerplanungs- und -gestaltungsberatung ein Zweig der Steuerberatung, die auch Rechtsanwälten offen steht, so ist doch einzuräumen, dass für die Steuerplanung und -gestaltung Steuerökonomen i. d. R. doch besser gerüstet sind als für die Behandlung abgeschlossener Fälle ausgebildete Justizjuristen46. Angemerkt sei, dass D. Schneider die These, ein Unternehmer brauche Rechtssicherheit bei seiner Planung, also auch bei seiner Steuerplanung, in Frage stellt. Steuerplanung lohne ohnehin nur dann, wenn der Gewinn nach Steuern aus einer solchen Steuerplanung unter Abzug der Steuerplanungskosten über dem Gewinn jener Handlungsmöglichkeiten liege, die ohne Steuerplanung durchgeführt worden wären47. – Auch die Frage, ob Planung sich lohnt, ist nicht immer einfach zu beantworten. Nach G. Roses Vorstellung kann die Steuerplanungs- und -gestaltungslehre, die er wissenschaftlich48 ausbauen wollte, sich um so besser entfalten, je mehr Steuergesetzeslücken, steuerrechtsfreie Räume und Ungleichbelastungen aufgedeckt werden, je mehr Wahlrechte die Steuergesetze einräumen. Aber entsprechen solche Gesetze dem Gleichheitssatz, sind sie gerecht? G. Rose behauptete: „Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre … ist von ihrer wissenschaftlichen Aufgabe her prinzipiell nicht kompetent für die Beurteilung (individueller) Gerechtigkeit und damit auch (individueller) Steuergerechtigkeit … ist also Steuergerechtigkeit in betriebswirtschaftlicher Sicht weitgehend mit Planbarkeit der Steuerwirkungen gleichzusetzen. Die Bedingungen dafür würden von einem regelhaften und rechtssicheren Steuerrecht im Sinne Tipkes erfüllt; allerdings erscheint mir“ – so Rose – „der Rechtssicherheitsbegriff von Tipke im Hinblick auf die Begrenzung von Ungewissheiten zu eng“49. Da die Konkurrenz auch plant und gestaltet, wäre der Unternehmer, der nicht steuerplanen und -gestalten lässt, der Benachteiligte, „der Dumme“; er müsste mit einem Ausdruck von G. Rose „Dummensteuern“ zahlen50. Mein Einwand: Da nicht alle planen und gestalten oder nicht alle gleich intelligent planen, würde letztlich für Unternehmer das Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch das Prinzip der Besteuerung nach der Planungsintelligenz ersetzt. Dieses Prinzip ist mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vereinbar. M. E. wechselt die steuerplanende Betriebswirtschaftliche Steuerlehre von der betriebswirtschaftlich-empirischen Ebene (etwa der Steuerwirkungsforschung) zur normativen Ebene der steuerplanenden Steuerrechtsanwendung; sie darf
__________ 45 46 47 48
G. Rose (Fn. 42), S. 68. So auch A. Raupach in Freundesgabe für F. J. Haas, 1996, S. 253 ff. DStJG Bd. 5 (1982), 85, 91. G. Rose, Steuerberatung und Wissenschaft, StbJb. 1969/70, 31; G. Rose, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre als Steuerberatungswissenschaft, StbKongrRep. 1977, 191. 49 G. Rose (Fn. 42), S. 243, 244. 50 G. Rose (Fn. 42), S. 255.
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dann auch nicht mehr ihre Kompetenz für Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Steuergerechtigkeit ausschließen. Steuergerechtigkeit kann sich nicht in Steuerplanbarkeit erschöpfen. Wenn Steuergesetzvorschriften eklatant gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, also ungerecht sind, wird diese Ungerechtigkeit nicht dadurch geheilt, dass die ungerechten Vorschriften so bestimmt gefasst sind, dass sie planbar sind. Im Übrigen: Wer behauptet, dass Steuergerechtigkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht mit Planbarkeit gleichzusetzen sei, nimmt doch Kompetenz für ein Gerechtigkeitsurteil für sich in Anspruch. Kann man sich aber vorstellen, dass die Steuerberaterkammer oder der Steuerberaterverband dem Finanzausschuss des Bundestages vortragen würde: „Die Steuerberater haben keine Kompetenz in Sachen Steuergerechtigkeit, sind auch nicht am Gleichheitssatz interessiert; sie verlangen nur die betriebswirtschaftliche Gerechtigkeit der Steuerplanbarkeit und Steuerplanungssicherheit. G. Rose kannte sehr wohl die Realität und wusste, dass die planmäßige Suche nach Gesetzesmängeln mit dem Ziel der Steuerminderung nicht durchweg populär ist. Er hat daher auch wiederholt die Frage nach der Nützlichkeit von geplanter Steuergestaltung gestellt, auch die Frage, ob nicht durch die Planung „unnötigerweise wichtige Zeit- und Intelligenzressourcen verschwendet“ würden?51 G. Roses Antwort: „Als sachkundiger Wissenschaftler muss ich „darauf hinweisen, dass alle Bemühungen um Gerechtigkeit … nichts nützen, wenn es an der Planbarkeit der Steuerbelastung fehlt. Unplanbare Steuerbelastungen sind unvereinbar mit dem Verfassungsgebot der Steuergerechtigkeit“52. Steuerökonomen und Steuerjuristen sind darüber einig, dass eine Gesetzesmängel ausnutzende steuergünstige Gestaltung legal ist, also zulässig. Ist sie auch legitim im Sinne von „moralisch gerechtfertigt“? J. Hey kommt zu dem Ergebnis, Steuerplanung und Steuergestaltung seien die „legitime Antwort auf ein entscheidungsaneutrales und hochbelastendes Steuerrecht“53. Steuerrechtlich (de lege lata) ist die Frage nach der Legitimität unerheblich. Steueransprüche gründen nicht auf Legitimität, sondern auf Legalität. Der Steueranspruch ist ein gesetzlicher, kein moralischer Anspruch. Niemand muss mehr als die gesetzliche Steuer zahlen, weil ein höherer Anspruch legitim (moralisch gerechtfertigt) wäre. Die für die Steuergesetzgebung Verantwortlichen haben auch das Recht verwirkt, moralische Kritik an den Steuergestaltern zu üben. Sie selbst schaffen durch eine prinzipienlose, lückenhafte, inkonsequente Gesetzgebung erst die Möglichkeit, wenn nicht gar Notwendigkeit zur Steuergestaltung. Soweit die für die Gesetzgebung Verantwortlichen nicht die Anstifter sind, sind sie jedenfalls die Verursacher der Steuer-
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51 G. Rose (Fn. 42), S. 247, 248, 255 („moralisch zweifelhaftes Tun?“). 52 G. Rose (Fn. 42), S. 257. Zur Rechtfertigung von Steuerplanung und -gestaltung auch F. W. Wagner, Der gesellschaftliche Nutzen einer betriebswirtschaftlichen Steuervermeidungslehre, Finanzarchiv Bd. 44 (1986), 32 ff.; F. W. Wagner, Perspektiven der Steuerberatung: Steuerrechtspflege oder Planung der Steuervermeidung? DB 1991, 1 ff. – Die Alternative besteht m. E. nicht, weil die legale Steuervermeidung auch Steuerrechtspflege ist, nicht Unrechtspflege. 53 J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 13 ff.
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gestaltung. Die Abwertung der „Schlupflochsucher“ als steuerunmoralisch Handelnde ist verfehlt. Auf der Suche nach den Verantwortlichen landet man immer wieder beim Gesetzgeber. b) Fehlen sicherer Planbarkeit Was hilft es aber, wenn steuerminimierende Steuerplanung und -gestaltung zwar legal (und gar auch legitim) ist, wenn es aber an hinreichend sicherer Planbarkeit fehlt. Planbarkeit setzt eine sichere Planungsgrundlage voraus. Die Grundlage der Steuerplanung ist die Steuerrechtslage des Jahres oder der Jahre, für das bzw. die geplant wird. Wie die künftige Rechtslage sein wird, lässt sich indessen nicht annähernd sicher prognostizieren. Das gilt vor allem für die Gesetzgebung. Sie folgt keinem Plan, der auf eine prinzipienorientierte, folgerichtige, stabile Rechtslage hinauslaufen könnte. Die Gesetzgebung ist ziemlich chaotisch und – in der Sprache der Aktienanalysten – volatil. Es gibt keine wissenschaftlich fundierte Gesetzgebung; folglich kann auch die auf die Gesetzgebung angewiesene, von ihr abhängige Planung nicht wissenschaftlich sein. Über den zukünftigen Inhalt der Steuergesetze kann nur spekuliert werden. Einer wissenschaftlichen Steuerplanung, die diesen Namen verdient, ist vor allem von der Gesetzgebung der Boden entzogen. J. Hey spricht von der Kompliziertheit und Dynamik des Steuerrechts; sie raube „steuerlicher Planung die Sinnhaftigkeit“54. Nicht zuletzt G. Rose hatte die Unsicherheit der Planungsbasis erkannt und kritisiert55. Nur hat Kritik und haben Appelle die für die Gesetzgebung Verantwortlichen seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie sonderlich interessiert oder berührt. So werden die Kritiker früher oder später müde. Richtlinien und Rechtsprechung können aus unsicherem Recht nicht durchweg sicheres Recht machen; im Übrigen ändern sie sich auch. Über dem Gesetzgeber steht nur das BVerfG. Hat es den Steuerplanern bisher geholfen? Realistisch stellt J. Hey fest, dass die pro-futuro Rechtsprechung des BVerfG bisher Steuergerechtigkeit und Planungssicherheit des Bürgers der Dispositionssicherheit des Staates geopfert habe56. Gleichwohl darf man sich zum Vordenker des BVerfG machen und untersuchen, ob ein Anspruch auf den Schutz betätigter Steuerplanung (sog. Dispositionsschutz, insbesondere Schutz vor Steuerrechtsänderungen) aus dem Rechtsstaatsprinzip der Verfassung abzuleiten sei. Freilich: Wenn Steuerpflichtige wegen der bestehenden unsicheren Rechtslage gar nicht mehr zukunftsorientiert disponieren, läuft der Dispositionsschutz leer. Wer einen Ausgleich zwischen den Änderungsinteressen des Gesetzgebers und den Bestandsinteressen der Steuerpflichtigen vorschlägt und abwägend fragt, unter welchen Voraussetzungen was schutzwürdiger ist, muss auch bedenken: Es geht hier nicht
__________ 54 J. Hey, (Fn. 53), S. 1. 55 G. Rose (Fn. 42), S. 95, 261, 279. 56 J. Hey (Fn. 53), 51 f.
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allgemein um das Thema „Planungs- und Gestaltungsschutz“ („Dispositionsschutz“), sondern um eine bestimmte Kategorie von Unternehmern, die planmäßig Mängel der Steuergesetze aufspüren und ausnutzen, um die Steuerlast zu minimieren. Sie benachteiligen dadurch diejenigen, die nicht oder weniger gekonnt planen. In nicht wenigen Fällen verstößt die je nach Planungsintelligenz unterschiedliche Steuerbelastung gegen den Gleichheitssatz57. Den Belastungsnachteil kann man m. E. nicht damit rechtfertigen, dass die Benachteiligten den Nachteil hätten abwenden können, wenn auch sie geplant oder – unter Heranziehung besserer Experten – besser geplant hätten. Mein Ergebnis für diese Fallgruppe wäre: Der Gesetzgeber, der auf den zur Steuerminimierung ausgenutzten Gesetzesmangel aufmerksam wird, darf ihn jedenfalls für die Zukunft sofort beseitigen, ohne Übergangslösungen. Der steuerminimierende Planer sollte zufrieden sein mit den gleichheitswidrigen Vorteilen, die er in der Vergangenheit gehabt hat. Dispositionsschutz in die Zukunft hinein verdienen die steuerminimierenden Planer und Gestalter m. E. nicht. Die Besteuerung entsprechend der Planungs- und Gestaltungsintelligenz ist bei gleicher Leistungsfähigkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vereinbar. Übrigens: Die „Abwägerei“ verschiedener Interessen auf ihre unterschiedliche Schutzbedürftigkeit ist ein anderes Feld der Rechtsunsicherheit. Rechtsunsicherheit entsteht auch, wenn allgemeine oder spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschriften unklare Konturen haben oder gar selbst missbräuchlich sind, weil sie in Wirklichkeit fiskalisch motiviert sind58.
IV. Steuerberatung tut not Allgemein herrscht Übereinstimmung darin: Je komplizierter, verworrener, änderungsanfälliger die Steuergesetze sind, desto mehr sind die Steuerpflichtigen auf professionelle Steuerberatung angewiesen59. Auch die Steuerdeklarationspflichten können die Steuerpflichtigen „entweder nur mit großen Zeitaufwand oder wahrscheinlich fehlerhaft erledigen …“60 Wir sollten uns allerdings nichts vormachen: Selbst wenn eine wirkliche Steuervereinfachung gelänge, würde die Steuerberatung dadurch nicht entbehrlich. Weiterhin müsste
__________ 57 Das will wohl auch J. Hey ausdrücken mit den Worten „… es kann nicht sein, dass einzelne Steuerpflichtige ihre Steuerlast weggestalten, während der Rest der weniger cleveren vielleicht auch einfach nur weniger aufmerksamen Steuerpflichtigen den Preis der ‚Dummensteuer‘ dafür bezahlt“ (StuW 2008, 183 re.). 58 Dazu umfassend K.-D. Drüen, Unternehmerfreiheit und Steuerumgehung, StuW 2008, 154 ff.; J. Hey, Spezialgesetzliche Missbrauchsgesetzgebung aus steuersystematischer, verfassungs- und europarechtlicher Sicht, StuW 2008, 167 ff.; s. auch schon K.-D. Drüen, STuW 2008, 13. 59 G. Rose, Einführung in den Beruf des Steuerberaters2, 1995, S. 37; J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 94; R. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 125. Hinweis auch auf die Berufsordnung der Steuerberater in Europa, beschlossen von der Generalversammlung der Confédération Fiscale Européenne am 13.9.1991, abgedruckt in Gehre/v. Borstel, Steuerberatungsgesetz5, 2005, Einleitung Rz. 26: Präambel. 60 G. Rose, Steuerberatung und Wissenschaft, 2006, S. 253.
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eine dem Laien nicht zugängliche Fachsprache verwendet werden. Auch das vereinfachte Gesetz bliebe auslegungsbedürftig. Auch bräuchten Steuerberater und Steuerbeamte weiterhin eine solide Fachausbildung. Aber auch das Angewiesensein der Finanzverwaltung auf die Steuerberater ist hervorzuheben: „Ohne sachkundige und zuverlässige Steuerberater“ – so G. Rose – „würde unser ganzes feingestricktes, überwiegend auf Erklärung der Steuerpflichtigen basierendes System glatt zusammenbrechen“. Wenn die Steuermoral in Deutschland vergleichsweise hoch sei, dann sei das sicher auch ein Verdienst der Steuerberater. Indem der Staat den Abzug der Steuerberatungskosten von der Steuerbemessungsgrundlage zulasse, erkenne er die Nutzen stiftende Aufgabe der Steuerberater an61. Die doppelte Rechtfertigung sichert den Steuerberatern – so R. Schenke – „einen unverzichtbaren Platz innerhalb der Steuerrechtsordnung62. Weil Steuerlaien nicht wissen, welche Tatsachen „steuerrechtlich erheblich“ sind, können sie grundsätzlich auch keine zutreffende Steuererklärung abgeben (anders kann es liegen bei Lohnsteuerpflichtigen ohne andere als Lohneinkünfte und Werbungskosten innerhalb des Pauschbetrages). Steuerlaien besitzen i. d. R. keine Steuergesetze, keine Steuerrichtlinien und keine Steuerrechtsprechung. Besäßen sie diese Hilfsmittel, sie würden sie nicht verstehen, wie sie denn auch die den Steuererklärungsformularen beigefügten Erläuterungen nicht durchgehend verstehen. Auch mit der juristischen Auslegungsmethode sind Laien nicht vertraut. Steuerberater und Steuerbeamte erhalten nicht ohne Grund eine jahrelange steuerrechtliche Ausbildung. Wie sollten Steuerlaien ohne entsprechende Ausbildung das gleiche Steuerrechtswissen haben? Daraus ergibt sich: „Ohne sachkundige Hilfe wird ein Steuerpflichtiger regelmäßig … nur in einfach gelagerten Fällen … eine steuerrechtlich zutreffende Steuererklärung abgeben. Deshalb spricht … bei von Laien gefertigten Steuererklärungen eine Vermutung dafür, dass die Steuererklärung unrichtig ist63. Der Steuerlaie „ist geradezu gezwungen, sich professioneller Steuerberatung zu bedienen“64. Die Fachsprache des Steuerrechts gehört in die Hand von Fachleuten. Zwar müssen Steuerpflichtige ihre Steuererklärung berichtigen, wenn sie ihre Unrichtigkeit erkennen (§ 153 AO). Rechtliche Unrichtigkeiten können Laien aber nicht erkennen. Da Steuererklärungen, an denen Steuerberater mitgewirkt haben, einen höheren Vertrauensvorschuss verdienen als Laien-Steuererklärungen, müssten Finanzämter Laiensteuererklärungen stärker kontrollieren als andere. Das geschieht aber nicht65. Abgesehen davon, dass die vom BVerfG geforderte Kontrolle66 am
__________ 61 62 63 64 65
G. Rose, (Fn. 42), S. 259. R. Schenke (Fn. 59), S. 125. R. Seer, StuW 2003, 55 re. J. Hey, (Fn. 53), S. 95. Nach R. Seer machen Finanzämter „keinen Unterschied danach, ob die Steuererklärung von einem Steuerberater oder einem steuerrechtlichen Laien erstellt worden ist“ (StuW 2003, 55 re.). 66 BVerfGE 84, 239 (273); 110, 94 (112, 115 ff.).
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„grünen Tisch“ der Veranlagungsstelle nur begrenzt möglich ist, vernachlässigen die Finanzämter aus Zeitmangel nicht selten gerade die besonders zeitaufwendige Kontrolle von Steuerlaien. Eine Kontrolle entsprechend dem Kontrollbedürfnis67 findet nicht statt. Das führt entweder zu einem Schaden für die Staatskasse oder für den Laien, jedenfalls zu ungleichmäßiger Besteuerung68. Die Zuziehung eines Steuerberaters durch Laien ist daher kein privater Luxus, sondern unter dem Aspekt gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine Notwendigkeit oder Unvermeidbarkeit. Es darf nicht zwei unterschiedlich belastete Gruppen von Steuerpflichtigen geben, die Gruppe der Beratenen und die der Unberatenen. Die Unberatenen verdienen keine Vorzugsbehandlung69. Ungeachtet des § 80 Abs. 1 AO bejahen Steuerstrafgerichte, auch Kommentare zum Steuerstrafrecht allerdings eine Informationspflicht von Steuerlaien. Wird gegen diese Pflicht verstoßen, wird leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) angenommen70. Da § 378 AO aber Blankettrecht ist, das sich nur auf abgeleitete Pflichten nach den Steuergesetzen stützen darf, ist es nicht zulässig, darüber hinaus originäre strafrechtliche Pflichten zu kreieren71. Die Finanzämter nehmen Laien-Steuererklärungen oft nicht nur unbeanstandet hin, sie schalten auch selten die Strafsachenstellen ein, wenn es um Steuerlaien geht. Unvermeidbare, zwangsläufig anfallende Aufwendungen wie die Steuerberatungskosten müssen zum Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage zugelassen werden; das Aufgewendete ist für die Steuerzahlung nicht disponibel (sog. subjektives Nettoprinzip)72. Dementsprechend waren Steuerberatungskosten bis 2005 durch § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG (dazu BT-Drucks. IV/3189) zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen. Der BFH stellte dazu 1989 fest: „Wegen der Schwierigkeiten und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts sollen solche unvermeidbaren Privatausgaben
__________ 67 Dazu Tipke/Kruse, AO/FGO (Loseblatt Lfg. 109), § 85 AO Tz. 35 f.; § 88 AO Tz. 10. 68 Das BVerfG wird diesen Sachverhalt näher aufzuklären haben, sollte es angerufen werden. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Finanzverwaltung die Wirklichkeit schönen würde – wie in den Fällen BVerfGE 84, 239 (273 ff.); 110, 94 (112 ff.). 69 Hingegen nehmen Strafrechtskommentare an, Informationspflichten über die steuerliche Rechtslage bestünden „in weit höherem Maße“ für den Steuerberater, da dieser „ja Fachkundigkeit für sich in Anspruch nimmt“ (G. Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt Lfg. 23), § 378 AO, Rz. 111; Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht6, 2005, § 378 Rz. 33. 70 Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht6, 2005, § 378 AO Rz. 39–41; G. Kohlmann, Steuerstrafrecht, Komm. (Loseblatt Lfg. 23), § 378 AO Rz. 65 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen. 71 K. Tipke, Die Abhängigkeiten des Steuerstrafrechts vom Steuerrecht, in FS für G. Kohlmann, 2003, S. 555 (563 ff.); K. Tipke, in: Tipke/Kruse, Komm. zur AO/FGO, Loseblatt Lfg. 108, § 150 AO Rz. 16). 72 Dazu K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung Bd. II2, 2003, S. 784 ff. (796, 829); Tipke/ Lang, Steuerrecht19, 2008, § 9 Rz. 383 ff.
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berücksichtigt werden, die den Steuerpflichtigen dadurch entstehen, dass er zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten oder zur Wahrung seiner steuerlichen Rechte fremde Hilfe in Anspruch nimmt.“73 H. Söhn begründet den Abzug wie folgt: „Tatsächlich sind Steuerberatungskosten heute für den fachlich nicht vorgebildeten Steuerpflichtigen faktisch unvermeidbare Ausgaben geworden (Zwangsaufwendungen i. w. S.), weil dieser seine steuerrechtlichen Pflichten/Rechte wegen der Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts allein nicht mehr vorschriftsmäßig erfüllen/ wahrnehmen kann, sondern auf fachkundige Hilfe angewiesen ist … Soweit keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten … vorliegen, sind deshalb Steuerberatungskosten (regelmäßig) indisponible/zwangsläufige Privatausgaben, die die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen beeinträchtigen und (deshalb) nach Abs. 1 Nr. 6 – steuersystematisch folgerichtig – als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen werden …“74 Die Rechtfertigung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist denn auch sonst durchweg nicht angezweifelt worden. J. Lang hat den Abzug privater Steuerberatungskosten in seinem „Entwurf eines Steuergesetzbuches“75 aufgenommen. Ebenso ist vom „Kölner Entwurf eines Einkommensteuergesetzes“76 und von J. Mitschke in seinem Reformentwurf77 verfahren worden. Besonders hervorzuheben ist aber, dass der Entwurf eines Einkommensteuergesetzes der Kommission „Steuergesetzbuch“78 in § 28 Abs. 1 Nr. 4 ebenfalls am Abzug festgehalten hat. Als Gründe werden angegeben: die „Schwierigkeiten, die steuerlichen Deklarationspflichten ohne fachlichen Beistand fehlerfrei erfüllen zu können“ und „seitens des Staates das Interesse an einer möglichst richtigen Befolgung von Mitwirkungspflichten“ (S. 51). Auch in Österreich ist der Abzug der privaten Steuerberatungskosten nach wie vor zugelassen (§ 18 öEStG). Der deutsche Gesetzgeber hat § 10 Abs. 1 Nr. 6 für die Zeit ab 2006 abgeschafft. J. Lang hält das in Anbetracht der anhaltenden weiteren Komplizierung des Steuerrechts für „vollkommen unverständlich“; die Abschaffung könne „auch nicht im Interesse des Steuerstaates liegen, da die Fehlerhaftigkeit von Steuererklärungen zunimmt, wenn der Steuerpflichtige professionellen Rat nicht mehr in Anspruch nimmt.“79 Abgeschafft worden ist der Abzug nicht aus rechtlichen, sondern kurzsichtig aus einseitig fiskalischen Gründen. Das relativ geringe Mehraufkommen wurde offenbar höher gewichtet als das von Steuerberatern gewährleistete Prinzip gesetzmäßiger, gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dieses Prinzip müsste den Gesetzgeber
__________ 73 BStBl. II 1989, 865 (866). 74 Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Komm. (Loseblatt Lfg. Mai 2001), § 10 Rz. I 2. 75 BMF-Schriftenreihe Heft 49 (1993), § 106 Abs. 1 Nr. 6 des Entwurfs. 76 J. Lang u. a., Kölner Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, 2005, § 35 Abs. 1 Nr. 4. 77 J. Mitschke, Erneuerung des deutschen Einkommensteuerrechts, 2004, § 23 Abs. 1 Nr. 3. 78 Erarbeitet unter dem Dach der Stiftung Marktwirtschaft, November 2008. 79 Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 9 Rz. 714.
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veranlassen, die Steuerpflichtigen zur Inanspruchnahme von Steuerberatung anzureizen80. Der Gesetzgeber hat aber ein kontraproduktives Signal gegeben. Er vermittelt den Eindruck, es liege ihm an Steuerberatung nichts, er halte sie jedenfalls für vermeidbar, für nicht notwendig. So etwas kommt heraus, wenn einseitiger Fiskalismus auf die Realität der Besteuerung trifft. Es ist ein Wertungswiderspruch, einerseits bei Nichtinformation von Laien wegen Pflichtverletzung leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) anzunehmen, andererseits aber Steuerberatung für entbehrlich zu halten. Mit welchem Recht kann man nach Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG den Steuerlaien noch bestrafen oder mit Bußgeld belegen? Die Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist wegen Verletzung des subjektiven Nettoprinzips nicht nur verfassungswidrig, sie ist fiskalisch im Ergebnis eher kontraproduktiv; sie ist unzweckmäßig und unvernünftig. Der Finanzminister rechnet wohl ein weiteres Mal damit, das BVerfG werde die Abschaffung des Abzuges mit der Begründung bestätigen, sie liege noch innerhalb des weiten Spielraums des Gesetzgebers (den der Finanzminister im Plädoyer vor dem BVerfG im Pendlerpauschalenprozess für den Gesetzgeber als „Geschäftsführer des Gesetzgebers ohne Auftrag) gefordert hatte – oder es werde das Gericht aus Rücksicht auf den Haushalt zu einer pro futuro-Entscheidung kommen. Verfassungs- und Prozessrisiken, die der Finanzminister trotz aller Kritik ganz bewusst auf sich nimmt („na, wenn schon…“), sollte das Gericht ihm nicht länger abnehmen. So hat es das Gericht in seinem Urteil zur Pendlerpauschale schon nicht mehr getan und Rückwirkung auf den ersten Geltungstag der Beschränkung der Pendlerpauschale angeordnet81.
V. Ausblick Eine Entkomplizierung der Steuergesetze durch Prinzipienorientierung, eine Stabilisierung (durch einen Änderungsstopp), eine merkliche Vereinfachung der Steuergesetze ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, schon gar nicht in dieser Legislaturperiode. Wenn sich das aber als zu pessimistisch erweisen sollte: Am Steuerberatungsbedürfnis würde das nichts ändern. Der Steuergesetzgeber müsste sich weiterhin einer Fachsprache bedienen; sie gehört aber in die Hand des Fachmanns. Die Steuergesetze werden immer auslegungsfähig und auslegungsbedürftig bleiben. Da es immer Steuerlaien geben wird, wird für Steuerdeklarationsberatung immer ein Bedürfnis bestehen, und für Steuerdurchsetzungsberatung auch. Die Durchsetzung im Einspruchs- und Gerichtsverfahren sollte nicht durch unnötig hohe Prozesshürden erschwert werden. § 150 AO sollte geändert werden: Steuerlaien können die Verantwortung für die rechtliche Seite ihrer Erklärung nicht übernehmen. Steuerberater und andere Bevollmächtigte sollten
__________ 80 S. auch R. Seer, StuW 2003, 55 f. 81 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, FR 2009, 74.
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Steuererklärungen ebenso unterschreiben dürfen, wie sie im Prozess Klagen und Rechtsmittelschriften unterschreiben. Wissenschaftliche Steuerplanung und -gestaltung ist nicht möglich, solange über die künftige Rechtslage als Planungsgrundlage nur spekuliert werden kann. Dadurch wird die Planung zur Kunst oder zum Spiel. „Dem Chaos“ – so Niklas Luhmann – „kann man nicht vertrauen.“82 Würde ein prinzipien- und regelorientiertes Steuerrecht geschaffen werden, so würde das die Rechtssicherheit durch Prinzipien- und Regelsicherheit erheblich erhöhen. Rechtsunsicherheiten würden bleiben, weil Prinzipien und Regeln mehr oder weniger unbestimmt sind. Sie müssen durch Verwaltungsvorschriften und Rechtsprechung zur Erhöhung der Rechtssicherheit konkretisiert werden. Solange die Steuergesetze ihre Qualitätsmängel fortschleppen und vermehren, sind die Steuerberater die Hauptrisikoträger dieser Mängel. Der bestehende Zustand bedeutet vor allem für Steuerberater eine ständige Überforderung. Sie sind auch überfordert, wenn sie ihren Mandanten den Sinn von Sinnlosem erklären sollen. Aus der Sicht der Mandanten kann dadurch auch das Berufsethos der Steuerberater in Mitleidenschaft gezogen werden. Sollen Steuerberater bei ihren Mandanten Steuermoral anmahnen, aber als Organe der Rechtspflege verschweigen, dass der Gesetzgeber aber selbst Besteuerungsmoral vermissen lässt? Ein Akt bewusster Besteuerungsunmoral ist das Ausnutzen der „kalten Progression“, die zu einer heimlichen Steuererhöhung führt83. Fiskalismus ist nicht Ausdruck von Besteuerungsmoral. Der Gesetzgeber muss die Gesetzesmängel verantworten, die nach Umwegen und Ausweichmöglichkeiten suchen lassen. Statt die Mängel zu beseitigen, empören sich die Verantwortlichen bisher über „Schlupflochsucher“ und führen weitere Kontrollmöglichkeiten ein. Richtig ist, dass der technische Fortschritt es auch den Steuerberatern ermöglicht, schneller an Informationen über die Rechtslage heranzukommen. Verbessern können die neuen Medien die Rechtslage aber nicht. Sie können den Informationssalat nur schneller sichtbar machen. Man darf immerhin hoffen, dass das Steuerchaos eines nicht zu fernen Tages seine Steuerchaoten frisst. Dann könnte das Recht wieder die alleinige Macht übernehmen; die Macht könnte dann nicht weiterhin mehr oder weniger beliebig mit dem Recht umgehen. Zu der von Harald Schaumburg als notwendig angesehenen Steuerrechtspolitik und zu einer von den Bürgern allgemein akzeptierten Steuerrechtsordnung (s. Vorb. S.183) würde es wohl nur kommen, wenn das BVerfG durch Entscheidungen, die in Gesetzeskraft erwachsen, eine solche Steuerrechtsordnung erzwingen würde. Das Urteil zur Pendlerpauschale ist ein hoffnungsvoller Schritt auf dem Wege dahin.
__________ 82 N. Luhmann, Vertrauen, 1968, S. 47. 83 Dazu Tipke/Lang, Steuerrecht19, 2008, § 9 Rz. 807.
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Begriffsverständnis außerhalb des Steuerrechts 1. Allgemeines Begriffsverständnis 2. Verwendung des Begriffs Derivat durch den Gesetzgeber außerhalb des Steuerrechts III. Erscheinungsformen von Derivaten 1. Unbedingte Termingeschäfte 2. Bedingte Termingeschäfte 3. Unterscheidung nach Basiswerten 4. Unterscheidung nach der Art des Handels IV. Wirtschaftliche Gründe für den Einsatz von Derivaten V. Entwicklung der Besteuerung von Derivaten VI. Steuerlicher Typus des Derivats VII. Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten 1. Beschränkung der Verrechnung von Verlusten aus Derivaten 2. Bedingte Termingeschäfte am Beispiel der Optionen a) Option als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut b) Beendigung des Optionsgeschäftes durch physische Lieferung aa) Kauf einer Kaufoption (Long Call) bb) Kauf einer Verkaufsoption (Long Put)
cc) Verkauf einer Kaufoption (Short Call) dd) Verkauf einer Verkaufsoption (Short Put) c) Beendigung des Optionsgeschäfts durch Barausgleich d) Wertungswidersprüche 3. Besteuerungsprobleme unbedingter Termingeschäfte am Beispiel des Total Return Swaps a) Transaktionsmuster b) Kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums 4. Qualifizierung der Einkünfte aus Derivaten a) Praktische Relevanz und Grundsätze b) Zurechnung der Einkünfte folgt nicht zwingend der Vermögenszurechnung c) In das Teileinkünfteverfahren einzubeziehende Besteuerungsgrundlagen VIII. Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Derivaten 1. Beschränkte Steuerpflicht von Derivaten nach nationalem Recht a) Besteuerung vor Einführung der Abgeltungsteuer b) Rechtslage unter der Abgeltungsteuer ab 2009 2. Abkommensrecht IX. Zusammenfassung
I. Einleitung Nach Ansicht des EU-Binnenmarktkommissars Charlie McGreevy gilt der umfangreiche Handel mit riskanten Kreditderivaten als Hauptursache für das weltweite Bankendebakel. McGreevy bezifferte das Gesamtvolumen des Deri209
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vatemarktes mit USD 600 Billionen1. Diese gigantische Summe unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung von Derivaten, was ihre allgegenwärtige Präsenz in den Medien in jüngster Zeit erklärt. Stellt man jedoch die Frage, was unter Derivaten eigentlich zu verstehen ist, werden die Antworten relativ schnell unpräzise und diffus. Gerade das Steuerrecht als Teil des öffentlichen Eingriffsrechts sollte Tatbestände, an die nachteilige Rechtsfolgen wie in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG geknüpft sind, möglichst präzise umschreiben. In diesem Beitrag soll deshalb der Frage nachgegangen werden, was Derivate sind und welche ertragsteuerlichen Besonderheiten für sie gelten.
II. Begriffsverständnis außerhalb des Steuerrechts Die verfassungskonforme Auslegung des Steuerrechts gebietet es, die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu wahren, so dass eine abweichende Auslegung vom Zivilrecht nur dann in Betracht kommt, wenn dies dem erkennbaren Zweck des jeweiligen Rechtssatzes entspricht2. Deshalb stellt sich die Frage, welchen Bedeutungsinhalt der Begriff des Derivats in den Teilen der Rechtsordnung außerhalb des Steuerrechts hat. 1. Allgemeines Begriffsverständnis Traditionell ist der Begriff des Derivats eher in der Chemie als im Finanzwesen zu Hause und kennzeichnet entsprechend seines Wortsinns3 chemische Verbindungen, die aus anderen Stoffen abgeleitet werden. In der Finanzwirtschaft und daran anknüpfend in der Rechts- und Steuerwissenschaft wird der Begriff des Derivats im übertragenen Sinne verwendet und kennzeichnet allgemein Rechtsverhältnisse, die aus anderen Bezugswerten abgeleitet werden. Wenn in diesem Beitrag verkürzt von Derivaten die Rede ist, wird dieser Begriff synonym für Finanzderivate verwendet, mit denen sich dieser Beitrag ausschließlich beschäftigen wird. Finanzderivate sind nach allgemeinem Verständnis Finanzinstrumente, deren Wert von der Wertentwicklung der ihnen zugrunde liegenden Marktgegenstände – dem sog. Basiswert – abhängig ist4. Dieses sehr weite Begriffsverständnis lässt viele Fragen offen und kann somit nicht im Sinne einer abschließenden Definition verstanden werden.
__________ 1 Vgl. Handelsblatt vom 20.10.2008, „EU will Derivate regulieren“, Beilage Finanzmarkt, S. 28. 2 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 m. w. N.; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 238. 3 Verkürzt für „Derivativum“ (lat.) oder „derivare“ für ableiten. 4 Vgl. Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, 6. Aufl., München, S. 24; Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, S. 7.
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
2. Verwendung des Begriffs Derivat durch den Gesetzgeber außerhalb des Steuerrechts Der Gesetzgeber verwendet den Begriff des Finanzderivats in einer ganzen Reihe von Vorschriften, die – um den Umfang dieses Beitrags nicht zu sprengen – nur überblicksartig angesprochen werden können. Nach § 2 Abs. 2 WpHG und § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG sind Derivate u. a. unbedingte (Festgeschäfte) oder bedingte (Optionsgeschäfte) Termingeschäfte sowie Devisentermingeschäfte, die an einem organisierten Markt gehandelt werden. Der Begriff des Termingeschäfts selbst wird nicht definiert. Das gleiche gilt für weitere Vorschriften wie § 340b Abs. 6 HGB und § 340h Abs. 1 HGB, die den Begriffsinhalt des § 2 Abs. 2 WpHG voraussetzen. Auch die Verordnung über Risikomanagement und Risikomessung beim Einsatz von Derivaten in Sondervermögen nach dem Investmentgesetz (Derivateverordnung)5 setzt den Begriff des Derivats – wie das Investmentgesetz – voraus, ohne ihn zu definieren. Damit lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber auch außerhalb des Steuerrechts den Begriff des Finanzderivats nicht definiert6. Im Schrifttum werden die Versuche, dem Begriff aus rechtlicher Sicht Konturen geben zu wollen, mit der Quadratur des Zirkels gleichgesetzt7. Auch der Gesetzgeber verschließt sich nicht der Einsicht, dass in Literatur und Rechtsprechung noch keine abschließende Definition des Begriffs entwickelt worden sei und es sich hierbei um einen typologischen Begriff handele8. Nach Schäfer9 muss ein Finanztermingeschäft folgende Merkmale aufweisen: (i) Es muss zumindest hinsichtlich einer Leistung eine hinausgeschobene Erfüllung vorsehen. (ii) Es soll nur einen geringen Kapitaleinsatz erfordern mit der Konsequenz, dass das Geschäft eine sog. Hebelwirkung entfalten kann. (iii) Es soll das Risiko beinhalten, zusätzliche Geldmittel zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeit entgegen der ursprünglichen Absicht aufbringen zu müssen oder das Risiko des Totalverlustes des eingesetzten Betrages soll ihm immanent sein. (iv) Die Möglichkeit der Beendigung des Engagements bzw. die Schließung der Risikoposition auf einem Markt soll durch ein gegenläufiges Geschäft oder durch den Verkauf der Risikoposition im Sekundärmarkt möglich sein. Verwendet man die klassische Unterscheidung der Finanzmärkte in Kassaund Terminmärkte, lässt sich Typus des Finanzderivats in grafischer Hinsicht wie folgt darstellen:
__________ 5 BGBl. 2004, 153. 6 Zur Kritik an der unzureichenden Definition, vgl. auch Schefold in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 116 Rz. 233. 7 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rz. 15.81 m. w. N. 8 BR-Drucks. 936/01, 237; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., S. 833. 9 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., S. 837.
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Abb.: Grobgliederung des Finanzmarktsystems:10 Finanzmärkte
Kassamärkte – – – – –
Aktien Anleihen Devisen Rohstoffe Optionsscheine (verbriefte Optionen)
Terminmärkte
unbedingte Termingeschäfte
börsengehandelt – Futures
OTC – Forwards – Forward Rate Agreement – Swaps
bedingte Termingeschäfte
börsengehandelt OTC – Optionen – Optionen – Optionen auf – Caps, Futures Floors, etc.
III. Erscheinungsformen von Derivaten Am Markt wird eine unübersehbare Vielzahl von Derivaten gehandelt, auch wenn bei den üblicherweise dem angloamerikanischen InvestmentbankingJargon entlehnten Bezeichnungen nicht selten die Redensart zutrifft „alter Wein in neuen Schläuchen“. Die vorkommenden Derivate lassen sich demzufolge nur grob nach unterschiedlichen Kriterien ordnen. Für die Frage der bilanziellen und steuerlichen Behandlung ist die Unterscheidung in unbedingte oder bedingte Termingeschäfte in Form von Derivaten von Bedeutung (vgl. Abb.). 1. Unbedingte Termingeschäfte Unbedingte Termingeschäfte sind von beiden Vertragsparteien zu erfüllen, ohne dass die Erfüllung an eine Bedingung geknüpft ist. Zu den unbedingten Termingeschäften gehören Forwards bzw. Futures sowie Swaps. Ein Forward oder Terminkauf ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien, nach dem zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu einem festgelegten Preis ein bestimmtes Wirtschaftsgut (Basiswert oder Underlying) von einem Vertragspartner gekauft oder dem anderen Vertragspartner zu verkaufen ist. Forwards werden außerbörslich (over-the-counter oder kurz „OTC“) gehandelt. Futures hingegen sind an der Börse gehandelte, standardisierte Terminkäufe oder -verkäufe. Futures scheinen die älteste Form derivativer Finanzinstrumente zu sein, da sie schon sehr früh bei Agrarprodukten eingesetzt wurden11. Im Ge-
__________ 10 Nach Müller-Möhl, Optionen und Futures, 5. Aufl., Stuttgart 2002, S. 21. 11 Willnow, Derivative Finanzinstrumente, S. 20.
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
gensatz zum Börsenhandel an den Kassamärkten, bei dem die Vertragsabschlüsse zwischen den Kontrahenten zustande kommen12, werden die Rechtsbeziehungen an der Terminbörse zwischen der Clearingstelle und den Clearingmitgliedern abgeschlossen13. 2. Bedingte Termingeschäfte Vereinbarungen, deren künftige Erfüllung an eine Bedingung geknüpft ist, werden als bedingte Termingeschäfte eingeordnet14. Bedingte Termingeschäfte in dieser Form sind vor allem Optionen, bei denen der Berechtigte sein Gestaltungsrecht nur ausüben wird, wenn die Erfüllung des Vertrages für ihn einen wirtschaftlichen Vorteil erbringt. Ist dies nicht der Fall, wird er die Option verfallen lassen. Kann die Option während der gesamten Laufzeit jederzeit ausgeübt werden, spricht man von der amerikanischen Art (American Style), kann sie während der Laufzeit mehrfach, aber nur an bestimmten Ausübungstagen ausgeübt werden, von Bermuda Style, kann die Option hingegen nur am Verfallstag ausgeübt werden kann, spricht man von European Style. Optionen werden danach unterschieden, ob der Inhaber das Recht hat, etwas zu erwerben (Kaufoption oder Call Option) oder ob sie ihrem Inhaber das Recht gibt, den Basiswert zu einem bestimmten Zeitpunkt und Wert zu verkaufen (Verkaufsoption oder Put Option). Die Gegenpartei, die aus der Optionsvereinbarung verpflichtet ist, wird als Stillhalter bezeichnet. 3. Unterscheidung nach Basiswerten Teilweise werden Derivate nach Basiswerten unterschieden, wobei eine grobe Klassifizierung danach vorgenommen wird, ob sich die Derivate auf Mitgliedschaftsrechte („Equity Derivatives“, im deutschen Sprachgebrauch teilweise etwas verkürzt „Aktienderivate“) oder auf Kreditpositionen (Credit Derivatives, Kreditderivate) beziehen. Die Arten der Derivate überschneiden sich dabei, gleichwohl sind als Equity Derivatives primär Optionen, Forwards und auch Total Return Swaps verbreitet. Die im Zuge der Finanzkrise etwas in Verruf geratenen Kreditderivate dienen Sicherungszwecken, indem die vereinbarte Leistung des Sicherungsgebers an ein im Kreditderivat definiertes Referenzaktivum angebunden wird und die Erfüllung durch den Sicherungsgeber zeitlich und betragsmäßig an einen definierten Tatbestand anknüpft, der als Kreditereignis (Credit Event) bezeichnet wird (z. B. Downgrading des Ratings, Eröffnung von Insolvenzverfahren). Die wichtigsten Kreditderivate sind der Total Return Swap, die Credit-linked Note und der Credit Default Swap15.
__________ 12 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rz. 15.7. 13 Vgl. Kümpel, a. a. O., Rz. 14.131. 14 Vgl. Schüwer/Steffen in Zerey (Hrsg.), Außerbörsliche („OTC“) Finanzderivate 2008, S. 36, Rz. 8. 15 Vgl. Geurts, DB 2001, 1163.
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4. Unterscheidung nach der Art des Handels Ferner lassen sich derivative Finanzinstrumente nach der Art ihres Handels unterscheiden. Die Grobunterscheidung erfolgt danach, ob Derivate börslich oder außerbörslich („OTC“) gehandelt werden. Die beiden Handelsformen werfen nach der Art der zugrunde liegenden Geschäfte erhebliche Unterschiede auf. An der Börse gehandelte Derivate werden standardisiert, um eine Zusammenfassung der erteilten Aufträge zu ermöglichen. Bei den standardisierten Futures ist eine effektive Lieferung in aller Regel nicht möglich, weil der Basiswert nur synthetisch gebildet wird. OTC-Derivatgeschäfte werden überwiegend auf der Grundlage von standardisierten Rahmenverträgen durchgeführt. Neben dem deutschen Rahmenvertrag ist international das Master Agreement der International Swaps and Derivatives Association („ISDA“) vorherrschend16. Mit den Rahmenverträgen wird in erster Linie das Ziel verfolgt, die Insolvenzrisiken aus Derivatgeschäften zu begrenzen. Um zu verhindern, dass im Falle der Insolvenz der Gegenpartei deren Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO bzw. unter analoger Anwendung vergleichbarer Vorschriften anderer Insolvenzordnungen das Wahlrecht ausüben kann, bei günstigen schwebenden Geschäften die Erfüllung zu verlangen, diese im Falle drohender Verluste jedoch abzulehnen und die Gegenpartei mit ihrer Forderung dadurch auf die Insolvenzquote zu verweisen, werden die einzelnen Derivatgeschäfte zu einem einheitlichen Rechtsverhältnis zusammengefasst und in der Insolvenz als einheitliche Forderung oder Verbindlichkeit behandelt (sog. Set-Off and Netting)17.
IV. Wirtschaftliche Gründe für den Einsatz von Derivaten Auch wenn Derivate – wie alle anderen Sachen und Rechte – zu Spekulationszwecken eingesetzt werden können, darf dies nicht den Blick darauf verstellen, dass der ökonomisch sinnvolle Einsatz von Derivaten darauf gerichtet ist, Risiken einzugrenzen (Hedging), um unerwünschte Preisentwicklungen zu unterbinden. Es liegt in der Natur der Sache, dass Preisentwicklungen von Marktteilnehmern unterschiedlich eingeschätzt werden oder diese auch konträre wirtschaftliche Interessen haben. Die Sicherungswirkung, die mit dem Einsatz von Derivaten erreicht werden kann, ist ökonomisch sinnvoll und in einer modernen vernetzten Welt von Märkten unentbehrlich.
V. Entwicklung der Besteuerung von Derivaten Bis Ende 1998 fand sich der Begriff des Termingeschäfts18 nicht im Einkommensteuergesetz. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. (bis Ende 2008 § 23 Abs. 1 Nr. 3 EStG) waren Spekulationsgeschäfte auch solche Veräußerungsgeschäfte,
__________ 16 Vgl. Behrends in Zeray (Hrsg.), Handbuch Derivate, S. 62. 17 Vgl. Behrends, a. a. O., S. 63. 18 Der Begriff Derivat wird vom Steuergesetzgeber bis heute nicht verwendet.
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bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb. Diese Norm ging auf § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG 1925 zurück19. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber Differenzgeschäfte erfassen, doch war der Wortlaut misslungen, denn er erfasste nur Termingeschäfte mit effektiver Lieferung, nicht aber Differenzgeschäfte mit bloßem Barausgleich (Cash Settlement)20. Nachdem Differenzgeschäfte somit nicht der Spekulationsbesteuerung unterlagen, wurde für Rechtsgeschäfte nach dem 31.12.1998 (§ 52 Abs. 39 Satz 2 EStG) der bis zum 31.12.2008 geltende § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG in das Gesetz eingefügt. Private Veräußerungsgeschäfte sind somit u. a. „Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt.“
Zur Umschreibung des Begriffs des Termingeschäftes wollte der Gesetzgeber an die Definition in § 2 Abs. 2 WpHG sowie § 1 Abs. 11 KWG anknüpfen21. Ferner wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 für Termingeschäfte ein eigener Verlustverrechnungskreis – analog der Verluste aus gewerblicher Tierzucht – durch die Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG eingeführt. Die Vorschrift lautet: „Die … [Vorschriften für die Verrechnung von Verlusten aus gewerblicher Tierzucht] … gelten entsprechend für Verluste aus Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Betrag oder Vorteil erlangt, soweit die Geschäfte nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen gehören oder soweit sie nicht der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs dienen.“
VI. Steuerlicher Typus des Derivats Die identische Begriffsumschreibung des Termingeschäftes, das der Gesetzgeber besonderen Regeln unterwerfen wollte, lautet in beiden Vorschriften § 15 Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG wie folgt: „… Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt …“.
Ursprünglich wollte der Gesetzgeber im Rahmen des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG Verluste aus Differenzgeschäften i. S. d. § 764 BGB erfassen, er hat jedoch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die Untauglichkeit dieses Begriffes erkannt und aufgegeben und anstelle des Begriffes des Differenzgeschäftes den Begriff des Termingeschäftes verwendet22. Der Gesetzgeber ging aber fälschlicher-
__________ 19 20 21 22
Vgl. Heuermann, DB 2004, 1848 (1850). Vgl. Heuermann, a. a. O., S. 1850. Vgl. BT-Drucks. 14/443, 28; zu BT-Drucks. 14/442 vom 3.3.1999, S. 62. Zur Historie der Vorschrift im Rahmen der unterschiedlichen Gesetzesentwürfe zum Steuerentlastungsgesetz 1999, vgl. Sorgenfrei, DStR 1999, 1928.
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weise davon aus, dass § 2 WpHG und § 1 Abs. 11 KWG den Begriff des Termingeschäftes definieren. In Wirklichkeit wird er als Oberbegriff lediglich vorausgesetzt, um spezielle Gruppen von Termingeschäften typologisch zu erschließen. Der Gesetzgeber wies in der Begründung des Entwurfs zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz selbst darauf hin, dass es bis dato an tauglichen Versuchen einer genauen Definition des Termingeschäftes fehlt23. Es würde der Klarheit dienen, im Steuerrecht den Begriff des Finanzderivats zu verwenden und ihn durch die Bezugnahme auf den Oberbegriff zu definieren oder zumindest typologisch zu umschreiben. Knüpft man an die Umschreibung in § 15 Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG an, hätte der Versuch einer Definition wie folgt lauten können: Finanzderivate sind Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Dieser abstrakt-allgemeine Begriff des Finanzderivats kann nicht als hinreichend präzise betrachtet werden, um die Fülle seiner Ausprägungen zu erfassen, so dass auf den unbestimmten Begriff des Typus zurückzugreifen ist. Während der abstrakte Gesetzesbegriff nur erfüllt ist, wenn alle Begriffsmerkmale gegeben sind, ist der Typusbegriff auch dann erfüllt, wenn im Einzelfall nicht alle den Typus repräsentierenden Merkmale vorliegen24. Zur weiteren Eingrenzung des Typus des Finanzderivats können die ihn nach Schäfer25 repräsentierenden Merkmale mit herangezogen werden. Typisierungen sind im Steuerrecht nicht selten, wie ein Hinweis auf die etablierten Typusbegriffe der Mitunternehmerschaft oder auch des gewerblichen Grundstückshandels verdeutlichen soll. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass ihre Präzisierung durch Schrifttum und Rechtsprechung ein lang andauernder Prozess ist und damit eine vergleichsweise große Rechtsunsicherheit einhergeht. Durch den schnellen Wandel bei den Finanzprodukten gilt dies in ganz besonderer Weise für den Typus des steuerlichen Termingeschäfts, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit geboten ist, das Begriffsverständnis nicht ausufern zu lassen, sondern den Begriff eher restriktiv auszulegen.
VII. Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten 1. Beschränkung der Verrechnung von Verlusten aus Derivaten Eine Vorschrift, die deutlich macht, dass der Gesetzgeber ein gespanntes Verhältnis zu Derivaten hat, ist § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG. Danach ist für Verluste aus Derivaten ein eigener Verrechnungskreis vorgesehen. Verluste aus Derivaten dürfen nur mit entsprechenden positiven Einkünften aus Derivaten verrechnet werden. Soweit die Geschäfte zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen ge-
__________
23 Regierungsentwurf 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, 85. 24 Vgl. Drüen, Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 395. 25 Vgl. Fn. 9.
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hören oder soweit sie der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs dienen, gelten Ausnahmen. Der Grundtatbestand wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführt, doch ist die Gesetzesbegründung wenig ergiebig, wenn man nach der Motivation des Gesetzgebers für diese Sonderbehandlung sucht. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine Folgeänderung zu der Einführung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Durch die Erweiterung des § 15 Abs. 4 EStG solle sichergestellt werden, dass Verluste aus Differenzgeschäften26 im betrieblichen Bereich nur mit Gewinnen aus derartigen Geschäften verrechnet werden können27. Nach Erinnerung des Verfassers war nicht zuletzt die BFH-Entscheidung vom 8.7.199828 für die Finanzverwaltung Anlass, diese Gesetzesänderung zu initiieren. Ein Steuerpflichtiger hatte über eine GmbH Verluste aus Devisentermingeschäften erlitten. Die Finanzverwaltung wollte diese Verluste mit dem Hinweis, es handele sich um steuerrechtlich irrelevante Liebhaberei, die der außerbetrieblichen Sphäre zuzuordnen sei, nicht zum Abzug zulassen. Dieser Beurteilung ist der I. Senat mit seinem Urteil vom 8.7.1998 nicht gefolgt. Durch die Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sollte somit verhindert werden, dass spekulative Verluste in das Betriebsvermögen verlagert werden. Für die Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG stellt sich die bereits aufgeworfene Frage, welche Derivate hiervon erfasst werden. Knüpft man an die unter VI. erarbeitete typologische Umschreibung des Derivatbegriffes an, ist zweifelhaft, ob von der Vorschrift auch Derivate erfasst werden, die zu einer physischen Lieferung führen. Im Schrifttum ist diese Frage umstritten29. Die Finanzverwaltung stützt ihre bejahende Ansicht darauf, dass von dem Wortlaut der Vorschrift auch Termingeschäfte erfasst werden, durch die der Steuerpflichtige anstelle eines Geldbetrages einen Vorteil erlange, der sich nach einer veränderlichen Bezugsgröße bestimme. Tibo30 begründet seine gegenteilige Meinung damit, dass mit dem in der Gesetzesbegründung genannten Beispiel der Lieferung von Wertpapieren nicht die Lieferung der veränderlichen Bezugsgröße selbst gemeint sein könne, es sich vielmehr um ein von dieser Bezugsgröße verschiedenes Wirtschaftsgut handeln müsse. Für die steuerliche Beurteilung von Optionsrechten hat die Finanzrechtsprechung die Zweivertragstheorie entwickelt, nach der zwischen dem Optionsgeschäft als solchem (mithin dem Derivat) und der nachfolgenden etwaigen Ausübung der Option zu unterscheiden sei (zur Zweivertragstheorie sogleich unter VII., 2. (a))31. Wenn die Zweivertragstheorie steuerrechtlich Bestand hat,
__________ 26 27 28 29
Zwischenzeitlich hatte der Gesetzgeber diesen Begriff aufgegeben. Vgl. BT-Drucks. 14/43, 250. BFH v. 8.7.1998 – I R 123/97, DB 1998, 2399. Verneinend: Tibo, DB 2001, 2369; Feyerabend in Erle/Sauter, 2. Aufl., § 15 EStG, Anm. 20; Schmidtmann/Weppler, DStR 2001, 1783; Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170; differenzierend: Intemann in HHR, § 15 EStG Anm. 1545; Harenberg, FR 2002, 109; Haisch, DStZ 2004, 850; bejahend: BMF v. 23.9.2005, DB 2005, 2269. 30 Tibo, DB 2001, 2369 (2370). 31 Vgl. BFH v. 28.11.1990 – X R 197/87, BStBl. II 1991, 301.
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muss zwingend zwischen dem Derivat als solchem und der späteren Ausübung unterschieden werden. Verluste i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG können mithin nur solche aus dem eigentlichen Derivat sein, nicht jedoch solche, die aus der tatsächlichen Lieferung des Basiswertes möglicherweise nachfolgend hingenommen werden müssen. Die tatsächliche Lieferung stellt per se schon kein Derivat dar, so dass der Auffassung von Tibo zu folgen ist. 2. Bedingte Termingeschäfte am Beispiel der Optionen a) Option als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut Es kann als die ganz herrschende Meinung bezeichnet werden, dass ein Optionsrecht als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut zu behandeln ist32. Diese Auffassung wird durch die steuerliche Rechtsprechung regelmäßig auch mit der Zweivertragstheorie begründet, wonach zwischen dem Kauf des Optionsrechts als solchem und der Ausübung der Option mit Abschluss des Hauptvertrages andererseits zu unterscheiden sei. Diese Rechtsprechung geht zurück auf das BFH-Urteil v. 28.11.199033 und wird von der Finanzrechtsprechung und vom steuerlichen Schrifttum regelmäßig in Bezug genommen34. Nach der zivilrechtlichen Einordnung von Optionsrechten ist die Zweivertragstheorie zweifelhaft. Nach einer Auffassung handelt es sich bei Optionen um Gestaltungsrechte. Das Optionsrecht ergibt sich dabei aus einem aufschiebend bedingten Vertrag, der durch die Optionserklärung unbedingt wird35. Zum zweiten wird ein Optionsrecht als langfristig bindendes Vertragsangebot eingeordnet. Der X. Senat, der mit seiner Entscheidung vom 28.11.1990 die Grundlage für die Zweivertragstheorie legte36, ließ ausdrücklich offen, ob zivilrechtlich der Einheitlichkeit oder des zweiphasigen Rechtsgeschäftes zu folgen sei und stützte die Zweivertragstheorie somit in erster Linie auf die dem Steuerrecht immanente wirtschaftliche Betrachtungsweise. Wegen der inzwischen ständigen Rechtsprechung wird man demzufolge nicht umhin können, für die ertragsteuerliche Beurteilung an der Zweivertragstheorie festzuhalten. Folgt man demnach der Zweivertragstheorie und geht davon aus, dass es sich bei dem Optionsrecht um ein eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut handelt, stellt sich die Frage, ob die herrschende Meinung und die Rechtsprechung den dadurch eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende geht.
__________ 32 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (ADS), 6. Aufl. 1998, § 246 HGB, Rz. 372; Förschle in Budde, et. al. (Hrsg.), BeckBilanzkomm, 6. Aufl. 2006, § 246 HGB, Rz. 101; IdW/BFA 2/1995, Abschn. B; Windmöller/Breker, WPg 1995, 389; Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 5 EStG Rz. 270 „Finanzprodukte“. 33 BFH v. 28.11.1990 – X R 197/87, BStBl. II 1991, 300. 34 Vgl. zuletzt BFH v. 19.12.2007 – VIII R 14/06, BStBl. II 2008, 475; Weber-Grellet, a. a. O., § 5 EStG, Anm. 144 m. w. N. 35 Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., vor § 145 Rz. 23 m. w. N. 36 Vgl. BFH v. 28.11.1990 – X R 197/87, BStBl. II 1991, 300.
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b) Beendigung des Optionsgeschäftes durch physische Lieferung aa) Kauf einer Kaufoption (Long Call) Der Inhaber einer Kaufoption ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, den zugrunde liegenden Basiswert zu einem festgelegten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erwerben. Eine sog. Long Call-Strategie bietet sich an, wenn der Käufer mit steigenden Kursen rechnet. Er hat ein letztlich unbegrenztes Gewinnpotential bei steigenden Kursen und sein Verlustrisiko ist auf den Verfall der Optionsprämie begrenzt. Wie sich aus öffentlich zugänglichen Quellen erschließen lässt, hat Porsche es verstanden, mit einer Long Call-Strategie in Bezug auf VW Aktien einen Gewinn von rund 6 Mrd. Euro zu erzielen37. Der Erwerb einer Kaufoption (Long Call) führt damit in Höhe der gezahlten Optionsprämie zu Anschaffungskosten für das Optionsrecht. Wird die Option nachfolgend ausgeübt (weil die Kurse steigen), sind die erworbenen Wirtschaftsgüter zunächst mit dem gezahlten Basispreis zu aktivieren. Der Buchwert des aktivierten Optionsrechtes gehört nach herrschender Ansicht zu den Anschaffungsnebenkosten der erworbenen Basiswirtschaftsgüter38. Der Buchwert des Optionsrechtes erhöht danach z. B. auch die Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Werden diese mit dem niedrigen Basiswert zzgl. des Buchwerts des Optionsrechtes als Anschaffungskosten angesetzt, ergibt sich nachfolgend ein gem. § 8b Abs. 2 KStG zu erfassender Veräußerungsgewinn, falls die Anteile sofort weiter veräußert werden. Ruft man in Erinnerung, dass die erworbene Kaufoption ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt, drängen sich allerdings Zweifel auf, ob die beschriebene, der herrschenden Meinung entsprechende Lösung mit dem geltenden materiellen Steuerrecht in Einklang zu bringen ist. In der Optionsausübung kann man ein partielles Tauschgeschäft sehen. Das Basisobjekt wird gegen Hingabe des Basispreises und des Optionsrechts, das im Zuge der Optionsausübung untergeht, erworben39. Handelsrechtlich besteht beim Tausch ein Wahlrecht, nach dem die angeschafften Anlagewerte erfolgsneutral mit dem Buchwert des hingegebenen Vermögensgegenstandes eingebucht werden dürfen40. Steuerlich hingegen wurde der Tausch in ständiger Rechtsprechung als Realisationsakt angesehen, der zur Aufdeckung der stillen Reserven des hingetauschten Wirtschaftgutes führt. Diese Grundsätze sind nunmehr in § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG gesetzlich verankert. Folgt man diesen Prinzipien, so müsste im Zeitpunkt der Optionsausübung – wie bei jedem anderen Wirtschaftsgut – ein Gewinn aus der Hingabe des Optionsrechtes realisiert werden. Im Zeitpunkt
__________ 37 Vgl. Interview mit dem Finanzvorstand Holger Härter, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.11.2008, S. 35; Geschäftsbericht 2007/08 der Porsche SE zum 31.7.2008, abrufbar unter www.porsche-se.com. 38 Vgl. ADS, § 255 HGB, Rz. 74; Ellrott/Schmidt/Wendt in BeckBilanzkomm, 6. Aufl. 2006, § 255 HGB, Rz. 74; Glanegger in L. Schmidt, a. a. O., § 6 EStG Rz. 140 „Optionen“; Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170; BMF v. 27.11.2001, DStR 2002, 172 zu privaten Veräußerungsgeschäften. 39 Vgl. Windmöller/Breker, WPg 1995, 394 m. w. N. 40 Vgl. Ellrott/Brendt in BeckBilanzkomm, 6. Aufl., § 255 HGB, Anm. 131.
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der Optionsausübung entspricht der Wert der Option der Differenz zwischen dem Basispreis des Basiswertes und dessen aktuellem Markpreis (innerer Wert). In Höhe des inneren Wertes würde sich somit ein Gewinn aus der Hingabe des Optionsrechtes gem. § 6 Abs. 6 EStG ergeben41. Vergleichbare Vorgänge ergeben sich bei Wandelschuldverschreibungen und Umtauschanleihen. Bei Wandelschuldverschreibungen wird eine Realisierung bei der Umwandlung mit dem Hinweis auf eine Rechtsprechung verneint, die bis auf den Reichsfinanzhof zurückgeht42. Begründet wird dies mit der Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa), nach der die Schuld – anders als bei der Wahlschuld gem. § 262 BGB – von Anfang an einen bestimmten Leistungsinhalt hat, der im Falle der Wandelschuldverschreibung auf die Lieferung der Aktien gerichtet ist43. Die Wandelschuldverschreibung mutiert demnach gewissermaßen von einer Schuldverschreibung zu den zu liefernden Aktien. Bei einer Umtauschanleihe soll demgegenüber nach Verwaltungsansicht bei der Lieferung von Aktien durch Einlösung der Umtauschanleihe steuerlich ein Tausch vorliegen44. Ein vergleichbares Ergebnis entsteht, wenn ein nicht ausgeübtes Optionsrecht kurz vor dem Verfall veräußert wird. Wäre die Option zum Zeitpunkt der Veräußerung im Geld, würde sich gleichfalls ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn aus der Option ergeben. Nachdem Gewinne aus der Veräußerung der Option selbst nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigt, Verluste aber auch nicht nach § 8b Abs. 3 KStG vom Abzug ausgeschlossen wären, ergeben sich hierdurch erhebliche Unterschiede zur steuerlichen Behandlung nach der herrschenden Auffassung. Betrachtet man demgegenüber das Optionsrecht als Teil eines aufschiebend bedingten Vertrages, der durch die Optionserklärung unbedingt wird45, dann wird deutlich, dass die Optionsprämie einen Teil der Anschaffungskosten der künftig zu erwerbenden Wirtschaftgüter darstellt, da eine Trennung zwischen der Option als solcher und dem Erwerb des Basisgegenstandes nach zivilrechtlicher Auffassung nicht möglich wäre. bb) Kauf einer Verkaufsoption (Long Put) Ein Long Put gibt dem Inhaber das Recht, nicht aber die Pflicht zum Verkauf des Basiswertes zum festgelegten Preis und Termin. Der Kauf einer Verkaufsoption dient dazu, bei Erwartung fallender Kurse sein Portfolio abzusichern. Das Verlustrisiko ist auf die Optionsprämie begrenzt. Die Optionsprämie ist mithin der Aufwand, der erforderlich ist, um das vorhandene Portfolio vor fallenden Kursen zu schützen.
__________ 41 42 43 44
Gleicher Ansicht: Dinkelbach, DB 2006, 1642. Vgl. RFHE 25, S. 267; RFHE 54, 128 f. Zur Ersetzungsbefugnis vgl. Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 262 BGB, Anm. 7. Vgl. Mihm in Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 393 m. w. N. 45 Vgl. BGH 247, 387 (391).
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
Beispiel: Eine Kapitalgesellschaft hat Aktien mit einem Buchwert von 100 im Bestand, die grundsätzlich für die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG qualifizieren sollen. Die Gesellschaft rechnet mit fallenden Kursen und kauft deshalb Verkaufsoptionen, nach denen sie berechtigt ist, die Aktien dem Stillhalter zum gegenwärtigen Kurs von 100 anzudienen. Die zu entrichtende Optionsprämie soll sich auf 10 belaufen. Die Verkaufsoption wird ausgeübt als der Marktpreis der Aktien 70 beträgt. Auf der Grundlage der herrschenden Meinung46 führt der Verkauf der Aktien zum Basispreis von 100 (bei einem Marktpreis von 70) zunächst zu einem ausgeglichenen Ergebnis (Verkaufserlös 100 abzgl. Anschaffungskosten von 100). Zusätzlich ist das mit 10 aktivierte Optionsrecht auszubuchen, weil es sich dabei um Veräußerungskosten handeln soll. Per Saldo ergibt sich mithin ein Verlust i. H. v. 10, der den Anschaffungskosten für das Optionsrecht entspricht und gem. § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG steuerlich nicht abzugsfähig ist. Beurteilt man hingegen die Optionsausübung wiederum als partielles Tauschgeschäft, so müsste man die vom Stillhalter im Rahmen der physischen Lieferung gezahlten 100 aufteilen. Ein Teilbetrag i. H. v. 30 würde auf den gemeinen Wert des untergehenden Optionsrechts und der dem Marktpreis der Aktien entsprechende Restbetrag von 70 für den Erwerb der Aktien anzusetzen sein. Dadurch würde sich aus dem untergehenden Optionsrecht ein Gewinn von 20 und aus dem Abgang der Aktien hingegen ein Verlust von 30 ergeben. Der Gewinn aus dem Optionsrecht ist nach herrschender Meinung nicht gem. § 8b Abs. 2 KStG begünstigt47 und der Verlust aus dem Abgang der Aktien wäre bei Körperschaften außerhalb des Anwendungsbereiches des § 8b Abs. 7 und 8 KStG nicht steuerlich abzugsfähig. Dieses von der herrschenden Meinung abweichende Ergebnis dürfte auch eher mit dem Wortlaut des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG in Einklang stehen, nach dem für die Ermittlung des Veräußerungsergebnisses der Wert maßgeblich ist, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (steuerlicher Buchwert). Zum Zeitpunkt der Veräußerung wären die Aktien auf ihren niedrigeren Teilwert von 70 abzuschreiben, so dass sich in der Tat ein Verlust aus den Aktien von 30 ergeben würde. Dieses Ergebnis ist auf der Grundlage der Zweivertragstheorie konsequent und ist mit dem Ergebnis im Falle eines Barausgleichs (vgl. hierzu nachfolgend unter VII., 2. lit. c) identisch. Ordnet man das Optionsrecht demgegenüber als bindendes Vertragsangebot ein, könnte dieses Ergebnis keinen Bestand haben. Der Stillhalter hätte sich verpflichtet, die Aktien zum Preis von 100 abzunehmen, so dass wie bei jedem anderen Wirtschaftsgut, das möglicherweise zu einem über dem Marktpreis liegenden Wert veräußert wird, kein Verlust aus dem Abgang dieses Wirtschaftsgutes zu verzeichnen wäre. An einen Gewinn, der sich aus der eigentlichen Verpflichtung des Käufers ergeben würde, das Wirtschaftsgut zu einem überhöhten Preis abzunehmen, wäre nicht zu denken. Es würde den zivilrechtlichen Gegeben-
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46 Vgl. hierzu Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170, m. w. N. 47 Vgl. Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170 (2171).
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heiten in keiner Weise gerecht, dabei künstlich Aufspaltungen zwischen Optionsrecht und dem Erwerb des Basisobjektes vornehmen zu wollen. cc) Verkauf einer Kaufoption (Short Call) Der Verkäufer einer Kaufoption hat auf Verlangen des Berechtigten die Pflicht, den zugrunde liegenden Basiswert zum festgelegten Preis und Zeitpunkt zu liefern. Ein Short Call bietet sich an, wenn der Stillhalter mit stagnierenden oder fallenden Kursen rechnet. Seine Gewinnchance ist auf die erhaltene Optionsprämie begrenzt, so dass sein Verlustrisiko bei steigenden Kursen nahezu unbegrenzt ist. Beredtes Beispiel hierfür sind die Gegenparteien zu Porsche, die mit fallenden Kursen der VW Aktien gerechnet haben. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung hat der BFH durch sein Urteil vom 18.12.200248 mit der herrschenden Meinung im Schrifttum entschieden, dass für die Verpflichtung des Veräußerers einer Option (Stillhalter) eine Verbindlichkeit in Höhe der dafür vereinnahmten Prämie auszuweisen ist. Die Verbindlichkeit ist erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen. Auch diese Entscheidung wurde auf die Zweivertragstheorie gestützt, nach der das Stillhalten des Optionsverkäufers zumindest wirtschaftlich (nach der Begründung auch rechtlich) eine selbständige Leistung sei, die losgelöst von dem nachfolgenden Ausübungsgeschäft beurteilt werden müsse. Dass die Leistung für die Stillhalterverpflichtung zunächst noch nicht verdient und damit entsprechend der Ansicht der Finanzverwaltung sofort erfolgswirksam zu vereinnahmen war, wurde im Wesentlichen mit dem Realisationsprinzip begründet. Die vom I. Senat in dieser Entscheidung vertretene gesonderte Behandlung der Stillhalterverpflichtung führt konsequenterweise dazu, dass ein die Höhe der Optionsprämie übersteigendes Risiko aus einer späteren Ausübung der Option (Risikoüberhang) zu einem höheren Teilwert der Verbindlichkeit führt und nicht zu einer Drohverlustrückstellung49. Der I. Senat konnte diese Frage jedoch offen lassen. Geht man von der wahrscheinlichen Annahme aus, dass der Stillhalter einen Deckungsbestand an Aktien unterhält, diese in Anlehnung an das Beispiel unter bb) beim Stillhalter mit dem Buchwert des Ausübungspreises von 100 ausgewiesen sind, ist die Lieferung der Aktien zum Ausübungspreis beim Stillhalter erfolgsneutral. In Höhe der erhaltenen Optionsprämie von unterstellt 10 würde der Stillhalter nach Maßgabe der herrschenden Meinung einen nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Veräußerungsgewinn i. H. v. 10 realisieren50. Betrachtet man die Optionsausübung durch den Berechtigten wiederum als partielles Tauschgeschäft, so müssten die übertragenen Aktien gem. § 6 Abs. 6 EStG mit ihrem gemeinen Wert bewertet werden, der zum Ausübungszeitpunkt unterstelltermaßen 200 betragen soll. Aus der Übertragung der Aktien würde sich somit ein Veräußerungsgewinn gem. § 8b Abs. 2 KStG ergeben.
__________ 48 BFH v. 18.12.2002 – I R 17/02, BStBl. II 2004, 126. 49 In diesem Sinne jedoch Rau, BB 2002, 928 (931). 50 Vgl. Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170 (2173).
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
Allerdings müsste der Stillhalter gleichzeitig seine Verbindlichkeit aus dem Optionsgeschäft um den inneren Wert von 100 aufstocken. Der Verlust aus der Aufstockung des Optionsgeschäfts wäre nach der herrschenden Meinung nicht gem. § 8b Abs. 3 KStG vom Abzug ausgeschlossen, würde allerdings in den besonderen Verlustverrechnungskreis des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG eingehen. Das vom Stillhalter erlangte Entgelt in Höhe des Ausübungspreises von 100 müsste gedanklich in ein Entgelt für die Aktien von 200 und eine entfallende Verpflichtung aus der Option von 100 aufgeteilt werden, so dass sich aus der Ausbuchung der verbleibenden Optionsverpflichtung ein Ertrag von 10 ergeben würde. Weil der Ertrag primär mit dem Derivat in Zusammenhang steht, wäre er mit diesem Ergebnis zu verrechnen. Gegenüber der herrschenden Meinung würde sich somit ein nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigter Ertrag von 100 ergeben, dem ein Verlust aus dem Derivat von insgesamt 90 gegenüberstehen würde. Dieser Verlust wäre zwar voll abzugsfähig, wäre jedoch gem. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG nur mit Gewinnen aus Derivaten verrechenbar51. dd) Verkauf einer Verkaufsoption (Short Put) Der Verkäufer eines Puts (Stillhalter) hat auf Verlangen des Berechtigten die Pflicht, den Basiswert zum festgelegten Preis und Termin zu erwerben. Der Verkäufer einer Verkaufsoption rechnet mit stagnierenden bis steigenden Kursen, so dass der Berechtigte sein Recht nicht ausübt und der Stillhalter einen zusätzlichen Ertrag in Form der Optionsprämie erwirtschaftet. Bei fallenden Kursen hingegen hat der Stillhalter ein nahezu unbegrenztes Verlustrisiko. Beim Verkauf einer Verkaufsoption ergeben sich zwischen der herrschenden Meinung und der Anwendung von Tauschgrundsätzen ähnliche Unterschiede. Muss der Stillhalter Aktien zu einem unterstellten Ausübungspreis von 100 abnehmen, deren Kurs inzwischen auf 50 gefallen ist, erleidet er einen Verlust aus der Aktie i. H. v. 50, der nach der herrschenden Meinung jedoch durch die erhaltene Optionsprämie von unterstellt 10 zu vermindern ist52. Betrachtet man konsequent das Derivat und Ausübungsgeschäft getrennt, ergibt sich nur ein Verlust aus dem Derivat von 40, weil die erworbenen Aktien nur zu den Anschaffungskosten von 50 anzusetzen sind, die sich aus dem Saldo der Barleistung i. H. v. 100 abzgl. des gemeinen Werts des Optionsrechts zum Zeitpunkt der Ausübung von 50 ergeben. c) Beendigung des Optionsgeschäfts durch Barausgleich Der Einsatz von Aktienderivaten durch Porsche beim Erwerb der Beteiligung an Volkswagen hat in jüngster Zeit einigen Staub aufgewirbelt. Nach den Auskünften des Finanzvorstandes Härter handelte es sich um Optionen mit Barausgleich53.
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51 Vgl. Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170 m. w. N. 52 Vgl. Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170 (2173). 53 Vgl. z. B. Interview mit dem Finanzvorstand Holger Härter in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.11.2008, S. 35.
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Beispiel (in Anlehnung an Porsche/VW): Der Aktienkurs einer Gesellschaft, an der eine Beteiligung aufgebaut werden soll („Zielgesellschaft“) betrage 200 Euro. Das an der Übernahme interessierte Unternehmen P erwirbt Kaufoptionen (Long Call), die es berechtigen, die Aktie am Zielunternehmen zum Basispreis von 200 zu erwerben und muss hierfür eine Optionsprämie von 50 Euro entrichten. Es soll sich ausschließlich um Kaufoptionen handeln, die einen Barausgleich vorsehen. Der Aktienkurs des Zielunternehmens steigt auf 400. Das Unternehmen P erwirbt die Aktie zu dem aktuellen Börsenkurs von 400 Euro über die Börse und übt seine Option aus, so dass der Stillhalter dem Unternehmen P einen Barausgleich i. H. v. 200 Euro (Differenz zwischen Börsenkurs und Ausübungspreis) zu bezahlen hat. Die handels- und steuerbilanziellen Auswirkungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Die erworbene Call Option wird als immaterielles Wirtschaftsgut aktiviert. 50 Euro – Die am Markt gekaufte Aktie wird mit ihren Anschaffungskosten aktiviert. 400 Euro – Der Barausgleich wird als „Sonstiger Ertrag“ erfolgswirksam vereinnahmt. 200 Euro – Die gezahlte Optionsprämie wird erfolgswirksam ausgebucht. 50 Euro Unterm Strich weist das Unternehmen P einen Gewinn aus dem Optionsgeschäft i. H. v. 150 Euro aus und hat die erworbene Aktie mit ihren Anschaffungskosten von 400 Euro aktiviert, die derzeit dem Marktwert entsprechen. Der Gewinn aus dem Optionsgeschäft ist nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigt. Abwandlung des Beispiels Anstelle eines Barausgleichs soll der Stillhalter verpflichtet sein, die Aktien der Zielgesellschaft bei Ausübung der Kaufoption physisch zu liefern. Bei dem abgewandelten Beispiel ergibt sich folgendes bilanzielles Ergebnis: Bei Ausübung der Option wird die Aktie zu dem Ausübungspreis von 200 Euro erworben. Der Buchwert des aktivierten Optionsrechts gehört nach herrschender Meinung zu den Anschaffungsnebenkosten, so dass die Aktie an der Zielgesellschaft mit 250 Euro aktiviert ist. Eine erfolgswirksame Auswirkung ergibt sich zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht. Veräußert das Unternehmen P anschließend die Aktie zum Börsenkurs von 400 Euro, realisiert es einen Veräußerungsgewinn, der nach § 8b Abs. 2 KStG effektiv nur zu 5 % der Besteuerung unterliegt. d) Wertungswidersprüche Aus dem Geschäftsbericht der Porsche SE zum 31.7.2008 lässt sich mittelbar entnehmen, dass die Barausgleichszahlungen der Stillhalter – wie oben darge224
Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
stellt – nach Verrechnung mit dem Aufwand aus der Ausbuchung der für die Kaufoptionen gezahlten Prämien als steuerpflichtige Erträge angesehen wurden54. Die Erträge aus der Kurssicherung sind i. H. v. 19,2 Mrd. Euro unter den „Sonstigen Erträgen“ ausgewiesen. Dagegen stehen die Aufwendungen aus Aktienoptionen i. H. v. 12,4 Mrd. Euro bei den „Sonstigen betrieblichen Aufwendungen“. Per Saldo sind mithin 6,8 Mrd. Euro erfolgswirksam vereinnahmt worden. Auf das Ergebnis vor Steuern i. H. v. 8,5 Mrd. Euro wird der Ertragsteueraufwand mit dem Konzernsteuersatz von 30 % gebildet. Wären die Erträge aus der Aktienkurssicherung für steuerliche Zwecke mit den Anschaffungskosten der erworbenen Aktien verrechnet worden, müsste bei der Erläuterung der latenten Steuern eine entsprechende Abweichung auftauchen. Dies ist nicht der Fall (vgl. S. 150 des Geschäftsberichts 2007/2008 der Porsche SE). Die Auffassung, dass Barausgleichszahlungen aus Optionsgeschäften nicht zu einer Anschaffungskostenminderung der gegebenenfalls erworbenen Basiswerte führen, scheint die vorherrschende Auffassung der Praxis zu sein. Die Finanzverwaltung scheint diese Ansicht zumindest für den Bereich der privaten Vermögensverwaltung gleichfalls zu vertreten, wenn sie ausführt, dass der Inhaber bei Erhalt eines Barausgleichs ein Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu versteuern habe55. Ob eine Anschaffungskostenminderung vorliegt, ist für Zwecke der Gewinn- und Überschusseinkünfte nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung einheitlich zu beurteilen56. Dass beim Barausgleich keine Anschaffungskostenminderung vorliegt, dürfte auf die Zweivertragstheorie zurückgehen und vor allem damit begründet werden, dass zwischen der Barausgleichsverpflichtung des Stillhalters und dem Erwerb der Aktien durch den Optionsinhaber keinerlei Zusammenhang besteht. Die Barausgleichsverpflichtung wird fällig, auch wenn der Optionsinhaber die Aktie gar nicht erwirbt. Ob diese Auffassung zutreffend ist, wenn der Optionsinhaber nach seinem eigenen Kalkül Optionen mit Barausgleich zur Kurssicherung der zu erwerbenden Aktien abgeschlossen hat, ist zumindest sehr zweifelhaft. Bei ähnlich gelagerten Fällen von Zuschüssen wird darauf rekurriert, dass zwischen dem Anschaffungsvorgang und dem Zuschuss eine rechtliche Verknüpfung gegeben sein müsse57. Für den Bereich der öffentlichen Zuschüsse fordert die Finanzverwaltung in R 6.5 EStR, dass der Zuschussgeber einen in seinem eigenen Interesse liegenden Zweck verfolge. Diese Voraussetzungen wären bei einer bar ausgeglichenen Optionsverpflichtung sicherlich nicht gegeben. Allerdings ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der BFH durch sein Urteil vom 26.2.200258 entgegen seiner früheren Rechtsprechung darauf verweist, dass eine Anschaffungskostenminderung bei einer Leistung durch einen Dritten keine rechtliche oder gar synallagmatische Verknüpfung voraussetze. Ausreichend sei vielmehr ein wirtschaftlicher Zusammenhang, der gegeben sei,
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Durch den nach IFRS erstellten Abschluss kann dies nur mittelbar abgeleitet werden. Vgl. BMF v. 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986, z. B. Tz. 16. Vgl. BFH v. 26.2.2002 – IX R 20/98, BStBl. II 2002, 796 (797). Vgl. z. B. Förschle/Scheffels, zu früheren Diskussion um die Bilanzierung von Werkzeugkostenzuschüssen, DB 1993, 2393 (2394). 58 BFH v. 26.2.2002 – IX R 20/98, BStBl. II 2002, 797.
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wenn der maßgebende Anlass für den Minderungsvorgang in der Anschaffung liege. Wenn Aktien erworben werden sollen und der Erwerber gezielt damit im Zusammenhang zur Absicherung des gegenwärtigen Kursniveaus Kaufoptionen mit Barausgleich erwirbt, sollte ein hinreichend wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Aktie und der Barausgleichsverpflichtung durch den Stillhalter angenommen werden können, so dass richtigerweise die Barausgleichsverpflichtung von den Anschaffungskosten abzusetzen ist. Die unterschiedlichen Ergebnisse einer Optionsausübung mit physischer Lieferung bzw. durch Barausgleich sind dadurch begründet, dass im Rahmen einer physischen Lieferung nach der herrschenden Meinung die Optionsausübung nicht als partielles Tauschgeschäft beurteilt wird. Beurteilt man das Optionsrecht als eigenständiges Wirtschaftsgut, ist kein Grund ersichtlich, warum die Tauschgrundsätze keine Anwendung finden sollen. Auf der Grundlage der Zweivertragstheorie ist dieses Ergebnis auch systemgerecht. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass sich die Zweivertragstheorie vom Zivilrecht abhebt59. Für Zwecke des früheren § 37d WpHG wurde konträr zum Steuerrecht auch auf der Grundlage der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Einheitstheorie vertreten. Beim Kauf von Optionen (sog. Long Position) dürfte die Einvertragstheorie gerade bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die zutreffendere Auslegung sein. Bei effektiver Lieferung unterscheidet sich ein Long Call nicht von dem Erwerb eines Wirtschaftsgutes mittels eines normalen Termingeschäfts, weil das Optionsrecht als bedingter Anspruch aus einem Kaufvertrag zu würdigen wäre. Die Optionsgebühr würde damit eindeutig zu den Anschaffungskosten des zu erwerbenden Wirtschaftsgutes gehören. Auch bei einem Long Put würden die Dinge nicht anders liegen. Die Optionsgebühr hätte wirtschaftlich den Charakter eines vorweggenommenen Verkaufserlöses des effektiv zu liefernden Wirtschaftsgutes. Aber auch Stillhalterpositionen (Short Call oder Short Put) ließen sich auf der Grundlage der Einvertragstheorie widerspruchsfrei lösen. Bei einem Short Call wäre die Optionsgebühr als Anzahlung auf das zu leistende Basisobjekt zu verstehen. Für einen Short Put gilt dies mit umgekehrtem Vorzeichen. Die Optionsgebühr wäre dabei als Anschaffungskostenminderung des zu erwerbenden Basisobjektes zu werten. Entgegen der zivilrechtlichen Betrachtungsweise hat sich der BFH jedoch in inzwischen ständiger Rechtsprechung für die Zweivertragstheorie entschieden. Bei physisch zu erfüllenden Optionsgeschäften kann die Zweivertragstheorie auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht die besseren Argumente für sich in Anspruch nehmen, eher das Gegenteil dürfte zutreffen. Anders liegen jedoch die Dinge bei Optionen mit Barausgleich oder auch beim Einsatz von in Wertpapieren verbrieften Optionsscheinen. Bei deren Einsatz muss es nicht zur physischen Lieferung kommen. Zwischen dem Optionsgeschäft und dem Hauptvertrag besteht somit keine rechtliche Verknüpfung, was schon daran deutlich wird, dass es zur Ausführung eines Hauptvertrages gar nicht kommen muss. Möchte man Optionen mit Barausgleich und solche mit physi-
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59 Vgl. Schäfer in Schwintowksi/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., § 20 Anm. 54 m. w. N.
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scher Lieferung steuerrechtlich einheitlich behandeln, ist der Zweivertragstheorie der Vorzug zu geben. Um eine Gleichbehandlung zu erzielen, wäre es dann allerdings erforderlich, bei tatsächlicher Lieferung das Optionsgeschäft strikt vom Ausführungsgeschäft zu trennen und Tauschgrundsätze auf das Optionsrecht anzuwenden. 3. Besteuerungsprobleme unbedingter Termingeschäfte am Beispiel des Total Return Swaps Zu den Derivatgeschäften, die besondere steuerliche Zweifelsfragen aufwerfen, gehört auch der Total Return Swap, insbesondere wenn er sich auf Anteile an Kapitalgesellschaften bezieht. a) Transaktionsmuster Bei einem Total Return Swap überträgt der Inhaber eines Referenzaktivums (Sicherungsnehmer) – vorliegend unterstellt Anteile an Kapitalgesellschaften – den etwaigen wirtschaftlichen Erfolg aus dem Referenzaktivum und das damit verbundene Risiko auf einen Investor (Sicherungsgeber). Der Sicherungsnehmer leistet Ausgleichszahlungen an den Sicherungsgeber (Kompensationszahlungen, Manufactured Payments), die alle laufenden Erträge sowie Wertsteigerungen abzgl. Wertminderungen des Referenzaktivums beinhalten. Der Sicherungsgeber bezahlt demgegenüber an den Sicherungsnehmer vereinbarte Zinsen sowie gegebenenfalls eingetretene Wertminderungen des Referenzaktivums. Die wirtschaftliche Wirkung eines Total Return Swap besteht darin, die Rendite des Referenzaktivums gegen einen Zinsertrag zu tauschen. Der Total Return Swap ähnelt einem echten Wertpapierpensionsgeschäft gem. § 340b Abs. 2 HGB (Repurchase Agreement, „Repo“), allerdings mit zwei wichtigen Unterschieden. Im Gegensatz zum typischen Pensionsgeschäft wäre der Rückkaufpreis beim Total Return Swap nicht mit dem ursprünglich empfangenen Betrag identisch, sondern würde dem Marktwert entsprechen. Außerdem müsste der Sicherungsnehmer (anstelle des Pensionsgebers) dem Sicherungsgeber (anstelle des Pensionsnehmers) selbst ein Darlehen zur Verfügung stellen. Der Sicherungsgeber eines Total Return Swap hat somit für die vereinbarte Laufzeit die Chance der Wertsteigerung und das Risiko der Wertminderung in Bezug auf den Basiswert. Allerdings wird das Referenzaktivum entgegen einem Wertpapierpensionsgeschäft nicht verkauft, sondern die Positionen werden nur synthetisch begründet. Obgleich der Sicherungsgeber zeitlich befristet sämtliche Chancen und Risiken aus den Anteilen übernimmt, ist es in der Praxis eher die Ausnahme als die Regel zu vereinbaren, dass der zivilrechtliche Inhaber der Anteile (Sicherungsnehmer) die Stimmrechte an den Mitgliedschaftsrechten auf Weisung des Sicherungsgebers auszuüben habe. Je nach Interessenlage der Beteiligten ist allerdings auch eine solche Vereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte denkbar. Total Return Swaps haben Ähnlichkeit mit Unterbeteiligungen und werden auch zu diesem Zweck einge227
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setzt, wenn ein Investor – etwa auch aufsichtsrechtlichen Gründen – nicht in ein bestimmtes Referenzaktivum investieren kann. Ansonsten wird das Instrument primär zu Sicherungszwecken eingesetzt. Obgleich die Transaktionsstruktur eines Total Return Swaps auf den ersten Blick als Tausch von Rechten und Pflichten erscheint, wird ein Tausch gem. § 480 BGB von der herrschenden Meinung verneint, weil Gegenstand des Vertrages nicht das zugrunde liegende Referenzaktivum ist, sondern lediglich Zahlungsverpflichtungen getauscht werden. Swap-Vereinbarungen werden deshalb von der herrschenden Meinung als Verträge sui generis mit Dauerschuldcharakter gem. §§ 241, 314 BGB eingeordnet60. b) Kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums Obgleich der Sicherungsgeber während der Laufzeit des Total Return Swap die Chancen auf Wertsteigerung wie auch das Risiko auf Wertminderung sowie die laufenden Erträge übernimmt, wird er nach herrschender Meinung zutreffend nicht als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen61. Gemäß der Definition des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO scheitert der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Sicherungsgeber daran, dass dieser den Sicherungsnehmer nicht von der wirtschaftlichen Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, da der Sicherungsnehmer noch weiterhin die Mitgliedschaftsrechte ausübt. Der Sicherungsnehmer kann das Referenzaktivum veräußern, wobei im Einzelfall Veräußerungsbeschränkungen denkbar sind62. Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung wird es jedoch im Falle eines Total Return Swap sehr auf die im Einzelfall getroffenen Abreden ankommen, ob das wirtschaftliche Eigentum an dem Referenzaktivum nicht doch auf den Sicherungsgeber übergeht. Nach dem BFH-Urteil v. 18.5.200563 erzielt der Unterbeteiligte an einem GmbH-Anteil originär Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gegebenenfalls auch nach § 17 EStG, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und in Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Auch eine nur kurze Haltedauer steht der wirtschaftlichen Zurechnung von Anteilsrechten an einem Unterbeteiligten nicht entgegen. Der VIII. Senat wies jedoch unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung darauf hin, dass neben der Teilhabe am Risiko der Wertminderung und der Chance auf Wertsteigerung der Anteile gleichermaßen für die aus der Beteiligung sich ergebenden Verwaltungsrechte, also insbesondere für die Stimmrechte, zu fordern sei, dass der rechtliche Inhaber diese in Abstimmung mit dem Unterbeteiligten ausüben müsse. Bei einem Total Return Swap, der deshalb – ausnahmsweise – vorsieht, dass der Sicherungsnehmer bei
__________ 60 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht 2004, Rz. 14.307 m. w. N. 61 Vgl. BdB, WPg 2000, 677; Scharpf/Luz, Risikomanagement, Bilanzierung und Aufsicht von Finanzderivaten, 2. Aufl. 2002, S. 506; Kühnle, WPg 2002, 288. 62 Vgl. Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170. 63 BFH v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857.
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Anteilen an einer Kapitalgesellschaft die Stimmrechte in Abstimmung mit dem Sicherungsgeber ausüben muss, kann nach dieser Entscheidung zur wirtschaftlichen Inhaberschaft des Sicherungsgebers an den Anteilen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1 AO führen. 4. Qualifizierung der Einkünfte aus Derivaten a) Praktische Relevanz und Grundsätze Durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (ab 2009: Teileinkünfteverfahren) hat die Frage eine besondere Bedeutung erlangt, inwieweit abgeleitete Positionen in Form von Derivaten zu Einkünften führen, die dem Halbbzw. Teileinkünfteverfahren unterliegen. Nach der herrschenden Meinung sind Einkünfte aus Derivaten, die sich auf Anteile an Kapitalgesellschaften beziehen, grundsätzlich nicht nach dem Halbeinkünfteverfahren zu behandeln, es sei denn, der Buchwert eines Optionsrechtes sei in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns gem. § 8b Abs. 2 KStG einzubeziehen (vgl. hierzu oben)64. Die Charakterisierung von Einkünften ist eng mit der Frage verbunden, wem die Einkünfte in persönlicher Hinsicht zuzurechnen sind. Nach heute gefestigter und allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum wird für die Frage der persönlichen Zurechnung von Einkünften daran angeknüpft, wer den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt. Diese auf Ruppe zurückgehende Markteinkommenstheorie65 führt zu dem Lösungsansatz, dass Einkünfte demjenigen zuzurechnen sind, der über die Leistungserstellung disponieren kann, das heißt die Möglichkeiten hat, Marktchancen zu nutzen, Leistungen zu variieren, im Extremfall auch zu verweigern, indem er seine Tätigkeit einstellt, Kapital zurückzahlt, Mietverhältnisse kündigt etc66. Die Rechtsprechung hat diese Formel in einer Reihe von Urteilen zu Beginn der 80er Jahre übernommen, die sich schwerpunktmäßig mit der Besteuerung des Nießbrauchs beschäftigt haben67. Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht dieselben Kriterien dafür herangezogen werden sollen, wem die Einkünfte aus Anteilen an Kapitalgesellschaften im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens zuzurechnen sind. b) Zurechnung der Einkünfte folgt nicht zwingend der Vermögenszurechnung Das Konzept der Einkunftszurechnung durch die Bewirkung von Leistungen mag zwar häufig der Zurechnung des zugrunde liegenden Vermögens folgen, zwingend ist dies indes nicht68. Nach der Markteinkommenstheorie erzielt
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64 Vgl. Dötsch/Pung, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, KStG § 8b, Anm. 64; Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2170. 65 Ruppe, DStJG 1 (1978), S. 7 ff. 66 Vgl. Ruppe, a. a. O., S. 7 ff. (18). 67 Vgl. BFH v. 13.5.1980 – VIII R 63/79, BStBl. II 1981, 295; VIII R 75/79, BStBl. 1981, 297; VIII R 128/78, BStBl. 1981, 299; III R 160/81, BStBl. 1982, 540. 68 Vgl. Beschluss des Großen Senats vom 29.11.1982 – GrS 1/81 zu Wertpapierpensionsgeschäften, BStBl. II 1983, 272.
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derjenige die Einkünfte, der über die Leistungserbringung disponiert, und dies muss nicht zwangsläufig der wirtschaftliche Eigentümer des Wirtschaftsgutes sein69. Diese Erkenntnis ist keineswegs überraschend. So wird es geradezu als selbstverständlich hingenommen, dass ein Mieter oder Pächter, der in eigenem Namen untervermietet, Einkünfte aus der Nutzung eines fremden Wirtschaftsgutes erzielt70. Der Mieter oder Pächter, der untervermietet oder -verpachtet, verfügt aufgrund seines Nutzungsrechts über die Einkunftsquelle, so dass ihm Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung zuzurechnen sind71. Auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen sind Besteuerungsprobleme bei abgeleiteten Positionen nicht neu, wie die umfangreiche Rechtsprechung zu Nießbrauchsgestaltungen vor mehr als 25 Jahren belegt. Bei einer entgeltlichen Bestellung eines Nießbrauchs am Kapitalvermögen ist dem Nießbrauchsbesteller das hierfür gezahlte Entgelt nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG zuzurechnen. Der Nießbraucher zieht dementsprechend lediglich eine Forderung ein, so dass die Kapitalerträge bei ihm nicht zu besteuern sind72. Bezüge gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören sowohl für Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG als auch für Zwecke des § 3 Nr. 40 EStG zu den Bezügen im Sinne dieser Vorschriften (§§ 8b Abs. 1 Satz 5 KStG, § 3 Nr. 40 lit. g und h EStG). Nach der Auffassung der Finanzverwaltung würde der Besteller eines Nießbrauchs an Anteilen von Kapitalgesellschaften mithin Einkünfte gem. § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG oder § 3 Nr. 40 lit. g oder h EStG erzielen, während der Nießbraucher lediglich eine Forderung einzieht. Die Auffassung der Finanzverwaltung wird im Schrifttum zutreffend als zu schematisch kritisiert73. Milatz/Sonneborn belegen dies am Beispiel der Bestellung eines Nießbrauchs an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Die Bestellung eines Nießbrauchsverhältnisses an einem GmbH-Anteil gewährt dem Nießbraucher einen unmittelbaren Nutzungsanspruch aufgrund eigenen Rechts. Der Nießbrauch ist ein beschränkt dingliches Recht und führt zur Aufspaltung der Eigentümerbefugnisse an den nießbrauchsbelasteten GmbH-Anteil zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher. Der Gewinnanteil steht dem Nießbraucher aus seinem eigenen Recht zu74. Vergleicht man die entgeltliche Nießbrauchsbestellung an Anteilen von Kapitalgesellschaften mit einem Total Return Swap am gleichen Referenzaktivum, ergeben sich auf den ersten Blick gewisse Parallelen, in materieller Hinsicht jedoch erhebliche Unterschiede. Im Unterschied zum Nießbraucher zieht der Sicherungsgeber die Gewinnanteile nicht aufgrund eines eigenen originären Rechtes ein. Danach sind die Dividenden im Vergleich zum Nießbrauch erst recht dem Sicherungsnehmer (vergleichbar dem Nießbrauchbesteller) zuzurechnen. Der Sicherungsgeber erzielt somit keine Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1
__________ 69 70 71 72 73 74
Vgl. Raupach/Schenking in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG, Anm. 142 m. w. N. Vgl. Raupach/Schenking, a. a. O., m. w. N. Vgl. Drenseck in L. Schmidt, a. a. O., § 21 Rz. 5 m. w. N. Vgl. sog. Nießbrauchserlass vom 23.11.1983, BStBl. I 1983, 508. Vgl. Milatz/Sonneborn, DStR 1999, 137 m. w. N. Vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., Einführung § 1030 Rz. 1; § 1068 Rz. 2 a).
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Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
KStG oder § 3 Nr. 40 lit. g EStG75. Die vom Sicherungsnehmer geleisteten Ausgleichszahlungen sind bei ihm steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben. c) In das Teileinkünfteverfahren einzubeziehende Besteuerungsgrundlagen Nach § 8b Abs. 1 KStG unterliegen insbesondere Dividenden i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dem Teileinkünfteverfahren bei Kapitalgesellschaften. Dazu gehören auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen durch den Inhaber des Stammrechts, wenn das zugehörige Stammrecht nicht mit veräußert wird76. Nach § 8b Abs. 2 KStG bleiben schließlich Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen, außer Ansatz. Die Regelung für natürliche Personen in § 3 Nr. 40 lit. b und c EStG ist insoweit identisch. Für den Bereich der Überschusseinkünfte hat der BFH mit Urteil vom 27.10.200577 entschieden, dass auch die Veräußerung eines Bezugsrechtes zu einem dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinn führt. Der IX. Senat hatte für eine Veräußerung gem. § 23 Abs. 3 EStG auf den Anteilsbegriff des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG rekurriert, weil dieser nach Ansicht des erkennenden Senats auch für Zwecke des § 23 EStG heranzuziehen sei. Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift sei es gerechtfertigt, die Veräußerung von Bezugsrechten als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegender Einkünfte zu erfassen. Der Sache nach gehe es darum, die bei der Kapitalgesellschaft versteuerten stillen Reserven in Form von Veräußerungsgewinnen nur zur Hälfte zu besteuern und dies sei auch für die Substanzabspaltungen in Form von Bezugsrechten gerechtfertigt. Demgegenüber ist der I. Senat für Zwecke des § 8b Abs. 2 KStG dieser Auslegung mit seiner Entscheidung vom 23.1.200878 nicht gefolgt. Weil in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG die Bezugsrechte ausdrücklich aufgenommen wurden, dies in § 8b Abs. 2 KStG indes nicht der Fall sei, würden Bezugsrechte von § 8b Abs. 2 KStG demzufolge auch nicht erfasst. Der I. Senat sah keine Notwendigkeit, den Großen Senat anzurufen, da er hinreichende Unterschiede zwischen den Überschusseinkünften und der Vorschrift des § 8b Abs. 2 KStG sah. Wenn aber nach Ansicht des I. Senats für Zwecke des § 8b Abs. 2 KStG der Bezugsrechtsanspruch der Ausfluss des Mitgliedschaftsrechtes ist, schon nicht von § 8b Abs. 2 KStG erfasst wird, wird man dies für rein schuldrechtliche (synthetische) Ansprüche aus Derivaten, die mit Anteilen an Kapitalgesellschaften verbunden sind, erst recht so sehen müssen. Demgegenüber rechnet § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG Anwartschaften auf solche Beteiligungen zu den Anteilen im Sinne dieser Vorschrift. Dies sind zum einen die konkreten Bezugsrechte, die sich durch Kapitalerhöhungsbeschlüsse begründen, und darüber hinaus auch schuldrechtliche Ansprüche auf Übertragung von Anteilen
__________ 75 76 77 78
Vgl. Haisch, DStZ 2004, 511 (515). Vgl. BMF v. 28.3.2003, BStBl. I 2003, 292, Tz. 8. BFH v. 27.10.2005 – IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171 = BB 2005, 2789 mit Anm. Mihm. BFH v. 23.1.2008 – I R 106/06, BFH/NV 2008, 1058.
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Eugen Bogenschütz
wie auch Wandlungs- oder Optionsrechte aus Schuldverschreibungen79. In der Entscheidung vom 28.1.197680 wurden sogar mit einer stillen Beteiligung verknüpfte Umtauschrechte in GmbH-Anteile als Anwartschaften auf solche Beteiligung im Sinne der Vorschrift verstanden. Auf dieser Linie liegt auch das BFH-Urteil v. 19.12.200781, nach dem auch eine schuldrechtliche Kaufoption auf den Erwerb einer GmbH-Beteiligung als Anwartschaft für Zwecke des § 17 EStG gewürdigt wurde. Entgegen der verbreiteten Meinung im Schrifttum, nach der § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nur sog. vertikale, gegen die Gesellschaft selbst gerichtete Anwartschaften erfasse82, erstreckte der VIII. Senat den Begriff der Anwartschaft auch auf sog. horizontale schuldrechtliche Rechtspositionen83. Danach bleibt festzuhalten, dass Derivatpositionen zumindest für Zwecke des § 17 EStG als Anwartschaften auf Anteile an Kapitalgesellschaften gewertet werden müssen und damit insoweit unter das Teileinkünfteverfahren fallen. Nachdem § 8b Abs. 2 KStG – anders als § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG – Anwartschaften auf Beteiligungen nicht aufführt, können Derivatpositionen auf Anteile nicht unter § 8b Abs. 2 KStG subsumiert werden, solange der I. Senat auf der Linie seiner Entscheidung vom 23.1.2008 bleibt, auch wenn diese unterschiedliche Behandlung als unbefriedigend empfunden werden mag.
VIII. Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Derivaten Derivate werden auch in besonderem Maße grenzüberschreitend durch Akteure eingesetzt, die nicht in Deutschland steuerlich ansässig sind und somit nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dies gilt insbesondere für Hedgefonds84. Hedgefonds sind üblicherweise in Niedrigsteuergebieten wie den Cayman Islands, Bermuda oder innerhalb der EU auch in Irland oder in Luxemburg ansässig. Die Hedgefonds Manager wiederum domilizieren typischerweise in Jurisdiktionen, die ihnen besondere steuerliche Vergünstigungen für ihre Investment-Aktivitäten oder zumindest einen zuverlässigen Rahmen dafür bieten, dass die von ihnen verwalteten Vermögenswerte nicht als der Betriebsstätte des Hedgefonds Managers zugehörig betrachtet werden. Die traditionellen Jurisdiktionen, in denen Hedgefonds Manager ansässig sind, sind die USA und Großbritannien. Nachdem es in der Natur von Hedgefonds-Strategien liegt, intensiv Derivate einzusetzen, stellt sich die Frage nach der steuerlichen Behandlung, wenn ausländische Steuerpflichtige (z. B. Hedgefonds) mit in Deutschland ansässigen Vertragspartnern Derivat-Transaktionen abschließen. Nachdem Hedgefonds traditionell in Niedrigsteuergebieten ansässig sind,
__________ 79 80 81 82 83 84
Vgl. Weber-Grellet in L. Schmidt, a. a. O., § 17 Anm. 29. BStBl. II 1976, 288. BFH v. 19.12.2007 – VIII R 14/06, BStBl. II 2008, 475. In diesem Sinne: Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732. Vgl. Steinhauff, BFH-PR 2008, 197. Eine Legaldefinition von Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hedgefonds) findet sich in § 112 InvG. Eine Beschreibung der unterschiedlichen HedgefondsStrategien findet sich in Hilpolt/Kaiser, Alternative Investmentstrategien, Weinheim 2005, S. 15.
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die mit Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) unterhalten, ist der Umfang der Steuerpflicht vorrangig nach nationalem Recht zu prüfen. 1. Beschränkte Steuerpflicht von Derivaten nach nationalem Recht Nachdem Hedgefonds von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen in Deutschland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter in Deutschland unterhalten, ergibt sich ihre beschränkte Steuerpflicht nach der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG im Regelfall aus den in § 49 EStG enumerierten Einkunftsarten. Einkünfte, die aus dem Einsatz von Derivaten erzielt werden, fallen nach der isolierenden Betrachtungsweise nicht in eine bestimmte Einkunftsart, so dass nach den wichtigsten Derivat-Geschäften zu differenzieren ist. Außerdem sind Besteuerungszeiträume bis Ende 2008 und die durch die Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 geltenden Veranlagungszeiträume zu unterscheiden. a) Besteuerung vor Einführung der Abgeltungsteuer Die Veräußerung eines Optionsrechts unterliegt als privates Veräußerungsgeschäft der Steuerpflicht gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt85. Wird die Option durch ein Gegengeschäft glattgestellt, liegt nach herrschender Ansicht ein Veräußerungsgeschäft vor, das ebenfalls der Besteuerung gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG unterliegt. Findet ein Barausgleich statt (Cash Settlement), sind die erzielten Einkünfte nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerpflichtig. Erwirbt der Optionsberechtigte die erworbenen Wirtschaftsgüter und veräußert sie wie üblich sofort weiter, liegt gleichfalls ein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Werden diese Einkünfte durch einen beschränkt steuerpflichtigen Optionsinhaber erzielt, unterliegt er mit diesen Einkünften nicht der beschränkten Steuerpflicht, da § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG diese Art von Einkünften nicht aufzählt. Die Optionsprämie, die ein Stillhalter aus dem Verkauf von Optionen erhält, unterliegt der Besteuerung gem. § 22 Nr. 3 EStG. Bei einem beschränkt steuerpflichtigen Stillhalter ist die erhaltene Prämie nicht steuerpflichtig, weil § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG diesen Tatbestand nicht erfasst. Erwirbt ein Akteur Futures und stellt sie durch ein Gegengeschäft glatt oder erzielt einen Barausgleich, liegen jeweils Einkünfte aus Termingeschäften gem. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor, die mangels Aufzählung in § 49 EStG gleichfalls nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Gleiches gilt für Einkünfte aus Swap-Geschäften. Swaps sind Termingeschäfte i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Bei einem Total Return Swap, dem beispielsweise Anteile an Kapitalgesellschaften als Referenzaktivum zugrunde liegen, sind die Dividendenerträge wie ausgeführt dem Sicherungsnehmer zuzurechnen,
__________
85 Vgl. BMF v. 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986, Tz. 17.
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Eugen Bogenschütz
weil er wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien bleibt. Die vom Sicherungsnehmer an den Sicherungsgeber geleisteten Dividendenausgleichszahlungen stellen beim Sicherungsgeber keine Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, sondern sind gem. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerbar. Ein Steuerausländer unterliegt mit diesen Erträgen aber nicht der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG86. Denkbar ist allenfalls, dass ein beschränkt Steuerpflichtiger an einer Kapitalgesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2e i. V. m. § 17 Abs. 1 EStG zu einem Prozent oder mehr beteiligt ist und gleichzeitig etwa eine Call Option auf weitere Anteile hält87. Unter diesen Voraussetzungen wären die Einkünfte aus der Veräußerung der Call Option mithin eines Derivats beschränkt steuerpflichtig. Wenn es sich dabei um einen beschränkt Steuerpflichtigen in der Form einer Kapitalgesellschaft handelt, würde – folgt man der Rechtsprechung des I. Senats – § 8b Abs. 2 KStG nicht anwendbar sein, weil insoweit ein Gewinn aus der Veräußerung einer Anwartschaft vorliegt, der nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigt ist. Nachdem die Vorschrift des § 3 Nr. 40 EStG bei Körperschaften keine Anwendung findet (R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR) wäre der Gewinn in vollem Umfang steuerpflichtig. Ein Ergebnis, das die mit der Entscheidung des I. Senats (I R 106/06) verbundenen Wertungswidersprüche deutlich offenlegt. Abgesehen von dieser Ausnahme unterliegen Einkünfte aus Derivaten somit im Regelfall nicht der beschränkten Steuerpflicht. Rechtspolitisch ist diese Erkenntnis etwas überraschend, mag jedoch der nicht einfachen technischen Umsetzung geschuldet sein, die mit der Besteuerung von Derivateinkünften beschränkt Steuerpflichtiger verbunden wäre. b) Rechtslage unter der Abgeltungsteuer ab 2009 Durch die mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 25.5.2007 eingeführte Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % auf Kapitalerträge in Privatvermögen wurde die Besteuerung von Kapitalerträgen grundlegend geändert. Im Gegensatz zum bisherigen Recht werden von der Abgeltungsteuer grundsätzlich auch Vermögenszuwächse erfasst, so dass in § 20 Abs. 2 EStG die Besteuerung der Veräußerung von Basiswerten, die zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, umfassend geregelt wird. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG sind Gewinne aus Termingeschäften ab 2009 beim Privatanleger grundsätzlich steuerpflichtig. Nach der ebenfalls neuen Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG unterliegen auch Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden, der Abgeltungsteuer88. Auf beschränkt Steuerpflichtige strahlt die Neuregelung kaum aus. Die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen beschränkt Steuerpflichtiger ist in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG geregelt. Der sachliche Umfang dieser Vorschrift bleibt im Wesentlichen unverändert. Lediglich
__________ 86 Vgl. Haisch, DStZ 2004, 511 (518). 87 Anwartschaftsrechte werden bei der Ermittlung der Beteiligungsquote des § 17 EStG nicht berücksichtigt. Vgl. Weber/Grellet in L. Schmidt, a. a. O., § 17 EStG Rz. 45. 88 Vgl. zur Einführung der Abgeltungsteuer Oho/Hagen/Lenz, DB 2007, 1322.
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die Besteuerung von sog. Tafelgeschäften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit d EStG wird auf Veräußerungsvorgänge ausgeweitet. Dies bedeutet, dass Einkünfte aus Derivaten, die von beschränkt Steuerpflichtigen erzielt werden, auch ab dem Veranlagungszeitraum 2009 in aller Regel nicht der Besteuerung unterliegen. 2. Abkommensrecht Nachdem Einkünfte aus Derivat-Transaktionen, die beschränkt Steuerpflichtige mit deutschen Gegenparteien erzielen, schon nach nationalem Recht nur in seltenen Ausnahmefällen der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, hat die abkommensrechtliche Einordnung von Einkünften aus Derivaten eine nur vergleichsweise geringe praktische Bedeutung. Soweit die zugrunde liegende Forderung – wie bei Derivaten üblich – nur rechnerisch zugrunde gelegt wird, stellen Ausgleichszahlungen keinen Zins dar. Der Kommentar der OECD zum Musterabkommen lässt jedoch unter gewissen Voraussetzungen eine Umqualifizierung von Swap-Zahlungen in Zinsen zu, wenn nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) das Bestehen eines Darlehens anzunehmen ist89. Auch die USA behandeln unter gewissen Voraussetzungen Swap-Zahlungen als Zinsen90. Von diesen Ausnahmen abgesehen fallen Einkünfte aus Derivaten jedoch unter Art. 21 OECD-MA, der das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Wohnsitzstaat zuweist91. Wenn aufgrund von Derivaten (z. B. Optionen) Wirtschaftsgüter tatsächlich erworben werden und diese anschließend weiterveräußert werden, könnte beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e i. V. m. § 17 EStG vorliegen, doch würden die Besteuerungsrechte für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften im Regelfall dem Wohnsitzstaat gem. Art. 13 Abs. 4 OECD-Musterabkommen zugewiesen. Nach alledem werden Einkünfte aus Derivaten auch nach Abkommensrecht in aller Regel nur im Wohnsitzstaat des Beziehers der Einkünfte steuerpflichtig sein.
IX. Zusammenfassung Die Erkenntnisse dieses Beitrags lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Finanzderivate sind Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Diese Begriffsumschreibung stellt keine abschließende Definition dar, sondern ist eher im Sinne eines offenen, typologischen Begriffs zu verstehen. 2. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung sind Derivate steuerlich nach Maßgabe der Zweivertragstheorie zu beurteilen. Die Zweivertragstheorie legt die Grundlage dafür, Derivate mit Barausgleichs-
__________ 89 Vgl. Kommentar zum OECD-Musterabkommen, Rz. 21.1. 90 Vgl. Pöllath in Vogel/Lehner, DBA-Kommentar, 4. Aufl., Art. 11, Anm. 74. 91 Vgl. Lehner in Vogel/Lehner, a. a. O., Art. 21, Anm. 12 m. w. N.
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verpflichtung und solche mit physischer Lieferung des Basiswertes gleich zu behandeln. 3. Die Trennung zwischen Derivat und Ausübungsgeschäft nach der Zweivertragstheorie impliziert, dass auch die steuerliche Behandlung des Derivats strikt von der des etwaigen Ausübungsgeschäftes zu trennen ist. Physische Lieferungen des Basiswertes fallen somit nicht unter § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG. Dies könnte ausnahmsweise nur dann der Fall sein, wenn das Derivat – anstelle eines Barausgleichs – durch die Lieferung von anderen Wirtschaftsgütern als dem Basiswert erfüllt werden. Dies dürfte in der Praxis kaum vorkommen. 4. Optionsrechte sind – wiederum gestützt auf die Zweivertragstheorie – eigenständige immaterielle Wirtschaftsgüter. Die Beendigung des Optionsgeschäfts ist deshalb, gleichviel ob der Basiswert physisch geliefert oder eine Barausgleichszahlung vorgenommen wird, als partielles Tauschgeschäft zu würdigen. Nach den im Steuerrecht inzwischen verankerten Tauschgrundsätzen des § 6 Abs. 6 EStG führt die Beendigung einer Option somit zu einem Realisierungsvorgang, für den ein Gewinn oder Verlust aus dem Derivat als solchem zu ermitteln ist. Ein tatsächlich erworbenes Basisobjekt ist demnach gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG mit dem gemeinen Wert des untergegangenen Optionsrechts als Anschaffungskosten anzusetzen. Dies hat zur Konsequenz, dass die physische Lieferung des Basiswertes und die Barausgleichszahlung entsprechend ihrem identischen wirtschaftlichen Wesensgehalt ertragsteuerlich in gleicher Weise behandelt werden. 5. Derivatgeschäfte führen grundsätzlich nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums des ihnen zugrunde liegenden Referenzwertes, weil die nur synthetisch begründeten Positionen den Derivatinhaber nicht in die Lage versetzen, den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das zugrunde liegende Aktivum gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auszuschließen. Dies gilt grundsätzlich auch für den Total Return Swap, obgleich bei dieser Gestaltung nach den Grundsätzen zur Behandlung von Unterbeteiligungen ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums denkbar ist, wenn der zivilrechtliche Eigentümer auch die Mitgliedschaftsrechte von Gesellschaftsanteilen nach der Weisung des Derivatsinhabers ausüben muss. 6. Einkünfte aus Derivaten unterliegen nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung nicht dem Anwendungsbereich des § 8b KStG. Demgegenüber können nur schuldrechtlich begründete Derivatpositionen als Anwartschaften auf Anteile an Kapitalgesellschaften gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG gewürdigt werden, so dass die daraus erzielten Einkünfte dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG unterliegen können, sofern die hierfür subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind. 7. Einkünfte aus Derivaten, die beschränkt Steuerpflichtige erzielen, unterliegen schon nach nationalem Recht in aller Regel nicht der Besteuerung, weil kein Tatbestand des § 49 EStG erfüllt wird. Eine Besteuerung ist denkbar, soweit ein beschränkt Steuerpflichtiger einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2e i. V. m. § 17 Abs. 1 EStG hält und aus mit dieser Beteiligung verbundenen Derivatpositionen Einkünfte erzielt. Auch die Einführung 236
Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten
der Abgeltungsteuer wird die sachliche Steuerpflicht für Einkünfte aus Derivaten von beschränkt Steuerpflichtigen nicht erweitern. In den wenigen Fällen, in denen eine Besteuerungspflicht nach nationalem Recht denkbar ist, wird Deutschland sein Besteuerungsrecht bei beschränkt Steuerpflichtigen, die nach Maßgabe des OECD-MA geschützt sind, in aller Regel nicht ausüben können, weil das Besteuerungsrecht gem. Art. 21 OECD-MA dem Wohnsitzstaat zugewiesen wird. Aus rechtspolitischer Sicht ist die weitgehende Nichterfassung von Derivateinkünften beschränkt Steuerpflichtiger etwas überraschend, mag jedoch den damit verbundenen besonderen Schwierigkeiten ihrer Erfassung geschuldet sein. 8. Aus systematischen Gründen ist der besondere Verlustverrechnungskreis des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG für negative Einkünfte aus Derivaten kaum sachlich zu rechtfertigen. Einkünfte aus Derivaten sind nicht schlechter – aber auch nicht besser – als alle übrigen Einkünfte aus Finanztransaktionen. Der Gesetzgeber sollte bei einer strukturellen Bereinigung der Besteuerung von Derivaten den gesonderten Verlustverrechnungskreis des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeben und vor allem Einkünfte aus Derivaten einheitlich behandeln und die Unterschiede zwischen § 17 EStG und § 8b KStG beseitigen. Dabei sollte eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, ob Substanzabspaltungen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften in gleichförmiger Weise wie Einkünfte aus Anteilen an Kapitalgesellschaften behandelt werden, gleichviel ob es sich um sog. vertikale, gegen die Gesellschaft selbst gerichtete oder um sog. horizontale schuldrechtliche Anwartschaftsrechte handelt.
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Steuerrechtsfragen der atypisch stillen Gesellschaft Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Systematische Grundlagen 1. Zivilrecht 2. Steuerrecht III. Ertragsteuerrecht 1. Mitunternehmerschaft
2. § 17 EStG 3. Realteilung 4. § 8c KStG 5. Organschaft IV. Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht
I. Einleitung Die Themenwahl für einen Festschriftbeitrag fällt häufig schwer, weil es regelmäßig darum geht, sich mit einem Rechtsproblem auseinanderzusetzen, welches in das Interessengebiet des Geehrten fällt. Bei der Festschrift für Harald Schaumburg ist die Themenwahl ein eher einfaches Unterfangen, weil der Jubilar mit seinem Beratungs- und Interessensspektrum so gut wie alle Bereiche des Zivilrechts und des Steuerrechts abdeckt. In der folgenden Darstellung soll es um einige (offene) Steuerrechtsfragen der sog. atypisch stillen Gesellschaft gehen, also einer Rechtsform, die wirtschaftlich in der Nähe der KG anzusiedeln ist, die vom HGB jedoch in §§ 230 ff. einem eigenen Regelungsregime unterstellt wird. Für das Steuerrecht liegt die grundsätzliche Problematik der typischen bzw. der atypisch stillen Gesellschaft darin, dass der jeweilige stille Gesellschafter entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG bezieht, er aber auch Inhaber einer mitunternehmerischen Beteiligung nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein kann, so dass es insoweit zur Anwendung unternehmensteuerrechtlicher Grundsätze kommt.
II. Systematische Grundlagen 1. Zivilrecht In der deutschen rechtswissenschaftlichen Systematik wird strikt zwischen Körperschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits unterschieden. Geht es um gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse, dann stellt die Rechtsordnung Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften als Gestaltungsformen zur Verfügung. Die Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) ist Körperschaft und juristische Person, bei der nach dem Gesetz für die Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet (vgl. §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG). Die darin liegende Abstrahierung der Sphäre der Kapital239
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gesellschaft gegenüber der Vermögenssphäre der Anteilseigner wird gemeinhin als Trennungsprinzip bezeichnet1. Das Gegenstück zur auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung der juristischen Person bildet das Gesamthandsprinzip, nach dem den Gesellschaftern (der Personengesellschaft) das Vermögen zur gesamten Hand zusteht (§ 719 Abs. 1 BGB). Neben die Haftung der Gesellschaft als solche tritt dann zusätzlich die grundsätzliche persönliche Haftung der Gesellschafter (§§ 714 BGB, 128, 161 Abs. 2 HGB). Die vorstehend skizzierte Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften/ juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften ist zwar neuerdings durch die Verselbständigung (auch) der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgeweicht worden2, doch braucht dem im vorliegenden Zusammenhang nicht nachgegangen werden, weil es für die Sonderform der stillen Gesellschaft nach §§ 230 ff. HGB allein darum geht, ob ein gesellschaftsrechtlicher Verbund als sog. Außengesellschaft oder als Innengesellschaft konstituiert ist. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass im Schrifttum die Terminologie Außengesellschaft/Innengesellschaft nicht ganz einheitlich verwendet wird. Zum Teil werden unter Außengesellschaften solche Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften verstanden, die nach außen für Geschäftspartner und den Rechtsverkehr erkennbar als gesellschaftsrechtlicher Verbund in Erscheinung treten. Insoweit kommt es zu einer Abgrenzung von Innengesellschaften, bei denen der vergemeinschaftete Zweck dem Rechtsverkehr regelmäßig nicht erkennbar ist3. Andere4 stellen in erster Linie darauf ab, ob es sich um einen gesellschaftsrechtlichen Typus handelt, der eigenes Gesellschaftsvermögen bildet. Wird so abgegrenzt, dann ist jede Kapitalgesellschaft als im Rechtsverkehr auftretende juristische Person Außengesellschaft. Im Bereich der Personengesellschaften sind diejenigen Gesellschaften Außengesellschaften, bei denen privatautonom oder kraft des gesetzlichen Regelstatuts gesamthänderisch gebundenes, eigenes Vermögen gebildet wird, und zwar regelmäßig durch eine in das Gesellschaftsvermögen zu leistende Einlage der Gesellschafter. Wird letztlich auf die Bildung eigenen Gesamthandsvermögens abgestellt, dann kommt es für die Qualifizierung eines Zusammenschlusses als Außengesellschaft nicht auf die Offenlegung des Gesellschaftsverhältnisses an, vielmehr ist entscheidend, ob eine Rechtsträgerschaft des Gesamthandsverbandes besteht. Unabhängig von diesen eher terminologisch-definitorischen Fragen ist festzuhalten, dass die stille Gesellschaft der §§ 230 ff. BGB stets als Innengesellschaft zu beurteilen ist. Im strengen Wortlautsinn kann es kein Außenrecht der stillen Gesellschaft geben. § 230 Abs. 1, 2 HGB macht deutlich, dass kein
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1 Z. B. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2003, § 1 Rz. 1.7; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl., 2008, § 4 Rz. 10 f. 2 BGHZ 146, 341; Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., 2008, § 705 Rz. 23 ff. m. N. 3 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, § 1 Rz. 1.13; Palandt/Sprau, BGB, § 705 Rz. 33; auch MünchKomm(BGB)/Ulmer, 4. Aufl., 2004, § 705 Rz. 275 ff. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2002, §§ 7 I 1 b, 43 II 3, 60 I 2, 62 I.
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gemeinschaftliches Vermögen zu bilden ist, weil der stille Gesellschafter seine Einlage dinglich in das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes zu leisten hat. Unterstrichen wird dies durch die Aussage des Gesetzes, dass allein der Inhaber des Handelsgewerbes aus den im Betrieb geschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet wird. Anders formuliert: Das stille Gesellschaftsverhältnis ist letztlich ein rein schuldrechtlich vermitteltes, weil die Regelungen des HGB zeigen, dass es auf Zweipersonenverhältnisse zugeschnitten ist. Wenn sich aber das stille Gesellschaftsverhältnis in einer schuldrechtlichen Sonderverbindung erschöpft, es demnach nicht zur Bildung von dinglich-vergemeinschaftetem Vermögen kommt, dann hat die stille Gesellschaft zwar Verbandscharakter, doch ist dieser gesellschaftsrechtliche Verbund eher schwach ausgebildet5. Das Regelstatut der §§ 230 ff. HGB ist dadurch gekennzeichnet, dass die stille Gesellschaft zweigliedrig ist, also nur ein Unternehmensträger existiert6. Im Übrigen hat der stille Gesellschafter relativ geringe Einflussmöglichkeiten auf das Handelsgewerbe, so dass das Einlageverhältnis des § 230 Abs. 1 HGB zwischen dem Stillen und dem Unternehmensträger einem qualifizierten Kreditverhältnis sehr nahe kommt. Allerdings können die Parteien entsprechend der zivilrechtlichen Privatautonomie vom dispositiven Statut der §§ 230 ff. HGB abweichen. Aufgrund dessen kann es schon handelsrechtlich zu einer atypisch stillen Gesellschaft kommen7. Zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und dem stillen Gesellschafter kann beispielsweise vereinbart werden, dass der Stille rechnerisch am Unternehmensvermögen beteiligt wird, dass der stille Gesellschafter im Innenverhältnis Einflussmöglichkeiten auf unternehmerische Entscheidungen hat usf. Insbesondere ist es also auch möglich, dass trotz des Umstandes, dass nach § 230 Abs. 1 HGB die Einlage des stillen Gesellschafters dinglich auf einen anderen Rechtsträger wechselt, das Geschäftsvermögen als virtuelles gemeinsames Vermögen zu behandeln ist, so dass beispielsweise der Stille bei der Auseinandersetzung nach Auflösung der stillen Gesellschaft so zu stellen ist, als wäre er am gesamten Geschäftsvermögen gesamthänderisch beteiligt gewesen8. Während also der typisch stille Gesellschafter nicht am Geschäftswert des Handelsgewerbes und an den gebildeten stillen Reserven beteiligt wird9, kann es bei einer atypisch stillen Gesellschaft so liegen, dass der stille Gesellschafter wie ein „Außengesellschafter“ behandelt wird. Gibt es also nach allem (auch) im Zivilrecht atypisch stille Gesellschaften, so ist darauf hinzuweisen, dass die zivilrechtliche und die steuerrechtliche Begrifflichkeit der atypisch stillen Gesellschaft nur vordergründig identisch sind. Während es im Zivilrecht beispielsweise darum geht, ob ein stiller Gesell-
__________ 5 Deutlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 I 1 e. 6 RGZ 25, 41. 7 BGH, NJW 2001, 3778; OLG Dresden, WM 2004, 726; näher Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., 2008, § 230 Rz. 3. 8 RGZ 126, 390; BGHZ 7, 178; 8, 160. 9 BGHZ 127, 181.
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schafter in den Anwendungsbereich des früheren Kapitalersatzrechts bzw. des heutigen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt10, hat das Steuerrecht zu entscheiden, ob der konkret in Rede stehende stille Gesellschafter private Einkünfte nach § 20 EStG hat oder ob er nicht vielmehr als Mitunternehmer des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist. 2. Steuerrecht Das Programm der Einkommensbesteuerung ist in § 2 EStG fixiert: Vor dem Hintergrund des Gesetzmäßigkeitsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG legt § 2 Abs. 1 EStG die steuerbaren Einkünfte fest, die dann in §§ 13 ff. EStG näher beschrieben und abgegrenzt werden. § 2 Abs. 2 EStG teilt die Einkunftsarten im Hinblick auf die Einkunftsermittlung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten ein; dies ist der sog. Dualismus der Einkunftsarten und der Einkunftsermittlung11. Das dualistische Einkunftsartensystem spielt auch und gerade bei der Besteuerung des stillen Gesellschafters eine Rolle. Grundsätzlich werden die Einkünfte des stillen Gesellschafters über § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert, doch gilt schon nach dem Wortlaut des Gesetzes etwas anderes, wenn der Gesellschafter, der Stille, als Mitunternehmer des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Wenn § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des § 15 EStG verweist, dann liegt es so, dass zwar ein stiller Gesellschafter nicht Gesellschafter einer OHG oder KG ist, er jedoch einen Gewinnanteil aus „einer anderen Gesellschaft“ beziehen kann, wenn er als stiller Gesellschafter zugleich als Mitunternehmer anzusehen ist12. Die Dogmatik der Abgrenzung der §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG voneinander ist weitestgehend geklärt13. Entspricht die Stellung des stillen Gesellschafters dem Regelstatut der §§ 230 ff. HGB, dann handelt es sich (auch) steuerrechtlich um eine typisch stille Gesellschaft, so dass § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG einschlägig ist. Ist der stille Gesellschafter natürliche Person, dann führt dies zu Überschusseinkünften, handelt es sich um Körperschaftsteuersubjekt, dann kommt es über § 20 Abs. 8 EStG zur Körperschaftsbesteuerung nach §§ 7 ff. KStG. Demgegenüber fällt die stille Gesellschaft unter die „andere Gesellschaft“ des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, wenn die Stellung des Stillen nach dem konkreten Vertrag erheblich über die ihm nach dem Regelstatut des HGB zukommenden Befugnisse und Pflichten hinausgeht. Für diese Einordnung als atypisch stille
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10 Vgl. Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3603); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., 2006, §§ 32a, 32b Rz. 127. 11 Näher und kritisch Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., 2008, § 9 Rz. 181 ff. 12 Steuerrechtspolitisch ist es erstaunlich, dass angesichts der Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit des Kommanditisten mit dem stillen Gesellschafter der Kommanditist regelmäßig als Mitunternehmer behandelt wird. 13 Näher z. B. Kirchhof/Reiß, EStG, 8. Aufl., 2008, § 15 Rz. 222 ff.; Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., 2008, § 15 Rz. 340 ff.
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Gesellschaft wird im Wesentlichen auf einen Vergleich mit den Befugnissen abgestellt, die einem Kommanditisten nach HGB zukommen. Nach allem ist von einer atypisch stillen Gesellschaft steuerrechtlich jedenfalls dann auszugehen, wenn dem Stillen die Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse der §§ 164, 168 HGB zukommen sollen, er an den stillen Reserven beteiligt ist und mit seiner Einlage auch im Außenverhältnis hinter den anderen Gläubigern zurücksteht14.
III. Ertragsteuerrecht 1. Mitunternehmerschaft Liegt es in einem konkreten Sachverhalt so, dass ein stiller Gesellschafter alle Kriterien des Mitunternehmerbegriffs des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfüllt, so ist damit zunächst nur entschieden, dass dem stillen Gesellschafter einkommensteuerrechtlich gewerbliche Einkünfte zuzuordnen sind. Eine davon zu unterscheidende Frage ist es, wie sich die atypisch stille Gesellschaft in den Mitunternehmerbegriff des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einpasst, Auszugehen ist hier vom Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, der im Grundsatz Gewinnanteile des Gesellschafters einer OHG oder KG erfasst, dann aber auf eine „andere Gesellschaft“ abstellt, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Dabei steht die Steuerrechtsdogmatik vor der Frage, wie sich die Besonderheit des stillen Gesellschaftsverhältnisses als Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen mit dem Umstand vereinbaren lässt, dass § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG vom Normalfall der Personenhandelsgesellschaft, also einer Außengesellschaft ausgeht. Zwar ist die atypisch stille Gesellschaft weder nach Handelsrecht noch nach Steuerrecht bilanzierungspflichtig, doch ist die Rechtsprechung des BFH der Auffassung, dass auch eine atypisch stille Gesellschaft selbständiges Gewinnerzielungssubjekt sein kann, also für Zwecke der Gewinnermittlung und der Einkünftequalifikation partiell rechtsfähig ist15. Diese Auffassung ist nicht ganz unproblematisch, weil sie voraussetzt, dass auch die atypisch stille Gesellschaft als Innengesellschaft eine genuin gewerbliche Tätigkeit ausübt. Man kann mit guten Gründen auch so argumentieren, dass § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG im Verhältnis zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur eine Qualifikationsentscheidung trifft, damit die Einkünfte des stillen Gesellschafters als gewerbliche einordnet, ansonsten aber keine Aussage darüber getroffen wird, in welcher Art und Weise die stille Gesellschaft bzw. die beteiligten Gesellschafter ihre Ergebnisanteile ermitteln16. In der Sache sollte es darum gehen, dass der atypisch stille Gesellschafter dem Kommanditisten gleichgestellt werden soll, weil es steuerrechtlich irrelevant ist, ob bei gleicher Mitunternehmerinitiative
__________ 14 BFH v. 27.5.1993, BStBl. II 1994, 700; v. 6.7.1995, BStBl. II 1996, 269. 15 BFH v. 26.11.1996, BStBl. II 1998, 328; v. 5.2.2002, BStBl. II 2002, 464; auch Schmidt/ Wacker, EStG, § 15 Rz. 347. 16 Ähnlich Korn/Carlé/Bauschatz, EStG, Stand: Sept. 2008, § 15 Rz. 111.
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technisches Gesellschaftsvermögen/Betriebsvermögen vorhanden ist oder nicht17. Im Ergebnis geht es darum, dass das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes steuerrechtlich wie Gesellschaftsvermögen, also als Quasi-Gesellschaftsvermögen anzusehen ist, so dass letztlich die atypisch stille Gesellschaft nach gleichen Grundsätzen zu besteuern ist wie eine Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen. 2. § 17 EStG Handelsrechtlich liegt es zweifelsfrei so, dass ein Rechtssubjekt auch mit einer Kapitalgesellschaft ein stilles Gesellschaftsverhältnis (§ 230 HGB) eingehen kann. Hier ist zu entscheiden, ob das stille Gesellschaftsverhältnis mit der Kapitalgesellschaft als Beteiligung i. S. d. § 17 EStG eingeordnet werden kann. Wäre dies zu bejahen, dann käme es bei einer natürlichen Person als stillem Gesellschafter bezüglich der laufenden Einkünfte zum Regime der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG), wenn denn nicht die Ausnahmesituation des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gegeben ist. In Veräußerungssituationen fänden §§ 3 Nr. 40 lit. c, 3c Abs. 2 EStG Anwendung. Für eine Zuordnung zu § 17 EStG der atypisch stillen Gesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft könnte der Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 1, 3 EStG sprechen, wonach auch „ähnliche Beteiligungen“ von der Norm erfasst werden. Ob eine atypisch stille Gesellschaft, bei der beispielsweise der stille Gesellschafter am Ergebnis des Inhabers des Handelsgewerbes beteiligt ist und/oder an den stillen Reserven und am Liquidationserlös, ein Fall des § 17 EStG ist, könnte sich nach Umfang und Inhalt der gesellschaftsvertraglich eingeräumten „Mitgliedschaftsrechte“ richten18. Dem ist nicht zu folgen, weil die Abgrenzung der typisch stillen Beteiligung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG von der atypisch stillen Beteiligung eine Frage der Qualifizierung als Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist. Liegt es also im Einzelfall so, dass die Position des stillen Gesellschafters Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko vermittelt, dann liegt zwischen der Kapitalgesellschaft und dem stillen Gesellschafter eine Mitunternehmerschaft vor, mithin ein Fall betrieblicher Einkünfte, so dass es auf die spezifischen Voraussetzungen der privaten Veräußerungsgewinnbesteuerung in § 17 EStG nicht mehr ankommt19. Das gilt selbst dann, wenn die stille Beteiligung (an einer GmbH) nach der früheren Rechtslage zivilrechtlich eigenkapitalersetzenden Charakter hatte20. Auch wenn ein stiller Gesellschafter Einfluss auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft nimmt, bleibt es dabei, dass er eine durch §§ 230 ff. HGB spezialgesetzlich geregelte Position einnimmt. Zwar mag man einwenden, dass der atypisch stille Gesellschafter auch am Vermögen und Ertrag der Kapitalgesell-
__________ 17 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., 1993, S. 406. 18 So Blümich/Ebling, EStG, Stand: Juni 2008, § 17 Rz. 74. 19 BFH v. 28.5.1997, BStBl. II 1997, 724; Kirchhof/Gosch, EStG, § 17 Rz. 42; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, § 17 Rz. 25. 20 Vgl. BGHZ 106, 7.
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schaft beteiligt sein kann, so dass insofern eine Vergleichbarkeit mit einem „echten Kapitalgesellschafter“ besteht, doch ist zu berücksichtigen, dass eine lediglich schuldrechtlich vermittelte Position des stillen Gesellschafters nicht in die Quotenberechnung des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG eingerechnet werden darf21. 3. Realteilung Unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 2 ff. EStG kommt es zu einer Realteilung mit Buchwerten, wenn im Zuge einer Realteilung Wirtschaftsgüter einer bisherigen Mitunternehmerschaft in ein anderes Betriebsvermögen des ehemaligen Mitunternehmers transferiert werden. Für die atypisch stille Gesellschaft, die steuerrechtlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist, ist zu fragen, ob die Realteilungsgrundsätze gleichfalls anwendbar sind. Im Einzelnen: Der gravierendste Streit, ob eine erfolgsneutrale Realteilung angenommen werden kann, entzündete sich stets daran, ob im Zuge der Realteilung die Mitunternehmerschaft beendet werden muss. In der Sache geht es darum, ob sowohl eine zweigliedrige Mitunternehmerschaft als auch eine mehrgliedrige Mitunternehmerschaft komplett aufgelöst werden muss, um in den Anwendungsbereich der steuerrechtlichen Realteilung zu gelangen. Wenn lediglich ein oder mehrere Mitunternehmer unter Übernahme von Wirtschaftsgütern ausscheiden, während die bisherige Mitunternehmerschaft von den verbleibenden Mitunternehmern fortgeführt wird, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Realteilung, vielmehr eine Sachwertabfindung mit Gewinnrealisierungsgrundsätzen vor22. Danach ist § 16 Abs. 3 S. 2 EStG nicht anwendbar, wenn die Ursprungsmitunternehmerschaft weiter besteht. Scheidet also ein Personengesellschafter aus einer mehrgliedrigen Personengesellschaft in der Weise aus, dass sein Vermögen dem oder den verbleibenden Gesellschaftern anteilig anwächst, dann führt die Sachwertabführung in ein anderes Betriebsvermögen zur Gewinnrealisierung und zwar nach Betriebsaufgabetatbeständen. Allerdings kann § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit der Folge der Buchwertfortführung eingreifen, doch ist dann die Körperschaftsteuerklausel in § 6 Abs. 5 EStG zu beachten. All dies ist steuersystematisch zutreffend, weil die Realteilung im systematischen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe zu sehen ist, so dass in Sachverhalten, in denen die Mitunternehmerschaft, obwohl ein Mitunternehmer ausgeschieden ist, weiterhin besteht, eine Realteilung nicht gegeben sein kann23. Wenn die Realteilung von dem Vorverständnis getragen ist, dass sie einer Betriebsaufgabe gleichsteht, dann muss die Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft aufhören zu existieren. Und wenn § 6 Abs. 5 S. 3 EStG detaillierte Regelungen für Übertragungsvorgänge zwischen einer Mitunter-
__________ 21 Näher Crezelius, FS Priester, 2007, S. 55, 62 f. 22 BMF, BStBl. I 2006, 228 sub II; zum Meinungsstand Crezelius, FS Korn, 2005, S. 273; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 536. 23 Vgl. Kirchhof/Reiß, EStG, § 16 Rz. 340; auch BFH v. 10.12.1991, BStBl. II 1992, 385.
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nehmerschaft und dem daran beteiligten Mitunternehmer regelt, dann ist es systematisch folgerichtig, dass sich Sachwertabfindungen eines ausscheidenden Mitunternehmers jedenfalls nicht nach Realteilungsgrundsätzen vollziehen. Zu fragen ist allerdings, wie sich das vorstehend skizzierte System mit der Sonderkonstellation der atypisch stillen Gesellschaft (ohne Gesamthandsvermögen) verträgt. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die steuerrechtliche Realteilung an die zivilrechtlichen Regelungen über die Liquidation anknüpft, so dass die (nachfolgende) Beendigung der Personengesellschaft erforderlich ist. Wenn es sich bei der stillen Gesellschaft um einen personengesellschaftsrechtlichen Typus ohne Gesamthandsvermögen handelt, um eine Innengesellschaft, dann endet diese Gesellschaft durch schlichte Kündigung oder vertragliche Vereinbarung. Die Auseinandersetzung erfolgt dann in der Weise, dass der stille Gesellschafter eine Abfindung in Geld oder Sachwerten erhält. Bedarf es also keiner Verteilung des Gesellschaftsvermögens mangels Gesamthandsvermögens, dann ist fraglich, ob eine Innengesellschaft überhaupt real geteilt werden kann. Dies ist zu bejahen. Aufmerksam zu machen ist zunächst auf den Umstand, dass rechtshistorisch gesehen die stille Gesellschaft und die KG durchaus vergleichbar sind24. Sowohl der Kommanditist als auch der stille Gesellschafter sind weitestgehend einflusslos auf die unternehmerische Tätigkeit, und ihr wirtschaftliches Haftungsrisiko beschränkt sich in beiden Fällen auf die geleistete Einlage. Daher ist es überzeugend, wenn bei einer atypisch ausgestalteten stillen Gesellschaft zivilrechtlich in Anlehnung an die Regelungen der KG von einem Liquidationsverfahren gesprochen wird25. Wenn man sich vor Augen führt, dass die atypisch stille Gesellschaft im Ergebnis einer fiktiven oder virtuellen KG gleichkommt, dann spricht alles dafür, auch für die Auflösung des stillen Gesellschaftsverhältnisses Liquidationsgrundsätze anzuwenden. Obwohl es sich nicht um eine technische Gesamthandsgemeinschaft handelt, spricht nichts dagegen, im Falle der Auflösung dieser schuldrechtlichen Beziehung dieselben Grundsätze anzuwenden, wie bei einer echten Liquidation mit zwingend sachenrechtlichen Übertragungsakten. Nach allem ist zivilrechtlich also eine Realteilung/Naturalteilung der stillen Gesellschaft denkbar und möglich. Ertragsteuerrechtlich stellt sich ein ähnliches Problem, ob also die atypisch stille Gesellschaft realteilungsfähig ist, obwohl kein Gesamthandsvermögen existiert. Im Schrifttum wird teilweise ohne weitere Begründung davon ausgegangen, dass die real zu teilende Mitunternehmerschaft auch eine atypisch stille Gesellschaft sein kann26. Andere Schrifttumsstellen wollen die atypisch stille Gesell-
__________ 24 Näher Lübbert, ZHR 58 (1906), 464. 25 BGH, NJW-RR 1995, 1061; MünchKomm(HGB)-K. Schmidt, 1996 ff., § 236 Rz. 65. 26 Widmann/Mayer/Engl, Umwandlungsrecht, Stand: Juni 2008, Anhang 10 Rz. 39; auch Groh, FS Priester, 2007, S. 107 (120).
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schaft, auch die atypisch stille Unterbeteiligung, „sinngemäß“ für real teilbar erklären27. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist nicht ganz klar. Aus dem Realteilungserlass vom Februar 2006 lassen sich kaum Aussagen gewinnen28. Es ist allein davon die Rede, dass dann, wenn bei einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft ein Mitunternehmer ausscheidet, die Mitunternehmerschaft im Übrigen aber fortgeführt wird, kein Fall der Realteilung vorliege29. Weiter heißt es in dem zitierten Erlass, Gegenstand einer Realteilung sei das gesamte Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft. Hieraus könnte im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei Innengesellschaften, die nicht über eigenes Betriebsvermögen verfügen, eine Realteilung überhaupt nicht möglich ist. Im Ergebnis muss auch bei Innengesellschaften, also auch bei der hier in Rede stehenden atypisch stillen Gesellschaft, eine Realteilung nach den Grundsätzen des § 16 Abs. 3 S. 2 ff. EStG vorgenommen werden können. Schon § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit seiner Abgrenzung zur atypisch stillen Gesellschaft und zur Mitunternehmerbesteuerung nach § 15 EStG macht mehr als deutlich, dass es Mitunternehmerschaften geben kann, bei denen kein Gesamthandsvermögen existiert. Werden aber vom Gesetz auch derartige Innengesellschaften als steuerrechtliche Mitunternehmerschaften behandelt, dann liegen gleichsam „quasi-gesamthänderisch“ verbundene Mitunternehmerschaften vor, die nicht durch eine sachenrechtliche, gesamthänderische Verbundenheit gekennzeichnet sind, bei denen vielmehr allein schuldrechtliche Beziehungen der Mitunternehmer untereinander bestehen. Ist aber auch für eine Innengesellschaft das Recht der Mitunternehmerbesteuerung maßgebend, dann muss daraus zwangsläufig folgen, dass auch die Rechtsgrundsätze der Betriebsaufgabe und diejenigen der Realteilung anzuwenden sind. Letztlich spricht für diese Überlegung auch die Auffassung der Finanzverwaltung, die eine Realteilung verneinen will, wenn aus einer zweigliedrigen Mitunternehmerschaft – eine solche ist die atypisch stille Gesellschaft – ein Mitunternehmer ausscheidet29. Diese Auffassung der Verwaltung ist von der Normalsituation getragen, in denen es den Beteiligten offen steht, die Mitunternehmerschaft aufzulösen, also zu beenden und eine steuerrechtliche Realteilung zu gestalten. Handelt es sich demgegenüber um eine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen, dann können die Liquidationsregeln und damit auch die Regeln über die Realteilung nur sinngemäß angewendet werden. Anders formuliert: Handelt es sich um eine zweigliedrige Innengesellschaft, dann bedarf es keiner sachenrechtlichen Realteilungsakte des Gesamthandsvermögens, vielmehr wird eine Realteilung prinzipiell durch schuldrechtliche Abreden vollzogen. Wenn infolge dieser schuldrechtlichen Abreden, der causa der Auseinandersetzung, Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens des Inhabers des Handelsgeschäfts auf den atypisch stillen Gesellschafter übertragen wer-
__________ 27 Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 538. 28 So auch Neumann, EStB 2006, 143 (144). 29 BMF, BStBl. I 2006, 228 sub II.
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den, dann entspricht dies genau der Situation einer normalen Realteilung. Der Unterschied besteht allein darin, dass bei der Realteilung von Gesellschaften mit eigenem Gesamthandsvermögen der Realteiler, auf den Sachwerte übertragen werden, vorher am Gesamthandsvermögen gesamthänderisch beteiligt gewesen ist. Bei der Innengesellschaft liegt es abweichend so, dass die auf den Realteiler übergehenden Wirtschaftsgüter sich bislang im Alleineigentum des Inhabers des Handelsgeschäfts befunden haben. Kommt es im Zuge der Realteilung der atypisch stillen Gesellschaft zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern auf den bisherigen atypisch stillen Gesellschafter, dann ist dies keine Sachwertabfindung, vielmehr eine schuldrechtlich vereinbarte und dann sachenrechtlich vollzogene Auseinandersetzung der Innengesellschaft. Zwar ist zuzugeben, dass damit die Abgrenzung von Realteilung einerseits und Sachwertabfindung andererseits bei der atypisch stillen Gesellschaft schwierig wird, doch sollte Folgendes bedacht werden: Wenn sich Realteilung und Sachwertabfindung so abgrenzen, dass bei Fortbestehen der bisherigen Mitunternehmerschaft eine Sachwertabfindung anzunehmen ist, demgegenüber bei Beendigung der bisherigen Mitunternehmerschaft Realteilungsgrundsätze anzunehmen sind, dann ist die Auseinandersetzung und „Liquidation“ der atypisch stillen Gesellschaft mit Wirtschaftsgütern grundsätzlich eine Realteilung. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Mitunternehmerschaft zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und der atypischen Gesellschaft eine (zusätzliche) Mitunternehmerschaft neben dem eigentlichen Unternehmen ist. Dies wird besonders deutlich in der Variante, dass das atypisch stille Gesellschaftsverhältnis mit einer Mitunternehmerschaft besteht. Hier überlagern sich zwei Mitunternehmerschaften. Wenn das atypisch stille Gesellschaftsverhältnis/die Mitunternehmerschaft beendet worden ist, dann ist die Grundvoraussetzung für die Anwendung der Realteilungsgrundsätze gegeben. Für eine derartige Sichtweise spricht letztlich auch, dass im Rahmen der Realteilung ganz allgemein die Auffassung vertreten wird, dass bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters selbst bei Sachwertabfindungen aus dem Gesellschaftsvermögen eine Realteilung anzunehmen ist, weil auch dort die Mitunternehmerschaft endet und das Gesellschaftsvermögen verteilt wird30. 4. § 8c KStG Die § 8 Abs. 4 KStG a. F. ersetzende Neuregelung in § 8c KStG zum Verlustabzug bei Körperschaften dient ausweislich der Gesetzesbegründung der Rechtsvereinfachung, indem das streitige Tatbestandselement der „Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen“ im bisherigen § 8 Abs. 4 KStG aufgegeben wird31. Werden unter den in § 8c Abs. 1 KStG genannten Voraussetzungen mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder
__________ 30 Deutlich Kirchof/Reiß, EStG, § 16 Rz. 340. 31 BT-Drucks. 16/4841, S. 75.
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diesem nahe stehenden Personen übertragen, dann kommt es zum quotalen oder vollständigen „Verlust des Verlustes“ der Gesellschaft. Für die hier interessierende atypisch stille Gesellschaft liegt die Problematik des § 8c Abs. 1 KStG darin, dass als schädlicher Beteiligungserwerb auch „ein vergleichbarer Sachverhalt“ genannt wird32. Zu entscheiden ist mithin, ob die Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft mit einer Körperschaft, die über einen Verlustvortrag verfügt, als vergleichbarer Sachverhalt des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG zu qualifizieren ist. Vor dem Hintergrund der sehr ähnlichen Rechtsfrage bei § 17 EStG33 sollte dies verneint werden34. Im Zuge der Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft kommt es nicht zu echten, gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechten des stillen Gesellschafters, und zwar unabhängig davon, ob dem Stillen eine relativ große Mitunternehmerinitiative, also Einfluss auf die Kapitalgesellschaft/Körperschaft zukommt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Begründung des atypisch stillen Gesellschaftsverhältnisses die wirtschaftliche Identität der Körperschaft nicht verändert. Die Gesellschaft hat weiterhin denselben Anteilseignerkreis und kann lediglich ihre vorhandenen nicht genutzten Verluste mit ihrem Gewinnanteil aus der Mitunternehmerschaft verrechnen35. Allerdings ist fraglich, ob die Finanzverwaltung dieser mit § 17 EStG abgestimmten Betrachtungsweise folgt. Zu erwähnen ist zunächst, dass der Verwaltungserlass zu § 8c KStG36 zur Frage der atypisch stillen Gesellschaft nicht ausdrücklich Stellung nimmt, andererseits aber darauf abstellt, dass es auf diejenigen „Übertragungen“ ankommen soll, die „die weitestgehende Anwendung des § 8c KStG“ erlauben! Aufgrund dessen wird vertreten, dass es im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG allein darauf anzukommen habe, ob der Vergleichssachverhalt zu einem wirtschaftlichen Engagement (hier: des atypisch Stillen) führe, das einem Mitgliedschaftsrecht gleichkomme37. In eine ähnliche Richtung geht die Auffassung von Dötsch38, der meint, bei der Begründung einer atypisch stillen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft handle sich um eine von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG erfasste mittelbare Beteiligung. Beide Ansichten vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Zwar ist der Wortlaut des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG sehr weit gefasst, doch kann es nicht so liegen, dass die atypisch stille Gesellschaft einerseits zu einer eigenständigen Mitunternehmerschaft zwischen dem Stillen und dem Inhaber des Handelsgewerbes, die dafür erforderliche Mitunternehmerinitiative aber gleichzeitig zur Subsumtion unter § 8c Abs. 1 KStG, letztlich zu einem zusätzlichen steuerlichen Mitgliedschaftsrecht führt.
__________ 32 33 34 35 36 37 38
Kritisch zu diesem Element allgemein Crezelius, FR 2008, 889. Oben III.2. So auch Herrmann/Heuer/Raupach/Suchanek, EStG/KStG, § 8c KStG Anm. J 07–17. Suchanek, a. a. O., Fn. 34. BMF, BStBl. I 2008, 736 Tz. 5 ff. Van Lishaut, FR 2008, 789 (792). Dötsch u. a., KStG, Stand: Okt. 2008, § 8c Rz. 18.
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5. Organschaft Unter den Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG kommt es zu einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. Dabei zeigt § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG, dass eine Personengesellschaft Organträgerin sein kann. Daraus ergibt sich sofort die Frage, ob auch die atypisch stille Gesellschaft als Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen Organträgerin sein kann39. Die Organträgerschaft der atypisch stillen Gesellschaft ist deshalb problematisch, weil sie über kein eigenes Gesamthandsvermögen verfügt, so dass infolgedessen auch keine genuine Tätigkeit der stillen Gesellschaft im Rechtsverkehr existiert. Für die Verneinung der Organträgereigenschaft einer atypisch stillen Gesellschaft spricht auch der Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG, weil dort eine originäre gewerbliche Tätigkeit der Organträgergesellschaft verlangt wird40. Dagegen lässt sich allerdings auch argumentieren, dass die atypisch stille Gesellschaft Subjekt der Gewinnerzielung und der Gewinnermittlung ist, so dass es auch organschaftsrechtlich nicht so liegen könne, dass eigenes Gesamthandsvermögen zu verlangen sei41. Wenn demgegenüber die Ansicht vertreten wird, dass § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 3 KStG zeige, dass die Organbeteiligung zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehören müsse42, dann ist dies eine sicherlich vertretbare Auffassung, doch ist Folgendes zu bedenken: Die Eigenart der atypisch stillen Gesellschaft besteht darin, dass es sich letztlich um eine gesellschaftsrechtlich fiktive Mitunternehmerschaft handelt, die der Steuergesetzgeber wie eine „normale Mitunternehmerschaft mit Gesamthandsvermögen“ qualifiziert43. Wird § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2, 3 KStG als Vorschrift im ertragsteuerrechtlichen Binnensystem begriffen, dann muss es steuersystematisch so liegen, dass immer dann, wenn das EStG einer lediglich schuldrechtlich begründeten Mitunternehmerschaft die Qualität einer Mitunternehmerschaft mit Außengesellschaft gibt, diese Qualität durchgängig zu beachten ist. Von daher gesehen ist es nur ein kleiner Schritt, bei Einschaltung einer atypisch stillen Gesellschaft auch die finanziellen Eingliederungserfordernisse zu bejahen44, indem man das dinglich dem Inhaber des Handelsgewerbes zustehende Vermögen als Quasi-Gesamthandsvermögen der stillen Gesellschaft einordnet.
IV. Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Schließlich ist auf eine für die Praxis besonders wichtige erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Problematik der atypisch stillen Gesellschaft einzugehen.
__________ 39 40 41 42 43 44
Näher Gosch, FS Raupach, 2006, S. 461 (473 ff.). Vgl. Ernst & Young/Walter, KStG, Stand: Aug. 2008, § 14 Rz. 176. Gosch a. a. O., Fn. 39; Schmidt/Hageböke, DStR 2005, 761. Dötsch u. a., KStG, § 14 Rz. 100 ff. Schon oben III.3. Gosch, a. a. O., Fn. 39.
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Steuerrechtsfragen der atypisch stillen Gesellschaft
Sowohl für das frühere Erbschaftsteuerrecht (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a. F.) als auch für das neue Recht (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 2009) ist zu entscheiden, ob eine atypisch stille Gesellschaft, aber auch eine atypisch stille Unterbeteiligung, geeignet ist, in den Anwendungsbereich der Begünstigungen für Betriebsvermögen/Unternehmensvermögen zu führen. Das ist bis vor einiger Zeit zwanglos bejaht worden, doch hat sich zwischenzeitlich die Auffassung der Finanzverwaltung geändert45. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen die atypisch stille Gesellschaft und die atypische Unterbeteiligung, die zwar ertragsteuerrechtlich zu unternehmerischen Einkünften führen, nach §§ 12 Abs. 5 ErbStG, 95 ff. BewG bewertet werden, doch sei eine Begünstigung für Unternehmensvermögen nicht zu gewähren, weil es sich nicht um eine Beteiligung an der Gesellschaft, vielmehr nur um eine schuldrechtliche Beteiligung am Gewerbe bzw. an einem Anteil eines anderen Steuersubjektes handle. Dagegen wird zu Recht eingewandt46, dass es nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a. F. bzw. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG darauf ankommt, dass ein Mitunternehmeranteil betroffen ist, nicht aber eine unmittelbare Beteiligung an einer zivilrechtlich existenten Gesellschaft. Nach hier vertretener Auffassung muss entscheidend sein, dass das Erbschaftsteuerrecht in den einschlägigen Begünstigungsnormen an die ertragsteuerrechtliche Begrifflichkeit anknüpft und damit jede Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfasst, also auch die lediglich schuldrechtlich vermittelte Mitunternehmerschaft der atypisch stillen Gesellschaft. Für die hier vertretene Sichtweise spricht insbesondere auch die Entscheidung des II. Senats des BFH v. 16.1.200847. Im Rahmen der Frage, was Gegenstand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist, stellt der BFH darauf ab, ob die Voraussetzungen einer atypisch stillen Unterbeteiligung erfüllt sind oder nicht. Aus den nachfolgenden Ausführungen der Entscheidung wird mehr als deutlich, dass der BFH keine Zweifel hat, dass auch eine Innengesellschaft als Betriebsvermögen im Sinne des ErbStG zu beurteilen ist. Maßgebend dafür soll § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BewG sein, der in der Tat eine Zurechnung von Betriebsvermögen fingiert, aber voraussetzt, dass der beschenkte Mitunternehmer des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG geworden ist. Im Ergebnis entspricht die BFH-Entscheidung der vom ErbStG vorausgesetzten Querbeziehung der Begünstigungen für Unternehmensvermögen mit dem Ertragsteuerrecht. Auch der BFH geht davon aus, dass immer dann, wenn es sich um einen ertragsteuerrechtlichen Mitunternehmer handelt, dem Grunde nach die Voraussetzungen der erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Begünstigungen gegeben sind. In diesem Zusammenhang ist es dann systemgemäß, dass nicht zwischen Außengesellschaften und Innengesellschaften differenziert wird.
__________ 45 BayFinMin., DStR 2008, 508; OFD Münster, DStR 2007, 1125. 46 Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand: Juli 2008, § 13a (a. F.) Rz. 131a; auch Th. Carlé, KÖSDI 2008, 16166 (16173). 47 BFH/NV 2008, 873.
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Verlustnutzung bei Körperschaften Inhaltsübersicht I. Die steuerliche Verlustnutzung in Deutschland von damals bis heute II. § 8c KStG: Neue Besen kehren gut? 1. Allgemeines 2. Der steuerschädliche Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG 3. Der mittelbare Erwerb; keine Konzernklausel a) Mittelbare Erwerbe „bis zu den Sternen“ können steuerschädlich sein b) Keine Konzernklausel 4. „Erwerber“, diesem „nahe stehende Personen“, „Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen“ und „Erwerberkreis“ 5. Das Gesetz lädt einerseits zu Gestaltungen ein und die Verwaltung versucht, diese über § 42 AO wieder einzufangen
6. Umfang und Zeitpunkt des Verlustuntergangs 7. Mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils 8. Umfang des Verlustuntergangs bei Organschaft a) Unterjähriger Beteiligungserwerb an einer Verlust-Kapitalgesellschaft, die ab dem Folgejahr organschaftlich eingebunden wird b) Unterjähriger Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einer Verlust-Organgesellschaft c) Unterjähriger Erwerb einer Beteiligung an dem Organträger d) Erwerb der gesamten Organbeteiligung im „Mitternachtsfall“ 9. Im Schrifttum diskutierte Vermeidungsstrategien 10. Zusammenfassende Bewertung des § 8c Abs. 1 KStG
I. Die steuerliche Verlustnutzung in Deutschland von damals bis heute Nur tote Verluste sind gute Verluste. So wird vielfach das Leitmotiv der neueren Steuergesetzgebung verstanden. Die Geschichte der steuerlichen Verlustberücksichtigung, die stets auch die Verlustnutzung bei der Körperschaftsteuer mitbetraf, ist seit der erstmaligen Einführung eines (zweijährigen) Verlustvortrags durch das ÄndG zum EStG und KStG v. 29.6.19291 von einem ständigen Auf und Ab geprägt, wobei Hallerbach2 für die Zeit ab 1934 allein 23 Gesetzesänderungen im Kernbereich der Verlustnutzungsregelungen aufzählt. In dieser Aufzählung sind Gesetzesänderungen im Bereich der steuerlichen Sonderregelungen wie z. B. bei den §§ 2a und 15a EStG nicht mitberücksichtigt. Durch die jüngsten gesetzgeberischen Aktivitäten hat sich die vorgenannte Anzahl der Gesetzesänderungen bereits wieder erhöht.
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1 RGBl. I 1929, 123. 2 Hallerbach in H/H/R, § 10d EStG Anm. 2, 3.
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Nachdem im EStG 19343 der erst fünf Jahre zuvor eingeführte Verlustvortrag wieder gestrichen worden ist, wurde er durch das EStÄndG v. 1.2.19384 wieder eingeführt. Nach kriegsbedingten Einschränkungen wurde der Verlustvortrag in 19485 auf drei und in 19546 auf fünf Jahre ausgedehnt. Das EStÄndG v. 20.4.19767 führte erstmals einen auf 5 Mio. DM und auf ein Jahr begrenzten Verlustrücktrag ein, der durch das 2. HStruktG8 auf zwei Jahre ausgedehnt wurde. Das StEntlG 19849 verdoppelte das Rücktragsvolumen von 5 auf 10 Mio. DM. Eine nochmalige Verbesserung für die Unternehmen brachte das StRefG 199010, indem es die bis dahin gültige Fünf-Jahres-Beschränkung für den Verlustvortrag aufhob. Von da an ging es aus Unternehmenssicht bergab. Zu einer ersten Einschränkung der steuerlichen Verlustnutzung kam es durch das StEntlG 1999/2000/ 200211, das den Verlustrücktragszeitraum von zwei auf nur noch ein Jahr und den Höchstbetrag des Verlustrücktrags zunächst auf 2 Mio. DM und anschließend auf 1 Mio. DM (später umgerechnet auf 511.500 Euro) kürzte. Gleichzeitig wurde durch dieses ÄndG eine Mindestbesteuerung in § 2 Abs. 3 EStG geregelt, die die Verlustverrechnung zwischen den Einkunftsarten begrenzte. Das sog. Korb II – Gesetz12 schaffte diese Sonderregelung, weil nicht zu praktizieren, bereits wenige Jahre später wieder ab. Gleichzeitig führte das sog. Korb II – Gesetz jedoch eine neue Art der Mindestbesteuerung ein. Der damals geschaffene und bis heute gültige § 10d Abs. 2 EStG lässt einen unbeschränkten Verlustvortrag nur noch bis zu 1 Mio. Euro zu und „deckelt“ einen darüber hinaus gehenden Verlustvortrag auf 60 % eines positiven Gesamtbetrags der Einkünfte im Abzugsjahr. Neben den genannten Gesetzesänderungen im Kernbereich der Regelungen zum steuerlichen Verlustabzug sind die letzten Jahrzehnte von zahlreichen Veränderungen in Sonderbereichen der Verlustnutzung geprägt, wobei die §§ 2a, 15a, 15 b und § 15 Abs. 4 EStG sowie § 10a GewStG zu nennen sind. Auch das UmwStG darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Das UmwStG 199513 brachte im Bereich der steuerlichen Verlustnutzung zwei bedeutsame Verbesserungen für die Unternehmen. Zum Einen erlaubte § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 bei Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft bzw. auf eine natürliche Person den zeitlich gestreckten Abzug eines Übernahmeverlusts; zum Anderen ermöglichte § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG
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Ges. v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 1005. RGBl. I 1938, 99. MRG Nr. 64 v. 22.6.1948, StuZBl. 1948, 123. StNG v. 16.12.1954, BGBl. I 1954, 373. BGBl. I 1976, 1054. Ges. v. 22.12.1981, BGBl. I 1981, 1523. Ges. v. 22.12.1983, BGBl. I 1983, 1583. Ges. v. 25.7.1988, BGBl. I 1988, 1093. Ges. v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Ges. v. 22.12.2003, BGBl. I 2003, 2840. Ges. v. 28.10.1994, BGBl. I 1994, 3267.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
bei der Verschmelzung bzw. Spaltung zwischen Körperschaften die Übertragung eines noch nicht genutzten Verlustabzugs von der übertragenden auf die übernehmende Körperschaft. § 4 Abs. 6 UmwStG wurde durch das StSenkG14 neugefasst, weil die im UmwStG 1995 eingefügte Vorgängervorschrift in großem Maße für Steuergestaltungen missbraucht worden ist15. § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG wurde durch das SEStEG16 aufgehoben, weil der Gesetzgeber befürchtete, dass Deutschland bei Aufrechterhaltung dieser nationalen Regelung aus europarechtlichen Gründen gezwungen sein würde, bei grenzüberschreitenden Hineinverschmelzungen auch nicht verbrauchte Auslandsverluste zum Abzug zulassen zu müssen. M. E. hat die Streichung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG die vom Fiskus gesehene Gefahr nicht beseitigt, dass wegen der Rechtssache Marks & Spencer17 der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft Verluste einer EU-ausländischen Tochtergesellschaft bei sich zum Abzug zulassen muss, wenn diese im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft definitiv nicht abgezogen werden können18. Die vom EuGH eingeforderte grenzüberschreitende Verlustverrechnung hat nämlich nichts mit einem verschmelzungs- oder spaltungsbedingten Verlustübergang zu tun. Innerhalb des KStG gab es vor Inkrafttreten des StRefG 199019 keine den Verlustabzug betreffende Spezialregelung; es galten die Bestimmungen des EStG. Bei der KSt gibt es aber seit jeher ein Sonderproblem bei der Verlustnutzung, das die ESt nicht kennt. Gemeint ist die sog. Mantelkauf-Thematik, die bis zur Aufgabe der früheren ständigen BFH-Rechtsprechung20 über zwei Jahrzehnte durch die Rechtsprechung reguliert worden ist. Dabei geht es darum, dass sich insb. an GmbH’s, die wegen langjähriger Verluste vermögenslos geworden sind, neue Anteilseigner beteiligen, die nach dem Erwerb der Anteile (leerer GmbHMantel) die rechtlich weiterbestehende Verlust-GmbH mit Investitionen bzw. durch Verschmelzung auf ein bzw. durch Einbringung eines Gewinnunternehmens wieder in die Gewinnzone führen, um die noch nicht verbrauchten steuerlichen Verlustvorträge zu nutzen. Nachdem bei dem ersten Gesetzgebungsversuch im StRefG 1990 nur eine aus fiskalischer Sicht recht wirkungslose Missbrauchsverhütungsvorschrift in Gestalt des § 8 Abs. 4 KStG herausgekommen ist, „besserte“ der Gesetzgeber im Gesetz zur Fortsetzung der UntStRef21 nach und verschärfte neben dem § 8 Abs. 4 KStG auch den § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG ganz deutlich. Bis zum Jahr 2007 wurde § 8 Abs. 4 KStG praktiziert, wobei diese Vorschrift, deren Telos nie ganz geklärt worden ist, in Teilbereichen unsinnig hart wirkte,
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Ges. v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. Dazu s. Pung, in D/J/P/W, § 4 UmwStG (Vor SEStEG) Tz. 117 ff. Ges. v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. EuGH v. 13.12.2005, DB 2005, 2788. S. Dötsch/Witt, in D/J/P/W, § 14 KStG Tz. 21. S. Fn. 14. Dazu s. BFH v. 29.10.1986, BStBl. II 1987, 310. Ges. v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590.
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in anderen Bereichen aber regelungsbedürftige Gestaltungen nicht verhindern konnte22. Nachdem die BFH-Rechtsprechung die Verwaltungsauffassung zur Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG in zentralen Fragen nicht bestätigte und sich dadurch wiederum in größerem Umfang Gestaltungsmöglichkeiten i. S. einer Verlustnutzung durch Mantelkauf aufgetan haben, hat der Gesetzgeber im UntStRefG 200823 reagiert und den früheren § 8 Abs. 4 KStG, der auch in einer Übergangszeit bis 2012 noch neben der Neuregelung Bedeutung haben kann (s. § 34 Abs. 6 S. 4 KStG), durch eine Nachfolgeregelung in § 8c KStG ersetzt. Mit dieser beschäftigt sich mein Beitrag im Folgenden. Bevor ich zu dieser Auseinandersetzung mit dem neuen § 8c KStG komme, darf in dieser Kurzübersicht über die Entwicklungen bei der Verlustnutzung das Thema der grenzüberschreitenden Verlustnutzung nicht unerwähnt bleiben. Österreich wird international dafür gelobt, dass es eine grenzüberschreitende Organschaft implementiert hat. Bei näherem Hinsehen ist festzustellen, dass das, was Österreich geregelt hat, nicht eine vollumfängliche grenzüberschreitende Organschaft i. S. einer grenzüberschreitenden Zusammenführung aller positiven und negativen Ergebnisse an der Spitze des Organkreises ist. Österreich erlaubt den Abzug von Auslandsverlusten sowohl von ausländischen Tochtergesellschaften als auch von ausländischen Betriebsstätten, verlangt jedoch im Fall von Auslandsgewinnen die Nachversteuerung i. H. des vorangegangenen Abzugs. Die Wirkungsweise dieser österreichischen Regelung gleicht der der früher in Deutschland gültigen Bestimmungen des § 2 AuslInvG (Verluste ausländischer Tochtergesellschaften in DBA-Staaten) und des § 2a Abs. 3 EStG (Verluste ausländischer Betriebsstätten in DBA-Staaten). Da bei beiden Regelungen die Nachversteuerung der zunächst abgezogenen Auslandsverluste nicht wirksam sicherzustellen war, hat Deutschland diese Vorschriften wegen der damit verbundenen hohen Steuerausfälle wieder abgeschafft. Ob Deutschland, auch vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidungen in der Rs Marks & Spencer24 und Lidl Belgium25, aus politischen Gründen wieder zu vergleichbaren Regelungen zurückkehren wird, wird die Zeit zeigen.
II. § 8c KStG: Neue Besen kehren gut? 1. Allgemeines Durch das UntStRefG 2008 ist als Ersatz für den weggefallenen § 8 Abs. 4 KStG ein neuer § 8c in das KStG eingefügt worden. Die zunächst aus nur einem Absatz bestehende Vorschrift ist inzwischen durch das MoRaKG26 um einen zweiten Absatz erweitert worden. Der neue Abs. 2 regelt für den Fall des
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22 Wegen der Darstellung der Wirkungen s. Dötsch, in D/J/P/W, § 8 Abs. 4 KStG Tz. 25 ff. und § 8c KStG Tz. 1 ff. 23 Ges. v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 24 S. Fn. 17. 25 EuGH v. 15.5.2008, DStR 2008, 1030; s. a. BFH v. 17.7.2008, DStR 2008, 1869. 26 Gesetz v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1672.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
schädlichen Erwerbs von Anteilen an einer Verlust-Körperschaft durch bzw. über eine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft Ausnahmen von dem in § 8c Abs. 1 KStG geregelten Verlustuntergang. Danach bleibt in den von dieser Regelung erfassten Fällen der Verlustabzug in dem Umfang erhalten, in dem im Betriebsvermögen der Verlustgesellschaft stille Reserven enthalten sind27. Auch gibt es inzwischen mit § 14 Abs. 3 FMStG28 bereits eine Ausnahmeregelung zur Nichtanwendung des § 8c KStG im Bereich der von der weltweiten Finanzmarktkrise betroffenen Kreditinstitute. Das Einführungsschreiben vom 4.7.200829 (nachfolgend als BMF-Schreiben bezeichnet), in dem das BMF zu Einzelfragen bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG Stellung genommen hat, hat eine nahezu beispiellose Anzahl von Fachaufsätzen ausgelöst, die sich durchgängig kritisch mit der Verwaltungsauffassung auseinandersetzen. Nach meinem Verständnis lehnt sich § 8c Abs. 1 KStG konzeptionell an die in § 10a GewStG für Personengesellschaften enthaltene Regelung (Merkmal der Unternehmeridentität) an und überträgt diese in modifizierter Form auf Körperschaften. Nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG führt die Übertragung von mehr als 25 % der Anteile an der Verlust-Kapitalgesellschaft an einen Erwerber (einschl. diesem nahe stehender Personen) oder an eine sog. Erwerbergruppe zum partiellen Verlustuntergang, und zwar im prozentualen Umfang des steuerschädlichen Beteiligungserwerbs. Der Übergang von mehr als 50 % der Anteile führt gem. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG zum vollständigen Verlustuntergang. Die gesetzliche Neuregelung knüpft – anders als der frühere § 8 Abs. 4 KStG – nur an ein einziges Merkmal an, nämlich an den Wechsel der Anteilseigner. Ihr liegt damit der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität der Verlust-Kapitalgesellschaft mit dem Eintritt eines zu mehr als 25 % bzw. zu mehr als 50 % beteiligten neuen Erwerbers partiell oder insgesamt ändert30. Hier setzt einer der wichtigsten Kritikpunkte an der Neuregelung der körperschaftsteuerlichen Verlustnutzung an. Dem Gesetzgeber wird vorgeworfen, § 8c KStG führe zu einer nicht gerechtfertigten Durchbrechung des Trennungsprinzips zwischen den Sphären der Körperschaft und ihrer Gesellschafter31. Bereits hinsichtlich der Vorgängerregelung in § 8 Abs. 4 KStG ist bis heute nicht geklärt, ob es sich dabei um eine spezielle Missbrauchsnorm oder um
__________ 27 In seiner Stellungnahme zum RegEntw des JStG 2009 hat der Bundesrat eine Ausdehnung dieser Ausnahmeregelung auf alle Körperschaften angeregt (s. BR-Drs. 545/08, B, 49). Die Bundesregierung hat dem jedoch nicht zugestimmt (s. BT-Drs. 16/10494, Nr. 37). 28 Gesetz v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982. 29 BStBl. I 2008, 736. 30 So die amtliche Gesetzesbegründung, s. BT-Drucks. 16/4841, 34. 31 S. Lenz/Ribbrock, BB 2007, 587; Dörfler/Wittkowski, GmbHR 2007, 513 (517); Wiese, DStR 2007, 741 (744) und Frotscher in F/M § 8c KStG Rz. 5 ff.
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eine zusätzliche Verlustabzugsvoraussetzung handelte32. Wie der Begründung des Gesetzentwurfs33 zu entnehmen ist, will die Bundesregierung den § 8c KStG als Vereinfachungsregelung verstanden wissen. Sie wertet den Wechsel der Gesellschafter als Veränderung der wirtschaftlichen Identität der VerlustKapitalgesellschaft und leitet daraus die Berechtigung zur partiellen oder völligen Versagung des Verlustabzugs ab. Ein Teil der Literatur34 geht davon aus, dass der Gesetzeswortlaut des § 8c Abs. 1 KStG nahtlos an den des § 8 Abs. 4 KStG anknüpft. Andere Autoren35 bewerten den § 8c Abs. 1 KStG als „rein technische Verlustvernichtungsvorschrift“, die sich völlig von der bisherigen Mantelkaufregelung gelöst hat36. Die Finanzverwaltung37 hingegen versteht den § 8c Abs. 1 KStG offensichtlich nicht als Missbrauchsverhütungsvorschrift, sondern als „wertneutrale allgemeine Voraussetzung für den Verlustabzug“. 2. Der steuerschädliche Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG Die Versagung des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG knüpft nicht an die Veräußerung von mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Anteile an der Verlustgesellschaft innerhalb einer Fünfjahresfrist an, sondern an einen mehr als 25 %igen bzw. mehr als 50 %igen Anteilserwerb durch einen Erwerber, durch diesem nahe stehende Personen oder durch Personen, die einem sog. Erwerberkreis zugehören. Die Aufzählung der Erwerbstatbestände im Gesetz ist sehr weitgehend und verliert sich spätestens bei dem Tatbestand der „vergleichbaren Sachverhalte“ ins Diffuse. Insbesondere die Verwendung des gesellschaftsrechtlich nicht existierenden Begriffs der Beteiligungsrechte schafft Unklarheit38, denn Beteiligungsrechte sind z. B. auch Bezugsrechte und Gewinnbezugsrechte. Auch das im Gesetz ausdrücklich genannte Stimmrecht ist ein Beteiligungsrecht. So gesehen verwundert es nicht, dass sich ein Großteil der gegen das BMFSchreiben vorgebrachten Kritik gegen diese Erwerbstatbestände richtet. Wenn man nicht mit Breuninger/Schade39 die gesetzliche Neuregelung als rein technische Verlustvernichtungsregelung ansieht, zu deren Anwendung nahezu jeder nur denkbare Anlass ausreichen soll, erscheint es nahezu unlösbar, einen „roten Faden“ in der im Gesetz enthaltenen Aufzählung der Erwerbstatbestände zu finden.
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38 39
Nachw. bei Dötsch, in D/J/P/W, § 8 Abs. 4 KStG Tz. 25. S. BT-Drucks. 16/4841, 34 (76). S. Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808. S. Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261. Auch Roser, DStR 2008, 77 verneint, m. E. zutreffend, dass die Rechtsfolgen des § 8c KStG an den Verlust der wirtschaftlichen Identität anknüpfen. S. Dötsch/Pung, DB 2008, 1703. So van Lishaut, FR 2008, 789 und Möhlenbrock, Ubg 2008, 595 (597). Van Lishaut weist jedoch zutreffend darauf hin, dass § 8c Abs. 1 KStG in Teilbereichen, insb. hinsichtlich der Aussagen zur sog. Erwerbergruppe, nur als Missbrauchsverhinderungsregelung verstanden werden kann. Kritisch wegen der Verwendung dieses Begriffs auch s. Roser, DStR 2008, 77 (78). Näheres s. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG Tz. 29 ff. Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
Anteile am gezeichneten Kapital sind Vermögensrechte. Stimmrechte vermitteln einen Einfluss auf die nachgeordnete Gesellschaft. Wenn es auch bei der Organschaft sinnvoll ist, auf die Stimmrechte abzustellen, schließlich ermöglichen diese dem Organträger die Einflussnahme auf die Organgesellschaft (finanzielle Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG), stellt sich doch die Frage, ob sie auch ein geeignetes Anknüpfungskriterium für die Versagung des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG sind. M. E. läge es näher, die Übertragung der Anteile am gezeichneten Kapital als Grundtatbestand und die Stimmrechtsübertragung lediglich als Ergänzungsmerkmal anzusehen, das in Zweifelsfällen mit heranzuziehen wäre40. So gesehen ist der Rz. 5 des BMFSchreibens zuzustimmen, wonach auch der Erwerb stimmrechtsloser Vorzugsaktien die Rechtsfolgen des § 8c Abs. 1 KStG auslösen kann. Wenn die meisten Verbandsstellungnahmen41 und wohl nahezu das gesamte Schrifttum42 dies ablehnen, muss das vor dem Hintergrund gesehen werden, dass offensichtlich bei § 8c Abs. 1 KStG – wie bei § 14 KStG – die Stimmrechtsübertragung als zentraler Erwerbstatbestand verstanden wird. Anfechtbar erscheinen auch die Aussagen in den Rz. 13–15 des BMF-Schreibens zum Zeitpunkt des steuerschädlichen Beteiligungserwerbs bei Umwandlungen. Bei der Umwandlung des Anteilseigners der Verlustgesellschaft ist Erwerbszeitpunkt durch den übernehmenden Rechtsträger der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums. Ein steuerlicher Rückbezug des Erwerbszeitpunkts nach § 2 UmwStG kommt nach Verwaltungsauffassung nicht in Betracht43. Damit erkennt die Finanzverwaltung Gestaltungen nicht an, bei denen Gesellschafter der Verlustgesellschaft auf Grund einer erst in 2008 wirksam gewordenen, steuerlich aber gem. § 2 UmwStG auf den Schluss des Wirtschaftsjahrs 2007 rückbezogenen Umwandlung wechseln. Nach Verwaltungsauffassung löst in diesen Fällen der Anteilserwerb bereits die Rechtsfolgen des § 8c Abs. 1 KStG aus. M. E. ist der Regelung in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Vielmehr muss danach differenziert werden, um welchen Umwandlungsvorgang es sich handelt und welche Rückwirkungsregelungen für diesen gelten. Wenn die Beteiligung an der Verlust-Kapitalgesellschaft Bestandteil des übergehenden Vermögens im Rahmen einer Umwandlung ist, erfolgt deren Übertragung m. E. gem. §§ 2, 20 Abs. 5, 6 UmwStG stets mit Rückwirkung zum steuerlichen Übertragungsstichtag44. Hinsichtlich der Anwendung des § 13 UmwStG (z. B. bei Verschmelzung einer außenstehenden Kapitalgesellschaft auf die Verlust-
__________ 40 So wohl auch Kußmaul/Richter/Tcherveniachki, GmbHR 2008, 1009 (1010). 41 S. stellvertretend Stellungnahme des IDW, IDW-FN. 4/2008, 140 (141). 42 S. Beußer, DB 2007, 1549 (1551); Lang, DStZ 2007, 652 (653); Neumann, GmbH-StB 2007, 253; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933; Viskorf/Michel, DB 2007, 2561; Lenz, Ubg 2008, 21 (26) und s. Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (263). 43 A. A. Stellungnahme des IDW. IDW-FN 4/2008, 140 (142) und s. Schumacher/Hageböke, DB 2008, 493. 44 S. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG Tz. 42a. Gl. A. s. Möhlenbrock, Ubg 2008, 595 (600).
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Kapitalgesellschaft) kommt es nicht zu einem steuerlichen Rückbezugs des Anteilstauschs45. Durch das JStG 2009 ist § 2 UmwStG mit Wirkung für einen schädlichen Beteiligungserwerb nach dem 28.11.2008 um einen Abs. 4 erweitert worden, wobei diese Regelung inhaltlich mit § 8c KStG zusammenhängt. Die Neuregelung soll vermeiden, dass eine Körperschaft, deren Verlust- bzw. Zinsvortrag wegen eines schädlichen Beteiligungserwerbs i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG ganz oder anteilig untergehen würde, den Verlustuntergang dadurch verhindert, dass sie gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung auf einen vor dem schädlichen Beteiligungserwerb liegenden Zeitpunkt auf einen Anteilserwerber in der Rechtsform einer Körperschaft, Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens als verschmilzt (bzw. ihr Betriebsvermögen durch Auf- oder Abspaltung überträgt) und dabei in ihrer steuerlichen Übertragungsbilanz das übergehende Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert bzw. mit Zwischenwerten ansetzt. Durch den Ansatz eines über dem Buchwert liegenden Werts lässt sich ein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn „produzieren“, der ohne eine gesetzliche Sonderregelung noch zur Verrechnung mit dem ansonsten untergehenden Verlustabzug genutzt werden könnte. Hinzu kommt, dass der übernehmende Rechtsträger infolge der Wertaufstockung in der steuerlichen Übertragungsbilanz künftig ein höheres Abschreibungsvolumen hat46. Wegen der erstmaligen Anwendung des § 2 Abs. 4 UmwStG s. § 27 Abs. 9 UmwStG i. d. F. des JStG 2009. 3. Der mittelbare Erwerb; keine Konzernklausel Die Rz. 11 enthält die wohl umstrittensten Regelungen des gesamten BMFSchreibens, wobei sich m. E. die Kritik in erster Linie gegen das Gesetz selbst richtet: a) Mittelbare Erwerbe „bis zu den Sternen“ können steuerschädlich sein Dass eine an den Gesellschafterwechsel anknüpfende gesetzliche Verlustabzugsbeschränkung ohne Einbeziehung auch der mittelbaren Anteilseignerwechsel keine wirksame Regelung sein kann, zeigen die Erfahrungen mit dem früheren § 8 Abs. 4 KStG47. Würde der mittelbare Gesellschafterwechsel nicht auch sanktioniert, ließe sich in der Praxis eine Verlustabzugsbeschränkung, welche nur an den Wechsel des unmittelbaren Anteilseigners anknüpft, dadurch umgehen, dass der bisherige Anteilseigner vor der Entstehung der steuerlichen Verluste zwischen sich und die Verlustgesellschaft eine „leere“ Holdinggesellschaft zwischenschaltet und anschließend an Anteile an dieser veräußert
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45 S. Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 20. 46 Näheres dazu s. Dötsch in D/J/P/W, Vor § 2 UmwStG Tz. 1 ff. und § 8c KStG Tz. 43, 72 und 93 Buchst. f. 47 Nach der Ablehnung der Verwaltungsauffassung durch den BFH (s. BFH v. 20.8.2003, BStBl. II 2004, 616) bot sich entsprechender Gestaltungsspielraum. Dazu s. Dötsch, in D/J/P/W, § 8 Abs. 4 KStG Tz. 57 ff.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
(wodurch die nachgeordnete Verlustgesellschaft gleichzeitig mitveräußert wird). Bei einer verlustgefährdeten Gesellschaft würden ggf. von Beginn an doppelstöckige Strukturen geschaffen. Problematisch ist jedoch, dass § 8c Abs. 1 KStG mittelbare Beteiligungserwerbe ohne jegliche einengende Regelungen einbezieht48. Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG geht bei einer inländischen Verlustgesellschaft der Verlustabzug selbst dann anteilig bzw. vollständig verloren, wenn beispielsweise auf der zehnten Beteiligungsebene oberhalb dieser Gesellschaft die Anteile in steuerschädlichem Umfang (durchgerechnet auf die Verlustgesellschaft; s. Rz. 12 des BMF-Schreibens) wechseln. Eine ganz andere Frage ist es, ob zum Ersten die deutsche Verlustgesellschaft selbst und zum Zweiten das zuständige Finanzamt von diesem mittelbaren Beteiligungserwerb überhaupt Kenntnis erlangen Die Lösung hätte möglicherweise ein im Vorfeld der Gesetzwerdung des § 8c KStG diskutierter, aber wegen der dadurch entstehenden Komplizierungen nicht weiterverfolgter Regelungsvorschlag von Seiten der Länder gebracht, wonach mittelbare Beteiligungserwerbe nur dann zum Verlustuntergang führen, wenn der Wert der vermittelnden Beteiligung unterhalb eines festzulegenden Prozentsatzes im Verhältnis zum Wert der Beteiligung an der Verlustgesellschaft liegt. b) Keine Konzernklausel Nach Rz. 11 des BMF-Schreibens ist der unmittelbare Erwerb auch schädlich, wenn er mittelbar nicht zu einer Änderung der Beteiligungsquote an der Verlustgesellschaft führt. Die Finanzverwaltung überträgt damit auf den neuen § 8c Abs. 1 KStG nicht die bisherige Sonderregelung zu § 8 Abs. 4 KStG, wonach die erfolgsneutrale Umstrukturierung mittelbarer in mittelbare Beteiligungen nach Maßgabe der §§ 11 ff. bzw. 20 ff. UmwStG 1995 innerhalb verbundener Unternehmen i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB nicht als steuerschädlicher Anteilseignerwechsel gewertet wurde. Auch bloße Verkürzungen und Verlängerungen der Beteiligungskette oberhalb der Verlustgesellschaft können damit zum Verlustuntergang führen. Gegen diese ausnahmslose Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG richten sich die Stellungnahmen der Verbände49. Dadurch, dass das BMF-Schreiben auch Beteiligungserwerbe zwischen konzernzugehörigen Gesellschaften als steuerschädlich ansieht, hat es m. E., da diese Gesellschaften wegen ihres Nahestehens zueinander wohl stets einen sog. Erwerberkreis bilden, auch die Frage mitbeantwortet, dass Beteiligungserwerbe innerhalb eines Erwerberkreises ebenfalls steuerschädlich sind.
__________ 48 Kritisch dazu auch Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (266). 49 Wegen der Kritik im Schrifttum s. stellvertretend Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (266) und Sistermann/Brinkmann, DStR 2008, 897.
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Ewald Dötsch
Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG sind, dargestellt an dem nachstehenden Ausgangssachverhalt, ohne Unterschied folgende Fälle als schädlicher Beteiligungserwerb erfasst50. Beispiel 1: Ausgangssachverhalt: MG
TG 1
E (fremder Erwerber)
TG 2
V-GmbH (Verluste)
Fall 1: TG 1 veräußert die V-Beteiligung an E (= unmittelbarer Erwerb durch Dritte). Fall 2: MG veräußert die TG 1-Beteiligung an E (= mittelbarer Erwerb durch Dritte). Fall 3: TG 1 überträgt die V-Beteiligung durch Veräußerung oder durch Einbringung an TG 2 (= unmittelbarer Erwerb im Konzern). Fall 4: MG überträgt die TG 1 – Beteiligung an TG 2. Obwohl aus der Sicht der V-GmbH sowohl der unmittelbare AE (TG 1) als auch der mittelbare AE (MG) unverändert bleiben, tritt TG 2 als neuer mittelbarer Anteilseigner hinzu. Fall 5: Wie Ausgangssachverhalt, aber zwischen TG 1 und der V-GmbH befinden sich zwei weitere Beteiligungsstufen, nämlich die EG und die UEG. Alt 1: TG 1 wird auf MG verschmolzen. Alt 2: TG 1 spaltet die EG-Beteiligung auf MG ab. In beiden Fällen wird die mittelbare Beteiligungskette verkürzt, wobei der unmittelbare Anteilseigner der V-GmbH und der oberste mittelbare Anteilseigner unverändert bleiben. Nach dem Gesetzeswortlaut ist u. E. von einem steuerschädlichen Beteiligungserwerb auszugehen51. Fall 6: Wie Ausgangssachverhalt, aber TG 1 bringt die V-Beteiligung in EG ein, die damit zwischen TG 1 und V-GmbH zwischengeschaltet wird und die mit-
__________ 50 Ebenso s. Neyer, BB 2007, 1415 und Dieterlen/Winkler, GmbHR 2007, 815. 51 Dieterlen/Winkler, GmbHR 2007, 815 (816); ebenso in E & Y, URefG 2008, 160 sprechen sich gegen die Kürzung bzw. den Untergang des Verlustabzugs aus, weil die Position der MG im Verhältnis zu V-GmbH nicht verstärkt worden ist.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
telbare Beteiligungskette verlängert. Auch für diesen Fall sieht der Gesetzeswortlaut eine Ausnahmeregelung nicht vor. Ein steuerschädlicher Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c S. 1 KStG kann sich auch in Umwandlungsfällen ergeben. Beispiel 2: MG
TG
Verlustgesellschaft
Wenn eine der o. a. Gesellschaften, egal in welcher Richtung, auf eine andere verschmilzt, geht der verbleibende Verlustabzug verloren. Wenn die Verlustgesellschaft auf die TG verschmilzt, ergibt sich der Untergang des Verlustabzugs aus § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG, in den anderen Fällen aus § 8c Abs. 1 KStG. Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass es in Konzernstrukturen nahezu unmöglich ist, die Beteiligung an einer Verlust-Kapitalgesellschaft „umzuhängen“, ohne den Untergang eines noch nicht genutzten Verlustabzugs zu bewirken. 4. „Erwerber“, diesem „nahe stehende Personen“, „Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen“ und „Erwerberkreis“ § 8c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG rechnet für die Prüfung, ob ein schädlicher Beteiligungserwerb vorliegt und für die Ermittlung des Umfangs der Verlustversagung Anteilserwerbe durch den Erwerber und durch diesem nahe stehende Personen zusammen. Der S. 3 des § 8c Abs. 1 KStG fingiert darüber hinaus, dass eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen als ein Erwerber gilt; dies soll sog. Quartettlösungen verhindern. Die Rz. 3 und 26 ff. des BMF-Schreibens verwenden darüber hinaus einen im Gesetz nicht enthaltenen Begriff, nämlich den des Erwerberkreises. Nach der Philosophie des BMF-Schreibens kann es, ohne dass sich mir die Notwendigkeit zur Einführung dieses weiteren Begriffs erschließt, offensichtlich drei verschiedene Arten von Erwerberkreisen geben52, nämlich
__________ 52 S. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG Tz. 55.
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a) eine aus dem Erwerber und aus diesem nahe stehenden Personen gebildete „Zusammenrechnungsgruppe“, deren Mitglieder keine gleichgerichteten Interessen i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 3 KStG haben, b) eine (nicht einander nahe stehende) Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen, und c) eine aus dem Erwerber, aus diesem nahe stehenden Personen und aus weiteren Erwerbern bestehende Gruppe, die gleichgerichteten Interessen i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 3 KStG hat. Alle Anteilserwerbe durch die einem solchen Erwerberkreis zugehörigen Personen sind für die Anwendung des § 8c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG jeweils zusammengefasst zu beurteilen. Da das BMF-Schreiben keine Ausnahmen von der Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG für konzerninterne Anteilserwerbe, d. h. Anteilserwerbe zwischen einander nahe stehenden Personen, regelt, ist m. E. auch eine Ausnahmeregelung für Anteilserwerbe innerhalb des Erwerberkreises nicht begründbar53. Der Begriff der nahe stehenden Person i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG wird von der Finanzverwaltung nicht nach § 1 Abs. 2 AStG definiert54, vielmehr werden Kriterien aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung herangezogen (s. Rz. 25 des BMF-Schreibens). Für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung reicht jede Beziehung eines Anteilseigners der Kapitalgesellschaft zu einer anderen Person aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an die andere Person beeinflusst. Die Beziehung kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher Natur oder auch eine solche tats. Art sein55. Nachweispflichtig hinsichtlich des Nahe stehens ist die Finanzverwaltung. Es kommt nur auf das Nahe stehen zum Anteilserwerber, nicht auf das zum Anteilsveräußerer an. Auch spielt das Nahe stehen von Anteilsveräußerer und -erwerber keine Rolle für die Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG. Ablehnend hinsichtlich der Heranziehung der Kriterien aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung s. Frotscher56, nach dessen Auffassung wegen des unterschiedlichen Regelungsziels der beiden Vorschriften die Auslegungsgrundsätze zu § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG zwar einen Anhaltspunkt geben, aber nicht deckungsgleich herangezogen werden können. Danach ist eine andere Person dem Erwerber nur dann nahe stehend, wenn sie, wirtschaftlich betrachtet, die Beteiligung in dessen Interesse erwirbt. Frotscher57 will als Auslegungshilfe für den Begriff der nahe stehenden
__________
53 Gl.A. van Lishaut, FR 2008, 789 (795) und Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194 (1198). A. A. Neumann, GmbH-StB 2007, 249 (252) und Frotscher in F/M, § 8c KStG, Rz. 86. S. a. Rödder, Ubg 2008, 595 (600). 54 Kritisch dazu Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933 (1934) und Winkler/Dieterlen in E&Y, Die UntStRef 2008, 157. 55 BFH v. 18.12.1996, BStBl. II 1997, 301; weiter s. KStH 2004,, H 36 „Nahe stehende Person“. 56 Frotscher in F/M, § 8c KStG, Rz. 48 ff. 57 Frotscher in F/M, § 8c KStG, Rz. 51. Ähnlich s. Thonemann, DB 2008, 2156 (2158).
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Person § 30 WpÜG heranziehen, der bestimmt, wann Stimmrechte einer bestimmten Person zuzurechnen sind. Er weist zur Begründung seiner a. A. auf die Rspr. des BVerfG58 hin, wonach eine (auch widerlegbare) Vermutung, wonach bereits eine familienrechtliche Beziehung ausreicht, um das Nahestehen anzunehmen, gegen Art. 6 GG verstößt. Der wohl schillerndste Begriff sowohl in § 8c Abs. 1 KStG als auch im BMFSchreiben ist der der Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen. Von dessen Vorliegen ist nach Rz. 27 des BMF-Schreibens regelmäßig auszugehen, wenn eine Abstimmung zwischen den Erwerbern stattgefunden hat, wobei ein schriftlicher Vertrag nicht vorliegen muss. Die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks i. S. d. § 705 BGB soll zur Begründung gemeinsamer Interessen ausreichen, ist aber nicht Voraussetzung. Gleichgerichtete Interessen liegen danach z. B. vor, wenn mehrere Anteilserwerber zwecks einheitlicher Willensbildung zusammenwirken. Indiz gleichgerichteter Interessen ist, so ein Änderungsantrag der Regierungsparteien im Gesetzgebungsverfahren59, die gemeinsame Beherrschung der Verlust-Kapitalgesellschaft durch die Erwerbergruppe60. Die gleichgerichteten Interessen müssen nach Verwaltungsauffassung nicht zwingend auf den Erhalt des Verlustvortrags der Körperschaft gerichtet sein. Gestrichen wurde der im Entwurf des BMF-Schreibens noch enthaltene Satz, wonach Gegenstand des gleichgerichteten Interesses jeder Umstand sein kann. Die gleichgerichteten Interessen müssen m. E. in dem Zeitpunkt des schädlichen Anteilserwerbs vorliegen61. Im Schrifttum62 wird zutreffend darauf hingewiesen, dass dem BMF-Schreiben keine verlässlichen Maßstäbe zur Auslegung des Begiffs der gleichgerichteten Interessen entnommen werden können. So stellt sich z. B. die Frage, ob bereits Festlegungen und Beschlüsse in Aufsichts- und Beiräten gleichgerichtete Interessen begründen oder wenn bei Joint Ventures oder in Sanierungsfällen die Erwerber in schuldrechtlichen Verträgen die Rahmenbedingungen für das gemeinsame Halten der Beteiligungen regeln. Auch ist m. E. mit ernsthaften Gegenargumenten zu der Aussage in dem BMF-Schreiben zu rechnen, wonach die gleichgerichteten Interessen nicht auf den Erhalt des Verlustvortrags der Körperschaft gerichtet sein müssen, schließlich geht es ja bei § 8c Abs. 1 KStG um nichts anderes als um die weitere steuerliche Nutzbarkeit von Verlusten. Auf die Ebene der Erwerbergruppe projiziert, wird das gleichgerichtete Interesse m. E. im Regelfall darin bestehen, die Verlustgesellschaft unter Nutzung der steuerlichen Verlustvorträge wieder in die Gewinnzone zu führen, um den Wert der erworbenen Anteile zu steigern und frühzeitiger Ausschüttungen zu erhalten. Dies kann z. B. durch gemeinsam beschlossene Gewinnverlagerungen hinein in die Verlustgesellschaft geschehen.
__________ 58 59 60 61 62
S. Urt. des BVerfG v. 12.3.1985, BStBl. II 1985, 475. S. BT-Drucks. 16/5491, 22. Dazu auch Roser, DStR 2008, 77 (79). S. a. KStH 2006, H 36 (Beherrschender Gesellschafter – gleichgerichtete Interessen). Gl. A. Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808 (813). Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808 (813).
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M. E. ist ein Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 3 KStG auch gegeben, wenn Venture Capital Fonds in der Rechtsform einer vermögensverwaltenden KG sich in erforderlichem Umfang an einer Verlust-Kapitalgesellschaft beteiligt. Nach Rz. 24 des BMF-Schreibens sind bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zwar gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die Anteile an der VerlustKapitalgesellschaft anteilig den Gesellschaftern zuzurechnen. Wegen der Gleichausrichtung der Interessen sind jedoch die Gesellschafter der Personengesellschaft als Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 3 KStG anzusehen. A. A. s. Klemt63, der – m. E. unzutreffend – in der Rz. 24 des BMF-Schreibens eine Selbstbindung der Finanzverwaltung i. d. S. sieht, dass § 8c Abs. 1 KStG nicht anzuwenden sei. Auch der Begriff der gleichgerichteten Interessen stammt aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung. Dort wird beim Zusammenwirken mehrerer Anteilseigner mit gleichgerichteten Interessen eine beherrschende Gesellschafterstellung angenommen, wenn die Anteilseigner eine ihren Interessen entsprechende Willensbildung bei der Kapitalgesellschaft herbeiführen64. Nach Auffassung von Neumann65 gibt die BFH-Rechtsprechung zur Annahme gleichgerichteter Interessen bei verdeckten Gewinnausschüttungen für die Auslegung des § 8c Abs. 1 KStG nichts her. A. A. sind Benz/Rosenberg66. Auch Frotscher67 will nicht deckungsgleich die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung übertragen und lehnt es unter Hinweis auf die BFH-Rspr68. insb. ab, bei Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen das familienrechtliche Band zwischen diesen Personen als ausreichenden Grund für die Annahme gleichgerichteter Interessen ausreichen zu lassen. Danach können bei Eheleuten nur dann gleichgerichtete Interessen angenommen werden, wenn dies auch ohne Bestehen der Ehe möglich wäre. 5. Das Gesetz lädt einerseits zu Gestaltungen ein und die Verwaltung versucht, diese über § 42 AO wieder einzufangen Das Gesetz selbst und, dem folgend, das BMF-Schreiben (Rz. 16 ff.) regeln – keinesfalls überzeugend – den gestreckten Erwerb von Anteilen an der Verlust-Kapitalgesellschaft für die Anwendung der S. 1 und 2 des § 8c Abs. 1 KStG völlig unterschiedlich und laden damit zu Steuergestaltungen geradezu ein. Bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG sind zwar innerhalb eines Fünfjahreszeitraums grundsätzlich alle Anteilserwerbe durch einen Erwerber sowie diesem nahe stehende Personen (bzw. durch eine sog. Erwerbergruppe) zusammenzurechnen. Sobald jedoch die 25 %-Grenze überschritten wird, geht ein noch nicht genutzter Verlustabzug in dem prozentualen Umfang des schädlichen Anteilserwerbs unter und es beginnt mit dem nächsten Beteiligungs-
__________ 63 64 65 66 67 68
Klemt, DB 2008, 2100. KStH 2006, H 36 „Beherrschender Gesellschafter – gleichgerichtete Interessen“. Neumann, GmbH-StB 2007, 249 (252). Benz/Rosenberg in Blumenberg/Benz, Die UntStRef 2008, 184. Frotscher in F/M, § 8c KStG, Rz. 92. S. Urt. des BFH v. 27.11.1985, BStBl. II 1986, 362.
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erwerb ein neuer Fünfjahreszeitraum. Wenn also z. B. ein Erwerber zunächst 26 % der Anteile an der Verlust-Kapitalgesellschaft erwirbt und zwei Jahre später nochmals 24 %, gehen nicht etwa 50 % des Verlustabzugs unter, sondern nur 26 %. Anders ist das Ergebnis, wenn der Erwerber zunächst 24 % und dann im Folgejahr nochmals 26 % erwirbt. In dem letztgenannten Fall wird addiert und es gehen 50 % des Verlustabzugs verloren. Dies zeigt, dass § 8c Abs. 1 KStG eine neue Variante der „Dummenbesteuerung“ geschaffen hat69. Bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG hingegen ist nach Überschreiten der 25 %-Grenze die Addition aller Anteilserwerbe konsequent weiterzuführen. Bei einem Erwerbsvorgang in mehreren Schritten beginnt nicht nach Überschreiten der 25 %-Grenze eine neue Berechnung. Selbst wenn ein Teilerwerb innerhalb des Fünfjahreszeitraums bereits den partiellen Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG ausgelöst hat, werden weitere Teilerwerbe innerhalb des begonnenen Fünfjahreszeitraums zwecks Anwendung des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG weiter hinzugerechnet. Die Verwaltung allerdings will, wenn die im vorletzten Absatz beschriebene steuergünstigere Variante gewählt wird, auf die Gesamtplan-Rechtsprechung des BFH70 zurückgreifen. Nach Rz. 19 des BMF-Schreibens gilt eine Mehrzahl von Erwerben als ein Erwerb, wenn ihnen ein Gesamtplan zugrunde liegt, d. h. die Verwaltung ist angewiesen, auf die Gesamtplan-Rechtsprechung des BFH71 zurückzugreifen. Danach wird ein steuerschädlicher Gesamtplan widerleglich vermutet, wenn mehrere Erwerbe innerhalb eines Jahres erfolgen. Es handelt sich um eine im Steuerrecht sich stets wiederholende Situation, bei der in nachgelagerten Verwaltungsanweisungen versucht wird, Steuergestaltungen zu verhindern, die im Gesetzeswortlaut selbst angelegt sind. Kritisch ist dabei m. E. auch die dem § 42 AO nicht bekannte Umkehr der Beweislast. Ob dieses Vorgehen vor den Gerichten Bestand hat, wird sich zeigen müssen. 6. Umfang und Zeitpunkt des Verlustuntergangs Werden innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Anteile an der Verlustgesellschaft durch einen Erwerberkreis erworben, geht der noch nicht genutzte Verlustabzug quotal entsprechend dem Umfang des schädlichen Beteiligungserwerbs verloren (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG; Rz. 28 des BMF-Schreibens). Bei einem schädlichen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungserwerb von mehr als 50 % innerhalb von fünf Jahren geht der noch nicht genutzte Verlustabzug vollständig unter (§ 8c Abs. 1 S. 2 KStG, Rz. 29 des BMF-Schreibens).
__________ 69 Dazu auch Neyer, BB 2007, 1415 (1417). 70 S. BFH v. 27.10.2005, BStBl. II 2006, 359. Wegen der Anwendung dieser Rechtsprechung im Rahmen des § 8c KStG s. a. Dörr, NWB 31/2007, F. 4, 5181 (5187). 71 S. BFH v. 27.10.2005, BStBl. II 2006, 359. Wegen der Anwendung dieser Rechtsprechung im Rahmen des § 8c KStG s. a. Dörr, NWB 31/2007, F. 4, 5181 (5187).
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Vom quotalen bzw. vollständigen Untergang betroffen ist der in dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs (Zeitpunkt des Überschreitens der 25 %- bzw. 50 %-Grenze) vorhandene noch nicht genutzte Verlustabzug. Verluste, die vor dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden sind, dürfen mit danach entstehenden Gewinnen weder ausgeglichen noch von ihnen abgezogen werden. Nach Verwaltungsauffassung (s. Rz. 30 des BMF-Schreibens) dürfen Verluste, die bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden sind, auch nicht in frühere Veranlagungszeiträume zurückgetragen werden. M. E. ergibt sich die Versagung des Verlustrücktrags nicht aus dem Gesetz, denn § 8c Abs. 1 KStG beschränkt nur die künftige Nutzung früher entstandener Verluste in Zeiträumen nach dem schädlichen Beteiligungserwerb72. Im Übrigen ist in dem nach § 10d Abs. 4 EStG auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustabzug ein Verlustrücktrag auf das Ergebnis früherer Jahre bereits nicht mehr enthalten. Für einen anteiligen zeitanteiligen Verlustanteil bei unterjährigem schädlichen Anteilserwerb besteht allerdings keine Rücktragsmöglichkeit, da es sich bei diesem rein rechnerischen Teilverlust nicht um einen dem Verlustrücktrag i. S. d. § 10d Abs. 1 EStG (Verlust eines Veranlagungszeitraums) handelt. Die bei einem schädlichen Beteiligungserwerb bis zum 28.11.2008 bestehende Möglichkeit, einen vom Untergang betroffenen Verlustabzug dadurch zu retten, dass die Verlust-Kapitalgesellschaft mit steuerlicher Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor dem steuerschädlichen Anteilserwerb auf den Anteilserwerber verschmolzen wird und in ihrer steuerlichen Übertragungsbilanz nach § 3 Abs. 1 bzw. nach § 11 Abs. 1 UmwStG das übergehende Vermögen mit dem gemeinen Wert oder mit Zwischenwerten ansetzt und den Verlustabzug „in der letzten Sekunde vor dem schädlichen Anteilserwerb“ mit dem dadurch sich ergebenden steuerpflichtigen Übertragungsgewinn verrechnet, was auf der Ebene der Übernehmerin höhere steuerliche Abschreibungen ermöglicht, besteht bei späteren Anteilserwerben nicht mehr (§ 2 Abs. 4 UmwStG i. d. F. des JStG 2009; s. vorstehend unter II.2). Wie Sistermann/ Brinkmann73 zutreffend ausführen, greift die Regelung des neuen § 2 Abs. 4 UmwStG u. U. nicht, wenn die Reihenfolge der Gestaltungsschritte verändert wird. 7. Mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils Gemäß Rz. 22 des BMF-Schreibens ist die mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils steuerschädlich, soweit sie die Beteiligungsgrenzen des § 8c Abs. 1 KStG überschreitet. D. h. bei einer zweiten Übertragung wird auch ein nach der ersten steuerschädlichen Übertragung i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG noch verbliebener und zwischenzeitlich nicht verbrauchter Altverlust (nochmals) gekürzt. Der Verlustuntergang betrifft auch zwischenzeitlich einge-
__________
72 Gl.A. s. Neumann, GmbH-StB 2007, 249 (250) und Lang, DStZ 2007, 659. 73 DStR 2008, 2455.
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Verlustnutzung bei Körperschaften
tretene weitere Verluste. Da der Verlust aber nur bei einem schädlichem Erwerb untergeht, kann m. E. nicht der Fall eintreten, dass die mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils zwecks Ermittlung der 25 %- bzw. 50 %-Quote mehrfach gerechnet wird74. Eine zweite steuerschädliche Auswirkung der erneuten Übertragung des nämlichen Anteils ist nur möglich, wenn die erste Übertragung einen Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG (mit-)bewirkt hat und anschließend die zweite Anteilsübertragung entweder bei einem erneuten Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG oder bei einem Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG in die Quotenberechnung miteinbezogen wird. Beispiel 1: MG hält zwei 100 %ige TG, nämlich die T1 und die T2. Die T 1 veräußert ihre 30 %ige Beteiligung an einer Verlustgesellschaft an T2. M. E. geht gem. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG der Verlustabzug zu 30 % unter. Es wäre ein unangemessenes Ergebnis, den unmittelbaren und mittelbaren Erwerb von jeweils 30 % auf 60 % zu addieren und gem. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG den Verlustabzug vollständig zu versagen, obwohl weder der Gesetzeswortlaut noch das BMF-Schreiben dies zwingend hergeben. Beispiel 2: Erster Erwerb am 1.1.2008 V
Zweiter Erwerb am 1.1.2010 E1
40 %
40 %
V-GmbH
V-GmbH
Verlustvortrag 31.12.2009 = 1000
Fall a): Zus. Verluste in 2008/9 = 500;
E2
40 %
V-GmbH
Fall b): Gewinne in 2008/9 = 500
Erster Verlustuntergang beim Beteiligungserwerb in 2008: 40 % von 1.000 = 400. Zweiter Verlustuntergang beim Beteiligungserwerb in 2010: Es liegt zweimal hintereinander ein Anwendungsfall des § 8 c Abs. 1 S. 1 KStG vor. Fall a): 40 % von 1.100 = 440 (1.000 ./. 400 = 600 + 500 = 1.100) Fall b): 40 % von 100 = 40 (1.000 ./. 400 = 600 ./. 500 = 100).
__________ 74 Gl.A. Roser, DStR 2008, 77 (80).
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8. Umfang des Verlustuntergangs bei Organschaft § 8c Abs. 1 KStG enthält keine Aussagen zu seiner Anwendung in Organschaftsfällen. Nach Rz. 33 des BMF-Schreibens unterliegt der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c Abs. 1 KStG auch „das noch nicht zugerechnete anteilige negative Organeinkommen“. M. E. ist hinsichtlich der Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG bei Organschaft zwischen mehreren Fragen zu unterscheiden75: a) Unterjähriger Beteiligungserwerb an einer Verlust-Kapitalgesellschaft, die ab dem Folgejahr organschaftlich eingebunden wird Für diesen Fall gelten m. E. keine Besonderheiten. Der anteilig auf die Zeit vor dem Anteilserwerb entfallende laufende Verlust geht unter. Der verbleibende nutzbare Verlust wird zum vororganschaftlichen Verlust i. S. d. § 15 S. 1 Nr. 1 KStG. b) Unterjähriger Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einer VerlustOrgangesellschaft In diesem Fall ist, da es sich um einen laufenden Verlust der Organgesellschaft handelt, § 8c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG im Rahmen der Einkünfteermittlung der Organgesellschaft, also auf einer Rechenstufe vor Ermittlung des dem Organträger zuzurechnenden Organeinkommens, anzuwenden. Dem Organträger ist als (nutzbarer) Verlust der Organgesellschaft nur der entsprechend gekürzte Betrag zuzurechnen. Beispiel: Laufender Verlust 03 der Organgesellschaft = 1.200.000 Euro (kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr). Der bisher zu 100 % beteiligte Organträger veräußert am 30.9.03 30 % seiner Beteiligung an einen Minderheitsgesellschafter. Die Organschaft wird fortgesetzt. Anteiliger laufender Verlust der Organgesellschaft in der Zeit vor dem schädlichen Beteiligungserwerb = 9/12 von 1.200.000 Euro = 900.000 Euro. Davon gehen gem. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG 30 % = 270.000 Euro unter. Die Kürzung erfolgt i. d. R. Einkünfteermittlung auf der Ebene der Organgesellschaft. D. h. dem Organträger ist nur noch das gekürzte negative Organeinkommen i. H. v. – 930.000 Euro zuzurechnen. M. E. muss für die Zwölftelung i. S. d. Rz. 32 des BMF-Schreibens auf das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft und nicht auf das des Organträgers abgestellt werden. Verfügt die Organgesellschaft noch über einen vororganschaftlichen Verlustabzug, geht dieser gem. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG zu 30 % unter.
__________
75 Dazu s. a. Frotscher, DK 2008, 548 und s. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG Tz. 76 ff.
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c) Unterjähriger Erwerb einer Beteiligung an dem Organträger Erfolgt ein schädlicher Beteiligungserwerb an den Anteilen am Organträger, liegt zunächst einmal hinsichtlich eines beim Organträger noch nicht genutzten Verlustabzugs (einschl. der dem Organträger bereits zugerechneten Vorjahresverluste seiner Organgesellschaften) und hinsichtlich eines unterjährigen Verlusts des Organträgers ein Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 1 oder S. 2 KStG vor. Ein Beteiligungserwerb an den Anteilen am Organträger kann aber gleichzeitig einen mittelbaren schädlichen Beteiligungserwerb an den Anteilen an der Organgesellschaft bewirken. Insoweit kommt des iR der Einkünfteermittlung der Organgesellschaft zur partiellen Kürzung eines laufenden dem Organträger zuzurechnenden Verlusts entsprechend den Ausführungen unter b). Auf der Ebene der Organgesellschaft kommt es selbst dann zu einem anteiligen Verlustuntergang, wenn der Organkreis im Ganzen weder über Verlustvorträge verfügt noch einen laufenden Verlust erleidet. Beispiel: Organträger und Organgesellschaft haben ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr. Der Organträger ist zu 100 % an der Organgesellschaft beteiligt. Laufender Verlust 03 der Organgesellschaft = 1.200.000 Euro. Das Gesamtergebnis des Organkreises ist deutlich positiv. Am 30.9.03 findet an der Organträger-Gesellschaft ein schädlicher Anteilserwerb i. H. v. 30 % statt. Da das Organeinkommen dem Organträger erst zum 31.12. und damit nach dem schädlichen Erwerb zugerechnet wird, liegt auf der Ebene des Organträgers ein Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG nicht vor. Die Veräußerung von 30 % der Anteile am Organträger stellt aber gleichzeitig einen mittelbaren schädlichen Anteilserwerb an der Organgesellschaft dar. Die Rechtsfolgen sind die gleichen wie in dem Beispiel unter b), d. h. es erfolgt auf der Ebene der Organgesellschaft eine Kürzung des Verlusts um 270.000 Euro. Dem Organträger ist nur noch das gekürzte negative Organeinkommen i. H. v. 930.000 Euro zuzurechnen. Ebenso ist, wenn vorhanden, ein vororganschaftlicher Verlustvortrag der Organgesellschaft entsprechend den Ausführungen unter b) zu kürzen76. d) Erwerb der gesamten Organbeteiligung im „Mitternachtsfall“ Wird eine 100 %ige Beteiligung an einer Organgesellschaft durch ein sog. Mitternachtsgeschäft zum Ende ihres Wjirtschaftsjahrs (= Kalenderjahr) veräußert, bedeutet das nach den sog. „Mitternachtsgrundsätzen“, dass – der bisherige Organträger die Beteiligung mit Wirkung zum 31.12., 24.00 Uhr veräußert hat, – der Erwerber die Beteiligung mit Wirkung zum 1.1. des Folgejahrs, 0.00 Uhr erworben hat.
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76 Wegen eines weiteren Falls s. Rödder/Möhlenbrock, Ubg 2008, 545 (605).
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Die Verlustzurechnung zum Organträger erfolgt ebenfalls zum 31. 12. Wenn man diese gedanklich als Vorgang vor der Beteiligungsveräußerung ansieht, ist in dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs an der Organgesellschaft bei dieser ein noch nicht abgezogener Verlust nicht mehr vorhanden. Er ist bereits dem Organträger zugerechnet worden, bei dem § 8c Abs. 1 KStG nicht greift, weil nicht am Organträger, sondern an der Organgesellschaft der Gesellschafter gewechselt hat. 9. Im Schrifttum diskutierte Vermeidungsstrategien Die Möglichkeiten, den in § 8c Abs. 1 KStG angeordneten Verlustuntergang durch entsprechende Gestaltungen zu vermeiden, sind gering. Im Schrifttum77 wird insbesondere die Betriebsausgliederung aus der VerlustKapitalgesellschaft in eine nachgelagerte Tochter-Personengesellschaft genannt, wobei es um den Erhalt eines vortragsfähigen Gewerbeverlusts geht78. Da die Verlust-Kapitalgesellschaft 100 % der Anteile an der Personengesellschaft hält, bleibt der vortragfähige gewerbesteuerliche Fehlbetrag erhalten. Ein späterer Gesellschafterwechsel auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ändert daran nichts. Der Gesetzgeber des JStG 2009 hat diese Gestaltung durch Anfügung eines Satzes 10 an den § 10a GewStG für Beteiligungserwerbe nach dem 28.11.2008 unterbunden. Durch das JStG 2009 wurde an § 10a S. 10 GewStG folgender Halbsatz angefügt: „dies gilt auch für den Fehlbetrag einer Mitunternehmerschaft, soweit dieser 1. einer Körperschaft unmittelbar oder 2. einer Mitunternehmerschaft, soweit an dieser eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt ist, zuzurechnen ist.“
M. E. trifft der neue Gesetzeswortlaut jegliche gewerbesteuerliche Fehlbeträge der einer Körperschaft i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG nachgelagerten Personengesellschaft. Nicht nur der Wechsel der Mitunternehmer der Personengesellschaft führt entsprechend der in R 68 Abs. 3 GewStR wiedergegebenen Grundsätze zum anteiligen Untergang der Fehlbeträge, sondern auch ein nach den Kriterien des § 8c Abs. 1 KStG schädlicher Beteiligungserwerb bei einer unmittelbar oder mittelbar an der Personengesellschaft beteiligten Körperschaft. Die Betriebsausgliederung aus der Verlust-Kapitalgesellschaft in eine nachgelagerte Tochter-Personengesellschaft mit anschließendem Neueintritt von Mitunternehmern in die nachgelagerte Personengesellschaft wird aber auch als Gestaltung zum Erhalt des körperschaftsteuerlichen Verlustabzugs vorgeschlagen79. Die Veräußerung der Mitunternehmeranteile löst nicht die Rechts-
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77 S. insb. Beußer, DB 2007, 1549 (1552); Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194 (1196); Lenz, Ubg 2008, 24 (28); van Lishaut, FR 2008, 789. 78 S. Behrendt/Arjes/Nogens, BB 2008, 367; van Lishaut, FR 2008, 789. 79 S. Beußer, DB 2007, 1549 (1552); Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194 (1196); Lenz, Ubg 2008, 24 (30); van Lishaut, FR 2008, 789 (790).
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folgen des § 8c Abs. 1 KStG aus. Die Verluste der Mutter-Kapitalgesellschaft können durch später von der nachgeordneten Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinne ausgeglichen werden. In diesem Kontext sind schließlich noch sog. Sale-and-lease-back-Gestaltungen zu nennen, weiter die Möglichkeiten im Vorfeld des schädlichen Beteiligungserwerbs die vom Untergang bedrohten Verluste durch Realisierung vorhandener stiller Reserven zu beseitigen bzw. zu verringern, z. B. durch eine vorgelagerte Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter an den späteren Anteilserwerber80, sowie die Verlagerung von Ertragspotential in die Verlust-Kapitalgesellschaft81. Ob der im Schrifttum82 vorgeschlagene Forderungsverzicht mit Besserungsschein ein Erfolg versprechender Weg zum Erhalt des Verlustabzugs ist, wird bezweifelt, wird doch die Finanzverwaltung voraussichtlich ihre zur Anwendung des früheren § 8 Abs. 4 KStG veröffentlichte restriktive Auffassung auch zur Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG aufrecht erhalten83. Die von Lenz84 vorgeschlagenen alternativen Finanzierungsformen (partiarische Darlehen, typisch stille Beteiligungen, Genussrechte, Wandelanleihen sind u. E. wegen der in § 8c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG enthaltenen Formulierung „vergleichbarer Sachverhalt“ problematisch. 10. Zusammenfassende Bewertung des § 8c Abs. 1 KStG Der neue § 8c Abs. 1 KStG bietet eine ganze Reihe von Angriffspunkten sowohl in grundsätzlicher Hinsicht als auch in Detailfragen. Die von Verbandsseite bereits während des Gesetzgebungsverfahrens sowie die nach Verkündung des Gesetzes und Veröffentlichung des BMF-Schreibens im Schrifttum geäußerte Kritik gipfelt in dem Vorwurf, der neue § 8c Abs. 1 KStG sei wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, gegen das objektive Nettoprinzip und gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig; auch sei es ein unzulässiger Durchgriff durch die eigenständige Rechtsperson einer Kapitalgesellschaft, wenn der Erhalt des Verlustabzugs auf Gesellschaftsebene ausschließlich von Verhältnissen auf der Gesellschafterebene abhängig gemacht werde. Zuzustimmen ist denjenigen Kritikern, die bemängeln, dass die Wirkungen der Neuregelung in einer Vielzahl von Einzelfällen nicht vorhersehbar und damit nicht kalkulierbar sind. Nach Auffassung von Korn85 offenbart spätestens die in § 14 Abs. 3 FMStG (s. Fn. 28) enthaltene Nichtanwendungsregelung die völlige Untauglichkeit des § 8c KStG. Der Gesetzgeber, so Korn, schützt damit die von seinen eigenen Staatsfonds zu erwerbenden Unterneh-
__________ 80 S. Kußmaul/Richter/Tcherveniachki, GmbHR 2008, 1009 (1012); weiter s. Thonemann, DB 2008, 2156 (2159). 81 S. Sistermann/Brinkmann, DStR 2008, 897 (902). 82 S. Pohl, DB 2008, 1531. 83 S. BMF, Schr. v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648. 84 Lenz, Ubg 2008, 24 (29). 85 Korn, DStR 2008, 2248.
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men vor dem Verlustuntergang und erlaubt sich damit selbst, was er bei allen übrigen Unternehmen als steuerschädlich, weil missbräuchlich, charakterisiert. Ich stimme der Einschätzung van Lishauts86 zu, der den durch das MoRaKG neu in den § 8c KStG eingefügten Abs. 2 als erste Absatzbewegung des Gesetzgebers von der strengen Linie und als Anzeichen dafür deutet, dass dem § 8c Abs. 1 KStG in der bestehenden Form kein allzu langes Dasein beschieden sein wird.
__________ 86 van Lishaut, FR 2008, 789.
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Die Zinsschranke in der Finanzmarktkrise Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Grundkonzeption der Zinsschranke 1. Grundregel 2. Ausnahmen a) Freigrenze b) Konzernklausel c) Escape-Klausel d) Rückausnahme für Kapitalgesellschaften 3. Zinsvortrag III. Bisherige Transaktionserfahrungen in der Finanzmarktkrise 1. Erhöhter Eigenkapitalanteil 2. Vendor Note 3. Vorbereitung von Rekapitalisierungen 4. Schwierigkeiten mit der EscapeKlausel a) Notwendigkeit des IFRS-Abschlusses
b) Risiko der schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung im Konzern c) Unklare Regelung IV. Finanzmarktkrise und Ausweichstrategien 1. Kaum Reaktionsmöglichkeiten in der Finanzmarktkrise 2. Organschaft 3. Umwandlungen ausländischer Tochtergesellschaften in Betriebsstätten 4. Verlagerung von Schulden auf ausländische Tochtergesellschaften V. Anpassung der Zinsschrankenregelung an das neue wirtschaftliche Umfeld
I. Einleitung In der aktuellen Krisensituation sind die Unternehmen gezwungen, ihre Finanzierungskonzepte den veränderten Bedingungen auf den Kapitalmärkten anzupassen. Dies betrifft zum einen bereits bestehende Finanzierungsformen wie langfristige Darlehen mit variablen Konditionen, die nun neu verhandelt werden müssen. Zum anderen sind die Unternehmen insofern von der Krise betroffen, als die Aufnahme neuer Kredite – wenn diese überhaupt gewährt werden – kaum zu günstigen Konditionen möglich ist. Die Finanzmarktkrise führt damit zu erheblich steigenden Finanzierungskosten. Mit der Unternehmensteuerreform 20081 hat er die Finanzierungsfreiheit der Unternehmer/Gesellschafter massiv eingeschränkt2. Die sog. Zinsschranke hat
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1 Zur Unternehmensteuerreform 2008 ausführlich: Schaumburg in Schaumburg/ Rödder, Unternehmensteurreform 2008, S. 339 ff. 2 Staatssekretär Nawrath rechtfertigte auf dem Steueranwaltstag 2006 das teilweise Zinsabzugsverbot damit, dass im Gegenzug die komplexe Regelung der Gesellschafterfremdfinanzierung in § 8a KStG a. F. vereinfacht wird (http://www.steuerrecht. org/aktuelles/steueranwaltstag-gelang-punktlandung-mit-themen-reits-sesteg.html).
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zur Folge, dass die den Zinsertrag übersteigenden Zinsaufwendungen nur noch bis zu 30 v. H. des um den Zinssaldo sowie die Abschreibungen erhöhten Gewinns abgezogen werden können. Die Implementierung geschah (noch) in Zeiten einer stabilen, zumindest in Europa fortgesetzten Hochkonjunkturphase. Warnende Stimmen hatten allerdings damals schon hervor gehoben, dass es sich bei der Zinsschranke um einen Akt des Steuergesetzgebers handelt, der systematisch finanzstarke Unternehmen bevorzugt und der in Krisenzeiten Unternehmen und Steuerpflichtige vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würde3. Gerade in Krisenzeiten sind die Unternehmen auf eine sichere Versorgung mit liquiden Mitteln angewiesen. Wenn die Mittel auf dem Kapitalmarkt nicht oder nur sehr teuer beschafft werden können, wird das operative Geschäft weiter geschwächt mit der Folge noch höherer Finanzierungskosten – ein Teufelskreis. Unternehmen sind deshalb darauf angewiesen, ihre Barreserven aufzubrauchen oder im schlimmsten Fall Vermögensgegenstände, die nicht unbedingt für das operative Geschäft benötigt werden, zu veräußern. Mit angemessenen Erlösen ist in dem schwierigen Marktumfeld jedoch kaum zu rechnen, so dass auch die Finanzierung über Eigenmittel letztlich kein adäquater Ersatz ist. Die Realität der Finanzmarktkrise hat mittlerweile den Steuergesetzgeber und die betroffenen Unternehmen ein- bzw. überholt4. Deshalb sind Gestaltungsmöglichkeiten als Reaktion auf die Zinsschranke in der allgemeinen Liquiditätskrise und der damit verbundenen Verknappung von Fremdkapitalmitteln für Transaktionen kaum noch zu erkennen. Deutlich zu Tage treten aber die substanzbesteuernden Effekte der Zinsschranke, die andere europäische Jurisdiktionen davor warnen sollten, sich die deutsche Regelung zum Vorbild zu nehmen5. Die im Umfeld der Finanzmarktkrise besonders belastenden Effekte der Zinsschranke lassen es geboten erscheinen, sie moderat an das veränderte wirtschaftliche Umfeld anzupassen. Die durch die Zinsschranke ausgelöste Substanzbesteuerung trifft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten viele Unternehmen, die bei der ursprünglichen Ausgestaltung ihrer Unternehmensfinanzierung nicht mit diesen Effekten rechnen konnten, da die Zinsschrankenregelung eben keine zeitlichen Anpassungs- bzw. Übergangsregeln vorsieht. Sie gilt für alle Betriebe, deren Steuerjahr dem Wirtschaftsjahr entspricht, ab dem Veranlagungszeitraum 2008 – unabhängig davon, ob die Verträge, die Rechts-
__________ 3 Zur Konjunkturanfälligkeit der Zinsschrankenregelung Blumenberg in Blumenberg/ Benz/Lechner, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 113; Eilers, FR 2007, 733 (735). 4 Eilers, Ubg 2008, 197 ff. 5 In Italien wurde zum 1.1.2008 eine der deutschen Zinsschranke vergleichbare Regelung eingeführt. Im Unterschied zur hiesigen Norm gibt es neben dem Vortrag von nicht abzugsfähigen Zinsen auch die Möglichkeit, eine eventuell nicht ausgeschöpfte Bemessungsgrundlage in das nächste Wirtschaftsjahr vorzutragen, Romani/Grabbe/ Imbrenda, IStR 2008, 210 (211).
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grundlage für die Zinszahlungen sind, vor dem Inkrafttreten der Zinsschranke abgeschlossen wurden, § 52 Abs. 12d EStG, § 34 Abs. 6a S. 3 KStG6. Die nachfolgenden Ausführungen fassen das Konzept der Zinsschranke überblicksartig zusammen (s. II.). In einem zweiten Schritt werden praktische Erfahrungen mit den Auswirkungen der Zinsschranke bei Transaktionen erörtert; gleichzeitig werden einige Hinweise für etablierte Strategien gegeben, die Zinsschranke gerade bei internationalen Transaktionen in ihren Auswirkungen abzumildern (s. III.). In einem dritten Schritt soll gezeigt werden, dass viele dieser Ausweichstrategien in dem jetzigen wirtschaftlichen Umfeld kaum noch zu realisieren sind (s. IV.) und abschließend werden Hinweise für die notwendige Anpassung der Zinsschrankenregelung an das jetzige wirtschaftliche Umfeld gegeben (s. V.).
II. Grundkonzeption der Zinsschranke Die im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 eingeführte Zinsschranke findet ihre Regelung in den § 4h EStG, § 8a KStG. Sie sieht eine jährliche Begrenzung des sog. Schuldzinsenüberhangs auf 30 % des um die Zinserträge und -aufwendungen sowie Abschreibungen bereinigten Gewinns vor, wenn nicht die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände gegeben sind7. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber als Missbrauchsbekämpfungsnorm, als Gegenfinanzierungsmaßnahme und als Anreizmaßnahme zur Bildung von Eigenkapital in inländischen Unternehmen begründet8. Es ist schon nach dem ersten Anwendungsjahr zweifelhaft, ob diese Ziele wirklich erreicht werden, vor allem weil mit der Finanzmarktkrise ganz neue Koordinaten für die Ausgestaltung von Unternehmensfinanzierung gesetzt sind, die steuerliche Gesichtspunkte überlagern. 1. Grundregel Nach der Grundregel des § 4h Abs. 1 EStG sind Nettozinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahres, d. h. der Überschuss der Zinsaufwendungen über die Zinserträge, nur bis zu 30 % des maßgeblichen Gewinns vor Zinsaufwendungen und Zinserträgen und regulären Abschreibungen (steuerliches EBITDA) abziehbar9. Nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind vorzutragen und erhöhen die Zinsaufwendungen (nicht jedoch den maßgeblichen Gewinn) der entspre-
__________ 6 Köhler, DStR 2007, 597 (604); Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144 (1149); Tz. 1 des BMF, Schr. v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 4742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 betr. Zinsschranke. 7 Zinsschrankenerlass BMF, BStBl. I 2008, 718, Tz. 55, 59, 69; Eilers/Rödding/ Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung C 600; Rödder/Stangl, DB 2007, 479. 8 BT-Drucks. 16/4841, 56. 9 Die Anwendungsschwierigkeiten der Zinsschranke beginnen bereits bei der Auslegung der Begriffe der Zinserträge und -aufwendungen. Zu den Begriffen vgl. Heuermann in Blümich, EStG, § 4h Rz. 36 ff.; Hoffmann in Littmann/Bitz/Meincke, ESt, § 4h Rz. 50 ff.
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chenden künftigen Wirtschaftsjahre, § 4h Abs. 1 S, 2, 3 EStG. Greift die Zinsschranke, so führt sie zu einer Doppelbelastung, da auf der einen Seite die empfangenen Zinserträge im Regelfall zu versteuern sind, während auf der anderen Seite der Zinsaufwand (jedenfalls teilweise) vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen ist. 2. Ausnahmen § 4h Abs. 2 EStG sieht drei Ausnahmen von der Zinsschranke vor. Die in § 4h Abs. 2 S. 1 lit b) und c) EStG genannten Ausnahmen finden bei Kapitalgesellschaften nur Anwendung, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 8a Abs. 2, 3 KStG erfüllt sind, mithin keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt. a) Freigrenze Zur Schonung kleinerer und mittlerer Betriebe nimmt § 4h Abs. 2 S. 1 lit. a) EStG Nettozinsaufwendungen von bis zu 1 Mio. Euro von der Zinsschranke aus. Bei – auch nur geringfügigem – Überschreiten der Grenze unterliegen die Zinsaufwendungen allerdings in vollem Umfang der Zinsabzugbeschränkung (kein Freibetrag, sondern Freigrenze)10. Die Freigrenze gilt aufgrund der Verweisung in § 8a Abs. 1 S. 1 KStG auch für Körperschaften. Bei einem unterstellten Zinssatz von 5 % bleiben Fremdfinanzierungen bis zu 20 Mio. Euro voll steuerwirksam. b) Konzernklausel Bei nicht oder nur anteilig konzerzugehörigen Betrieben greift die Zinsschranke gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b) EStG nicht ein. Abweichend vom Zivilrecht gilt für die Anwendung der Konzernklausel ein sog. erweiterter Konzernbegriff. Als konzernangehörig gelten danach nicht nur Betriebe, die entsprechend dem anzuwendenden Rechnungslegungsstandard tatsächlich konsolidiert werden, sondern auch solche Betriebe, die konsolidiert werden könnten. Es sind auch solche Betriebe konzernangehörig, deren Geschäfts- und Finanzpolitik durch einen anderen Betrieb einheitlich bestimmt werden kann. Die Zinsschranke greift folglich im größtmöglichen Konsolidierungskreis ein. Gemäß § 4h Abs. 2 S. 8 ff. EStG richtet sich die Konsolidierungsobliegenheit grundsätzlich nach IFRS. Subsidiär ist das deutsche Bilanzrecht, das eines EUStaates oder wiederum subsidiär die US-GAAP maßgeblich. c) Escape-Klausel Im Rahmen der Escape-Klausel kommt es gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c) EStG nicht zur Zinsabzugsbeschränkung, wenn die Eigenkapitalquote des inländi-
__________ 10 Hoffmann/Rüsch, DStR 2007, 2079; Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1331).
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schen Steuerpflichtigen nicht bzw. nur um einen Prozentpunkt schlechter ist als die Eigenkapitalquote des Konzerns. Die Eigenkapitalquoten des Betriebs und des Konzerns sind dabei aus den für den jeweiligen Betrieb und den Konzern aufzustellenden Jahresabschlüssen in dem anzuwendenden Vergleichrechnungslegungsstandard zu ermitteln. Aufgrund des erweiterten Konzernbegriffs und dem zugrunde zulegenden Betriebsbegriff ist es möglich, dass neben den bilanzrechtlich vorgeschriebenen Jahresabschlüssen zusätzliche, auf die für die Zinsschranke geltenden Begriffe angepasste Jahresabschlüsse erstellt werden müssen. Für den Eigenkapitalvergleich ist es erforderlich, auf Ebene der Gesellschaft, die die Konzernspitze bildet, die konsolidierte Eigenkapitalquote als Vergleichsgrundlage zu ermitteln. Konzernspitze ist gem. § 4h Abs. 3 EStG der Betrieb, auf dessen Ebene eine Konsolidierung nach IFRS stattfindet oder stattfinden könnte11. d) Rückausnahme für Kapitalgesellschaften Selbst wenn eine Kapitalgesellschaft nicht konzernangehörig ist oder die Bedingungen der Escape-Klausel erfüllt, kommt die Zinsschranke nur unter der weiteren Voraussetzung, dass keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt, nicht zur Anwendung. Nach § 8a Abs. 2, 3 KStG ist eine schädliche Fremdfinanzierung dann gegeben, wenn mehr als 10 % des Zinssaldos des Betriebes einem Anteilseigner zufließen, der zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist, einer diesem nahe stehenden Person, oder einem Dritten, der auf den Anteilseigner oder die nahe stehende Person zurückgreifen kann. Problematisch ist die weite Auslegung des Begriffs des Rückgriffs durch die Finanzverwaltung. Ein konkreter rechtlich durchsetzbarer Anspruch wie eine Garantie oder eine Patronatserklärung ist zur Erfüllung des Rückgriffstatbestandes nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Anteileigner oder eine ihm nahe stehende Person faktisch für die Erfüllung der Schuld einsteht. Ausdrücklich werden die in der Praxis üblichen Back-to-Back-Finanzierungen als Beispiel genannt12. Eine konzernangehörige Gesellschaft muss darüber hinaus nachweisen, dass außer ihr selbst keine andere (auch ausländische) konzernangehörige Gesellschaft eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung aufweist, § 8a Abs. 3 S. 1 KStG13.
__________ 11 Zinsschrankenerlass BMF, BStBl. I 2008, 718, Tz. 59; Lüdicke/Sistermann/Rödding, Unternehmensteuerrecht, § 13 Rz. 10. 12 Zinschrankenerlass BMF, BStBl. I 2008, 718, Tz. 83; kritisch zur Auffassung des BMF, die weit über die zivilrechtliche Auslegung des Begriffs des Rückgriffs hinausgeht Kreft/Schmitt-Homann, BB 2008, 2099 ff. 13 BMF, BStBl. I 2008, 718, Tz. 80; Rödder, DStR-Beihefter Heft 40, 10; Kreft/SchmittHomann, BB 2008, 2099 (2100); Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1333); Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144 (1150). Ein nachvollziehbarer Grund für die Einbeziehung sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften ist nicht ersichtlich, so auch Hey in Tipke/Lang19, Steuerrecht, § 11 Rz. 53.
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3. Zinsvortrag Zinsen, die die Abzugsgrenze von 30 % in einem Veranlagungszeitraum übersteigen, sollen nach der gesetzlichen Konzeption gem. § 4h Abs. 1 S. 2 EStG nur vorläufig nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Sie sind wie ein Verlustvortrag unbeschränkt auf die Folgejahre vorzutragen. Sie können in Veranlagungszeiträumen, in denen die 30 %-Grenze nicht ausgenutzt wird, verrechnet werden. Der Zinsvortrag ist gem. § 4h Abs. 4 S. 1 EStG gesondert festzustellen. Veränderungen in der Beteiligungsstruktur eines Betriebes können zum vollständigen oder teilweisen Untergang des Zinsvortrages führen, § 4h Abs. 5 EStG14. Bei Körperschaften folgt das Schicksal des Zinsvortrages dem des Verlustvortrages, da beide gleichermaßen unter den Voraussetzungen des neu gefassten § 8c KStG untergehen, § 8a Abs. 3 KStG15. Hinreichend für den vollständigen oder teilweisen Verlust des Zins- bzw. des Verlustvortrages ist allein eine unmittelbare oder mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes um mehr als 50 % bzw. 25 %, ohne dass es noch auf eine Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens wie in § 8 Abs. 4 KStG a. F. ankäme. Damit ist bei Umstrukturierungen neben dem Verlustvortrag immer auch der Zinsvortrag gefährdet16.
III. Bisherige Transaktionserfahrungen in der Finanzmarktkrise 1. Erhöhter Eigenkapitalanteil Die Zinsschranke ist in der wirtschaftlichen Transaktionsrealität durch die Finanzmarktkrise und die damit verbundene Verknappung von Fremdfinanzierungsmitteln für Akquisitionsfinanzierungen „überholt“ worden. Gestaltungen, die die Auswirkung der Zinsschranke mindern, lassen sich deshalb kaum realisieren. Die Steuerpflichtigen sind im Fall der Zinsschranke mit einer Situation konfrontiert, dass eine sehr rigide steuerrechtliche Regelung vorliegt und gleichzeitig der Markt den Gestaltungsspielraum ökonomisch sehr eingeschränkt hat. So sind beispielsweise die großen Private Equity Transaktionen im Jahre 2008 „unter“ der Zinsschranke zumeist mit relativ hohen Eigenkapitalanteilen der Finanzinvestoren gestaltet worden.
__________ 14 Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2320 f.); Lüdicke/Sistermann/Eilers/Ottermann, Unternehmensteuerrecht, § 8 Rz. 75. 15 Zu § 8c KStG n. F. Klemt, DB 2008, 2100; Rolf/Pankoke, BB 2008, 2274; Herbst/ Suchanek, GmbHR 2008, 862; Korn, DStR 2008, 2248 f. Inzwischen ist auch ein Anwendungsschreiben des BMF zum neuen § 8c KStG ergangen, BMF, Schr. v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2745–a/08/10001, BStBl. I 2008, 718. Zum Anwendungsschreiben van Lishaut, FR 2008, 789; Roser, DStR 2008, 1561; Dötsch/Pung, DB 2008, 1703; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 857; Fleischer, O., MittBayNot 2008, 456; Fischer/Wagner, BB 2008, 1872; Hahne/Köhler, DStR 2008, 1505; Hölzer/Nießner, FR 2008, 845. 16 Für eine teleologische Reduktion des § 8c KStG bei Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen Schick/Franz, DB 2008, 1987 (1989 f.).
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Akquisitionen wurden zu gleichen Teilen mit Fremd- und Eigenkapital finanziert17. Üblich war bis dato eine Fremdkapitalquote von mind. 75 %, da Eigenkapital ökonomisch gesehen die teuerste Art der Finanzierung ist und über eine hohe Fremdkapitalquote die Eigenkapitalrendite erhöht werden kann (Leverage-Effekt)18. Die vollständige Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen machte die fremdkapitalbasierte Finanzierung auch aus steuerlicher Sicht attraktiv19. 2. Vendor Note Ein weiteres Instrument in der Strukturierung von Transaktionen, das den notwendigen höheren Eigenkapital-Anteil berücksichtigt, ist die sog. Vendor Note oder ein Kaufpreisdarlehen (d. h. wirtschaftlich ein gestundeter Kaufpreis) des Veräußerers20. Der Verkäufer gewährt dem Akquisitionsunternehmen ein (verzinsliches) Darlehen in Höhe des gestundeten Kaufpreis. Die damit erzielte Erhöhung der Fremdkapitalquote kann man im Hinblick auf die Zinsschranke vorteilhaft einsetzen, wenn die Vendor Note nicht auf der Ebene der Akquisitionsgesellschaft angesiedelt wird, sondern auf einer höheren Ebene. Dadurch wird die für den Eigenkapitalvergleich im Rahmen der Escape-Klausel maßgebliche Fremdkapitalquote erhöht, was allen konzernangehörigen Unternehmen zugute kommt, da sie dadurch eine höhere Fremdkapitalquote aufweisen dürfen, ohne dass der Escape gefährdet wird21. Mit einer oberhalb der Akquisitionsgesellschaft angesiedelten Vendor Note ergeben sich aber neue strukturelle Schwierigkeiten hinsichtlich der notwendigen Absicherung des Verkäufers, dessen Anspruch auf den Restkaufpreis nur aus dem operativen Cashflow der Zielgesellschaft bedient werden kann. Deshalb muss insbesondere bezüglich der vorrangige Zugriff des Verkäufers auf den operativen Cashflow und die vorrangige Bedienung der Vendor Note vor Finanzierungsgläubigern und ggf. auch vor Ansprüchen von Managern aus Managementbeteiligungsprogramm bei der Akquisitionsgesellschaft gesichert werden. 3. Vorbereitung von Rekapitalisierungen Die Akquisitionsstrukturen sind gegenwärtig darauf ausgerichtet, dass es nach der erwarteten Erholung der Finanzmärkte wieder möglich sein wird, frische Mittel zur Akquisitionsfinanzierung zu erhalten, um durch Rekapitalisierungen (sog. Recaps)22 den Fremdfinanzierungsanteil zu erhöhen. Häufig werden
__________
17 Kauf von Xella durch PAI Partners und Goldman Sachs, FTD v. 3.7.2008; Einstieg von CVC Capital Partners bei Evonik, Meldung auf www.juve.de v. 4.6.2008. 18 Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144; Eilers/Rödding/Schmalenbach/Hasselbach/ Rödding, I Rz. 2 f. mit Rechenbeispiel. 19 Zur ertragsteuerlichen Verrechenbarkeit der Schuldzinsen mit den operativen Gewinnen des Zielgesellschaft Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 f. 20 Bei dem Verkauf von Xella an PAI Partners und Goldman Sachs gab Haniel ein Verkäuferdarlehen über gut 10 % des Kaufpreises, FTD v. 3.7.2008. 21 Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1334 f.); Scheunemann/Socher BB 2007, 1144 (1150). 22 Zu zivil- und gesellschaftsrechtlichen Fragen beim Recap von Rosenberg/Rüßman, DB 2006, 1303 ff.; zu steuerlichen Fragen Rödding/Eilers, DB 2005, 1591 ff.
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subordinierte Anleihen emittiert. Die neuen liquiden Mittel können dazu verwendet werden, den Investoren einen Teil des von ihnen eingesetzten Eigenkapitals zurückzuzahlen und damit wirtschaftlich gesehen einen teilweisen Ausstieg aus der Investition (Exit) zu vollziehen. Zivilrechtlich stehen mehrere Wege offen, um dieses Ziel zu erreichen, z. B. die Tilgung von Gesellschafterdarlehen oder die Ausschüttung aus freien Rücklagen23. Gegebenenfalls sind dafür strukturelle Vorkehrungen z. B. durch Zwischenschalten von möglichen darlehensnehmenden Gesellschaften in die Akquisitionsstrukturen zu schaffen. 4. Schwierigkeiten mit der Escape-Klausel Die Praxis hat sich unter den Zwängen der Finanzmarktkrise sicherlich nicht mit den Anforderungen der Zinsschranke abgefunden, aber Ausweggestaltungen ließen sich in diesem Markt nach unserer Erfahrung auch nicht implementieren. Schließlich scheitern solche Gestaltungen auch daran, dass insbesondere die Escape-Klausel in der Zinsschrankenregelung bewusst oder unbewusst so gestaltungsunsicher gefasst ist, dass man in Transaktionen nur in sehr wenigen Fällen sicher von ihrer Nicht-Anwendbarkeit ausgehen kann. a) Notwendigkeit des IFRS-Abschlusses Für die im Rahmen der Escape-Klausel erforderliche Ermittelung der Eigenkapitalquoten von Betrieb und Konzern wird gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c) S. 8 EStG auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) abgestellt. Andere Abschlüsse sind nach IFRS in Ausnahmefällen susidiär möglich. Soweit der Konzernabschluss nicht nach IFRS aufgestellt wird, ist ein solcher für Zwecke der Zinsschranke erforderlich, was vielfach eine doppelte Konzernrechnungslegung erfordert. Zudem entstehen Schwierigkeiten dadurch, dass Organschaften für die Zinsschranke als ein Betrieb gelten und insofern die Eigenkapitalquoten der Organschaft mit der der Konzernquote verglichen werden. Zu diesem Zweck muss oftmals ein eigener IFRS-Organschaftsabschluss erstellt werden, der in den Konsolidierungsprozessen der Unternehmen (und den IFRS) nicht vorgesehen ist24. Im Ergebnis müssen diejenigen Unternehmen, die die Escape-Klausel nutzen wollen, möglicherweise neue Konsolidierungsprozesse einrichten bzw. vorhandene an die neuen Anforderungen anpassen. Die Regelungen können zu einer doppelten Konzernrechnungsregelung für die Zwecke der Zinsschranke führen. b) Risiko der schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung im Konzern Besondere Vorsicht ist hinsichtlich der schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung im Konzern geboten, § 8a Abs. 3 S. 1 KStG. Selbst wenn im Konzern
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23 Dabei sind, falls es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine GmbH handelt, die Vorschriften zur Kapitalerhaltung gem. § 30 Abs. 1 GmbHG zu beachten, Rosenberg/Rüßmann, DB 2005, 1303 (1306 f.); Schulz/Israel, NZG 2005, 329. 24 Stibi/Thiele, BB 2008, 2507 (2510).
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Die Zinsschranke in der Finanzmarktkrise
weltweit nur eine einziger Rechtsträger eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung aufweist, führt diese „Gruppenhaftung“25 dazu, dass der Escape von keiner Konzerngesellschaft mehr in Anspruch genommen werden darf. Dazu reicht es aus, wenn auf irgendeiner nachgelagerten Konzernebene – beispielsweise durch einen dritten Joint Venture-Partner – eine (externe) Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt26. Der dadurch ausgelöste Dominoeffekt kann die gesamte Finanzierung einer Akquisition zu Fall bringen, wenn die durch die Zinsschranke ausgelösten Mehrsteuern bei der Planung nicht berücksichtigt wurden. Um das Risiko in der Praxis zu minimieren, müssten vor einer Transaktion neben der Zielgesellschaft alle anderen Konzerngesellschaften genau auf eine mögliche Gesellschafterfremdfinanzierung hin untersucht werden. c) Unklare Regelung Schließlich sind viele Regelungen in der gegenwärtigen Zinsschranke wiederum bewusst oder unbewusst so unklar und zum Teil durch den Zinsschrankenerlass27 so gesetzesverschärfend geregelt worden, dass man eigentlich in der Praxis von der 30 %igen EBITDA-Begrenzung ausgehen muss und auch „Finanzierungsmaßnahmen“ des Gesellschafters mit einem hohen Risiko behaftet sind. Klassisches Beispiel dafür ist die vom Gesetz her nicht erfasste, aber im Zinsschrankenerlass28 als schädlicher Rückgriff erfasste Anteilsverpfändung, einer an sich völlig normalen Sicherungsmaßnahme der betroffenen Banken29.
IV. Finanzmarktkrise und Ausweichstrategien Die Zinsschranke war schon vor der Finanzmarktkrise für die Unternehmen kaum zu handhaben. Die Regelung ist hochkompliziert und in vielen Bereichen – wenn überhaupt – nur nach intensivem Studium zu verstehen. Sie stellte die Unternehmen damit schon vor der Finanzmarktkrise vor große Schwierigkeiten. In bzw. nach der Finanzmarktkrise erschwert sich die Handhabbarkeit der Zinsschranke nochmals erheblich. Viele Unternehmen sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation zu zeitnahem Handeln gezwungen. Ihre Ertragsituation entwickelt sich nach unten, während gleichzeitig die Anforderungen an Kreditnehmer und auch die Finanzierungskosten als solche ungleich steigen. Der Entscheidungsspielraum der Unternehmen ist aufgrund dieses wirtschaft-
__________ 25 26 27 28 29
Rödder, DStR-Beihefter Heft 40, 10. Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1333). BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, s. o. Fn. 15. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Tz. 83. Vgl. BMF v. 15.7.2004, BStBl. I 2004, 593; v. 22.7.2005, BStBl. I 2005, 829 Tz. 1 (unschädlich); BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Tz. 83 (wieder schädlich); gegen diese weite Auslegung, die dem Sinn und Zweck der Rückgriffslegung widerspricht, vgl. Fischer/Wagner, BB 2008, 1872 (1878).
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lichen Umfeldes erheblich eingeschränkt. Die Unternehmen haben bei vielen zu treffenden Entscheidungen keine Wahl; ihre Reaktionen können sie damit mit der Zinsschrankenregelung kaum abstimmen. Die Zinsschranke hat damit in der Finanzkrise fatale Wirkungen: Sie bestraft die Unternehmen, die ohnehin bereits mit den sich verschlechternden Wirtschaftsbedingungen und höheren Fremdkapitalkosten zu kämpfen haben, zusätzlich. 1. Kaum Reaktionsmöglichkeiten in der Finanzmarktkrise Die bisherigen Erfahrungen in der Finanzmarktkrise haben gezeigt, dass auch Ausweichstrategien in der Unternehmensstrukturierung oder die gezielte Veränderung von Konzernstrukturen30 im Hinblick auf die Zinsschranke kaum noch funktionieren. Die Finanzierung internationaler Konzerne erfolgt in der Regel auf verschiedenen Ebenen und durch unterschiedliche Instrumente (structural subordination). Die Gesellschaften, die das operative Geschäft finanzieren, erfüllen oftmals hauptsächlich diese Finanzierungsfunktion, so dass ihr Eigenkapital zum größten Teil aus der Beteiligung an anderen Konzergesellschaften besteht. Im Rahmen der Escape-Klausel ist das Eigenkapital jedoch um die Buchwerte der Beteiligung an anderen Konzerngesellschaften zu kürzen (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. c) S. 5 EStG) mit der Folge, dass kaum Eigenkapital vorhanden ist. Der Escape ist dem Konzern damit unmöglich. Hinzu kommt in der Krise der mögliche Wertverlust der Beteiligung an anderen (nicht konzernangehörigen) krisengeschüttelten Gesellschaften, so dass noch mehr Gesellschaften von den Problemen fehlender Escape-Möglichkeiten betroffen sind; die faktische Unmöglichkeit der Escape-Möglichkeit entfaltet durch die Finanzmarktkrise noch weiterreichende Wirkungen. 2. Organschaft Durch die Vorschrift des § 15 S. 1 Nr. 3 KStG sind Zinsaufwendungen und Zinserträge aus der Überlassung von Fremdkapital innerhalb eines Organkreises für die Anwendung der Zinsschranke zu eliminieren31. Die Bildung einer Organschaft zur Finanzierung innerhalb des Organkreises ist indes durch die Auswirkungen der Finanzmarktkrise deutlich unattraktiver geworden. Der Organträger profitiert grundsätzlich nicht nur von den Gewinnen der Organgesellschaften, sondern muss gem. § 302 AktG (gilt analog für die GmbH) auch deren Verluste tragen. Die Gefahr, durch eine Organschaft mehr Verluste tragen zu müssen als Gewinne zu erhalten, ist durch die Folgen der Finanzmarktkrise von einer theoretischen zu einer erschreckend praktischen Gefahr geworden. Die Neubegründung von Organschaften sind bei einer verhandelten Finanzierungsstruktur im Übrigen kaum ohne Zustimmung der beteiligten Fremdkapitalgeber mehr durchzusetzen.
__________ 30 Eilers, Ubg 2008, 199 f. 31 Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, § 15 KStG, Rz. 8.
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3. Umwandlungen ausländischer Tochtergesellschaften in Betriebsstätten Eine vieldiskutierte Veränderungsstruktur war die Umwandlung ausländischer Tochtergesellschaften in Betriebsstätten zur Vermeidung der Buchwertkürzung bei der Anwendung der Zinsschranke, § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c) S. 4 EStG32. Hat man aber eine Finanzierungsstruktur verhandelt, so stoßen derartige Umwandlungsvorgänge u. U. nicht nur auf gesellschaftsrechtliche oder steuerrechtliche Hindernisse im Ausland, sondern auch auf explizite Genehmigungsvorbehalte (waiver) in den Finanzierungsdokumenten. Eine echte Gestaltungsalternative wird damit praktisch nicht eröffnet. 4. Verlagerung von Schulden auf ausländische Tochtergesellschaften Ebenfalls diskutiert wird, die Effekte der Zinsschranke dadurch zu erleichtern, dass man Schulden neu auf ausländische Tochtergesellschaften allokiert, soweit das ausländische Steuerrecht dies gestattet. Auch eine solche SchuldenNeuallokation bedarf der Zustimmung der betroffenen Banken. Da sich die Banken gerade in der heutigen Zeit wenig verhandlungs- und kompromissbereit zeigen, sind die Gestaltungsmöglichkeiten unter Ausnutzung ausländischer Tochtergesellschaften jedoch erheblich begrenzt.
V. Anpassung der Zinsschrankenregelung an das neue wirtschaftliche Umfeld Harald Schaumburg33 hat zu Recht kritisiert, dass das Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht aus fiskalischer Motivation heraus an vielen Stellen die verfassungsrechtlichen Vorgaben missachtet. Ein Paradebeispiel hierfür stellt die deutsche Zinsschrankenregelung dar, die sich kaum mit Art. 3 GG vereinbaren lässt34. Sie verstößt gegen das objektive Nettoprinzip, welches als Ausprägung der verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Berücksichtigung von betriebsbezogenen Aufwendungen fordert35. Bereits aus diesen verfassungsrechtlichen Erwägungen ist der Gesetzgeber zur Nachbesserung der Zinsschranke verpflichtet. Auch aus volkswirtschaftlichen Erwägungen kann der Gesetzgeber in der jetzigen Krisensituation bei der Zinsschranke nicht untätig bleiben. Hat schon
__________ 32 Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (484); Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1332 f.); Ganssauge/Mattern, DStR 2008, 267 (269); Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2007, 636 (638 f.). 33 Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (307). 34 Die Zinsschranke kann durch die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke nicht gerechtfertigt werden, vgl. hierzu Hey in Tipke/Lang19, Steuerrecht, § 11 Rz. 56. Der Verstoß des Abzugsverbotes gegen das objektive Nettoprinzip lässt sich nicht durch Missbrauchsvermeidungsziele rechtfertigen, da die Zinsschranke weit über solche Ziele hinausgeht. In den Fällen der Substanzbesteuerung lässt sich die Zinsschranke zudem nicht mit Art. 14 GG vereinbaren, so auch Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144 (1150). 35 Hierzu auch Lang in Tipke/Lang19, Steuerrecht, § 9 Rz. 54 f.
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vor der Finanzmarktkrise die Zinsschranke und insbesondere die Ausnahmeregelung der Escape-Klausel Anlass zu weitreichender Kritik gegeben, so ist insbesondere mit Blick auf die fatalen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Finanzierungssituation der Unternehmen eine Anpassung der Zinsschrankenregelung an das neue wirtschaftliche Umfeld dringend geboten. Eine trotz Zinsschranke erfolgreiche Unternehmensfinanzierung erfordert von den Unternehmen Beweglichkeit. Diese wird ihnen durch die Auswirkungen der Finanzmarktkrise genommen – es gilt sie (wieder-)herzustellen. Als notwendige und sinnvolle Änderung kommt dabei zunächst die Anhebung des abzugsfähigen Aufwands nach Berücksichtigung des Zinsertrages auf 50 % in Betracht. Die Begrenzung des abzugsfähigen Aufwandes würde durch eine zügig und einfach umzusetzende Änderung gelockert und erweitert. Mit diesem Schritt würden zwar kaum die negativen Auswirkungen der Zinsschranke auf die Unternehmensfinanzierung gebremst, es würden jedoch jedenfalls die Wirkungen der Finanzmarktkrise abgemildert. Zudem ist die Streichung von Regelungen anzuraten, die die Escape-Möglichkeiten unangemessen einschränken. Zu denken ist dabei insbesondere an die Beteiligungsbuchwertkürzung in § 4h EStG und § 8a Abs. 3 KStG. Diese hat zur Konsequenz, dass das Eigenkapital, über welches der inländische Organträger verfügt, den Beteiligungen zuzuordnen ist, die nicht dem Organkreis zugehörig sind. Bei umfangreicherem Beteiligungsbesitz kann die Beteiligungsbuchwertkürzung damit dazu führen, dass kein Eigenkapital verbleibt36. Die Escape-Klausel läuft in diesen Fällen ins Leere. Der milliardenschwere Finanzmarktstabilisierungsfonds zeigt, dass der Bund Rettungsaktionen für einzelne Unternehmen/Branchen verantwortet. Es sollte und muss daher auch Verantwortung übernommen werden für die Vielzahl von Unternehmen, die durch die verschärften Wirkungen der Zinsschranke in der Finanzmarktkrise doppelt betroffen sind. Die fiskalischen Auswirkungen solcher Nachbesserungsmaßnahmen erscheinen angesichts der Angaben im Gesetzgebungsverfahren der Zinsschranke überschaubar; sie sind auch gesetzgeberisch leicht umzusetzen.
__________ 36 Hierzu Welling, FR 2007, 735 (738). Vgl. zur Buchwertbeteiligungskürzung auch Ganssauge/Mattern, DStR 2008, 267 (269).
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Die optional transparente Besteuerung der GmbH, ein Ausweg aus der GmbH & Co. KG? Inhaltsübersicht I. Problem II. Dogmatischer und wirtschaftlicher Rahmen der Transparenz 1. Standort der GmbH im System der Rechtsträger 2. Besteuerung von Rechtsträgern 3. Rechtsformneutralität a) Materielle Inhalte der Rechtsformneutralität aa) Fiskalpolitische, volkswirtschaftliche Aspekte bb) Rechtliche Aspekte b) Personenbezogene Aspekte der Rechtsformneutralität 4. Belastungstechnische Besonderheiten der Rechtsträgerbesteuerung 5. Standort und Reichweite transparenter Besteuerung a) Grundsatz b) Wirtschaftliche und technische Grenzen der Transparenz aa) Notwendigkeit der Rechtsträgerbesteuerung bb) Zweckmäßigkeit der Rechtsträgerbesteuerung c) Wirtschaftliche Reichweite der Transparenz III. Allgemeine rechtstechnische Auslegung transparenter Besteuerung 1. Umfassende Transparenz a) Einstufiges Unternehmen b) Mehrstufiges Unternehmen 2. Verzicht auf Gewinn- und Vermögenszurechnungen nach § 15 EStG a) Gewerbesteuerliche Aspekte b) Gewinnrealisierung c) Veräußerungsgewinnbesteuerung 3. Einfache Transparenz
IV. Rechtstechnische Einzelheiten zur umfassenden Transparenz 1. Steuerpflichtigkeit und Zuordnung von Einkommen a) Thesaurierungsrücklage § 34a EStG b) Tarifierung steuerlich nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben c) Schachtelerträge d) Veräußerungsgewinn e) Anrechnung Gewerbesteuer f) Sonderbetriebsvermögen g) Betriebsaufspaltung 2. Der Wechsel zur Transparenz a) Gesellschaftsrechtlicher Zwang zur Optionalität b) Regelstatut c) Gewinnrücklage beim Wechsel zur Transparenz d) Verluste beim Wechsel zur Transparenz e) Begrenzungen des Optionsrechts 3. Der Wechsel zur Intransparenz a) Notwendigkeit einer steuerlichen Liquidation bei Rückoption b) Gewinnrücklagen bei Rückoption c) Verluste des Gesellschafters bei Rückoption V. Internationale Aspekte der transparenten GmbH 1. Umfassende Transparenz inländischer GmbH a) Quellensteuerermäßigung für inländischen Gesellschafter inländischer GmbH b) Ausländischer Gesellschafter inländischer GmbH aa) Besteuerung der laufenden Gewinne
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Ullrich Fechner/Hans Lethaus bb) Veräußerungsgewinn cc) Quellensteuer c) Rückoption zur Intransparenz 2. Ausländische GmbH 3. Einfache Transparenz
VI. Erbschaftsteuer 1. Grundsatz der intransparenten Betrachtung 2. Internationale Probleme VII. Zusammenfassung
I. Problem Die zunehmende Konkurrenz zu europäischen, GmbH-verwandten Gesellschaften hat die Bundesrepublik zu einer Modernisierung des GmbH-Rechts gezwungen1, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)2 einen ersten Abschluss gefunden hat. Neben der Absenkung des Mindestkapitals für die GmbH3 wird die Einführung neuer Rechtsformen erörtert wie der Basis-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BmbH)4, der Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung (KmbH)5, des Einzelkaufmanns mit beschränkter Haftung (EkmbH)6 und der Personengesellschaft mit beschränkter Haftung (PmbH)7. Auf europäischer Ebene wird außerdem für kleine und mittlere Unternehmen die Einführung einer Kapitalgesellschaftsform, der Euro-GmbH oder Europäischen Privatgesellschaft, diskutiert8. Das wirft die Frage auf, ob man die Gewinne der verschiedenen Gesellschaftstypen einer Rechtsträgerbesteuerung unterwirft, deren Steuerlast bei Ausschüttung und nachfolgender Einkommensbesteuerung des Gesellschafters als Vorbelastung berücksichtigt wird (Intransparenzprinzip)9, oder ob man die Gewinne der Rechtsträger ausschüttungsunabhängig ihren Gesellschaftern als Einkommen zurechnet (Transparenzprinzip). Die gleiche Frage wird derzeit zur transparent besteuerten GmbH & Co KG von der Steuerrechtswissenschaft10 gestellt. Sie ist Teil einer umfassenderen Forde-
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1 BDI Drucks. Nr. 375 Februar 2006; FAZ v. 29.10.2008. 2 BGBl. I 2008, 2026. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestKapG) BR Drucks. 619/05. 4 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GVGG), www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/gesetz gebung/gesetzgebungsvorhaben/gmbh_recht/inhalt_gesetzentwurf/gesetzentwurf.pdf. 5 T. Drygala, Für eine alternative Rechtsform neben einer reformierten GmbH, ZIP 2006, 1797. 6 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Kaufmanns mit beschränkter Haftung, Stand: 16.5.2007, www.justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/gesetzentwurf/. 7 Grüne Marktwirtschaft, Fraktionsbeschluss v. 3.7.2007, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion S. 19; www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/189/ 189583. gruene_marktwirtschaft.pdf. 8 Empfehlung des Europäischen Parlaments v. 29.11.2006 an die Kommission (2006/ 2013(INI)), ec.europa.eu/internal_market/company/epc/index_de.htm. 9 R. Seer, Entwicklung der GmbH-Besteuerung, Köln 2005, 10, 17. 10 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, Köln 19. Aufl. 2008, § 8 Rz. 89; J. Hey, Unternehmenssteuerreform: Die Integration von Personenunternehmen in die niedrige Besteuerung thesaurierter Gewinne, in FS für A. Raupach, Köln 2006, 479; G. MüllerGatermann, Die Unternehmenssteuerreform 2008, Stbg 2007, 145 (155 ff.).
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Die optional transparente Besteuerung der GmbH
rung nach Einbeziehung der Personenhandelsgesellschaften in die Rechtsträger- bzw. Körperschaftsbesteuerung, die von der Kommission „Steuergesetzbuch“ der Stiftung Marktwirtschaft in ihrem Steuerpolitischen Programm mit einer einheitlichen Unternehmenssteuer gestellt worden war11. Dieses Anliegen hat die Kommission in ihrem Entwurf eines Einkommensteuergesetzes im November 2008 noch einmal unterstrichen12. Diesen Forderungen steht allerdings die wirtschaftliche Entwicklung der GmbH & Co KG gegenüber. Ihre Anzahl ist nach der Umsatzsteuerstatistik13 bis zum Jahre 2005 auf 100.100 angestiegen und hat sich damit seit 1994 verdoppelt. In der gleichen Zeit sank die Zahl der reinen Kommanditgesellschaft um ein Drittel auf 21.10014. Das lässt einen großen Bedarf der Wirtschaft nach transparenter Besteuerung bei umfassender Haftungsbeschränkung erkennen15. Auch zur GmbH lässt sich ein solches Bedürfnis vermuten, wenn nur 8–9 % der GmbHs mehr als drei, 1–2,5 % mehr als sieben Gesellschafter haben und in 80 % der Gesellschaften alle Geschäftsführer zugleich Gesellschafter sind16. Das wirft zur Unternehmensbesteuerung die Frage auf, ob nicht der Weg einer Ausweitung der transparenten Besteuerung zumindest auf die GmbH eingeschlagen werden sollte. So könnte die verwaltungsaufwendige sowie rechtsund besteuerungstechnisch komplexe GmbH & Co KG weitestgehend entbehrlich werden. Vorrangig ist dabei allerdings zu beachten, dass die Zahl der GmbHs mit 453.00017 die Transparenz als alleiniges Besteuerungsstatut ausschließt, auch wenn ein Teil der GmbHs nur als Komplementär einer GmbH & Co KG dienen mag. Schon diese Vielzahl legt eine antragsabhängige Transparenz der Besteuerung nahe. Die Forderung nach einem transparenten Besteuerungsstatut der GmbH lässt sich nur in Verbindung mit folgenden Grundsätzen umsetzen: – Bei der Ausmessung der Rechtsformneutralität ist die Sicht des Steuerbürgers und nicht der Blickwinkel des Unternehmens vorrangig.
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11 Kommission „Steuergesetzbuch“ der Stiftung Marktwirtschaft, Steuerpolitisches Programm, Berlin, Januar 2006, 46 ff. 12 Kommission „Steuergesetzbuch“, Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, November 2008, 38. 13 S. Dittrich, Umsätze und ihre Besteuerung 2005, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2007, 980. 14 S. Dittrich, Umsätze und ihre Besteuerung 2005, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2007, 983. 15 Auch in den USA wurde versucht mit dieser Doppelgesellschaft die wirtschaftlich volle Haftungsbeschränkung mit transparenter Besteuerung zu verbinden. D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, Hamburg, 2007, 243; H. Zschiegner, Besteuerung einer US Limited Liability Company und ihrer Gesellschafter, 1997 IWB Fach 8 USA Gruppe 2, 895; A. Jörißen, Die USamerikanische Limited Liability Company (LLC) und ihre steuerrechtliche Einordnung für die Zwecke der deutschen Besteuerung, 2004 IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 2, 1109. 16 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh/Zöllner, Kurzkommentar GmbHG, 18. Aufl. München 2006, Vorb. § 35 Rz. 4. 17 S. Dittrich, Umsätze und ihre Besteuerung 2005, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2007, 983.
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– Die ideale Rechtsformneutralität ist nur über die transparente Besteuerung der Rechtsträger zu erreichen. – Die Wahl zwischen transparentem und intransparentem Besteuerungsstatut ist nicht nur der GmbH, sondern auch den Personengesellschaften zu gestatten.
II. Dogmatischer und wirtschaftlicher Rahmen der Transparenz 1. Standort der GmbH im System der Rechtsträger Die GmbH gehört als juristische Person zu der übergeordneten Gruppe der organisatorischen Rechtsträger. Diese Gruppe steht neben den Gemeinschaften ohne Rechtsträgerschaft wie der ehelichen Gütergemeinschaft, der Erbengemeinschaft18 und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts19. Die organisatorischen Rechtsträger unterteilen sich wiederum in Träger mit eingeschränkter Rechtsfähigkeit bzw. Teilrechtsfähigkeit wie die Wohnungseigentümergemeinschaft20 einerseits und anderseits die mit umfassender Rechtsfähigkeit ausgestatteten juristischen Personen, wie Verein, Genossenschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Aktiengesellschaft (AG), aber auch die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Zwischen diesen beiden Typen finden sich, ohne den Rang einer juristischen Person zu erreichen, die mit einer weitreichenden Rechtsfähigkeit ausgestatteten Gesellschaften des Handelsrechts, nämlich Offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG) und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)21. Die KG kennzeichnet die beschränkte Haftung eines Teils ihrer Gesellschafter, der Kommanditisten. Diese Beschränkung ist ein Element, das allen juristischen Personen hinsichtlich ihrer Gesellschafter oder Mitglieder innewohnt. Allerdings wird dieser Grundsatz wiederum von der KGaA durchbrochen, die trotz ihres Charakters als juristische Person neben den beschränkt haftenden Aktionären die Komplementäre als unbeschränkt haftende Gesellschafter ausweist. Sucht man nach einem inhaltlichen Kriterium für die Klassifizierung als juristische Person, so findet sich eigentlich nur die gesetzliche Vertretung22. Sie wechselt mit der Qualifizierung als juristische Person von den Gesellschaftern auf den Rechtsträger bzw. dessen Organe. Für die gesetzliche Handlungsfähigkeit des Rechtsträgers verliert ein Gesellschafterwechsel mit dieser Qualifizierung seine Bedeutung. Diese Zuordnung der gesetzlichen Vertretung vereinfacht
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18 BGH verneint Rechtsfähigkeit: BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389; v. 13.6.1995 – IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551 (2552); BFH, Urt. v. 29.11.1972 – II R 42/67, BStBl. II 1973, 372. 19 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056; v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315. 20 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05 http://www.bundesgerichtshof.de/. 21 EWIV-Ausführungsgesetz v. 14.4.1988 (BGBl. I 1988, 514), zuletzt geändert durch Art. 12 Abs. 9 des Gesetzes vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553). 22 In den USA wurde die Haftungsbegrenzung als Kriterium für die Körperschaftsbesteuerung auf dem Weg zur LLC verworfen. D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, 2007, 236.
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Die optional transparente Besteuerung der GmbH
den Wechsel der den Rechtsträger tragenden Personen, seien sie organisatorische Rechtsträger oder natürliche Personen. So wird für den Verein der Einund Austritt der Mitglieder ohne registerliche Eintragungen umsetzbar. Weiterhin werden die Gesellschaftsanteile der AG mit einer Fungibilität ausgestattet, welche die Anteile zu vertretbaren Sachen (§ 91 BGB) werden lässt und die ihnen und der AG die Börsenfähigkeit verleiht. 2. Besteuerung von Rechtsträgern Die Besteuerung von Rechtsträgern folgt grundsätzlich dem Zivilrecht. Diese Rechtsträgerbesteuerung deckt die Umsatzsteuer23, Gewerbesteuer, Grundsteuer und die Abzugssteuern ab. Bei der Besteuerung des Einkommens dagegen werden Rechtsträger überwiegend ausgeblendet und ihr Einkommen den Personen zugerechnet, die den Rechtsträger tragen. Der Rechtsträger wird gleichsam transparent behandelt. Für die juristischen Personen wird die transparente Besteuerung überwiegend aufgegeben und das Einkommen zunächst beim Rechtsträger besteuert. Diese Rechtsträgerbesteuerung wird allerdings an zahlreichen Stellen über komplexe Systeme wieder eingeschränkt oder aufgegeben, um Doppelbelastungen zu beseitigen oder zumindest zu mildern, welche insbesondere die Kapitalgesellschaft bzw. den Kapitalgesellschafter wirtschaftlich strangulieren würden24. Zu diesen Systemen gehört vorrangig die Berücksichtigung der Rechtsträgersteuer bei der Einkommensteuerbemessung des Gesellschafters. Technisch lässt sich diese Steuer berücksichtigen über eine Minderung des Einkommens beim Rechtsträger um den Betrag der Ausschüttung, über eine totale oder partielle Freistellung25 der Ausschüttungen des Rechtsträgers beim Gesellschafter oder aber durch eine Anrechnung der Rechtsträgersteuer auf die Einkommensteuer des Gesellschafters26, wie sie, wenn auch in europarechtlich nur unvollkommener Weise27, bis zur Einführung des Teileinkünfteverfahrens in Form des sog. Halbeinkünfteverfahrens ab 200128 praktiziert worden ist. Dazu gehört weiterhin die Schachtelermäßigung für Dividenden und Veräußerungsgewinne
__________ 23 Anwendungserlass zur AO 2008 (AEAO) v. 2.1.2008 (BStBl. I 2008, 26), geändert durch BMF, Schr. v. 21.4.2008, BStBl. I 2008, 582 und v. 17.7.2008, BStBl. I 2008, 694 Tz. 2.4. 24 Die USA schufen deshalb die LLC. D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, 2007, 233 (236). 25 Teileinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 EStG. 26 R. Seer, Entwicklung der GmbH-Besteuerung, 2005, 10 (17); J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 8. 27 Das Anrechnungsverfahren verwehrte dem inländischen Gesellschafter die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer und verstieß damit gegen das EU-Gebot der Neutralität des Kapitalverkehrs. Ergänzungsvorschläge wurden aus haushaltsmäßigen Gründen verworfen. Dennoch gewährte der Gesetzgeber beim Wechsel zum Teileinkünfteverfahren die wirtschaftlich dringend gebotene Anrechnung, indem er ausländische Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften von der Besteuerung teilweise freistellte. 28 Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) BT-Drucks. 14/2683 v. 15.2.2000.
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aus Gesellschaftsanteilen, die der Rechtsträgerbesteuerung unterliegen. Das System der Organschaft soll bei Aufteilung eines Unternehmens auf verschiedene, eigenständig besteuerte Rechtsträger über die Konsolidierung ihrer Einkommen und damit die Saldierung der positiven und negativen Ergebnisse die Aufspaltung des Einkommens auf die einzelnen Rechtsträger rückgängig machen, um über das synthetische Einkommen29 die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch für den die Rechtsträger tragenden Unternehmer abzusichern. Die KGaA folgt beiden Systemen, ist also hybrid. Ihr Komplementär wird transparent30, ihre Aktionäre werden intransparent besteuert. Hier zeigt sich eine juristische Person mit personenbezogener gesellschaftergebundener gesetzlicher Vertretung31, unbeschränkt haftenden Gesellschaftern und partiell intransparenter Besteuerung. Beim Rückblick in die Steuerrechtsgeschichte wird weiterhin die transparente Besteuerung der GmbH durch die preußische Gemeindeeinkommensteuer32 sichtbar33. Zur Erbschaftsteuer wird die Rechtsträgerbesteuerung für die Gesamthandsgemeinschaften verneint, nachdem sie zunächst bejaht worden war34. Der BFH gibt sie jedoch für die Kapitalgesellschaft vor35. Er blendet damit die Milderungsregelung für den mehrfachen Erwerb in § 27 ErbStG aus. Im Ergebnis führt diese intransparente Besteuerung bei kurzfristigen mehrfachen Erbfolgen zu einer fehlerhaften, prohibitiven Erbschaftsteuerbelastung. Der Blick auf ausländische Steuersysteme zeigt, dass die Abgrenzungen zwischen transparentem und intransparentem Besteuerungsstatut häufig differieren. So besteuern die USA seit 1977 die Limited Liabitiliy Company (LLC), einen mit der GmbH nahezu identischen Rechtsträger, auf Antrag transparent36. Als Vorläufer hat die LLC die S-Corporation37 und seit Ende des 19. Jahrhunderts die Limited Partnership Association38, die sich durch Beschränkungen zum Gesellschafterkreis von der LLC unterschieden. Das italie-
__________ 29 30 31 32 33
34 35 36 37 38
J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 9 Rz. 1. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG; BFH v. 21.6.1989 – X R 14/88, BStBl. II 1989, 881. § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Kommunalabgabengesetz vom 14.7.1893, Gesetzessammlung für die Königlich Preußischen Staaten, 1893, 152. Die CSU hatte sich in ihrem steuerpolitischen Programm zur Bundestagswahl 2005 für eine Option der GmbH ausgesprochen. K. Faltlhauser, Bayer. Staatsminister der Finanzen, „Konzept 21 – Steuerreform –“, 61, Tz. 1.3.3.; ebenso die FDP im Mai 2008 in Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der direkten Steuern, BTDrucks. 16/679 v. 15.2.2006, http://59.parteitag. fdp.de/files/197/BPT-Nettokonzept. pdf. S. 9. BFH v. 14.9.1994 – I R 95/92, BStBl. II 1995, 81 unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht aus BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237. BFH v. 17.4.1996 – II R 16/93 BStBl. II 1996, 454. D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, 2007, 81 (153); A. Jörißen, 2004, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 2, 1109. F. Hey, Gesellschafts- und steuerrechtlich Aspekte der Limited Liability Company, RIW 1992, 917. D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, 2007, 36.
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Die optional transparente Besteuerung der GmbH
nische Recht besteuert ab 2005 die GmbH auf Antrag transparent39. Zur Europäischen Union sieht die Arbeitsgruppe „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (AG GKKB)“ auch eine transparente „Rechtsträgerbesteuerung“ vor40. Griechenland hat die transparente Besteuerung der GmbH 1992 aufgegeben und ab diesem Zeitpunkt auch die Personenhandelsgesellschaften der Rechtsträgerbesteuerung unterworfen41. Auch zahlreiche andere Steuerjurisdiktionen unterwerfen die Personenhandelsgesellschaften gänzlich oder auch nur hinsichtlich ihrer beschränkt haftenden Gesellschafter der Rechtsträgerbesteuerung42. So kann es nicht verwundern, dass zum deutschen Steuerrecht unter Hinweis auf die Rechtsformneutralität sowie die Rechtsträgerbesteuerung von GmbH und AG einerseits und die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung andererseits gefordert wird, zumindest die Personengesellschaften des Handelsrechts in die Rechtsträgerbesteuerung einzubeziehen43. Weiter reichen die Vorstellungen von Kirchhof, der auch die Gesellschaften Bürgerlichen Rechts der Rechtsträgerbesteuerung unterwerfen will44. Als Zwischenergebnis zeigt sich, dass weder zur GmbH noch zu den Personengesellschaften allein aus der Rechtsform zwingende Gründe für eines der beiden Besteuerungsstatute erwachsen. Aus der Rechtsform der GmbH lässt sich also die Notwendigkeit einer Rechtsträger- und Körperschaftsbesteuerung nicht ableiten. Eine transparente Besteuerung der GmbH wäre weder ungewöhnlich noch neu.
__________ 39 Mayr/Frei, Transparente Besteuerung von italienischen Kapitalgesellschaften, 2004 IWB Fach 5 Italien Gruppe 2, 547. 40 Mitteilung der Kommission an den Rat, das europäische Parlament u. a.: Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse, Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU v. 23.10.2001 KOM(2001) 582; Arbeitspapier über „GKKB: mögliche Elemente der technischen Ausgestaltung“ (CCCTB/WP/057 Anhang v. 26.7.2007) S. 25 Tz. 81. 41 D. Kischel, Übersicht über die direkten Steuern Griechenlands, 1999 IWB Fach 5 Griechenland Gruppe 2, 427; BMF, Schr. v. 16.12.1993 – IV C 5 - S 1301 Gri - 18/93, BStBl. I 1994, 3. 42 Erle/Sauter, KStG 2. Aufl. 2006, § 1 Rz. 77. 43 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 87; J. Hey, Unternehmenssteuerreform: Die Integration von Personenunternehmen in die niedrige Besteuerung thesaurierter Gewinne in FS für A. Raupach, Köln 2006, 479; G. Müller-Gatermann, Stbg 2007, 145 (155 ff.); Kommission „Steuergesetzbuch“ der Stiftung Marktwirtschaft, Steuerpolitisches Programm, Berlin, Januar 2006, 46 ff., Entwurf eines Einkommensteuergesetzbuches, November 2008, 38. 44 P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Schriftenreihe des Instituts für Finanz- und Steuerrecht, Bd. 2, 2003, 198. Maßgebend sind für ihn allerdings nur erhebungstechnische Gründe im System eines proportionalen Steuersatzes von 25 %, Grundgedanken S. VI.
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3. Rechtsformneutralität Wenn die deutsche Steuerrechtswissenschaft unter Hinweis auf die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung die Einbeziehung der Personenhandelsgesellschaft in die intransparente Besteuerung fordert, so müssen Erwägungen zu einer transparenten Besteuerung der GmbH diesen Aspekt einbeziehen. Dabei ist zwischen den materiellen und den personenbezogenen Aspekten der Rechtsformneutralität zu unterscheiden. a) Materielle Inhalte der Rechtsformneutralität Die materiellen Inhalte sind fiskalpolitischer und rechtlicher Art. aa) Fiskalpolitische, volkswirtschaftliche Aspekte Fiskalpolitisch beansprucht der Staat mit der Steuer einen Teil des Gewinnes oder des wirtschaftlichen Erfolges seines Steuerbürgers. Ein solches System sollte schon aus volkswirtschaftlicher Sicht tunlichst alles vermeiden, was den Bürger zur Reduzierung seiner Belastung kostenaufwendige Organisationsformen wählen lässt, weil die Minderung der Steuerlast oder auch nur einer drohenden Last die Organisationskosten aus der umständlichen Rechtsform übersteigt. Das gilt unabhängig von der Art der Einkünfte, also keinesfalls nur für unternehmerische Einkünfte. Typisches Beispiel ist die Ersetzung der GmbH durch die GmbH & Co KG, einer weitaus komplexeren und kostenaufwendigeren Gesellschaftsform. Sie erhält dem Staatsbürger eben jene Einkommenskonsolidierung zwischen unternehmerischen Einkünften einerseits und den Einkünften aus seiner außerhalb des Unternehmens angesiedelten, häufig der Altersversorgung dienenden Aktivitäten andererseits, die ihm als Einzelkaufmann gewährt wird. Es geht also um weit mehr als die volkswirtschaftlich belastenden Kosten einer wuchernden permanenten Steuerplanung in einem unübersichtlichen Steuersystem45. bb) Rechtliche Aspekte Rechtlich ergibt sich die Frage, inwieweit der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 und die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG eine unterschiedliche Belastung von Rechtsträgern zulassen. Diese Frage wird hier zugunsten der ökonomisch volkswirtschaftlichen Betrachtung ausgeblendet, weil eine Antwort den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. b) Personenbezogene Aspekte der Rechtsformneutralität Zu den personenbezogenen Aspekten der Rechtsformneutralität finden sich zwei Blickwinkel, nämlich der Vergleich zwischen Kapitalgesellschaft und
__________ 45 F. Wagner, Was bedeutet und wozu dient die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, 101.
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Personengesellschaft einerseits und der Vergleich von Kapitalgesellschafter und Personenunternehmer andererseits. Der erste Vergleich stellt die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung in den Vordergrund46. Hier muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass eine Unternehmenssteuer technisch schon deshalb ausgeschlossen ist, weil ein Unternehmen zwar durch ein oder mehrere Rechtsträger unterlegt sein, niemals aber ein Rechtsträger sein kann, von dem man Steuern eintreiben könnte47. Eine Unternehmenssteuer kann deshalb nur die eigenständige besondere Besteuerung unternehmerischer Einkünfte erreichen. Die Unternehmenssteuer kann deshalb nur eine weitere, zusätzliche Schedule sein48, die ebenso wie die rechtsformneutrale Abgeltungsteuer die unternehmerischen Einkünfte rechtsformneutral einem einheitlichen System unterwirft49. Mit einer solchen weiteren Fragmentierung des Einkommens geht allerdings die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit50 der Bemessungsgrundlage nahezu vollständig verloren. Die Einkommenskonsolidierung, also ein Element des synthetischen Einkommens51, zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkünften wird ausgeschlossen und kann sogar darüber hinaus entfallen, wenn ein Steuerbürger mehrere organisatorisch eigenständige Unternehmen nebeneinander betreibt. Die Belastungen aus dieser Lösung treffen vorwiegend den Mittelstand, der sich zunehmend in der GmbH & Co KG organisiert, weil diese Rechtsform ihm gestattet, die Einkommenskonsolidierung fortzuführen, die das Steuerrecht ihm als Einzelkaufmann unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit gewährt. Der zweite Vergleich zur Rechtsformneutralität geht über die Unternehmenssphäre hinaus und erhebt die Belastung des steuerpflichtigen Bürgers zum Maßstab einer Neutralität. Auch Hey52 übernimmt letztlich die Belastung des Steuerbürgers als Maßstab, wenn sie ausführt, „Das Ausmaß der rechtsformabhängigen Belastungsunterschiede wird erst deutlich, wenn sowohl die Ebene des Unternehmens als auch die Ebene des Unternehmers betrachtet werden“. Ersetzt man den Begriff des „Unternehmers“ durch den überdeckenden Begriff „natürliche Person“, dann
__________ 46 J. Hey, Die Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24, (2001) 155, 166, 180 ff.; BDI/VCI, Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, Fakten für die politische Diskussion 2008, 2008, 23; F. Wagner, StuW 2006, 101, bezeichnet die Forderung nach dieser Rechtsformneutralität als das bekannteste und unklarste Neutralitätspostulat. 47 Das hat zur Gewerbesteuer die Aufgabe der Unternehmenseinheit erzwungen BFH v. 21.2.1980 – I R 95/76, BStBl. II 1980 465. 48 So konsequent J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 9 Rz. 84. 49 Ablehnend P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Schriftenreihe des Instituts für Finanz- und Steuerrecht, Bd. 2, 2003, 195. 50 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Tz. 82, Fn. 78 unter Verweisung auf K. Tipke. 51 Kritisch zur Einschränkung dieses Grundsatzes J. Lang, Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 9 Rz. 1. 52 J. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 18 Rz. 530.
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wird zur Rechtsformneutralität der Blickwinkel des Steuerbürgers auf die Unternehmen zum Ausgangspunkt und zentralen Maßstab. Aus diesem Blickwinkel sind Fortschritte zur Rechtsformneutralität leichter zu finden, weil das Ziel erheblich einfacher zu beschreiben ist. Maßgebend für die Rechtsformneutralität zur Einkommensbesteuerung wird nämlich vorrangig, auf welchem rechtlich organisatorischen Weg dem Steuerbürger der größere Teil seiner Gewinne bzw. Einkünfte aus seinen Unternehmen oder seinen anderen Aktivitäten belassen wird. Ein solcher Blickwinkel vermittelt ohne die Unternehmenssphäre zu berühren sofort und eindeutig, dass die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Bewertung von GmbH und Einzelunternehmen ebenfalls die Rechtsformneutralität beschädigt. Auch die oben erwähnte unterschiedliche Behandlung der erbschaftsteuerlichen Subjektsfähigkeit von Personen- und Kapitalgesellschaft unterstreicht, dass Rechtsformneutralität vorrangig aus der Sicht des Steuerbürgers auszumessen ist. Die Maßgeblichkeit der Belastung des Steuerbürgers für die Einschätzung der Rechtsformneutralität wird schließlich durch die nunmehr seit dreißig Jahren andauernden, zentralen, äußerst wechselhaften Bemühungen des Gesetzgebers unterstrichen, zur Körperschaftsbesteuerung eine effiziente Berücksichtigung der Rechtsträgersteuer als Vorbelastung bei der Einkommensteuerbemessung des Gesellschafters zu erreichen, weil nur so die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für den Gesellschafter eine wirtschaftlich sinnvolle Einrichtung bleibt53. Zur Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung folgt daraus: Die unterschiedliche Belastung unterschiedlich organisierter Rechtsträger verletzt die Rechtsformneutralität und damit möglicherweise auch das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG nur dann, wenn die unterschiedliche Steuerbelastung der Rechtsträger bei der Steuerbelastung der sie tragenden natürlichen Person zu einer Ungleichheit führt. 4. Belastungstechnische Besonderheiten der Rechtsträgerbesteuerung Kennzeichen der Rechtsträgerbesteuerung ist der weitgehende Verzicht auf eine personen- und periodengerechte Zuordnung von Gewinn und Einkommen. Gewinn und Einkommen werden zwar beim Rechtsträger zunächst periodengerecht erfasst. Die periodengerechte weitere Zuordnung des Einkommens geht allerdings regelmäßig verloren, weil für den Gesellschafter vom Zeitpunkt der Erwirtschaftung des Einkommens auf den Zeitpunkt der Ausschüttung des Rechtsträgers gewechselt wird. Damit entfällt zugleich die personengerechte Zuordnung des Einkommens, denn einem Gesellschafter wird der Gewinn bzw. das Einkommen auch vergangener Jahre zugerechnet, sofern er nur am Tage der Ausschüttung Gesellschafter ist. Es liegt auf der Hand, dass ein solches ausschüttungsorientiertes System die Zuordnung von Verlusten des Rechtsträgers zum Gesellschafter schon technisch ausschließt. Die Kör-
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53 So schon Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Heft 17, IV KStG Rz. 15.
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perschaftsbesteuerung fördert also einerseits die mit der Qualität der juristischen Person verliehene Fungibilität der Gesellschaftsanteile; sie muss anderseits im Interesse dieser Fungibilität allerdings erhebliche Abstriche zur Zielgenauigkeit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit hinnehmen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche, auf eine kapitalistische Gewinnverteilung ausgerichtete Besteuerung personalistische Kriterien, wie z. B. einen Vorabgewinn für eine Geschäftsführertätigkeit, eine vorrangige Verzinsung oder eine Vorabgewinnminderung für eine negatives Kapitalkonto nur schwer integrieren kann. Die disquotale, vom Verhältnis der Kapitalanteile abweichende Gewinnverteilung ist besteuerungstechnisch bei positivem Ergebnis gerade noch zu bewältigen. Die steuerliche Behandlung der inkongruenten Gewinnverteilung, also die Aufteilung des Ergebnisses des Rechtsträgers auf seine Gesellschafter in Anteile mit unterschiedlichem Vorzeichen, vermag die kapitalistisch ausgelegte Körperschaftsbesteuerung jedoch nicht mehr umzusetzen. Darüber hinaus steht die Körperschaftsteuer vor schwierigen technischen Abgrenzungsproblemen. Bei den Dividenden ist zum Umfang der Ermäßigung inhaltlich immer streitig, in wieweit die Steuerfreiheit der Dividenden die steuerliche Abzugsfähigkeit der mit ihnen verbundenen Betriebsausgaben ausschließen muss54. Zur Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne steht man zur Reichweite vor der schwierigen Frage, welche Teile eines Veräußerungsgewinns auf bereits realisierte und deshalb versteuerte Reserven entfallen, deren Doppelbelastung zu vermeiden ist, und welcher Teil des Gewinns auf die noch nicht versteuerten stillen Reserven entfällt, mit deren künftiger Versteuerung der Rechtsträger nur rechnen muss. 5. Standort und Reichweite transparenter Besteuerung a) Grundsatz Wenn nicht der Vergleich der verschiedenen Rechtsträger, sondern die Belastung des steuerpflichtigen Staatsbürgers der Ausgangspunkt für eine Bewertung der Rechtsformneutralität sein muss, dann stellt die transparente Besteuerung eines Rechtsträgers die höchste Form der Rechtsformneutralität dar. Jedweder Rechtsträger wird für die Einkommensbesteuerung ausgeblendet. Es ist für den Unternehmer und Steuerbürger unerheblich, welcher Rechtsform er sich für seine Unternehmung bedient und wie er seine Unternehmung horizontal oder vertikal auf Rechtsträger einheitlicher oder unterschiedlicher Ausgestaltung gliedert. Die transparente Besteuerung eines Rechtsträgers ist damit dessen idealtypisches Besteuerungsstatut. Ob sie über einen Einkommenstransfer (einfache Transparenz) oder das vollständige Ausblenden des Rechtsträgers (umfassende Transparenz) umgesetzt wird, ist ein besteuerungstechnisches Detailproblem. Die Rechtsformneutralität wird erst dann eingeschränkt, wenn die unterschiedliche Besteuerung der Rechtsträger zu einer unterschiedlichen wirt-
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54 § 8b Abs. 3, 5 KStG.
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schaftlichen Belastung der ihn tragenden Personen führt. Die über den niedrigen Körperschaftsteuersatz dem Kapitalgesellschafter gewährte Steuerstundung verletzt im Vergleich zum Personenunternehmer die Rechtsformneutralität. Ebenso beeinträchtigt die generelle Rechtsträgerbesteuerung einer personalistisch geprägten GmbH die Rechtsformneutralität, wenn sie dem Gesellschafter die Einkommenskonsolidierung seiner negativen betrieblichen Einkünfte aus dem Rechtsträger mit den positiven außerbetrieblichen Einkünften versagt. b) Wirtschaftliche und technische Grenzen der Transparenz aa) Notwendigkeit der Rechtsträgerbesteuerung Die Grenzen der Transparenz werden allerdings dann deutlich, wenn man die börsennotierte AG betrachtet. Sie ist mit ihrem Statut als juristische Person und der optionalen Ausgestaltung der Aktie als Inhaberpapier55 auf einen formlosen, schnellen Gesellschafterwechsel ausgelegt. Dabei bleiben der Gesellschaft die Identität des Gesellschafters und der Zeitpunkt seines Wechsels regelmäßig unbekannt. Eine Besteuerung der Gesellschaftergewinne einer solchen rein kapitalistisch ausgerichteten AG ist nur über eine Rechtsträgerbesteuerung zu erreichen. bb) Zweckmäßigkeit der Rechtsträgerbesteuerung Die Rechtsträgerbesteuerung mag über diesen notwendigen Bereich hinaus verfahrenstechnisch und wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein, wenn die tragenden Personen zwar identifizierbar sind, aber häufig wechseln und deshalb die periodengerechte Gewinnabgrenzung nicht mehr oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen ist. Das gilt z. B. für Vereine mit vielen Mitgliedern oder häufigem Mitgliederwechsel. Die Rechtsträgerbesteuerung kann weiterhin zweckmäßig sein, wenn eine GmbH nach der Konzeption ihrer Geschäfte nicht mehr personalistisch, sondern kapitalistisch ausgelegt ist. Auch bei Personengesellschaften kann die Rechtsträgerbesteuerung hilfreich sein, wenn die Zahl der Gesellschafter eine Größenordnung erreicht, die schon auf Grund des permanenten Generationenwechsels eine periodengerechte Gewinnabgrenzung aufwendig werden lässt. Ebenso kann sie bei international tätigen Sozietäten von z. B. Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern sinnvoll sein, wenn sie den einzelnen Partner davor bewahrt, in seiner persönlichen Einkommensteuererklärung anteilige Betriebstättengewinne ausweisen zu müssen, aus jedem einzelnen Land, in dem die Sozietät tätig ist. In diesen Fällen sollten die Gesellschafter bzw. Mitglieder entscheiden, ob sie dem zielgenauen System transparenter Besteuerung folgen wollen oder das pauschalierende Verfahren einer Rechtsträger- bzw. Körperschaftsteuer vorzie-
__________ 55 § 23 Abs. 2 Nr. 5 AktG.
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hen. Dabei wird ein grenzüberschreitend tätiges, mehreren Steuerjurisdiktionen unterliegendes Unternehmen andere Vorstellungen haben als ein Unternehmen, das nur von einem einzigen Steuersystem betroffen ist. Ob man dieses Wahlrecht durch Quotenunter- oder Quotenobergrenzen einschränkt, ist ein Detailproblem56. In jedem Fall erweist sich das Nebeneinander von Transparenz und Intransparenz auch zu den einzelnen Rechtsträgerformen als zweckmäßiger Beitrag zu einer möglichst verwaltungsökonomischen, zielgenauen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit57. Der Blick auf die Personengesellschaft bestätigt die Zweckmäßigkeit einer solchen Abgrenzung, die sich sinngemäß auch in § 3 KStG findet. Diese Norm gibt u. a. die Steuerpflicht sogar für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen vor, wenn ihr Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz nicht unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist. Die kapitalistisch ausgerichtete Personengesellschaft sollte deshalb zur Rechtsträgerbesteuerung optieren dürfen. Weiterhin zeigt sich, dass der Dualismus zu Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung eigentlich gar nicht vorhanden ist58, weil die beiden Systeme, nämlich die kapitalistisch ausgerichtete Körperschaftsbesteuerung und die personalistisch ausgerichtete transparente Einkommensbesteuerung nicht ein und dasselbe, sondern völlig unterschiedliche Probleme lösen. Insgesamt wird deutlich, dass zur Rechtsträgerbesteuerung der Totempfahl der Rechtsform aufgegeben werden und die Entscheidung über eine Rechtsträgerbesteuerung nach der Unternehmenskonzeption und der Gesellschafterstruktur, also nach wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Kriterien ausgerichtet werden sollte. Das erspart dem Steuerbürger ein leistungshemmendes steuerrechtliches Prokrustesbett59. Mit Recht fordert deshalb Kirchhof60 ganz im Gegensatz zu Lang61 die Integration der Körperschaftsteuer in die Einkommensteuer.
__________ 56 Italien begrenzt die Option zur transparenten Besteuerung der Kapitalgesellschaften durch Unter- und Obergrenzen der Beteiligungsquote. Mayer/Frei, Transparente Besteuerung von italienischen Kapitalgesellschaften, 2004 IWB Fach 5 Italien Gruppe 2, 547, ähnlich USA zur LLC D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability Company, 2007, 81, 239. 57 A. A. J. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, Rz. 539, allerdings nur, weil sie J. Lang (a. a. O. § 8 Rz. 84) folgend, die Schedulisierung der unternehmerischen Einkünfte favorisiert. 58 A. A. J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Tz. 86. 59 Prokrustes (griechische Mythologie) war Riese, attischer Räuber und Sohn des Poseidon. Er wurde von Theseus auf dessen Wanderung nach Athen als letzter der Bösewichte erschlagen. Prokrustes bot Reisenden ein Bett an. War der Wanderer groß, gab er ihm ein kleines Bett und hackte ihm die Füße ab, damit er hineinpasste. War er eher klein, gab er ihm ein großes Bett, zog ihn in die Länge und reckte ihm die Glieder auseinander, indem er sie auf einem Amboss streckte. 60 P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Schriftenreihe des Instituts für Finanz- und Steuerrecht, Bd. 2, 2003, 31. 61 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 86.
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c) Wirtschaftliche Reichweite der Transparenz Die wirtschaftliche Bedeutung der beiden Besteuerungsstatute lässt sich anhand der Umsatzsteuerstatistik des Jahres 2005 abgreifen. Diese Statistik weist rd. 3 Mio. umsatzsteuerpflichtige Unternehmen aus. Nur 7.000 davon werden als Aktiengesellschaft geführt62. Von diesen sind aber nur rd. 1.200 im Jahre 2007 zur Börse zugelassen63. Nur für diese Zahl ist die Rechtsträgerbesteuerung unerlässlich64. Im Ergebnis wird die Rechtsträgerbesteuerung von weniger als einem Promille der deutschen Unternehmen technisch benötigt. Das lässt eine Ausweitung der zwangsweisen Körperschaftsbesteuerung wenig sinnvoll erscheinen. Das Ziel einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung, wie es sich auch die Stiftung Marktwirtschaft vorstellt, ist vielmehr über die transparente Besteuerung von Rechtsträgern für nahezu 100 % der Unternehmen zu erreichen. Selbst wenn sämtliche in der in der Umsatzsteuerstatistik ausgewiesenen 453.000 GmbHs65 auf eine Option zur transparenten Besteuerung verzichten, werden immer noch 98 % der Unternehmen von einer einheitlichen Unternehmenssteuer erfasst. Die Öffnung der GmbH für die transparente Besteuerung fördert also in jedem Fall die Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung. Der häufig kritisierte Dualismus66 von Körperschaft- und Einkommensteuer, wenn er denn besteht, löst sich mit dieser Ausweitung der Transparenz weiter auf. Die Unternehmenssteuer dagegen kann diesen vermeintlichen Dualismus ohnehin nur in marginalen Bereich beheben, schon weil sie für den Einzelunternehmer und damit 70 % der 3 Millionen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen67 praktisch untauglich ist68.
__________ 62 Die deutsche Bundesbank weist in der Kapitalmarktstatistik Dezember 2005 rd. 16.000 AGs aus (Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 2 S. 46). Von der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes werden nämlich u. a. Jahreszahler und Kleinunternehmer nicht erfasst (Eckdaten- Zeitreihen Ergebnisse und Strukturdaten 2006 Tz. 4.5). 63 Die Deutsche Börse AG weist in ihrer Monatsstatistik Kassamarkt zum 31.10.2008 http://deutsche-boerse.com/INTERNET/IP/ip_stats.nsf/(KIR+Monatsstatistik+Kassa markt)/A4131DC545A4421DC12574F800530D7A/$FILE/fwb_monthly.pdf?OpenEle ment S. 31 lediglich 1.182 deutsche börsenzugelassene AGs aus. Das Deutsche Aktieninstitut, DAI Factbook, Stand 19.8.2008, S. 02-1-1-a weist für das Jahr 2005 976 börsennotierte Aktien inländischer Unternehmen aus. Die Anzahl dieser Unternehmen schwankte zwischen 679 im Jahre 1987 und 1.103 im Jahre 2006. 64 H. Hansen, Zur wirtschaftlichen Bedeutung der verschiedenen Unternehmensformen, GmbHR 1999, 24. 65 Zur Personenbezogenheit der GmbH, Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh/Zöllner, Kurzkommentar GmhHG, 2006, Vorb. § 35 Rz. 4. 66 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 86. 67 S. Dittrich, Umsätze und ihre Besteuerung 2005, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2007, 983, Tz. 3.2. 68 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 86.
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III. Allgemeine rechtstechnische Auslegung transparenter Besteuerung Zur transparenten Besteuerung sind eine enge und eine umfassende Lösung vorstellbar, die sich im Wesentlichen durch ihre Folgewirkungen im internationalen Steuerrecht unterscheiden. 1. Umfassende Transparenz a) Einstufiges Unternehmen Die transparente Besteuerung eines Rechtsträgers ist der intransparenten Besteuerung an Einfachheit und Zielgenauigkeit eindeutig überlegen. Mit dieser Transparenz ist jeder vertraut, der einmal Mitglied einer Erbengemeinschaft gewesen ist. Einnahmen, Ausgaben und Aufwand werden zu einem positiven oder negativen Ergebnis saldiert. Dieses Ergebnis wird auf die Gesellschafter aufgeteilt, wobei die Verteilung sich zunächst kapitalistisch nach der Beteiligungsquote orientiert. Sie lässt sich aber auch personalistisch gestalten, wenn ein Gesellschafter dem Rechtsträger besondere Beiträge z. B. durch Verwaltung oder Finanzierung erbringt. Entsprechendes gilt, wenn ein Gesellschafter wegen seines negativen Kapitalkontos im Rahmen der Gewinnverteilung den anderen Gesellschaftern Zinsvergütungen als Vorabgewinn einzuräumen hat. Je nach Umfang dieses Vorabausgleichs kann das einheitliche Ergebnis des Rechtsträgers in Ergebnisanteile mit unterschiedlichen Vorzeichen aufzuteilen sein (inkongruente Gewinnverteilung). Anders als die intransparente Körperschaftsbesteuerung bewältigt die transparente Besteuerung auch diese Aufteilung problemlos. Das anteilige positive oder negative Ergebnis aus dem Rechtsträger kann der Gesellschafter mit seinen übrigen positiven oder negativen Einkünften saldieren. Das blendet den Rechtsträger für die Besteuerung aus, verleiht ihm Rechtsformneutralität und lässt ihn „transparent“ werden. Die Anschaffungskosten des Gesellschafters für seinen Anteil am Rechtsträger werden auf die einzelnen Wirtschaftsgüter des Rechtsträgers aufgegliedert. Sein anteiliger Aufwand im Rechtsträger kann also von dem anderer Gesellschafter differieren, wenn seine Anschaffungskosten von denen anderer Gesellschafter abweichen (Ergänzungsbilanz). Sofern dieser Rechtsträger nicht gewerblich tätig ist, können seine einzelnen Gesellschafter ihm für ihre Leistungen ein Entgelt berechnen, das den Überschuss des Rechtsträgers mindert. Bei gewerblicher Tätigkeit des Rechtsträgers erhöht dieses Entgelt, abweichend vom Zivilrecht, den steuerlichen Überschuss oder Gewinn des Rechtsträgers und wird dem leistenden Gesellschafter als Vorabgewinn zugerechnet69. Das gilt wiederum nicht, wenn der leistende
__________ 69 § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG.
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Gesellschafter seine Leistung an die Gesellschaft aus einem gewerblich zu klassifizierenden Bereich erbringt70. b) Mehrstufiges Unternehmen Bei mehrstufig gegliederten transparent besteuerten Rechtsträgern geht die Ergebnisrechnung des unteren Rechtsträgers in das Ergebnis des oberen Rechtsträgers ein71. Ebenso bestimmen die Anschaffungskosten für die Anteile am obersten Rechtsträger die Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter im untersten Rechtsträger. Die verschiedenen Gesellschafter eines Rechtsträgers können also wie zur Personengesellschaft unterschiedliche Anschaffungskosten für die Wirtschaftsgüter des Rechtsträgers ausweisen (Ergänzungsbilanz), wenn Anteile zu einem Kaufpreis erworben werden, der von den Buchwerten der Wirtschaftsgüter differiert, die in der Gesellschaft für die einzelnen Wirtschaftsgüter ausgewiesen werden. Für einen personalistisch geprägten, kaum gehandelten Rechtsträger erscheint das besteuerungstechnisch umsetzbar. Die automatische Einkommenskonsolidierung macht die komplexen, immer zielungenauen Regelungen der Schachtelermäßigung zur Vermeidung von Doppelbelastungen durch Rechtsträgersteuer entbehrlich. Ebenso kann auf ein besonderes Einkommenskonsolidierungssystem wie die körperschaftsteuerliche Organschaft verzichtet werden. Diese Konsolidierung ist von besonderem Gewicht, weil nur so das synthetische Einkommen erreicht wird und die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Bemessungsgrundlage den Vorrang vor der jede Schedulenbesteuerung dominierenden Tarifgestaltung behält. Dabei kommt der Konsolidierung von negativen und positiven Einkünften aus betrieblichen und außerbetrieblichen Quellen die vorrangige Bedeutung vor den Auswirkungen aus einem progressiven Tarifverlauf zu, weil sie verhindert, dass auch dann noch Steuern gezahlt werden müssen, wenn die Verluste des Steuerbürgers insgesamt überwiegen. 2. Verzicht auf Gewinn- und Vermögenszurechnungen nach § 15 EStG Trotz dieser Vorteile wird die Besteuerung der Personengesellschaften weitgehend als unüberschaubar und besonders komplex empfunden. Das folgt jedoch nicht aus dem System der transparenten Besteuerung, sondern aus den systemwidrigen Hinzurechnungen, welche über die steuerliche Gewinnermittlung der gewerblich tätigen Personengesellschaft die Abgrenzungsprobleme zur Gewerbesteuer und zur Veräußerungsgewinnbesteuerung lösen sollen. Mit ihnen verlässt die steuerliche Gewinnermittlung der Personengesellschaft die zivilrechtlichen Grundlagen, geht eigene, rein steuerrechtlich geprägte, als okkult empfundene Wege und gerät schließlich auch international durch dop-
__________ 70 BFH v. 26.1.1995 – IV R 23/93, BStBl. II 1995, 467. 71 Zur Personengesellschaft: BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (759).
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pelte Freistellungen oder doppelte Besteuerung von Betriebstättengewinn in Bedrängnis72, weil kein anderes ausländisches Steuerrecht korrelierende Regelungen aufweist. a) Gewerbesteuerliche Aspekte § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG soll den Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft dem Einzelunternehmer gleich stellen73. Die steuerlichen Belastungen sind auf die Gewerbesteuer und die Steuerpflichtigkeit von Veräußerungsgewinnen begrenzt. Entgelte für Dienstleistungen eines Gesellschafters ebenso wie Entgelte für die vom Gesellschafter zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter sollen wie beim Einzelunternehmer den steuerlichen Gewinn und damit den Gewerbeertrag nicht mindern. Belastungsmäßig ist diese Hinzurechnung für den Steuerbürger weitgehend irrelevant geworden, nachdem die Gewerbesteuer auf seine Einkommensteuer angerechnet wird. Im Ergebnis dienen diese Hinzurechnungen vorrangig der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Wegen dieser marginalen Bedeutung dürfte § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG für die transparente Besteuerung der GmbH ohne Bedeutung und deswegen entbehrlich sein. Diese Norm sollte jedoch insgesamt, also auch für die gewerblich tätigen Personengesellschaften aufgegeben werden. Das würde den in diesem Bereich besonders unübersichtlichen Charakter des Steuerrechts erheblich mindern. Darüber hinaus würden auch bei Personengesellschaften Pensionsrückstellungen steuerlich berücksichtigt werden können. Sofern diese Regelung als unverzichtbar erachtet wird, sollte die zielungenaue Gewinnerhöhung durch eine Hinzurechnung zum Gewerbeertrag ersetzt werden. Aus dem Blickwinkel der Rechtsformneutralität müsste diese Hinzurechnung dann für sämtliche Rechtsformen gelten, zumindest soweit sie transparent besteuert werden. b) Gewinnrealisierung Eine Streichung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG wirft im weiteren die Frage nach der steuerlichen Gewinnrealisierung bei der Verbringung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Unternehmen eines Steuerpflichtigen auf. Auch hier gibt die Rechtsformneutralität grundsätzlich die Steuerneutralität vor. Soweit das Handelsrecht eine Gewinnrealisierung für diese Verbringungen vorschreibt, müsste die Steuerneutralität über das Umwandlungssteuergesetz abgesichert werden, soweit diese nicht bereits durch § 6 Abs. 5 EStG zugelassen wird.
__________ 72 Z. B. durch doppelte Steuerfreistellungen oder doppelte Besteuerung, FG München v. 9.3.2006 – 13 K 5062/01, EFG 2006, 1309. 73 BFH v. 19.11.1964 – IV 136–137/64, HFR 1965, 210; v. 11.2.1965 – IV 284/64, HFR 1965, 364; v. 1.4.1966 – VI 26/65, BFH 86, 131 = BStBl. III 1966, 365; v. 16.2.1967 – IV R 62/66, BStBl. III 1967, 222.
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c) Veräußerungsgewinnbesteuerung Weiterhin soll über diese Hinzurechnungen die Veräußerungsgewinnbesteuerung ausgeweitet und der Reichweite der objektiven Steuerpflicht beim Einzelunternehmer angepasst werden74. Daraus ergeben sich die komplexen Regelungen des Sonderbetriebsvermögen, die im neuen § 34a EStG in gerade zu aberwitziger Weise dazu führen, dass die Rückgabe von Sonderbetriebsvermögen wie eine nachsteuerpflichtige Gewinnausschüttung behandelt wird. Auch diese komplexen Regelungen sind systemfremde Elemente einer transparenten Besteuerung. Der Gesetzgeber hat die Veräußerungsgewinnbesteuerung zuletzt durch das EURLUmsG vom 9.12.200475 neu geordnet. Bei dieser Regelung sollte man es bewenden lassen und auf die Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG grundsätzlich, also auch über die transparent besteuerte GmbH hinaus verzichten. Sofern man weiterhin eine ergänzende Veräußerungsgewinnbesteuerung für erforderlich erachtet, sollte dies in den allgemeinen Regelungen in § 23 EStG abgebildet werden. Damit würden zugleich internationale Qualifikations- und Aufteilungskonflikte vermieden. Als Zwischenergebnis lässt sich zu § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG erkennen: Es sind keine durchgreifenden Bedenken gegen einen generellen Verzicht auf diese Norm zu erkennen. Die mit dem Verzicht verbundene Rückkehr zur zivilrechtlichen Betrachtung dürfte das Steuerrecht für den Steuerbürger übersichtlicher machen. International würden sich die zahlreichen Schwierigkeiten zur Doppelbelastung und zur Doppelbefreiung mindern, die dieser unsystematische deutsche Sonderweg verursacht. 3. Einfache Transparenz Bei der einfachen Transparenz bleibt der Subjektcharakter des Rechtsträgers erhalten. Lediglich sein Einkommen wird wie bei der Organschaft der hinter dem Rechtsträger stehenden Person zugerechnet. Die einfache Transparenz richtet ihre Gewinnermittlung nach den vom Rechtsträger für seine Wirtschaftsgüter ausgewiesenen Anschaffungskosten aus und lässt so die Ergänzungsbilanz entfallen76. Diese Ermittlung ist weniger genau. Bei einfacher Transparenz wird der Veräußerungsgewinn unverändert durch § 17 EStG erfasst. Es ergeben sich Teileinkünfte. Wegen der Hinzurechnungen aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gelten die vorstehenden Ausführungen. Ob der Weg der einfachen Transparenz insgesamt gangbar ist, entscheidet letztlich die internationale Problematik. Das ist zu verneinen77.
__________ 74 BFH v. 19.11.1964 – IV 136–137/64, HFR 1965, 210. 75 BGBl. I 2004, 3310. 76 So auch die LLC, D. Günther, GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liability 2007, 239. 77 Unten Tz. V.3.
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IV. Rechtstechnische Einzelheiten zur umfassenden Transparenz Die nachfolgenden Betrachtungen zur Steuerpflichtigkeit der GmbH, zur Zuordnung ihres Einkommens, zum Wechsel einer bestehenden GmbH in das transparente Besteuerungsstatut und zum Wechsel einer GmbH vom transparenten in das intransparente Besteuerungsstatut beschränken sich auf die umfassende Transparenz. 1. Steuerpflichtigkeit und Zuordnung von Einkommen Bei der umfassenden Transparenz entfällt die subjektive Steuerpflicht der GmbH. Ihre Einkünfte werden ausschüttungsunabhängig, seien sie positiv oder negativ, den Gesellschaftern zugerechnet. Bei mehreren Gesellschaftern folgt, wie bei der Personengesellschaft, die Zuordnung des negativen oder positiven Einkommens den Regeln der Gewinnverteilung. Da die GmbH ihren Gewinn regelmäßig erst über die Ausschüttung verteilt, müssen beim Wechsel zur Transparenz die Gewinnverteilungsregeln festlegen, welcher Anteil einer bestehenden Rücklage dem einzelnen Gesellschafter zusteht. Das Gleiche gilt für neu zu bildende Rücklagen. Ebenso wie bei der Personengesellschaft wird diese Aufteilung in der Bilanz der GmbH nicht gezeigt. Diese Aufteilung bedingt allerdings besondere, zusätzliche Vereinbarungen zur Gewinnverteilung, die § 29 Abs. 3 GmbHG eröffnet. Weiterhin müssen die Regelungen über die Ausschüttungen ergänzt werden, um abzusichern, dass vom Gesellschafter die nunmehr von ihm für den Gewinn der GmbH gezahlten Steuern beglichen werden können. Die verdeckte Gewinnausschüttung mit ihren unendlichen Formalitäten, das zentrale Thema mittelständischer Betriebsprüfungen, verliert weitgehend ihre Relevanz. Eine überhöhte oder formfehlerhafte Gehaltsvereinbarung oder eine überhöhte Miete lässt die Höhe der Einkünfte unverändert und wandelt sich in eine schlichte Entnahme. Zur Gewerbesteuer verbleibt es bei der bisherigen Problematik, die wegen der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer allerdings ganz erheblich geringer ausfällt. Verlustanteile können nur bis zur Höhe des anteiligen Eigenkapitals geltend gemacht werden78. Dem Gedanken des § 15a EStG folgend bleiben Verluste auf das haftende Kapital des einzelnen Gesellschafters beschränkt. Die nicht verrechenbaren Verluste werden beim einzelnen Gesellschafter vorgetragen. Sie können mit zukünftigen Einkommen aus der GmbH oder nach Abdeckung durch eine Kapitaleinlage des Gesellschafters mit anderen Einkünften verrechnet werden. Eine gesamtschuldnerische Haftung von Gesellschaft und Gesellschafter für die auf seinen anteiligen Gewinn entfallenden Steuern79 erscheint nicht zwin-
__________ 78 So Italien, Mayer/Frei, Transparente Besteuerung von italienischen Kapitalgesellschaften 2004 IWB Fach 5 Italien Gruppe 2, 547. 79 So Italien, Mayer/Frei, 2004 IWB Fach 5 Italien Gruppe 2, 550.
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gend, da die Steuerzahlungen des Gesellschafters sich über die Vollstreckung gegen den Gesellschafter in seinen Gesellschaftsanteil eintreiben lassen. a) Thesaurierungsrücklage § 34a EStG Eine Unternehmenssteuer ist als virtuelle Körperschaftsteuer für den Einzelunternehmer praktisch untauglich80. Die mit der Satzermäßigung des Kapitalgesellschafters korrelierende Satzermäßigung für thesaurierte Gewinne lässt sich deshalb nur über eine Tariflösung umsetzen81, wie sie auch neben § 34a EStG in § 6b und § 7g EStG rudimentär vorhanden ist. Schon das Planspiel zur Unternehmenssteuerreform 1999 hat eine Tariflösung in Form der Rücklagelösung befürwortet, weil von ihr „keine nennenswerten Auswirkungen auf die administrative Praxis82“ zu erwarten seien. Damit ist die Tarifermäßigung für thesaurierte Gewinne in der Form § 34a EStG für die umfassend transparent besteuerte GmbH anwendbar. Die notwendigen Ergänzungen zu § 34a EStG83 werden hier nur angesprochen, soweit die Unzulänglichkeiten dieser Norm das Thema betreffen. Im Ergebnis wird das dem Gesellschafter über die Transparenz zugerechnete Einkommen der allgemeinen Einkommensbesteuerung unterworfen. Soweit es in der GmbH thesauriert wird, kann es auf Antrag des Gesellschafters mit dem ermäßigten Tarif nach § 34a EStG belegt werden. Ebenso wie zu OHG und KG wird das Nachversteuerungskonto für die in der GmbH thesaurierten Gewinne personenbezogen beim Gesellschafter geführt. Die dazu erforderliche Aufteilung der Rücklagen der Gesellschaft wird, wie oben ausgeführt, mit dem Wechsel in die Transparenz vorgegeben. Spätere Ausschüttungen der GmbH werden wie Entnahmen aus einem Personenunternehmen der Nachversteuerung unterworfen. Sie bleiben weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Als solche gehen sie in die allgemeine Einkommensermittlung ein und unterliegen dem individuellen Einkommensteuersatz. Die derzeitige, völlig misslungene, pauschale, international verunsichernde und mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kaum zu vereinbarende Besteuerung mit 25 % gem. § 34a Abs. 4 S. 2 EStG sollte nicht nur für die transparente GmbH, sondern generell aufgegeben werden84. b) Tarifierung steuerlich nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben Mit der Anwendung des § 34a EStG stellt sich auch hier die Frage nach der Tarifbelastung der steuerlich nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben. Das Ziel wird wiederum durch die Rechtsformneutralität vorgegeben. Beim Kapitalge-
__________ 80 J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 87. 81 Fechner/Bäuml, Aufruf zur moderaten Modifikation des § 34a EStG!, DB 2008, 1653. 82 BMF Administrierbarkeit der Modelle zur Unternehmenssteuerreform 1999, Schriftenreihe des BMF, Heft 67, 45. 83 Fechner/Bäuml, Aufruf zur moderaten Modifikation des § 34a EStG!, DB 2008, 1654. 84 Fechner/Bäuml, DB 2008, 1654.
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sellschafter unterliegen diese Ausgaben einer Belastung von 29,83 %85, obwohl sie sich als Ausgaben nicht thesaurieren lassen. Deshalb muss bei transparenter Besteuerung zumindest der auf den thesaurierten Gewinn entfallende Steuerbetrag aus Einkommen- und Gewerbesteuer in den gem. § 34a EStG ermäßigt zu tarifierenden Betrag eingehen, damit die Belastung des Gesellschafter aus der transparent besteuerten GmbH von 36,16 %86 auf das Niveau des Kapitalgesellschafters von 29,83 % absinkt. Es versteht sich von selbst, dass diese Korrektur des § 34a EStG keine Besonderheit der Transparenz sein kann, sondern einhergehen muss mit einer Nachbesserung zu § 34a EStG, die auch dem Personenunternehmer die gleiche Ermäßigung auf 29,83 % gewährt87. Mit ihr würde zugleich der berechtigten Kritik88 am § 34a EStG teilweise begegnet. c) Schachtelerträge Inländische Dividenden und Veräußerungsgewinne, die als Teileinkünfte zu betrachten sind, können von der transparent besteuerten GmbH entsprechend den Grundsätzen des § 8b Abs. 1 u. 2 KStG ohne Belastung vereinnahmt werden, sofern sie thesauriert werden und den Nachversteuerungsbetrag erhöhen. Solange diese Beträge im Unternehmen thesauriert werden, besteht keine Veranlassung, sie der Nachversteuerung zu unterwerfen. Die Rechtsformneutralität lässt im Ergebnis keine andere Lösung zu. Diese Lösung verdeutlicht erneut die unzureichende Systematik des § 34a EStG. Die Norm gewährt zum Ausgleich für die über die Satzermäßigung zur Körperschaftsteuer dem Kapitalgesellschafter gewährte Belastungsminderung dem Personenunternehmer eine Satzermäßigung und eine bis zur Entnahme reichende temporäre Belastungsminderung für thesaurierte Gewinne. Bei einer rechtsformneutralen Behandlung von Kapitalgesellschafter und Personenunternehmer müsste die Weitergabe von Dividenden an den Personenunternehmer ebenso behandelt werden, wie die Weitergabe in der Reihe von Kapitalgesellschaften bei einem Kapitalgesellschafter. Solange der thesaurierte Gewinn im Personenunternehmen verbleibt, ist seine Nachversteuerung nicht gerechtfertigt. § 34a EStG müsste folglich zur Wahrung der Rechtsformneutralität die Dividenden und Veräußerungsgewinne aus körperschaftsbesteuerten Rechtsträgern von der Nachversteuerung entsprechend § 8b EStG freistellen, solange diese Dividenden und Veräußerungsgewinne thesauriert werden89. Diese zu § 34a EStG notwendige Gesetzeskorrektur wird in der vorgeschlagenen Lösung zur Transparenz vorweggenommen.
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85 G. Förster, Rechtsformwahl und Rechtsformoptimierung nach der Unternehmenssteuerreform, Ubg 2008, 186. 86 G. Förster, Ubg 2008, 187. 87 Fechner/Bäuml, Aufruf zur moderaten Modifikation des § 34a EStG!, DB 2008 1654. 88 J. Hey, Unternehmenssteuerreform: das Konzept der Sondertarifierung des § 34a EStG-E, DStZ 2007, 925; Knirsch/Maithert/Hundsdöfer ua., Aufruf zur Abschaffung der misslungenen Thesaurierungsbegünstigung!, DB 2008, 1405; Fechner/Bäuml, Aufruf zur moderaten Modifikation des § 34a EStG!, DB 2008, 1652. 89 Fechner/Lethaus, Die Tarifrücklage, Institut Finanzen und Steuern 2006, Schrift Nr. 437, 14.
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Für Dividenden aus ausländischen Kapitalgesellschaften muss ein anderer technischer Lösungsweg beschritten werden, weil bei transparenter Besteuerung der Verlust der Abkommensberechtigung90 die ausländische Quellensteuer zum einen die Einkommensteuer des Staatsbürgers als natürlicher Person abdeckt und zum anderen für die deutsche Besteuerung nicht erstattungsfähig ist. Diese Dividenden müssen also unter der Steueranrechnung gem. § 34c EStG in das steuerpflichtige Einkommen eingehen, das bei Thesaurierung dem ermäßigten Steuersatz des § 34a EStG unterworfen werden kann. Insoweit verbleibt es bei der Regelung aus § 34a EStG. d) Veräußerungsgewinn Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen einer transparent besteuerten GmbH wird als gewerblicher Gewinn (§ 15 EStG) betrachtet, dessen Höhe durch § 16 EStG steuerlich besonders ausgemessen wird. Ein eventuelles Nachversteuerungskonto gilt dabei als entnommen. Die Thesaurierungsermäßigung ist zu beenden. Die Belastung der Anteilsveräußerung fällt für die transparente GmbH nicht anders aus als die Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter durch die GmbH mit anschließender Auskehrung des gesamten Gewinns. Besser lässt sich Rechtsformneutralität nicht verwirklichen. Bei der Veräußerung nur eines Teils der Anteile gilt das gleiche. Die Nachversteuerung beschränkt sich dann jedoch auf den tatsächlich bezahlten Teil der Rücklage, wenn diese teilweise beim Veräußerer bleibt. Hier wird erkennbar, welche gesellschaftsvertragliche Flexibilität die transparente Besteuerung der GmbH verleiht. Soweit der Veräußerungserlös in der transparent besteuerten Mutter-GmbH belassen wird, müssen die zuvor beschriebenen Regeln der Schachtelermäßigung greifen, wenn die Rechtsformneutralität nicht beeinträchtigt werden soll. Der Erwerber kann, wie bei einem Personenunternehmen, den Kaufpreis den einzelnen Wirtschaftsgütern der Gesellschaft zuordnen, so dass sein Aufwand für diese Güter sich auf deren Nutzungsdauer verteilt. Ob man beim Ausweis der mittelbar erworbenen Wirtschaftsgüter über eine Ergänzungsbilanz einen pauschalierenden Ansatz und folglich auch eine pauschalierende Abschreibung als Vereinfachung wählt, ist kein isoliertes Problem der transparenten Besteuerung der GmbH, sondern betrifft sämtliche Bruchteilsgemeinschaften und Personengesellschaften. e) Anrechnung Gewerbesteuer Die Gewerbesteuer der GmbH bleibt nicht anders als die des Einzelunternehmers anrechenbar. Die Gewerbesteueranrechnung soll „die Sonderbelastung der gewerblichen Wirtschaft mit Gewerbesteuer ohne wesentliche Eingriffe in die Finanzautonomie der Gemeinden zu Lasten der Steuergläubiger der Ein-
__________ 90 Unten Tz. V.1.a).
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kommensteuer vermindern“, im Ergebnis die Gewerbesteuer eliminieren und die Belastung der gewerblichen Wirtschaft der Belastung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit angleichen91. Aus dem System der transparenten Besteuerung folgt also keine Notwendigkeit, die Anrechnung der Gewerbesteuer einzuschränken. f) Sonderbetriebsvermögen Wie zuvor erläutert, sind Hinzurechnungen aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG keine Elemente einer transparenten Besteuerung. Sie entfallen für die transparent besteuerte GmbH. Sofern man das Steuerverteilungssystem zur Gewerbesteuer für unentbehrlich erachtet, sollten die Hinzurechnungen systemgerecht im Gewerbesteuergesetz bei der Ermittlung des Gewerbeertrages verankert werden. Eventuelle Differenzen zur Steuerpflichtigkeit von Veräußerungsgewinnen sollten systemgerecht über eine Neubestimmung des Veräußerungsgewinns in § 23 EStG abgefangen werden. Zugleich wäre eine solche Aufhebung ein Schritt in Richtung einer einheitlichen europäischen Steuerbemessungsgrundlage, wie ihn die Kommission in Erwägung zieht92. Pensionsrückstellungen bleiben bei umfassend transparenter Besteuerung weiterhin möglich. Überhöhte Pensionszusagen sind nicht mehr verdeckte Gewinnausschüttungen, sondern Entnahmen, die allerdings eine Nachversteuerung nach § 34a EStG auslösen können, wenn sie das Einkommen übersteigen. g) Betriebsaufspaltung Auch zur Betriebsaufspaltung93 stellt sich die Frage, ob deren Grundsätze zur Klassifizierung der Einkünfte für die transparent besteuerte GmbH übernommen werden müssen. Die Betriebsaufspaltung dient ebenso wie die Hinzurechnungen in § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG der Absicherung der Gewerbesteuer und der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Es greifen deshalb auch hier die vorstehenden Erwägungen94 zur Anrechnung der Gewerbesteuer und zur Neuregelung der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung sind folglich auch für die Belastung der umfassend transparent besteuerten GmbH entbehrlich. Die mit der Aufgabe der Betriebsaufspaltung verbundene stärkere Ausrichtung auf das Zivilrecht macht darüber hinaus die transparente GmbH übersichtlicher und international verträglicher.
__________ 91 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung 1999, BMF Schriftenreihe Heft 66, 90. 92 Europäische Kommission, Generaldirektion Steuern und Zollunion, CCCTB/WP057\ doc\de v. 27.6.2007. 93 RFH v. 26.10.1938, RStBl. 1938, 282; v. 1.7.1942, RStBl. 1942, 108, anders noch RFH v. 3.12.1921, RFHE 16, 15 = RStBl. 1921, 152; Markl in Lademann EStG 9/2007, § 15 Rz. 272. 94 Oben Tz. III.2.a).
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Zur einfachen Transparenz sind die Grundsätze der Betriebsaufspaltung gleichermaßen entbehrlich, sofern sich diese Art der Transparenz mit internationalen Regeln verträgt. Das ist zu verneinen95. Ebenso wie zu § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gilt auch hier: Wenn dem Gesetzgeber die Fortführung der Betriebsaufspaltung unerlässlich erscheint, sollte er ihre Abgrenzungen systematisch korrekt und deshalb verständlich über die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag im Gewerbesteuergesetz regeln und zum Veräußerungsgewinn dessen Besteuerung in § 23 EStG erfassen. Dadurch würde das Steuerrecht für den Steuerbürger verständlicher und international konfliktfreier. 2. Der Wechsel zur Transparenz a) Gesellschaftsrechtlicher Zwang zur Optionalität Allein die Zahl von rd. 453.000 GmbHs schließt einen zwangsweisen Wechsel zur Transparenz aus. Ihre Gesellschafter haben sich in den Gesellschaftsverträgen nach dem intransparenten Besteuerungsstatut ausgerichtet. Die transparente Besteuerung erfordert andere Gewinnverteilungs- und Ausschüttungsregeln. Das bedingt eine grundlegende Änderung der Gesellschaftsverträge. Da eine solche Änderung jedenfalls nach der derzeitigen Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge regelmäßig nur mit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zu erreichen sein wird und eine solche Zustimmung nicht in jedem Fall als gesichert angesehen werden kann, muss das intransparente Besteuerungsstatut für die GmbH grundsätzlich erhalten bleiben. Die Option ist gesellschaftsrechtlich unverzichtbar. b) Regelstatut Mit der Option stellt sich die Frage nach dem Regelstatut. Da die derzeitigen Gesellschaftsverträge auf die intransparente Besteuerung ausgerichtet sind, muss diese Besteuerung das Regelstatut bleiben. Es kann also nur zur transparenten Besteuerung optiert werden. Dabei reicht es aus, wenn die Gesellschaft den Antrag stellt. Das macht die Entscheidung über das Besteuerungsstatut zum Gegenstand der Gesellschafterversammlung. Ein Antragsrecht auch des einzelnen Gesellschafters würde den Entscheidungsprozess formell nur behindern. c) Gewinnrücklage beim Wechsel zur Transparenz Sofern eine bereits bestehende GmbH zur Transparenz optiert, ist über die Einordnung ihrer Gewinnrücklagen zu entscheiden. Die teileinkunftspflichtigen Anteile der Gewinnrücklage einer intransparent besteuerten Kapitalgesellschaft lassen sich über § 27 KStG abgreifen. Mit dem Wechsel in die Transparenz wird die Rücklage, wie oben ausgeführt, auf die einzelnen Gesellschafter auf-
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95 Unten Tz. V.3.
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gegliedert. Der teileinkunftspflichtige Rücklagenanteil lässt sich deshalb für jeden einzelnen Gesellschafter ermitteln. Er wird zum Nachversteuerungskonto i. S. d. § 34a EStG, das beim Gesellschafter festgestellt wird. d) Verluste beim Wechsel zur Transparenz Zu bedenken bleibt schließlich die Behandlung eines unter Intransparenz angefallenen Verlustes der GmbH beim Wechsel in die transparente Besteuerung. Bei Personenidentität dürften aus dem Blickwinkel der Rechtsformneutralität keine Bedenken gegen die Fortführung des Verlustvortrages beim Gesellschafter bestehen. Im Ergebnis wirkt diese Lösung wie ein rückwirkender Wechsel in die Transparenz. Deshalb sollte die Fortführung des Verlustes grundsätzlich ausgeschlossen sein. e) Begrenzungen des Optionsrechts Die Option kann nur einheitlich von allen Gesellschaftern ausgeübt werden. Das ist technisch bedingt, schon weil eine differenzierende Aufteilung der verbleibenden Rechtsträgersteuer sowie die Aufteilung von Verlusten über die Gewinnverteilung der GmbH nicht zu bewältigen ist. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Transparenz liegt in der Einkommenskonsolidierung. Dafür reicht es aus, wenn die Transparenz für das Wirtschaftsjahr nur einheitlich ausgeübt werden kann. Für die Ermäßigung ausländischer Quellensteuer muss bei Zahlung der quellensteuerpflichtigen Beträge feststehen, ob der Empfänger abkommensberechtigt ist96. Das bedingt einen Antrag vor Beginn des Wirtschaftsjahres. Die transparente Besteuerung dient der personalistischen Gestaltung der GmbH. Italienisches97 und US-Steuerrecht98 begrenzen deshalb gesellschafterbezogen die Antragsberechtigung. Hier muss man zunächst erkennen, dass eine Mindestquote wenig sinnvoll erscheint, wenn einer Beteiligung von 90 % Beteiligungen von 1 % oder weniger gegenüberstehen. Das lässt auch die Verknüpfung der Option mit der Anzahl der Gesellschafter kaum als sachgerecht erscheinen. Zweckgerecht könnte sein, den Wechsel zur Transparenz an die Mindestbeteiligung von 10 % eines Gesellschafters zu binden. Das spätere Unterschreiten dieser Grenze sollte kein Anlass sein, die Transparenz zwangsweise rückgängig zu machen, weil ein solcher Wechsel regelmäßig mit einer zustimmungsbedürftigen Änderung der Gewinnverteilung und der Ausschüttungsregeln verbunden ist. Eine Beschränkung auf inländische Gesellschafter, wie sie zur S-Corporation in den USA gehandhabt wird99, dürfte mit der durch die EU vorgegebenen Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu vereinbaren sein.
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96 Einzelheiten unten Tz. V.1.b) cc). 97 Mayer/Frei, Transparente Besteuerung von italienischen Kapitalgesellschaften, 2004 IWB Fach 5 Italien Gruppe 2, 547. 98 F. Hey, Gesellschafts- und steuerrechtlich Aspekte der Limited Liability Company, RIW 1992, 917. 99 F. Hey, Gesellschafts- und steuerrechtlich Aspekte der Limited Liability Company, RIW 1992, 917.
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3. Der Wechsel zur Intransparenz Die Notwendigkeit einer optionalen Ausgestaltung der transparenten Besteuerung führt im Weiteren zur der Frage, ob der zur Transparenz gewechselten GmbH die Rückkehr unter die intransparente Rechtsträgerbesteuerung (Rückoption) gestattet werden soll. Wirtschaftlich lässt sich das bejahen, wenn man die Gründe für die beiden unterschiedlichen Systeme betrachtet. Die transparente Besteuerung ist mit ihrer einstufigen Besteuerung der Steuerbürger grundsätzlich einfacher und weitaus zielgenauer, sie ist das ideale Statut für personalistisch ausgerichtete Unternehmen. Die intransparente Besteuerung ist die ideale Form für kapitalistisch ausgerichtete Unternehmen. Sie ist für die börsennotierte AG unentbehrlich und für gesellschafterstarke GmbHs, aber auch gesellschafterstarke Personengesellschaften hilfreich. Die Rückoption ist folglich legitim, wenn neue Anforderungen aus einem Wechsel in die kapitalistische Gesellschafterstruktur gelöst werden müssen. a) Notwendigkeit einer steuerlichen Liquidation bei Rückoption Der Wechsel zwischen den beiden Besteuerungsstatuten lässt sich immer erreichen, wenn er mit der steuerlichen Liquidation der Gesellschaft verbunden wird. Diese Liquidation ist gesellschaftsrechtlich auch über eine Umwandlung bzw. Einbringung gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten umsetzbar. Eine steuerliche Liquidation ist grundsätzlich mit einer Aufdeckung aller stillen Reserven und der Auskehrung sämtlicher Gewinne verbunden. Bei der transparent besteuerten GmbH wäre das, wie zuvor erläutert, eine Geschäftsveräußerung i. S. d. §§ 15, 16 EStG durch die Gesellschafter. Wenn man allerdings die einheitliche Zielsetzung der beiden Besteuerungssysteme betrachtet, nämlich die Besteuerung des Steuerbürgers nach der Leistungsfähigkeit, erscheint eine steuerliche Liquidation keineswegs systemnotwendig, wenn ein Unternehmen nur sein Besteuerungsstatut wechselt. Dieses Ergebnis wird durch § 20 Abs. 1 UmwStG unterstrichen, der die steuerneutrale Einbringung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils in eine GmbH gestattet. Ein Wechsel zur Intransparenz sollte also grundsätzlich ohne Aufdeckung der stillen Reserven möglich sein. b) Gewinnrücklagen bei Rückoption Sofern man die Fortführung der Buchwerte bei Rückoption bejaht, stellt sich im Weiteren die Frage nach der Behandlung der gem. § 34a EStG nachsteuerpflichtigen Rücklage. Die Satzermäßigung aus § 34a EStG wird gewährt, sofern der Gewinn im Unternehmen verbleibt. Das rechtfertigt die Umwandlung der bei der GmbH ausgewiesenen, jedoch beim Gesellschafter nachversteuerungspflichtigen Rücklage i. S. d. § 34a EStG in eine teileinkunftspflichtige Gewinnrücklage i. S. d. 27 KStG, welche die Ausschüttungen der GmbH zu Teileinkünften werden lässt. 312
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c) Verluste des Gesellschafters bei Rückoption Der gänzliche oder teilweise Übergang der Verluste des Gesellschafters und deren Fortführung bei der GmbH erscheint nicht bedenkenfrei. Zum einen ergeben sich die Probleme des Mantelkaufs, zum anderen dürften die anteiligen Verluste der GmbH in einem Verlustvortrag kaum zu isolieren sein, da sie abrechnungstechnisch mit den übrigen Einkünften des Gesellschafters verwoben worden sind. Ein Übergang eines Verlustvortrages oder auch nur von Teilen auf die GmbH ist deshalb auszuschließen.
V. Internationale Aspekte der transparenten GmbH Die internationalen Aspekte fallen für die einfache und die umfassende Transparenz unterschiedlich aus. Dabei ist zwischen ausländischen und inländischen GmbHs zu unterscheiden. 1. Umfassende Transparenz inländischer GmbH a) Quellensteuerermäßigung für inländischen Gesellschafter inländischer GmbH Bei umfassender Transparenz verliert die GmbH ihre Eigenschaft als Steuersubjekt und zugleich ihre Abkommensberechtigung. Quellensteuerermäßigungsanträge müssen nunmehr im Namen der einzelnen Gesellschafter gestellt werden. Vor diesem Problem stehen bereits heute gesellschafterstarke Personengesellschaften. Sie lösen dieses Problem pragmatisch durch die Bestätigung des deutschen Finanzamts, dass die Einnahmen bei der deutschen Besteuerung dieser Betriebstätte erfasst werden. Sofern dieser pragmatische Weg nicht gangbar und über Ergänzungen des Abkommens100 oder seiner Protokolle nicht begehbar gemacht werden kann, können gesellschafterstarke GmbHs im intransparenten Regelstatut verbleiben. b) Ausländischer Gesellschafter inländischer GmbH aa) Besteuerung der laufenden Gewinne Mit dem Wechsel zur transparenten Besteuerung wird die GmbH zur inländischen Betriebstätte eines ausländischen Gesellschafters101. Damit greift für den ausländischen Gesellschafter die beschränkte Einkommensteuerpflicht und die Nachversteuerung aus § 34a EStG bei nachsteuerpflichtigen Entnahmen. Das erhöht das deutsche Steueraufkommen, wenn die Besteuerung der Körperschaft im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des ausländischen Gesellschafters nicht durch eine die Einkommensteuer ersetzende deutsche Quellensteuer ergänzt wird. Auch diese qualitative Änderung der Einkünfte eines ausländi-
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100 Z. B. das Abkommen USA zur einfach transparent besteuerten S-Corporation. BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07. 101 Art. 7 OECD-MA 2003.
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schen Gesellschafters lassen sich durch Ergänzung des jeweiligen DBA unschwer abfangen, da keine wesentlichen Verschiebungen zum Steueraufkommen mit dem Wechsel in die Transparenz verbunden sind. Erweisen sich die Probleme vorübergehend oder langfristig als nicht lösbar, so kann die Gesellschaft im derzeitigen intransparenten Regelstatut verharren. bb) Veräußerungsgewinn Für den ausländischen Gesellschafter wandelt sich die GmbH mit dem Verlust ihrer Eigenschaft als Steuerrechtssubjekt in eine steuerliche Betriebstätte. Damit wechselt das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn vom Wohnsitzstaat102 in den Betriebstättenstaat. Die Auswirkungen bleiben allerdings marginal, weil sich keine wesentlichen zwischenstaatlichen Verschiebungen des Steueraufkommens ergeben. Die stillen Reserven in der GmbH verbleiben als stille Reserven der Betriebstätte weiterhin Besteuerungsgut des Betriebstättenstaates. Die Verteilung des Besteuerungsgutes bleibt substantiell unangetastet. Sollte sich das Problem nicht über eine Ergänzung des jeweiligen Abkommens oder eine Protokollergänzung auf zwischenstaatlicher Ebene lösen lassen, so kann der ausländische Gesellschafter das intransparente Regelstatut durch seinen Widerspruch zum Statutenwechsel in der Gesellschafterversammlung absichern. cc) Quellensteuer Die Probleme zur Quellensteuerermäßigung zur transparenten inländischen GmbH verschärfen sich für den ausländischen Gesellschafter durch seine Ansässigkeit in einem Drittstaat, für den die Quellensteuerermäßigung anders ausfällt als zum Sitzstaat der GmbH. Dann müsste nämlich bereits bei Zahlung der quellensteuerpflichtigen Entgelte sein Anteil identifiziert und der Quellensteuer unterworfen werden, die zwischen dem Drittstaat und dem Staat des „Leistungsempfängers“ vereinbart ist. Auch hier bietet pragmatisch die Bescheinigung des deutschen Finanzamts über die steuerpflichtige Vereinnahmung der quellensteuerpflichtigen Entgelte eine Lösung. Sie könnte auch quellensteuerpflichtige Dividendenerträge abdecken, die wegen der beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters der deutschen Nachversteuerung unterliegen103. Sofern die Quellensteuerermäßigung sich als nicht erreichbar erweist, bleibt es dem Gesellschafter unbenommen, dem Wechsel in die Transparenz zu widersprechen. c) Rückoption zur Intransparenz Bei der Rückoption entfallen zur Quellensteuerermäßigung die Probleme. Die zwischenstaatlichen Verschiebungen zum Steueraufkommen unterscheiden sich
__________ 102 Art. 13 OECD-MA 2003. 103 Oben Tz. 4.1.3.
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größenmäßig nicht von den Auswirkungen beim Wechsel zur Transparenz. Die Anpassung der Abkommen dürfte kaum Probleme aufwerfen. 2. Ausländische GmbH Die intransparente Besteuerung der GmbH gilt als Regelstatut. Sie kann durch Option geändert werden. Sofern ein ausländischer Rechtsträger mit der GmbH vergleichbar ist, muss seine ausländische steuerliche Qualifikation immer dem deutschen Steuerrecht entsprechen. Gestattet das ausländische Recht gleichfalls eine Option zur Transparenz, so kann das deutsche Steuerrecht dem folgen. Damit ist eine einheitliche internationale Behandlung gewährleistet. Sofern der ausländische Staat seine GmbH ausschließlich als intransparent behandelt und daraus Zusatzlasten drohen, können die Gesellschafter über ihr Optionsrecht im Regelstatut verharren und so die internationalen Probleme vermeiden. Abweichend von der inländischen GmbH kann bei einer ausländischen GmbH ein Antragsrecht des einzelnen inländischen Gesellschafters ausreichen, das er gegenüber der deutschen Steuerverwaltung ausüben kann. Dann ist der Gewinn aus der ausländischen GmbH für den deutschen Anteileigner als Betriebstättengewinn zu behandeln. Das ist keineswegs neu, wie der Blick auf die griechisch-deutsche Besteuerungspraxis früherer Jahre zeigt104. 3. Einfache Transparenz Bei der einfachen Transparenz bleibt die GmbH als steuerliches Rechtssubjekt bestehen105. Lediglich ihr Einkommen wird den Gesellschaftern zugerechnet. National mag das einfacher umzusetzen sein, weil auf Ergänzungsbilanzen verzichtet werden kann. Diese Lösung verträgt sich jedoch nicht mit der Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen. Der ausländische Gesellschafter wird nicht beschränkt steuerpflichtig. Der Sitzstaat der GmbH verliert das Besteuerungsrecht für die Gewinne der GmbH, weil das Zuordnungskriterium einer Betriebstätte für den Gesellschafter fehlt. Die Besteuerung der GmbHGewinne im Sitzstaat der GmbH ist für diesen Sachverhalt in der Systematik des OECD-MA nicht vorgesehen. Die einfache Transparenz erweist sich damit als international kaum umsetzbar.
VI. Erbschaftsteuer 1. Grundsatz der intransparenten Betrachtung Die Erbschaftsteuer wirft mit der intransparenten Behandlung der Kapitalgesellschaft erhebliche Probleme auf, weil sich eine prohibitive Besteuerung kaum mehr vermeiden lässt106. Folglich sollte zum Erbschaftsteuerrecht zunächst klar
__________ 104 Oben Tz. II.2. 105 Oben Tz. V.1.a). 106 Tz. II.2.
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gestellt werden, dass rechtsformneutral Zuwendungen an eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich als Zuwendung an ihre Gesellschafter einzuordnen sind, es sei denn, der Gesellschafter ist nicht zu ermitteln. Der Wechsel des Besteuerungsstatuts bleibt für die Erbschaftsteuer irrelevant. 2. Internationale Probleme Sofern man sich national für eine generell transparente Betrachtung zur Erbschaftsteuer entscheidet, kommt man zunächst nicht umhin, die Besteuerung von GmbH Anteilen wie die Besteuerung von Betriebstättenvermögen einzuordnen. Das führt zum Wechsel beim Besteuerungsrecht, das damit vom Wohnsitzstaat des Gesellschafters zum Betriebstättenstaat wechselt. Die zwischenstaatlichen Aufkommensverschiebungen können allerdings im Einzelfall beachtlich sein. Der Betriebstättenstaat bekommt ein vorrangiges Besteuerungsrecht, der Wohnsitzstaat ist auf die nachrangige Besteuerung unter einem Anrechnungsverfahren angewiesen. Das ist ohne Bedeutung, soweit die Beteiligung an der GmbH mindestens ein Zehntel beträgt und das Vermögen nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 121 Nr. 4 BewG ohnehin der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Es sollte deshalb festgelegt werden, dass eine durch eine GmbH abgedeckte Betriebstätte der beschränkten Steuerpflicht nur unterliegt, sofern die Beteiligung an der GmbH mindestens 10 % erreicht. Die gegenwärtige, internationalen Standards entsprechende Abgrenzung bliebe dadurch unverändert. Diese Regelung könnte gleichermaßen für mittelbare Zuwendungen durch Vorteilszuwendung an die GmbH gelten.
VII. Zusammenfassung Bei der Ausmessung der Rechtsformneutralität steht nicht die Unternehmensbesteuerung, sondern der Steuerbürger im Zentrum, weil er als letztlich Belasteter oberhalb und hinter dem Unternehmen steht und über dessen Struktur entscheidet, selbst wenn er kein Einzelunternehmer ist. Die ideale Rechtsformneutralität wird mit der transparenten Besteuerung eines Rechtsträgers erreicht. Diese Sicht eröffnet der GmbH die von der Wirtschaft benötigte transparente Besteuerung, gestattet die vereinfachende Reduzierung der GmbH & Co KG auf die Rechtsform GmbH und vermeidet eine Ausweitung der Schedulenbesteuerung auf die Unternehmensbesteuerung, die insbesondere den Mittelstand belasten würde, der sein Vermögen und damit seine Einkünfte regelmäßig aufgliedert in einen betrieblichen Teil einerseits und einen außerbetrieblichen, meist der Altersversorgung dienenden Teil anderseits. Die rechtsformneutrale Besteuerung des Steuerbürgers und die Vorrangigkeit transparenter Besteuerung unter Einschluss auch der GmbH ermöglicht zugleich eine einheitliche und damit rechtsformneutrale Besteuerung aller Un-
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ternehmen107. Eine derart ausgerichtete Unternehmensbesteuerung deckt mehr als 99 % aller Unternehmen mit dem einheitlichen Besteuerungsstatut der transparenten Besteuerung mit Einkommensteuer ab. Lediglich für rd. 1.200 AGs schließt die den Vorteil hoher Fungibilität vermittelnde Börsenfähigkeit das transparente Besteuerungsstatut technisch aus und bedingt die Rechtsträger- und damit Körperschaftsbesteuerung. Den rd. 453.000 GmbHs sollte gestattet werden, das intransparente Besteuerungsstatut beizubehalten, damit sie ihre eventuell kapitalistischen Ausrichtungen abfangen oder Unvollkommenheiten zur internationalen Steuerabgrenzung ausweichen können. Die derzeitige intransparente Besteuerung sollte als Regelstatut beibehalten und die Option zur transparenten Besteuerung eröffnet werden. Die deutsche Körperschaftsbesteuerung soll die Börsenfähigkeit der Aktie gewährleisten und verzichtet deshalb auf eine perioden- und folglich personengerechte Zuordnung des Einkommens. Sie vermag insbesondere die personalistisch bedingte inkongruente Gewinnverteilung nicht zu bewältigen. Als zwangsweises Besteuerungsstatut sollte sie auf die börsengehandelte AG beschränkt bleiben. Die beiden Systeme der Transparenz und Intransparenz dienen unterschiedlichen Zielen. Die Intransparenz und Rechtsträgerbesteuerung bewältigt kapitalistische Strukturen, während die Transparenz die zielgenauere Besteuerung und volle Ausschöpfung personalistischer Strukturen abdeckt. Maßgebend für den Einsatz dieser beiden Systeme sollte nicht die Rechtsform, sondern die Gesellschafterstruktur des Rechtsträgers sein. Die Option zwischen transparenter und intransparenter Besteuerung sollte folglich auch der Personengesellschaft eröffnet werden. Die transparente Besteuerung der GmbH behindert nicht die Entwicklung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für Kapitalgesellschaften in der europäischen Union. Hindernisse, die der Übernahme dieser einheitlichen Bemessungsgrundlage in die Einkommensbesteuerung des Gesellschafters einer GmbH entgegenstehen, sind bisher nicht zu erkennen. Mit der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer sind die Hinzurechnungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG und das Institut der Betriebsaufspaltung entbehrlich geworden; sie sollten aufgegeben werden oder, soweit unverzichtbar, durch systemkonforme Ergänzungen zum Gewerbesteuergesetz, zu § 23 EStG und zum Umwandlungssteuergesetz abgelöst werden. Daraus sind erhebliche Vereinfachungen für den Mittelstand und eine Anpassung des deutschen Steuerrechts an internationale Standards zu erwarten. Harald Schaumburg hat mit seinem Wirken der Politik immer wieder mit zweckmäßigen, vernünftigen Strukturen zur Lösung steuergesetzlicher Fragen
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107 Im Ergebnis P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Schriftenreihe des Instituts für Finanzund Steuerrecht Bd. 2 2003, 195; a. A J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, § 8 Rz. 86.
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beratend zur Seite gestanden. Insbesondere wenn sachgerechte Lösungen unter dem Druck von Haushaltszwängen und politischen Mehrheiten verworfen wurden, war er engagiert auf Seiten der Steuerpflichtigen zu finden, um die belastenden Folgen der Strukturverwerfungen abzuwehren. Das hat ihm allseits große Anerkennung und Respekt verschafft. Mit dem Beitrag der optional transparenten Besteuerung der GmbH, der weder alle Fragen ansprechen, noch sie umfassend beantworten kann, wird ihm eine besteuerungstechnische Herausforderung zum nationalen und internationalen Recht gewidmet. Sein immer vorhandenes, außerordentliches Engagement wird es ihm schwer machen, an dieser Herausforderung vorbeizugehen.
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Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – Bewertung aus Sicht eines international tätigen deutschen Personengesellschaftskonzerns Inhaltsübersicht I. Einführung II. Grundzüge der Thesaurierungsbegünstigung 1. Überblick 2. Wichtigste Regelungen im Einzelnen a) Begünstigte Einkünfte und begünstigter Personenkreis b) Bestimmung des nicht entnommenen Gewinns c) Wirkungen der Thesaurierungsbesteuerung d) Nachversteuerung e) Verlustverrechnung III. Thesaurierungsbegünstigung und ausländische Direktinvestitionen 1. Vorbemerkungen 2. Gewinne aus ausländischen Personengesellschaften a) Personengesellschaften in DBAStaaten aa) Laufende Besteuerung der Auslandsgewinne
bb) Besteuerung von Veräußerungsgewinnen cc) Progressionsvorbehalt b) Personengesellschaften in NichtDBA-Staaten aa) Laufende Besteuerung der Auslandsgewinne bb) Besteuerung von Veräußerungsgewinnen 3. Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften a) Besteuerung von Auslandsdividenden b) Besteuerung von ausländischen Veräußerungsgewinnen IV. Thesaurierungsbegünstigung bei im Ausland ansässigen Familiengesellschaftern V. Bewertung
I. Einführung Mit der Unternehmensteuerreform 2008 wollte der Steuergesetzgeber deutsche Unternehmen international steuerwettbewerbsfähig und den Investitionsstandort Deutschland für ausländische Investoren attraktiver machen. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit wurde in den im internationalen Vergleich hohen deutschen Steuersätzen gesehen. Nachdem der Gesetzgeber sein ursprüngliches Ziel einer grundlegenden Reform des deutschen Unternehmensteuerrechts, was neben einer Rechtsform- und Finanzierungsneutralität vor allem auch eine deutliche Steuervereinfachung mit sich bringen sollte, recht früh aufgegeben hatte, verblieb letztendlich die Steuersatzabsenkung als vorrangiges Ziel der Reform. Während diese Steuersatzabsenkung für Kapitalgesellschaften einfach durch Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % 319
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auf 15 % zu realisieren war, war es schließlich die Herausforderung bei der Reform, diese Steuersatzabsenkung auch für die Unternehmen herbeizuführen, die aufgrund ihrer Rechtsform eben nicht mit Körperschaftsteuer belastet sind, sprich die deutschen Personenunternehmen. Vor der gleichen Herausforderung hatte der Gesetzgeber bereits im Jahre 1999 gestanden, als er erstmals im Rahmen grundlegender Reformüberlegungen1 über signifikante Steuersatzabsenkungen nachdachte und schließlich den Körperschaftsteuersatz stufenweise von 45 % auf 25 % zurücknahm und die deutliche Mehrheit der deutschen Personenunternehmen an der Reform beteiligen musste. Seinerzeit hatte sich Harald Schaumburg in der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung2 und dem vom BMF eingesetzten Beirat für ein Besteuerungsmodell in Form der Sondertarifierung nicht entnommener Gewinne in Höhe des Körperschaftsteuersatzes und damit für eine einkommensteuerliche Tarifbegünstigung eingesetzt. Heraus kam als Reformansatz für Personenunternehmen weder die Sondertarifierung noch die von der Verfasserin damals favorisierte Körperschaftsteueroption, sondern die einkommensteuerliche Minderung durch Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG. Da in den Folgejahren der internationale Steuerwettbewerb weitere Absenkungen der deutschen Steuersätze einforderte, wurden 2005 wiederum grundlegende Reformüberlegungen angestellt und wieder nach einem Besteuerungsansatz gesucht, der es ermöglichte, die Personenunternehmen in den Genuss der geplanten Steuersatzabsenkungen zu bringen. Denn eine Entlastung der Personenunternehmen musste ohne Zweifel her, da diese Unternehmen – wie schon im Jahre 2000 – auch die weitreichenden steuerlichen Mehrbelastungen aus der Gegenfinanzierung der Reform mitzutragen haben. Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 20083 hat sich der Gesetzgeber schließlich für eine begünstigte Besteuerung von in Personenunternehmen thesaurierten Gewinnen und damit – wie bei der von Harald Schaumburg bereits 1999 geforderten Sondertarifierung – für eine Lösung innerhalb des Einkommensteuertarifs entschieden4. Anders als mit dem von der Stiftung Marktwirtschaft entwickelten Modell einer einheitlichen Unternehmensteuer5 wird mit der Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nach § 34a EStG an dem für Personenunternehmen geltenden Besteuerungsregime der steuerlichen Transparenz festgehalten. Mit ihr soll somit keine Rechtsformneutralität für Kapital- und Per-
__________ 1 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000 – StSenkG, BStBl. I 2000, 1428 ff. = BGBl. I 2000, 1433 v. 26.10.2000). 2 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Schriftenreihe des Bundesfinanzministeriums der Finanzen, Heft 66. 3 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 ff. 4 Basierend auf dem T-Modell des Wissenschaftlichen Beirats von Ernst & Young, BB 2005, 1653; sowie Fechner/Lethaus, Die Tarifrücklage – Eine Alternative zur satzermäßigten Besteuerung von Personenunternehmen, IFSt-Schriftnr. 437. 5 Vgl. Veröffentlichung Stiftung Marktwirtschaft vom 30.1.2006, Kommission „Steuergesetzbuch“, Steuerpolitisches Programm, Modul I.
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sonengesellschaften, wohl aber eine steuerliche Belastungsneutralität hergestellt werden. Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG ist im Fachschrifttum6 bereits eingehend beleuchtet worden und ihre Ausgestaltung ist in weiten Teilen auf heftigste Kritik gestoßen. Diese reicht bis zu der Fundamentalkritik mit einem „Aufruf zur Abschaffung der misslungenen Thesaurierungsbegünstigung“ von Knirsch/Maiterth/Hundsdoerfer7, dem sich viele Vertreter aus dem wissenschaftlichen Bereich angeschlossen haben. Allgemeines Ergebnis der Kritik an der Thesaurierungsbegünstigung ist, dass aufgrund ihrer Ausgestaltung nur wenige deutsche Personenunternehmen durch ihre Inanspruchnahme steuerliche Vorteile generieren können. Eine Belastungsneutralität zwischen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen werde damit nicht hergestellt. In Anbetracht der großen und inhomogenen Gruppe der deutschen Personenunternehmen ist diese Feststellung zweifellos zutreffend. Im Rahmen der ganzen kritischen Auseinandersetzung mit der Thesaurierungsbegünstigung darf nach Auffassung der Verfasserin jedoch nicht völlig außer Acht gelassen werden, für welche Gruppe von Personenunternehmen der Gesetzgeber die Thesaurierungsbegünstigung ins Gesetz genommen hat. Dies sind die – so die Gesetzesbegründung8 – ertragsstarken und international tätigen deutschen Personenunternehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit dem internationalen Steuerwettbewerb ausgesetzt sind9. Dies sind vor allem die in dieser Rechtsform organisierten großen deutschen Familienunternehmen. Aus Sicht einer solchen international tätigen deutschen Familienpersonengesellschaft soll hier die Thesaurierungsbegünstigung beleuchtet und bewertet werden, ob der Gesetzgeber mit dieser Regelung wirklich – wie behauptet – sein Ziel gänzlich verfehlt hat. Angesichts einer der vielen steuerrechtlichen Schwerpunkte des Wirkens von Harald Schaumburg soll in diesem Beitrag zu seiner Festschrift dabei vor allem auf internationale Aspekte dieser Neuregelung eingegangen werden.
__________ 6 U. a. Thiel/Sterner, DB 2007; Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085, Orthmann-Babel/ Zipfel, BB 2007, 2205; Hölzerkopf/Taetzner, BB 2007, 2769; Schiffers, GmbHR 2007, 841; Blum, BB 2008, 322; Ley, Ubg 2008, 13 und 214; Rogall, DStR 2008, 429; Wacker, FR 2008, 605; Cordes, WPg 2007, 526 und 1099; Goebel/Ungemach/Schmidt/ Siegmund, IStR 2007, 877; Husken/Schmidt/Siegmund, BB 2008, 1204; vgl. zur Auslegung durch Finanzverwaltung BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 (im Folgenden BMF zu § 34a EStG). 7 Knirsch/Maiterth/Hundsdoerfer, DB 2008, 1405; Replik Fechner/Bäuml, DB 2008, 1652; hierzu auch Siegel, FR 2008, 663. 8 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 32. 9 Konzentration auf ertragsstarke Personenunternehmen verfassungsrechtlich wohl unbedenklich, vgl. Schmidt/Wacker, EStG § 34a Rz. 12; zweifelnd Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz. 18.
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II. Grundzüge der Thesaurierungsbegünstigung 1. Überblick Ab dem Jahr 2008 können Einzelunternehmer und natürliche Personen, die an unternehmerisch tätigen Personengesellschaften beteiligt sind, nach § 34a EStG wählen, die im Unternehmen belassenen Gewinne – ganz, teilweise oder auch gar nicht – mit einem proportionalen Sondersteuersatz i. H. v. 28,25 % zu versteuern. Dieser Sondertarif kommt für nicht entnommene Gewinne aus den drei Gewinneinkunftsarten in Betracht, wenn der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelt wird und – was sich aus dem Gesetz nicht explizit ergibt – die Gewinne im zu versteuernden Einkommen (zvE) des Unternehmers enthalten sind10. Unter Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag soll sich dann für Personenunternehmer eine steuerliche Gesamtbelastung der thesaurierten Gewinne i. H. v. 29,8 % ergeben, was bei einem gewerbesteuerlichen Hebesatz von 400 % der steuerlichen Belastung von Kapitalgesellschaften entspricht. Dies ist jedoch nur – worauf im Schrifttum bereits eingehend hingewiesen wurde11 – eine idealtypische Belastungsquote, die vom Personenunternehmer in der Besteuerungspraxis kaum zu realisieren sein wird. Da dieser seine persönlichen Steuern, zu der eben auch die Sondersteuer gehört, regelmäßig durch Entnahmen finanzieren muss, und damit insoweit die Thesaurierungsbegünstigung nicht in Anspruch nehmen kann, wird die tatsächliche Belastungsquote der thesaurierten Gewinne diese 29,8 % übersteigen. Ihr übriges tut die Gewerbesteuer, die ab 2008 als Betriebsausgabe nicht mehr steuerabzugsfähig ist (§ 4 Abs. 5b EStG), und – infolge außerbilanzieller Korrektur – ebenfalls der Regelbesteuerung unterliegt. In Abhängigkeit von den für Steuerzahlungen erforderlichen Entnahmen wird sich für Personenunternehmer im Thesaurierungsfall eine Belastungsquote in einer Größenordnung von 36–38 % ergeben und damit nicht unerheblich über der von Kapitalgesellschaften liegen12. Die bei Vorliegen gewerblicher Gewinne anfallende Gewerbesteuer ist weiterhin nach § 35 EStG auf die Einkommensteuer – auch auf die Thesaurierungssteuer – anrechenbar mit der Folge, dass im Thesaurierungsfall die nach Anrechnung verbleibende Belastung des Personenunternehmers mit Einkommensteuer zwischen 16 % und 22 % ausmachen wird13. Werden dann jedoch die zunächst tarifbegünstigt besteuerten Gewinne in Folgejahren aus dem Unternehmen entnommen, entfällt die Voraussetzung für ihre Begünstigung und eine Nachversteuerung der Gewinne ist vorzunehmen (§ 34a Abs. 4 EStG). Diese erfolgt unter Anwendung eines ebenfalls proportionalen Steuersatzes i. H. v. 25 % (zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag) auf den nachversteuerungspflichtigen Betrag mit der Folge, dass die Gesamtsteuerbelastung nachversteuerter Gewinne – einkommensunabhängig – immer rd. 48,3 % be-
__________ 10 11 12 13
Vgl. Wacker, FR 2008, 605 (608). Vgl. Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1086); Thiel/Sterner, DB 2007, 1099. Vgl. Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1086). Abhängig von den Entnahmeerfordernissen für persönliche Steuerzahlungen.
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§ 34a EStG aus Sicht eines internationalen Personengesellschaftskonzerns
trägt14. Diese Belastung ist zwar nur rd. 1 %-Punkt höher als die einkommensteuerliche Regelbelastung von Gewinnen unter Anwendung des 45 %igen Spitzensteuersatzes (§ 32a Abs. 1 Nr. 5 EStG), übersteigt jedoch deutlich die Belastung von im progressiven Tarifverlauf regelversteuerten Gewinnen, was in der Praxis zwangsläufig zu einer – wahrscheinlich gesetzgeberisch nicht ungewollten – Begrenzung des durch § 34a EStG begünstigten Personenkreises führen wird. 2. Wichtigste Regelungen im Einzelnen a) Begünstigte Einkünfte und begünstigter Personenkreis Begünstigungsfähig nach § 34a EStG sind die sog. Gewinneinkünfte aus Landund Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit, soweit sie aus dem Unternehmen nicht entnommen werden und im zvE des Einzel- oder Mitunternehmers enthalten sind. Aufgrund der Vermeidung von Doppelbegünstigungen gilt die Thesaurierungsbegünstigung nicht für Veräußerungsgewinne, für die der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG beantragt wird sowie für Gewinne i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG15. Der gesetzlichen Einschränkung für die Begünstigung von Veräußerungsgewinnen kommt bei Mitunternehmern allerdings nur insoweit materielle Bedeutung zu, als solche Veräußerungsgewinne durch die Mitunternehmerschaft selbst realisiert werden, diese also z. B. einen Teilbetrieb oder die Beteiligung an einer Tochterpersonengesellschaft veräußert16. Trennt sich dagegen der Gesellschafter von seiner gesamten mitunternehmerischen Beteiligung, ist der erzielte Veräußerungsgewinn nicht nur nicht tarifbegünstigt, sondern die Veräußerung löst vielmehr die Nachversteuerung sämtlicher in der Vergangenheit begünstigt besteuerter Gewinne aus (§ 34a Abs. 6 Nr. 1 EStG). Gewinne aus der Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils sind als laufender Gewinn dagegen grds. begünstigt. Da es sich bei der Thesaurierungsbegünstigung um eine einkommensteuerliche Regelung handelt, kann sie nur von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden. Ebenso wie der Einzelunternehmer kann jeder an einer Mitunternehmerschaft beteiligte Gesellschafter individuell entscheiden, ob er von der begünstigten Besteuerung Gebrauch machen möchte oder nicht. Aufgrund dieser Personenbezogenheit der Begünstigung ist im Fall von doppeloder mehrstöckigen Personengesellschaften nicht die Oberpersonengesellschaft als solche, sondern nur der hinter ihr stehende Gesellschafter antragsberechtigt. Das Wahlrecht hat der Personenunternehmer jedes Jahr durch entsprechenden Antrag17 im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung auszuüben; wobei dieser Antrag für jeden einzelnen Betrieb oder Mitunternehmeranteil gesondert zu stellen ist (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG).
__________ 14 15 16 17
Zu den Belastungsrechnungen im Einzelnen vgl. Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085. Betr. den nach Teileinkünfteverfahren zu versteuernden sog. carried interest. Vgl. Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1090). Zur ganz- oder teilweisen Rücknahmemöglichkeit vgl. § 34a Abs. 1 Satz 4 EStG.
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Wegen der betriebs- bzw. mitunternehmeranteilsbezogenen Ausgestaltung der Regelung kommt es somit nicht zu einer Zusammenfassung aller Gewinneinkünfte des Unternehmers. Nur im Fall doppel- oder mehrstöckiger Personengesellschaften ist lediglich von einem einheitlichen Gewinn des Obergesellschafters auszugehen, der neben dem steuerlichen Gewinnanteil aus der Oberpersonengesellschaft auch etwaige Ergebnisse aus bei Unterpersonengesellschaften geführten Sonderbilanzen umfasst18. Diese Sichtweise der Finanzverwaltung, die nach Auffassung der Verfasserin sachgerecht ist, hat zur Folge, dass bei Personengesellschaftskonzernen Vermögenstransfers zwischen den Personengesellschaften das Thesaurierungsvolumen nicht beeinflussen und nur aus der Oberpersonengesellschaft getätigte Entnahmen für die Anwendung des § 34a EStG von Bedeutung sind. Eine andere Auslegung würde nach Dafürhalten der Verfasserin die Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung bei Personengesellschaftskonzernen in der Praxis nahezu unmöglich machen. Bei Mitunternehmeranteilen kann der Antrag allerdings nur dann gestellt werden, wenn der Anteil des Mitunternehmers am Gewinn mehr als 10 % beträgt oder 10.000 Euro übersteigt (§ 34a Abs. 1 Satz 3 EStG). Das Wohnsitzfinanzamt hat dann auf das Ende eines jeden Veranlagungszeitraums den nachversteuerungspflichtigen Betrag gesondert festzustellen (§ 34a Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 9 EStG). b) Bestimmung des nicht entnommenen Gewinns Der nicht entnommene Gewinn des Betriebs oder Mitunternehmeranteils, für den die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen werden kann, definiert sich als der durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn, vermindert um den positiven Saldo aus Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres (§ 34a Abs. 2 EStG). Im Fall eines positiven Saldos (Entnahmenüberhang) entspricht er damit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen zum Beginn und zum Ende eines Wirtschaftsjahres. Sofern die vom Unternehmer geleisteten Einlagen seine Entnahmen übersteigen (Einlagenüberhang), ist der nicht entnommene Gewinn deckungsgleich mit dem steuerlichen Gewinn i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG19. Denn ein Einlagenüberhang bleibt bei der Bestimmung des nicht entnommenen Gewinns gänzlich unberücksichtigt. Maßgebende Gewinngröße für die Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns ist somit der Gewinn, der sich auf der Grundlage der Steuerbilanz ergibt. Bei Mitunternehmern ist dies der Gewinnanteil aus der steuerlichen Gesamtbilanz, der neben dem Gewinnanteil lt. steuerlicher Gesamthandsbilanz auch die Ergebnisse aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen mit umfasst20.
__________ 18 So auch BMF zu § 34a EStG, Tz. 21; Ley, Ubg, 13 (19); a. A. Wacker, FR 2008, 605 (610). 19 Vgl. im Einzelnen Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1090). 20 Vgl. BMF zu § 34a EStG, Tz. 13.
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§ 34a EStG aus Sicht eines internationalen Personengesellschaftskonzerns
Der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelte Steuerbilanzgewinn entspricht jedoch regelmäßig nicht den steuerpflichtigen Gewinneinkünften, die in das zvE des Personenunternehmers einfließen. Im Steuerbilanzgewinn enthalten sind alle steuerfreien Gewinne, wie z. B. steuerfreie ausländische Betriebsstätteneinkünfte und sonstige nach § 3 EStG steuerfreie betriebliche Einnahmen21. Demgegenüber ist der Steuerbilanzgewinn um steuerlich nicht abziehbare Betriebsausgaben (z. B. § 4 Abs. 4a, 5 oder § 4h EStG) gemindert. Hierzu gehört nach vorherrschender Rechtsauffassung nunmehr auch die Gewerbesteuer (§ 4 Abs. 5b EStG)22. Diese außerbilanziellen Hinzurechnungen und Kürzungen beeinflussen den steuerpflichtigen Gewinn, nicht aber den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder 5 EStG ermittelten und für Zwecke des § 34a EStG relevanten Steuerbilanzgewinn23. Zwecks Bestimmung des Begünstigungsbetrages ist der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen vom Steuerbilanzgewinn in Abzug zu bringen. Was als Entnahme bzw. Einlage gilt, bestimmt sich nach den allgemeinen Steuerrechtsgrundsätzen24. Hier ist bei Beteiligungen an Mitunternehmerschaften nicht nur auf das Gesamthandsvermögen, sondern auch auf das Sonderbetriebsvermögen abzustellen. Entnahmen aus dem – dem einzelnen Gesellschafter rechtlich zustehenden – Sonderbetriebsvermögen, wie z. B. Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen, können damit bewirken, dass nicht nur eine Begünstigung von im entsprechenden Jahr im gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsvermögen thesaurierter Gewinne entfällt, sondern auch eine Nachversteuerung von in Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinnen ausgelöst wird. c) Wirkungen der Thesaurierungsbesteuerung Hinsichtlich des nicht entnommenen Gewinns, soweit dieser steuerpflichtig und damit im zvE enthalten ist, kann der Personenunternehmer wählen, diesen begünstigt zu versteuern oder der Regelbesteuerung nach Maßgabe des progressiven Einkommensteuertarifs (§ 32a Abs. 1 EStG) zu unterwerfen. Insoweit als er die Begünstigung wählt, ergibt sich für ihn ein Begünstigungsbetrag (§ 34a Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Begünstigungsbetrag des Jahres, reduziert um die darauf entfallende 29,8 %ige Thesaurierungsbelastung, geht in den nachversteuerungspflichtigen Betrag ein (§ 34a Abs. 3 Satz 2 EStG). Bei späterer Entnahme des Gewinns ist dieser nachversteuerungspflichtige Betrag der 25 %igen Nachsteuer zu unterwerfen. Der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen (Entnahmenüberhang) ist dagegen nicht tarifbegünstigt, sondern grds. der Regelbesteuerung zuzuführen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund von außerbilanziellen Korrektu-
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21 So auch Wacker, FR 2008, 605 (608); Ley, Ubg 2008, 13 (18). 22 U. A. Wacker FR, 605 (608); Ley, Ubg 2008, 13 (18); a. A. wohl Cordes, Wpg 2007, 526 Fn. 10. 23 Vgl. BMF zu § 34a EStG, Tz. 11; Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1091 f.); a. A. Wassermeyer, IStR 2001, 633 ff. 24 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG; zur Behandlung von Entnahmen i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vgl. BMF zu § 34a EStG, Tz. 14 i. V. m. Tz. 34 ff.
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ren der in das zvE einfließende steuerpflichtige Gewinn des (Mit)Unternehmers niedriger ist als sein (anteiliger) Steuerbilanzgewinn. Dies setzt voraus, dass die außerbilanziellen Kürzungen die außerbilanziellen Hinzurechnungen betragsmäßig übersteigen (sog. Kürzungsüberhang). Ein solcher Kürzungsüberhang versetzt den Personenunternehmer somit in die Lage, Entnahmen aus dem Unternehmen zu tätigen, ohne eine Regelbesteuerung von Gewinnen auszulösen25. Ein Hinzurechnungsüberhang ist dagegen in jedem Fall der Regelbesteuerung zu unterwerfen und kann – anders als getätigte Entnahmen – nicht vom Personenunternehmer durch wirtschaftsjahrgleiche Einlagen kompensiert werden. Steuerfreie Gewinne bleiben auch bei Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung steuerfrei. Sie können im Jahr ihrer Erzielung ohne steuerliche Konsequenzen vom Personenunternehmer entnommen werden und gelten – aufgrund der dem Gesetz „gedanklich“ zugrunde liegenden Verwendungsreihenfolge – stets als zuerst entnommen26. Dies gilt allerdings nur im Jahr ihrer Erzielung, nicht aber bei Entnahme dieser Gewinne erst in Folgejahren. Regelbesteuerte Gewinne, die der Personenunternehmer nicht entnimmt, sind bei späterer Entnahme nachversteuerungsfrei. Entsprechendes gilt für thesaurierte steuerfreie Gewinne sowie für alle Altgewinne, die vor erstmaliger Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung erzielt und nicht entnommen wurden, und natürlich für alle vom Gesellschafter geleistete Einlagen. Ungeachtet der fehlenden Nachversteuerung besteht allerdings bei Personenunternehmen das grundlegende Problem, dass ein unmittelbarer Zugriff auf diese steuerfreien oder bereits versteuerten thesaurierten Gewinne in Folgejahren aufgrund der gesetzestechnischen Verwendungsreihenfolge verwehrt sein kann (sog. Einschluss- oder Lock-In Effekt der Regelung). Denn zunächst müssen alle in Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinne nachversteuert werden, bevor auf diese Gewinnthesaurierungen zugegriffen werden kann. Dieser Lock-In Effekt hat bei Personenunternehmern vor erstmaliger Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung (regelmäßig vor Ende 2007) einen außerordentlichen Entnahmedruck hinsichtlich sog. Altgewinne und -rücklagen erzeugt und wird dazu führen, dass diese auch weiterhin bestrebt sein werden, steuerfreie oder regelversteuerte Gewinne im Jahr ihrer Erzielung nicht im Unternehmen zu belassen, was zweifellos der Eigenkapitalbildung von Personenunternehmen nicht zuträglich sein wird. d) Nachversteuerung Zu einer Nachversteuerung von begünstigt besteuerten Gewinnen mit dem proportionalen Satz von 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag kommt es immer dann, wenn der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen den steuerbilanziellen Gewinn des Jahres übersteigt (Nachversteuerungsbetrag) und ein
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25 Entsprechendes gilt für die Nachversteuerung von Entnahmenüberhängen nach § 34a Abs. 4 EStG. 26 Zur Verwendungsreihenfolge vgl. BMF zu § 34a EStG, Tz. 29.
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nachversteuerungspflichtiger Betrag zum Vorjahresende festgestellt worden ist (§ 34a Abs. 4 EStG). Die Ausgestaltung der Gesetzesvorschrift impliziert damit eine Reihenfolge hinsichtlich der Verwendung von Gewinnen, die gedanklich mit Entnahmenüberhängen verrechnet werden. Steuerfreie Gewinne, bestehend aus der Differenz aus außerbilanziellen Kürzungen und Hinzurechnungen eines Wirtschaftsjahres, kommen danach grds. zuerst zur Entnahme. Darüber hinausgehende Entnahmen werden dann zunächst mit dem steuerpflichtigen Gewinn des laufenden Jahres verrechnet. Daran schließt sich eine Verrechnung mit dem auf das Ende des Vorjahres festgestellten nachversteuerungspflichtigen Betrages an. Erst wenn ein solcher „verbraucht“ ist, kann auf in Vorjahren thesaurierte steuerfreie und regelversteuerte Gewinne – nachversteuerungsfrei – zugegriffen werden. Entsprechendes gilt für vom Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen oder in sein Sonderbetriebsvermögen geleistete Einlagen. Damit setzt eine Nachversteuerung immer – das Vorhandensein eines nachversteuerungspflichtigen Betrages unterstellt – bei Entnahmenüberhängen in solchen Jahren ein, in denen kein steuerbilanzieller Gewinn bzw. ein Verlust erzielt wird. Lediglich hinsichtlich von Entnahmen zur Begleichung der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf das übertragene Betriebsvermögen sieht das Gesetz eine Sonderregelung vor27. Diese Entnahmen mindern den Nachversteuerungsbetrag nach § 34a Abs. 4 Satz 3 EStG, nicht aber den nachversteuerungspflichtigen Betrag nach § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG. Damit wird durch diese Regelung eine aktuelle Nachversteuerung im Fall von Entnahmen für erforderliche Zahlungen von Erbschaft- und Schenkungsteuer vermieden; diese Nachversteuerung wird allerdings nur in die Zukunft verlagert28. Immer ist eine Nachversteuerung eines vorhandenen nachversteuerungspflichtigen Betrages auch bei der Beendigung des unternehmerischen Engagements in der bisherigen rechtlichen Form (Veräußerung, Einbringung in Kapitalgesellschaft, Formwechsel) vorzunehmen oder wenn eine solche beantragt wird (vgl. § 34a Abs. 6 EStG)29. Bei unentgeltlichen Übertragungen von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen nach § 6 Abs. 3 EStG geht der nachversteuerungspflichtige Betrag auf den Rechtsnachfolger über (§ 34a Abs. 7 EStG). Auch bei Einbringung eines Betriebs/Mitunternehmeranteils zu Buchwerten nach § 24 UmwStG unterbleibt eine Nachversteuerung, indem der nachversteuerungspflichtige Betrag auf den neuen Betrieb/Mitunternehmeranteil übergeht. Entsprechendes gilt bei der Übertragung oder Überführung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG, wenn durch die Übertragung (Entnahme) ein Nachversteuerungsbetrag entsteht und vom Personenunternehmer in Höhe des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsgutes eine Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrages beantragt wird (§ 34a Abs. 5 EStG).
__________ 27 Sonderregelung gilt nicht bei Übertragung von Mitunternehmerteilanteilen; kritisch Ley, Ubg 2008, 13 (22). 28 So auch Ley, Ubg 2008, 13 (22); Schmidt/Wacker, EStG, § 34a Rz. 65. 29 U. U. zinslose Stundung nach § 34a Abs. 6 Satz 2 EStG in Härtefällen.
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Wie sich der nachversteuerungspflichtige Betrag im Einzelnen zusammensetzt, bestimmt § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG. Der jährlich vom Wohnsitzfinanzamt gesondert festzustellende nachversteuerungspflichtige Betrag entspricht – vereinfacht – den in den Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinnen abzgl. der auf ihnen lastenden 29,8 %igen Thesaurierungsbelastung sowie der bereits in diesen Jahren entstandenen Nachversteuerungsbeträge. e) Verlustverrechnung Hinsichtlich der Verlustverrechnung ist nur anmerken, dass § 34a Abs. 8 EStG zwar eine Verrechnung von Verlusten im Bereich der regelbesteuerten Einkünfte mit thesaurierungsbegünstigten Gewinnen ausschließt. Diese Verlustverrechnungsbeschränkungen führen jedoch faktisch nicht zu Einschränkungen beim Verlustausgleich oder -abzug für den Personenunternehmer, da durch entsprechende Wahlrechtsausübung auf Verzicht der Vergünstigung eine uneingeschränkte Verlustverrechnung – wenn sie denn vom Steuerpflichtigen gewollt ist – jederzeit herbeigeführt werden kann.
III. Thesaurierungsbegünstigung und ausländische Direktinvestitionen 1. Vorbemerkungen Die großen deutschen international tätigen Familienunternehmen verfügen regelmäßig über ein weitreichendes Netz von Beteiligungen, über die sie ihre unternehmerischen Aktivitäten im In- und Ausland wahrnehmen. Die ausländischen Direktinvestionen werden entweder in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft oder der der Personengesellschaft geführt; nur selten wird die unternehmerische Tätigkeit in einer rechtlich unselbständigen Betriebsstätte wahrgenommen. Nachfolgend wird aufgezeigt, welche Besteuerungswirkungen sich aufgrund solcher Auslandsengagements beim Gesellschafter der inländischen Personengesellschaft im Hinblick auf die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG ergeben. Da aus deutscher Steuersicht für die Besteuerung von gewerblich tätigen Personengesellschaften weitestgehend30 die für Betriebsstätten geltenden Besteuerungsgrundsätze maßgebend sind, wird nur auf die Auslandspersonengesellschaft Bezug genommen. Anders als bei ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen wird im Folgenden bei Personengesellschaftsengagements zwischen solchen in DBA-Staaten und in Nicht-DBA-Staaten unterschieden. Soweit DBA-Recht angesprochen wird, wird auf das OECDMusterabkommen (OECD-MA)31 rekurriert, das regelmäßig für die von Deutschland bilateral abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen als Modell herangezogen wird.
__________ 30 Unterschiede z. B. im Hinblick auf Sondervergütungen; vgl. zuletzt BFH v. 17.10. 2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659. 31 In seiner Fassung vom 15.7.2005.
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2. Gewinne aus ausländischen Personengesellschaften a) Personengesellschaften in DBA-Staaten aa) Laufende Besteuerung der Auslandsgewinne Steuerliche Pflichten im In- und Ausland: Die laufenden Gewinne, die die inländische Oberpersonengesellschaft aus ihrer ausländischen Tochtergesellschaft erzielt, sind regelmäßig sowohl im Ausland wie auch im Inland einkommensteuerpflichtig, wobei sich aufgrund der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft die steuerlichen Pflichten auf Ebene der Gesellschafter (natürliche Personen) der Oberpersonengesellschaft ergibt32. Durch die unternehmerisch tätige Auslandspersonengesellschaft wird regelmäßig eine Betriebsstätte (zumindest Geschäftsleitungsbetriebsstätte) i. S. d. Art. 5 OECDMA begründet, die stets Anknüpfungspunkt für eine (beschränkte) Einkommensbesteuerung des Inlandsgesellschafters im Ausland darstellt. Die Berücksichtigung der ausländischen gewerblichen Gewinneinkünfte im Rahmen seiner unbeschränkten deutschen Steuerpflicht bleibt grds. unberührt (§§ 1 Abs. 1, 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Im DBA-Fall steht das Besteuerungsrecht für unternehmerische Gewinne bei Vorliegen einer Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA dem ausländischen Betriebsstättenstaat zu, während die Gewinne – und zwar im Jahr ihrer Erzielung – in Deutschland regelmäßig unter Progressionsvorbehalt33 steuerfrei gestellt sind (Art. 23A Abs. 1 und 3 OECD-MA). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass transparent besteuerte Personengesellschaften – obwohl Person im Sinne des Abkommens – selbst nicht abkommensberechtigt sind, da ihnen aufgrund fehlender Steuerpflicht die Ansässigkeit in einem der beiden Vertragsstaaten fehlt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Die durch die Auslandspersonengesellschaft etablierte Betriebsstätte wird für Zwecke der Anwendung des Abkommens den Gesellschaftern der Inlandspersonengesellschaft direkt als eigene Betriebsstätte zugerechnet mit der Folge, dass nur diese die abkommensrechtlichen Begünstigungen in Anspruch nehmen können34. Dies gilt für Zwecke der deutschen Wohnsitzbesteuerung der Gesellschafter selbst dann, wenn die Auslandspersonengesellschaft in ihrem Sitzstaat nach Kapitalgesellschaftsgrundsätzen besteuert wird. Aufgrund der im Ausland bestehenden Intransparenz gilt die Gesellschaft dann zwar als ansässig im Sinne des einschlägigen Abkommens; die steuerliche Wertung der aus der Gesell-
__________ 32 Etwas anderes gilt z. B. in Italien, wo italienische Personengesellschaften als transparent, ausländische Personengesellschaften dagegen als intransparent besteuert werden. 33 Vgl. zur Abschaffung des Progressionsvorhalts in EU/EWR Fällen durch das Jahressteuergesetz 2009, § 32b Abs. 1 S. 2 EStG neu. 34 Vgl. Entwurf des BMF-Schreibens zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften (Fassung vom 10.5.2007) Tz. 2.1.1.
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schaft erzielten Einkünfte im Rahmen der deutschen Wohnsitzbesteuerung bleibt dadurch jedoch unberührt35. Während eine rechtlich unselbständige Betriebsstätte ohnehin im Rechnungslegungswerk des inländischen Stammunternehmens buchhalterisch abzubilden ist, findet regelmäßig auch das Beteiligungsergebnis aus der Auslandspersonengesellschaft Eingang in die Handelsbilanz, in jedem Fall jedoch in die Steuerbilanz der inländischen Oberpersonengesellschaft36. Dabei kann dahinstehen, nach welchen Grundsätzen die Bilanzierung im Rahmen der inländischen Steuerbilanz zu erfolgen hat37. Während die Auslandspersonengesellschaft ihren Gewinn nach den nationalen Rechtsvorschriften ihres Sitzstaates zu ermitteln hat, sind die dem deutschen Gesellschafter zuzurechnenden Einkünfte für inländische Besteuerungszwecke grds. nach deutschen Steuerrechtsvorschriften (§§ 4 Abs. 1; 5 EStG) zu bestimmen38. Damit umfasst das Ergebnis nicht nur den anteiligen Gewinn aus der Auslandspersonengesellschaft, sondern auch die Ergebnisse aus den nach deutschen Grundsätzen zu führenden Sonder- und Ergänzungsbilanzen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. HS EStG). Neben den sog. Sondervergütungen fließen somit auch die Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben in das Ergebnis der Personengesellschaftsbetriebsstätte ein39. Anders als die Gewinnanteile aus der Auslandspersonengesellschaft werden die Sondervergütungen, die in aller Regel im Rahmen der steuerlichen Ergebnisermittlung im Ausland steuerabzugsfähig sind, regelmäßig nicht von der Steuerfreistellung erfasst. Während die deutsche Finanzverwaltung Sondervergütungen den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) aus der ausländischen Personengesellschaft zuordnet und diese von der inländischen Besteuerung freistellt, sofern es nicht aufgrund eines Qualifikationskonflikts zu einer Nicht-Besteuerung der Sondervergütungen kommt und erst dann zwecks Vermeidung von Nicht-Besteuerungen von einem Übergang von der Freistellungszur Anrechnungsmethode ausgeht40, sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung41 die Sondervergütungen regelmäßig unter den jeweils einschlägigen Abkommensartikel zu subsumieren. Zinsen, die die inländische Personengesellschaft für Kapitalüberlassungen an ihre ausländische Tochterpersonengesellschaft erzielt, unterfallen danach dem Zinsartikel (Art. 11 OECD-MA) mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht für die Zinsen – abgesehen von dem
__________ 35 Gewinnentnahmen gelten im Ausland dann als Dividenden und werden dort regelmäßig mit Quellensteuer belegt. 36 BMF zu § 34a EStG, Tz. 18; vgl. auch Wacker, FR 2008, 605 (608); Ley, Ubg 2008, 13 (18). 37 Kapitalspiegelmethode kann in Praxis nicht angewandt werden, da weder die Auslandspersonengesellschaft noch ihr inländischer Gesellschafter im Inland buchführungs- und bilanzierungspflichtig ist; darüber hinaus regelmäßig Währungsproblematik. 38 Vgl. BFH v. 22.5.1991 – I R32/90 BStBl. II 1992, 94. 39 Vgl. u. a. Jakobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., 528 ff. 40 Vgl. Entwurf BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften Tz. 4.1.3. 41 Vgl. bereits BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444.
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Quellensteuerabzugsrecht – dem Wohnsitzstaat zusteht. Im sog. OutboundFall kommen Finanzverwaltung und BFH somit zu dem gleichen steuerlichen Ergebnis, wonach die Sondervergütungen, die den steuerlichen Gewinn der Auslandspersonengesellschaft gemindert haben, im Inland nicht wie der Gewinnanteil aus der Gesellschaft steuerfrei zu stellen sind. Insoweit findet die Steueranrechnung Anwendung (Art. 23B OECD-MA). Aufwendungen, die auf Ebene der Inlandspersonengesellschaft in Zusammenhang mit der Auslandsbeteiligung entstanden sind, sind nach herrschender Rechtsauffassung gewinnmindernd dem Ergebnis der Auslandsgesellschaft zuzurechnen und damit im Rahmen der Inlandsbesteuerung nicht steuerabzugsfähig42. Mit der Frage, wie hinsichtlich dieser Sonderbetriebsausgaben zu verfahren ist, wenn sie – wie es bei intransparenten Auslandspersonengesellschaften der Fall ist – im Rahmen der ausländischen Gewinnermittlung unberücksichtigt bleiben, hat sich nach Wissen der Verfasserin der BFH noch nicht auseinandergesetzt. Da die Gewinne aus ausländischen Personengesellschaften jedoch für deutsche Besteuerungszwecke nach deutschen Grundsätzen zu ermitteln sind, dürfte – ungeachtet des steuerlichen Leerlaufens solcher Aufwendungen – von einer Zuordnung zu den steuerfreigestellten Unternehmensgewinnen und damit einer Nichtberücksichtigung im Inland auszugehen sein43. Etwas anderes dürfte dagegen für solche Aufwendungen gelten, die direkt mit den im Inland steuerpflichtigen Sondervergütungen in wirtschaftlichem Veranlassungszusammenhang stehen (z. B. Refinanzierungskosten für Gesellschafterdarlehen44). Begünstigungsfähigkeit der Auslandsgewinne nach § 34a EStG: Während die nach deutschen Steuerrechtsgrundsätzen ermittelten ausländischen Personengesellschaftsgewinne in voller Höhe in den nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten Steuerbilanzgewinn des Inlandsunternehmens eingehen, sind sie – insoweit als sie steuerfreigestellt sind – nicht in dem steuerpflichtigen Gewinn bzw. Gewinnanteil des inländischen Personengesellschafters (Mitunternehmers) und seinem zvE enthalten. Die DBA-Freistellung der Gewinne ist außerbilanziell zu berücksichtigen. Insoweit als ausländische Personengesellschaftsgewinne abkommensrechtlich von der deutschen Besteuerung freigestellt sind, sind sie nicht nach § 34a EStG begünstigt. Sie bleiben im Inland steuerfrei und unterliegen auch in keinem Fall einer Nachversteuerung, aber – wenn sie nicht im Jahr ihrer Erzielung vom Gesellschafter aus dem Unternehmen entnommen werden – dem sog. Lock-In Effekt. Zugerechnet und freigestellt werden die Gewinne im Jahr ihrer Erzielung durch die Auslandspersonengesellschaft, während ihre (spätere) Entnahme aus der Gesellschaft für die inländische Besteuerung nicht von Bedeutung ist. Dies gilt
__________ 42 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., 531. 43 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06, DStRE 2008, 1263 zu umrechnungsbedingten Währungsverlusten. 44 Greif in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, E 52.
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m. E. auch für die Anwendung des § 34a EStG45. Die regelmäßig im Inland steuerpflichtigen Sondervergütungen aus der Auslandspersonengesellschaft gehen dagegen in den Begünstigungsbetrag ein. Damit verschaffen ausländische Betriebsstättengewinne im Jahr ihrer Erzielung dem inländischen Mitunternehmer Potential, trotz getätigter Entnahmen(überhänge) oder notwendiger Hinzurechnungen außerhalb der Steuerbilanz auf die Vorteile aus der Thesaurierungsbegünstigung nicht verzichten zu müssen. Die spätere Entnahme der Gewinne aus der Auslandspersonengesellschaft ist – da bloße Entnahme – für die inländische Besteuerung ohne jegliche Relevanz. Dies gilt – folgt man der m. E. zutreffenden Auffassung der Finanzverwaltung – auch für die Anwendung des § 34a EStG. Denn bei doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen geht die deutsche Finanzverwaltung davon aus, dass für Zwecke des § 34a EStG von der Ermittlung eines einheitlichen Gewinns des Obergesellschafters auszugehen ist. Dies gilt nach Auffassung der Verfasserin nicht nur für inländische, sondern auch für Beteiligungsstrukturen mit Auslandsbezug. Entnahmen und Einlagen zwischen Mutter- und Tochterpersonengesellschaft beeinflussen somit das Thesaurierungsvolumen nicht, sondern nur solche Vermögenstransfers, die sich auf Ebene des Gesellschafters der Obergesellschaft vollziehen. Gegenteilige Wirkungen im Hinblick auf die Thesaurierungsbegünstigung ergeben sich im Fall von Verlusten aus ausländischen Personengesellschaftsbeteiligungen. Diese Verluste, die seit Abschaffung des § 2a Abs. 3 und 4 EStG46 im Inland nicht mehr steuerabzugsfähig sind, mindern das Steuerbilanzergebnis der Inlandspersonengesellschaft, nicht aber den steuerpflichtigen Gewinn und damit das zvE des Gesellschafters. Zu der Frage, ob die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste mit dem Europarecht in Einklang steht, hat der EuGH mit Urteil vom 15.5.200847 entschieden, dass eine inländische Verlustberücksichtigung auch bei EU-Betriebsstätten nur im Fall definitiv fehlender Berücksichtigung im Betriebsstättenstaat erforderlich ist und hat damit diese bis zur Beendigung der Betriebsstätte hinausgeschoben. Im Hinblick auf die Thesaurierungsbegünstigung können damit ausländische Personengesellschaftsverluste einer begünstigten Besteuerung von thesaurierten Gewinnen entgegenstehen und insoweit eine Regelbesteuerung auslösen, selbst wenn der Mitunternehmer im entsprechenden Jahr keine Entnahmen getätigt hat.
__________ 45 Zu einem anderen Ergebnis kommt man bei der von Wacker vertretenen Auffassung, FR 2008, 605 (610); vgl. zu doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen auch Rogall, DStR 2007, 429 (432). 46 Mit Wirkung 1999 durch Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BStBl. I 1999, 308. 47 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831 = BB 2008, 1323, hierzu Sedemund, DB 2008, 1120; vgl. zur Behandlung ausländischer Betriebsstättenverluste auch BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, DB 2008, 2114.
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Da im DBA-Fall ausländische Betriebsstättenergebnisse aufgrund der von deutscher Seite praktizierten Freistellungsmethode grds. zu einem Abweichen zwischen Steuerbilanzgewinn und dem in das zvE einfließenden steuerpflichtigen Gewinn führen, können sie das Begünstigungsvolumen i. S. v. § 34a EStG nicht nur positiv, sondern auch negativ beeinflussen. Da bei grenzüberschreitenden Engagements von Familienunternehmen dem Verlustfall dann jedoch die untergeordnete Bedeutung zukommen sollte, ist für Unternehmen mit ausländischen Personengesellschaftsbetriebsstätten die Ausgestaltung der Thesaurierungsbegünstigung insoweit als steuervorteilhaft zu bewerten, was – wie Wacker anmerkt48 – zweifellos bei diesen Unternehmen den „Sympathiewert“ der Regelung deutlich erhöht. Um den sog. Lock-In Effekt zu vermeiden, empfiehlt es sich in der Praxis, bei Erzielung von steuerfreien Betriebsstättengewinnen den nach Saldierung mit außerbilanziellen Hinzurechnungen verbleibenden (positiven) Differenzbetrag im Jahr der Erzielung zur Entnahme zu bringen. Dieser steuerlichen Empfehlung kann jedoch bei den großen deutschen Familienpersonengesellschaften nur begrenzt gefolgt werden, da die Gesellschaftsverträge regelmäßige Gewinnentnahmeregelungen und damit Verfügungsbeschränkungen enthalten, die eine gesellschafterindividuelle Entscheidung über Entnahmen regelmäßig nicht zulassen. bb) Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Das für laufende Gewinne Gesagte gilt in gleicher Weise für Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften i. S. d. §§ 16, 34 EStG. Das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung steht nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA ebenfalls dem Betriebsstättenstaat zu, während Deutschland als Wohnsitzstaat die Veräußerungsgewinne regelmäßig mit Progressionsvorbehalt49 steuerfreistellt (Art. 23A Abs. 1, 3 OECD-MA)50. In gleicher Weise sollen nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung auch Veräußerungsverluste im Rahmen der inländischen Besteuerung unberücksichtigt bleiben. Sofern die Betriebsstätte in einem EU/EWR-Staat belegen ist, dürfte aufgrund der Entscheidung des EuGH51 eine Verlustberücksichtigung – sofern eine solche im Betriebsstättenstaat nicht erfolgt – im Veräußerungsfall und damit der Beendigung des Betriebsstättenengagements im Inland regelmäßig gegeben sein. Wird die Auslandspersonengesellschaft in ihrem Sitzstaat als Kapitalgesellschaft besteuert, kommt es hinsichtlich des Veräußerungsergebnisses zu einem Qualifikationskonflikt unter dem Abkommen, da der Sitzstaat den Veräußerungsgewinn unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA subsumiert. Bei einem Qualifika-
__________ 48 Wacker, FR 2008, 605 (608). 49 Zum Progressionsvorbehalt bei Veräußerungsgewinnen vgl. Fünftelregelung nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG. 50 Vgl. Einschränkung auf Drittstaatenfälle in § 32b Abs. 1 S. 2 i. d. F. JStG 2009. 51 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831 = BB 2008, 1325.
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tionskonflikt, der zu einer Nichtbesteuerung des Gewinns führen würde, entfällt allerdings die Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns in Deutschland als Wohnsitzstaat. Selbst wenn sich der Rückfall des Besteuerungsrechts nicht bereits aus dem anzuwendenden DBA52 ergibt, steht ab dem Jahre 2007 der § 50d Abs. 9 EStG einer Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns entgegen53. Dies muss jedoch nach Auffassung der Verfasserin – wenn für Gewinne – auch für Veräußerungsverluste aus ausländischen intransparenten Personengesellschaften gelten, die aufgrund der ausländischen Qualifikation dort steuerlich unberücksichtigt bleiben. Dies gilt nicht nur in EU-Fällen, sondern m. E. immer dann, wenn die Auslandspersonengesellschaft in ihrem Sitzstaat steuerintransparent ist mit der Folge, dass solche Verluste im Rahmen der inländischen Besteuerung zu berücksichtigen sind54. Soweit die Veräußerungs- oder Aufgabegewinne im Inland steuerpflichtig sind, gehen sie auch in den thesaurierungsbegünstigten Betrag ein, falls § 34a Abs. 1 Satz 2 EStG nichts Abweichendes bestimmt. cc) Progressionsvorbehalt Hinsichtlich der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte stellt sich grds. noch die Frage, wie im Fall der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung der im Abkommen vorgesehene Progressionsvorbehalt (Art. 23A Abs. 3 OECD-MA) nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG55 anzuwenden ist56. Nach Auffassung der Verfasserin kann dem Progressionsvorbehalt nur im Rahmen der Regelbesteuerung, sprich bei Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs nach § 32a EStG, Bedeutung zukommen. Insoweit als Gewinne nach § 34a EStG begünstigt besteuert werden, sind sie aus dem progressiv versteuerten Einkommen auszuscheiden (§ 32a Abs. 1 Satz 2 EStG). Die auch zukünftig für Progressionsvorbehaltszwecke zu berücksichtigenden steuerfrei gestellten Betriebsstättengewinne sind – im Jahr ihrer Erzielung – damit bei Ermittlung des Steuersatzes für das nach § 32a EStG regelbesteuerte Einkommen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige sämtliche Gewinne im Unternehmen belässt und hierfür die Tarifbegünstigung wählt, er aber darüber hinaus Überschusseinkünfte erzielt, die der Regelbesteuerung unterliegen. Die steuerfreien Betriebsstätteneinkünfte sind dann bei Ermittlung des Steuersatzes für die Überschusseinkünfte zu berücksichtigen. Sofern
__________ 52 So z. B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA i. d. F. des Änderungsprotokolls v. 1.6.2006. 53 Die Finanzverwaltung ging allerdings auch früher bereits von einem Übergang von der Freistellung zur Anrechnung in solchen Qualifikationskonfliktfällen aus; vgl. bereits BMF-Schreiben v. 28.5.1998 zur steuerlichen Behandlung spanischer Personengesellschaften nach dem deutsch-spanischen DBA, BStBl. I 1998, 557; Entwurf BMFSchreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften Tz. 4.2.1; einen Übergang zur Anrechnungsmethode sieht auch Art. 23A Abs. 4 OECD-MA vor (eingefügt im April 2000). 54 Hierzu hat die Finanzverwaltung noch nicht explizit Stellung genommen. 55 Beschränkung des Progressionsvorbehalts ohnehin auf Drittstaatenfälle, vgl. § 32b Abs. 1 S. 2 EStG durch JStG 2009. 56 Vgl. hierzu auch Husken/Schmidt/Siegmund, BB 2008, 1204.
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kein regelbesteuertes Einkommen vorliegt – was regelmäßig bei Optimierung der steuerlichen Belastungssituation des Personenunternehmers nicht der Fall sein dürfte57 –, läuft dann der Progressionsvorbehalt leer. b) Personengesellschaften in Nicht-DBA-Staaten aa) Laufende Besteuerung der Auslandsgewinne Im Nicht-DBA-Fall sind die Betriebsstättengewinne aus einem ausländischen Personengesellschaftsengagement dagegen nicht nur im steuerbilanziellen Gewinn der Inlandspersonengesellschaft, sondern auch im steuerpflichtigen Gewinn und zvE des inländischen Gesellschafters enthalten. Entsprechendes gilt selbstverständlich in DBA-Fällen, in denen aufgrund von Aktivitätsvorbehalten, Qualifikationskonflikten, Rückfallklauseln oder außensteuerrechtlichen Vorschriften (§ 20 Abs. 2 AStG) ein Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode erfolgt. Soweit es sich – wie hier unterstellt – um aktiv tätige ausländische Personengesellschaften handelt, kommt der Verlustabzugsbeschränkung nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG keine einschränkende Wirkung zu (§ 2a Abs. 2 Satz 1 EStG)58. Die internationale Doppelbesteuerung der Auslandsgewinne wird in diesem Fall durch Anrechnung der der deutschen Einkommensteuer entsprechenden ausländischen Steuer auf die Einkommensteuer beseitigt (§ 34c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 34d Nr. 2 EStG). Anrechenbar ist bei transparent besteuerten Auslandspersonengesellschaften regelmäßig die vom inländischen Unternehmer im Ausland gezahlte Einkommensteuer. Ist die Personengesellschaft im Ausland dagegen intransparent, kommt trotz fehlender Steuersubjektidentität die anteilig auf den deutschen Gesellschafter entfallende ausländische Körperschaftsteuer zur Anrechnung59, nicht aber eine Dividendenquellensteuer, die in diesem Fall regelmäßig bei Entnahme von Gewinnen im Ausland anfällt. Da die Gewinnausschüttung aus ausländischen intransparenten Personengesellschaften deutscherseits eine steuerlich irrelevante Entnahme darstellt, kann meines Erachtens – auch nach Einführung des § 34a EStG – insoweit eine Anrechnung nicht erfolgen60. Die Regelungen über die Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften nach § 34c EStG bleiben durch die Thesaurierungsbegünstigung ebenfalls unberührt. Eine Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt im Jahr der Besteuerung der erzielten ausländischen Einkünfte. Durch Verhältnisbildung ist dann die deutsche Einkommensteuer zu bestimmen, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Diese deutsche Einkommensteuer wird zukünftig auch durch
__________
57 Zwecks Ausnutzung des unteren Progressionsbereichs des Tarifs und der steuerwirksamen Geltendmachung privater Aufwendungen (§§ 10–10c, 33–33c EStG) sowie von Freibeträgen und Steuerabzugsbeträgen. 58 Vgl. hierzu auch Anpassung des § 2a EStG durch Jahressteuergesetz 2009 zu Anrechnungsfällen in EU-/EWR-Fällen; Verlustausgleichsbeschränkungen können sich allerdings aus § 15a EStG ergeben. 59 Blümich/Wied, § 34c EStG, Rz. 35; Entwurf BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften Tz. 4.1.4.1. 60 A. A. Goebel/Ungemach/Schmidt/Siegmund, IStR 2007, 877 (881 ff.).
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§ 34a EStG beeinflusst (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG61). Die deutsche Steuer umfasst somit neben der Regelsteuer auch die im jeweiligen Veranlagungszeitraum vom Steuerpflichtigen zu entrichtende Thesaurierungssteuer sowie eine angefallene Nachsteuer. Um eine vollständige Anrechnung ausländischer Betriebsstättensteuern sicherzustellen, ist im Einzelfall stets zu prüfen, ob und inwieweit eine Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne steuervorteilhaft ist oder ob – um Anrechnungsüberhänge zu vermeiden – auf die Inanspruchnahme ganz oder teilweise zu verzichten ist. Im Fall ausländischer Mitunternehmergewinne steht – bei isolierter Betrachtung – die volle Thesaurierungssteuer i. H. v. 28,25 % als Anrechnungspotential zur Verfügung. Da die ausländischen Einkünfte nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegen62, kann es insoweit auch nicht zu dem Erfordernis einer Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG kommen. Da die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c EStG vorrangig vor der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG zu berücksichtigen ist, können die entsprechenden ausländischen Steuern auch nicht dazu führen, dass die Gewerbesteueranrechnung selbst ins Leere geht63. Eine Anrechnung etwaiger Anrechnungsüberhänge aus ausländischen Betriebsstättensteuern auf eine in Folgejahren entstehende Nachsteuer sieht m. E. das Gesetz nicht vor64 und dürfte auch in der Praxis kaum praktikabel sein. bb) Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Das für laufende Gewinne Gesagte gilt auch hier für Veräußerungsgewinne aus ausländischen Personengesellschaftsbeteiligungen (§ 34d i. V. m. §§ 16, 34 EStG). Die Veräußerungsgewinne sind im Inland steuerpflichtig und damit auch begünstigt nach § 34a EStG, sofern nicht § 34a Abs. 1 Satz 2 EStG einer Begünstigung entgegen steht. Aufgrund der inländischen Steuerpflicht ergeben sich insoweit keine Unterschiede zwischen Steuerbilanzgewinn und zvE des Gesellschafters. Entsprechend mindern ausländische Veräußerungsverluste sowohl Steuerbilanzgewinn wie auch den steuerpflichtigen Gewinn. 3. Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften a) Besteuerung von Auslandsdividenden Dividenden, die im Rahmen eines inländischen Unternehmens bezogen werden, unterliegen weiterhin dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Satz 1 Nr. 40d EStG), da sich der Anwendungsbereich der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG auf private Kapitaleinkünfte erschöpft. Dies gilt nicht nur für inländische, sondern auch für Dividenden aus ausländischen Kapitalgesell-
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61 § 34a EStG ab 2008 eingefügt durch Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BGBl. I 2007, 1912); durch redaktionelles Versehen im JStG 2008 nicht mehr enthalten; wieder eingefügt durch JStG 2009. 62 Gemäß § 9 Nr. 2 und 3 GewStG; vgl. auch bereits § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG. 63 Kaeser/Maunz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35 Rz. A14. 64 A. A. Goebel/Ungemach/Schmidt/Siegmund, IStR 2007, 877 (880) Tz. 59.
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schaftsbeteiligungen (§ 34d Nr. 2 i. V. m. Nr. 6 EStG), egal ob die Kapitalgesellschaft in einem DBA oder Nicht-DBA-Staat ansässig ist. Im Abkommensfall ergeben sich lediglich Quellensteuerabzugsbeschränkungen für den ausländischen Sitzstaat der Kapitalgesellschaft und eine abkommensrechtliche Anrechnungsverpflichtung für den Wohnsitzstaat (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b i. V. m. Art. 23B OECD-MA). Während die Dividenden in voller Höhe in das Steuerbilanzergebnis der Inlandspersonengesellschaft einfließen, gehen sie nur zu 60 % in die steuerpflichtigen Gewinneinkünfte des Gesellschafters und sein zvE ein. Der steuerpflichtige Anteil der Dividende ist nach § 34a EStG begünstigungsfähig. Gegenläufige Wirkungen entfalten dagegen die mit den Dividendeneinnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen, die nach § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % steuerabzugsfähig sind. Die Korrekturen aufgrund der Dividendenfreistellung bzw. des fehlenden Aufwandsabzuges erfolgen wiederum außerhalb der Steuerbilanz mit den bereits für die steuerfreien Betriebsstätteneinkünfte aufgezeigten Konsequenzen für die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung. Regelmäßig unterliegen die Auslandsdividenden im Ausland einem Quellensteuerabzug. Während sich die Höhe der Quellensteuer im Nicht-DBA Fall nach den Regelungen des ausländischen nationalen Rechts bestimmt, wird im DBA-Fall der ausländische Quellensteuerabzug durch Art. 10 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA auf 15 % begrenzt. Die im Ausland erhobene Quellensteuer kann nach § 34c Abs. 1 und 6 EStG i. V. m. § 34d Nr. 2 und Nr. 6 EStG grds. auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden. Dies gilt natürlich auch für die Thesaurierungssteuer. Die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer ist nicht durch das Teileinkünfteverfahren auf nur 60 % der Steuer beschränkt65. Seit 2007 ist lediglich der Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG beschränkt, da er nur noch für den Teil der Steuer möglich ist, der auf den steuerpflichtigen Teil der Dividende entfällt. Anrechnungskürzungen können sich allerdings aus den mit den Dividenden in (unmittelbaren und mittelbaren) Zusammenhang stehenden Aufwendungen ergeben66. Bei Inanspruchnahme der Thesaurierungssteuer ergibt sich im Ausschüttungsfall eine deutsche Steuerbelastung i. H. v. rd. 18 % inkl. Soli67 (60 % v. 28,25 plus Soli) der Auslandsdividende. In dieser Höhe wird – bei isolierter Betrachtung – auch nur Anrechnungspotential für eine ausländische Quellensteuer generiert. Damit kann es wiederum zu Anrechnungsüberhängen kommen. Dies gilt insbesondere für Dividenden aus Nicht-DBA-Staaten mit hohen nationalen Quellensteuersätzen. Auch bei gewerbesteuerlich nicht schachtelprivilegierten Streubesitzdividenden können die ausländischen Quellensteuern zu Anrechnungsüberhängen führen. Aufgrund der Nachrangigkeit des § 35 EStG gegenüber der Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG
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65 Menhorn, DStR 2005, 1885. 66 Vgl. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG; vgl. auch R 34c (3) Satz 4. 67 Entsprechend geringer, wenn die Dividende der Gewerbesteuer unterliegt und nicht nach § 9 Nr. 7 GewStG gekürzt wird.
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ergeben sich diese Anrechnungsüberhänge dann dergestalt, dass Teile der nach § 35 EStG grds. anrechenbaren Gewerbesteuer für Anrechnungszwecke nicht genutzt werden können. Da das Gesetz eine Anrechnung dieser Überhänge auf die bei späterer Entnahme der Gewinne anfallende Nachsteuer nicht vorsieht, können solche Anrechnungsüberhänge in der Praxis nur durch gänzlichen oder teilweisen Verzicht auf Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung vermieden werden. Bezüglich solcher Auslandsdividenden ist jedoch anzumerken, dass – ungeachtet der 28,25 %igen Sondersteuer auf thesaurierte Gewinne und der positiven Wirkungen der steuerfreien Bestandteile von Dividenden auf die Thesaurierungsbegünstigung – die bei einem direkten Halten der Auslandsbeteiligung im Ausschüttungsfall anfallende Dividendenbelastung (rd. 18 % inkl. Soli) zu hoch ist, sofern die Auslandsgewinne im Unternehmen verbleiben und nicht an den Gesellschafter weitergereicht werden sollen. Auslandsdividenden, die nicht für Gesellschafterentnahmen genutzt bzw. benötigt werden, sondern im Unternehmen verbleiben, sollten auch nach Einführung des § 34a EStG über inländische Zwischenholdings „geroutet“ werden. Entsprechend sollte die inländische Personengesellschaft die Auslandsbeteiligung nicht direkt, sondern über eine inländische Zwischenholding in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft halten. Diese Zwischenholding kann die Auslandsdividenden entweder ohne Abzug einer ausländischen Quellensteuer68 oder zumindest quellensteuerreduziert vereinnahmen (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA). Darüber hinaus ist die Dividende – abgesehen von der Fiktion hinsichtlich der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben i. H. v. 5 % – im Inland steuerfrei (§ 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG). Durch eine solche Beteiligungsstruktur kann dann eine steuergünstige Weiterleitung der Auslandsgewinne in das Inland sichergestellt und eine Nutzung der Liquidität im Konzern durch Darlehensgewährungen oder über Cashpool-Systeme herbeigeführt werden. b) Besteuerung von ausländischen Veräußerungsgewinnen Das zu Dividenden Gesagte gilt grds. in gleicher Weise für Gewinne, die die Inlandspersonengesellschaft aus der Veräußerung von ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen realisiert. Die Veräußerungsgewinne gehen in voller Höhe in den Steuerbilanzgewinn der Inlandspersonengesellschaft ein. Da auch die Veräußerungsgewinne dem Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Abs. 1 Nr. 40 Buchst. a i. V. m. 3c Abs. 2 EStG) unterliegen, sind sie nur i. H. v. 60 % bei Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns zu berücksichtigen. Für den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnanteil kann damit grds. auch die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG in Anspruch genommen werden69. Die wiederum durch außerbilanzielle Korrekturen zu berücksichtigende anteilige Veräußerungsgewinnfreistellung entfaltet dann die zuvor aufgezeigten positi-
__________ 68 Vgl. Art. 5 Abs. 1 der RL 90/435/EWG des Rates vom 23.7.1990 (Mutter-/Tochterrichtlinie) in der Fassung der RL 2003/123/EG v. 22.12.2003. 69 BMF zu § 34a EStG, Tz. 5; vgl. auch Ley/Bodden in Korn, EStG, § 34a Tz. 38 ff.
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ven Wirkungen für die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung beim Gesellschafter. Negative Wirkungen ergeben sich natürlich bei Veräußerungsverlusten aus ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, die nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens auch nur zu 60 % steuerabzugsfähig sind. Der Veräußerungsgewinn aus der ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligung kann auch im Ausland zu einer Veräußerungsgewinnbesteuerung herangezogen werden. In DBA-Fällen wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates jedoch regelmäßig ausgeschlossen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Einige von Deutschland abgeschlossene DBA räumen jedoch auch dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht für einen solchen Veräußerungsgewinn ein70. Auch in NichtDBA-Fällen kann sich eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns im Sitzstaat der Auslandsgesellschaft ergeben. Die im Ausland erhobene Veräußerungsgewinnsteuer kann dann nach § 34c EStG i. V. m. § 34d Nr. 2 und Nr. 4 Buchst. b EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden, was – wie gesagt – auch für die Thesaurierungssteuer gilt. In Fällen, in denen sich aufgrund einer Veräußerungsgewinnbesteuerung im Ausland Anrechnungsüberhänge ergeben, lassen sich diese nur durch gänzlichen oder teilweisen Verzicht auf Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung vermeiden. Bei Veräußerungsgewinnen, die auch im Ausland zu einer Veräußerungsgewinnbesteuerung herangezogen werden, kommt hinsichtlich der Anrechnungsüberhangproblematik dann noch erschwerend hinzu, dass der steuerpflichtige Anteil des Veräußerungsgewinns nicht wie Auslandsdividenden vom gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG erfasst wird71. Bei isolierter Betrachtung würde bei Anwendung der Thesaurierungssteuer bereits eine z. B. 20 %ige ausländische Veräußerungsgewinnsteuer nicht nur keine vollständige Anrechnung der ausländischen Quellensteuer mehr zulassen, sondern darüber hinaus auch die nachrangig anzurechnende Gewerbesteuer von einer Anrechnung auf die Einkommensteuer ausschließen.
IV. Thesaurierungsbegünstigung bei im Ausland ansässigen Familiengesellschaftern Im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) unterliegt der im Ausland ansässige Gesellschafter der inländischen Familienpersonengesellschaft mit seinen inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG der deutschen Besteuerung. Wenn die Gesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet und über eine inländische Betriebsstätte verfügt, gehören die entsprechenden Einkünfte zu den inländischen Einkünften i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Ebenso wie beim Inlandsgesellschafter ermitteln sich seine mitunternehmerischen Einkünfte nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Die Besteuerung erfolgt im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens, wobei sich die Steuer nach
__________ 70 Z. B. Art. 13 Abs. 4 DBA Indien. 71 BFH v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160.
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§ 32a Abs. 1 EStG (Grundtabelle) bemisst (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG)72. Die Vorschriften über die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG sind ebenfalls uneingeschränkt anzuwenden. Da sich auch bei beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gesellschaftern die deutsche Einkommensteuer nach § 32a Abs. 1 EStG bemisst, findet auch in ihrem Fall die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG Anwendung. Weder § 34a EStG noch § 50 EStG sehen insoweit Einschränkungen vor73. Die mitunternehmerischen Einkünfte des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters setzen sich aus seinem Gewinnanteil sowie den Ergebnissen aus einer etwaigen Sonderbilanz wie auch Ergänzungsbilanz zusammen74. Sofern die deutsche Personengesellschaft ausländische (Personengesellschafts)Betriebsstättengewinne erzielt, fließen auch die anteilig auf den Auslandsgesellschafter entfallenden Gewinne in den Steuerbilanzgewinn der inländischen Personengesellschaft ein. Allerdings ist der ausländische Gewinn, soweit er auf den Auslandsgesellschafter entfällt, – da er nicht der deutschen Betriebsstätte zuzurechnen ist – in Deutschland nicht steuerbar und geht damit nicht in die inländischen Gewinneinkünfte des Gesellschafters ein75. Dies gilt unabhängig davon, ob die ausländische Tochterpersonengesellschaft in einem DBA- oder Nicht-DBA-Staat betrieben wird. Anders als ausländische Betriebsstättengewinne gehen Dividenden, die die inländische Personengesellschaft aus ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen generiert, sowohl in den anteiligen Steuerbilanzgewinn des Auslandsgesellschafters als auch nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % in seinen im Inland steuerpflichtigen Gewinnanteil ein76. Sofern der Gesellschafter in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland kein DBA unterhält, bestimmt sich die inländische Besteuerung dann allein nach deutschen Steuerrechtsgrundsätzen. Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Unternehmenseinkünfte obliegt dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters mittels unilateraler Maßnahmen. Ist der Gesellschafter dagegen in einem DBA-Staat ansässig, so steht Deutschland hinsichtlich der Gewinne aus der inländischen Personengesellschaft – gewerbliche Tätigkeit und Vorliegen einer Betriebsstätte unterstellt – nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA ein Besteuerungsrecht zu. Dieses Besteuerungsrecht des deutschen Personengesellschaftsergebnisses umfasst nach Verwaltungsauffassung auch die Sondervergütungen77. Nach jüngster höchstrichterlicher Rechtsprechung78 ist jedoch auch im sog. Inbound-Fall das Besteuerungsrecht für
__________ 72 Abschaffung des Mindeststeuersatzes von 25 % (§ 50 Abs. 3 EStG) durch JStG 2009. 73 Schmidt/Wacker, EStG, § 34a Rz. 38; Blümich/Ratschow, EStG, § 34a Rz. 20; Ley/ Bodden in Korn, EStG, § 34a Tz. 38 ff. 74 Vgl. hierzu Piltz in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, F 7 ff. 75 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; vgl. Piltz in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, F 20. 76 Zur Anrechnung einer im Ausland regelmäßig erhobenen Dividendenquellensteuer vgl. § 50 Abs. 6 EStG. 77 Entwurf BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften Tz. 5. 78 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659.
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Sondervergütungen regelmäßig nicht unter dem für Unternehmensgewinne geltenden Art. 7 OECD-MA, sondern unter dem jeweils einschlägigen Abkommensartikel zu beurteilen. Danach sind Sondervergütungen, die ein im Ausland ansässiger Gesellschafter (Mitunternehmer) von seiner inländischen Mitunternehmerschaft bezieht, regelmäßig nicht mehr im Inland steuerpflichtig. Allenfalls verbleibt das Recht zur Erhebung einer Quellensteuer. Bei Anwendung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Sondervergütungen unterliegen damit z. B. Zinszahlungen für Gesellschafterdarlehen, die ein ausländischer Gesellschafter von seiner inländischen Personengesellschaft bezieht, nicht mehr der inländischen Besteuerung, sofern nicht das DBA für Zinsen einen Quellensteuerabzug zulässt79. Es stellt sich die Frage, ob ungeachtet der nach BFH bestehenden DBA-Freistellung die Sondervergütungen über die für den Gesellschafter geführte Sonderbilanz in die Steuerbilanz der Personengesellschaft einfließen und damit in der Ausgangsgröße für die Bestimmung des nicht entnommenen Gewinns enthalten sind. Nach Auffassung der Verfasserin ist dies zu bejahen, da sich der Steuerbilanzgewinn allein nach deutschen Steuerrechtsvorschriften ermittelt und die Steuerfreistellung der Sondervergütungen außerhalb der Bilanz zu berücksichtigen ist. Damit sind sowohl die nicht steuerbaren (anteiligen) Gewinne aus ausländischen Personengesellschaften als auch die vom Auslandsgesellschafter bezogenen Sondervergütungen in seinem (anteiligen) Steuerbilanzgewinn enthalten. Aufgrund der fehlenden Steuerbarkeit bzw. der DBA-Freistellung sind diese anteiligen Gewinne und Sondervergütungen jedoch nicht Bestandteil seiner im Inland steuerpflichtigen Gewinneinkünfte mit den bereits aufgezeigten positiven Auswirkungen auf das Begünstigungspotential nach § 34a EStG. Anders als für die nicht steuerbaren ausländischen Betriebsstättengewinne gilt dies für Sondervergütungen allerdings nur dann, wenn der Gesellschafter in einem DBA-Staat ansässig ist. Bei fehlendem DBA wird die inländische (beschränkte) Steuerpflicht dieser Sondervergütungen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht eingeschränkt. Allerdings scheint die deutsche Finanzverwaltung die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung zu Sondervergütungen an Auslandsgesellschafter nicht hinnehmen zu wollen. Sie ist daher im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2009 an den Gesetzgeber mit den Antrag herangetreten, durch Einfügung eines neuen Abs. 10 in § 50d EStG das Fortgelten der bisherigen Verwaltungsauffassung sicherzustellen. Danach wären dann die vom Auslandsgesellschafter bezogenen Sondervergütungen weiterhin nicht nur im anteiligen Steuerbilanzgewinn, sondern auch in dem im Inland steuerpflichtigen Gewinn aus der Inlandspersonengesellschaft enthalten. Die steuerliche Vorteilhaftigkeit der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG hängt im Fall des Auslandsgesellschafters entscheidend von der Besteuerungssituation in seinem Wohnsitzstaat ab. Hat er seinen Wohnsitz in einem
__________ 79 Vgl. Piltz in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, F 44.
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sog. Anrechnungsstaat, macht eine Inanspruchnahme für ihn selbstverständlich nur dann Sinn, wenn das ausländische Steuerbelastungsniveau unter dem inländischen liegt und sich damit im Fall der deutschen Regelbesteuerung im Ausland Anrechnungsüberhänge ergeben werden. Die Thesaurierungssteuer führt dann zu einer Reduzierung dieser Anrechnungsüberhänge. Ist das ausländische Belastungsniveau dagegen höher als die Thesaurierungsbelastung nach § 34a EStG, macht diese regelmäßig wohl keinen Sinn, da die steuerlichen Vorteile aus ihrer Inanspruchnahme durch eine höhere Besteuerung im Wohnsitzstaat (gänzlich oder teilweise) absorbiert werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die latente Nachsteuer, die in jedem Fall bei Beendigung des unternehmerischen Engagements oder bei Entnahmen(überhängen) anfällt. Bezüglich dieser Nachsteuer stellt sich ohnehin die Frage, ob und inwieweit sie im Wohnsitzstaat zur Anrechnung kommen kann. Da zweifellos auch die Nachsteuer Teil der auf die inländischen Mitunternehmereinkünfte erhobenen Steuern vom Einkommen ist (vgl. Art. 2 OECD-MA), dürfte einer grundsätzlichen Anrechenbarkeit im Ausland nichts entgegenstehen. Eine gezahlte Nachsteuer belastet jedoch eindeutig Einkünfte, die der Gesellschafter bereits in Vorjahren aus seiner Mitunternehmerschaft bezogen und damit auch in Vorjahren in seinem Wohnsitzstaat – unter Anrechnung der seinerzeitigen Thesaurierungssteuer – versteuert hat. Infolge der Nachsteuer kann sich im Nachversteuerungsjahr eine überproportional hohe Belastung der in diesem Jahr aus der inländischen Personengesellschaft erzielten Gewinne ergeben mit der Folge, dass es im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung zu erheblichen Anrechnungsüberhängen kommen kann. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnsitzstaat die steuerlichen Veranlagungen (sofern es solche gibt) der Vorjahre öffnen und in diesen eine entsprechende Anrechnung der Nachsteuer vornehmen wird. Die Nachsteuer wird daher für Anrechnungszwecke häufig ins Leere gehen. Dies gilt insbesondere bei Aufgabe oder Veräußerung der mitunternehmerischen Beteiligung. Da in diesem Fall neben der inländischen Regelversteuerung des Veräußerungsgewinns80 die volle Nachsteuer auf in Vorjahren begünstigt besteuerte Gewinne entsteht, dürfte ein Anrechnungsüberhang im Ausland unausweichlich sein. Daher dürfte die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung für Auslandsgesellschafter, die in einem Anrechnungsstaat ansässig sind, nur in Ausnahmefällen steuervorteilhaft sein. Etwas anderes gilt dagegen für Gesellschafter, die in einem sog. Freistellungsstaat wie z. B. Frankreich, Belgien oder der Schweiz ansässig sind. In diesem Fall sind – sieht man von einem etwaigen Progressionsvorbehalt ab – für die Beurteilung der steuerlichen Vorteilhaftigkeit allein die steuerlichen Verhältnisse im Inland maßgebend. Für in Freistellungsstaaten ansässige Personengesellschafter können sich unter den einschränkenden Voraussetzungen der gesetzlichen Neuregelung – ebenso wie für Inlandsgesellschafter – steuerliche Vorteile aus der Thesaurierungssteuer ergeben.
__________ 80 § 49 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 16, 34 EStG; Art. 13 Abs. 2 OECD-MA.
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V. Bewertung Im Rahmen der Bewertung der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG für international tätige deutsche Familienpersonengesellschaften ist zu berücksichtigen, dass bei diesen Unternehmen die Verfügungsmacht des einzelnen Gesellschafters hinsichtlich der im Unternehmen erwirtschafteten Gewinne sehr begrenzt ist und – zwecks Sicherstellung des Erhalts des Unternehmens und der Finanzierung seines Wachstums – der weitaus größte Teil der Gewinne langfristig im Unternehmen verbleibt. Zur Entnahme kommt jedoch in der Regel immer die persönliche Einkommensteuer, die auf dem Unternehmensgewinn lastet. Des Weiteren zeichnen sich diese Unternehmen häufig dadurch aus, dass sich der (Mit)Unternehmer von seiner (mit)unternehmerischen Beteiligung nicht durch Verkauf, sondern durch Übertragung im Schenkungs- oder Erbwege auf die nachfolgende Generation der Familie trennt und damit dem sog. Exit-Fall und der daraus resultierenden Nachversteuerung bei der Bewertung der Thesaurierungsbegünstigung eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Auch kommt dem Vorhandensein von Sonderbetriebsvermögen häufig nicht die Bedeutung zu. Dieses beschränkt sich regelmäßig auf Gesellschafterdarlehen, denen allerdings für die Finanzierung der Familienunternehmen eine weitreichende Bedeutung zukommen kann. Da vorhandenes Sonderbetriebsvermögen, welches nicht langfristig der Personengesellschaft überlassen bleiben soll, einer steuervorteilhaften Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung in jedem Fall entgegensteht, muss dieses vor erstmaliger Anwendung der Sondersteuer beseitigt oder auf eine Inanspruchnahme der Sondersteuer verzichtet werden. Dies ist im Hinblick von Gesellschafterdarlehen in der Praxis dann problemlos möglich, wenn die Personengesellschaft den aus dem Abzug der Gesellschafterdarlehen resultierenden Finanzbedarf auch durch andere Finanzquellen decken kann. Ertragsstarke deutsche Familienunternehmen, die sich in der Lage sehen, vor erstmaliger Anwendung des § 34a EStG vorhandenes Sonderbetriebsvermögen zur Entnahme zu bringen und bei denen große Teile der Gewinne – auf Dauer – im Unternehmen verbleiben, dürften durch die Neuregelung steuerliche Belastungsvorteile gegenüber der Regelbesteuerung generieren können. Zumindest ein Teil der im Unternehmen erwirtschafteten Gewinne können mit dem Sondersteuersatz belegt und damit die Gesamtbelastung der Gewinne abgesenkt werden, womit dann allerdings nicht die angestrebte Belastungsneutralität mit Kapitalgesellschaften hergestellt wird. Für entnommene Gewinne, zu denen eben auch die persönlichen Steuerzahlungen auf den thesaurierten Gewinn gehören, findet dagegen grds. weiterhin die Regelbesteuerung Anwendung. Durch steuerliche Gestaltungen mit dem Ziel der Erhöhung von im Inland steuerfreien Gewinnen, vor allem der ausländischen Betriebsstättengewinne, können Personengesellschaften den konzeptionellen Nachteil der Neuregelung im Vergleich zur Kapitalgesellschaftsbesteuerung zumindest zum Teil ausgleichen. Reichen die steuerfreien Auslandsgewinne betragsmäßig aus, sowohl die außerbilanziellen Hinzurechnungen wie auch die für persönliche Steuerzahlungen erforderlichen Entnahmen zu kompensieren, wird sich bei der Familienpersonengesellschaft eine der Kapitalgesellschaft vergleichbare steuer343
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liche Belastungssituation ergeben. Reichen sie darüber hinaus auch noch aus, um die sonstigen privaten Entnahmen der Gesellschafter zu „finanzieren“, ist der Personengesellschafter in seiner steuerlichen Belastungssituation sogar gegenüber dem Kapitalgesellschafter im Vorteil. Inländische Personenunternehmen werden somit durch die Unternehmenssteuerreform 2008 – noch mehr als in der Vergangenheit – angehalten sein, ausländische Direktinvestitionen in der Rechtsform der Personengesellschaft zu etablieren oder als unselbständige Betriebsstätte zu führen. Neben der Einmalbesteuerung der Auslandsergebnisse würde dies auch eine Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung erleichtern. Wenn diese weitreichenden Voraussetzungen beim inländischen Personenunternehmen erfüllt sind bzw. durch entsprechende Gestaltungen herbeigeführt werden können, was nur bei wenigen Unternehmen der Fall sein wird, ist das Familienunternehmen durch die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG im internationalen Steuerwettbewerb gut aufgestellt und im Vergleich zu Kapitalgesellschaften durch die Reform nicht benachteiligt. Aber auch nur dann! Ob allerdings Harald Schaumburg seinerzeit, als er bei den Reformüberlegungen zum Steuersenkungsgesetz eine Sondertarifierung befürwortete, eine vergleichbar einschränkende und damit in der Praxis für viele Personenunternehmen nicht steuervorteilhafte Regelung im Auge gehabt hat, wagt die Verfasserin zu bezweifeln.
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Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaftsbesteuerung Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Umfang und Abgrenzung von Gesellschafterdarlehenskonten 1. Zivilrechtliche Sichtweise 2. Steuerliche Sichtweise III. Einzelne Besteuerungssachverhalte 1. Grundsatz: Steuerliches versus gesellschaftsrechtliches Betriebsvermögen 2. Einzelfälle a) § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG b) § 4 Abs. 4a EStG
c) § 15a EStG d) § 34a EStG e) Umstrukturierungsmaßnahmen aa) § 24 UmwStG bb) § 6 Abs. 5 EStG cc) § 6 Abs. 3 EStG dd) § 16 EStG f) Gewinnverteilung aa) Gewerbesteuer und § 35 EStG bb) § 4h EStG IV. Zusammenfassung
Harald Schaumburg und ich sind seit mehr als 33 Jahren partnerschaftlich und, was viel wichtiger ist, auch freundschaftlich verbunden. Diesem Umstand ist es u. a. zu verdanken, dass die Partnerschaft FGS noch heute stabil ist, sich keine – wie in anderen Partnerschaften geschehen – Auflösungserscheinungen bemerkbar machen und wohl auch in Zukunft wachsen und gedeihen wird. Dass dies so ist, verdankt die Partnerschaft in hohem Maße Harald Schaumburg. Durch seinen unbedingten und erfolgreichen Einsatz und durch seine Führungsqualitäten hat die Partnerschaft sich einen Ruf geschaffen, der für die Zukunft noch manches erfolgreiche Ergebnis erwarten lässt. Rudolf Gocke
I. Problemstellung Im System der Ertragsbesteuerung von Personengesellschaften ergeben sich bei Leistungsbeziehungen zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter regelmäßig Abgrenzungsprobleme, die zu erheblichen materiellen Auswirkungen führen können. Spezielle Probleme treten bei Gesellschafterdarlehen auf. Hier stellt sich zunächst die Frage, wann derartige Gesellschafterdarlehen vorliegen, da bestehende Kapitalkonten der Personengesellschaft oft hybriden Charakter haben und insofern eine Zuordnung zwischen Eigen- und Fremd345
Rudolf Gocke/Matthias Rogall
kapital nicht eindeutig gelingt. Bei der Besteuerung stellt sich dann die Frage, ob Gesellschafterdarlehen der zivilrechtlichen Betrachtung folgen und somit je nach Sachverhalt bzw. Besteuerungsnorm nicht in die Besteuerung der Personengesellschaft einzubeziehen sind oder ob der steuerlichen Betrachtung folgend auch die Gesellschafterdarlehen als Sonderbetriebsvermögen zur Besteuerungssphäre der Personengesellschaft zählen. Letztlich ist dann für Personengesellschaftsgruppen danach zu unterscheiden, ob eine gesellschaftsindividuelle Betrachtung erfolgt, indem Gesellschafterdarlehen der jeweiligen darlehensnehmenden Gesellschaft für steuerliche Zwecke zuzurechnen sind, oder ob innerhalb einer Gesellschaftsgruppe die steuerliche Zuordnung von Darlehensverhältnissen zur darlehensnehmenden Gesellschaft unterbleibt. Der Beitrag geht diesen drei Fragestellungen nach (Umfang und Charakter von Gesellschafterdarlehen; Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen versus steuerlichen Betrachtung; gesellschaftsindividuelle versus Gruppenzuordnung von Gesellschafterdarlehen). Dabei wird zunächst versucht, die Charakteristika eines Darlehenskontos herauszuarbeiten, um anschließend die entsprechenden Zuordnungen für einschlägige Besteuerungsnormen der Personengesellschaft zu beleuchten.
II. Umfang und Abgrenzung von Gesellschafterdarlehenskonten 1. Zivilrechtliche Sichtweise Unabhängig davon, welche Rechtsform Personengesellschaften annehmen, ist die zivilrechtlich vorgesehene Gewinnverteilung (§§ 705 BGB ff.; §§ 105 HGB ff.; §§ 161 HGB ff.) dispositiver Natur. Daher finden sich in der Praxis regelmäßig vom gesetzlichen Leitbild abweichende Vereinbarungen. Die gesellschafts- und gesellschafterindividuellen Vereinbarungen schlagen sich in technischer Hinsicht in verschiedenen Kapitalkonten nieder. Regelmäßig findet man Systeme von Mehrkontenmodellen vor1. Bei starker Ausdifferenzierung der Kapitalkonten wird zwischen Kapitalkonto I, Kapitalkonto II, Verlustvortragskonto, privatem Verrechnungskonto und gesamthänderischem Rücklagenkonto unterschieden2. Die Höhe des Kapitalkontos I determiniert regelmäßig die Beteiligung des jeweiligen Gesellschafters am Vermögen und dem Ergebnis der Gesellschaft (Gesamthandsvermögen). Gleichzeitig gibt sie Aufschluss über die Stimmrechte. Der auf den jeweiligen Gesellschafter entfallende Betrag ist im Gesellschaftsvertrag festgelegt und fixiert. Eine Veränderung des Betrages ist nicht ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags möglich. Dem Kapitalkonto II kommt insbesondere im Zweikontenmodell eine besondere Bedeutung zu. Hier werden dann ausstehende Einlagen verrechnet, Verlustanteile und Entnahmen gebucht. Im Mehrkontensystem hat das Kapital-
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1 Vgl. Carlé/Bauschatz, FR 2002, 1153 (1156 f.). 2 Vgl. auch die tabellarische Übersicht bei OFD Hannover v. 7.2.2008, ESt-Kartei ND § 15a EStG Nr. 1.
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Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaftsbesteuerung
konto II die Hauptfunktion als Komplementärkonto zum Kapitalkonto I. Die fixierten Beträge des Kapitalkontos I werden durch das Kapitalkonto II ergänzt, indem hier noch nicht geleistete Einlagen oder Agien festgehalten werden. Das private Verrechnungskonto weist als flexibles Konto für jeden Gesellschafter die entnahmefähigen Beträge – zumeist Gewinnanteile – aus. Insofern unterscheidet sich das private Verrechnungskonto vom Kapitalkonto II, weil auf letzterem eine Entnahmemöglichkeit regelmäßig nicht ohne Gremienzustimmung möglich ist. Von dem privaten Verrechnungskonto können die Gesellschafter dagegen individuell entnehmen. Oft gibt es gesonderte Verlustvortragskonten. Auf diesen Konten werden entstehende Verluste der Gesellschaft gebucht. Die Verlustvortragskonten dienen dazu, entstehende Verluste zuzuordnen, diese aber nicht mit (festen) Kapitalkonten zu verrechnen, sondern mit laufenden nachfolgenden Gewinnen auszugleichen. Die Zuschreibung laufender Gewinne auf dem privaten Verrechnungskonto unterbleibt meist so lange, bis das Verlustvortragskonto wieder ausgeglichen ist. Das Verlustvortragskonto macht zwar aus technischer Sicht für alle Rechtsformen Sinn, um sicherzustellen, dass die Gesellschaft langfristig den notwendigen Eigenkapitalstock aufweist. Aus rein haftungsrechtlicher Sicht ist ein gesondertes Verlustverrechnungskonto für Gesellschafter mit unbeschränkter Haftung (OHG-Gesellschafter, Komplementär) allerdings nicht erforderlich. Für den beschränkt haftenden Gesellschafter (Kommanditist) sind bei Vorliegen eines Verlustvortragskontos im Gesellschaftsvertrag spezielle Regelungen zu treffen, wie mit einem Verlustvortragskonto beim Ausscheiden des Gesellschafters aus der Personengesellschaft umzugehen ist und wie sich das Verlustvortragskonto zu den übrigen Konten stellt3. Letztlich verfügen Personengesellschaften häufig über ein gesamthänderisch gebundenes Rücklagenkonto. Gesellschaftsverträge sehen regelmäßig vor, dass ein bestimmter prozentualer Anteil des Gewinns nicht für Ausschüttungszwecke verwendbar sein soll und daher dem privaten Verrechnungskonto gutgeschrieben werden muss. Das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto unterscheidet sich gegenüber den anderen Kapitalkonten mithin dadurch, dass es wertmäßig den einzelnen Gesellschaftern jeweils in gleicher Höhe (im Verhältnis der Beteiligungsquoten/Kapitalkonten I) zusteht. Bei einer Vielzahl von Gesellschafterkonten stellt sich u. a. neben der Funktion der Konten die Frage der Rechtsnatur, insbesondere vor dem Hintergrund des Eigen- oder Fremdkapitalcharakters. Die Rechtsnatur eines Kapitalkontos richtet sich nicht nach der Bezeichnung, sondern allein nach den Buchungen bzw. Funktionen des Kontos. Wesentliches Indiz für die Unterscheidung zwischen Eigenkapital- und Gesellschafterdarlehenskonten ist hier das Merkmal
__________ 3 Ist beispielsweise vorgesehen, dass eine Verrechnung des Verlustvortragskontos beim Ausscheiden mit etwaigen positiven Kapitalkonten (Kapitalkonto II; privates Verrechnungskonto) erfolgt, kann somit eine „automatische“ Nachschusspflicht des beschränkt haftenden Gesellschafters über sein Festkapitalkonto hinaus erfolgen.
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der Verlustbuchung4. Dabei kommt es nicht auf die unmittelbare Verlustbuchung an (z. B. Verlustverrechnungskonten), ausschlaggebend ist vielmehr, welche Konten für Verlustverrechnungszwecke zur Verfügung stehen (Haftungsverbund). Demgegenüber stellt die Verzinsung etwaiger Konten kein entscheidendes Merkmal für die Qualifizierung von Eigen- oder Fremdkapital dar, da auch für Eigenkapitalkonten gesetzlich eine Verzinsung vorgesehen ist (§ 168 Abs. 1, § 121 Abs. 1 und 2 HGB) bzw. für diese Konten die Verzinsung als Prämie für die Haftmasse aufgefasst werden kann. Ebenfalls kein entscheidendes Merkmal stellen etwaige Entnahmebeschränkungen dar, da diese für Eigen- wie für Fremdkapital denkbar sind (z. B. endfälliges Darlehen). Ein weiteres Indiz für die Einordnung eines Kontos als Eigen- oder Fremdkapital kann der Einbezug dieses Kontos in gesellschaftsvertragliche Ausscheidensregelungen darstellen. Ist ein Konto beim Ausscheiden von der Verlustverrechnung ausgenommen, ist dies Anzeichen für Fremdkapital5. Zwar ist die tatsächliche Kategorisierung von Konten einzelfallabhängig. Regelmäßig wird man aber das Kapitalkonto I, das Verlustvortragskonto und das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto als Eigenkapitalkonten einstufen. Demgegenüber zählt das private Verrechnungskonto als Gesellschafterdarlehenskonto. Nicht eindeutig ist oftmals der Charakter des Kapitalkontos II. Allgemein kann festgehalten werden, dass das Kapitalkonto II eher als Eigenkapitalkonto anzusehen ist, wenn wenige Kapitalkonten vorliegen, weil es dann Eigenkapitalfunktionen mit ausfüllt (z. B. Verlustverrechnung, Rücklagenbildung). Je mehr Konten bei der Gesellschaft existieren, desto schwerer wird die Bestimmung des Charakters des Kapitalkontos II. Stellt das Kapitalkonto II einen dem Gesellschafter unentziehbaren Anspruch dar, handelt es sich um ein Darlehenskonto. 2. Steuerliche Sichtweise Hinsichtlich der Abgrenzung von Gesellschafterdarlehenskonten zu Eigenkapitalkonten der Gesellschaft hat sich die Finanzverwaltung insbesondere im Zusammenhang mit der Frage befasst, wann die Einbringung zum Privatvermögen gehörender Wirtschaftsgüter als Tausch und wann als Einlage anzusehen ist6. Zunächst hatte die Finanzverwaltung nur danach differenziert, ob im Rahmen der Einbringung neue Gesellschaftsrechte oder dem Einbringenden überhaupt keine Gesellschaftsrechte gewährt werden7. Während im Fall der Gewährung von Gesellschaftsrechten eine offene Sacheinlage und damit ein tauschähnlicher Vorgang anzunehmen ist, liegt in dem Fall, dass keine Gesellschaftsrechte gewährt werden, eine verdeckte Einlage vor. Nach dieser Differenzierung sind auf jeden Fall Einbringungen, die zur Erhöhung des Kapital-
__________ 4 Vgl. BFH v. 17.12.1980 – II R 36/79, BStBl. II 1981, 325; v. 3.11.1993 – II R 96/91, BStBl. II 1994, 88. 5 Vgl. für die Auflistung der Kriterien zur Abgrenzung des Eigen- und Fremdkapitalcharakters OFD Hannover v. 7.2.2008, ESt-Kartei ND § 15a EStG Nr. 1. 6 Vgl. BMF v. 26.11.2004, BStBl. I 2004, 1190; v. 29.3.2000, BStBl. I 2000, 462. 7 Vgl. BMF v. 29.3.2000, BStBl. I 2000, 462.
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kontos I (nach dem sich die Beteiligung des Gesellschafters am laufenden Gewinn und am Liquidationsergebnis richtet) im Rahmen der offenen Sacheinlage als Einbringung ins Eigenkapital zu verstehen. Fraglich ist allerdings, wann eine Einlage, d. h. eine Einbringung ins Eigenkapital ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten vorliegt. Hier stellt sich explizit die Frage, ob neben dem Kapitalkonto I auch noch ein weiteres Eigenkapitalkonto eines Gesellschafters existieren kann oder ob derartige Einlagen ins gesamthänderische Rücklagenkonto gehen müssen. Nach neuerer Auffassung gehören sämtliche weiteren variablen Gesellschafterkonten, die für Rechnung eines Gesellschafters geführt werden und als Eigenkapitalkonten zu qualifizieren sind, als Unterkonten zum Kapitalkonto I8. Demnach führt auch eine Buchung auf einem Unterkonto des einheitlichen Kapitalkontos (klassischerweise Kapitalkonto II) regelmäßig zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten. Eine unentgeltlich Übertragung und damit eine verdeckte Einlage liegt demnach nur dann vor, wenn die Übertragung des Wirtschaftsguts auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto gutgeschrieben wird9. Es erhöht sich das Eigenkapital der Gesellschaft, dem Einbringenden werden aber hierdurch keine zusätzlichen Gesellschaftsrechte gewährt. Bei der Buchung auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto erlangt der übertragende Gesellschafter nach Auffassung der Finanzverwaltung nämlich anders als bei der Buchung auf einem Kapitalkonto keine individuelle Rechtsposition, die ausschließlich ihn bereichert. Vielmehr wird bei der Buchung auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der Auseinandersetzungsanspruch aller Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligung gleichmäßig erhöht10. Eine Abgrenzung zwischen Einbringungen ins Eigenkapital und Einbringungen ins Darlehenskonto (entspricht Fremdkapital aus Sicht der Personengesellschaft) wird mithin nur dann relevant, sofern ein Unterkapitalkonto (Kapitalkonto II) im Rahmen der Einbringung erhöht wird. Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Kapitalkontos besteht darin, wenn nach der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Konto auch Verluste verrech-
__________ 8 Vgl. BMF v. 26.11.2004, BStBl. I 2004, 1190. 9 Zur Abgrenzung vgl. auch BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BFH/NV 2008, 854. 10 Für die Einbringung/Einlage aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung ein Einbringungs-/Einlagevorgang einheitlich zu betrachten ist. Sofern grundsätzlich die Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt, ist die Bebuchung letztlich unerheblich. Es liegt ein entgeltliches, tauschähnliches Geschäft vor, bei dem der „Überwert“ ggf. anteilig auf dem gesamthänderischen Rücklagenkonto gutgeschrieben werden kann, ohne den Vorgang an sich in Einbringung gegen Gesellschaftsrechte und Einlage aufzuteilen. Eine Einlage dürfte mithin auf Vorgänge beschränkt bleiben, bei denen ausschließlich die gesamthänderische Rücklage bebucht wird. Vgl. BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BFH/NV 2008, 854; Prinz, StuB 2008, 388 (390). Eine entsprechende Unterscheidung gilt für Übertragungen aus dem Betriebsvermögen (mit oder ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten). Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001; v. 24.4.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253.
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net werden11. Die Rechtsprechung hatte dies für den Fall zu entscheiden, dass Verluste unmittelbar mit dem positiven Bestand des Kapitalkontos zu verrechnen waren12. Bei separaten Konten, auf denen Verluste gebucht werden und die erst mit zukünftigen Gewinnen auszugleichen sind, ist hinsichtlich der Abgrenzung weiter zu differenzieren. Nach einer ersten Vermutung handelt es sich dann beim Kapitalkonto II um ein Darlehenskonto. In diesem Fall stellt sich die Frage, wozu das Kapitalkonto II überhaupt existiert, wenn es ein Eigenkapitalkonto darstellen soll. Denn ein Gesellschafter dürfte gemeinhin nicht dazu geneigt sein, der Gesellschaft zusätzliches Kapital ohne Gegenleistung (in der Regel in Gestalt einer erhöhten Gewinnbeteiligung) zu belassen. Dies alles spricht dafür, dass es sich beim Kapitalkonto II regelmäßig um ein Darlehenskonto handelt13. Gleichwohl spricht gegen die Vermutung, das Kapitalkonto II als Darlehenskonto anzusehen, wenn im Liquidationsfall oder im Fall des Ausscheidens des Gesellschafters das Kapitalkonto II auch in die Ermittlung des Abfindungsguthabens des Gesellschafters eingeht14. Von Bedeutung kann schließlich auch sein, ob für die Kapitalüberlassung Höchstbeträge festgelegt, Sicherheiten gestellt und Tilgungsvereinbarungen getroffen worden sind15.
III. Einzelne Besteuerungssachverhalte 1. Grundsatz: Steuerliches versus gesellschaftsrechtliches Betriebsvermögen In der Abgrenzung der Eigen- und Fremdkapitalkonten lehnt sich das Steuerrecht an die zivilrechtlichen Merkmale an, so dass die steuerliche Abgrenzung des Darlehenskontos mit der zivilrechtlichen Abgrenzung in der Regel übereinstimmt. Während zivilrechtlich diese Abgrenzung mit einer Trennung von Eigen- und Fremdkapital und damit von Kapital der Personengesellschaft und Kapital des Gesellschafters einher geht, ist steuerlich zu beachten, dass das Gesellschafterdarlehenskonto16 als Kapital der Personengesellschaft anzusehen ist17. Ausgangspunkt bildet § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG, wonach Vergütungen für Tätigkeiten, Darlehen und Nutzungsüberlassungen eines Ge-
__________ 11 Vgl. BMF v. 30.5.1997, BStBl. I 1997, 627. 12 Vgl. BFH v. 3.2.1988 – I R 394/83, BStBl. II 1988, 551; v. 7.4.2005 – IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598. 13 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. 14 Vgl. BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812; v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103. 15 Vgl. BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36; v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347; v. 4.5.2000 – IV R 16/99, BStBl. II 2001, 171; v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621; v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. Zu einer Auflistung der einzelnen Kriterien vgl. OFD Hannover v. 7.2.2008, ESt-Kartei ND § 15a EStG Nr. 1. 16 Im Folgenden wird – sofern nichts anders erwähnt – immer davon ausgegangen, dass die Darlehensbedingungen drittüblich sind. 17 Etwas anderes gilt freilich für vermögensverwaltende Personengesellschaften, bei denen der Gesellschafter steuerlich die anteiligen Wirtschaftsgüter in seinem (Privat-)Vermögen hält. Dieser Fall wird im Folgenden nicht näher betrachtet.
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sellschafters zu den gewerblichen Einkünften des Gesellschafters aus der Mitunternehmerschaft gehören18. Zweck der Regelung ist es, die Mitunternehmer19 einer Personengesellschaft einem Einzelunternehmer weitgehend gleichzustellen, da dieser keine Verträge mit sich selbst abschließen und somit das steuerliche Ergebnis des Einzelunternehmens durch derartige Verträge nicht mindern kann20. Außerdem entfällt damit, im Rahmen des Mitunternehmerkonzeptes danach zu differenzieren, ob Leistungen des Gesellschafters gegenüber der Mitunternehmerschaft als Gewinnvorab oder als besonders vereinbartes Entgelt vergütet werden21. Für die Mitunternehmerstellung kommt es nicht auf eine wirtschaftlich vergleichbare Stellung mit einem Einzelunternehmer an (z. B. über die Entscheidungsmacht in der Personengesellschaft). Die Beteiligung als Mitunternehmer erfordert beispielsweise keine absolute oder relative Mindestbeteiligung22. Entsprechend dem Charakter der Vergütung stellt das der Mitunternehmerschaft zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut/ Kapital Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers dar, so dass bei Gesellschafterdarlehen in der Gesamthandsbilanz eine Verbindlichkeit und in der Sonderbilanz des Mitunternehmers eine Forderung auszuweisen ist23. Innerhalb einer Personengesellschaftsgruppe ist danach zu unterscheiden, ob die Darlehen in vertikaler (mittelbare Gesellschafterdarlehen) oder in horizontaler (Darlehen von Schwestergesellschaften) Linie gegeben werden. Bei doppel- und mehrstöckigen Mitunternehmerschaften ist der Gesellschafter der Obergesellschaft auch Mitunternehmer der Untergesellschaft, wenn er bei der Obergesellschaft und diese bei der Untergesellschaft als Mitunternehmer anzusehen sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für etwaige Gesellschafterdarlehen bedeutet dies, dass diese als Sonderbetriebsvermögen des jeweiligen (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafters dem Betriebsvermögen derjenigen Gesellschaft zuzurechnen sind, der das Darlehen überlassen wird. Dem Betriebsvermögen der Untergesellschaft sind als Sonderbetriebsvermögen mithin Gesellschafterdarlehensforderungen der Obergesellschaft gegenüber der Untergesellschaft, welche die Obergesellschaft im Gesamthandsvermögen hält24, genauso wie Darlehensforderungen des Gesellschafters der Obergesell-
__________ 18 Vorausgesetzt wird allerdings, dass ein Zusammenhang zwischen Leistung des Gesellschafters und Betätigung der Gesellschaft besteht (allg. z. B.: BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 19999, 720), was bei Gesellschafterdarlehen regelmäßig der Fall ist. 19 Zu den Qualifikationsvoraussetzungen eines Mitunternehmers (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) vgl. z. B. Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 263 f. 20 Vgl. BFH v. 28.10.1999 – VIII R 41/98, BStBl. II 2000, 339; v. 27.4.2006 – IV R 41/04, BStBl. II 2006, 755. 21 Vgl. BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720; v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 22 Vgl. FG Düsseldorf v. 18.6.2007 – 17 K 923/05 F, EFG 2007, 1696. 23 Vgl. BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180; v. 13.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163; v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347. 24 Vorrang vor Sonderbetriebsvermögen gegenüber eigenem Betriebsvermögen. Vgl. BFH v. 7.12.2000 – III R 35/98, BStBl. II 2001, 316.
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schaft gegenüber der Untergesellschaft zuzurechnen25. Darlehen in horizontalem Verhältnis einer Personengesellschaftsgruppe (z. B. Darlehen einer Schwestergesellschaft), bei der alle Gesellschaften als Mitunternehmerschaften anzusehen sind, stellen kein Sonderbetriebsvermögen bei der darlehensnehmenden Gesellschaft dar, weil § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bei (gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten) Schwestergesellschaften nicht anwendbar ist26. Zusammenfassend kann festgehalten werden: das steuerliche Betriebsvermögen schließt auch Darlehen ein, welche der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar überlassen werden. Insoweit unterscheidet sich die steuerliche Betrachtungsweise von der zivilrechtlichen Betrachtungsweise. Steuerliche und zivilrechtliche Betrachtungsweise stimmen überein, wenn kein vertikales (unmittelbares oder mittelbares) Gesellschafterverhältnis im Hinblick auf die Darlehensgewährung vorliegt. 2. Einzelfälle a) § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG Für die Zuordnung eines Gesellschafterdarlehens als Sonderbetriebsvermögen bei der darlehensnehmenden Gesellschaft ist es unbeachtlich, ob das Darlehen verzinslich oder unverzinslich überlassen wird27. Nach Ansicht der Finanzverwaltung gelten die allgemeinen Regelungen zur Abzinsung von Verbindlichkeiten auch bei Darlehen innerhalb einer Mitunternehmerschaft, soweit es sich dabei ertragsteuerlich nicht um Einlagen oder Entnahmen handelt28. Im Schrifttum existierte keine einheitliche Interpretation – auch nicht in Bezug auf die einschränkenden Ausführungen des BMF (a. a. O.)29. Da es sich bei dem Gesellschafterdarlehen unter Betrachtung der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft (Gesamthandsbilanz und Sonderbilanz(en)) um Eigenkapital handelt, hat die Rechtsprechung eine Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf unverzinsliche Gesellschafterdarlehen abgelehnt30. Zu Gewinnauswirkungen kann es mithin erst kommen, wann das Gesellschafterdarlehen zu einem Drittdarlehen wird (entweder durch Stehenlassen bei Aufgabe der Mitunternehmerstellung oder durch Veräußerung der Darlehensforderung). Dann kommt auf Ebene der Gesamthand eine Abzinsung in Betracht31.
__________
25 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 619 m. w. N. 26 Vgl. BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328 m. w. N.; BMF v. 28.4.1998, BStBl. I 1998, 583. 27 Vgl. BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 (Grundstücksüberlassung); v. 1.3.2005 – VIII R 5/03, BFH/NV 2005, 1523 (Darlehensgewährung). 28 Vgl. BMF v. 26.5.2005, BStBl. I 2005, 699 Rz. 23. 29 Gegen eine Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Gesellschafterdarlehen z. B. Groh, DB 2007, 2275 (2279); Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 540; Warncke, EStB 2005, 185 (188); für eine korrespondierende Abzinsung Hoffmann, GmbHR 2005, 972 (974). 30 Vgl. BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BFH/NV 2008, 854. 31 Insoweit wären potentielle Auswirkungen auf die Zinsschranke zu berücksichtigen. Vgl. zur Behandlung von Auf- und Abzinsungen BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/ 07/10001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 27 ff.
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Für den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist damit von der steuerrechtlichen Betrachtungsweise auszugehen, wonach das Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital anzusehen ist. Die zivilrechtliche Betrachtungsweise tritt hier zurück. b) § 4 Abs. 4a EStG Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Damit soll vermieden werden, dass privat veranlasster Finanzierungsbedarf, für den grds. kein Schuldzinsenabzug möglich ist, in den betrieblichen Bereich verlagert wird32. Zu beachten ist, dass nach den allgemeinen Regelungen eine Entnahme nicht nur bei der Übertragung ins Privatvermögen vorliegt, sondern auch bei Übertragungen in einen anderen betriebsfremden Bereich33. § 4 Abs. 4a EStG ist auch auf Mitunternehmerschaften anwendbar. Während die Finanzverwaltung im Rahmen einer betriebsbezogenen Betrachtung auf die gesamte Mitunternehmerschaft abgestellt hat (Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen sämtlicher Mitunternehmer)34, ist nach der Rechtsprechung die Betriebsbezogenheit von Vermögen, Einlagen und (Über-)Entnahmen mitunternehmerindividuell zu verstehen35. Fraglich ist, ob dies dann bei einer Beteiligung an mehreren Personengesellschaften für den Betrieb der jeweiligen Mitunternehmerschaft separat gilt36. Eine derartige Sichtweise bei Mitunternehmerschaften spricht sowohl gegen den Wortlaut als auch den Gesetzeszweck des § 4 Abs. 4a EStG, der vornehmlich auf die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen abzielt, so dass eine Entnahme und Einlage in ein anderes Betriebsvermögen unschädlich sein sollte37. Letztlich wäre demnach eine mitunternehmerindividuelle Betrachtung in Form der Summe der Betriebsvermögen des jeweiligen Mitunternehmers für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG sachgerecht. Verschärft stellt sich die Frage des Anwendungsbereichs von § 4 Abs. 4a EStG in einem Personengesellschaftskonzern. Gibt beispielsweise die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft ein Darlehen aus zuvor entnommenen Mitteln, ist dies wegen der Zusammenrechnung von Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen der Tochtergesellschaft für die Entnahmebetrachtung irrelevant, weil sich das Betriebsvermögen der Tochtergesellschaft nicht verändert. Unklar ist allerdings, was im Fall der Übertragung der Darlehensforderung durch die Muttergesellschaft auf eine weitere Tochtergesellschaft (Schwester der Darlehensschuldnerin) hinsichtlich § 4 Abs. 4a EStG gilt. Stellt man hier auf die einzelnen Gesellschaften ab, wäre – da die Darlehensforderung aus dem
__________ 32 Vgl. Bundestag-Drucksache 14/23, 169. 33 Vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG; BMF v. 17.11.2005, BStBl. I 2005, 1019 Rz. 32. 34 Gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise: BMF v. 17.11.2005, BStBl. I 2005, 1019 Rz. 30. 35 Vgl. BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420; dem folgend BMF v. 7.5.2008, BStBl. I 2008, 588. 36 So BMF v. 17.11.2005, BStBl. I 2005, 1019 Rz. 10. 37 Vgl. Ley, KÖSDI 2006, 15277 (15283 f.) m. w. N.
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Sonderbetriebsvermögen der Schuldnergesellschaft in das Gesamthandsvermögen der Schwestergesellschaft wechselt – ggf. ein Entnahmetatbestand anzunehmen. In dem o. a. BFH-Urteil38, welches sich gegen die gesellschaftsbezogene Betrachtung und für die mitunternehmerindividuelle Betrachtung ausspricht, wird in der Begründung ausgeführt, dass es für die Ermittlung der Überentnahmen auf die individuellen Verhältnisse des einzelnen Gesellschafters ankommt: „Mit dieser individuellen Tatbestands- und Rechtsfolgenbestimmung wird zugleich sichergestellt, dass – auch im Hinblick auf Überoder Unterentnahmen eines sog. mittelbaren Mitunternehmers – die Schuldzinsenkürzung verursachungsgerecht zugeordnet wird.“ Das Abstellen auf den Mitunternehmer in Verbindung mit der Tatsache, dass das Betriebsvermögen der Tochtergesellschaften für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG nicht bei der Muttergesellschaft zu kürzen ist, lässt darauf schließen, dass es für die Frage der Überentnahmen allein auf die Verhältnisse zwischen natürlicher Person und (Mutter-)Mitunternehmerschaft ankommt39. Ansonsten käme es beispielsweise zu ungerechtfertigten Ergebnissen, wenn der Gesellschafter der Obergesellschaft eine Darlehensforderung der Obergesellschaft gegen die Untergesellschaft entnehmen würde. Diese Darlehensforderung würde weiterhin Sonderbetriebsvermögen bei der Untergesellschaft darstellen, allerdings nicht mehr Sonderbetriebsvermögen der Obergesellschaft, sondern Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft. Die individuelle Zurechnung von Eigenkapital der Gruppe zum Gesellschafter hat sich durch diesen Vorgang nicht verändert40. Mithin kann es bei mitunternehmerindividueller Betrachtung im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG auch nur auf die aus dem Verhältnis Mitunternehmer (natürliche Person) zur Mitunternehmerschaft getätigten Entnahmen ankommen. Etwaige Umfinanzierungen innerhalb der Personengesellschaftsgruppe bleiben außer Acht41. Daher ist der erwähnte Beispielsfall der Übertragung einer Darlehensforderung der Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft auf eine andere Tochtergesellschaft kein Fall des § 4 Abs. 4a EStG, da sich das Eigenkapital des Gesellschafters der Muttergesellschaft nicht verändert hat42.
__________ 38 BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. 39 Kritisch mglw. BFH v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103, wonach die Finanzierung einer Auszahlung eines Kapitalkontos einer Untergesellschaft an die Obergesellschaft eine Entnahmefinanzierung oder eine Tilgung darstellt. 40 Das Abstellen des BMF auf jede Mitunternehmerschaft, d. h. keine automatische Gewinnzurechnung von der Untergesellschaft an die Obergesellschaft, sondern erst Zurechnung bei tatsächlicher Entnahme/Einlage (BMF v. 17.11.2005, BStBl. I 2005, 1019 Rz. 8) wäre ohnehin nur dann konsistent, wenn es bei der gesellschaftsbezogenen Betrachtung bliebe. U. E. zu Recht kritisch Ley, KÖSDI 2006, 15277 (15292); 41 Nach BMF v. 7.5.2008, BStBl. I 2008, 588 stellt § 4 Abs. 4a EStG eine betriebsbezogene Gewinnzurechnung dar, wobei „nur“ der Begriff der Überentnahmen und der ihn bestimmenden Merkmale gesellschafterbezogen auszulegen ist. Fraglich ist, ob betriebsbezogen so eng wie beispielsweise bei der Zinsschranke nach § 4h EStG zu verstehen ist, wonach auch in einem Personengesellschaftskonzern jede Personengesellschaft für sich einen Betrieb bildet. 42 Vgl. auch Ley, DStR 2001, 1005 (1015); Wältermann, FR 2004, 553 (559).
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Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaftsbesteuerung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich § 4 Abs. 4a EStG in Bezug auf Gesellschafterdarlehen streng nach der steuerlichen Betrachtungsweise richtet. Derzeit nicht abschließend geklärt ist, ob sich diese in Fällen der Beteiligung an einer Personengesellschaftsgruppe ausschließlich auf das Verhältnis Mitunternehmer (natürliche Person) zur Gruppe bezieht (einheitliche Betrachtung), oder ob das Verhältnis jedes Mitunternehmers bei jeder Gruppengesellschaft individuell zu betrachten ist. Insbesondere der Zweck von § 4 Abs. 4a EStG spricht für die einheitliche Betrachtung. c) § 15a EStG § 15a EStG schränkt den Verlustausgleich und Verlustabzug in einer Vorstufe zum allgemeinen Verlustausgleich und Verlustabzug (§§ 2 Abs. 3, 10d EStG) ein, indem nach der Grundregel ein Verlustausgleich nicht stattfinden darf, soweit bei einem Kommanditisten oder einem Kommanditisten vergleichbaren Gesellschafter ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Aufgrund der Zielsetzung von § 15a EStG, nämlich der Kopplung der Verlustverrechnung an die Haftungsmasse des eingesetzten Kapitals (bzw. die erweiterte Außenhaftung gem. § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG)43, ist erklärlich, dass § 15a EStG nur auf das gesamthänderische Kapitalkonto (inkl. Ergänzungsbilanz) und nicht auf das Kapital des Sonderbetriebsvermögens abstellt44. Weiterhin ist zu beachten, dass es der Gesellschafter selbst bei Einzahlungen ins Gesamthandsvermögen der Gesellschaft in der Hand hat, ob die Zahlung auf die Haftsumme angerechnet werden soll oder nicht (negative Tilgungsbestimmung)45. Soweit Verluste nicht ausgeglichen werden können, mindern diese die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind. Im Hinblick auf die Formulierung „… aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft …“ lässt sich ableiten, dass eine gesellschafter- und gesellschaftsindividuelle Betrachtung maßgeblich ist46. Indiz für diese Auffassung ist außerdem, dass der verrechenbare Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG von der Gesellschaft festzustellen ist47. Das bedeutet, dass auf Gesellschaftsebene festgestellt wird, ob und wann ein Verlust für steuerliche Zwecke dem Gesellschafter – wer immer dies auch ist – zugerechnet werden kann. Für doppel- und mehrstöckige Personengesellschaften bedeutet dies, dass die Verlust- und Kapitalzurechnung ausgehend von der Untergesellschaft vorzu-
__________ 43 Vgl. Bundesrat-Drucksache 511/79; BFH v. 16.5.2002 – IV R 58/00, BStBl. II 2002, 748. 44 Vgl. BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706; v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167; BMF v. 15.12.1993, BStBl. I 1993, 976. 45 Vgl. BFH v. 11.10.2007 – IV R 38/05, BFH/NV 2008, 274. 46 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15a Rz. 106; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15a Rz. B 341 ff. 47 Vgl. BFH v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621.
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nehmen ist48. Bei der Obergesellschaft erhöht ein positives Kapitalkonto der Untergesellschaft im Rahmen der Spiegelbildmethode49 das Kapital der Obergesellschaft und steht damit für Verlustausgleichszwecke bei der Obergesellschaft zur Verfügung. Ist das Kapital der Untergesellschaft negativ und sind bei der Untergesellschaft verrechenbare Verluste festgestellt, wird durch das negative Kapitalkonto der Untergesellschaft die Verlustverrechnungsmöglichkeit der Obergesellschaft nicht eingeschränkt bzw. beschränkt, soweit es sich um verrechenbare Verluste handelt50. Diese verbleiben bei der Untergesellschaft. Entsprechendes gilt bei überschießender Außenhaftung und „normalem“ negativem Kapitalkonto. Technisch ist hierzu die Bildung eines Merkpostens51 notwendig, der die entsprechenden Beträge der negativen Kapitalkonten der Untergesellschaft bei der Obergesellschaft als Ausgleichpotential wieder berücksichtigungsfähig macht52. Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 15a EStG in Bezug auf Gesellschafterdarlehenskonten die zivilrechtliche Betrachtungsweise zugrunde legt. Gesellschafterdarlehen können nicht beim Darlehensnehmer – wie es die steuerliche Betrachtungsweise generell vorsieht – berücksichtigt werden, sondern stellen der zivilrechtlichen Betrachtungsweise entsprechend (Eigen-)Kapital des Gesellschafters dar. Ferner ist festzuhalten, dass § 15a EStG einer streng zivilrechtlichen Trennung von Gesellschaften bei doppel- und mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen folgt. d) § 34a EStG Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG sieht für nicht entnommene Gewinne einer Personengesellschaft (oder eines Einzelunternehmens) eine begünstigte Besteuerung vor. Die Begünstigung ist betriebs- und personenbezogen, was sich insbesondere bei Nachversteuerungen (§ 34a Abs. 4 und 6 EStG) auswirkt. Die Ermittlung nicht entnommener Gewinne schließt Gesamthands- (inkl. Ergänzungsbilanz) und Sonderbetriebsvermögen ein53. Über Gesellschafterdarlehen hat der einzelne Mitunternehmer eine relativ große Flexibilität, die Reduzierung des nicht entnommenen und damit begünstigungsfähigen Gewinns wieder auszugleichen. Beispielsweise können Gehälter an Gesellschaftergeschäftsführer, die auf private Konten gezahlt werden, als Ge-
__________ 48 Dies belegt auch die Tatsache, dass bei Veräußerung einer Beteiligung an einer Obergesellschaft ein verrechenbarer Verlust der Untergesellschaft nur insoweit mit Gewinnen aus der Veräußerung zu verrechnen ist, wie diese Gewinne anteilig auf die Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft entfallen. Vgl. BFH v. 1.7.2004 – IV R 67/00, BFH/NV 2004, 1707. 49 Vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804. 50 Vgl. OFD Bremen v. 19.10.1995, BB 1996, 900; OFD Nürnberg v. 13.11.1997, BB 1998, 44; OFD Chemnitz v. 5.2.1998, DB 1998, 903. 51 Vgl. zu den diversen Merkposten im Rahmen des § 15a EStG Rogall, BB 2004, 1819. 52 Vgl. Nickel/Bodden, FR 2003, 391 (395). 53 Vgl. BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838 Rz. 2; Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1091).
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sellschafterdarlehen die zunächst erfolgte Reduzierung des nicht entnommenen Gewinns wieder rückgängig machen. Umgekehrt können bei steuerfreien Gewinnen statt insoweit für die Thesaurierungsbegünstigung unschädlicher Entnahmen auch Tilgungen des Gesellschafterdarlehens erfolgen. Zu beachten ist allerdings, dass diese Gestaltungsmöglichkeit eine gezielte Planung in Bezug auf die Gewinnverwendung voraussetzt, die zeitgenau zu steuern ist, da für den nicht entnommenen Gewinn immer auf das Wirtschaftsjahr abzustellen ist54. Bei doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaften stellt sich die Frage, ob jeder Mitunternehmeranteil gesondert zu betrachten oder ob eine zusammenfassende Betrachtung aus Sicht des Gesellschafters (natürliche Person) maßgeblich ist. Orientiert man sich am Zweck der Norm, so betrifft der Regelungsinhalt ausschließlich das Verhältnis Gesellschafter (natürliche Person) zur Personengesellschaft und nicht das Verhältnis von Ober- zu Untergesellschaft. Insoweit ähnelt sich die Intentionslage von § 34a EStG und § 4 Abs. 4a EStG. Dies scheint auch die Finanzverwaltung dazu bewogen zu haben, für Zwecke des § 34a EStG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft(sgruppe) abzustellen55. Dies hätte zur Konsequenz, dass es für die Frage nach der Höhe von Entnahmen und Einlagen sowie Gewinnen und Thesaurierungen irrelevant ist, ob bzw. auf welcher Ebene der Personengesellschaftsgruppe diese anfallen56. Diese Interpretation ist durchaus plausibel, setzt sich aber über die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG hinweg, wonach Darlehensforderungen des Gesellschafters der Obergesellschaft an die Untergesellschaft Sonderbetriebsvermögen der Untergesellschaft darstellen. Der Einbezug dieses Sonderbetriebsvermögens für Zwecke des § 34a EStG in das Eigenkapital der Obergesellschaft ist sehr weitgehend. In jedem Fall hätte man es wohl in der Hand, das Sonderbetriebsvermögen bei der Untergesellschaft auch separat dieser zuzuordnen, wenn der Gesellschafter der Obergesellschaft auch (ggf. minimal)57 an der Untergesellschaft beteiligt wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich § 34a EStG an der steuerlichen Betrachtungsweise ausrichtet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung tritt die zivilrechtliche Betrachtung selbst bei doppel- und mehrstöckigen Gesellschaften insoweit in den Hintergrund, als dass selbst hier die Eigenständigkeit der verschiedenen Gesellschaften negiert wird (weite steuerliche Betrachtung).
__________ 54 Vgl. zu den Rahmenbedingungen der jährlichen Planungsgrößen Rogall in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 427. 55 Vgl. BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838 Rz. 21. 56 Vgl. die Argumentationen und weiteren verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten Gragert/Wißborn, NWB, Fach 3; S. 14621 (14632); Thiel/Sterner, DB 2007, 1099 (1105); Ley/Brandenberg, FR 2007, 1085 (1097 f.); Rogall, DStR 2008, 429 (432). 57 Vgl. FG Düsseldorf v. 18.6.2007 – 17 K 923/05 F, EFG 2007, 1696.
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e) Umstrukturierungsmaßnahmen aa) § 24 UmwStG Wird ein Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil oder Teilmitunternehmeranteil in eine Personengesellschaft eingebracht, kann der einbringende Mitunternehmer nach § 24 UmwStG die Buchwerte fortführen und damit die Steuerneutralität der Einbringung erreichen. Voraussetzung ist weiterhin, dass der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft wird. Nach UmwStG vor SEStEG war gesetzlich nicht geregelt, welche Tatbestände von § 24 UmwStG erfasst wurden. Eine entsprechende Auslegung des Einbringungstatbestandes nahm der Umwandlungssteuererlass vor, indem für verschiedene zivilrechtliche Vorgänge die Anwendbarkeit von § 24 UmwStG zugewiesen wurde58. Mit der gesetzlichen Einführung eines Anwendungsbereichs für den sechsten Teil des UmwStG in § 1 Abs. 3 UmwStG stellt sich die Frage, ob anhand der entsprechend genannten Einbringungstatbestände auf materielle Auslegungstatbestände zurückgegriffen werden kann oder muss. Dies betrifft sämtliche Fragen, die ein etwaiges Abweichen des Steuerrechtes vom Zivilrecht vorsehen59. Nach anderer, unserer Einschätzung zutreffender Ansicht, sind die steuer-materiell-rechtlichen Qualifikationen zusätzlich zur zivilrechtlichen Einordnung zu berücksichtigen. Nach dieser Sichtweise würde § 1 Abs. 3 UmwStG diejenigen zivilrechtlichen Umstrukturierungsmaßnahmen determinieren, für die eine Anwendung (hier) von § 24 UmwStG dem Grunde nach in Betracht kommt. § 24 UmwStG obliegt dann die Aufgabe, bei Vorliegen dieser Voraussetzung den steuer-materiell-rechtlichen Regelungsumfang zu bestimmen60. Die steuer-materiell-rechtlichen Fragestellungen würden demnach wie bisher zu beantworten sein, da § 24 UmwStG insoweit keine wesentlichen Änderungen61 erfahren hat62. In Bezug auf Gesellschafterdarlehenskonten ist im Zusammenhang mit § 24 UmwStG danach zu unterscheiden, ob es sich um bestehende Darlehensbeziehungen handelt oder ob diese Darlehensbeziehungen im Zusammenhang mit der Einbringung entstehen. Für bestehende Darlehensbeziehungen sah die Finanzverwaltung eine Einbringung ins Sonderbetriebsvermögen bei der auf-
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58 Vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.01. 59 Beispielsweise sind hiervon die Fragen betroffen, ob für die Anwendung von § 24 UmwStG die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums ausreichend ist, ob die teilweise Einbringung in das Sonderbetriebsvermögen von § 24 UmwStG erfasst ist und wer Einbringender ist (die Mitunternehmerschaft oder der jeweilige Mitunternehmer). § 1 Abs. 3 UmwStG einen steuer-materiell-rechtlichen Charakter beimessend Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG (SEStEG), § 24 Rz. 14, 16, 104; teilweise nicht eng zivilrechtlich argumentierend bei der Frage des Einbringenden (z. B. Ausgliederungen von Teilbetrieben auf eine Untergesellschaft) Patt, ebd. Rz. 112. 60 Zu diesem Ergebnis kommend bspw. auch Herlinghaus, FR 2007, 286 (290); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, 2008, § 24 Rz. 59, 60; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, 2008, § 20 Rz. 39 jeweils m. w. N. 61 Zu § 24 Abs. 5 UmwStG vgl. z. B. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 62 Aus der Gesetzesbegündung lässt sich nichts anderes ableiten. Vgl. BundestagDrucksache 16/2710, S. 35–36 und 60–61.
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nehmenden Gesellschaft als ausreichend an63. Dies bedeutet beispielsweise, dass bestehende Gesellschafterdarlehen bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteils64 in eine Mitunternehmerschaft bestehen bleiben konnten. Diese Darlehen werden dann Sonderbetriebsvermögen der aufnehmenden Gesellschaft bei der eingebrachten Gesellschaft. Für übrige Wirtschaftsgüter ist die Einbringung aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen von § 24 UmwStG erfasst, solange (überhaupt) neue Gesellschaftsrechte an der aufnehmenden Gesellschaft gewährt werden65. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn als Wirtschaftsgut Bargeld zivilrechtlich zurückbehalten wird, auch wenn es im Rahmen der Einbringung zu Sonderbetriebsvermögen bei der aufnehmenden Gesellschaft wird. Bargeld ist insoweit scheinbar ein besonderes Wirtschaftsgut66. So sieht die Finanzverwaltung die Darlehensgewährung im Zusammenhang mit der Einbringung nach § 24 UmwStG insoweit als schädliche Gegenleistung an mit der Folge, dass insoweit anteilig eine Veräußerung anzunehmen sein soll67. Diese Sichtweise ist allerdings grob pauschalierend. Würde die Darlehensgewährung im Zusammenhang mit der Einbringung immer als Gewährung sonstiger Gegenleistung anzusehen sein, würde es an dieser Stelle zur Durchbrechung der ansonsten zugrunde gelegten steuerlichen Betrachtungsweise (im Sinne einer Einheit aus Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen) kommen, da die Darlehensgewährung anders gewertet würde als beispielsweise die mietweise Überlassung von zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern. Bei der Einbringung von (Teil-)Betrieben könnte danach unterschieden werden, ob etwaige Barmittel bereits vor der Einbringung vorhanden waren. Zumindest insoweit sollte eine Darlehensgewährung steuerunschädlich sein. Allerdings eröffnet diese Unterscheidung Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Schaffung ausreichender Barmittel68. Da die Anwendung von § 24 UmwStG sowohl auf den Einbringenden (bestehendes Vermögen; Abgrenzungen wie bspw. Teilbetriebseigenschaft, etc.) wie auch auf die Behandlung der eingebrachten Wirtschaftsgüter bei der aufnehmenden Gesellschaft (Gewährung von Gesellschaftsrechten, Ansatz im Sonderbetriebsvermögen, Ausübung des Bewertungswahlrechts) abgestellt wird, ist im Fall der doppel- und mehrstöckigen Gesellschaftsstruktur nicht nur auf das Verhältnis des Gesellschafters der Obergesellschaft (natürliche Person oder Kapitalgesellschaft) zur Gesellschaftsgruppe abzustellen; vielmehr sind die einzelnen Gesellschaften eines Personengesellschaftskonzerns separat zu be-
__________ 63 Vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.06. 64 Forderungen (wie auch Verbindlichkeiten) gelten regelmäßig als nicht wesentliches (Sonder-)Betriebsvermögen. Diese Wertung könnte ggf. anders ausfallen, wenn die Forderung strategische Bedeutung hat, z. B. aufgrund ihrer Höhe eine wirtschaftliche Einflussnahme ermöglicht. So Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG, § 20 Rz. 63. 65 Vgl. bspw. FG Düsseldorf v. 30.4.2003 – 16 K 2934/01 E, EFG 2003, 1180; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 24 Rz. 106 ff.; Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG, § 24 Rz. 101.3. 66 Vgl. z. B. Rogall, DStR 2007, 731 (734 f.). 67 Vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.08; Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG (SEStEG), § 24 Rz. 60. 68 Vgl. Rogall, DB 2007, 1215 (1219) m. w. N.
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trachten. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass bei einer (Teil-)Betriebseinbringung zum Betriebsvermögen gehörende Mitunternehmeranteile als eigenständige Einbringungen behandelt werden69. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Rahmen des § 24 UmwStG grundsätzlich auf die steuerliche Betrachtungsweise abgestellt wird. Sowohl für den Fall, dass es sich beim Einbringungsgegenstand um einen Mitunternehmeranteil handelt, wie auch für die gewährte Mitunternehmerstellung bei der aufnehmenden Gesellschaft wird auf das dem Mitunternehmeranteil steuerlich zuzurechnende Betriebsvermögen (inkl. Sonderbetriebsvermögen) abgestellt. Der Auffassung, dass die zivilrechtliche Betrachtungsweise durch die Aufnahme der unter § 24 UmwStG fallenden Tatbestände in § 1 Abs. 3 UmwStG stärker in den Vordergrund treten soll, ist nicht zu folgen. Mithin sind auch weiterhin (anteilige) Einbringung ins Sonderbetriebsvermögen von § 24 UmwStG erfasst. Nach der rein steuerlichen Betrachtungsweise müsste dies auch für im Zusammenhang mit der Einbringung begründete Gesellschafterdarlehen gelten – zumindest soweit im einzubringenden Vermögen entsprechende Barmittel vorhanden sind. Für doppel- und mehrstöckige Gesellschaften ist die steuerliche Betrachtungsweise für jede Gesellschaft separat maßgeblich. bb) § 6 Abs. 5 EStG Nach § 6 Abs. 5 EStG sind Überführungen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG)70 und Übertragungen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG)71 von Einzelwirtschaftsgütern des Betriebsvermögens zum Buchwert vorzunehmen. Die Übertragung qualifizierter Einheiten (Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile) fällt nicht unter § 6 Abs. 5 EStG, sondern wird von § 6 Abs. 3 EStG erfasst. Bei Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern stellt sich regelmäßig die Frage, ob und wann die Übernahme von Verbindlichkeiten (hier Gesellschafterdarlehen) die Erfolgsneutralität des Übertragungsvorgangs beseitigt. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob der Nettobetrachtung oder der Bruttobetrachtung zu folgen ist. Während nach der Nettobetrachtung eine anteilige Mitübertragung von Verbindlichkeiten unschädlich wäre72, löst nach der Bruttobetrachtung jede Mitübertragung einen anteiligen entgeltlichen Vorgang aus73. Sowohl Rechtsprechung74 wie auch Finanzverwaltung75 gehen von der
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69 Vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.04 i. V. m. 20.14. 70 Überführung = Wechsel der steuerlichen Zuordnung zu einem Betriebsvermögen ohne Rechtsträgerwechsel. 71 Übertragung = Rechtsträgerwechsel mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. 72 Vgl. bspw. Groh, DB 2002, 1904 (1907); Böhme/Forster, BB 2003, 1979 (1983 f.); Roser, FR 2002, 309 (316 f.) jeweils mit verschiedenen Argumenten. 73 Vgl. z. B. Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rz. 1452; Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 664; Wendt, FR 2002, 53 (62); Brandenberg, DStZ 2002, 551 (557 f.). 74 Vgl. BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 421; FG Münster v. 26.1.2006 – 8 K 6071/02 F, EFG 2006, 799 (Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt). 75 Vgl. BMF v. 7.6.2001, BStBl. I 2001, 367 Tz. 5.
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Bruttobetrachtung aus (Trennungstheorie). In den Urteilsbegründungen der o. a. Rechtsprechung wird ausgeführt, dass bei der Übertragung die Übernahme der Verbindlichkeit als Gegenleistung anzusehen ist. Denn die Übernahme einer Verbindlichkeit wird durch einen anderen Rechtsträger getätigt, um die Verfügungsmöglichkeit über das gleichzeitig übertragene Wirtschaftsgut zu erlangen, was einem Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang gleichsteht. Zu beachten ist allerdings, dass diese Argumentation nur auf reine Übertragungsfälle abzielt. Überträgt beispielsweise ein Mitunternehmer aus seinem Betriebsvermögen ein Wirtschaftsgut, welches fremdfinanziert ist, in das Gesamthandsvermögen seiner Mitunternehmerschaft, wechselt die Verbindlichkeit aus dem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in sein Sonderbetriebsvermögen bei der Mitunternehmerschaft. Es liegen also zwei getrennte Vorgänge vor, nämlich zum einen die Übertragung des Wirtschaftsgutes nach § 6 Abs. 5 Satz 3 (hier Nr. 1) EStG und die gleichzeitige Überführung der Verbindlichkeit aus dem Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen bei der Mitunternehmerschaft76. Folgt man der o. a. Rechtsprechungsbegründung, kommt es für die Frage, ob Darlehensverbindlichkeiten mit übertragen werden, auf die Fragestellung an, ob und inwieweit der zu beurteilende Vorgang als Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäft zu werten ist. Die Rechtsprechung legt hier also eine zivilrechtliche Interpretation zugrunde. Aus Sicht von § 6 Abs. 5 EStG bedeutet das, dass auch bei in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehenden Vorgängen der Überführung/Übertragung von Wirtschaftsgütern und Verbindlichkeiten kein Zusammenhang dieser Vorgänge zu machen ist, wenn sich der eine Vorgang als Übertragung gestaltet und der andere Vorgang Überführungscharakter aufweist77. Aufgrund der rein zivilrechtlichen Betrachtung sind sämtliche Überführungs- und Übertragungsvorgänge in einer Personengesellschaftsgruppe separat zu betrachten (jeweils selbständige Gesellschaften)78. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass § 6 Abs. 5 EStG von einer streng zivilrechtlichen Betrachtung ausgeht. Hinsichtlich der Gesellschafterdarlehen kommt es nicht auf die steuerliche Betrachtung an, nach der ggf. eine
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76 Zu beachten ist ggf. die Frage, ob es sich tatsächlich nur um eine Änderung des Finanzierungszusammenhangs handelt und damit eine vollständige Überführung des Darlehens ins Sonderbetriebsvermögen vorliegt (so zumindest bei Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) oder ob die Nichtübertragung des Darlehens teilweise auch private Gründe hat (mglw. bei unentgeltlicher Übertragung des Wirtschaftsgutes auf die Gesamthand, weil dann ein geänderter Finanzierungszusammenhang ggf. nur insoweit vorliegt, wie der Übertragende an dem übertragenden Wirtschaftsgut nach der Übertragung mittelbar beteiligt ist). Vgl. Schmitt, Stbg 2003, 1 (5). 77 So auch OFD Karlsruhe v. 20.6.2006, ESt-Kartei BW § 6 EStG Fach 5 Nr. 4.1, wo in Tz. 5.2 ausgeführt wird, dass die Übertragung eines darlehensfinanzierten Grundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft unter Zurückbehaltung der Darlehensverbindlichkeiten (und Wechsel der Darlehensverbindlichkeiten in das Sonderbetriebsvermögen bei der aufnehmenden Mitunternehmerschaft (Anm. der Verf.)) gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zum Buchwert erfolgt (Beispiel 4). 78 Vgl. OFD Karlsruhe v. 20.6.2006, ESt-Kartei BW § 6 EStG Fach 5 Nr. 4.1 Tz. 7.3.
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„Umwidmung“ im Zusammenhang mit der Überführung oder Übertragung von Wirtschaftsgütern aus einem steuerlichen Betriebsvermögen in ein anderes steuerliches Betriebsvermögen schädlich wäre. Vielmehr ist eine Schädlichkeit bei der „Mitnahme“ von Verbindlichkeiten nur dann gegeben, wenn (aus zivilrechtlicher Betrachtung) ein Veräußerungs-/Anschaffungsvorgang vorliegt. Es kommt mithin nicht auf die Abgrenzung an, wie sie durch den Mitunternehmeranteil bzw. die jeweilige steuerliche Betriebsvermögenssphäre vorgegeben ist. cc) § 6 Abs. 3 EStG § 6 Abs. 3 EStG sieht für die unentgeltliche Übertragung von qualifizierten Einheiten (Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile) den Ansatz des Buchwertes vor (Steuerneutralität). Für Mitunternehmeranteile stellt sich mithin auch die Frage nach der anteiligen Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen. Da es im Rahmen von § 6 Abs. 3 EStG ausschließlich auf funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen ankommt79, fallen Gesellschafterdarlehen und die entsprechenden Forderungen im Sonderbetriebsvermögen nicht in den von § 6 Abs. 3 EStG geregelten Bereich80. Insofern sollten unteroder überquotale unentgeltliche Mitübertragungen von Darlehensforderungen im Rahmen von übertragenen Teilmitunternehmeranteilen unerheblich sein, so dass die Darlehensforderungen aus der streng-quotalen steuerlichen Betrachtung herausfallen, welche ansonsten für Zwecke des § 6 Abs. 3 EStG zugrunde zu legen ist. dd) § 16 EStG Entsprechendes wie unter § 6 Abs. 3 EStG gilt für Gesellschafterdarlehen auch im Hinblick auf die Frage, ob eine Veräußerung oder Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils vorliegt (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 EStG; § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Eine entsprechende Überführung oder Übertragung einer Darlehensforderung in ein anderes Betriebsvermögen vor Veräußerung bzw. Aufgabe des Mitunternehmeranteils sollte aufgrund der Nicht-Wesentlichkeit der Darlehensforderung die Anwendung des § 16 EStG und in der Folge des § 34 EStG regelmäßig nicht hindern81.
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79 Vgl. BMF v. 3.3.2005, BStBl. I 2005, 458 Rz. 3 und 4. Nach der Rechtsprechung ist ein Wirtschaftsgut für die Funktion eines Betriebs dann von Bedeutung, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzt. Vgl. BFH v. 17.4.1997 – VIII R 2/95, BStBl. II 1998, 388; v. 17.11.1992 – VIII R 36/91, BStBl. II 1993, 233; v. 29.7.1992 – I R 114/91, BStBl. II 1993, 180. Wendt, FR 2005, 468 (470 f.) diskutiert, den Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage für § 6 Abs. 3 EStG normspezifisch auszulegen, wonach nur für die Personengesellschaft unentbehrliche, also nicht austauschbare oder jederzeit am Markt ersetzbare Wirtschaftsgüter erfasst sein sollen. 80 Vgl. Gratz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rz. 1345; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rz. 1012; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rz. 472; Stegemann, INF 2005, 344 (345); Rogall/Stangl, DStR 2005, 1073 (1074). 81 Vgl. zur Abgrenzung Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rz. 103 f.
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Im Zusammenhang mit der Realteilung (§ 16 Abs. 3 Satz 2–4 und Abs. 5 EStG) erfolgt eine noch weitergehende Abkopplung, was damit zusammenhängt, dass die real zu teilende Gesellschaft aufgelöst wird. Bei der Realteilung handelt es sich um die Aufgabe des Betriebs der Mitunternehmerschaft, wobei es als ausreichend erachtet wird, dass mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage82 nach der Realteilung weiterhin Betriebsvermögen eines Realteilers bleibt. Im Rahmen der Aufteilung des Betriebsvermögens der real zu teilenden Personengesellschaft können insbesondere vorhandene liquide Mittel, Forderungen und Verbindlichkeiten der zu teilenden Gesellschaft dazu genutzt werden, einen steuerneutralen Vermögensausgleich herbeizuführen83. Gesellschafterdarlehen eignen sich daher dazu, entweder eine Drittdarlehensbeziehung zu begründen, wenn ein anderer als der darlehensgebende Gesellschafter die Darlehensverpflichtung der zu teilenden Gesellschaft übernimmt, oder eine Aufrechnung von Darlehensforderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfolgt. Anders als bei Einbringungsfällen (s. dazu oben) steht bei der Auflösung einer Mitunternehmerschaft das in die Realteilung einzubeziehende Sonderbetriebsvermögen84 dem zivilrechtlichen Eigentümer zu. Würde es hier zu einer Übertragung von Sonderbetriebsvermögen zwischen den an der Realteilung beteiligten Gesellschaftern kommen, bestünde insoweit die Gefahr, dass es sich um eine Abfindungszahlung eines Gesellschafters an den anderen handelt. Obgleich bei der Realteilung aufgrund der Aufteilung der Wirtschaftsgüter auf die Gesellschafter die zivilrechtliche Betrachtung den Ausschlag gibt (Aufteilung des Gesamthandsvermögens), wird das Sonderbetriebsvermögen in die Realteilung mit einbezogen, was eine steuerliche Betrachtung stützt. f) Gewinnverteilung aa) Gewerbesteuer und § 35 EStG Der Gewerbesteuer unterliegt die Personengesellschaft als stehender, im Inland betriebener Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG). Steuerschuldner ist die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) mit ihrem Gewerbeertrag, der grundsätzlich nach den Vorschriften des EStG zu ermitteln ist (§ 7 GewStG). Der Bezug auf die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage schließt die Ergebnisse, die im Sonderbetriebsbereich erzielt werden, mit ein, so dass beispielsweise Zinsen auf Gesellschafterdarlehen den Gewerbeertrag der Personengesellschaft nicht mindern. Da die Gewerbesteuer Betriebsausgabe der Personengesellschaft ist, mindert sie den Jahresüberschuss der Personengesellschaft und damit den verteilungsfähigen Gewinn. Dieser Mechanismus führt regelmäßig zu einem Anpassungsbedarf der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilung, weil die grundsätzlich durch das Kapitalkonto I vorgegebene Gewinnpartizipation hinsichtlich der Sonderbilanzergebnisse (wie auch der Er-
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82 Die wesentliche Betriebsgrundlage wird hier, dem Gedanken des § 16 EStG folgend, neben der funktionalen Betrachtung auch durch die quantitative Betrachtung bestimmt. 83 Vgl. z. B. BMF v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253, Rz. 18. 84 Vgl. BMF v. 28.2.2006, BStBl. I 2006, 228, Tz. III.1.
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Rudolf Gocke/Matthias Rogall
gänzungsbilanzergebnisse) zu einer „Sozialisierung“ zwischen den Gesellschaftern führt, was durch eine entsprechend modifizierte Gewinnverteilung ausgeglichen werden kann. Die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG setzt an dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel an. Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Damit richtet sich die Verteilung des für die Gewerbesteueranrechnung maßgeblichen Gewerbeertrags nach der handelsrechtlichen Gewinnverteilung, d. h. regelmäßig dem Verhältnis der Festkapitalkonten85. Sonderbetriebsgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen86. Zwar sieht die Finanzverwaltung eine Ausnahme für gewinnabhängige Vorabgewinnanteile vor87, ob dies allerdings Bestand haben wird, ist fraglich88. Insofern könnte auch eine allgemeine Anpassung der Gewinnverteilung durch verursachungsgerechte Umlage der Gewerbesteuerlast nach § 35 EStG nicht anzuerkennen sein, wenngleich dieser Mechanismus keine Vorabgewinnverteilung darstellt, sondern in den allgemeinen Gewinnverteilungsmechanismus eingeht89. Da § 35 EStG nicht gesellschaftsvertraglich modifiziert werden kann, bliebe als Reaktion auf den Automatismus von § 35 EStG wie bei der verursachungsgerechten Berücksichtigung der Gewerbesteuer im Rahmen der Gewinnverteilung auch die Entlastung nach § 35 EStG in die Gewinnverteilung einzubeziehen90. Bei doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaften ist gewerbesteuerlich zu beachten, dass jede Personengesellschaft für sich Gewerbesteuersubjekt ist. Die anteiligen Gewerbeerträge der Untergesellschaft werden bei der Obergesellschaft gekürzt (§ 9 Nr. 2 GewStG). Der Gewerbesteuermessbetrag wird für Zwecke des § 35 EStG von der jeweiligen Untergesellschaft an die Obergesellschaft weitergereicht (§ 35 Abs. 2 Satz 5 EStG). Die Berücksichtigungsmöglichkeit von Sonderbetriebsausgaben stellt sich bei doppelstöckigen Personengesellschaften nicht anders dar als zuvor beschrieben. Ein besonderes Problem bereiten aber Sondervergütungen der Untergesellschaft an den Gesellschafter der Obergesellschaft, z. B. wenn dieser der Untergesellschaft ein Darlehen gewährt hat. Während einkommensteuerlich diese Vergütungen dem Gesellschafter der Obergesellschaft unmittelbar zugerechnet werden, erfolgt die Zurechnung des Gewerbesteuermessbetrags über die Obergesellschaft, was einen potentiellen Ausgleichsmechanismus erschwert. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Gewerbesteuer als Steuer der Personengesellschaft zwar aufgrund der Anknüpfung an die einkommensteuer-
__________ 85 Vgl. BMF v. 19.9.2007, BStBl. I 2007, 701, Rz. 19; Ritzer/Stangl, DStR 2002, 1785. 86 Vgl. FG Brandenburg v. 23.10.2007 – 6 K 1332/03 B, EFG 2008, 219 (Nichtzulassungsbeschwerde IV B 136/07); Glanegger in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 35 Rz. 23. 87 Vgl. BMF v. 19.9.2007, BStBl. I 2007, 701, Rz. 22. 88 Vgl. FG Brandenburg v. 23.10.2007 – 6 K 1332/03 B, EFG 2008, 219 (Nichtzulassungsbeschwerde IV B 136/07); Neu, DStR 2003, 1046; Koretzkij, BB 2001, 389 (390). 89 Vgl. Ritzer/Stangl in Frotscher, EStG, § 35 Rz. 113b m. w. N. 90 Vgl. Ottersbach, DStR 2002, 2032.
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Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaftsbesteuerung
liche Bemessungsgrundlage nach der steuerlichen Betrachtung richtet und Gesellschafterdarlehen insofern mit einbezieht. Durch den Mechanismus der Betriebsausgabe der Personengesellschaft mindert die Gewerbesteuer allerdings den Gesamthandsgewinn und unterfällt somit hier der zivilrechtlichen Betrachtung. Da § 35 EStG am anteiligen Gewerbesteuermessbetrag festmacht91, steht hier faktisch auch die zivilrechtliche Betrachtung im Vordergrund, wenngleich der gesamte Messbetrag wieder nach der steuerlichen Betrachtung (unter Einschluss der Darlehensvergütungen) berechnet wird. bb) § 4h EStG Eine vergleichbare Situation ergibt sich im Hinblick auf die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG. Hier gilt jede Personengesellschaft als gesonderter Betrieb im Sinne der Zinsschranke, wobei wiederum die Ergänzungs- und Sonderbilanzen bei der jeweiligen Personengesellschaft einzubeziehen sind92, so dass die steuerliche Betrachtung anzuwenden ist. Entgegen der Regelungen von § 4 Abs. 4a EStG und § 34a EStG kommt für § 4h EStG allerdings keine Zusammenfassung mehrerer Betriebe (mit Ausnahme von Organschaftsfällen) in Betracht, so dass sich die steuerliche Betrachtung auf die einzelnen Personengesellschaften beschränkt (keine weite Auslegung). Ähnlich wie bei der Gewerbesteuer stellt sich im Hinblick auf die Zinsschranke die Frage der Verursachung von Zinsen und der Erzeugung von Verrechnungspotential (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG; steuerliches EBITDA). Dies gilt insbesondere, wenn einzelne Gesellschafter verschiedenartige Größen beisteuern, was regelmäßig bei Vorliegen von positiven wie negativen Sonder- und Ergänzungsbilanzen der Fall ist93. Hinzu kommt eine intertemporäre Betrachtung bei entstehendem Zinsvortrag. Einer systematisch angelegten „Sozialisierung“94 von entsprechenden positiven und negativen Effekten auf die Verrechnung von Zinsen, einen entstehenden Zinsvortrag und dessen Verbrauch sowie den (anteiligen) Untergang eines Zinsvortrags bei Ausscheiden/Anteilsverkauf von Mitunternehmern kann auch hier durch eine gesellschaftsvertragliche Klausel entgegengewirkt werden, welche positive und negative Effekte der Zinsschrankenregelung für einzelne Gesellschafter über die Gewinnverteilung zu berücksichtigen versucht95. Aufgrund der betriebsbezogenen Betrachtung gilt dies bei doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaften für jede Gesellschaft separat.
__________ 91 Dies wird als vereinfachungsmäßige zulässige Folge gesetzlicher Typisierung angesehen. Vgl. Glanegger in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 35 Rz. 24. 92 Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rz. 19. 93 Vgl. Stangl/Hageböke in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 466. 94 Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rz. 51. 95 Vgl. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4h Rz. 300 ff.; Hick in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, Rz. J 07–16; Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 133.6
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Zusammenfassend ist in Bezug auf die Zinsschranke festzuhalten, dass hier – wie bei der Gewerbesteuer – die zivilrechtliche und die steuerliche Betrachtung vermischt werden. Während sich die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach der steuerlichen Betrachtung richtet, wird die zivilrechtliche Betrachtung letztlich einschlägig sein, weil das Ermittlungssubjekt die Personengesellschaft bleibt. Da der Ermittlungsgröße der abzugsfähigen Zinsen unmittelbar materielle Bedeutung zukommt, setzt sich die zivilrechtliche Betrachtung gegenüber der steuerlichen Betrachtung durch. Dies kann durch abweichende gesellschaftsvertragliche Regelungen weitgehend ausgeglichen werden.
IV. Zusammenfassung Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital- und Darlehenskonten richtet sich nach verschiedenen Merkmalen. Wesentlich ist, ob die entsprechenden Konten einer Verlustverrechnung dienen und zusammen mit anderen Konten einen Haftungsverbund darstellen, was auch beim Ausscheiden oder im Liquidationsfall zu berücksichtigen ist. Sofern bei Übertragungsvorgängen von Vermögen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verschiedene Konten betroffen sind, handelt es sich steuerlich grundsätzlich um einen einheitlichen Vorgang, welcher sich entweder im Fremdkapital abspielt (Darlehenskonto) oder im Eigenkapital. Bei letzterem ist danach zu unterscheiden ob der Vorgang entgeltlich (gegen Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten) oder unentgeltlich (Einlage/Entnahme) erfolgt. Gesellschafterdarlehen mindern entgegen der zivilrechtlichen Betrachtung im Rahmen der steuerlichen Betrachtung das Eigenkapital nicht. Bezüglich einzelner Besteuerungssachverhalte sind allerdings entsprechende Besteuerungsnormen ausfindig zu machen, welche sich streng an der zivilrechtlichen Betrachtung ausrichten. Hier sind insbesondere § 15a EStG und § 6 Abs. 5 EStG zu nennen. Zwischen zivilrechtlicher und steuerlicher Betrachtung stehen Gesellschafterdarlehen bei der Gewerbebesteuerung und der Zinsschranke. Zwar zählen die Gesellschafterdarlehen hier zum steuerlichen Vermögen der Personengesellschaft (steuerliche Betrachtung), gleichwohl richten sich die materiellen Konsequenzen durch die insoweit ausschlaggebende Subjekteigenschaft der Personengesellschaft nach der zivilrechtlichen Betrachtung. Im Übrigen herrscht weitgehend die steuerliche Betrachtung vor, wobei danach zu unterscheiden ist, ob diese Betrachtung eng auszulegen ist und in einer Personengesellschaftsgruppe für jede Gesellschaft individuell zur Anwendung kommt (so beispielsweise bei § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG; § 24 UmwStG; § 6 Abs. 3 EStG; § 16 EStG) oder ob eine weite Auslegung darin mündet, dass ausschließlich auf das Verhältnis des Gesellschafters zur Obergesellschaft abgestellt wird und die Darlehensverhältnisse innerhalb einer Personengesellschaftsgruppe (weitgehend) ignoriert werden (so beispielsweise bei § 4 Abs. 4a EStG, § 34a EStG).
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Bilanzierung und Bewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht und IFRS* Inhaltsübersicht I. Hintergrund und Fragestellung II. Planmäßige Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts 1. HGB-Konzeption: Einzelbewertung und Wertverzehrthese 2. Steuerbilanzrecht: von der Einheitstheorie zur Wertverzehrthese 3. IFRS: impairment only approach 4. Würdigung der verschiedenen Konzepte a) Impairment only vs. planmäßige Abschreibung b) Gesetzliche Typisierung der planmäßigen Abschreibung III. Außerplanmäßige Abschreibung und Zuschreibung 1. Die Grundkonzepte nach HGB, Steuerbilanzrecht und IFRS a) HGB: Außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei voraus-
sichtlich dauernder Wertminderung; Zuschreibungsverbot b) Steuerbilanz: Niedrigerer Teilwert; Zuschreibungspflicht c) IFRS: Abschreibung auf den niedrigeren erzielbaren Betrag; Zuschreibungsverbot 2. Insbesondere: die Ermittlung der Wertminderung bei einem Geschäfts- oder Firmenwert a) HGB: Grundsätzliche Einzelbewertung bezogen auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert b) Steuerbilanzrecht c) IFRS d) Zwischenergebnis 3. Würdigung der verschiedenen Konzepte IV. Zusammenfassung und Empfehlungen an den Gesetzgeber
Harald Schaumburg ist einer der großen Rechtsanwälte unserer Zeit. Sein besonderes Interesse gilt dem Steuerrecht, hier u. a. den Spezialgebieten des internationalen Steuerrechts, des Umwandlungssteuerrechts und der Nachfolgeplanung. Seinen Namen allein mit dem Steuerrecht zu verbinden, wäre allerdings zu eng. Harald Schaumburg war und ist stets auch ein Grenzgänger zwischen verschiedenen Rechtsgebieten und Disziplinen. Er versteht die Beratung der Mandanten ganzheitlich. Daher gehören das Gesellschaftsrecht, das Bilanzrecht und ökonomische Aspekte (vor allem der Bewertungslehre) wie selbstverständlich mit zu seinen Tätigkeits- und Interessengebieten. Die notwendige Verknüpfung verschiedener Disziplinen wird besonders augenfällig beim Unternehmenskauf, der, wie Schaumburg mit Recht formuliert hat, eine „komplexe Transaktion“ ist, die eine „interdisziplinäre Zusammenarbeit von
__________ * Für wertvolle Mithilfe und Anregungen danke ich meiner wiss. Mitarbeiterin, Frau von der Laage.
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Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und ggf. auch Sachverständigen anderer Fachbereiche“ erfordert1. Zu den interessanten und bedeutsamen Fragen im Zuge einer Unternehmensakquisition gehören die Aufteilung des Kaufpreises auf abschreibungsfähige Vermögensgegenstände (steuerlich: Wirtschaftsgüter) und die handels- sowie steuerbilanzielle Behandlung eines verbleibenden Unterschiedsbetrages, des sog. Geschäfts- oder Firmenwerts (auch Goodwill genannt)2. Die nachstehenden Überlegungen über Konzepte der Bilanzierung und Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwertes nach Handels- und Steuerbilanzrecht sowie IFRS finden daher hoffentlich das Interesse des Jubilars.
I. Hintergrund und Fragestellung Als entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert wird der Unterschiedsbetrag bezeichnet, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzgl. der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (§ 255 Abs. 4 Satz 1 HGB i. d. bislang geltenden Fassung; § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB i. d. F. durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG3). In diesem Unterschiedsbetrag kommt die Gesamtheit von einzeln nicht ansetzbaren immateriellen Faktoren wie Ruf, Kundenloyalität, Bezugs- und Absatzquoten, Standortlage, Unternehmensorganisation, Belegschaftsqualität usw. zum Ausdruck4. Der entgeltlich erworbene, sog. derivative Geschäfts- oder Firmenwert ist Ergebnis einer Unternehmenstransaktion. Der Unterschiedsbetrag ist rechnerischer Teil des Preises, der bei einer Unternehmensübernahme gezahlt wird. Davon zu unterscheiden ist der sog. originäre Geschäfts- oder Firmenwert. Er ist der Mehrwert, den das Unternehmen als Ganzes über die Summe der Zeitwerte seiner einzelnen Vermögensgegenstände abzgl. Schulden hat. Er lässt sich durch Unternehmensbewertung nach einem Gesamtwertverfahren (Ertragswert- oder Discounted Cash Flow-Verfahren) berechnen. In ihm kommen ebenfalls einzeln nicht ansetzbare immaterielle Faktoren zum Ausdruck. Vom derivativen Geschäfts- oder Firmenwert unterscheidet sich der originäre aber durch die fehlende Marktbestätigung, d. h. der originäre Geschäfts- oder Firmenwert ist der im Unternehmen selbst aufgebaute Mehrwert, demgegenüber ist der derivative Geschäfts- oder Firmenwert von einem anderen Unternehmen aufgebaut und der im Zuge einer Unternehmensakquisition vom Erwerber gezahlte Mehrpreis. Hinsichtlich des Ansatzes eines Geschäfts- oder Firmenwerts besteht zwischen den verschiedenen Bilanzrechtssystemen mittlerweile Übereinstimmung: Für den originären Geschäfts- oder Firmenwert besteht in jedem Bilanzrecht ein
__________ 1 2 3 4
Schaumburg in ders. (Hrsg.), Unternehmenskauf im Steuerrecht, 3. Aufl. 2004, S. 1 (3). Vgl. dazu auch Hörger in Schaumburg (Fn. 1), S. 109 ff. BT-Drucks. 16/10067. Vgl. BFH v. 27.3.1996 – I R 60/95, BStBl. II 1996, 576 (577); Söffing in FS für Döllerer, 1988, S. 593 ff.; je m. w. N.
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Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht, IFRS
Ansatzverbot. Das folgt für die Steuerbilanz aus § 5 Abs. 2 EStG, für die IFRS aus IAS 38.485 („internally generated goodwill shall not be recognised as an asset“) und für das (modernisierte) Handelsbilanzrecht ergibt sich dasselbe aus § 248 Nr. 4 HGB sowie aus einem Umkehrschluss zu § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB. Der originäre Geschäfts- oder Firmenwert ist nicht hinreichend sicher und drückt letztlich die noch unrealisierten Ertragserwartungen des Unternehmens aus, so dass es national wie international guter kaufmännischer Übung entspricht, ihn nicht in der Bilanz anzusetzen6. Demgegenüber besteht für einen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert übereinstimmend eine Aktivierungspflicht: Für die Steuerbilanz wird das daraus abgeleitet, dass der Geschäftsoder Firmenwert als Wirtschaftsgut klassifiziert wird7, das gemäß dem Vollständigkeitsprinzip anzusetzen ist8. Die steuerliche Abschreibungsvorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG bestätigt dies im Übrigen, denn sie setzt implizit den Ansatz des entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts voraus. Nach IFRS ergibt sich die Ansatzpflicht für einen Goodwill acquired in a business combination aus IFRS 3.51 (entsprechend IFRS 3.32 (revised 2008)). Für die HGB-Bilanz schließlich nahm die bislang h. M. zwar an, dass § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB (i. d. bislang geltenden Fassung) ein Aktivierungswahlrecht gewähre9 (was bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung im Lichte der EG-Bilanzrichtlinie allerdings schon immer zweifelhaft war10). Dabei wurde auch die Rechtsnatur des Geschäfts- oder Firmenwerts (Vermögensgegenstand, Bilanzierungshilfe oder Posten eigener Art) in Frage gestellt11. Das BilMoG regelt nunmehr aber, dass ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert als (zeitlich begrenzt nutzbarer, dazu mehr sogleich) Vermögensgegenstand gilt (Fiktion als Vermögensgegenstand!) und damit auch im Jahresabschluss nach HGB zwingend anzusetzen ist (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB)12. Was den Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwerts angeht, so besteht mithin in allen drei untersuchten Bilanzsystemen für den originären Geschäfts- oder Firmenwert ein Ansatzverbot und für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert eine Aktivierungspflicht. Ganz uneinheitlich ist demgegenüber das Bild hinsichtlich der Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts. Die Bewertung nach HGB ist anders als nach Steuerbilanzrecht, und wieder anders ist die nach IFRS. Dabei bestehen Unterschiede in drei Aspekten: Erstens bei der Frage, ob und wie ein aktivier-
__________ 5 VO (EG) Nr. 1126/2008 der Kommission vom 3.11.2008 (Konsolidierungs-VO), ABl. EG v. 29.11.2008, L 320 S. 1 ff. 6 Adler/Düring/Schmaltz (im Folgenden ADS), Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB Rz. 257. 7 BFH v. 24.3.1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705 (706). 8 Vgl. statt aller Schreiber in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 5 EStG Rz. 521, 613. 9 ADS (Fn. 6), § 255 HGB Rz. 273; Ellrott/Brendt in Beck’scher BilKomm, 6. Aufl. 2006, § 255 Rz. 517. 10 Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 1999, S. 155 ff.; ders. in MünchKomm/AktG, 2. Aufl. 2003, § 246 HGB Rz. 113. 11 Vgl. Tiedchen in MünchKomm/AktG, 2. Aufl. 2003, § 255 HGB Rz. 86 m. w. N. 12 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 152 (156); Schulze-Osterloh, DStR 2008, 63 (63); Wiese/Lukas, GmbHR 2008, 791 (793).
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ter Geschäfts- oder Firmenwert planmäßig abzuschreiben ist. Zweitens bei der Frage, ob und wie eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen ist. Und schließlich drittens bei der Frage, ob nach einer außerplanmäßigen Abschreibung in Folgejahren eine Zuschreibung wegen Werterholung zulässig ist oder nicht. Diese Unterschiede sollen im Folgenden vorgestellt und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme gewürdigt werden. Daraus werden sich schließlich Empfehlungen an den Gesetzgeber ergeben. Nicht behandelt wird in diesem Beitrag die Bilanzierung und Folgebewertung eines im Zuge eines Beteiligungskaufs (Share Deal) erworbenen Geschäftsoder Firmenwerts. In diesem Fall ist ein eventuell mitbezahlter Geschäftsoder Firmenwert integraler Bestandteil der erworbenen Beteiligung, die der Erwerber als solche, d. h. als „ungeteilte“ Beteiligung, mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen hat (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB)13. Eine Aufspaltung des Gesamtkaufpreises in einzelne Komponenten geschieht nicht. Dies gilt gleichermaßen in der Steuerbilanz für den Erwerb von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften14. Besonderheiten bestehen steuerlich aufgrund des sog. Transparenzprinzips allerdings beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft. Bei diesem stellt das Steuerbilanzrecht nicht auf den erworbenen Anteil als besonderes Wirtschaftsgut, sondern auf die anteilige Anschaffung der einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter ab15.
II. Planmäßige Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts 1. HGB-Konzeption: Einzelbewertung und Wertverzehrthese Planmäßige Abschreibungen dienen zum einen der Abbildung des Wertverzehrs und damit der zutreffenden Darstellung der Vermögenslage. Zum anderen soll die periodengerechte Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zur korrekten Darstellung der Ertragslage führen16. Auf ähnliche Weise verknüpft die „AfA“-Vorschrift des § 7 EStG im Steuerbilanzrecht die sog. „Wertverzehrthese“ mit der sog. „Aufwandsverteilungsthese“17. Zweck der Regelung ist es, „den Wertverzehr eines Wirtschaftsguts durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung zu berücksichtigen“18.
__________ 13 Vgl. ADS (Fn. 6), § 255 HGB Rz. 261; Ordelheide, FS Kroff, 1997, S. 569 (576). 14 Vgl. BFH v. 14.2.1973 – I R 76/71, BStBl. II 1973, 397 (398); Ehmcke in Blümich (Fn. 8), § 6 EStG Rz. 805; H. Richter in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 790. 15 BFH v. 6.7.1995 – IV R 30/93, BStBl. II 1995, 831 (831); BFH v. 18.2.1993 – IV R 40/92, BStBl. II 1994, 224 (225); Blumers in Schaumburg (Fn. 1), S. 29 (37). 16 Hoyos/Schramm/M. Ring in Beck’scher BilKomm (Fn. 9), § 253 Rz. 202. 17 Vgl. Brandis in Blümich (Fn. 8), § 7 EStG Rz. 30 ff. 18 BFH v. 27.6.1978 – VIII R 12/72, BStBl. II 1979, 38 (39); Brandis in Blümich (Fn. 8), § 7 EStG Rz. 32.
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Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht, IFRS
Betrachtet man einen erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert gemäß dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) für sich, d. h. ohne Zusammenschau mit dem (originären) Geschäfts- oder Firmenwert des erwerbenden Unternehmens, so leuchtet es ein, dass auch dieser Bilanzposten einem Wertverzehr unterliegt. Denn die den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert ausmachenden Bestimmungsfaktoren verlieren früher oder später an Wert19. Bei einer solchen Betrachtungsweise ist es folgerichtig, dass ein erworbener Geschäfts- oder Firmenwert planmäßig abgeschrieben wird. Zwar kann die Bestimmung der Nutzungsdauer dieses Postens im Einzelfall beträchtliche Schwierigkeiten bereiten. Aber dieses Problem lässt sich mit einer gesetzlichen Typisierung der Nutzungsdauer lösen. Eben in diesem Sinne typisiert § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB i. d. bislang geltenden Fassung eine Regelabschreibungsdauer von fünf Jahren20 (vgl. auch § 285 Nr. 13 HGB i. d. F. durch das BilMoG) und § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG eine solche von 15 Jahren. 2. Steuerbilanzrecht: von der Einheitstheorie zur Wertverzehrthese Die Sichtweise, dass ein erworbener Geschäfts- oder Firmenwert unabhängig von dem originären Geschäfts- oder Firmenwert des erwerbenden Unternehmens zu betrachten sei, ist freilich nicht die einzig denkbare. Im Gegenteil entsprach es einer im Steuerrecht früher lange h. M., dass der erworbene und der originäre Geschäfts- oder Firmenwert sich im Zeitablauf durchdringen und eine untrennbare Einheit bilden21. Nach dieser sog. Einheitstheorie bilden der erworbene und der originäre Geschäfts- oder Firmenwert eine „neue Einheit“, d. h. ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht zerlegt werden kann. Sieht man die Dinge so, lässt sich eine planmäßige Abschreibung der neuen Einheit nur begründen, wenn der Gesamt-Geschäftswert einem Wertverzehr unterliegt. Das lässt sich auf der Grundlage der Prämisse der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) regelmäßig nicht annehmen. Deshalb erscheint es nach der Einheitstheorie folgerichtig, einen erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert nicht planmäßig abzuschreiben. Eben dies ordnete § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der bis zum Steuerbereinigungsgesetz 1986 geltenden Fassung an, wo der Geschäfts- oder Firmenwert im Klammerzusatz bei den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern mit genannt war. Die Einheitstheorie strenger Prägung wurde durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 durchbrochen. Durch dieses Gesetz wurde nämlich der Geschäftsoder Firmenwert aus dem Klammerzusatz des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG gestrichen und stattdessen eine typisierte gesetzliche Nutzungsdauer in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG eingefügt. Damit unterliegt ein Geschäfts- oder Firmenwert auch in der Steuerbilanz der planmäßigen Abschreibung über eine gesetzlich typisierte Nutzungsdauer von 15 Jahren. Wie noch zu zeigen sein wird, ist damit das Ein-
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19 Hennrichs (Fn. 10), S. 159; Söffing in FS Döllerer, 1988, S. 593 (612 f.). Vgl. auch IAS 36.B131E. 20 Dies geht zurück auf Art. 37 Abs. 2 Satz 1, 34 Abs. 1 a) der EG-Bilanzrichtlinie (Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978, ABl. EG Nr. L 222 v. 14.8.1978, S. 11). 21 Eingehend Velte, StuW 200, 280 (281 ff.) m. w. N.
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heitsdenken aus der steuerlichen Gewinnermittlung allerdings nicht ganz verschwunden. Die alte Einheitstheorie lebt noch fort im Bereich der Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und im Zuschreibungsgebot gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG. Darauf ist zurückzukommen. 3. IFRS: impairment only approach Nach IFRS wird ein aktivierter goodwill acquired in a business combination nicht mehr22 planmäßig, sondern nur außerplanmäßig abgeschrieben (IFRS 3.54 f.; IAS 36.65 ff., IAS 36.BC 131A ff.23). Dahinter steht die Erwägung, dass die tatsächliche Nutzungsdauer eines Goodwill sowie seine „Abnutzungskurve“ schwer zu bestimmen sind (IAS 36.BC131E). Zwar könnte man, wie angedeutet, wegen dieser Schwierigkeiten auch eine typisierte Abschreibungsdauer und eine lineare Abschreibung vorschreiben. Nach Auffassung des IASB ist eine solche typisierte Abschreibung aber nicht entscheidungsnützlich (IAS 36.BC131E), vielmehr sei der impairment only approach „more useful“ (IAS 36.BC131G). Die Bemühungen des Boards verlagern sich damit auf das Problem, möglichst genaue Regeln („rigorous and operational“) für den impairment test zu statuieren (IAS 36.65 ff.). Konzeptionell steht der impairment only approach der IFRS der alten steuerlichen Einheitstheorie nahe. Die Basis for conclusions zu IAS 36 führen aus: „in some sense it must be true that goodwill acquired in a business combination is being consumed and replaced by internally generated goodwill“ (IAS 36.BC131E). Weiter heißt es: „Moreover, goodwill acquired in a business combination and goodwill generated after that business combination cannot be separately identified, because they contribute jointly to the same cash flows“ (IAS 36.BC134). 4. Würdigung der verschiedenen Konzepte a) Impairment only vs. planmäßige Abschreibung Versucht man, die verschiedenen Konzepte rechtspolitisch zu würdigen, so ist zunächst die Frage zu beantworten, ob eine planmäßige Tilgung eines Geschäfts- oder Firmenwerts vorgeschrieben werden sollte oder der impairment only approach der internationalen Standards sachgerecht ist. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die europäischen Bilanzrichtlinien eine ratierliche Ausbuchung eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts vorschreiben. Die EG-Jahresabschlussrichtlinie24 normiert in Art. 37 Abs. 2 i. V. m.
__________ 22 Anders noch IAS 22.44 (1998): Planmäßige Abschreibung mit widerlegbarer Vermutung einer Nutzungsdauer von 20 Jahren. Zur Rechtsentwicklung s. Wüstemann/ Duhr, BB 2003, 247 ff. 23 Die im Text zitierten Vorschriften der Basis for Conclusion (BC) zu IFRS 3 und zu IAS 36 sind der englischen Originalfassung vom Januar 2008 entnommen. Die BC werden nicht von der EU übernommen. 24 Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978, ABl. EG Nr. L 222, 11.
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Art. 34 Abs. 1 lit. a), dass ein aktivierter Geschäfts- oder Firmenwert laufend abzuschreiben ist. Nur hinsichtlich des Abschreibungsmodus lässt die Richtlinie einen Spielraum: Abzuschreiben ist grundsätzlich spätestens nach fünf Jahren (typisierte Regelabschreibung); die Mitgliedstaaten können eine längere Abschreibung gestatten, sofern dieser längere Zeitraum die Nutzungsdauer dieses immateriellen Gegenstands nicht überschreitet. Das gilt gem. Art. 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 der Konzernbilanzrichtlinie25 ebenso im Konzernabschluss. Damit sollte, wie Kleindiek treffend bemerkt hat, „doch außer Zweifel stehen“, dass der impairment only approach der IFRS mit den einschlägigen Bestimmungen der Bilanzrichtlinien unvereinbar ist26. Der Verzicht auf eine planmäßige Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist aber auch in der Sache nicht überzeugend. Dies führt nämlich zu einer schleichenden Nachaktivierung des originären Geschäfts- oder Firmenwerts. Davon, dass ein erworbener Goodwill auf Ewigkeit für das Unternehmen werthaltig bleibt, kann bei realistischer Einschätzung keine Rede sein. Allenfalls kann man, wie ausgeführt, annehmen, dass der erworbene Geschäfts- oder Firmenwert mit der Zeit sukzessive durch den selbst geschaffenen „eingeholt“ und überlagert wird (so auch IFRS 3.BC131E). Durch ausreichende Erhaltungsinvestitionen und damit durch den Aufbau originärer Goodwill-Bestandteile ist ein Werterhalt des Goodwill möglich (sog. GoodwillShield). Wird aber einerseits der erworbene Geschäfts- oder Firmenwert nicht ratierlich ausgebucht, der Ansatz andererseits jedoch sukzessive durch den originären Goodwill „überholt“, dann bewirkt der Verzicht auf die Abschreibung des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts eine partielle Aktivierung des eigenen Geschäfts- oder Firmenwerts27. Für diesen besteht indessen, wie gezeigt, in jedem der untersuchten Bilanzrechtssysteme ein Aktivierungsverbot. Mit dem impairment only approach wird ein Verstoß gegen dieses wohl begründete Nachaktivierungsverbot für den originären Goodwill in Kauf genommen28. Auch an der Entscheidungsnützlichkeit eines impairment only, auf die der IASB abhebt (IAS 36.BC 131E ff.), kann man füglich zweifeln. Welchen Informationswert soll es für Nutzer haben, wenn in einem Bilanzposten Teile eines erworbenen und Teile des originären Geschäfts- oder Firmenwerts miteinander vermischt werden? Der Anspruch, einen „rigorous and operational impairment test“ zu definieren (IAS 36.BC141G), ist zwar gut gemeint, wird aber nicht eingelöst. Im Gegenteil eröffnen die Vorschriften über die Abgrenzung sog. zahlungsmittelgenerierender Einheiten (vgl. IAS 36.6, 66 ff.) und über die Zuordnung des Goodwill zu solchen Einheiten (IAS 36.80 ff.) den Unternehmen
__________ 25 Richtlinie 83/349/EWG v. 13.6.1983, ABl. EG Nr. L 193, 1. 26 Zutr. Kleindiek, BB 2001, 2572 (2574 ff.); s. ferner Hennrichs, NZG 2003, 783 (785); ZHR 170 (2006), 498 (508 f.); immerhin Zweifel an der Übereinstimmung des Impairment-Only-Approach gem. IFRS 3 mit den europäischen Rechtsvorschriften äußern auch Wüstemann/Duhr, BB 2003, 247 (252 f.). 27 Dobler, PiR 2005, 24 (29); Hennrichs, NZG 2005, 783 (785); Velte, StuW 2008, 280 (285). 28 Zutr. Velte, StuW 2008, 280 (284).
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– auch nach deren eigener Einschätzung29 – ein „enormes bilanzpolitisches Gestaltungspotential“30, das angesichts der Größenordnung der aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerte31 die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage weitgehend zur Disposition der rechnungslegungspflichtigen Unternehmen stellt32. Das widerspricht dem Postulat der Objektivierung der Rechnungslegung, wonach das Ermessen des Bilanzierenden möglichst auszuschalten oder mindestens zu begrenzen ist33. Mit Moxter ist an die Schutzfunktionen der Bilanz zu erinnern: „Soll die Bilanz ihren Schutzfunktionen gerecht werden, darf ihr Inhalt nicht unbeschränktem Ermessen der Bilanzpflichtigen offenstehen. Wegen der oft massiven Interessenunterschiede von Bilanzpflichtigen und Bilanzadressaten liegen Ermessensmissbräuche nahe; im Rahmen von Ermessensspielräumen bleiben (auch) Sanktionsandrohungen gegen GoBVerstöße, weil diese als solche nicht nachweisbar sind, wirkungslos“34. Zwar kann die Rechenschaftslegung und Abrechnung durch Bilanzen nie radikal objektiv sein; viele Bilanzposten erfordern Einschätzungen und Prognosen35, die Anwendung vernünftiger kaufmännischer Einschätzung ist bei der Aufstellung von Abschlüssen vielfach unumgänglich. Es kann daher nur darum gehen, das Prinzip der Objektivierung mit anderen, gegenläufigen Prinzipien, z. B. mit dem Prinzip der getreuen Information über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, in einen harmonischen Ausgleich zu bringen. Der impairment only approach der IFRS löst das Spannungsverhältnis zwischen relevance und reliability aber einseitig zugunsten der Relevanz, und dies, obwohl die Entscheidungsnützlichkeit im konkreten Fall sogar ganz zweifelhaft ist. Das ist rechtspolitisch kein empfehlenswertes Modell. b) Gesetzliche Typisierung der planmäßigen Abschreibung Sollte man daher an einer planmäßigen Abschreibung eines erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts festhalten, bleibt das praktische Problem zu lösen, wie dessen Nutzungsdauer bestimmt werden kann. Wie dargelegt, waren es auch diese praktischen Schwierigkeiten, die den IASB dazu bewogen haben, den impairment only approach zu bevorzugen. Allerdings ist es fragwürdig, aus dem Umstand, dass die Nutzungsdauer schwierig bestimmbar ist, auf eine unbegrenzte Nutzungsdauer zu schließen. Unbestimmbar ist nicht unbegrenzt. Die Lösung des praktischen Dilemmas liegt vielmehr in einer gesetzlichen Typisierung der Nutzungsdauer36. Das Gesetz sollte anordnen, über welchen Zeitraum ein erworbener Geschäfts- oder Firmenwert grundsätzlich abzuschreiben ist. Dabei wäre, entsprechend der Systematik der europäischen
__________
29 Vgl. Pellens/Epstein/Barth/Ruhwedel/Sellhorn, BB-Special 10/2005, S. 10 (11 ff., 18). 30 Kleindiek, BB 2001, 2572 (2576). Zu den Spielräumen vgl. z. B. Heuser/Theile, IFRSHandbuch, 3. Aufl. 2007, Rz. 1518 ff., 1528, 1537. 31 Vgl. Küting, DStR 2008, 1795 ff. 32 Hennrichs, NZG 2005, 783 (785). 33 Küting, DStR 2008, 1795 (1801). 34 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, § 3 II. 35 Vgl. Hennrichs, AG 2006, 698 ff. m. w. N. 36 Ebenso Küting, DStR 2008, 1795 (1802).
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Bilanzrichtlinien und des alten § 255 Abs. 4 HGB, eine Regel-AusnahmeStruktur denkbar. Hiernach würde grundsätzlich eine gesetzliche Regeltilgung gelten. Nur für den Fall, dass das Unternehmen eine andere Nutzungsdauer plausibel machen kann, bliebe dann die Abschreibung nach der betriebsindividuellen Nutzungsdauer eröffnet. Denkbar und im Sinne einer manipulationsfreien Rechnungslegung wäre es aber auch, die Abschreibung strikt vorzugeben, um Spielräume und Objektivierungsprobleme bei der Abschätzung der Nutzungsdauer von vornherein auszuschließen. Bei der Frage, wie lang die gesetzlich typisierte Nutzungsdauer eines Geschäftsoder Firmenwerts sein sollte, ist dem Gesetzgeber ein breiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Zwar sollte sich die Typisierung am „durchschnittlichen Normalfall“ orientieren und diesen möglichst realistisch treffen37; unrealistisch lange Fristen beispielsweise allein aus fiskalischen Motiven sind nicht überzeugend. Dabei entspricht eine schnelle Abschreibung, wie sie derzeit noch in § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB vorgesehen ist, eher dem handelsrechtlichen Anliegen des Gläubigerschutzes; steuerlich spricht für eine kurze Abschreibungsdauer das Prinzip der Eigentumsschonung. Andererseits sind international durchaus lange Fristen für die Abschreibung eines aktivierten Goodwill geläufig. Auch IAS 22 (a. F.) legte z. B. eine Höchstnutzungsdauer von 20 Jahren fest. Daher wäre es wohl akzeptabel, wenn das Gesetz eine lineare Regelabschreibung über z. B. 10 oder 15 Jahre vorschreiben würde38.
III. Außerplanmäßige Abschreibung und Zuschreibung 1. Die Grundkonzepte nach HGB, Steuerbilanzrecht und IFRS Die hier befürwortete planmäßige Tilgung eines Geschäfts- oder Firmenwerts enthebt nicht von der Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung, wenn der Zeitwert des Postens nicht mehr dem Buchwert entspricht. Insoweit stimmen die verschiedenen Systeme in den Grundlinien überein, weichen aber insbesondere bei der Frage, wie die Wertermittlung vorzunehmen ist und welches das maßgebende Bewertungsobjekt für die Folgebewertung ist, wieder voneinander ab: a) HGB: Außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei voraussichtlich dauernder Wertminderung; Zuschreibungsverbot Nach modernisiertem HGB wird ein Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand fingiert (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB i. d. F. durch das BilMoG). Damit unterliegt der Posten hinsichtlich der außerplanmäßigen Abschreibung den allgemeinen Regeln für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 253
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37 Vgl. zuletzt das BVerfG zur Pendlerpauschale, BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a., FR 2009, 74, Tz. 60; ferner Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 4 Rz. 132: „Vereinfachungszwecknormen sollen eine Durchschnittsnormalität fixieren“ (Hervorhebung im Original). 38 Ähnlich Küting, DStR 2008, 1795 (1802).
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Abs. 3 Satz 3 HGB i. d. F. durch das BilMoG). Danach sind bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen39, um den (fingierten) Vermögensgegenstand mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihm am Abschlussstichtag beizulegen ist. Interessant ist die Regelung für den Fall einer späteren Wertaufholung nach vorheriger außerplanmäßiger Abschreibung. Die Vorschrift des § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB i. d. F. durch das BilMoG verbietet insoweit ausdrücklich eine Wertaufholung, d. h. ein niedrigerer Wertansatz eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist zwingend beizubehalten40. Das steht im auffälligen Gegensatz zu dem allgemeinen Wertaufholungsgebot, das § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB i. d. F. durch das BilMoG künftig für alle anderen Vermögensgegenstände normiert. Der Grund für dieses besondere Wertaufholungsverbot für den fingierten Vermögensgegenstand Geschäfts- oder Firmenwert liegt darin, dass das Gesetz eine „schleichende Nachaktivierung“ des originären Geschäfts- oder Firmenwerts verhindern will. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers beruht eine eintretende Werterholung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach einer außerplanmäßigen Abschreibung nämlich in der Regel auf der Geschäfts- oder Betriebstätigkeit des erwerbenden Unternehmens und damit auf dessen originärem Goodwill. Dieser soll nicht aktiviert werden. b) Steuerbilanz: Niedrigerer Teilwert; Zuschreibungspflicht Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kann bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist als der Buchwert. Teilwert ist dabei definiert (besser: fingiert) als der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut (hier: den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert) ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Hinsichtlich der Wertaufholung unterscheidet sich das EStG vom modernisierten Handelsbilanzrecht. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG sind nämlich in der steuerlichen Gewinnermittlung Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, im Folgejahr wieder mit den fortgeführten Anschaffungsoder Herstellungskosten anzusetzen, wenn nicht der Steuerpflichtige jeweils erneut einen niedrigeren Teilwert nachweist. Während also in der Handelsbilanz ein striktes Wertaufholungsverbot nach einer außerplanmäßigen Ab-
__________ 39 So auch bereits zum alten Recht die h. M., vgl. ADS (Fn. 6), § 253 HGB Rz. 285; Ballwieser in MünchKomm/HGB, 2. Aufl. 2008, § 255 Rz. 112; Ellrott/Brendt in Beck’scher BilKomm (Fn. 9), 6. Aufl. 2006, § 255 Rz. 524; Kleindiek in Großkomm/ HGB, 4. Aufl., § 255 Rz. 49 a. E.; Richter in Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Abt. II/9 Rz. 37; Tiedchen in MünchKomm/AktG (Fn. 11), § 255 HGB Rz. 91; WPHandbuch 2006, Bd. 1, E Rz. 373; a. A. Söffing in FS für Döllerer, 1988, S. 593 (607). 40 Das entspricht schon bislang h. M., vgl. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 Rz. 124 m. w. N.
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schreibung besteht, ist für die Steuerbilanz ein prinzipielles Wertaufholungsgebot angeordnet, es sei denn der Steuerpflichtige kann einen weiterhin niedrigeren Wert nachweisen41. Damit wird die schwierige Teilwertermittlung für den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (dazu mehr sogleich) Jahr für Jahr steuerlich relevant. c) IFRS: Abschreibung auf den niedrigeren erzielbaren Betrag; Zuschreibungsverbot Die Konzeption der außerplanmäßigen Abschreibung auf einen Goodwill nach IFRS schließlich entspricht in den Grundlinien der nach HGB. Auch nach IFRS ist bei einer Wertminderung am Stichtag auf den niedrigeren Wert abzuschreiben (IAS 36.90, 104). Dabei liegt eine Wertminderung vor, wenn der sog. erzielbare Betrag (recoverable amount) der maßgeblichen Bewertungseinheit (dazu mehr sogleich) niedriger ist als der Buchwert dieser Bewertungseinheit. Erzielbarer Betrag ist dabei definiert als der höhere der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert abzgl. Verkaufskosten (fair value less costs to sell) und Nutzungswert (value in use), IAS 36.6. Für den Fall einer späteren Wertaufholung ordnet IAS 36.124 (vergleichbar mit § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB i. d. F. durch das BilMoG) ausdrücklich ein Zuschreibungsverbot an. Begründet wird dies ebenfalls mit der Überlegung, dass eine Erhöhung des erzielbaren Betrages des Goodwill „is likely to be an increase in internally generated goodwill“, für den nach IAS 38 ein Aktivierungsverbot besteht (IAS 36.125). Auch nach IFRS sichert das Zuschreibungsverbot mithin das Aktivierungsverbot für einen originären Goodwill. 2. Insbesondere: die Ermittlung der Wertminderung bei einem Geschäfts- oder Firmenwert Für die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung ist von zentraler Bedeutung, wie und auf welches Bewertungsobjekt bezogen der Wertminderungstest vorzunehmen ist. Auch insoweit bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Bilanzrechtssystemen: a) HGB: Grundsätzliche Einzelbewertung bezogen auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert Wie der niedrigere beizulegende Wert eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts festzustellen ist, wird im HGB nicht explizit geregelt. Es gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze. Im vorliegenden Zusammenhang sind insoweit der Einzelbewertungsgrundsatz gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB und das allgemeine Vorsichtsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB von Bedeutung. Danach ist die Zweitwertbewertung prinzipiell gerade bezogen auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert als den (fingierten) einzelnen Vermögens-
__________ 41 Herzig/Rieck, WPg 1999, 305 (312); Herzig, DB 2008, 1339 (1344).
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gegenstand vorzunehmen. Eine außerplanmäßige Abschreibung ist vorzunehmen, wenn die Rentabilität des erworbenen Unternehmens den Buchwert des Geschäfts- oder Firmenwerts nicht mehr rechtfertigt42. Bewertungsrelevant sind allein die Bestimmungsfaktoren, welche den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert ausmachen. Eine Vermischung des erworbenen mit dem selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert bei der Bewertung, etwa eine Gesamtbewertung des Unternehmens nach der Akquisition zur Ermittlung einer etwaigen Wertminderung des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts, ist grundsätzlich nicht zulässig. Eine derartige Gesamtbewertung würde sowohl dem Einzelbewertungsprinzip als auch dem Vorsichtsprinzip widersprechen, nämlich bloße Gewinnchancen des kombinierten Unternehmens und damit Komponenten des originären Goodwill bei der Bewertung berücksichtigen. Trotz dieser theoretisch klaren Vorschriften bleibt das praktische Problem, ob und wie sich die Geschäfts- oder Firmenwertkomponenten überhaupt separieren lassen. Eine Trennung nach erworbenem und selbst geschaffenem Goodwill gilt vielfach als kaum durchführbar43. Die Nutzenpotentiale des erworbenen Unternehmens gehen in dem Erwerber auf. Beispielsweise lassen sich „weiche“ Faktoren wie Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten, Qualität des Managements und des Personals, Kundenzufriedenheit usw. oft nicht (mehr) isoliert einem (dem erworbenen) Unternehmensteil zuordnen, sondern sie sind nach der Akquisition Erfolgsfaktoren des „neuen“ Unternehmens, das aus dem Zusammenschluss erwachsen ist. Diese empirische Beobachtung war der im Ansatz durchaus zutreffende Kern der steuerlichen Einheitstheorie. Und ganz in diesem Sinne gehen auch die IFRS davon aus, dass der erworbene Goodwill und der Goodwill, der nach dem Unternehmenszusammenschluss generiert wird, nicht separiert identifiziert werden können, „because they contribute jointly to the same cash flow“ (IAS 36.BC134). Die Einheitstheorie überhöht freilich eine empirische Beobachtung, die in dem einen Fall zutreffen mag, in dem anderen Fall dagegen nicht, zu einer rechtlichen Theorie. Die praktische Durchführbarkeit der Einzelbewertung eines erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts lässt sich nicht generell, sondern nur nach Lage des Einzelfalles beurteilen. Die Integration des erworbenen Unternehmens in das erwerbende Unternehmen kann unterschiedliche Intensitäten haben. Wenn das erworbene Unternehmen in dem Erwerber tatsächlich ununterscheidbar aufgeht und die für eine Unternehmensbewertung erforderlichen Daten für das Kaufobjekt nicht mehr separiert verfügbar sind, dann bleibt für die Wertminderungsprüfung praktisch wohl nur eine Gesamtbewertung des kombinierten Unternehmens. An praktischen Unmöglichkeiten kann auch das Bilanzrecht nicht vorbei. Impossibilium nulla est obligatio gilt auch hier. Vom Grundsatz der Einzelbewertung darf gem. § 252 Abs. 2 HGB in Ausnahmefällen abgewichen werden. Praktische Undurchführbarkeit ist ein begrün-
__________ 42 So ADS (Fn. 6), § 255 HGB Rz. 285; Thiele/Kahling in Baetge/Kirsch/Thiele, BilR, Komm., § 255 HGB Rz. 292, 304; für die steuerliche Teilwertabschreibung ebenso Richter in HdJ (Fn. 39), Abt. II/9 Rz. 45, 51 ff.; WP-Handbuch 2006, Bd. 1, E Rz. 376. 43 Vgl. z. B. Küting, DStR 2008, 1795 (1800 f.).
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deter Ausnahmefall. Es kann aber durchaus auch Fälle geben, in denen das erworbene Unternehmen von dem Erwerber nach der Transaktion wie eine Beteiligung oder ein Profit Center (zumindest für eine bestimmte Zeit) weiter selbständig geführt wird. Das kann im Einzelfall z. B. zur Kontrolle des Erfolgs (oder Misserfolgs) der Akquisition zweckmäßig sein. In solchen Fällen kann die Wertminderungsprüfung den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert zum Objekt nehmen44. b) Steuerbilanzrecht Für die steuerliche Gewinnermittlung wurde, wie ausgeführt, früher lange eine sog. Einheitstheorie vertreten. Sie beruht auf dem gerade skizzierten Gedanken, dass der erworbene Geschäfts- oder Firmenwert und der Geschäfts- oder Firmenwert nach der Akquisition eine untrennbare Einheit bildeten. Dieses Einheitsdenken hat nicht nur Auswirkungen auf die planmäßige Abschreibung, sondern auch auf die Teilwertabschreibung. Wenn nämlich der erworbene und der originäre Geschäfts- oder Firmenwert des erwerbenden Unternehmens nicht separierbar sind, dann ist der Bezugspunkt für den Teilwerttest dieser neue Gesamt-Geschäfts- oder Firmenwert. Ob und für welche Fälle die Einheitstheorie heute noch anwendbar ist, wird unterschiedlich beurteilt. Klar ist, dass das Einheitsdenken jedenfalls eine planmäßige Abschreibung nicht mehr hindert. Denn § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG schreibt eine lineare Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts über 15 Jahre ausdrücklich vor. Fraglich bleibt allerdings die Relevanz der Einheitstheorie für die Frage der Teilwertabschreibung (und der Zuschreibung). In der Literatur wird bisweilen vom „Tod der Einheitstheorie“ gesprochen45 und angenommen, das Gesetz habe sich für die Trennungstheorie entschieden46. Nach anderen ist die Einheitstheorie demgegenüber für die Bemessung einer Teilwertabschreibung weiterhin richtig47. Ebenso hält die Finanzverwaltung an der Einheitstheorie fest. Im BMF-Schreiben v. 20.11.1986 wird unter Verweis auf die bis zum Steuerbereinigungsgesetz 1986 ergangene Rechtsprechung zu verstehen gegeben, dass für die Teilwertabschreibung weiterhin darauf abzustellen sei, ob der Teilwert des Geschäftswerts in seiner Gesamtheit einschließlich seiner nach dem Erwerb angewachsenen Faktoren unter den Buchwert gesunken ist48. Die Finanzrechtsprechung schließlich ist uneinheitlich: Zwar spricht der BFH teilweise sogar wörtlich von der „Aufgabe der Einheits-
__________ 44 Vgl. auch FG BW v. 2.7.1996 – 6 V 9/96, EFG 1996, 1205 (1205); v. 25.6.1998 – 14 K 290/96, EFG 1998, 1529 (1531) jeweils für sog. Teilbetriebe. 45 Borst, BB 1986, 2170 (2170). 46 Ellrott/Brendt in Beck’scher Bilkomm (Fn. 9), § 255 Rz. 526; Richter in HdJ (Fn. 39), Abt. II/9 Rz. 45, 51 ff.; Söffing in FS Döllerer, 1988, S. 593 (610 ff.); Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 14), § 6 EStG Rz. 726; Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz. B 479. 47 Glanegger in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 6 Rz. 241 f.; Schreiber in Blümich (Fn. 8), § 5 EStG Rz. 628 f.; Thiel/Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht, 5. Aufl. 2005, Rz. 454. 48 BMF v. 20.11.1986, BStBl. I 1986, 532.
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theorie“49, lässt dies in anderen Entscheidungen allerdings wieder ausdrücklich offen50. Einige Finanzgerichte wenden weiterhin die Einheitstheorie an51. c) IFRS Anders als die nationale Konzeption ist der Goodwill-impairment test nach IFRS vorzunehmen. Hiernach kann für die Wertminderungsprüfung jedenfalls nicht separiert auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert abgestellt werden. Denn der Board geht, wie angedeutet, davon aus, dass der erworbene Goodwill und der Goodwill, der nach dem Unternehmenszusammenschluss generiert wird, nicht separiert werden können, weil sie gemeinsam zu den Cash Flows des (neuen, verbundenen) Unternehmens beitragen (IAS 36.BC134). Deshalb ist die Vergleichsgröße des erzielbaren Betrages zu beurteilen nach den „future cash flows expected to be generated by both acquired goodwill and goodwill generated internally after the business combination“ (IAS 36.BC135; Hervorhebung nicht im Original). Andererseits ist nach IFRS Bewertungsobjekt für den impairment test aber auch nicht der Gesamt-Goodwill nach der Akquisition, sondern Bewertungsobjekt ist eine dritte Größe, nämlich die sog. cash-generating unit (CGU) or group of cash-generating units. Da ein Goodwill nie allein Cash Flows generieren kann, sondern immer nur im Verbund mit anderen Vermögensgegenständen (IAS 36.81), ist der Goodwill für den impairment test CGUs oder Gruppen von CGUs zuzuordnen, von denen erwartet wird, dass sie aus den Synergien des Unternehmenszusammenschlusses Nutzen ziehen (IAS 36.80 ff.). Die CGU ist dabei definiert als „die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugen, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten sind“ (IAS 36.6). Für den Goodwill-impairment test sollen dabei solche Bewertungseinheiten gebildet werden, die einerseits die niedrigste Ebene im (neuen, verbundenen) Unternehmen repräsentieren, zu der der Goodwill für interne Managementzwecke überwacht wird (IAS 36.80 (a)), andererseits aber maximal ein Geschäftssegment im Sinne von IFRS 8 umfassen (IAS 36.80 (b)). Die hiernach erforderliche Zuordnung des Goodwill zu CGUs kann dabei gleichsam „quer“ zu den an der Akquisition beteiligten Unternehmen verlaufen, d. h. die jeweils relevante CGU braucht nicht nur aus Vermögenswerten und Schulden des erworbenen Unternehmens zu bestehen, sondern kann auch Teile des erwerbenden Unternehmens umfassen. Bezugspunkt für die CGU ist das kombinierte Unternehmen (vgl. IAS 36.80: „zahlungsmittelgenerierende
__________ 49 Vgl. BFH v. 28.5.1998 – IV R 48/97, BStBl. II 1998, 775; v. 16.5.2002 – III R 45/98, BStBl. II 2003, 10 (13). 50 Vgl. BFH v. 16.5.2002 – III R 45/98, BStBl. II 2003, 10. 51 FG BW v. 2.7.1996 – 6 V 9/96, EFG 1996, 1205 (1205); v. 25.6.1998 – 14 K 290/96, EFG 1998, 1529 (1530 f.); FG Köln v. 21.6.2006 – 13 K 4550/05, DStRE 2007, 201 (202).
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Einheiten des erwerbenden Unternehmens“, Hervorhebung nicht im Original)52. Je weiter die CGU zugeschnitten wird, desto größer ist der in der Einheit eröffnete Saldierungsbereich, in dem Chancen und Risiken „querverrechnet“ werden können53. Verglichen mit den Regeln nach deutschem HGB und EStG geht der impairment test der IFRS mithin einen „dritten Weg“. Einerseits wird, anders als nach HGB, nicht separiert auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert abgestellt, sondern erworbener Goodwill und Goodwill nach der Unternehmenstransaktion gelten (wie nach der Einheitstheorie) als nicht trennbar. Andererseits wird für den impairment test aber auch nicht auf den GesamtGoodwill als solchen abgestellt, sondern der erworbene Goodwill ist CGUs oder Gruppen von CGUs zuzuordnen, wobei diese Zuordnung „quer“ zu den beteiligten Unternehmen verlaufen und Teile sowohl des einen als auch des anderen Unternehmens umfassen kann. d) Zwischenergebnis Die Bestandsaufnahme zeigt also ein buntes Bild. Die Regeln für die Bilanzierung und Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts aus einem Asset Deal sind im Detail in jedem der untersuchten Bilanzrechtssysteme unterschiedlich. Tabellarisch lassen sich die Unterschiede in folgender Übersicht zusammenfassen: HGB
EStG
IFRS
Ansatzpflicht
Ja
Ja
Ja
Planmäßige Abschr.
Ja
Ja
Nein
Abschr.-Dauer
HGB bisher: grds. pauschal 5 Jahre; BilMoG: betriebsindividuelle Nutzungsdauer
15 Jahre
–
Außerplanmäßige/ Teilwert-Abschr.
Ja
Ja
Ja
Bezugspunkt für den Wertminderungstest
Grds. allein der erworbene GesamtCGU oder Geschäfts- oder FirmenGeschäfts- oder Gruppen von wert Firmenwert CGU (Einheitstheorie)
Zuschreibung
Verbot
Pflicht
Verbot
__________ 52 Schultze/Kafadar/Thiericke, DStR 2008, 1348 (1352). 53 Heuser/Theile (Fn. 30), Rz. 1528; s. auch ebda., Rz. 1538; ferner z. B. Sahner in Hölters (Hrsg.), Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 6. Aufl. 2005, Teil III Rz. 139.
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3. Würdigung der verschiedenen Konzepte Von den verschiedenen Systemen der Folgebewertung eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts überzeugt das Konzept des modernisierten HGBBilanzrechts am ehesten. Hinsichtlich des Verbots der planmäßigen Abschreibungen gem. IFRS kann auf die Ausführungen im vorigen Abschnitt verwiesen werden. Gegen eine strikte Einheitstheorie bei der Teilwertabschreibung (außerplanmäßigen Abschreibung) spricht, das sie zu systematischen Verwerfungen und zu praktischen Unzulänglichkeiten führt: Systematisch ist es unstimmig, dass in diesem Fall zwei verschiedene Wertgrößen miteinander verglichen werden, nämlich der Geschäfts- oder Firmenwert des (vergrößerten) Gesamtunternehmens nach der Transaktion mit dem derivativen Geschäftsoder Firmenwert des erworbenen Unternehmens, das aus Sicht des Erwerbers nur einen Unternehmensteil darstellt. Der Sache nach wird damit außerdem der selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwert des erwerbenden Unternehmens bewertungsrelevant, was mit dem allgemein akzeptierten und wohl begründeten Ansatzverbot für den originären Geschäfts- oder Firmenwert unvereinbar ist54. Praktisch unbefriedigend ist, dass der Vergleich des „großen“ Gesamt-Geschäfts- oder Firmenwerts mit dem „kleinen“ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert faktisch oft auf ein Abschreibungsverbot hinausläuft. Denn der Gesamtwert des Unternehmens nach dem Zusammenschluss wird i. d. R. allemal höher sein als der im Zuge der Transaktion erworbene Geschäfts- oder Firmenwert55. Darüber hinaus überzeugt die Zuschreibungspflicht des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG nicht. Die Überlegung des BilMoG und der IFRS (IAS 36.125), dass eine Wertaufholung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach einer außerplanmäßigen Abschreibung wahrscheinlich eher dem originären Goodwill des erwerbenden Unternehmens zuzurechnen ist und eine Zuschreibung deshalb die Aktivierung des originären Geschäfts- oder Firmenwerts bedeuten würde, trifft auch für die steuerliche Gewinnermittlung zu. Gründe, die eine besondere steuerliche Natur des Geschäfts- oder Firmenwerts rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Werden im Gewand der Zuschreibung Teile des originären Geschäfts- oder Firmenwerts aktiviert, verstößt dies gegen § 5 Abs. 2 EStG. Der Hinweis, dem Steuerpflichtigen stehe der Nachweis offen, dass die Wertaufholung auf dem originären Geschäfts- oder Firmenwert beruhe und deshalb der Teilwert des erworbenen Goodwill weiterhin niedrig sei, macht die Sache nicht besser, denn im Selbstverständnis der steuerlichen Einheitstheorie sind die Geschäfts- oder Firmenwertkomponenten ja gerade nicht trennbar.
__________ 54 Zutr. Ellrott/Brendt in Beck’scher BilKomm (Fn. 9), § 255 Rz. 526; Söffing, FS Döllerer, 1988, S. 593 (611); Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 14), § 6 EStG Rz. 726. 55 So auch Velte, StuW 2008, 280 (282). Zu einer Teilwertabschreibung (handelsrechtlich außerplanmäßigen Abschreibung) kann es außerdem kommen, wenn sich herausstellt, dass bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Unternehmens die Zahlung des Mehrbetrags eine Fehlmaßnahme war, vgl. BFH v. 13.4.1983 – I R 63/79 –, BStBl. II 1983, 667 (668); FG BW v. 2.7.1996 – 6 V 9/96, EFG 1996, 1205 (1205); Ehmcke in Blümich (Fn. 8), § 6 EStG Rz. 623, 766.
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Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht, IFRS
Die beschriebenen systematischen Unstimmigkeiten der steuerlichen Einheitstheorie werden gemäß der CGU-Konzeption der IFRS zwar teilweise, aber nicht vollständig vermieden. Nach IAS 36.90 sind immerhin Wertgrößen gleicher Größenordnung zu vergleichen, nämlich der erzielbare Betrag mit dem Buchwert jeweils der relevanten CGU(-Gruppe). Da die relevante Bewertungseinheit auf die niedrigste Ebene innerhalb des Unternehmens, zu der der Goodwill für interne Managementzwecke überwacht wird, „heruntergebrochen“ wird, wird im impairment test auch nicht der gesamte originäre Goodwill berücksichtigt, sondern nur der Teil, der der jeweiligen Einheit zugeordnet ist. In diesem Umfang geschieht aber nach IFRS ebenfalls eine Mitberücksichtigung des originären Goodwill. Zu IAS 38.48 ist das nicht konsistent. Ansatz und Folgebewertung sind hier nicht folgerichtig geregelt56. Hinzu kommt, dass die Vorschriften zur Zuordnung des Goodwill zu CGUs, wie ausgeführt, erhebliche Spielräume eröffnen und damit eine Entobjektivierung der Rechnungslegung bewirken. Das Goodwill-Accounting nach IFRS ist damit insgesamt zwar erheblich komplex, aber nicht notwendig „richtig“. Unstimmig ist schließlich, dass IFRS 3 und IAS 36 durch den impairment only approach einerseits eine (teilweise) Nachaktivierung des originären Goodwill in Kauf nehmen, andererseits aber das Zuschreibungsverbot gem. IAS 36.124 f. damit begründet wird, eine solche Aktivierung zu vermeiden. Insgesamt hinterlassen die IFRS an dieser Stelle den Eindruck eines Sammelsuriums von nicht konsequent aufeinander abgestimmten Einzelregelungen. Demgegenüber ist das Konzept des modernisierten HGB-Bilanzrechts theoretisch überzeugend: Wird bei der Wertminderungsprüfung separiert auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert abgestellt, wird eine Berücksichtigung originärer Geschäfts- oder Firmenwertkomponenten vermieden. Das „verlängert“ das Ansatzverbot für den originären Geschäfts- oder Firmenwert folgerichtig auf die Bewertungsebene. Demselben Gedanken ist das Zuschreibungsverbot gem. § 255 Abs. 5 Satz 2 HGB i. d. F durch das BilMoG verpflichtet. Auch das ist konsequent. Freilich kann das theoretisch überzeugende Konzept, wie angedeutet, dann an seine Grenzen stoßen, wenn der erworbene Geschäfts- oder Firmenwert von dem Goodwill des kombinierten Unternehmens nach der Transaktion praktisch nicht mehr trennbar ist. Wie dargelegt, ist eine solche Untrennbarkeit der Komponenten (anders als die strikte Einheitstheorie suggeriert) zwar nicht notwendigerweise immer gegeben. Die steuerliche Figur des sog. Teilbetriebs zeigt, dass auch innerhalb eines Unternehmens trennbare Einheiten bestehen können, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind. Auch unabhängig von der spezifisch steuerrechtlichen Begrifflichkeit des Teilbetriebs können erworbene Unternehmen vom Erwerber nach der Transaktion weiter wie selbständige Einheiten geführt werden, so dass die für eine Unternehmensbewertung erforderlichen Daten separiert für die erworbene Einheit verfügbar sind. Letztlich beruht die Idee der CGU nach IFRS ebenfalls auf der Annahme
__________ 56 Zutr. Velte, StuW 2008, 280 (285).
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trennbarer Untereinheiten. Mitunter wird eine Trennung des erworbenen vom originären Geschäfts- oder Firmenwert aber praktisch nicht mehr möglich sein. Dann ist, wie angedeutet, auch nach HGB eine Gesamtbetrachtung unumgänglich. Diese Schwierigkeiten belegen freilich nur nochmals, dass und warum eine planmäßige lineare Abschreibung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts rechtspolitisch empfehlenswert ist: Wenn nämlich eine separierte Bewertung und außerplanmäßige Abschreibung des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts im Einzelfall praktisch nicht durchführbar ist, dann wird die planmäßige Abschreibung umso wichtiger. Denn in solchen Fällen kann nur die pauschale Abschreibung gewährleisten, dass der Posten nicht faktisch zu einem „Dauerwert“ mutiert und Teile des originären Geschäfts- oder Firmenwerts schleichend nachaktiviert werden.
IV. Zusammenfassung und Empfehlungen an den Gesetzgeber Die Bilanzierung und Bewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist in den untersuchten Bilanzrechtssystemen HGB, EStG und IFRS jeweils unterschiedlich geregelt. Hinsichtlich des Ansatzes besteht noch Übereinstimmung (Ansatzverbot für einen originären Geschäfts- oder Firmenwert, Aktivierungspflicht für einen erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert). Bei der Folgebewertung weichen die jeweiligen Systeme aber teilweise erheblich voneinander ab. HGB und EStG schreiben übereinstimmend eine planmäßige Abschreibung des Postens vor, divergieren aber in der Frage der Abschreibungsdauer. Das modernisierte HGB will insoweit die Einschätzung der betriebsindividuellen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts den bilanzierenden Unternehmen überlassen. Demgegenüber würde eine gesetzlich typisierte, pauschale Regelabschreibung mehr Rechtssicherheit gewährleisten. Die IFRS untersagen eine planmäßige Abschreibung ganz, was rechtspolitisch zu kritisieren ist. Bei den außerplanmäßigen Abschreibungen wegen Wertminderung stimmen die verschiedenen Systeme in den Grundlinien überein, weichen aber insbesondere bei der Frage, wie die Wertermittlung vorzunehmen ist und welches das maßgebende Bewertungsobjekt für die Folgebewertung ist, wieder voneinander ab. Nach HGB ist grundsätzlich auch bei der Folgebewertung auf den erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert, der als Vermögensgegenstand fingiert wird, abzustellen. Dem steht die steuerliche Einheitstheorie gegenüber, die davon ausgeht, dass der erworbene und der originäre Geschäfts- oder Firmenwert eine untrennbare Einheit bilden und die deshalb den Buchwert des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts mit dem Teilwert des Gesamt-Geschäfts- oder Firmenwerts vergleichen will. Konzeptionell ist das angreifbar, weil hiermit ungleiche Wertgrößen miteinander verglichen werden und zudem eine schleichende Nachaktivierung des originären Geschäfts- oder Firmenwerts in Kauf genommen wird. Außerdem überhöht die Einheitstheorie eine empirische Beobachtung, die in manchen, aber nicht in allen Fällen zutreffen kann, zu einer rechtlichen Theorie. Richtigerweise kann die separierte Bewertbarkeit 384
Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach BilMoG, Steuerbilanzrecht, IFRS
eines erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts nur im Einzelfall beurteilt werden. Entscheidend ist, ob die für eine separierte Bewertung erforderlichen Daten für das erworbene Unternehmen auch nach der Transaktion noch verfügbar sind. Das ist der Fall, wenn das erworbene Unternehmen nach der Akquisition von dem Erwerber weiterhin wie eine selbständige Einheit geführt wird. Die IFRS gehen an dieser Stelle einen ganz anderen Weg und verlangen für den impairment test die Zuordnung des Goodwill zu sog. cash-generating units. Das eröffnet erhebliche Spielräume, trägt damit zur Entobjektivierung der Rechnungslegung bei und kann letztlich ebenfalls zur Nachaktivierung des originären Goodwill führen. Eine Zuschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts nach einer außerplanmäßigen Abschreibung verbieten HGB und IFRS übereinstimmend. Dieses besondere Wertaufholungsverbot für den Geschäfts- oder Firmenwert trägt dem Umstand Rechnung, dass die Werterholung vielfach dem originären Geschäfts- oder Firmenwert des kombinierten Unternehmens zuzurechnen ist, der nicht aktiviert werden darf. Demgegenüber besteht steuerlich gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG gegenwärtig eine Zuschreibungspflicht. Das ist rechtspolitisch zu kritisieren. Der Grund, der das besondere Wertaufholungsgebot in der handelsrechtlichen und internationalen Rechnungslegung rechtfertigt, trifft auch für die steuerliche Gewinnermittlung zu. Insgesamt ergeben sich daraus für den Gesetzgeber folgende Empfehlungen: An der planmäßigen Abschreibung eines erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts sollte (entgegen dem Änderungsvorschlag des Bundesrates) festgehalten werden. Der impairment only approach der IFRS ist keine überzeugende Alternative. Vielmehr gewährleistet die planmäßige Tilgung des Postens, dass eine schleichende Nachaktivierung des originären Geschäfts- oder Firmenwerts vermieden wird. Das HGB sollte eine gesetzlich typisierte Regelabschreibung vorgeben, um mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten. Bei der Bemessung dieser Frist ist dem Gesetzgeber ein breiter Spielraum zuzubilligen. Die Fristen nach HGB und EStG sollten nach Möglichkeit aufeinander abgestimmt werden. Für den Geschäfts- oder Firmenwert sollte auch steuerlich ein besonderes Wertaufholungsverbot geregelt werden.
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Bilanzielle Konsequenzen der Übernahme nicht passivierter Verbindlichkeiten beim Unternehmenserwerber Inhaltsübersicht I. Ausgangslage und Problemstellung
b) Passivierungsverbote aa) Keine Entstehung eines Anschaffungsgewinns bb) Keine Anwendbarkeit der Passivierungsverbote wegen verändertem Rechtscharakter der Schulden? cc) Keine Anwendbarkeit der Passivierungsverbote auf erworbene Schulden? dd) Bildung eines passiven Ausgleichspostens? ee) Anwendbarkeit der Passivierungsverbote 4. Übernahme von Schulden bei Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern
II. Grundsätzliche Vorüberlegungen 1. Steuerliche Relevanz 2. Brutto- oder Nettobetrachtung III. Steuerbilanzielle Beurteilung 1. Anschaffungskosten von Vermögensgegenständen und Schulden 2. Interdependenz zwischen den Anschaffungskosten für Vermögensgegenstände und für Schulden 3. Einfluss steuerbilanzieller Passivierungsbeschränkungen und Passivierungsverbote auf die Anschaffungskosten a) Passivierungsbeschränkungen
IV. Zusammenfassung
I. Ausgangslage und Problemstellung Bei Unternehmenskäufen im Wege des sog. Asset Deal übernimmt der Erwerber regelmäßig nicht nur die Vermögensgegenstände, sondern stellt den Veräußerer oder auch Dritte von Verpflichtungen frei. Dabei kann es sich um Verpflichtungen des Unternehmens selbst handeln, um passivierte oder nicht passivierte Verpflichtungen, um private Verpflichtungen des Veräußerers oder auch um Verpflichtungen Dritter. Es stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Übernahme von Verpflichtungen Einfluss auf den Veräußerungspreis und damit den Veräußerungsgewinn einerseits und auf die Anschaffungskosten und damit die Abschreibungen beim Erwerber andererseits hat. Während diese Frage hinsichtlich solcher Verpflichtungen, die bereits in der Steuerbilanz des Veräußerers passiviert sind, weitgehend geklärt ist, bestehen hinsichtlich der Übernahme nicht passivierter Verpflichtungen nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheiten. Die Behandlung der Übernahme nicht bilanzierter Schulden beim Veräußerer wurde im Jahr 2007 vom BFH in wesentlichen Punkten geklärt1. Völlig offen sind demgegenüber die steuerbilanziellen
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1 BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555.
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Konsequenzen der Übernahme nicht passivierter Verpflichtungen beim Erwerber. Von besonderem Interesse ist dabei, ob übernommene Verpflichtungen bei einem steuerlichen Asset Deal beim Erwerber als Gegenleistung anzusehen sind, ob und in welcher konkreten Form eine Passivierung der Verpflichtungen beim Erwerber in Betracht kommt und wie die Verpflichtungen in den Folgejahren steuerbilanziell fortzuentwickeln sind.
II. Grundsätzliche Vorüberlegungen 1. Steuerliche Relevanz Bevor auf die bilanziellen Aspekte der Thematik eingegangen wird, soll deren steuerliche Relevanz verdeutlicht werden: Gehen auch steuerbilanziell nicht passivierte Schulden, wie z. B. Drohverlustrückstellungen, oder nicht in voller Höhe passivierte Schulden, wie z. B. Pensionsverpflichtungen, in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage für den Veräußerungsgewinn ein, so könnte es beim Veräußerer zu einer entsprechenden Erhöhung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns kommen. Zu diesem Ergebnis ist das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 2.6.20052 gelangt, das jedoch vom BFH verworfen wurde3. Zugrunde lag dem folgender, stark vereinfacht dargestellter Sachverhalt: Verkauft wurde ein Betrieb mit handelsbilanziell gebildeten Drohverlustund Jubiläumsrückstellungen i. H. v. 3,4 Mio. Euro, die steuerbilanziell wegen § 5 Abs. 4 und 4a EStG nicht passiviert werden durften. Als Kaufpreis wurde der handelsbilanzielle Buchwert zzgl. eines Betrages von 2 Mio. Euro vereinbart, so dass sich handelsbilanziell ein Gewinn von 2 Mio. Euro ergab. Steuerlich wurde ein Verlust von 1,4 Mio. Euro erklärt, da das steuerbilanzielle Eigenkapital wegen der fehlenden Rückstellungen um 3,4 Mio. Euro höher als das handelsbilanzielle Eigenkapital war. Während das FG Baden-Württemberg auch steuerlich einen Veräußerungsgewinn von 2 Mio. Euro ansetzte, bestätigte der BFH den vom Steuerpflichtigen erklärten Veräußerungsverlust von 1,4 Mio. Euro. Für den Erwerber ist die bilanzielle Behandlung eines solchen Sachverhalts in zweierlei Hinsicht von erheblicher Bedeutung: Diskutiert wird, ob die übernommene Schuld zumindest für die logische Sekunde des Anschaffungsvorgangs als Passivum anzusetzen, dann aber wegen des Passivierungsverbots (vorliegend für Drohverlust- oder Jubiläumsrückstellungen) wieder aufzulösen ist. Dies könnte zur Entstehung eines sog. Anschaffungsgewinns führen, was vereinzelt im Schrifttum vertreten wird4 und sich trotz entgegenstehender Rechtsprechung immer wieder als Streitpunkt in Betriebsprüfungen erweist5.
__________ 2 FG BW v. 2.6.2005 – 6 K 247/03, EFG 2005, 1715. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555; s. auch Gosch, BFH-PR 2008, 290; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 26/2008, Anm. 2; PB, DStZ 2008, 382; Kolbe, StuB 2008, 643. 4 Vgl. M. Prinz, FR 2008, 877. 5 So im Sachverhalt, der dem Urteil des FG Düsseldorf v. 9.9.2008 – 6 K 1161/04 K, F, BB 2008, 2736, zugrunde lag.
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Übernahme nicht passivierter Verbindlichkeiten beim Unternehmenserwerber
Auch wenn das Entstehen eines solchen Anschaffungsgewinns abgewehrt werden kann, hat die Frage, ob und in welcher Höhe übernommene Schulden beim Erwerber zu passivieren sind, gleichwohl steuerliche Relevanz. Denn soweit eine Schuld passiviert wird, korreliert dies mit einer Erhöhung der Wertansätze für die erworbenen Wirtschaftsgüter und führt zu entsprechend erhöhten Abschreibungen in der Zukunft. Im Gegenzug wirken sich die Aufwendungen, die der übernommenen Schuld zugrunde liegen, künftig nicht mehr steuerlich aus, da sie erfolgsneutral mit der passivierten Schuld verrechnet werden. Inwieweit sich für den Erwerber aus der Passivierung oder NichtPassivierung steuerliche Effekte ergeben können, hängt also einerseits von der Abschreibungsgeschwindigkeit bei den Aktiva und andererseits von der „Laufzeit“ der übernommenen Verpflichtungen ab. Werden beispielsweise Immobilien mit der Verpflichtung zur Beseitigung von Bodenkantaminationen erworben und wird die entsprechende Verpflichtung vom Erwerber passiviert, so würde dies zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten für die Immobilien mit entsprechend langer Abschreibungsdauer führen, während der kurzfristig anfallende Aufwand aus der Beseitigung der Kontamination ergebnisneutral mit der gebildeten Rückstellung verrechnet würde. Dies wäre für den Erwerber steuerlich nachteilig. 2. Brutto- oder Nettobetrachtung Grundlage für die weitere Betrachtung ist zunächst die Frage, was eigentlich Gegenstand eines Unternehmenskaufs im Wege des Asset Deal ist. Werden – in bilanziellen Kategorien ausgedrückt – nur die Vermögensgegenstände, also die Aktiva gekauft, und die mit übergehenden Schulden sind Gegenleistung hierfür (sog. Bruttobetrachtung)? Oder ist Gegenstand des Erwerbs der Saldo zwischen Aktiva und Schulden in Gestalt des Betriebsvermögens, d. h. werden auch Schulden als „negative Wirtschaftsgüter“ angeschafft (sog. Nettobetrachtung)? Für den Verkauf von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen, also Sachgesamtheiten i. S. v. § 16 EStG, dominiert die Nettobetrachtung, wonach die bilanzierten Verbindlichkeiten nicht als Gegenleistung für den Erwerb der Vermögensgegenstände anzusehen sind, sondern eine negative Komponente des übergehenden Betriebsvermögens darstellen6. Eine abweichende Entscheidung findet sich lediglich im Urteil des BFH vom 31.5.19727, wonach auch übernommene betriebliche Schulden als Gegenleistung zu qualifizieren sein sollen. Allerdings wird diese Auffassung eher im Zusammenhang mit der Überprüfung der Entgeltlichkeit einer Betriebsübergabe getroffen. Kernaussage des Urteils ist, dass auch bei einem fehlenden Barkaufpreis eine Entgeltlichkeit gegeben sein kann, wenn der Betrieb unter Berücksichtigung der mit übergehenden Schulden keinen positiven Wert aufweist. Der BFH verneinte vor diesem Hintergrund, dass eine Betriebsübertragung, für die kein
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6 Vgl. BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847; v. 26.3.1991 – VIII R 315/84, BStBl. II 1992, 472; v. 21.3.2002 – IV R 1/01, BStBl. II 2002, 519. 7 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – I R 49/69, BStBl. II 1972, 696.
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gesonderter Kaufpreis vereinbart wird, immer als unentgeltlich zu qualifizieren ist. Insofern wird dieses Urteil weniger im Sinne der Befürwortung der Bruttobetrachtung als vielmehr im Sinne der Verneinung einer Schenkung zu verstehen sein. In der Gesamtbetrachtung und unter Berücksichtigung der ständigen neueren Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass beim Verkauf eines Betriebes, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils8, also in den von § 16 EStG angesprochenen Fällen des Übergangs einer Sachgesamtheit, die übernommenen betrieblichen Schulden nicht als Gegenleistung, sondern als Bestandteil des übergehenden Betriebsvermögens anzusehen sind. Das bedeutet in der Konsequenz, dass das einheitliche Entgelt für den Betrieb aufzuteilen ist auf Anschaffungskosten für die erworbenen Aktiva und „Anschaffungskosten“ für die übernommenen Schulden9. Diese Kernaussage gilt jedoch nur für die dem übergehenden Betrieb steuerlich zuzuordnenden Schulden. Soweit andere, ggf. auch private Schulden des Veräußerers oder auf Veranlassung des Veräußerers Schulden eines Dritten übernommen werden, stellt dies eine zusätzliche Gegenleistung des Erwerbers dar10. Hierfür gilt nicht die Betrachtung des Betriebsvermögens als Saldogröße, da diese Schulden gerade nicht Bestandteil des Betriebsvermögens sind11. Der Veräußerer wird außerhalb der Betriebsübertragung von einer Schuld befreit, was wie die Zahlung eines Barpreises wirkt. In diesen Fällen kann die Nettomethode nicht angewendet werden. Entsprechendes gilt auch, wenn nur einzelne Wirtschaftsgüter übernommen werden, die keine Sachgesamtheit i. S. v. § 16 EStG darstellen. In diesen Fällen ermittelt sich der Veräußerungsgewinn nicht als Saldogröße („Betriebsvermögen“), sondern durch Gegenüberstellung der gesamten Gegenleistung einschließlich der Übernahme der Schuld einerseits und dem Buchwert der übertragenen Vermögensgegenstände andererseits12. Deutlich gemacht werden soll an dieser Stelle noch, dass die diskutierte Thematik nur die Übernahme bereits bestehender Schulden betrifft. Schulden, die erst durch den Übertragungsvorgang ausgelöst werden, dies ist z. B. der Fall bei einer Kaufpreisstundung oder bei Vereinbarung von Kaufpreisrenten sowie Kaufpreisraten, stellen eine Gegenleistung im klassischen Sinne dar. Denn rechtstechnisch vereinbaren die Parteien zunächst eine Gegenleistung für die Übertragung des Betriebs, und in einem zweiten Schritt wird diese Gegenleistung durch Einräumung eines Anspruchs erfüllt.
__________ 8 Dass diese Grundsätze nicht nur für den Erwerb eines Betriebes, sondern auch den Erwerb eines Mitunternehmeranteils gelten, entspricht dem Transparenzprinzip und wurde vom BFH mit Urteil BFH v. 21.3.2002 – IV R 1/01, BStBl. II 2002, 519, explizit entschieden. Insofern wird nachfolgend nicht mehr zwischen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil differenziert, sondern einheitlich vom Betrieb gesprochen. 9 Groh, DB 2007, 2275, spricht von „Abschaffungskosten“. 10 Vgl. BFH v. 12.1.1983 – IV R 180/80, BStBl. II 1983, 595. 11 Vgl. nur BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847. 12 Vgl. BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847.
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Übernahme nicht passivierter Verbindlichkeiten beim Unternehmenserwerber
III. Steuerbilanzielle Beurteilung 1. Anschaffungskosten von Vermögensgegenständen und Schulden Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wonach beim Erwerb eines Betriebes alle übernommenen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens aber mit den Anschaffungskosten anzusetzen sind. Wie dargestellt, ist bei der Übertragung von Betrieben eine Nettobetrachtung anzustellen. Das bedeutet, dass die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände und der Schulden zunächst isoliert voneinander zu bestimmen sind. Es ist also gerade nicht so, dass der Wert der Schulden maßgeblich für die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände ist. Nach § 255 Abs. 1 HGB sind Anschaffungskosten alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Unter geleisteten Aufwendungen sind alle Wertabgaben zu verstehen, die – ohne eine Aktivierung – nach bilanziellen Grundsätzen zu einer Minderung des Nettovermögens führen würden. Da der Anschaffungskostenbegriff handelsrechtlich in § 255 Abs. 1 HGB definiert wird und es keine eigenständige steuerliche Definition gibt, ist davon auszugehen, das sich die handelsbilanziellen und die steuerbilanziellen Anschaffungskosten grundsätzlich decken13. Dies gilt zunächst jedoch nur für die Anschaffungskosten von Vermögensgegenständen. Die Anschaffungskosten für Schulden werden im Handelsbilanzrecht grundsätzlich dem Erfüllungsbetrag gleichgesetzt, also dem Betrag, der aufgewendet werden muss, um die Schuld zu tilgen („Abschaffungskosten“). Dabei sind nur solche Erfüllungsleistungen zu berücksichtigen, die unbedingt sind und nicht vom Eintritt künftiger Ereignisse abhängen14. Bei Geldleistungsverpflichtungen entsprechen die Anschaffungskosten regelmäßig dem Nennbetrag der Verpflichtung ggf. vermindert um einen Abzinsungsbetrag. Bei Sachleistungsverpflichtungen sind grundsätzlich die Vollkosten anzusetzen15. Diese Grundsätze gelten zunächst auch für die steuerbilanziellen Anschaffungskosten von Schulden. Diese werden jedoch z. B. gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG sowie § 6a EStG modifiziert, so dass die Anschaffungskosten für Schulden in Handels- und Steuerbilanz in den gesetzlich genannten Fällen auseinanderfallen können. Ob auch die in § 5 EStG enthaltenen Passivierungsverbote Einfluss auf die Anschaffungskosten der jeweiligen Verbindlichkeit oder Rückstellung haben können, wird weiter unten beleuchtet16.
__________ 13 14 15 16
Vgl. ausführlich Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 281 m. w. N. Vgl. hierzu BFH v. 22.8.2007 – X R 2/04, BStBl. II 2008, 109 m. w. N. Vgl. BFH v. 25.2.1986 – VIII R 134/80, BStBl. II 1986, 788. Siehe unten 3. b).
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2. Interdependenz zwischen den Anschaffungskosten für Vermögensgegenstände und für Schulden Vor diesem Hintergrund ist nun zu fragen, wie sich die Anschaffungskosten im konkreten Fall bei einem Betriebserwerb ermitteln. Aus § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG hat die Rechtsprechung geschlossen, dass der beim Betriebserwerb üblicherweise vereinbarte einheitliche Gesamtkaufpreis nach Maßgabe der sog. Stufentheorie auf die aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu verteilen ist17. Hiernach erfolgt eine dreistufige Verteilung zunächst auf die bislang schon beim Veräußerer bilanzierten Wirtschaftsgüter, der verbleibende Betrag wird dann den bislang nicht bilanzierten immateriellen Wirtschaftsgütern zugeordnet, und ein etwa verbleibender Restbetrag entfällt auf den Firmenwert. Wie eine Zuordnung zu den Verbindlichkeiten zu berücksichtigen ist, wurde bislang nur vereinzelt explizit diskutiert18. Nimmt man die Nettobetrachtung ernst, so muss der auf die übernommenen Schulden entfallende Kaufpreisbestandteil in den ersten beiden Verteilungsstufen mit berücksichtigt werden. Das bedeutet im Rahmen der Nettomethode Folgendes: Obwohl die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände gerade nicht durch den Wert der übernommenen Schulden determiniert werden, stehen die Wertansätze in einem engen Zusammenhang. Da der Gesamtkaufpreis für den Betrieb auf die Aktiva und Schulden zu verteilen ist, führt ein höherer Wertansatz bei den Schulden zwangsläufig bereits rechnerisch zu einem entsprechend höheren Wertansatz bei den Vermögensgegenständen. Dies wird am eingangs geschilderten Sachverhalt deutlich: Der zu verteilende Gesamtkaufpreis beträgt 2 Mio. Euro (zzgl. dem handelsbilanziellen Eigenkapital, das hier aber vernachlässigt werden soll). Die Anschaffungskosten für die übernommenen Schulden belaufen sich auf den Betrag der handelsbilanziell gebildeten Rückstellungen i. H. v. 3,4 Mio. Euro, während die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände 5,4 Mio. Euro betragen. Der Kaufpreis von 2 Mio. Euro ist also mit EUR – 3,4 Mio. auf die Schulden und mit EUR + 5,4 Mio. auf die Vermögensgegenstände zu verteilen. 3. Einfluss steuerbilanzieller Passivierungsbeschränkungen und Passivierungsverbote auf die Anschaffungskosten Fraglich ist nun aber, welchen Einfluss die steuerlichen Passivierungsverbote und Passivierungsbeschränkungen auf diese Betrachtung haben. Dabei muss unterschieden werden zwischen Passivierungsbeschränkungen, die dem Bereich der Bewertung zuzuordnen sind (§§ 6 und 6a EStG), und den Passivierungsverboten dem Grunde nach (§ 5 EStG).
__________ 17 Vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Tz. 487 ff. 18 Vgl. nur Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf Unternehmensverkauf, 761.
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Übernahme nicht passivierter Verbindlichkeiten beim Unternehmenserwerber
a) Passivierungsbeschränkungen Ausgangspunkt soll zunächst die Ermittlung der Anschaffungskosten der übernommenen Schulden sein. Die relevanten steuerbilanziellen Vorschriften für die Ermittlung der Anschaffungskosten von Schulden sind die §§ 6 ff. EStG. Diese Bewertungsvorschriften sind nicht nur zum jeweiligen Bilanzstichtag, sondern auch bei Erwerb und Ausscheiden von Wirtschaftsgütern anzuwenden19. Somit beinhalten sie explizit auch eine steuerliche Definition der Anschaffungskosten von Schulden. Besonders deutlich wird dies in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wo für die Bewertung von Verbindlichkeiten auf Nr. 2 der Vorschrift verwiesen wird, die die Bewertung nicht abnutzbarer aktiver Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten anordnet. Das bedeutet also für das vorliegende Problem, dass sich die Anschaffungskosten für übernommene Verbindlichkeiten grundsätzlich nach dem Erfüllungsbetrag unter Berücksichtigung der steuerspezifischen Modifikationen gem. den §§ 6, 6a EStG bemessen. Insoweit greift wegen zwingender steuerlicher Regelungen das Maßgeblichkeitsprinzip nicht ein. Dementsprechend richten sich die steuerlichen Anschaffungskosten z. B. für Pensionsverpflichtungen nicht nach dem Erfüllungsbetrag, sondern nach § 6a EStG20, 21. Zur Verdeutlichung der bilanziellen Wirkung dieser Überlegung soll ein stark vereinfachtes Beispiel gebildet werden: Ein Erwerber übernimmt einen Betrieb mit Aktiva im Teilwert von 4 Mio. Euro und mit Pensionsverpflichtungen (für aktive mit übergehende Mitarbeiter) im Erfüllungsbetrag von 2 Mio. Euro. Der sich nach § 6a EStG ergebende Wert der Pensionsverpflichtung beträgt 1 Mio. Euro. Als Kaufpreis für diesen Betrieb wird ein Betrag von 2 Mio. Euro vereinbart. Dieser Kaufpreis ist wie folgt aufzuteilen: Die Anschaffungskosten für die Pensionsverpflichtung belaufen sich – unabhängig von ihrem tatsächlichen Wert – gem. gesetzlicher Vorgabe in § 6a EStG auf 1 Mio. Euro. Da der Gesamtkaufpreis für den Betrieb 2 Mio. Euro beträgt und davon –1 Mio. Euro auf die übernommene Verpflichtung entfallen, sind die Aktiva mit Anschaffungskosten von 3 Mio. Euro anzusetzen.
__________ 19 Vgl. Glanegger in Schmidt, § 6 EStG Tz. 45 unter Verweis auf BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291. 20 Auch der besondere Wertansatz gem. R 6a Abs. 13 EStR 2005 für Pensionsverpflichtungen beim Arbeitgeberwechsel ist ein nach § 6a EStG gebildeter Wertansatz, so dass sich hieraus keine systematischen Besonderheiten ergeben. 21 Nicht beleuchtet werden sollen an dieser Stelle die Einfügungen in das UmwStG (§§ 3 Abs. 1 Satz 2, 11 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 2 Satz 1 und 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), wonach Pensionsrückstellungen mit den sich nach § 6a EStG ergebenden Werten anstelle des gemeinen Wertes anzusetzen sind (vgl. hierzu nur Rödder in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, § 11 UmwStG Tz. 82 ff.). Diese gesetzliche Normierung hat keinen Einfluss auf die hier diskutierte Frage der Anschaffungskosten einer Schuld, da sie lediglich den gemeinen Wert einer Pensionsrückstellung von dem sich nach § 6a EStG ergebenden Wert abgrenzt.
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b) Passivierungsverbote Eine andere Beurteilung ergibt sich für Schulden, die einem Passivierungsverbot nach § 5 EStG unterliegen. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine Bewertungsvorschrift, die die Anschaffungskosten einer Schuld determiniert, sondern um ein Ansatzverbot dem Grunde nach. Mithin stellt sich die Frage, ob das Passivierungsverbot auch beim Erwerber eingreift und in welcher Form sich das Passivierungsverbot auf die Anschaffungskosten sowohl der Schulden selbst als auch der übernommenen Vermögensgegenstände auswirkt. aa) Keine Entstehung eines Anschaffungsgewinns Bevor die Frage nach dem Eingreifen der Passivierungsverbote beim Erwerber beleuchtet wird, muss deutlich gemacht werden, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit der Entstehung eines sog. Anschaffungsgewinns abgelehnt hat22. Dies widerspreche den GoB und insbesondere dem Realisationsprinzip. Ein Gewinn kann danach nicht im Rahmen einer Anschaffung, sondern nur durch einen der Anschaffung nach gelagerten Realisationsakt entstehen. Wenn sich die Entstehung eines Gewinns infolge einer Anschaffung aus bilanztechnischen Gründen an sich nicht vermeiden lässt, muss sie durch Bildung eines steuerlichen Ausgleichsposten verhindert werden23. Vor diesem klaren Hintergrund ist es also auch nicht denkbar, dass einerseits alle Aktiva mit dem Teilwert anzusetzen sind und andererseits die steuerlich eigentlich nicht bilanzierbare Rückstellung zunächst passiviert und wegen des Passivierungsverbots in der logischen Sekunde danach oder zum nächsten Bilanzstichtag erfolgswirksam wieder aufgelöst wird24. Dieses von der Rechtsprechung immer wieder bestätigte Ergebnis und insbesondere die Unzulässigkeit einer späteren Auflösung der übernommenen Verpflichtung ergibt sich zwingend auch unter folgendem Aspekt: Wie ausgeführt, ist Bewertungszeitpunkt regelmäßig für alle Wirtschaftsgüter das Ende eines jeden Wirtschaftsjahrs. Darüber hinaus sind die Wirtschaftgüter, die erworben oder veräußert werden, im Anschaffungszeitpunkt bzw. auf den Tag des Ausscheidens zu bewerten25. Das bedeutet, dass die übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden erstmalig auf den Tag der Anschaffung/Übernahme und dann jährlich zum Ende des Wirtschaftsjahres bis zu ihrem Ausscheiden nach den gleichen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Vorschriften des §§ 6 ff. EStG zu bewerten sind. Ein unterschiedlicher Bewertungsmaßstab
__________ 22 Vgl. BFH v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745; v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180; v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656. 23 Vgl. BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1981, 730; v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745; v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180. 24 So auch für den konkreten Fall der Übernahme nicht passivierter Schulden FG Düsseldorf v. 9.9.2008 – 6 K 1161/04 K, F, BB 2008, 2736, Rev. I R 102/98. 25 Vgl. Glanegger in Schmidt, § 6 EStG Tz. 45 unter Verweis auf BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291.
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bei Anschaffung einerseits und bei den Folgebewertungen ist mithin nicht denkbar. Damit ist es auch ausgeschlossen, dass eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung bei Übernahme zunächst mit dem vollen Wert zu passivieren und dann aufgrund von Passivierungsbeschränkungen oder -verboten zu einem späteren Zeitpunkt erfolgswirksam aufzulösen ist. Entweder die Schuld darf gem. §§ 5 ff. EStG und den zugrunde liegenden handelsbilanziellen Vorschriften ab dem Zeitpunkt ihrer erstmaligen bilanziellen Erfassung bei Anschaffung nicht oder nicht in voller Höhe angesetzt werden, oder es darf ein Ansatz in voller Höhe vorgenommen werden, der dann aber auch bei Folgebewertungen nach gleichen Grundsätzen wie bei der Einbuchung fortzuentwickeln ist. Eine verzögerte Auflösung der zunächst passivierten Verpflichtung ist mithin ausgeschlossen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Zusammenhang mit den Passivierungsverboten, sondern uneingeschränkt auch für die Passivierungsbeschränkungen der §§ 6 ff. EStG. bb) Keine Anwendbarkeit der Passivierungsverbote wegen verändertem Rechtscharakter der Verbindlichkeit? Zu der Frage, ob übernommene Schulden den Passivierungsverboten des § 5 EStG unterliegen können, wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass eine beim Veräußerer steuerlich nicht bilanzierbare Schuld beim Erwerber als Verbindlichkeit auszuweisen ist, da sich infolge des Verkaufs aus der Perspektive des Erwerbers die Verpflichtungsgrundlage für die Rückstellung geändert habe26. Dem liegt folgende Überlegung zugrunde: Im Rahmen des Verkaufs verpflichtet sich der Erwerber, den Veräußerer von den Schulden freizustellen. Für den Erwerber entsteht hieraus eine Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Veräußerer, die zu passivieren ist. In Erfüllung dieser Freistellungsverpflichtung übernimmt der Erwerber dann in einem rechtstechnisch nachgelagerten Schritt die Schulden des Veräußerers. Hierdurch soll sich nach der Auffassung von Bogenschütz der Rechtscharakter der Freistellungsverpflichtung nicht mehr ändern27. Damit habe die ursprüngliche Verpflichtung des Veräußerers infolge des Verkaufs ihren Rechtscharakter von dem einer Drohverlustrückstellung bzw. Jubiläumsrückstellung oder auch einer Pensionsrückstellung in den einer Freistellungsverpflichtung gewandelt. Die §§ 5 und 6a EStG könnten damit nicht mehr zur Anwendung kommen. Es bleibt jedoch mit Zweifeln behaftet, ob diese Auffassung systematisch sachgerecht ist. Für die Einordnung einer Schuld unter eine bestimmte Kategorie ist nicht entscheidend, durch welchen Vorgang die Schuld entstanden ist. Vielmehr ist zu fragen, gegenüber wem die Schuld besteht und welchen Rechtscharakter sie aktuell hat. Wenn durch den Betriebserwerber ein Bankdarlehen übernommen wurde, lässt sich dieses Bankdarlehen nach dem Erwerb nicht als Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Veräußerer ausweisen. Die
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26 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2008, 135. 27 Bogenschütz, Ubg 2008, 135.
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Verpflichtung besteht von Beginn an gegenüber der Bank, und sie behält mithin ihren Charakter als Verbindlichkeit gegenüber Kreditinstituten auch beim Erwerber. Entsprechendes gilt auch für Pensionsrückstellungen. Wenn der Betriebserwerber aktive Mitarbeiter übernimmt, denen eine Pensionszusage erteilt wurde, so behält diese Verpflichtung auch beim Erwerber ihren Charakter als Pensionsverpflichtung, so dass entsprechend eine Pensionsrückstellung auszuweisen ist28. Der Rechtscharakter einer Verpflichtung kann sich beim Betriebserwerb dann ändern, wenn der Veräußerer weiterhin Primärverpflichteter bleibt und hierfür vom Erwerber lediglich eine Freistellungszusage erhält. Dann besteht hinsichtlich der Verpflichtung ein Dreiecksverhältnis, innerhalb dessen der Erwerber nur gegenüber dem Veräußerer verpflichtet ist. Dies ist beispielsweise beim Schuldbeitritt hinsichtlich von Pensionsverpflichtungen der Fall29. Das ist aber typischerweise gerade nicht die Konstellation beim Betriebserwerb, dem regelmäßig rechtstechnisch eine befreiende Schuldübernahme zugrunde liegt. So hat auch der BFH z. B. zur vertraglichen Übernahme einer Sanierungsverpflichtung entschieden, dass sich die Passivierbarkeit der Sanierungsverpflichtung auch beim Erwerber nach den für Umweltschutz-Rückstellungen entwickelten Kriterien richte30. Das bedeutet, dass der BFH in diesem Urteilsfall gerade nicht davon ausging, dass sich die Umweltschutzverpflichtung in eine Freistellungsverpflichtung gewandelt hätte. cc) Keine Anwendbarkeit der Passivierungsverbote auf erworbene Schulden? Denkbar ist alternativ, dass die Passivierungsverbote für zunächst in den Anwendungsbereich von § 5 EStG fallende Schulden dann nicht greifen, wenn die Schuld beim Steuerpflichtigen nicht originär entstanden, sondern realisierend erworben wurde31. In diesem Sinne ist auch das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 9.9.2008 zu verstehen32. Die Begründung hierfür liegt darin, dass der BFH für die Passivierungsverbote gem. § 5 Abs. 4 und 4a EStG deutlich gemacht hat, dass deren Normzweck darin besteht, eine vorzeitige Geltendmachung steuerlichen Aufwands zu verhindern33. Dieser Normzweck ist nicht mehr erfüllt, sobald sich die wirtschaftliche Belastung aus der Verpflichtung bereits steuerlich ausgewirkt hat. Dies ist bei einem Verkauf des Betriebes unter Übernahme der Schulden durch den Erwerber nach der Auffassung des BFH der Fall, da der Veräußerer einen um den Wert der Rückstellungen verringer-
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28 Etwas anderes gilt für die Übertragung von Pensionsverpflichtungen, bei denen das Arbeitsverhältnis mit dem Versorgungsberechtigten nicht auf den Erwerber übergeht, weil der Versorgungsfall bereits eingetreten ist oder der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widerspricht. Übernimmt der Erwerber gleichwohl diese Verpflichtungen, verlieren sie bei ihm ihren Rechtscharakter als Pensionsverpflichtungen, so dass hierfür die allgemeinen Grundsätze für die Bewertung von Schulden eingreifen. 29 Vgl. HFA 2/1988, Wpg 1988, 403; BMF v. 16.12.2005, BStBl. I 2005, 1052. 30 Vgl. BFH v. 19.11.2003 – I R 77/01, BFH/NV 2004, 271. 31 Vgl. Ley, DStR 2007, 591. 32 Vgl. FG Düsseldorf v. 9.9.2008 – 6 K 1161/04 K, F, BB 2008, 2736. 33 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555.
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ten Kaufpreis erhält, der sich in einem entsprechend verringerten Veräußerungsgewinn steuerlich niederschlägt. Diese realisierte Verpflichtung hat der Erwerber im Rahmen des Kaufs des Betriebes übernommen. Damit könnte auch beim Erwerber der Normzweck der Passivierungsverbote nach § 5 EStG leerlaufen, weil sich der zugrunde liegende steuerliche Aufwand bereits beim Veräußerer aufwandswirksam niedergeschlagen hat. Gegen eine solche, an sich sehr überzeugende, Interpretation spricht jedoch zunächst einmal der Wortlaut von § 5 EStG, der im Bereich der Rückstellungsverbote keine Einschränkung und auch keine Differenzierung hinsichtlich der Entstehung der Verpflichtungen vornimmt. Während z. B. das Aktivierungsverbot in § 5 Abs. 2 EStG ausdrücklich nicht für entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gelten soll, fehlt eine entsprechende Ausnahme in § 5 Abs. 3 ff. EStG. Darüber hinaus ist auch fraglich, ob der Normzweck der Passivierungsverbote tatsächlich auch beim Erwerber leerläuft. Für den Veräußerer ist das uneingeschränkt einsichtig, da dieser den Aufwand in Form eines reduzierten Kaufpreises steuerlich und wirtschaftlich bereits realisiert hat. Der Erwerber übernimmt jedoch die vertraglichen Vereinbarungen und damit den erwarteten Verpflichtungsüberhang. Er wird also künftig die entsprechenden Aufwendungen tragen, so dass hier das Verbot einer vorgezogenen Aufwandsrealisierung wieder einen Sinn erhält und der Normzweck damit wieder erfüllt ist. Schließlich würde eine solche Interpretation auch nicht für alle Passivierungsverbote eine Lösung bringen. Es stellt sich namentlich die Frage, ob diese „Realisationsthese“ für Verbindlichkeiten gem. § 5 Abs. 2a EStG, die nur aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, sachgerecht sein kann. Dies würde bedeuten, dass der Betriebserwerber, der eine nur aus künftigen Gewinnen zu tilgende Schuld übernimmt, diese entgegen § 5 Abs. 2a EStG zu passivieren hätte, weil er diese Schuld entgeltlich erworben hat. Das würde dem Sinn und Zweck von § 5 Abs. 2a EStG zuwiderlaufen. Sogar wenn man für eine nur mit künftigen Gewinnen zu tilgende Verbindlichkeit dem Grunde nach ein steuerliches Passivum auf der Grundlage der Realisationsthese zulassen wollte, würde diese Anschaffungskosten von null haben. Denn die Tilgung nur aus künftigen Gewinnen kann weder handels- noch steuerbilanziell zu Anschaffungskosten für eine Schuld führen34. Entsprechende Fragestellungen und Zweifel ergeben sich dann auch für Verpflichtungen nach § 5 Abs. 4b EStG. Schließlich wäre auch innerhalb von § 6a EStG zu differenzieren. Teilweise enthält diese Vorschrift Passivierungsverbote und teilweise einschränkende Bewertungsregeln. Die Realisationsthese würde nur für die Passivierungsverbote gelten. Da die Bewertungsregeln Spezialvorschriften insbesondere für die Höhe der steuerlichen Anschaffungskosten beinhalten (s. oben unter C.II.1.), wären diese zwingend beim Erwerber zu beachten.
__________ 34 Vgl. BFH v. 6.2.1987 – III R 203/83, BStBl. II 1987, 423.
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Fraglich wäre auch, wie z. B. mit handelsbilanziell passivierungspflichtigen Aufwandsrückstellungen umgegangen werden sollte. In der Gesamtbetrachtung würde der hier als Realisationsthese bezeichnete Lösungsansatz mithin – neben den dargelegten systematischen Zweifeln – auch zu nicht unerheblichen Abgrenzungsproblemen führen. dd) Bildung eines passiven Ausgleichspostens? In verschiedenen Konstellationen hat der BFH entschieden, dass zur Erreichung bestimmter bilanzieller Ziele auch die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens in Betracht kommt. Dies war einerseits im Zusammenhang mit der Übernahme eines negativen Geschäftswerts und andererseits der Anschaffung eines GmbH-Anteils mit Zuzahlung durch den Veräußerer der Fall35. Vor diesem Hintergrund wird im Schrifttum vorgeschlagen, für die übernommenen nicht passivierbaren Schulden einen solchen steuerlichen Ausgleichsposten zu bilden36. Dies hätte den Vorteil, dass die Passivierungsverbote des § 5 EStG nicht mehr zu beachten wären. Die zu den vorstehenden Bilanzierungsalternativen geäußerten Zweifel würden sich mithin nicht stellen; sie würden durch Ausnutzung einer steuerbilanziellen Sonderkategorie wegdefiniert. Auch diese Alternative stößt jedoch auf nicht unerhebliche Bedenken. Der BFH hat die Bildung eines Ausgleichspostens als Ultima Ratio gesehen, die nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn durch keine anderweitige bilanzielle Maßnahme der Ausweis eines Anschaffungsgewinns vermieden werden kann. Ein Ausgleichsposten ist also nur in ganz engen Grenzen und nur nachrangig passivierbar. Für das hier diskutierte Bilanzproblem stehen aber sachgerechte Alternativen zur Verfügung37. Darüber hinaus muss vom Ergebnis her berücksichtigt werden, dass der Ausgleichsposten hinsichtlich seiner späteren Auflösung wohl den gleichen Regeln wie eine zulässig passivierte Verpflichtung nach § 5 EStG folgen würde. Beispielsweise würde bei Passivierung eines Ausgleichspostens anstelle einer Drohverlustrückstellung der Ausgleichsposten wohl gegen die künftig anfallenden Verluste neutral zu verrechnen sein. Damit hätte man eine Position passiviert, die unter allen Aspekten den nicht passivierbaren Schulden entspricht, für die aber allein aufgrund einer Alternativbezeichnung als Ausgleichsposten die Passivierungsverbote des § 5 EStG ausgehebelt wären. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Passivierung eines steuerlichen Ausgleichspostens anstelle der nicht passivierbaren Schulden nur schwierig vertreten38.
__________ 35 36 37 38
Vgl. zur Zuzahlung BFH v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656. Vgl. Ley, DStR 2007, 591. Siehe insbesondere nachstehend ee) sowie letztlich auch vorstehend cc). So explizit auch M. Prinz, FR 2008, 877.
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ee) Anwendbarkeit der Passivierungsverbote In Anbetracht der geäußerten Zweifel hinsichtlich der vorstehend beleuchteten Bilanzierungsalternativen wird hier die Auffassung vertreten, dass die Passivierungsverbote wie auch alle weiteren steuerlichen Sondervorschriften zum Ansatz und zur Bewertung von Passiva nach einem Betriebserwerb beim Erwerber zu beachten sind39. Dies bedeutet für das Eingangsbeispiel, dass weder die Drohverlust- noch die Jubiläumsrückstellung passiviert werden dürfen. Dies entspricht dem Wortlaut des Gesetzes und, wie aufgezeigt, auch dem Gesetzeszweck. Dies lässt sich insbesondere auch aus der Rechtsprechung zum negativen Geschäftswert ableiten. Der BFH hatte den Ansatz eines negativen Geschäftswerts im Wesentlichen mit dem Argument abgelehnt, der negative Geschäftswert sei kein steuerliches Passivum40. Angesetzt werden dürften nur die gesetzlich vorgesehenen Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten. Da im Gesetz nur der positive Firmenwert erwähnt sei, könne der negative Firmenwert kein steuerliches Passivum darstellen. Übertragen auf die in § 5 EStG genannten Verpflichtungen könnte dies bedeuten: Zwar liegen diesen zumindest teilweise handelsbilanziell zu berücksichtigende, konkretisierte Verpflichtungen gegenüber Dritten zugrunde. In § 5 EStG wird aber explizit angeordnet, dass diese steuerbilanziell nicht angesetzt werden dürfen und daher steuerbilanziell auch kein Passivum darstellen. Damit kommt beim Betriebserwerber nach den zum negativen Firmenwert entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen eine Passivierung nicht in Betracht. Darüber hinaus hat diese Lösung gegenüber der – im Grundsatz überzeugenden – Realisationsthese einen erheblichen Praktikabilitätsvorteil. Wenn der Grundsatz gilt, dass Schulden auch beim Erwerber nach den gesetzlich vorgesehenen Regeln zu passivieren und zu bewerten sind, muss nicht bei jeder Schuld danach differenziert werden, ob nun der Normzweck des jeweiligen Passivierungsverbots erfüllt ist oder nicht. Nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Kaufpreisaufteilung würde dies im Eingangsbeispiel dazu führen, dass der gesamte gezahlte Kaufpreis mangels passiver Zuordnungsobjekte ausschließlich auf die übernommenen Aktiva entfällt. Die Vermögensgegenstände wären also nur mit einem Wert von 2 Mio. Euro zu aktivieren. Die künftig eintretenden Aufwendungen, die den übernommenen Verpflichtungen zugrunde liegen, würden sich dann im Zeitpunkt der Leistung in vollem Umfang steuerlich auswirken. Diesem künftig erhöhten Aufwand stünden entsprechend verringerte Abschreibungen auf die Vermögensgegenstände gegenüber. Ob sich hieraus ein Vorteil oder Nachteil für den Erwerber ergibt, hängt vom jeweiligen Zeitpunkt der Aufwandsentstehung einerseits und der Abschreibungsgeschwindigkeit der übernommenen Vermögensgegenstände andererseits ab.
__________ 39 So ganz deutlich auch Buciek, Anmerkungen zum Urteil BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, FR 2008, 1158 m. Anm. M. Prinz = HaufeIndex 1993998. 40 Vgl. BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1981, 730.
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Dieses Ergebnis deckt sich vollständig mit den für die Übernahme eines negativen Firmenwertes entwickelten und mittlerweile etablierten Grundsätzen41. Auch hier kam es zu einem Ansatz der Vermögensgegenstände „nur“ mit den Anschaffungskosten, obwohl diese nachweislich unterhalb der Teilwerte lagen. Dies ist jedoch eine zwingende Rechtsfolge des § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Allerdings gilt auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass bestimmte Nominalwert-Aktiva nicht abgestockt werden können. Dies sind nach der Rechtsprechung zumindest Bar- und Buchgeldbestände42. Liegt der Kaufpreis unterhalb des Wertes dieser Nominalgüter, kommt es zu Bildung eines Ausgleichspostens. Die künftige Auflösung dieses Ausgleichspostens muss dann entsprechend den Aufwendungen, die den übernommenen Schulden zugrunde liegen, erfolgen. Sind unterschiedliche nicht passivierbare Schulden übernommen worden, so ist der Ausgleichsposten diesen für Zwecke der Auflösung ratierlich nach Maßgabe der Teilwerte zuzuordnen. 4. Übernahme von Schulden bei Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern Wie ausgeführt, liegt der Unterschied zwischen einem Betriebserwerb und dem Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern darin, dass bei den Einzelwirtschaftsgütern eine Bruttobetrachtung angewendet wird, bei der Erwerbsgegenstand nur aus den erworbenen Vermögensgegenständen besteht und die übernommenen Schulden als zusätzliche Anschaffungskosten für die Vermögensgegenstände qualifiziert werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die vorstehend entwickelten Grundsätze zum Betriebserwerb auch auf den Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern unter Übernahme von (nicht passivierbaren) Schulden projiziert werden können. Hier wird die Auffassung vertreten, dass die gleichen Grundsätze wie bei einem Betriebserwerb Anwendung finden müssen. In einem ersten Schritt müssen dementsprechend die Anschaffungskosten für die übernommenen Schulden ermittelt werden. Dazu ist zunächst festzustellen, ob es sich um eine passivierbare Schuld handelt. Ist dies nicht der Fall, entfällt eine Passivierung und es sind naturgemäß auch keine Anschaffungskosten hierfür festzustellen. Handelt es sich dagegen um eine passivierbare Schuld, ergeben sich deren Anschaffungskosten aus den allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung der steuerbilanziellen Modifikationen gem. §§ 6 und 6a EStG. In einem zweiten Schritt sind die Anschaffungskosten für die übernommenen Vermögensgegenstände zu ermitteln. Diese setzen sich zusammen aus dem Kaufpreis zzgl. des Wertes der übernommenen Schulden. Dieser Wert ist nach hier vertretener Auffassung mit den steuerlich passivierbaren Anschaffungs-
__________ 41 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – I R 49/69, BStBl. II 1972, 696; v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1981, 730; v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745; v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180. 42 Vgl. BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180; zu weiteren Abgrenzungsproblemen s. Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf Unternehmensverkauf, München 2003, 769.
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kosten für die Schuld selbst gleichzusetzen. Zwar gilt hier nicht der dargelegte zwingende Konnex zwischen Schulden und Vermögensgegenständen wie bei der Nettobetrachtung. Gleichwohl erscheint es sachgerecht, dass nur solche Schulden zu Anschaffungskosten für Vermögensgegenstände führen können, die dem Grunde nach passivierungsfähig sind, und dass sich die Höhe der Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände nach dem passivierten Betrag richtet. Hiervon scheint auch das Schrifttum auszugehen, wo zum Umfang der Anschaffungskosten für Vermögensgegenstände aus Schuldübernahmen auf die Vorschriften zur Bewertung der Schulden verwiesen wird43. Diese Auffassung wird auch durch eine praxisorientierte Betrachtung gestützt. Sollte die Schuldübernahme bei den Anschaffungskosten für die Vermögensgegenstände anders als bei den Schulden selbst bewertet werden, ergäben sich regelmäßig Differenzen zwischen Aktiva und Passiva in der Bilanz. Um Anschaffungsgewinne oder -verluste zu vermeiden, müssten diese durch steuerliche Ausgleichsposten neutralisiert werden. Damit würde der Ansatz von steuerlichen Ausgleichsposten zum Standardfall in einer Steuerbilanz, was dem Charakter eines Ausgleichspostens als ultima ratio nicht gerecht wird und von der Rechtsprechung so wohl auch nicht vorgesehen ist. Modifiziert man das Eingangsbeispiel dahingehend, dass kein Betriebserwerb, sondern der Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern vorliegen würde, lässt sich der Unterschied in beiden Bilanzierungsalternativen wie folgt verdeutlichen: Wenn in die Anschaffungskosten für die Vermögensgegenstände der „Verkehrswert“ der Schulden mit eingeht, wären diese mit 5,4 Mio. Euro zu aktivieren. Da dem auf der Passivseite nur Eigenkapital in Höhe des Kaufpreises von 2 Mio. Euro, aber keine steuerlich passivierbare Schuld gegenübersteht, ergäbe sich eine Differenz zwischen Aktiv- und Passivseite von 3,4 Mio. Euro, die durch einen Ausgleichsposten zu neutralisieren wäre. Bezieht man die Schulden demgegenüber nicht in die Ermittlung der Anschaffungskosten für die Vermögensgegenstände ein, weil sie nicht passiviert sind, betragen die Anschaffungskosten nur 2 Mio. Euro. Auf der Passivseite wird wegen § 5 Abs. 4 und 4a EStG keine Rückstellung, sondern nur das Eigenkapital in Höhe des Kaufpreises von 2 Mio. Euro angesetzt. Des Ausweises eines Ausgleichspostens bedarf es in dieser Alternative nicht. Damit ist zumindest vom Ergebnis her auch der Gleichlauf zwischen Nettound Bruttobetrachtung hergestellt, so dass keine Wertungswidersprüche eintreten können.
IV. Zusammenfassung Der Erwerb eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils wird nach der sog. Nettobetrachtung beurteilt. Das bedeutet, dass Gegenstand des Erwerbs die Gesamtheit der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter ist. Die
__________ 43 Vgl. Glanegger in Schmidt, § 6 EStG Tz. 83.
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Übernahme von Schulden wird nicht als Gegenleistung für den Erwerb der Wirtschaftsgüter angesehen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind die übernommenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter mit ihrem Teilwert, höchstens aber mit den Anschaffungskosten zu bilanzieren. Der für den Betrieb bezahlte Kaufpreis ist also auf die Vermögensgegenstände und Schulden aufzuteilen. Damit besteht zwischen den Wertansätzen der Vermögensgegenstände und der Schulden ein zwingender Konnex. Je höher die den Schulden zugeordneten Anschaffungskosten sind, desto höher werden die Anschaffungskosten für die Vermögensgegenstände. Die Anschaffungskosten der Schulden richten sich nach handelsbilanziellen Grundsätzen, die aber steuerlich insbesondere durch die §§ 6 und 6a EStG modifiziert werden. Diese zwingenden steuerlichen Vorschriften für die Ermittlung von Anschaffungskosten für Verbindlichkeiten wirken sich mittelbar wegen der Nettobetrachtung auch auf die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände aus. Dadurch wird das Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz sowohl für die Passiva wie auch für die Aktiva durchbrochen. Die Passivierungsverbote gem. § 5 EStG stellen keine Bewertungsvorschriften dar und haben demnach keinen unmittelbaren Einfluss auf die Anschaffungskosten der Schulden. Wenn die Passivierungsverbote beim Erwerber anwendbar sind, haben sie aber mittelbar wegen der Nettobetrachtung Einfluss auf die Anschaffungskosten der Aktiva, da der Gesamtkaufpreis dann allein auf die Aktiva entfällt. Eine Nichtanwendbarkeit der Passivierungsverbote beim Erwerber könnte sich insbesondere daraus ergeben, dass es sich um erworbene Schulden handelt. Der Normzweck der Passivierungsverbote des § 5 EStG besteht darin, den vorzeitigen Ansatz bestimmter Aufwendungen zu verhindern. Da der mit diesen Aufwendungen verbundene Verlust allerdings bereits beim Veräußerer des Betriebes in Gestalt eines verringerten Kaufpreises realisiert wurde, könnte der Normzweck des § 5 EStG bei gekauften Schulden leerlaufen. Dem steht allerdings entgegen, dass die Verlustrealisierung beim Veräußerer entstanden ist. Der Erwerber wird nach Übernahme der Verpflichtung erst künftig durch die Verpflichtung belastet, so dass bei ihm der Normzweck des § 5 EStG weiterhin seine Bedeutung hat. Auch alternative Begründungen für eine Passivierung der übernommenen Schulden trotz des Passivierungsverbots in § 5 EStG sind nicht widerspruchsfrei. Aus diesem Grund wird hier die Auffassung vertreten, dass die Passivierungsverbote des § 5 EStG – ebenso wie die Bewertungsvorschriften der §§ 6 ff. EStG – beim Erwerber zu beachten sind. Folge der Nichtpassivierung der übernommenen Schulden ist ein entsprechend verringerter Wertansatz für die Vermögensgegenstände. Diese Lösung entspricht dem Wortlaut des Gesetzes, steht in Einklang mit der Rechtsprechung zum negativen Firmenwert und hat überdies auch Praktikabilitätsvorteile.
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Vom Ergebnis her muss diese Lösung auch für den Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern unter Übernahme von nicht passivierbaren Schulden des Veräußerers gelten. Ein Anschaffungsgewinn kann in keiner denkbaren Konstellation entstehen. Dies ist von der Rechtsprechung in langjährig gefestigter Rechtsprechung immer wieder als Grundprinzip bestätigt worden. Dies gilt auch für den verzögerten Ausweis eines Anschaffungsgewinns zu einem auf die Anschaffung folgenden Bilanzstichtag. Ein solcher verzögerter Anschaffungsgewinn ist bereits deswegen nicht denkbar, weil für die Übernahme von Schulden im Anschaffungszeitpunkt und an den folgenden Bilanzstichtagen die gleichen Ansatzund Bewertungsvorschriften gelten.
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Steuerliche Aspekte der Corporate Social Responsibility von Unternehmen Inhaltsübersicht I. Einführung II. Abgrenzung von Betriebs- und Privatsphäre III. Betriebliche Veranlassung interner CSR-Maßnahmen 1. Handlungsfelder 2. Betrieb als „auslösendes Moment“ 3. Steuerliche Abzugsverbote IV. Betriebliche Veranlassung externer CSR-Maßnahmen 1. Handlungsfelder 2. Steuerrechtliche Würdigung a) Vorüberlegungen b) Stand von Rechtsprechung und Finanzverwaltung
c) Systematisierung aa) Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern u. a. bb) Soziale Investitionen im lokalen Umfeld cc) CSR als betriebliches Kommunikationsinstrument 3. Steuerrechtliche Abzugsverbote V. Corporate Giving und Spendenabzug 1. Altruistische Motivation 2. Unentgeltlichkeit und Uneigennützigkeit 3. Abgrenzung von Spenden und verdeckten Gewinnausschüttungen VI. Schlussbemerkung
I. Einführung In den letzten Jahren hat auch in der deutschen Betriebswirtschaftslehre die Debatte um die soziale Verantwortung von Unternehmen und die Rolle der Unternehmensethik zugenommen1. Im angelsächsischen Sprachraum wird diese Diskussion schon seit längerem unter dem Stichwort Corporate Social Responsibility (CSR) geführt2. Verwandte Begriffe sind etwa Business Ethics, Business and Society, Corporate Sustainability und vor allem Corporate Citizenship (CC). 2001 hat die EU-Kommission in einen viel beachteten Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ die Bedeutung von CSR für das in Lissabon vereinbarte Ziel der Entwicklung der Europäischen Union zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ herausgestellt3. Seither hat das Interesse an dieser Thematik weiter zugenommen, wie eine
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1 Vgl. dazu die Beiträge in den Sonderheften der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Special Issue 3/2008) und der Schmalenbach Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf-Sonderheft 58/08). 2 Für einen ersten begrifflichen Überblick und weitere Nachweise vgl. etwa Scherer/ Picot, zfbF-Sonderheft 58/08, S. 1, 5 ff. 3 Vgl. Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg.; weitere Informationen über die Aktivitäten der EU-Kommission unter www.ec.europa.eu/enterprise/csr/index_de.htm.
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große Zahl von Netzwerken und Internetforen belegt4. Selbst kleine und mittlere Unternehmen (KMU) interessieren sich inzwischen zunehmend für CSR5. Der Begriff Corporate Social Responsibility meint – wörtlich übersetzt – eine soziale bzw. gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Die EUKommission spricht von einem „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihrer Unternehmenstätigkeit und in ihren Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern“ zu integrieren6. Der CSR-Begriff wird vielfach als Oberbegriff verwendet, der Corporate Citizenship – also das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen – als ein (Teil-)Aspekt der gesellschaftlichen Verantwortung mit umfasst7. Die Bandbreite der CSR-Aktivitäten reicht von internen Maßnahmen zum verantwortlichen Umgang mit den Mitarbeitern (Bildungs- und Ausbildungsprogramme, Arbeitsschutz) und den natürlichen Ressourcen (Minderung des Ressourcenverbrauchs, umweltverträgliche Produktionsverfahren) bis hin zu externen Maßnahmen gegenüber relevanten Stakeholdern8. Zu solchen externen Aktivitäten werden etwa Unternehmensspenden (Corporate Giving), die Errichtung von Unternehmensstiftungen (Corporate Foundations), ein Kultur- und Sozialsponsoring (Social Sponsoring), ein gemeinnütziges Arbeitnehmerengagement (Corporate Volunteering) sowie die Initiierung und Durchsetzung von Verhaltenskodizes (Branchenstandards etc.) bis hin zur Beteiligung an sektorübergreifenden Partnerschaften gezählt9. Die Planung und Durchführung von CSR-Aktivitäten ist aber nicht nur ein betriebswirtschaftliches Problem, sondern hat – wie jedes unternehmerische Handeln – auch eine steuerrechtliche Dimension. Der nachfolgende Beitrag zu Ehren von Harald Schaumburg geht deshalb der Frage nach, wie CSR-Aufwendungen im Rahmen der Ertragsbesteuerung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften einzuordnen ist.
II. Abgrenzung von Betriebs- und Privatsphäre CSR meint unternehmerische Verantwortung und deshalb ist zunächst zu klären, unter welchen Voraussetzungen CSR-Aufwendungen als betrieblicher
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4 Vgl. etwa www.csreurope.org; www.csrgermany.de; www.csr-news.net; www.econ sense.de; www.bsr.org. 5 Siehe die empirischen Nachweise in der Studie Maaß/Clemens, Corporate Citizenship: Das Unternehmen als ‚guter Bürger‘, Schriften zur Mittelstandsforschung, Nr. 94 NF, 2002; vgl. auch www.ec.europa.eu/enterprise/csr/sme_de.htm. 6 Vgl. Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg., Rz. 20. 7 Zu den unterschiedlichen Begriffsverständnissen vgl. statt vieler Schwalbach, ZfBSpecial Issue 3/2008, Editorial, S. VII–XIII; Beckmann, Corporate Social Responsibility und Corparate Citizenship, Wirtschaftsethik-Studie Nr. 2007-1 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Universität Halle-Wittenberg, S. 5 ff. 8 Auch die EU-Kommission unterscheidet im Grünbuch zwischen einer internen und externen Dimension, vgl. dazu Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg., Rz. 27 ff., 42 ff. 9 Vgl. näher Beckmann (Fn. 7), S. 5 f.; s. auch die Beispiele bei Maaß/Clemens (Fn. 5) passim.
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Aufwand unbeschränkt steuermindernd berücksichtigt werden können. Dies hängt davon ab, ob solche Aufwendungen der Erwerbssphäre des Unternehmens zuzuordnen sind, d. h. steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen (vgl. § 4 Abs. 4 EStG). Bei Personenunternehmen (Einzelkaufleuten und Personengesellschaften) geht es insoweit um die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatsphäre. Bei Kapitalgesellschaften stellt sich die Ausgangslage hingegen anders dar, wenn man mit der ständigen Rechtsprechung des I. Senats des BFH annimmt, dass eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre haben kann10. Diese im Schrifttum umstrittene Ansicht11 hat zur Konsequenz, dass grundsätzlich alle Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft im Ausgangspunkt der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden12. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die betriebliche Veranlassung von CSR-Aufwendungen bei Kapitalgesellschaften nach der BFH-Ansicht überhaupt keine Rolle mehr spielen würde. Vielmehr verlagert sich die Prüfung der betrieblichen Veranlassung nach dieser Auffassung auf die Ebene der Prüfung gesetzlicher Abzugsverbote (z. B. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 EStG), der Abgrenzung zu beschränkt abziehbaren Spenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) sowie der Anwendung des Abzugsverbots für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Im Ergebnis hat die Ansicht der Rechtsprechung für die Unternehmen somit den Vorteil, dass das FA hinsichtlich einer Nichtabzugsfähigkeit die Darlegungs- und Beweislast trägt. Eine Ausgabe ist betrieblich veranlasst, wenn – so der Große Senat des BFH – „die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind“13. Maßgebend ist die – wertende – Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden Moments“ sowie die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre14. Ob eine Aufwendung im Einzelfall betrieblich oder privat (bzw. gesellschaftsrechtlich) veranlasst ist, kann wie alle sich in der Vorstellung der Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerlich erkennbarer Merkmale beurteilt werden15. Ist danach eine betriebliche Veranlassung zu bejahen, so bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die Aufwendungen auch „notwendig, üblich oder zweckmäßig“ gewesen sind16. Die Frage der „Unangemessenheit“ ist allenfalls im Rahmen des speziellen Abzugsverbots nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG zu prüfen. Ist hingegen eine betriebliche Veranlassung zu verneinen, kommt nur noch eine steuerliche Be-
__________ 10 Ständige Rechtsprechung seit BFH v. 4.12.1996 – I R 54/95 BFHE 182, 123; vgl. zuletzt BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06 BStBl. II 2007, 961. 11 Vgl. statt vieler Hüttemann, FS Raupach, 2006, S. 498 ff.; monographisch Nippert, Die außerbetriebliche Sphäre der Kapitalgesellschaft im Körperschaftsteuerrecht, 2006, mit weiteren Nachweisen. 12 Statt vieler nur Wassermeyer, GmbHR 2002, 1 ff. 13 BFH v. 21.11.1983 – GrS 2/82, BStBl. II 1984, 160 (163); v. 4.7.1990 – GrS 2–3/88, BStBl. II 1990, 817 (823). 14 BFH v. 4.7.1990 – GrS 2–3/88 BStBl. II 1990, 817 (823). 15 Vgl. BFH v. 27.11.1989 – GrS 1/89 BStBl. II 1990, 160 (162). 16 Statt vieler nur BFH v. 4.3.1986 – VIII R 188/84 BStBl. II 1986, 373; Heinicke in L. Schmidt, EStG, § 4 Rz. 483; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz. E 81.
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rücksichtigung als Spende (§ 10b EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 9 Nr. 5 GewStG) in Betracht.
III. Betriebliche Veranlassung interner CSR-Maßnahmen 1. Handlungsfelder Das Grünbuch der EU-Kommission umschreibt die interne Dimension von CSR wie folgt17: „Sozial verantwortungsvolles Handeln in den Unternehmen betrifft in erster Linie die Arbeitnehmer; dabei geht es um Fragen wie Investitionen in Humankapital, Arbeitsschutz und Bewältigung des Wandels. Umweltbewusstes Handeln betrifft hauptsächlich den Umfang mit den in der Produktion verwendeten natürlichen Ressourcen. Beides eröffnet neue Wege der Bewältigung des Wandels und neue Möglichkeiten, soziale Errungenschaften mit Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen.“
Als Beispiele für interne CSR-Maßnahmen nennt das Grünbuch ein aktives Humanressourcenmanagement (z. B. die Gewinnung qualifizierter Arbeitnehmer durch betriebliche Angebote für ein lebenslanges Lernen, eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familienleben und Freizeit, eine Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer sowie eine verantwortungsvolle und nicht diskriminierende Einstellungspolitik), einen verbesserten Arbeitsschutz (z. B. durch Beteiligung an Zertifizierungen) sowie die Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen bei betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen. Im Umweltbereich geht es vor allem um den Ressourcenverbrauch, die Einschränkung der Umweltverschmutzung und der Abfallproduktion, d. h. um eine bessere Umweltverträglichkeit der betrieblichen Leistungserstellung durch ein verstärktes Umweltmanagement und eine Umweltbetriebsprüfung. 2. Betrieb als „auslösendes Moment“ Interne CSR-Aktivitäten betreffen sämtlich den verantwortlichen Einsatz der betrieblichen Produktionsfaktoren (Personal, Maschinen, Roh- und Hilfsstoffe) und stehen daher in einem unmittelbaren tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb. Das auslösende Moment für solche Aufwendungen ist also die Unterhaltung des Betriebs. Dieser steuerlich relevante Veranlassungszusammenhang wird auch nicht dadurch gelockert, dass die Unternehmensleitung im Sinne einer CSR-Strategie sozial verantwortlich handelt. Für die steuerrechtliche Beurteilung von Personalaufwendungen als Betriebsausgaben kommt es nämlich nicht darauf an, ob ein Unternehmen über- oder untertarifliche Löhne zahlt, ob die Fluktuationsrate hoch oder niedrig ist, oder ob die Arbeitnehmer sich mit dem Unternehmen identifizieren oder nicht18.
__________ 17 Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg., Rz. 27. 18 Treffend Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz. E 81 Fn. 165: „Wenn ein Steuerpflichtiger für die Durchführung einer betrieblichen Aufgabe fünf Personen beschäftigt, obwohl eine Person reichen würde, betriebswirtschaftlich zweckmäßig wäre, branchenüblich ist usw., mögen die Lohnkosten für vier der fünf Beschäftigten
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Außerhalb der speziellen Abzugsverbote des § 4 Abs. 5 EStG spielt es auch keine Rolle, ob die betrieblichen Aufwendungen notwendig, angemessen, üblich oder zweckmäßig sind19. Anders ausgedrückt: Das Steuerrecht interessiert sich nicht dafür, warum ein Unternehmen freiwillig seinen Beschäftigten übertarifliche Löhne zahlt, sich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmert, in ein Diversity-Management investiert oder ökologisch nachhaltig wirtschaftet. Zwar wird CSR in der öffentlichen Diskussion vielfach als Mittel zur Steigerung der langfristigen Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen propagiert („Ethik zahlt sich aus“), so dass man versucht ist, die betriebliche Veranlassung sogleich auf solche Nützlichkeitserwägungen zu stützen. Soweit es um innerbetriebliche Aufwendungen geht, bedarf es dieser zusätzlichen argumentativen Anstrengung aber nicht, weil sich die Zuordnung zum Betrieb schon daraus ergibt, dass es um den Einsatz von Produktionsfaktoren geht. Der Betriebsausgabenabzug ist folglich ganz unabhängig davon, ob der Unternehmer allein aus ethischen Überlegungen oder auch – bzw. in erster Linie – aus betriebswirtschaftlichen Gründen ökologisch produziert, einen Betriebskindergarten einrichtet oder eine innerbetriebliche Fortbildung anbietet. 3. Steuerliche Abzugsverbote Im Bereich der internen CSR-Maßnahmen dürften dem Betriebsausgabenabzug schließlich auch keine steuerlichen Abzugsverbote entgegenstehen. Denn die Einschränkungen des § 4 Abs. 5 EStG greifen bereits tatbestandlich nicht ein: Wer seine Arbeitnehmer freiwillig weiterbildet oder in Arbeitsschutzmaßnahmen investiert, macht diesen weder „Geschenke“ i. S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (Geschenke an die eigenen Arbeitnehmer sind ohnehin ausdrücklich vom Abzugsverbot ausgenommen), noch handelt er „unangemessen“ i. S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, zumal solche Aufwendungen keinen Bezug zur privaten Lebensführung aufweisen20. Auch das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG ist nicht berührt, wenn wegen der Beachtung bestimmter rein ethisch motivierter Standards bestimmte betriebliche Ausgaben (z. B. im Personalbereich) höher ausfallen. Selbst dann, wenn ein Gesellschafter im Betrieb mitarbeitet, liegt in der Gewährung übertariflicher Entgelte und Sozialleistungen zumindest dann keine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, wenn entsprechende Vereinbarungen auch mit anderen vergleichbaren, gesellschaftsfremden Personen geschlossen worden sind21.
__________ überflüssig, unüblich usw. sein. Sie sind aber objektiv nicht privat veranlasst, sondern stehen ausschließlich in einem objektiven Zusammenhang mit der Erwerbssphäre, so dass (nur) Betriebsausgaben vorliegen können.“ 19 Vgl. nur BFH v. 4.3.1986 – VIII R 188/84, BStBl. II 1986, 373. 20 Zur Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der „Lebensführung“ im Rahmen von § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG vgl. etwa BFH v. 8.10.1987 – IV R 5/85, BStBl. II 1987, 853. 21 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 111/03, BStBl. II 2005, 307.
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IV. Betriebliche Veranlassung externer CSR-Maßnahmen 1. Handlungsfelder Zur externen Dimension von CSR heißt es im Grünbuch der EU-Kommission22: „Die soziale Verantwortung der Unternehmen endet nicht an den Werkstoren. Sie reicht in die lokalen Gemeinschaften hinein und bezieht neben den Arbeitnehmern und den Aktionären eine Vielzahl weiterer Stakeholder ein: Geschäftspartner und Zulieferer, Kunden, Behörden, lokale Gemeinschaften ebenso wie den Umweltschutz vertretende NRO. In einer von multinationalen Investitionen und globalen Versorgungsketten geprägten Wirtschaft kann die soziale Verantwortung der Unternehmen auch nicht an den Grenzen Europas Halt machen. Die rasante Globalisierung hat eine Diskussion über die Rolle und Entwicklung der globalen Governance ausgelöst. Freiwillige CSR-Praktiken leisten hierzu einen Beitrag.“
Als Beispiele für externe CSR-Maßnahmen nennt das Grünbuch die Integration der Unternehmen in das lokale Umfeld (z. B. durch Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze und Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen für Arbeitnehmer, Umweltengagement, Partnerschaften mit Kommunen, Sponsoring von lokalen Sport- und Kulturereignissen und Spenden für wohltätige Zwecke), die verantwortliche Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern, Zulieferern und Partnern (z. B. durch faire Preise und Bedingungen und Unterstützung lokaler KMU) sowie den Einsatz für Menschenrechte und den globalen Umweltschutz (z. B. durch Initiierung und Umsetzung von freiwilligen Verhaltenskodizes)23. Somit gehört auch Corporate Citizenship zur externen Dimension von CSR. 2. Steuerrechtliche Würdigung a) Vorüberlegungen Im Unterschied zu internen CSR-Maßnahmen bedarf die steuerrechtliche Zuordnung externer CSR-Praktiken einer genaueren Veranlassungsprüfung. Denn der für die steuerrechtliche Würdigung maßgebliche betriebliche Zusammenhang ist bei den oben genannten Handlungsfeldern ganz unterschiedlicher Art und zudem verschieden stark ausgeprägt. Während bei einigen Aktivitäten gegenüber Stakeholdern – z. B. der Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze und Kinderbetreuungseinrichtungen für die eigenen Arbeitnehmer – der unmittelbare betriebliche Zusammenhang noch relativ offensichtlich ist, bedarf es bei anderen Maßnahmen – z. B. der Förderung des lokalen Umfeldes durch Spenden und Sponsoring – zusätzlicher Kriterien, um derartige Aufwendungen dem betrieblichen Bereich bzw. der Sphäre der privaten Einkommensverwendung zuordnen zu können.
__________ 22 Vgl. Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg., Rz. 42. 23 Grünbuch v. 18.7.2001 KOM (2001) 366 endg., Rz. 43 ff.
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b) Stand von Rechtsprechung und Finanzverwaltung Der BFH hat sich bisher nur vereinzelt zur steuerlichen Behandlung von externen CSR-Aktivitäten äußern müssen. Hinzuweisen ist neben den Urteilen zu Parteispenden24 vor allem auf das „Sparkassen-Urteil“ des BFH v. 9.8.1989, in dem der I. Senat zur Abgrenzung zwischen Betriebsausgaben und Spenden Stellung genommen hat25. Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Sparkasse ihrem Gewährträger für die Ausgestaltung des Marktplatzes einen Betrag von 23.000 DM mit der Maßgabe gespendet, dass sie den Betrag für eine Plastik verwendet und diese als Stiftung der Sparkasse gekennzeichnet wird. Über die Zuwendung wurde in Tageszeitungen berichtet, ferner wurde an der Plastik ein Hinweis auf den Stifter angebracht. Der BFH hat der Sparkasse den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung versagt, dass es sich um eine Spende gehandelt habe. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen (sonstigen) Betriebsausgaben und Spenden sei die „Motivation des Ausgebenden“, wie sie „durch die äußeren Umstände erkennbar werde“. Auf der Grundlage der Feststellungen des FG sah der BFH den auf der Rückseite der Plastik angebrachten Hinweis auf den Stifter nicht als ausreichend an, um eine betriebliche Veranlassung zu bejahen. Das Sparkassen-Urteil darf allerdings nicht dahin missverstanden werden, dass der BFH in der Sicherung des Ansehens keinen steuerlich relevanten betrieblichen Zusammenhang erkennen würde. In einer späteren Entscheidung betreffend die Bildung von Drohverlustrückstellungen wegen eines Überbestandes an betrieblichen Ausbildungsverhältnissen hat der BFH sogar ausdrücklich die betriebliche Veranlassung von sog. Sponsoringaufwendungen bekräftigt26: „Ein positives Ansehen bei den Mitarbeitern, den Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit erleichtert es dem Unternehmen, seine Ziele zu erreichen. Dass der wirtschaftliche Wert eines positiven Ansehens sehr hoch ist, zeigen z. B. die erheblichen Aufwendungen für das sog. Wissenschafts- und Kultur-Sponsoring, durch das Unternehmen ihr Ansehen erhöhen wollen, indem sie allgemein als förderungswürdig erachtete Tätigkeiten finanziell unterstützen.“
Hinzuweisen ist schließlich auf die Entscheidung des I. Senats vom 19.10. 200527 betreffend die Beteiligung einer Sparkasse an einer örtlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Der BFH billigte darin die tatrichterliche Würdigung des FG, welches in seinem Urteil kaufmännische Gründe, „insbesondere das Ziel der Kontaktpflege zu der regionalen Wirtschaft und der Kontaktaufnahme zu potentiellen Neukunden sowie die Befolgung eigener Werbezwecke“, als auslösendes Moment für die Beteiligung an der Wirtschaftsförderungsgesellschaft anerkannt hatte28. Auch die Finanzverwaltung hat sich verschiedentlich zur steuerrechtlichen Behandlung von CSR-Aktivitäten geäußert. Hervorzuheben ist zunächst der
__________ 24 25 26 27 28
Dazu s. BFH v. 25.11.1987 – I R 126/85, BStBl. II 1988, 220. BFH v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237. BFH v. 3.2.1993 – I R 37/91, BStBl. II 1993, 441 (445). BFH v. 19.10.2005 – I R 40/04, BFH/NV 2006, 822. Vgl. FG Köln v. 24.3.2004 – 13 K 455/03, EFG 2004, 1392.
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sog. Sponsoringerlass vom 18.2.199829, in dem das BMF allgemeine Maßstäbe zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sponsoringzuwendungen aufgestellt hat. Darin heißt es: „Aufwendungen des Sponsors sind Betriebsausgaben, wenn der Sponsor wirtschaftliche Vorteile, die insbesondere in der Sicherung oder Erhöhung seines unternehmerischen Ansehens liegen können […], für sein Unternehmen erstrebt oder für Produkte seines Unternehmens werben will. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Empfänger der Leistungen auf Plakaten, Veranstaltungshinweisen, in Ausstellungskatalogen, auf den von ihm benutzten Fahrzeugen oder anderen Gegenständen auf das Unternehmen oder auf die Produkte des Sponsors werbewirksam hinweist. Die Berichterstattung in Zeitungen, Rundfunk oder Fernsehen kann einen wirtschaftlichen Vorteil, den der Sponsor für sich anstrebt, begründen, insbesondere wenn sie in seine Öffentlichkeitsarbeit eingebunden ist oder der Sponsor an Pressekonferenzen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen des Empfängers mitwirken und eigene Erklärungen über sein Unternehmen oder seine Produkte abgeben kann. Wirtschaftliche Vorteile für das Unternehmen des Sponsors können auch dadurch erreicht werden, dass der Sponsor durch Verwendung des Namens, von Emblemen oder Logos des Empfängers oder in anderer Weise öffentlichkeitswirksam auf seine Leistungen aufmerksam macht.“
Ferner hat die Finanzverwaltung etwa im Jahr 2000 entschieden, dass humanitäre Hilfszahlungen der Beschäftigungsunternehmen an ehemalige Zwangsarbeiter „zur Abwehr etwaiger Boykottmaßnahmen und zur Abwendung weitergehender Ansprüche und Forderungen“ erfolgen und deshalb Betriebsausgaben darstellen30. Auch die 2001 zwischen der Bundesregierung und der Pharmaindustrie „vereinbarte“ Einmalzahlung der Pharmaunternehmen an die gesetzliche Krankenversicherung i. H. v. 400 Mio. DM konnte als Betriebsausgabe abgezogen werden31. Gleiches gilt für die Zahlungen, die Unternehmen aus Westniedersachsen für den beschleunigten Lückenschluss der A 31 über die Industrie- und Handelskammern an das Land Niedersachsen geleistet haben, und die wegen der Ausgabe von „werbewirksamen Anteilsscheinen“ als betrieblich veranlasste Sponsoringaufwendungen behandelt worden sind32. Hinzuweisen ist schließlich auf das BMF-Schreiben zu steuerlichen Hilfeleistungen anlässlich der Tsunami-Katastrophe. Danach sollen z. B. Zuwendungen an Geschäftspartner im Katastrophengebiet grundsätzlich als Betriebsausgaben zu beurteilen sein33. c) Systematisierung Die Durchsicht des Fallmaterials aus Rechtsprechung und Finanzverwaltung bestätigt zunächst die oben aufgestellte These, dass sich die betriebliche Veranlassung externer CSR-Maßnahmen auf ganz unterschiedliche Weise begrün-
__________ 29 BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. 30 Vgl. etwa OFD München v. 4.2.2000, DB 2000, 398. 31 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drucks. 14/8685, 2. 32 Siehe www.osnabrueck.ihk24.de/servicemarken/a31-lueckenschluss/. 33 Vgl. BMF v. 14.1.2005, BStBl. I 2005, 52.
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den lässt. Dabei lassen sich – stark vereinfacht – drei Arten von Veranlassungszusammenhängen unterscheiden. aa) Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern u. a. Eine erste Fallgruppe von externen CSR-Maßnahmen betrifft die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern, früheren Arbeitnehmern, Zulieferern und Verbrauchern. Soziale Verantwortung endet nicht an den Werkstoren, sondern umfasst auch die Beziehungen zum betrieblichen Umfeld des Unternehmens. Für solche Maßnahmen können die oben gemachten Ausführungen zu internen CSR-Aufwendungen entsprechend herangezogen werden: Wer sich z. B. um eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Geschäftspartnern bemüht, handelt aus betrieblichen Anlass, weil das „auslösende Moment“ – die Geschäftsbeziehung – eindeutig dem betrieblichen Bereich zuzuordnen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das konkrete Verhalten auf Nützlichkeitserwägungen beruht oder (nur) einer bestimmten ethischen Grundhaltung (z. B. dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“) geschuldet ist. Entscheidend ist der unmittelbare tatsächliche Zusammenhang mit dem Betrieb. Aus diesem Grund ist es nur folgerichtig, wenn z. B. Zahlungen der Pharmaindustrie an die gesetzlichen Krankenversicherungsträger34, humanitäre Hilfszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter35 oder Hilfeleistungen an Geschäftspartner in Katastrophengebieten36 selbst dann als Betriebsausgaben angesehen werden, wenn ihre betriebswirtschaftliche „Nützlichkeit“ sehr zweifelhaft erscheinen mag und die Leistungen auch nicht im Rahmen der Unternehmenskommunikation als gute Taten „vermarktet“ werden sollen. Vielmehr reicht es aus, dass die Zahlungen eindeutig der betrieblichen Sphäre zugerechnet werden können, weil sie ausschließlich das geschäftliche Umfeld betreffen. bb) Soziale Investitionen im lokalen Umfeld Bei anderen CSR-Maßnahmen ist hingegen ein betrieblicher Zusammenhang nicht ohne weiteres feststellbar. Wenn sich z. B. Unternehmen außerhalb des eigenen betrieblichen Bereichs in ihrem lokalen Umfeld für Gemeinschaftsbelange einsetzen, dann fehlt ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Betriebssphäre. In diesen Fällen ist daher nach anderen äußerlich erkennbaren Umständen zu entscheiden, ob ein solches Engagement der „Privatsphäre“ zuzuordnen ist oder ob es – wenn auch nur mittelbar – durch den Betrieb veranlasst ist. Man denke etwa an den Fall, dass ein Unternehmen staatliche oder private Bildungseinrichtungen (Hochschulen, Berufsschulen, Lehrlingswerkstätten) finanziell unterstützt. Eine solche Förderung kann unterschiedlich veranlasst sein. Wer als erfolgreicher Unternehmer „seiner“ Universität etwas zurückgeben möchte, bewegt sich regelmäßig noch im Bereich der Privatsphäre (Einkommensverwendung). Anders liegen die Dinge dort, wo ein Unter-
__________
34 Vgl. BT-Drucks. 14/8685, 2. 35 OFD München v. 4.2.2000, DB 2000, 398. 36 BMF v. 14.1.2005, BStBl. I 2005, 52.
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nehmen gezielt in seinem regionalen Umfeld Bildungseinrichtungen unterstützt, um einer Abwanderung qualifizierter Schulabgänger in benachbarte Ballungszentren entgegen zu steuern und das Angebot an qualifiziertem Nachwuchs vor Ort zu verbessern. In diesem Fall wäre das auslösende Moment der Förderung betrieblicher Natur. Es geht dem Unternehmen darum, unter einer größeren Zahl von qualifizierten Arbeitskräften in der Region auswählen zu können. Ein solcher „Auswahlvorteil“ ist – wie der BFH in anderem Zusammenhang anerkannt hat – steuerlich durchaus beachtenswert37. Mit ähnlichen Überlegungen lässt sich z. B. auch eine finanzielle Beteiligung von Unternehmen an örtlichen Infrastrukturprojekten (z. B. Erschließungsmaßnahmen oder der Bau von Land- und Wasserstraßen) dem betrieblichen Bereich zuordnen, und zwar selbst dann, wenn es sich um eine „stille“ Hilfe handelt, die von den fördernden Unternehmen nicht im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgestellt wird38. Wie der Blick auf Rechtsprechung und Finanzverwaltung zeigt, ist die steuerliche Praxis in dieser Hinsicht bisher eher zurückhaltend. So hat die Finanzverwaltung die Zahlungen für den „Lückenschluss der A 31“ vorrangig auf den Sponsoringerlass gestützt (Erhöhung des unternehmerischen Ansehens)39. Dieser Begründungsansatz erscheint nicht zwingend, weil die Unternehmen schon auf Grund ihrer räumlichen Nähe zum Verkehrsprojekt ein auch steuerlich beachtliches eigenes betriebliches Interesse an der Fertigstellung der Autobahn hatten. Auch im Urteilsfall der BFH-Entscheidung v. 19.10.200540 ergab sich das betriebliche Interesse der Sparkasse an einer Beteiligung an der Wirtschaftsförderungsgesellschaft bereits daraus, dass die Sparkasse als führendes Kreditinstitut vor Ort ein wirtschaftliches Interesse an der Ansiedlung neuer Unternehmen hatte. Darauf, dass die Beteiligung an der Wirtschaftsförderungsgesellschaft zugleich die Grundlage für eine Vielzahl von Werbemaßnahmen der Sparkasse war, kam es mithin eigentlich nicht mehr an. Wenn in der Praxis gleichwohl gerne auf das „Marketingargument“ zurückgegriffen wird, dürfte dies vor allem daran liegen, dass diese Gestaltung durch den Sponsoringerlass abgesichert ist. Es wäre daher wünschenswert, dass die Finanzverwaltung auch für „stille“ betrieblich veranlasste soziale Investments vergleichbare Grundsätze formuliert, um den Unternehmen den Umweg über den Sponsoringerlass dort zu ersparen, wo bereits ein eigenes betriebliches Interesse an der Verbesserung der lokalen Infrastruktur besteht. cc) CSR als betriebliches Kommunikationsinstrument Ein dritter Bereich betrifft solche CSR-Maßnahmen, bei denen ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang mit dem betrieblichen Bereich als solcher nicht mehr erkennbar ist. Wenn sich z. B. ein Unternehmen außerhalb des eigenen betrieblichen Bereichs und des eigenen lokalen Umfeldes für Gemein-
__________ 37 Vgl. BFH v. 25.1.1984 – I R 7/80, BStBl. II 1984, 344; BFH v. 3.2.1993 – I R 37/91, BStBl. II 1993, 441 (445). 38 Ebenso Becker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 Anm. 974. 39 So www.osnabrueck.ihk24.de/servicemarken/a31-lueckenschluss/. 40 BFH v. 19.10.2005 – I R 40/04, BFH/NV 2006, 822.
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schaftsbelange einsetzt (z. B. für den globalen Natur- und Umweltschutz oder Menschenrechte in Afrika), dann lässt sich ein Zusammenhang mit dem Betrieb nur noch damit begründen, dass das Unternehmen dieses Engagement als Mittel der betrieblichen Kommunikation versteht. Anders ausgedrückt: Die finanzielle Förderung einer Universität, die Unterstützung einer Menschenrechtsorganisation durch Corporate Volunteering (d. h. die zeitweise kostenlose Überlassung von Arbeitnehmern)41, die Veranstaltung von Kampagnen und Konferenzen zu allgemeinen, unternehmensfremden gesellschaftspolitischen Themen können also dann „betrieblich“ veranlasst sein, wenn das fördernde Unternehmen sein finanzielles Engagement für Gemeinschaftsbelange gegenüber Geschäftspartnern, Arbeitnehmern und den Kunden öffentlichkeitswirksam herausstellt oder von der Empfängereinrichtung herausstellen lässt, um dadurch sein Ansehen als Good Corporate Citizen zu sichern bzw. zu mehren („Tue Gutes und rede darüber“). Dies ist der Kerngedanke des Sponsorings, wie er von der Finanzverwaltung durch den Sponsoringerlass v. 18.2.1998 grundsätzlich anerkannt worden ist42. Die Bedeutung des Sponsoringerlasses für die steuerrechtliche Praxis ist sehr hoch einzuschätzen. Durch den Erlass wird vor allem hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs auf Seiten der Zuwendenden Rechtssicherheit geschaffen43. So wird ausdrücklich anerkannt, dass eine betriebliche Veranlassung auf Seiten des Sponsors bereits darin liegen kann, dass dieser „eine Sicherung und Erhöhung seines unternehmerischen Ansehens“ erstrebt. Ferner werden im Erlass Beispiele genannt, in denen eine betriebliche Veranlassung angenommen werden kann. Auch wenn sich Steuerpraktiker an einigen Stellen (z. B. in Hinsicht auf die Begriffe „werbewirksam“ bzw. „öffentlichkeitswirksam“) vielleicht noch präzisere Handlungsempfehlungen gewünscht hätten, gibt der Erlass den betroffenen Unternehmen und ihren Beratern doch wichtige Hinweise für die Ausgestaltung einer steueroptimierten Sponsoringkampagne. Im Kern geht es darum, dass die betrieblichen Motive des Zuwendenden – wie auch der BFH in seinem Urteil v. 9.8.1989 festgestellt hat – „durch die äußeren Umstände erkennbar werden“44. Ob der Zuwendende mit der Förderung einen kommunikativen wirtschaftlichen Vorteil für sein Unternehmen erstrebt, setzt vor allem voraus, dass die Förderung „werbewirksam“ bzw. „öffentlich-
__________ 41 Dazu näher Kessler, BB 1991, 1869. 42 BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212; aus dem umfangreichen Schrifttum vgl. etwa die Monographien von Alberti, Sponsoring im Steuerrecht, 2001; Rückert, Die ertragsteuerliche Behandlung des Sponsoring, 2000; Irle, Kunstsponsoring im Steuerrecht, 2002; ferner Heuer, DStR 1998, 18; Thiel, DB 1998, 842; Schauhoff, DB 1998, 494; Becker, DStZ 2002, 663; Raupach, Non Profit Law Yearbook 2001, 169; zum Partei-Sponsoring Hey, DB 2005, 1403. 43 Darüber hinaus enthält der Sponsoringerlass auch Ausführungen zur steuerlichen Behandlung der Zuwendung bei den Empfängereinrichtungen, die heute im AEAO (Nr. 7 ff. zu § 64) enthalten sind. Dazu näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 6 Rz. 149 ff. 44 BFH v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237.
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keitswirksam“ erfolgt (z. B. durch werbewirksame Dankhinweise des Empfängers unter Verwendung des Logos des Sponsors oder durch die Einbindung der Fördermaßnahme in die Unternehmenskommunikation des Sponsors). Ein weiteres Beweisanzeichen für eine betriebliche Veranlassung dürfte auch die Art und Weise sein, in der die Sponsoringaktivitäten geplant und durchgeführt werden. Wer seine Mittel ohne Förderstrategie und schriftliche Vereinbarungen mehr oder weniger zufällig an bedürftige Einrichtungen verteilt, wird den betrieblichen Zusammenhang wesentlich schwerer belegen können als derjenige, der mit einem klaren Förderkonzept und unter bewusster Beschränkung auf wenige Themenfelder eine unverwechselbare „Fördermarke“ entwickelt oder seine Förderstrategie sogar einer Wirkungskontrolle unterzieht45. Für eine betriebliche Veranlassung kann auch die Tatsache sprechen, dass die geförderte Einrichtung eine gewisse thematische Nähe zum Unternehmensgegenstand aufweist. Ein weiteres Beweisanzeichen ist schließlich auch der (schriftliche) Abschluss eines Sponsoringvertrages mit konkreten Vereinbarungen über die Art und Weise, wie die Empfängereinrichtung an der kommunikativen Nutzung der Fördermaßnahme durch den Sponsor mitwirken soll (z. B. durch werbewirksame Dankhinweise bei Veranstaltungen unter Verwendung des Logos des Sponsors oder durch die Duldung der Nutzung des eigenen Logos durch den Sponsor zu Werbezwecken)46. Die Zunahme von Sponsoringaktivitäten im Vergleich zu Unternehmensspenden hat aber nicht nur steuerliche Gründe. Zwar sind der unbeschränkte Betriebsausgabenabzug und die Möglichkeit, auch die Gewährung von Nutzungen und Dienstleistungen – anders als im Spendenrecht (vgl. § 10b Abs. 3 S. 1 EStG) – steuermindernd geltend machen zu können, gute Gründe für ein Sponsoring. Darüber hinaus hat sicher auch die nach der Bundestagswahl 2002 geführte Diskussion über die Abschaffung des Spendenabzugs bei Unternehmen die Neigung zum Sponsoring befördert. Es dürften aber vor allem auch gesellschaftsrechtliche Überlegungen sein, die die Unternehmensleitungen veranlassen, externe CSR-Aktivitäten als Sponsoringmaßnahme und nicht als Spende auszugestalten. Denn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen und Grenzen „korporativer Freigiebigkeit“ – genauer gesagt: die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung für Unternehmensspenden – sind nach wie vor umstritten47. Zwar steht heute wohl – nicht zuletzt auch wegen der steuerlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG – außer Frage, dass eine Kapitalgesellschaft auch Spenden zu Lasten des Gewinns tätigen darf. Wo aber das Leitungsermessen des Vorstands oder der Geschäftsführer genau endet, lässt sich sicher nicht
__________ 45 Ebenso Kessler, BB 1991, 1869 (1873). 46 Ertragsteuerlich wird je nach Art der Mitwirkung auf Seiten der steuerbegünstigten Empfängerorganisation ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb begründet, vgl. dazu näher BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. Umsatzsteuerrechtlich wird dagegen stets ein entgeltlicher Leistungsaustausch vorliegen, vgl. dazu Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 7 Rz. 142. 47 Dazu statt vieler nur Fleischer, AG 2001, 175; K. Schmidt, Non Profit Law Yearbook 2001, 107.
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nach den steuerlichen Abzugsgrenzen entscheiden48, sondern bleibt unsicher. Vor diesem Hintergrund ist es keinem Geschäftsleiter zu verdenken, wenn er solchen Streitfragen einfach dadurch zu entgehen sucht, dass er anstelle einer größeren Spende mit der zu fördernden Institution einen Sponsoringvertrag schließt, um sich in den „sicheren“ Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zu flüchten. Ein letzter Punkt: Sponsoringzuwendungen sind bei vielen gemeinnützigen Einrichtungen zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für die laufende satzungsmäßige Tätigkeit geworden. Für die steuerliche Behandlung einer Zuwendung beim Sponsor (und auch bei der Empfängerkörperschaft) ist es aber unerheblich, ob die Zuwendung beim Empfänger zeitnah verbraucht oder zum Aufbau eines Vermögens eingesetzt wird. Aus diesem Grund bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, selbst Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung, die unter den Voraussetzungen des Sponsoringerlasses gewährt werden, als Betriebsausgaben zu behandeln. Entscheidend ist allein, dass der Zuwendende mit der Dotation nach den äußeren Umständen einen kommunikativen Vorteil für sein Unternehmen erstrebt. Dies ist wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen des Sponsoringerlasses festzustellen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich schließlich auch, dass auch die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung durch ein Unternehmen (corporate foundation) als Sponsoringmaßnahme gestaltet werden kann. Allerdings ist in diesem Fall sorgfältig darauf zu achten, dass die Stiftung nicht gegen das Selbstlosigkeitsgebot verstößt, d. h. nicht in erster Linie „eigenwirtschaftlichen Zwecken“ des Stifters dient (vgl. § 55 Abs. 1 AO). 3. Steuerrechtliche Abzugsverbote Auch soweit eine betriebliche Veranlassung von externen CSR-Aufwendungen bejaht wird, bleibt zu prüfen, ob spezielle steuerliche Abzugsverbote dem Abzug als Betriebsausgabe entgegenstehen. So dürfen z. B. nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG „Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind“, den Gewinn nicht mindern. Ferner sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG „Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren“, nicht abzugsfähig, „soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind“. Die Abzugsverbote des § 4 Abs. 5 EStG gelten nicht nur bei Personenunternehmen, sondern nach h. M. über die Verweisung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch bei der Ermittlung des Einkommens von Körperschaften, soweit sie nicht durch spezielle Regelungen wie z. B. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verdrängt werden49.
__________ 48 Ebenso Fleischer, AG 2001, 175 (178). Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass sich mit der Verdoppelung der steuerlichen Höchstgrenzen durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements im Jahr 2007 auch die gesellschaftsrechtliche Angemessenheitsgrenze deutlich verschoben hätte. 49 Vgl. BFH v. 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; Abschn. 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2004; Geiger in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 Rz. 38.
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Die Abzugsverbote des § 4 Abs. 5 EStG dürften indes bei externen CSR-Aktivitäten regelmäßig nicht eingreifen. So will die Finanzverwaltung bei Sponsoringzahlungen den Betriebsausausgabenabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG erst bei „einem krassen Missverhältnis zwischen den Leistungen des Sponsors und dem erstrebten wirtschaftlichen Vorteil“ versagen50. Diese Zurückhaltung ist keine Verbeugung vor der „Gemeinnützigkeitslobby“, sondern sachlich begründet. Denn zum einen lassen sich die betriebswirtschaftlichen Vorteile einer CSR-Kampagne kaum in Zahlen und Fakten messen, da es weniger um kurzfristige Verkaufserfolge, sondern um langfristige Investitionen in den „guten Ruf“ eines Unternehmens geht. Neben solchen Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung ist zum anderen festzustellen, dass die kommunikative Wirkung von CSR-Maßnahmen in der Öffentlichkeit gerade auch davon abhängig sein dürfte, dass der Sponsor als „großzügiger“ Förderer erscheint, der nicht – wie bei klassischen Werbemaßnahmen – Kosten und Nutzen der Förderung kleinlich aufrechnet. Wer dies anders sieht und die betriebliche Veranlassung von Sponsoringmaßnahmen von scharfsinnigen betriebswirtschaftlichen Nützlichkeitserwägungen abhängig machen wollte, verkennt also den Sinngehalt solcher Maßnahmen. Im Ergebnis ist es daher zu begrüßen, dass sich die Finanzverwaltung auf die Einhaltung äußerer Grenzen beschränkt, d. h. nur solche Sachverhalte beanstandet, in denen der betriebliche Anlass wegen des „krassen“ Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung fraglich erscheinen muss51. Leider hat sich der II. Senat des BFH diesen Zusammenhängen verschlossen, als er es abgelehnt hat, die Sichtweise des Sponsoringerlasses auf die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung von Sponsoringzahlungen zu übertragen52. Bei Personenunternehmen ist ferner zu überlegen, ob CSR-Aufwendungen im Einzelfall nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG vom Abzug ausgeschlossen sind. Dies kommt dort in Betracht, wo die konkrete Aktivität eine gewisse Nähe zur privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen aufweist. So hat z. B. das FG Bremen den Mitgliedern eines Architekten- und Ingenieurbüros den Abzug von Aufwendungen von Kunstausstellungen in den Büroräumen mit der Begründung versagt, die Tätigkeit eines solchen Büros habe „mit dem Betrieb einer privaten Kunstgalerie keinerlei objektive Berührungspunkte“53. Ein Betriebsausgabenabzug scheitere zudem an § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, weil „eine nicht ganz unbedeutende private Mitveranlassung nicht ausgeschlossen werden könne“54. Daran ist richtig, dass das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch bei Sponsoringaktivitäten gilt. Es ginge aber zu weit, wenn man eine schädliche private Mitveranlassung immer schon dann bejahen würde, wenn bei der Auswahl der geförderten Einrichtungen persönliche Neigungen und Interessen eine gewisse Rolle gespielt haben. Anders ausgedrückt: Eine Sponsoringzuwendung an die Städtischen Bühnen ist nicht schon deshalb nach § 12
__________ 50 51 52 53 54
Vgl. BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. Vgl. BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472. Vgl. FG Bremen v. 16.10.1987 – I 123/83 K, EFG 1988, 107. FG Bremen a. a. O. Fn. 53.
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Nr. 1 Satz 2 EStG vom Abzug ausgeschlossen, weil der fördernde Unternehmer ein Opernabonnement hat. Ähnliches hat schließlich auch bei Sponsoringmaßnahmen von Kapitalgesellschaften zu gelten. Hier ist zwar § 8 Abs. 3 S. 2 KStG zu beachten, d. h. ein Betriebsausgabenabzug ist ausgeschlossen, wenn die Maßnahme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Für Spenden einer Sparkasse an ihren Gewährträger hat die Rechtsprechung dazu den „Fremdspendenvergleich“ entwickelt55, der sich aber auf das Sponsoring schon deshalb nicht übertragen lässt, weil es sich nicht um eine unentgeltliche Fördermaßnahme handelt. Deshalb sollte der Betriebsausgabenabzug – entsprechend den Aussagen im Sponsoringerlass56 – erst dann versagt werden, wenn Leistung und Gegenleistung in einem „krassen“ Missverhältnis stehen, so dass es sich bei der Sponsoringmaßnahme letztlich um eine verdeckte Vorteilszuwendung an den Gesellschafter handelt.
V. Corporate Giving und Spendenabzug 1. Altruistische Motivation Im Unterschied zu Betriebsausgaben sind Spenden nach § 10b Abs. 1 EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG sowie § 9 Nr. 5 GewStG nur innerhalb bestimmter Höchstgrenzen steuerlich abziehbar. Ob es sich bei einer Ausgabe um eine Spende oder um betrieblichen Aufwand handelt, ist nach allgemeiner Ansicht nach der Motivation des Zuwendenden abzugrenzen. Eine Spende liegt nach zutreffender Ansicht des BFH nur dann vor, wenn eine altruistische Spendenmotivation im Vordergrund steht57. Altruistisch motivierte Spenden und betrieblich veranlasste Betriebsausgaben schließen sich also gegenseitig aus. Dies entspricht nicht nur der Ansicht der Finanzverwaltung im Sponsoringerlass58, sondern ergibt sich bereits aus der Systematik des EStG: Ein Sonderausgabenabzug nach § 10b EStG kommt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 10 Abs. 1 EStG nur für solche Aufwendungen in Frage, die „weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden“. 2. Unentgeltlichkeit und Uneigennützigkeit Hinter dem vom BFH geforderten Merkmal der überwiegenden Spendenmotivation verbirgt sich indes eine schwierige Grenzziehung59: Einerseits ginge es zu weit, wenn man jeden (materiellen oder immateriellen) Vorteil, den ein Spender aus der Zuwendung für sich erstrebt, für schädlich halten würde: Wer
__________ 55 56 57 58 59
Dazu näher unter V. 3. BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. Grundlegend BFH v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237. BMF v. 18.2.1998, BStBl. I 1998, 212. Zum Folgenden auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 8 Rz. 44 ff.
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eine Spende macht, erkauft sich auch eine innere Befriedigung („gutes Gefühl“), und die Veröffentlichung einer Spenderliste kann u. U. das eigene Ansehen im persönlichen Umfeld steigern. Nichts anderes gilt für die Errichtung einer Stiftung, die vielfach den Namen des Stifters trägt, der sich dadurch gleichsam „verewigen“ will. Solche rein immateriellen Vorteile können den Spendenabzug nicht ausschließen, weil man anderenfalls die meisten größeren Spenden und Stiftungszuwendungen vom Abzug ausschließen müsste. Zudem lassen sich derartige immaterielle Vorteile intersubjektiv nicht bewerten. Im Ergebnis sollte der Spendenabzug erst dann versagt werden, wenn der Spender oder Stifter in erster Linie eigenwirtschaftliche Vorteile für sich erstrebt. Anders ausgedrückt: Es bedarf einer wertenden Abwägung, in welchen Fällen ein steuerlicher Anreiz entfallen muss, weil der (wirtschaftliche) „Eigennutz“ im Vordergrund steht. Dieses Ergebnis lässt sich auch auf die Wertung des § 55 Abs. 1 AO stützen, der erst eine vorrangige („in erster Linie“) eigenwirtschaftliche Motivation für gemeinnützigkeitsschädlich hält. Da der Spendenabzug ein komplementäres Förderinstrument zur Steuerbefreiung der Empfängerorganisation darstellt, sollte diese Wertung auch für den Spendenabzug beim Zuwendenden gelten. Daraus erschließt sich auch, dass Sponsoringaufwendungen, die in erster Linie der Erzielung kommunikativer Vorteile im beruflichen oder betrieblichen Umfeld dienen, keine Spenden darstellen. 3. Abgrenzung von Spenden und verdeckten Gewinnausschüttungen Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mindern verdeckte Gewinnausschüttungen „das Einkommen nicht“. Sie sind vielmehr bei der Ermittlung des Einkommens (außerbilanziell) hinzuzurechnen, wenn sie den Gewinn – z. B. als betrieblicher Aufwand – gemindert haben. Der Vorbehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG ausdrücklich auch im Verhältnis zum Spendenabzug60. Daraus ergibt sich bei Spenden von Kapitalgesellschaften ein zusätzliches Abgrenzungsproblem: Es gilt den steuerlich abziehbaren Spendenaufwand von Gesellschaft und Gesellschaftern gegeneinander abzugrenzen. Anders ausgedrückt: Ein Gesellschafter darf sich „sein“ bürgerschaftliches Engagement nicht von seiner Gesellschaft bezahlen lassen. Die praktische Durchführung der Sphärentrennung bereitet indes bei Spenden besondere Schwierigkeiten, weil – anders als im Regelfall einer vGA – eine Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung durch Vergleich von Leistung und Gegenleistung nicht möglich ist. Der BFH hat deshalb – vor allem für Zuwendungen von Sparkassen an ihre Gewährträger – den sog. Fremdspendenvergleich entwickelt. Danach soll eine Spende schon dann gesellschaftsrechtlich veranlasst sein, wenn die Kapitalgesellschaft im Streitjahr an andere Einrichtungen keine oder nur geringe Spenden gemacht hat („Gießkannenprinzip“)61.
__________ 60 Anders die Rechtslage in Österreich, wo der öVwGH deshalb die Grundsätze über vGA im Rahmen des Spendenabzugs für nicht anwendbar hält, vgl. öVwGH v. 28.4.2008 – 2001/14/0166, GeS 2005, 128 mit krit. Anmerkung Plansky. 61 Grundlegend BFH v. 21.1.1970 – I R 23/68, BStBl. II 1970, 468; vgl. auch BFH v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; v. 8.4.1992 – I R 126/90, BStBl. II 1992, 849.
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Dieser im Schrifttum zu Recht kritisierte Spendenvergleich62 soll nach neuerer Rechtsprechung nur noch eine indizielle Bedeutung haben. Stattdessen stellt der BFH nunmehr die Frage in den Vordergrund, ob die Empfängereinrichtung eine dem Gesellschafter „nahe stehende Person“ ist63. Ob damit aber – wie der I. Senat des BFH in einem aktuellen Beschluss meint64 – die Abgrenzung von Spenden und vGA grundsätzlich geklärt sei, darf bezweifelt werden. Denn eine zu restriktive Haltung bei dieser Frage wirft mindestens zwei Folgeprobleme auf: Zum einen ist wenig geklärt, ob die Annahme einer vGA nach § 32a KStG zumindest dazu führt, dass die gemeinnützige Zuwendung der Gesellschaft nunmehr dem Gesellschafter als eigene Spende zugerechnet wird und dort (ggf. nach Ausstellung einer geänderten Zuwendungsbestätigung) steuermindernd abgezogen werden kann. Zum anderen steht zu erwarten, dass die Praxis auf Einschränkungen beim Spendenabzug nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG durch ein noch stärkeres Ausweichen auf ein Sponsoring reagieren wird. Dies dürfte aber dazu führen, dass die Abgrenzung zwischen Sponsoring und vGA an praktischer Bedeutung gewinnen könnte.
VI. Schlussbemerkung Die vorstehende Problemskizze zu steuerlichen Aspekten der Corporate Social Responsibility ist in verschiedener Hinsicht unvollständig. Zum einen behandelt sie nur die ertragsteuerliche Behandlung von CSR-Aktivitäten und klammert z. B. die umsatz- und schenkungsteuerrechtliche Perspektive aus. Zum anderen wird im US-amerikanischen Schrifttum bereits ein weiterer möglicher Zusammenhang zwischen Corporate Social Responsibility und Steuern diskutiert. Es geht um die Frage, ob die soziale Verantwortung von Unternehmen auch Auswirkungen auf die Steuerplanung und die Erfüllung steuerlicher Pflichten haben muss65. Damit kann natürlich nicht gemeint sein, dass Unternehmen gleichsam „freiwillig“, d. h. aus altruistischen Gründen, mehr als die gesetzlich geschuldete Steuer entrichten sollen66. Der These allerdings, dass eine verantwortliche Unternehmensleitung nicht jedes vermeintliche „Steuersparmodell“ nutzen sollte, wird auch der Jubilar, der über mehr als 30 Jahre erfolgreich und nachhaltig viele Unternehmen und Unternehmer in steuerlichen Angelegenheiten beraten hat, sicherlich beipflichten können.
__________ 62 Vgl. etwa die Kritik von Pezzer, StuW 1990, 259 (262); zurückhaltend auch Gosch in Gosch, KStG, § 8 Rz. 1220: „Abgrenzung bereitet nicht unbeträchtliche Mühe“. 63 So BFH v. 19.12.2007 – I R 83/06, BFH/NV 2008, 988. 64 Vgl. BFH v. 10.6.2008 – I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704. 65 Vgl. dazu nur die Nachweise im Beitrag von Avi-Yonah, Corporate Social Responsibility and Strategic Tax Behavior, in Schön (Ed.), Tax and Corporate Governance, 2008, S. 183. 66 Ebenso Friese/Link/Mayer, Taxation and Corporate Governance – The State of the Art, in Schön (Ed.), Tax and Corporate Governance, 2008, S. 413; ähnlich Pöllath, FR 2008, 1042 f.
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Die steuerliche Behandlung des Verkaufs von Anteilen an Personengesellschaften – ein steuerliches up-date Inhaltsübersicht I. Besteuerungsfolgen des Verkaufs von Personengesellschaftsanteilen im Überblick II. Abgrenzung Veräußerungsgewinn und laufender Gewinn 1. Wesentliche Betriebsgrundlagen 2. Anlage-/Umlaufvermögen und laufender Gewinn III. Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns IV. Gestaltungsziele 1. Veräußerer: Erlangung der Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG a) Vollendung des 55. Lebensjahrs oder dauernde Berufsunfähigkeit b) Tarifbegünstigung für Veräußerungsgewinn bis 5 Mio. Euro c) Begünstigung nur eines Veräußerungsgewinns 2. Steueroptimierte Übertragung ohne Tarifvergünstigung
3. Erwerber: Erlangung von Abschreibungspotential durch einen AssetDeal V. Sonstige Besteuerungsfolgen des Anteilsverkaufs 1. Auswirkungen auf die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG 2. Auswirkungen auf die Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG 3. Minderung von Anteilsveräußerungsgewinnen durch verrechenbare Verluste i. S. d. § 15a EStG 4. Wegfall von Gewerbeverlustvorträgen i. S. d. § 10a GewStG 5. Thesaurierungsbegünstigung und Nachsteuer gem. § 34a EStG 6. Wegfall von Verlusten und Verlustabzügen sowie Zinsvorträgen einer Körperschaft und der ihr nachgelagerten Personengesellschaft VI. Fazit
Der Name Harald Schaumburg steht sicherlich in erster Linie mit dem Internationalen Steuerrecht im Zusammenhang. Auch mein erster Kontakt mit Harald Schaumburg stand in diesem Kontext. Als Studentin der Kölner Universität hatte ich die Möglichkeit, die Veranstaltung des Lehrbeauftragten Harald Schaumburg zum Internationalen Steuerrecht besuchen zu können, was einerseits eine große Herausforderung, aber andererseits auch ein großes Vergnügen war. Denn Harald Schaumburg verstand es stets, seine studentische Zuhörerschaft mit seinen Praxisfällen in den Bann zu ziehen. Das Internationale Steuerrecht ist aber nur ein – wenn auch ein großer – Teil seines sehr umfassenden beruflichen Wirkens. Eine weitere Facette stellt der Unternehmenskauf/-verkauf dar. So leitete er im November 2008 bereits zum 15. Mal erfolgreich eine Steuerkonferenz zu diesem Thema und dies wird sicherlich nicht die letzte gewesen sein. Denn die Besteuerung des Unternehmenskaufs/-verkaufs ist im Fluss. Dies gilt u. a. für die Besteuerung des Verkaufs von Personengesellschaftsanteilen unmittelbar oder mittelbar durch natür423
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liche Personen. Der nachfolgende, Harald Schaumburg gewidmete Beitrag soll einen Überblick über den derzeitigen Stand der Besteuerung des Verkaufs von Personengesellschaftsanteilen zu geben.
I. Besteuerungsfolgen des Verkaufs von Personengesellschaftsanteilen im Überblick Der Gewinn aus dem Verkauf eines Anteils an einer Personengesellschaft durch eine natürliche Person ist unter bestimmten Voraussetzungen gem. §§ 16, 34 EStG steuerbegünstigt. Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, handelt es sich bei dem Veräußerungsgewinn um einen regulär steuerpflichtigen Gewinn, der der Einkommen- und bei Gewerblichkeit der Gesellschaft auch der Gewerbesteuer unterliegt. Voraussetzung einer Anwendung der §§ 16, 34 EStG ist zunächst, dass eine natürliche Person ihren gesamten Mitunternehmeranteil i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG verkauft. In einem solchen Fall wird einem Steuerpflichtigen, der das 55. Lebensjahr vollendet oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist, gem. § 16 Abs. 4 EStG ein abschmelzender Freibetrag gewährt. Dieser beläuft sich auf 45.000 Euro und ermäßigt sich in dem Umfang, in dem der Veräußerungsgewinn den Betrag von 136.000 Euro übersteigt. Der abschmelzende Freibetrag vermindert sich demnach ab einem Veräußerungsgewinn von 136.000 Euro und beträgt ab einem Veräußerungsgewinn von 181.000 Euro Null. Ein Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist gem. § 34 Abs. 1 EStG nach der sog. Fünftelregelung zu besteuern. Danach bemisst sich die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn nach dem Fünffachen des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (Einkommen ohne Veräußerungsgewinn) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zzgl. eines Fünftels des Veräußerungsgewinns. Einkommensteuerentlastungen ergeben sich aus dieser Art der Einkommensteuerberechnung aber nur, wenn der Veräußerer nicht dem Einkommensteuerspitzensatz unterliegt. Alternativ zur Besteuerung nach der Fünftelregelung unterliegt der Veräußerungsgewinn gem. § 34 Abs. 3 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen einem ermäßigten Steuersatz i. H. v. 56 %1 eines nach bestimmten Regeln ermittelten durchschnittlichen Steuersatzes, mindestens jedoch einem 15 %igen Steuersatz. Dieser ermäßigte Steuersatz wird jedoch – ebenso wie der abschmelzende Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG – nur dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist.
__________
1 Bis einschließlich 2003 betrug der ermäßigte Steuersatz 50 % des durchschnittlichen Steuersatzes. Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 wurde der Prozentsatz mit Wirkung vom 1.1.2004 von 50 % auf 56 % angehoben. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ist strittig, da diese vom Vermittlungsausschuss eingefügt wurde und damit ohne nochmaligen Einbezug des Deutschen Bundestages beschlossen wurde, so dass der sog. Parlamentsvorbehalt nicht erfüllt sein könnte.
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Abweichend von der Vergünstigung des § 16 Abs. 4 EStG erhält der Steuerpflichtige den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG jedoch nur einmal im Leben und auch in einem Veranlagungszeitraum nur für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn. Des Weiteren wird dieser ermäßigte Steuersatz nicht für den Teil des Veräußerungsgewinns gewährt, der nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b EStG i. V. m. § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit ist. Dies betrifft im Wesentlichen mittelbar verkaufte Kapitalgesellschaftsanteile, die dem Halbeinkünfte- bzw. ab 2009 dem Teileinkünfteverfahren unterliegen. Ein nicht entnommener Gewinn aus der Veräußerung von Personengesellschaftsanteilen i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann, wenn weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen wird oder werden kann2, wahlweise statt nach der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG gem. § 34a Abs. 1 EStG nach den Grundsätzen der Thesaurierungsbesteuerung begünstigt mit einem Steuersatz von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer besteuert werden3. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils durch eine natürliche Person, der die Voraussetzungen des §§ 16, 34 EStG erfüllt, unterliegt im Regelfall nicht der Gewerbesteuer. Des Weiteren sind in Veräußerungsfällen die Regelungen des § 4 Abs. 4a EStG, des § 15a EStG und des § 10a GewStG sowie die durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eingeführten § 34a EStG, § 4h EStG und § 8c KStG zu beachten, aus denen sich unter Umständen weitere veräußerungsbedingte Steuerfolgen ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen Überblick über die derzeit relevanten steuerlichen Regelungen und die Entwicklungstendenzen bei der Besteuerung von aus der Veräußerung von Personengesellschaftsbeteiligungen geben.
II. Abgrenzung Veräußerungsgewinn und laufender Gewinn Sowohl für einkommen- als auch für gewerbesteuerliche Zwecke ist es notwendig, beim Gewinn aus der Veräußerung einer Personengesellschaftsbeteiligung zwischen dem Veräußerungsgewinn und laufendem Gewinn zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang spielen einerseits die wesentlichen Betriebsgrundlagen und andererseits das mittelbar verkaufte Anlage- und Umlaufvermögen der betroffenen Mitunternehmerschaft eine Rolle.
__________ 2 Zur Frage, ob § 34a Abs. 1 EStG auch anwendbar ist, soweit der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG nicht gewährt wird, s. nachfolgend V. 5. 3 BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838, Tz. 6.
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1. Wesentliche Betriebsgrundlagen Ein begünstigungsfähiger Gewinn i. S. d. §§ 16, 34 EStG liegt nur vor, wenn die stillen Reserven in sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils in einem einheitlichen Vorgang aufgedeckt werden4. Dies setzt nicht unbedingt die Veräußerung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen voraus. Ausreichend ist auch die Aufdeckung der stillen Reserven im Wege einer entgeltlichen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern an einen Dritten oder im Wege der Entnahme. In diesem Fall handelt es sich dann nicht um die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, sondern um dessen Aufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 EStG, die allerdings die gleichen Besteuerungsfolgen wie die Veräußerung zeitigt. Der Mitunternehmeranteil i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG umfasst den Gesellschaftsanteil an der Personengesellschaft mit dem anteiligen Gesamthandsvermögen sowie das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters5. Dementsprechend sind die stillen Reserven in den wesentlichen Betriebsgrundlagen sowohl des Gesellschaftsvermögens als auch des Sonderbetriebsvermögens aufzulösen. Wesentliche Betriebsgrundlagen i. S. d. § 16 EStG sind alle funktional oder quantitativ wesentliche Betriebsgrundlagen6. Zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen rechnen in der Regel die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einschließlich der immateriellen Wirtschaftsgüter sowie diejenigen des Umlaufvermögens. Quantitativ wesentliche Betriebsgrundlagen sind Wirtschaftsgüter, in denen erhebliche stille Reserven gebunden sind7. Aufgrund der höchstrichterlich entwickelten Gesamtplangrundsätze steht es der Tarifvergünstigung gem. §§ 16, 34 EStG entgegen, wenn in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils funktional und/oder quantitativ wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ohne Aufdeckung stiller Reserven in ein anderes Betriebsvermögen des Veräußerers übertragen werden8. Schädlich ist insbesondere die Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG in ein anderes Betriebsvermögen des Mitunternehmers. Aber auch eine entgeltliche Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu einem angemessenen Preis steht der Gewährung der Tarifermäßigung entgegen, wenn der sich ergebende Veräußerungsgewinn durch die Bildung einer steuerfreien Rücklage nach § 6b EStG neutralisiert wird und die entstandene Rücklage in ein anderes Betriebsvermögen außerhalb der Mitunternehmerschaft übertragen und dort genutzt wird9.
__________
4 Siehe z. B. BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123. 5 Statt anderer Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Anm. 404, 407. 6 BFH v. 2.10.1997 – IV R 84/96; BStBl. II 1998, 104; v. 10.11.2005 – IV R 7/05, BStBl. II 2006, 176. 7 Siehe Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rz. 101 ff. 8 Grundlegend BFH v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229. 9 So beispielsweise im Fall der Übertragung der 6b-Rücklage auf die Erwerbergesellschaft und dort auf die zuvor entgeltlich erworbene wesentliche Betriebsgrundlage; s. Strahl, FR 2004, 929 (930); KÖSDI 2003, 13918 (13924); FR 2001, 1154 (1158 f.).
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Unklar ist allerdings in diesen Fällen, wann von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anteilsveräußerung und der schädlichen Übertragung einer wesentlichen Betriebsgrundlage auszugehen ist. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben sich hierfür nur schwache Anhaltspunkte. Die für die Praxis wünschenswerte Beurteilungssicherheit fehlt. Die Spannbreite, bis zu welchem Zeitraum von einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgegangen werden könnte, lassen die verschiedenen Schrifttumsäußerungen erkennen: – Zeitraum von mehr als einem Jahr unschädlich: Einen Zeitraum von mindestens einem Jahr hat der BFH im Zusammenhang mit einer Sozietätsaufnahme und einer späteren Erhöhung der Beteiligung des Neugesellschafters als nicht gestaltungsmissbräuchlich angesehen10. – Zeitraum von mehr als zwei Jahren unschädlich: Innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren besteht in Fällen einer Betriebsaufgabe noch ein enger zeitlicher Zusammenhang, in dem noch tarifbegünstigte Aufgabegewinne entstehen können. In dem zeitlichen Umfang, in dem einzelne Maßnahmen noch mit Bezug auf das Endziel der Tarifbegünstigung zusammengezogen werden können, sind auch auf das Entziehen stiller Reserven gerichtete Maßnahmen schädlich11. – Äußere Grenze von fünf Jahren schädlich: Den Maßstab bildet die Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel, nach der ein Verkauf von drei Objekten innerhalb eines Fünfjahreszeitraums einen gewerblichen Grundstückshandel begründet12. M. E. bietet die Rechtsprechung zur zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe die besten Anhaltspunkte für die Auslegung eines engen zeitlichen Zusammenhangs. Der Tatbestand der Betriebsaufgabe erfordert, dass sich der Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen in das Privatvermögen oder ihre Veräußerung in einem einheitlichen Vorgang, d. h. innerhalb kurzer Zeit, vollzieht13. Nach Ablauf dieses „kurzen“ Zeitraums kann im gleichgelagerten Fall der Betriebs- oder Mitunternehmeranteilsveräußerung m. E. ebenfalls nicht mehr von einem einheitlichen Vorgang ausgegangen werden. Einen einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit hat der BFH für Übertragungen innerhalb von 9 Monaten14, von 14 Monaten15 und von 18 Monaten16 bejaht, und für solche innerhalb von 20 Monaten17 und von 34 bzw. 36 Monaten abgelehnt18. Danach könnte ein enger zeitlicher Zusammenhang bei einer Zeitspanne von bis zu 20 Monaten liegen19.
__________ 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
BFH v. 16.9.2004 – IV R 11/03, BStBl. II 2004, 1068. So Förster/Schmidtmann, StuW 2003, 114 (122); Strahl, KÖSDI 2003, 13918 (13923). Siehe Spindler, DStR 2005, 1 (4). BFH v. 24.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798. BFH v. 26.10.1989 – IV R 25/88, BStBl. II 1990, 373. BFH v. 16.9.1966 – VI 118/65, BStBl. III 1967, 70. BFH v. 21.10.1993 – IV R 42/93, BStBl. II 1994, 385. BFH v. 12.12.2000 – VIII R 10/99, BStBl. II 2001, 282. BFH v. 24.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798. Insoweit nehmen Förster/Schmidtmann und Strahl beim gleichen Ansatzpunkt einen etwas längeren schädlichen Zeitraum an, s. hierzu Fn. 11.
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Werden nicht die stillen Reserven in sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt, liegt kein begünstigter Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Für diesen Gewinn ist weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch die Steuerermäßigung des § 34 EStG zu gewähren. Des Weiteren bleibt dieser Gewinn nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG außer Betracht, so dass darauf auch Gewerbesteuer anfällt20. 2. Anlage-/Umlaufvermögen und laufender Gewinn Weitere Einschränkungen der Begünstigung des Veräußerungsgewinns ergeben sich aus der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach ein Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft unter Umständen in einen begünstigten Veräußerungsgewinn und einen laufenden Gewinn aufzuteilen ist. Der letztere umfasst insbesondere die auf das Umlaufvermögen entfallenden Veräußerungsgewinnbestandteile21. Abgeleitet wird dies aus der notwendigen Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmern, die auch bei der Abgrenzung ggü. den nach §§ 16, 34 EStG begünstigten und damit nicht der Gewerbesteuer unterliegenden Veräußerungsgewinnen sowie den laufenden Gewinnen zu beachten ist22. Entschieden wurde dies für den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft, die einen gewerblichen Grundstückshandel betrieb und zu deren Umlaufvermögen Grundstücke gehörten. Nach dieser Entscheidung sind die auf die Grundstücke im Umlaufvermögen entfallenden Gewinne als laufende Gewinne zu behandeln. Denn es entspricht der bisherigen Rechtsprechung zu Einzelunternehmen, dass der Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn eines Einzelunternehmers als laufender Gewinn zu qualifizieren ist, soweit dieser bei einem gewerblichen Grundstückshändler aus der Veräußerung zum Umlaufvermögen gehörender Grundstücke erzielt wird23. Der Hinweis auf die Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmer lässt besorgen, dass die Einordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen als laufende Gewinne nicht auf gewerbliche Grundstücksgesellschaften beschränkt sein wird, sondern alle Personengesellschaften umfasst. Entscheidend wird sein, ob der auf das Umlaufvermögen entfallende Gewinn im Fall des Verkaufs des Betriebs der Personengesellschaft durch eine natürliche Person als laufender Gewinn zu qualifizieren wäre24. Der auf den Verkauf von Anlagevermögen entfallende Gewinn ist grundsätzlich als Veräußerungsgewinn i. S. d. §§ 16, 34 EStG zu qualifizieren. Nur ausnahmsweise gehört dieser Gewinn zum laufenden Gewinn. Maßgeblich ist, ob
__________ 20 BFH v. 12.6.1996 – XI R 56–57/95, BStBl. II 1996, 527. 21 BFH v. 10.5.2007 – IV R 69/04, BFH/NV 2007, 2023; v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BStBl. II 2007, 777. 22 BFH v. 10.5.2007 – IV R 69/04, BFH/NV 2007, 2023. 23 BFH v. 14.12.2006 – IV 3/05, BStBl. II 2007, 777, mit entsprechenden Nachweisen. 24 Eine Wechselwirkung zwischen der Verteilung der aufgedeckten stillen Reserven in der Ergänzungsbilanz des Erwerbers und der Aufteilung des Veräußerungsgewinns dürfte ebenfalls möglich sein.
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mit der Veräußerung die bisherige normale Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird oder ob die Veräußerung im Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebs erfolgt. Ersteres ist der Fall, wenn die Vermietung mit dem An- und Verkauf von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aufgrund eines einheitlichen Geschäftskonzepts verklammert ist25. Eine solche Verklammerung kann insbesondere bei geschlossenen Fonds gegeben sein, da bei diesen die Veräußerung der vermieteten Wirtschaftsgüter üblicherweise zum Fondskonzept gehört26.
III. Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns Außer Gewinnen aus dem Verkauf von Personengesellschaftsanteilen, die als laufende Gewinne zu qualifizieren sind, können auch Veräußerungsgewinne i. S. d. §§ 16, 34 EStG der Gewerbesteuer unterliegen. Dies ist gem. § 7 S. 2 GewStG seit dem Erhebungszeitraum 2002 der Fall, wenn der Mitunternehmeranteil nicht unmittelbar von einer natürlichen Person veräußert wird. Des Weiteren kann sich die Gewerbsteuerpflicht nach § 18 Abs. 3 UmwStG ergeben. Danach unterliegt der Verkauf eines Mitunternehmeranteils innerhalb von 5 Jahren nach der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft der Gewerbesteuer27. Schuldner der Gewerbesteuer ist gem. § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG die Personengesellschaft. Auch die auf Gewinne aus der Veräußerung anfallende Gewerbesteuer ist grundsätzlich gem. § 35 EStG mit dem 3,8-fachen des festgesetzten anteiligen Gewerbemessbetrags auf die tarifliche Einkommensteuer anrechenbar, so dass die tatsächliche Belastung mit Gewerbesteuer auf der Gesellschafterebene erheblich reduziert ist. Eine solche Anrechnung ist aber gem. § 18 Abs. 3 S. 3 UmwStG bei gewerbesteuerpflichtigen Verkäufen innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung in eine Personengesellschaft ausgeschlossen. In diesen Fällen entsteht eine definitive Gewerbesteuerbelastung, die sich im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführten Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe gem. § 4 Abs. 5b EStG faktisch verdoppelt hat und die sich bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % auf 14 % des Veräußerungsgewinns beläuft.
IV. Gestaltungsziele Die Gestaltungsziele im Zusammenhang mit dem Verkauf von Anteilen an Personengesellschaften können veräußerer- oder erwerbergeprägt sein. Aus Sicht des Veräußerers ist die Erlangung der Tarifvergünstigung i. S. d. §§ 16, 34 EStG ein regelmäßig vorrangiges Gestaltungsziel. Soweit diese Steuerbegünstigung aufgrund der sehr strengen Anforderungen nicht erreicht werden kann, wird eine sonstige Steueroptimierung angestrebt. Ein erwerbergeprägtes Ge-
__________
25 BFH v. 26.6.2007 – IV R 49/04, BFH/NV 2007, 2004, im Fall eines speziellen Leasingkonzepts. 26 Siehe ausführlich Hensell/Reibis, DStR 2008, 87. 27 Siehe hierzu IV. 3.
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staltungsziel ist die steuerwirksame Abschreibung des Kaufpreises. Dieses ist durch einen Asset-Deal in Form der Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter oder eines Mitunternehmeranteils erreichbar. 1. Veräußerer: Erlangung der Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG a) Vollendung des 55. Lebensjahrs oder dauernde Berufsunfähigkeit Neben der Tatsache, dass es sich bei dem Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der Personengesellschaft um einen Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG handeln muss28, muss der Veräußerer das 55. Lebensjahr vollendet haben oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig sein. Diese Voraussetzungen müssen bereits im Zeitpunkt der Veräußerung erfüllt sein. Eine Vollendung des 55. Lebensjahrs spätestens am Ende des Veranlagungszeitraums, in welchem die Veräußerung erfolgt, ist nicht ausreichend29. Nichts anderes kann in Bezug auf das Kriterium der dauernden Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gelten. Auch diese Begünstigungsvoraussetzung muss bereits im Zeitpunkt der Veräußerung erfüllt sein. b) Tarifbegünstigung für Veräußerungsgewinn bis 5 Mio. Euro Die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 3 EStG wird bei Veräußerungsgewinnen nur bis zu einer Höhe von 5 Mio. Euro gewährt. Übersteigende Gewinnbestandteile sind nicht mehr begünstigt. Bei entsprechend höheren Veräußerungsgewinnen kann es daher überlegenswert sein, im Vorfeld eines Verkaufs Teile des Mitunternehmeranteils auf den Ehegatten und/oder Kinder zu übertragen, da die Tarifvergünstigung jedem Steuerpflichtigen zusteht. Dies kann erfolgen, indem ein Mitunternehmerteilanteil unentgeltlich auf den Ehegatten oder die Kinder übertragen wird und die Beschenkten eine Mitunternehmerstellung erlangen, d. h. für den Zeitraum ihrer Beteiligung an der Gesellschaft Mitunternehmerinitiative und -risiko tragen. Eine solche unentgeltliche Übertragung ist gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG erfolgsneutral zum Buchwert ohne Sperrfrist möglich, löst aber ggf. Schenkungsteuer aus. Zwischen der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmerteilanteils auf Familienangehörige und der anschließenden Veräußerung durch die dann beteiligten Mitunternehmer sollte allerdings eine angemessene Zeitspanne liegen, da ansonsten die Gefahr der Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung besteht, mit der Folge, dass der Veräußerungsgewinn allein dem ursprünglich beteiligten Mitunternehmer zugerechnet wird.
__________ 28 Siehe hierzu vorangehend II. 29 Siehe BFH v. 28.11.2007 – X R 12/07, BStBl. II 2008, 193, zu der Vollendung des 55. Lebensjahres; s. auch Anmerkung Wendt, FR 2008, 371 f.
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c) Begünstigung nur eines Veräußerungsgewinns Gemäß § 34 Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG kann im Leben eines Steuerpflichtigen nur ein einziger Veräußerungsgewinn begünstigt besteuert werden. Dies ist unproblematisch, wenn der Veräußerer nur über einen Mitunternehmeranteil verfügt, der auch nur an einen Erwerber veräußert wird. In der Praxis sind allerdings verschiedene andere Sachverhalte anzutreffen, bei denen sich die Frage nach der Erzielung nur eines Veräußerungsgewinns stellt. Unklar ist bereits, ob der gleichzeitige Verkauf des gesamten Mitunternehmeranteils an mehrere Erwerber als eine Veräußerung oder entsprechend der Anzahl der Erwerber als mehrere Veräußerungen zu qualifizieren ist30. Im erstgenannten Fall läge die Realisation nur eines Veräußerungsgewinns vor31. Letzteres hätte zur Folge, dass die Begünstigung nur für den Verkauf eines Mitunternehmerteilanteils möglich wäre. Entsprechend der Behandlung von Veräußerungen der Wirtschaftsgüter an verschiedene Erwerber innerhalb eines einheitlichen Aufgabevorgangs liegt es jedoch nahe, solche Vorgänge als eine begünstigte Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG zu werten32. Dagegen liegt bei Ausscheiden aus einer Personengesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung, mit der Folge der anteiligen Vermögensanwachsung bei den übrigen Gesellschaftern, lediglich ein Veräußerungsvorgang vor33. Beim Verkauf des gesamten Mitunternehmeranteils an der Oberpersonengesellschaft, die ihrerseits an weiteren Unterpersonengesellschaften beteiligt ist, stellt sich die Frage, ob der hieraus resultierende Gewinn aus der Veräußerung des Obergesellschaftsanteils insgesamt begünstigt ist34 oder die Veräußerung von zwei oder mehr Mitunternehmeranteilen, nämlich dem unmittelbar gehaltenen Mitunternehmeranteil an der Obergesellschaft und einem oder mehreren mittelbar gehaltenen Anteil(en) an der oder den Unterpersonengesellschaft(en) vorliegt35. Letztere Auffassung würde konsequenterweise bedeuten, dass nur für einen Veräußerungsgewinn der Antrag auf Tarifermäßigung gem. § 34 Abs. 3 EStG gestellt werden kann. Ursächlich für diese unterschiedliche Sichtweise ist das Verständnis von doppelstöckigen Personengesellschaften. Der Annahme nur eines Veräußerungsgewinns liegt die Sichtweise zugrunde, dass doppelstöckige Personengesellschaften zusammengefasst zu betrachten sind und der Verkauf des Anteils an der Oberpersonengesellschaft nicht auch einen Verkauf der Anteile an den nachgeordneten Gesellschaften darstellt. Diese Sichtweise entspricht auch den gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten. Der Annahme von zwei Veräuße-
__________ 30 31 32 33 34
Siehe Schiffers in Korn, EStG, § 34 EStG Rz. 71.3 (Oktober 2006). Siehe Stahl, KÖSDI 2001, 12838 (12841). Siehe Patt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG, Anm. 247 (Mai 2008). So BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180. So OFD Koblenz, DStR 2007, 992; einheitlicher Vorgang gem. § 34 Abs. 3, 16 Abs. 4 EStG auch bezüglich § 7 Satz 2 GewStG; so auch der Entwurf EStÄR 2008, R 34.5, Abs. 2 S. 5 EStR 2008. 35 So Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Anm. 407.
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rungsgeschäften liegt eine getrennte Betrachtung zugrunde. Danach sind nachgeordnete Personengesellschaften nicht anders als Schwesterpersonengesellschaften zu behandeln36. Wegen der entsprechenden Richtlinienäußerungen der Finanzverwaltung in R 34 Abs. 5 EStR 2008 dürfte allerdings in der Praxis von der Annahme nur eines Veräußerungsgewinns auszugehen sein. Der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Anteils an der Oberpersonengesellschaft ist dabei in der Weise zu ermitteln, dass dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten das anteilige buchmäßige steuerbilanzielle Eigenkapital der Obergesellschaft gegenüberzustellen ist, das auch die in der Steuerbilanz auf der Aktivseite nach der Spiegelbildmethode zu erfassende Beteiligung an der Unterpersonengesellschaft beinhaltet37. Beim Verkauf eines Einzelunternehmens, zu dessen Betriebsvermögen ein Mitunternehmeranteil gehört, sollen nach Auffassung der Finanzverwaltung hingegen zwei Veräußerungen vorliegen38. Ursächlich für diese Sichtweise dürfte die Tatsache sein, dass der Einzelunternehmer Eigentümer sowohl des Einzelunternehmens als auch des Mitunternehmeranteils ist. Der Verkauf des Einzelunternehmens zerfällt dann entsprechend der zivilrechtlichen Betrachtung in zwei Veräußerungen, nämlich den Verkauf des Betriebs und den des Mitunternehmeranteils. Diese zivilrechtlich geprägte Sichtweise überzeugt m. E. jedoch nicht, da der Einzelunternehmer nur seine steuerliche Sachgesamtheit „Betrieb“ verkauft, zu dessen Vermögen auch der Mitunternehmeranteil gehört. Die Veräußerung eines Betriebs ist steuerlich der Verkauf einer Einheit, die unabhängig von ihrer Zusammensetzung auch als eine Veräußerung zu qualifizieren ist. Die Ausgangslage ist dann dieselbe wie beim Verkauf der Sachgesamtheit „Mitunternehmeranteil“, zu dessen Vermögen eine weitere Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft rechnet. Sachliche Gründe für eine differenzierende Betrachtung sind damit nicht ersichtlich. Zur Sicherheit sollte in diesen Fällen jedoch die Begründung einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur beispielsweise durch Einbringung des Einzelunternehmens mit dem Mitunternehmeranteil in eine Mitunternehmerschaft in Betracht gezogen werden. Hierbei ist jedoch die Gesamtplanrechtsprechung des BFH zu beachten. Eine vergleichbare Sachlage ist gegeben, wenn zum Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers ein Anteil an einer anderen Mitunternehmerschaft gehört und der Mitunternehmeranteil an der Obergesellschaft nebst dazugehöriger Sonderbetriebsvermögensbeteiligung verkauft wird. Auch in diesem Fall geht die Finanzverwaltung von dem Verkauf zweier Mitunternehmeranteile aus, so dass die Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG nicht für den vollen Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils (Gesellschaftsanteil zzgl. Sonderbetriebsvermögen) gewährt wird39. Auch bei dieser Sichtweise wird der Verkauf der Sachgesamtheit „Mitunternehmeranteil“, zu
__________ 36 37 38 39
Wacker, FR 2008, 605 (610). OFD Koblenz v. 28.2.2007, DStR 2007, 992. OFD Koblenz v. 28.2.2007, DStR 2007, 992. OFD Koblenz v. 28.2.2007, DStR 2007, 992.
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dem auch das Sonderbetriebsvermögen ungeachtet seines materiellen Inhalts rechnet, außer Acht gelassen. Bei der Veräußerung von Anteilen an Schwesterpersonengesellschaften handelt es sich um den Verkauf von zwei Mitunternehmeranteilen. Nur der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils ist steuerbegünstigt. Für den Fall, dass die Veräußerung von Schwesterpersonengesellschaften beabsichtigt ist und die Tarifvergünstigung angestrebt wird, kann ebenfalls die Begründung einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur sinnvoll sein. Bei zeitlicher Nähe der Veräußerung sollte wiederum die Rechtsprechung zum Gesamtplan in die Überlegungen einbezogen werden. 2. Steueroptimierte Übertragung ohne Tarifvergünstigung Die restriktiven Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gem. §§ 16, 34 EStG einerseits und die Obergrenze der Begünstigung i. H. v. 5 Mio. Euro andererseits machen es in vielen Fällen erforderlich, über steueroptimierte Übertragungen ohne Inanspruchnahme der Tarifvergünstigungen der §§ 16, 34 EStG nachzudenken. In Fällen mittel- bis langfristiger Verkaufsplanungen kann die Umwandlung der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft und der Verkauf dann von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in Betracht gezogen werden40. Denn Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen unterliegen Sonderregeln. Ab 2009 unterliegen sie zwar nicht der Abgeltungsteuer, soweit es sich hierbei um betriebliche Einkünfte oder um Einkünfte gem. § 17 EStG handelt. Auf diese Einkünfte findet allerdings das Teileinkünfteverfahren Anwendung. Danach sind diese Veräußerungsgewinne nur zu 60 % einkommensteuerpflichtig. Die Möglichkeiten, von einer mitunternehmerischen Beteiligung auf eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung überzugehen, sind unterschiedlich. Neben dem Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kommt u. a. auch die Einbringung des Betriebes der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft in Betracht. Die dabei erforderliche Umstrukturierung der Mitunternehmerschaft in eine Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich gem. §§ 20 ff. UmwStG bzw. § 25 UmwStG i. V. m. § 20 UmwStG ertragsteuerneutral möglich. Ungeachtet der sich aus dem Umwandlungsvorgang gem. §§ 20, 25 UmwStG ergebenden Besonderheiten unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung der im Zuge der Umstrukturierung erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile durch natürliche Personen bei Einhaltung bestimmter Haltefristen insgesamt den normalen für Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen geltenden Besteuerungsregeln. Dieser Gewinn ist, wie erwähnt, im Regelfall gem. § 3 Nr. 40 EStG nur zu 60 % steuerpflichtig. Soweit dieser in einem Gewerbebetrieb anfällt, unterliegt der Veräußerungsgewinn zudem der Gewerbesteuer.
__________ 40 Zu bedenken sind aber auch die Folgen für die Höhe des Kaufpreises.
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Diese ist allerdings gem. § 35 EStG auf die Einkommensteuer des Veräußerers anzurechnen. Die Veräußerung der erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile innerhalb eines Siebenjahreszeitraums nach dem Formwechsel bzw. der Einbringung führt darüber hinaus gem. § 22 Abs. 1 EStG zu einem sog. Einbringungsgewinn I, der rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung einer Personengesellschaftsbeteiligung i. S. d. § 16 EStG zu versteuern ist. Die Steuerbegünstigungen nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG sind in diesem Fall nicht anzuwenden41. Der als Gewinn aus der Veräußerung einer Personengesellschaftsbeteiligung steuerpflichtige Einbringungsgewinn I ist der Betrag, um den der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens im Einbringungszeitpunkt nach Abzug der Kosten für den Veräußerungsübergang den Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft dieses eingebrachte Betriebsvermögen angesetzt hat, übersteigt. Der Einbringungsgewinn I vermindert sich um jeweils 1/7 für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr. Der Einbringungsgewinn I führt gem. § 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG zu nachträglichen Anschaffungskosten der im Zuge der Umstrukturierung erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile. Diese nachträglichen Anschaffungskosten führen zu einer entsprechenden Minderung des anteiligen Siebtel-Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile. Die im Zeitverlauf innerhalb des Siebenjahreszeitraums erfolgende Reduzierung des steuerpflichtigen Einbringungsgewinns I führt zu einer sukzessiven Umqualifizierung von normal besteuertem Gewinn aus der Veräußerung einer Personengesellschaftsbeteiligung in einen dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Gewinn aus dem Verkauf eines Kapitalgesellschaftsanteils. Dies ist steuerlich vorteilhaft, wenn der Wert der erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile gleich bleibt oder steigt. Es ergeben sich allerdings nachteilige Wirkungen, wenn der spätere Verkaufspreis für die erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile niedriger als der Einbringungswert ist, da in diesem Fall der normal steuerpflichtige Einbringungsgewinn I in einen gem. § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % zu berücksichtigenden Verlust umgewandelt wird. Bei dieser Gestaltung können sich aber auch weitere umwandlungsbedingte steuerliche Nachteile ergeben, so z. B. der Untergang eines Zinsvortrages gem. § 20 Abs. 9 UmwStG, eine eventuelle Nachversteuerung gem. § 34a EStG42 oder der Wegfall von Verlusten und Verlustvorträgen von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen gem. § 8c KStG. Allerdings relativieren sich diese Nachteile, da spätestens der Verkauf des Mitunternehmeranteils zu den gleichen steuerlichen Konsequenzen führt43.
__________ 41 Siehe ausführlich zu den Besteuerungsfolgen Ley, FR 2007, 109 ff.; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 20 Rz. 1 ff. 42 In Bezug auf die Nachversteuerung kann die Art der Umstrukturierung zu unterschiedlichen Steuerkonsequenzen führen. 43 Siehe hierzu nachfolgende Gliederungspunkte V. 5.
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3. Erwerber: Erlangung von Abschreibungspotential durch einen Asset-Deal Im Interesse des Käufers ist es nicht selten, dass statt Anteilen an einer Kapitalgesellschaft „Assets“ erworben werden sollen. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Ursächlich können sein – – – –
Finanzierungsvorteile die Abschreibungsmöglichkeit auf die Mehrwerte die Möglichkeit der Verlustverrechnung die Haftungsabschottung.
Für den Veräußerer bedeutete dies dann Folgendes: Ist der Veräußerer bereits an einer Personengesellschaft beteiligt, erübrigen sich i. d. R. weitere Umstrukturierungsüberlegungen. Denn für den Veräußerer wird es steuerlich unerheblich sein, ob die Personengesellschaft ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert oder ob er seinen Mitunternehmeranteil an dieser Gesellschaft verkauft. Entscheidend ist, dass sämtliche stillen Reserven in den funktional und quantitativ wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt werden44. Soweit die Voraussetzungen der §§ 16, 34 EStG erfüllt sind, stellt auch der Gewinn aus der Veräußerung der Assets einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn dar. Hält der Veräußerer Anteile an einer Kapitalgesellschaft und ist ein Asset-Deal gewünscht, so kann die Kapitalgesellschaft ihre einzelnen Wirtschafsgüter verkaufen. Alternativ kann der Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft anschließend erwogen werden, so dass die Assets oder die Anteile an Personengesellschaften verkauft werden können. Der Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft vollzieht sich nach den § 9 UmwStG i. V. m. §§ 3 ff. UmwStG. Dieser Formwechsel ist grundsätzlich ertragsteuerneutral möglich. Die vorhandenen offenen Rücklagen der Kapitalgesellschaft sind allerdings beim Anteilseigner gem. § 7 UmwStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen ertragsteuerpflichtig. Ein entstehender Übernahmeverlust kann bis zur Höhe der Bezüge i. S. d. § 7 UmwStG gem. § 4 Abs. 6 UmwStG berücksichtigt werden45. Soweit innerhalb von 5 Jahren nach einer Umwandlung der (Teil-) Betrieb einer Personengesellschaft oder der Anteil an einer Personengesellschaft veräußert wird, unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung gem. § 18 Abs. 3 UmwStG der Gewerbesteuer. Die entstehende Gewerbesteuer ist gem. § 18 Abs. 3 Satz 3 UmwStG nicht nach § 35 EStG anrechenbar und ab dem Veranlagungszeitraum 2008 zudem auch gem. § 4 Abs. 5b EStG nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar, so dass die anfallende Gewerbesteuer nicht durch gegenläufige Einkommensteuerminderungen kompensiert wird, sondern in vollem Umfang aus versteuertem Einkommen zu bezahlen ist. Der Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft führt zum Untergang der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verluste und Ver-
__________ 44 Siehe unter II. 1. 45 Siehe u. a. Bodden, FR 2007, 66 ff.
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lustvorträge, soweit diese nicht durch den Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter mit einem über dem Buchwert liegenden Wert und dem daraus entstehenden Übertragungsgewinn genutzt werden können. Ein verbleibender Zinsvortrag geht gem. § 4h Abs. 5 EStG infolge der Übertragung des Betriebs unter. Unklar war, wie die Übertragung von handels- aber nicht steuerbilanziell passivierten Verpflichtigungen im Zuge eines Asset-deals zu behandeln ist. Ursächlich hierfür war ein Urteil des FG-Baden-Württemberg aus dem Jahre 200546. Der Urteilsfall betraf die Übertragung einer Drohverlustrückstellung, die gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB handelsrechtlich passivierungspflichtig ist, steuerlich aber gem. § 5 Abs. 4a EStG einem Passivierungsverbot unterliegt. Entsprechendes gilt für vergleichbare Sachverhalte. Das FG hatte im Wesentlichen darüber zu befinden, ob eine vom Erwerber der Assets zu übernehmende Drohverlustrückstellung als Veräußerungspreis i. S. d. § 16 EStG zu behandeln ist und damit den Veräußerungsgewinn erhöht. Dies bejahte das FG. Der BFH verneinte dies47. Zum Veräußerungspreis i. S. d. § 16 EStG gehören danach nicht die steuerbilanziell bis dahin (zu Recht) unberücksichtigt gebliebenen Verbindlichkeiten, für die nur handelsrechtlich eine Rückstellung zu passivieren war. Zwar ist die Übernahme steuerlich nicht passivierungsfähiger Verbindlichkeiten Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts48. Im Unterschied zu den passivierten Verbindlichkeiten wirkt sich deren Bestehen auch nicht gewinnmindernd auf das nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zu ermittelnde Betriebsvermögen aus, so dass die übernommenen nicht passivierten Verbindlichkeiten zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns grundsätzlich zum Veräußerungspreis hinzugerechnet werden müssen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn dies zu einem unzutreffenden Ergebnis führt. Ein solches liegt vor, wenn sich die Verluste handelsrechtlich bereits zum Zeitpunkt ihrer Bildung in voller Höhe ergebnismindernd ausgewirkt haben. Durch das Rückstellungsverbot des § 5 Abs. 4a EStG soll zwar in Abweichung vom handelsrechtlichen Imparitätsprinzip die vorgezogene Erfassung der bislang nur drohenden Verluste aus schwebenden Geschäften steuerbilanziell vermieden werden. Diese Rückstellungsverbote besagen jedoch nicht, dass die betreffenden Verluste auch im Fall ihrer tatsächlichen Realisierung nicht steuerwirksam sein sollen. Aus diesem Grunde sind bei der Berechnung des Gewinns aus der Betriebsveräußerung vom Erwerber übernommene betriebliche Verbindlichkeiten, die aufgrund von Rückstellungsverboten in der Steuerbilanz nicht passiviert wurden, nicht gewinnerhöhend zum Veräußerungspreis hinzuzurechnen49.
__________ 46 47 48 49
FG BW v. 2.6.2005 – 6 K 247/03, DStRE 2006, 77. BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555. BFH v. 5.7.1990 – GrS 4–6/89, BStBl. II 1990, 847. BFH v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555 sowie ausführlich zum Urteil des FG Baden-Württemberg, Ley, DStR 2007, 589, 590, auch zu den bilanziellen Konsequenzen beim Erwerber.
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V. Sonstige Besteuerungsfolgen des Anteilsverkaufs 1. Auswirkungen auf die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG Unklar ist, welche Konsequenzen sich aus der entgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ergeben50. Soweit diese Frage überhaupt thematisiert wird, lassen sich zwei verschiedene Ansätze feststellen. Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass diese Übertragung wie eine Betriebsveräußerung durch einen Einzelunternehmer zu behandeln ist51. Zum anderen soll sich die Übertragung nicht auf die Höhe der Überentnahme auswirken52. Durch die Entscheidung des BFH zur gesellschafterbezogenen Auslegung des § 4 Abs. 4 a EStG53, der die Finanzverwaltung folgt54, dürfte der ersteren Auffassung der Vorzug zu geben sein. In diesem Fall ist der sich ergebende Veräußerungsgewinn bei der Ermittlung der Überentnahmen zu berücksichtigen55. Des Weiteren liegt eine Entnahme in Höhe des Veräußerungserlöses abzgl. der Veräußerungskosten vor, soweit dieser in das Privatvermögen überführt wird56. Wird das Gesellschafterdarlehenskonto nicht mit übertragen, wird dieses ebenfalls entnommen. Die der Veräußerung immanente Überentnahme ist dem Veräußerer im Jahr der Veräußerung zuzurechnen. Ergeben sich unter Berücksichtigung der bis zur Veräußerung angefallenen anteiligen Über-/Unterentnahmen des Veräußerers insgesamt Überentnahmen, beschränkt sich deren Bedeutung meines Erachtens auf den Fall, dass nach dem Verkauf des Mitunternehmeranteils noch Sonderbetriebsschulden des Veräußerers existieren und nachträgliche Schuldzinsen anfallen. Denn auch die nachträglichen Schuldzinsen sind nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 4a EStG als nachträgliche Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig57. Auf der Ebene der Mitunternehmerschaft entfallen die bisher dem Veräußerer zugerechneten Über-/Unterentnahmen, da diese dem Veräußerer nach der Veräußerung unmittelbar zuzurechnen sind, soweit diese für ihn wegen nachträglicher Schuldzinsen noch von Bedeutung sind58. 2. Auswirkungen auf die Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG Der Gewinn aus der Veräußerung eines Personengesellschaftsanteils bzw. eines Mitunternehmeranteils ist Teil des steuerpflichtigen Gewinns der Mitunter-
__________ 50 51 52 53 54 55
Siehe hierzu ausführlich Ley, KÖSDI 2007, 15406 ff. Siehe Ley, KÖSDI 2007, 15406 (15409 f.); Grützner, StuB 2006, 49 (56). Siehe Roser/Ketel, EStB 2005, 78. Siehe BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. BMF, BStBl. I 2008, 588, Tz. 30. Siehe BMF, BStBl. I 2005, 1019, Tz. 9; Friedemann, Der Schuldzinsenabzug bei Personengesellschaften, insbesondere nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG, 2005, S. 192. 56 Siehe BMF, ebenda, Tz. 9. 57 BMF, BStBl. I 2005, 1019, Tz. 9; sowie Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rz. 371. 58 Siehe Ley, KÖSDI 2007, 15406 (15411 f.); sowie Friedemann, a. a. O., S. 193.
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nehmerschaft und damit Teil des maßgeblichen Gewinns i. S. d. § 4h Abs. 3 EStG. Ein Veräußerungsgewinn wirkt sich dementsprechend positiv auf die Höhe des steuerlichen EBITDA und damit auf die Höhe der abziehbaren Schuldzinsen und des Zinsvortrags im Jahr der Veräußerung aus59. Nach § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG geht im Fall des Verkaufs eines Mitunternehmeranteils der Zinsvortrag anteilig mit der Quote unter, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt war. Die Behandlung des Zinsvortrags im Fall des Ausscheidens soll sich nach den zu § 10a GewStG für den Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers entwickelten Grundsätzen richten60. Die Regelung wirft zahlreiche Fragen auf. Diese betreffen zum einen die Zinsen des Sonderbetriebsvermögens. Die Finanzverwaltung61 interpretiert § 4h EStG betriebsbezogen mit der Folge, dass der Zinsvortrag unabhängig davon untergeht, ob er durch Schuldzinsen der Personengesellschaft oder durch Schuldzinsen des Sonderbetriebsvermögens der Gesellschafter entstanden ist62. Danach entfallen anteilig auch die Sonderbetriebsvermögenszinsen eines Mitgesellschafters, der nicht aus der Gesellschaft ausscheidet63. Beim Verkauf eines Anteils an einer Oberpersonengesellschaft stellt sich die Frage, ob und inwieweit auch ein Zinsvortrag der Obergesellschaft an der Unterpersonengesellschaft entfällt. Meines Erachtens hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, ob doppelstöckige Gesellschaften für Zwecke des § 4h EStG getrennt zu betrachten sind und dem Obergesellschafter sowohl der Anteil an der Obergesellschaft als auch der Anteil an der Untergesellschaft zuzurechnen ist oder ob von einer zusammengefassten Betrachtung auszugehen ist und dem Obergesellschafter ausschließlich der Anteil an der Obergesellschaft zuzurechnen ist64. In Anlehnung an die Regelungen zu § 10a GewStG dürfte der Obergesellschafter nicht als Mitunternehmer der Untergesellschaft anzusehen sein, mit der Folge, dass ein Zinsvortrag der Untergesellschaft durch das Ausscheiden des Obergesellschafters nicht berührt wird65. Der Verkauf eines Mitunternehmerteilanteils führt nicht zum anteiligen Wegfall des Zinsvortrages, da der Mitunternehmer in diesem Fall nicht vollständig aus der Gesellschaft ausscheidet66. Zu den Auswirkungen des mittelbaren Verkaufs von Anteilen an Körperschaften auf den Zinsvortrag nachgeordneter Körperschaften s. nachfolgend unter V. 6.
__________ 59 60 61 62 63 64
Siehe van Lishaut/Schumacher, DStR 2008, 2341 (2344). Siehe BR-Drs. 220/08, S. 8. Siehe BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Tz. 51. Siehe BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Tz. 52. Siehe Ley in DAI 2008, Die Besteuerung von Personengesellschaften, 2008, S. 224. Die Finanzverwaltung geht von einer zusammengefassten Betrachtung aus. Für eine getrennte Betrachtung Wacker, FR 2008, 605. 65 So auch van Lishaut/Schumacher, DStR 2008, 2341 (2344); ausführlich Hoffmann, Zinsschranke, 2008, S. 129 f. 66 Siehe auch van Lishaut/Schumacher, DStR 2008, 2341 (2344); Hoffmann, GmbHR 2008, 113 (118); a. A. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 61. Lieferung November 2008, § 8a KStG, Rz. 119.
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3. Minderung von Anteilsveräußerungsgewinnen durch verrechenbare Verluste i. S. d. § 15a EStG Der Verkauf eines Kommanditanteils mit negativem Kapitalkonto führt in Höhe des Veräußerungspreises abzgl. der Veräußerungskosten und des negativen Kapitalkontos zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Dieser ist dann allerdings gem. § 15a Abs. 2 EStG um einen bestehenden nur verrechenbaren Verlust zu mindern. Nur der danach verbleibende Gewinn ist einkommensteuerpflichtig67. Ist das negative Kapitalkonto aufgrund von nachträglichen oder den Verlust übersteigenden Einlagen niedriger als der nur verrechenbare Verlust, so stellt bereits bisher die Differenz einen ausgleichs- und abzugsfähigen Veräußerungsverlust dar68. Letzteres wird durch eine Ergänzung des § 15a Abs. 2 EStG im Zuge des Jahressteuergesetzes 2009 für den Fall der nachträglichen Einlagen ausdrücklich geregelt. Entsprechendes gilt für doppelstöckige Personengesellschaften, wenn die Obergesellschaft ihren Kommanditanteil an der Unterpersonengesellschaft veräußert69. Im Fall des Verkaufs des Anteils an der Obergesellschaft ist, soweit für die Untergesellschaft ein verrechenbarer Verlust festgestellt wurde, dieser mit dem Gewinn aus der Anteilsveräußerung an der Obergesellschaft zu verrechnen. Die Verrechnung beschränkt sich allerdings auf den Teil des Veräußerungsgewinns der anteilig auf die Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft entfällt70. 4. Wegfall von Gewerbeverlustvorträgen i. S. d. § 10a GewStG Beim Verkauf eines Personengesellschaftsanteils und dem dadurch bedingten Ausscheiden des Gesellschafters entfällt der Verlustabzug gem. § 10a GewStG anteilig mit der Quote, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter im Erhebungszeitraum der Verlustentstehung entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Gewinnverteilungsschlüssel an dem negativen Gewerbeertrag beteiligt war71. Der verbleibende Fehlbetrag ist weiterhin insgesamt, jedoch nur von dem Betrag abziehbar, der von dem gesamten Gewerbeertrag entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die bereits vorher beteiligten Gesellschafter entfällt72. Bei doppelstöckigen Personengesellschaften berührt ein Gesellschafterwechsel bei der Obergesellschaft den Gewerbeverlustabzug der Untergesellschaft nicht, da Gesellschafter und Mitunternehmer der Untergesellschaft allein die Obergesellschaft und nicht der Obergesellschafter ist73.
__________ 67 68 69 70
BFH v. 9.5.1996 – IV R 75/93, BStBl. II 1996, 474. FG Köln, EFG 2005, 1054, rkr; Kempermann, StbJb 1996/97, 317 (322). Siehe Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15a Rz. 235. Siehe Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15a Rz. 235, unter Hinweis auf BFH v. 1.7.2004 – IV R 67/00, BFH/NV 2004, 1707. 71 So BFH v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731. 72 So BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616. 73 So BFH v. 31.8.1999 – VIII B 74/99, BStBl. II 1999, 794.
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Der Verkauf eines Mitunternehmerteilanteils führt indes mangels Ausscheiden des Mitunternehmers nicht zum anteiligen Verlust der Gewerbeverlustvorträge. Zur Behandlung von Gewerbeverlustvorträgen im Fall des mittelbaren Verkaufs einer einer Kapitalgesellschaft nachgeordneten Personengesellschaft s. nachfolgend unter V. 6. 5. Thesaurierungsbegünstigung und Nachsteuer gem. § 34a EStG Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist aus zwei Gründen im Zusammenhang mit § 34a EStG von Bedeutung. Zum einen stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein nicht entnommener Veräußerungsgewinn nach § 34a Abs. 1 EStG der Thesaurierungsbesteuerung mit 28,5 % zzgl. Solz und ggf. KiSt unterliegen kann. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gem. § 34a Abs. 6 Nr. 1 EStG die 25 %ige Nachversteuerung des nachversteuerungspflichtigen Betrags auslöst. Grundsätzlich gilt die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne gem. § 34a Abs. 1 EStG auch für nicht entnommene Veräußerungsgewinne. Sie gilt allerdings nach dem Gesetzeswortlaut nicht, „soweit“ für die Gewinne der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen wird. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Tarifermäßigung jedoch auch für den Teil des Veräußerungsgewinns nicht gelten, der bei Anwendung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG sowie bei Überschreiten der Höchstgrenzen des § 34 Abs. 3 EStG normal besteuert wird. Des Weiteren soll die Anwendung der Tarifvergünstigung auf den nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe b EStG dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Teil des Gewinns aus der Anteilsveräußerung ausgeschlossen sein74. Diese Interpretation von § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG durch das BMF widerspricht meines Erachtens dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Dort heißt es nämlich, dass die Tarifvergünstigung nicht gilt, „soweit“ für die Gewinne der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen wird. Danach müsste ein nach Abzug des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 verbleibender und den Höchstbetrag des § 34 Abs. 3 EStG von 5 Mio. Euro übersteigender, normal versteuerter Veräußerungsgewinn sondertarifiert besteuert werden können, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind75. Die Finanzverwaltung interpretiert die Formulierung „soweit“ m. E. also unzulässiger Weise im Sinne von „wenn“. Der Ausschluss des nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchstabe b EStG ab 2009 dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinns von der Sondertarifierung findet im Gesetzeswortlaut aus den vorerwähnten Gründen ebenfalls keine Stütze, soweit dieser den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG über-
__________ 74 Siehe BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 837, Tz. 4. 75 Siehe Ley, Ubg 2008, 13 (14); so auch Schiffers, DStR 2008, 1805 (1806).
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steigt. Der Ausschluss betrifft den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Rahmen einer Betriebsveräußerung/Betriebsaufgabe bzw. Mitunternehmeranteilsveräußerung/-Aufgabe nach § 16 EStG. Für diesen Teil des Veräußerungsgewinns kommt zwar grundsätzlich der abschmelzende Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Betracht. Eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG scheidet allerdings von vorneherein aus, da es sich bei diesem Gewinn gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht um außerordentliche Einkünfte handelt, auf die § 34 EStG anwendbar wäre76. Im Fall der Begünstigung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, ob er die Tarifbegünstigung nach § 34a EStG oder die Begünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen will. Von der thesauriert begünstigten Besteuerung nach § 34a Abs. 1 EStG ist Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 4 EStG zu unterscheiden. Nach § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG ist eine Nachversteuerung des nachversteuerungspflichtigen Betrages in den Fällen der Betriebsveräußerung oder – Aufgabe i. S. d. §§ 14, 16 Abs. 1 und 3 EStG sowie des § 18 Abs. 3 EStG durchzuführen. Der für den Veräußerer festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag unterliegt in diesem Fall insgesamt der 25 %igen Nachversteuerung77. Auch ohne ausdrückliche Erwähnung wird aus dem Verweis auf „§ 16 Abs. 1 und 3 EStG“ abgeleitet, dass auch die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zur Nachversteuerung führt78. Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 EStG müsste jede Übertragung gem. § 16 Abs. 1 und Abs. 3 EStG zur Nachversteuerung führen. Dies dürfte indes nicht zutreffend sein, da § 34a EStG als Tarifvorschrift nur für Veräußerungen durch natürliche Personen gilt. Dementsprechend dürfte § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG u. a. auf die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils durch eine Personengesellschaft keine Anwendung finden. Dies gilt insbesondere für die Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils durch eine Oberpersonengesellschaft oder durch einen Einzelunternehmer, soweit der veräußerte Mitunternehmeranteil zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehört79. Die Veräußerung eines Mitunternehmerteilanteils löst demgegenüber keine Nachversteuerung aus80.
__________ 76 77 78 79
Siehe bereits Ley, Ubg 2008, 13 (14); ebenso Schiffers DStR 2008, 1805 (1807). BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 837, Tz. 34. Siehe BMF, ebenda, Tz. 34. Siehe Ley/Brandenberg, FR 2007, 1185 (1105 f.); Ley, Ubg 2008, 214 (218); a. A. Wacker, FR 2008, 605, der von einer getrennten Betrachtung bei doppelstöckigen Personengesellschaften ausgeht. Die Folge müsste sein, dass die Veräußerung der Beteiligung an der Unterpersonengesellschaft als Veräußerung durch den Obergesellschafter interpretiert wird und es zur Nachversteuerung kommt. 80 Siehe Ley, Ubg 2008, 2014 (2017).
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6. Wegfall von Verlusten und Verlustabzügen sowie Zinsvorträgen einer Körperschaft und der ihr nachgelagerten Personengesellschaft Gemäß § 8c Abs. 1 KStG entfallen nicht genutzte Verluste einer Körperschaft anteilig, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % der Anteile an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Person übertragen werden. Die nicht genutzten Verluste entfallen vollständig, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber oder diese nahe stehende Person übertragen werden. Der Wegfall nicht genutzter Verluste gilt danach auch für alle mittelbaren Erwerbe an Verlustkapitalgesellschaften81. Im Fall eines mittelbaren Beteiligungserwerbs ist die auf die Verlustgesellschaft durchgerechnete Beteiligungsquote oder Stimmrechtsquote maßgeblich. Der Verkauf eines Mitunternehmeranteils kann mittelbar zu einer Übertragung von Anteilen an Körperschaften und damit zur Anwendung des § 8c KStG führen, wenn die Personengesellschaft, deren Anteile übertragen werden, oder eine ihr nachgeordnete Gesellschaft an einer Verlustkapitalgesellschaft beteiligt ist. Die Regelungen des § 8c KStG gelten für nicht ausgeglichene und nicht abgezogene negative Einkünfte, insbesondere für die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verluste, den nur verrechenbaren Verlust i. S. d. § 15a EStG und den Zinsvortrag82. Durch das Jahressteuergesetz 2009 ist der Anwendungsbereich des § 8c KStG erheblich erweitert worden. Gemäß § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 soll § 8c KStG auch auf den Zinsvortrag einer Personengesellschaft entsprechend angewendet werden, soweit an dieser unmittelbar oder mittelbar eine Körperschaft als Mitunternehmer beteiligt ist. Dies bedeutet, dass ein schädlicher mittelbarer Anteilserwerb an einer Kapitalgesellschaft über den Erwerb eines Personengesellschaftsanteils sich auch auf den Zinsvortrag einer Personengesellschaft auswirkt, die einer Kapitalgesellschaft nachgeschaltet ist. Dieser entfällt anteilig bei einem schädlichen Erwerb von mehr als 25 % und vollständig bei einem schädlichen Anteilserwerb von mehr als 50 % durch einen Erwerber oder diesem nahe stehende Person innerhalb von fünf Jahren. Des Weiteren ist nach § 10a Satz 10 GewStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 § 8c KStG auch auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge einer einer Körperschaft nachgelagerten Mitunternehmerschaft anzuwenden. Auch insoweit führt ein schädlicher mittelbarer Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c KStG durch den Verkauf eines Personengesellschaftsanteils zum anteiligen oder vollständigen Wegfall der gewerbesteuerlichen Fehlbeträge der einer Kapitalgesellschaft nachgelagerten Mitunternehmerschaft.
__________ 81 Siehe Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG § 8 c, Anmerkung 16; Dötsch/Pung, DB 2008, 1713/1704; BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Tz. 11 ff. 82 Zu den weiteren relevanten negativen Einkünften s. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Tz. 2.
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VI. Fazit Die neueren Rechtsentwicklungen berühren insbesondere auch die steuerliche Behandlung des Verkaufs von Mitunternehmeranteilen. Diese betreffen zum einen die Abgrenzung zwischen laufendem Gewinn einerseits und Veräußerungsgewinn andererseits mit den entsprechenden Folgen für die einkommensteuergünstige Besteuerung gem. §§ 16, 34 EStG und für die gewerbesteuerliche Behandlung des Gewinns. Des Weiteren können neben den § 4 Abs. 4a EStG, § 15a EStG und § 10a GewStG die mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte Zinsschrankenregel des § 4h EStG, die Thesaurierungsbegünstigung und Nachversteuerung nach § 34a EStG und die Verlustvernichtungsregelung des § 8c KStG zu erheblichen steuerlichen Konsequenzen führen, wenn Anteile an einer Personengesellschaft übertragen werden. Die steuerlichen Konsequenzen der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils beschränken sich daher nicht mehr nur auf die Besteuerung des Veräußerungsgewinns. Vielmehr können sich zunehmend weitere nicht unbeachtliche steuerliche Implikationen ergeben.
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Die Innengesellschaft innerhalb der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Arten der mittelbaren Teilhabe III. Steuerliche Klassifizierung IV. Stille Teilhabe am Unternehmen einer Organgesellschaft 1. Auswirkung auf das Einkommen der Organgesellschaft 2. Außenstehender Gesellschafter als stiller Teilhaber
2. Die stille Gesellschaft als Organträger? a) Der Gewinnabführungsvertrag b) Die Mitunternehmerschaft als Organträgerin c) Die wieder belebte Mehrmütterorganschaft mit Hilfe der stillen Beteiligung? VI. Epilog
V. Stille Teilhabe auf der Ebene des Organträgers 1. Stille Teilhabe an dem Ergebnis des Organträgers
I. Vorbemerkung Mit dem Jubilar Harald Schaumburg verbindet den Autor so mancher Meinungsaustausch nicht nur in Situationen der „Gegnerschaft“, die Harald Schaumburg stets fair und bravourös zu meistern wusste, sondern auch im Rahmen von Fachkongressen und anderen Zusammenkünften. Seine profunden Kenntnisse des Körperschaft- und Gewerbesteuerrechts sind für den Autor immer wieder Quelle für fruchtbare Gedankenanstöße gewesen. Natürlich weiß Harald Schaumburg auch die Klaviatur des Steuerrechts bestens zu nutzen, so dass es für den Autor reizvoll erscheint, sich auf einem zugegebenermaßen entlegenen Gebiet mit der Gestaltungskunst, die sich mit dem „Einbau“ der stillen Beteiligung innerhalb der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft befasst, ein wenig näher zu beschäftigen. Die Innengesellschaft – unter diesen insbesondere die stille Gesellschaft i. S. d. § 230 HGB – ist vielfach eine beliebte „Spielwiese“ nicht nur für unternehmerische Engagements aus der zweiten Reihe heraus, sondern die zivilrechtlichen Möglichkeiten werden häufig als steuerlich motiviertes Gestaltungselement genutzt. Als Beleg für diesen selbstverständlichen Hinweis dient z. B. die gesetzgeberische Reaktion in § 15 Abs. 4 Satz 6 ff. EStG, den Verlust aus einer stillen Beteiligung einzufangen und die Verrechenbarkeit auf die innerhalb derselben stillen Gesellschaft erwirtschafteten positiven Erträge zu begrenzen, wenn der stille Gesellschafter keine natürliche Person ist. Hintergrund dieser 445
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Regelung ist § 8b Abs. 2 und Abs. 3 KStG, der die steuerliche Geltendmachung von Verlusten aus Beteiligungsbesitz (Veräußerungsverluste, Teilwertabschreibungen) verhindert. Es ist nahe liegend bei dieser gesetzlichen Ausgangslage, dass der Anteileigner neben der unmittelbaren Beteiligung außerdem eine stille Beteiligung zusammen mit seiner Untergesellschaft eingehen würde, um aus diesem Engagement am Verlust der Untergesellschaft unmittelbar steuerlich zu partizipieren und so zu versuchen, die Verlustberücksichtigungsbeschränkung des § 8b KStG zu umschiffen. Im Bereich der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft ist das Gebilde der Innengesellschaft zwar nicht unerforscht, aber es besteht höchstrichterlich immer noch Klärungsbedarf. Dabei kann die Innengesellschaft an zwei Stellen verortet werden, nämlich bei der Organgesellschaft wie auch bei dem Organträger.
II. Arten der mittelbaren Teilhabe Als zivilrechtliche Möglichkeiten der mittelbaren Teilhabe an dem Unternehmen eines anderen stehen u. a. die stille Gesellschaft (§ 230 HGB), wenn der andere ein Handelsgewerbe betreibt, die Innengesellschaft, wenn der andere kein Handelsgewerbe betreibt, aber anderweitig gewerblich bzw. unternehmerisch (Land- und Forstwirtschaft, freie Berufe) tätig ist, sowie die Unterbeteiligung zur Verfügung. Andere Formen der mittelbaren Beteiligung an einem fremden Unternehmen wie z. B. mit Hilfe des Nießbrauchs, der partiarischen Rechtsverhältnisse oder der Treuhand werden für diese Untersuchung ausgeklammert. Während die Innengesellschaft eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens und damit eine Rechtsbeziehung zur Gesellschaft selbst voraussetzt, knüpft die Unterbeteiligung über eine Rechtsbeziehung zu dem Gesellschafter an dessen Gesellschaftsanteil an. Gegenstand der Unterbeteiligung ist vielfach das mittels einer Beteiligung (GmbH-Anteil, Aktie, Stellung als Gesellschafter an einer Personenhandelsgesellschaft, an einer Innengesellschaft, an einer Unterbeteiligung u. a.) zu beanspruchende Ergebnis, auch wenn das Ergebnis nicht aus dem laufenden Gewinn, sondern z. B. im Falle einer Verlustsituation aus der Gewinnrücklage aus früheren Perioden gespeist wird. Gemeinsam ist der Innengesellschaft wie der Unterbeteiligung das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags nach § 705 BGB zwischen dem Inhaber des Unternehmens und dem stillen Gesellschafter bzw. zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten. Die Grenzen zwischen der einen und der anderen Beteiligungsform sind vielfach fließend.
III. Steuerliche Klassifizierung Das Steuerrecht ordnet die zivilrechtlichen Partizipationsmöglichkeiten am Ergebnis eines fremden Unternehmens unter dem Blickwinkel der Einkunftsart ein. So können die hier interessierenden Beteiligungsverhältnisse dem stil446
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len Teilhaber Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) dem Grunde nach, die allerdings nach § 20 Abs. 8 EStG den gewerblichen Einkünften des im Übrigen ohnehin gewerblich tätigen Teilhabers zugerechnet werden, oder originäre gewerbliche Einkünfte vermitteln. Letzteres ist bekanntlich dann der Fall, wenn die Innengesellschaft alle Merkmale einer Mitunternehmerschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf sich vereinigt.
IV. Stille Teilhabe am Unternehmen einer Organgesellschaft 1. Auswirkung auf das Einkommen der Organgesellschaft Es ist gleichgültig, ob die stille Teilhabe den Charakter von Kapitaleinkünften aufweist oder ein gewerbliches Engagement darstellt. Das aufgrund der stillen Beteiligung an dem Unternehmen der Organgesellschaft dem Stillen zugewiesene Ergebnis fügt sich in das Schema der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft, das Gegenstand der Zurechnung gem. § 14 KStG ist, wie folgt ein: Bevor die steuerlichen Folgen des § 14 KStG gezogen werden, ist in einem ersten Schritt das Einkommen der Organgesellschaft nach den allgemeinen Regeln des § 8 Abs. 1 KStG zu ermitteln und dies unter Nichtberücksichtigung der Organschaft. Der Jahresüberschuss aufgrund der Handelsbilanz, der regelmäßig aufgrund der Gewinnabführung bzw. der Übernahme der Fehlbeträge durch den Organträger Null betragen wird, ist nach den allgemeinen Regeln mit Hilfe der steuerbilanziellen Korrekturen (§ 5 Abs. 6 EStG) zu einer Steuerbilanz zu entwickeln (§ 60 Abs. 2 EStDV, Gewinnermittlung 1. Stufe)1, an der dann die außerbilanziellen Korrekturen (Gewinnermittlung 2. Stufe) anknüpfen. Nach diesem auf dem Weg zur Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft gefundenen Zwischenschritt erfolgt die Hinzurechnung des an den Organträger abgeführten Gewinns (auch des Vorabgewinns) bzw. die Kürzung um die von dem Organträger bereits vorgenommene oder die noch vorzunehmende Übernahme von Fehlbeträgen. Streitig ist dabei, ob die Gewinnabführung ähnlich der Gewinnausschüttung eine Form der Einkommensverwendung (§ 8 Abs. 3 KStG) darstellt oder ein der Organschaft eigentümlicher Korrekturbetrag2. Für die hier interessierende Untersuchung spielt der Meinungsunterschied keine Rolle, weil die Korrektur auf jeden Fall jenseits des steuerlichen Rechnungsabschlusses außerbilanziell zu erfolgen hat. Gleiches gilt auch für die Übernahme der Fehlbeträge durch den Organträger, in der die h. M. eine Einlage bei der Organgesellschaft sieht. Zahlungen der Organgesellschaft an einen stillen Teilhaber aufgrund einer typischen oder atypischen Beteiligung an der Organgesellschaft stellen für sie Betriebsausgaben dar, wirken sich damit für die Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft schon auf der ersten Stufe der zweistufigen Gewinnermittlung aus und sind bei ihr bereits bei dem bilanziell ausgewiesenen Er-
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1 Vgl. zur mehrstufigen Gewinnermittlung Wassermeyer, GmbHR 2003, 313. 2 Wassermeyer in Herzig, Organschaft, 2003, S. 210 f.
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gebnis zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei atypischen Beteiligungsverhältnissen für die Teilnahme am Verlust der Organgesellschaft. Diese drückt sich in einem entsprechenden Anspruch der Organgesellschaft auf Ausgleich des Fehlbetrags gegenüber dem Teilhaber aus, der bei ihr ertragswirksam zu erfassen ist und damit schon handelsbilanziell und folglich auch steuerbilanziell beachtlich ist. Auf der anderen Seite stellen die Gewinnbeteiligungen für den unternehmerisch tätigen stillen Beteiligten Betriebseinnahme und die Verlustbeteiligungen Betriebsausgaben dar3. Dies gilt auch, wenn der Organträger selbst an der Organgesellschaft still beteiligt ist. Die Gewinnbeteiligung ist keine vorweggenommene Form der Gewinnabführung ebenso wenig wie die Verlustübernahme eine Einlage darstellt. Erst das durch die Gewinnbeteiligung des Organträgers als stiller Teilhaber geminderte Einkommen der Organgesellschaft ist Gegenstand der steuerrechtlichen Zurechnung. 2. Außenstehender Gesellschafter als stiller Teilhaber Vergleichbares gilt, wenn ein außenstehender Gesellschafter i. S. d. § 16 KStG zugleich stiller Teilhaber der Organgesellschaft ist. Ausgleichszahlungen nach § 16 KStG sind aus dem versteuerten Einkommen der Organgesellschaft zu leisten und nach der Wertung des Gesetzes wie eine Gewinnausschüttung zu behandeln. Das Gesetz geht von der Vorstellung aus, dass der für die Ausgleichszahlungen zu verwendende Betrag Teil des Einkommens der Organgesellschaft ist, der den außenstehenden Gesellschaftern vorbehalten ist und nicht für die Abführung an den Organträger zur Verfügung steht. Konsequenterweise kann insoweit auch eine Versteuerung des Ausgleichsbetrags durch den Organträger nicht in Frage kommen, sondern es bleibt bei dem Grundsatz, dass das Steuersubjekt für die Besteuerung des Einkommens zuständig ist, das es selbst erwirtschaftet hat, also hier die Organgesellschaft. Hat die Organgesellschaft den Ausgleichsbetrag geleistet, ist die hierdurch eingetretene Betriebsvermögensminderung außerbilanziell zu korrigieren (§ 4 Abs. 5 Nr. 9 EStG). Hat statt der Organgesellschaft der Organträger die Ausgleichszahlung geleistet, kann dies seinen Gewinn ebenfalls nicht mindern (§ 4 Abs. 5 Nr. 9 EStG). Wenngleich die Organgesellschaft ihren in diesem Fall nicht um die Ausgleichszahlung geminderten Gewinn an den Organträger abgeführt hat, bestimmt § 16 Satz 2 KStG, dass in Höhe der Ausgleichszahlung die Organgesellschaft selbst die Versteuerung vorzunehmen hat und nicht der Organträger, dessen Einkommen folglich korrespondierend zu mindern ist4. Nach alledem findet die Leistung der Ausgleichszahlungen auf der Ebene der Einkommensverwendung und nicht auf der Ebene der Einkommensermittlung statt. Demgegenüber stellen Gewinnbeteiligungen an der Organgesellschaft – wie oben ausgeführt – für sie keine Einkommensverwendung dar und damit keine Form der Ausgleichszahlung. Die Versteuerung des zugewiesenen Gewinnanteils ist damit allein Sache des außenstehenden Gesellschafters und nicht
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3 Zur gewerbesteuerlichen Behandlung hingegen vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 2 Rz. 2599 sowie § 5 Rz. 90 ff. 4 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 14 Rz. 302.
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Angelegenheit der Organgesellschaft5. Ist ein Dritter hingegen an dem Gesellschaftsanteil des außenstehenden Gesellschafters unterbeteiligt, ist die Leistung der Organgesellschaft an den außenstehenden Gesellschafter unverändert eine Ausgleichszahlung.
V. Stille Teilhabe auf der Ebene des Organträgers Soweit eine stille Teilhabe auf der Ebene des Organträgers erfolgt, ergeben sich Fragestellungen aus unterschiedlichen Blickrichtungen, die im Folgenden näher beleuchtet werden: 1. Stille Teilhabe an dem Ergebnis des Organträgers Grundsätzlich ist es für die Anerkennung der Organschaft ohne Bedeutung, in welcher Weise der Organträger über seinen Gewinn bzw. sein Einkommen, in dem das abgeführte Einkommen der Organgesellschaft enthalten ist, verfügt. Deshalb ist eine typisch oder atypisch stille Beteiligung zusammen mit dem Organträger wie auch eine Unterbeteiligung, bei der der stille Gesellschafter bzw. Unterbeteiligte an dem Ergebnis des Organträgers partizipiert, das auch aus der Gewinnabführung durch die Organgesellschaft gespeist wird, im Regelfall steuerlich unschädlich. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn dem stillen Gesellschafter bzw. Unterbeteiligten aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen stets das (gesamte) Ergebnis der Organgesellschaft zugewiesen wird. Ein ähnliches Problem besteht dann, wenn zwischen den Gesellschaftern des Organträgers eine inkongruente Gewinnausschüttung dergestalt verabredet wird, dass ein Gesellschafter des Organträgers abweichend von der Höhe seiner Beteiligung stets das von der Organgesellschaft an den Organträger abgeführte Ergebnis6 beanspruchen kann. In diesen Fallvarianten wird wohl wie folgt zu unterscheiden sein: Erstreckt sich die Teilhabe lediglich auf den – auch vollständig – abgeführten Gewinn der Organgesellschaft, also nur auf ihr wirtschaftliches Ergebnis, dürfte dies prinzipiell unschädlich sein, auch dann wenn dadurch der Organträger faktisch das Ergebnis der Organgesellschaft nicht selbst versteuert. Er kann aber nur dann (noch) Organträger sein, wenn er selbst Inhaber der Beteiligung an der Organgesellschaft ist und ihm gegenüber die finanzielle Eingliederung besteht. Eine Grenze der Gestaltung ist folglich erreicht, wenn der durch die inkongruente Gewinnausschüttung oder durch die stille Teilhabe durch den Organträger bedachte Steuerpflichtige eine derart bedeutsame Position eingeräumt erhält, dass er als wirtschaftlicher Eigentümer der Beteiligung an der Organgesellschaft anzusehen ist. Wenn die stille Beteiligung als Mitunternehmer-
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5 Zum Steuerschuldner der Gewerbesteuer vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG § 5 Rz. 90 ff. 6 Im Rahmen einer sog. tracking-stock-Struktur; vgl. hierzu Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616 (619); Balmes/Graessner, DStR 2002, 838; Prinz FR 2001, 285.
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schaft – diese Fallvariante dürfte in der Praxis regelmäßig diejenige sein, bei der die steuerschädliche Grenze überschreitbar ist – dem stillen Gesellschafter in Bezug auf die Organgesellschaft Mitsprachebefugnisse und Entscheidungsvorbehalte einräumt, die den Organträger im Innenverhältnis weitestgehend zurückdrängen, wird die Grenze überschritten sein. Entscheidend hierfür sind die Besonderheiten des Einzelfalls, so dass Rezepte, wie weit die Befugnisse des Organträgers schadlos einschränkbar sind, nicht existieren. Ist die Grenze überschritten, hat dies zur Konsequenz, dass die Eingliederung der Organgesellschaft im Verhältnis zum Organträger nicht (mehr) gegeben ist. Eine solche das wirtschaftliche Eigentum vermittelnde Stellung erfordert sicherlich zudem, dass der stille Gesellschafter und nicht der Organträger wirtschaftlich auch die Verluste der Organgesellschaft zu tragen hat, weil nur so der stille Gesellschafter alle Elemente des wirtschaftlichen Eigentums, nämlich die Chance der Wertsteigerung und das Risiko der Wertminderung auf sich vereinigt. Es stellt sich bei diesen Konstellationen zudem die Frage, ob handelsrechtlich ein Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 AktG gegeben oder ob damit eine Teilgewinnabführung an den stillen Gesellschafter verbunden ist. Auf die nachstehenden Ausführungen, die diese Frage in einem anderen Zusammenhang beleuchten, wird insoweit verwiesen. 2. Die stille Gesellschaft als Organträger? Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich zu der Frage, ob eine stille Beteiligung ein tauglicher Organträger sein kann, bislang noch nicht geäußert. Will man sich der Lösung dieses Problems nähern, ob die stille Gesellschaft als Organträger in Betracht kommen kann, sind auf dem Weg dorthin folgende zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Zwischenhürden zu nehmen: a) Der Gewinnabführungsvertrag Zivilrechtlich muss der Organträger nach § 291 AktG ein Unternehmen sein. Auf die Rechtsform des Unternehmens kommt es dabei nicht an, folglich kommt auch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als Vertragspartner in Betracht. Die stille Gesellschaft wie die Unterbeteiligung sind jedoch Personengesellschaften, die nicht nach außen wirken und damit auch kein Außenverhältnis aufbauen können. Der stille Gesellschafter wie auch der Unterbeteiligte treten nicht als Träger des Unternehmens in Erscheinung. Damit besitzen stille Gesellschaft und Unterbeteiligung keine auch nur partielle Rechtsfähigkeit mit der weiteren Folge, dass sie als Vertragspartner für einen Gewinnabführungsvertrag nicht in Betracht kommen. Vertragspartner ist zivilrechtlich ausschließlich der Geschäftsinhaber7.
__________ 7 Vgl. hierzu Schmidt in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1986, § 230 Rz. 171 ff.; Bezzenberger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2 1991, § 1 StG Rz. 8 ff.
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Für steuerliche Zwecke verlangt § 14 Abs. 1 KStG lediglich, dass die Organgesellschaft sich aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags verpflichtet hat, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen. Das Steuerrecht verlangt also nicht ausdrücklich, dass der Gewinn an den Vertragspartner abzuführen ist. Auch wenn die stille Gesellschaft bzw. Unterbeteiligung nicht Vertragspartner der Organgesellschaft sein kann, schließt der Wortlaut des § 14 KStG nicht aus, dass sie durchaus die Stellung eines Organträgers innehaben können. Kein Gewinnabführungsvertrag, sondern ein anderer Unternehmensvertrag ist der sog. Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Die überwiegende handelsrechtliche Literatur geht davon aus, dass die Aufnahme eines stillen Gesellschafters bei dem Organträger dazu führe, dass nicht mehr der ganze Gewinn der abhängigen Kapitalgesellschaft an den bisherigen Vertragspartner abgeführt werde, sondern auch zum Teil an den stillen Teilhaber8. Die Begründung einer stillen Gesellschaft führe also dazu, dass kein Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG mehr vorliege. Diese Auffassung ist nicht unwidersprochen geblieben. Bei atypisch stillen Gesellschaften bestehe nach Auffassung der Gegenmeinung eine unternehmerische Verbundenheit in einem solchen Grad, dass hierdurch die Autonomie des Inhabers des Geschäfts beschränkt werde, weil an die Stelle seines Engagements gegenüber der abhängigen Gesellschaft das der stillen Gesellschaft trete9. Im Kern geht es also hierbei darum, ob aus steuerlicher Sicht die stille Gesellschaft, deren Engagement (auch) die Beteiligung an der Organgesellschaft einschließt, deshalb tauglicher Organträger ist, weil der Gewinn der Organgesellschaft nicht teilweise an den Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrags und zum anderen Teil – vermittelt über die stille Beteiligung – an den stillen Gesellschafter, sondern ungeschmälert und im Ganzen an die stille Gesellschaft selbst abgeführt wird, die damit alleinige Trägerin des gewerblichen Unternehmens i. S. d. § 14 Abs. 1 KStG ist. Räumt man der stillen Gesellschaft einen solchen steuerlichen Stellenwert an, würde der aus handelsrechtlicher Sicht zu bejahende Teilgewinnabführungsvertrag aus steuerlicher Sicht hingegen ein uneingeschränkter Gewinnabführungsvertrag bleiben, zumal steuerlich der Vertragspartner und das den ganzen Gewinn erhaltende Unternehmen nicht identisch sein müssen. In eine ähnliche Richtung geht die in der Literatur vertretene Auffassung, nach der der Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags steuerlich der atypisch stillen Gesellschaft zuzurechnen sei, weil ja der gesamte Gewinn an diese Innengesellschaft abgeführt werde10. Ob dieser Schluss aus steuerlicher Sicht jedoch trägt, soll die nachfolgende Untersuchung ein wenig näher beleuchten.
__________ 8 Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 2. Aufl., § 292 Rz. 53 f.; Altmeppen in MünchKomm/AktG, 2. Aufl. Bd. 8, 2000, § 292 Rz. 65 jeweils mwH. 9 Vgl. Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427 (447 ff.). 10 Schmidt/Hageböke, DStR 2005, 761 (764).
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b) Die Mitunternehmerschaft als Organträgerin § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 KStG bestimmt, dass Organträger auch eine Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein kann, wenn sie eine Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt. Weiter heißt es, dass die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, also die finanzielle Eingliederung in Bezug auf die Organgesellschaft im Verhältnis zur Personengesellschaft selbst erfüllt sein muss. Die atypisch stille Beteiligung, bei der die erforderlichen Merkmale hinsichtlich der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos ihrer Gesellschafter hinreichend ausgeprägt sind, erfüllt unstreitig die steuerlichen Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft. Zu überlegen ist allenfalls, ob sie auch eine Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auszuüben vermag. Aber auch über diese Klippe kommt man hinweg, weil der steuerlich relevante Gegenstand der stillen Gesellschaft der Gewerbebetrieb zusammen mit dem Betriebsvermögen des Betriebsinhabers ist. Handelt es sich bei dem Betrieb des tätigen Teilhabers um ein gewerbliches Unternehmen, kann Gegenstand der stillen Gesellschaft kein anderes sein. Die stille Gesellschaft ist insoweit gleichermaßen Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifizierung11. Mitunter wird noch dahingehend differenziert, dass ungeachtet dessen die stille Gesellschaft nicht den für einen Organträger erforderlichen Geschäftsbetrieb mit sich bringe, sondern an einem solchen nur beteiligt sei12. Diesem Aspekt ist entgegenzuhalten, dass der still atypisch Beteiligte zusammen mit dem Geschäftsinhaber durchaus einen Geschäftsbetrieb gemeinsam unterhält. Schließlich ist die Mitunternehmerstellung nur dann zuzugestehen, wenn dem still Beteiligten im Innenverhältnis eine einem Kommanditisten vergleichbare Rechtsstellung in Bezug auf die unternehmerischen Entscheidungen zuzuerkennen ist. Die Kritik setzt wohl daran an, dass es im Vergleich zu der Personenhandelsgesellschaft daran fehlt, dass der stille Gesellschafter nicht nach außen auftritt und nicht als tätiger Gesellschafter wahrgenommen wird. Dem Gesetz ist insoweit aber kein Hinweis entnehmbar, dass es innerhalb der Mitunternehmerschaft für die Eignung als Organträger danach unterscheiden will, ob sie eine solche ist, bei der die Gesellschafter nach außen (wenngleich beschränkt) haften oder ob eine solche Außenhaftung nicht besteht. Für die Organträgerschaft ist die Außenhaftung nicht Wesensmerkmal. Das die stille Gesellschaft Prägende besteht neben dem Umstand, dass der stille Teilhaber nicht nach außen haftet, insbesondere darin, dass sie über kein Gesamthandsvermögen verfügt. Es ist allerdings unstreitig, dass auch das Gesamthandsvermögen kein steuerlich relevantes Merkmal für die Existenz einer Mitunternehmerschaft ist. Für die Organschaft mit einer Mitunternehmerschaft als Organträger wird in der Lit. jedoch zum Teil die Auffassung vertreten, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG, der verlangt, dass die finanzielle
__________ 11 BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328 (329). 12 Erle in Erle/Sauter, § 14 KStG Rz. 79.
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Eingliederung „im Verhältnis zur Personengesellschaft selbst erfüllt“ ist, mit diesem Merkmal ausdrücken will, dass die Beteiligung an der Organgesellschaft der Personengesellschaft auch zivilrechtlich zuzuordnen ist. Die Personengesellschaft selbst müsse also zivilrechtliche Inhaberin der Beteiligung sein. Eine derartige Stellung sei nur dann gegeben, wenn die Personengesellschaft in der Lage sei, Gesamthandsvermögen zu bilden. Da dies bei der stillen Gesellschaft zivilrechtlich ausgeschlossen ist, sei eine finanzielle Eingliederung unmöglich13. Abgeleitet wird dieser Standpunkt weniger aus der eigentümlichen Formulierung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG, sondern vielmehr aus der gesetzgeberischen Motivation des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vom 16.5.200314. Vor dem Veranlagungszeitraum 2003 genügte es für die finanzielle Eingliederung, dass die Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft zum steuerlichen Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörte, wobei es keine Rolle spielte, ob die Beteiligung dem gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen oder dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers zuzuordnen war, der zivilrechtlich alleiniger Inhaber der Beteiligung war. Die Gesetzesänderung ging einher mit der Abschaffung der Mehrmütterorganschaft durch Streichung des § 14 Abs. 2 KStG in seiner bis zum Veranlagungszeitraum 2002 geltenden Fassung. Es sollten mit der flankierenden Maßnahme in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG Gestaltungen verhindert werden, „durch die über eine andere nicht gewerblich tätige Personengesellschaft das Ergebnis einer Mehrmütterorganschaft erreicht werden könnte“15. Vor diesem Hintergrund ist unter historischen und teleologischen Auslegungsgrundsätzen die Auffassung, dass die Beteiligung an der Organgesellschaft der Organträger-Personengesellschaft auch selbst „gehören“ muss, also Bestandteil ihres eigenen zivilrechtlichen Vermögens zu sein hat, durchaus berechtigt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung kommen wohl deshalb auf, weil dieser gesetzgeberische Wille unter ausschließlicher Anwendung der Auslegungsgrundsätze nach dem Wortlaut im Gesetzestext, der auf einen objektivierten gesetzgeberischen Willen schließen lassen muss, nicht hinreichend Ausdruck gefunden hat und dies vor dem Hintergrund, dass die Regelungen zur Mitunternehmerschaft in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kein „uneingeschränktes Gesamthandserfordernis“ kennen16. Dieser Einwand hat einiges für sich. Jedoch erklärt die Gegenauffassung nicht deutlich, zu welchem Betriebsvermögen die Beteiligung dann gehören soll. Handelsrechtlich ist diese Frage eindeutig dahingehend zu beantworten, dass der Inhaber des Unternehmens auch Inhaber der Beteiligung ist. Unstreitig ist daher, dass der Inhaber des Unternehmens in Bezug auf den Teil seines Betriebsvermögens, an dem der stille
__________ 13 Frotscher in Frotscher/Maas, § 14 KStG Rz. 70; Dötsch, DB 2005, 2541 (2543); DB 2006, 475; Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 130; BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 13. 14 BGBl. I 2003, 330. 15 BT-Drucks. 15/119, Begründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG. 16 Gosch in FS Raupach, S. 461 (474); vgl. auch Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz. 326.1.
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Gesellschafter schuldrechtlich partizipiert, seine dingliche Berechtigung nicht eingebüßt hat, also Gesamthandseigentum infolge der stillen Gesellschaft nicht begründet wird. Die Gegenauffassung in der Literatur will ungeachtet dessen die Zuordnung zu dem steuerlichen Betriebsvermögen der stillen Gesellschaft genügen lassen. Hinsichtlich der Beteiligung des Stillen an dem Betriebsvermögen des Unternehmensinhabers ist allerdings völlig ungeklärt, als was für eine besondere Art steuerlichen Betriebsvermögens dieses Engagement des Stillen zusammen mit dem Unternehmensinhaber in Bezug auf den Ausschnitt des zivilrechtlichen Vermögens des Betriebsinhabers, der von der stillen Beteiligung umfasst wird, qualifiziert werden kann. Es ist weder (handelsrechtliches) Gesamthandsvermögen noch steuerliches Sonderbetriebsvermögen, gleichwohl soll es eigenes Betriebsvermögen der stillen Gesellschaft sein, das dem Gesamthandsvermögen einer KG vergleichbar sein soll17, also eine Art „Als-ob-Gesamthandsvermögen“, „virtuelles Gesamthandsvermögen“18 oder „fiktive Gesamthandsgemeinschaft“19. Dies stellt dann neben Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen eine dritte noch recht unerforschte Art steuerlichen Betriebsvermögens dar, dem sich eine Mitunternehmerschaft widmen könnte. Diese Zuordnungsentscheidung hat allerdings zur Folge, dass allein für steuerliche Zwecke bei Gründung einer stillen Gesellschaft das Betriebsvermögen, auf das sich die stille Beteiligung bezieht, aus dem steuerlichen Betriebsvermögen des Inhabers des Unternehmens herausgelöst wird und der stillen Gesellschaft neu zuzurechnen ist. Dieser Vorgang müsste dann wohl nach den üblichen Regeln, die für die steuerliche Übertragung und Überführung von Betriebsvermögen gelten, beurteilt werden. Eine Norm zu finden, die diesen Vorgang stets als erfolgsneutral qualifiziert, ist allerdings nicht leicht, weil die Voraussetzungen des einschlägigen § 6 Abs. 3 und 5 EStG nicht immer erfüllt sind. § 6 Abs. 3 EStG setzt die unentgeltliche Übertragung eines strukturierten Betriebsvermögens auf einen anderen Zivilrechtsträger voraus. Hieran mangelt es deshalb, weil zum einen die zivilrechtlichen Befugnisse des Inhabers des Unternehmens unberührt bleiben und zum anderen der Gegenstand der stillen Beteiligung keineswegs die von § 6 Abs. 3 EStG verlangte steuerliche Qualität eines Betriebs oder Teilbetriebs aufweisen muss, sondern sich durchaus auf unstrukturierte Teile des Betriebs beschränken kann. Ebenso wenig passt die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1, 2. HS EStG, die eine Unternehmensnachfolge unter natürlichen Personen begünstigen will. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG befasst sich mit der inkongruenten Teilhabe des neu aufgenommenen Mitunternehmers am steuerlichen Betriebsvermögen, wenn der Altgesellschafter keine anteilige Vermögensübertragung vornimmt. Gerade diese Situation wird von den Befürwortern eines Quasi-Gesamthandsvermögens bei der stillen Beteiligung verneint.
__________ 17 Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 348. 18 Karsten Schmidt in MünchKomm/HGB, § 230 Rz. 87. 19 Schmidt/Hageböke, DStR 2005, 761 (763) m. w. N.
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§ 6 Abs. 5 EStG erlaubt die erfolgsneutrale Überführung einzelner Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen und die Übertragung in das steuerliche Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft oder aus einer solchen heraus gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten. Dass ein Überführungsvorgang bei der Gründung oder Beendigung einer stillen Gesellschaft nicht vorliegt, liegt auf der Hand, wenn man ein Quasi-Gesamthandsvermögen bejahen möchte, an dem der Inhaber des Unternehmens nicht allein, sondern nur zusammen mit dem Stillen steuerlich beteiligt ist. Es ist also eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern anzunehmen, die aber nur dann erfolgsneutral zu gestalten ist, wenn sie im Tauschwege den Erwerb oder die Hingabe von Gesellschaftsrechten zur Folge hat, wobei der Erwerb oder die Hingabe einer mitunternehmerschaftlichen Position genügt. Einen solchen Erwerb bzw. eine Hingabe eines Gesellschaftsrechts wegen des steuerlichen Vermögenstransfers im Gefolge der Begründung bzw. Auflösung einer stillen Gesellschaft zu entdecken, fällt schwer. Der Inhaber des Unternehmens beschränkt sich in der Wahrnehmung seiner Eigentümerposition in Bezug auf einen Teil seines steuerlichen Betriebs nur deshalb, um die in sein Vermögen übergehende Einlage des Stillen zu erlangen, währenddessen der Tauschvorgang, den § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG regelt, solche Vorgänge im Blick hat, bei denen der Steuerpflichtige seine ursprüngliche alleinige Berechtigung an dem Wirtschaftsgut gegen eine diese substituierende gleichwertige mithänderische Berechtigung nach den Regeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhält. Die Zielrichtung der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist damit eine deutlich andere. Der Erwerb einer mitunternehmerischen Position muss sich ferner in dem Buchführungswerk der Mitunternehmerschaft hinreichend niederschlagen. Dies geschieht bei Hingabe eines Wirtschaftsguts in der Regel durch eine entsprechende Darstellung im Kapitalkonto zugunsten des hingebenden Gesellschafters. Völlig ungeklärt ist dann wiederum, ob der stille Gesellschafter in Höhe seiner Einlage ebenfalls kapitalmäßig an der stillen Gesellschaft beteiligt ist und ob diese so gebildeten Eigenkapitalkonten der Gesellschafter zugleich Ausdruck der Gewinnverteilung unter ihnen sein sollen. Weicht der zivilrechtliche Anteil an der Höhe des Gewinnanteils von der Eigenkapitalverteilung ab, ist steuerlich entweder von dem Geschäftsinhaber durch die Hingabe der Wirtschaftsgüter oder von dem Stillen durch die Hingabe der Einlage vermögensmäßig „zuviel“, also ohne Gegenleistung und damit unentgeltlich zugunsten des anderen Teils zugewendet worden, so dass sich sofort schenkungsteuerliche Überlegungen aufdrängen20. Die Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Seite der atypisch stillen Gesellschaft äußerte sich bereits zu ihr aus dem Blickwinkel des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG. Sie hat zwar schon recht früh betont, dass das nur außerhalb wahrnehmbare Wirken des tätigen Gesellschafters im Innenverhältnis hingegen allen Gesellschaftern einheitlich zuzurechnen sei21, sich aber zur Zurechnung von Wirtschaftsgütern nicht geäußert. In einer späteren
__________ 20 Vgl. hierzu allgemein Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz. 121 f., 473 ff. 21 BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328.
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Entscheidung zu einer Unterbeteiligung an einer GmbH-Beteiligung führt er zwar aus, dass es für eine Mitberechtigung eines Unterbeteiligten unschädlich ist, dass nur der Geschäftsherr die Stimm- und Verwaltungsrechte nach außen wahrnimmt und lediglich im Innenverhältnis der Wahrung der Interesse der Innengesellschaft verpflichtet ist22. Jedoch setzt der BFH dabei voraus, dass der Unterbeteiligte auch wirtschaftlicher Eigentümer in Bezug auf die Beteiligung zumindest in Gestalt einer Mitberechtigung geworden ist23. Gerade dies ist in Fällen der stillen Beteiligung nicht der Fall, weil sich der Stille auf die Hingabe der Vermögenseinlage beschränken wird, das Risiko des wirtschaftlichen Verlustes der Beteiligung allein bei dem Geschäftsherrn verbleibt. Ist die stille Beteiligung hingegen so ausgestaltet, dass auch der Stille wirtschaftlicher Eigentümer wird, schließt sich der Kreis wiederum und es kann auf das hierzu oben an anderer Stelle bereits Gesagte (vgl. oben V.1.) verwiesen werden. Die Rechtsprechung des BFH ist damit inhaltlich zu begrüßen; sie stellt aber keineswegs einen Beleg für die Richtigkeit eines Quasi-Gesamthandsvermögens dar. Freilich wird zu erwarten sein, dass trotz aller ungeklärter Fragen die Befürworter des Quasi-Gesamthandsvermögens einer stillen Beteiligung für die Begründung des Gesellschaftsverhältnisses eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 ff. EStG bemühen werden. Jedoch ist die Analogie in der Gesetzesauslegung nicht voraussetzungsfrei. Nach der juristischen Methodenlehre setzt der Analogieschluss eine planwidrige Unvollkommenheit des Gesetzes voraus, die durch ein „Zu Ende Denken“ auf der Grundlage eines vorhandenen Gesetzesgerüsts auf den zu beurteilenden Sachverhalt zu beseitigen ist. Eine solche Planwidrigkeit hier allerdings auszumachen, fällt schwer. Der Gesetzgeber hat für seine Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG klar umrissene Sachverhaltsgestaltungen im Blick gehabt, die – wie ausgeführt – von der stillen Gesellschaft nicht erfüllt werden. Er hat damit auch keine „offene“ Rechtsnorm gestalten wollen in der Weise, bislang nicht berücksichtigte Tauschvorgänge ebenfalls in die Steuerfreiheit einzubeziehen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall; § 6 Abs. 6 EStG ist ein deutlicher Beleg hierfür. Auch ist die stille Gesellschaft keineswegs aus dem Blickwinkel des Gesetzgebers geraten. Gegen eine solche Vergesslichkeit sprechen die bereits erwähnten Bestimmungen in §§ 15 Abs. 4 Satz 6 ff., 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, die verdeutlichen, dass der Gesetzgeber nicht nur nicht die stille Gesellschaft aus dem Gesichtsfeld verloren, sondern sie sogar mit restriktiven Regelungen überzogen hat. Außerdem ist das Rechtsinstitut der atypisch stillen Beteiligung schon seit längerem kein unbekanntes, so dass nach alledem gleichwohl in der vom Gesetzgeber bislang unterlassenen Einbeziehung der stillen Gesellschaft in den Regelungsgehalt des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine „Lücke“ sehen zu wollen ein kühnes Unterfangen wäre. Kurzum: der Gesetzgeber geht durchaus bewusst nicht von der Existenz eines steuerlichen Betriebsvermögens der dritten Art bei der stillen Gesellschaft aus. Will man ein solches bejahen, bedürfte es einer konstituierenden Norm, die Voraussetzungen und Folgen im Einzelnen regelt.
__________ 22 BFH v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857 (860). 23 BFH v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857 (859).
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c) Die wieder belebte Mehrmütterorganschaft mit Hilfe der stillen Beteiligung? Bekanntlich muss sich die stille Beteiligung nicht auf den gesamten Geschäftsbereich des Geschäftsinhabers beziehen. Sie kann auf ausgewählte Geschäftsbereiche des Geschäftsherrn beschränkt werden24. Damit ist es ohne weiteres möglich, den Geschäftszweck der Innengesellschaft auf die Beteiligung an der Organgesellschaft zu beschränken. Von hier aus ist es ein kleiner Schritt, auch weitere Beteiligte als Gesellschafter einer oder ggf. mehrerer wechselbezüglicher Innengesellschaften an der Wahrnehmung der Rechte aus der Beteiligung teilhaben zu lassen. Eine solche Innengesellschaft oder bei Bedarf mehrere solcher Innengesellschaften hätten dann lediglich den Zweck, die Interessen und die Wahrnehmung der Rechte aus der Beteiligung zwischen den Gesellschaftern der Innengesellschaft(en) zu bündeln. Sie würde dann die Funktion einer Willensbildungspersonengesellschaft übernehmen und damit der abgeschafften Mehrmütterorganschaft zu neuem Leben verhelfen. Dass dies dem Willen des Steuergesetzgebers, ab dem Veranlagungszeitraum 2003 die Mehrmütterorganschaft nicht mehr zulassen zu wollen, zuwiderläuft, muss nicht näher begründet zu werden. Auch dieser Aspekt spricht für das hier gefundene Ergebnis, dass die stille Gesellschaft nicht als Organträger in Frage kommen kann.
VI. Epilog Dem Autor ist bewusst, dass er – einem Finanzbeamten angemessen – sich in diesem Beitrag darum bemüht hat zu verdeutlichen, welche Gestaltungen nicht zu akzeptieren sind, und dass er keine Wege in Aussicht gestellt hat, die mit Billigung der Finanzverwaltung gestalterisch, d. h. zur sog. Steueroptimierung genutzt werden können. Bei allem Verständnis für den Beruf und das Engagement von Harald Schaumburg, neue Wege zu begehen, hat das hier gefundene Ergebnis, dass nicht jedes gewünschte Ziel mittels einer gefahrlosen Wegstrecke erreichbar ist, auch seinen Vorteil. Unser Steuerrecht, dessen Komplexität in großer Einigkeit – wenngleich aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus – stets auf das Neue beklagt wird, kann es ganz gut vertragen, wenn die gesellschaftsrechtliche Formenvielfalt steuerlich nicht immer nachvollzogen wird. Das kann vor allem dann ohne Schmerz hingenommen werden, wenn wirtschaftlich adäquate Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Folgt man dem Autor mit der These, dass die stille Gesellschaft gem. § 230 HGB kein steuerlicher Organträger sein kann, ist sicherlich eines erreicht. In diesem winzigen Ausschnitt seines gesamten Regelungswerks ist das Steuerrecht einfacher geworden. Harald Schaumburg wird sicherlich diese Richtung, in die sich das kommende Steuerrecht bewegen sollte, begrüßen.
__________ 24 BFH v. 6.12.1995 – I R 109/94, BStBl. II 1998, 685; Schmidt/Wacker, EStG § 15 Rz. 360.
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Ulrich Prinz
Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei qualifizierten Gesellschafterdarlehen – unsystematisch und fragwürdig, aber gestaltbar Inhaltsübersicht I. Zum Anlass II. Zum Thema: Verwirrende Vielzahl von Abzugsverboten für Beteiligungsaufwendungen III. Zur Systematik des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG 1. Klarstellung der Rechtslage oder konstitutive Neuregelung ab 1.1.2008 2. Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG, Abzugsverbot als Rechtsfolge 3. Nachweisgebundener „Ausstieg“ aus dem Gewinnminderungsverbot (§ 8b Abs. 3 S. 6 KStG) 4. Fehlende Reflexwirkung des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG auf der Darlehensnehmerseite
5. Gesellschaftsrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG: Unterschiedliche Wertungsüberlegungen? IV. Zur Gestaltbarkeit rund um § 8b Abs. 3 KStG 1. Zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaft 2. Nutzung von Finanzunternehmen als „Schutzschild“? 3. Keine Geltung des § 8b Abs. 3 KStG für Darlehen an ausländische Kapitalgesellschaften – argumentative Ansatzpunkte zur Steuerrechtsdurchsetzungsberatung 4. Befreiende Schuldübernahme durch Gesellschafter V. Zum Schluss
I. Zum Anlass Der „Steuerrechtsanwalt“ Harald Schaumburg ist Praktiker und Wissenschaftler zugleich. Bei seiner praktischen Berufsausübung hat er zum einen stets die Systematik des Steuerrechts im Blick1, zum anderen ist es sein berufliches Anliegen, bestehende „Bruchstellen“ für Gestaltungen zu nutzen. Darüber hinaus gilt sein akademisches und berufspraktisches Interesse dem Internationalen Steuerrecht2. Aus unserem gemeinsamen Erleben in Mandaten ist als
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1 Vgl. etwa seinen Beitrag bei Lang (Hrsg.), FS für Klaus Tipke, Köln 1995 zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, S. 125–151. 2 Das Vorlesungsskript des jungen Lehrbeauftragten Harald Schaumburg an der Universität zu Köln zum Internationalen Steuerrecht aus dem Jahre 1978 bildet die Grundlage seines bekannten und voluminösen Lehrbuchs zum Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 1998, welches – ohne Übertreibung – als „steuerfachlicher Bestseller“ bezeichnet werden kann. Bereits 1978 war seine Freude an Fragen des Internationalen Steuerrechts erkennbar. Ich hatte damals als junger Student der Betriebswirtschaftslehre Gelegenheit, seinen stets mit großer Rhetorik vorgetragenen Überlegungen zu folgen.
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seine Vorgehensweise programmatisch: „Deklinieren wir den Fall mit seinen Rechtsproblemen doch einmal durch“. Dies vor Augen erscheint mir die körperschaftsteuerliche Spezialvorschrift des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG, die ein hoch problematisches Gewinnminderungsverbot bei Gesellschafterdarlehen und ähnlichen Gestaltungen beinhaltet, der Erörterung wert. Die Regelung hat durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 mit Wirkung ab dem 1.1.2008 „das Licht der Welt“ erblickt und fordert Gestaltungsüberlegungen geradezu heraus. Inhaltlich geht es um Fragen unternehmerischer Finanzierungsfreiheit3. Eigenund Fremdkapital sind mittlerweile in Gestalt hybrider Finanzierungsstrukturen funktional (und damit ökonomisch) weitgehend austauschbar, werden aber dennoch wegen ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur meist differenziert steuerlich gewürdigt. Ich habe Hoffnung, Harald Schaumburg könnte das Thema interessieren.
II. Zum Thema: Verwirrende Vielzahl von Abzugsverboten für Beteiligungsaufwendungen Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft führt aus Empfängersicht zu Eigenkapital; die schuldrechtlich begründete, meist zinstragende Gesellschafterforderung bewirkt im Grundfall Fremdkapital. Es gilt der Grundsatz unternehmerischer Finanzierungsfreiheit, die gesellschaftsrechtlichen Mindestausstattungserfordernisse sind ebenso wie die Kapitalerhaltungsgrundsätze zu beachten. Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens sind in der Insolvenz nachrangig, innerhalb einer Jahresfrist durch den Insolvenzverwalter anfechtbar. Ungeachtet dessen liegen aus Sicht des Gesellschafters zwei Wirtschaftsgüter vor, die steuerlich – jedenfalls zunächst – separat zu behandeln sind. § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG nun will beide Bereiche für Körperschaften im „Verlustfall“ gleich behandeln; das Abzugsverbot für Beteiligungsverluste erstreckt sich damit auch auf Forderungsrechte. Losgelöst davon sollen in- und ausländische Dividendenbezüge aus einer Kapitalgesellschaft zu 95 % steuerfrei, Zinsbezug aus einer Gesellschafterforderung voll steuerpflichtig bleiben. Dies erscheint im Ergebnis nicht recht stimmig, es zeigen sich Wertungswidersprüche. Wirrwarr um beteiligungsbezogene Abzugsverbote: Mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) sowie der umfassenden körperschaftsteuerlichen Beteiligungsertragsbefreiung des § 8b KStG im Jahre 2001 sind eine verwirrende Vielzahl von Abzugsverboten für laufende und einmalige Beteiligungsaufwendungen begründet worden. Zu Zeiten des körperschaft-
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3 Der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters wurde unter steuerlichen Gesichtspunkten erstmals entwickelt im BFH, Urt. v. 5.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. Diese Entscheidung war der Auslöser der Gesellschafterfremdfinanzierungs-Begrenzung gem. § 8a KStG durch das StandOG v. 13.9.1993. Aktuell geltende „Nachfolgevorschrift“ – allerdings mit abweichender Regelungsmethodik – ist die Zinsschrankenregelung (§ 4h EStG, § 8a KStG). Als Überblick zur Rechtsentwicklung, die den Eindruck einer Art „Experimentalgesetzgebung“ vermittelt, s. Prinz in HHRJahresband 2008, § 8a KStG Anm. J 07-2.
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steuerlichen Anrechnungsverfahrens (1977–2000) gab es wegen der Steuerpflicht der Beteiligungserträge solche Abzugsverbote nicht. Abgeltungsteuer und Teileinkünfteverfahren ab 1.1.2009 wirken ebenfalls sehr intensiv in Abzugsverbote hinein. Im betrieblichen Bereich führen die Abzugsverbote zu außerbilanziellen Korrekturen auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung, d. h. in der Steuerbilanz des Unternehmens kommen sie nicht zum Tragen. Diese Technik hat Folgen etwa bei Bilanzkorrekturen gem. § 4 Abs. 2 EStG, die nur innerhalb der Steuerbilanz möglich sind. Die diversen Abzugsverbote sind ein bedeutsames systematisches Kernproblem der im Jahre 2001 eingeführten „klassischen Körperschaftsteuer“4. Ausdrückliche gesetzliche Abzugsverbote für Gesellschafterdarlehen existieren jedenfalls bis einschließlich 2007 nicht. Allerdings gibt es für Darlehensverluste, die im Zusammenhang mit im Privatvermögen gehaltenen § 17 EStG-Anteilen stehen, eine Sonderrechtsprechung; durch normspezifische (weite) Auslegung des § 17 EStG werden derartige Verluste aufgrund gesellschaftsrechtlicher Veranlassung zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung umqualifiziert und damit bei Beendigung des Engagements (zumindest partiell) steuerwirksam5. Entsprechendes gilt für die Inanspruchnahme aus Sicherheiten eines Gesellschafters. Flüchtige Bestandsaufnahme zu Abzugsbeschränkungen: Es existieren eine Reihe unterschiedlich wirkender Abzugsverbote, die als „steuerrechtliche Bruchstellen“ Gestaltungen nach sich ziehen: – Beteiligungsbezogene Abzugsverbote für natürliche Personen mit Kapitalgesellschaftsanteilen im Betriebs- oder Privatvermögen: § 3c Abs. 2 EStG enthält ein Abzugsverbot zur Hälfte, ab 1.1.2009 zu 40 % für Erwerbsaufwendungen, die in wirtschaftlichem veranlagungszeitraumübergreifenden Zusammenhang mit Beteiligungsrechten stehen (etwa laufende Finanzierungs- und Verwaltungskosten, Veräußerungsverluste). Betroffen sind natürliche Personengesellschaften mit „Naturalgesellschaftern“, die Anteile an Körperschaften halten. Offen ist, ob § 3c EStG im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip auch bei endgültigen Aufgabe- und Veräußerungsverlusten anwendbar ist; insoweit könnte ein Verfassungsverstoß vorliegen6. Für den Sonderfall der Begründung einer REIT-AG-Immobilienstruktur besteht mit § 3c Abs. 3 EStG ein eigenständiges, bereichsbezogenes Halbabzugsverbot.
__________ 4 Vgl. mit umfassender Analyse Herzig, DB 2003, 1459. 5 Vgl. als Überblick Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl. 2008, § 17 Tz. 107–176; HHR/Eilers/R. Schmidt, § 17 EStG Anm. 201, 202 (Stand: Februar 2006); Neumann, GmbH-StB 2008, 361; Doege, Stbg 2008, 440. Aus der Rechtsprechung vgl. etwa BFH v. 19.8.2008 – IX R 63/05, DStR 2008, 2215; BFH v. 22.4.2008 – IX R 75/06, BFH/NV 2008, 1994. 6 Vgl. FG Düsseldorf v. 10.5.2007, EFG 2007, 1239 mit Anm. Herlinghaus: Verstoß gegen objektives Nettoprinzip; Az. beim BFH: IX R 98/07. Zum gegenteiligen Ergebnis gelangt FG Rh.-Pf v. 23.7.2008, EFG 2008, 1602 mit Anm. Herlinghaus; Az. beim BFH: IX R 42/08. Zur generellen Vereinbarkeit des § 3c Abs. 2 EStG mit dem Grundgesetz s. BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, DStR 2007, 1756; kritisch dazu Otto, DStR 2008, 228.
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– Abgeltungsteuer als „neue Schedule“: Bei der Abgeltungsteuer unterliegenden privaten Kapitalvermögenseinkünften (insbesondere Zinsen und Dividenden) gilt – abgesehen vom Sparerpauschbetrag – mit Wirkung ab 1.1.2009 ein vollständiges Abzugsverbot für entsprechende Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG). Die typisierende Flat Rate der Abgeltungsteuer macht nach der Vorstellung des Gesetzgebers den Erwerbsabzug entbehrlich. Unverhältnismäßige Wirkungen (etwa im Hinblick auf längerfristig begründete Finanzierungsverpflichtungen aus dem Beteiligungserwerb) soll das spezielle Optionsrecht des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für unternehmerische Beteiligungen abmildern. Allerdings wurde die (private) Kapitalvermögensbesteuerung generell und unabhängig von einer Gesellschafterstellung auf den Vermögensstamm ausgeweitet, wobei Gewinne/Verluste aus der Veräußerung von Kapitalforderungen einbezogen sind (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG, mit unklarer zeitlicher Anwendungsbestimmung); Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft sind der Veräußerung gleichgestellt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG). – Körperschaftsteuerliche Abzugsbeschränkungen: Für laufende Beteiligungsaufwendungen besteht im Dividendenbezugsjahr mit § 8b Abs. 5 KStG ein typisiertes 5 %iges Betriebsausgabenabzugsverbot, welches auf Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochterrichtlinie zurückgeht (Pauschalierung allgemeiner beteiligungsbezogener Verwaltungskosten). Diese Regelung bewirkt die Begrenzung der Beteiligungsertragsbefreiung auf 95 % und ist unabhängig vom tatsächlich entstandenen Erwerbsaufwand7. Über die 5 %-Grenze hinausgehende tatsächliche Aufwendungen bleiben voll abziehbar, es muss allerdings zur Verrechnung in ausreichender Höhe positives steuerpflichtiges Einkommen vorliegen. Ansonsten greift der interperiodische Verlustabzug mit seinen Mindestbesteuerungselementen ein (§ 10d EStG). Bei einem steuerbefreiten Veräußerungsgewinn im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsanteilen gilt ebenfalls die 5 %-Typisierungsnorm (§ 8b Abs. 3 S. 1 KStG). Die diversen Abzugsverbote haben eine wechselvolle Geschichte und wurden erst kürzlich durch das BMF-Schreiben v. 30.9.20088 mit Blick auf die Vermeidung europarechtlicher Diskriminierungsverbote harmonisiert und „zurechtgestutzt“. Die EuGH-Urteile Keller-Holding und Bosal haben diese Verwaltungsmaßnahme erforderlich gemacht. Im Übrigen sind substanzbezogene Gewinnminderungen an der (steuerbefreiten) Beteiligung selbst voll abzugsgesperrt.
__________ 7 Das FG Hamburg legt mit Beschluss vom 7.11.2007 (5 K 153/06, EFG 2008, 236, Az. beim BVerfG: 1 BvL 12/07), dem BVerfG die Rechtsfrage vor, ob die Typisierung nicht abziehbarer Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 3 und 5 KStG auch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als der Nachweis niedrigerer Betriebsausgaben nicht gestattet ist. Nach der Überzeugung des 5. Senats beim FG Hamburg verletzt § 8b Abs. 3 und 5 KStG das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. 8 BStBl. I 2008, 940 = DB 2008, 2333 mit weiteren Nachweisen aus der EuGH- und BFHRechtsprechung.
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– Grundregelung des § 3c Abs. 1 EStG: Schließlich ist als „Abzugsverbotsklassiker“ und steuersystematische Grundregelung § 3c Abs. 1 EStG zu nennen, der ein Erwerbsabzugsverbot für Ausgaben beinhaltet, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Es wird ein Zusammenhang im gleichen Veranlagungszeitraum gefordert. Die Regelung soll doppelte steuerliche Vorteile verhindern9. Die speziellen Abzugsverbote verdrängen die § 3c Abs. 1-Grundregelung (so etwa § 8b Abs. 3 S. 2 KStG). Erstreckung des Beteiligungsabzugsverbots auf Gesellschafterdarlehen durch § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG: Laut ständiger BFH-Rechtsprechung und einmütiger Literaturmeinung sind Beteiligung und Forderung zwei separat zu erfassende und zu bewertende Wirtschaftsgüter. Nur für den Sonderfall einer Teilwertabschreibung auf Darlehen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung stellt der BFH eine Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die Ertragsaussichten von Besitz und Betriebsunternehmung an10. Mit § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG hat der Gesetzgeber nun für Körperschaften eine hochkomplizierte und wegen möglicher Verletzung des objektiven Nettoprinzips steuersystematisch fragwürdige Neuregelung mit (angeblich) klarstellendem Charakter geschaffen, die Verluste aus Gesellschafterforderungen mit Beteiligungsverlusten gleichbehandelt und missbräuchlichen Umgehungsgestaltungen entgegenwirken soll11. Es wird eine gesellschaftliche Veranlassung der Gewinnminderung unterstellt; Konsequenzen auf der Darlehensnehmerseite und für etwaige Zinserträge hat dies nicht. Damit haben die „Steuerregeln“ des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG – ohne dass dies tatbestandlich Ausdruck findet – eine gedankliche Nähe zum „alten“ gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalersatzrecht, seit dem MoMiG vom 23.10.2008 zur insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen. Diese geänderten zivilrechtlichen Rahmenbedingungen „strahlen“ u. U. auf die steuerliche Behandlung von Forderungsrechten aus, Einzelheiten dazu sind noch un-
__________ 9 Eingehender Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl. 2008, § 3c Tz. 1. 10 Vgl. BFH v. 6.11.2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416. Bestätigend etwa FG BW v. 25.4.2008, BB 2008, 1558 mit Anm. Gratz. 11 Vgl. kritisch etwa Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, S. 434 f. Zu weiterführenden Analysen auch Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 337; Breuninger, DAI Arbeitsunterlage „Bilanz und Steuern 2008“ aus November 2008, S. 97–108; Eckl, Wiesbaden Arbeitsunterlage 2008, S. 173–176; Birkhan, JbFSt 2008/2009, 734– 750 mit anschließender Diskussion (Günkel, Drüen, Buciek, Kroppen); Pohl/ Raupach, FS Reiß, Köln 2008, S. 431; Demuth, KÖSDI 2008, 16177 (16185 f.); Dötsch/Pung, DB 2007, 2669; Ernsting, Gestaltende Steuerberatung 6/2008, 203; Fuhrmann/Strahl, DStR 2008, 125; Hahne, StuB 2008, 299; Hoffmann, DStR 2008, 857; IDW-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines JStG v. 10.7.2007, IDWFachnachrichten 2007, S. 438 f.; Janssen, GmbHR 2008, 699; Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57; Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748; Binnewies, AG 2008, 850; Schmidt/Schwind, NWB 3/2008, 147 (v. 14.1.2008); Nöcker in HHR, Jahresband 2008, § 8b Anm. J 07-5 bis J 07-10; Prinz, S:R 08–09/2007, 276; Roser, EStB 2008, 333; Urbahns, StuB 2008, 561; Watermeyer, GmbH-StB 2008, 81.
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klar12. Aufwendungen und Erträge im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen werden damit verfassungsproblematisch „ungleich“ behandelt. § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG ist im Übrigen eine „isolierte Verlustregelung“ im KStG. Denn § 3c Abs. 2 EStG wurde nicht parallel geändert. Hier stellt sich die streitige Frage, ob Beteiligung und Gesellschafterforderung im Betriebsvermögen einer natürlichen Person oder Personengesellschaft in Krisenzeiten trotz unveränderten Gesetzeswortlauts wegen des weitreichenden wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs halb-/bzw. teilabzugsgesperrt ist; m. E. greift wegen unterschiedlicher Rechtsnatur der Forderung keine Abzugssperre ein. Private Forderungsverluste bei § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG können seit 2009 ebenfalls – zwar schedular begrenzt und nur subsidiär wirkend (Abgrenzung zu § 17 EStG) – vollständig geltend gemacht werden (Ausnahme: § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG).
III. Zur Systematik des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG 1. Klarstellung der Rechtslage oder konstitutive Neuregelung ab 1.1.2008 § 8b Abs. 3 KStG ist durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 um ein Abzugsverbot für Wertverluste an qualifizierten Gesellschafterdarlehen (einschließlich der Darlehen nahe stehender Personen und rückgriffsberechtigter Dritter sowie der Inanspruchnahme aus Darlehenssicherheiten), aber mit nachweisgebundener Exit-Möglichkeit ergänzt worden (S. 4–8). Nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung handelt es sich um eine „klarstellende Regelung“ zur Missbrauchsvermeidung. Das ist offenkundig eine „Schutzbehauptung“ des Gesetzgebers, die jedenfalls im klaren Gegensatz zur (damaligen) überwiegenden Literaturmeinung in dieser Frage steht13. Zwischenzeitlich hat das Niedersächsische FG mit Urteil vom 3.4.200814 entschieden, dass das beteiligungsbezogene Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG 2002 auf die Teilwertabschreibung eigenkapitalersetzender Darlehen einer Körperschaft nicht anwendbar ist. Allerdings ist gegen das Urteil Revision beim BFH eingelegt worden (Az: I R 52/08). Es stellt im Ergebnis daher lediglich eine „Zwischenetappe“ in der Rechtsbeurteilung dar. Zum Kerninhalt des Urteils: Das Streitjahr ist 2002, der Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zur Halbeinkünftebesteue-
__________ 12 Vgl. etwa Heuermann, DStR 2008, 2089, der sich mit der Frage befasst, ob bzw. inwieweit das MoMiG die bisherige Auslegung des § 17 EStG im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Darlehen beeinflussen wird (2093 f.); s. ergänzend auch Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289–2293; Fischer, Ubg 2008, 684; Neumann, GmbH-StB 2008, 361 (364–366). Zu weiteren Details s. Gliederungspunkt III. 5. 13 Vgl. als Überblick Gosch, Kommentar zum KStG, § 8b Tz. 276, 277. Zur Diskussion im Einzelnen vgl. Buchna/Sombrowski, DB 2004, 1956; mit diversen Erwiderungen dazu Wassermeyer/Schmidt/Hageböke/Dumler/Buchna/Sombrowski, DB 2004, 2715– 2718; Rödder/Stangl, DStR 2005, 354; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2008, 1242; Drüen, JbFSt 2008/2009, 744–747. 14 FG Nds. v. 3.4.2008, EFG 2008, 1409 mit Anm. Kuhfus. Vgl. auch Hahne, BB 2008, 1661; Prinz, S:R 9/2008, 289; Schmidt, NWB 27/2008, 2529 (v. 30.6.2008).
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rung war also gerade erfolgt. Die klagende GmbH hatte schon vor Jahren den Anteil an ihrer Tochtergesellschaft wegen anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten steuerbilanziell auf einen Erinnerungswert abgeschrieben. Die Teilwertabschreibung auf das Gesellschafterdarlehen wollte das Finanzamt aber nun nicht anerkennen unter Hinweis auf das Abzugsverbot für „Gewinnminderungen“, die im Zusammenhang mit dem Kapitalgesellschaftsanteil stehen (§ 8b Abs. 3 KStG 2002). Das FG Niedersachsen hat dieser Argumentation „einen Riegel vorgeschoben“ und erkennt die Teilwertabschreibung auf das eigenkapitalersetzende Darlehen steuerlich an. Argumentativ Bezug genommen wird dabei auf Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie systematische Stellung des § 8b Abs. 3 KStG 2002. § 8b Abs. 2, 3 KStG betreffen nur Wertveränderungen an der Anteilssubstanz, § 8b Abs. 1, 5 KStG laufende Erträge und Aufwendungen im Zusammenhang mit Anteilen. Beide Bereiche berühren Gesellschafterdarlehen, die vom Kapitalgesellschaftsanteil zu trennende eigene Wirtschaftsgüter sind, aber gerade nicht. Allerdings räumt das Niedersächsische FG den weiten Wortlaut des substanzbezogenen Abzugsverbots ein. Im Ergebnis trägt der Wortlaut eine Versagung der Teilwertabschreibung nach Meinung des Gerichts aber nicht. Schließlich wird auch Überlegungen der Finanzverwaltung, den (normspezifischen) Anschaffungskostenbegriff des § 17 EStG insoweit nutzen zu wollen, zu Recht eine Absage erteilt. Das Urteil ist wichtig und wegweisend für die Jahre bis einschließlich 2007. Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 ist jedoch die Gesetzeslage mit Wirkung ab 2008 geändert worden (§ 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG 2008). Hinweis: Gewinne und Verluste an Kapitalgesellschaftsanteilen werden in § 8b KStG weitgehend spiegelbildlich behandelt. Die 95 %ige Steuerfreiheit von Anteilsveräußerungsgewinnen zieht ein Abzugsverbot für entsprechende Gewinnminderungen nach sich. Dies klingt zwar (zunächst) logisch, kann aber zu nirgends abziehbaren Aufwendungen führen (etwa bei einer Insolvenz ohne jegliche Gewinnsituation), was unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten problematisch ist. Die Rechtsprechung muss diesen Aspekt des § 8b Abs. 3 KStG 2002 noch abschließend klären. Bedeutung und Einordnung des Urteils: Gestützt auf das Judikat des Niedersächsischen FG vom 3.4.2008, sollten sich betroffene Unternehmen gegen ein typisierendes „Vorziehen“ des in § 8b Abs. 3 KStG 2008 zu findenden Abzugsverbots in die Jahre 2002 bis 2007 wehren. Die Sachverhaltsvoraussetzungen für eine steuerbilanzielle Teilwertabschreibung müssen natürlich stets gegeben sein. Hinzu kommt: Das kürzlich durch den (gesellschaftsrechtlichen) Gesetzgeber verabschiedete MoMiG vom 23.10.2008 hat eigenkapitalersetzende Darlehen abgeschafft (etwa §§ 32a, 32b GmbHG) und sieht neue insolvenzrechtliche Regelungen vor; dies erschwert sicherlich weiter das Verständnis für das Regelungsanliegen des § 8b Abs. 3 KStG 2008 – auch wenn dort nicht ausdrücklich von eigenkapitalersetzenden Darlehen gesprochen wird, sondern jedwedes Darlehen eines qualifizierten Gesellschafters erfasst ist. M. E. bestehen gute Chancen, dass auch der BFH im Revisionsverfahren die steuerwirksame Teilwertabschreibung auf Gesellschafterdarlehen einer Körperschaft anerkennt. Sicher ist dies natürlich nicht. Keine Aussagen sind in dem anstehen465
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den BFH-Revisionsverfahren zu erwarten hinsichtlich der Frage, ob das Halboder Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG auch auf Gesellschafterdarlehen im Betriebsvermögen einer Personenunternehmung anzuwenden ist. Eine mit § 8b Abs. 3 KStG 2008 gleichlaufende Änderung des § 3c Abs. 2 EStG ist jedenfalls nicht erfolgt. Es gibt daher gute Gründe, sich auch gegen ein solches Begehren der Finanzverwaltung zur Wehr zu setzen. Dies gilt auch für eine verwaltungsseitige Anwendung des § 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf grenzüberschreitende Darlehen (abgesehen von der ohnehin bestehenden Europarechtsproblematik). Reaktion der Finanzverwaltung: Zwischenzeitlich haben OFD Rheinland und OFD Münster in jeweiligen Kurzinformationen vom 8.8.2008 mit Blick auf die Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 3.4.2008 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingeräumt. Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung soll bis einschließlich 2007 zugestimmt werden. Entsprechende Einspruchsverfahren können gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO ruhend gestellt werden. Im Übrigen kündigen die Oberfinanzdirektionen ein umfassendes BMF-Schreiben zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens im Abzugsbereich an. Die weitere Rechtsentwicklung muss abgewartet werden. 2. Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG, Abzugsverbot als Rechtsfolge Die Neuregelung zum Abzugsverbot bei qualifizierten Gesellschafterdarlehen ist eine körperschaftsteuerspezifische Einkommensermittlungsvorschrift, die außerbilanziell wirkt und erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 (§ 34 Abs. 1 KStG) gilt. Eine gesetzliche oder verwaltungsseitige Übergangsregelung gibt es nicht. Auch langjährig bereits bestehende Gesellschafterdarlehen werden demzufolge abzugsversagend erfasst. Wohl aus Gründen der Vermeidung von Umgehungsgestaltungen ist das außerbilanzielle Abzugsverbot im Tatbestand personell auf Darlehen nahe stehender Personen und rückgriffsberechtigter Dritter, sachlich auf darlehensähnliche Rechtshandlungen ausgeweitet worden. Jedenfalls im Konzern wird der Anwendungsbereich der Rechtsnorm damit „uferlos“. Ein nachweisgebundener Drittvergleichstest soll zur Vermeidung von Härtefällen einen Exit aus § 8b Abs. 3 KStG ermöglichen. Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG sind: – Gesellschafterdarlehen und Sicherheitengewährung: Zunächst einmal muss es sich um Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten, die für ein Darlehen hingegeben wurden (insb. Bürgschaft und Grundschuld), handeln (Abs. 3 S. 4 1. HS). Konkret betroffen sind Teilwertabschreibungen (wohl einschließlich wechselkursbedingter Wertminderungen), Veräußerungsverluste, der Ausfall der Darlehensforderung wegen Insolvenz/Liquidation oder ein betrieblicher Forderungsverzicht des inländischen Gesellschafters. Darlehensgewährungen aus dem Ausland werden durch § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG wegen fehlender unbeschränkter oder beschränkter Körperschaftsteuer466
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pflicht nicht erfasst (Ausnahme: Hinzurechnungsbesteuerung). Gleiches gilt für laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einem gewährten Darlehen stehen (bspw. Refinanzierungskosten). – Qualifizierungserfordernis: Das Darlehen oder die Sicherheit muss von einem „Gesellschafter“ gewährt werden, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der darlehensnehmenden Körperschaft beteiligt ist oder war (kumulatives Tatbestandserfordernis des § 8b Abs. 3 S. 4, 2. HS KStG). Damit werden auch seit Jahren ausgeschiedene Gesellschafter in die Regelung einbezogen, sofern sie zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung qualifiziert beteiligt waren; die Wertminderung des Darlehens bleibt dann „nachlaufend“ gesellschaftlich veranlasst (im Ergebnis streitig). Auf die etwaige Höhe der Stimmrechte kommt es nicht an. Bei mittelbar gehaltenen Anteilen ist die Beteiligungsquote „durchzurechnen“. Auch in eine qualifizierte Beteiligung „hinein- oder herauswachsende Gesellschafter“ werden bei Geltendmachung der Wertminderung vom Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG erfasst15. Voneinander unabhängige Quartettgestaltungen unterfallen mangels Verpflichtung zur Zusammenrechnung der Beteiligungsquoten nicht dem Gewinnminderungsverbot. – Personelle Ausweitung des Abzugsverbots: Die Regelung gilt nicht nur für „direkte“ Gesellschafterdarlehen, sondern auch für Darlehen nahe stehender Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG oder rückgriffsberechtigter Dritter. Die Rückgriffsberechtigung muss gegenüber dem qualifiziert beteiligten Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person bestehen. Die Finanzverwaltung geht dabei wohl vom Verständnis eines weitgefassten, faktischen Rückgriffsrechts aus; eine Beschränkung auf rechtliche Rückgriffsfälle (etwa bei back-to-back-Strukturen) erfolgt also nicht. Damit wird eine weite personelle Ausdehnung des körperschaftsteuerspezifischen Gewinnminderungsverbots vorgenommen. – Nachweisgebundene Exitmöglichkeit: Keine Anwendung des Abzugsverbots erfolgt dann, wenn durch den Darlehensnehmer nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte. Dabei sind nur die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft zu berücksichtigen (Abs. 3 S. 6). Mit dieser Möglichkeit zum „Drittvergleichstest“ geht der Gesetzgeber neue Wege, die bis dahin nur aus der „Altregelung“ zu § 8a KStG bei Gesellschafterfremdfinanzierung bekannt waren. – Sachliche Ausweitung des Abzugsverbots: Schließlich wird das Abzugsverbot (einschließlich der Exit-Möglichkeit) auch auf kapitalersetzende Rechtshandlungen erstreckt, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind (Abs. 3 S. 7). In der Begründung zum Regierungsentwurf werden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aber auch Mietforderun-
__________ 15 Vgl. Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 63; Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 750– 752.
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gen und Forderungen aus Nutzungsüberlassungen genannt. Das Nutzungsverhältnis selbst bleibt außerhalb des Anwendungsbereichs von § 8b Abs. 3 S. 7 KStG. Auch typische stille Beteiligungen und fremdkapitalähnliche Genussrechte können wohl darlehensähnliche Rechtshandlungen begründen (streitig)16. Spätere Wertaufholungsgewinne im Zusammenhang mit steuerunwirksamen vorangegangenen Teilwertabschreibungen werden im Gegenzug steuerfrei gestellt (Abs. 3 S. 8). Eine solche „kleine Korrespondenz“ zwischen Gewinnminderung und späterer Wertaufholung ist wohl Billigkeitsgründen geschuldet. Rechtsfolge: § 8b Abs. 3 S. 4 KStG nimmt einen Rechtsverweis auf S. 3 der Regelung vor. Das Abzugsverbot für substanzbezogene Gewinnminderungen gilt damit für Forderungsverluste entsprechend („zu den Gewinnminderungen … gehören auch“). 3. Nachweisgebundener „Ausstieg“ aus dem Gewinnminderungsverbot (§ 8b Abs. 3 S. 6 KStG) Für dem Grunde nach abzugsgesperrte Gesellschafterdarlehen und gleichstehende Finanzierungsstrukturen sieht der Gesetzgeber in § 8b Abs. 3 S. 6 KStG einen „Drittvergleichstest“ vor. Wenn durch die darlehensnehmende Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Beweislastumkehr nachgewiesen werden kann, „dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte“, gilt die Abzugssperre nicht (Exit aus § 8b Abs. 3 KStG). Es bestehen damit zwei Nachweisstichtage: Der Zeitpunkt der Darlehensgewährung und der potentielle Rückforderungszeitpunkt in Krisenzeiten17. Laut gesetzlicher Anweisung können allerdings „nur die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft“ berücksichtigt werden (Stand-alone-Betrachtung). Wie der Nachweis im Detail zu führen ist, konkretisiert das Gesetz nicht. Laut Gesetzesbegründung sollen nicht fremdüblich sein: unverzinsliche Darlehen; verzinsliche, aber ohne Sicherheiten gewährte Darlehen; Verzicht auf Rückforderung in der Krise. Letztlich wird es m. E. stets auf das „Gesamtbild der Finanzierungsumstände“ ankommen. Zinshöhe, Unternehmensbonität, Erfüllung von Solvenzkriterien, gewährte Sicherheiten und letztlich auch ein Konzernrückhalt sind für Drittvergleichszwecke interdependent. Laufende Unverzinslichkeit oder Niedrigverzinslichkeit eines Darlehens sind m. E. isoliert betrachtet nicht zwingend schädlich; bei risikogeneigten darlehensweisen Investments sind erfolgsabhängige Endverzinsungen (etwa Equity Kicker) durchaus üblich. Eine spezifizierte Dokumentation erscheint für Drittvergleichszwecke empfehlenswert; enthalten sein sollten aussagekräftige Bankenbescheinigungen zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe
__________
16 Vgl. Breuninger, DAI-Tagungsunterlage „Bilanz und Steuer 2008“, November 2008, S. 103; a. A. Ernsting, Gestaltende Steuerberatung 6/2008, 206; Schmidt/Schwind, NWB 3/2008, 147 (v. 4.1.2008). 17 Zum Zeitpunkt des Gegenbeweises für die Fremdüblichkeit eines Darlehens gem. § 8a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG 1996 s. BFH v. 25.1.2005 – I R 12/04, S:R 2005, 542 mit Anm. Prinz.
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Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei Gesellschafterdarlehen
bzw. zum Rückforderungsstichtag, Bonitäts- und Ratingunterlagen der Bank oder anderweitiger Finanziers. Ein unausgeschöpftes Kreditvolumen deutet durchaus auf drittüblich verbleibende Finanzierungsspielräume hin. Auch kann an die zeitkritische Einholung von Vergleichsangeboten gedacht werden. Man wird bei alldem auf das praktische Know-how im Zusammenhang mit dem § 8a KStG-Drittvergleich „alter Couleur“ zurückgreifen können; denn § 8b Abs. 3 S. 6 KStG ist offensichtlich der § 8a-Altregelung nachgebildet, letztlich um die Wirkung der Abzugssperre im Hinblick auf Verfassungsgrundsätze abzumildern. In Krisenzeiten wird die Nachweisführung sicherlich nur schwer möglich sein. Im Sonderfall stehengelassener, aber rückforderbarer Darlehen in einer Unternehmenskrise wird man etwaige Wertminderungen bis zum „Krisenstichtag“ außerhalb der Abzugssperre belassen müssen. Entsprechendes gilt bei drittüblicher Rückzahlung eines „gesunden“ Gesellschafterdarlehens, welches innerhalb der Jahresfrist vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird. Die insolvenzbedingte Wertminderung bleibt durch die ExitRegelung steuerwirksam. Insgesamt bestehen beim Drittvergleichstest Bewertungsspielräume. 4. Fehlende Reflexwirkung des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG auf der Darlehensnehmerseite Die Systemwidrigkeit des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG wird auch bei einem Blick auf die Darlehensnehmerseite deutlich. Verzichtet der Gesellschafter oder eine ihm nachstehende Person bspw. nach Durchführung einer Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderung, so liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung bei der Schuldnerkörperschaft (= Darlehensnehmer) nur in Höhe des werthaltigen Teils eine Einlage, ansonsten ein steuerpflichtiger Ertrag vor. Ein Darlehensverzicht in Krisenzeiten führt damit beim Gläubiger zu nicht abziehbaren Betriebsausgaben, beim Schuldner zu verlustverbrauchenden Erträgen, soweit die Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) dies zulässt. Aufwand und Ertrag werden damit interpersonell inkongruent behandelt. Die Finanzverwaltung stellt zur Sanierungsunterstützung beim Darlehensnehmer die Möglichkeit eines Steuererlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen in Aussicht18; in der Regierungsbegründung zu § 8b Abs. 3 KStG wird ausdrücklich auf die Billigkeitsmaßnahme verwiesen, ohne dass dies im Gesetz Ausdruck gefunden hat. Allerdings würde ein solcher Billigkeitserlass – die praktischen Schwierigkeiten bei dessen Erlangung liegen ohnehin auf der Hand – nach Meinung des FG München seit Abschaffung des steuerfreien Sanierungsgewinns gem. § 3 Nr. 66 EStG ab dem Jahre 1998 gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen19. Ein strukturell bedingter sachlicher Billigkeitserlass
__________ 18 Vgl. BMF v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240; ergänzend etwa auch OFD Hannover v. 19.9.2008, DB 2008, 2568. 19 FG München v. 12.12.2007, EFG 2008, 615 mit Anm. Hoffmann. Kritisch dazu Bauschatz, GmbHR 2008, 1204; Kanzler, FR 2008, 1116; Kroninger/Korb, BB 2008, 2656. A. A. FG Köln v. 24.4.2008, DStRE 2008, 1445 (AZ beim BFH: X R 34/08); dazu Wagner, BB 2008, 2671.
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in Sanierungssituationen kann nicht durch eine generell abstrakte Verwaltungsregelung erfolgen, dies wäre vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers. Der VIII. Senat des BFH wird sich im Revisionsverfahren (VIII R 2/08) mit der Frage befassen, ob für sachliche Billigkeitsmaßnahmen zur Stützung der Erfolgschancen einer Sanierung trotz fehlender gesetzlicher Steuerbefreiung Raum verbleibt. M. E. sollte ein Billigkeitserlass durch die Finanzverwaltung in Sanierungsfällen möglich, gar geboten sein. Ggf. wird der Gesetzgeber später tätig werden müssen. Steuersystematisch betrachtet zeigt dies: Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot auf der einen Seite, steuerpflichtiger Ertrag aus dem Darlehensverzicht auf der anderen Seite schließen sich nicht aus. Systematisch überzeugend erscheint mir ein solches Regelungsgefüge nicht, die steuersystematische Fragwürdigkeit des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG wird hier – ganz unabhängig von einem ebenfalls denkbaren Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip – überdeutlich. Eigen- und Fremdkapital werden bei Schuldner und Gläubiger unterschiedlich behandelt. Die Praxis folgert daraus zur Gestaltungsvorsorge: Leistung eines Barzuschusses in die Kapitalrücklage der Körperschaft, um damit das – wieder werthaltig gewordene – Gesellschafterdarlehen zu tilgen20. Die insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten müssen dabei berücksichtigt werden. 5. Gesellschaftsrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG: Unterschiedliche Wertungsüberlegungen? Das bisherige, gesellschaftsrechtlich verankerte Eigenkapitalersatzrecht mit seiner dualen Struktur wird durch das MoMiG vom 23.10.2008 (Inkrafttreten 1.11.2008) abgeschafft21. Konkret heißt das: Streichung der §§ 32a, 32b GmbHG, Nichtanwendung der Rechtsprechungsregeln zu §§ 30, 31 GmbHG (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG). Spezielle Übergangsregelungen dazu gibt es nicht. An die Stelle der gesellschaftsrechtlichen Normen ist eine „insolvenzrechtliche Lösung“ getreten; zu nennen sind vor allem §§ 44a, 135, 143 InsO. Gläubigerschutz wird in das Insolvenzrecht verlagert. Dies bedeutet:
__________ 20 Vgl. Ernsting, Gestaltende Steuerberatung 6/2008, 206; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 341. 21 Vgl. zum MoMiG insgesamt Gehrlein, BB 2008, 846; Markwardt, BB 2008, 2414; Kindler, NJW 2008, 3249; mit verschiedenen Perspektiven auf die GmbH-Reform auch Kleindiek, Kuhn, Welf Müller und Wachter, S:R 10/2008, 338–343. Zu einer Synopse der Rechtsänderungen im GmbHG durch das MoMiG s. auch Noack/Merks, S:R 10/2008, 331–337. Speziell zur Abschaffung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen Claussen in FS für Harm Peter Westermann, Köln 2008, S. 861–872; Altmeppen, NJW 2008, 3601; Groh, FR 2008, 264; Blöse, GmbHR 22/2008, R337 f.; Roth, GmbHR 2008, 1184; Schindler, SteuerConsultant 8/2008, 19; zu Wirkungen des MoMiG im Steuerrecht s. Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289; Fischer, Ubg 2008, 684; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2008, 1233 (1237). Schließlich ist der Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2 InsO durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) v. 17.10.2008 abgemildert worden; die Geltungsdauer ist begrenzt bis 31.12.2010; eingehender dazu K. Schmidt, DB 2008, 467.
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Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei Gesellschafterdarlehen
– Bei Insolvenz einer Gesellschaft bestehende Darlehensforderungen des Gesellschafters und gleichgestellte Forderungen22 sind zwingend nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO); allerdings besteht ein Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4, 5 InsO). Abstrakt bleibt der Rückforderungsanspruch des Gesellschafters stets erhalten. Bilanziell ist weiterhin Fremdkapital auszuweisen. – Wurden solche Darlehen im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag zurückgezahlt, so unterliegt eine solche Rechtshandlung der Anfechtung (§ 135 InsO, ergänzt durch §§ 6, 6a AnfG). Dies gilt auch für „in guten Zeiten“ (also ohne erkennbare Krise) zurückgezahlte Darlehen. Die typisierende Zeitgrenze macht die Prüfung von Eigenkapitalersatz in der Krise entbehrlich. Der Begriff der „Krise“ wird aufgegeben. Diese geänderten zivilrechtlichen Rahmenbedingungen müssen auch beim Drittvergleichstest für Gesellschafterdarlehen und allgemein auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten berücksichtigt werden. Denn der Drittvergleich kann gem. § 8b Abs. 3 S. 6 KStG nur „bei sonst gleichen Umständen“ geführt werden. Wenn der Dritte sein Darlehen noch rechtzeitig vor Krisenbeginn – dies ist natürlich stets höchst ungewiss – zurückfordert, ist es u. U. noch voll werthaltig; verhält sich der Gesellschafter ebenso, tritt dann unerwartet die Insolvenzantragspflicht innerhalb eines Jahres ein, so ist die Rückforderung anfechtbar und damit zwangsläufigen Wertminderungen in der Krise ausgesetzt. Darlehensrückforderungen durch Dritte und Gesellschafter wirken damit trotz gleicher Ausgangssituationen unterschiedlich. Zumindest ein Teil der gesamten Darlehenswertminderung dürfte deshalb außerhalb des § 8b Abs. 3 S. 4 KStG liegen.
IV. Zur Gestaltbarkeit rund um § 8b Abs. 3 KStG 1. Zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaft § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG ist eine körperschaftsteuerliche Einkommensermittlungsvorschrift, die eine unmittelbar oder mittelbar qualifizierte Beteiligung (von mehr als einem Viertel) sowie – jedenfalls im Grundfall – eine Darlehensgewährung an eine inländische Körperschaft voraussetzt23. Darlehensgewährung an oder Sicherheitengestellung für eine inländische oder ausländische Personengesellschaft fallen wortlautgemäß nicht unter § 8b Abs. 3 KStG. Die transparenten Besteuerungsgrundsätze der Personengesellschaft mit korrespondierender Bilanzierung im Sonderbetriebsvermögen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) sind allerdings zu beachten. Das bedeutet: Bei einer direkten Darlehensgewährung der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft an ihre Personengesellschaft entsteht in der Mitunternehmerschaft eine Verbindlichkeit, die beim betroffenen Mitunternehmer positives Sonderbetriebsvermögen darstellt. Eine
__________
22 Die Gesetzesformulierungen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 8b Abs. 3 S. 7 KStG ähneln sich. 23 Zur Problematik ausländischer Körperschaften als Darlehensnehmer s. Gliederungspunkt IV 3.
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steuerwirksame Darlehensabschreibung ist wegen des Grundsatzes korrespondierender Bilanzierung nach h. M. unzulässig. Zinsaufwand bei der Mitunternehmerschaft und Zinsertrag beim Mitunternehmer gleichen sich aus und lassen den Gesamtgewinn der Personengesellschaft nach Maßgabe der ersten sowie der zweiten Gewinnermittlungsstufe unberührt. Dies gilt nach der BFHRechtsprechung allerdings nicht für Darlehensgewährungen durch ausländische Mitunternehmer, sofern das entsprechende DBA kein inländisches Besteuerungsrecht zulässt24; die Darlehenszinsen unterfallen nicht der inländischen Besteuerung. Allerdings wird insoweit die abkommensrechtliche Spezialregelung durch § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009 mit Wirkung für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle suspendiert (rechtsprechungsbrechende Gesetzgebung; Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot?). Zur Vermeidung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG wird die Darlehensgewährung an die Personengesellschaft daher über eine nahe stehende Person erfolgen müssen. Allerdings sieht § 8b Abs. 6 S. 1 KStG zur Umgehungsvermeidung eine „entsprechende Geltung“ des § 8b Abs. 3 KStG vor, wenn eine Personengesellschaft in eine körperschaftliche Struktur „zwischengeschaltet“ ist. Insoweit sind eine Reihe sehr unterschiedlicher Finanzierungswege und Beteiligungsstrukturen denkbar. Parallele Überlegungen dürften auch für eine ausländische Betriebsstätte gelten. Typisierend lässt sich für die Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG Folgendes festhalten: – Keine Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG erfolgt, falls das Darlehen an eine inländische oder ausländische Personengesellschaft gewährt wird und die erhaltenen Mittel dann als Eigenkapital in eine Körperschaft weitergereicht werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG sind bei einem solchen Personengesellschaftsdarlehen nicht erfüllt. Eine „Durchleitung“ des Darlehens (mit oder ohne eigene Zinsmarge der zwischengeschalteten Personengesellschaft) dürfte im Ergebnis wohl eine § 8bInfektion auslösen, denn letztlich gehen die Darlehensmittel wirtschaftlich als eine Art „Durchlaufkredit“ von einer Körperschaft an eine andere Körperschaft („pass through“).
inl. KapGes. FK
GmbH
GmbH
Inl./ausl. PersGes EK
inl./ausl. KapGes.
__________ 24 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659.
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Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei Gesellschafterdarlehen
– § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG ist anwendbar bei einer Eigenkapitalgewährung an eine inländische oder ausländische Personengesellschaft, die die Mittel dann als Darlehen an eine Körperschaft weiterreicht. Sofern die Personengesellschaft Gesellschafter der darlehensnehmenden Körperschaft ist, dürfte ein direkter Anwendungsfall des § 8b Abs. 3 S. 4 KStG vorliegen. Die in der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Personengesellschaft durchgeführte Wertminderung ist dann über Transparenzgrundsätze der Mitunternehmerkapitalgesellschaft zuzurechnen. Falls die eigenkapitalfinanzierte Personengesellschaft an der darlehensnehmenden und konzernzugehörigen Körperschaft nicht selbst beteiligt ist, dürfte eine schädliche Finanzierung durch eine nahe stehende Person vorliegen, die ebenfalls unter das Gewinnminderungsverbot des § 8b Abs. 6 S. 1 i. V. m. § 8b Abs. 3 S. 4 KStG fällt. Schließlich dürften auch Darlehen, die an einer „zwischengeschalteten“ Personengesellschaft vorbei an eine Körperschaft gewährt werden wegen mittelbarer qualifizierter Beteiligung unter § 8b Abs. 3 S. 4 KStG zu erfassen sein. Zwar erwähnt § 8b Abs. 3 S. 4 KStG diese Fallvariante (anders als § 8a Abs. 3 S. 1 KStG a. F.) nicht ausdrücklich, dennoch lässt der Wortlaut nach Maßgabe der durchgerechneten Beteiligungsquote eine Anwendung wohl zu25.
inl. KapGes.
inl. KapGes.
10 %
GmbH
80 % 20 %
inl. PersGes.
FK
GmbH
EK
inl. PersGes.
FK
100 %
E-KapGes.
E-KapGes.
Insgesamt bieten zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaften damit durchaus Gestaltungschancen zur Vermeidung des § 8b Abs. 3 KStG. Dafür bedarf es allerdings sehr sorgsamer und subtiler Gestaltung der Finanzierungsströme. 2. Nutzung von Finanzunternehmen als „Schutzschild“? § 8b Abs. 7 KStG sieht für Banken, Finanzdienstleister und Finanzunternehmen i. S. d. KWG unter bestimmten Voraussetzungen die Nichtanwendbarkeit
__________
25 Zur Diskussion s. Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 63; Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 752 f.; eher kritisch wohl Dötsch/Pung, DB 2007, 2669 (2670).
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der einmaligen und laufenden Beteiligungsertragsbefreiung des § 8b KStG vor. Dadurch sollen vor allem für Kreditinstitute steuerliche Nachteile bei kurzfristigem Aktienhandel vermieden werden26. Der Begriff des Finanzunternehmens ist nach Auffassung der Verwaltung weit auszulegen und erfasst auch Holdinggesellschaften27. Hinzu kommen muss: Das Finanzunternehmen erwirbt die Anteile mit der Zielsetzung, einen Eigenhandelserfolg zu erzielen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die durch Übertragungsakt von einem Dritten erworbenen Anteile dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Bereits im Erwerbszeitpunkt muss daher die Absicht einer kurzfristigen Weiterveräußerung bestehen, unabhängig davon, wann der Veräußerungsakt tatsächlich erfolgt. In Organschaftsstrukturen sind die Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG auf der Ebene der Organgesellschaft zu prüfen; dies wird nun in § 15 Nr. 2 KStG durch das JStG 2009 ausdrücklich klargestellt. Rechtsfolge des Eingreifens von § 8b Abs. 7 S. 2 KStG ist die Nichtanwendbarkeit der Abs. 1–6 auf von dem Finanzunternehmen im Umlaufvermögen gehaltene in- und ausländische Kapitalgesellschaftsanteile. Es fragt sich nun, ob bei einem Finanzunternehmen damit auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen oder Darlehen nahe stehender bzw. rückgriffsberechtigter Dritter von der Abzugssperre ausgenommen sind. Teilwertabschreibungen etwa auf Darlehensforderungen eines Finanzunternehmens wären dann zulässig. M. E. ist dies der Fall, auch wenn im Wortlaut des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG die Erweiterung des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG auf Forderungsrechte nicht klar zum Ausdruck kommt. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich vielmehr, dass der gesamte § 8b Abs. 3 KStG bei mit Finanztiteln handelnden Finanzunternehmen suspendiert sein soll. Letztlich werden die Forderungsrechte beim Finanzunternehmen dann aber wohl dem Umlaufvermögen zugeordnet werden müssen. Unter Gestaltungsaspekten könnte damit ein Finanzunternehmen als „Schutzschild“ vor der Abzugssperre des § 8b Abs. 3 KStG genutzt werden. Ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO ist darin m. E. nicht zu erblicken. 3. Keine Geltung des § 8b Abs. 3 KStG für Darlehen an ausländische Kapitalgesellschaften – argumentative Ansatzpunkte zur Steuerrechtsdurchsetzungsberatung § 8b Abs. 3 S. 4 KStG erfasst nach seinem Wortlaut nur solche Darlehen, die von Gesellschaftern gewährt werden, die unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel „am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft“ beteiligt sind oder waren. Betroffen sind also gegenwärtige oder frühere Gesellschafter, die nach wie vor Darlehensgläubiger sind. Auf eine von der Beteiligungshöhe abweichende Stimm- und Gewinnverteilung kommt es nach dem Gesetzes-
__________ 26 § 8b Abs. 8 KStG enthält eine strukturell ähnliche Regelung für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen. 27 BMF v. 25.7.2002, BStBl. I 2002, 712. Vgl. dazu auch FG Hamburg v. 26.2.2008, EFG 2008, 1142 mit Anm. Neu; Az. beim BFH: I R 36/08.
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Körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot bei Gesellschafterdarlehen
wortlaut nicht an. Diese Voraussetzung der Abzugssperre beim Darlehensgeber ist erkennbar auf darlehensnehmende inländische Kapitalgesellschaften zugeschnitten, die über ein entsprechendes Grund- oder Stammkapital verfügen. Üblicherweise betrifft dies die Rechtsform der AG, GmbH, KGaA oder auch der europäischen Aktiengesellschaft (SE). Bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft (etwa eine US-amerikanischen Incorporation) wird sich zwar nach dem Rechtstypenvergleich eine mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbare Struktur ergeben. Dessen ungeachtet verfügt eine ausländische Kapitalgesellschaft üblicherweise aber nicht über ein Grund- oder Stammkapital, welches nach Maßgabe der Kapitalerhaltungsgrundsätze geschützt ist. Nach dem Gesetzeswortlaut erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 S. 4 KStG damit nur auf Darlehensgewährungen an inländische Kapitalgesellschaften. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung eine solche Beschränkung der Abzugssperre des § 8b Abs. 3 S. 4 KStG nicht entnehmen, sie dürfte auch dem gesetzgeberischen Willen letztlich nicht entsprechen. Allerdings ist der Gesetzeswortlaut eindeutig und damit einer erweiternden Auslegung, gar Rechtsanalogie nicht zugänglich. Hinzu kommt: Der Gesetzgeber hat in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG für Zinsschrankenzwecke eine klare Unterscheidung getroffen. So ist in § 8a Abs. 2 KStG bei der Abgrenzung der konzernzugehörigen Unternehmen i. S. d. § 4h Abs. 2 Buchst. b) EStG von zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseignern die Rede. § 8a Abs. 3 KStG dagegen spricht nur von einer Beteiligung am Kapital. Denn die Vorschriften zur Durchführung des Eigenkapital-Escapes richten sich im Grundsatz an im In- und Ausland ansässige konzernzugehörige Gesellschaften. Im Fragenbereich des § 8a KStG hat der Gesetzgeber also klar unterschieden. Als Rückschluss ist daraus für § 8b Abs. 3 S. 4 KStG seine Anwendungsbeschränkung auf Darlehensgewährungen an inländische Kapitalgesellschaften zu folgern. Auch wenn zu erwarten ist, dass die Finanzverwaltung dieser Gesetzesauslegung nicht folgen wird, bietet sie sicherlich Ansatzpunkte zur Steuerrechtsdurchsetzungsberatung. 4. Befreiende Schuldübernahme durch Gesellschafter Gestalterisch lässt sich eine Anwendung des § 8b-Abzugsverbots für Gesellschafterdarlehen und ähnliche Finanzierungsvorgänge im Zusammenspiel mit einem gewinnrealisierenden Darlehensverzicht vermeiden, falls eine befreiende Schuldübernahme durch die Muttergesellschaft oder ein anderes Konzernunternehmen erfolgt und ein durch Schuldbegleichung werthaltiger Freistellungsanspruch anschließend in die Kapitalrücklage beim früheren (notleidenden) Schuldnerunternehmen eingelegt wird. Statt Abzugsverbot beim Gläubiger und Ertragsrealisation beim Schuldner lässt sich der Vorgang dadurch insgesamt erfolgsneutral ausgestalten28.
__________ 28 Vgl. Eckl, Wiesbaden Arbeitsunterlage 2008, S. 176.
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Beispiel: Die B GmbH hat Darlehen aus dem Konzern und von einer Bank erhalten, sie steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Den inländischen Darlehensgebern aus dem Konzern „droht“ § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG. Die (wirtschaftlich starke) Muttergesellschaft tilgt nun sämtliche Darlehen aus dem Konzern und gegenüber der Bank, führt also eine befreiende Schuldübernahme unter Verzicht auf Regressansprüche gegenüber ihrer Tochter durch. Bei der B GmbH wird dadurch ein werthaltiger Freistellungsanspruch eingelegt29. Es erfolgt kein ertragsrealisierender Darlehensverzicht.
V. Zum Schluss § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG enthält mit Wirkung ab 1.1.2008 ein weitgefasstes körperschaftsteuerliches Gewinnminderungsverbot für qualifizierte Gesellschafterdarlehen, Darlehen nahe stehender Personen und rückgriffsberechtiger Dritter gegenüber Körperschaften, welches auf entsprechende Sicherheitengestellung und darlehensähnliche Rechtshandlungen ausgedehnt wird. Die Anwendung bei Konzerndarlehen ist nahezu „uferlos“. Die Vorschrift wirkt konstitutiv – also keine typisierte gesellschaftliche Veranlassung der Wertminderung bei Altfällen bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 – und ist steuersystematisch äußerst fragwürdig, da sie als punktueller Eingriff ein Aufwandsabzugsverbot für Darlehensforderungen beinhaltet, ohne dass folgerichtig und systementsprechend weitere Konsequenzen daraus gezogen werden (etwa für Zinserträge und beim Darlehensnehmer). Ob die praktisch nur sehr schwierig zu handhabende Exit-Möglichkeit den offenkundigen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (objektives Nettoprinzip) zu „heilen“ vermag, ist offen, aber wohl recht ungewiss. Der Norm droht die Verfassungswidrigkeit. Ungeachtet der problematischen Rechtsqualität kann Gestaltungsvorsorge über Personengesellschaften, Nutzung von Finanzunternehmen, Drittdarlehen ohne Rückgriffsmöglichkeit, ggf. auch unabhängige Quartettgestaltungen (Vermeidung von mehr als 25 % Beteiligung) getroffen werden. Insoweit lassen sich die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 3 S. 4–8 KStG gestalterisch vermeiden. Darlehen an eine ausländische Körperschaft sind vom Normwortlaut her nicht miterfasst, die Finanzverwaltung wird aber wohl dennoch derartige Auslandsdarlehen einbeziehen wolle. Darlehen von einer ausländischen Kapitalgesellschaft fallen mangels inländischer Steuerpflicht ohnehin nicht in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 KStG. Alles in allem ist die Vorschrift sicher kein gelungenes Beispiel „hochwertiger Steuergesetzgebungskunst“.
__________ 29 Vgl. BFH v. 20.12.2001 – I B 74/01, BFH/NV 2002, 678; Anmerkung dazu bei Gosch, StBp. 2002, 115 (117 f.).
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Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG im Rahmen von Umwandlungen Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Grundlagen 1. Handelsrechtliche Gewinnabführung und steuerliche Mehrund Minderabführungen 2. Differenzierung zwischen organschaftlicher und vororganschaftlicher Verursachung III. Besondere Fragestellungen im Zusammenhang mit Umwandlungen 1. Überblick 2. Übernahmeergebnis und Folgeauswirkungen bei Umwandlung auf eine Organgesellschaft
3. Übertragung von Vermögen mit Wertunterschieden in Handels- und Steuerbilanz auf eine Organgesellschaft 4. Zeitliche Unterschiede bei der Erfassung von Gewinnen in Handelsund Steuerbilanz wegen der steuerlichen Rückwirkungsfiktion 5. Übertragungsgewinne oder -verluste bei einer Organgesellschaft als übertragender Rechtsträger IV. Schlussbemerkung
I. Einleitung Die Problematik der Mehr- und Minderabführungen im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft hat nach Jahrzehnten eines Schattendaseins als „Geheimwissenschaft“ für „wenige Esoteriker“1 in jüngerer Zeit deutlich größere Aufmerksamkeit erfahren. Der BFH hat festgestellt, dass die Auffassung der Finanzverwaltung sowohl zu Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben (nachfolgend: „vororganschaftlich verursacht“) als auch zum passiven Ausgleichsposten wegen Mehrabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben (nachfolgend: „organschaftlich verursacht“) einer gesetzlichen Grundlage entbehrte2. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit der Einführung des § 14 Abs. 3 KStG für vororganschaftlich verursachte Mehr- und Minderabführungen und mit der Regelung des § 14 Abs. 4 KStG3 für die Bildung von Ausgleichsposten wegen organschaftlich verursachter Mehr- und Minderabführungen beim Organträger (während § 27 Abs. 6 KStG weiterhin die Verrechnung solcher Mehr- und Minderabführungen mit dem Einlagekonto der Organgesellschaft regelt).
__________
1 So pointiert Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 470 (Oktober 2008) zur Thematik der organschaftlichen Ausgleichsposten. 2 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 51/01, BStBl. II 2005, 49; v. 7.2.2007 – I R 5/05, BStBl. II 2007, 796. 3 Zur Problematik der echten Rückwirkung vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 305 (5/2008); Suchanek/Herbst, FR 2008, 112.
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Diese Regelungen gelten auch im Rahmen von Umwandlungen, die Organgesellschaften betreffen, insbesondere wenn die Organgesellschaft übertragender oder übernehmender Rechtsträger einer Umwandlung ist. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz können bei Umwandlungen nicht nur fortgeführt, sondern gerade auch durch diese begründet werden. Dabei ergeben sich besondere Fragestellungen, die nachfolgend untersucht werden.
II. Grundlagen 1. Handelsrechtliche Gewinnabführung und steuerliche Mehr- und Minderabführungen Die Organgesellschaft ist im Rahmen des Gewinnabführungsvertrags gegenüber ihrem Organträger zur Abführung ihres „ganzen Gewinns“ verpflichtet (§ 291 Abs. 1 AktG; s. auch §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 Satz 1 KStG)4. Damit korrespondiert die Verpflichtung des Organträgers zum Verlustausgleich nach § 302 Abs. 1 AktG. In der Handelsbilanz der Organgesellschaft ist die Gewinnabführungsverbindlichkeit aufwandswirksam bzw. der Anspruch auf Verlustausgleich ertragswirksam zu erfassen (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB). Aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG mindert dieser Aufwand aus Gewinnabführung bzw. erhöht dieser Ertrag aus Verlustübernahme auf Ebene der Organgesellschaft den sog. Unterschiedsbetrag i. S. d. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (erste Gewinnermittlungsstufe)5. Auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe ist diese Betriebsvermögensminderung bzw. Betriebsvermögensmehrung außerbilanziell zu korrigieren, so dass das zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft dadurch nicht beeinflusst wird6. Diese Korrektur auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe bei der Organgesellschaft ergibt sich aus der Systematik von § 14 Abs. 1 KStG i. V. m. §§ 301, 302 AktG; die handelsrechtliche Gewinnabführung ist eine „Gewinnverwendung eigener Art“7. Korrespondierend wird der steuerbilanzielle Effekt der Gewinnabführung oder des Verlustausgleichs beim Organträger auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe eliminiert. Auch diese Korrektur folgt aus der Systematik des § 14 KStG, nach der nicht die Gewinnabführung oder der Verlustausgleich, sondern das zugerechnete Einkommen der Organgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers berücksichtigt wird8. Das Ergebnis der Handelsbilanz, das der Gewinnabführung oder dem Verlustausgleich zugrunde liegt, weicht regelmäßig von dem Ergebnis der Steuerbilanz, das Ausgangspunkt für die Ermittlung des zuzurechnenden Einkom-
__________ 4 Der ganze Gewinn ist nach den handelsrechtlichen Vorschriften unter Beachtung der §§ 300 Nr. 1, 301 AktG zu ermitteln; vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 291 AktG Rz. 64. 5 Vgl. Wassermeyer in Herzig, Organschaft, 2003, 208 (210). 6 Vgl. R 29 Abs. 1 Ziff. 10 KStR. 7 BFH v. 18.12.2002 – I R 51/01, BStBl. II 2005, 49 (52). 8 Vgl. BFH v. 24.7.1996 – I R 41/93, BStBl. II 1996, 614.
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Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG bei Umwandlungen
mens ist, ab. Diese Abweichungen werden von den in § 14 Abs. 3 u. 4 KStG enthaltenen Regelungen erfasst. Vor diesem Hintergrund ist die in § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG enthaltene Definition der Mehr- und Minderabführungen zu verstehen. Danach liegen Minderoder Mehrabführungen „insbesondere“ dann vor, „wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht […]“. Diese – entsprechend für Zwecke des § 14 Abs. 3 und § 27 Abs. 6 KStG anzuwendende9 – Legaldefinition verdeutlicht zunächst, dass es auf Abweichungen in den bilanziellen Vermögensmehrungen ankommt: Die Gewinnabführung ist mit dem Steuerbilanzgewinn und nicht mit dem zuzurechnenden Einkommen zu vergleichen. Außerbilanzielle Korrekturen des Steuerbilanzgewinns im Rahmen der Einkommensermittlung führen somit grundsätzlich nicht zu einer Mehr- oder Minderabführung10. Die Definition ist allerdings insoweit unvollständig, als sie nicht berücksichtigt, dass der Steuerbilanzgewinn um eine Abführungsverpflichtung gemindert und um einen Verlustausgleichsanspruch erhöht ist (s. oben). Daher ist die Gewinnabführung mit dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft vor Berücksichtigung der Abführungsverpflichtung bzw. des Verlustausgleichsanspruchs zu vergleichen11. Beispiel zum Grundfall: Die OG GmbH passiviert in ihrer Handelsbilanz im Wirtschaftsjahr 1 eine Drohverlustrückstellung, die in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf. Im Wirtschaftsjahr 2 wird die Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz wieder aufgelöst. Dadurch ist der Handelsbilanzgewinn der OG GmbH im Wirtschaftsjahr 1 niedriger und im Wirtschaftsjahr 2 höher als der Steuerbilanzgewinn vor Gewinnabführung, d. h. bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages und einer körperschaftsteuerlichen Organschaft liegt im Wirtschaftsjahr 1 eine Minderabführung und im Wirtschaftsjahr 2 eine Mehrabführung vor.
__________ 9 Vgl. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 421 (Oktober 2008). Nach der Gesetzesbegründung sollte die zuvor in § 27 Abs. 6 Satz 2 bis 4 KStG enthaltene Definition inhaltsgleich in § 14 Abs. 4 KStG übernommen werden; vgl. BTDrucks. 16/7036, 29. 10 Vgl. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 482a (Oktober 2008); Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 309 (5/2008). Allerdings soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/7036, 20) auch ein Ertragszuschuss, der die Gewinnabführung erhöht, während er steuerlich eine verdeckte Einlage darstellt, eine Mehrabführung begründen. Dies ist zweifelhaft, da ein Ertragszuschuss auf der ersten Gewinnermittlungsstufe den Unterschiedsbetrag i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG erhöht und erst auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe außerbilanziell korrigiert wird (zur Kritik Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 504c (Oktober 2008). 11 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 305a (5/2008); Thiel in FS Raupach, 2006, 543 (549); vgl. auch Wassermeyer, GmbHR 2003, 313 (316).
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Eine solche Abweichung von Gewinnabführung und Steuerbilanzgewinn (vor Gewinnabführung) ist der Hauptanwendungsfall des § 14 Abs. 3 u. 4 KStG. Er soll nachfolgend zugrunde gelegt werden12. 2. Differenzierung zwischen organschaftlicher und vororganschaftlicher Verursachung Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage vor Einführung, nach der die Gewinnabführung insgesamt der organschaftlichen Zeit zuzuordnen ist13, bewusst die Grundlage entzogen hat, so dass § 14 Abs. 3 KStG einen Anwendungsbereich hat und nicht allein § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden ist14. Ob die Abgrenzung zwischen vororganschaftlicher und organschaftlicher Ursache allein aus Sicht des konkret bestehenden Organschaftsverhältnisses vorzunehmen ist, soll hier dahinstehen15. Vororganschaftlich und organschaftlich verursachte Mehr- und Minderabführungen werden durch § 14 Abs. 3 und 4 KStG unterschiedlich behandelt: Während vororganschaftlich verursachte Mehr- und Minderabführungen nach § 14 Abs. 3 KStG als Gewinnausschüttungen bzw. Einlagen gelten, führen organschaftlich verursachte Mehr- und Minderabführungen gem. § 14 Abs. 4 KStG zur Bildung besonderer passiver bzw. aktiver Ausgleichsposten und die Mehroder Minderabführungen werden bei der Organgesellschaft gem. § 27 Abs. 6 KStG mit dem steuerlichen Einlagekonto verrechnet, auch wenn dieses durch Mehrabführungen negativ wird (§ 27 Abs. 1 Satz 4 zweiter Hs.). Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen führen daher zu einer Besteuerung des Organträgers unter Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 1, 5 KStG, soweit sie nicht nach der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 KStG das Einlagekonto mindern. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 3 KStG: Diese Regelung soll bei Mehrabführungen den Sachverhalt erfassen, dass vor Begründung der Organschaft ein Gewinn von der späteren Organgesellschaft selbst versteuert wurde, der in der Handelsbilanz erst nach Begründung der Organschaft entsteht und im Rahmen der (Mehr-)Gewinnabführung an der Organträger „ausgeschüttet“ wird16.
__________
12 Eine solche Abweichung entsteht auch durch die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG zulässige Bildung von Gewinnrücklagen bei der Organgesellschaft. Darüber hinaus ist die Definition nicht abschließend („insbesondere“). Auch ein Verlustausgleich, der betraglich von dem Steuerbilanzergebnis (vor Verlustausgleich) abweicht, führt nach Verwaltungsauffassung zu einer Mehr- oder Minderabführung (so auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 399k (5/2008); zur Kritik s. Thiel in FS Raupach, 2006, 543 (556 f.). Zum Ertragszuschuss s. oben Fn. 10. 13 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 51/01, BStBl. II 2005, 49 (51). 14 Zu den Zweifeln daran und den Problemen bei der Bestimmung von Mehr- und Minderabführungen insbesondere beim Zusammentreffen von vororganschaftlich und organschaftlich verursachten Sachverhalten Rödder, DStR 2005, 217. 15 Zur Diskussion Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 431 (Oktober 2008); Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 399k (5/2008); Verfasser, DStR 2006, 310. 16 Dazu Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 401 f. (Oktober 2008).
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Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG bei Umwandlungen
Im obigen Beispiel ist auf die Mehrabführung im Wirtschaftsjahr 2 somit § 14 Abs. 3 KStG anzuwenden, wenn im Wirtschaftsjahr 1 keine Organschaft bestanden hat und die OG GmbH den Gewinn aus der Anwendung des § 5 Abs. 4a EStG selbst versteuert hat. Die Erfassung organschaftlich verursachter Mehrabführungen durch die Bildung eines passiven Ausgleichspostens bzw. die Minderung eines wegen einer vorherigen korrespondierenden Minderabführung gebildeten aktiven Ausgleichspostens ist hingegen beim Organträger nicht einkommenswirksam. Beim Organträger kommt es – anders als bei Ausschüttungen aus dem Einlagekonto – auch dann nicht zu einer Besteuerung, wenn die Minderung des Einlagekontos (und damit der Saldo von passiven und aktiven Ausgleichsposten) den Beteiligungsbuchwert übersteigt. Die Bildung dieser besonderen Ausgleichsposten gem. § 14 Abs. 4 KStG dient nur der Erfassung des zutreffenden Veräußerungsgewinns im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung oder anderer gleichgestellter Sachverhalte unter Anwendung des § 8b KStG bzw. des § 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG beim Organträger17. Denn eine organschaftlich verursachte Mehrabführung führt zu einem Vermögenstransfer, ohne dass dieser beim Organträger steuerlich erfasst wird. Wenn die Organbeteiligung veräußert wird, bevor die korrespondierende Minderabführung erfolgt ist, mindert sich ceteris paribus der Veräußerungsgewinn, weil der Wert der Organbeteiligung durch den Vermögenstransfer gemindert ist. Dieses fiskalisch unzutreffende Ergebnis wird durch die Auflösung der Ausgleichsposten korrigiert. Wenn die auf der gleichen Ursache beruhenden korrespondierenden Mehr- und Minderabführungen sich innerhalb der Organschaft ausgleichen, ergibt sich keine Besteuerungskonsequenz beim Organträger. Im obigen Beispiel ist auf die Mehrabführung im Wirtschaftsjahr 2 somit § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden, wenn im Wirtschaftsjahr 1 bereits eine Organschaft bestanden hat und der Organträger den Gewinn aus der Anwendung des § 5 Abs. 4a EStG versteuert hat. Die Reihenfolge im Beispiel – zunächst erfolgt eine Minderabführung und später die korrespondierende Mehrabführung – ist zwar der Regelfall. § 14 Abs. 4 KStG erfasst jedoch auch den umgekehrten Fall (zunächst erfolgt die Mehrabführung und später die korrespondierende Minderabführung)18. Beiden Fällen ist gemeinsam, dass die Differenz zwischen Gewinnabführung und Steuerbilanzgewinn (vor Gewinnabführung) sich innerhalb der organschaftlichen Zeit ausgleicht (falls die Organschaft nicht vorher beendet wird). Dies ist der entscheidende Unterschied zu den vororganschaftlich verursachten Mehr- und Minderabführungen, bei denen die korrespondierende Mehr- oder Minderabführung gerade vor der organschaftlichen Zeit erfolgt.
__________ 17 Ausführlich Frotscher, Der Konzern 2007, 34 (37 ff.). 18 So auch der Sachverhalt in BFH v. 7.2.2007 – I R 5/05, BStBl. II 2007, 796: Erfassung von Verlustanteilen aus einer Personengesellschaft nur in der Steuerbilanz, nicht aber in der Handelsbilanz der Organgesellschaft.
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III. Besondere Fragestellungen im Zusammenhang mit Umwandlungen 1. Überblick Im Zusammenhang mit Umwandlungen sind insbesondere folgende Sachverhalte für § 14 Abs. 3 u. 4 KStG von Interesse: (i)
Übernahmegewinn oder -verlust bei einer Organgesellschaft als übernehmender Rechtsträger. (ii) Umwandlungsbedingte Übertragung von Vermögen mit bestehenden Wertunterschieden in Handels- und Steuerbilanz auf eine Organgesellschaft als übernehmender Rechtsträger. (iii) Zeitliche Unterschiede bei der Erfassung von Gewinnen in Handels- und Steuerbilanz des übernehmenden Rechtsträgers wegen der steuerlichen Rückwirkungsfiktion. (iv) Übertragungsgewinn oder -verlust bei einer Organgesellschaft als übertragender Rechtsträger. (v) Umwandlung einer Organgesellschaft bei Bestehen organschaftlicher Ausgleichsposten. (vi) Umwandlungsbedingte Übertragung der Beteiligung an einer Organgesellschaft. (vii) Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG bei Mehrabführungen nach der Einbringung in eine Organgesellschaft nach § 20 UmwStG. Nachfolgend sollen die Sachverhalte (i) bis (iv), bei denen umwandlungsbedingt Mehr- oder Minderabführungen entstehen, näher betrachtet werden. Zu den übrigen Themenkomplexen nur folgende kurze Anmerkungen: Zu (v): Nach § 14 Abs. 4 Satz 3 KStG sind die wegen organschaftlich verursachter Mehr- oder Minderabführungen gebildeten besonderen Ausgleichsposten im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung aufzulösen. Der Veräußerung gleichgestellt sind gem. § 14 Abs. 4 Satz 4 KStG „insbesondere“ die Umwandlung der Organgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person und die Auflösung der Organgesellschaft. Auch in der Verschmelzung, Auf- und Abspaltung auf eine Körperschaft liegt gem. § 13 Abs. 1 UmwStG grundsätzlich eine (bei Abspaltung anteilige) Veräußerung der Organbeteiligung. Wenn jedoch auf Antrag gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG der Buchwert angesetzt wird, treten die Anteile an der übernehmenden Körperschaft gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG an die Stelle der Anteile an der Organgesellschaft und es liegt auch keine Veräußerung vor; die besonderen Ausgleichsposten sind hinsichtlich der Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft fortzuführen19. Eine Verschmelzung der Organgesellschaft auf den Organträger dürfte hingegen auch bei Buchwertfortführung als veräußerungs-
__________ 19 Vgl. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 532 (Oktober 2008); Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 338 (5/2008).
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Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG bei Umwandlungen
gleicher Vorgang20 bzw. als Auflösung einzustufen sein. Auf Grund des Wegfalls der Organbeteiligung erscheint eine Auflösung der Ausgleichsposten zwangsläufig. Unklar ist allerdings, ob die Gewinnauswirkung aus der Auflösung der Ausgleichsposten separat zu berücksichtigen ist oder mit dem Übernahmegewinn oder -verlust gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu saldieren ist. Letzteres ist trotz der getrennten gesetzlichen Regelung zu bejahen, um eine sinnwidrige Überbesteuerung zu vermeiden (wie auch bei einer Veräußerung)21. Zu (vi): Eine Übertragung der Organbeteiligung durch Verschmelzung, Aufund Abspaltung, Ausgliederung und Einbringung mit Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers gem. §§ 4 Abs. 2, 13 Abs. 2, 23 Abs. 1, 3 u. 4 UmwStG und Fortführung der Organschaft führt nicht dazu, dass Ursachen vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag als vororganschaftlich anzusehen sind22. Ausgleichsposten i. S. d. § 14 Abs. 4 KStG sind unabhängig von der Fortführung der Organschaft vom übernehmenden Rechtsträger zu übernehmen und fortzuführen23. Zu (vii): Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG erfolgt nach einer Einbringung unter dem gemeinen Wert die Besteuerung des Einbringungsgewinns I entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 bis 5 UmwStG auch dann, wenn Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG „ausgeschüttet oder zurückgezahlt werden“24. Nach zutreffender Auffassung erfüllen Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto den Tatbestand des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG nur insoweit, als sie den Buchwert der erhaltenen Anteile übersteigen. Dies gilt insbesondere für vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen mit Verwendung des Einlagekontos. Die Minderung des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 Abs. 6 KStG im Fall einer organschaftlich verursachten Mehrabführung i. S. d. § 14 Abs. 4 KStG ist in jedem Fall unschädlich, weil sie keine „Ausschüttung oder Rückzahlung“ i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG darstellt25. Dieser Auffassung sind die Körperschaftsteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder zwar wohl nicht gefolgt. Dem Vernehmen
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20 So zur Verschmelzung auf den Alleingesellschafter BFH v. 23.1.2002 – XI R 48/99, BStBl. II 2002, 875. 21 Vgl. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 487 und 544 (Oktober 2008); Verfasser, DStR 2006, 310 (313). 22 Vgl. Verfasser, DStR 2006, 310; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 399k (5/2008); einschränkend Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 503 und 536 (Oktober 2008): nur bei Buchwertfortführung (obwohl der Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung davon mit der Ausnahme des § 23 Abs. 4 UmwStG nicht abhängt). 23 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 336 und 339 (5/2008). Dies gilt nach der Änderung des § 23 Abs. 1 UmwStG durch das JStG 2009 auch für Einbringungen nach § 21 UmwStG (für diese war vorher kein Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung geregelt; dazu Dötsch/Pung, Der Konzern 2008, 150 (155). 24 Diese Regelung ist gem. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG bei Einbringung einer Beteiligung nach §§ 20, 21 UmwStG, deren Veräußerung nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigt ist, auf die eingebrachten Anteile entsprechend anzuwenden. 25 Vgl. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 22 Rz. 112 ff.; Rödder/ Stangl, Ubg 2008, 39; Verfasser/Neumann, DStR 2008, 325 (332 f.).
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nach haben diese jedoch beschlossen, dass eine organschaftsbedingte Einlagenrückgewähr im Billigkeitswege nicht zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns führen soll, solange der durch die Einbringung geschaffene Beteiligungsbuchwert saldiert um etwaige organschaftliche Ausgleichsposten nicht überschritten wird. 2. Übernahmeergebnis und Folgeauswirkungen bei Umwandlung auf eine Organgesellschaft Wenn eine Tochtergesellschaft einer Organgesellschaft auf diese verschmolzen, auf- oder abgespalten wird, entsteht bei der Organgesellschaft ein Übernahmeergebnis in Höhe der Differenz zwischen dem auszubuchenden Beteiligungsbuchwert und dem Wert, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter anzusetzen sind. Dieser Übernahmegewinn oder -verlust kann in Handels- und Steuerbilanz eine unterschiedliche Höhe haben. Beispiel: Die Organgesellschaft OG GmbH hält sämtliche Anteile an der nicht organschaftlich verbundenen T GmbH. Der Beteiligungsbuchwert beträgt in Handels- und Steuerbilanz 100. Die T GmbH hat in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.01 eine Drohverlustrückstellung i. H. v. 10 passiviert, die in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf. Daher beträgt das Eigenkapital in der Handelsbilanz 190, während das Eigenkapital in der Steuerbilanz 200 beträgt. Mit Verschmelzungsstichtag 1.1.02 (steuerlicher Übertragungsstichtag 31.12.01) wird die T GmbH auf die OG GmbH unter Buchwertfortführung in Handels- und Steuerbilanz verschmolzen. Der Verschmelzungsgewinn beträgt in der Handelsbilanz 90, während er in der Steuerbilanz 100 beträgt. Im Wirtschaftsjahr 2 wird die von der OG GmbH übernommene Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz wieder aufgelöst. Es sei hier zunächst vernachlässigt, dass der Übernahmegewinn in der Steuerbilanz rückwirkend zum steuerlichen Übertragungsstichtag entsteht (§ 2 Abs. 1 UmwStG; s. auch § 12 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 1 UmwStG), während er in der Handelsbilanz frühestens im Zeitpunkt des Abschlusses des Verschmelzungsvertrags, d. h. regelmäßig im Folgejahr, zu erfassen ist26. Diese Problematik der unterschiedlichen zeitlichen Erfassung in Handels- und Steuerbilanz wird unter III.4. gesondert behandelt. Die Finanzverwaltung hat zum UmwStG 1995 die Auffassung vertreten, die Abführung eines Übernahmegewinns sei wie eine vororganschaftlich verursachte Mehrabführung zu behandeln, weil die Gewinnabführung und das zugerechnete Einkommen nicht übereinstimme (Steuerfreiheit des Übernahmegewinns gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG a. F.)27. Diese Sichtweise steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen zur Ermittlung von Mehr- und Minderabführungen, weil – auch nach der Verwaltungsauffassung vor der gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 3 u. Abs. 4 KStG28 – eine Mehrabführung nur in der Ab-
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26 Vgl. IDW, HFA 2/1997, WPg 1997, 235, Abschn. 21. 27 Vgl. UmwSt-Erlass, Tz. Org.26. 28 Vgl. Abschn. 59 Abs. 4 KStR 1995.
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Mehr- und Minderabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 und 4 KStG bei Umwandlungen
weichung von Gewinnabführung und Steuerbilanzgewinn (vor Gewinnabführung), nicht aber von Gewinnabführung und zugerechnetem Einkommen liegt (s. oben II.1.). Im Ausgangsbeispiel liegt somit in Höhe der Differenz zwischen handelsbilanziellem und steuerbilanziellem Übernahmegewinn eine Minderabführung vor29. Des Weiteren ist fraglich, ob diese Minderabführung – und die nachfolgende Mehrabführung bei Auflösung der Rückstellung in der Handelsbilanz – i. S. d. § 14 Abs. 3 KStG vororganschaftlich verursacht ist. Ihre Ursache besteht unmittelbar in dem Verschmelzungsvorgang, der in organschaftlicher Zeit erfolgt30. Nach dem Wortlaut ist somit § 14 Abs. 4 KStG und nicht § 14 Abs. 3 KStG anzuwenden. Andererseits liegt die bilanzielle Ursache in der Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz der auf die Organgesellschaft OG GmbH verschmolzenen Tochtergesellschaft T GmbH. Diese Abweichung ist, unabhängig von ihrem zeitlichen Entstehen, nicht bei der Ermittlung des dem Organträger zugerechneten Einkommens der Organgesellschaft OG GmbH berücksichtigt worden. Diese „außerorganschaftliche“ Verursachung könnte einer vororganschaftlichen Verursachung gleichgestellt werden31. Hierfür besteht jedoch keine Notwendigkeit, denn die Abweichung in Handels- und Steuerbilanz gleicht sich bei der OG GmbH innerhalb der Organschaft aus: Zunächst erfolgt die Minderabführung im Hinblick auf den Verschmelzungsgewinn, dann die Mehrabführung wegen der Auflösung der Rückstellung in der Handelsbilanz. Im Ergebnis entspricht dies den Auswirkungen einer Bildung dieser Rückstellung unmittelbar bei der Organgesellschaft OG GmbH innerhalb der Organschaft. Es ist somit allein § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Auflösung der Rückstellung bei Begründung einer Organschaft zur T GmbH ab dem Wirtschaftsjahr 2 eine vororganschaftlich verursachte Mehrabführung begründet hätte32. Die Erfassung steuerlicher Gewinnrücklagen der T GmbH, die am steuerlichen Übertragungsstichtag vorhanden sind, erfolgt – anders als bei Begründung einer Organschaft zur T GmbH – bei Verschmelzung abschließend durch § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, eine nochmalige Berücksichtigung durch die Annahme von Mehrabführungen der übernehmenden OG GmbH ist nicht erforderlich33. Erste Abwandlung des Beispiels: Das Eigenkapital in Handels- und Steuerbilanz der T GmbH beträgt übereinstimmend 200. Der Beteiligungsbuchwert in der Steuerbilanz der OG GmbH beträgt wegen einer gem. § 6 Abs. 6 Satz 2
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29 Vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 3 Rz. 65; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Anh. UmwStG (SEStEG) Rz. 51 (Juni 2008). 30 In diesem Sinne auch FG Hamburg v. 14.9.1999 – VI 103/98, EFG 2000, 150 (152); offen gelassen in BFH v. 24.1.2001 – I R 103/99, BFH/NV 2001, 1455. 31 So Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 432 (Oktober 2008); Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Anh. UmwStG (SEStEG) Rz. 53 (Juni 2008); Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 399l (5/2008). 32 Diese Parallelwertung wird vorgenommen von Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 432 (Oktober 2008). 33 Allerdings stellt sich die Frage, ob die von § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG angeordnete Anwendung des § 8b KStG bei einer Organgesellschaft leerläufig ist, vgl. Rödder/ Schumacher, DStR 2007, 369 (373).
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EStG erfassten verdeckten Einlage 120, während er in der Handelsbilanz 100 beträgt. Der Verschmelzungsgewinn beträgt in der Steuerbilanz 80 und in der Handelsbilanz 100. Durch den höheren Verschmelzungsgewinn in der Handelsbilanz der Organgesellschaft OG GmbH ergibt sich eine Mehrabführung i. H. v. 20. Ihre Ursache liegt in der unterschiedlichen Erfassung der verdeckten Einlage in Handelsund Steuerbilanz der OG GmbH. Wenn die verdeckte Einlage während der Organschaft zur OG GmbH erfolgte, ist die Mehrabführung organschaftlich verursacht (und korrespondiert mit einer organschaftlichen Minderabführung im Wirtschaftsjahr der verdeckten Einlage). Wenn die verdeckte Einlage vor Begründung der Organschaft zur OG GmbH erfolgte, ist § 14 Abs. 3 KStG wegen vororganschaftlicher Verursachung anzuwenden. Zweite Abwandlung des Beispiels: Das Eigenkapital in Handels- und Steuerbilanz der T GmbH beträgt übereinstimmend 200 und die Beteiligungsbuchwerte in Handels- und Steuerbilanz der OG GmbH betragen übereinstimmend 100. Die OG GmbH setzt das von der T GmbH übergehende Vermögen in ihrer Handelsbilanz gem. § 24 UmwG mit den Anschaffungskosten (Zeitwert der untergehenden Beteiligung)34 i. H. v. 300 an, während in der Steuerbilanz die Buchwerte fortgeführt werden. Somit beträgt der Verschmelzungsgewinn in der Steuerbilanz 100 und in der Handelsbilanz 200. Die Ursache für die Mehrabführung liegt hier allein in einer unterschiedlichen Bewertung in Handels- und Steuerbilanz durch die übernehmende Organgesellschaft im Zeitpunkt der Umwandlung, die mit späteren Minderabführungen auf Grund der Umkehreffekte korrespondiert. Auf die Mehrabführung und die korrespondierenden späteren Minderabführungen ist daher § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden35. 3. Übertragung von Vermögen mit Wertunterschieden in Handels- und Steuerbilanz auf eine Organgesellschaft Im vorstehend beschriebenen Fall einer Beteiligung der übernehmenden Organgesellschaft an der übertragenden Gesellschaft korrespondieren die Folgewirkungen aus einer Übernahme von Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz der übertragenden Gesellschaft mit einer Abweichung zwischen dem Übernahmeergebnis in Handels- und Steuerbilanz. Falls die Organgesellschaft hingegen nicht an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist, schlagen sich bei ihrer Gewinnermittlung allein die Folgewirkungen nieder. Beispiel: Auf die Organgesellschaft OG GmbH wird mit steuerlichem Übertragungsstichtag 31.12.01 ihre nicht organschaftlich verbundene Schwestergesellschaft S GmbH unter Buchwertfortführung in Handels- und Steuerbilanz verschmolzen. Die S GmbH hat in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.01 eine Droh-
__________ 34 Vgl. IDW, HFA 2/1997, WPg 1997, 235, Abschn. 32212. 35 Vgl. Grube/Behrendt, GmbHR 2005, 1172 (1176 f.); a. A. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 432 (Oktober 2008).
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verlustrückstellung passiviert, die in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf. Im Wirtschaftsjahr 2 wird die von der OG GmbH übernommene Drohverlustrückstellung in deren Handelsbilanz wieder aufgelöst. Die Mehrabführung der OG GmbH im Wirtschaftsjahr 2 beruht auf der von S GmbH übernommenen Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz. Wenn die für die Abgrenzung zwischen § 14 Abs. 3 KStG und § 14 Abs. 4 KStG relevante Ursache nicht in dem Verschmelzungsvorgang, sondern in der außerhalb der Organschaft entstandenen Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz gesehen wird, ist die Mehrabführung außerorganschaftlich verursacht. Aus Sicht der OG GmbH liegt die Ausschüttung eines Gewinns vor, der zu keinem Zeitpunkt der organschaftlichen Zurechnung unterlag. Die von der S GmbH gebildete steuerliche Gewinnrücklage geht auch im Rahmen der Verschmelzung auf die OG GmbH über: Zum Übertragungsstichtag erhöht dieser Vermögenszugang den ausschüttbaren Gewinn i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG der OG GmbH, da sich ihr steuerliches Einlagekonto gem. § 29 Abs. 2 KStG nur um den Bestand des steuerlichen Einlagekontos der S GmbH erhöht. Anders als bei der Aufwärtsverschmelzung einer Tochtergesellschaft erfolgt auch keine Besteuerung dieser Gewinnrücklage nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. Die Mehrabführung führt zur Ausschüttung dieser Gewinnrücklage und der Sachverhalt entspricht dem Grundfall der Bildung der Rückstellung durch die OG GmbH selbst in vororganschaftlicher Zeit. Insoweit umfasst die steuerliche Rechtsnachfolge gem. § 12 Abs. 3 UmwStG das Merkmal der vororganschaftlichen Verursachung36. Auf die Mehrabführung ist daher § 14 Abs. 3 UmwStG anzuwenden. Erste Abwandlung des Beispiels: Die S GmbH ist ebenfalls Organgesellschaft des gleichen Organträgers und hat die Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz in organschaftlicher Zeit gebildet. Auf Antrag des Organträgers erfolgt auf Anteilsebene eine Buchwertfortführung gem. § 13 Abs. 2 UmwStG. Bei der S GmbH hat die Bildung der Drohverlustrückstellung zu einer organschaftlich verursachten Minderabführung und damit zur Bildung eines aktiven Ausgleichspostens geführt. Dieser Ausgleichsposten wird vom Organträger nunmehr hinsichtlich der Beteiligung an der OG GmbH fortgeführt (s. oben III.1. zu (v)). Die nachfolgende Mehrabführung könnte zwar aus Sicht der OG GmbH wiederum als außerorganschaftlich angesehen werden, nach Sinn und Zweck ist die Anwendung des § 14 Abs. 3 KStG jedoch nicht geboten, weil der aus § 5 Abs. 4a EStG resultierende Gewinn in das dem Organträger zugerechnete Einkommen eingegangen ist. Auf Grund der Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos der S GmbH gem. § 27 Abs. 6 KStG geht auch keine Gewinnrücklage, sondern ein höheres steuerliches Einlagekonto auf die OG GmbH über. Des Weiteren kann aus dem Eintritt der OG GmbH in die steuerliche Rechtsstellung der S GmbH gem. § 12 Abs. 3 UmwStG geschlossen werden,
__________ 36 Vgl. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Anh. UmwStG (SEStEG) Rz. 48 (Juni 2008); a. A. Grube/Behrendt, GmbHR 2006, 1026 und 1079.
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dass das Merkmal der organschaftlichen Verursachung im Einklang mit der Fortführung des Ausgleichspostens beim Organträger übergeht. Somit ist auf die Mehrabführung § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden und der aktive Ausgleichsposten zu vermindern37. Zweite Abwandlung des Beispiels: Die Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz ist in einem Teilbetrieb des Organträgers gebildet worden, den dieser in die OG GmbH gem. § 20 UmwStG unter Buchwertfortführung in Handelsund Steuerbilanz einbringt. Vergleichbar mit dem vorherigen Fall korrespondiert mit der Abweichung in Handels- und Steuerbilanz der OG GmbH ein Zugang beim steuerlichen Einlagekonto. Der Gewinn aus der Anwendung des § 5 Abs. 4a EStG wurde vom Organträger selbst versteuert. Nach Sinn und Zweck ist daher keine Anwendung des § 14 Abs. 3 UmwStG geboten, selbst wenn man eine außerorganschaftliche Ursache bejahen würde. Andererseits spricht gegen die Anwendung des § 14 Abs. 4 UmwStG, dass kein Umkehreffekt innerhalb der organschaftlichen Zeit erfolgt, so dass ein zu bildender passiver Ausgleichsposten bis zu einer Veräußerung bestehen bliebe. Im Ergebnis spricht das Fehlen einer steuerlichen Gewinnrücklage bei der OG GmbH dennoch mehr für die Anwendung des § 14 Abs. 4 KStG38. Dritte Abwandlung des Beispiels: Handels- und Steuerbilanz der auf die OG GmbH verschmolzenen S GmbH (bzw. des in sie vom Organträger eingebrachten Teilbetriebs) stimmen überein. Die OG GmbH setzt das auf sie übergehende Vermögen in ihrer Handelsbilanz gem. § 24 UmwG mit dem Zeitwert an, während in der Steuerbilanz die Buchwerte fortgeführt werden. Der Ansatz des Zeitwerts in der Handelsbilanz der OG GmbH führt nicht zu einer Mehrabführung, da dadurch kein Gewinn in der Handelsbilanz entsteht. Die Folgewirkungen der Höherbewertung in der Handelsbilanz führen hingegen zu Minderabführungen. Auf der Ebene des Organträgers stellt sich die Frage, ob diese gem. § 14 Abs. 3 KStG zu einer Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts an der Organgesellschaft oder gem. § 14 Abs. 4 KStG zur Bildung eines aktiven Ausgleichspostens führen (bei der OG GmbH erhöht sich in jedem Fall das steuerliche Einlagekonto). Die fehlende Gewinnauswirkung der Höherbewertung spricht wiederum eher für die Anwendung des § 14 Abs. 4 KStG. Allerdings könnte die durch die Höherbewertung geschaffene Kapitalrücklage bei Auflösung nicht die Gewinnabführung erhöhen, sondern nur ausgeschüttet werden39. Diese fehlende Möglichkeit einer korrespondierenden organschaft-
__________
37 So auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Anh. UmwStG (SEStEG) Rz. 48 (Juni 2008) für den Fall der Verkürzung einer Organschaftskette. 38 Weitergehend könnte auch hinsichtlich sämtlicher Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz, die vor Begründung der Organschaft entstanden sind, danach unterschieden werden, ob sie gewinnwirksam waren oder auf Einlagen beruhen. Nur hinsichtlich der erstgenannten Abweichungen ist die Anwendung des § 14 Abs. 3 KStG erforderlich. 39 Kapitalrücklagen einer Organgesellschaft können nur ausgeschüttet werden; vgl. BFH v. 8.8.2001 – I R 25/00, BStBl. II 2003, 923; BMF v. 27.11.2003, BStBl. I 2003, 647.
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lichen Mehrabführung könnte dafür sprechen, die Minderabführung nach § 14 Abs. 3 KStG als Einlage zu behandeln. 4. Zeitliche Unterschiede bei der Erfassung von Gewinnen in Handels- und Steuerbilanz wegen der steuerlichen Rückwirkungsfiktion Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz können auch aus einer unterschiedlichen zeitlichen Erfassung einer Umwandlung entstehen. Beispiel: Die Organgesellschaft OG GmbH hat ein Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht. Ihre Schwestergesellschaft S GmbH, zu der keine Organschaft besteht, hat ein Wirtschaftsjahr, das zum 30.6. des Jahres endet. Im Februar des Jahres 2 wird ein Verschmelzungsvertrag über die Verschmelzung der S GmbH auf die OG GmbH mit Verschmelzungsstichtag 1.7.01 (steuerlicher Übertragungsstichtag 30.6.01) abgeschlossen und zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Die Verschmelzung wird vor dem 31.12.02 wirksam. Die S GmbH hat vom 1.7.01 bis 31.12.01 einen Verlust in Handelsund Steuerbilanz erzielt. Eine Erfassung des seit dem Verschmelzungsstichtag entstandenen Handelsbilanzverlusts der übertragenden S GmbH durch eine Rückstellung bei der OG GmbH dürfte erst ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses möglich sein40. Die Gewinnabführung der OG GmbH wird somit durch die nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1 beschlossene Verschmelzung nicht berührt (anders, wenn wegen Vertragsabschluss vor dem 31.12.01 eine Rückstellungsbildung erfolgt). In der Steuerbilanz gilt hingegen gem. § 2 Abs. 1 UmwStG das Vermögen der S GmbH bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag 30.6.01 auf die OG GmbH übergegangen; ihr Steuerbilanzgewinn wird um den aus dem übergegangenen Vermögen bis zum 31.12.01 resultierenden Verlust gemindert. Es liegt somit eine Mehrabführung der OG GmbH zum 31.12.01 vor, der eine entsprechende Minderabführung zum 31.12.02 gegenübersteht (da dann der Verlust in der Handelsbilanz erfasst wird). Wiederum könnte die Auffassung vertreten werden, die Mehr- und Minderabführung sei außerorganschaftlich verursacht und § 14 Abs. 3 KStG sei anzuwenden41. Es liegt jedoch nur die unterschiedliche zeitliche Erfassung eines Verlusts in der Handels- und Steuerbilanz der Organgesellschaft innerhalb der organschaftlichen Zeit vor. Eine Gleichstellung mit einer vororganschaftlich verursachten Mehrabführung ist auch nach Sinn und Zweck der Regelung nicht geboten, da keine Ausschüttung eines nicht organschaftlich zugerechneten Gewinns erfolgt. Somit ist auf die Mehrabführung und die korrespondierende Minderabführung § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden.
__________ 40 Vgl. IDW, HFA 2/1997, WPg 1997, 235, Abschn. 22. 41 So Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Anh. UmwStG (SEStEG) Rz. 52 (Juni 2008) hinsichtlich der vergleichbaren Frage einer unterschiedlichen zeitlichen Erfassung eines Verschmelzungsgewinns bei Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Organgesellschaft; a. A. Grube/Behrendt, GmbHR 2005, 1172 (1180 f.).
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5. Übertragungsgewinne oder -verluste bei einer Organgesellschaft als übertragender Rechtsträger Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz können auch entstehen, wenn eine Organgesellschaft übertragender Rechtsträger einer Umwandlung ist, da die umwandlungssteuerlichen Bewertungswahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können. Beispiel: Die Organgesellschaft OG GmbH wird auf ihre Schwestergesellschaft S GmbH verschmolzen. Die OG GmbH setzt in ihrer steuerlichen Schlussbilanz gem. § 11 Abs. 1 UmwStG die gemeinen Werte an, während in der Handelsbilanz die Buchwerte fortgeführt werden (müssen). Die Finanzverwaltung vertrat zum UmwStG 1995 die Auffassung, dass Übertragungsgewinne aus dem Ansatz des übergehenden Vermögens in der steuerlichen Schlussbilanz bei Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung nicht der vertraglichen Gewinnabführungsverpflichtung unterlägen und daher von der Organgesellschaft selbst zu versteuern wären42. Sie wollte damit die auf der älteren BFH-Rechtsprechung beruhenden Grundsätze zur Auflösung der Organgesellschaft entsprechend anwenden43. Es soll dahinstehen, ob diese Grundsätze dem geltenden Aktienrecht entsprechen. Ihre Übertragung auf die Umwandlung der Organgesellschaft ist jedenfalls nicht zutreffend. Entscheidend für die organschaftliche Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft für die Wirtschaftsjahre bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag (einschließlich eines Übertragungsgewinns) ist insoweit allein, dass der Gewinnabführungsvertrag für diese Wirtschaftsjahre tatsächlich handelsrechtlich zutreffend durchgeführt wird, d. h. der ganze handelsrechtliche Gewinn abgeführt wird44. Wenn dies der Fall ist, wird nicht nur das laufende Einkommen der Organgesellschaft, sondern auch ein Übertragungsgewinn gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG dem Organträger zugerechnet. Eine Rechtsgrundlage für eine gesonderte Behandlung des Übertragungsgewinns besteht nicht. Der Gewinnabführungsvertrag erlischt erst mit der Eintragung der Verschmelzung45. Die tatsächliche Durchführung bis zu dem davor liegenden Ende des mit dem steuerlichen Übertragungsstichtag endenden letzten Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft wird von der Verschmelzung somit nicht berührt46. Zwar entsteht in der Handelsbilanz kein Übertragungsgewinn, der abgeführt werden könnte. Wie bei anderen Gewinnen, die nur in der Steuerbilanz entstehen, steht dies jedoch der organschaftlichen Zurechnung nicht entgegen,
__________ 42 Vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 (nachfolgend: UmwSt-Erlass), Tz. Org. 19. 43 H 61 KStR („Gewinn im Zeitraum der Abwicklung“) i. V. m. BFH v. 18.10.1967 – I 262/63, BStBl. II 1968, 105. 44 Vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 3 Rz. 63; a. A. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 194 (Oktober 2008) m. w. N.: Zurechnung des Übertragungsgewinns nur bei Abspaltung, weil dort die übertragende Körperschaft bestehen bleibt. 45 Vgl. Grunewald in Lutter, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rz. 36. 46 Auf Besonderheiten eines unterjährigen steuerlichen Übertragungsstichtags kann hier nicht eingegangen werden.
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sondern führt nur zu einer organschaftlich verursachten Minderabführung47. Wenn die Verschmelzung auf eine andere Organgesellschaft erfolgt, sind die korrespondierenden Mehrabführungen ebenfalls als organschaftlich verursacht anzusehen (s. oben III.3.). Bei Einbringungen ist auch der umgekehrte Fall möglich. Abwandlung des Ausgangsbeispiels: Die Organgesellschaft OG GmbH überträgt einen Teilbetrieb durch Ausgliederung auf ihre Tochtergesellschaft T GmbH. Die Beteiligung an der T GmbH wird in der Handelsbilanz der OG GmbH mit dem Zeitwert angesetzt, während in der Steuerbilanz gem. § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 UmwStG der Buchwert fortgeführt wird. In diesem Fall erzielt die Organgesellschaft einen Übertragungsgewinn in der Handelsbilanz durch Bewertung der erhaltenen Anteile nach Tauschgrundsätzen mit dem Zeitwert48, während in der Steuerbilanz wegen der Fortführung der Buchwerte gem. § 20 UmwStG kein Gewinn entsteht. Darin liegt eine organschaftlich verursachte Mehrabführung, auf die § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden ist49.
IV. Schlussbemerkung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass auch bei umwandlungsbedingten Mehr- oder Minderabführungen eine differenzierte Betrachtung hinsichtlich der Einordnung als organschaftlich oder vororganschaftlich verursacht erforderlich ist. Die Einstufung einer Mehr- oder Minderabführung als außerorganschaftlich verursacht ist allein nicht geeignet, die Anwendung des § 14 Abs. 3 KStG zu begründen. Wenn die korrespondierenden Mehr- und Minderabführungen sämtlich in organschaftlicher Zeit erfolgen, ist vielmehr allein § 14 Abs. 4 KStG anzuwenden. Aber auch dann, wenn die umwandlungsbedingte Begründung der Differenz mit einer Erhöhung des Einlagekontos einhergeht, spricht der Sinn und Zweck des § 14 Abs. 3 KStG gegen seine Anwendung.
__________ 47 Vgl. Bahns/Graw, DB 2008, 1645 (1651). 48 Vgl. IDW, HFA 1/1998, WPg 1998, 508, Abschn. 123. 49 Vgl. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 14 KStG Rz. 476 und 482 (Oktober 2008); Lang, NWB 2009, 118 (122 f.), auch zur Problematik „weißer Einkünfte“ bei einer Beteiligung des Organträgers i. H. v. weniger als 100 %.
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Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle unter besonderer Berücksichtigung der Unternehmensteuerreform 2008 Inhaltsübersicht Vorrede I. Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die klassische Betriebsaufspaltung 1. Einschlägiger Normenkreis a) Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung b) Ausnahme von der Anwendung des besonderen Steuersatzes 2. Berechnungsbeispiele a) Begründung einer Betriebsaufspaltung durch Grundstücksüberlassung b) Begründung einer Betriebsaufspaltung durch Betriebsverpachtung II. Gestaltungsoption umgekehrte Betriebsaufspaltung 1. Charakteristika der umgekehrten Betriebsaufspaltung
2. Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 III. Gestaltungsoption mitunternehmerische Betriebsaufspaltung 1. Charakteristika der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung 2. Bereits vor der Unternehmensteuerreform 2008 gegebene steuerliche Gestaltungschancen a) Investitionsabzugsbetrag b) Trennung der Betriebsvermögenssphären und Auswirkungen auf Übertragungsvorgänge 3. Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung im Spiegel der Unternehmensteuerreform 2008 4. Überführung der typischen in die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung IV. Fazit
Vorrede Die Betriebsaufspaltung scheint in der Gestaltungspraxis als Mischform zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft an Bedeutung zu verlieren. Tragend ist insoweit bereits die weitgehende Nivellierung der steuerlichen Belastungen von Personenunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits, die zwar durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 herbeigeführt wurde, indes voraussetzt, dass auf Seiten der Personenunternehmung zumindest partiell die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG gewählt wird1. Von hohem Rang ist die Betriebsaufspaltung aber zumindest und stets dann, wenn sie nicht bewusst gewählt wird, sondern unentdeckt entsteht. Sie zeigt
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1 Vgl. dazu z. B. Rödder in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, 359.
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dann dem Steuerpflichtigen eine üble Fratze, da es zu ihrer „Entdeckung“ meist erst im Zuge ihrer unfreiwilligen Beendigung kommt. Bedingt durch eine nicht unerhebliche Ausdehnung des Begriffs der wesentlichen Betriebsgrundlage2 sowie die vom BFH in jüngerer Zeit ebenfalls verstärkt betonte Möglichkeit der Herbeiführung einer personellen Verflechtung durch faktische Beherrschung3 hat das Schrecknis der unechten Betriebsaufspaltung noch an Bedeutung gewonnen. Die vorgeblich sinkende Attraktivität der Betriebsaufspaltung in Gestaltungsfällen legt im Zusammenspiel mit der zunehmenden Gefahr des Entstehens einer unechten Betriebsaufspaltung nicht unbedingt nahe, Ausführungen zu einem beinahe als unschön zu charakterisierenden Thema dem Jubilar zu dedizieren. Dass dies gleichwohl geschieht, ist dem Umstand geschuldet, Gestaltungsansätze aufzuzeigen, die sich eher in Randbereichen der Globalthematik „Betriebsaufspaltung“ ergeben. Damit sei die intensive Gestaltungssuche des Jubilars gewürdigt, wie sie der Verfasser immer wieder im Rahmen von gemeinsamen Vortragsveranstaltungen erleben durfte.
I. Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die klassische Betriebsaufspaltung 1. Einschlägiger Normenkreis Bevor auf Gestaltungsansätze eingegangen werden soll, die sich im Rahmen der umgekehrten sowie der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung eröffnen, sei zunächst die klassische Betriebsaufspaltung unter dem Brennglas der Unternehmensteuerreform 2008 betrachtet4. Tendenziell nachteilig wirken sich die durch diese herbeigeführten Rechtsänderungen auf die typische Betriebsaufspaltung, welche zwischen einer Besitz-Personenunternehmung und einer Betriebs-Kapitalgesellschaft begründet wird, einerseits vor dem Hintergrund der Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG unter Aufhebung der früheren Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 4 GewStG und andererseits im Spiegel der Einführung des besonderen Steuersatzes auf Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG i. H. v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag aus, von dessen Anwendung u. a. solche Erträge ausgenommen sind, die gemäß der Subsidiaritätsregel des § 20 Abs. 8 EStG im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Tätigkeit oder Vermietung und Verpachtung anfallen.
__________ 2 Vgl. dazu BFH-Urteile IV R 7/05 v. 10.1.2005, BStBl. II 2006, 176; IV R 25/05 v. 13.7.2006, BStBl. II 2006, 804 (betreffend als Büro genutzte Räume in einem im Übrigen zu Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus); XI R 30/05 v. 14.2.2007, BStBl. II 2007, 524. 3 Vgl. BFH-Urteil IX R 52/04 v. 24.8.2006, BStBl. II 2007, 165. 4 Vgl. dazu auch Wesselbaum-Neugebauer, GmbHR 2007, 1300; Levedag, GmbHR 2008, 281; Fehling, NWB F. 5, 1617, 1624 (Heft 29/2007); Bergemann/Markl/Althof, DStR 2007, 693 (699).
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Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle
a) Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ist bekanntlich die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG völlig neu gefasst worden. Die Hinzurechnung wurde insbesondere auf typisiert angenommene Finanzierungsanteile in Mieten, Pachten und Leasingraten für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie für Rechte ausgedehnt. Zudem ist die mit § 8 Nr. 7 GewStG a. F. korrespondierende Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 4 GewStG a. F. ersatzlos gestrichen worden, so dass es potentiell zu einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung der Miet- und Pachtzinsen kommt, da sie beim Verpächter (Besitzunternehmen) nicht mehr in dem Umfang gekürzt werden können, in dem sie beim Pächter (Betriebsgesellschaft) im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzugerechnet werden. Die sich aus der Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unter gleichzeitiger Streichung der Kürzung des entsprechenden Gewerbeertrags beim Verpächter ergebende Doppelbelastung wird indes dadurch gemindert, dass nach Ermittlung der Summe der typisierten Finanzierungsanteile ein Freibetrag von 100.000 Euro zur Anwendung gelangt. Der diesen Freibetrag überschreitende Betrag wird mit 25 % hinzugerechnet. Weiterhin kann sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, dass in jenen Fällen, in denen eine Betriebsaufspaltung mit der Überlassung eines Betriebs oder Teilbetriebs verbunden ist, ein auf den etwaig überlassenen Firmenwert entfallender Teil des Pachtentgelts entgegen der ursprünglichen Absicht der Finanzverwaltung5 weder nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG noch nach einer anderen Vorschrift anteilig im Rahmen des Hinzurechnungsbetrages zu berücksichtigen ist6. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollten laufende Pachtverträge hinsichtlich der Aufteilung des Pachtzinses einer Überprüfung unterzogen werden. Eine Minderung der gewerbesteuerlichen Mehrbelastung ergibt sich durch § 35 EStG bei beteiligten natürlichen Personen. Zu einer vollständigen Entlastung kommt es auf Grund der typisierten Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer indes nur bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von bis zu 400 %, wenn zugleich ein Auftreten von Anrechnungsüberhängen vermieden werden kann7. b) Ausnahme von der Anwendung des besonderen Steuersatzes Im Rahmen einer typischen Betriebsaufspaltung rechnet die Beteiligung an der Betriebs-Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsver-
__________
5 Vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens IV D 7 – G 12422/07/0006 v. 20.2.2008, Rz. 33, DATEV LEXinform Dok-Nr. 5231297; dazu kritisch Wesselbaum-Neugebauer, GmbHR 2007, 1300 (1302); Strahl, KÖSDI 2008, 16027 (16030); vgl. auch Schiffers, Ubg 2008, 706 (712). 6 Vgl. gleich lautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 730, Rz. 32. 7 Vgl. z. B. Strahl, KÖSDI 2007, 15830 (15832).
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mögen der Besitz-Personenunternehmung. Daraus ergibt sich zum einen, dass Gewinnausschüttungen der Betriebs-Kapitalgesellschaft an beteiligte natürliche Personen, die nach dem 31.12.2008 beschlossen werden, gem. § 32d Abs. 1 i. V. m. § 20 Abs. 8 EStG von der Anwendung des besonderen Steuersatzes ausgenommen sind und stattdessen dem Teileinkünfteverfahren unterliegen, wonach die Gewinnausschüttung lediglich in einem Umfang von 40 % steuerfrei gestellt ist. Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens anstelle des besonderen Steuersatzes resultiert für jene Anteilseigner in einer steuerlichen Schlechterstellung, die einem Grenzsteuersatz von mehr als 41,67 % unterliegen8. Noch ärgere steuerliche Belastungsunterschiede treten ein, wenn ein Besitzunternehmer der Betriebs-Kapitalgesellschaft ein Darlehen gewährt hat. Die Darlehensforderung rechnet regelmäßig zum Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen bei der Besitz-Personengesellschaft9. Demzufolge sind die Zinserträge aus dem der Betriebs-Kapitalgesellschaft ausgereichten Darlehen von der Anwendung des besonderen Steuersatzes exkludiert. Sie unterliegen vielmehr der individuellen Steuerbelastung des Gesellschafters. Auch hier können zudem negative Effekte auf Grund der Doppelbelastung mit Gewerbesteuer in den Kalkül zu fassen sein. 2. Berechnungsbeispiele Inwiefern sich aus den vorstehend geschilderten nachteiligen Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf Fälle der klassischen Betriebsaufspaltung tatsächlich Mehrbelastungen in einem typischen mittelständischen Fall ergeben, sei anhand von beispielhaften Belastungsrechnungen geprüft, die einen für typisch erachteten mittelständischen Fall zum Gegenstand haben. a) Begründung einer Betriebsaufspaltung durch Grundstücksüberlassung Beabsichtigt ein Steuerpflichtiger, ein Grundstück für unternehmerische Zwecke zu erwerben, ergeben sich unbenommen weiterer Sachverhaltskonstellationen grundsätzlich die folgenden Handlungsmöglichkeiten: (a) Der Steuerpflichtige übt seine unternehmerische Tätigkeit im Rahmen einer Personenunternehmung aus. Das Grundstück wird dann zwingend zu Betriebsvermögen – bei Nutzungsüberlassung an eine Personengesellschaft bekanntlich zu Sonderbetriebsvermögen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG. (b) Die unternehmerische Tätigkeit wird im Rechtskleid einer Kapitalgesellschaft ausgeübt. Es stellt sich dann die Frage, ob die Kapitalgesellschaft das Grundstück erwerben soll oder aber der Steuerpflichtige die Anschaffung tätigt und das Grundstück anschließend der Kapitalgesellschaft zur Nut-
__________
8 Vgl. zur Herleitung Strahl, Ubg 2008, 143 (144). 9 Vgl. BFH-Urteile IV R 73/99 v. 19.10.2000, BStBl. II 2001, 335; X R 2/03 v. 20.4.2005, BFH/NV 2005, 1917.
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zung überlässt. Im letztgenannten Fall wird eine typische Betriebsaufspaltung begründet. Die steuerlichen Auswirkungen der vorgenannten Gestaltungsoptionen sollen anhand des folgenden Beispielsfalles10 verdeutlicht werden, wobei die nachstehenden Prämissen zugrunde gelegt werden: – Der einzeln zur Einkommensteuer veranlagte Steuerpflichtige unterliegt dem Spitzensteuersatz. Der Solidaritätszuschlag wird ebenso berücksichtigt wie der Freibetrag i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Die angemessene Tätigkeitsvergütung des Geschäftsführers beläuft sich auf 300.000 Euro. – Es wird ein Grundstück mit Anschaffungskosten von 2 Mio. Euro erworben, die zu 20 % auf den Grund und Boden und zu 80 % auf das Gebäude entfallen. Die AfA beträgt gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 3 % von 1,6 Mio. Euro = 48.000 Euro jährlich. – Es entstehen weitere laufende, mit dem Grundstück zusammenhängende Aufwendungen von 70.000 Euro jährlich. – Der Pachtzins im Rahmen der Betriebsaufspaltung soll sich auf 8 % des Verkehrswertes des Grundstücks zzgl. AfA-Komponente, insgesamt also 208.000 Euro belaufen. Gewerbesteuer-Hebesatz 400 %
unterstelltes Ausschüttungsverhalten
Gewinn vor Vergütung, Grundstücksaufwand und Steuern
1
2
3
4
Personenunternehmen
Kapitalgesellschaft
Betriebsaufspaltung
Kapitalgesellschaft
anteilige Thesaurierung
Thesaurierung
Thesaurierung
Ausschüttung in Höhe Gewinn Besitzunternehmen
1.000.000
1.000.000
1.000.000
1.000.000
0
300.000
300.000
300.000
118.000
118.000
208.000
118.000
Tätigkeitsvergütung 300.000 Euro Aufwand für Grundstück Hinzurechnungsbetrag Gewerbesteuer ([65 % – Freibetrag] x 25 %)
(8.800)
Gewinn vor Steuern
882.000
582.000
492.000
582.000
Gewerbesteuer
120.050
81.480
70.112
81.480
__________ 10 Strahl, KÖSDI 2008, 16027 (16030 f.).
497
Martin Strahl Gewerbesteuer-Hebesatz 400 % 1
2
3
4
Personenunternehmen
Kapitalgesellschaft
Betriebsaufspaltung
Kapitalgesellschaft
Körperschaftsteuer (15 %)
0
87.300
73.800
87.300
Solidaritätszuschlag (5,5 %)
0
4.802
4.059
4.802
ausschüttungsfähiger Gewinn
761.950
408.418
344.029
408.418
Entnahme/Ausschüttung
300.000
0
0
64.236
0
300.000
300.000
300.000
90.000
0
Tätigkeitsvergütung Gewinn aus Grundstücksüberlassung Gewerbesteuer auf Grundstücksüberlassung
0
0
9.170
0
Tätigkeitsvergütung/ Gewinn Grundstücksüberlassung
761.950
300.000
380.830
364.236
Einkommensteuer (45 %)
189.022
135.000
175.500
135.000
4.124
7.425
9.173
7.425
0
0
0
16.059
130.501
0
0
0
Solidaritätszuschlag (auf ESt. ./. GewStAnrechung) Abgeltungsteuer Steuer nach § 34a EStG Solidaritätszuschlag darauf (5,5 %)
7.177
0
0
883
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
114.048
0
8.712
0
verfügbarer Gewinn + Tätigkeitsvergütung nach Steuern
83.224
157.575
204.869
204.869
408.418
344.029
344.182
316.007 = 35,8 %
333.102 = 37,8 %
332.949 = 37,7 %
thesaurierter Gewinn nach Steuern Gesamtsteuerbelastung bei 45 % Einkommensteuersatz
336.826 = 38,2 %
Bezogen auf die Ausgangsgröße Gewinn vor Tätigkeitsvergütung, Grundstücksaufwand und Steuern ist die Gesamtsteuerbelastung bei einer Kapitalgesellschaft, die das Grundstück selbst anschafft, gegenüber der Option Betriebsaufspaltung geringer, wenn der Gewinn thesauriert wird. Dies gilt auch für die Personenunternehmung unter Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünsti498
Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle
gung des § 34a EStG für einen Betrag nach Abzug einer Entnahme, die dem Gehalt im Falle des Bestehens einer Kapitalgesellschaft entspricht. Zu berücksichtigen ist bei dem vorstehend angestellten Vergleich der Spalten 1 bis 3 jedoch, dass dem Gesellschafter bei der Option Grundstückserwerb durch die Kapitalgesellschaft – einen Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 % unterstellt – nur ein Betrag nach Steuern von 157.575 Euro für seine Lebensführung zur Verfügung steht. Bei der Betriebsaufspaltungs-Lösung fließen ihm demgegenüber nach Steuern 204.869 Euro zu. Insofern ist das aus dem Vergleich der Betriebsaufspaltungsoption mit der Kapitalgesellschaft – ohne Annahme einer Ausschüttung – gewonnene Ergebnis irreführend. Einen aussagekräftigen Vergleich erhält man, wenn postuliert wird, dass dem Steuerpflichtigen bei Wahrnehmung der Gestaltungsoption Grundstückserwerb durch die Kapitalgesellschaft nach Steuern ein ebenso hoher Betrag zur Verfügung steht wie im Rahmen der Gestaltungsoption Betriebsaufspaltung. Um dieses Ergebnis zu erreichen, muss eine Ausschüttung von 64.236 Euro beschlossen werden (Spalte 4). Dieser Betrag ermittelt sich bei Anwendung des bei nicht gegebener Betriebsaufspaltung grundsätzlich einschlägigen besonderen Steuersatzes, indem der Differenzbetrag von 47.294 Euro durch (1 – 0,25 x 0,55 =) 0,73625 dividiert wird. Danach ist die Betriebsaufspaltung gegenüber der die Grundstücksinvestition selbst tätigenden Kapitalgesellschaft eine steuerlich in etwa gleichrangige Lösung (gleiches gilt bei entsprechender Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG). Dieses Ergebnis stellt sich aber nur ein, wenn die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Finanzierungsanteile bei der Kapitalgesellschaft auf Grund des Freibetrags von 100.000 Euro nach § 8 Nr. 1 GewStG außer Betracht bleibt. So sind im Beispielsfall nur 8.800 Euro hinzuzurechnen gewesen, weil 65 % des Pachtentgelts (135.200 Euro) um den vollen Freibetrag von 100.000 Euro gemindert wurden. Die Betriebsaufspaltung wird hingegen zur nachteiligeren Option, wenn der Freibetrag von 100.000 Euro bereits durch andere Finanzierungsteile auf Seiten der Kapitalgesellschaft verbraucht ist (z. B. Fremdkapitalentgelte). Ließe man den Freibetrag aus diesem Grunde unberücksichtigt (bei einem Zinssatz von 5 % müsste dann aber bereits Fremdkapital i. H. v. 2 Mio. Euro aufgenommen worden sein), erhöht sich die Steuerbelastungsquote der Betriebsaufspaltungsoption auf 38,2 % (Gesamtsteuerbelastung 336.602 Euro). Dieser Effekt verstärkte sich negativ, wenn auf Seiten des Besitzunternehmens die vollständige Gewerbesteueranrechnung nicht gelingt (was bei Gewerbesteuer-Hebesätzen von mehr als 400 % der Fall ist). b) Begründung einer Betriebsaufspaltung durch Betriebsverpachtung Wird die unternehmerische Tätigkeit im Rahmen eines Personenunternehmens ausgeübt und die Begründung einer Betriebsaufspaltung erwogen, empfiehlt sich auf Grund des Gewinnrealisationsgebots des § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG regel499
Martin Strahl
mäßig das sog. Betriebsverpachtungsmodell, welches im Zeithorizont als Schrumpfmodell ausgestaltet werden kann. Es sind dann auf Seiten der Betriebskapitalgesellschaft zur Ermittlung des Gewerbeertrags nicht nur 25 % von 65 % des Pachtzinses für die Grundstücke, sondern auch – im Ergebnis nach Freibetrag (100.000 Euro) – 5 % (= 25 % von 20 %) der Pachtentgelte für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie 6,25 % (= 25 % von 25 %) der Entgelte für die Überlassung von Rechten (dazu gehört nach gewandelter Auffassung der Finanzverwaltung aber nicht ein auf die Überlassung des Firmenwertes entfallendes Entgelt) hinzuzurechnen. Dadurch verliert die klassische Betriebsaufspaltung etwaig weiter an Attraktivität, was anhand eines Beispielsfalls erläutert werden soll, dem die folgenden Prämissen zugrunde liegen: – Der Steuerpflichtige unterliegt wiederum dem Spitzensteuersatz. Er gehört keiner steuererhebungsberechtigten Religionsgemeinschaft an. Solidaritätszuschlag und Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG werden berücksichtigt. – Im Betriebsaufspaltungsfall wird ein Pachtzins für die Überlassung der Wirtschaftsgüter von 1 Mio. Euro entrichtet. Grundstücke werden nicht zur Nutzung überlassen. Der Pachtzins verteilt sich i. H. v. 750.000 Euro auf die Überlassung beweglichen Anlagevermögens, und mit 250.000 Euro auf die Überlassung von Rechten. – Es entsteht ein Aufwand von insgesamt 850.000 Euro jährlich, der sich aus der AfA für die – zur Nutzung überlassenen – Wirtschaftsgüter i. H. v. 800.000 Euro und weiterem laufenden Aufwand von 50.000 Euro zusammensetzt. Gewerbesteuer-Hebesatz 400 %
unterstelltes Ausschüttungsverhalten
Rohergebnis vor Steuern Tätigkeitsvergütung 300.000 Euro AfA bewegliches Anlagevermögen weiterer Aufwand Pachtzins Hinzurechnungsbetrag Gewerbesteuer
500
1
2
3
4
Personenunternehmen
Kapitalgesellschaft
Betriebsaufspaltung
Kapitalgesellschaft
anteilige Thesaurierung
Thesaurierung
Thesaurierung
Ausschüttung in Höhe Gewinn Besitzunternehmen
2.000.000
2.000.000
2.000.000
2.000.000
0
300.000
300.000
300.000
800.000
800.000
0
800.000
50.000
50.000
0
50.000
0
0
1.000.000 (28.125)1
Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle Gewerbesteuer-Hebesatz 400 %
Gewinn vor Steuern Gewerbesteuer
1
2
3
4
Personenunternehmen
Kapitalgesellschaft
Betriebsaufspaltung
Kapitalgesellschaft
1.150.000
850.000
700.000
850.000
157.570
119.000
101.937
119.008
992.430
731.000
598.063
731.000
Körperschaftsteuer (15 %)
0
127.500
105.000
127.500
Solidaritätszuschlag (5,5 %)
0
7.012
5.775
7.012
ausschüttungsfähiger Gewinn
992.430
596.488
487.288
596.488
Entnahme/Ausschüttung
300.000
0
0
107.067
Tätigkeitsvergütung
0
300.000
300.000
300.000
Gewinn aus Betriebsverpachtung vor Gewerbesteuer
0
0
150.000
0
Gewerbesteuer auf Betriebsverpachtung
0
0
17.570
0
Tätigkeitsvergütung/ Gewinn Betriebsverpachtung
300.000
300.000
432.430
407.067
Einkommensteuer auf Gewinnauskehrung (45 %)
205.907
135.000
202.500
135.000
3.092
7.425
10.219
7.425
Solidaritätszuschlag (auf ESt. ./. GewStAnrechung) Abgeltungsteuer Steuer nach § 34a EStG Solidaritätszuschlag darauf (5,5 %) Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG verfügbarer Gewinn nach Steuern
0
0
0
26.767
195.611
135.000
202.500
0
10.759
7.425
10.219
1.472
149.692
0
16.692
0
34.323
157.575
236.403
236.403
596.488
487.288
596.488
395.937 = 34,4 %
426.309 = 37,1 %
424.184 = 36,8 %
thesaurierter Gewinn nach Steuern Gesamtsteuerbelastung bei 45 % Einkommensteuersatz 1
423.247 = 36,8 %
Berechnung: 750.000 x 20 % + 250.000 x 25 % = 212.500 ./. 100.000 = 112.500 x 25 %.
501
Martin Strahl
Die Ergebnisse dieses Steuerbelastungsvergleichs sind: (a) Besteht eine Betriebsaufspaltung, stehen dem Besitzunternehmer unter Zugrundelegung des geschilderten Sachverhaltes nach Steuern 236.403 Euro zur Verfügung. Die steuerliche Gesamtbelastung beträgt 37,1 %. Soll dasselbe disponible Einkommen bei Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen (Anwendung des besonderen Steuersatzes) erreicht werden, ist eine Ausschüttung i. H. v. 107.067 Euro vorzunehmen. Die steuerliche Gesamtbelastung beläuft sich dann auf 36,8 % (rechnet die Beteiligung zum Betriebsvermögen, so dass das Teileinkünfteverfahren angewendet wird, muss – um zum selben monetären Ergebnis auf Seiten des Gesellschafters zu gelangen – eine Ausschüttung von 110.226 Euro beschlossen werden, was zu einer Gesamtsteuerbelastung von 427.325 Euro = 37,2 % führt). (b) Auf Grund der Doppelbelastung mit Gewerbesteuer und der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ergibt sich also eine geringfügig niedrigere steuerliche Belastung bei der Wahl „Kapitalgesellschaft mit Ausschüttung“ oder „Personenunternehmen bei Teilthesaurierung“ als bei Bestehen der Betriebsaufspaltung. (c) Der Belastungsnachteil der Betriebsaufspaltung wächst sich aber dann aus, wenn der gewerbesteuerliche Freibetrag i. H. v. 100.000 Euro für Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 1 GewStG auf Seiten der Betriebskapitalgesellschaft bereits – vollständig oder partiell – von anderen Finanzierungsanteilen (z. B. Schuldentgelten) verbraucht wurde.
II. Gestaltungsoption umgekehrte Betriebsaufspaltung 1. Charakteristika der umgekehrten Betriebsaufspaltung Kennzeichnend für eine umgekehrte Betriebsaufspaltung ist, dass die Betriebsgesellschaft als Personengesellschaft errichtet ist, während die überlassende Besitzgesellschaft das Rechtskleid einer Kapitalgesellschaft hat. Einer derartigen Gestaltung kann die Ausgliederung eines Betriebsteils der Kapitalgesellschaft auf eine personen- und beteiligungsgleiche Mitunternehmerschaft vorausgegangen sein. Auch Besitz-Kapitalgesellschaft sowie Betriebs-Personengesellschaft im Rahmen einer umgekehrten Betriebsaufspaltung müssen sachlich und personell verflochten sein, damit eine umgekehrte Betriebsaufspaltung gegeben ist. Infolgedessen muss die Kapitalgesellschaft der Betriebs-Personengesellschaft mindestens eine aus Sicht der nutzenden Unternehmung in funktionaler Hinsicht wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlassen. Zudem müssen an beiden Gesellschaften in gleicher Weise eine oder mehrere Personen beteiligt sein, die beide Unternehmen dergestalt beherrschen, dass ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille angenommen werden kann. Das Beherrschungsverhältnis im Rahmen der umgekehrten Betriebsaufspaltung soll dabei – auch in Anbetracht der nachfolgenden Gestaltungsüberlegun502
Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle
gen – im Einklang mit der Rechtsprechung dadurch geprägt sein, dass die Betriebs-Personengesellschaft die Besitz-Kapitalgesellschaft beherrscht11. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Betriebs-Personengesellschaft selbst gesellschaftsrechtlich an der Besitz-Kapitalgesellschaft beteiligt ist12. 2. Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 Rechtsfolge der umgekehrten Betriebsaufspaltung ist zuvörderst die Zugehörigkeit der Anteile an der Besitz-Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen der Betriebs-Personengesellschaft. Halten die Gesellschafter die Anteile selbst, rechnen sie zu ihrem Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebs-Personengesellschaft. Infolgedessen handelt es sich bei den Ausschüttungen der Besitz-Kapitalgesellschaft um Betriebseinnahmen bzw. Sonderbetriebseinnahmen, auf die das Teileinkünfteverfahren anstelle des besonderen Steuersatzes Anwendung findet. Dies bedeutet eine Schlechterstellung gegenüber der Konstellation, dass die Anteile zum Privatvermögen zählen13. Ein steuerlicher Vorteil der umgekehrten Betriebsaufspaltung liegt aber darin, dass diese Konstellation die Begründung einer gewerbesteuerlichen Organschaft ermöglicht. Dazu muss ein Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Betriebs-Personengesellschaft als Organträger und der Besitz-Kapitalgesellschaft als Organ abgeschlossen werden. Zudem muss die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft beim Organträger gegeben sein. Dies setzt voraus, dass der Betriebs-Personengesellschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an ununterbrochen die Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft zusteht. Darüber hinaus muss nach § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG die Beteiligung zum Gesamthandsvermögen der Betriebs-Personengesellschaft rechnen, so dass nur diese Konstellation der umgekehrten Betriebsaufspaltung die Begründung einer gewerbesteuerlichen Organschaft eröffnet, nicht hingegen die unmittelbare Anteilseignerstellung der Gesellschafter der Betriebs-Personengesellschaft. Vorteilhaft wirkt sich die Begründung der gewerbesteuerlichen Organschaft zum einen deswegen aus, weil zur Vermeidung einer doppelten Belastung aus der Hinzurechnung nach wie vor die Grundsätze des Abschn. 41 GewStR 1998 zu beachten sind14. Danach unterbleiben Hinzurechnungen gem. § 8 GewStG, soweit diese zu einer doppelten steuerlichen Belastung führen15. Bei der nutzenden Betriebs-Personengesellschaft sind demzufolge keine Hinzurechnungen
__________ 11 Vgl. BFH-Urteil III R 45/92 v. 16.9.1994, BStBl. II 1995, 75, 78; so auch Kessler/ Teufel, DStR 2001, 869; Wacker in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rz. 803. 12 Vgl. BFH-Urteil III R 45/92 v. 16.9.1994, BStBl. II 1995, 75 (78). 13 S. dazu oben Abschn. I. 1. Buchst. b. 14 Vgl. gleich lautende Erlasse v. 4.7.2008 der obersten Finanzbehörden der Länder zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007, BStBl. I 2008, 730, Rz. 4. 15 Vgl. Abschn. 41 Abs. 1 Satz 5 GewStR 1998.
503
Martin Strahl
für die in den an die Besitz-Kapitalgesellschaft zu entrichtenden Pachtentgelten enthaltenen Finanzierungsanteile vorzunehmen. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der Verbindung der umgekehrten Betriebsaufspaltung mit der gewerbesteuerlichen Organschaft dadurch, dass nach § 14 Abs. 1 KStG eine Hinzurechnung des Ergebnisses der Organgesellschaft beim Organträger erfolgt. Da dieser eine Personengesellschaft ist, findet für den Gewerbeertrag des gesamten Organkreises die typisierte Gewerbesteueranrechnung gem. § 35 EStG Anwendung16. Der Umstand, dass auf das Ergebnis der Besitz-Kapitalgesellschaft dann nicht der Körperschaftsteuersatz von 15 % Anwendung findet, kann durch eine (Teil-)Thesaurierung gem. § 34a EStG auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft aufgefangen werden. Wird eine gewerbesteuerliche Organschaft nicht begründet, kann stattdessen von der Anwendung des ab dem VZ 2008 abgesenkten Körperschaftsteuersatzes bei der Besitz-Kapitalgesellschaft profitiert werden, indem die Gewinne aus der Nutzungsüberlassung nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden. Mit Bezug auf Grundstücksüberlassungen kann der körperschaftsteuerrechtliche Vorteil dadurch ausgebaut werden, dass die Besitz-Kapitalgesellschaft als Holding errichtet wird, die Grundstücke nicht unmittelbar, sondern über eine Tochtergesellschaft zur Nutzung überlässt. Wird das spezifische Grundstück von der Betriebs-Personengesellschaft nicht mehr benötigt, kann etwaig anstelle der Grundstücksübertragung eine Übertragung der Anteile an der Tochter-Kapitalgesellschaft erfolgen. Der dann entstehende Veräußerungsgewinn ist gem. § 8b Abs. 2 KStG im Umfang von 95 % körperschaftsteuerfrei. Dieser Gestaltungsansatz setzt indes voraus, dass sich bezüglich des zu übertragenden Grundstücks noch nicht erhebliche durch den Erwerber zu entgeltende stille Reserven gebildet haben, weil in diesem Falle der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mangels Erhöhung des Abschreibungspotentials deutlich unattraktiver wäre als der unmittelbare Erwerb des Grundstücks mit dem aufstehenden Gebäude.
III. Gestaltungsoption mitunternehmerische Betriebsaufspaltung 1. Charakteristika der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung Eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn eine Personengesellschaft an eine andere Personengesellschaft mindestens eine für diese in funktionaler Hinsicht wesentliche Betriebsgrundlage überlässt (sachliche Verflechtung) und beide Gesellschaften personell miteinander verflochten sind. Letzteres ist dann der Fall, wenn ein Gesellschafter oder eine Personengruppe in beiden Gesellschaften die Mehrheit innehat, um eine einheitliche Willensbildung herbeiführen zu können17. Im Gegensatz zur typischen Betriebsauf-
__________
16 Vgl. ebenso Glanegger in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 35 Rz. 44. 17 Vgl. z. B. BFH-Urteil I R 141/75 v. 28.11.1979, BStBl. II 1980, 162; BFH-Beschluss GrS 2/71 v. 8.11.1971, BStBl. II 1972, 63; zu den Besonderheiten der personellen Verflechtung im Rahmen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung Schulze zur Wiesche, BB 1997, 1232–1236.
504
Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle
spaltung, die auch durch eine unentgeltliche Überlassung an die BetriebsKapitalgesellschaft begründet werden kann18, setzt die Finanzverwaltung zur Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung voraus, dass auf Seiten der Besitzgesellschaft eine entgeltliche Überlassung mit Gewinnerzielungsabsicht vorliegt19. Auch bei einer teilentgeltlichen Überlassung soll nur dann von einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung ausgegangen werden, wenn die Gewinnerzielungsabsicht auf Seiten der Besitz-Personengesellschaft bejaht werden kann. Vorrangige Rechtsfolge der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung ist, dass die zur Nutzung an die Betriebs-Personengesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter nicht Sonderbetriebsvermögen der überlassenden Gesellschaft bei der Betriebs-Personengesellschaft, sondern Betriebsvermögen der überlassenden Personengesellschaft selbst sind20. Diese Rechtsfolge der Zuordnung des Betriebsvermögens bei der überlassenen Gesellschaft, welche zahlreiche Gestaltungschancen eröffnet, vgl. dazu den folgenden Abschn. III. 2., ist unter den folgenden für die überlassene Besitz-Personengesellschaft geltenden Prämissen anzunehmen: a) Ist die überlassende Besitz-Personengesellschaft selbst gewerblich tätig, sind die Vergütungen für die Überlassung von Betriebsvermögen bei ihr als Betriebseinnahmen zu erfassen, auch wenn die Überlassung an eine teilweise oder vollständig gesellschafteridentische Personengesellschaft vorgenommen wird21. Unbeachtlich ist insofern, ob neben der originären gewerblichen Tätigkeit der überlassenden Gesellschaft noch eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung besteht. Ursächlich für die Erfassung der Vergütungen und der entsprechenden Wirtschaftsgüter in der Sphäre der überlassenden Mitunternehmerschaft ist ihre Einordnung als eigenständiges Objekt der Gewinnerzielung und der Gewinnermittlung, so dass ein Durchgriff durch die Mitunternehmerschaft auf die Gesellschafter – wie er nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolgen müsste – nicht zulässig ist. b) Ebenfalls unabhängig davon, ob zugleich eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vorliegt, ist das einer Schwester-Personengesellschaft durch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft überlassene Vermögen der überlassenden Gesellschaft zuzuordnen22.
__________ 18 Vgl. BFH-Urteile X R 84/88 v. 24.4.1991, BStBl. II 1991, 713; IV R 67/96 v. 13.11.1997, BStBl. II 1998, 254, 257. – Als ursächlich wird angesehen, dass in einer Herabsetzung oder gar in einem Verzicht auf Pachtentgelte eine Erhöhung späterer Ausschüttungen der Betriebs-Kapitalgesellschaft angelegt ist, die ihrerseits zu Betriebseinnahmen führen. 19 Vgl. BMF-Schreiben IV B 2 - S 2241 - 42/98 v. 28.4.1998, BStBl. I 1998, 583 Tz. 1. 20 Vgl. BFH-Urteile VIII R 63/93 v. 22.11.1994, BStBl. II 1996, 93; IV R 48/93 v. 16.6.1994, BStBl. II 1996, 82; BMF-Schreiben IV B 2 - S 2241 - 42/98 v. 28.4.1998, BStBl. I 1998, 583. 21 Vgl. BFH-Urteile IV R 141/77 v. 19.2.1981, BStBl. II 1981, 433; IV R 123/80 v. 24.3.1983, BStBl. II 1983, 598; VIII R 23/89 v. 31.7.1991, BStBl. II 1992, 375. 22 Vgl. BFH-Urteile VIII R 63/93 v. 22.11.1994, BStBl. II 1996, 93; IV R 48/93 v. 16.6.1994, BStBl. II 1996, 82.
505
Martin Strahl
c) Letztlich erfolgt die Zuordnung bei der überlassenden Personengesellschaft, wenn sie lediglich kraft bestehender Betriebsaufspaltung gewerblich geprägt ist23. Auch für die nur lediglich kraft Betriebsaufspaltung gewerblich gefärbte Personengesellschaft treffen nach dem Judiz des BFH die Gründe zu, die zu einem Durchgriff durch das beschränkt rechtsfähige Steuerrechtssubjekt „Personengesellschaft“ bei nicht gewerblicher Tätigkeit geführt haben. Eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung kann aber nur dann gegeben sein, wenn die Nutzungsüberlassung tatsächlich an eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Schwester-Personengesellschaft erfolgt. Werden demgegenüber durch eine ganz oder teilweise personenidentische Personengesellschaft oder Miteigentümergemeinschaft Wirtschaftsgüter an eine freiberufliche Mitunternehmerschaft überlassen, liegt keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor24. In diesem Falle entsteht infolgedessen Sonderbetriebsvermögen der überlassenden Gesellschafter bei der nutzenden freiberuflichen Mitunternehmerschaft. Ebenso verhält es sich bei nutzenden land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaften. Dies kann im Hinblick auf Gestaltungsüberlegungen von Nachteil sein und macht insoweit vorausschauende Planungen erforderlich – etwa die gewerbliche Prägung der überlassenden Personengesellschaft. Die Rechtsfolgen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung treten darüber hinaus auch dann nicht ein, wenn nicht die Gesellschafter der BesitzPersonengesellschaft, sondern diese selbst an der Betriebs-Personengesellschaft beteiligt ist. Bei einer solchen zum Gesamthandsvermögen rechnenden Beteiligung ist eine doppelstöckige Personengesellschaft gegeben. In diesem Fall führt die Nutzungsüberlassung von Gesellschaftern der Obergesellschaft an die Untergesellschaft auf Grund der spezialgesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zu Sonderbetriebseinnahmen bei der Untergesellschaft25. 2. Bereits vor der Unternehmensteuerreform 2008 gegebene steuerliche Gestaltungschancen a) Investitionsabzugsbetrag Im Rahmen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung verfügen – wie dargestellt – sowohl die Besitz-Personen- als auch die Betriebs-Personengesellschaft über eigenes Betriebsvermögen. Durch diese Trennung der Betriebsvermögenssphären kann die Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags sowie der Sonderabschreibung nach § 7g EStG leichter erreichbar sein. Der Investitionsabzugsbetrag kann in Anspruch genommen werden, wenn das Betriebsvermögen zum Schluss des Wirtschaftsjahres, für das der Investitionsabzugsbetrag als Betriebsausgabe angesetzt werden soll, nicht mehr als 235.000 Euro beträgt oder – im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3
__________
23 Vgl. BFH-Urteil VIII R 13/95 v. 23.4.1996, BStBl. II 1998, 325. 24 Vgl. BFH-Urteil IV R 29/04 v. 10.11.2005, BStBl. II 2006, 173. 25 Vgl. dazu Ley, KÖSDI 1996, 10923 f.
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Umgekehrte und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung als Gestaltungsmodelle
EStG – der Gewinn vor Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages 100.000 Euro nicht überschreitet26. Bezüglich der Sonderabschreibung dürfen die Größenmerkmale am Schluss des Wirtschaftsjahres nicht überschritten sein, das der Anschaffung oder Herstellung vorausgeht. Eine Zusammenrechnung der Betriebsvermögen von Besitz- und Betriebsgesellschaft erfolgt für die Anwendung des § 7g EStG nicht27, so dass der Investitionsabzugsbetrag wie auch die Sonderabschreibung etwaig sowohl auf der Ebene des Besitz- als auch des Betriebsunternehmens beansprucht werden können. Des Weiteren ist in den Kalkül zu fassen, dass für die Inanspruchnahme sowohl des Investitionsabzugsbetrages als auch der Sonderabschreibung die Absicht bestehen muss, das Investitionsgut voraussichtlich mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres „in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen“. Dies setzt eine eigenbetriebliche Nutzung voraus. Als solche gilt zwar nicht die Vermietung oder Verpachtung an Dritte, wohl aber die Überlassung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung28, so dass auf der Ebene der Besitz-Personengesellschaft § 7g EStG auch für solche Wirtschaftsgüter beansprucht werden kann, die der Betriebs-Personengesellschaft zur Nutzung überlassen werden. b) Trennung der Betriebsvermögenssphären und Auswirkungen auf Übertragungsvorgänge Der eigentliche gestalterische Vorteil der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung liegt darin, dass das von der Besitz-Personengesellschaft der BetriebsPersonengesellschaft zur Nutzung überlassene Vermögen nicht als Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebs-Personengesellschaft, sondern als Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft einzuordnen ist. Damit entfällt der von Märkle so treffend apostrophierte „Fluch des Sonderbetriebsvermögens“29. Diese Trennung der Betriebsvermögenssphären eröffnet die folgenden Gestaltungsansätze: (a) Auf Grund der Zuordnung der von der Besitz-Personenunternehmung überlassenen Wirtschaftsgüter zu ihrer Betriebsvermögenssphäre ist es nicht erforderlich, dass bei der Veräußerung eines Anteils an der Betriebs-Personengesellschaft die dieser zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter mitver-
__________ 26 Nach dem Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung, BT-Drucks. 16/10930 v. 13.11.2008, sind diese Grenzen in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31.12.2008 und vor dem 1.1.2011 enden, auf 335.000 Euro Betriebsvermögen sowie 200.000 Euro Gewinn bei Einnahmenüberschussrechnung angehoben worden, vgl. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG-Entw. 27 Vgl. BFH-Urteil I R 98/88 v. 17.7.1991, BStBl. II 1992, 246. 28 Vgl. R 7g Abs. 7 Satz 3 EStR 2005. 29 Vgl. Märkle, DStZ 1997, 233.
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äußert oder unter der Aufdeckung der stillen Reserven in das Privatvermögen übergeführt werden, damit auf den Veräußerungsgewinn gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG die Tarifbegünstigung gewährt werden kann30. Vielmehr ist diese Frage vollkommen unabhängig von der weiteren Nutzung des ehedem an die Betriebsgesellschaft überlassenen Vermögens zu beurteilen, weil dieses nicht zum übertragenen Mitunternehmeranteil rechnet. Zu berücksichtigen ist indes, dass die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG nur für einen Veräußerungsgewinn beantragt werden kann (§ 34 Abs. 3 Satz 5 EStG). Zeichnet sich im Falle einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung eine Veräußerung ab, sollte vor diesem Hintergrund rechtzeitig eine Zusammenfassung der beiden Mitunternehmeranteile erfolgen. Vorstellbar ist, dass die Mitunternehmeranteile an der BetriebsMitunternehmerschaft zu Buchwerten gem. § 24 UmwStG in die BesitzMitunternehmerschaft eingebracht werden. Bei einem zu engen zeitlichen Zusammenhang besteht allerdings die Gefahr, dass ein steuerschädlicher Gesamtplan mit der Rechtsfolge angenommen wird, gleichwohl lägen steuerrechtlich zwei Veräußerungen vor. Ein optionaler Ansatz ist in Gestalt der Umformung der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung in eine doppelstöckige Personengesellschaft gegeben: Die Besitz-Mitunternehmerschaft wird ihrerseits Mitunternehmerin der Betriebs-Personengesellschaft. Veräußert sodann der Gesellschafter der Obergesellschaft seinen Anteil an der Obergesellschaft (und damit mittelbar auch seinen Anteil an der Untergesellschaft), stellt sich wiederum die Frage, ob nur ein nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn entsteht31. Die Finanzverwaltung geht unterdessen von einem einzigen begünstigten Veräußerungsgewinn aus, wenn eine Mitunternehmerschaft Obergesellschafter weiterer Mitunternehmerschaften ist und der Mitunternehmeranteil an der Obergesellschaft veräußert wird, während getrennte Veräußerungsvorgänge vorliegen sollen, wenn ein Mitunternehmeranteil zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder zum Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers einer Mitunternehmerschaft gehört (es sollen dann bei Veräußerung des Einzelunternehmens oder der Mitunternehmeranteile mehrere getrennte Veräußerungsvorgänge i. S. d. §§ 16, 34 EStG vorliegen, von denen jeweils nur einer begünstigt ist – insoweit besteht ein Wahlrecht)32. (b) Bei der Einbringung der Betriebs-Personengesellschaft i. S. v. § 20 Abs. 1 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft stellt das zur Nutzung überlassene Vermögen keinen Hindernisgrund dar. Nach der Rechtsprechung des BFH
__________ 30 Vgl. z. B. Brandenberg, JbFSt 1996/1997, 274. 31 Verneinend Wacker in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rz. 582 a. E.; offen lassend BFH-Urteil IV R 67/00 v. 1.7.2004, HFR 2004, 1190; bejahend Ley, KÖSDI 1997, 11079 (11081). 32 Vgl. Verfügung OFD Koblenz S 2243 A - St 31 3 v. 28.2.2007, DStR 2007, 992.
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sowie der Auffassung der Finanzverwaltung33 sind zwar alle in funktionaler Hinsicht wesentlichen Betriebsgrundlagen in die Kapitalgesellschaft einzubringen; dies „gilt auch für solche dem Betrieb … einer Personengesellschaft dienende Wirtschaftsgüter, die nur einem Gesellschafter gehören (Sonderbetriebsvermögen I)“. Die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen hat zur Folge, dass die im eingebrachten Vermögen ruhenden stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern sind34. Auf Grund des Vorrangs der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung gehören die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter nicht zum Sonderbetriebsvermögen, so dass sie zurückbehalten werden können, ohne dass die stillen Reserven des in die Kapitalgesellschaft eingebrachten Betriebsvermögens zu realisieren sind. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass von Seiten der Finanzverwaltung vorgesehen ist, den Grundsatz des § 42 AO zu prüfen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen übergeführt werden35. (c) Wird die Betriebs-Personengesellschaft aufgegeben, veräußert oder kommt es zur sachlichen oder personellen Entflechtung zwischen der Besitz- und der Betriebs-Personengesellschaft, sind die stillen Reserven im Vermögen der Besitz-Personengesellschaft zu realisieren. Von diesem Entstrickungstatbestand gibt es folgende Ausnahmen: – Die ehemalige Besitz-Personengesellschaft ist selbst gewerblich tätig oder kraft Rechtsform gewerblich geprägt. Um eine steuerliche Entstrickung zu vermeiden, kann angeraten sein, die Besitz-Personengesellschaft als gewerblich geprägte Gesellschaft zu gründen oder sie in eine solche umzuwandeln. – Ist an die Betriebs-Personengesellschaft ein ganzer Betrieb (= alle wesentlichen Betriebsgrundlagen) zur Nutzung überlassen worden, kann bei personeller Entflechtung oder Aufgabe der Betriebs-Personengesellschaft und nachfolgender Verpachtung an einen fremden Dritten das Verpächterwahlrecht nach R 16 Abs. 5 EStR 2008 ausgeübt werden36. – Sind nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet worden und entfällt die personelle Verflechtung dadurch, dass an der Besitz- oder an der Betriebs-Personengesellschaft beteiligte Kinder volljährig werden, wird dem Steuerpflichtigen die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen einer Betriebsverpachtung eingeräumt37.
__________ 33 Vgl. BFH-Urteil I R 183/94 v. 16.2.1996, BStBl. II 1996, 342; Rz. 20.08 des Erlasses zum UmwStG, BStBl. I 1998, 267. 34 Vgl. Rz. 20.09 des Erlasses zum UmwStG, BStBl. I 1998, 267. 35 Vgl. Rz. 20.09 des Erlasses zum UmwStG, BStBl. I 1998, 267. 36 Vgl. BFH-Urteil VIII R 13/95 v. 23.4.1996, DStR 1996, 1521; Ehlers, StbKRep. 1997, 403; kritisch Patt/Rasche, GmbHR 1997, 484. 37 Vgl. R 16 Abs. 2 Satz 3 EStR 2008.
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(d) Soll die Betriebs-Personengesellschaft im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden, setzt die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG grundsätzlich voraus, dass das Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen übergeht. Die Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG nur unter der Prämisse unschädlich, dass der Übertragende Mitunternehmer bleibt und zudem der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt38. Durch Begründung einer gewerblich geprägten Schwester-Personengesellschaft kann aber erreicht werden, dass das ihr zuzuordnende Vermögen zurückbehalten wird, ohne dass die Buchwertfortführung gefährdet ist39. Es kann unter Berücksichtigung der dargestellten Vorteile eine sinnvolle Gestaltungsmaßnahme sein, eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung zu begründen. In diesem Zusammenhang ist aber die ausschlaggebende Frage noch nicht eindeutig geklärt, ob die Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen der originär gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft in das Vermögen der Besitz-Personengesellschaft (echte mitunternehmerische Betriebsaufspaltung) zulässig ist. § 6 Abs. 5 Nr. 3 EStG nennt nicht ausdrücklich den Fall der Übertragung eines Wirtschaftsguts von einem Gesamthandsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Schwester-Personengesellschaft. Auf Grund der Ausgestaltung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG als Fallkatalog ist davon auszugehen, dass die Aufzählung enumerativen Charakter hat und nicht ausdrücklich genannte Sachverhalte selbst dann nicht zum Anwendungsbereich der Vorschrift gehören, wenn für sie vor 1999 die Buchwertfortführung anerkannt war40. Ob eine zweistufige Gestaltung in der Form, dass das auszugliedernde Wirtschaftsgut zunächst in das Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers bei der Mitunternehmerschaft I und anschließend in das Gesamthandsvermögen der gewerblich geprägten Schwester-Personengesellschaft übertragen wird, die Buchwertfortführung ermöglicht, ist vor dem Hintergrund der Gesamtplan-Rechtsprechung fraglich. Zwar sind in isolierender Betrachtungsweise beide Teilschritte nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zu Buchwerten durchführbar. Beide Teilschritte sind aber auf das Gesamtziel der steuerneutralen Übertragung des Wirtschaftsguts in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft II gerichtet; dem ersten Teilschritt (Übertragung in das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft I) kommt keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu. Es handelt sich vielmehr um ein Ausweichgeschäft, dem ein Korrekturgeschäft folgt41.
__________ 38 Vgl. dazu Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 001/2008 der OFD Rheinland v. 18.12.2007, DStR 2008, 775. 39 Vgl. Moog, DB 1997, 300. 40 Vgl. z. B. Wendt, FR 2002, 53 (57); Hoffmann, GmbHR 2002, 125, 131; Strahl, KÖSDI 2002, 13164 (13169). 41 Vgl. zur Anwendung der Gesamtplan-Rechtsprechung auf diese Fälle Strahl, KÖSDI 2003, 13918 (13921).
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Erfüllt das zu übertragende Wirtschaftsgut die Begünstigungsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 10 Satz 1 EStG – handelt es sich also etwa um ein Grundstück, das im Übertragungszeitpunkt seit mindestens sechs Jahren zum Anlagevermögen der übertragenden Mitunternehmerschaft I zählt –, ist die Buchwertfortführung im Ergebnis aber erreichbar, indem das Grundstück an die Schwester-Personengesellschaft veräußert wird und die stillen Reserven nach § 6b EStG übertragen werden. Der Anwendung des § 6b EStG steht nicht entgegen, wenn das veräußerte und das angeschaffte Wirtschaftsgut, auf das die stillen Reserven übertragen werden sollen, identisch sind42. Dergestalt wird die Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG auch im Rahmen eines Ausgliederungsmodells eröffnet, das sich dadurch auszeichnet, dass etwa ein Grundstück aus dem Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft gegen Übernahme der Verbindlichkeiten und Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine Schwester-Personengesellschaft übertragen wird. Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtplan-Rechtsprechung kann indes problematisch sein, wenn der Übertragung einer wesentlichen Betriebsgrundlage auf eine Schwester-Personengesellschaft eine Verfügung über den Anteil an der abgebenden Personengesellschaft folgt (sowohl im Wege der Veräußerung als auch der vorweggenommenen Erbfolge). Die Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung sollte deswegen langfristig vor den dargestellten Folgegeschäften vorgenommen werden. Ein Zeitraum von zwei Jahren sollte als hinreichend bemessen gelten43. 3. Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung im Spiegel der Unternehmensteuerreform 2008 Wie auch im Rahmen der klassischen Betriebsaufspaltung ist die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung dadurch gekennzeichnet, dass mit der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft jeweils ein selbständiger Gegenstand der Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG vorliegt. Im Rahmen der Ermittlung des jeweiligen Gewerbeertrags mindern im Grundsatz die getragenen Aufwendungen für die Überlassung von Gegenständen bei der nutzenden Betriebs-Personengesellschaft den Gewerbeertrag, während sie ihn bei der leistenden Besitz-Personengesellschaft erhöhen. Zu berücksichtigen ist auch hier die durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 erweiterte Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG, die bei Überschreiten des Freibetrages von 100.000 Euro zu einer Erhöhung des Gewerbeertrags bei der nutzenden Betriebs-Personengesellschaft führt. Anders als bei der klassischen Betriebsaufspaltung wird die dadurch evozierte Gefahr der gewerbesteuerlichen Mehrfachbelastung indes gemindert, da sowohl auf das Ergebnis der Besitz-Personengesellschaft wie auch der Betriebs-
__________ 42 Vgl. Verfügung OFD Koblenz S 2139/S 2139a A v. 23.12.2003, DStR 2004, 314. 43 Vgl. BFH-Urteil VIII R 14/04 v. 14.6.2005, BStBl. II 2006, 15.
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Personengesellschaft bei den Gesellschaften die typisierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die durch die gewerblichen Einkünfte veranlasste Einkommensteuer beim Gesellschafter gem. § 35 EStG vollzogen wird. Zudem steht dem Gesellschafter die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG nach seiner Wahl44 partiell oder vollständig für das Ergebnis der Besitz- oder Betriebs-Personengesellschaft oder gar für die Gewinne aus beiden Gesellschaften mitunternehmerbezogen offen. Des Weiteren ist mit Bezug auf die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung beachtlich, dass sowohl bei der Besitz- wie auch bei der Betriebs-Personengesellschaft der Freibetrag i. H. v. 24.500 Euro gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG zum Abzug gelangt, auf den Kapitalgesellschaften keinen Anspruch haben. Nachteilig kann sich das Bestehen von zwei Steuergegenständen i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG gegenüber einer einheitlichen Personenunternehmung auswirken, wenn die eine Gesellschaft Verluste, die andere hingegen Gewinne erzielt: Diese können nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der gewinnträchtigen Gesellschaft verrechnet, sondern nur gem. § 10a GewStG vorgetragen werden45. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für die Besitz-Personengesellschaft, sollte sie ein Grundstücksunternehmen sein, die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zum Tragen kommt, weil der Grundbesitz ganz oder teilweise dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient46. 4. Überführung der typischen in die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung In Anbetracht der Vorteile der mitunternehmerischen gegenüber der typischen Betriebsaufspaltung kann zu erwägen sein, diese in jene zu überführen. Der praktikabelste steuerliche Ansatz dazu liegt in der formwechselnden Umwandlung der Betriebs-Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co KG. Diese formwechselnde Umwandlung ist auf Gesellschaftsebene in Inlandskonstellationen grundsätzlich steuerlich neutral zulässig, indem die übertragende Betriebs-Kapitalgesellschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz den Buchwertansatz gem. § 3 Abs. 2 UmwStG wählt. Die steuerliche Neutralität der Umwandlung setzt sich indes auf Seiten des Gesellschafters nicht fort. Verfügt die bisherige Betriebs-Kapitalgesellschaft nämlich über offene Reserven, gelten diese dem Gesellschafter nach § 7 UmwStG als zugeflossen. Auf den danach fingierten Ausschüttungsbetrag findet der besondere Steuersatz gem. § 32d Abs. 1 EStG Anwendung, es sei denn, der Beteiligte hält seine Beteiligung in einem Betriebsvermögen. In diesem
__________
44 Die Ausübung des Wahlrechts auf Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung setzt bei Mitunternehmern gem. § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG voraus, dass die Ergebnisbeteiligung mehr als 10 % beträgt oder 10.000 Euro übersteigt. 45 Vgl. Breuninger/Prinz, DStR 1995, 929. 46 Vgl. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG; BFH-Urteil IV R 13/91 v. 27.8.1992, BStBl. II 1993, 134.
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Falle ist die unterstellte Ausschüttung nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG zu versteuern. Zudem ist die Kapitalertragsteuer i. H. v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag auf den als ausgeschüttet angenommenen Betrag abzuführen. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Umwandlung wirksam wird, also mit Eintragung der Umwandlung in das Register47. Diese Pflicht zur Abführung der – durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ab dem Jahre 2009 – nochmals erhöhten Kapitalertragsteuer kann zu Liquiditätsproblemen führen und bedingt einen höheren Verwaltungsaufwand48. Verwehrt ist der Weg der formwechselnden Umwandlung, wenn er zu einem Übernahmeverlust i. S. d. § 4 Abs. 6 UmwStG führen sollte. Dies ist der Fall, wenn die Anschaffungskosten der Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft die Buchwerte der Wirtschaftsgüter der übertragenen Kapitalgesellschaft überschreiten. Ein daraus resultierender Übernahmeverlust bleibt nach § 4 Abs. 6 UmwStG außer Ansatz, was die Vernichtung der tatsächlich getragenen Anschaffungskosten für die Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft bedingt49.
IV. Fazit Die klassische Betriebsaufspaltung zwischen einer Besitz-Personenunternehmung und einer Betriebs-Kapitalgesellschaft hat durch die Unternehmensteuerreform 2008 an Attraktivität eingebüßt. Ursächlich dafür ist zum einen die Ausdehnung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG unter gleichzeitiger Aufhebung der vor Umsetzung des Reformwerkes in Fällen der Betriebsaufspaltung einschlägigen Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 4 GewStG a. F. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Gewinnausschüttungen der Betriebs-Kapitalgesellschaft nicht dem besonderen Steuersatz gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, sondern auf Grund der Zugehörigkeit der Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft zum (Sonder-)Betriebsvermögen der Besitz-Personenunternehmung dem Teileinkünfteverfahren unterfallen. Dies führt bei Steuerpflichtigen mit einem Grenzsteuersatz von mehr als 41,67 % zu einer steuerlichen Schlechterstellung. Anhand von Beispielsrechnungen konnte jedoch gezeigt werden, dass der Verlust an steuerlicher Attraktivität im Einzelfall nicht so gravierend sein muss, wie er sich aus der reinen Normbetrachtung zu ergeben scheint. Die erweiterte gewerbesteuerliche Hinzurechnung wird nämlich in vielen Fällen durch den Freibetrag von 100.000 Euro aufgefangen oder doch zumindest erheblich gemindert.
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47 Vgl. BMF-Schreiben IV A 2 – S 1978 – 16/03 v. 16.12.2003, BStBl. I 2003, 786, Tz. 10; Klingebiel, Der Konzern, 2006, 600 (608). 48 Vgl. auch Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1459); Förster/Felchner, DB 2006, 1072. 49 Dies stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in Gestalt des objektiven Nettoprinzips dar, vgl. auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 4 UmwStG, Rz. 148; Stegner/Heinz, GmbHR 2001, 54 (59 f.); Hey, GmbHR 2001, 993 (996); zu Kritik s. auch ausführlich Strahl in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, Umwandlungen, 2007, Rz. 30.
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Martin Strahl
Den Blick von der klassischen Betriebsaufspaltung abwendend ist darüber hinaus zu konstatieren, dass die umgekehrte Betriebsaufspaltung, welche die Herbeiführung einer gewerbesteuerlichen Organschaft ermöglicht, sowie die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, die eine typisierte Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG sowohl auf Seiten der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft zulässt, die durch die Unternehmensteuerreform 2008 insoweit bedingten Nachteile weiter zu relativieren vermögen. Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung verdient darüber hinaus – nach wie vor – als Gestaltungsinstrument fokussiert zu werden, da die bei ihr gegebene Trennung der Betriebsvermögenssphären zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft in Fällen der unentgeltlichen wie auch der entgeltlichen Übertragung sowie der Umwandlung von weitgehendem Vorteil sein kann.
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Die Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften (§ 8c KStG) – ein krasser Wertungswiderspruch im Körperschaftsteuerrecht Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Einführung III. Grundlagen 1. Die neue Regelung 2. Die wirtschaftliche Identität als Voraussetzung des Verlustabzugs 3. Kritik des § 8c KStG IV. Auslegungsfragen 1. Folgen der Systemlosigkeit 2. Schädlicher Beteiligungserwerb 3. Unmittelbarer und mittelbarer Erwerb a) Keine Konzernklausel b) Beteiligungserwerb innerhalb eines Erwerberkreises c) Mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils d) Mittelbarer Erwerb „ad infinitum“ 4. Zusammenfassung der Anteilserwerbe während des Fünfjahreszeitraums a) Anteiliger und vollständiger Verlustuntergang
b) Nach dem Anteilserwerb entstandene Verluste 5. Fehlen einer Sanierungsklausel 6. Keine Gesetzeskorrektur im Wege der Auslegung V. Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG 1. Prüfungsmaßstäbe 2. Keine folgerichtige Umsetzung der gesetzlichen Belastungsentscheidung a) Verletzung des Trennungsprinzips b) Ungleiche Verteilung der Steuerbelastung c) Keine folgerichtige Einbeziehung der Gesellschafter 3. Verletzung des objektiven Nettoprinzips 4. Keine durchgreifenden Rechtfertigungsgründe a) Missbrauchsbekämpfung b) Vereinfachung c) Erhöhung der Steuereinnahmen VI. Zusammenfassung
I. Vorbemerkung Harald Schaumburg hat sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Hochschullehrer stets für die Systematisierung des Steuerrechts eingesetzt, d. h. für die Verbesserung seines äußeren und inneren Systems. Das belegt sein großes Werk „Internationales Steuerrecht“1, das eine Gesamtdarstellung und kritische Analyse dieses weit ausgreifenden Rechtsgebiets enthält.
__________ 1 Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998.
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Jochen Thiel
Auf dem Symposion des DIHK „Nachhaltige Steuerpolitik“2 am 24.6.2008 in Berlin führte er aus: „Steuerpolitik ist Steuerrechtspolitik und nur dann erfolgreich, wenn hierdurch dem Bürger das Steuerrecht als Gerechtigkeitsordnung vermittelt wird. Nur unter diesen Voraussetzungen wird es gelingen, dass von Gesetzes wegen auferlegte Lasten akzeptiert werden.“ Dieses Ziel hat die Unternehmensteuerrefom 2008 verfehlt. Ihr politischer Erfolg besteht in der Senkung der Steuerbelastung der Kapitalgesellschaften auf nominal 29,83 %, wodurch Deutschland als Investitionsstandort für ausländische Unternehmen attraktiv bleibt. Die Akzeptanz der Reform leidet allerdings sehr stark unter den Maßnahmen zur Gegenfinanzierung. Insbesondere durch die Zinsschranke, durch die Neuregelung des Mantelkaufs und durch die Besteuerung der Funktionsverlagerung werden die Betroffenen unverhältnismäßig belastet. Das Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Wiegard, bezeichnete die genannten Maßnahmen auf dem DIHK-Symosium als „KomplikationsTsunami“3 und forderte entsprechende Aufräumarbeiten an der Unternehmensteuerreform4. Mein Beitrag greift mit dem § 8c KStG eine dieser Maßnahmen heraus. Bei der Abfassung stieß ich zufällig auf den Aufsatz von Armin Spitaler aus dem Jahr 1949 „Die Auslegungsregeln im Steuerrecht“, wo es heißt5: „Es ist ein übler und ärgerlicher Auswuchs der sonst in vielem so erfreulichen liberalen Denkungsart, dass sie den Gesetzgeber so oft als albern hinstellen will. Wenn wir Gesetze durch die Auslegung wirklich ergründen wollen, so haben wir uns den Gesetzgeber, gleichgültig welcher politischen Ära er angehört, so vernünftig, klug, besonnen und ethisch hochstehend als nur irgend möglich vorzustellen. Ich gestehe, dass ich immer wieder – heute wie ehedem – oft von der Gedankenfülle und dem Scharfsinn der Gesetze tief beeindruckt bin. Wer den Gesetzgeber immer nur für einfältig, unerfahren, arglos und weltfremd hält, verrammelt sich den Zugang zum Sinn des Gesetzes und schadet sich damit nur selbst.“
Die Leser und insbesondere der Jubilar, dem ich diesen Beitrag widme, mögen beurteilen, ob ich mir mit meinen Ausführungen geschadet habe.
II. Einführung § 8c KStG macht den Verlustabzug für Körperschaften unkalkulierbar. Die Vorschrift ist bereits im Gesetzgebungsverfahren6 auf die einhellige Kritik des
__________ 2 Vgl. Beiträge zum DIHK-Symposium, herausgegeben vom DIHK, Berlin 2008, S. 59, 79 f. 3 Handelsblatt v. 24.6.2008, „Steuersystem wird immer komplizierter“. 4 Vgl. Beiträge zum DIHK-Symposium, a. a. O., S. 9, 19 f. 5 Spitaler, StbJb. 1949, 267 (281). 6 Dazu BT-Drucks. 16/4841 (Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen) 16/5377 (Gesetzentwurf der BReg., 16/5452 (Beschlussempfehlung des FinA), 16/5491 (Bericht des FinA).
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Die Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften
Fachschrifttums7 und der Verbände8 gestoßen. Die Hoffnung, das Bundesfinanzministerium werde die Rechtsfolgen im Einführungsschreiben zu § 8c KStG9 abmildern, hat sich nicht erfüllt10. Nach Pressemeldungen schieben die Körperschaften Verluste in der Größenordnung von 380 Mrd. Euro vor sich her, die, wenn sie wirksam werden sollten, das Körperschaftsteueraufkommen gefährden könnten11. Die Verluste konnten sich ansammeln, weil im Steuerreformgesetz 199012, gleichzeitig mit der gesetzlichen Regelung des Mantelkaufs, die zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags auf fünf Jahre abgeschafft worden ist. Der Gesetzgeber hat die Brisanz der Maßnahme seinerzeit weit unterschätzt13 und ist jetzt offensichtlich um eine Ersatzlösung bemüht14. Die Schärfe der beschlossenen Regelung hat dennoch überrascht und ist nur durch ihre Vorgeschichte verständlich. Der BFH hat die Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG durch die Finanzverwaltung wiederholt verworfen15 und damit der Vorschrift den Todesstoß versetzt16. Um überraschende Rechtserkenntnisse zukünftig zu unterbinden, sieht § 8c KStG als alleiniges Kriterium für die Beschränkung des Verlustabzugs jetzt nur noch den Anteilseignerwechsel vor. Der gegenüber der Vorgängerregelung verschlankte § 8c KStG ist weniger gestaltungsanfällig und verursacht geringere Steuerausfälle. Die Regelung mag wegen ihrer Kürze verwaltungsökonomischer erscheinen und Abmilderungen des Regelungsgehalts durch den BFH verhindern. Der Gesetzgeber hätte sich aber auch fragen müssen, ob allein der Anteilseignerwechsel die partielle oder vollständige Streichung des Verlustabzugs rechtfertigen kann. Steuergesetze dürfen sich nicht auf die Sicherung des Aufkommens beschränken, sondern
__________ 7 Z. B. Lenz/Ribbrock, BB 2007, 587; Hey, BB 2007, 1303 (1306); Wiese, DStR 2007, 741; Beußer, DB 2007, 1549; Dörfler/Wittkowski, GmbHR 2007, 513; Neyer, BB 2007, 1415. Weitere kritische Stimmen: Rödder, Beihefter zu DStR 2007, Heft 40, 12 ff., Suchanek/Herbst, FR 2007, 863; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933; Hans, FR 2007, 775; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404; Roser, DStR 2008, 77; Sistermann/ Brinkmann, DStR 2008, 897; Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261, van Lishaut, FR 2008, 789; Stellungnahmen zu Zweifelsfragen: Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 194; Viskorf/Michel, DB 2007, 2561; Grützner, StuB 2007, 339; B. Lang, DStZ 2007, 652; Wild/Sustmann/Papke, DStR 2008, 851. 8 Z. B. IDW, IDW-FN 2007, 194 (202 ff.); Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 421 (429 ff.). 9 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736. 10 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2008, 1703; Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808. 11 Financial Times Deutschland v. 7.2.2007 unter Berufung auf das Institut für Wirtschaftsforschung, vgl. Lenz/Ribbrock, BB 2007, 587. 12 Vom 25.7.1988, BGBl. I 1988, 1093. 13 Vgl. Bericht des FinA. BT-Drucks. 11/2536, 78: „Die bisherige zeitliche Beschränkung des Verlustabzugs ist von der Ausschussmehrheit aufgehoben worden, um die Liquidität kleinerer und mittlerer Unternehmen zu verbessern. In einer Fußnote zum Finanztableau (S. 76 der Drucks.) heißt es: „Mangels Unterlagen nicht bezifferbar (Regelungen dürfte nur Einzelfälle betreffen)“. 14 IDW, Stellungnahme zum UntStRefG, IDW-FN 2007, 194 (202). 15 Vgl. z. B. BFH v. 20.8.2003, BStBl. II 2004, 616 zur Unschädlichkeit der Veräußerung mittelbarer Beteiligungen; BFH v. 14.3.2006, BStBl. II 2007, 602, zur Notwendigkeit eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuen Betriebsvermögens. 16 Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8c Rz. 3.
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müssen – was mindestens genau so wichtig ist – auch die Steuerlast gerecht verteilen. Dazu bedarf es sachgerechter Prinzipien, die in den einzelnen Gesetzesnormen folgerichtig entfaltet werden17. Der Beitrag analysiert die gesetzliche Neuregelung des Verlustabzugs im Körperschaftsteuerrecht, behandelt exemplarisch wichtige Auslegungsfragen und geht auf die Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung ein. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Kapitalgesellschaft. Sie ist das einzige Körperschaftsteuersubjekt, dessen Gesellschaftsanteile fungibel genug sind, den Handel mit Verlustvorträgen zu ermöglichen18.
III. Grundlagen 1. Die neue Regelung Der Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG stellt nicht mehr auf die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft ab. Ein schädlicher Beteiligungserwerb führt zum Untergang der bis dahin nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste)19, auch wenn die Kapitalgesellschaft selbst ihre bisherigen wirtschaftlichen Aktivitäten unverändert fortsetzt. Der Beteiligungserwerb führt zum vollständigen Untergang der nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Personen übertragen werden. Bei Anteils- oder Stimmrechtsübertragungen von mehr als 25 % bis zu 50 % innerhalb von fünf Jahren geht der Verlustabzug quotal verloren. Als ein Erwerber gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleich gerichteten Interessen. Der durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG)20 in § 8c KStG rückwirkend eingefügte Abs. 2 mildert die Rechtsfolgen für den Erwerb von Anteilen durch bzw. von Wagnisbeteiligungsgesellschaften als Käufer und Verkäufer. Der nach § 8c Abs. 1 KStG nicht abziehbare Verlust der Zielgesellschaft wird zu einem abziehbaren Verlust, soweit er auf stille Reserven des steuerpflichtigen inländischen Betriebsvermögens der Zielgesellschaft entfällt (§ 8c Abs. 2 KStG)21. Die Zielgesellschaft kann den Verlust im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs und in den folgenden vier Jahren zu jeweils einem Fünftel abziehen.
__________ 17 Eindringlich und ausführlich hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. I, S. 256 ff. 18 Die Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 421 (430), hat deshalb gefordert, den Anwendungsbereich des § 8c KStG auf Kapitalgesellschaften zu beschränken. 19 Zu Art und Umfang der vom Untergang betroffenen negativen Einkünfte und Verluste s. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8c Rz. 22 ff. 20 Gesetz vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1672. 21 Ausführlich zu dem Entwurf des § 8c Abs. 2 KStG i. d. F. des MoRaKG Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8c Rz. 40 ff.
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Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften22 durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds oder deren Rückübertragung ist § 8c KStG nicht anzuwenden (§ 14 Abs. 3 FMStFG). Wirtschaftlich betroffen von dem Untergang des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG sind alle Gesellschafter, nicht nur der Erwerber. Dieser braucht die steuerlichen Nachteile, die die Gesellschaft erleidet, nur entsprechend seiner Beteiligungsquote zu tragen. Bei einer Veräußerung von z. B. 30 % der Anteile gehen 30 % des Verlustabzugs der Gesellschaft unter. Von den Nachteilen, die sich daraus ergeben, entfallen – wirtschaftlich gesehen – 30 % auf den Erwerber, aber 70 % auf die alten Gesellschafter, die Anteile weder veräußert noch erworben haben23. Auslöser für den Verfall des Verlustabzugs kann sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Anteilsübertragung sein. Im Falle einer mittelbaren Anteilsübertragung ist die auf die Verlustgesellschaft durchgerechnete Beteiligungsquote zugrunde zu legen24. Der unmittelbare Anteilseignerwechsel ist auch schädlich, wenn er mittelbar zu keiner Veränderung der Beteiligungsquote führt. Es gibt keine Konzernbetrachtung. Nach der Gesetzesbegründung25 wäre eine solche Konzernbetrachtung zu verwaltungsaufwendig und gestaltungsanfällig. Danach ist alleiniges Kriterium für die Verlustabzugsbeschränkung ein unmittelbarer oder mittelbarer Anteilseignerwechsel. Auf die Kapitalausstattung der Gesellschaft und ihre wirtschaftliche Tätigkeit kommt es nicht mehr an. Das streitanfällige Tatbestandsmerkmal in § 8 Abs. 4 KStG „Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens“ wird nach der Gesetzesbegründung zur Vereinfachung der Rechtsanwendung aufgegeben. Warum allein die Übertragung der Gesellschaftsrechte, also ein Vorgang ohne jede Beteiligung der Kapitalgesellschaft, die Streichung des Verlustabzugs rechtfertigen soll, erläutert die Gesetzesbegründung nicht. Angesichts der kargen Gesetzesbegründung ist umstritten, welche Rechtsidee der Regelung zugrunde liegt26. Die Charakterisierung als Vereinfachungsvorschrift deutet darauf hin, dass § 8c KStG trotz Streichung wesentlicher Tatbestandsmerkmale an die Vorgängerregelung (§ 8 Abs. 4 KStG) anknüpfen möchte27, die den Verlustabzug bei Körperschaften von ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Identität abhängig machte. Dies wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, in der es ausdrücklich heißt28:
__________ 22 Das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG), Art. 1 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982, spricht von „Stabilisierungselementen“. 23 Vgl. Eisgruber, DStZ 2007, 630 (633). 24 BT-Drucks. 16/4841, 76. 25 BT-Drucks. 16/4841, S. 76. 26 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2008, 1703. 27 Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808. 28 BT-Drucks. 16/4841, 76.
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Jochen Thiel „Der Neuregelung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners (oder eines anderen Anteilseignerkreises) ändert. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste bleiben unberücksichtigt, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfallen.“
2. Die wirtschaftliche Identität als Voraussetzung des Verlustabzugs Es ist aber sehr die Frage, ob allein ein Gesellschafterwechsel die wirtschaftliche Identität einer juristischen Person verändert. Das Erfordernis, rechtlicher und wirtschaftlicher Kontinuität beim Verlustabzug von Körperschaften, wie es Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 4 KStG war, geht auf den BFH zurück. Dieser hat seine Mantelkaufrechtsprechung29 in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften entwickelt. Er ist dabei davon ausgegangen, dass die Kapitalgesellschaft als Subjekt der Körperschaftsteuer zwar von den Gesellschaftern errichtet wird, als juristische Person aber von den Gesellschaftern unabhängig ist und ihren Gesellschaftszweck selbst verwirklicht. Bei einem bloßen Gesellschafterwechsel könne deshalb von einem Wechsel der steuerlichen Rechtspersönlichkeit nicht gesprochen werden. Mit anderen Worten: Die Identität der Kapitalgesellschaft wird durch ihre Rechtsform gewährleistet, die sie den Gesellschaftern gegenüber abschirmt und zu einem selbständigen Steuersubjekt mit eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit macht (sog. Trennungsprinzip). Die Identität ändert sich grundsätzlich so lange nicht, bis die Zivilrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft erlischt. Der BFH hat die Personengleichheit nur unter zwei Voraussetzungen in Zweifel gezogen: Zum einen durfte die bürgerlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit mangels eines Geschäftsbetriebs und eines ins Gewicht fallenden Vermögens nur noch eine zur Abwicklung notwendige, im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Betätigung aber bedeutungslose Form darstellen. Zum anderen musste der praktisch bedeutungslos gewordene Mantel der Kapitalgesellschaft durch Zuführung neuen Vermögens durch neu eintretende Gesellschafter eine völlig anders geartete Zweckbestimmung und Organisation erhalten. Begründung: Ändere eine Kapitalgesellschaft ihr persönliches und sachliches Substrat, so sei wirtschaftlich gesehen die Gesellschaft vor dem Gesellschafterwechsel und die Gesellschaft in ihrer neuen Verfassung trotz des ununterbrochenen Fortbestehens der Gesellschaft als Rechtsperson nicht personengleich i. S. d. § 10d EStG. Der Verlustabzug gebühre nicht dem Rechtskleid, sondern dem verlusttragenden Unternehmen. Nach Aufgabe dieser Rechtsprechung durch den BFH30 wurde das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Identität in § 8 Abs. 4 KStG gesetzlich festgeschrieben, um zu verhindern, dass Verlustvorträge entgegen der Zielsetzung des § 10d EStG durch Veräußerung der Geschäftsanteile im wirtschaftlichen
__________
29 BFH v. 19.12.1973, BStBl. II 1974, 181; v. 17.5.1966, BStBl. III 1966, 513, v. 15.2.1966, BStBl. III 1966, 289. 30 BFH v. 29.10.1986, BStBl. II 1987, 308; v. 29.10.1986, BStBl. II 1987, 310.
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Ergebnis verkauft werden. Auch wenn die Voraussetzungen, unter denen die wirtschaftliche Identität verloren ging, gegnüber der BFH-Rechtsprechung mehr und mehr abgeschwächt wurden, stand unter der Geltung des § 8 Abs. 4 KStG außer Frage, dass ein Gesellschafterwechsel allein die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft nicht zu beseitigen vermag. Mit dieser Tradition hat erst § 8c KStG gebrochen, der die wirtschaftliche Ausrichtung der Kapitalgesellschaft für unbeachtlich erklärt. 3. Kritik des § 8c KStG Das Körperschaftsteuergesetz belegt juristische Personen mit einer eigenen Steuer, weil die juristische Person sich typischerweise als eigenständiger im Wettbewerb tätiger Organismus darstellt31. Indem das Gesetz den Kapitalgesellschaften eigenes Einkommen zurechnet (§ 7 Abs. 1 KStG), erkennt es ihre eigene steuerliche Leistungsfähigkeit an32. Das erfordert, die Kontinuität einer Kapitalgesellschaft ausschließlich nach ihren eigenen Verhältnissen zu beurteilen. Im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner gilt das Trennungsprinzip33. Es behandelt Kapitalgesellschaft und Anteilseigner als jeweils selbständige Steuersubjekte, die sich grundsätzlich wie fremde Dritte gegenüberstehen. Ein Anteilseignerwechsel kann deshalb die Identität der Kapitalgesellschaft weder in rechtlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht verändern, weil er nicht den als Träger eigener Rechte und Pflichten verselbständigten Innenbereich der Gesellschaft betrifft. Die rechtliche Identität der Gesellschaft geht erst mit ihrer Auflösung und Beendigung verloren. Der Wechsel der wirtschaftlichen Identität setzt eine wesentliche Veränderung ihrer Zweckbestimmung und ihrer Organisation voraus, z. B. als Ergebnis von Restrukturierungsmaßnahmen nach hohen Verlusten. Nur eine solche Veränderung ist als Anknüpfungspunkt für die Beschränkung des Verlustabzugs geeignet34. Der Wechsel der Anteilseigner als weiteres Tatbestandsmerkmal hat keine rechtsbegründende Funktion, sondern begrenzt die Rechtsfolgen des Verlustes der wirtschaftlichen Identität. Der Wechsel der wirtschaftlichen Identität soll nicht stets zum Untergang des Verlustabzuges führen, sondern nur dann, wenn er mit einem Anteilseignerwechsel einhergeht. Denn nur dann kommt es zu der für den Mantelkauf typischen Situation, dass wirtschaftliche Nutznießer des Verlustabzuges ein oder mehrere neue Anteilseigner werden, die den Verlust wirtschaftlich nicht getragen haben. Der neue § 8c KStG stellt die Verhältnisse auf den Kopf, indem er die Grundvoraussetzung für den Untergang des Verlustabzugs, den Verlust der wirtschaftlichen Identität, aufgibt und stattdessen den Anteilseignerwechsel, der nicht das Steuersubjekt selbst betrifft und sich deshalb unter dem Aspekt des Identitätswechsels der Gesellschaft nur zur Beschränkung der Rechtsfolgen
__________ 31 32 33 34
Begründung zum Entwurf des KStG 1977, BT-Drucks. 7/1470, 326. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. II, S. 1173. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., S. 417. Vgl. BFH v. 20.8.2003, BStBl. II 2004, 614; van Lishaut, FR 2008, 789 (790).
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eignet, zum alleinigen Tatbestandsmerkmal für den Untergang des Verlustabzugs macht. Die Vorschrift negiert mit dem Durchgriff auf die Anteilseigner die eigenständige Besteuerung der Kapitalgesellschaften und damit die Grundlagen der Körperschaftsteuer schlechthin. Wegen dieses Wertungswiderspruches wird § 8c KStG im Schrifttum durchaus zu Recht als rein technische Verlustvernichtungsvorschrift bezeichnet35. Um den Untergang des Verlustabzuges wegen fehlender wirtschaftlicher Identität zu rechtfertigen, muss die Kapitalgesellschaft selbst eine andere wirtschaftliche Zweckbestimmung und Organisation erhalten. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, die Kapitalgesellschaften verlören durch den Gesellschafterwechsel ihre Identität, ist nur geeignet, diesen Befund zu verschleiern36. Bestenfalls ist er Beweis für die Gedankenlosigkeit, mit der Gesetzesbegründungen manchmal verfasst werden37. Möglicherweise hat den Verfassern der Gedanke der Unternehmeridentität vorgeschwebt, der bei Personengesellschaften für die Vortragsfähigkeit der Gewerbeverluste nach § 10a GewStG bedeutsam ist38. Jedoch sind bei Personengesellschaften, anders als bei Kapitalgesellschaften, nicht die Gesellschaften, sondern ihre Gesellschafter Unternehmer. Es gilt nicht das Trennungsprinzip, sondern das Transparenzprinzip. Der Verlustabzug steht den Gesellschaftern zu und geht jedenfalls für die Zwecke der Einkommensteuer durch die Veräußerung des Gesellschaftsanteils nicht verloren39. Auch im Hinblick auf die Gewerbesteuer sind die Personengesellschaften nicht selbst Unternehmer40. Es ist deshalb durchaus folgerichtig, den Verlustabzug hier an die Person des Gesellschafters zu binden. Bei der Körperschaftsteuer, die die Gesellschaft selbst als Unternehmer behandelt, ist eine Regelung wie § 10a GewStG sachfremd41.
IV. Auslegungsfragen 1. Folgen der Systemlosigkeit Die Streichung des Tatbestandsmerkmals der „Wiederaufnahme oder Fortführung des Geschäftsbetriebs mit neuem Betriebsvermögen“ hat viele bisherige Streitpunkte ausgeräumt. Jedoch wirft auch die neue Vorschrift zahlreiche Auslegungsfragen auf und ist massiven verfassungsrechtlichen Einwendungen
__________ 35 Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261. Bereits Eisgruber, DStZ 2007, 630 (633) spricht von einer rein technischen Lösung. Auch Roser, DStR 2008, 77 und Dötsch/Pung, DB 2008, 1703, Fn. 11 verneinen, dass die Rechtsfolgen des § 8c KStG an den Verlust der wirtschaftlichen Identität anknüpfen. 36 Vgl. Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (262): „Mismatch“ zwischen Gesetzesbegründung und Gesetzeswortlaut. 37 Vgl. Kanzler, Die „Gesetzesbegründung“ im Steuerrecht, FR 2007, 525 ff. 38 Dötsch/Pung, DB 2008, 1703. 39 Reitsam in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, Berlin 2007, KStG, § 8c Rz. 15. 40 BFH v. 3.5.1993, BStBl. II 1993, 616; Abschn. 68 Abs. 1 GewStR 2007. 41 Vgl. Reitsam in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, Berlin 2007, KStG, § 8c Rz. 15 ff.
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ausgesetzt42. Die Vorschrift versucht mit unbestimmten Rechtsbegriffen (z. B. „vergleichbare Sachverhalte“43, „gleichgerichtete Interessen“44) unerwünschte Auslegungsergebnisse und Gestaltungen zu verhindern, ohne dass es dazu der Heranziehung der allgemeinen Missbrauchsvorschrift (§ 42 AO) bedarf45. Die Probleme sind verschoben, aber nicht aufgehoben. Insgesamt verspricht § 8c KStG keine größere Rechtssicherheit als der vorangegangene § 8 Abs. 4 KStG46. Ursächlich für die im Folgenden dargestellten Auslegungsprobleme ist das Fehlen eines Leitgedankens, Plans oder Telos, an dem sich der Rechtsanwender orientieren könnte. Gibt der Wortlaut einer Vorschrift Anlass zu Zweifeln, so bedarf es einer norminspirierenden Idee, die die Richtung für die Auslegung vorgibt. Die Regelung des Verlustabzugs bei Körperschaften in einer besonderen Vorschrift wertet das Abzugsverbot auf und kann als Abkehr vom Charakter einer Missbrauchsregelung verstanden werden47. Nach Auffassung der Finanzverwaltung enthält § 8c Abs. 1 KStG eine wertneutrale allgemeine Voraussetzung für den Verlustabzug48. Diese Änderung im äußeren System besagt aber noch nichts hinsichtlich der Wertungen, die dem Inhalt des Abzugsverbots zugrunde liegen. § 8 Abs. 4 KStG regelte das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Identität und positivierte den – zu Zeiten der Mantelkaufrechtsprechung des BFH aus § 10d EStG teleologisch hergeleiteten – Grundsatz der Personengleichheit49. Diesen Anknüpfungspunkt hat § 8c KStG aufgegeben. Der Verlustabzug wird auch dann eingeschränkt oder geht verloren, wenn der Anteilserwerb die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft – im Sinne der BFH-Rechtsprechung zum Mantelkauf – nicht tangiert. Damit kann das Merkmal der wirtschaftlichen Identität auch nicht länger dazu genutzt werden, unangemessene oder zu weit gehende Rechtsfolgen des § 8c KStG unter Berufung auf seinen Fortbestand zu korrigieren. Daran ändert auch die Aussage in der Gesetzesbegründung nichts, dass das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft ändert. Das ist eine unzutreffende Wertung, aus der sich Kriterien für die Einschränkung des Verlustabzuges nicht herleiten lassen.
__________ 42 Vgl. Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8c KStG, Anm. J 07-2; Brandis in Blümich, KStG, § 8c Rz. 22. Empfehlung a. a. O.: Bis zur Entscheidung des BVerfG sollte keine Veranlagung unter Anwendung des § 8c KStG bestandskräftig werden. 43 Siehe unten Abschnitt IV Nr. 2. 44 Vgl. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8c Rz. 36: Schillernder Begriff, insbesondere weil das Gesetz das Ziel nicht nennt, zu dessen Erreichung die Interessen der Anteilseigner gleichgerichtet sein müssen. 45 Ihre Anwendung bleibt nach Auffassung der Finanzverwaltung aber gleichwohl möglich, weil § 8c KStG keine Missbrauchsregelung ist, vgl. van Lishaut, FR 2008, 789 (790). 46 Vgl. van Lishaut, FR 2008, 789 (800): „Bemerkenswert ist auch die rechtliche Komplexität, die mit den nur vier Sätzen und 155 Worten der Norm erzeugt wird.“ 47 Vgl. Brandis in Blümich, KStG, § 8c Rz. 21. 48 van Lishaut, FR 2008, 789. 49 Brendt in Erle/Sauter, 2. Aufl., KStG, § 8 Rz. 453.
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Die einseitige Orientierung am Anteilserwerb wird so verstanden, dass § 8c KStG die Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch neue Gesellschafter pönalisiert, weil diese es in der Hand haben, die Verwertung der Verluste zu steuern50. Dann sollten die neuen Gesellschafter aber auch mit den nachteiligen wirtschaftlichen Wirkungen des § 8c KStG belastet werden. Auf eine solche Zielsetzung deutet die Gesetzesbegründung hin, wonach die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste der Kapitalgesellschaft unberücksichtigt bleiben, soweit sie auf das neue wirtschaftliche Engagement entfallen51. Die Rechtsfolgen des § 8c Abs. 1 KStG sind allerdings andere. Der Wegfall des Verlustabzuges der Kapitalgesellschaft trifft alle ihre Gesellschafter gleichermaßen52, mögen sie Anteile erworben haben oder nicht53. Fakt ist: § 8c KStG hat sich von dem Leitbild des Mantelkaufs verabschiedet, ohne einen anderen Telos an die Stelle zu setzen. Der Vorschrift fehlt ein hilfreicher „roter Faden“54, an dem sich die Auslegung orientieren könnte. Das hat die missliche Folge, dass Auslegungsprobleme allein anhand des Wortlauts gelöst werden müssen. Die Auslegung kann sich über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzen und offene oder verdeckte Lücken füllen, wenn der Wortlaut den Gesetzesplan nur unvollkommen wiedergibt. Diese Methode versagt, wenn der Plan selbst mangelhaft ist, weil der Gesetzgeber von diffusen, unzutreffenden Annahmen geleitet worden ist. Die Weigerung der Finanzverwaltung, in dem BMF-Schreiben zur Anwendung des § 8c KStG Milderungsregelungen zu treffen, ist deshalb – wenn auch bedauerlich – durchaus verständlich. 2. Schädlicher Beteiligungserwerb Schädlich ist die Übertragung von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen oder ein vergleichbarer Sachverhalt. Die Einbeziehung „vergleichbarer Sachverhalte“ bewirkt eine allgemeine Rechtsunsicherheit, die durch das Ziel, Umgehungen zu verhindern, nicht gerechtfertigt ist. Die Bestimmung, welche vom Wortlaut des § 8c KStG nicht erfasste Übertragungen Umgehungen sind und den Untergang des Verlustabzuges herbeiführen, muss der Gesetzgeber treffen. Wenn dieser sich nicht auf die Missbrauchsregelung des § 42 AO verlassen will, muss der Steuertatbestand so konkret gefasst werden, dass der Rechtsanwender den Anwendungsbereich der Norm nach ihrem Wortlaut und Gesetzeszweck wenigstens einigermaßen zuverlässig bestimmen kann. Das gewährleistet die hier gewählte Leerformel nicht55. Auch der Anwendungserlass der Finanzverwaltung füllt
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Allgemeine Begründung, BT-Drucks. 16/4841, 35 oben. Begründung zu § 8c KStG, BT-Drucks. 16/4841, 76. Siehe oben Abschn. III. 1. Zur Abwälzung der Lasten auf die Verursacher müssen die Gesellschaftsverträge angepasst werden, vgl. Benz/Rosenberg in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 194 ff. 54 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung, DB 2008, 1703 (1704). 55 Das Schrifttum spricht von „konturenlosem Programmsatz“, vgl. Roser, DStR 2008, 77 (78) oder „Angstklausel“, vgl. Wiese, DStR 2007, 741 (742).
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das Vakuum nicht, da er nur beispielhaft und nicht abschließend festlegt, was „vergleichbare Sachverhalte“ sind56. Im Übrigen stehen die Verwaltungsregelungen unter dem Vorbehalt besserer Erkenntnisse der Finanzgerichte, die der Verwaltung gerade bei der Erfassung von Umgehungen erfahrungsgemäß oft genug die Gefolgschaft verweigern. Der Anwendungserlass sieht in der Kapitalherabsetzung und dem Erwerb eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft vergleichbare Sachverhalte57, obwohl die Gesellschafter keine Anteile erwerben58. Erbfall und Erbauseinandersetzung, bei denen die Gesellschafter Anteile erwerben, sollen dagegen keine vergleichbaren Sachverhalte sein59. So erfreulich dieses Ergebnis für die Erben auch sein mag, eine Begründung dafür ist schwer zu finden. Wenn das entscheidende Kriterium für die Einbeziehung der Kapitalherabsetzung und des Erwerbs eigener Anteile die Erhöhung der Beteiligungsquote und der gesteigerte Einfluss der verbliebenen Gesellschafter ist60, warum wird der Erbfall ausgegrenzt, der den Erben zum Herrscher über die Gesellschaft macht und dem Grundtatbestand deutlich näher steht?61. Noch schwerer zu verstehen ist die Zusatzbedingung für die Ausklammerung der Erbauseinandersetzung: Der Erwerb im Zuge der Erbauseinandersetzung ist schädlich, wenn er in auch nur geringem Umfang entgeltlich erfolgt. Nach dem Grundtatbestand des § 8c KStG kommt es demgegenüber gerade nicht darauf an, ob die Beteiligung entgeltlich oder unentgeltlich erworben wird62. 3. Unmittelbarer und mittelbarer Erwerb a) Keine Konzernklausel Unter der Geltung des § 8 Abs. 4 KStG wurden erfolgsneutrale Umstrukturierungen mittelbarer in mittelbare Beteiligungen nach Maßgabe der §§ 11 ff. und 20 ff. UmwStG innerhalb verbundener Unternehmen nicht als steuerschädliche Anteilsübertragungen gewertet63. Das entspricht der Leitidee des Mantelkaufs, nach der eine Beschränkung des Verlustabzugs nur erforderlich ist, wenn konzerninterne Reorganisationsmaßnahmen die letztendliche Verlustzuordnung bei der Konzernobergesellschaft verändern64. Nach § 8c KStG ist der unmittelbare Anteilserwerb auch dann schädlich, wenn er mittelbar zu keiner Änderung der Beteiligungsquote führt65. Das folgt aus dem Wortlaut des
__________
56 Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 7: „Vergleichbare Sachverhalte können insbesondere sein:“. 57 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 7. 58 Kritisch hierzu Brandis in Blümich, KStG, § 8c Rz. 55. 59 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 4 Satz 2. 60 Meiísel/Bokeloh, BB 2008, 808 (810). 61 Hans, FR 2007, 775 (776) hält die Änderung der vermögensrechtlichen Zuordnung für schädlich. van Lishaut, FR 2008, 789 (791) weist auf die Einschränkung des Gesetzeswortlauts durch den Anwendungserlass in diesem Punkt hin. 62 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 4 Satz 1. 63 BMF v. 16.4.1999, BStBl. I 1999, 455, Rz. 28. 64 Gosch/Roser, KStG, § 8 Rz. 1416 „Konzerninterne Übertragungen“. 65 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 11.
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§ 8c KStG, der den Beteiligungserwerb ohne jede Ausnahme sanktioniert66. Auf den Wechsel der „Verlustzuständigkeit“, die unter dem Aspekt des Mantelkaufs für die Versagung des Verlustabzugs entscheidend ist, kommt es nicht länger an. Damit fehlt es an einer Grundlage, das Ergebnis der Wortauslegung im Sinne der bisherigen Praxis zu korrigieren oder anderweitig abzumildern. b) Beteiligungserwerb innerhalb eines Erwerberkreises Ein Anteilserwerber bildet gemeinsam mit nahe stehenden Personen und Personen, die mit ihm oder den nahe stehenden Personen gleichgerichtete Interessen haben, einen Erwerberkreis67. Die Zusammenfassung der Erwerber soll verhindern, dass durch Aufteilung des Beteiligungserwerbs auf mehrere Personen (Quartettbildung) die Beschränkung des Verlustabzugs unterlaufen wird. Damit stellt sich die Frage, ob Übertragungen innerhalb des Erwerberkreises steuerschädlich sind. Insbesondere die Regelung in § 8c Satz 3 KStG, wonach Personen mit gleichgerichteten Interessen als ein Erwerber gelten, könnte dafür sprechen, dass Binnenübertragungen keine Erwerbe auslösen und damit unschädlich sind. Diese begriffliche Deduktion scheitert aber daran, dass § 8c Satz 1 und 2 KStG, auf die § 8c Satz 3 KStG ausdrücklich Bezug nimmt, nicht den Anteilserwerb in Frage stellt, sondern ersichtlich nur eine Zusammenrechnung der Quoten bezweckt, die beim Anteilserwerb durch mehrere Personen jeweils auf die Einzelnen entfallen. Der Befund, dass Beteiligungserwerbe zwischen konzernangehörigen Gesellschaften steuerschädlich sind68, wird deshalb auch durch den Begriff des Erwerberkreises nicht in Frage gestellt. c) Mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils Nach dem Wortlaut des § 8c KStG ist die mehrfache Übertragung des nämlichen Anteils, der die Beteiligungsgrenzen des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG überschreitet, steuerschädlich. Beispiel Ein Anteil an einer Verlust-GmbH von 30 % wird innerhalb eines Jahres drei Mal übertragen: Von A an B, von B an C, und von C an D. Dadurch verliert die GmbH die aufgelaufenen Altverluste zu 90 %. § 8c KStG knüpft den Untergang des Verlusts an den Anteilserwerb, ohne den Anteilen die Verluste quotal zuzuordnen. Dadurch vervielfältigt sich mit
__________ 66 Selbst bei einer Verkürzung der Beteiligungskette durch Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft findet ein Anteilserwerb statt: Die Muttergesellschaft erwirbt die Anteile an der Enkelgesellschaft, die wiederum die Anteile an der Verlustgesellschaft hält. Zumindest liegt ein „vergleichbarer Sachverhalt“ vor. Die Frage ist unter politischen Gesichtspunkten in der FMK erörtert worden, die sich zu einer Begünstigung des Vorgangs nicht hat durchringen können, vgl. van Lishaut, FR 2008, 789 (795). 67 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 3. 68 Siehe oben Abschn. IV. 3. a).
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jedem schädlichen Anteilserwerb die Quote der untergehenden Verluste. Im Auslegungswege lässt sich dieser Mangel freilich nicht korrigieren, weil dem Gesetz keine Kriterien für die Begrenzung der Rechtsfolgen zu entnehmen sind. d) Mittelbarer Erwerb „ad infinitum“ Nach dem Wortlaut des § 8c KStG sind nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Beteiligungserwerbe ohne jede stufenmäßige Begrenzung stets steuerschädlich69. Eine inländische Verlustgesellschaft verliert ihren Verlustabzug, wenn auf der 5., 10. oder beliebig höheren Beteiligungsebene im In- oder Ausland Beteiligungen übertragen werden, so dass – quotal durchgerechnet – Anteile der Verlustgesellschaft in steuerschädlichem Umfang ihren Inhaber wechseln. Die Regelung ist maßlos. Der Verlustgesellschaft werden die Verluste durch Anteilsübertragungen genommen, die mit ihr in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zu stehen brauchen. Es reicht, dass sich der Bezug zu der Verlustgesellschaft mathematisch durch Berechnung eines schädlichen quotalen Beteiligungserwerbs herstellen lässt. Die maßgeblichen Anteilsübertragungen können sich irgendwo in der Welt ereignen, so dass es vom Zufall abhängt, ob die Verlustgesellschaft und/oder das Finanzamt überhaupt davon erfahren. Nicht einmal Anteilsübertragungen über die Börse sind ausgenommen70. Erklärlich ist die monströse Regelung nur, weil der unmittelbare Anteilseignerwechsel durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft leicht umgangen werden kann. Das muss durch eine Missbrauchsregelung verhindert werden, rechtfertigt aber nicht die uferlose Pönalisierung des mittelbaren Beteiligungserwerbs auch in Fällen, die offensichtlich keinen Missbrauch darstellen. Im Gesetzgebungsverfahren ist vorgeschlagen worden, mittelbare Beteiligungserwerbe nur dann für schädlich zu erklären, wenn der Wert der Beteiligung an der zwischengeschalteten Gesellschaft wie bei einer Briefkastengesellschaft in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert der Beteiligung an der Verlustgesellschaft steht71. Dass dieses Konzept wegen der dadurch entstehenden Komplizierungen nicht weiter verfolgt worden ist, ist ein Armutszeugnis für den Gesetzgeber, lässt sich aber nicht nachträglich im Wege der Auslegung korrigieren.
__________ 69 B. Lang, DStZ 2007, 652 (656) hat vorgeschlagen, § 8c KStG höchstens auf mittelbare Erwerbe der zweiten Stufe anzuwenden. Rödder, DStR 2007, Beih. zu Heft 40, 13 plädiert für die Unschädlichkeit des mittelbaren Erwerbs, wenn sich aus der Sicht der Konzernobergesellschaft keine Veränderung ergibt. Ähnlich Suchanek/Herbst, FR 2007, 865. Im Wege der Auslegung ist das alles nicht zu machen. 70 Vgl. Beußer, DB 2007, 1549 (1550). 71 Vgl. die Prüfbitte des Bundesrates, BR-Drucks. 220/07 (Beschluss), Tz. 27 und die ablehnende Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5377, Anlage 5 zu Nr. 27.
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4. Zusammenfassung der Anteilserwerbe während des Fünfjahreszeitraums a) Anteiliger und vollständiger Verlustuntergang Der schädliche Beteiligungserwerb vernichtet die nicht genutzten Verluste im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs72. Zur Ermittlung des schädlichen Beteiligungserwerbs werden alle Erwerbe innerhalb eines Fünfjahreszeitraums zusammengefasst. Für die Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG und nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG wird jeweils ein eigener Fünfjahreszeitraum zugrunde gelegt. Der Fünfjahreszeitraum nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG beginnt mit dem ersten Beteiligungserwerb an der Verlustgesellschaft durch den Erwerber und endet, sobald die 25 %-Grenze überschritten ist; anschließend beginnt mit dem nächsten Beteiligungserwerb ein neuer Fünfjahreszeitraum. Der Fünfjahreszeitraum nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG beginnt wie der Zeitraum nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG mit dem ersten Beteiligungserwerb, endet aber nicht bei Überschreiten der 25 %-Grenze, sondern läuft bis zum Überschreiten der 50 %-Grenze weiter. Erst dann beginnt mit dem nächsten Erwerb ein neuer Fünfjahreszeitraum73. Nach dieser Regelung kann der Umfang des Verlustuntergangs von der Reihenfolge des Anteilserwerbs abhängen. Beispiel A erwirbt 19 % der Anteile an einer Verlustgesellschaft von B und anschließend im selben Jahr weitere 26 % von C. Mit dem Erwerb der zweiten Beteiligung gehen 45 % der nicht genutzten Verluste unter. Verfährt A umgekehrt und erwirbt er zunächst 26 % der Anteile von C und erst anschließend 19 % der Anteile von B, gehen nur 26 % der Verluste unter. Das Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass mit dem Erwerb von mehr als 25 % der Anteile ein neuer Fünfjahreszeitraum beginnt. Dötsch/Pung sehen darin eine neue Variante der Dummensteuer74. Nach Auffassung der Verwaltung gilt eine Mehrzahl von Erwerben als ein Erwerb, wenn ihnen ein Gesamtplan zugrunde legt. Dies wird widerleglich vermutet, wenn die Erwerbe innerhalb eines Jahres erfolgen75. Danach würde die Kapitalgesellschaft auch im zweiten Fall 45 % der nicht genutzten Verluste verlieren, sofern sie nicht das Vorliegen eines Gesamtplanes widerlegt. Dafür gibt keine gesetzliche Grundlage. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO), der es allein erlauben würde, statt des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts (zwei Erwerbe) einen fingierten Sachverhalt (ein Erwerb) zu besteuern, liegt nicht vor. Der Gesellschafter erzielt das für den Verlustabzug der Kapitalgesellschaft günstige Ergebnis nicht durch künst-
__________ 72 73 74 75
Näheres bei Dötsch/Pung, DB 2007, 1703 (1705). Vgl. Dötsch/Pung, DB 2007, 1703 (1708 ff.). Dötsch/Pung, DB 2008, 1703 (1709). BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 19. Vgl. in diesem Zusammenhang die Gestaltungsempfehlung bei Suchanek in HHR, § 8c KStG, Anm. J 07-18.
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liche Aufsplitterung eines einheitlichen Vorgangs76, sondern durch Erwerb der Anteile in der richtigen Reihenfolge, die er frei wählen kann. Entscheidet er sich falsch, muss die Verlustgesellschaft auch das hinnehmen und kann nicht auf eine niedrigere Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen hoffen. Im Übrigen erfordert die Gesamtplanrechtsprechung, dass der Steuerpflichtige den Geschehensablauf beherrscht77. Daran fehlt es hier. Denn nicht die steuerpflichtige Verlustgesellschaft, sondern ihre Gesellschafter beherrschen das Geschehen. Die Verlustgesellschaft erleidet den Untergang nicht genutzter Verluste als Rechtsfolge der Übertragung der Anteile, unabhängig von den Beweggründen, aus denen die Gesellschafter ihre Anteile übertragen. Und schließlich: Wer mit einer typisierenden Regelung Härten verursacht, muss auch typisierungsbedingte Gestaltungsvorteile akzeptieren78. Es ist deshalb durchaus zweifelhaft, ob die Gesamtplanrechtsprechung hier überhaupt anwendbar ist. b) Nach dem Anteilserwerb entstandene Verluste Von dem schädlichen Anteilserwerb betroffen sind die bei Erwerb nicht genutzten Verluste. Der schädliche Anteilserwerb hat keine unmittelbaren Auswirkungen, wenn in diesem Zeitpunkt keine nicht genutzten Verluste vorhanden sind. Jedoch zählen die Anteile innerhalb des Fünfjahreszeitraums bei der Ermittlung der Beteiligungsquote mit. Das kann verheerende Auswirkungen haben. Beispiel A hat im Jahr 01 49 % der Anteile an einer Verlustgesellschaft erworben. Die Gesellschaft hatte damals keine Verluste. In 04 erleidet die Gesellschaft einen hohen Verlust. In 05 erwirbt A weitere 2 % der Anteile. Dadurch geht in 05 der gesamte Verlustabzug verloren. Für dieses Ergebnis gibt es keine einleuchtende Begründung. A hat bei Erwerb der Anteile im ersten Jahr keine Verlustgesellschaft übernommen. Er hat wirtschaftlich gesehen die Verluste als Gesellschafter fast zur Hälfte selbst erlitten und nur i. H. v. 2 % wirtschaftlich betrachtet von einem anderen Gesellschafter erworben. Dafür muss er die wirtschaftlichen Nachteile, die mit dem Untergang des Verlustabzugs für die Gesellschafter verbunden sind, i. H. v. 51 % hinnehmen. Auch hier hilft die Auslegung nicht weiter79. Es ist Sache des Gesetzgebers, die Rechtsfolgen angemessen zu begrenzen.
__________
76 Wird die von einem Gesellschafter erworbene Beteiligung in verschiedenen Tranchen übertragen (Ratenlieferungsvertrag), handelt es sich regelmäßig schon zivilrechtlich um einen Erwerb, vgl. Palandt/Heinrichs, 64. Aufl., BGB Überbl v § 311 Rz. 27. In diesem Zusammenhang kann die Gesamtplanrechtsprechung herangezogen werden, um ein Scheingeschäft zu prüfen, vgl. Spindler, DStR 2005, 1 (4). 77 Spindler, DStR 2005, 1 (4). 78 van Lishaut, FR 2008, 789 (797). 79 Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG § 8c Rz. 30. A. A. Suchanek in HHR, § 8c KStG, Anm. J 07-12 m. w. Nachweisen; Beußer, DB 2007, 1549 (1551), der sich unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 14.3.2006, BStBl. II 2007, 602 für eine teleologische Reduktion ausspricht.
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5. Fehlen einer Sanierungsklausel Die Sanierungsklausel in § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG knüpfte an die „Zuführung neuen Betriebsvermögens“ an. Ihr ist durch die Streichung dieses Tatbestandsmerkmals in § 8c KStG der Boden entzogen. Nach der Gesetzesbegründung80 bedarf es keiner Sanierungsklausel, weil Sanierungsgewinne bereits nach geltendem Recht vorrangig mit vorhandenen Verlustvorträgen zu verrechnen sind. Das trifft nur zu, wenn das Unternehmen vor einem Gesellschafterwechsel saniert wird. Nach einem Gesellschafterwechsel kann der Verlustabzug wegen § 8c KStG nicht mehr mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Dadurch erhöht sich die Körperschaftsteuer auf den Sanierungsgewinn. Diese ist jedoch aus Billigkeitsgründen in vollen Umfang nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 27.3.200381 zu erlassen82. Die Lösung ist unzureichend, da sie nur die Sanierung durch Forderungsverzicht, nicht aber die Sanierung durch den neuen Gesellschafter oder die Gesellschaft selbst erfasst83. Im Übrigen ist die Lösung methodisch verfehlt. Der Gesetzgeber hätte schon aus Gründen der Rechtssicherheit84 selbst eine sachgerechte Regelung treffen müssen. 6. Keine Gesetzeskorrektur im Wege der Auslegung § 8c KStG ist missglückt. Selbst grob unbillige Ergebnisse lassen sich mit den klassischen Auslegungsmethoden nicht korrigieren. Nicht die Finanzverwaltung, sondern der Gesetzgeber ist deshalb gefordert. Sollte sich der Bundesfinanzminister unter dem berechtigten Druck der Betroffenen doch noch zu Verbesserungen im Verwaltungswege entschließen, wäre dies eine rechtspolitische Maßnahme. Sie sollte dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
V. Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG 1. Prüfungsmaßstäbe Gerechtes Recht setzt sachgerechte Prinzipien voraus. Sie müssen in den Steuergesetzen folgerichtig entfaltet werden. Inkonsequenz ist Systembruch und führt zur Ungleichbehandlung85. Natürlich hat der Gesetzgeber Gestaltungsspielraum. Er muss sich dabei aber an die verfassungsrechtlichen Vorgaben halten. § 8c KStG verletzt fundamentale Besteuerungsprinzipien und enthält
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BT-Drucks. 16/4841, 76. BMF v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, Rz. 34. Vgl. die Beispiele bei Reitsam in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, § 8c KStG, Rz. 55. 84 So hat z. B. das FG München mit Urteil v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06 die Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses in Zweifel gezogen, Rev. eingelegt, Az BFH VIII R 2/08. Unklar sind auch die Rechtsfolgen des Forderungsverzichts gegen Besserungsschein. Die Verwaltung wird voraussichtlich § 8c Abs. 1 KStG rückwirkend anwenden, vgl. van Lishaut, FR 2008, 789 (800). 85 Umfassend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. I, S. 281 ff.
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grobe handwerkliche Fehler. Es besteht begründeter Verdacht, dass die Vorschrift verfassungswidrig ist86. Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ist der Allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Auch Kapitalgesellschaften stehen unter seinem Schutz. Die Grundrechte gelten für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Der im Gleichheitssatz verankerte Grundsatz der Steuergerechtigkeit verlangt, dass die Steuerlasten auf die Steuerpflichtigen im Verhältnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilt werden. Die Steuerpflichtigen müssen bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit)87. Dabei muss die gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden88. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes89. Das Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit wird durch das objektive Nettoprinzip konkretisiert90. Die danach gebotene Verlustverrechnung wird durch den Verlustabzug (§ 10d EStG) überperiodisch fortgeführt. Ohne den Verlustabzug entsteht bei einem über verschiedene Jahre hinweg erzielten Gesamtergebnis von 0 Euro dennoch eine Steuer, obwohl der Steuerpflichtige nichts verdient hat und deshalb nicht leistungsfähig ist. Die Regelung der überperiodischen Verlustverrechnung in § 10d EStG ist ebenso wie die Regelung des Verlustausgleichs (§ 2 Abs. 1 EStG) keine Steuervergünstigung, sondern Fiskalzwecknorm, die der Gesetzgeber nicht beliebig verändern darf91. Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen vielfach auf das Nettoprinzip Bezug genommen, sich aber vor einer eindeutigen verfassungsrechtlichen Einordnung gescheut. Nach seiner Rechtsprechung entfaltet das objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen92. Der Gesetzgeber darf das Nettoprinzip bei Vorliegen besonderer Gründe einschränken. Die Beschränkungen bedürfen jedoch einer besonderen Rechtfertigung93.
__________ 86 Vgl. Lenz/Ribbrock, BB 2007, 587 (589 f.); Hey, BB 2007, 1303 (1306); Hans, FR 2007, 775 (779 f.); Schwedhelm, GmbHR 2008, 404; Brandis in Blümich, KStG, § 8c Rz. 22; Suchanek in HHR, § 8c KStG, Anm. J 07-2; a. A. Frotscher, KStG, § 8c Rz. 11. 87 Vgl. BVerfG v. 4.12.2002, BVerfGE 107, 27 (46); v. 16.3.2005, BVerfGE 112, 268 (279) jeweils m. w. N. 88 Vgl. BVerfG v. 4.12.2002, BVerfGE 107, 27 (47) m. w. N. 89 Vgl. BVerfG v. 30.9.1998, BVerfGE 99, 88 (95); v. 6.3.2002, BVerfGE 105, 73 (126); v. 4.12.2002, BVerfGE 107, 27 (47). 90 Vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., S. 245 f. 91 Vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., S. 249. 92 BVerfG v. 4.12.2002, BVerfGE 107, 27 (47 f.). 93 BVerfG v. 4.12.2002, BVerfGE 107, 27 (48) unter Hinweis auf BVerfG v. 30.9.1998, BVerfGE 99, 280 (290).
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In seiner Entscheidung vom 30.9.199894 hat das BVerfG den völligen Ausschluss des Verlustabzuges nach § 10d EStG bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände für verfassungswidrig erklärt: „§ 22 Nr. 3 S. 3 EStG benachteiligt im Rahmen des gesetzlichen Belastungssystems Steuerpflichtige mit Einkünften aus laufender sonstiger Leistung, wenn Erwerbsaufwendungen und Erwerbseinnahmen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen anfallen. Die Erwerbseinnahmen unterliegen dann in vollem Umfang der Einkommensbesteuerung, ohne dass die Erwerbsaufwendungen im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung oder in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Erwerbseinnahmen erfasst werden, Berücksichtigung fänden. Für diese Ungleichbehandlung sind keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich.“
An diesen Anforderungen ist § 8c KStG zu messen. Die Vorschrift verbietet Kapitalgesellschaften die periodenübergreifende Verrechnung der Erwerbsaufwendungen nur deshalb, weil die Anteilseigner untereinander Gesellschaftsanteile übertragen. 2. Keine folgerichtige Umsetzung der gesetzlichen Belastungsentscheidung a) Verletzung des Trennungsprinzips Kapitalgesellschaften werden als eigenständige Steuersubjekte unabhängig von ihren Gesellschaftern besteuert. Diese Belastungsentscheidung muss der Gesetzgeber folgerichtig umsetzen. Er muss das Trennungsprinzip beachten, nach dem sich Gesellschafter und Gesellschaft grundsätzlich wie fremde Dritte gegenüberstehen. Mit diesen Vorgaben ist § 8c KStG nicht zu vereinbaren. Die Vorschrift verstößt gegen das Trennungsprinzip und verletzt damit den Grundsatz der Folgerichtigkeit95. Die Frage, wer Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist und wer sie kontrolliert hat nichts mit ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun96. § 8c KStG knüpft den Untergang des Verlustabzugs an die Veräußerung der Beteiligung, mithin an ein Tatbestandsmerkmal, das der Anteilseigner und nicht die Kapitalgesellschaft erfüllt. Die Kapitalgesellschaft kann nicht einmal Einfluss auf den Anteilseigner nehmen. Denn die Beteiligung ermöglicht dem Anteilseigner, die Geschicke der Kapitalgesellschaft zu bestimmen, ermöglicht aber nicht umgekehrt der Kapitalgesellschaft, die Entscheidungen der Gesellschafter zu beeinflussen. Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass sich die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners (oder Anteilseignerkreises) ändert. Das trifft nicht zu. Der Erwerb der Gesellschaftsanteile gibt den neuen Anteilseignern nur die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft umzugestalten. Sie können dies aufgrund ihrer Mitgliedschaftsrechte tun oder unterlassen.
__________ 94 BVerfG v. 30.9.1998, BVerfGE 99, 88 (97). 95 Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1306); Wiese, DStR 2007, 741 (744). 96 Frotscher, KStG § 8c Rz. 6.
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Ob sich die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft ändert oder nicht, ist im Einzelfall anhand der Maßnahmen zu beurteilen, die die Anteilseigner treffen. Darauf stellt § 8c KStG jedoch bewusst und gewollt nicht ab. Zudem geht bei einem nur mittelbaren Beteiligungserwerb die Möglichkeit zu Eingriffen bei Kapitalgesellschaften auf der untersten Ebene zurück, je länger die Kette der zwischengeschalteten Gesellschaften ist. Die neuen Gesellschafter können ihre Gesellschaftsrechte nur in der eigenen Gesellschaft ausüben und müssen – um die Verhältnisse der Verlustgesellschaft zu beeinflussen – sicherstellen, dass ihre Weisungen von Gesellschaft zu Gesellschaft weiter gegeben werden. Das ist nur dann problemlos möglich, wenn es sich bei den zwischengeschalteten Gesellschaften um bloße Briefkastengesellschaften handelt. Aktive Gesellschaften verfolgen ihre eigene Geschäftspolitik, so dass keine Rede davon sein kann, dass schon der bloße mittelbare Beteiligungserwerb geeignet ist, die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft auf der untersten Ebene zu verändern. b) Ungleiche Verteilung der Steuerbelastung Kapitalgesellschaften, deren Anteile übertragen werden, wird der Verlustabzug durch § 8c KStG genommen. Sie werden schärfer besteuert als Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterbestand unverändert geblieben ist. Diese Ungleichbehandlung ist ebenso ungerechtfertigt wie die vom BVerfG beanstandete Versagung des Verlustabzugs bei Einkünften aus sonstiger Leistung97. Die nachteilige Wirkung des § 8c KStG wird durch die Mindestbesteuerung verschärft98. Sie reduziert die Verrechnung der vorgetragenen Verluste auf 60 % des in dem betroffenen VZ erzielten Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG). Dadurch werden die vortragsfähigen Verluste der Kapitalgesellschaft nur verzögert abgebaut und sind stärker und länger als unbedingt nötig dem Verfall preisgegeben. § 8c KStG benachteiligt die Kapitalgesellschaften auch im Vergleich zu Einzelunternehmern und Gesellschaftern von Personengesellschaften, die der Einkommensteuer unterliegen. Diese können den ihnen zustehenden Verlustabzug nach § 10d EStG nur im Todesfall verlieren. Bei einer Veräußerung des Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils wird der Veräußerungsgewinn mit dem Verlustabzug verrechnet. Wird der Verlustabzug dadurch nicht verbraucht, bleibt er dem Unternehmer (Mitunternehmer) erhalten. Frotscher99 meint, die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als eigentliche Nutznießer des Verlustabzuges hätten die Möglichkeit, den Verlustabzug durch Übertragung der Anteile zu übertragen. Diese Möglichkeit sei Einzelgewerbetreibenden und Gesellschaftern von Personengesellschaften verwehrt. § 8c KStG versetze die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften in die entsprechende Lage und sei deswegen nicht schlechthin sachwidrig.
__________
97 Siehe oben Abschn. V. 1. a. E. 98 Suchanek in HHR, § 8c KStG, Anm. J 07-2 a. E. 99 Frotscher, KStG § 8c, Rz. 11.
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Die Wertung trifft nicht zu. Gesellschafter von Kapitalgesellschaften und einkommensteuerpflichtige Gewerbetreibende befinden sich hinsichtlich des Verlustabzuges wirtschaftlich betrachtet in einer vergleichbaren Ausgangslage. Die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften realisieren die wirtschaftlichen Vorteile der Kapitalgesellschaft aus dem Verlustabzug bei Veräußerung ihrer Anteile über den Preis. Einzelunternehmern und Gesellschaftern von Personengesellschaften bleibt der Verlustabzug, der ihnen selbst zusteht, bei einer Veräußerung des Unternehmens erhalten. Sie ziehen die wirtschaftlichen Vorteile entweder bei Realisierung von stillen Reserven im Rahmen der Veräußerung sofort, oder sonst später, wenn sie anderweitige Gewinne erzielen. § 8c KStG, der der Kapitalgesellschaft und damit auch ihren Gesellschaftern bei einer Veräußerung der Anteile die Vorteile aus dem Verlustabzug ersatzlos nimmt, stört dieses Gleichgewicht und ist deshalb prinzipiell verfehlt. c) Keine folgerichtige Einbeziehung der Gesellschafter Indem § 8c KStG den Untergang des Verlustes der Gesellschaft an den schädlichen Beteiligungserwerb knüpft, behandelt er die Kapitalgesellschaft als transparent. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste sollen nach der Gesetzesbegründung100 unberücksichtigt bleiben, soweit sie auf das neue wirtschaftliche Engagement entfallen. Danach dürften die wirtschaftlichen Nachteile, die mit dem Fortfall der nicht genutzten Verluste verbunden sind, nur die neuen Gesellschafter treffen, die den Tatbestand des schädlichen Beteiligungserwerbs verwirklichen. Das aber gewährleistet § 8c KStG nicht. Da die Kapitalgesellschaft und nicht der neue Gesellschafter als Rechtsnachfolger seines ausscheidenden Vorgängers den Verlustabzug verliert, wirkt sich der Wegfall des Verlustabzuges bei dem jeweiligen Anteilserwerber nur anteilig aus101. Dafür sind die Gesellschafter, die schon bisher beteiligt waren und weiterhin beteiligt bleiben, ebenfalls betroffen102. Durch die vollständige oder teilweise Kappung des Verlustabzugs entsteht eine Zusatzbelastung der Kapitalgesellschaft, die ihre Erträge und damit die Bezüge aller Anteilseigner, nicht nur der neu hinzutretenden, schmälert103. Besonders krass und unverhältnismäßig werden die Gesellschafter ohne Rücksicht auf ihr bisheriges wirtschaftliches Engagement benachteiligt, wenn der gesamte, innerhalb des Fünf-Jahreszeitraums aufgelaufene Verlust wegen des nachträglich Erwerbs eines Mini-Anteils wegfällt104. Auch dass der mehrfache Erwerb desselben Anteils zum mehrfachen anteiligen Fortfall des Verlustes führt105, ist darauf zurückzuführen, dass der gesellschafterbezogene Tatbestand des Anteilserwerbs den gesellschaftsbezogenen Verlustabzug vernichtet.
__________ 100 101 102 103 104 105
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BT-Drucks. 16/4841, 76. Siehe oben Abschn. V. 1. Eisgruber, DStZ 2007, 630 (633). Vgl. Wiese, DStR 2007, 741 (744). Siehe oben Abschn. V. 4. b). Siehe oben Abschn. V. 3. c).
Die Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften
Die Fälle zeigen: Der Gesetzgeber hat sein eigenes Konzept, Verluste nicht zu berücksichtigen, die auf ein neues wirtschaftliches Engagement entfallen, nur unzulänglich umgesetzt. Gesellschafts- und Gesellschafterebene sind nicht folgerichtig miteinander verknüpft. Ein Verlustabzug, der der Gesellschaft und damit allen Gesellschaftern zusteht, darf nur durch einen Tatbestand beendet werden, der die Gesellschaft und damit alle Gesellschafter gleichermaßen betrifft. 3. Verletzung des objektiven Nettoprinzips Die Begrenzung des Verlustabzugs verletzt das objektive Nettoprinzip, weil die Verluste der Kapitalgesellschaft nur unvollständig berücksichtigt werden. Zulässig wäre die Begrenzung nur, wenn die Kapitalgesellschaft der Gesetzesbegründung entsprechend, mit dem Wechsel der Gesellschafter ihre Identität verlieren würde. Dann würde die Gesellschaft mit dem Gesellschafterwechsel gewissermaßen neu begründet, so dass ihr die Verluste der Vergangenheit nicht zuzurechnen sind. Dieser Gedanke findet sich im Gewerbesteuerrecht, das den Verlustabzug nach § 10a GewStG von der Unternehmeridentität abhängig macht. Unternehmeridentität als Voraussetzung für den Verlustabzug bedeutet, dass der Stpfl., der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Der Steuerpflichtige muss sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber sein. Wechseln bei einer Personengesellschaft die Gesellschafter, so geht der Verlustabzug bei der Gewerbesteuer anteilig unter106. Dieser Gedanke trägt § 8c KStG schon deshalb nicht, weil der Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften die rechtliche Identität der Kapitalgesellschaft nicht verändert. Bei Personengesellschaften ist die Rechtslage anders, weil hier die Gesellschafter, nicht die Gesellschaft als solche, Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens sind. Die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG, wonach die Personengesellschaft Steuerschuldnerin ist, hat in erster Linie einen vollstreckungsrechtlichen Hintergrund107. Das Recht zum Verlustabzug bei der Gewerbesteuer steht den Gesellschaftern als den Unternehmern des Betriebs zu108. Demgegenüber sind Kapitalgesellschaften als juristische Personen selbst Unternehmer. Die Verluste mindern den Wert ihrer Aktiva oder erhöhen ihre Verbindlichkeiten. Die Kapitalgesellschaft muss die Verluste tragen, mögen die Gesellschafter wechseln oder nicht. Kurz: Der Gesellschafterwechsel ändert nichts an der Minderung der Leistungsfähigkeit, die die zivilrechtlich und steuerrechtlich unverändert fortbestehende Kapitalgesellschaft erlitten
__________ 106 Vgl. Glanegger/Güroff, 5. Aufl., GewStG, § 10a Rz. 12. 107 Glanegger/Güroff, 5. Aufl., GewStG, § 5 Rz. 6. 108 BFH v. 3.5.1993, BStBl. II 1993, 616.
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hat. Dementsprechend muss ihr auch der Verlustabzug unabhängig von einem Gesellschafterwechsel verbleiben. Im Übrigen ist es inkonsequent, der Kapitalgesellschaft den Verlustabzug zu nehmen, ihre vor dem Gesellschafterwechsel begründeten stillen Reserven aber fortzuführen. Wenn schon der Gesellschafterwechsel als Neubegründung des wirtschaftlichen Engagements gewertet wird, müssen zumindest die bis dahin begründeten stillen Reserven aufgedeckt und mit dem Verlustabzug verrechnet werden109. Dies ist bei der Verschmelzung oder Spaltung von Kapitalgesellschaften gewährleistet. Hier sind in der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft die Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 3 Abs. 2 UmwStG). Der Übertragungsgewinn wird mit dem Verlustabzug verrechnet, so dass nur der verbleibende Verlustabzug oder vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichene negative Einkünfte untergehen110. Danach wird die fortbestehende Kapitalgesellschaft bei einem schädlichen Anteilserwerb schärfer besteuert als die erlöschende Kapitalgesellschaft bei einer Verschmelzung oder Spaltung. Dies stellt eine weitere Verletzung des objektiven Nettoprinzips dar. Sind Wagniskapitalgesellschaften an dem Anteilerwerb beteiligt, bleibt der Zielgesellschaft der Verlustabzug in Höhe ihrer stillen Reserven nach Maßgabe des § 8c Abs. 2 KStG erhalten. Mit dieser Regelung sollen die Wagniskapitalgesellschaften gefördert werden111. Der Gesetzgeber verkennt offensichtlich die Bedeutung des Verlustabzuges im Rahmen der Besteuerung. Dieser dient der richtigen Bemessung der Steuerschuld, d. h. der gerechten Verteilung der Steuerlast. Er ist keine Steuervergünstigung, die nach Belieben zur Förderung der Wirtschaft eingesetzt werden kann112. Der Gleichheitssatz verlangt die generelle Anwendung des § 8c Abs. 2 KStG auf alle Körperschaften, wer auch immer Käufer oder Verkäufer ihrer Anteile ist. Aus diesem Grunde ist auch die wirtschaftspolitisch unbedingt notwendige Ausnahmeregelung für den Erwerb und die Rückübertragung von Anteilen durch den Stabilisierungsfonds (§ 14 Abs. 3 FMStFG) steuersystematisch verfehlt. 4. Keine durchgreifenden Rechtfertigungsgründe a) Missbrauchsbekämpfung Auch wenn die Gesetzesbegründung die Missbrauchsbekämpfung nicht erwähnt, zeigt die Entstehungsgeschichte, dass es sich bei § 8c KStG um eine Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zu den Mantelkauffällen handelt113. Der Gesetzestatbestand geht aber weit darüber hinaus und erfasst
__________
109 Vgl. J. Thiel, FR 2000, 499. Nach dem Eckpunktepapier der Kommission Koch/ Steinbrück v. 3.11.2006, Anl., Stand 13.10.2006, S. 2 sollte nur der Teil des Verlustabzuges untergehen, der die stillen Reserven des Unternehmens überstieg. 110 Vgl. dazu Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 3 Rz. 137. 111 Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/6311, 26. 112 Vgl. oben Abschn. V. 1. 113 Vgl. BFH v. 29.10.1986, BStBl. II 1987, 308 und 310.
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Die Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften
alle Anteilserwerbe unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Hintergrund. Sogar Anteilsveräußerungen zum Zwecke der Sanierung sind betroffen. Die neue Vorschrift unternimmt nicht einmal mehr den Versuch, die Missbrauchsfälle zu erfassen. Stattdessen steht sie unter der Devise, wenn alle Erwerbe – gleich aus welchem Grund – schädlich sind, können auch keine Missbrauchsfälle mehr zu Unrecht begünstigt werden. Damit überscheitet § 8c KStG weit die Grenzen, die eine Missbrauchsregelung einhalten muss. Sie darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren114. Davon kann bei § 8c KStG nicht die Rede sein. b) Vereinfachung § 8 Abs. 4 KStG, der auf die Änderung der wirtschaftlichen Identität und die Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens abstellt, hat viele Rechtsstreitigkeiten ausgelöst. Der Verzicht auf die streitanfälligen Tatbestandsmerkmale in § 8c KStG verkürzt die Vorschrift. Das mag als Vereinfachung gedacht sein, nimmt der Vorschrift jedoch ihre Berechtigung. Die Verletzung des Trennungs- und Nettoprinzips, die mit der Neuregelung verbunden ist, macht die Vorschrift ungeachtet der angestrebten Vereinfachung verfassungswidrig. Ein Praktikabilitätsgewinn, der hier nicht einmal erreicht wird115, darf nicht mit einem Verfassungsverstoß erkauft werden. Vereinfachung ist kein Wert an sich. Allein der Umstand, dass eine Norm einfacher ist als ihre Vorgängerin, kann ihre Verfassungswidrigkeit nicht heilen. c) Erhöhung der Steuereinnahmen Erklärtes Ziel des § 8c KStG war es, zusätzliches Potential für die Finanzierung der Steuersatzsenkungen zu erschließen. Die Bruttoentlastung von 30 Mrd. Euro ist vornehmlich aus Haushaltsgründen durch Gegenfinanzierung von 25 Mrd. Euro auf rd. 5 Mrd. Euro begrenzt worden116. Der Bundesfinanzminister wies dazu in der Schlussdebatte darauf hin117, dass man nicht drei Dinge auf einmal haben könne: Steuern senken, Investitionen erhöhen und gleichzeitig eine Entschuldung der öffentlichen Haushalte durchführen. Da dies nicht funktioniere, sei es erforderlich, sich einen Teil der Bruttoentlastung durch Refinanzierung wieder zu holen. Dieser Zweck rechtfertigt es nicht, den Verlustabzug unter Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben einzuschränken. Die Erzielung von Einnahmen ist Zweck eines jeden Steuergesetzes. Er kann nicht Rechtfertigungsgrund für eine ungleiche Belastung der Steuerpflichtigen sein118. Die Steigerung des Aufkommens muss über den Tarif erfolgen, und erlaubt keine Verfälschung der
__________ 114 Vgl. BVerfG v. 7.10.1969, BVerfGE 27, 142 (150); v. 16.3.2005, BVerfGE 112, 268 zu C.I.2.b. 115 Vgl. oben Abschn. IV. 1. 116 Hinweis auf das Finanztableau BT-Drucks. 16/4841, S. 39 ff. (45) Nr. 20. 117 Plenarprotokoll 16/101, S. 10362 (D) f. 118 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. I, S. 353.
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Bemessungsgrundlage119. Mit anderen Worten: Wenn die verfassungskonforme Ausgestaltung des § 8c KStG nur um den Preis eines geringeren Körperschaftsteueraufkommens zu haben ist, muss entweder einer höherer Steuerausfall als 5 Mrd. Euro in Kauf genommen werden oder der Körperschaftsteuersatz weniger stark als beschlossen abgesenkt werden.
VI. Zusammenfassung § 8c KStG macht den Verlustabzug für Kapitalgesellschaften unkalkulierbar. Ihm fehlt der Gesetzeszweck, an dem sich der Rechtsanwender bei der Auslegung orientieren kann. Die Vorschrift hat sich von dem Leitbild des Mantelkaufes verabschiedet, ohne einen anderen Telos an die Stelle zu setzen. Das macht es der Finanzverwaltung weithin unmöglich, die Fehlleistungen des Gesetzgebers durch Milderungsregelungen im Anwendungserlass zu korrigieren. § 8c KStG verstößt gegen den Gleichheitssatz und ist verfassungswidrig. Er missachtet das Trennungsprinzip und verletzt damit den Grundsatz der Folgerichtigkeit. Zudem verletzt die sachwidrige Begrenzung des Verlustabzuges das objektive Nettoprinzip. Im Übrigen ist es inkonsequent, der Kapitalgesellschaft den Verlustabzug zu nehmen, ihre vor dem Gesellschafterwechsel begründeten stillen Reserven aber fortzuführen. Dadurch wird die fortbestehende Kapitalgesellschaft bei einem schädlichen Anteilserwerb schärfer besteuert als die erlöschende Kapitalgesellschaft bei einer Verschmelzung oder Spaltung. Rechfertigungsgründe, die die Verstöße gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben heilen könnten, bestehen nicht. Bis zu einer Entscheidung des BVerfG kann es allerdings Jahre dauern. Während dieser Zeit sind die Unternehmen den nachteiligen Wirkungen des § 8c KStG ausgesetzt. Mit bleibenden Schäden für den Standort Deutschland ist zu rechnen, zumal infolge der Finanzmarktkrise mit einer Zunahme der Anteilsverkäufe und Unternehmenszusammenschlüsse zu rechnen ist. Der Gesetzgeber sollte es darauf nicht ankommen lassen und möglichst bald durch Neukonzeption des § 8c KStG für Abhilfe sorgen. Mit einer maßvollen Korrektur des § 8 Abs. 4 KStG wäre allen Beteiligten besser gedient gewesen120.
__________ 119 Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1304). 120 van Lishaut, FR 2008, 789 (801).
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Die steuerliche Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen Inhaltsübersicht I. Grundlegung und Problemstellung 1. Die Verrechnungspreisproblematik an der Schnittstelle zwischen internationalem Steuerrecht und der Betriebswirtschaftslehre 2. Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 AStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008
2. Ermittlung des Einigungsbereichs eines Transferpakets gem. § 1 Abs. 3 AStG 3. Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme a) Indirekte Wertermittlung b) Direkte Wertermittlung 4. Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung 5. Eliminierung des sog. „Funktionsgewinns“ 6. Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums 7. Ermittlung des Diskontierungsfaktors 8. Einzel- versus Gesamtbewertung
II. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen 1. Definition der grenzüberschreitenden Funktionsverlagerung 2. Definition des Transferpakets III. Die Bewertung einer Funktionsverlagerung 1. Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich
IV. Zusammenfassung
I. Grundlegung und Problemstellung 1. Die Verrechnungspreisproblematik an der Schnittstelle zwischen internationalem Steuerrecht und der Betriebswirtschaftslehre Die Besteuerung von Kapitalgesellschaften ist dadurch gekennzeichnet, dass Verträge zwischen der Gesellschaft und deren Gesellschaftern grundsätzlich auch steuerlich anerkannt werden. Dieses sog. „Trennungsprinzip“ gilt auch für international verbundene Unternehmen. Obwohl verbundene Unternehmen in der Regel eine wirtschaftliche Einheit bilden, müssen sie dennoch auf Grund der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Gesellschaften ihre jeweiligen steuerlichen Einkünfte ermitteln; mit anderen Worten müssen die Einkünfte derjenigen Konzerneinheit zugeordnet werden, die den konkreten Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt1. Die Höhe der jeweiligen Einkünfte
__________ 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 1998, Tz. 18.67; ders., Grundsätze internationaler Einkünfteabgrenzung, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Forum der Internationalen Besteuerung Köln 1994, S. 3.
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wird dabei entscheidend beeinflusst durch die für die konzerninternen Lieferungen und Leistungen festgesetzten Verrechnungspreise, die bei grenzüberschreitendem Liefer- und Leistungsverkehr nach dem Gesetzesbefehl des § 1 AStG einem Fremdvergleich standzuhalten haben2. Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Fremdvergleichsprinzips ist eher eine betriebswirtschaftliche als eine juristische Aufgabe; somit befindet sich die Thematik an der Schnittstelle zwischen dem Internationalen Steuerrecht einerseits und der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre andererseits, wobei aus betriebswirtschaftlicher Sicht insbesondere Elemente aus der Kostenrechnung, der Investitionsrechnung, der Preispolitik sowie – wie im Folgenden noch im Einzelnen darzustellen sein wird – der Unternehmensbewertungslehre bei der Festlegung und Prüfung internationaler Verrechnungspreise eine bedeutsame Rolle spielen. Der mit dieser Festschrift zu ehrende Jubilar Harald Schaumburg hat als einer der maßgeblichen Experten des Internationalen Steuerrechts in Deutschland und Verfasser des höchst anerkannten Werks „Internationales Steuerrecht“ dieser Schnittstelle zwischen Rechtswissenschaften einerseits und Wirtschaftswissenschaften andererseits stets besondere Beachtung geschenkt. Dies gilt sowohl in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer und Rechtswissenschaftler als auch als Praktiker und führender Partner einer steuerzentrierten Spezialberatungspraxis, in der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater seit Jahrzehnten erfolgreich miteinander zusammenarbeiten. In seine Ratschläge und Lösungen, die stets von Erfahrung, Kreativität und Praxisnähe geprägt sind, hat er konsequent die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Auswirkungen integriert. 2. Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 AStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 Der deutsche Steuergesetzgeber hat mit der grundlegenden Überarbeitung des § 1 AStG und insbesondere der damit einhergehenden Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20083 die methodischen Grundlagen des Fremdvergleichsprinzips neu – und noch detaillierter als bisher – definiert und dabei erstmals die grenzüberschreitende Funktionsverlagerung ausdrücklich als besonderen Besteuerungstatbestand bei den internationalen Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen im Gesetz hervorgehoben. In diesem Zusammenhang sieht die Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG in Satz 9 vor, dass im Fall einer Funktionsverlagerung über die Grenze das Transferpaket „unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ zu bewerten ist. Dabei wird die bislang übliche Einzelbewer-
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2 Zu den normativen Defiziten im Zusammenhang mit den internationalen Verrechnungspreisen vgl. Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495 ff. 3 Vgl. UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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tung durch eine „Bewertung der Funktion als Ganzes“ (Gesamtbewertung) ersetzt. Hinsichtlich der Frage, wie die steuerliche Bewertung von Transferpaketen konkret zu erfolgen hat, lässt der § 1 Abs. 3 AStG den Rechtsanwender – zunächst – allein. Allerdings hat der Verordnungsgeber – auf Grund der Ermächtigungsnorm des § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG – mit Datum vom 12.8.20084 zur gesamten Thematik der Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen eine Rechtsverordnung erlassen, in der in den §§ 3–8 auch auf Bewertungsfragen eingegangen wird. Dem Vernehmen nach soll diese Rechtsverordnung durch ein BMF-Anwendungsschreiben zusätzlich ergänzt bzw. konkretisiert werden. Außerdem hielt es der Bundesrat für erforderlich, dass die neuen Regelungen der FVerlV hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Unternehmen und die Finanzverwaltung in den nächsten fünf Jahren geprüft werden und der Bundesrat von der Bundesregierung über entsprechende Erkenntnisse unterrichtet werden soll5. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche bewertungsrelevanten Aspekte im Rahmen der Bewertung eines „Transferpakets“ zu beachten sind. Dabei soll vor allem auf bewertungstechnische Einzelfragen, wie z. B. die Ermittlung der zu diskontierenden Ergebnisse, der Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums sowie des Diskontierungsfaktors eingegangen werden.
II. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen 1. Definition der grenzüberschreitenden Funktionsverlagerung Das Gesetz – § 1 Abs. 3 AStG – enthält weder eine Definition des Begriffs „Funktion“ noch die der „Funktionsverlagerung“. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken übertragen oder zur Nutzung überlassen werden und damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Mit dieser Definition sollen auch Teilfunktionsverlagerungen erfasst werden, während der Gesetzestext in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nach dem Wortsinn von einer Vollverlagerung dergestalt ausgeht, dass eine Funktion im Inland beendet und im Ausland danach neu aufgenommen wird6. Zumindest wird es für eine Funktionsverlagerung erforderlich sein, dass das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen die wesentlichen Grundlagen dafür zur Verfügung stellt, dass dieses die Funktion künftig ausüben kann.
__________ 4 FVerlV vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. 5 Vgl. Beschluss des Bundesrats v. 4.7.2008, BR-Drucks. 352/08 (Beschl.). 6 Vgl. hierzu im Einzelnen Haas, Ubg 2008, 520.
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In Ergänzung zur allgemeinen Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 2 FVerlV grenzen § 1 Abs. 6 und 7 FVerlV den Begriff negativ ab. Danach liegt keine Funktionsverlagerung im Falle sog. „Funktionsverdoppelungen“ vor. Darüber hinaus liegt keine Funktionsverlagerung vor, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen werden oder wenn nur Dienstleistungen erbracht werden. Dies gilt allerdings nur für solche Fälle, in denen Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen nicht Teil einer Funktionsverlagerung sind. Außerdem sollen Personalentsendungen im Konzern nicht als Funktionsverlagerungen zu qualifizieren sein, es sei denn dies geschieht im Zusammenhang mit dem Übergang einer Funktion i. S. eines organisatorischen Teils eines Unternehmens. Schließlich liegt nach § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV eine Funktionsverlagerung nicht vor, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.“ Dies ist nach der Begründung der FVerlV insbesondere bei Funktionsverlagerungen ohne relevante Gewinnauswirkungen (sog. Bagatellfälle) sowie bei Vorgängen, die formal den Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllen, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden, der Fall. Letzteres gilt z. B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen (z. B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen) oder dem Auslaufen von Vertragsbeziehungen7. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV werden von dem Tatbestand einer Funktionsverlagerung auch solche Sachverhalte ausgeschlossen, in denen die Funktion von dem übernehmenden Unternehmen nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausgeübt und der Verrechnungspreis für die entsprechenden Lieferungen und Leistungen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird. Diese Regelung ist sachgerecht, da in diesen Fällen keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen und § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG8 eingreift. 2. Definition des Transferpakets Nach dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG hat der Steuerpflichtige bei einer Funktionsverlagerung das entsprechende Entgelt „auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket)“ zu bestimmen. Damit steht der Begriff des Transferpakets in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Begriff der Funktionsverlagerung. Denn Funktionsverlagerungen sind nicht auf Basis einer Einzelbewertung der übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter bzw. der erbrachten Dienstleistungen zu bewerten. Vielmehr fungiert die „Funktion als Ganzes“ und das damit übergehende Transferpaket als Bewertungsobjekt. Daher besteht nach § 1 Abs. 3 FVerlV das Transferpaket aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die
__________ 7 Vgl. insoweit auch § 8 FVerlV. 8 Vgl. auch Schreiber, Ubg 2008, 436.
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auf das übernehmende Unternehmen übertragen bzw. zur Nutzung überlassen werden. Darüber hinaus sind auch die im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung durch das verlagernde Unternehmen an das übernehmende Unternehmen erbrachten Dienstleistungen im Rahmen des Transferpakets zu erfassen. Im Ergebnis beinhaltet damit das Transferpaket ein Konglomerat aus allen denkbaren Liefer- und Leistungsbezeichnungen, ohne dass im Hinblick auf die Bewertung des Transferpakets diese einzelnen Komponenten zu isolieren oder zu bewerten wären9. Eine Ausnahme zur (Gesamt-)Bewertung eines Transferpakets lässt die „EscapeKlausel“ des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG zu. Danach ist eine Einzelbewertung der im Rahmen einer Funktionsverlagerung übertragenen Wirtschaftsgüter zulässig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, – dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter10 und Vorteile mit der Funktion übergegangen sind oder zur Nutzung überlassen wurden oder – dass das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmungen, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
III. Die Bewertung einer Funktionsverlagerung 1. Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich Mit der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG wurde auch seitens des Gesetzgebers das bis dahin allgemein anerkannte Stufenverhältnis hinsichtlich der Anwendung der Verrechnungspreismethoden gesetzlich modifiziert. Danach ist bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und nur dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn der tatsächliche Fremdvergleich keine verwertbaren Informationen liefert. Dabei ist es selbstverständlich, uneingeschränkt vergleichbare Werte „vorrangig“ heranzuziehen und erst auf der nächsten Stufe zu prüfen, ob ein Verrechnungspreis aus eingeschränkt vergleichbaren Werten abgeleitet werden kann. Der hypothetische Fremdvergleich kommt erst dann zur Anwendung, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs festgestellt werden können. Da die Systematik nach dem Stufenverhältnis nicht nur bei der Verrechnungspreisermittlung für „normale“ Transaktionen, sondern auch für Funktionsverlagerungen gelten muss, ist daher auch im Fall einer Funktionsverlagerung zunächst zu prüfen, ob die Bewertung im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs erfolgen kann. Diese Tatsache wird durch § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV ausdrücklich bestätigt. Dies ist deshalb bemerkenswert, als der Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG wegen seiner Bezugnahme auf Satz 5, der sich
__________ 9 Dazu kritisch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1651. 10 Die entsprechende Wesentlichkeitsgrenze liegt gem. § 1 Abs. 5 FVerlV bei 25 %.
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nur auf einen hypothetischen Fremdvergleich bezieht, widersprüchlich formuliert ist. Besondere praktische Relevanz wird die Nachrangigkeit des hypothetischen Fremdvergleichs bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen allerdings nicht haben, da es in der Praxis schwierig sein dürfte, die Bewertung eines speziellen Transferpakets auf der Grundlage eines tatsächlichen Fremdvergleichs durchzuführen, so dass der hypothetische Fremdvergleich hier den Regelfall darstellt11. 2. Ermittlung des Einigungsbereichs eines Transferpakets gem. § 1 Abs. 3 AStG Im Rahmen der Bewertung eines Transferpakets auf Basis des hypothetischen Fremdvergleichs ist es gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG erforderlich, den Einigungsbereich für das betreffende Transferpaket zu ermitteln. Dies stellt zwar keine spezifische Vorgehensweise bei Funktionsverlagerungen dar, weil die Ermittlung von Einigungsbereichen im Wege des hypothetischen Fremdvergleichs immer dann bei der Verrechnungspreisbestimmung erforderlich sein soll, wenn ein tatsächlicher Fremdvergleich ausscheidet (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Die Besonderheit bei Funktionsverlagerungen ist jedoch darin zu sehen, dass hier die Einigungsbereiche unter Zugrundelegung eines mehrperiodigen Planungshorizonts ermittelt werden müssen. Für den Wert des Transferpakets ist der Mittelwert des Einigungsbereichs anzusetzen, sofern kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG). Für die Bewertung des Transferpakets gelten also zunächst die allgemeinen Anforderungen an die Ermittlung von Einigungsbereichen gem. § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG, wobei insbesondere Satz 6 die Bewertungsvorschriften enthält. Demnach hat der Steuerpflichtige „auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt.“ Auf Grund der verwendeten Begriffe „Planrechnungen“ und „Gewinnpotenziale“ wird deutlich, dass es letztlich erforderlich ist, einen Ertragswert für das jeweilige Transferpaket zu ermitteln, und zwar sowohl aus Sicht des verlagernden als auch den übernehmenden Unternehmens. So heißt es auch in § 1 Abs. 4 der FVerlV, dass Gewinnpotentiale die aus der verlagerten Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert) darstellen. In diesem Zusammenhang sind dann insbesondere die folgenden Aspekte zu diskutieren, wobei es sich hierbei um die typischen Fragestellungen im Rahmen der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter bzw. der Unternehmensbewertung handelt12.
__________
11 Vgl. Günter, WPg 2007, 1084; Jenzen, NWB 2007, F. 2, 9422; Kaminski, RIW 2007, 599; Wulf, DB 2007, 2283. 12 Vgl. Greinert, DB 2004, 2113 (2116 f.) m. w. N.
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– Isolierung und Prognose der Gewinne, die allein auf das Transferpaket entfallen, – Bestimmung der Nutzungsdauer für das Transferpaket und – Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes. 3. Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme Die Bewertung von Transferpaketen setzt in einem ersten Schritt die Isolierung und Prognose der auf das Transferpaket zukünftig entfallenden Gewinne voraus. Dies folgt unmittelbar aus der Formulierung des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, wonach die Einigungsbereichsgrenzen von den jeweiligen Gewinnerwartungen der miteinander kontrahierenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern abhängen. Dabei wird in § 3 Abs. 2 FVerlV klargestellt, dass die erwarteten Gewinnpotentiale „vor und nach der Funktionsverlagerung unter Berücksichtigung bestehender Handlungsmöglichkeiten zu ermitteln“ sind. Für die Quantifizierung dieser Gewinnerwartungen bieten sich vor allem die betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze und -methoden an13, wobei die Grundsätze der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung sowie der Bewertung immaterieller Vermögenswerte im Vordergrund stehen. Diese Aussage wird gestützt durch diverse bewertungsrelevante BFH-Urteile, wonach seitens der Finanzverwaltung Bewertungen nur dann beanstandet werden können, wenn sie gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen14. Was nun die Isolierung und Prognose der auf das Transferpaket zukünftig entfallenden Gewinne, also den Wert des Transferpakets anbelangt, so bestehen hinsichtlich der Bewertungsmethodik grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Eine indirekte und eine direkte Ermittlung. Darüber hinaus kommt im Rahmen der Escape-Klausel des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG auch die Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter in Betracht15. a) Indirekte Wertermittlung Bei der indirekten Ermittlung wird das Transferpaket nicht selbst bewertet; vielmehr ergibt sich der Wert des Transferpakets als eine Restgröße. Konkret wird hierbei der Unternehmenswert „vor und nach der Funktionsverlagerung“ ermittelt. Die Differenz dieser beiden Werte stellt den Wert des Transferpakets dar16. Dabei ist diese Berechnung sowohl aus der Perspektive des abgebenden als auch des aufnehmenden Unternehmens durchzuführen. Letztlich führt diese Bewertungsmethodik dazu, dass eine 4-fache Unternehmensbewertung vorzunehmen ist. Eine solche Vorgehensweise erscheint jedoch in vielen Fällen,
__________ 13 14 15 16
So auch die Begründung zu § 1 Abs. 4 FVerlV. Vgl. z. B. BFH v. 27.3.1996, BStBl. II 1996, 576. Vgl. hierzu Punkt III.8. Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638.
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insbesondere bei Groß- und Konzernunternehmen, nicht praxistauglich und unverhältnismäßig. Denkbar ist bei dieser indirekten Bewertungsmethodik allenfalls das Abstellen auf die jeweils kleinste Unternehmenseinheit (Bewertungsobjekt), z. B. auf einen Geschäftsbereich, ein profit-center oder einen Teilbetrieb i. S. eines organisatorisch selbständigen, für sich lebensfähigen Betriebsteils mit eigenständiger Gewinnermittlung, für die ein „Unternehmenswert“ bestimmbar ist. b) Direkte Wertermittlung Die Alternative hierzu stellt die direkte Ermittlung dar. Hierbei werden unmittelbar die Gewinnpotentiale des zu bewertenden Transferpakets ermittelt, und zwar aus Sicht des abgebenden wie des aufnehmenden Unternehmens. Eine Differenzbetrachtung aus dem Wert vor und nach der Funktionsverlagerung erfolgt dagegen nicht; eine 2-fache Bewertung wäre hierbei also ausreichend. Eine solche direkte Bewertung kommt in Betracht, wenn z. B. eine Unternehmenssparte verlagert wird. Hierbei kann anhand der Spartenergebnisrechnung des Unternehmens das zugehörige Gewinnpotential ermittelt werden. Schwieriger gestaltet es sich jedoch, wenn Gegenstand eines Transferpakets nicht eine Sparte, sondern eine funktional engere Unternehmenseinheit ist. Hier hängt dann insbesondere von der Qualität und Ausgestaltung des Rechnungswesens des Unternehmens ab, ob Ergebniszahlen für diese Einheit zur Verfügung stehen. Die betriebswirtschaftliche Bewertungspraxis in Deutschland stellt zur Ermittlung der (funktionsbezogenen) Gewinnpotentiale alternativ sowohl indirekte als auch direkte Bewertungsverfahren zur Verfügung17. Da die indirekten Bewertungsverfahren letztlich auf einer Differenzanalyse der (Gesamt-) Unternehmenswerte beruhen, wie sie sich für das aufnehmende und das abgebende Unternehmen vor und nach der Funktionsverlagerung ergeben, kommt hierfür im Wesentlichen der IDW-Standard „Grundsätze für die Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (nachfolgend „IDW S1“)18 in Betracht. Dafür stehen sowohl das Ertragswertverfahren als auch das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) zur Verfügung. Während das Ertragswertverfahren vorrangig auf die zu erwartenden Gewinne eines Unternehmens abstellt, die für Ausschüttungen an oder Entnahmen durch die Anteilseigner zur Verfügung stehen, orientiert sich das DCF-Verfahren demgegenüber an den erwarteten Zahlungsströmen (cash-flows), die auf den Bewertungszeitpunkt zu diskontieren sind. Bei der direkten Wertermittlung steht die Bewertung materieller und immaterieller Vermögenswerte (einschl. eines Geschäftswerts) im Vordergrund, bei der die zu verlagernde Funktion als Bewertungseinheit zu verstehen ist. In der
__________
17 Vgl. hierzu im Einzelnen Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638. 18 IDW S1 i. d. F. 2008, IDW-FN 2008, 271 ff.
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Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen
Literatur19 wird vorgeschlagen, hierfür kapitalwertorientierte Verfahren heranzuziehen, wie sie sich im IDW-Standard „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände“ (nachfolgend „IDW S5“20) darstellen. Grundlage einer direkten Bewertung wären die funktionsbezogenen Einnahmeüberschüsse. Entscheidet man sich bei der Ermittlung der Reingewinne für die direkte Methode, so ist die Aussage in § 3 Abs. 1 FVerlV bedeutsam, nur diejenigen Gewinne zu betrachten, die „der Funktion zuzuordnen sind“. Bereits diese Zuordnung, die letztlich eine Isolierung eines Teilgewinns aus dem Gesamtgewinn darstellt, kann in Abhängigkeit von der Art des Transferpakets erhebliche praktische Schwierigkeiten hervorrufen. Tendenziell kann man davon ausgehen, dass der Bewertungsstandard „IDW S5“ zur Bewertung von Transferpaketen eher geeignet ist als der Bewertungsstandard „IDW S1“. Diese Aussage gilt insbesondere für „kleine“ Transferpakete, die nicht die Teilbetriebskriterien erfüllen. Auch kommt bei der Anwendung des „IDW S5“ eher die direkte Cashflow-Bewertung zum Tragen, zudem ist dieser Standard flexibler bei der Bestimmung der Nutzungsdauer eines immateriellen Wirtschaftsguts. Für die Übertragung komplexerer Funktionen, ggf. mit Teilbetriebscharakter, erscheint dagegen der Standard „IDW S1“ geeigneter; denkbar ist auch, beide Standards nebeneinander anzuwenden. Da § 1 Abs. 4 FVerlV lapidar feststellt, dass bei der Ermittlung des funktionsbezogenen Gewinnpotentials auf die „jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert)“ abzustellen ist, bleibt unklar, was konkret unter der Residualgröße „Reingewinn“ zu verstehen ist bzw. wie diese zu ermitteln ist. Damit steht es im Ermessen des Steuerpflichtigen, diejenige (indirekte oder direkte) Gewinnermittlungsmethode anzuwenden, die ihm für den vorliegenden Bewertungszweck am geeignetsten erscheint, sofern sie einheitlich auf die beteiligten Unternehmen bzw. Unternehmensteile/Funktionseinheiten angewandt wird. Sofern der Steuerpflichtige mit Ausgangsgrößen aus dem externen Rechnungswesen arbeitet, steht es ihm außerdem frei, hierbei Werte nach EStG, HGB, IFRS, US-GAAP usw. heranzuziehen. Darüber hinaus muss es auch zulässig sein, Ausgangsgrößen aus dem internen Rechnungswesen (einschließlich der Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten) zu verwenden, soll doch anhand des internen Rechnungswesens der Werteverzehr und die Werteschaffung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden. Auch in der Begründung zu § 1 Abs. 4 FVerlV wird deutlich, dass dies auch von der Finanzverwaltung anerkannt wird. So heißt es dort: „Die internen betriebwirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze und -methoden sind anzuerkennen, wenn sie einheitlich auf die beteiligten Unternehmen angewandt werden und dies nicht zu erkennbar dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechenden Ergebnissen führt.“ Damit kann der Steuerpflichtige diejenige Gewinngröße ansetzen, die nach seiner Auffassung betriebwirtschaft-
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19 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1639. 20 IDW S5 i. d. F. 2007, WPg Supplement 4/2007, 64 ff.
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lich zweckmäßig ist. So gesehen birgt die mit diesen Formulierungen entstehende Unbestimmtheit für den Rechtsanwender auch viele Vorteile. 4. Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung Im Zusammenhang mit der Ermittlung der Reingewinne nach Steuern stellt sich die Frage, ob hierbei nur auf die Steuerbelastung des Unternehmens oder auch zusätzlich auf die Ebene der Anteilseigner abgestellt wird. Nimmt man auf die entsprechende Regelung von „IDW S1“ Bezug21, so sind die Nettozuflüsse „unter Berücksichtigung der (…) Ertragsteuern des Unternehmens und grundsätzlich der auf Grund des Eigentums am Unternehmen entstehenden persönlichen Ertragsteuern der Unternehmenseigner zu ermitteln“. Diese Vorgehensweise ist insofern schlüssig, als es im Hinblick auf die Größe „Wert“ letztlich auf die Zuflüsse beim Gesellschafter ankommt. Für die Bewertung ist es dabei allerdings entscheidend, dass nicht nur bei den erwarteten Nettogewinnen, sondern auch im Kapitalisierungszinssatz, der die Alternativanlage des Investors darstellt, die Steuern in der gleichen Weise berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund konzediert „IDW S1“, eine Typisierung vorzunehmen, wonach „die persönliche Ertragsteuerbelastung der Nettozuflüsse aus dem zu bewertenden Unternehmen der persönlichen Ertragsteuerbelastung der Alternativinvestition in ein Aktienportfolio entspricht“22. Mit einer solchen Typisierung ist es möglich, auf die Einbeziehung persönlicher Steuern in der Berechnung zu verzichten. Inwieweit diese Typisierung im Rahmen einer Funktionsverlagerung vertretbar ist, hängt allerdings vom jeweiligen Einzelfall ab. Letztlich kommt aber auch hierbei die Begründung zu § 1 Abs. 4 FVerlV zur Anwendung, wonach die „internen betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze und -methoden (…) anzuerkennen“ sind. Im Rahmen der (direkten) Bewertung immaterieller Vermögenswerte anhand des „IDW S5“ ist für den Fall, dass bei einer Ableitung des Cashflows Steuern abgezogen werden, auch ein „Kapitalisierungszinssatz äquivalent nach diesen Steuern zu ermitteln“23. 5. Eliminierung des sog. „Funktionsgewinns“ Um die einzelnen funktionsbezogenen Gewinne ermitteln zu können, ist bei Anwendung der indirekten Methode grundsätzlich eine vierfache Bewertung durchzuführen. Dabei haben sowohl das abgebende als auch das aufnehmende Unternehmen ihre zukünftigen Gewinne zu prognostizieren, und zwar jeweils „auf der Grundlage einer Funktionsanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung“24. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mit der Abgabe
__________ 21 22 23 24
Vgl. IDW S1 i. d. F. 2008, a. a. O., Tz. 28. Vgl. ebenda, Tz. 45. Vgl. IDW S5 i. d. F. 2007, a. a. O., Tz. 46. Vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV; vgl. Piltz in Arbeitsbuch zur Jahrestagung der FfSt, 2007, S. 105; Blumers, BB 2007, 1762; Günter, WPg 2007, 1086.
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einer Funktion – einschließlich der zugehörigen Risiken – einem Unternehmen auch ein niedrigerer Gewinn zusteht25. Die jeweilige Differenz stellt dann den Mehr- oder Mindergewinn aus der Funktionsausübung dar. Grundsätzlich kann im Rahmen der Bewertung eines Transferpakets nur der Gewinn angesetzt werden, der den sog. Funktionsgewinn übersteigt. Der Funktionsgewinn spiegelt i. d. R. nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals wider. Methodisch findet sich diese Normalverzinsung in der Kostenaufschlagsmethode wieder, sofern nur ein Gewinnaufschlag auf die Vollkosten i. H. einer Normalverzinsung erhoben wird. Daher dürften folglich Gewinnpotentiale, die nur eine Normalverzinsung beinhalten, nicht Gegenstand einer Transferpaketbesteuerung sein, selbst wenn der dahinter stehende Geschäftsvorfall als Funktionsverlagerung anzusehen sein sollte. Folgerichtig regelt § 2 Abs. 2 FVerlV auch, dass z. B. in Fällen einer Funktionsabspaltung, in denen anschließend die Kostenaufschlagsmethode für die Funktionsausübung zur Anwendung kommt, davon auszugehen ist, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen, so dass es zu keinen transferpaketbedingten Besteuerungsfolgen auf Grund der Funktionsverlagerung kommt. Nach der Begründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 der FVerlV werden diese Sachverhalte generell von der Transferpaketbetrachtung ausgenommen, „um eine zu weit gehende Behandlung von Geschäftsvorfällen als Funktionsverlagerungen zu vermeiden“, selbst wenn diese Vorgänge qua definitione als Funktionsverlagerungen anzusehen sind. Praktische Bedeutung hat diese Regelung bei der Übertragung von Funktionen auf sog. „Routineunternehmen“26 (wie z. B. Lohnfertiger oder Kommissionäre), auf die keine bzw. geringe Chancen und Risiken übergehen, so dass der Verrechnungspreis i. d. R. keine die Normalverzinsung übersteigenden Gewinnelemente enthält. So hat auch die Rechtsprechung bei der Übertragung von Funktionen auf einen Lohnfertiger (Funktionsabspaltung) bislang keinen Grund gesehen, eine Gewinnrealisierung bei der übertragenden Gesellschaft vorzunehmen27. Wenn diese Überlegung im Rahmen von Funktionsverlagerungen gegenüber „Routineunternehmen“ richtig ist, so ist es konsequent, dementsprechend auch bei den anderen Formen der Funktionsverlagerung zu verfahren. Demnach kann nur derjenige Gewinn im Rahmen einer Funktionsverlagerung bzw. eines Transferpakets erfasst werden, der den Funktionsgewinn der übertrage-
__________ 25 Vgl. Freytag, IWB 2007, 241. So weisen Kroppen/Eigelshoven (IWB 2007, 308) zu Recht darauf hin, dass ein Unternehmen bei der Abgabe von Risiken, z. B. an Versicherungen, ein Entgelt entrichten muss, nicht dagegen ein Entgelt von der Risiko übernehmenden Gesellschaft erhält. 26 Vgl. Tz. 3.4.10.2 Buchst. a) des BMF, Schr. v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (VWGVerfahren). 27 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, rkr., IStR 2006, 794; vgl. zu diesem Urteil Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff.; vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594 (599).
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nen Funktion übersteigt28. Es wäre demnach also nicht gerechtfertigt, die gesamte Veränderung des Gewinns vor und nach der Funktionsverlagerung zu betrachten. Korrigierend müsste vielmehr berücksichtigt werden, dass mit der Funktionsverlagerung auch eine Funktion im Inland nicht mehr ausgeübt wird und insofern der Funktionsgewinn wegfällt. Dies ist auch insoweit nachvollziehbar, als der Funktionsgewinn idealerweise nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals29 wiedergibt. Wenn nun das entsprechende Kapital im Inland nicht mehr verwendet wird, folgt daraus zwangsläufig, dass auch der jeweilige Gewinn – also der Funktionsgewinn – wegfällt. Auch aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens ist diese Überlegung zwingend. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens wäre nicht bereit, ein Entgelt für diejenigen Gewinne an den Übertragenden zu entrichten, die auf seine Funktionsausübung entfallen. Diese Gewinne sind ein Äquivalent für die von dem Übernehmenden ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken. Würde er dafür ein Entgelt an den Übertragenden entrichten, so müsste der Übernehmende letztlich gewinnlos wirtschaften. Dies würde ein fremder Dritter allerdings nicht akzeptieren30. Damit kann nur der über den Funktionsgewinn hinausgehende Gewinn Gegenstand der Besteuerung i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG sein. Dies steht auch im Einklang mit der Intention des Gesetzes, soll doch mit der Besteuerung von Funktionsverlagerungen der Gewinn erfasst werden, der mit den jeweiligen Chancen und Risiken verbunden ist. Chancen und Risiken sind jedoch nur das, was über die eigentliche Funktionsausübung hinausgeht bzw. nur diejenige Verzinsung, welche die Normalverzinsung übersteigt. 6. Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums In engem Zusammenhang mit der Prognose der auf das Transferpaket entfallenden Gewinne ist zu klären, über welchen Zeitraum die Gewinne kapitalisiert werden sollen. § 6 der FVerlV geht grundsätzlich davon aus, dass „ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen“ ist, sofern „keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht oder … solche Gründe nicht ersichtlich“ sind. D. h., dass die Finanzverwaltung von der Formel der „ewigen Rente“ ausgeht, sofern für den Steuerpflichtigen keine kürzeren Kapitalisierungszeiträume ersichtlich sind. Als Begründung wird u. a. angeführt, dass Funktionsverlagerungen Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerungen
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28 Vgl. Baumhoff in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 73 (86 f.); Ditz, DStR 2006, 1625 (1627); Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2. Aufl., S. 345 (354). 29 Vgl. zur Abzinsung des Kapitals als Möglichkeit der Schätzung von Verrechnungspreisen § 1 Abs. 4 AStG. 30 So auch Schreiber in Oestreicher (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise, S. 285 (307).
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ähneln würden und hier „betriebswirtschaftlich“ auch ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum angewandt werde. Dies mag im Allgemeinen bei der indirekten Wertermittlung (vgl. Punkt III.3.a)) zutreffen31. Betriebswirtschaftlich ist jedoch die generelle Unterstellung eines unbegrenzten Kapitalisierungszeitraums unzutreffend, insbesondere dann, wenn es sich um eine direkte Wertermittlung (vgl. Punkt III.3.b)) handelt. So müssten z. B. bei der Übertragung von Vertriebsfunktionen entweder die Laufzeit des Vertriebsvertrags oder, wenn ein solcher Vertriebsvertrag nicht existiert, die gesetzlichen Kündigungsfristen Berücksichtigung finden. Außerdem spielen zeitliche Aspekte wie Produktlebenszyklen, technische Entwicklungen, Absatzmarktänderungen, Bedarfswandlungen am Markt etc. für die Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums eine besondere Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Bewertung typischerweise geboten, nur einen begrenzten Zeitraum zugrunde zu legen32. Die in der Literatur vorgeschlagenen Prognosezeiträume von ca. 3 bis 5 Jahren33 sind daher eher vertretbar und wohl auch fremdvergleichskonform. Für langlebige bewegliche Wirtschaftsgüter wird i. d. R. eine Nutzungsdauer von 5–10 Jahren unterstellt, für einen Firmenwert maximal 15 Jahre. In der Realität des Wirtschaftslebens gibt es eigentlich kein zeitlich unbegrenztes „ewiges“34 Gewinnpotential. Insofern ist es zu begrüßen, dass auch die Rechtsverordnung die Möglichkeit einräumt, einen kürzeren Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen, wobei es ausreichend sein soll, dass Gründe dafür glaubhaft gemacht werden oder ersichtlich sind.“ Insbesondere mit der Formulierung „ersichtlich“ wird deutlich, dass keine zu hohen Anforderungen an den Nachweis gerichtet sind, einen kürzeren Prognosezeitraum zugrunde zu legen. Hier liegt es am Steuerpflichtigen, die für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum sprechenden Einflussfaktoren in der Weise aufzubereiten, dass sie „ersichtlich“ sind. Insbesondere bei Anwendung des Bewertungsstandards „IDW S5“ wird von einem begrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen sein. 7. Ermittlung des Diskontierungsfaktors Sofern die auf ein Transferpaket entfallenden Gewinnpotentiale isoliert und für den maßgebenden Zeitraum prognostiziert wurden, ist es für die Ermittlung des Ertragswerts erforderlich, die für die einzelnen Jahre ermittelten Gewinne auf den Übertragungsstichtag zu diskontieren. Dabei sollen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG „funktions- und risikoadäquate Kapitalisierungszinssätze“ zur Anwendung kommen. Mit dieser Formulierung wird jedenfalls deutlich, dass der Kapitalisierungszinssatz unter Anwendung solcher Methoden zu er-
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31 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638. 32 Vgl. Ditz, DStR 2006, 1625 (1628); Finsterwalder, IStR 2004, 763 (767). So mit Hinweis auf den „rasanten technischen Fortschritt“ auch Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (328). 33 Vgl. Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Anm. 593 und 600.1 zu § 1 AStG m. w. N. 34 Vgl. auch Frotscher, FR 2008, 56, Fn. 24.
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mitteln ist, die durch die Finanzwirtschaftslehre im Allgemeinen und die Unternehmensbewertungslehre im Speziellen abgeleitet wurden35. Demnach wird der Kapitalisierungszinssatz durch die günstigste alternative Kapitalanlagemöglichkeit bestimmt. Der Kapitalisierungszinssatz gibt demnach an, welche Mindestverzinsung aus dem Transferpaket erzielt werden muss, um nicht schlechter zu stehen als bei einer Anlage in der nächstbesten Alternative. Auszugehen ist dabei von der Verzinsung einer risikolosen Investition am Kapitalmarkt (Basiszinssatz), deren Laufzeit der voraussichtlichen Ausübung der Funktion entspricht (z. B. risikolose Staatsanleihen). In der aktuellen Fassung des Bewertungsstandards „IDW S1“ ist vorgesehen, den Basiszinssatz unter Verwendung fristadäquater Zerobondsätze abzuleiten36. Sowohl vom IDW (S1, Tz. 117) als auch in der Literatur37 wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, bei Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf die von der Deutschen Bundesbank geschätzte Zinsstrukturkurve zurückzugreifen, um so unterschiedliche Zinssätze während des Zeitraums der Funktionsausübung zu berücksichtigen. Bei Verlagerungen innerhalb Europas könnten die entsprechenden Daten der Europäischen Zentralbank verwendet werden, die die Daten nach derselben Methode zur Verfügung stellt. Dieser Basiszinssatz ist um funktions- und risikoadäquate Zuschläge zu erhöhen. Gemäß § 5 der FVerlV soll dabei die jeweilige Steuerbelastung (= Nachsteuerbetrachtung) berücksichtigt werden. Der Basiszinssatz (für eine risikolose Investition) soll nach Auffassung der Finanzverwaltung jeweils getrennt sowohl für das verlagernde als auch für das übernehmende Unternehmen ermittelt werden. Das ist insofern sachgerecht, als in verschiedenen Ländern auch – schon allein währungsbedingt – verschiedene Basiszinssätze zur Anwendung kommen. Gleiches gilt für den funktions- und risikoadäquaten Zuschlag, der gem. § 5 Satz 3 FVerlV so zu bemessen ist, „dass er sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen die in vergleichbaren Fällen jeweils unternehmensübliche Risikobeurteilung berücksichtigt“. Letztlich bleibt es – trotz dieser allgemeinen Hinweise – für den Rechtsanwender unklar, wie die beiden einzelnen Zinsbestandteile (Basiszinssatz/funktionsund risikoadäquater Zinssatz) im konkreten Einzelfall zu bestimmen sind. Eine Voraussetzung wäre, Unternehmen zu finden, deren Geschäftstätigkeiten mit der zu übertragenden Funktion vergleichbar sind, um dann deren Eigenkapitalkosten zu analysieren38. Bereits diese Voraussetzung wird in praxi schwer erfüllbar sein, da die Funktion lediglich ein Bündel aus mehreren zusammengehörenden betrieblichen Aufgaben darstellt und nur einen Teilbereich einer unternehmerischen Gesamtaufgabe ausmacht. Da eine Funktion
__________ 35 36 37 38
Vgl. Naumann, Status:Recht 2007, 203 (204). Vgl. IDW S1 i. d. F. 2008, a. a. O., Tz. 117. Vgl. Günter, WPg 2007, 1087 m. w. N. So auch Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693.
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gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV auch nicht die Teilbetriebskriterien im steuerlichen Sinne erfüllen muss39, muss sie auch kein organisatorisch geschlossener Teil eines Gesamtunternehmens sein, der für sich lebensfähig ist und für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs aufweist. Dies wäre allerdings für das Auffinden funktionsgleicher oder zumindest -ähnlicher Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen von Unternehmensbewertungen wird zwecks Ermittlung des Risikozuschlags typischerweise auf Modelle der Preisbildung an Kapitalmärkten zurückgegriffen. So können aus den am Kapitalmarkt empirisch ermittelten Aktienrenditen mit Hilfe von Kapitalmarktpreisbildungsmodellen (CAPM, Tax-CAPM) Risikoprämien abgeleitet werden40. Das hier angesprochene Capital Asset Pricing Model (CAPM), welches in der Theorie und Praxis der Unternehmensbewertung das gebräuchlichste und anerkannteste Verfahren ist, eignet sich primär aber nur für die Bewertung ganzer Unternehmen, weil der maßgebende Beta-Faktor unter Berücksichtigung der Kursschwankungen von börsennotierten Unternehmen ermittelt wird. Für einzelne Funktionen gibt es dagegen keine an Börsen festgestellten Marktpreise. Insofern scheidet zumindest eine – unmittelbare – marktorientierte Ableitung des Risikozuschlags für Transferpakete aus. Im Rahmen der Bewertung immaterieller Vermögenswerte soll ebenfalls die „Risikozuschlagsmethode“ zur Anwendung kommen mit der Maßgabe, die Erwartungswerte des Cashflows mit einem risikoangepassten Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren. Dabei sollen als Ausgangsgröße die „gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten des Unternehmens (Weighted Average Cost of Capital, WACC)“ dienen41. Dabei können sowohl die Gegebenheiten am Kapitalmarkt als „auch unternehmensintern vorgegebene oder anderweitig abgeleitete Renditeerwartungen zur Diskontierung der Cashflows herangezogen werden“. Die vermögenswertspezifischen Eigenkapitalkosten sollen ebenfalls analog zum Capital Asset Pricing-Modell (CAPM) ermittelt werden. Der Basiszinssatz sollte sich an den periodenspezifischen Zerobondrenditen der aktuellen Zinsstrukturkurve orientieren, während der vermögenswertspezifische Risikozuschlag für den Fall, dass keine Kapitalmarktdaten für das Unternehmen selbst vorliegen, auf Basis einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer-Group) abgeleitet werden sollte. Bei der Auswahl der adäquaten Peer-Groups sollte eine weitestgehende Übereinstimmung der operativen Geschäftstätigkeit sowie der Unternehmensgruppe angestrebt werden42. Dabei darf die ganz offensichtlich bestehende Schätzungsunsicherheit, die weder durch die FVerlV noch deren amtliche Begründung auch nur in Ansätzen beseitigt wird, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.
__________ 39 40 41 42
Vgl. hierzu z. B. BFH v. 24.4.1969, BStBl. II 1969, 397. Vgl. IDW S1 i. d. F. 2008, a. a. O., Tz. 118. Vgl. IDW S5 i. d. F. 2007, a. a. O., Tz. 41. Vgl. IDW S5 i. d. F. 2007, a. a. O., Tz. 43.
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§ 5 FVerlV verlangt, auch die Steuerbelastung im Kapitalisierungszinssatz zu erfassen. Diesbezüglich ist das Äquivalenzprinzip zu beachten. Wenn die erwarteten Gewinne aus dem Transferpaket nur um die Steuern des Unternehmens gekürzt werden, ist der Kapitalisierungszinssatz auch nur um die Steuern des Unternehmens zu reduzieren. Findet jedoch die Besteuerung der Gesellschafter bei den Gewinnen des Transferpakets zusätzlich Eingang, so ist dies auch im Kapitalisierungszinssatz entsprechend zu berücksichtigen. 8. Einzel- versus Gesamtbewertung Bei der Bewertung eines Transferpakets soll grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, bei der die „Funktion als Ganzes“ als Bewertungsobjekt fungiert. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG lässt hiervon jedoch Ausnahmen alternativ zu und gestattet eine Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter. Danach ist eine Abweichung von der Gesamtbetrachtung und stattdessen eine Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter zulässig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, – dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktion übergegangen sind oder zur Nutzung überlassen wurden (1. Alternative) oder – dass das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmungen, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. (2. Alternative) Gemäß § 1 Abs. 5 FVerlV sind im Hinblick auf die erste Alternative funktionsverlagerungsbedingte immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile „wesentlich“, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab). Unklar ist hierbei, was unter dem Begriff „Vorteile“ zu verstehen ist43. In der Begründung werden in diesem Zusammenhang exemplarisch „Patente“ und „Know-how“ erwähnt44. Sind gemäß dieser Definition wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile übergegangen, verbleibt zumindest die zweite Alternative. Demnach ist glaubhaft zu machen, dass die Werte der übertragenen einzelnen Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung des Werts des Transferpakets insgesamt dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Hiermit wird zumindest eine Möglichkeit geschaffen, von dem Wert des Transferpakets insgesamt abzuweichen. Das Problem bei dieser Alternative besteht jedoch zum einen darin, dass sie einen erheblichen Aufwand verursacht. So ist es dabei erforderlich, sowohl den Einigungsbereich als auch den Wert des Transferpakets als Ganzes zu bestimmen. Darüber hinaus ist es zum anderen erforderlich, die Werte der ein-
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43 Vgl. IDW, FN-IDW 2007, 498. 44 Vgl. Begründung zu § 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV.
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zelnen übertragenen Wirtschaftsgüter jeweils getrennt zu ermitteln. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei der Einzelbewertung bereits im Rahmen der Identifizierung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter, z. B. in den Fällen, in denen selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. ungeschütztes Know-how) verlagert werden45. Eine Doppelarbeit ist insofern unvermeidlich. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV darf, wenn diese beiden Werte vorliegen, die Summe der Einzelverrechnungspreise für die Wirtschaftsgüter und Vorteile nur dann angesetzt werden, „wenn sie im Einigungsbereich liegt und der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.“ Der erforderliche Nachweis dürfte nur schwer zu führen sein. Jedenfalls wurden damit dem Steuerpflichtigen erhebliche Beweislasten auferlegt, obwohl es nach den allgemeinen Besteuerungsprinzipien (Steuerrecht als „Eingriffsrecht“) geboten wäre, der Finanzverwaltung diese Beweislasten zuzuordnen. Eine Einzelbewertung ist faktisch damit nur unter zwei Voraussetzungen möglich: 1. Die Summe der Einzelwirtschaftsgüter (Gesamtergebnis) muss im Einigungsbereich liegen. 2. Der Steuerpflichtige muss glaubhaft machen, dass das Ergebnis der Einzelbetrachtung eher dem Fremdvergleich entspricht als das der Gesamtbewertung46. Dies vor dem Hintergrund, als mit der Gesamtbewertung von den bekannten Regeln des Ertragsteuerrechts abgewichen wird. Als Bewertungsgrundsatz gilt sowohl im Handels- als auch im Steuerrecht der Grundsatz der Einzelbewertung47. Danach ist jedes Wirtschaftsgut für sich gesondert zu betrachten und zu bewerten. Dies gilt selbst dann, wenn eine Sachgesamtheit (z. B. ein Betrieb) erworben und dafür ein Gesamtpreis entrichtet wird. Gemäß dem allgemeinen Bewertungsgrundsatz der Einzelbewertung ist dieser Gesamtpreis auf die dabei zugegangenen einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Im Fall einer Funktionsverlagerung wird dieser Bewertungsgrundsatz jedoch ins Gegenteil verkehrt. Danach kommt es nur darauf an, einen Gesamtwert zu ermitteln, und zwar für das Transferpaket insgesamt. Demgegenüber ist es nicht erforderlich, den Gesamtwert auf die dabei erworbenen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Gemäß der Begründung zum Regierungsentwurf wird eine solch fundamentale Abweichung von den Bewertungsgrundsätzen damit gerechtfertigt, dass dies „aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten (ist), weil der Preis der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegelt“48.
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45 Vgl. Günter, WPg 2007, 1084. 46 So auch die Begründung zu § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV-E. 47 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; § 6 Abs. 1 EStG; BFH v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl. II 1989, 359. 48 Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, BR-Drucks. 220/07, 144.
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Mit dieser Begründung offenbart der Gesetzgeber sein eigentliches Anliegen: Die Beweislastverteilung soll umgekehrt werden. So wird nämlich behauptet, – und durch nichts belegt, weil dies wohl auch nicht belegbar ist – dass der Wert einer Funktion insgesamt den Wert der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter überschreitet. Dies wird zu Lasten des Steuerpflichtigen einfach angenommen. Sollte dies nicht zutreffen, muss dies vom Steuerpflichtigen gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG glaubhaft gemacht werden.
IV. Zusammenfassung Die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ist eher eine betriebswirtschaftliche als eine steuerrechtliche Fragestellung. Die Betriebswirtschaftslehre stellt hierfür – auf der Grundlage der betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze – ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung, welches sich konkret in den IDW-Standards zu den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i. d. F. 2008) als auch den Grundsätzen zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S5 i. d. F. 2007) niederschlägt. Die zentralen praktischen Probleme bestehen im Einzelnen in der Isolierung der transferbedingten Zahlungsströme sowie der konkreten Bestimmung des Kapitalisierungszinsfußes mit seinen Elementen Basiszinssatz und Risikozuschlag. Grundsätzlich kann im Rahmen der Bewertung eines Transferpakets nur der Gewinn angesetzt werden, der den sog. „Funktionsgewinn“ übersteigt. Letztlich besitzt der Rechtsanwender auf Grund der inhaltlichen Unbestimmtheit der Formulierungen gerade bei der Bewertung von Transferpaketen eine Fülle von Freiheitsgraden, die ihm im Rahmen der Anwendung der „internen betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze und -methoden“ zur Verfügung stehen. Es ist zu erwarten und zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung einerseits und die Bewertungspraxis andererseits auf konsistente und praktikable Bewertungsverfahren verständigen werden.
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Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Überblick über die Besteuerung der Sitzverlegung 1. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben 2. Behandlung der Sitzverlegung nach nationalem Recht a) Wechsel von einer inländischen in eine ausländische SE b) Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht c) Steuerfolgen des Wechsels in die beschränkte Steuerpflicht aa) Inländische Einkünfte bb) Organschaft cc) Verlustvortrag/Zinsvortrag dd) Ausschüttungen ee) Keine aufgeschobene Besteuerung nach § 4g EStG ff) Abkommensberechtigung nach DBA d) Besteuerung der Gesellschafter III. Entstrickung 1. Regelungen zur Entstrickung 2. Allgemeiner Entstrickungstatbestand nach § 12 Abs. 1 KStG bei Sitzverlegung 3. Denkbare Ursachen für den Ausschluss oder die Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts bei Sitzverlegung
IV. Zuordnung von Wirtschaftsgütern auf Stammhaus oder Betriebsstätte 1. Grundsätze der Zuordnung 2. Zuordnungsfragen bei einzelnen Wirtschaftsgütern a) Materielle Wirtschaftsgüter b) Betriebsgrundstücke c) Beteiligungen d) Finanzmittel e) Goodwill und andere immaterielle Wirtschaftsgüter V. Keine Entstrickung trotz Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum ausländischen Stammhaus 1. Hintergrund 2. Verursachung des Verlusts bzw. der Beschränkung des Besteuerungsrechts nach § 12 Abs. 1 KStG 3. Aufteilung des Veräußerungsgewinns a) Aufteilung nach nationalem Recht b) Besteuerungsrecht nach Doppelbesteuerungsabkommen aa) Literatur bb) Rechtsprechung cc) Finanzverwaltung dd) OECD c) Auswirkung auf die Besteuerung bei Sitzverlegung VI. EU-konforme Auslegung der Entstrickungsnorm VII. Zusammenfassung
I. Einleitung Seit Einführung der Europäischen Gesellschaft (der Societas Europaea, kurz „SE“) im Oktober 2004 besteht für Unternehmen im europäischen Binnen559
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markt die rechtlich gesicherte Möglichkeit einer identitätswahrenden Sitzverlegung über die Grenze. Und obwohl die SE als Rechtsform inzwischen (eher unerwartet) Karriere gemacht hat und eine Reihe bekannter, großer Unternehmen die Rechtsform der SE angenommen haben oder erwägen, dies zu tun, machen die Unternehmen von der gewonnenen Mobilität kaum Gebrauch. Ein wichtiger Hinderungsgrund für die Sitzverlegung, also den Wegzug des Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat, ist das nationale Steuerrecht. Zwar wurden durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften („SEStEG“) im Dezember 2006 die steuerlichen Rahmenbedingungen für die SE, einschließlich der Sitzverlegung, geschaffen1. Allerdings hat der Gesetzgeber durch die Kodifizierung der sog. Entstrickung gleichzeitig hohe Steuerhürden für die Mobilität aufgestellt. Bereits bei Einführung des SEStEG war klar, dass über den Bestand dieser Hürden früher oder später die Steuergerichte und schließlich der Europäische Gerichtshof („EuGH“) zu urteilen haben werden. Im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der SE stellen sich zentrale Fragen des nationalen Steuerrechts, des Abkommensrechts und des europäischen Steuerrechts. Sie sind in weiten Teilen unbeantwortet. Prof. Dr. Harald Schaumburg hat sich als einer der Ersten diesen wichtigen Fragen gewidmet und Lösungsansätze gezeigt2. Seine Überlegungen und Anregungen zu diesem Thema sind heute so aktuell wie damals. Der Gesetzgeber sollte sie sich zu Herzen nehmen. Dieser Beitrag behandelt den (Wegzugs-) Fall, in dem eine deutsche SE ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. Dazu wird zunächst ein Überblick über die steuerliche Behandlung der Sitzverlegung gegeben, insbesondere über die Auswirkungen des Wechsels von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht. Daran schließen sich eine Diskussion der Entstrickungsregelung für Kapitalgesellschaften (fiktive Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG) und der Zuordnung von Wirtschaftsgütern auf Stammhaus und Betriebsstätte an. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wann bei oder nach Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss oder eine Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts vorliegen. Vor dem Hintergrund des Grundsatzurteils des I. Senats des BFH vom 17.7.2008, in dem das Gericht die finale Entnahmetheorie aufgegeben hat, wird gezeigt, dass die vom Gesetzgeber gewollte Sofortbesteuerung stiller Reserven in vielen Fällen ins Leere geht. Schließlich wird kurz auf die europarechtlichen Bedenken gegen eine Sofortbesteuerung bei Sitzverlegung eingegangen.
__________ 1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 2 Schaumburg in FS Wassermeyer, S. 411 ff.
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II. Überblick über die Besteuerung der Sitzverlegung 1. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben Das europäische Gemeinschaftsrecht sieht zur Besteuerung der Sitzverlegung der SE keine umfassenden Regelungen vor. Die primäre Rechtsgrundlage der SE, die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft („SE-VO“)3, enthält keinerlei Ausführungen über die Besteuerung. Zur steuerlichen Flankierung der SE hat der Rat der Europäischen Union am 17.2.2005 Änderungen zur Fusionsrichtlinie („FRL“) verabschiedet4. Die dort enthaltenen Regelungen betreffend die Sitzverlegung der SE waren von den Mitgliedstaaten bis zum 1.1.2006 umzusetzen. Ferner wurde die SE in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie einbezogen5. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zur Besteuerung der SE lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nach Art. 10b FRL ist eine Besteuerung von stillen Reserven der SE verboten, wenn diese nach der Sitzverlegung weiterhin einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat tatsächlich zugerechnet bleiben (Art. 10b FRL). Die entscheidende Frage wird in der FRL allerdings gar nicht angesprochen, nämlich die steuerliche Behandlung von stillen Reserven, die dem ausländischen Stammhaus und nicht der im Wegzugsstaat verbleibenden Betriebsstätte zuzurechnen sind; ebenso wenig geregelt ist der Fall, dass nach der Sitzverlegung im Inland keine Betriebsstätte verbleibt. Im Kern geht es darum, ob die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) gebietet, eine Sofortbesteuerung zu unterlassen oder die Steuer zumindest zu stunden. Art. 10c FRL enthält eine Regelung zur Übertragung von Rücklagen und Rückstellungen auf eine bestehen bleibende Betriebsstätte. Art. 10d der Fusionsrichtlinie verbietet die Besteuerung des Gesellschafters anlässlich der Sitzverlegung. Die Transformation der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in das nationale Steuerrecht erfolgte Ende 2006 durch das SEStEG. Die SE wurde in die Definition der Kapitalgesellschaften des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sowie in die beispielhafte Aufzählung von Gewerbebetrieben kraft Rechtsform in § 2 Abs. 2 GewStG aufgenommen. Die körperschaft- und gewerbesteuerliche Behandlung der SE entspricht damit im Grundsatz der einer AG oder GmbH. Zur Sicherstellung der Aufdeckung und Besteuerung von im Inland entstandenen stillen Reserven hat der Gesetzgeber allgemeine Entstrickungsvorschriften in unterschiedliche Einzelsteuergesetze aufgenommen (vgl. insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG sowie §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 2 UmwStG)6.
__________ 3 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294, 1. 4 RL 90/434/EWG vom 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1, in der Fassung der Richtlinie 2006/98/EG vom 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129. 5 Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Anhang Buchst. a) der Mutter-Tochter-Richtlinie (RL 90/435/EWG vom 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6, ber. ABl. EG Nr. L 266, 20, in der Fassung der Richtlinie 2006/98/EG vom 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129. 6 Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 44, 66 f.
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2. Behandlung der Sitzverlegung nach nationalem Recht a) Wechsel von einer inländischen in eine ausländische SE Durch die Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat kommt es zu einem Wechsel des für die SE ergänzend anwendbaren nationalen Gesellschaftsrechts, mithin zu einer Art Formwechsel von einer inländischen in eine ausländische SE. Nach Art. 8 Abs. 1 SE-VO kann der Sitz der SE in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden, ohne dass dies zur Auflösung der SE und Gründung einer neuen juristischen Person führt. Zu beachten ist dabei, dass der Sitz der SE in dem Mitgliedstaat liegen muss, in dem sich die Hauptverwaltung der SE befindet (§ 7 SE-VO)7. Die „Sitzverlegung“ der SE beinhaltet damit grundsätzlich immer die Verlegung von Satzungssitz und Hauptverwaltung. Nach der Sitzverlegung unterfällt die SE den rechtlichen Bestimmungen des neuen Ansässigkeitsstaates für eine SE sowie für dessen Aktiengesellschaften (vgl. Art. 9 SE-VO). Aus der SE des Wegzugsstaats wird eine SE des Zuzugsstaats. Allerdings wird durch diesen gesetzlich angeordneten „Formwechsel“ die Eigenschaft der SE als Rechtsträger nicht beeinträchtigt. Der Vorgang ist damit mit einem (homogenen) Formwechsel nach § 202 Abs. 1 UmwG (z. B. von der GmbH in eine AG oder umgekehrt) vergleichbar. Da kein Rechtsträgerwechsel erfolgt, kann die Sitzverlegung mangels Übertragungsvorgang grundsätzlich auch keinen (ggf. steuerpflichtigen) Veräußerungsvorgang auslösen. Hieraus folgt auch, dass der Wegzug einer SE, die über inländischen Grundbesitz verfügt, keine Grunderwerbsteuer auslöst, und zwar weder auf Ebene der SE selbst8 noch auf Ebene der Gesellschafter, da der Wegzug zu keiner Veränderung in der Gesellschafterstruktur der SE führt9. b) Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht Durch die Sitzverlegung wechselt die SE von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht. Eine SE mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland („inländische SE“) ist als Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie unterliegt mit ihren weltweiten Einkünften der deutschen Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 2 KStG). Zudem gilt sie kraft Rechtsform als Gewerbetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und unterliegt damit mit ihrem Gewerbeertrag (§ 7 Satz 1 GewStG) der Gewerbesteuer. In der Praxis dürfte der (steuerliche) Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) regelmäßig mit dem (gesellschaftsrechtlichen) Ort der Hauptverwaltung übereinstimmen10, so dass die Sitzverlegung (d. h. die Verlegung von Satzungssitz und
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7 Bei Auseinanderfallen von Sitz und Hauptverwaltung ist der Mitgliedstaat, in dem die SE ihren Sitz hat, nach Art. 64 SE-VO verpflichtet, diesen vorschriftswidrigen Zustand zu beenden. 8 Vgl. Fischer in Boruttau, GrEStG, § 1 Rz. 545 ff. 9 Keine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG. 10 Zu den steuerlichen Auswirkungen in den seltenen Einzelfällen, in denen der Sitz der Hauptverwaltung und der Ort der Geschäftsleitung auseinanderfallen, s. vertiefend Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 49 ff., 115 ff.
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Hauptverwaltung) in einen anderen Mitgliedstaat zum Ende der unbeschränkten Steuerpflicht der SE führt11. Die SE ist dann mit ihren inländischen Einkünften nach § 2 Nr. 1 KStG beschränkt steuerpflichtig. Denn auch die „ausländische“ SE ist eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Dies ergibt sich daraus, dass § 1 SEAG den Begriff der Europäischen Gesellschaft (SE) unabhängig von deren Sitz im Inland verwendet und nur den Anwendungsbereich des Gesetzes auf inländische SEs beschränkt12; im Übrigen ist die ausländische SE wegen Art. 10 EG-VO auch einer deutschen SE vergleichbar13. Für Zwecke der Gewerbesteuer kommt es für eine beschränkte Steuerpflicht darauf an, ob nach dem Wegzug eine inländische Betriebsstätte der SE verbleibt. Ist dies der Fall, so unterliegt der Gewerbeertrag dieser SE-Betriebsstätte weiterhin nach § 2 Abs. 2 GewStG der Gewerbesteuer14. c) Steuerfolgen des Wechsels in die beschränkte Steuerpflicht Der Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht wirft eine Vielzahl steuerlicher Fragen auf. Diese umfassen insbesondere: aa) Inländische Einkünfte Welche Einkünfte der SE im Anschluss an die Sitzverlegung inländische Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht sind, bestimmt sich nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 EStG. Hervorzuheben sind dabei Einkünfte einer deutschen Betriebsstätte der SE (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG) und Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG (Veräußerungen von z. B. im Inland belegenen Grundstücken, Sachinbegriffen oder Rechten). Das deutsche Besteuerungsrecht besteht für solche Wirtschaftsgüter der weggezogenen SE weiter, die einer Betriebsstätte im Inland zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG sowie Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Die Wirtschaftsgüter sind dabei nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit entweder dem ausländischen Stammhaus oder der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen15. Eine Zuordnung zur Betriebsstätte kommt in Betracht, wenn die Wirtschaftsgüter der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen16. Auf die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen der Entstrickung wird unten ausführlich eingegangen.
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11 Hier besteht ein Unterschied zum Wegzug der AG bzw. GmbH nach MoMiG. Nach MoMiG verbleibt der Satzungssitz in Deutschland, so dass die Gesellschaft weiterhin unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Doppelbelastungen werden u. U. durch Ansässigkeitsregeln in Doppelbesteuerungsabkommen vermieden, vgl. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 12 Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber den Rechtstypenvergleich zur Beurteilung der Körperschaftsteuerpflicht nur bei solchen Gesellschaften für erforderlich hält, die nicht nach deutschem oder europäischem Recht gegründet wurden; BT-Drucks. 16/2710, 30. 13 Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 62 f. 14 Vgl. zur deutschen Betriebsstätte einer belgischen AG BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77. 15 Tz. 2.4 des Betriebsstättenerlasses, BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. 16 BFH v. 29.7.1992, BStBl. II 1993, 63; Tz. 2.4 des Betriebsstättenerlasses.
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bb) Organschaft Voraussetzung für die ertragsteuerliche Organschaft ist neben der finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (sog. doppelter Inlandsbezug) in einen gewerblichen Organträger der Abschluss eines über mindestens fünf Jahre laufenden und während dieser Zeit durchgeführten Gewinnabführungsvertrags zwischen Organträger und Organgesellschaft (§ 14 Abs. 1 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Taugliche Organgesellschaft sind nur inländische Kapitalgesellschaften, zu denen auch die inländische SE zählt. Voraussetzung für die Organträgerschaft ist ein gewerbliches Unternehmen im Inland. Auch eine SE mit Sitz im Ausland kann Organträger sein, wenn der Gewinnabführungsvertrag unter der inländischen Zweigniederlassung der SE abgeschlossen ist und die Beteiligung an der Organgesellschaft zum Betriebsvermögen der Zweigniederlassung gehört (§ 18 KStG). Verlegt eine inländische Organgesellschaft (SE) ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat, so führt dies zwingend zur Beendigung der Organschaft. Da die Organschaftsvoraussetzungen während des gesamten Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft erfüllt sein müssen, bewirkt die Sitzverlegung, dass die Organschaft ab dem Wirtschaftsjahr, in dem die Sitzverlegung stattfindet, nicht mehr besteht. Weitreichender sind die Auswirkungen für den Fall, dass im Zeitpunkt der Sitzverlegung der Gewinnabführungsvertrag noch keine fünf Jahre durchgeführt wurde. Meines Erachtens stellt eine Sitzverlegung, die während der Fünfjahresfrist erfolgt, einen wichtigen Grund für eine vorzeitige steuerunschädliche Beendigung der Organschaft dar (dieser Fall ist m. E. mit dem von der Finanzverwaltung als zulässig anerkannten außerordentlichen Kündigungsgrund bei Liquidation der Organgesellschaft vergleichbar; vgl. Abschnitt R 60 Abs. 6 KStR). Im Verhältnis zu einem SE-Organträger, der seinen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ist eine Organschaft – bei Zuordnung der Beteiligung zur inländischen Betriebsstätte und Abschluss des Gewinnabführungsvertrags mit der Zweigniederlassung – möglich (§ 18 KStG). Damit sollte eine bestehende Organschaft durch die Sitzverlegung dann nicht enden, wenn die Beteiligung der Betriebsstätte zuzuordnen ist, da sich die Sitzverlegung unter Wahrung der Identität des Rechtsträgers des Organträgers vollzieht. Voraussetzung ist allerdings die Änderung im Handelsregister. Eine etwaige laufende Fünfjahresfrist läuft weiter. Ein Grund für eine Schlechterstellung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung des SE-Organträgers gegenüber einer Sitzverlegung im Inland ist nicht erkennbar. Allerdings scheint es angeraten, diese Frage vorher mit dem Finanzamt zu klären. Im ungünstigsten Fall muss eine Beendigung (aus wichtigem Grund) der bestehenden und die Begründung einer neuen Organschaft mit einer neuen Mindestlaufzeit erfolgen. cc) Verlustvortrag/Zinsvortrag Die Sitzverlegung der SE als solche hat wegen des identitätswahrenden Charakters (kein Rechtsträgerwechsel) grundsätzlich keine Auswirkungen auf den 564
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Verlustabzug des Unternehmens nach § 10d EStG, § 10a GewStG. Sonderregelungen zum Schicksal des Verlustvortrags der SE bei Sitzverlegung existieren nicht, so dass § 10d EStG auf die inländischen Einkünfte der nunmehr beschränkt steuerpflichtigen SE Anwendung findet. Damit entspricht die deutsche Rechtslage den Vorgaben von Art. 10c Abs. 2 FRL17. Eine andere Frage ist allerdings, ob Verluste, die im früheren Ansässigkeitsstaat steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden können, in den Zuzugsstaat „mitgenommen“ werden können. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn nach dem Wegzug keine Betriebsstätte mehr im früheren Ansässigkeitsstaat verbleibt, der die Verluste steuerlich zugeordnet werden können. Nach Auffassung des EuGH verstößt die Nichtberücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Betriebsstätte bei der inländischen Steuerbemessungsgrundlage zumindest dann nicht gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG), wenn diese in künftigen Steuerzeiträumen bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte berücksichtigt werden können18. Im Umkehrschluss müssten ausländische Verluste dagegen berücksichtigt werden, wenn diese definitiv würden. Dem kann nicht die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten entgegengehalten werden. In der Rechtssache Marks & Spencer hat der EuGH entschieden, dass es über das zur Erreichung eines (legitimen) Ziels Erforderliche hinausgeht, wenn eine gebietsfremde Tochtergesellschaft die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Verlusten in dem Mitgliedstaat ihres Sitzes für den betreffenden Steuerzeitraum ausgeschöpft hat und keine Möglichkeit einer Verlustberücksichtigung in diesem Staat für künftige Steuerzeiträume besteht19. Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EGV können sich Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gleichermaßen auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Folgerichtig hat der EuGH diese Rechtsprechung in der Rechtssache Lidl Belgium auch auf Verluste von gebietsfremden Betriebsstätten ausgedehnt20. Übertragen auf den Fall des Wegzugs bedeutet dies, dass die Verlustmitnahme europarechtlich geboten ist, falls keine inländische Betriebsstätte bestehen bleibt, bei deren Gewinnermittlung die Verluste weiter berücksichtigt werden könnten21. Neben Verlustvorträgen kann die SE auch über einen Zinsvortrag i. S. v. § 4h Abs. 4 EStG („Zinsschranke“) verfügen. Auch insoweit existieren keine Sonderregelungen für die Sitzverlegung. Der Zinsvortrag geht daher nicht mit dem Wegzug unter, sondern bleibt – soweit vorhanden – einer deutschen Betriebsstätte weiter zugeordnet. Die „Mitnahme“ von Zinsvorträgen dürfte dagegen ins Leere gehen, soweit der Zuzugsstaat nicht über der Zinsschranke vergleich-
__________ 17 Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 84; Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 160. 18 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, DStR 2008, 1030, Rz. 54; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19, Rz. 55. 19 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19, Rz. 55. 20 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, DStR 2008, 1030, Rz. 54. 21 Einschränkend Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 181, die die Höhe der Verlustmitnahme auf die Höhe der übertragenen stillen Reserven begrenzen möchten.
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bare Zinsabzugsbeschränkungen verfügt. Der Zinsvortrag sollte in diesen Fällen aber im Rahmen des allgemeinen Verlustvortrags nutzbar sein. dd) Ausschüttungen Ausschüttungen einer inländischen SE unterliegen nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Kapitalertragsteuer22. Dies gilt jedoch nicht, soweit es sich um Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) der inländischen SE handelt. Die Sitzverlegung der SE in einen anderen Mitgliedstaat beeinträchtigt die Existenz des steuerlichen Einlagekontos zunächst nicht. Sollen jedoch weiterhin steuerfreie Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto erfolgen, so muss die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos für Ausschüttungen jeweils festgestellt werden (§ 27 Abs. 8 Satz 3 ff. KStG). Allerdings dürfte es der SE schwerfallen, für künftige Ausschüttungen die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nachweisen zu können, wenn das steuerliche Einlagekonto nicht regelmäßig festgestellt wird. Ein Rückgriff auf das Heimatrecht der SE hierfür ist aus Praktikabilitätsgründen zwar wünschenswert, jedoch ist wegen der in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG geregelten Unbeachtlichkeit des Handelsrechts zweifelhaft, ob ein solcher Rückgriff zulässig ist23. ee) Keine aufgeschobene Besteuerung nach § 4g EStG Wie noch unten näher erläutert wird, soll es nach dem Willen des Gesetzgebers im Wegzugsfall zu einer fiktiven Veräußerung der stillen Reserven in Wirtschaftsgütern kommen. Eine Stundung der entsprechenden Steuer nach § 4g EStG ist aber dann nicht möglich. Zwar kann nach § 4g EStG die bei Entstrickung (angeblich) nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eintretende Sofortbesteuerung grundsätzlich durch Bildung eines steuerfreien Ausgleichspostens in Höhe des entstehenden Gewinns abgemildert werden; der Ausgleichsposten ist sodann über fünf Jahre verteilt aufzulösen. Voraussetzung hierfür ist die (fortbestehende) unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen. Hieran fehlt es aber, wenn die SE Sitz und Hauptverwaltung in einen Mitgliedstaat verlegt24. Für die Benachteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger ist ebenso wie für die Schlechterstellung einer Steuerentstrickung aufgrund eines Wegzugs gegenüber einer solchen aufgrund einer Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern in eine Betriebsstätte kein sachlicher Grund ersichtlich. Auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten (Wahrung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG) sollte § 4g EStG zumindest für die Fälle des Weg-
__________ 22 Storg in Frotscher, EStG, § 20 Rz. 24. 23 Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 94. 24 Blumenberg in Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), Abschn. 9 § 2 Rz. 74; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, März 2008, § 12 Rz. 57; Dötsch/Pung, DB 2006, 2651, a. A. Förster, DB 2007, 75, wonach die Bildung des Ausgleichspostens nach § 4g EStG in der letzten logischen Sekunde der Ansässigkeit in Deutschland erfolgt.
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zugs entsprechend anwendbar erklärt werden, in denen eine inländische Betriebsstätte zurückbleibt. ff) Abkommensberechtigung nach DBA Juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) und b) OECDMA als Gesellschaften abkommensberechtigt. Die SE ist nach Art. 1 Abs. 3 SE-VO persönlich rechtsfähig und wird für Zwecke der deutschen Körperschaftsteuer als juristische Person (Kapitalgesellschaft) behandelt (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 1 KStG) und ist somit abkommensberechtigte Gesellschaft. Der Wegzug der SE zieht den Verlust der Abkommensberechtigung für deutsche DBA nach sich. Allerdings dürfte die SE die Abkommensberechtigung für DBA des Zuzugsstaats erwerben. Bleibt nach dem Wegzug eine Betriebsstätte zurück, so ist diese Betriebsstätte in Bezug zu einem anderen Staat mangels Rechtspersönlichkeit nicht abkommensberechtigt. Erwirtschaftet die verbleibende Betriebsstätte Einkünfte aus einem anderen Staat (sog. Dreiecksfälle), kann sie sich weder dort noch im Betriebsstättenstaat auf Rechte aus dem entsprechenden deutschen DBA berufen25. d) Besteuerung der Gesellschafter Nach Art. 10d FRL darf die Sitzverlegung für sich allein keine Besteuerung des (nach Art. 4 Abs. 1 FRL berechneten) fiktiven Veräußerungsgewinns der Gesellschafter bewirken. Jedoch sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, den aus einer späteren Veräußerung resultierenden Gewinn zu besteuern. Durch das SEStEG wurde dieser Regelungsmechanismus in nationales Steuerrecht umgesetzt. Je nach Person und Steuerpflicht des Anteilseigners resultieren die Steuerfolgen dabei aus § 12 Abs. 1 KStG, § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 15 Abs. 1a EStG oder § 17 Abs. 5 EStG. Die identitätswahrende Sitzverlegung einer Gesellschaft stellt keinen Veräußerungstatbestand dar, da kein Rechtsträgerwechsel stattfindet. Zu einer Besteuerung auf Anteilseignerebene nach den besonderen Entstrickungsregeln in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG (Anteile werden in einem Betriebsvermögen gehalten), § 12 Abs. 1 KStG (Kapitalgesellschaft als Anteilseigner) und § 17 Abs. 5 EStG (Anteile werden im Privatvermögen gehalten) kann es allerdings dann kommen, wenn durch die Sitzverlegung einer Gesellschaft das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung der Anteile beschränkt oder ausgeschlossen wird. In der Mehrzahl der praktischen Fälle trifft dies nicht zu, weil die meisten von Deutschland geschlossenen DBA das Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zuweisen. Ausnahmsweise kommt es zur Entstrickung, wenn ein DBA
__________ 25 Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 1 Rz. 8.
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das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ganz oder teilweise dem (neuen) Ansässigkeitsstaat der SE zuweist; in diesem Fall beeinträchtigt die Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht26. Keine Entstrickungsregelung existiert für den Fall, dass die Anteile im Privatvermögen gehalten werden und die Beteiligungsschwelle des § 17 EStG nicht erreicht wird27. Bei der Sitzverlegung der SE würde eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven anlässlich des Wegzugs jedoch gegen die Vorgabe des Art. 10d FRL verstoßen. Daher hat der Gesetzgeber Spezialregelungen eingeführt, nach denen die stillen Reserven in diesen Fällen gem. § 12 Abs. 1, Halbs. 2 KStG, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 17 Abs. 5 Sätze 2–4 EStG und § 15 Abs. 1a EStG nicht sofort besteuert werden. Wird die SE-Beteiligung nach dem Wegzug später veräußert, so besteuert Deutschland ungeachtet etwaiger Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens den Veräußerungsgewinn so, als ob die Sitzverlegung nicht stattgefunden hätte. Demnach wird auch der Teil der realisierten stillen Reserven besteuert, welcher nach dem Wegzug der SE entstanden ist. Umgekehrt trägt Deutschland das Risiko einer nach dem Wegzug eintretenden Wertminderung der SE-Anteile28. Diese Regelung stellt einen treaty override dar, der zu einer DBA-rechtlich unzulässigen Doppelbesteuerung führen kann29.
III. Entstrickung 1. Regelungen zur Entstrickung Vor Inkrafttreten des SEStEG führte das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht durch Verlegung der Geschäftsleitung und/oder des Sitzes einer Körperschaft oder Vermögensmasse in das Ausland generell zur Liquidationsbesteuerung der Gesellschaft (§ 12 Abs. 1 i. V. m. § 11 KStG a. F.)30. Vor dem Hintergrund der offensichtlichen europarechtlichen Problematik und den Entwicklungen auf Gemeinschaftsebene hat der deutsche Steuergesetzgeber diese Regelung Ende 2006 für EU-/EWR-Fälle aufgegeben. Im Fall der Sitzverlegung in einen Staat, der nicht Mitgliedstaat der EU oder des EWR ist, gilt die Gesellschaft allerdings nach § 12 Abs. 3 KStG weiterhin als aufgelöst; § 11 KStG ist dann entsprechend anzuwenden. Dies gilt nach § 12 Abs. 3 Satz 2
__________ 26 So das (in diesem Zusammenhang viel zitierte) DBA-Tschechien; vgl. Blumenberg in Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), Abschn. 9, Rz. 81, S. 316. 27 Vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der keine dem § 17 Abs. 5 EStG vergleichbare Regelung enthält. 28 Kritisch zur völkerrechtlichen Zulässigkeit dieser Besteuerung Schön/Schneider in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 171. 29 Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 87 m. w. N. 30 Kritisch Schaumburg, in FS Wassermeyer, S. 417 ff.; Lambrecht in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 12 a. F. Rz. 8; Rödder, IStR 2005, 297.
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KStG auch dann, wenn eine Gesellschaft für Zwecke eines Doppelbesteuerungsabkommens als nicht mehr in der EU bzw. dem EWR ansässig gilt31. Durch Einführung der allgemeinen Entstrickungsregeln hat der Gesetzgeber im SEStEG den Versuch unternommen, die sog. finale Entnahmetheorie des BFH zu kodifizieren32. Nach dieser – schon damals umstrittenen und mittlerweile überholten – Theorie galt die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte als fiktive Entnahme des Wirtschaftsguts und führte zur Besteuerung der im jeweiligen Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven33. Für stille Reserven des Betriebsvermögens natürlicher Personen findet sich die durch das SEStEG eingeführte Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, bei Körperschaften und sonstigen Vermögensmassen soll § 12 Abs. 1 KStG einschlägig sein. Soweit eine Entstrickung im Zusammenhang mit einem Rechtsträgerwechsel stattfindet, sollen Sonderregelungen im UmwStG greifen (insbesondere §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 2 UmwStG). Der Gesetzgeber geht als Rechtsfolge dieser Regelungen ganz offensichtlich von der Besteuerung der stillen Reserven in dem Zeitpunkt aus, ab dem Deutschland weitere Wertzuwächse nicht mehr besteuern kann. Eine generelle Stundungslösung, wie sie in § 6 AStG für den Wegzug natürlicher Personen mit Anteilen i. S. v. § 17 EStG vorgesehen ist, sei im betrieblichen Bereich nicht zu administrieren. Wie nachfolgend zu zeigen ist, bestehen Zweifel, ob der gesetzgeberische Wille umgesetzt wurde. 2. Allgemeiner Entstrickungstatbestand nach § 12 Abs. 1 KStG bei Sitzverlegung Die Sitzverlegung einer SE fällt aufgrund der Identitätswahrung nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG34. Auch der Verlust der unbeschränkten Steuerpflicht führt als solcher zu keiner unmittelbaren Besteuerung der SE. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Sitzverlegung einer deutschen SE in einen anderen EU-Mitgliedstaat eine Entstrickung nach § 12 Abs. 1 KStG auslöst35. § 12 Abs. 1 KStG hat folgenden Wortlaut: „Wird bei einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; …“
__________ 31 Ob der ausländische Staat das Gesellschaftsstatut der SE anerkennt, ist allerdings nicht von den Rechtsfolgen nach deutschem Recht abhängig. 32 BT-Drucks. 16/2710, 1 ff. (30 f.). 33 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509; explizit aufgegeben durch BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001. 34 Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 79. 35 Das Rangverhältnis zwischen § 12 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wird hier nicht weiter untersucht; m. E. ist für die Frage der Wegzugsbesteuerung § 12 Abs. 1 KStG als Spezialnorm einschlägig; zu der Thematik vgl. Wassermeyer, IStR 2008, 176 und Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 19.
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Bevor in die Prüfung eingestiegen wird, ob durch einen Wegzug die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der Besteuerung unterliegen, ist festzuhalten, dass die Sitzverlegung, anders als die Funktionsverlagerung in Konzernfällen (§ 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG), keine Besteuerung etwaiger (Gewinn-) Transferpakte auslöst, da sich die Regelung auf „Wirtschaftsgüter“ bezieht. Der Umstand, dass Deutschland nach der Sitzverlegung zukünftige laufende Gewinne und Wertzuwächse der SE, soweit diese im ausländischen Stammhaus anfallen, nicht mehr besteuern kann, spielt keine Rolle. Hieran ändert auch das Tatbestandsmerkmal „Ausschluss oder Beschränkung des Gewinns aus Nutzungen“ in § 12 Abs. 1 KStG nichts. Denn das Tatbestandsmerkmal Nutzungen kann nicht so verstanden werden, dass auch zukünftige Gewinne aus der dauerhaften Nutzung der Wirtschaftsgüter durch das Stammhaus von § 12 Abs. 1 KStG erfasst werden. Teilweise wird deshalb vertreten, dass die Vorschrift insoweit ins Leere ginge36. Vor allem Vertreter der Finanzverwaltung verstehen das Tatbestandsmerkmal Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung demgegenüber als Regelung für die Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte37. Wenn ein Wirtschaftsgut, das der inländischen Betriebsstätte zugeordnet wird, im Ausland eingesetzt wird, ist nach dieser Ansicht für die Anwendung des § 12 Abs. 1 KStG entscheidend, ob der Gewinn aus dem Auslandseinsatz des Wirtschaftsguts in Deutschland besteuert werden kann. Bei einer dauerhaften Zuordnung des Wirtschaftsguts zum ausländischen Stammhaus stellt sich diese Frage aber nicht. Denn selbst wenn man der Ansicht der Vertreter der Finanzverwaltung folgt, setzt dies voraus, dass das Wirtschaftsgut vorübergehend im Ausland genutzt wird38. Schließlich kann auch der Verlust des Besteuerungsrechts auf künftige Gewinnausschüttungen der SE keine fiktive Veräußerung nach § 12 Abs. 1 KStG auslösen. Denn § 12 Abs. 1 KStG knüpft an das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung von Wirtschaftsgütern an, nicht hingegen an die Verpflichtung, Kapitalertragsteuer auf Dividenden zu erheben. 3. Denkbare Ursachen für den Ausschluss oder die Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts bei Sitzverlegung Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts bezeichnet den Fall, dass der inländische Besteuerungszugriff auf die Einkünfte aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts vollständig entfällt. Unter einer Beschränkung ist der Fall zu verstehen, dass zwar die deutsche Steuerhoheit bestehen bleibt, aber die Einkünfte aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts zusätzlich im ausländischen Staat besteuert werden, dessen Steuern auf die inländischen angerechnet (§ 34c EStG) werden müssen39. In den Fällen der
__________ 36 37 38 39
Wassermeyer, IStR 2008, 179. Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 122. Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 123. Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE im Steuerrecht, Rz. 129.
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Sitzverlegung in das Ausland steht regelmäßig der Ausschluss inländischen Besteuerungsrechts im Vordergrund. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kann sich bei Sitzverlegung grundsätzlich aus nationalem Recht oder aus den Doppelbesteuerungsabkommen ergeben. Wenn der Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern nach der Sitzverlegung nach nationalem Recht nicht von der beschränkten Steuerpflicht umfasst wird, läge unabhängig von einer eventuell bestehenden Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch Doppelbesteuerungsabkommen eine Entstrickung vor. Denn Doppelbesteuerungsabkommen begründen keine Besteuerungsrechte, sondern schränken lediglich nach nationalem Recht bestehende Besteuerungsrechte ein, indem sie das Besteuerungsrecht dem einen oder anderen Vertragsstaat zuweisen40. Bei Wegzug der SE ist deshalb in erster Linie zu prüfen, ob im Falle einer hypothetischen Veräußerung der Wirtschaftgüter nach der Sitzverlegung ein (fiktiver) Veräußerungsgewinn in Deutschland der Besteuerung unterliegen würde und ob die SE nach dem Wegzug mit dem Veräußerungsgewinn inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt (beschränkte Steuerpflicht). Soweit Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte steuerverhaftet bleiben, kommt es grundsätzlich nicht zu einer Besteuerung der stillen Reserven41. Denn die SE ist bezüglich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts folgt in diesen Fällen regelmäßig nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen. Grundsätzlich ordnen die Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht des Unternehmens (Stammhaus) dem Ansässigkeitsstaat (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) und das Besteuerungsrecht der Betriebsstätte dem Staat zu, in dem die Betriebsstätte liegt (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Auch Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung können gem. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA als Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Betriebsstättenvermögen im Betriebsstättenstaat besteuert werden, wenn die Beteiligung zum Betriebsvermögen der Betriebsstätte gehört. Anteile an Kapitalgesellschaften zählen zum beweglichen Vermögen i. S. d. Art. 13 Abs. 2 MA42. Der Hauptanwendungsfall, in dem sich die Frage nach der Entstrickung bei der Sitzverlegung stellt, betrifft damit die Situation, – dass ein Wirtschaftsgut, das bisher dem deutschen Stammhaus der SE (und nicht einer ausländischen Betriebsstätte) zugerechnet wurde, nach dem Wegzug der SE nicht in einer deutschen Betriebsstätte verbleibt und
__________ 40 Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einl. Rz. 69 m. w. N. 41 Blumenberg in Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), Abschn. 9 Rz. 74, S. 315. 42 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 13 MA Rz. 77; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 MA Rz. 13 u. 62.
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– dadurch das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung (oder Nutzung) des Wirtschaftsguts nach nationalem Recht oder einem Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Zuordnung von Wirtschaftgütern auf Stammhaus und Betriebsstätte ist im Falle der Sitzverlegung einer SE deshalb von entscheidender Bedeutung.
IV. Zuordnung von Wirtschaftsgütern auf Stammhaus oder Betriebsstätte 1. Grundsätze der Zuordnung Nach der Rechtsprechung des BFH erfolgt die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus oder zur Betriebsstätte danach, welche Funktionen der jeweilige Unternehmensteil ausübt. Dient ein Wirtschaftsgut der Zweckerfüllung der Betriebsstätte und steht es damit in einem Funktionszusammenhang mit dieser, so ist das fragliche Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zuzuordnen43. Der Betriebsstätte zuzuordnen sind insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die das Ergebnis der Betriebsstätte „zwangsläufig und maßgeblich beeinflussen und ihre Erträge zu gewährleisten oder zu steigern im Stande sind“44. Ist ein eindeutiger (wirtschaftlicher) Zusammenhang der betreffenden Wirtschaftsgüter weder zur inländischen Betriebsstätte noch zur ausländischen Zentrale gegeben, hängt es nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig vom Willen der Geschäftsleitung ab, welchem Betriebsteil die Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind. Dieser Wille kann sich insbesondere in der bilanziellen Behandlung (Ausweis in der Betriebsstättenbilanz) der Wirtschaftsgüter offenbaren45. Der buchmäßige Ausweis ist allerdings nur Indiz für eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit des betreffenden Wirtschaftsguts mit der inländischen Betriebsstätte46. Die Finanzverwaltung führt in den sog. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen aus, dass Wirtschaftsgüter nur entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zugerechnet werden47. Einer Betriebsstätte sind dabei die positiven und negativen Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen. Maßgeblich sind immer die tatsächlichen Verhältnisse und insbesondere Struktur, Organisation und Aufgabenstellung der Betriebsstätte im Unternehmen. Allerdings geht die Finanzverwaltung von einer sog. Zentralfunktion des Stammhauses aus. Aufgrund dieser Zentralfunktion sind dem Stammhaus in der Regel die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel, Beteiligungen, immateriellen Wirtschaftsgüter sowie der Firmenwert, wenn sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeführten Tätigkeit dienen, zuzurechnen.
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BFH v. 30.8.1995, BStBl. II 1996, 563. BFH v. 29.7.1992, BStBl. II 1993, 64. RFH v. 19.12.1935, RStBl. 1936, 590; FG Nds. v. 26.6.1970, EFG 1970, 593. Vgl. BFH v. 29.7.1992 BStBl. II 1993, 64. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 2.4.
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Zu der sog. Zentralfunktion des Stammhauses hat sich der BFH bisher nicht explizit geäußert. Die Rechtsprechung scheint aber die allgemeinen Zuordnungskriterien auch auf Finanzmittel, Beteiligungen, immaterielle Wirtschaftsgüter sowie den Firmenwert anzuwenden. Die pauschale Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter über eine sog. Zentralfunktion zum Stammhaus ohne Prüfung der tatsächlichen Funktionen (wie sie die Finanzverwaltung anscheinend vornimmt) dürfte damit im Widerspruch zur Rechtsprechung stehen. Auch die herrschende Meinung in der steuerlichen Literatur lehnt eine Zentralfunktion des Stammhauses grundsätzlich ab48. Im Juli 2008 hat die OECD in einem Bericht49 detailliert zu bestehenden OECD-Grundsätzen zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Stammhaus und Betriebsstätte sowie zur Ergebnisermittlung bei Innen- und Außentransaktionen Stellung genommen („Bericht zur Betriebsstättengewinnermittlung“). Damit hat sie eine aktuelle Auslegungshilfe geschaffen, auf die die Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 vielfach verweist. Im Hinblick auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern verweist der OECD-Bericht auf die Notwendigkeit einer funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Stammhaus oder Betriebsstätte. Hierbei ist neuerdings im Wege einer Fiktion von der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit der Betriebsstätte vom Stammhaus (sog. „functionally separate entity“ approach) auszugehen50. Danach ist das wirtschaftliche Eigentum an Wirtschaftsgütern dem Unternehmensteil zuzuordnen, bei dem die für dieses Wirtschaftsgut maßgeblichen Entscheidungsträger ansässig sind (sog. „significant peoples functions“)51. 2. Zuordnungsfragen bei einzelnen Wirtschaftsgütern a) Materielle Wirtschaftsgüter Für materielle Wirtschaftsgüter ist die Zuordnungsfrage in den meisten Fällen entsprechend der körperlichen Belegenheit recht eindeutig zu beantworten; die Problematik der Zentralfunktion des Stammhauses stellt sich grundsätzlich nicht. Die Zuordnung richtet sich nach dem oben beschriebenen Funktionszusammenhang. Wird neben dem Satzungssitz nur der Ort der Geschäftsleitung der SE in das Ausland verlegt und verbleibt der „Betrieb“ (z. B. die Produktion und der Vertrieb) als solcher im Inland, sind die materiellen Wirtschaftsgüter regelmäßig der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen. Soweit einzelne materielle Wirtschaftsgüter in das Ausland verbracht und dort im
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48 Vgl. Blumers, DB 2007, 312; Kessler/Jehl in IWB, Gruppe 2, 1977; Ditz in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, S. 199; Strunk/Kaminski, IStR 2001, 163; Kinzl, IStR 2005, 693. 49 Vgl. „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ der OECD vom 17.7.2008 (www.oecd.org/dataoecd/20/36/41031455.pdf). Zur weiteren Aktualisierung der Betriebsstättengewinnermittlung hat die OECD am 7.7.2008 einen weiteren Diskussionsentwurf „Discussion draft on a new Article 7 (Business Profits) of the OECD Model Tax Convention“ veröffentlicht (abrufbar unter http://www.oecd.org/ dataoecd/37/8/40974117.pdf). 50 Vgl. OECD Report, a. a. O. – B-3 (ii), S. 15; C-1 (ii), S. 25. 51 Vgl. OECD-Report, a. a. O. – B-3 (ii), S. 15.
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Stammhaus benutzt werden (z. B. Betriebs- und Geschäftsausstattung, Fuhrpark etc.), sind diese allerdings dem Stammhaus zuzurechnen. b) Betriebsgrundstücke Bei Grundstücken stellt sich die Zuordnungsproblematik regelmäßig nicht. Inländisches Immobilienvermögen der SE bleibt bei einem Wegzug grundsätzlich steuerverstrickt. Bei einer Veräußerung eines deutschen Grundstücks ist die SE wegen § 49 Abs. 1 Nr. 2 f. i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG immer beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht wird Deutschland regelmäßig auch nach den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen zugewiesen (vgl. Art. 6 OECD-MA) und ist auch nicht beschränkt. Selbst wenn das Grundstück nicht Teil eines inländischen Gewerbebetriebs ist (z. B. weil die SE ein reines Vermietungsunternehmen betreibt) und die Erträge aus dem Immobilienvermögen deshalb nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegen52, sollte dies grundsätzlich nicht zu einer Entstrickung nach § 12 Abs. 1 KStG führen. Zum einen enthält § 12 Abs. 1 KStG (ebenso wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) für diesen Fall keinen isolierten gewerbesteuerlichen Realisierungstatbestand53. Wenn in diesen Vorschriften von einem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland die Rede ist, dann bezieht sich dies nur auf die Körperschaftsteuer bzw. auf die Einkommensteuer, da die Gewerbesteuer nicht der Bundesrepublik, sondern den Gemeinden und Städten zusteht54. Zum anderen erfüllt nach der Gesetzesbegründung die bloße Nichtausübung eines Besteuerungsrechts durch Deutschland nicht den Tatbestand „Ausschluss bzw. Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts“55. Insoweit ist der Vorgang mit der Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem gewerblichen Unternehmen in ein nicht der Gewerbesteuer unterliegendes Betriebsvermögen vergleichbar. Dieser Vorgang löst aber nicht die Anwendung des § 12 Abs. 1 KStG aus56. c) Beteiligungen Wie oben dargestellt, sind Beteiligungen (an anderen Unternehmen) nach der Verwaltungsmeinung grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Beteiligungen in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit stehen57. Voraussetzung ist, dass die aus der Beteiligung erzielten Erträge nach der Verkehrsauffassung zumindest Nebenerträge der aktiven Betriebsstätten-
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52 Das bloße Halten von Immobilien durch eine ausländische Gesellschaft begründet per se keine inländische Betriebsstätte; vgl. BFH v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; Abschnitt 22 Abs. 4 Satz 7 GewStR 1998. 53 Benecke/Schnitger, IStR 2006, 766; Schönherr/Lemaitre, GmbHR 2006, 567. 54 Wassermeyer, IStR 2008, 178. 55 BT-Drucks. 16/2710, 31. 56 Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 47. 57 Demgegenüber will Kinzl aus europarechtlicher Sicht auf eine rechtliche Zuordnung abstellen, vgl. Kinzl, IStR 2005, 693.
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tätigkeit darstellen58. Die Tatsache, dass eine Beteiligung das Betriebsstättenvermögen mehrt bzw. verstärkt, reicht für die tatsächliche Zugehörigkeit allein nicht aus. Voraussetzung für die Zurechnung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zur Betriebsstätte ist, dass die Beteiligung der Betriebsstätte dient und zu ihrem Betriebsergebnis beiträgt59. Es ist also festzustellen, ob die Beteiligung ihrer Substanz nach und nicht nur nach ihrer äußeren Form zur Betriebsstätte gehört60. Ähnlich wie bei wesentlichen Betriebsgrundlagen des nationalen Steuerrechts kommt es bei der tatsächlichen Zuordnung einer Beteiligung zum Betriebsstättenvermögen auf ein wirtschaftliches Abhängigkeits- oder wenigstens Unterstützungsverhältnis zwischen dem Geschäftszweck der Betriebsstätte und dem Betrieb der Kapitalgesellschaft an, über deren Anteile hinsichtlich der Zuordnung zum Betriebsstättenvermögen zu entscheiden ist61. Eine wirtschaftliche Verknüpfung kann sich nach diesen Grundsätzen beispielsweise dadurch ergeben, dass die (Tochter-) Gesellschaft, deren Anteile die SE hält, exklusiv den Vertrieb der Wirtschaftsgüter übernimmt, die in einer in Deutschland zurückbleibenden Betriebsstätte der SE hergestellt werden. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft eine Beschaffungs- oder Einkaufskapitalgesellschaft der Betriebsstätte ist. Verlegt eine Holding-SE ihren Sitz in das Ausland, stellt sich die Frage, ob die Beteiligungen einer inländischen Holdingbetriebsstätte zugeordnet werden können. Bei entsprechender personeller und finanzieller Ausstattung kann eine inländische Niederlassung der SE Holdingaktivitäten ausüben, die dazu führen, dass zwischen der inländischen Betriebsstätte und den entsprechenden Beteiligungen ein funktionaler Zusammenhang besteht und die Beteiligungen steuerlich dem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung scheint der Möglichkeit einer Holding-Betriebsstätte kritisch gegenüberzustehen. Nach den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen ist zweifelhaft, ob der Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion, eine Holdingfunktion oder eine Lizenzgeberfunktion zugeordnet werden kann62. Demgegenüber erkennt die jüngste BFH-Rechtsprechung eine Holding-Betriebsstätte als solche an63. In früheren Entscheidung hatte der BFH64 noch generelle Zweifel
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58 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 59 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz. 133, der diese Voraussetzungen BFH-Entscheidungen entnimmt, die zur Zuordnung von Darlehensforderungen ergangen sind, diese Grundsätze aber wohl auch für die Zuordnung von Beteiligungen anwenden will. 60 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz. 132. 61 Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 647. 62 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 4.4.3. 63 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, IStR 2008, 367. In dieser Entscheidung hat der BFH zwar eine Zuordnung der Beteiligung zur Betriebsstätte abgelehnt, aber in den Urteilsgründen ausgeführt, dass nicht vorgetragen wurde, „dass (der ausländischen Personengesellschaft) neben dem Stammhaus bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen Auslands-Vertriebsgesellschaften übertragen worden wären, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen“ … „rechtfertigen könnten“. 64 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771.
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geäußert, inwieweit Kapitalgesellschaftsbeteiligungen für abkommensrechtliche Zwecke einer geschäftsleitend tätigen Holdingbetriebsstätte zugeordnet werden können. Inzwischen ist anerkannt, dass Kapitalgesellschaftsbeteiligungen unter Veranlassungsgesichtspunkten sehr wohl einer Betriebsstätte funktional zugeordnet werden können, wenn die Betriebsstätte in Bezug auf die Beteiligungen eine geschäftsleitende Funktion wahrnimmt und damit eine aktive Vermögensverwaltung ausübt65. d) Finanzmittel In den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Finanzmittel in der Regel dem Stammhaus zuzuordnen sind. Üblicherweise sind in den Finanzmitteln keine wesentlichen stillen Reserven enthalten, so dass die Frage der Zuordnung in der Praxis eher von untergeordneter Bedeutung ist. Grundsätzlich stellen sich bei Finanzmitteln ähnliche Fragen wie bei der Zuordnung von Beteiligungen. Im Wesentlichen sind die dort aufgezeigten Grundsätze entsprechend anwendbar. Es muss geprüft werden, ob z. B. eine Kapitalforderung ihrer Substanz nach und nicht nur nach ihrer äußeren Form zur Betriebsstätte gehört66. Ein funktionaler Zusammenhang dürfte insbesondere bezüglich der Finanzmittel bestehen, die für den Geschäftsbetrieb der Betriebsstätte nötig sind und auch tatsächlich verwendet werden. Eine Besonderheit besteht bei einer geschäftsleitenden (Holding-)Betriebsstätte. Wenn eine inländische Betriebsstätte geschäftsleitende Funktionen übernimmt, die Finanzierungstätigkeiten der Gruppe aktiv aus Deutschland steuert und die Ausleihungen aus der Betriebsstätte heraus vorgenommen werden, sind die entsprechenden Forderungen (und damit auch die Zinserträge) der inländischen Betriebsstätte zwingend zuzuordnen67. e) Goodwill und andere immaterielle Wirtschaftsgüter Besondere Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter, insbesondere wenn sie nicht entgeltlich erworben wurden. Auch hier gilt aber der Grundsatz der funktionellen Betrachtungsweise. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wie Produktions-Know-how und ggf. auch Patenten ist es regelmäßig noch einfach möglich, sie den Unternehmensteilen zuzuordnen, in denen sie genutzt werden. Das Gleiche dürfte für einen Kundenstamm gelten. Weitaus schwieriger ist indes die Zuordnung eines Geschäfts- oder Firmenwerts. Meines Erachtens wäre es nicht sachgerecht, den Goodwill immer dem Stammhaus zuzurechnen. Dies scheint auch der Gesetzgeber so zu sehen, der für die Regelungen der Zinsschranke den Firmenwert eines Konzerns auf verschiedene Betriebsteile zuordnet (vgl. § 4h Abs. 2 Buchst. c) Satz 5
__________ 65 So auch Schönfeld, IStR 2008, 371. 66 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rz. 108. 67 A. A. die Finanzverwaltung, BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 4.4.3.
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EStG). Im Falle einer Holdingbetriebsstätte dürften die wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter üblicherweise den Tochtergesellschaften zuzuordnen sein.
V. Keine Entstrickung trotz Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum ausländischen Stammhaus 1. Hintergrund Mit einem Grundsatzurteil vom 17.7.2008 hat der BFH die Theorie der finalen Entnahme aufgegeben68. Der Fall betraf die Überführung eines Wirtschaftsguts auf eine ausländische Personengesellschaft. Obwohl das Urteil zur Rechtslage 1995 ergangen und inzwischen die Entstrickung gesetzlich verankert ist, lassen die Ausführungen des BFH erhebliche Zweifel aufkommen, ob die aktuellen Regelungen zur Entstrickung (insbesondere § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG, aber auch § 12 Abs. 1 KStG) die vom Gesetzgeber gewollte Sofortbesteuerung stiller Reserven bei Überführung von Wirtschaftsgütern in das Ausland erreichen69. Im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der SE geht es bezogen auf das Tatbestandsmerkmal „Ausschluss oder Beschränkung inländischen Besteuerungsrechts“ im Kern um die Beantwortung folgender Fragen: – Kommt es auf einen Ausschluss der bis zum Wegzug enthaltenen stillen Reserven oder auf den Ausschluss auch zukünftiger Wertsteigerungen an? Führt ggf. bereits die Änderung der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum ausländischen SE-Stammhaus dazu, dass inländisches Besteuerungssubstrat ausgeschlossen oder beschränkt wird? – Wenn es nur auf die während der inländischen Steuerpflicht entstandenen stillen Reserven ankommt, stellt sich die Anschlussfrage nach der (späteren) inländischen Besteuerung dieser stillen Reserven (in Bezug auf die in das Ausland „gewanderten“ Wirtschaftsgüter), d. h. es stellt sich die Frage nach der Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf Stammhaus und Betriebsstätte. 2. Verursachung des Verlusts bzw. der Beschränkung des Besteuerungsrechts nach § 12 Abs. 1 KStG Voraussetzung für die Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns ist nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 KStG, dass das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Regelung ist aus dem Wortlaut heraus nicht eindeutig; sie bedarf der Interpretation70. Dass es dem Gesetz-
__________ 68 Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme durch den BFH, BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001. 69 So Gosch, BFH/PR 2008, 499; Schneider/Oepen, FR 2009, 28; Roser, DStR 2008, 2389. 70 Wassermeyer, DB 2006, 1176 zum insoweit wortgleichen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; Wassermeyer, IStR 2008, 176 (180).
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geber darum ging, für sog. Überführungsfälle als Rechtsfolge eine Sofortbesteuerung stiller Reserven anzuordnen, spielt keine Rolle, wenn die Vorschrift dies nicht anordnet. Voraussetzung für die Entstrickung ist nämlich nicht die Überführung oder die Zuordnung von Wirtschaftsgütern, sondern ein rechtliches Ereignis, nämlich „Ausschluss oder Beschränkung“ des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland für Einnahmen aus der Veräußerung (bzw. Nutzung – wobei im Folgenden auf Nutzungsfälle nicht weiter eingegangen wird)71. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Frage nach Ausschluss/Beschränkung des Besteuerungsrechts anhand der abstrakten Gegebenheiten zu überprüfen ist72. Für die Frage, ob das Besteuerungsrecht eingeschränkt ist, ist nach dieser Ansicht auf eine fiktive Veräußerung in der Zukunft abzustellen73. Es ist unstreitig, dass Deutschland kein Besteuerungsrecht an denjenigen stillen Reserven zusteht, die nach der Zuordnung der entsprechenden Wirtschaftsgüter auf das Stammhaus im Ausland entstehen. Damit würde jede Änderung der Zuordnung von Wirtschaftgütern eine Entstrickung auslösen. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Auslegung liefern die Autoren aber nicht. Richtigerweise muss die Vorschrift – entgegen der vorgenannten Ansicht – dahingehend ausgelegt werden, dass nur eine Beschränkung des Besteuerungsrechts bezüglich der bis zur Sitzverlegung entstandenen stillen Reserven schädlich ist, also den Tatbestand des § 12 Abs. 1 KStG erfüllt74. Dass es nicht auf eine Beschränkung des Besteuerungsrechts bezüglich der zukünftigen stillen Reserven ankommen kann, zeigt sich vor allem daran, dass § 12 Abs. 1 KStG nur die stillen Reserven der Besteuerung unterwirft, die während der inländischen Steuerpflicht entstanden sind75. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Besteuerung der im Inland angewachsenen stillen Reserven sicherzustellen. Damit ist die rechtliche Sicherstellung des Besteuerungsrechts gemeint, also die Frage, ob nationales Recht und Doppelbesteuerungsabkommen die deutsche Besteuerung (nach Sitzverlegung) erlauben. Nicht gemeint ist Einschränkung der tatsächlichen (verwaltungsmäßigen) Sicherstellung der Besteuerung, z. B. weil die Finanzverwaltung Schwierigkeiten hat, sich die geeigneten Informationen aus dem EU-Ausland zu beschaffen76. Ansonsten hätte der Gesetzgeber von einer Beschränkung der Durchsetzbarkeit des Besteuerungsrechts sprechen müssen. Dies hat er aber nicht getan. Im Ergebnis dürfte die Regelung des § 12 Abs. 1 KStG im Sinne einer Sofortbesteuerung in vielen Fällen ins Leere laufen. So werden die Entstrickungsnormen nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH in der Literatur auch als „Tiger ohne Zähne“ bezeichnet77. Allerdings verbleibt (auch bei
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Schneider/Oepen, FR 2009, 28. Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 141 f. Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 144. Gleicher Ansicht zu dem insoweit wortgleichen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wohl Gosch, BFH/PR 2008, 500, Schneider/Oepen, FR 2009, 28 und Roser, DStR 2008, 2393. 75 So auch Wassermeyer, DB 2006, 1176. 76 Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 98. 77 Gosch, BFH/PR 2008, 500.
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einem Wegzugsfall) noch ein Anwendungsbereich der Vorschrift, nämlich wenn im Inland keine Betriebsstätte zurückbleibt und damit ein Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Inland fehlt78. In diesem Fall greift § 12 Abs. 1 KStG ein. 3. Aufteilung des Veräußerungsgewinns Die obige Auslegung des § 12 Abs. 1 KStG, wonach die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus noch keine fiktive Veräußerungsgewinnbesteuerung auslöst, bedeutet selbstverständlich nicht, dass Deutschland kein Besteuerungsrecht auf die bei Sitzverlegung vorhandenen stillen Reserven zusteht. Vielmehr ist bei tatsächlicher Realisierung der stillen Reserven (z. B. bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter im ausländischen Zuzugsstaat) der auf die in Deutschland verbleibende Betriebsstätte entfallende Gewinn bei dieser zu besteuern. Diese Theorie von der Aufteilung des Veräußerungsgewinns ist keineswegs neu79; durch die Aufgabe der (seit einiger Zeit kritisierten) finalen Entnahmetheorie durch den BFH wird sie aber in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. a) Aufteilung nach nationalem Recht Nach nationalem Recht ist bei der Ermittlung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte das Veranlassungsprinzip zu beachten. Zwar enthält das nationale Steuerrecht keine Vorschriften, die sich speziell mit der Betriebsstättengewinnermittlung beschäftigen80. Der Veranlassungszusammenhang lässt sich allerdings aus § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG ableiten81. In der Literatur wird die Betriebsstättengewinnermittlung aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften hergeleitet82. Auch das führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch hier das in § 4 Abs. 4 EStG verankerte Veranlassungsprinzip gilt. b) Besteuerungsrecht nach Doppelbesteuerungsabkommen aa) Literatur Nach der ganz herrschenden Meinung in der Literatur ist die Aufteilung der Einkünfte zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (wie im nationalen Recht) nach dem Veranlassungsprinzip vorzunehmen83. Die Zurechnung der Außenumsätze kann damit von der Zurechnung der Wirtschaftsgüter abweichen84.
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78 Ähnlich Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1180 zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. 79 Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 3.11; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 244. 80 Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1177). 81 BFH v. 20.7.1988, BStBl. II 1989, 140. 82 Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1177). 83 Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rn. D1169; Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 3.11; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 MA Rz. 244; a. A. nur Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76. 84 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 MA Rz. 242.
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Zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, ob ein bestimmter tatsächlich eingetretener Aufwand durch das Stammhaus oder durch die Betriebsstätte veranlasst ist. Bei Erträgen ist zu untersuchen, ob, selbst wenn diese tatsächlich durch das Stammhaus (oder Betriebsstätte) erzielt wurden, sie nicht (anteilsmäßig) durch eine Leistung des Stammhauses (bzw. der Betriebsstätte) veranlasst und deshalb dieser zuzurechnen sind85. bb) Rechtsprechung Der BFH ist der Rechtsauffassung der Literatur lange Zeit nicht in vollem Umfang gefolgt86. Frühere Rechtsprechung: In seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH in der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte eine gewinnverwirklichende Entnahme i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gesehen. Er hat dies damit begründet, dass nach den Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig die ausländischen Betriebsstättengewinne von der Besteuerung im Inland freigestellt sind (sog. Theorie der finalen Entnahme)87. Die frühere Rechtsprechung basierte im Wesentlichen auf der Überlegung, dass die stillen Reserven, die in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhen, nicht endgültig der (deutschen) Besteuerung entgehen dürften88. BFH, Urteil vom 17.7.2008: Im Urteil vom 17.7.2008 hat der BFH die Theorie der finalen Entnahme ausdrücklich aufgegeben. In Übereinstimmung mit der vorherrschenden Literaturmeinung vertritt der BFH nun die Auffassung89, dass der Veräußerungsgewinn eines Wirtschaftsguts zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen aufgeteilt werden kann. Das gewandelte Verständnis zur Aufteilung von Veräußerungsgewinnen nach DBA mache die Theorie der finalen Entnahme überflüssig. In dem entschiedenen Fall hatte eine inländische KG eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft eingelegt. Streitjahr war das Jahr 1995. Nach damaligem Recht (vor Einführung von § 6 Abs. 5 EStG durch das StEntlG 1999/2000/200290) wurde auf eine Gewinnverwirklichung aus Anlass der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen auf ein anderes verzichtet, sofern die künftige
__________ 85 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 MA Rz. 244 m. w. N. 86 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 MA Rz. 246 m. w. N. 87 Vgl. BFH v. 16.7.1969, I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509 = DStRE 1998, 627; ebenso noch BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 S 2241 - 231/77, Tz. 55. 88 Vgl. etwa BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630. 89 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001. 90 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304.
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Erfassung der stillen Reserven sichergestellt war. Vor diesem Hintergrund musste sich der BFH mit der Frage befassen, ob Deutschland auch nach der Überführung der Anteile in die ausländische KG das Besteuerungsrecht zusteht. Der BFH hat untersucht, ob das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland den Besteuerungszugriff auf die im Inland entstandenen stillen Reserven der Beteiligung entzieht. Nach Auffassung des BFH wird die (spätere) Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven durch eine Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne abkommensrechtlich nicht beeinträchtigt91. Der inländische Besteuerungszugriff auf Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), geht nach Auffassung des BFH bei Anwendung der Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) nur in jenem Umfang verloren, in dem das Vermögen der ausländischen Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen ist und in dem die realisierten Gewinne durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet wurden. Dies ergibt sich nach dem BFH aus Art. 7 Abs. 2 OECD-MA. Danach sollen der Betriebsstätte nur diejenigen Einkünfte zugewiesen werden, die sie als selbständiges Unternehmen durch eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter denselben oder ähnlichen Bedingungen und ohne jede Abhängigkeit von dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, erzielt hätte. Dieser Grundsatz ermöglicht abkommensrechtlich eine Aufteilung des künftigen Veräußerungsgewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen92 und lässt damit das Besteuerungsrecht des Stammhausstaats auf die dem Stammhaus zuzurechnenden Gewinnanteile unberührt. Der sofortige Besteuerungszugriff nach der Theorie der finalen Entnahme lässt sich nach Meinung des BFH entgegen der Auffassung des BMF nicht mit der von der OECD favorisierten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach dem „Functionally Separate Entity Approach“93 begründen, da der OECDAnsatz, wonach im Einheitsunternehmen Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen fingiert und beim Transfer von Wirtschaftsgütern im Ge-
__________ 91 So auch die nahezu einhellige Auffassung der Literatur, vgl. jeweils m. w. N. Schaumburg, Internationales Steuerrecht 2. Aufl. Rz. 18.44; Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 3.11; Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 7 Rz. 461; Schröder/Strunk in Mössner u. a., Rz. C 104; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz. D 3110, 3126, 3146; Kumpf/Roth in H/H/R, EStG, § 49 EStG Anm. 303; Kroppen in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Komm, MA Art. 7 Rz. 151 f.; Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (195, 203); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1482 f.; a. A. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rz. 661 unter Zitierung der aufgegebenen Rechtsprechung. 92 So auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 MA Rz. 242 ff.; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz. D 3110; Kolbe in H/H/R, Jahresband 2007, § 12 KStG Anm. J 06–15; Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (203); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483). 93 Vgl. „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ der OECD vom 17.7.2008 (www.oecd.org/dataoecd/20/36/41031455.pdf).
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samtunternehmen noch nicht erzielte Gewinne besteuert werden können, keine nationalen Steueransprüche begründen kann94. cc) Finanzverwaltung Auch die Finanzverwaltung ordnet in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen die Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen dem Stammhaus oder der Betriebsstätte grundsätzlich nach dem Veranlassungsprinzip zu95. Nach Ansicht der Finanzverwaltung enthalten die Doppelbesteuerungsabkommen keine besonderen Regelungen bezüglich der Zuordnung der Einkünfte96, so dass sich die Grundsätze der Zuordnung nach Abkommensrecht grundsätzlich nicht vom nationalen Recht unterscheiden. Darüber hinaus können für die Aufteilung der Einkünfte und des Vermögens zwischen in- und ausländischem Stammhaus keine allgemeinen Aussagen getroffen werden, sondern es sind grundsätzlich alle Umstände des Einzelfalls zu beachten. Allerdings wird der Grundsatz der Aufteilung der Einkünfte nach dem Veranlassungsprinzip von der Finanzverwaltung meines Erachtens nicht konsequent angewendet. Bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Überführung grundsätzlich eine Sofortbesteuerung auslöst, um die Besteuerung der stillen Reserven gewährleisten zu können. Bis zum Inkrafttreten des SEStEG war der Gewinn nur aus Billigkeitsgründen nicht zu versteuern (sondern konnte durch einen Passivposten bis zur Veräußerung des Wirtschaftsguts beim Anlagevermögen längstens für 10 Jahre neutralisiert werden). Somit scheint die Finanzverwaltung der zwischenzeitlich überholten Rechtsprechung des BFH der Theorie der finalen Entnahme zu folgen, die davon ausging, dass das Besteuerungsrecht aus einer Veräußerung nicht aufgeteilt werden konnte. Dabei stützten sich Vertreter der Finanzverwaltung auch auf die von dem OECD-Steuerausschuss vertretene Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte97. Danach sind Stammhaus und Betriebsstätte nach Möglichkeit so zu behandeln, als wären sie wirtschaftlich und rechtlich selbständige, voneinander unabhängige Unternehmen und die Außenumsätze wären nicht mehr verursachungsgerecht aufzuteilen. dd) OECD Die OECD hat in ihrem Bericht zur Betriebsstättengewinnermittlung festgestellt, dass stille Reserven bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Unternehmensteil in einen anderen Unternehmensteil aufgedeckt und dem abgebenden Unternehmensteil zugeordnet werden, da die Änderung einer
__________ 94 So auch Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStGD 3094 f.; Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (203); Kroppen, IStR 2005, 74 f.; Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/ Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 3.18. 95 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 2.2. 96 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 2.1 u. 2.2. 97 Mitschke, FR 2008, 1146.
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Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft
funktionalen Zuordnung eine anzuerkennende Innentransaktion darstellt98. Diese Aufdeckung stiller Reserven soll jedoch nur Bedeutung für die Ermittlung des zutreffenden Betriebsstättenergebnisses haben99. In Übereinstimmung mit der Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 stellt der Bericht fest, dass die Vertragsstaaten nach nationalem Steuerrecht zu entscheiden haben, ob und wann ein solcher (fiktiver) Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven zu versteuern ist100. Nach Auffassung der OECD bestimmen die Vertragsstaaten, ob diese Steuerfolgen bereits eintreten sollen, wenn ein Wirtschaftsgut das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats verlässt101. c) Auswirkung auf die Besteuerung bei Sitzverlegung Der Grundsatz, wonach die Aufteilung der Einkünfte zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach dem Veranlassungsprinzip zu erfolgen hat, muss auch bei Veräußerung des Wirtschaftsguts durch das SE-Stammhaus im Anschluss an eine Sitzverlegung Anwendung finden102. Bei tatsächlicher Veräußerung durch das ausländische SE-Stammhaus ist ein daraus resultierender Gewinn, der anteilsmäßig durch eine Leistung der Betriebsstätte veranlasst ist, dieser zuzurechnen. Die stillen Reserven, die bis zum Wegzug der deutschen SE entstanden sind, wurden ausschließlich im Inland erwirtschaftet, da vor dem Wegzug diesbezüglich ein rein nationaler Sachverhalt vorliegt. Sie unterliegen damit bei Veräußerung des Wirtschaftsguts der beschränkten Steuerpflicht im Inland. Auch nach der abkommensrechtlichen Gewinnverteilung kann nichts anderes gelten. Meines Erachtens kann nichts anderes gelten, selbst wenn in § 7 Abs. 2 OECD-MA eine Selbständigkeits- oder Unabhängigkeitsfiktion verankert ist. In diesem Fall ist zwar für Zwecke der Aufteilung des Gewinns im Rahmen der tatsächlichen Aufteilung eine fiktive Veräußerung im Überführungszeitpunkt anzunehmen. Dadurch wird jedoch die beschränkte Steuerpflicht regelmäßig nicht durch Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt. Auch wenn der Gesetzgeber in Sitzverlegungsfällen (genauso wie bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte103) eine Sofortbesteuerung wollte, hat er dies meines Erachtens nicht erreicht. Es bedarf wenig Phantasie, um sich auszumalen, dass international unabgestimmte Besteuerungsgrundsätze der Aufteilung stiller Reserven erhebliche
__________
98 Vgl. OECD-Report – D-3 (iv), S. 58 f. 99 Vgl. OECD-Report, D-2, (vi), S. 53. 100 Vgl. OECD-Report – C-1 (ii), S. 25, Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008, Nr. 21 f., S. 124. 101 Vgl. Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008, Nr. 22, S. 124. 102 So auch Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rn. D1162; Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, IStR 2008, 176, 180; a. A. wohl Koch, BB 2008, 2450, der die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie nach aktuell geltendem Recht für überholt ansieht, da bei grenzüberschreitenden Überführungen von Einzelwirtschaftsgütern der durch das SEStEG eingefügte Entstrickungstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Platz greifen könnte. 103 Schneider/Oepen, FR 2009, 28.
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praktische Probleme bereiten werden und das Risiko von Doppel- und Minderbesteuerungen beinhalten. Daneben dürfte es im administrativen Bereich zu erheblichen Schwierigkeiten kommen.
VI. EU-konforme Auslegung der Entstrickungsnorm Die europarechtliche Problematik der sofortigen Besteuerung eines etwaigen entstehenden Entstrickungsgewinns bei Sitzverlegung (insbesondere im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG) ist bereits Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen und soll an dieser Stelle nicht vertieft behandelt werden. Es ist zu erwarten, dass die Frage eines Tages vom EuGH geklärt wird. Entsprechende Fälle sind bereits bei nationalen Gerichten anhängig. So hat das FG Rheinland-Pfalz eine Sofortversteuerung der stillen Reserven bei Wegzug (einer natürlichen Person) als nicht mit der im EG-Vertrag normierten Niederlassungsfreiheit vereinbar angesehen104. Nach überwiegender Meinung sind die Grundsätze in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant105, welche den Wegzug einer Privatperson von Frankreich nach Belgien (und damit die französische Wegzugsbesteuerung) betraf, auf den betrieblichen Bereich übertragbar106. Danach bestehen gegen eine Vermögenszuwachsbesteuerung europarechtliche Bedenken. Nach der Entscheidung dürfte bei einer Betriebsverlagerung in das EU-Ausland nur der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn besteuert werden. Bei einer Besteuerung anlässlich der Sitzverlegung oder des Wegzugs ist die Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem rein nationalen Sachverhalt offensichtlich, da der Umzug innerhalb Deutschlands besser behandelt wird (keine Besteuerung) als ein entsprechender Umzug ins Ausland. Ob diese Benachteiligungen im Hinblick auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel ausnahmsweise zugelassen werden könnten, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Der EuGH wird die Rechtfertigungsgründe für die Benachteiligung zu prüfen haben. Es spricht einiges dafür, dass eine EU-konforme Auslegung der Entstrickungsnorm durch Stundung (wie sie § 6 AStG bei Wegzug natürlicher Personen für im Privatvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften vorsieht) als milderes Mittel zu erreichen ist. Der im Regierungsentwurf zum SEStEG enthaltene Hinweis, wonach die Sofortbesteuerung im Vergleich zur Stundungslösung lediglich zu Liquiditätseffekten führt, die sich über die Lebensdauer des Wirtschaftsguts wieder ausgleichen, überzeugt nicht, weil gerade der Liquiditätseffekt die Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ausmacht; zudem gibt es Fälle, in denen die Sofortbesteuerung nicht vorhandene Werte der Besteuerung unterwirft, etwa beim
__________ 104 FG Rh.-Pf. v. 17.1.2008 – 4 K 1347/03, EFG 2008, 680 = DStRE 2008, 1056. 105 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02, GmbHR 2004, 504. 106 Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rz. 61; Rödder, IStR 2005, 297; Schönherr/Lemaitre, GmbHR 2006, 561 (563); Thömmes/Schulz/Eismayr/Müller, IWB, Fach 11 Gruppe 2, 747 (759); Blumenberg/Lechner in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 68.
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Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft
Untergang des Wirtschaftsguts nach Überführung ins Ausland107. Wenig überzeugend ist auch die Begründung, dass eine Steuerstundungslösung vor dem Hintergrund des Harmonisierungsstandes der direkten Besteuerung in der Europäischen Union nicht zu administrieren sei, denn regelmäßig dürfte es bei den Unternehmen liegen, die Voraussetzungen für eine Steuerstundung nachzuweisen. Gleiches gilt für das Argument, dass die effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Beitreibung von Steuerforderungen und im Rahmen der gegenseitigen Amtshilfe nicht erreicht sei108. Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass der EuGH in einigen jüngeren Entscheidungen zu den direkten Steuern unter Kohärenzgesichtspunkten Rücksicht auf fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten genommen hat. In den Rechtssachen Marks & Spencer109, Lidl Belgium110 und Krankenheim Wannsee111 zur Verlustberücksichtigung über die Grenze hat sich der EuGH von Liquiditätsnachteilen nicht sonderlich beeindrucken lassen, obgleich diese für die Praxis eine ganz erhebliche Benachteiligung darstellen. Es bleibt wieder einmal nichts anderes als das übliche Abwarten übrig.
VII. Zusammenfassung Im Zusammenhang mit der Sitzverlegung einer inländischen SE in einen anderen Mitgliedstaat sind zentrale steuerliche Fragen auch nach Inkrafttreten des SEStEG ungeklärt. Die in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen enthaltenen Regelungen über die Zuordnung von Wirtschaftsgütern auf Stammhaus und Betriebsstätte bedürfen der Überarbeitung. Vor allem der darin enthaltene Grundsatz der Zentralfunktion des Stammhauses, dem bestimmte Wirtschaftsgüter stets zuzuordnen sind, ist überholt. Vor dem Hintergrund der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch die jüngste BFH-Rechtsprechung erscheint überdies fraglich, ob die Entstrickungsregelung des § 12 KStG die vom Gesetzgeber gewollte Sofortbesteuerung bewirkt, wenn Wirtschaftsgüter nicht mehr dem inländischen Unternehmensteil, sondern dem ausländischen SE-Stammhaus zuzuordnen sind. Vieles spricht dafür, dass die Entstrickungsregelung zu kurz greift. Der Gesetzgeber wird nicht umhin kommen, hier erneut tätig zu werden. Über all dem schwebt die ungeklärte Frage nach der europarechtlichen Vereinbarkeit der Entstrickungsregelung.
__________ 107 108 109 110 111
Vgl. Rödder, IStR 2005, 297. BT-Drucks. 16/2710, 26. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19, Rz. 55. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, DStR 2008, 1030, Rz. 54. EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Wannsee, IStR 2008, 769, Rz. 55.
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Gottfried E. Breuninger
Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Die Auffassung der Finanzverwaltung 1. Stammhaus als Geschäftsleitungsbetriebsstätte 2. Das Prinzip der „Zentralfunktion des Stammhauses“ 3. Die Vermutungswirkung der „Zentralfunktion des Stammhauses“ III. Die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung 1. Die Grundkonstellation 2. Automatische Gewinnrealisierung aufgrund einer „Zentralfunktion des Stammhauses“ anzunehmen? 3. Organisationsstruktur nach der Verschmelzung entscheidend a) Keine Entstrickung zum Verschmelzungsstichtag aa) Keine rückwirkende Änderung der Corporate Governance bb) Zum Umwandlungsstichtag mindestens zwei Orte der Geschäftsleitung cc) Zwischenergebnis b) Entstrickungsszenarien nach dem Verschmelzungsstichtag 4. Unternehmensstrukturen und die „Zentralfunktion des Stammhauses“ a) Stammhaus – Betriebsstätte
b) Holdingführungskonzepte c) Realität der Unternehmensstrukturen rechtfertigt keine „generelle Zentralfunktion des Stammhauses“ IV. Anwendung auf grenzüberschreitende Umstrukturierungen 1. Keine Anwendung des Zentralfunktionsgrundsatzes der Finanzverwaltung 2. Allokation eines Geschäfts- oder Firmenwertes oder Kundenstammes a) Entstrickung eines Geschäftswertes oder Kundenstammes? b) Geltung allgemeiner Grundsätze für die Zurechnung des Kundenstammes oder Geschäfts- und Firmenwertes zur Betriebsstätte c) Zuordnung des Geschäftswertes und eines Kundenstammes zur Betriebsstätte möglich 3. Zuordnung von Beteiligungen a) Das Problem b) Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung von Beteiligungen c) Keine Grundlage für „Zentralfunktion des Stammhauses“ V. Resümee
I. Problemstellung Durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEStEG) wurden steuerrechtliche Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften1
__________
1 Zur Begrenzung auf EU-/EWR-Kapitalgesellschaften vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG i. V. m. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG.
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Gottfried E. Breuninger
eingeführt. Allerdings kann die Verschmelzung einer deutschen auf eine EU-/ EWR Kapitalgesellschaft nur insoweit steuerneutral erfolgen, wie das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der im Wege der Verschmelzung übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird2. Eine Beschränkung oder ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts ist nicht gegeben, wenn das jeweilige Wirtschaftsgut weiterhin einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Im Zusammenhang mit sog. Hinausverschmelzungen wird in der Literatur von zahlreichen Autoren3 darauf verwiesen, dass aufgrund der von der Finanzverwaltung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern angenommenen „Zentralfunktion des Stammhauses“ trotz des Fortbestehens einer deutschen Betriebsstätte eine Entstrickung bislang in Deutschland steuerverstrickter Wirtschaftsgüter droht. Als relevante Wirtschaftsgüter werden insbesondere Beteiligungen, Patente und der Goodwill der verschmolzenen deutschen Gesellschaft genannt. Die immanente Gefahr einer Entstrickung infolge der „Zentralfunktion des Stammhauses“ führt in der Transaktionsberatung zu einer erheblichen Unsicherheit. Käme es tatsächlich zu einer solchen Entstrickung, würde dies vielfach einen „Dealbreaker“ für eine solche Verschmelzung darstellen, da eine erhebliche Steuerzahlung ohne entsprechenden Liquiditätszufluss ausgelöst werden würde. Nachfolgend soll die „Zentralfunktion des Stammhauses“ und das damit einhergehende Entstrickungsrisiko einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Es ist sehr angebracht, dies zu Ehren des Jubilars Harald Schaumburg zu tun, der das internationale Steuerrecht immer in das Zentrum seines beruflichen Wirkens gestellt hat.
II. Die Auffassung der Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung geht im Betriebsstättenerlass v. 24.12.19994 („Betriebsstättenerlass“) von der Struktur in-/ausländisches Stammhaus einerseits und aus-/inländische Betriebsstätte andererseits aus. 1. Stammhaus als Geschäftsleitungsbetriebsstätte Dabei ist das Stammhaus als die Betriebsstätte definiert, bei der sich die geschäftliche Oberleitung befindet5:
__________ 2 Vgl. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG, vgl. zu den politischen Anstrengungen zur Sicherung der Steuerbasis in Deutschland durch das SEStEG Nawrath, DStR 2009, 2 (3). 3 Vgl. Klingberg in PWC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Stuttgart 2007, Rz. 1279; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Köln 2008, § 11 Rz. 127, 122; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 11 UmwStG Rz. 107; Kessler/Jehl, IWB, Gruppe 2 Fach 10, S. 1977 (1981). 4 BMF, Schr. v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. 5 Vgl. zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte, Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/ Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Köln 2005, Rz. 10.1 ff.
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Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen „Der Gewinn der inländischen bzw. ausländischen Betriebsstätte ist nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Bei der Anwendung der nachfolgenden Grundsätze für die Aufteilung der Einkünfte und des Vermögens zwischen in-/ausländischem Stammhaus (Betriebsstätte, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet) und aus-/inländischer Betriebsstätte sind alle Umstände des Einzelfalls zu beachten; dazu gehören besondere Verhältnisse, die z. B. in der Struktur der Märkte und des Unternehmens oder in bestehenden Handelsbräuchen begründet sind“ (BSt.-Erlass Tz. 2.1).
Aufbauend auf der Unterscheidung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte konstituiert das BMF-Schreiben die Zentralfunktion des Stammhauses. 2. Das Prinzip der „Zentralfunktion des Stammhauses“ Zur Aufteilung der Wirtschaftsgüter zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist im Betriebsstättenerlass v. 24.12.1999 Folgendes ausgeführt „Wenn die Wirtschaftsgüter die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des Stammhauses als auch einer Betriebsstätte erfüllen, hängt es entscheidend vom erkennbaren Willen der Geschäftsleitung ab, welchem Betriebsvermögen sie zuzuordnen sind (BFH vom 1.4.1987, BStBl. II S. 550); der buchmäßige Ausweis kann nur Indiz, nicht Voraussetzung der Zuordnung sein (BFH vom 29.7.1992, BStBl. II 1993, 63). Durch diese Wirtschaftsgüter ggf. erwirtschaftete Erträge bzw. verursachte Aufwendungen sind entsprechend der tatsächlichen Nutzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen. Dies gilt auch beim Ausscheiden dieser Wirtschaftsgüter.“
Sodann heißt es zur „Zentralfunktion des Stammhauses“: „Bei der Zuordnung ist die Zentralfunktion des Stammhauses zu beachten. Dem Stammhaus sind deshalb in der Regel zuzurechnen a) das Halten der dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel und b) Beteiligungen, wenn sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen (BFH vom 30.8.1995, BStBl. II 1996, 563).“
3. Die Vermutungswirkung der „Zentralfunktion des Stammhauses“ Der Erlass ordnet somit eine Zuordnungsregel für den Normalfall an („in der Regel“). Danach wird die grundsätzlich freie Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu Stammhaus oder Betriebsstätte entscheidend durch das Prinzip der „Zentralfunktion des Stammhauses“ durchbrochen. Für Beteiligungen soll die „Zentralfunktion des Stammhauses“ maßgeblich sein, wenn sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen. Der Begriff der Zentralfunktion ist im Erlass nicht definiert. Gemeint ist im Grundsatz aber wohl, dass der Geschäftsleitungsbetriebsstätte als Stammhaus eine das ganze Unternehmen betreffende – über die einzelne Betriebsstätte hinausgehende – Funktion zuzuordnen ist6. Dieser Funktion dienende Wirtschaftsgüter sind dann entsprechend dem Stammhaus zuzuordnen. Welche
__________ 6 Vgl. hierzu ausführlicher in Bezug auf Zentralbereiche unten III.4.a).
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Gottfried E. Breuninger
Bereiche genau der Zentralfunktion unterfallen sollen, bleibt unklar. Runge, der „Vater“ des Betriebsstättenerlasses, verweist darauf, dass in der Betriebswirtschaftslehre deutliche Vorstellungen darüber bestünden, was eine Zentralfunktion sei7. In der Literatur wird die von der Finanzverwaltung konstituierte Zentralfunktion des Stammhauses dahingehend verstanden, dass der Betriebsstätte faktisch eine Finanzierungs-, Holding- und/oder eine Lizenzgeberfunktion verboten sein soll8. Ähnliches soll für immaterielle Wirtschaftsgüter gelten, so dass z. B. der Goodwill eines Unternehmens zwingend dem Stammhaus zuzurechnen wäre9. Dieses Verständnis von der Zentralfunktion wird gestützt durch frühere Äußerungen von Runge, indem er ausgeführt hat10: „Finanzmittel und Beteiligungen gehören grundsätzlich zum Stammhaus und nicht zur Betriebsstätte. Anderenfalls könnte eine Betriebsstätte stets zu einem Finanzierungsinstrument oder einer Holding umfunktioniert werden, und das wollen wir nicht.“
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die bloße Bestimmung der Geschäftleitungsbetriebsstätte als „Stammhaus“ die Zuordnung bestimmter Wirtschaftsgüter zum „Stammhaus“ unter dem Gesichtspunkt der Zentralfunktion rechtfertigen kann. Dabei ist bereits der Ausgangspunkt der Finanzverwaltung zweifelhaft, da der Begriff des Stammhauses im internationalen Steuerrecht nicht definiert ist11.
III. Die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung Zu untersuchen ist, was im Fall der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung aus der Anwendung der Zentralfunktion des Stammhauses folgen könnte. 1. Die Grundkonstellation Hierzu soll folgender Fall angenommen werden: Das deutsche Stammhausunternehmen X-AG mit Sitz in Frankfurt ist im Bereich der Textiltechnik tätig. Die X-AG hält eine Vielzahl von Beteiligungen und Patenten, welche durch die Zentrale in Frankfurt verwaltet werden. In Frankfurt ist auch das größte Werk der X-AG. Die X-AG beabsichtigt, sich mit der französischen H-S.A., welche im gleichen Bereich tätig ist, zusammen zu schließen. Die Transaktion soll durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung der X-AG auf die H-S.A., die gleichzeitig in eine Europäische Aktiengesellschaft (S.E.) formgewechselt werden soll, auf der Grundlage einer Verschmelzungsbilanz auf den 31.12.2008 erfolgen. Die Anmeldung der Verschmelzung erfolgt am 30.6.2009, die letzte relevante Eintragung soll am
__________ 7 Vgl. Runge in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 135. 8 Vgl. Kessler/Jehl, a. a. O.; Blumers, DB 2007, 312 (313); Kessler/Huck, IStR 2006, 433 (436); 9 Vgl. Kessler/Jehl, a. a. O. 10 Vgl. Runge, a. a. O. 11 Vgl. hierzu Frotscher in Gedächtnisschrift für Krüger, 95 ff.
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Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen
30.9.2009 stattfinden. Nach der Verschmelzung der X-AG auf die H-S.E. wird der bisherige Betrieb der X-AG nur noch eine oder mehrere Betriebsstätten der H-S.E. darstellen. Der Sachverhalt lässt sich wie folgt darstellen: Frankreich
H-S.A.
Verschmelzung
Deutschland
X-AG
Patente
Y-GmbH
2. Automatische Gewinnrealisierung aufgrund einer „Zentralfunktion des Stammhauses“ anzunehmen? Die Kernfrage ist, ob die Verschmelzung aus der Sicht des deutschen Steuerrechts erfolgsneutral oder mit einer Gewinnrealisierung verbunden ist. Grundsätzlich stellt die Verschmelzung einen Rechtsträgerwechsel dar, der zu einer Realisierung der stillen Reserven führt. Unter den Voraussetzungen der §§ 11 ff. UmwStG kann die Verschmelzung aber auch steuerneutral durchgeführt werden. Dabei kommt es vorliegend gem. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG entscheidend darauf an, ob das deutsche Besteuerungsrecht „hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird“12. Vorliegend ist zu prüfen, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung verschiedener Wirtschaftsgüter der X-AG nach der Verschmelzung möglicherweise ausgeschlossen oder beschränkt ist, weil diese aufgrund des Zentralfunktionskonzeptes der Finanzverwaltung dem Stammhaus der H-S.E.13 zuzuordnen wären. Durch die Verschmelzung könnte
__________
12 Darüber hinaus wird diskutiert, ob es durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung auch zu einer Besteuerung gem. § 12 Abs. 5 UmwStG kommen kann, dies ist m. E. nicht der Fall, vgl. hierzu auch Schell, IStR 2008, 397. 13 Hinweis: Die Beteiligung der Arbeitnehmer richtet sich nach dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG). Danach ist ein sog. besonderes Verhandlungsgremium zu bilden (§§ 4 ff. SEBG). Dabei ist wesentliches Element der SE das Konzept der Arbeitsbeteiligung auf der Basis einer Vereinbarung, die zwischen den Unternehmensleitungen der beteiligten Gesellschaften und Vertretern der europäischen Arbeitnehmer über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (ggf. Verlängerung bis zu einem Jahr) zu verhandeln ist (vgl. hierzu Hemeling, Status:Recht, 04/2007, 129).
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es daher in Bezug auf die Beteiligungen der X-AG, die immateriellen Wirtschaftsgüter wie z. B. Patente und aber auch den Goodwill zu einer Entstrickung kommen. Genau diese Auffassung vertritt Dötsch14: „Nach dem Grundsatz der sog. Zentralfunktion des Stammhauses … erfolgt insbes. bei Beteiligungen, bei immateriellen WG, beim Geschäftswert sowie bei gemeinsamer Nutzung eines WG durch BetrSt und Stammhaus tendenziell eine Zuordnung zum (ausl) Stammhaus, was für die betr. WG eine Entstrickung nach § 12 KStG15 bedeutet“.
Dies würde regelmäßig zu einem tatsächlichen Unmöglichwerden der grenzüberschreitenden Verschmelzung führen, da eine erhebliche Steuerlast ohne liquiditätsrelevanten Zufluss eines Veräußerungsgewinnes entstehen würde. Die Fusionsrichtlinie würde im Ergebnis leer laufen16, obwohl die Besteuerung der stillen Reserven durch Zuordnung zur deutschen Betriebsstätte sichergestellt werden könnte. 3. Organisationsstruktur nach der Verschmelzung entscheidend Nach den oben dargestellten Grundsätzen der Finanzverwaltung kommt es für die Frage einer etwaigen Entstrickung maßgeblich darauf an, wo sich nach der Verschmelzung der Ort der Geschäftsleitung der fusionierten Kapitalgesellschaft befindet. Nur soweit sich dieser in Frankreich befindet, könnte es nach dem Konzept der „Zentralfunktion des Stammhauses“ zu einer Entstrickung in Deutschland kommen. Um sich mit der Frage der Entstrickung näher auseinanderzusetzen zu können, ist zunächst zu klären, was sich organisatorisch durch die Verschmelzung verändert. Es ist davon auszugehen, dass beide Unternehmen einen gemeinsamen Integrationsplan verabschieden werden, der auch eine gemeinsame Managementstruktur umfasst. Hierbei wäre es denkbar, dass für eine Übergangszeit zwei Leitungszentren – in Frankfurt und Paris – fortgeführt werden und erst später eine Entscheidung über den Sitz der Hauptverwaltung getroffen wird. a) Keine Entstrickung zum Verschmelzungsstichtag aa) Keine rückwirkende Änderung der Corporate Governance Grundsätzlich wäre für die Frage der Entstrickung auf den Umwandlungsstichtag – hier den 31.12.2008 – abzustellen. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG gilt das Vermögen der X-AG zum 31.12.2008 als auf die H-S.E. übergegangen. M. E. kann zu diesem Zeitpunkt aber keine Zuordnung bestimmter Wirtschaftsgüter zum „neuen Stammhaus“ der S.E. (am Sitz in Paris) aufgrund der Zen-
__________ 14 Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStR, 6. Aufl. 2007, § 11 Rz. 28 f. 15 Wie unten noch näher darzustellen ist, vertritt Dötsch die Auffassung, dass eine Entstrickung gem. 12 Abs. 1 KStG und nicht gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG erfolgt. 16 Vgl. zur europarechtlichen Problematik auch, Kessler/Huck, IStR 2006, 433 ff.; Kessler/Jehl, a. a. O., 1977; Schön in Schön/Schindler, Die SE im Steuerrecht, Köln 2008, Rz. 239 ff.; Rödder, a. a. O., § 11 Rz. 130.
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tralfunktion angenommen werden17. Denn die steuerrechtliche Rückwirkung führt gem. § 2 Abs. 1 UmwStG nur dazu, dass das Vermögen der übertragenden X-AG mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages als auf die H-S.E. übergegangen gilt. Der Gesetzgeber arbeitet insoweit mit einer Übertragungsfiktion. Tatsächlich bleibt die bisherige Corporate Governance der AG in Bezug auf die Frankfurter Betriebsstätte im Rückwirkungszeitraum unverändert. bb) Zum Umwandlungsstichtag mindestens zwei Orte der Geschäftsleitung Die im Rahmen des Konzeptes der Zentralfunktion maßgebliche geschäftliche Oberleitung der französischen Betriebsstätte kann nicht nachträglich begründet werden, da es bei der geschäftlichen Oberleitung auf tatsächliche Akte der handelnden Personen ankommt18. Da bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Eintragung der Verschmelzung zivilrechtlich zwei selbständige Unternehmen fortbestehen, muss es bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit steuerlicher Rückwirkung im Rückwirkungszeitraum zwingend mindestens zwei Orte der Geschäftsleitung geben. Denn die Geschäftsleitung für den deutschen Teil wurde im Rückwirkungszeitraum noch vom Vorstand der X-AG ausgeübt. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, nach der es im Zeitalter dezentraler Unternehmensleitungsstrukturen mehrere Orte der geschäftlichen Oberleitung nach § 10 AO geben kann. Nach der Rechtsprechung des BFH hat jedes Unternehmen mindestens einen Ort der geschäftlichen Oberleitung. Letztlich bestimmt sich nach den im Einzelfall von der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten, welche von Ihnen der Geschäftsleitung zuzuordnen sind und auf welche bei der Bestimmung des Ortes bzw. der Orte der Geschäftsleitung abzustellen ist. Dies schließt nicht aus, dass einzelne Geschäftsleitungstätigkeiten verschiedenen Mittelpunkten (Betriebsstätten) zuzurechnen sind19. Auch Dötsch20 nimmt als Entstrickungszeitpunkt nur in Ausnahmefällen den steuerlichen Übertragungszeitpunkt an. Vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt an, „zu dem der diese Rechte schaffende und betreuende Unternehmensteil (i. d. R. die Geschäftsleitung) tatsächlich ins Ausland verlegt wird“21. Zum in der Vergangenheit liegenden Umwandlungsstichtag ist dies auf keinen Fall möglich.
__________ 17 Gl. Ansicht, Schmitt, a. a. O., § 11 UmwStG, Rz. 108. 18 Unzutreffend insoweit Kessler/Jehl, a. a. O., S. 1981, als nach der Zentralfunktion schon gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG eine Steuerneutralität der Verschmelzung verneint wird. 19 BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, DStRE 1998, 233. 20 Dötsch, a. a. O., Tz. 29. 21 So auch Schmitt, a. a. O., § 11 UmwStG Rz. 108.
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cc) Zwischenergebnis Das bedeutet, dass zum Umwandlungsstichtag grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG erfüllt sind (denn zum Umwandlungsstichtag ist das deutsche Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt), so dass erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Entstrickung – dann gem. § 12 Abs. 1 KStG – in Betracht kommen könnte22. b) Entstrickungsszenarien nach dem Verschmelzungsstichtag Es ist davon auszugehen, dass es – im Einklang mit der zuvor dargestellten Rechtsprechung des BFH23 – möglich ist, auch nach Wirksamwerden der Verschmelzung zwei Orte der Geschäftsleitung fortzuführen. Im vorliegenden Fall wird zunächst die bisherige Leitungsstruktur innerhalb einer Integrationsphase fortgeführt werden, so dass von zwei Orten der geschäftlichen Oberleitung i. S. d. § 12 AO und ggf. auch zwei Orten der Leitung i. S. d. Art. 5 Abs. 2 a OECD MA auszugehen sein könnte, obwohl Sitz des Unternehmens Paris ist24. Unter diesen Voraussetzungen sollte auch nach Auffassung der Finanzverwaltung die Annahme einer Zentralfunktion des „Stammhauses“ in Paris für den Betrieb in Deutschland nicht gerechtfertigt sein. Eine automatische Entstrickung bestimmter Wirtschaftsgüter (wie z. B. Beteiligungen, Patente und ggf. Goodwill) sollte zumindest während der Beibehaltung der bisherigen Leitungsstrukturen nicht in Betracht kommen. Auch nach der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 OECD MA ist für eine abweichende Zuordnung der vorgenannten Wirtschaftsgüter auf der Grundlage der bisherigen Organisa-
__________ 22 Etwas könnte sich ggf. in Sonderfällen, wie z. B. einer GmbH ergeben, die nur eine 10 %ige Beteiligung ohne große Substanz hält. Wird diese GmbH grenzüberschreitend auf eine ausländische Kapitalgesellschaft verschmolzen und hat diese Gesellschaft gar keine Aktivitäten mehr in Deutschland, könnte schon eine Entstrickung zum Verschmelzungsstichtag gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG anzunehmen sein, da in diesem Fall die aufnehmende Kapitalgesellschaft schon gar keine Betriebsstätte in Deutschland begründen dürfte. 23 BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, DStRE 1998, 233 mit Anmerkung von sch. 24 In diesem Fall wäre wohl davon auszugehen, dass die H-S.E. auch in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, wegen der Geschäftsleitung in Deutschland; es käme für Zwecke der Anwendung des DBA auf den „Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung“ an, Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 c DBA Frankreich, wobei zu klären wäre, ob für die Zwecke der DBA-rechtlichen Ansässigkeit auch bei mehreren Orten der Geschäftsleitung die Lokalisierung an einem Ort (z. B. dem Sitz der Gesellschaft) möglich ist, vgl. Breuninger/Krüger in FS Rädler, S. 79 (103, 104); Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 4 Rz. 265 m. w. N.). Die h. M. geht davon aus, dass für Zwecke der Tie Breaker Rule des Art. 4 Abs. 3 OECD MA (entspricht Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 c DBA Frankreich) nur ein einziger Ort in Betracht kommt, der hier wohl Paris sein dürfte; dies schließt allerdings nicht aus, dass die Gesellschaft auch in Deutschland wegen des dortigen Ortes der Geschäftsleitung unbeschränkt steuerpflichtig ist.
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tionsstruktur kein Raum25. Somit sind die Wirtschaftsgüter der bisherigen AG der deutschen Betriebsstätte so zuzurechnen, wie wenn die Tätigkeit durch ein selbständiges Unternehmen ausgeübt worden wäre – genauso wie es bis zur Eintragung der Verschmelzung der Fall ist. Allein der Umstand, dass die Wirtschaftsgüter mit der Eintragung der Verschmelzung im zivilrechtlichen Eigentum der H-S.E. stehen (und somit Teil der neuen deutschen Betriebsstätte sind), kann nicht zu einem automatischen Zuordnungswechsel führen. Es wäre auch denkbar, dass auf Dauer eine solche dezentrale Leitungsstruktur implementiert wird. Würde im Laufe der Zeit die Leitungsstruktur hingegen so verändert werden, dass ein Ort der geschäftlichen Oberleitung nur noch in Paris besteht, da z. B. die Niederlassungsleiter an den Vorstand in Paris berichten, könnte nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl grundsätzlich von einer Entstrickung zumindest solcher Wirtschaftsgüter aufgrund der Zentralfunktion auszugehen sein, welche nicht eindeutig der deutschen Betriebsstätte aufgrund eines funktionalen Zusammenhangs zuzuordnen sind. Grundlage der Entstrickung wäre dann aber nicht § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG, sondern § 12 Abs. 1 S. 2 KStG26. Danach gilt es als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsgutes zum gemeinen Wert, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes ausgeschlossen oder beschränkt ist27. Fraglich ist, ob in diesem Fall ggf. ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG i. V. m. § 12 Abs. 1 KStG gebildet werden kann28, da § 4g EStG eine unbeschränkte Steuerpflicht voraussetzt29. Die Entscheidung des BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06: In diesem Fall hat aber die neue Entscheidung des BFH v. 17.7.2008 – I R 77/0630 Bedeutung. Der BFH hat darin die sog. „Theorie der finalen Entnahme“ aufgegeben, da sie im Gesetz keine hinreichende Grundlage finde und auf einer unzutreffenden Beurteilung der Abgrenzung zwischen den inländischen und ausländischen Einkünften und der Wirkung der abkommenrechtlichen Freistellung beruhe. Er führt aus, dass der inländische Besteuerungszugriff auf Gewinne nur in jenem Umfang verloren geht,
__________ 25 Vgl. zum „Functionally Separate Entity Approach“ im Hinblick auf die aufgegebene Theorie der finalen Entnahme BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001; dazu Roser, DStR 2008, 2389. 26 Anders als der frühere § 12 Abs. 1 KStG sollte die Neufassung durch das SEStEG auch beschränkt Steuerpflichtige erfassen. 27 Vgl. zu europarechtlichen Bedenken Schön, a. a. O., Rz. 150 ff.; Hahn, IStR 2006, 797; Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Köln 2008, Anhang 6 Rz. 91; Förster, DB 2007, 72 (75); Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1178). 28 Anders als bei einer Entstrickung gem. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG. 29 Vgl. Förster, DB 2007, 72 (75); Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, vor § 12 KStG Rz. 22; Schön, a. a. O., Rz. 149; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 Anm. J 07-4. 30 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001, vgl. dazu. Roser, DStR 2008, 2389; Mitschke, FR 2008, 1141; Schneider/Oepen, FR 2009, 22; Körner, IStR 2009, 1 (8); Wassermeyer, Status:Recht 2008, 376.
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Gottfried E. Breuninger „in dem das Vermögen der Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen ist und in dem die realisierten Gewinne durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet wurden. Deshalb fehlen jedenfalls nach der im Streitfall maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. d. F. des SEStEG sowohl eine Rechtsgrundlage als auch ein Bedürfnis dafür, die Überführung von Wirtschaftsgütern eines inländischen Unternehmens in dessen ausländische Betriebsstätte als Gewinnrealisierungstatbestand anzusehen.“31
Die Entscheidung wirft eine Vielzahl von offenen Fragen auf (insbesondere zur praktischen Verteilung der Besteuerungsrechte) und begründet möglicherweise deutsche Besteuerungsrechte bei Verbringung von Wirtschaftgütern in eine ausländische Betriebsstätte in der Vergangenheit. Roser32 folgert daraus, dass mindestens die 1. Alternative in § 4 Abs. 1 Satz 3, Alt. 1 EStG (Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechtes, entspricht § 12 Abs. 1 KStG) künftig nicht mehr erfüllt sein könnte. Würde vorliegend die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland durch das Bestehen eines Ortes der Geschäftsleitung aufrecht erhalten bleiben, könnte damit ggf. eine Entstrickung vermieden werden. Allerdings ist natürlich bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung eine Vielzahl von Konstellationen denkbar (DBA mit Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode) und es ist nicht geklärt, ob eine Entstrickung aus dem Gesichtspunkt der Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechtes weiterhin anzunehmen ist. In jedem Fall erscheinen die Entstrickungsregelungen in einem völlig neuen Licht; jegliche Steuerfestsetzung sollte insoweit offen gehalten werden. Auch ist derzeit völlig offen, wie die Finanzverwaltung die o. g. Entscheidung des BFH umsetzen wird, so dass zunächst für die Beratungspraxis von einem weiterhin bestehenden Risiko der Entstrickung auch in Fällen eines Fortbestehens einer unbeschränkten Steuerpflicht auszugehen ist. 4. Unternehmensstrukturen und die „Zentralfunktion des Stammhauses“ Wie zuvor dargestellt, beruht das Konzept der Zentralfunktion des Stammhauses auf der Annahme, dass bestimmte Funktionen, welche Bedeutung für das Gesamtunternehmen haben, bei der Geschäftsleitungsbetriebsstätte angesiedelt sind. Damit ist die Zentralfunktion letztlich eine Auslegungsregel bei der Bestimmung des Bestehens eines Veranlassungszusammenhangs i. S. v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG. Ob diese Auslegungsregel mit den tatsächlich bestehenden Unternehmensstrukturen vereinbar ist, soll nachfolgend kurz aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre untersucht werden.
__________ 31 BFH, a. a. O. 32 Roser, DStR 2008, 2389.
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a) Stammhaus – Betriebsstätte Der Betriebsstättenerlass definiert den Begriff „Stammhaus“ nicht näher33, sondern bei dem Stammhaus i. S. d. Betriebsstättenerlasses34 handelt es sich um die „Betriebsstätte, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet.“ Der Begriff „Stammhaus“ wird vielfach bei der Beschreibung herkömmlicher Unternehmensaufbaustrukturen i. S. einer funktionalen Organisation verwendet. Hierbei ist das Stammhaus der im Kerngeschäft tätige Unternehmensteil, bei dem üblicherweise die Unternehmensführung angesiedelt ist. Das Unternehmen ist im traditionellen Sinne nach Funktionen (also Einkauf, Verkauf, Rechungswesen, Beteiligungsverwaltung usw.) organisiert. Dem Erlassgeber wird sicherlich der Fall des Stammhausunternehmens vorgeschwebt haben, bei dem ein deutsches Unternehmen erstmalig eine Betriebsstätte in einem ausländischen Staat begründet (z. B. als Verkaufsstützpunkt). In diesem Fall befindet sich der Schwerpunkt weiterhin beim inländischen Stammhaus. Auch bei einem divisional organisierten Unternehmen35 (also einem Stammhaus mit mehreren Sparten oder Geschäftsbereichen) befinden sich regelmäßig auch beim Stammhaus angesiedelte Zentralfunktionen – allerdings oftmals in reduzierter Form, da Zentralabteilungen die Gewinnverantwortung der Geschäftsbereiche beschneiden36. Daher sind Zentralbereiche teilweise schon bei den einzelnen Sparten angesiedelt, so dass große Geschäftsbereiche auch Dienstleistungen in Bezug auf Zentralfunktionen an andere Sparten erbringen können. Unter Zentralbereichen versteht man üblicherweise die einzelnen Unternehmensteile übergreifende organisatorische Einheiten wie z. B. Finanzen, Einkauf, Verkauf, Forschung und Entwicklung, Recht und Steuern. Es geht also um Funktionen, die im Regelfall von allen Unternehmensteilen benötigt werden. Dabei gibt es eine Vielzahl von Erscheinungsformen von Zentralbereichen. Frese37 hat eine Typisierung von Strukturen von Zentralbereichen vorgenommen, bei der es ganz unterschiedliche Einflussmöglichkeiten
__________ 33 Vgl. Frotscher, a. a. O., 95 (98); vgl. hierzu auch KB, Anm. zu BFH, BStBl. II. 2004, 932, in IStR 2004, 201: „Doch leistet ihr selbst die Finanzverwaltung Vorschub, wenn sie offiziell erklärt, dass sich das „Stammhaus“ eines Unternehmens am Ort der geschäftlichen Oberleitung befinde (Tz. 2.1 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze). Das ist vielleicht nicht falsch, weil der Begriff „Stammhaus“ nirgends definiert ist und jeder ihn nach eigenem Belieben benutzen kann. Dennoch ist diese Terminologie zumindest höchst verwirrend: Als „Stammhaus“ wird gemeinhin derjenige Unternehmensteil bezeichnet, dessen Besteuerung sich nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA (Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats) richtet – und genau das ist die Geschäftsleitungsbetriebsstätte eindeutig nicht. Richtig ist vielmehr, dass „Stammhaus“ und „Geschäftsleitung“ örtlich zusammenfallen können und häufig zusammenfallen werden – mehr aber auch nicht; insbesondere sind sie nicht ein und dasselbe. Vielleicht kann das jetzt ergangene Urteil dazu dienen, manchem auch diesen Zusammenhang erneut in Erinnerung zu rufen.“ 34 Tz. 2.1 Betriebsstättenerlass. 35 Vgl. hierzu Kieser/Walgenbach, Organisation, 5. Aufl. 2007, S. 242. 36 Kieser/Walgenbach, a. a. O., 243. 37 Frese, Grundlagen der Organisation, 9. Aufl. 2005, S. 492.
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der Geschäftsbereiche auf die Zentralbereiche gibt. So ist im Modell des Kernbereichs der Zentralbereich von den Geschäftsbereichen völlig getrennt, während im sog. Autarkiemodell die betreffenden Teilfunktionen vollständig von den Geschäftsbereichen wahrgenommen werden. Bei der zuletzt genannten Variante kann somit von einer Zentralfunktion des Stammhauses nicht mehr gesprochen werden, da die erforderlichen Zentralbereiche schon gar nicht vorhanden sind. Zentralbereiche können daher auch als bloße Kontroll- und Koordinierungsstellen organisiert sein38. b) Holdingführungskonzepte Von einem solchen Stammhauskonzept zu unterscheiden sind sog. Holdingführungskonzepte, bei denen die operative Führung auf der Holding nachgeordnete unternehmerische Einheiten übertragen worden ist. In diesem Fall gibt es kein Stammhaus mehr im herkömmlichen Sinne. Bei einer Managementholding-Struktur sind die Zentralbereiche entsprechend reduziert ausgestaltet, da die einzelnen Unternehmenssparten sehr dezentral organisiert sein können39. Es wird z. B. entweder gar keinen Bereich der Beteiligungsverwaltung geben oder, wenn überhaupt, wäre dieser Bereich beschränkt auf die Beteiligungen, die keinem Unternehmensbereich zugeordnet werden können. Die Beteiligungen, die einen Unternehmensbereich betreffen, sind diesem Unternehmensbereich zugeordnet. Es zeigen sich also auch hier vollkommen unterschiedliche Erscheinungsformen von Zentralbereichen. Da Zentralfunktionen letztendlich von Zentralbereichen determiniert werden, sind diese organisatorischen Überlegungen auch für die Allokation möglicher Zentralfunktionen von Bedeutung. c) Realität der Unternehmensstrukturen rechtfertigt keine generelle „Zentralfunktion des Stammhauses“ Diese Überlegungen zeigen, dass Unternehmensorganisationen sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Eine generelle Zuordnung der Zentralfunktionen zum Stammhaus ist danach nicht begründbar. Es kann zwar in besonderen Fällen eine Stammhausstruktur (mit funktionaler Unternehmensgliederung) mit Zentralfunktionen i. S. d. Betriebsstättenerlasses geben (das Stammhaus übt dann diese Zentralfunktionen auch aus), bei den meisten dezentral oder nach Sparten organisierten Unternehmen gibt es eine solche Stammhausstruktur aber nicht. Vielmehr ist die Zuordnung der Wirtschaftsgüter nach den ausgeübten Funktionen vorzunehmen. Eine zwingende Zuordnung der Zentralfunktionen zum Stammhaus würde der Realität der Erscheinungsformen von Unternehmensstrukturen widersprechen. Daher hat die Besteuerung von der individuellen Organisationsstruktur des Unternehmens
__________ 38 Tz. 4.4 Betriebsstättenerlass. 39 Vgl. Kieser/Walgenbach, a. a. O., S. 254, 255.
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auszugehen und beschränkt die unternehmerische Dispositionsfreiheit nicht durch typisierende Gewinnzuordnungsfiktionen40. Somit bestätigt sich auch der Befund von Frotscher41, dass sich eine zwingende Zentralfunktion des Stammhauses (d. h. der Geschäftsleitungsbetriebsstätte) im Sinne einer Attraktionskraft in keiner Weise begründen lässt42. Kumpf/ Roth lehnen ebenfalls eine Zentralfunktion des Stammhauses insgesamt ab („Eine vorgegebene Zentralfunktion gibt es u. E. nicht“43). Eine zwingende Zuordnung von Zentralfunktionen ist für die Annahme einer geschäftlichen Oberleitung nicht erforderlich und würde das Vorliegen von Funktionen fingieren, die es bei der Geschäftsleitungsbetriebsstätte gar nicht gibt. Dies würde der Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen und seiner gewählten Unternehmensstruktur auf der Grundlage einer fremdvergleichskonformen Gewinnabgrenzung widersprechen44.
IV. Anwendung auf grenzüberschreitende Umstrukturierungen 1. Keine Anwendung des Zentralfunktionsgrundsatzes der Finanzverwaltung Wie oben dargelegt, ist der Fall der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung dem Fall des Stammhausunternehmens diametral entgegengesetzt. Mit der bisherigen X-AG wird ein u. U. bisher selbst als ein Stammhaus organisiertes Unternehmen zur Betriebsstätte der H-S.E. Eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern der bisherigen X-AG zum Sitz der H-S.E. in Paris würde eine entsprechende Umstrukturierung der Leitungs- und Unternehmensstruktur der verschmolzenen Gesellschaft erfordern, eine automatische Entstrickung allein durch den Umstand, dass nunmehr eine gewisse Schwerpunktverlagerung in Richtung der Betriebsstätte in Paris erfolgt, kann dies nicht auslösen. Dies gilt in jedem Falle so lange, wie auch ein Ort der Leitung in Frankfurt verbleibt, da dann auch nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Zentralfunktion der Pariser Betriebsstätte gegeben wäre. Auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass die geschäftliche Oberleitung der H-S.E. in Paris wäre, könnten nachgeordnete Leitungsfunktionen in Frankfurt verbleiben, die einer Entstrickung entgegenstehen würden. Daher ist zunächst von einer Vermutung auszugehen, dass die betroffenen Funktionen bei der deutschen Betriebsstätte verbleiben.
__________ 40 Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 7 Rz. 43. 41 Frotscher, a. a. O., 95 ff. 42 Vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD MA, in dem sich das MA ausdrücklich gegen die Attraktivkraft der Betriebsstätte entschieden hat. 43 Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746). 44 Ditz in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 4.6 m. w. N.
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2. Allokation eines Geschäfts- oder Firmenwertes oder Kundenstammes a) Entstrickung eines Geschäftswertes oder Kundenstammes? Vertreter der Finanzverwaltung gehen davon aus, dass insbesondere auch ein Geschäftswert (hier der bisherige Geschäftswert der X-AG) entstrickt werden könnte, da er nach der Verschmelzung Teil eines einheitlichen Geschäftswertes der H-S.E. würde, welcher dem „Stammhaus“ in Paris zugeordnet würde45. Gleiches gilt für andere immaterielle Wirtschaftsgüter. Dies ist allerdings nach dem Betriebsstättenerlass nicht ganz klar, da in Tz. 2.4 des Betriebsstättenerlasses nur Finanzmittel und Beteiligungen als Beispiele der Zentralfunktion aufgeführt werden. Eine solche Entstrickung wäre für jede grenzüberschreitende Verschmelzung ein absoluter „Dealbreaker“, da dies zu einer steuerpflichtigen Gewinnrealisierung führen würde, ohne dass dem ein entsprechender Zufluss liquider Mittel gegenüber stünde. Allenfalls könnte zukünftig eine Reduzierung der Steuerlast (hier ggf. in Frankreich) eintreten, wenn der andere Staat auch einen Step-up mit der Möglichkeit der steuerrelevanten Abschreibung anerkennen würde. Auch ist denkbar, dass Deutschland und Frankreich die Zuordnung des Geschäftswertes unterschiedlich sehen und in diesem Fall ein Verständigungsverfahren oder Verfahren nach der EU-Schiedskonvention durchgeführt werden muss. Zur Verdeutlichung der Problematik soll zunächst der Fall der Einbringung aus einer deutschen Gesellschaft diskutiert werden: Die A-GmbH, ein Unternehmen im Chemiebereich, hat eine große Betriebsstätte in einem Land, mit dem Deutschland in dem betreffenden DBA die Geltung der Freistellungsmethode vereinbart hat. In der Betriebstätte sind etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Betriebsstätte hat eine eigene Geschäftsleitung und einen eigenen Kundenstamm, der ausschließlich vom lokalen Geschäftsleiter aufgebaut und betreut worden ist. Die Betriebsstätte soll nunmehr zum Zwecke des besseren Marktauftrittes und zur Haftungsabschottung in eine lokale 100 %ige Tochtergesellschaft eingebracht werden. Der Sachverhalt kann grafisch wie folgt dargestellt werden:
A-GmbH Deutschland DBA-Staat
X-Ltd.
Betriebsstätte
Einbringung
__________ 45 Dötsch, a. a. O., Tz. 29.
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Es stellt sich die Frage, ob durch die Einbringung eine Entstrickung in Deutschland bei der A-GmbH gem. § 12 Abs. 1 KStG eintreten könnte. Dies könnte dann der Fall sein, wenn durch die Einbringung der Betriebsstätte immaterielle Wirtschaftsgüter (wie insbesondere der Geschäftswert oder ein Kundenstamm), welche durch die Zentralfunktion dem deutschen Stammhaus zuzuordnen gewesen wären, entstrickt würden. Das dem Betriebsstättenstaat gem. nach Art. 7 Abs. 1 OECD MA, Art. 13 Abs. 2 zustehende Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Übertragung des Betriebsstättenvermögens bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Betriebsvermögen, welches der Betriebsstätte zuzuordnen ist. Soweit der gemeine Wert des Betriebsstättenvermögens den Substanzwert der in den Betriebsstättenbilanzen aktivierten Wirtschaftsgüter übersteigt, sollte dieser Mehrwert insbesondere einem immateriellen Wirtschaftsgut „Kundenstamm“ zuzuordnen sein. Dieser „Kundenstamm“ sollte der Betriebsstätte zuzuordnen sein und damit dem Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats unterliegen. Selbst wenn der Mehrwert teilweise oder in Gänze nicht dem Kundenstamm zuzuordnen, sondern als Firmenwert zu qualifizieren sein sollte, sollte sich an der Zuordnung des Mehrwerts zu dem Betriebsstättenstaat nichts ändern. Eine Entstrickung von Wirtschaftsgütern des Stammhauses infolge der Einbringung des Betriebsstättenvermögens mit der Folge des Bestehens eines deutschen Besteuerungsrechts sollte hingegen nicht erfolgen. b) Geltung allgemeiner Grundsätze für die Zurechnung des Kundenstammes oder Geschäfts- und Firmenwertes zur Betriebsstätte Für die Zuordnung des „Kundenstammes“ oder des „Geschäfts- und Firmenwertes“ zum Stammhaus oder der Betriebsstätte gelten ebenfalls die allgemeinen Grundsätze. Ansicht der Finanzverwaltung: Nach dem Betriebsstättenerlass46 sind einer Betriebsstätte die positiven und negativen Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen47. Dabei unterscheidet die Finanzverwaltung grundsätzlich zwischen drei Kategorien von Wirtschaftsgütern48: (i)
Wirtschaftsgüter, die zur ausschließlichen Verwertung bzw. Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind und solche, aus denen Einkünfte erzielt werden, zu deren Erzielung die Tätigkeit der Betriebsstätte überwiegend beigetragen hat: Diese Wirtschaftsgüter sind zwingend der Betriebsstätte zuzuordnen.
(ii) Wirtschaftsgüter, die die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des
__________ 46 Tz. 2.4 Betriebsstättenerlass. 47 Tz. 2.4 Betriebsstättenerlass. 48 Vgl. Roth in Lüdicke (Hrsg.), Zurechnung von Wirtschaftsgütern im internationalen Steuerrecht, Köln 2000, 87 (102)
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Stammhauses als auch einer Betriebsstätte erfüllen: Ihre Zuordnung soll entscheidend vom erkennbaren Willen des Unternehmers abhängen. (iii) Wirtschaftsgüter, die vorrangig dem Stammhaus im Rahmen seiner Zentralfunktion zuzuordnen sein sollen. Ob auch ein Kundenstamm oder ein Geschäfts- und Firmenwert unter die angenommene „Zentralfunktion des Stammhauses“ fällt, wird nicht erläutert. Rechtsprechung des BFH: Allgemein lässt sich festhalten, dass der BFH eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus oder zu einer Betriebsstätte nach den Kriterien der wirtschaftlichen Zugehörigkeit bzw. des tatsächlichen Gehörens vornimmt und dazu auf die von der Betriebsstätte konkret ausgeübte Funktion abstellt49. Die tatsächliche Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zu einer Betriebsstätte verlangt demnach, dass er in einem funktionalen Zusammenhang mit der in ihr ausgeübten Unternehmenstätigkeit steht50. Auffassung der Literatur: Zur Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern wird in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien diskutiert51. Als relevante Abgrenzungskriterien werden in diesem Zusammenhang u. a. das tatsächliche Gehören52, das Dienen des Wirtschaftsguts53, der Wille der Geschäftsleitung54, die wirtschaftliche Zuordnung55, die betriebliche Veranlassung56, der wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang und die hauptsächliche Nutzung des Wirtschaftsgutes sowie das arm’s length-Prinzip“ genannt bzw. die eben genannten Kriterien miteinander kombiniert. c) Zuordnung des Geschäftswertes und eines Kundenstammes zur Betriebsstätte möglich Im vorliegenden Fall sollte m. E. unter Berücksichtigung der vorgenannten h. A. in der Literatur und Rechtsprechung eine Zuordnung des Kundenstamms und des Geschäftswertes zu der Betriebsstätte erfolgen können, da der Kundenstamm der Betriebsstätte ausschließlich dieser zuzurechnen ist und daher in einem funktionalen Zusammenhang mit dieser stehen sollte. Es verbleibt m. E. für eine „Zentralfunktion des Stammhauses“, die losgelöst von tatsächlichen Organisationsstrukturen ist, kein Anwendungsbereich. Im vorliegenden Fall würde es auch den Grundprinzipien der Betriebsstättenbesteuerung widersprechen, wenn das Besteuerungsrecht für einen wirtschaft-
__________ 49 Vgl. Kumpf/Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 49 EStG Rz. 260. 50 So bspw. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BFH/NV 1996, 22 und BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313. 51 Vgl. zu einer überblickartigen Darstellung Maier in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, München 2003, Rz. 615. 52 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Rz. 16.260. 53 Runge, a. a. O., 135. 54 Roth, a. a. O., 99. 55 Günkel, StBJb. 1997/98, 503. 56 Wassermeyer, StBJb. 1997/98, 507.
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lichen Wert – hier den Kundenstamm –, der nachweislich im Betriebsstättenstaat entstanden ist, nicht dem Betriebsstättenstaat belassen werden würde. Etwas anderes sollte auch dann nicht gelten, wenn die Finanzverwaltung die stillen Reserven der Betriebsstätte nicht (allein) dem „Kundenstamm“, sondern ganz oder teilweise einem „Geschäfts- und Firmenwert“ der Betriebsstätte zuordnen sollte. Auch ist davon auszugehen, dass die A-GmbH nicht zwingend nur einen einheitlichen, das heißt sich aus dem des Stammhauses und der Betriebsstätte zusammengesetzten Geschäfts- und Firmenwert hat. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des BFH57 anerkannt, dass ein Teilbetrieb einen eigenen Geschäfts- und Firmenwert haben kann, welcher z. B. im Fall einer Einbringung des Teilbetriebs in eine Kapitalgesellschaft auf die aufnehmende Kapitalgesellschaft übergeht. Unterstellt man, dass die Betriebsstätte einem Teilbetrieb zumindest vergleichbar ist, sollte sie einen eigenständigen, von dem Stammhaus getrennten, Geschäfts- und Firmenwert haben. Diese Zuordnung steht auch mit dem allgemein anerkannten Grundsatz in Einklang, wonach ein Geschäfts- und Firmenwert nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit den Wirtschaftsgütern des übertragenen Betriebs oder Teilbetriebs übertragen werden kann. Hieraus folgt für den Fall der Hinausverschmelzung, dass der deutschen Betriebsstätte auch nach Wirksamwerden der Verschmelzung grundsätzlich weiterhin ein Geschäftswert oder ein eigener Kundenstamm zuzuordnen ist. Dies gilt zumindest so lange, wie der Betrieb der deutschen Betriebstätte die Kriterien eines Teilbetriebes erfüllt. Wie oben dargelegt ist das immer dann der Fall, wenn weiterhin in Deutschland ein Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung besteht. Bei Änderung der Organisationsstruktur der deutschen Betriebsstätte in der Folgezeit besteht natürlich weiterhin das Risiko einer Entstrickung58, die im Einzelfall zu prüfen ist. 3. Zuordnung von Beteiligungen a) Das Problem Auch in Bezug auf die Beteiligungen kann sich die Fragen stellen, ob nicht nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung die bisherigen Beteiligungen der X-AG dem „Stammhaus“ der H-SE in Paris zuzuordnen sind. Die Zuordnung von Beteiligungen ist seit jeher äußerst umstritten im Hinblick auf die „Zentralfunktion des Stammhauses“. Der Betriebsstättenerlass geht davon aus, dass Beteiligungen an (Kapital-)Gesellschaften grundsätzlich dem Stammhaus zuzuweisen sind59. Begründet wird dies damit, dass das Halten einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft zu der „Zentralfunktion des Stamm-
__________ 57 Vgl. BFH v. 27.3.1996 – I R 60/95, BStBl. II 1996, 577, v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 24.4.1980 – IV R 61/77, BStBl. II 1980, 690; v. 17.3.1977 – IV R 218/72, BStBl. II 1977, 596. 58 Wobei nach der neuen BFH Rechtsprechung offen ist, ob es selbst in diesem Fall zu negativen steuerlichen Konsequenzen kommt. 59 Vgl. BMF, a. a. O., Tz. 2.4.
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hauses“ gehöre. Eine Ausnahme hiervon wird von der Finanzverwaltung jedoch dann zugelassen, wenn die Beteiligung gerade einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient60. In diesem Fall geht auch die Finanzverwaltung von einer Zuordnung zu der Betriebsstätte und nicht zum Stammhaus aus. Das wäre aber gerade für den Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung ein Problem, da dann potentiell alle Beteiligungen dem zukünftigen Stammhaus in Paris zugeordnet würden. Wie oben dargelegt61, könnte dies aber auch nach der Auffassung der Finanzverwaltung erst dann der Fall sein, wenn sich die geschäftliche Oberleitung nur in Paris befindet. Dann stellt sich wieder die Frage, ob die bloße Verschmelzung und eine Struktur, bei der die geschäftliche Oberleitung sich in Paris befindet, zu einer automatischen Entstrickung führen kann. Man wird hier wiederum unterscheiden müssen: Handelt es sich z. B. um eine Vertriebstochtergesellschaft, die die in der Frankfurter Betriebsstätte produzierten Produkte vertreibt, dürfte weiterhin eine Zuordnung zur deutschen Betriebsstätte begründet sein. Handelt es sich um andere Tochtergesellschaften, für die die X-AG bisher Holdingfunktion ausgeübt hat, kommt es darauf, ob diese Funktion von der Frankfurter Betriebsstätte fortgeführt wird. Hiervon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die bisher von der X-AG ausgeübten Funktionen weiter bei der Frankfurter Betriebsstätte vorhanden sind. b) Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung von Beteiligungen Wie dargelegt, lässt sich festhalten, dass der BFH eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus oder zu einer Betriebsstätte nach den Kriterien des tatsächlichen Gehörens bzw. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit vornimmt und dazu auf die von der Betriebsstätte konkret ausgeübte Funktion abstellt62. Bezogen auf die vorliegend interessierende Zuordnung von Beteiligungen und Erträgen hieraus sind die folgenden Entscheidungen von exemplarischer Bedeutung. Der BFH hatte mit Urteil vom 26.2.199263 einen Fall zu entscheiden, in dem es im Kern um die Frage ging, ob die Komplementär-GmbH einer inländischen GmbH & Co KG dem (inländischen) Betriebsstättenvermögen des zugleich als Kommanditisten beteiligten schweizerischen Gesellschafters für Zwecke des DBA D/CH zuzuordnen sei. Diese Frage wurde vom BFH bejaht. Für die Zuordnungsentscheidung komme es nicht auf eine rechtliche Zuordnung – wie im Entscheidungsfall § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG – an. Abzustellen sei vielmehr auf die tatsächliche Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes. Dividenden seien dann einer Betriebsstätte zuzuordnen, wenn sie für Beteiligungen gezahlt werden, die Teile des Vermögens der
(i)
__________ 60 61 62 63
Vgl. BMF, a. a. O., Tz. 2.4. S. o. III.3. Vgl. Kumpf/Roth, a. a. O., § 49 EStG, Anm. 260. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937.
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Betriebsstätte darstellen, d. h. tatsächlich zu der Betriebsstätte gehören. Davon sei dann auszugehen, wenn sich die Beteiligungserträge bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der (aktiven) Betriebsstättentätigkeit darstellen. Letzteres war im Entscheidungsfall zu bejahen, da die GmbH fast ausschließlich die Geschäftsleitung bei der Personengesellschaft ausübte. (ii) In einem anderen Fall64 wurde vom BFH hingegen explizit die Zuordnung von Beteiligungen an luxemburgischen Kapitalgesellschaften (hier: Grundstücks-Besitz- und Tankstellen-Betriebsgesellschaften) zur luxemburgischen Betriebsstätte einer geschäftsleitenden Holding-GbR verneint. Der Holding-GbR kam im Besprechungsfall die Funktion zu, die einzelnen Arbeitsabläufe zu kontrollieren und zu koordinieren und dadurch Synergieeffekte – insbesondere beim Wareneinkauf – zu nutzen. Ihre Aufgaben waren ferner die Wahrnehmung von Personalangelegenheiten, Fragen der Preispolitik, der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit, des Vertriebs sowie der Unternehmensstrategie. Der BFH sah hierin lediglich eine unterstützende Tätigkeit für die Kapitalgesellschaften, was für eine Zuordnung der Beteiligungen und der Erträge hieraus zur luxemburgischen Betriebsstätte jedoch nicht ausreiche, da hierfür die Beteiligungen tatsächlich von der Betriebsstätte hätten genutzt werden müssen und zu deren Ergebnis hätten beitragen müssen. Dies gilt nach Ansicht des BFH selbst dann, wenn die Personengesellschaft als geschäftsleitende Holding zu qualifizieren gewesen sein sollte. Wenngleich hier eine Zuordnung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung zu einer ausländischen Betriebsstätte verneint wurde, sollte diese Entscheidung m. E. richtigerweise nicht als Abkehr, sondern vielmehr als Bestätigung der funktionalen und tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise der Rechtsprechung – der Vorrang vor einer rechtlichen Zuordnung zukomme – zu verstehen sein. Im Entscheidungsfall reichten die Funktionen der Betriebsstätte offenbar nicht aus, über die bloße rechtliche Zuordnung hinaus eine tatsächliche Zugehörigkeit zur Betriebsstätte zu bejahen65. Dem kann zum einen entnommen werden, dass bloße Hilfstätigkeiten nicht genügen, um Beteiligungen funktional einer Betriebsstätte zuzuordnen. Zum anderen bestätigt die Entscheidung offenbar aber auch die Rechtsprechung, dass es auf eine tatsächliche Betrachtungsweise ankomme und rechtlichen Zuordnungskriterien dann, wenn sich tatsächlich eine Zuordnung vornehmen lässt, keine Bedeutung zukommt. Die Frage nach der Reichweite der Aussagen des BFH zur geschäftsleitenden Holding wurde in der Literatur mehrfach diskutiert66. Der BFH hat in seinem nachfolgend (unter iii) dargestellten Urteil67 zu dieser Frage eine dahingehende Formulierung ge-
__________ 64 65 66 67
BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Ähnlich Kinzl, IStR 2005, 693 (694 f.). Vgl. dazu Blumers, DB 2007, 312 (314). BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, IStR 2008, 367 m. Anm. Schönfeld = BB 2008, 1209 m. Anm. Früchtl.
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wählt, welcher m. E. entnommen werden kann, dass in bestimmten Fällen auch die aktive Wahrnehmung von Holdingfunktionen durch die Betriebsstätte für eine Zuordnung ausreichen kann68. (iii) Auch in seiner Entscheidung vom 19.12.2007 zur Frage der Zuordnung von Beteiligungen an in Drittstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften zu einer ausländischen (Personengesellschafts-) Betriebsstätte und daraus resultierenden Dividendenausschüttungen hat der BFH69, betreffend das DBANiederlande und den dortigen Methodenartikel, seine bisherige Rechtsprechung70 bestätigt, wonach für die Zuordnungsfrage auf die tatsächliche Zugehörigkeit der Beteiligung zur Betriebsstätte abzustellen ist71. Voraussetzung für eine Zurechnung zur Betriebsstätte soll sein, dass die aus Drittstaaten stammenden Dividenden in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unmittelbar unternehmerischen Tätigkeit stehen, so dass es sich der Verkehrsauffassung nach um Nebenerträge jener Tätigkeit handelt. Im entschiedenen Fall hat der BFH eine Zuordnung zur Betriebsstätte jedoch abgelehnt, da die streitgegenständlichen Vertriebskapitalgesellschaften nach Ansicht des erkennenden Senats in keiner Weise eine positive Auswirkung auf die von der niederländischen Personengesellschaft für die Niederlande ausgeübte Vertriebstätigkeit gehabt hätten und die Beteiligungserträge deshalb auch nicht als Nebenerträge zu dem Gewinn aus der Betriebsstättentätigkeit anzusehen wären. Vielmehr ging der BFH davon, dass durch den gruppeninternen Verkauf der Drittstaatenbeteiligungen an die niederländische Personengesellschaft die Anteile nur ins Ausland verlagert werden sollten, sie aber auch ohne weiteres weiterhin in Deutschland hätten gehalten werden können. Weiterhin hatte die Klägerin im entschiedenen Fall nach Ansicht des BFH nichts dafür dargetan, dass die niederländische Personengesellschaft Vertriebsfunktionen in den Ansässigkeitsstaaten der gehaltenen Kapitalgesellschaften übernommen hat oder dass ihr neben dem Stammhaus bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen Auslandsgesellschaften übertragen wurden, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen zu den niederländischen Personengesellschaft gerechtfertigt hätten. c) Keine Grundlage für „Zentralfunktion des Stammhauses“ Aus diesen Entscheidungen des BFH ergibt sich klar, dass die „Zentralfunktion des Stammhauses“ für die Zuordnung der Beteiligungen keine Rolle spielt. Soweit die Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass Beteiligungen, die nicht
__________ 68 Vgl. Blumers, DB 2008, 1765 (1769). 69 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, IStR 2008, 367 m. Anm. Schönfeld = BB 2008, 1209 m. Anm. Früchtl. 70 In der zitierten Entscheidung nimmt der BFH ausdrücklich Bezug auf das Urteil I R 112/94, BFHE 179, 48. 71 Vgl. dazu auch Anm. v. Schönfeld, IStR 2008, 370; jurisPR-SteuerR 19/2008, Anm. 2, Heger.
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einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen, aufgrund der „Zentralfunktion des Stammhauses“ dem Stammhaus zurechnen will72, wird dies auch in der Literatur nahezu einhellig abgelehnt73. Kritisiert wird daran insbesondere, dass diese den Blick auf die auch von der Rechtsprechung eingeforderte tatsächliche Funktionsverteilung versperre. Von einer Zentralfunktion kann m. E. nur ausgegangen werden, wenn eine solche auch tatsächlich organisatorisch beim Stammhaus angesiedelt ist (und nicht nur reine Fiktion darstellt) und eine funktionale Betrachtung somit zum gleichen Ergebnis käme. In modernen Unternehmensstrukturen, in denen eine Zentralfunktion in den meisten Fällen nicht mehr vorhanden sein wird, kann eine solche Zentralfunktion – wie oben näher erörtert – gerade nicht unterstellt werden. Diese Überlegungen zeigen, dass eine „automatische“ Entstrickung der Beteiligungen durch eine Hinausverschmelzung nicht in Betracht kommt, wenn die unternehmerische Struktur in Bezug auf die bestehenden Tochtergesellschaften unverändert bleibt. Der bloße Umstand der grenzüberschreitenden Verschmelzung kann nicht dazu führen, dass im Beispielsfall die Beteiligungen per se der Betriebsstätte am Sitz der H-S.E. zugeordnet werden. Denn – wie darlegt – ist grundsätzlich vom Fortbestehen der bisher bestehenden wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Beteiligungen zur deutschen Betriebsstätten (wie bisher zur X-AG) auszugehen. Anders als bei den vorgenannten BFH-Entscheidungen, bei denen es oftmals darum ging, dass die Beteiligungen einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden sollten, soll im hier erörterten Beispielsfall die Zuordnung gerade nicht verändert werden. Eine geänderte Zuordnung wäre nur gerechtfertigt, wenn maßgebliche organisatorische und funktionale Änderungen vorgenommen würden. So führt der BFH in der o. g. Entscheidung zum DBA Niederlande74 aus: „Insbesondere ist nichts dafür dargetan oder festgestellt, dass die CV ihrerseits Vertriebsfunktionen in Großbritannien, Belgien und in der Schweiz übernommen hätte oder dass ihr neben dem Stammhaus bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen Auslands-Vertriebsgesellschaften übertragen worden wären, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen bei der CV rechtfertigen könnten.“
Die bloße Annahme einer „Zentralfunktion des Stammhauses“ kann eine solche Änderung der Zuordnung nicht bewirken. Daher liegt dann keine Änderung der Zuordnung vor, wenn bestehende operative Verflechtungen (wie sie z. B. im Fall Produktionsbetriebsstätte und Vertriebstochtergesellschaft vorhanden sind, die bis hin zu einem Quasi-Einheitsunternehmen reichen können) weitergeführt werden oder die Leitungsstrukturen unverändert bleiben, also die Managementstruktur in Bezug auf die betreffenden Tochtergesellschaften weiterhin durch die deutsche Betriebsstätte erfolgt. Anders wäre dies
__________ 72 Vgl. BMF, a. a. O., (Fn. 4), Tz. 2.4. 73 Ablehnend insbesondere Roth, a. a. O., 87 (97); Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746); dies., a. a. O., § 49 EStG Rz. 261; Blumers, DB 2006, 856 (857 ff.). Kritisch u. a. Maier, a. a. O., Rz. 633 und 668 und Suchanek/Herbst, IStR 2007, 620 (623). 74 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, IStR 2008, 367.
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ggf., wenn z. B. die Leitung der Sparte, zu der die Tochtergesellschaft gehört, zukünftig vollständig aus Paris erfolgen würde.
V. Resümee Es hat sich gezeigt, dass die grundsätzliche Annahme einer „Zentralfunktion des Stammhauses“ ein sehr problematisches Prinzip des Betriebsstättenerlasses ist. Gerade in dem Fall der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung zeigt sich deutlich, dass eine „Zentralfunktion des Stammhauses“ nicht per se zu einer Entstrickung wegen Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte führen kann. Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ kann schon gar nicht zum rückwirkenden Umwandlungsstichtag greifen, da zum Umwandlungsstichtag mindestens zwei Orte der Geschäftsleitung bestehen, die der Annahme eines Stammhauses als der einzigen Geschäftsleitungsbetriebsstätte entgegenstehen. Auch nach Eintragung der Verschmelzung kann mitnichten eine zwingende Änderung der Zuordnung der Wirtschaftsgüter angenommen werden. Hierzu müssen besondere organisatorische Umstände hinzutreten. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmensorganisationen sehr unterschiedlich sind. Eine generelle „Zentralfunktion des Stammhauses“ ist nicht begründbar. Vielmehr hat die Besteuerung von der individuellen Organisationsstruktur des jeweiligen Unternehmens auszugehen und beschränkt die unternehmerische Dispositionsfreiheit nicht durch eine zwingende Gewinnzuordnungsfiktion. Daher kann auch der deutschen Betriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft, auf die eine deutsche Kapitalgesellschaft verschmolzen worden ist, weiterhin ein eigener Geschäftswert und ein Kundenstamm zuzuordnen sein. Gleiches gilt für bisher durch die deutsche Kapitalgesellschaft gehaltene Beteiligungen. Eine „automatische“ Entstrickung durch Annahme einer „Zentralfunktion des Stammhauses“ kann es nicht geben.
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Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Limitation der Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern Inhaltsübersicht I. Der Anspruch auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das nationale Steuerverfahrensrecht III. Das französische „Vorbild“ einer gesetzlichen Erstattungslimitation IV. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Aufnahme einer Erstattungs-
begrenzungsnorm in die Abgabenordnung 1. Erstattungslimitation und Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG 2. Erstattungslimitation und Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG V. Fazit
I. Der Anspruch auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern Harald Schaumburg hat in Forschung und Lehre prominent das internationale Steuerrecht vertreten und dabei die (ständig gewachsene) Rolle des europäischen Gemeinschaftsrechts für das Steuerrecht betont1. In der Steuerpraxis hat die von ihm maßgeblich mitgeprägte Bonner Kanzlei Flick Gocke Schaumburg steuerberatend und im Wege anwaltlicher Vertretung bis hin zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einige Kapitel des sog. Europäischen Steuerrechts mitgeschrieben. Daneben hat der Jubilar die aktuelle Steuergesetzgebung – in Hintergrundgesprächen sowie öffentlicher Diskussion – kritisch begleitet und dabei seinen vielfältigen Erfahrungsschatz aus der Unternehmens- und Beratungspraxis eingebracht. Zu seinen Ehren möchte ich daher ein rechtspolitisches Thema aus dem Schnittfeld des europäischen Gemeinschaftsrechts mit dem deutschen Steuerverfahrensrecht aufgreifen, das bislang vorwiegend innerhalb der Ministerialbürokratie diskutiert wurde, aber grundlegende und weitreichende Konsequenzen für den Rechtsschutz in Steuersachen hat. Es geht um die aus den Reihen des Bundesministeriums der Finanzen aufgeworfene Frage, ob und inwieweit es gemeinschaftsrechtlich und verfassungsrechtlich möglich ist, wegen der finanziellen Auswirkungen der Judikatur des EuGH für die nationalen Haushalte eine gesetzliche Begrenzung von
__________ 1 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, 1998, Rn. 3.16 ff. und 3.47 ff.
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Erstattungsansprüchen einzuführen2. Ausgangspunkt meiner Überlegungen über Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Limitation ist der Anspruch auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern3. Ein steuerrechtlicher Erstattungsanspruch besteht nach § 37 Abs. 2 AO, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ohne rechtlichen Grund erfüllt wird. Dabei geht die spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Erstattungsanspruches von einem umfassenden Anspruch mit dem Inhalt aus, dass derjenige verpflichtet ist, den Betrag zu erstatten, an den die Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist4. Der Erstattungsanspruch bezweckt den Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen, die mit dem materiellen Steuerrecht nicht übereinstimmen5. Dabei unterfällt der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Steuern der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie6. Wann allerdings eine Steuer ohne rechtlichen Grund erhoben ist, beantwortet die Literatur gespalten7 und auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist nicht einheitlich8. Nach der vorzugswürdigen sog. materiellen Rechtsgrundtheorie fehlt der rechtliche Grund, wenn für die Zahlung ein kausales Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht bestanden hat und auf die Leistung nach materiellem Recht kein entsprechender Anspruch besteht9. Demgegenüber sehen die Vertreter der konkurrierenden sog. formellen Rechtsgrundtheorie die Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis als Grund für die Zahlung an, halten dabei indes Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit des Erstattungsanspruchs nicht scharf genug auseinander. Im Ergebnis besteht aber Konsens, dass Erstattungsansprüche durch die Bestandskraft des Steuerbescheides begrenzt werden10. Ist eine durch Bescheid festgesetzte Steuer nach materiellem Recht „ohne rechtlichen Grund“ gezahlt, so kann der Erstattungsanspruch nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Steuerbescheid nach formellem Recht aufgehoben oder geändert
__________
2 So die Referenten in der Europaabteilung des Bundesministeriums der Finanzen Steinberg/Bark, Anmerkung zum EuGH-Urteil Meilicke, EuZW 2007, 245 (246 f.), die freilich nur ihre persönliche Meinung wiedergeben. Zuvor hatte H. Hahn, § 175 Abs. 2 AO n. F. und das EuGH-Urteil in der Rechtssache Manninen – ein Lehrstück darüber, wie man es nicht macht, IStR 2005, 145 (149); es als „nicht recht verständlich“ erachtet, weshalb der deutsche Gesetzgeber auf eine mögliche Begrenzung der Auswirkungen von EuGH-Urteilen verzichtet habe. 3 Dazu nunmehr monographisch U. Lange, Der Anspruch auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern, 2008. 4 Koenig, Der allgemeine Erstattungsanspruch der Abgabenordnung 1977, DStR 1991, 633. 5 Hein, Überlegungen zur Entstehung des steuerrechtlichen Erstattungsanspruchs, DStR 1990, 301. 6 BVerfG v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u. a., BVerfGE 70, 278 (285); BFH v. 8.11.2006 – I R 69/70/05, GmbHR 2007, 209 (212); Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 171; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 12. 7 Statt aller Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 7 Rn. 73 m. w. N. 8 Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 37 AO Rn. 30 (Juni 2000). 9 Näher Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Tz. 27–43 (Okt. 2006) m. w. N. 10 Zusammenfassend Drüen in Tipke/Kruse (Fn. 9), § 37 AO Tz. 28, 34, 37 (Okt. 2006) m. w. N.
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Gesetzliche Limitation der Erstattung gemeinschaftswidrig erhobener Steuern
werden kann. Die Bestandskraft des Steuerbescheides überlagert dessen materielle Fehlerhaftigkeit. Auch der fehlerhafte, aber wirksame (§ 124 Abs. 2 AO) Steuerbescheid begründet für den Steuerpflichtigen eine „formelle“ Leistungspflicht. Allerdings sind darauf gestützte Erstattungsansprüche durch die Bestandskraft des Steuerbescheides begrenzt. Nur wenn die Bestandskraft der Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis noch nicht eingetreten oder sie durchbrochen wird, kann der Steuerpflichtige seinen materiellen Erstattungsanspruch mit Erfolg geltend machen. Das gilt gleichermaßen für Erstattungsansprüche, die aus dem Verstoß eines Steuergesetzes gegen höherrangiges Recht herrühren11. Materiell erhebt der Staat Steuern, die gegen das Verfassungsrecht oder das europäische Gemeinschaftsrecht verstoßen, „ohne rechtlichen Grund“12. In letzterem Fall folgt die Pflicht zur Erstattung aus dem Gemeinschaftsrecht, die Abwicklung des Erstattungsanspruchs aber nach nationalem Verfahrensrecht13. Durchsetzbar ist der Erstattungsanspruch aber erst, wenn der gegen höherrangiges Recht verstoßende Steuerbescheid nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des EuGH entsprechend geändert wird. Bislang sieht das nationale Erstattungsrecht (§ 37 Abs. 2 AO) keine Sonderregelungen für Erstattungsansprüche bei Verstößen gegen höherrangiges Recht vor. Insbesondere fehlen – verständlicherweise – spezielle Regelungen für die Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern14. Bei Verstößen gegen das Verfassungsrecht toleriert allerdings § 79 BVerfGG allgemein die eingetretene Bestandskraft von Verwaltungsakten, so dass insoweit kein Erstattungsanspruch durchgesetzt werden kann15. Bislang kennt die Abgabenordnung keine besondere Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs16, allerdings unterliegt der Erstattungsanspruch den allgemeinen Regeln der Zahlungsverjährung (§§ 228–232 AO). Insgesamt gilt das deutsche Erstattungsrecht bisher als gemeinschaftsrechtskonform17. Bis vor einigen Jahren galten die die Durchsetzbarkeit eines Erstattungsanspruchs ausschließenden Regelungen über die Bestandskraft von Steuerbescheiden als hinreichendes „Schutzschild“ des deutschen Staates gegenüber den
__________ 11 Da die Liste der Normen, die für verfassungs- oder europarechtswidrig gehalten wird, immer länger wird (so Mellinghoff, Anforderungen an ein zukunftsfähiges Steuerrecht, Stbg. 2007, 549 [550]), kommt (potentiellen) Erstattungsansprüchen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht Breitenwirkung zu. 12 H. Hahn, IStR 2005, 145 (149). 13 Statt vieler Gundel, Die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Gebühren nach nationalem Verfahrensrecht – Ein Dauerthema für den EuGH, in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (192). 14 Zu den Gründen sogleich sub II. 15 Dazu sub IV. am Ende. 16 Brockmeyer in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 37 Rn. 10. 17 Hahn, § 8a KStG und gemeinschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch – zugleich ein Beitrag zu Dogmatik des § 37 Abs. 2 AO im Kontext des Europarechts, DStZ 2003, 489; Laule, Die Rückforderung gemeinschaftswidriger Abgaben im deutschen Steuerrecht, in Althuber/Toifli (Hrsg.), Rückforderung rechtswidrig erhobener Abgaben, Wien, 2005, S. 61 (88 f.).
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finanziellen Auswirkungen von Entscheidungen des EuGH18. Aber gerade angesichts der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Meilicke19 wurde intensiv und kontrovers diskutiert, wie weit die Bestandskraft gemeinschaftsrechtswidriger Steuerbescheide reichen kann, und inwieweit eine Entscheidung des EuGH zur Durchbrechung der Bestandskraft zwingen kann20. Die deutsche Regierung wollte das Problem an der Wurzel packen. Sie hat bekanntlich bereits im Zuge des Verfahrens den EuGH ersucht, die Möglichkeit zu erwägen, die zeitliche Wirkung seines Urteils zu beschränken und dabei auf die andernfalls zu erwartenden „schwerwiegenden finanziellen Folgen“ aufmerksam gemacht21. Der EuGH ist diesem Ersuchen indes nicht gefolgt22. Vielmehr begrenzt der EuGH weiterhin die zeitlichen Wirkungen seiner Richtersprüche nur in Ausnahmefällen23. Angesichts der Vielzahl von Steuerrechtsnormen, die im Ruch stehen, gegen das Gemeinschaftsrecht zu verstoßen24, stellt die grundsätzlich ex tunc wirkende Rechtsprechung die nationalen Haushalte vor erhebliche Risiken und die Finanzverwaltung vor erhebliche administrative Schwierigkeiten25. Auch in der Literatur wurden mit Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen Übergangsfristen für die Mitgliedstaaten nach dem Muster der Rechtsprechung des BVerfG gefordert26. Das Bundes-
__________ 18 Vgl. Gundel, Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (201 mit Note 54). 19 EuGH v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE I 2007, 1835. 20 Zu dieser (hier nicht weiter verfolgten) Diskussion näher und jeweils m. w. N. de Weerth, Rückwirkende EuGH-Urteile und Bestandskraft von Steuerbescheiden, DStR 2008, 1669; Jahndorf/Oellerich, Bestandskraft von Steuerbescheiden und rückwirkende Durchsetzung von Europarecht, DB 2008, 2559; Meilicke, Nachlese zu den Schulgeld-Urteilen des EuGH, DStR 2007, 1892; Schacht/Steffens, Möglichkeiten zur Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden, BB 2008, 1254; Tehler, Änderung und Vollstreckung bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen, Festschrift W. Reiß, 2008, S. 81; Bartone/v. Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2006, Rn. 15 f.; speziell zur gemeinschaftsrechtlichen Überlagerung des § 130 AO vgl. Delbrück/Hamacher, Meilicke und die Rückwirkung – zu § 130 AO bei der praktischen Umsetzung des EuGH-Urteils Meilicke, IStR 2007, 627; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler (Fn. 8), Vor §§ 130–133 AO Rn. 100, § 130 AO Tz. 20– 22, 49–51 (März 2008); allgemein Englisch, Anspruch auf Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger belastender Verwaltungsakte nach Eintritt der Bestandskraft?, Die Verwaltung 41 (2008), 99 (101) mit Note 18, der aber die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO ausdrücklich ausklammert; zur Rechtsprechung vgl. zuletzt BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 30.1.2008 – 1 BvR 943/07, NVwZ 2008, 550. 21 EuGH v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE I 2007, 1835, Rn. 32 f. 22 EuGH v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE I 2007, 1835, Rn. 34–41; zu den Gründen vgl. nur Kokott/Henze, Ist der EuGH – noch – ein Motor für die Konvergenz der Steuersysteme?, BB 2007, 913 (917 f.). 23 Dazu zuletzt Seer/Müller, Begrenzung der Wirkungen seiner Richtersprüche durch den EuGH, IWB (2008), Fach 11, Gruppe 2, 851 m. w. N. 24 Vgl. die Zusammenstellung von Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EG-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts – Update 2008, DB 2008, Beilage Nr. 2, 1–40. 25 Vgl. nur den Europabericht von Drüen/Kahler, Die nationale Steuerhoheit im Prozess der Europäisierung, StuW 2005, 171 (174, 176, 180 ff.) m. w. N. sowie aus Sicht des BMF Müller-Gatermann, Reaktionen von deutscher Gesetzgebung und Finanzverwaltung auf die EuGH-Rechtsprechung, StbJb 2007/2008, 151 (153, 171 ff.).
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finanzministerium hat zuletzt mit und anlässlich eines Kolloquiums zum Thema „Die Rechtsprechung des EuGH in ihrer Bedeutung für das nationale und internationale Recht der direkten Steuern“27 im November 2008 versucht, für seine Sicht zu werben. Dabei hat es dem anwesenden Präsidenten des EuGH und der deutschen Generalanwältin eine vom Ministerium in Auftrag gegebene rechtsvergleichende Studie über Rechtsfolgenaussprüche im Falle der Verfassungswidrigkeit übergeben28. Allerdings machten deren Antworten in der Diskussion deutlich, dass eine budgetäre Rücksichtnahme vom EuGH auch in Zukunft nicht zu erwarten ist29. Dadurch wachsen die Anreize für den nationalen Gesetzgeber, selbst verfahrensrechtliche Durchsetzungshürden zu errichten30 und die Grenzen der EuGH-Rechtsprechung auszuloten31. Beispiele für derartige Versuche einer „nationalen Abwehr von Rückerstattungsansprüchen“32 gibt es – zum Teil mit Billigung des EuGH – bereits in einzelnen Mitgliedstaaten33. Darum stellt sich im ersten Schritt die Frage nach den gemeinschaftsrechtlichen Schranken für die Einführung derartiger „Innovationen“ des nationalen Verfahrensrechts.
II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das nationale Steuerverfahrensrecht Das Verwaltungsverfahren, speziell das Steuerverfahrensrecht, ist nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt, weshalb die Literatur vielfach eine „Vollzugsautonomie“ der Mitgliedstaaten für das Verwaltungsverfahren proklamiert34. Allerdings suggeriert der häufig verwendete „Grundsatz der Verfahrens- bzw. Orga-
__________ 26 Positiv Waldhoff, Finanzielle Auswirkungen europäischer Rechtsprechung als Kriterium einer Entscheidungsfolgenabschätzung, EuR 2006, 615 (634 ff.); ablehnend Düsterhaus, Es geht auch ohne Karlsruhe: Für eine rechtsschutzorientierte Bestimmung der zeitlichen Wirkungen von Urteilen im Verfahren nach Art. 234 EG, EuZW 2006, 393 (396) sowie M. Lang, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von EuGHUrteilen im Lichte des Urteils Meilicke, IStR 2007, 235 (244), der anregt, dass der EuGH auf die finanziellen Auswirkungen als Kriterium für eine zeitliche Beschränkung verzichten und allein auf eine objektive und bedeutende Unsicherheit über die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts abstellen sollte. 27 Der Tagungsband soll in der von Reimer/Waldhoff herausgegebenen Schriftenreihe „Steuerwissenschaftliche Schriften“ erscheinen. 28 Hufen/Nörr/Stiefenhofer/Lutz, Beschränkung von Urteilswirkungen im Falle der Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Rechtsnormen, 2008; zur Resonanz vgl. Jahn, Keine rückwirkenden Urteile mehr, FAZ vom 24.12.2008, S. 23. 29 Ebenso auch die aktuelle Analyse von Koenig/Schreiber, Gewährung von Übergangsfristen à la Bundesverfassungsgericht durch den Europäischen Gerichtshof?, DÖV 2008, 450 (454). 30 So jüngst Seer/Müller, Begrenzung der Rechtsfolgen von EuGH-Richtersprüchen durch den nationalen Gesetzgeber, IWB (2008), Fach 11, Gruppe 2, 865. 31 Treffend Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (210). 32 Plastisch Brosemer/Seseke, Französische Registersteuer auf Verschmelzungen und Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln europarechtswidrig, IStR 1996, 564 (568). 33 Insbesondere in Italien s. noch Note 44 und in Frankreich (dazu III.). 34 Stellvertretend Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 1999, S. 131.
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nisationsautonomie der Mitgliedstaaten“ zu Unrecht eine Immunität der nationalen Rechtsordnung gegenüber gemeinschaftsrechtlichen „Überformungen“, die insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH nicht der Realität entspricht35. Einen „gemeinschaftsrechtfesten“ Vorbehaltsbereich der Mitgliedstaaten gibt es auch im Verfahrensrecht nicht36. Denn nach Art. 10 EGV haben die Mitgliedstaaten sowohl beim unmittelbaren indirekten Vollzug von Gemeinschaftsrecht (Vollzug von Verordnungen und unmittelbar wirkenden Richtlinienbestimmungen) oder beim mittelbaren indirekten Vollzug (Vollzug von deutschem Ausführungsrecht) in ihrem Hoheitsgebiet für eine einheitliche und wirksame Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu sorgen37. Darum erfährt das national normierte Verwaltungsverfahren zum Teil weit reichende „Modifizierungen“ durch das Gemeinschaftsrecht38. Statt einer nationalen Verfahrensautonomie sollte vom Grundsatz der Anwendung der nationalen Verfahrensordnung gesprochen werden39. Dabei wird die verfahrensrechtliche Autonomie nach der Rechtsprechung des EuGH durch die beiden Schranken des Äquivalenzprinzips und des Effektivitätsprinzips zum Teil empfindlich begrenzt. Danach dürfen bei der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften keine Unterschiede im Vergleich zu Verfahren gemacht werden, in denen über gleichartige innerstaatliche Sachverhalte entschieden wird (Diskriminierungsverbot oder Äquivalenzprinzip). Überdies darf die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Beeinträchtigungsverbot oder Effektivitätsprinzip)40. Das nationale Verfahrensrecht muss beiden Prinzipien zugleich gerecht werden. Ob eine nationale Verfahrensvorschrift diese gemeinschaftsrechtlichen Schranken achtet, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur konkret anhand einer Einzelfallprüfung beantworten41. Insbesondere entzieht sich die Frage der gebotenen Mindesteffizienz schematischen Festlegungen, weil sie eine wertende Beurteilung des nationalen Verfahrensrechts und der von diesem abgebildeten öffentlichen Interessen wie der Rechtssicherheit erfordert42. Die Ergebnisse der erforderlichen Abwägung zwischen diesen Interessen und dem Durchsetzungsinteresse des Gemeinschaftsrechts haben sich im Laufe der Rechtsprechung des EuGH verändert43. Nach der Judikatur des EuGH können nationale Verfahrens- bzw. Verjährungsfristen die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich be-
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So zu Recht Kahl in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 10 EGV Rn. 31. Treffend Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (194 mit Note 20). Näher Kahl in Calliess/Ruffert (Fn. 35), Art. 10 EGV Rn. 30. Ebenso Kadelbach (Fn. 34), S. 131. So Kahl in Calliess/Ruffert (Fn. 35), Art. 10 EGV Rn. 31 m. w. N. Die einschlägige EuGH-Judikatur zusammenfassend Kahl in Calliess/Ruffert (Fn. 35), Art. 10 EGV Rn. 31 sowie Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (194 f.) m. w. N. 41 Madner, Effektivitätsgebot und Abgabenverfahrensrecht, in Holoubek/Lang, Abgabenverfahrensrecht und Gemeinschaftsrecht, Wien, 2006, S. 115 ff. (124). 42 Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (195). 43 Gundel, ebenda, 196.
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gründeter Erstattungsansprüche begrenzen. Wenn das Äquivalenzprinzip gewahrt ist, weil die Beschränkungen für gemeinschaftsrechtliche Ansprüche gleichermaßen wie für innerstaatliche Ansprüche gelten, so ist das Effektivitätsprinzip verletzt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs durch die Beschränkung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert würde. Allerdings hat sich der EuGH nicht auf eine danach gebotene Minimallänge von Fristen festgelegt44. Da Erstattungsansprüche nach EuGH-Entscheidungen wegen des Summierungseffekts erhebliche Finanzvolumina annehmen können, ist dieser Rechtsbereich insoweit dynamisch, als er von gegenseitigen Reaktionen der nationalen Gesetzgeber und des EuGH geprägt wird45. In mehreren Entscheidungen hat der EuGH judiziert, dass es dem nationalen Gesetzgeber nicht verwehrt ist, nach Erlass von Urteilen des EuGH sein Verfahrensrecht zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern46. Jedoch darf der nationale Gesetzgeber nicht nach Verkündung eines Urteils des EuGH, dem zufolge bestimmte Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind, eine Verfahrensregel erlassen, die speziell die Möglichkeiten einschränkt, auf Erstattung der Abgaben zu klagen, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben worden sind47. Verfahrensänderungen müssen eine Übergangsfrist enthalten, damit trotz Erlasses der geänderten Regelung die Erstattungsansprüche geltend gemacht werden können, die unter der alten Regelung hätten geltend gemacht werden können48. Nach dem Urteil in der Rechtssache Grundig Italiana wird eine Übergangsfrist von sechs Monaten als ausreichend angesehen49. Unzulässig sind verschlechternde Verfahrensregeln aber immer, wenn sie speziell auf das Gemeinschaftsrecht und die Rechtsfolgen von Entscheidungen des EuGH zugeschnitten sind. Freilich besteht die Gefahr, dass Mitgliedstaaten derartige spezielle Vorschriften, die als „Maßnahmegesetze“ gemeinschaftswidrig wären, durch entsprechend ausgeweitete Formulierungen zu tarnen versuchen50. Diesen Vorwurf erhebt die Literatur zum Teil gegen die Einführung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom
__________ 44 Nährere Analyse bei Ehrke-Rabel, Gemeinschaftsrecht und österreichisches Abgabeverfahren, Wien, 2006, S. 264. So hat der EuGH insbesondere in der italienischen Rechtssache Dilexport eine fünfjährige Ausschlussfrist nicht beanstandet (EuGH v. 9.2.1999 – Rs. C-343/96 – Dilexport, EuGHE 1999, 579). Zur französischen Rechtssache Roquette Frères s. sub III. 45 Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (196, 206). 46 EuGH v. 15.9.1998 – Rs. C-231/96 – Edis, EuGHE 1998, 4951, Rn. 23, 24; v. 24.9.2002 – Rs. C-255/00 – Grundig Italiana, EuGHE 2002, I-8003, Rn. 34; v. 2.10.2003 – Rs. C-147/01 – Weber’s Wine World, EuGHE 2003, I-11365, Rn. 87, 92. 47 Kahl in Calliess/Ruffert (Fn. 35), Art. 10 EGV Rn. 32. 48 EuGH v. 24.9.2002 – Rs. C-255/00 – Grundig Italiana, EuGHE 2002, I-8003, Rn. 37; v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00 – Marks & Spencer, EuGHE 2002, I-6325, Rn. 38. 49 de Weerth, Zur rückwirkenden Anwendung von EuGH-Urteilen am Beispiel der „Manninen“-Entscheidung des EuGH, DB 2005, 1407 (1409); ebenso Bartone/ v. Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2006, Rn. 16. 50 Dazu Seer/Müller, IWB 2008, Fach 11 Gruppe 2, S. 865 (877).
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9.12.200451. Der neu eingeführte Satz „Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.“ bezieht sich zwar nicht allein auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache Manninen zum finnischen Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren. Die zeitliche Nähe zum Urteil lässt jedoch vermuten, dass die Bestimmung befürchtete negative Auswirkungen des Urteils aushebeln sollte52. Auch die Entstehungsgeschichte und parlamentarische Äußerungen des früheren Bundesfinanzministers sprechen für diese Deutung53. Nicht zu Unrecht ist vom „lex Manninen“ die Rede54. Allerdings ist nicht die subjektive Motivationslage des Gesetzgebers, sondern der objektive Geltungsbereich der Neuregelung entscheidend55, so dass die Norm wegen hinreichender Anwendungsbreite zum Teil als gemeinschaftsrechtskonform eingestuft wird56. Allerdings moniert die Literatur zum Teil auch einen Verstoß gegen das Effektivitätsprinzip57. Diese noch offene Streitfrage mag die im Einzelfall durchaus umstrittenen Schranken der „Verfahrensmacht“ des nationalen Gesetzgebers illustrieren und lenkt zugleich den Blick auf durch die Rechtsprechung des EuGH „abgesegnete“ Verfahrensregeln.
III. Das französische „Vorbild“ einer gesetzlichen Erstattungslimitation Im Vorfeld und im Nachgang der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Meilicke haben Angehörige der deutschen Ministerialbürokratie den Blick über die Grenze zum französischen Nachbarn schweifen lassen und eine deutsche Anleihe an die dortige Erstattungslimitation kraft Gesetzes erwogen58. Die Attraktivität des französischen „Vorbilds“59 beruht vor allem darauf, dass der EuGH die (ursprüngliche) französische Regelung in seiner Entscheidung zur Rechtssache Roquette Frères60 mit einem „Europa-Gütesiegel“ versehen hat, obwohl sie der französische Gesetzgeber gerade wegen der fiskalischen Auswirkungen der Entscheidungen des EuGH eingeführt hat61. In dem vorangegangenen Verfahren über die Gemeinschaftswidrigkeit der französischen
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51 Kritisch neben den im Folgenden zitierten Autoren vor allem Hahn, IStR 2005, 145 (148 ff.); Loose in Tipke/Kruse (Fn. 9), § 175 AO Tz. 49 (Aug. 2006) m. w. N.; demgegenüber hegt Rüsken in Klein (Fn. 16), § 175 Rn. 51a, 86, keine gemeinschaftsrechtlichen Zweifel. 52 So de Weerth, DB 2005, 1407 (1411). 53 Vgl. bereits Drüen/Kahler, StuW 2005, 171 (183) m. w. N. 54 Gosch, Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Manninen“ trotz Bestandskraft?, DStR 2004, 1988 (1992). 55 Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191 (206). 56 Bartone/v. Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2006, Rn. 1274. 57 Hahn, IStR 2005, 145 (148 f.); de Weerth, DB 2005, 1407 (1411). 58 Zuerst, in durchaus positiver Grundhaltung, Hahn, IStR 2005, 145 (149); sodann auch Steinberg/Bark, EuZW 2007, 245 (247). 59 So Steinberg/Bark, EuZW 2007, 245 (247). 60 EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99– Roquette Frères, EuGHE 2000, 10465. 61 Für diese Motivation Grosclaude/Marchessou, Procédures fiscales, 4. Aufl. Paris, 2007, Rn. 211 sowie Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (568) m. w. N.
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Registersteuer auf Verschmelzungen und Kapitalerhöhungen hatte Frankreich vergeblich in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH beantragt, mit Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen die zeitliche Geltung des Urteils auf zukünftige Sachverhalte zu beschränken62. Die Parallelen zur Rechtssache Meilicke sind darum deutlich. Ursprünglich galt in Frankreich im Falle eines Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht keine besondere Regelung. Auf steuerrechtliche Erstattungsansprüche wendeten französische Gerichte die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren an63. Als Reaktion auf die grundsätzlich rückwirkende Rechtsprechung des EuGH führte der französische Gesetzgeber Ende 1989 eine neue Verfahrensvorschrift ein64. Artikel L 190 des französischen Steuerverfahrensgesetzes (Livre des procédures fiscales – LPF) begrenzt Erstattungsansprüche, die darauf beruhen, dass die Rechtsprechung später den Verstoß einer Steuernorm mit höherrangigem Recht ausspricht65. Die Norm erstreckt sich auf gerichtliche Entscheidungen des obersten französischen Verwaltungsgerichts („Conseil d’État“), des obersten Gerichtshofs („Cour de Cassation“), des EuGH („Cour de justice des Communautés européennes“) sowie des Kompetenzkonflikthofs („Tribunal des conflits“)66, die sich auf einen zurückliegenden Sachverhalt auswirken67. Die Begrenzung erfasst Erstattungsansprüche wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht in einem umfassenden Sinne. Neben dem europäischen Gemeinschaftsrecht zählen zu den höherrangigen Normen in Frankreich wegen der dort vertretenen monistischen Theorie68 auch Doppelbesteuerungsabkommen. Die Begrenzung von Erstattungsansprüchen betrifft auch Verstöße von Rechtsverordnungen gegen höherrangiges Recht, während in Frankreich der Verstoß gegen die Verfassung nicht in den Anwendungsbereich der Norm fällt69. Die Bestimmung des Art. L 190 Abs. 3 LPF ist keine Verjährungsnorm, sondern als prozessuales Zulässigkeitserfordernis eines Rechtsmittels anzusehen70.
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62 Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (567). 63 Zur vorangegangen Kontroverse über Rückerstattungsregime und -fristen vgl. Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (568). 64 Art. 36-I des Nachtragshaushaltsgesetzes 1989, Gesetz Nr. 89–936 vom 29.12.1989. 65 Art. L 190 Abs. 2 und 3 LPF (in der ursprünglichen Fassung) lauten: „Nach den Vorschriften dieses Kapitels werden alle Anträge auf Erlass oder Herabsetzung einer Abgabe oder auf die Ausübung von Abzugsrechten überprüft und beurteilt, die auf die Unvereinbarkeit der zur Anwendung gekommenen Rechtsvorschrift mit einer höherrangigen Rechtsvorschrift gestützt werden. Ist diese Unvereinbarkeit mit einer Gerichtsentscheidung festgestellt worden, so kann sich der Antrag auf Erstattung der gezahlten Beträge oder auf Zahlung für nicht ausgeübte Abzugsrechte oder der Antrag auf Ersatz des erlittenen Schadens nur auf die Zeit nach dem 1. Januar des vierten Jahres vor dem Jahr erstrecken, in dem die Unvereinbarkeit gerichtlich festgestellt worden ist.“ 66 Art. L 190 Abs. 4 LPF. 67 Schienke, Das französische Jahressteuergesetz für 2006, IStR 2006, 302 (307). 68 Marx, Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Frankreich, 2001, S. 28; zum gegenüber dem deutschen Recht abweichenden Verhältnis von Gesetz und Verordnung, ebenda, S. 33 ff. 69 Näher Hahn, IStR 2005, 145 (150) sowie Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (568). 70 Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (568).
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Eine Erstattung ist stets von einem Antrag abhängig, wobei das französische Verfahrensrecht die beantragte Erstattung in doppelter Weise zeitlich begrenzt: Die Limitation erfolgt einerseits durch eine Ausschlussfrist und andererseits durch die Festlegung des Zeitraums, für den eine Erstattung verlangt werden kann71. Denn „der Antrag auf Erstattung der gezahlten Beträge (kann sich) nur auf die Zeit nach dem 1. Januar des vierten Jahres vor dem Jahr erstrecken, in dem die Unvereinbarkeit gerichtlich festgestellt worden ist.“72 Durch das französische Jahressteuergesetz für 2006 wurde der Erstattungszeitraum zum 1.1.2006 von vier auf drei Jahre verkürzt73. Den europarechtlichen Zweifeln an der französischen Norm zur Erstattungsbegrenzung74 ist der EuGH nicht gefolgt. Vielmehr hat er in der Rechtssache Roquette Frères im Jahre 2000 geurteilt, dass eine Regelung wie Artikel L 190 LPF75 sie vorsah, nicht gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstößt. Denn eine derartige Frist sei mit dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts vereinbar, wie der EuGH wie folgt begründet76: 22 „Was zunächst die Vereinbarkeit einer Frist, wie sie in Artikel L. 190 Absatz 3 des Livre des procédures fiscales vorgesehen ist, mit dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts angeht, so entspricht die Festsetzung angemessener Rechtsbehelfsfristen in Form von Ausschlussfristen grundsätzlich diesem Erfordernis, weil sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist. 24 Insofern ist eine nationale Frist, die mindestens vier Jahre und höchstens fünf Jahre vor das Jahr zurückreicht, in dem die Gerichtsentscheidung verkündet worden ist, mit der die Unvereinbarkeit der der Abgabenerhebung zugrunde liegenden Rechtsvorschrift mit einer höherrangigen Rechtsvorschrift festgestellt wird, als angemessen anzusehen. 25 Wie der Generalanwalt in Nummer 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann die Beschränkung des Zeitraums, auf den sich der Rechtsbehelf bezieht, auf die vier oder fünf Jahre vor Erlass der Gerichtsentscheidung zwar in bestimmten Fällen zur vollständigen Abweisung des Antrags führen, aber dadurch wird den Einzelnen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert.“
Weiterhin erachtete der EuGH eine Frist, wie sie in Artikel L 190 Abs. 3 LPF vorgesehen war, mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit als vereinbar. Sie gelte nämlich in gleicher Weise für Rechtsbehelfe, die auf das Gemeinschaftsrecht sowie für solche, die auf das innerstaatliche Recht gestützt werden77.
__________ 71 Hahn, IStR 2005, 145 (149); Hellio/Thill, Steuern in Frankreich, 2. Aufl., 2002, Rn. 650. 72 Art. L 190 Abs. 3 LPF. 73 Grosclaude/Marchessou (Fn. 61), Rn. 211; Schienke, IStR 2006, 302 (307). 74 Kritisch namentlich Brosemer/Seseke, IStR 1996, 564 (568). 75 In der vor Änderung durch das französische Jahressteuergesetz 2006 geltenden Fassung. 76 EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99 – Roquette Frères, EuGHE 2000, I-10465, Rn. 21– 24. 77 EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99 – Roquette Frères, EuGHE 2000, I-10465, Rn. 17, 26–32.
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Schließlich lehnte der EuGH es ab, den Fristbeginn nach seiner Rechtsprechung in der Rechtssache Emmott78 zu bestimmen, indem er zum wiederholten Male klarstellte, dass diese Entscheidung nur durch die besonderen Umstände jenes Falles gerechtfertigt war79. Aufgrund des Präjudizes in der Rechtssache Roquette Frères gilt die europarechtliche Zulässigkeit der französischen Lösung – auch trotz der jüngsten Verkürzung des Erstattungszeitraums um ein Jahr – als geklärt80. Allerdings sind in Frankreich Zweifel erhoben worden, ob die Regelung des Artikels L 190 gegen das Grundrecht auf Eigentum nach dem 1. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoße81. Ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Zweifel teilen wird, ist schwer zu prognostizieren. Immerhin fallen nach seiner bisherigen Rechtsprechung nur durchsetzbare und vollstreckbare Forderungen unter den Eigentumsschutz, wobei dieser Schutz unter Umständen auch durch eine nachträgliche Gesetzgebung aufgehoben werden kann82. Das relativiert die verbliebenen Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der französischen Regelung, welche ohnehin ihre „Strahlkraft“ ins Nachbarland nie getrübt haben.
IV. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Aufnahme einer Erstattungsbegrenzungsnorm in die Abgabenordnung Ob sich das französische „Vorbild“, eventuell „mit einigen Maßgaben“83, auf das deutsche Recht übertragen lässt, bedarf dagegen einer sorgfältigen, verfassungsrechtlichen Prüfung84. Denn die Gemeinschaftsrechtskonformität allein besagt natürlich noch nichts zur Verfassungskonformität85. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenzprinzip folgt aber zwingend, dass eine verfahrensrechtliche Erstattungsbegrenzungsnorm Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nicht anders behandeln darf als solche gegen das nationale Recht86, einschließlich des Verfassungsrechts. Die verfassungsrechtliche Brisanz einer derartigen Norm, die Erstattungsansprüche bei Verstößen gegen höherrangiges
__________ 78 79 80 81 82 83 84 85
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EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 – Emmott, EuGHE I 1991, 4269. EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99 – Roquette Frères, EuGHE 2000, I-10465, Rn. 33 f. So Steinberg/Bark, EuZW 2007, 245 (247). Groux, L’article L 190 du LPF peut-il survivre aux illégalités dont il est affligé?, Bulletin Francis Lefebvre, 12/07, Bulletin Francis Lefebvre, 12/07, Rn. 30 ff. Vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Cremer, Eigentumsschutz, in Grote/ Marauhn, EMRK/GG – Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, Kap. 22 Rn. 43, S. 1256, 1258. Dafür Hahn, IStR 2005, 145 (149). Zutreffend Steinberg/Bark, EuZW 2007, 245 (247). Das folgt formell daraus, dass der EuGH allein über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts und die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit diesem entscheidet (Art. 220, 234 EGV) und materiell aus dem Umstand, dass der nationale Grundrechtsschutz von dem europäischen abweichen und über ihn hinausgehen kann (vgl. nur die Nachweise bei Jarass in Jarass/Pieroth [Fn. 6], Art. 23 Rn. 39). S. bereits III., speziell Text zu Note 77.
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Recht begrenzt, soll ein Beispiel aus dem Unternehmenssteuerrecht verdeutlichen. Aufgrund der Vorlage des Bundesfinanzhofs über die Durchbrechung der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 4 EStG) ist seit Ende 1999 eine Normenkontrolle beim BVerfG anhängig, die das Streitjahr 1988 (!) betrifft87. Dem Verfahren wird in Karlsruhe offenbar keine besondere Priorität zugemessen, obgleich es angesichts zahlloser Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes durchaus Modellcharakter hat, grundsätzliche Fragen aufwirft88 und darum zahlreiche Unternehmen betrifft. Die Erfolgsaussichten der maßgeblich auf den Folgerichtigkeitsgrundsatz gestützten Richtervorlage dürften – nachdem das BVerfG jüngst in seinem Urteil zur sog. Pendlerpauschale allein aus Haushaltsgründen motivierten Durchbrechungen des Folgerichtigkeitsgebots eine deutliche Absage erteilt hat89 – noch gestiegen sein90. Unterstellt, das BVerfG nimmt das anstehende zehnjährige Jubiläum der „Jubiläumsrückstellungs-Vorlage“ zum Anlass, im Laufe des Jahres 2009 zu entscheiden und zwar – was der Verfasser erhofft – im Sinne des BFH, dann wären die betroffenen, angefochtenen Steuerbescheide zu korrigieren91. Wäre dagegen eine Erstattungsbegrenzungsnorm nach dem französischen Vorbild eingeführt worden, so könnten – außer im anhängigen Streitfall – Erstattungen allein für den Zeitraum 2006 bis 2009 beantragt werden. Damit schafft eine derartige Norm, vergleichbar der österreichischen „Ergreiferprämie“92, zunächst einen Anreiz für „Instanz-Gipfelstürmer“, weil sie den mit der unbegrenzten Erstattung prämiert, dessen Fall das Gesetz zu Fall bringt. Für alle anderen wirft die Versagung der Erstattung – gerade bei wenig zeitnahen Entscheidungen – verfassungsrechtliche Fragen des Eigentumsschutzes und des Rechtsschutzes auf.
__________ 87 BFH, Vorlagebeschluss v. 10.11.1999 – X R 60/95, BStBl. II 2000, 131. 88 Ebenso Hey, Verbot und Auflösung von Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen: Gerechtigkeit in der Zeit?, BB 2000, 1453 (1460). 89 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, juris Rn. 57 ff., wörtliches Zitat aus Rn. 61: „Nicht als besonderer sachlicher Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen anerkannt ist demgegenüber der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung. Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage reichen für sich allein nicht aus, um ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen zu rechtfertigen. Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muss er auf eine gleichheitsgerechte Verteilung der Lasten achten.“ 90 Im Sinne der Vorlage geht auch Loose in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 Anm. 1831 (Juli 2001), von der Verfassungswidrigkeit aus; a. A. aber Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 5 Rn. 409. 91 Sofern nicht der Steuerbescheid nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt worden ist, waren betroffene Steuerpflichtige gehalten, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen, der insoweit nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhte und nach dem Präjudiz zu entscheiden ist. 92 Nachweise und Kritik an der österreichischen „Fangprämienregelung“ bei Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), Verfassungsrechtsschutz Tz. 60 (April 2008).
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1. Erstattungslimitation und Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG Bislang entspricht es allgemeiner Ansicht, dass der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Erstattung verfassungswidriger Steuern hat93. Dahinter steckt die Grundeinsicht, dass der Staat kein Recht zur verfassungs- und gemeinschaftswidrigen Besteuerung hat und darum auch kein Recht reklamieren kann, die Vorteile eines Verstoßes zu behalten. Die Erstattung ist vielmehr notwendige Konsequenz des Verstoßes94. Dementsprechend werden negatorische Ansprüche des Bürgers auf Beseitigung bestehender Störungen als klassische Hilfsrechte der grundrechtlichen Abwehrrechte verstanden95. Da bereits der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Steuern durch die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie geschützt ist96, ist auch eine Erstattungsbegrenzungsnorm nach französischem Vorbild an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen. Eine das Eigentum beschränkende Regelung stellt für bestehende Rechtspositionen einen Eigentumseingriff dar, für künftig entstehende Eigentumspositionen wird dagegen allein der Schutzbereich zurückgenommen97. Das BVerfG hat es als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, dass der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Steuern erlischt, wenn er nicht innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist geltend gemacht wird98. Allerdings hat die Begrenzung von Erstattungsansprüchen bei Verstößen gegen höherrangiges Recht eine andere Dimension als eine solche bei der Rückabwicklung von Überzahlungen und die Erstattung von Quellensteuern, weil diese auch auf einem Verhalten des Steuerpflichtigen basieren und ihre zeitliche Eingrenzung letztlich der Verwaltungsökonomie dient99. Dagegen trifft eine Erstattungsbegrenzungsnorm nach dem französischen Muster auch Fälle, die sich der Einflusssphäre des Steuerpflichtigen entziehen und bei denen sich dieser sogar gegen eine verfassungs- oder gemeinschaftswidrige Besteuerung wenden will. Da jede Inhalts- und Schrankenbestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz wahren muss100, stellt sich insbesondere die Frage, ob eine
__________ 93 Vgl. Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, 2003, S. 13 ff. 94 So aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive Gundel in Festschrift V. Götz, 2005, S. 191. 95 Vgl. nur Stern/Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 66 III 1. 96 S. Nachweise in Note 6. 97 Jarass in Jarass/Pieroth (Fn. 6), Art. 14 Rn. 21. 98 BVerfG v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u. a., BVerfGE 70, 278, (285 f.) dem folgend Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 6), Art. 14 Rn. 171. Freilich besteht seit den jüngsten Vorlagen des VI. Senats des BFH zu § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG Streit über die Verfassungsmäßigkeit einer zweijährigen Ausschlussfrist, weil der vorlegende Senat die zitierte Verfassungsrechtsprechung nicht mehr für tragfähig hält (näher Kulosa in Schmidt [Fn. 91], § 46 Rn. 36). 99 BVerfG v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u. a. BVerfGE 70, 278 (285), stellt einerseits auf das vom Berechtigten „binnen angemessener Frist und in einfacher, leicht zu erfüllender Form“ verhinderbare Erlöschen des Rechts und andererseits auf die Bedingungen des „Massengeschäfts“ beim früheren Lohnsteuer-Jahresausgleich ab. 100 Jarass in Jarass/Pieroth (Fn. 6), Art. 14 Rn. 48 m. N. der Rspr.
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ersonnene Erstattungsbegrenzungsnorm angemessen und gleichmäßig wäre101. Dazu müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden102. Da die Konservierung eines verfassungs- oder gemeinschaftswidrigen Zustands für sich genommen kein legitimer Gemeinwohlbelang ist, kann dieser nur in den dahinter stehenden Haushaltsinteressen erblickt werden. Allgemein erkennt das BVerfG das Ziel der Schonung öffentlicher Kassen als vernünftige Erwägung des Gemeinwohls an103. Auch die Literatur versteht zum Teil das staatliche Finanzausstattungsinteresse als legitimes Ziel, das auch Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann104. Aber auch wenn die Verfassung die Berücksichtigung fiskalischer Interessen zulässt oder gar gebieten kann105, existiert auch im Steuerstaat kein Pauschal- oder Globalvorrang von Haushaltsinteressen106. Auch nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG rechtfertigt weder der Finanzbedarf des Staates noch eine „knappe Haushaltslage“ eine ungleiche Belastung der Bürger107. Mit einer Erstattungsbegrenzungsnorm würde der Staat die Folgen von Verstößen gegen höherrangiges Recht minimieren und sich nur eingeschränkt seiner Verantwortung für die Wahrung des Rechts stellen. Zur Begrenzung der finanziellen Folgen würde er die Verstöße nur begrenzt restituieren und dadurch den Betroffenen ein Sonderopfer auferlegen, statt die Verstöße aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu beseitigen. Ähnlich wie bei der Frage der Rückwirkung von Steuergesetzen108 oder der Durchbrechung systemtragender Prinzipien109 ist ein derartiges Sonderopfer gleichheitswidrig und darum unverhältnismäßig. Nachdem das BVerfG jüngst in seinem Urteil zur sog. Pendlerpauschale die rechtfertigende Kraft von Budgetargumenten ins rechte Licht gerückt hat110, bestehen insgesamt durchgreifende Zweifel an der Vereinbarkeit einer Erstattungsbegrenzungsnorm mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
__________ 101 Dasselbe gilt für eine erdenkliche Erstattungsverrechnung mit zukünftigen Steuerzahlungen oder ein „Erstattungs-Moratorium“ nach dem „Vorbild“ des vom BFH in seinem Urteil v. 8.11.2006 – I R 69/70/05, GmbHR 2007, 209 (212) gebilligten Moratoriums bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens, wobei die speziellen Rechtfertigungsgründe des Körperschaftsteuersystemwechsels sich m. E. nicht auf Erstattungen wegen der Verletzung höherrangigen Rechts übertragen lassen. 102 Jarass/Pieroth (Fn. 6), Art. 14 Rn. 39 m. N. der Rspr. 103 BVerfG v. 15.12.1999 – 1 BvR 1904/95 u. a., BVerfGE 101, 331 (349). 104 Cremer, Gewinnstreben als öffentliche Unternehmen legitimierender Zweck: Die Antwort des Grundgesetzes, DÖV 2003, 921 (922, 929); zum Teil a. A. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 39 f. 105 Dazu Häberle, „Gemeinwohljudikatur“ und BVerfG, AöR Bd. 95 (1970), 260 (277 f.). 106 Drüen, Die Bruttobesteuerung von Einkommen als verfassungsrechtliches Vabanquespiel, StuW 2008, 3 (11 f.). 107 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182). 108 Drüen, Rechtsschutz gegen rückwirkende Gesetze – Eine Zwischenbilanz, StuW 2006, 358 (364 f.). 109 Eindringlich Tipke, Das Nettoprinzip – Angriff und Abwehr, dargestellt am Beispiel des Werkstorprinzips, BB 2007, 1525 (1528, 1532). 110 S. bereits Zitat in Fn. 92.
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2. Erstattungslimitation und Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG Frühzeitig ist die Frage aufgeworfen worden, ob eine deutsche Kopie der französischen Regelung in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG stehen würde111. Das Eingangsbeispiel illustriert die Berechtigung der Frage, ob die verfassungsgerichtliche Prüfung in „erstattungsfesten“ Zeiträumen trotz der Rechtsschutzgarantie auf eine rechtsfolgen- und sanktionslose objektive Rechtskontrolle reduziert werden darf. Dabei steht die Rechtsschutzgarantie im engen Konnex zu den anderen Grundrechten. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt als „formelles Hauptgrundrecht“ ein subjektives Recht auf Gerichtsschutz, wodurch insbesondere die materiellen Grundrechte gerichtsschutzfähig gemacht werden112. Die enge Verbindungslinie belegt auch die Diskussion, ob der Anspruch des Bürgers auf Wiederherstellung eines gestörten status negativus auf einem grundrechtlichen Fundament zu verorten ist oder aber aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erwächst113. Soweit es um die Durchsetzungsmöglichkeit grundrechtlicher Abwehrpositionen geht, ist darum bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer ersonnenen Erstattungsbegrenzungsnorm neben Art. 14 GG auch Art. 19 Abs. 4 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Das gilt gerade im Falle der Orientierung an der französischen Regelung, bei der nicht etwa (wie bei der früheren Regelung zum Lohnsteuerjahresausgleich114) ein materielles Recht des Bürgers zeitlich limitiert wird, sondern vielmehr die von einem Gericht festgestellte Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht folgenlos bleibt115. Eine solche gesetzliche Regelung beseitigt darum nicht den materiellen Rechtsgrund der Erstattung, sondern hindert die Durchsetzbarkeit des fortbestehenden Rechts116. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den durch einen verfassungswidrigen Besteuerungsakt Betroffenen effektiven Rechtsschutz117. Art. 19 Abs. 4 GG fordert dabei eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Grundrecht zielt auf eine vollständige Rechtskontrolle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durch ein mit zureichender Entscheidungsmacht ausgestattetes Gericht ab118. Effektiver Rechtsschutz verlangt darum zureichende richterliche Entscheidungsmacht und Durchsetzungskraft; die richterliche Entscheidung muss verbindlich und auch durchsetzbar sein119. Insbesondere müssen die Gerichte genügend Entscheidungsbefugnisse besitzen,
__________
111 Steinberg/Bark, EuZW 2007, 245 (247). 112 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 69 V 5 m. w. N. 113 Vgl. zu den verschiedenen Begründungen Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 294 ff. 114 Dazu BVerfG v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u. a., BVerfGE 70, 278 (285). 115 S. bereits III. 116 Hierin liegt der Unterschied zu einer materiellen zeitlichen Begrenzung von Erstattungsansprüchen, wie er BVerfG v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u. a., BVerfGE 70, 278, zugrunde liegt. 117 Statt vieler Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), Verfassungsrechtsschutz Tz. 1 (April 2008) m. w. N. 118 Huber in v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 6), Art. 19 Rn. 502 m. N. der Rspr. 119 Zutreffend Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 19 Rn. 147 m. w. N.
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um drohende Rechtsverletzungen abzuwehren oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beseitigen120. Bei einer Erstattungsbegrenzungsnorm nach dem französischen Muster wäre indes die gerichtliche Feststellung der Unvereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht nicht durchsetzbar, weil sie nach Ablauf der (festzulegenden) Frist folgenlos bliebe. Der Rechtsschutz stünde unter einer einfachgesetzlichen Verfallsklausel. Darum beeinträchtigt eine derartige Gesetzesvorschrift neben Art. 14 GG zugleich Art. 19 Abs. 4 GG. Zwar kann die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gesetzlich begrenzt werden121, allerdings nur zum Schutze kollidierender Verfassungsgüter, sofern die Begrenzung ihrerseits wiederum dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt122. Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommen – wie schon bei der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (s. IV. 1.) – als legitimer Gemeinwohlbelang wiederum allein Haushaltsinteressen in Betracht123. Diese spielen in der Spruchpraxis des BVerfG eine schillernde und umstrittene Rolle. Bekanntlich nimmt das BVerfG ein flexibles Arsenal der Rechtsfolgenaussprüche für sich in Anspruch124, wobei es – freilich in inzwischen gefestigter Rechtsprechung – Rechtsfolgenaussprüche „erfunden“ hat, die im BVerfGG fehlten oder noch fehlen125. Zumindest partiell hat der Gesetzgeber die richterliche Rechtsfortbildung der Tenorierung durch das BVerfG inzwischen legitimiert126. Der Grund für die vom BVerfG reklamierte Variationsfreiheit bei seinen Rechtsfolgenaussprüchen hat der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof anschaulich beschrieben127: „Diese von der Verfassungsrechtsprechung entwickelten unterschiedlichen Fehlerfolgen erlauben es dem Gericht, die Auswirkungen einer Verfassungswidrigkeit nach dem Grundsatz der Gleichheit in der Zeit je nach den tatsächlichen Anforderungen auszurichten, um so einen Verfassungsverstoß rückwirkend zur Wirkung zu bringen oder den Übergang vom Verfassungsunrecht zum Verfassungsrecht schonend zu gestalten und Härten und Brüche des Übergangs zu vermeiden.“
Dabei nimmt das BVerfG erklärtermaßen Rücksicht auf die staatliche Finanzplanung und die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates128. Die verfassungsgerichtliche Begrenzung der Rechtsfolgenaussprüche aus Budgetgründen mit der sog. Unvereinbarkeitserklärung mit der vorläufigen Weitergeltung der
__________ 120 Wohl allg. Ansicht, vgl. nur Bickenbach, Grundfälle zu Art. 19 IV GG, JuS 2007, 910 (912) m. N. der Rspr. 121 Vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 285 (Febr. 2003). 122 Huber in v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 6), Art. 19 Rn. 374. 123 Ebenso Waldhoff, EuR 2006, 615 (636). 124 Dazu kritisch Seer in Tipke/Lang (Fn. 7), § 22 Rn. 287 ff., 289; Seer/Müller, IWB 2008, Fach 11, Gruppe 2, 851 (859). 125 Explizit Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, Rn. 395 ff., 430. 126 M. Graßhof in Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz-Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl. 2005, § 78 Rn. 83 m. w. N. 127 P. Kirchhof, Rechtsstaatliche Anforderungen an den Rechtsschutz in Steuersachen, DStJG 18 (1995), 17 (40). 128 Vgl. P. Kirchhof, DStJG 18 (1995), 17 (39 f.).
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Norm für eine Übergangszeit129, die einen rechtlichen Grund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO liefert und darum Erstattungsansprüche ausschließt130, unterliegt aber massiver verfassungsrechtlicher Kritik131. Denn der Verfassungsverstoß wird zwar festgestellt, aber gleichwohl aus budgetären Gründen für die Vergangenheit konserviert und überdies häufig für die Dauer der gesetzten Übergangsfrist perpetuiert. Klaus Tipke hat diesen richterlichen „Etatismus“ mit scharfen Worten verurteilt, weil er den „Staat, der in dickfelliger Weise evident verfassungswidrige Gesetze erlassen oder nicht aufgehoben hat“, schützt, „während der freiheitsberechtigte Bürger im Interesse des Gegenwartsstaatsbedarfs verfassungswidrige Steuern zahlen muss“132. Die Rechtsprechung des BVerfG ist zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt, dass der individuelle Rechtsschutz trotz der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu einer objektiven Rechtskontrolle pro futuro mutiere133. Die Tatsache, dass das BVerfG quasi einen budgetären Dispositionsschutz zu Gunsten des Gesetzgebers etabliert hat, wird überwiegend als fragwürdig erachtet134. Das Argument der gesicherten Finanz- und Haushaltsplanung verfängt in den Augen vieler nicht135. Denn die Gegenposition, wonach der Gesetzgeber zur Bildung von Rücklagen als Vorsorge für den Verstoß gegen höherrangiges Recht angesichts der auf absehbare Zeit anhaltenden Finanznot des Staates nicht in der Lage sei136, beschreibt nur das Problem, ohne nach verhältnismäßigeren Lösungen zu suchen137. Immerhin lässt das Urteil zur Pendlerpauschale mehr Sensibilität des BVerfG erkennen und für zukünftige Verfahren hoffen138.
__________
129 Dazu umfassend Schlaich/Korioth (Fn. 129), Rn. 394 ff. 130 Lang in Tipke/Lang (Fn. 7), § 7 Rn. 73. 131 Vgl. nur Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), Verfassungsrechtsschutz Tz. 62 (April 2008); Tipke, ebenda, § 165 AO Tz. 12 (März 2005): „Kapitulation vor der Macht der nackten fiskalischen Tatsachen“; Rezension, StuW 2004, 187, jeweils m. w. N. 132 Tipke, Der Karlsruher Entwurf zur Reform der Einkommensteuer, StuW 2002, 148 (165). 133 Eingehend Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, 2003. 134 Näher bereits Drüen, Haushaltsvorbehalt bei der Verwerfung verfassungswidriger Steuergesetze?, FR 1999, 289 f. sowie Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), § 69 FGO Tz. 97 (April 2006) m. w. N. 135 Chr. Stahl, Das Argument der Finanz- und Haushaltsplanung nach dem Erbschaftsteuerbeschluss vom 7. November 2006, DÖV 2008, 194 ff. m. w. N.; sehr deutlich auch Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), Verfassungsrechtsschutz Tz. 62 (April 2008) m. w. N.: „Schlechterdings nicht zu überzeugen vermag das Budget-Argument.“ 136 So M. Graßhof in Umbach/Clemens/Dollinger (Fn. 129), § 78 Rn. 47; § 79 Rn. 29. 137 Zu adäquaten Instrumenten der Vorsorge vgl. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), § 69 FGO Tz. 97 (April 2006). 138 Denn BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, juris Rn. 89, lehnt explizit „eine mögliche Ausnahme von dieser Regelfolge der Unvereinbarkeit, wie sie bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen vom Bundesverfassungsgericht wiederholt bejaht worden ist“, ab, weil es sich „um einen vergleichsweise kurzen Anwendungszeitraum der Neuregelung (handele), deren Verfassungsmäßigkeit stets umstritten war und für den auch die Finanzverwaltung bereits auf Zweifel an der Verfassungmäßigkeit mit vorläufigen Regelungen reagiert hatte.“ Früher und massiver verfassungsgestützter Widerstand gegen die Steuergesetzgebung zahlt sich demnach aus!
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Die geschilderten Bedenken an der verfassungsgerichtlichen Rechtsfolgenbeschränkung sprechen erst recht gegen eine schematische einfachgesetzliche Beschränkung von Erstattungsansprüchen bei Verstößen gegen höherrangiges Recht. Denn zunächst würde eine Limitation von Erstattungsansprüchen nach dem französischen Vorbild gerade bei verfassungswidrigen Steuern wegen der imparitätischen Ausgestaltung zu Gunsten der „verfassungsfremden Steuergesetzgebung“139 die bisherige Kritik potenzieren, weil der bereits heute erhobene Vorwurf, der Gesetzgeber vernachlässige seine Verantwortung für das Recht140, durch eine derartige Erstattungsbegrenzungsnorm sogar noch gesetzlich belegt würde. Überdies würde eine einfachgesetzliche Vorschrift eine Restitution beim Verstoß gegen höherrangiges Recht schematisch allein aufgrund Zeitablaufs ausschließen, obwohl das BVerfG gerade für sich in Anspruch nimmt, die Rechtsfolgen des Verfassungsverstoßes im Einzelfall aufgrund der Abwägung kollidierender Interessen zu bestimmen. Selbst wenn man mit dem BVerfG Haushaltserwägungen als Rechtfertigungsgrund für die Verkürzung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dem Grunde nach anerkennt, verfehlt eine gesetzliche Erstattungsbegrenzung nach dem französischen Vorbild das Gebot eines verhältnismäßigen Ausgleichs der kollidierenden Verfassungsgüter im Einzelfall. Ein Fall wie das in die Jahre gekommene Jubiläums-Rückstellungs-Verfahren, könnte das BVerfG veranlassen, die einfachgesetzliche Erstattungsbegrenzungsnorm verfassungskonform zu reduzieren oder durch neue rechtsschöpferisch entwickelte Rechtsfolgenaussprüche leer laufen lassen. Dadurch würde indes wegen des Äquivalenzprinzips sogleich die gemeinschaftsrechtliche Legitimation ins Wanken geraten. Umgekehrt besteht für den durch das BVerfG im Gegensatz zum EuGH mit viel Nachsicht bedachten Gesetzgeber das Risiko, dass eine derartige Neuregelung das BVerfG veranlassen könnte, seine bisherige Rechtsprechung zur Beschränkung der Rechtsfolgen auf den Prüfstand zu stellen. Wenn Erstattungsansprüche wegen der Verletzung höherrangigen Rechts in Zukunft nur noch zeitlich befristet geltend gemacht werden können und danach erlöschen, und daran zur Wahrung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenzprinzips verfassungsrechtlich nicht gerüttelt würde, wären die haushaltsmäßigen Auswirkungen überschaubarer als bisher. Das BVerfG könnte dies zum Anlass nehmen und – wie in der Literatur zum Teil gefordert141 – seine Rechtsprechung der des EuGH anpassen. Das Argument der Sicherung der Haushaltsplanung könnte sich wegen des Echos der Rechtsprechung des
__________ 139 So die Bezeichnung von Lang in Tipke/Lang (Fn. 7), VII (Vorwort). Deutlich auch Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Ertragsteuerrecht, StuW 2007, 3 (15): „Das BVerfG wird zu judicial activism herausgefordert, wenn der Steuergesetzgeber seine Verantwortung für den Grundrechtsschutz im Steuerrecht nicht mehr wahrnimmt.“ 140 Vgl. Seer in Tipke/Kruse (Fn. 9), Verfassungsrechtsschutz Tz. 62 (April 2008); Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, 2000, S. 76. 141 Jüngst Seer, ebenda, der dafür plädiert, dass das BVerfG wie der EuGH haushalterische Argumente nur bei existenziellen Notlagen und nur unter restriktiven Voraussetzungen zur Einschränkung des Grundrechtsschutzes berücksichtigen sollte.
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BVerfG in sein Gegenteil umkehren. Es scheint demnach nicht sicher, dass die erhofften Wirkungen auch eintreten. Überdies ist die dem Äquivalenzprinzip geschuldete Verkettung von Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht mit ihren weitreichenden Folgen zu bedenken142.
V. Fazit Die Rechtsfolgenaussprüche des EuGH haben sich in der Vergangenheit als budgetäre und administrative Herausforderung für die Mitgliedstaaten gezeigt143. Allerdings sollten die Folgen nicht dramatisiert werden. Fiskalpanik ist auch insoweit fehl am Platze. Dies gilt insbesondere nachdem der EuGH in den letzten Jahren unter dem Eindruck der Budgetängste einzelner Mitgliedstaaten und vielleicht auch der Kritik an seiner allein auf die Grundfreiheiten der Marktteilnehmer ausgerichteten Rechtsprechung144 der fortbestehenden Steuersouveränität durch die schärfere Konturierung und Effektuierung der Rechtfertigungsgründe der Kohärenz und vor allem der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durchaus Rechnung trägt. Gleichwohl bleiben die nationalen Steuergesetzgeber zur Prävention aufgerufen, indem sie – ggf. in Kooperation mit der Kommission – bestehende und geplante Steuernormen gründlich auf ihre Europatauglichkeit prüfen145. Im Falle der Beanstandung einzelner Steuervorschriften durch den EuGH besteht ein gemeinschaftsrechtliches Erstattungsgebot (s. I.), das nach nationalem Verfahrensrecht unter Wahrung der Effizienz und der Äquivalenz abzuwickeln ist (s. II.). Die aus den Reihen der Finanzverwaltung aufgeworfene Frage, ob es sich empfiehlt, zur Schonung des Staatsbudgets und Begrenzung von „Steuerausfällen“ eine Erstattungsbegrenzungsnorm nach dem französischen „Vorbild“ (s. III.) in die Abgabenordnung einzuführen, ist nach den vorstehenden Erwägungen deutlich zu verneinen (s. IV.). Durchgreifende verfassungsrechtliche Argumente sprechen dagegen. Selbst wenn man diese anders gewichtet oder beiseite schiebt, so zeigen zahlreiche einfachgesetzliche Umsetzungsfragen und Folge-
__________ 142 So hält Hahn, IStR 2005, 145 (150), eine Änderung des § 79 Abs. 2 BVerfGG für geboten, der im Interesse des Rechtsfriedens nach der Bestandskraft des Verwaltungsaktes entscheidet, ob eine Rückabwicklung bei Verfassungswidrigkeit stattfinden soll oder nicht (zur Verfassungsmäßigkeit der Norm vgl. BVerfG v. 16.1.1980 – 1 BvR 127/78 u. a., BVerfGE 53, 115 [130]; v. 27.11.1997 – 1 BvL 12/91, BVerfGE 97, 35 [48]; Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2006, § 79 Rn. 2; kritisch dagegen Schlaich/Korioth [Fn. 129], Rn. 393). 143 Vgl. zuletzt Jahn, FAZ vom 24.12.2008, S. 23. 144 Für den Weg einer praktischen Konkordanz zwischen Grundfreiheiten und nationaler Finanzverfassung Wieland, Der Europäische Gerichtshof als Steuergesetzgeber?, Festschrift Zuleeg, 2005, 492 (503); zugespitzte Kritik von Ahmann, Das Ertragssteuerrecht unter dem Diktat des Europäischen Gerichtshof? Können wir uns wehren?, DStZ 2005, 75. 145 Ebenso bereits Kokott/Henze, BB 2007, 913 (917 f.).
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probleme146, dass die Einführung einer Erstattungsbegrenzungsnorm es nicht wert ist, die Systematik und bisherige Grundausrichtung der Abgabenordnung über Bord zu werfen. Der Schlüssel zur Lösung der budgetären und administrativen Probleme liegt nicht in einer punktuellen Reaktion auf missliebige Entscheidungen des EuGH, selbst wenn eine Erstattungsbegrenzungsnorm gemeinschaftsrechtlich „halten“ würde. Die deutsche Generalanwältin hat mit einigem Recht die Verantwortung des nationalen Gesetzgebers betont147: Die finanziellen Risiken für den nationalen Fiskus könnten dadurch verringert werden, dass die Besteuerungsverfahren schneller bestandskräftig abgeschlossen werden, so dass Urteile des EuGH nicht mehr so viele offene Veranlagungen beeinflussen können148. Die Ursachen für die verfahrensrechtliche Offenheit sind freilich vielfältig. Statt aus fiskalischen Gründen an einzelnen Symptomen anzusetzen, sollten die europäischen Herausforderungen als Impuls für die ohnehin gebotene Reform des Steuervollzuges und der Abgabenordnung149 begriffen werden. Eine Erstattungsbegrenzungsnorm, die den Steuergesetzgeber weiter ermuntert, sich im verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Grenzland zu bewegen150, wäre kein Reformfortschritt – im Gegenteil!
__________ 146 Exemplarisch: Welche Konsequenz hat die Einführung einer Erstattungsbegrenzungsnorm für das Entstehen und Erlöschen von Erstattungsansprüchen? Hindert ein Sondererlöschenstatbestand zugleich die Erstattung aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO und Saldierung materieller Fehler nach § 177 AO? Wie wird die Wirkung der Erstattungsbegrenzungsnorm in förmlichen Rechtsschutzverfahren nach §§ 347 ff. AO sowie der FGO trotz des Grundsatz der Gesamtaufrollung (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO) sichergestellt? Weitere Folgefragen sind greifbar. 147 Deutlich Kokott/Henze, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von EuGHUrteilen in Steuersachen, NJW 2006, 177 (179): „Der Umfang der drohenden Steuerausfälle infolge EuGH-Urteile in Deutschland scheint auch auf hausgemachten Problemen zu beruhen. Angeblich ziehen sich Steuerveranlagungen manchmal über 10 Jahre und länger hin. In dieser Zeit sind neuere Entwicklungen, etwa Urteile des Gerichtshofs, noch uneingeschränkt zu berücksichtigen. Die Bundesrepublik hätte es selbst in der Hand, die „Rückwirkung“ der EuGH-Urteile zu begrenzen, indem die Steuerverfahren beschleunigt würden“. 148 So Kokott/Henze, BB 2007, 913 (917 f.). 149 Dazu näher Seer, Reform des Veranlagungsverfahrens, StuW 2003, 40 und Seer, Der Vollzug von Steuergesetzen unter den Bedingungen einer Massenverwaltung, in Widmann (Hrsg.), Steuervollzug im Rechtsstaat, DStJG 31 (2008), 7 (36). 150 Zur Kritik an der jüngeren Steuergesetzgebung vgl. nur Drüen, StuW 2008, 3 (4 ff.); Hey, Verletzung fundamentaler Besteuerungsprinzipien durch die Gegenfinanzierungsmaßnahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BB 2007, 1303; Lang in Tipke/Lang (Fn. 7), § 8 Rn. 91 ff., insbesondere Rn. 94; Seer, Das Steuergesetz als Experimentierklausel?, JbFStR 2007/2008, 9 (10, 19).
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Ausländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen Inhaltsübersicht I. Einführung II. Anwendungsbereich des UmwStG III. Steuerliche Behandlung bei der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Steuerliche Schlussbilanz und Wertansatzwahlrecht 2. Besteuerung des Übertragungsgewinns 3. Europarechtliche Bedenken IV. Steuerliche Behandlung beim übernehmenden Rechtsträger und den Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Übernahme der Werte aus der steuerlichen Schlussbilanz durch den übernehmenden Rechtsträger 2. Zweiteilung der Besteuerungsfolgen bei den Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft 3. Auswirkungen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter der Übertragerin sowie auf den übernehmenden Rechtsträger a) Anteile gehören zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers
b) Anteile gehören nicht zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers aa) Anwendungsbereich und Rechtsfolgen der Einlagefiktion gem. § 5 Abs. 2 und 3 UmwStG bb) Anteile gehören zu einer inländischen Betriebsstätte des Gesellschafters cc) Anteile gehören zu einem ausländischen Betriebsvermögen des Gesellschafters dd) Anteile i. S. v. § 17 EStG, die nicht zu einem Betriebsvermögen des Gesellschafters gehören ee) Anteile, die nicht zu einem Betriebsvermögen des Gesellschafters gehören und keine Anteile i. S. v. § 17 EStG sind V. Zusammenfassung
I. Einführung Zu den weitgespannten Arbeitsgebieten des Jubilars zählt neben dem Internationalen Steuerrecht1 auch das Umwandlungssteuerrecht einschließlich des Schnittbereichs der beiden Rechtsgebiete2. Gerade dieser Schnittbereich ist in
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1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998. 2 Vgl. Schaumburg/Rödder, UmwG/UmwStG, Köln 1995; Schaumburg, GmbHR 1996, 414, 501, 585, 668; ders. in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1997, 1; Internationales Steuerrecht, a. a. O., § 17; ders., in FS Widmann, Bonn 2000, 505; ders., in FS Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg/ Schumacher in Lutter, UmwG, 3. Aufl., Köln 2004, Einl. Rz. 74–81.
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den vergangenen Jahren durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG)3 erheblich verändert worden, indem das Umwandlungssteuergesetz mit dem Ziel neu gefasst wurde, grenzüberschreitende Umstrukturierungen unter Wahrung der deutschen Besteuerungsrechte zu erleichtern4 Im Folgenden soll den steuerlichen Konsequenzen der Umwandlung einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen bei Vorhandensein ausländischer Anteilseigner nachgegangen werden. Nach Erhebungen der Deutschen Bundesbank belief sich der Bestand des unmittelbaren ausländischen Beteiligungskapitals an deutschen Unternehmen Ende 2006 auf mehr als 330 Mrd. Euro; direkte ausländische Kapitalbeteiligungen bestanden an fast 6.000 Unternehmen5. Wichtige Herkunftsländer waren die Niederlande, die USA, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und die Schweiz6.
II. Anwendungsbereich des UmwStG Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 UmwStG findet das Umwandlungsteuergesetz auf die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft Anwendung, wenn sie sich nach den Regelungen des Umwandlungsgesetzes vollzieht oder ein vergleichbarer ausländischer Vorgang7 vorliegt und die beteiligten Rechtsträger Gesellschaften nach Art. 48 EG-Vertrag oder Art. 34 EWR-Abkommen sind, die nach den Rechtsvorschriften eines EU- oder EWR-Staats gegründet wurden und die Sitz und Geschäftsleitung in einem dieser Staaten haben8. Gleiches gilt für die Verschmelzung der Gesellschaft auf eine natürliche Person, die Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat hat und nicht aufgrund eines DBA als außerhalb dieser Staaten ansässig anzusehen ist. Das UmwStG erfasst deshalb auch die Umwandlung einer GmbH in eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person, sofern nach § 4a GmbHG9 nur der Satzungssitz der Übertragerin, nicht aber der Verwaltungssitz im Inland liegt10.
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3 BGBl. I 2006, 2782; BStBl. I 2007, 4. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 25. 5 Vgl. Deutsche Bundesbank, Bestandserhebung über Direktinvestitionen, Statistische Sonderveröffentlichung 10, April 2008, 42. 6 Vgl. ebenda, 48–54. 7 Zur Vergleichbarkeitsprüfung vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1526; Widmann in Widmann/Mayer, § 1 UmwStG Rz. 17–25 (Feb. 2007); Möhlenbrock in DJPW, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 74–92 (Juli 2007); Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG Rz. 86–92. 8 Gründungsstaat und Sitzstaat müssen nicht identisch sein. 9 I. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 10 § 1 UmwG setzt lediglich einen inländischen Satzungssitz voraus, vgl. Lutter/ Drygala in Lutter, 3. Aufl., Köln 2004, § 1 UmwG Rz. 7.
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III. Steuerliche Behandlung bei der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Steuerliche Schlussbilanz und Wertansatzwahlrecht Die übertragende Körperschaft hat auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine steuerliche Schlussbilanz aufzustellen, in der die übergehenden Wirtschaftsgüter gem. § 3 Abs. 1 UmwStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind; für die Bewertung von Pensionsrückstellungen gilt § 6a EStG. Aufzudecken sind der Gesetzesbegründung zufolge auch die stillen Reserven in nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einschließlich des Firmenwerts11. Gemäß § 3 Abs. 2 UmwStG können in der steuerlichen Schlussbilanz auf Antrag des übertragenden Rechtsträgers die übergehenden Wirtschaftsgüter einheitlich mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert angesetzt werden, soweit 1. sie Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person werden und sichergestellt ist, dass sie später der Einkommenoder Körperschaftsteuer unterliegen, 2. das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft oder bei der natürlichen Person nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und 3. eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder in Gesellschaftsrechten besteht. In Zusammenhang mit der Beteiligung nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Personen kommt der Verhaftungsbedingung unter Nr. 2 Bedeutung zu. Dagegen stellt die Bedingung unter Nr. 1 nur die betriebliche Verstrickung der stillen Reserven sicher; nicht erforderlich ist, dass es sich bei der späteren Besteuerung um deutsche Steuern handelt12. Die Wahrung der deutschen Besteuerungsrechte ist wirtschaftsgutbezogen und gesellschafterbezogen zu prüfen13. Entscheidend sind die Verhältnisse beim übernehmenden Rechtsträger am steuerlichen Übertragungsstichtag14. Die Verhaftungsbedingung soll verhindern, dass durch die auf diesen Stichtag wir-
__________ 11 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 37; 16/3369, 22; Desens, FR 2007, 1204–1208; Widmann in Widmann/Mayer, § 3 UmwStG Rz. R 298.26 (Juni 2008). Zur abweichenden Rechtslage vor Inkrafttreten des SEStEG vgl. BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98, IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268, Rz. 03.03, 03.07; OFD Rheinland, Kurzinformation KSt 13/2008 v. 25.2.2008, DB 2008, 496. 12 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 34, 37. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SEStEG vgl. BT-Drucks. 12/6885, 16; BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268, Rz. 03.01, 03.05, 03.09; Schaumburg, FR 1995, 213; GmbHR 1996, 415 f. 13 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 37. 14 So im Ergebnis auch Benecke in PWC, Reform des Umwandlungsteuerrechts, 2007, Rz. 1040; Dötsch/Pung in DJPW, § 3 UmwStG (SEStEG) Rz. 37a (Juli 2007); Schnitter in Frotscher/Maas, § 3 UmwStG Rz. 73. A. A. (Verhältnisse im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Wirksamwerdens der Umwandlung) Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 80.
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kende Umwandlung Steuersubstrat der Besteuerung entzogen wird. Bei der Prüfung sind die Erwerbs- und Einlagefiktionen gem. § 5 UmwStG zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter im Zuge der Umwandlung Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhalten oder ob sie bereits zuvor beteiligt waren oder mit dem übernehmenden Rechtsträger identisch sind. Die Verhaftungsbedingung kann zur Folge haben, dass für einzelne Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz ein Buch- oder Zwischenwertansatz nur anteilig möglich ist, weil die deutsche Steuerverhaftung der stillen Reserven nur bei einzelnen Gesellschaftern des übernehmenden Rechtsträgers sichergestellt ist15. Die Steuerverhaftungsbedingung ist im Hinblick auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gewahrt, soweit Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft übergeht, welches nach der Umwandlung einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG). Gleiches gilt, soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, welches bereits bei der übertragenden Körperschaft durch ein DBA mit Freistellungsmethode von der deutschen Besteuerung ausgenommen war16. Verletzt wird die Steuerverhaftungsbedingung, soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, das bei der Übertragerin nicht durch ein DBA mit Freistellungsmethode von der deutschen Besteuerung ausgenommen ist; nach der Umwandlung besteht insoweit mangels inländischer Einkünfte kein deutsches Besteuerungsrecht mehr17. Verletzt wird die Steuerverhaftungsbedingung auch, soweit inländisches Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft übertragen wird, das nach der Umwandlung keiner inländischen Betriebsstätte mehr zuzuordnen und deshalb ebenfalls der deutschen Steuerhoheit entzogen ist („ungebundenes Vermögen“). Betroffen sind insbesondere Beteiligungen, Patente, Rechte, Know-how und der selbstgeschaffene Firmenwert, sofern diese Wirtschaftsgüter nicht nur dem deutschen Betriebsstättenvermögen dienen. Zwar hängt die Zuordnung von Wirtschaftsgütern, welche die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesenen Funktionen sowohl als Bestandteil eines Betriebsstättenvermögens als auch des Stammhausvermögens erfüllen können, entscheidend vom erkennbaren Willen der Geschäftsleitung ab18. Von diesem Grundsatz der Wahlfreiheit gibt es jedoch Ausnahmen: – So sind Beteiligungen nach den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen in der Regel dem Stammhaus zuzurechnen, wenn sie nicht einer in der Be-
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15 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1073; Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Adrian, GmbHR 2006, 625; Klingebiel, DK 2006, 602. 16 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 38; Frotscher, IStR 2006, 67; Trossen, FR 2006, 620; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 175; Dötsch/Pung in DJPW, § 3 UmwStG (SEStEG) Rz. 38, 40 (Juli 2007); Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 104. 17 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 18 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, 2.4.
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triebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen19. Die Finanzverwaltung beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Qualifikation von Dividendenerträgen als Betriebsstättengewinne in Outboundfällen20. Danach kommt es entscheidend darauf an, dass die Beteiligung über die formale Eigentümerstellung hinaus in funktionalem Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unmittelbar unternehmerischen Tätigkeit steht. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligung zivilrechtlich zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehört, welche als Betriebsstätte ihrer Mitunternehmer anzusehen ist. Der BFH hat jüngst nochmals das abkommensrechtliche Erfordernis eines funktionalen Zusammenhangs zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit für die Zuordnung der Beteiligung hervorgehoben21. Diese Rechtsprechung gilt grundsätzlich auch in Inboundfällen22. Allerdings ist zu beachten, dass es auf den abkommensrechtlich erforderlichen funktionalen Zusammenhang im Falle des Fehlens eines DBA nicht ankommen kann. In diesem Fall ist allein entscheidend, ob die Beteiligung nach nationalem deutschen Steuerrecht der Betriebsstätte zuzuordnen ist23. Erleichterungen in der Zuordnung gelten zudem für den Fall, dass Betriebsstätten nur in einem einzigen Staat vorhanden sind24. – Selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Patente, Rechte, Lizenzen, Know-how) können gem. Tz. 2.6.1 c) i. V. m. Tz. 2.6.3 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze dem ausländischen Stammhaus zuzuordnen sein, wenn sie dort Verwendung finden. Auch diese Auffassung stützt sich auf die Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Zuordnung von Lizenzgebühren, die diese Entgelte nur dann als Unternehmensgewinne aus einer Betriebsstätte qualifiziert, wenn die zugrunde liegenden Rechte in funktionalem Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte schwergewichtig ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit stehen. Indiz gegen die tatsächliche Zugehörigkeit zur Betriebsstätte ist, wenn die erzielten Einkünfte in gleicher Weise vom Stammhaus erzielt werden können oder die aus der Nutzungsüberlassung erzielten Einkünfte ohne Einfluss auf die Höhe der Einkünfte sind, die aus der unternehmerischen Tätigkeit der Betriebsstätte erzielt werden25.
__________ 19 Ebenda. Kritisch Blumers, DB 2006, 857. Vgl. a. Kinzl, AG 2005, 844; Hölscher/ Loose, IWB, Fach 3, Deutschland, Gr. 479 (25.1.2006). 20 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (565). Vgl. a. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313 (314); v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); Vogel in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Vor Art. 10–12 Rz. 40, 41. 21 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001 (2005). Vgl. a. Goebel/Boller/ Ungemach, IStR 2008, 645–649. 22 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939). 23 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025. Zu diesen Grundsätzen Goebel/ Boller/Ungemach, IStR 2008, 643 f. 24 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025. 25 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (565); v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053. Kritisch Kessler/Jehl, IWB, Fach 10, Gr. 2, 1982 (8.8.2007).
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– Da ein Firmenwert nach Ansicht der Rechtsprechung des BFH an den Betrieb oder Teilbetrieb gebunden ist26, besteht die Gefahr der Verletzung der Steuerverhaftungsbedingung, wenn sich durch die Umwandlung der Schwerpunkt des ehemaligen Betriebs oder Teilbetriebs der Kapitalgesellschaft in das Ausland verschiebt. 2. Besteuerung des Übertragungsgewinns Werden die übergehenden Wirtschaftsgüter mit einem über dem Buchwert liegenden Wert angesetzt, so entsteht ein Übertragungsgewinn. Dieser unterliegt grundsätzlich der sofortigen Besteuerung mit KSt, SolZ und GewSt, soweit er nicht im Einzelfall z. B. aufgrund von § 8b Abs. 2 KStG27 steuerbefreit ist. Soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen betroffen ist, fällt jedoch keine GewSt an. Darüber hinaus können die aufgedeckten stillen Reserven aufgrund eines DBA insgesamt steuerbefreit sein. Soweit bei ausländischem Betriebsstättenvermögen in einem EU-Mitgliedstaat die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung vermieden wird und die Umwandlung ausnahmsweise von der Fusionsrichtlinie28 erfasst wird, ist auf die deutsche Körperschaftsteuer gem. § 3 Abs. 3 UmwStG fiktiv der Betrag der ausländischen Steuern nach § 26 KStG anzurechnen, der in dem ausländischen Staat bei einer Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert erhoben worden wäre29. Die Regelung erfasst deshalb nicht alle Fälle von Anrechnungsbetriebsstätten. Wird der Übertragungsgewinn nur durch einzelne Gesellschafter ausgelöst, so liegt hierin eine potentielle Konfliktquelle, da die anderen Gesellschafter wirtschaftlich betrachtet die entstehenden Steuerlasten mit tragen. 3. Europarechtliche Bedenken Die Sofortbesteuerung eines Übertragungsgewinns ist europarechtlich zweifelhaft, soweit Betriebsstättenvermögen in einem EU- oder EWR-Staat betroffen ist30 oder „ungebundenes Vermögen“ durch die Umwandlung aus Deutschland in ein ausländisches EU- oder EWR-Betriebsstättenvermögen wechselt und soweit die nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter in einem EUoder EWR-Staat ansässig sind31.
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26 Vgl. BFH v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113. 27 Vgl. Hey, GmbHR 2001, 993; Widmann in Widmann/Mayer, § 3 UmwStG Rz. R 549 (Juni 2008); wohl auch BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Rz. 23. 28 Richtlinie (EWG) Nr. 90/434 v. 23.7.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 225, 1, geändert durch Richtlinie 2005/19/EG des Rates vom 17.2.2005, ABlEU Nr. L 58 v. 4.3.2005, 19. 29 Vgl. Widmann in Widmann/Mayer, § 3 UmwStG Rz. R 564.1–564.10 (Juni 2008). Nach der Gesetzesbegründung soll im Falle der tatsächlichen Erhebung ausländischer Steuern entgegen dem Gesetzeswortlaut nur deren Betrag angerechnet werden, vgl. BT-Drucks. 16/2710, 38. 30 Vielfach wird hier eine DBA-Freistellung eingreifen. 31 A. A. Dötsch/Pung in DJPW, § 3 UmwStG (SEStEG) Rz. 37 (Juli 2007).
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Die drohende Sofortbesteuerung kann Kapitalgesellschaften davon abhalten, in anderen EU- oder EWR-Staaten zu investieren, denn bei inländischem Betriebsstättenvermögen droht keine Sofortbesteuerung. Bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens können ausländische Gesellschafter davon abgehalten werden, in deutsche Kapitalgesellschaften zu investieren, da eine Anpassung der Rechtsform an veränderte Bedingungen anders als bei inländischen Gesellschaftern zu einer Sofortbesteuerung führen kann. Diese Gefahr behindert auch die Möglichkeit deutscher Kapitalgesellschaften zur Kapitalbeschaffung im Ausland. Verletzt wird insoweit die Niederlassungfreiheit gem. Art. 43, 48 EG-Vertrag und die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56, 58 EG-Vertrag32. Aus den EuGH-Entscheidungen X und Y33 sowie de Baeck34 ergibt sich, dass bei grenzüberschreitenden unentgeltlichen und entgeltlichen Umstrukturierungsvorgängen in der EU ein Steueraufschub gewährt werden muss, sofern er für entsprechende nationale Umstrukturierungen gewährt wird35. Dies gilt auch dann, wenn dabei stille Reserven aus der innerstaatlichen Steuerverhaftung ausscheiden. Der Steueraufschub darf nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden36. Die Entscheidungen gelten auch für Sachverhalte in den EWR-Staaten, da das EWR-Abkommen ebenfalls die Niederlassungfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit garantiert. Sofern die Beteiligung eines nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafters keinen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der übertragenden Kapitalgesellschaft ermöglicht und es nicht erlaubt, deren Tätigkeit zu bestimmen, ist die Kapitalverkehrsfreiheit betroffen. Insoweit kann eine Sofortbesteuerung auch zweifelhaft sein, wenn nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat ansässig sind.
__________ 32 Zur Abgrenzung von Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit vgl. EuGH v. 14.10.2004 – Rs. C-36/02, Slg. 2004, I-9609, Rz. 27; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Rz. 33; v. 10.5.2007 – Rs. C-492/04 – Lasertec, GmbHR 2007, 770; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, DStRE 2008, 24 Rz. 24, 38; Rehm/ Nagler, IStR 2007, 700; GmbHR 2008, 12 f. 33 EuGH, Urt. v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, Slg. 2002, I-10829, Rz. 65, 74. Vgl. dazu Lausterer, IStR 2003, 19; Sedemund, DStZ 2003, 407; Thömmes, StbJb 2003/2004, 219–222. 34 Vgl. EuGH, Beschl. v. 8.6.2004 – Rs. C-268/03 – de Baeck, HFR 2005, 274, Rz. 25, 26; dazu van Steenwinckel, EC Tax Review 2005, 24. 35 Vgl. Sedemund, DStZ 2003, 412; Piltz in Herzig (Hrsg.), Besteuerung der Europäischen Aktiengesellschaft, Köln 2004, 82 f.; Rödder, DStR 2005, 895. Vgl. a. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001, 2004 f.; Wassermeyer, GmbHR 2004, 614. 36 EuGH, Urt. v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, IStR 2004, 236, Rz. 47, 54; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, DStR 2006, 1691, Rz. 36, 51, 55.
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IV. Steuerliche Behandlung beim übernehmenden Rechtsträger und den Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Übernahme der Werte aus der steuerlichen Schlussbilanz durch den übernehmenden Rechtsträger Die Übernehmerin hat die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter und Schulden gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG mit den Werten aus der steuerlichen Schlussbilanz der Übertragerin zu übernehmen. Soweit dort Wirtschaftsgüter mit einem über dem Buchwert liegenden Wert angesetzt wurden, sind die Aufstockungsbeträge beim übernehmenden Rechtsträger nach den Grundsätzen für nachträgliche Anschaffungskosten zu behandeln, d. h. der AfA ist – mit Ausnahme der Gebäude-AfA – eine Neuschätzung der Restnutzungsdauern zugrunde zu legen37. 2. Zweiteilung der Besteuerungsfolgen bei den Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft Durch das SEStEG ist eine Zweiteilung der Besteuerungsfolgen bei den Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft eingeführt worden. Zum ersten ist den Anteilseignern das in der steuerlichen Schlussbilanz der Gesellschaft ausgewiesene Eigenkapital abzgl. des Bestands des steuerlichen Einlagekontos38 anteilig als Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen (§ 7 UmwStG). Im Ergebnis werden damit den Anteilseignern die offenen Rücklagen der Gesellschaft, soweit sie nicht aus Einlagen stammen, anteilig als fiktive Gewinnausschüttung zugerechnet. Für die Einnahmen ist Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen39. Die KapESt entsteht mit dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Umwandlung, d. h. im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung in das maßgebende Register40. Soweit bei der Übertragerin ein Buchwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz nicht möglich ist, erhöhen sich die Rücklagen in der steuerlichen Schlussbilanz der Übertragerin um die aufgedeckten stillen Reserven abzgl. der Steuer auf den Übertragungsgewinn mit der Folge einer entsprechend höheren Zurechnung von Bezügen gem. § 7 UmwStG bei allen – nicht nur den nicht unbeschänkt steuerpflichtigen – Gesellschaftern. Zum zweiten ist gem. § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG für die Anteile an der Kapitalgesellschaft, die am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers gehören oder die gem. § 5 UmwStG
__________ 37 Vgl. BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407 (409 f.). 38 Nach Anwendung von § 29 Abs. 1 KStG. 39 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 40; Bilitewski, FR 2007, 63; Bodden, FR 2007, 73. Vgl. a. BMF v. 16.12.2003 – IV A 2 - S 1978 - 16/03, BStBl. I 2003, 786, Rz. 10; kritisch IDW, WPg 2006, 754. 40 BMF v. 16.12.2003 – IV A 2 - S 1978 - 16/03, BStBl. I 2003, 786, Rz. 10, zu § 7 UmwStG a. F.
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als angeschafft oder eingelegt gelten, ein Übernahmegewinn oder -verlust zu ermitteln41. Übernahmegewinn oder -verlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem anteiligen Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter bei der Übernehmerin anzusetzen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft42 sowie den Kosten für den Vermögensübergang; hinzuzurechnen ist ein Sperrbetrag gem. § 50c EStG a. F., zu kürzen sind die bereits gem. § 7 UmwStG erfassten Beträge. Verfügt die übertragende Körperschaft über Auslandsvermögen, welches durch ein DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt ist, so erhöht sich der Übernahmegewinn bzw. verringert sich ein Übernahmeverlust nach § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG noch um die stillen Reserven in diesem Vermögen. Hierdurch soll die deutsche Besteuerung der stillen Reserven in der untergehenden Beteiligung sichergestellt werden. Soweit das Auslandsvermögen in einem EU- oder EWR-Staat belegen ist, stellt die Regelung allerdings eine europarechtswidrige Diskriminierung dar, da stille Reserven in inländischem Betriebsvermögen der Übertragerin das Übernahmeergebnis nicht erhöhen43. Aufgrund der Kürzung des Übernahmeergebnisses um die nach § 7 UmwStG erfassten Beträge wird regelmäßig kein Übernahmegewinn, sondern ein Übernahmeverlust entstehen44. Dieser bleibt gem. § 4 Abs. 6 UmwStG außer Ansatz, soweit er auf eine Körperschaft als Mitunternehmerin der übernehmenden Personengesellschaft entfällt. Lediglich in den Fällen des § 8b Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 KStG kann er bis zur Höhe der Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Soweit er auf eine natürliche Person entfällt, ist der Übernahmeverlust grundsätzlich bis zur Höhe der Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hälftig – ab 2009 zu 60 % – zu berücksichtigen. Ein darüber hinaus gehender Übernahmeverlust bleibt außer Ansatz. Allerdings scheidet nach § 4 Abs. 6 Satz 5 UmwStG die Berücksichtigung eines Übernahmeverlusts insgesamt aus, soweit die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG vorliegen oder die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden45.
__________ 41 Für andere Anteile bleibt es bei der Erfassung der anteiligen offenen Rücklagen der Gesellschaft, § 7 Satz 2 UmwStG. 42 Ggfls. erhöht um frühere steuerwirksame Abschreibungen und Abzüge gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. 43 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1075, 1078; Werra/Teiche, DB 2006, 1459; Schaflitzl/ Widmayer, BB-Special 8/2006, 44. A. A. Klingebiel, DK 2006, 606; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 96. 44 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1075; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1531; DStR 2007, 372; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 179. 45 Kritisch dazu Förster/Felchner, DB 2006, 1075; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1532; DStR 2007, 373; Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 45; Werra/Teiche, DB 2006, 1459; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 180.
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3. Auswirkungen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter der Übertragerin sowie auf den übernehmenden Rechtsträger Die Zweiteilung der Besteuerungsfolgen bei den Gesellschaftern der Übertragerin gilt auch für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter. Die hieraus resultierenden Konsequenzen hängen entscheidend von der Zuordnung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung ab. a) Anteile gehören zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers Gehören die Anteile an der Übertragerin am steuerlichen Übertragungsstichtag zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des übernehmenden Rechtsträgers oder wurden sie nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag im inländischen Betriebsstättenvermögen angeschafft oder wurde durch dieses ein anderer Anteilseigner abgefunden (§ 5 Abs. 1 UmwStG), so werden die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG ebenso wie der Übernahmegewinn oder -verlust im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG erfasst46. Ist der Steuerpflichtige eine natürliche Person, so unterliegen die Einnahmen ebenso wie ein Übernahmegewinn oder -verlust dem Teileinkünfteverfahren gem. §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG. Handelt es sich um eine Körperschaft, so findet § 8b KStG Anwendung. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer ist gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 Abs. 1 KStG anzurechnen47. Ebenso ist bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer eine Verrechnung der Einnahmen mit einem Übernahmeverlust möglich, soweit sie von § 4 Abs. 6 UmwStG zugelassen ist. Gewerbesteuerlich ist die Verrechnung der Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG mit einem Übernahmeverlust ausgeschlossen, da Übernahmegewinne und -verluste gewerbesteuerlich außer Ansatz bleiben (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Zu beachten ist, dass die Einnahmen nach § 7 UmwStG in voller Höhe der Gewerbesteuer beim übernehmenden Rechtsträger unterliegen, soweit nicht die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt sind (§ 8 Nr. 5 GewStG). Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG kommt bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen Gesellschaftern allerdings eine pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer in Betracht48.
__________ 46 Über den im Abkommensrecht regelmäßig verankerten Betriebsstättenvorbehalt (Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA bzw. Art. 10 Abs. 4 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) gilt dies auch im DBA-Fall, vgl. Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181. Zur Abkommensübersicht bestehender Betriebsstättenvorbehalte Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 10 OECD-MA Rz. 242; Reimer in Vogel/Lehner, DBA, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 13 OECD-MA Rz. 89. 47 Vgl. dazu Heinsen in Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, München 2003, Rz. 262. Die Anrechnung der KapSt ist für das Wirtschaftsjahr vorzunehmen, in das der steuerliche Übertragungsstichtag fällt, vgl. Krohn/Greulich, DStR 2008, 650. 48 Vgl. Glanegger in Schmidt, 27. Aufl. 2008, § 35 EStG Rz. 1; Gosch in Kirchhof, 8. Aufl. 2008, § 35 EStG Rz. 8, 9; Schiffers in Korn, § 35 EStG Rz. 7 ff., 26; U. Förster in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, 2007, § 35 EStG Rz. 3, 4.
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Gehören die Anteile an der Übertragerin am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, sondern zum ausländischen Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers49, so unterliegen die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG. Abkommensrechtlich sind sie regelmäßig als Dividendeneinkünfte zu qualifizieren, weil die DBA für den abkommensrechtlichen Dividendenbegriff auch auf die innerstaatlichen Regelungen des Quellenstaates verweisen (z. B. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA)50. Da Deutschland die Einnahmen als Dividenden behandelt, wirkt sich die innerstaatliche Qualifikation auch auf das Abkommensrecht aus51. Soweit das DBA Deutschland ein Quellenbesteuerungsrecht für Dividenden einräumt, ist eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen; die Kapitalertragsteuer auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG hat abgeltenden Charakter (§ 50 Abs. 5 EStG, § 32 Abs. 1 KStG). Eine Reduktion der Kapitalertragsteuer für EU-Muttergesellschaften gem. § 43b EStG scheidet aus52. Soweit an der Übernehmerin beschränkt steuerpflichtige Körperschaften beteiligt sind, wird allerdings ab VZ 2009 auf Antrag 2/5 der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer erstattet, so dass sie sich im Ergebnis von 25 % auf 15 % reduziert53; eine weitergehende Reduktion aufgrund eines DBA ist möglich54. Mangels Zuordnung der Beteiligung zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen unterliegen die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG nicht der Gewerbesteuer. Eine beschränkte Steuerpflicht im Hinblick auf den Übernahmegewinn oder -verlust kann sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e, Abs. 2 EStG ergeben55. Sofern sie nicht durch ein DBA ausgeschlossen ist, besteht das Problem, dass ein eventueller Übernahmeverlust wegen der abgeltenden Besteuerung der Einnahmen
__________ 49 Oder wurden sie nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag im ausländischen Betriebsvermögen angeschafft oder wurde durch dieses ein anderer Anteilseigner abgefunden, § 5 Abs. 1 UmwStG. 50 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg/Pilz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1997, 122 ff.; ders. in Debatin/Wassermeyer (Hrsg.), DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 136 (Oktober 2002); Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 10 OECD-MA Rz. 186. 51 Vgl. auch Wassermeyer in Schaumburg/Pilz (Hrsg.), a. a. O., 122 f.; Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5 (Juli 2007); Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 7 UmwStG, Rz. 9; zu einer § 7 UmwStG entsprechenden Regelung im österreichischen Umgründungssteuergesetz Schmalz, Internationalisierung des Umwandlungssteuergesetzes, Düsseldorf 2004, 158. 52 Vgl. § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG; Benecke/Schnitger, IStR 2007, 26. Kritisch dazu Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 177; Krohn/Greulich, DStR 2008, 649 f. 53 §§ 44a Abs. 9, 50d Abs. 1 Satz 3–9 EStG. 54 Vgl. hierzu auch Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 177; Thönnes in Breithecker/ Förster/Förster/Klapdor, UntStRefG, 2007, § 44a EStG Rz. 17; Schönfeld, IStR 2007, 850; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 44a EStG, Rz. 33. 55 Die beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG scheidet aus, da die Überführungsfiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG nicht eingreift, wenn die Anteile an der Übertragerin bereits zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsrägers gehören.
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i. S. v. § 7 UmwStG selbst dann nicht mit diesen Einnahmen ausgeglichen werden kann, wenn und soweit er gem. § 4 Abs. 6 UmwStG dem Grunde nach berücksichtigungsfähig ist. M. E. kann jedoch in einem solchen Fall der Übernahmeverlust mit anderen – veranlagten – positiven Einkünften des beschränkt Steuerpflichtigen ausgeglichen oder von diesen abgezogen werden. Die Vorschrift des § 4 Abs. 6 UmwStG begrenzt die Verrechenbarkeit des Übernahmeverlusts nicht der Sache nach auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG, sondern nur der Höhe nach56. b) Anteile gehören nicht zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers aa) Anwendungsbereich und Rechtsfolgen der Einlagefiktion gem. § 5 Abs. 2 und 3 UmwStG Gehören die Anteile an der Übertragerin am steuerlichen Übertragungsstichtag – auch unter Berücksichtigung der Erwerbs- und Abfindungsbestimmung in § 5 Abs. 1 UmwStG – nicht zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers, sondern handelt es sich um Anteile i. S. d. § 17 EStG eines Gesellschafters oder gehören sie zu seinem Betriebsvermögen, so gelten die Anteile gem. § 5 Abs. 2 und 3 UmwStG für die Gewinnermittlung als zum steuerlichen Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt bzw. überführt. Entsprechendes gilt für einbringungsgeborene Anteile i. S. v. § 21 UmwStG a. F57. Die Einlagefiktion wirft Fragen sowohl hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs als auch der Rechtsfolgen auf. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs wird vertreten, dass die Einlagefiktion auf in Deutschland nicht steuerverhaftete Anteile keine Anwendung finde58. Der Gesetzeswortlaut enthält allerdings keine derartige Einschränkung. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist eine solche Einschränkung auch nicht gewollt, sondern die Einlagefiktion soll – anders als die Vorgängerregelung – für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter und Anteile in einem in- oder ausländischen Betriebsvermögen gleichermaßen gelten59. Der Anwendungsbereich der Einlagefiktion ist daher nicht auf in Deutschland steuerverhaftete Anteile beschränkt. Die fehlende Steuerverhaftung von Anteilen in Deutschland ist vielmehr eine abkommensrechtliche Frage60.
__________ 56 Vgl. a. Förster/Felchner, DB 2006, 1079; DB 2008, 2450; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181. A. A. Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5 (Juli 2007). 57 UmwStG i. d. F. vor Inkrafttreten des SEStEG, § 5 Abs. 4 UmwStG a. F. i. V. m. § 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG. 58 Vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 5 UmwStG Rz. 21, 22, 24, 34. 59 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 39; Krohn/Greulich, DStR 2008, 651. 60 Ebenso Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5, § 5 UmwStG (SEStEG) Rz. 26, 32, 40 (Juli 2007) m. w. N. So bereits zur Vorgängerregelung Schaumburg, GmbHR 1996, 417–419; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Ang. § 122 GmbHG Rz. 63 m. w. N.; a. A. FG Köln v. 20.3.2008 – 15 K 2852/01, NZB (Az. des BFH: I B 81/08), EFG 2008, 1187.
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Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist unklar, ob die Anteile stets als in ein deutsches Betriebsstättenvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt bzw. überführt gelten, oder ggf. auch in ein ausländisches Betriebsvermögen61. Sieht man den Zweck der Einlagefiktion in der Abgrenzung der Fälle, für die ein Übernahmegewinn oder -verlust zu ermitteln ist (arg. § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG)62, bzw. in der Bereitstellung eines technischen Hilfsmittels zur einheitlichen Ermittlung des Übernahmegewinns63, so ergibt sich daraus nicht, dass die Anteile stets als in ein inländisches Betriebsstättenvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt bzw. überführt gelten64. Konsequenz dieser Auffassung ist vielmehr ein „raumneutrales“ Verständnis der Einlagefiktion. Anteile, die am steuerlichen Übertragungsstichtag einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Anteilseigners zuzurechnen sind, würden danach als in ein inländisches Betriebsstättenvermögen des übernehmenden Rechtsträgers überführt gelten. Sind sie am steuerlichen Übertragungsstichtag einem ausländischen Betriebsvermögen des Anteilseigners zuzurechnen, würden sie als in ein ausländisches Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers überführt gelten. Anteile i. S. v. § 17 EStG oder einbringungsgeborene Anteile, die beim beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen gehören, würden als in ein ausländisches Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt gelten65. Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Einlagefiktion ist darüber hinaus umstritten, ob sich die Wirkungen der Einlagefiktion auch auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG erstrecken66 oder nicht67. Die Ausdehnung der Einlagefiktion auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG wird damit begründet, dass die offenen Rücklagen der umgewandelten Körperschaft vor Inkrafttreten des SEStEG regelmäßig Bestandteil des Übernahmegewinns i. S. d. § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG a. F. waren68. Durch die Neufassung des UmwStG soll sich an dieser Beurteilung grundsätzlich nichts geändert haben. Hierfür würde nicht zuletzt auch die Ausnahmeregelung in § 18 Abs. 2
__________ 61 Vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 5 UmwStG Rz. 24. S. a. Widmann in FS Wassermeyer, 2005, 582. 62 So Förster/Felchner, DB 2006, 1076; DB 2008, 2448. 63 So van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 5 UmwStG Rz. 24. 64 A. A. wohl Pung in DJPW, § 5 UmwStG (SEStEG) Rz. 33, 46 (Juli 2007). 65 Bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter würden sie als in ein inländisches Betriebsvermögen eingelegt gelten. 66 So Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5, § 7 UmwStG (SEStEG), Rz. 24 (Juli 2007); van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4 UmwStG, Rz. 115; Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 18 UmwStG, Rz. 21; Krohn/Greulich, DStR 2008, 652; Schnitter in Froscher/Maas, KStG/UmwStG, § 7 UmwStG, Rz. 27 (März 2008). 67 So Förster/Felchner, DB 2006, 1076; DB 2008, 2448 f.; Behrendt/Arjes, DB 2007, 824; Klingberg in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 7 UmwStG, Rz. 17 (September 2007); Stimpel, GmbH-StB 2008, 78 f. 68 Vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4 UmwStG, Rz. 115.
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Satz 2 UmwStG sprechen, derer es nicht bedurft hätte, wenn sich die Einlagefiktion nicht auch auf § 7 UmwStG erstrecken würde69. Einer solchen Ausdehnung der Einlagefiktion fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage. Die Anteile an der Übertragerin gelten nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 2 und 3 UmwStG für die „Ermittlung des Gewinns“ als eingelegt bzw. überführt70. Darüber hinaus bezieht sich die Einlagefiktion nicht nur ihrem Wortlaut, sondern auch der systematischen Stellung nach auf die Ermittlung des Übernahmegewinns und -verlusts in § 4 UmwStG. Ihre Funktion liegt in der Abgrenzung der Fälle, für die ein Übernahmegewinn bzw. -verlust zu ermitteln ist (arg. § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG)71. Unerheblich ist, dass die offenen Rücklagen vor Inkrafttreten des SEStEG regelmäßig Bestandteil des Übernahmegewinns i. S. d. § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG a. F. waren. Die Rechtslage hat sich insoweit geändert. Der Gesetzgeber hat die Trennung des Übernahmegewinns bzw. -verlusts von den Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG gerade eingeführt, um deutsche Besteuerungsrechte an den offenen Rücklagen der übertragenden Körperschaft zu sichern72. Zwar hat die Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bei diesem Verständnis nur klarstellenden Charakter. Jedoch sind klarstellende Normen im Steuerrecht keine Ausnahme. Gegen eine weiterreichende Bedeutung der Norm des § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG spricht auch, dass sie gerade kein geschlossenes System begründet, wonach offene Rücklagen gewerbesteuerlich außer Ansatz bleiben, soweit sie auf Anteile an der Übertragerin entfallen, die vor der Umwandlung gewerbesteuerfrei hätten verkauft werden können73. Die Wirkung der Einlagefiktion erstreckt sich daher nicht auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG. bb) Anteile gehören zu einer inländischen Betriebsstätte des Gesellschafters Gehören die Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag zu einer inländischen Betriebsstätte des beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners, so sind der Übernahmegewinn oder -verlust, ein eventueller Wertaufholungsgewinn in Zusammenhang mit der Einlagefiktion gem. § 5 Abs. 3 UmwStG und die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nach
__________ 69 Vgl. Pung in DJPW, § 7 UmwStG (SEStEG) Rz. 22 (Juli 2007), § 18 UmwStG (SEStEG) Rz. 17 (Feb. 2008); van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4 UmwStG, Rz. 115; Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 18 UmwStG, Rz. 21. In diesem Sinne wohl auch Krohn/Greulich, DStR 2008, 650. 70 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 38; Behrendt/Arjes, DB 2007, 826; Klingberg in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 7 UmwStG, Rz. 17 (September 2007). 71 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1076; DB 2008, 2448. 72 BT-Drucks. 16/2710, 34, 40; vgl. auch Behrendt/Arjes, DB 2007, 826; Förster/ Felchner, DB 2008, 2448. 73 Z. B. bei Anteilen, die aus einem land- und forstwirtschaftlichen oder freiberuflichen Betriebsvermögen des Anteilsigners in das gewerbliche Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers überführt gelten, vgl. Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 18 UmwStG, Rz. 21, 22; Pung in DJPW, § 18 UmwStG (SEStEG), Rz. 32 (Feb. 2008).
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§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG zu erfassen74. Ist der Steuerpflichtige eine natürliche Person, so unterliegen die Einnahmen, der Übernahmegewinn oder -verlust und ein eventueller Wertaufholungsgewinn dem Teileinkünfteverfahren gem. §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG. Handelt es sich um eine Körperschaft, so findet § 8b KStG Anwendung. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer ist gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 Abs. 1 KStG anzurechnen75. Im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ist eine Verrechnung der Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG mit einem Übernahmeverlust möglich, soweit sie von § 4 Abs. 6 UmwStG zugelassen ist. Bei der Gewerbesteuer scheidet die Verrechnung aus, da der Übernahmegewinn oder -verlust gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gewerbesteuerlich außer Ansatz bleibt. Im Hinblick auf die Gewerbesteuer ist bedeutsam, dass die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG nur dann von der Gewerbesteuer befreit sind, wenn in dem inländischen Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt sind, da sich die Einlagefiktion nicht auf diese Einnahmen erstreckt. Anderenfalls unterliegen die Einnahmen gem. § 8 Nr. 5 GewStG in voller Höhe der Gewerbesteuer76. cc) Anteile gehören zu einem ausländischen Betriebsvermögen des Gesellschafters Gehören die Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag zu einem ausländischen Betriebsvermögen des beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners, so gelten sie für die Ermittlung des Übernahmegewinns bzw. -verlusts als in ein ausländisches Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers überführt. Eine Steuerpflicht des Übernahmegewinns bzw. -verlusts ergibt sich deshalb nicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG77. Sie kann sich aber – ebenso wie die Steuerpflicht eines eventuellen Wertaufholungsgewinns in Zusammenhang mit der Einlagefiktion gem. § 5 Abs. 3 UmwStG – aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e, Abs. 2 EStG ergeben. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen zu § 17 EStG verwiesen werden. Die dem Gesellschafter zuzurechnenden Einnahmen gem. § 7 UmwStG unterliegen der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG. Eine
__________ 74 Über den im Abkommensrecht regelmäßig verankerten Betriebsstättenvorbehalt (Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA bzw. Art. 10 Abs. 4 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) gilt dies auch im DBA-Fall, vgl. Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181. Zur Abkommensübersicht bestehender Betriebsstättenvorbehalte Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 10 OECD-MA Rz. 242; Reimer in Vogel/Lehner, DBA, DBA, 5. Aufl. 2008, Art. 13 OECD-MA Rz. 89. 75 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der inländischen Betriebsstätte oder dem übernehmenden Rechtsträger als zugeflossen gelten. 76 Vgl. Behrendt/Arjes, DB 2007, 826 f.; Klingberg in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 18 UmwStG, Rz. 33 (September 2007); Förster/Felchner, DB 2008, 2449 f. 77 A. A. Pung in DJPW, § 5 UmwStG (SEStEG) Rz. 46 (Juli 2007).
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Veranlagung findet nicht statt. Vielmehr gilt die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer des Gesellschafters mit dem Kapitalertragsteuerabzug als abgegolten (§ 50 Abs. 5 EStG, § 32 Abs. 1 KStG). Aus einem DBA78 kann sich dabei eine Reduktion der Kapitalertragsteuer ergeben. Da die Einnahmen nicht in einer inländischen Betriebsstätte anfallen, unterliegen sie nicht der Gewerbesteuer79. dd) Anteile i. S. v. § 17 EStG, die nicht zu einem Betriebsvermögen des Gesellschafters gehören Gehören die Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zu einem Betriebsvermögen des beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners, und handelt es sich um Anteile i. S. v. § 17 EStG, so ist danach zu unterscheiden, ob zwischen dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und Deutschland ein DBA besteht, welches das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Übertragerin allein dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist, oder nicht. Besteht mit dem Ansässigkeitsstaat kein DBA oder ein DBA, welches das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Übertragerin auch dem Sitzstaat der Gesellschaft zuweist, so gelten die Anteile nach hier vertretener Auffassung als in ein ausländisches Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt. Der Übernahmegewinn bzw. -verlust ist daher unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG zu subsumieren80. Die dem Gesellschafter zuzurechnenden Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG unterliegen der beschränkten Stpfl. nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG. Die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer des Gesellschafters ist mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten. Da die Einnahmen nicht in einer inländischen Betriebsstätte anfallen, unterliegen sie nicht der Gewerbesteuer. Die unterschiedliche Einordnung des Übernahmegewinns bzw. -verlusts und der Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG hat zur Konsequenz, dass die Einnahmen nicht zum Ausgleich eines Übernahmeverlusts herangezogen werden, sofern und soweit der Übernahmeverlust nach den Bestimmungen des § 4 Abs. 6 UmwStG ausgleichsfähig ist. Jedoch kann in einem solchen Fall der Übernahmeverlust mit anderen – veranlagten – positiven Einkünften des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters ausgeglichen oder von diesen abgezogen werden. Die Vorschrift des § 4 Abs. 6 UmwStG begrenzt die Verrechenbarkeit des Übernahmeverlusts nicht der Sache nach auf die Einnahmen i. S. v. § 7 UmwStG, sondern nur der Höhe nach81.
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78 Oder § 44a Nr. 9 EStG. 79 Vgl. Förster/Felchner, DB 2008, 2449. 80 Vgl. Widmann in FS Wassermeyer, 2005, 582 f. A. A. (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG); Pung in DJPW, § 5 UmwStG (SEStEG) Rz. 33 (Juli 2007); van Lishaut in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG, Rz. 115; Förster/Felchner, DB 2006, 1079; DB 2008, 2450; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181. 81 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1079; DB 2008, 2450; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181. A. A. Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5 (Juli 2007).
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Besteht mit dem Ansässigkeitsstaat des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters der Übertragerin ein DBA, welches das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Übertragerin allein dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist, so ist der Übernahmegewinn bzw. -verlust in Deutschland nicht zu berücksichtigen. Zwar wird er grundsätzlich von der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG erfasst. Abkommensrechtlich handelt es sich aber um einen Veräußerungsgewinn i. S. v. Art. 13 OECD-MA. Ein Besteuerungsrecht steht Deutschland regelmäßig nur zu, wenn die Anteile an der Übertragerin tatsächlich einer inländischen Betriebsstätte des Gesellschafters zuzuordnen sind (Art. 13 Abs. 2 und 5 OECD-MA)82. Die Einlagefiktion gem. § 5 UmwStG reicht dafür nicht aus83; nach hier vertretener Auffassung gelten die Anteile ohnehin als in ein ausländisches Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers überführt. Im Ergebnis verbleibt es bei einer Besteuerung der Einnahmen gem. § 7 UmwStG, die im Rahmen der beschränkten Stpfl. durch § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG erfasst werden. Abkommensrechtlich sind die Einnahmen als Dividendeneinkünfte (Art. 10 OECD-MA) und nicht als Veräußerungsgewinne (Art. 13 Abs. 2 bzw. Abs. 5 OECD-MA) zu qualifizieren84. Soweit das DBA Deutschland ein Quellenbesteuerungsrecht einräumt, wird die Kapitalertragsteuer auf die Einnahmen in Deutschland definitiv. Gewerbesteuer fällt mangels inändischen Betriebsstättenvermögens des Anteilseigners nicht an. ee) Anteile, die nicht zu einem Betriebsvermögen des Gesellschafters gehören und keine Anteile i. S. v. § 17 EStG sind Ein Übernahmegewinn bzw. -verlust ist insoweit gem. § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG nicht zu ermitteln. Dagegen werden die Einnahmen gem. § 7 UmwStG von der beschränkten Stpfl. gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG erfasst und abgeltend mit Kapitalertragsteuer belegt. Sofern ein DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters besteht, sind die Einnahmen abkommensrechtlich als Dividendeneinkünfte (Art. 10 OECD-MA) zu qualifizieren. Regelmäßig wird Deutschland ein Quellenbesteuerungsrecht zustehen, allerdings mit einer begrenzten Höhe des Quellensteuersatzes. Gewerbesteuer fällt mangels inländischen Betriebsstättenvermögens des Anteilseigners nicht an.
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82 Vgl. Schaumburg, GmbHR 1996, 418 f.; Wassermeyer in Schaumburg/Pilz (Hrsg.), a. a. O., 122 ff.; Henkel in Mössner u. a., a. a. O., F 377; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, § 4 UmwStG, Rz. 170. Zu den abkommensrechtlichen Ausnahmen Prokisch in Vogel/Lehner, Art. 13 OECD-MA Rz. 74. 83 Vgl. Benecke/Schnitger, IStR 2006, 773; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 181; Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, NWB-Sonderheft 1/2007, 20; Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5 (Juli 2007); van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4 UmwStG, Rz. 116. Zur parallelen Rechtslage vor Inkrafttreten des SEStEG vgl. Schaumburg, GmbHR 1996, 418. 84 Vgl. auch Wassermeyer in Schaumburg/Pilz (Hrsg.), a. a. O., 122 f.; Pung in DJPW, § 4 UmwStG (SEStEG) Rz. 5 (Juli 2007); Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 7 UmwStG, Rz. 9; zu einer § 7 UmwStG entsprechenden Regelung im österreichischen Recht Schmalz, Internationalisierung des Umwandlungssteuergesetzes, Düsseldorf 2004, 158.
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V. Zusammenfassung Die mit dem SEStEG verfolgte Zielsetzung, grenzüberschreitende Umstrukturierungen unter Wahrung der deutschen Besteuerungsrechte zu erleichtern, wird im Hinblick auf die Beteiligung ausländischer Anteilseigner an der Umwandlung einer inländischen Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen nur eingeschränkt erreicht. Vielmehr führt der Wille des Gesetzgebers nach Sicherung der deutschen Besteuerungsrechte in nicht wenigen Fällen zu erheblichen Steuerbelastungen und -risiken. Beispielhaft gilt dies für das Vorhandensein ungebundenen Vermögens, für die Auswirkungen ausländischer Freistellungsbetriebsstätten auf den Übernahmegewinn und für die Zurechnung der offenen Rücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Dabei steht die Sicherung der inländischen Besteuerungsrechte nicht selten in Konflikt mit europarechtlichen Vorgaben.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht Inhaltsübersicht I. Einleitende Bemerkungen II. Die Leiden des jungen § 1 AStG (erster Teil) – Allgemeine Verrechnungspreisvorschriften 1. Die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichsgrundsatzes 2. Die nicht praxisgerechte und nicht fremdvergleichskonforme Transparenzfiktion 3. Die nicht fremdvergleichskonforme und preistheorie-orientierte Einigungsbereichsbetrachtung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG 4. Zwischenergebnis
III. Die Leiden des jungen § 1 AStG (zweiter Teil) – Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung 1. Einleitendes zur Funktionsverlagerung – der Asset Deal- und Goodwill-Ansatz 2. Die stereotype Gleichbehandlung des Verkaufs- und Überlassungsfall als konzeptionelle Geburtsfehler 3. Der unbestimmten Rechtsbegriffe der Funktionsverlagerung a) Der Funktionsbegriff b) Die Verlagerung als Einschränkung der Funktion 4. Weitere Leiden der Funktionsverlagerungsbesteuerung, die nicht unerwähnt bleiben sollen IV. Zusammenfassung und Ausblick
I. Einleitende Bemerkungen Das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008, das im Außensteuergesetz (AStG) signifikante Änderungen in der Internationalen Steuerpraxis mit sich bringt, wurde zwar bereits vor annähernd zwei Jahren konzipiert und verabschiedet, kann aber dennoch als „jung“ bezeichnet werden. Für diese Bezeichnung sprechen insbesondere die bis heute intensiv diskutierten Besteuerungsfolgen der Funktionsverlagerungsbesteuerung für die deutsche Unternehmenspraxis1. Es ist wohl kein falsches Urteil, wenn man konstatiert, dass die sonstigen neuen Regelungsinhalte des § 1 AStG zur Verrechnungspreisbildung, die ihm zugrunde liegenden Prämissen und die mit ihm verbundenen Besteuerungsfolgen des Abs. 1 sowie die Vorschriften zu den allgemeinen Verrechnungspreismethoden des Abs. 3 Sätze 1 bis 8 in der hitzigen Diskussion um die Funktionsverlagerungsbesteuerung in den Hintergrund getreten sind. Das ist nicht zu rechtfertigen, weil auch die neben der Funktionsverlagerung geregelten all-
__________ 1 Vgl. nur beispielhaft Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461; Frischmuth, IStR 2007, 485; Freytag, IWB 2007, 237; Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., 762 ff.; Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG, § 1 Rn. 499 f. Diese Fundstellen sind auch stetiger Fundus der weiteren Ausführungen.
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gemeinen Verrechnungspreisbildungstatbestände konzeptionelle und praktische Mängel, Fragwürdigkeiten und praktische Ungereimtheiten aufweisen. Diese „Leiden“ der allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften und der Funktionsverlagerungsbesteuerung, geregelt im „neuen“ § 1 AStG, lohnt es sich aufzugreifen und transparent zu machen. Dieser Beitrag verfolgt die Absicht, die „Leiden“ des jungen § 1 AStG aus der Perspektive international tätiger Unternehmen offen zu legen und zu analysieren. Es wird im Folgenden gezeigt, dass wesentliche „Leiden“ abgeleitet werden können, die sich in chronologischer Reigenfolge der Regelungen – beginnend mit Abs. 1 und endend mit Abs. 3 Satz 13 des § 1 AStG – darstellen lassen. Die jeweiligen „Leiden“ werden getrennt nach allgemeinen Verrechnungspreisregeln (Abschnitt II) und Regeln der Funktionsverlagerungsbesteuerung (Abschnitt III) sowie unter Verwendung praktischer Beispiele analysiert und kritisch gewürdigt. Ziel ist es dabei, auf Probleme des § 1 AStG aus Sicht der Unternehmenspraxis aufmerksam zu machen. Nachdem die einzelnen „Leiden des jungen § 1 AStG“ vollumfänglich besprochen sind, werden in Abschnitt IV die Ausführungen zusammengefasst und – wie es sich für einen 65jährigen Geburtstag gehört – ein Ausblick gewagt. An dieser Stelle sei abschließend begründet, weshalb Goethes Werther aus dem Jahre 1774 so passend für den hier verfassten Beitrag geeignet ist. Zum ersten kann aus Sicht der Unternehmenspraxis uneingeschränkt von „Leiden“ bezogen auf den § 1 AStG gesprochen werden; praxisfreundliche Vorschriften sehen anders aus. Deswegen kann zweitens die Hoffnung ausgedrückt werden, dass der „junge § 1 AStG“ Unterstützung von seinen Vätern erfährt, um nicht das gleiche Schicksal zu erfahren wie der junge Werther. Oder führt die Praxisuntauglichkeit und fehlende internationale Akzeptanz insbesondere der Funktionsverlagerungsbesteuerung gar zum Selbstmord aus Verzweiflung? Drittens ist aus Sicht des Verfassers und des Jubilars eine private Brücke geschlagen, haben sie doch die Vorliebe für ein außergewöhnliches Hotel im Oberengadin. Und dieses Hotel vereinigt mit seinem Charme auch eine literarische und philosophische Welt, die durchaus geeignet sein kann, bei Realphänomenen (dem § 1 AStG) den Nagel auf den Kopf zu treffen, wenn man nur geeignete Ausdrücke (z. B. „Leiden“) verwendet.
II. Die Leiden des jungen § 1 AStG (erster Teil) – Allgemeine Verrechnungspreisvorschriften 1. Die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichsgrundsatzes § 1 AStG ist in seiner grundsätzlich begrüßenswerten Grundrichtung darauf ausgerichtet, Begriffsbestimmungen festzulegen und Bedingungen der Verrechnungspreisbildung und -korrektur klarzustellen. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG beginnt mit einer sehr wichtigen Begriffsdefinition, die in der Vergangenheit – so unglaublich das ist – nicht gesetzlich verankert war, obwohl sie die Grundessenz der Verrechnungspreisbildung ist: § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG enthält die 648
Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes nach deutschem Verständnis. Betrachtet man die Definition dem Wortlaut nach, zeigt sich aber unmittelbar, dass sich die Definition allein mit dem Grundsatz des hypothetischen Fremdvergleichs befasst („vereinbart hätten“). Das ist natürlich unzureichend und ein Eintrittsfehler in den § 1 AStG insbesondere wenn man die Regelungen des § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 AStG betrachtet, die sich – abweichend von Abs. 1 – mit konkreten Fremdvergleichen befassen. Unstrittig ist, dass der konkrete Fremdvergleich bzw. der Grundsatz des konkreten Fremdvergleichs dem hypothetischen Fremdvergleich bzw. dem Grundsatz des hypothetischen Fremdvergleichs vorgeht2. Geregelt in § 1 Abs. 1 AStG
Art des Fremdvergleichs Konkreter Fremdvergleich: unternehmensinterner und -externer Vergleich konkret vorliegender Preise oder sonstiger Preisbedingungen bei vergleichbaren Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen
Nein (sondern erst in Abs. 3)
Ja (ausführlich in den Abs. 1 und 3)
Hypothetischer Fremdvergleich: unternehmensinterner Vergleich mit Preisen, wie sie hypothetisch unter vergleichbaren Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen mit fremden Dritten zu bilden wären. Abbildung 1: Rangfolge innerhalb des Fremdvergleichsgrundsatzes
Der konkrete Fremdvergleich ist darauf ausgerichtet, die Fremdvergleichspreise zu ermitteln, die voneinander unabhängige Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen vereinbart haben. Dazu werden unternehmensinterne3 und -externe Fremdvergleiche durchgeführt. Bei beiden Fremdvergleichsarten liegen Vergleichspreise (bzw. Vergleichspreisbedingungen) konkret vor. Beim hypothetischen Fremdvergleich, der darauf ausgerichtet ist, hypothetische Fremdvergleichspreise zu ermitteln, liegen konkrete Fremdvergleichspreise eben nicht vor. Insofern muss sich der Steuerpflichtige hypothetisch mit der Verrechnungspreisbildung unter vergleichbaren Geschäfts- und Preisbedingungen befassen. Dabei ist unmittelbar einsichtig, dass diese hypothetische Verrechnungspreisbildung m. E. nur ein hypothetischer unternehmensinterner Fremdvergleich sein kann, denn nur der Steuerpflichtige kann sich überhaupt der Frage „was wäre, wenn?“ zuwenden und alle preisbildungsrelevanten Um-
__________ 2 Vgl. hierzu nur beispielhaft und m. w. N. Frischmuth, StuB 2007, 386 sowie die Gesetzesbegründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 und die Begründung zur Funktionsverlagerungsverordnung v. 23.5.2008, BR-Drs. 352/08. 3 Zu den unternehmensinternen Fremdvergleichen gehören auch „quasi-unternehmensinterne Fremdvergleiche“, die beispielsweise Preisbedingungen enthalten, wie sie zwischen einer Schwestergesellschaften und fremden Dritten vereinbart sind.
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stände in angemessener Weise berücksichtigen und unterstellen, welche Preise er mit fremden Dritten unter vergleichbaren Umständen gebildet hätte. Ein hypothetischer unternehmensexterner Fremdvergleich in dem Sinne, dass für die Verrechnungspreisbildung des Steuerpflichtigen hypothetisch vereinbarte Preise zwischen externen Dritten maßgeblich sein sollen, ist faktisch unmöglich (s. unten im Beispiel 1, Fall 4). Aus unternehmenspraktischer Sicht ist schon der konkrete unternehmensexterne Fremdvergleich (z. B. zwischen fremden Dritten vereinbarte Lizenzkonditionen) als Maßstab der Verrechnungspreisbildung äußerst kritisch, denn ein Übertragen der konkreten externen Preis- und Geschäftsbedingungen (diese liegen kraft Definition vor) auf die internen Gegebenheiten des Steuerpflichtigen ist ein „hypothetisches“, wenn nicht unmögliches Unterfangen. Die Übertragung wird zu einer „Fiktion“, wenn man die Geschäfts- und Preisbedingungen, die dem konkreten externen Fremdvergleich zugrunde liegen, nur annäherungsweise kennt oder erahnen kann. Ein Beispiel soll Vorstehendes nochmals konkret verdeutlichen. Beispiel 1: Die X-GmbH versucht, einen fremdvergleichskonformen Verrechnungspreis für eine produktbezogene Lizenzverrechnung nach den Vorschriften des § 1 AStG zu ermitteln. Die Lizenzverrechnung erfolgt mit der slowakischen Tochtergesellschaft X-sro. Fall 1: Die X-GmbH hat mit der konzernexternen Y-AG einen Lizenzvertrag abgeschlossen, der unter vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurde. Der Lizenzsatz beträgt 3 % vom Produktumsatz. Dieser %-Satz ist der Verrechnungspreis auf der Grundlage eines unternehmensinternen konkreten Fremdvergleichs4. Fall 2: Die X-GmbH kann belegen, dass der Konkurrent Z-GmbH mit der Y-AG einen Lizenzvertrag abgeschlossen hat5, der unter vergleichbaren Bedingungen o. g. Lizenzsatz regelt. Auch für diesen Fall verwendet die steuerpflichtige X-GmbH den Lizenzsatz von 3 % des Produktumsatzes und zwar auf der Grundlage eines konkreten unternehmensexternen Fremdvergleichs. Kritisch zu hinterfragen ist hier allerdings die praktische (Un-) Möglichkeit, die externen Preis- und Geschäftsbedingungen zu ermitteln und auf das interne Geschäft zu übertragen. Es ist zu vermuten, dass diese Übertragung schon hypothetisch, wenn nicht fiktiv ist.
__________ 4 An dieser Stelle soll nicht der Frage nachgegangen werden, ob dieser konkrete externe Einzelfall überhaupt ausreichend für einen Fremdvergleich i. S. d. § 1 Abs. 3 AStG ist. Aus Gründen der Vereinfachung sei unterstellt, dass selbst nur ein Vergleichslizenzsatz für die Preisvergleichsmethode ausreichend sei. 5 Fragen Sie den Autor dieses Beitrags bitte nicht, wie das praktisch gehen soll. Man kann an dieser Stelle fragen, welchen Charakter beispielsweise eine Lizenzkartei (= Sammlung von Lizenzverrechnungssätzen) hat. Sicherlich handelt es sich um konkrete Lizenzsätze (konkreter unternehmensexterner Fremdvergleich). Allerdings kann dieser Wegen der Bedingung der Vergleichbarkeit der Preisbedingungen nur hypothetisch, oder vielleicht sogar nur fiktiv, auf die Verrechnungspreisbildung der steuerpflichtigen X-GmbH übertragen werden.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Fall 3: Die X-GmbH hat keine Lizenzvereinbarungen mit konzernexternen Lizenznehmern geschlossen; das gilt analog auch für die X-sro6. Auf der Grundlage betriebsinterner Kalkulationen unter Berücksichtigung aller relevanten Kosten (z. B. Entwicklungskosten) und Chancen/Risiken (z. B. Entwicklungs-, Vorfinanzierungsrisiko) kommt die X-GmbH zum Ergebnis, dass sie mit konzernexternen Lizenznehmern einen Lizenzsatz von 3 % vom Produktumsatz vereinbaren würde. Dieser hypothetische unternehmensinterne Fremdvergleich ist die Grundlage für die Verrechnungspreisbildung mit der X-sro. Allerdings ist an dieser Stelle zu fragen, ob und inwieweit die Perspektive der X-sro bei der Verrechnungspreisbildung – hypothetisch – eine Rolle spielt bzw. spielen kann oder darf (z. B. Entwicklungskosten, wenn das Produkt selbst entwickelt werden würde). Diese Fragestellung mündet in der Frage nach der „gegenseitigen Transparenz“ der oder der „gegenseitig vollkommenen Information“ über die Preisbildungsbedingungen; dazu detailliert später. Fall 4: Es gelten die gleichen Ausgangsvoraussetzungen wie in Fall 3. Die X-GmbH stellt sich die Frage eines hypothetischen externen Fremdvergleichs, also der Beantwortung der Frage „Was hätten konzernexterne Lizenzvertragspartner unter vergleichbaren Bedingungen vereinbart?“. Hier ist zum einen zu konstatieren, dass ein hypothetischer Fremdvergleich betreffend zwei konzernexterne Unternehmen faktisch unmöglich ist, weil sich der Steuerpflichtige wohl kaum – hypothetisch – in die Vergleichssituation zweier externer Parteien versetzen kann. Zweitens muss der Steuerpflichtige methodisch und logisch stets auf seine konkrete Ausgangssituationen (Geschäfts- und Preisbedingungen) zurückgreifen, weshalb der hypothetische Fremdvergleich immer ein unternehmensinterner sein muss und wird. Der Steuerpflichtige stellt sich die Frage „Welche Lizenzkonditionen hätte ich unter vergleichbaren Bedingungen mit konzernexternen Lizenznehmern vereinbart?“ Vorstehende Beispiele zeigen, dass der hypothetische Fremdvergleich stets ein unternehmensinterner Fremdvergleich ist bzw. methodisch sein muss, weil unabdingbar die individuelle Ausgangssituation (Geschäfts- und Preisbedingungen) des Steuerpflichtigen die maßgebliche Ausgangsituation für die (hypothetische) Verrechnungspreisbildung ist. Dies konstatiert, stellt sich nur noch die Frage, ob und inwieweit die individuelle Ausgangssituation des anderen verbundenen Unternehmens in die Verrechnungspreisbildung Eingang findet. Es geht um die Frage der Bedingungen des hypothetischen Fremdvergleichs, deren Beantwortung in zwei Typen des hypothetischen Fremdvergleichs mündet, die im nächsten Unterabschnitt ausführlich besprochen werden: (1) Hypothetischer (unternehmensinterner) Fremdvergleich mit Transparenzfiktion (Fiktion der gegenseitig vollkommenen Information) oder (2) Hypothetischer (unternehmensinterner) Fremdvergleich ohne Transparenzfiktion.
__________ 6 Hätte die X-sro eine derartige Vereinbarung mit einem konzernexternen Lizenzgeber, wäre eventuell der quasi-unternehmensexterne Fremdvergleich einschlägig.
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG trotz des bestehenden Vorrangs des Grundsatzes des konkreten Fremdvergleichs ausschließlich und konzeptionell auf den hypothetischen Fremdvergleich ausgerichtet ist. Ausführungen zum konkreten Fremdvergleich als unternehmensinterner oder -externer Vergleich fehlen vollumfänglich. Zu erklären ist dieses Missverhältnis durch die Absicht des deutschen Gesetzgebers, den hypothetischen Fremdvergleich ungeachtet dessen Nachrangigkeit und mangelnder Praxistauglichkeit nach eigenen (deutschen) Vorstellungen zu regeln und die obige Frage nach der Art des hypothetischen Fremdvergleichs eindeutig und fiskalinteresseorientiert (z. B. Einbezug der vermeintlich höheren Gewinnerwartungen der Gegenseite) beantworten zu wollen. In § 1 Abs. 1 AStG ist eine eindeutige Dominanz des hypothetischen Fremdvergleichs zu Lasten des konkreten Fremdvergleichs auszumachen. Die Dominanz des hypothetischen Fremdvergleichs im Regelungsbereich zeigt sich neben dem Umfang in § 1 AStG auch in den durch § 1 Abs. 3 AStG nicht eindeutig abgegrenzten Anwendungsbereichen und Vergleichsobjekten des konkreten Fremdvergleichs. Diese gehen in der Reglungskomplexität des hypothetischen Fremdvergleichs völlig unter, haben aber eine hohe praktische Bedeutung, weil sie in der Lage sind, dem hypothetischen Fremdvergleich mit seinen theoretischen Annahmen und Preisbildungsfolgen klare Grenzen aufzuzeigen: Neben den eher „theoretisch-konzeptionellen“ Vorschriften des hypothetischen Fremdvergleichs zeichnen sich die Sätze 1 bis 3 des § 1 Abs. 3 AStG durch konkrete Anwendungsvorschriften aus. Diese enthalten zum einen den Vorrang der sog. Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode oder der Kostenaufschlagsmethode), sofern für diese Fremdvergleichswerte ermittelt werden können. Diese Fremdvergleichswerte können uneingeschränkt (funktionen- und risikenadäquate Fremdvergleichswerte) oder auch nur beschränkt vergleichbar sein (Fremdvergleichswerte, die aufgrund der Funktionen und Risiken einer Anpassung bedürfen). Mehrere Fremdvergleichswerte bilden eine Bandbreite, wobei bei nur eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten die Bandbreite einzuengen ist7. Betrachtet man den Wortlaut detailliert, zeigt sich, dass dieser zu mehreren Fremdvergleichswerten Stellung nimmt und den Bandbreitengedanken einführt. Nicht geregelt ist hingegen der praktisch relevante Fall, in dem nur ein Fremdvergleichspreis oder -wert konkret vorliegt. Für diesen Fall befindet man sich auf der vorrangigen Regelungsebene des konkreten Fremdvergleichs. Beispiel 2: Die X-GmbH möchte für die Lizenzverrechnung mit der slowakischen Tochtergesellschaft X-sro einen fremdvergleichskonformen %-Satz vom Produktumsatz unter Beachtung der Vorschriften des § 1 AStG festlegen. Ein unternehmensinterner Vergleich zeigt, dass für einen vergleichbaren Fall die relevanten Entwicklungskosten zzgl. eines Gewinnzuschlags von 10 % ver-
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7 Diese Einengung ist aus Sicht der Finanzverwaltung nach der sog. Quartilsmethode vorzunehmen, vgl. BMF, Schr. v. 12.5.2004, BStBl. I 2004 – IV B4 - S1341 - 1/05, Tz. 3.4.12.5.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
rechnet wurden. Diesen Fremdvergleichswert wendet die X-GmbH auf für die Lizenzkalkulation betreffend die X-sro an. Im vorstehenden Fall zeigt der konkrete (Einzel-)Fremdvergleich die Angemessenheit der Verrechnungspreisbildung, weil § 1 Abs. 3 AStG lediglich vorschriebt, dass im Falle mehrerer Fremdvergleichspreise eine Bandbreite einschlägig ist. Diese Bandbreite ist in einem einzelfallbezogenen Fremdvergleich nicht einschlägig; etwas anderes regelt § 1 Abs. 3 AStG nicht. In jedem Fall kann dieser Sonderfall eines einzigen konkreten Fremdvergleichs nicht darin münden, in den nachrangigen hypothetischen Fremdvergleich abzurutschen. Allerdings sieht der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG (s. oben) vor, wenn keine eingeschränkt (aber wohl auch uneingeschränkt8) vergleichbare Fremdvergleichswerte (Mehrzahl!) festgestellt werden. Insofern muss man sich hier die Frage stellen, ob erst das Vorliegen mindestens zweier uneingeschränkt oder beschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs (mit den oben genannten Folgen) ausschließt. Diese Frage ist m. E. nicht geklärt, wenn man sich ausschließlich am Wortlaut orientiert. Insoweit sind für diese einzelfallbezogenen Fremdvergleiche die „Grenzen“ der Anwendung von konkretem oder hypothetischem Fremdvergleich nicht geklärt, obwohl diese Frage für die Unternehmenspraxis sehr bedeutend ist. Beispiel 3: Die X-GmbH liefert an die X-sro Teile für die Montage zu einem Preis von 100 GE je Stück. Fall 1: Um den steuerlichen Vorschriften in beiden Ländern – Deutschland und Slowakei – Rechnung zu tragen, fragt die X-sro bei einem Alternativlieferanten Vergleichskonditionen an. Es zeigt sich, dass der externe Alternativlieferant diese Teile gleichfalls zu einem Preis von 100 GE angeboten hätte. Es handelt sich um einen konkreten Fremdvergleichspreis nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 ff. AStG, der allerdings nur einen Fremdvergleichspreis liefert. Fall 2: Ausgangslage entsprechend Fall 1. Die X-GmbH unterschreitet den Alternativpreis, weil sie nachweisen kann, dass durch diese zusätzliche Teilezulieferung außerordentliche Deckungsbeiträge erzielt werden können, die der o. g. kleinere Teilelieferant nicht generieren kann. Die Anpassungsrechnungen an „normale“ Deckungsbeiträge ergeben einen Zulieferpreis von 95 GE. Es handelt sich bei den 100 GE um einen eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichspreis nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 ff. AStG. Nach diesem einzelfallbezo-
__________ 8 Der Wortlaut ist hier missverständlich, weil er die Bedingung der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs nur auf eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte bezieht. Sinn und Zwecke der Regelungen des § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 AStG lassen jedoch vermuten, dass auch das Vorliegen uneingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs ausschließt. Vielmehr: jede andere Auslegung wäre inakzeptabel.
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genen Fremdvergleich sind die 95 GE angemessen. Allerdings liegt auch hier nur ein Fremdvergleichspreis vor. M. E. sollte bei den einzelfallbezogenen Fremdvergleichen dem Vorrang des konkreten Fremdvergleichs Rechnung getragen werden, indem auch nur ein Fremdvergleichspreis als Nachweis für die Angemessenheit der Verrechnungspreisbildung akzeptiert wird. In jedem Fall sollte die Finanzverwaltung in dem sich abzeichnenden BMF-Schreiben auch zu dieser Problematik Stellung beziehen9. § 1 Abs. 3 Sätze 1 ff.AStG bestimmt weiterhin, dass sich der konkrete Fremdvergleich auf unterschiedliche Größen beziehen kann. Demnach kann die Angemessenheit von Verrechnungspreisen, die vorrangig nach den Standardmethoden oder nachrangig unter Verwendung anderer Methoden (z. B. TNMMMethode) zu belegen ist, unter Rückgriff auf konkret vorliegende Fremdvergleichswerte dargelegt werden. Dieser Bezug des konkreten Fremdvergleichs auf Fremdvergleichswerte ist für die Unternehmenspraxis sehr bedeutend, weil der konkrete Fremdvergleich nicht ausschließlich auf die Preisvergleichsmethode beschränkt wird. Dieser freie Methodenbezug des konkreten Fremdvergleichs erlaubt es auch, Grenzen der Anwendbarkeit des konkreten zum hypothetischen Fremdvergleich zu ziehen. Ein „Leiden“ des jungen § 1 AStG ist allerdings, dass auch diese Grenzen nicht eindeutig geregelt sind, weshalb Rechtsunsicherheiten bestehen, selbst wenn man in Betracht zieht, dass sich § 1 Abs. 1 AStG auch auf Geschäfts- und Preisbedingungen bezieht. Dieser Regelung zufolge kann sich ein konkreter Fremdvergleich m. E. auch ausschließlich auf Geschäftsund Preisbedingungen (z. B. Informationsstände der Vetragsparteien, Preisbildungsprinzipien bei Geschäften mit Dritten) beziehen. Mit diesem freien Methodenbezug können realitätsfremde und nicht marktkonforme Preisbildungsbedingungen des hypothetischen Fremdvergleichs aufgehoben werden. Systematisiert man darauf aufbauend die Möglichkeiten des konkreten Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 AStG, zeigt sich die in Abbildung 2 dargestellte nachrangige Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs.
__________ 9 Die Verwendung einzelfallbezogener Fremdvergleiche ist in der Unternehmenspraxis bedeutend für Fragen der Funktionsverlagerungsbesteuerung, die als außerordentliche Geschäftsvorfälle zu qualifizieren sind. Es ist unmittelbar einsichtig, dass für diese Sachverhalte regelmäßig nicht mehrere z. B. unternehmensinterne Fremdvergleiche vorliegen. Häufig zeigen sich in der Unternehmenspraxis Einzelfälle der Funktionsveräußerung an fremde Dritte (z. B. Veräußerung eines Teilgeschäfts), die als konkreter Fremdvergleich herangezogen werden können, um beispielsweise die GoodwillBerechnungsmethoden nachzuweisen, die auch bei konzerninternen Funktionsverlagerungen angewendet werden sollen. Hier muss der einzelfallbezogene Fremdvergleich ausreichend und maßgeblich sein, um die Anwendung eines hypothetischen Fremdvergleichs mit entsprechender Gewinnpotentialermittlung und das Einigungsbereichsdenken ausschließen zu können.
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Aus der Abbildung lassen sich drei für die Unternehmenspraxis wichtige Aussagen ableiten, die auf eine sehr eingeschränkte Verwendung des hypothetischen Fremdvergleichs zielen. Dabei werden die stellenweise undurchsichtigen Grenzen zwischen konkretem und hypothetischem Fremdvergleich konkretisiert und fundamentiert; die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichs und ein Leiden des jungen § 1 AStG könnte insoweit (partiell) geheilt werden. „Objekte“ des Fremdvergleichs vorrangig Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen (alle Verrechnungspreismethoden nach § 1 AStG)
Konkret vorliegende Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen konzernexterner Geschäfte (z. B. Informationsstand, Kalkulationsprinzipien)
Preisvergleichsmethode
Konkret vorliegende Preise und preisähnliche Konditionen (auch Lizenzen, Zinssätze usw.)
Wiederverkaufspreismethode
Konkret vorliegende Handelsmargen, Rabattstrukturen usw.
Kostenaufschlagsmethode
Konkret vorliegende Kalkulationsinhalte, Gewinnzuschläge
andere Methoden (z. B. TNMM)
Konkret vorliegende Gewinngrößen (z. B. Gewinnzuschläge aus Kostengrößen)
Verrechnungspreismethoden
Grenze zwischen konkretem und hypothetischem Fremdvergleich nachrangig Methode der hypothetischen Verrechnungspreisbildung
hypothetische bzw. theoretische Preisbildungsprämissen mit preistheoretischen Implikationen inklusive Transparenzfiktion und Einigungsbereichsorientierung; beachte aber z. B. oben (1)
Abbildung 2: Die Möglichkeiten und Grenzen des konkreten Fremdvergleichs
(1) Der konkrete Fremdvergleich erstreckt sich sowohl auf Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG) als auch auf Fremdvergleichspreise und -werte. Demnach erfährt der konkrete Fremdvergleich einen weiten, aber durchaus differenzierten Einsatzbereich. Dieser Einsatzbereich ist in der Unternehmenspraxis maximal auszuloten, auch weil der konkrete Fremdvergleich dem hypothetischen vorrangig ist (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). 655
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(2) Bei der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs ist der vorrangige, differenzierte Einsatz des konkreten Fremdvergleichs zu beachten. Hier kann auch bei einer grundsätzlichen Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs (z. B. bei fehlenden Fremdvergleichspreisen) partiell wieder auf den konkreten Fremdvergleich zurückgegriffen werden (z. B. hinsichtlich der Informationsstände des Leistenden), um bestimmte hypothetische Verrechnungspreisaspekte (z. B. das Vorliegen eines Einigungsbereichs) zu belegen oder zu verwerfen. (3) Der Steuerpflichtige sollte die m. E. nicht immer sichtbaren Grenzen der Anwendung des konkreten Fremdvergleichs als weit verstehen und eine Orientierung an konkret im Unternehmen vorliegenden Fremdvergleichsdaten sowie Geschäfts- und sonstiger Preisbildungsbedingungen anstreben. Ziel muss es sein, den hypothetischen Fremdvergleich als preistheoretischen, denklogischen, aber praxisfremden Ansatz zu vermeiden (zu diesen Adjektiven vgl. unten). So wird der deutsche Steuerpflichtige auch in die Lage versetzt, eine deutsche Besteuerung höherer ausländischer Gewinnpotentiale (über die Mittelwertbetrachtung im Einigungsbereich) abzuwenden und steuerliche Liquiditätsabflüsse zu vermeiden. Das gilt im Besonderen für die später zu besprechende Funktionsverlagerungsbesteuerung (§ 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG, spezieller hypothetischer Fremdvergleich), aber auch für die gewinnpotentialorientierte Verrechnungspreisbestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG bei gewöhnlichen Verrechnungssachverhalten (allgemeiner hypothetischer Fremdvergleich). 2. Die nicht praxisgerechte und nicht fremdvergleichskonforme Transparenzfiktion Die folgenden Ausführungen befassen sich mit der Regelung des § 1 Abs. 3 AStG, die sich der Dominanz des hypothetischen Fremdvergleichs anschließt bzw. diese nachdrücklich unterstreicht. Diese Regelung ist im Zusammenspiel mit den § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AStG zu sehen, wenn man – zunächst – die Funktionsverlagerungsbesteuerung des § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG außer Acht lässt. Die den hypothetischen Fremdvergleich manifestierende Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG führt eine Art „Transparenzfiktion“10 ein, nach der für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – und hier kann nur der hypothetische gemeint sein – davon auszugehen ist („Fiktion“), „... dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln ....“ Diese Fiktion des doppelten ordentlichen und
__________ 10 Die Transparenzfiktion bei der Verrechnungspreisbildung ist ein Regelungsbereich, mit dem sich auch der Jubilar sehr ausführlich und kritisch befasst, vgl. nur Schaumburg, Transparenz- und Anpassungsklauseln, Tagungsunterlagen zu Kölner Tage – Internationale Verrechnungspreise, 17./18. April 2008, Köln.
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gewissenhaften Geschäftsleiters ist ein rein deutsches Rechtsinstitut, das der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung entnommen ist. Diese international nicht übliche, aber gesetzlich vorgegebene „Preisbildungssituation“ impliziert, dass beide an der Verrechnungspreisbildung beteiligten verbundenen Unternehmen eine gegenseitig vollkommene Information über die wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung haben. Diese gegenseitig vollkommene Information ist das Fundament des hypothetischen Fremdvergleichs (nach deutschen Rechtsvorschriften), der eine (theoretische) Preisbildungssituation unterstellt, bei der sich zwei ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter mit gegenseitig umfassenden (Preis-)Informationen über alle wesentlichen Umstände der gegenseitigen Geschäftsbeziehung gegenüberstehen (Transparenzfiktion). Die oben in Punkt (1) und (2) angedeutete Frage nach der Art des hypothetischen Fremdvergleichs ist eindeutig zugunsten des hypothetischen Fremdvergleichs mit Transparenzfiktion beantwortet. Demgegenüber ist diese gegenseitig umfassende Information über die Geschäftsund Preisbildungsbedingungen der Vertragspartner in konkreten Verhandlungssituationen und Preisvereinbarungen (als Fremdvergleichssituation) nicht gegeben. Das gilt sowohl für die unternehmensinternen als auch unternehmensexternen Preisbildungen. Beispiel 4: Sowohl im Fall 1 und 2 des oben angeführten Beispiels werden die Vertragsparteien die jeweilige Situation, d. h. die Geschäfts- und Preisbedingungen, des anderen Vertragspartners nicht kennen. So könnte es beispielsweise sein, dass die konzernexterne Y-AG der Lizenzvereinbarung ein Opportunitätskalkül zugrunde legt, das eine eigene Entwicklung eines vergleichbaren Produkts unterstellt. Zudem ist betreffend die Preisbildung vollumfänglich unbekannt, welche Gewinnerwartungen der konzernexterne Lizenznehmer (Y-AG) mit der Lizenzproduktion einschließlich Vertrieb erwartet usw. Schon diese Beispiele zeigen, dass eine gegenseitig vollständige Information bei der Preisbildung unrealistisch, marktkonträr und damit nicht fremdvergleichskonform ist. Vor diesem konkreten Hintergrund ist es verwunderlich, dass die Gesetzesbegründung ausführt, dass die Transparenzfiktion erforderlich sei, um das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise zu ermöglichen, wobei hier m. E. nur marktkonform zustande gekommene Verhandlungsergebnisse gemeint sein können. Und in diesem Zusammenhang sei im Verhältnis der nahe stehenden Personen (z. B. Lizenzgeber und -nehmer) eine vollumfängliche Transparenz hinsichtlich aller Informationen betreffend die Geschäftsbeziehung zwischen den nahe stehenden Personen anzunehmen. Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass es diese beidseitig vollkommene Information in der Praxis der Preisbildung nicht gibt, denn die beiden preisbildenden Unternehmen befinden sich unstrittig auf einer Informationsebene. Anmerkung: Eine gleiche Informationsebene schließt nicht aus, dass die Verhandlungspartner jeweils unterschiedliche Informationsstände über den anderen haben können; das kann für die Verhandlungsposition wesentlich sein. Ungeachtet dessen werden die Verhandlungspartner in keinem Fall offen 657
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legen, dass sie unvermutete preisbildungsrelevante Informationen über den Vertragspartner haben. Betrachtet man den Fall 1 aus Beispiel 1 und unterstellt, dass die X-GmbH in Erfahrung gebracht hat, dass der Lizenznehmer als Alternative eine Eigenentwicklung in Betracht zieht, die laut seinen individuellen Planungen eigene Entwicklungskosten von ca. 3,5 % vom Umsatz zur Folge hätten, hat die X-GmbH ihre Verhandlungsposition verbessert und kann entsprechend die Preisbildung ausreizen. Dieses Wissen bzw. diese Information über die Geschäfts- und Preisbedingungen des jeweils anderen ist in jedem Fall die Ausnahmesituation. Die identische Informationsebene bewirkt, dass die Vertragsparteien gegenseitig nur unvollständige Informationen über die wesentlichen Umstände der Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen haben. Das ist eine Tatsache, die der Gesetzgeber mit der Transparenzfiktion ignoriert. Dieses Ignorieren erfolgt methodisch durch das Einführen einer „übergeordneten“ Transparenzebene (-instanz), die in die Lage versetzt wird, umfassende Information über alle wesentlichen Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen des „Verkäufers“ (z. B. Gewinnpotential des Leistenden nach § 1 Abs. 5 AStG) und des „Käufers“ (z. B. Gewinnpotential des Leistungsempfängers nach § 1 Abs. 5 AStG) zu haben. Transparenzebene (-instanz) mit gegenseitig vollständiger Information
Verbundenes Unternehmen 1 („Verkäufer“)
Informationssituation?
Verbundenes Unternehmen 2 („Käufer“)
Transparenzebene (-instanz)
Verbundenes Unternehmen 1 („Verkäufer“)
unvollständige Information
Nicht verbundenes Unternehmen A („Käufer“)
Abbildung 3: Transparenzfiktion und Transparenzebene
Diese übergeordnete Transparenzinstanz ist jedoch eine nicht fremdvergleichskonforme Preisbildungsbedingung, weil sie methodisch und logisch eine den verbundenen Unternehmen übergeordnete Konzernebene einführt. Und diese Konzernebene ist bei nicht verbundenen Unternehmen als Verhandlungs- und Vertragspartner eben ausgeschlossen und somit nicht Element fremdvergleichskonformer Preisbildungsbedingungen.
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Anmerkung: So kann selbstverständlich die X-GmbH (als Konzernmutter) in Erfahrung bringen, welche „preisrelevanten“ Opportunitätskosten analog den obigen Eigenentwicklungskosten bei der X-sro relevant sind. Aber diese Perspektive ist nicht zulässig. Im Fremdvergleichsfall ist es unwahrscheinlich, dass die X-GmbH diese Opportunitätskosten der Y-AG kennt; und schon gar nicht die die Preisbildung bestimmenden Gewinnpotentiale der Y-AG (vgl. aber § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Der höchstwahrscheinliche Preis ist in dem konkreten Vergleichsfall der Fremdvergleichspreis (hier: 3 % vom Umsatz), weil eben das Wissen um die preisbestimmenden Faktoren, v. a. den Höchstpreis unvollständig ist. Die X-GmbH wird sich vornehmlich durch eigene Gewinnerwartungen (z. B. unternehmensinterne Gewinnziele) leiten lassen. Das Einführen der Transparenzinstanz, die in der Unternehmenspraxis nur die Konzernebene (Muttergesellschaft) sein kann, ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verrechnungspreise vollständig abzulehnen. Denn mit Blick auf die angebliche Marktkonformität der Transparenzfiktion zeigt sich unumstößlich, dass in der wirtschaftlichen Realität (auch z. B. beim tatsächlichen Fremdvergleich) eine vollständige Information über die Geschäftsbedingungen und Preisbildungsbedingungen (z. B. Gewinnerwartungen, Opportunitätskalküle, Kalkulationsgrundlagen) der jeweiligen Gegenseite gerade nicht vorhanden ist. Die Transparenzfiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG kommt insbesondere in § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AStG zum Ausdruck, welche die gegenseitig vollständige Information der Verhandlungs- und Vertragspartner konkreter beschreibt: beim hypothetischen Fremdvergleich wird der Einigungsbereich der Verrechnungsbildung von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentialen) bestimmt. Es ist aber unstrittig, dass diese Gewinnpotentiale bei marktkonformen Verhandlungs- und Vertragsbedingungen regelmäßig nicht bekannt sind (fremdvergleichskonforme Informationsstände). Demgegenüber wird bei der hypothetischen Verrechnungspreisbildung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AStG die Information über die Gewinnpotentiale unterstellt. Und exakt diese Transparenzfiktion mittels Einführung der Konzernebene führt zu nicht fremdvergleichskonformen Informationsständen der Verhandlungs- und Vertragspartner. Die Transparenzfiktion ist aufgrund der fehlenden Markt- und Praxisorientierung und des eindeutigen Verstoßes gegen die Prinzipien des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Unternehmenspraxis nicht tragbar und insoweit ein Leiden des jungen § 1 AStG. Und dieses Leiden bringt ein Folgeleiden mit sich, das in der Einigungsbereichsbetrachtung mündet. 3. Die nicht fremdvergleichskonforme und preistheorie-orientierte Einigungsbereichsbetrachtung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass über die Dominanz des hypothetischen Fremdvergleichs der Schwerpunkt der Regelungen des jungen § 1 AStG 659
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auf die Bedingungen des hypothetischen Fremdvergleichs gelegt wird. Wesentlich ist hier die Transparentfiktion, die eine Vorschrift, der eigentlich den Fremdvergleichsgrundsatz regeln will, zu einer Vorschrift macht, die nicht fremdvergleichskonforme Preisbildungsbedingungen unterstellt. Die nicht fremdvergleichskonforme Transparenzfiktion des hypothetischen Fremdvergleichs mündet in preistheoretischen Ansätzen, die einen denklogischen Einigungsbereich der Verrechnungspreisbildung zur Folge haben. Dies regelt § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, der den Einigungsbereich des steuerlich maßgeblichen Verrechnungspreises durch den Mindestpreis des Leistenden (Untergrenze) und den Höchstpreis des Leistungsempfängers (Obergrenze) begrenzt11. Zusätzlich legt dieser Satz 7 fest, dass die Einigungsbereichsgrenzen von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentiale) bestimmt werden. Abschließend wird festgelegt, dass der Mittelwert des durch die Gewinnpotentiale bestimmten Einigungsbereichs zugrunde zu legen ist, sofern der Steuerpflichtige keinen anderen Wert glaubhaft macht; der Mittelwert gilt unter diesen Umständen als höchstwahrscheinlicher Wert. Diese innere „Systematik“ des hypothetischen Fremdvergleichspreises münden in Abbildung 4. Diese Vorschriften zum hypothetischen Fremdvergleich, die auf den Einigungsbereich und die Mittelwertfiktion gerichtet sind, weisen m. E. ein Doppelleiden auf. Zum einen ist die Einigungsbereichsermittlung dem Wortlaut nach eindeutig auf die Gewinnpotentiale orientiert, während die Medianermittlung beim konkreten Fremdvergleich die Bandbreite auf die Fremdvergleichspreise respektive -daten bezieht. Eine vermeintliche, wohl beabsichtigte Gleichförmigkeit der Anwendung des Bandbreiten- und Einigungsbereichsgedanken ist per se nicht gegeben, sondern bedarf einer modifizierten, ja komplizierten Betrachtung. Beispiel 5: Die X-GmbH möchte für die Lizenzverrechnung mit der slowakischen Tochtergesellschaft X-sro einen fremdvergleichskonformen %-Satz vom Produktumsatz festlegen. Fall 1: Die X-GmbH ermittelt aus einer Datenbankanalyse zehn uneingeschränkt vergleichbare Lizenzsätze, die sich in einer Bandbreite zwischen 2,5 % und 3,5 % bewegen. Das Gewinnpotential der einzelnen externen Lizenznehmer ist in keiner Form bekannt sowohl betreffend das lizenzierte Produkt als auch auf Gesamtunternehmensebene. Die vertraglichen Lizenzbedingungen bzw. -konditionen sowie die Marktstellung der Lizenznehmer sind vergleichbar. Der Median wird rechnerisch auf 3,0 % bestimmt. Auf der Grundlage dieses konkreten Fremdvergleichs gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, der sich auf Lizenzsätze (= Preise) bezieht, legt die X-GmbH einen Lizenzsatz von 3 % fest.
__________
11 Sicherlich nicht wesentlich, aber auch zu kritisieren ist der Wortlauf dieser Vorschrift, nach dem vom „Leistenden“ und „Leistungsempfänger die Rede ist. Das ist m. E. ungenau, ja zu ungenau, weil es den hypothetischen Fremdvergleich auf die Leistungserbringung begrenzt. Das ist wohl nicht Absicht des Gesetzgebers, denn beim konkreten Fremdvergleichspreis sind Sachverhalte wie Lieferungen oder Lizenzierungen selbstredend nicht ausgeschlossen.
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Konkreter Fremdvergleich möglich?
ja
Konkrete interne oder externe Fremdvergleichsdaten (ohne vollständige Transparenz, weil marktbedingt)
nein Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs unter folgenden Bedingungen
Preisbildungsbedingungen Transparenzfiktion
Methodische Vorgehensweise
Gegenseitig vollkommene Information beider Verhandlungs- und Vertragsparteien
Einführung einer Konzernebene als Transparenzinstanz mit vollständiger Information
Verwendung der jeweiligen Gewinnpotentiale der verbundenen Unternehmen (Leistungserbringer und -empfänger) als quantitativer Einigungsbereich
Erfüllung der Transparenzfiktion
Informationsinhalt – Mindestund Höchstreis als Preisbestimmungsfaktoren (Einigungsbereichsgedanke)
Mitttelwertfiktion
Der Mittelwert des Einigungsbereichs ist der Regelwert, sofern nicht ein Wert nachgewiesen werden, dem die höchste Einigungswahrscheinlichkeit zuzuordnen ist
Abbildung 4: Von der Transparenzfiktion zum Mittelwert des Einigungsbereichs
Fall 2: Die X-GmbH kann auf der Grundlage von Datenbankanalysen keine externen Lizenzsätze ermitteln und ableiten. Eine Verrechnung einer Lizenz von 3 % des Umsatzes zeigt, dass die X-GmbH einen Gewinn von 10 % bezogen auf die relevanten Entwicklungskosten des Produkts erwarten kann (= lizenzbezogene Gewinnpotentiale). Untersuchungen bei der X-sro auf Konzernebene zeigen, dass vor Verrechnung der Lizenz eine Umsatzrendite für das Neugeschäft von 10 % erwartet werden kann (= geschäftsbezogene Gewinnpotentiale). Fall 3: Die Ausgangslage der X-GmbH sei identisch. Untersuchungen bei der X-sro auf Konzernebene zeigen hingegen, dass eine eigenständige Entwicklung des potentiellen Lizenzprodukts eigene Entwicklungskosten von 2 % des geplanten Produktumsatzes auslösen würde. Die Dauer der Entwicklung inklusive Vertriebsdurchdringung wird auf 5 Jahre geschätzt. Die Kosten der Marktdurchdringung betragen weitere 0,5 % des relevanten Umsatzes. Die Fälle 2 und 3 des Beispiels 6 zeigen noch einmal, dass beide Verhandlungsperspektiven nur zusammengeführt werden können, wenn beidseitige und 661
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vollumfängliche Transparenz gegeben ist. Diese ist aber nur gegeben, wenn eine übergeordnete Konzernebene eingeführt wird. Nur unter diesen Voraussetzungen stehen sich zwei Kalküle gegenüber, die preistheoretisch betrachtet werden können. Und exakt hier liegt der Schlüssel zu einem grundsätzlichen konzeptionellen Fehler der Einführung der Transparenzfiktion in die Verrechnungspreisbildung nach § 1 AStG. Der Gesetzgeber verwechselt preistheoretische Analysegegenstände und -bedingungen (hier: unvollständige Information der Vertragspartner) mit einer marktkonformen Verrechnungspreisbildung. Letztlich ist aber davon auszugehen, dass die Transparenzfunktion und damit der Einigungsbereichsgedanke rechtlichen Bestand haben. Daher sollte der Steuerpflichtige bei Einschlägigkeit des hypothetischen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 1 Sätze 5 ff. AStG seine Anstrengungen darauf ausrichten, mittels konkreten Fremdvergleichen zu belegen, dass der Verrechnungspreis mit der höchsten Wahrscheinlichkeit derjenige ist, der eine Unwissenheit über die Gewinnerwartungen des Verhandlungspartners impliziert. Insoweit sind „lediglich“ die eigenen Gewinnerwartungen (z. B. unternehmensinterne Gewinnerwartungen) maßgeblich. Diese Annahme ist keine abwegige, rein theoretische Preisbildungsprämisse, denn es ist aus Sicht der Unternehmenspraxis nachvollziehbar, seine Geschäfte vordergründig auf der Grundlage eigener Unternehmensziele abzuschließen. Dies gilt umso mehr, wie es höchstwahrscheinlich ist, dass man die Unternehmensziele, Gewinnerwartungen oder Opportunitätskalküle seines Verhandlungspartners regelmäßig nicht kennt. Beispiel 6: Die X-GmbH möchte für die Lizenzverrechnung mit der slowakischen Tochtergesellschaft X-sro einen fremdvergleichskonformen %-Satz vom Produktumsatz unter Beachtung der Vorschriften des § 1 AStG festlegen. Die Ausgangslage entspricht derjenigen nach Fall 2 in Beispiel 3 mit der Abwandlung, dass die Umsatzrenditenerwartung der X-sro vor Lizenz (also die geschäftbezogene Gewinnerwartung) annahmegemäß einen Lizenzsatz von 5 % zulässt. Der Lizenzsatz der „leistenden“ X-GmbH von 3 % erfüllt die Gewinnerwartungen eines vergleichbaren Unternehmens (z. B. konzernintern vorgegebene Umsatzrendite auf der Grundlage eines „Marktvergleichs“). Es stehen insoweit zwei Vergleichspreise gegenüber, die durch die Gewinnpotentiale der zwei beteiligten Unternehmen bestimmt werden. Legt man unter diesen Voraussetzungen die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG, d. h. die Mittelwertfiktion, zugrunde, ergäbe sich ein Lizenzsatz-Mittelwert i. H. v. 4 %. Allerdings zeigen Preisbildungsprozesse in der X-GmbH mit externen Lizenznehmern oder auch anderen Leistungsempfängern, dass die Höchstpreise und insbesondere die sie determinierenden Gewinnerwartungen der externen Lizenznehmer oder anderer Leistungsempfänger durchweg unbekannt sind und insofern bei der Preisbildung keinen Einfluss hatten. Dieser konkrete Fremdvergleich der Preisbildungsbedingungen durch die X-GmbH, die als vorrangiges Prinzip immer die hypothetischen Preisbildungsbedingungen „schlagen“, erlauben es m. E., den Mindestpreis von 3 % vom Umsatz als fremdvergleichskonformen Lizenzsatz festzulegen untermauert durch den Umstand, dass die die Lizenz verrechnende marktkonforme Gewinnerwartungen der X GmbH erfüllen kann. 662
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Die vorstehenden Ausführungen belegen m. E. eindeutig, dass die Transparenzfiktion eine realitätsfremde, nicht marktkonforme und regelmäßig den konkreten Fremdvergleich verletzende Preisbildungsannahme ist. Aufgrund des klar in § 1 AStG manifestierten Vorrangs des konkreten Fremdvergleichs gegenüber dem hypothetischen, kann aber gem. Abs. 2 mit einem konkreten Fremdvergleich der Preisbildungsbedingungen (z. B. Informationsstand bei Geschäften mit nicht verbundenen Unternehmen) eindeutig nachgewiesen werden, dass in der Unternehmenspraxis Einigungsbereichsbetrachtungen für vergleichbare Fälle irrelevant sind. Diese wären Gegenstand preistheoretischer Überlegungen, aber nicht unternehmensinterner (Verrechnungs-)Preisbestimmungen. Nach alledem ist festzuhalten, dass die vorstehend beschriebenen Leiden des jungen § 1 AStG wohl auf „Selbstheilungskräfte“ zurückgreifen können, indem die hypothetische Verrechnungspreisbildung mit der Mittelwertvermutung durch Nachweis abweichender konkreter fremdvergleichskonformer Geschäfts- und Preisbildungsbedingungen verworfen werden kann (siehe Abs. 2). M. E. ist es unzweifelhaft, dass konkrete Fremdvergleiche aus dem Fundus der alltäglichen Unternehmenspraxis eindeutig in der Lage sind zu belegen, dass bei Verhandlungen und Preisbildungen, die Gewinnerwartungen – auf welchen Umstand diese sich immer beziehen – der Gegenpartei nicht transparent sind. Das wesentliche Fundament der Transparenzfiktion ist insoweit zerstört. Methodisch kann dieses Wegbrechen des Fundaments (§ 1 Abs. 1 Satz 7 AStG) „umgesetzt“ werden, indem die Preisbildung des verbundenen Unternehmens bestimmenden Gewinnpotentiale der Gegenpartei als irrelevant erklärt werden, weil sie – unterlegt mit der höchsten Wahrscheinlichkeit – unbekannt sind, wie sie dies auch in konkret vorliegenden Fremdvergleichsfällen sind. Die Vorgehensweise nach Abs. 2 ist insoweit umgesetzt. Aus alledem folgt, dass die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichs verbunden mit der Transparenzfiktion, die zu einem Einigungsbereichsdenken führt, mit Rückgriff auf den vorrangigen konkreten Fremdvergleich verworfen werden kann. Allerdings muss eine ungeheure praktische Anstrengung aufgebracht werden, um das Dickicht der Verrechnungspreisbildung nach § 1 AStG beiseite räumen zu können. Es lohnt sich an dieser Stelle, die vorstehenden Überlegungen zu den allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften des § 1 AStG als Zwischenergebnis festzuhalten. 4. Zwischenergebnis Die bisherigen Ausführungen befassten sich vordergründig mit den allgemeinen Vorschriften zum Fremdvergleichsgrundsatz und den allgemeinen Verrechnungspreismethoden des § 1 AStG. Dabei wurde der Schwerpunkt auf Ungereimtheiten, Rechtsunsicherheiten und praxisorientierte Anwenderfragen gelegt.
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Anmerkung: Nicht besprochen wurde die Korrekturvorschrift und -maßgabe des § 1 Abs. 1 AStG, die nur einseitig in eine einkünfteerhöhende Richtung ausgestaltet ist (Satz 1) und in Satz 3 eine „überschießende“ Rechtsfolge bzw. überschießende Einkünftekorrektur vorsieht, sollten die Korrekturen nach § 1 AStG über diejenigen nach anderen Rechtsinstituten (z. B. verdeckte Gewinnausschüttung) hinausgehen. Diese Rechtsfolge ist inakzeptabel, weil die anderen Rechtsinstitute der Korrekturvorschrift des § 1 AStG vorrangig sind. Auch dieser rein fiskalisch orientierte Misstand könnte durchaus als „Leiden des jungen § 1 AStG" qualifiziert werden. Zuerst wurde die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichsgrundsatzes innerhalb des § 1 AStG offengelegt. Diese Dominanz führt dazu, dass der konkrete Fremdvergleich untergeht und stellenweise keine ausreichende Würdigung und Präzisierung erfährt. Ursächlich für die Regelungswut betreffend den hypothetischen Fremdvergleich ist wohl dessen Regelungsnotwendigkeit durch den deutschen Gesetzgeber, denn international ist der auf dem Prinzip des doppelt gewissenhaften und ordentlichen Geschäftleiters fundierte hypothetische Fremdvergleich keineswegs üblich. Ein wesentliches konstitutives Element des hypothetischen Fremdvergleichs ist die nicht praxisgerechte, nicht markt- und nicht fremdvergleichskonforme Transparenzfiktion des § 1 Abs. 1 AStG. Die Transparenzfiktion ist wesentlicher Ausfluss, aber auch wesentliche Preisbildungsbedingung des hypothetischen Fremdvergleichs. Die Transparenzfiktion unterstellt eine gegenseitig vollkommene Information der Verhandlungs- und Vertragspartner. Dieser Informationsstand kann jedoch nicht der Ebene voneinander unabhängiger Unternehmen mit einer marktkonformen Verhandlungsposition (mit marktkonformem Informationsstand) zugeordnet werden, sondern einer Art „übergeordneter Instanz“. Die übergeordnete Transparenzinstanz kann in der praktischen Verrechnungspreisbildung nur die Konzernebene sein. Aber exakt diese Ebene gibt es zwischen nicht verbundenen Unternehmen nicht, weshalb sie eine nicht fremdvergleichskonforme Annahme ist. Die Transparenzfiktion unterstellt einen nicht fremdvergleichskonformen Informationsstand. Es ist eindeutig, dass der Gesetzgeber fremdvergleichskonforme Verhandlungssituationen mit preistheorie-orientierten, denklogischen Preisbildungskalkülen verwechselt. Diese „Verwechslung“ führt dazu, dass in § 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 5 AStG nicht fremdvergleichskonforme Preisbildungsbedingungen, sondern Überlegungen der Preistheorie enthalten sind. Diese befassen sich mit der Preisbildung bei unvollständiger Information der Marktteilnehmer. Mit dieser Analyse kann sich aber – z. B. ein Preistheoretiker – nur befassen, wenn er die jeweiligen Angebots- und Nachfragekurven (Mindest- und Höchstpreise) der Marktteilnehmer kennt. Auch der Preistheoretiker ist eine allwissende „übergeordnete Instanz“. Derartige preistheoretische Überlegungen und Untersuchungen haben aber nichts mit marktkonformen Verhandlungssituationen gemeinsam, sondern erstere erklären letztere nur theoretisch und empirisch. Diese preistheoretischen Überlegungen werden nichtsdestotrotz in § 1 Abs. 3 664
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Satz AStG konkretisiert und manifestiert, indem dieser die Gewinnpotentiale der beiden verbundenen Unternehmen – Leistender und Leistungsempfänger – für verrechnungspreisbestimmend festlegt. Ungeachtet der Frage, dass die Begriffe „Leistender“ und „Leistungsempfänger“ völlig unzureichend sind, ist nicht geklärt, welche Art von Gewinnpotentialen (z. B. leistungsbezogene, geschäftsbezogene oder unternehmensbezogene Gewinnpotentiale) für die Verrechnungspreisbestimmung maßgeblich sind. Zuletzt wurden stellenweise unklare, d. h durch § 1 AStG nicht klar formulierte Grenzen zwischen konkreten und hypothetischen Fremdvergleichen aufgezeigt. Allerdings ist für die Unternehmenspraxis von äußerster Wichtigkeit, weitestgehend in konkrete Fremdvergleiche einzutreten. Diese können unterschiedliche Vergleichsgegenstände (z. B. Preise, Gewinnzuschläge, aber auch Geschäfts- und Preisbedingungen an sich) betrachten und bei der Verrechnungspreisbildung auch nur partiell eingesetzt werden (z. B. vergleichbare Geschäftsbedingungen wie beispielsweise Informationsstände der Geschäftspartner). Durch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des konkreten Fremdvergleichs und damit seiner Grenzen wird es möglich, den praxisfremden hypothetischen Fremdvergleich mit seinem mittelwertbezogenen Einigungsbereichsdenken zu vermeiden. Zusätzlich können Anwenderunsicherheiten des hypothetischen Fremdvergleichs vermieden werden, die entstehen, weil beispielsweise ungeklärt ist, auf welches „Gewinnobjekt“ sich die Ermittlung der Gewinnpotentiale des Leistungsempfängers (z. B. einer Dienstleistung) nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG beziehen soll. Diese gewinnpotentialorientierte, hypothetischen Verrechnungspreisbildung ist eine praktische Unmöglichkeit, weshalb der Steuerpflichtige unbedingt versuchen muss, die Grenzen der Anwendung des konkreten Fremdvergleichs (z. B. fremdübliche Gewinnerwartungen eines Dienstleisters) möglichst weit auszudehnen. Nachdem die „Leiden des jungen § 1 AStG“ im Bereich der allgemeinen Verrechnungspreisbildung abschließend besprochen sind, können die „Leiden“ einer ebenfalls in § 1 Abs. 3 AStG enthaltenen (sehr umfangreichen) Spezialvorschrift besprochen werden: die „Leiden“ der Funktionsverlagerungsbesteuerung.
III. Die Leiden des jungen § 1 AStG (zweiter Teil) – Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung 1. Einleitendes zur Funktionsverlagerung – der Asset Deal- und Goodwill-Ansatz Die besonderen Leiden des § 1 AStG bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung haben ihren konzeptionellen Ursprung in den oben besprochenen Leiden, insbesondere in denjenigen des hypothetischen Fremdvergleichs (z. B. Transparenzfiktion, preistheoretisches Einigungsbereichsdenken), erfahren aber bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung einen neuen, signifikanten Gehalt in der Weise, dass der hypothetische Fremdvergleich einen Transferpaketansatz vor665
Markus Frischmuth
schreibt. Dadurch werden alle oben erläuterten Aspekte wie z. B. Transparenzfiktion, Abstellen auf Gewinnpotentiale, Einigungsbereichsdenken auf ein Transferpaket, d. h. eine Funktion als Ganzes übertragen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Der hypothetische Fremdvergleich hat bei der Funktionsverlagerungssachverhalten eine wesentlich höhere Relevanz als bei gewöhnlichen Lieferungs- und Leistungsverrechnungen (z. B. Warenlieferungen, Dienstleistungen, Lizenzierungen), weil konkrete Vergleichsfälle von Funktionsverlagerungen auf fremde Ditte bzw. nicht verbundene Unternehmen eher die Ausnahme sind und Funktionsverlagerungen eine hohe Bedeutung dem Betrage nach haben. § 1 Abs. 3 AStG in Verbindung mit der Funktionsverlagerungsverordnung12 stellt den Transferpaketansatz (= verrechnungspreisbezogene Zusammenfassung von Einzelwirtschaftsgütern oder Einzelverrechnungen) der Verrechnungspreisbildung von Einzelwirtschaftsgütern und Einzelverrechnungen gegenüber. Entgegen dem Einzelverrechnungsansatz wird bei der Transferpaketbesteuerung nicht auf die konkrete Einzelverrechnung der Wirtschaftsgüter und Leistungen abgestellt, sondern auf den Transfer einer Funktion als Ganzes13. Dazu wird auf Ebene des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens mittels einer Differenzrechnung festgestellt, welche Gewinnpotenziale vor und nach der Funktionsverlagerung jeweils bestehen bzw. entstehen. Diese funktionsbezogenen Gewinnpotentialdifferenzen bestimmen die verlagerten Gewinnpotentiale beim verlagernden und die erhaltenen Gewinnpotentiale beim aufnehmenden Unternehmen (Funktions-Gewinnpotentiale 1 und 2). Das Funktions-Gewinnpotential 1 bestimmt den Mindestpreis des verlagernden Unternehmens und während das Funktions-Gewinnpotential 2 den Höchstpreis des aufnehmenden Unternehmens festlegt. Zwischen diesen Grenzen besteht ein Einigungsbereich für den Verrechnungspreis der Funktion als Ganzes (Transferpaket). Dieser funktionsverlagerungsbezogene Einigungsbereich ist insofern eine Konkretisierung des allgemeinen Einigungsbereichs nach § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG ist. Diese Grundsätze regelt der § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG. „Wird in den Fällen des Satzes 5 eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mitübertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung), hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen ...“
__________ 12 Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 AStG des Außensteuergesetztes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen des Bundesministeriums für Finanzen, BR-Drucks. 352/08 vom 23.5.2008. 13 Zur Funktionsverlagerung vgl. beispielhaft Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1954; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Blumers, BB 2007, 1757; Frischmuth, StuB 2007, 386; Frischmuth, IWB 2007, 2253; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB, F. 3, Gr. 1, S. 2207 ff.; Boedefeld/Kuntschnik in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 2007, S. 204 ff.; Frotscher, FR 2008, 49; Kaminski, RIW 2007, 594; Wassermeyer, FR 2008,67; Welling/Tiemann, FR 2008, 68.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung stehen insofern nicht die Verrechnungspreise der mit der Funktion zusammenhängenden Wirtschaftsgüter im Vordergrund, sondern der Verrechnungspreis für die Funktion als Ganzes, der alle Preiskomponenten der Funktion – Wirtschaftsgüter, Dienstleistungen, Chancen und Risiken sowie die sonstigen Vorteile (Gewinnpotentiale) der Funktion als Ganzes – abdeckt. Dieses Verständnis vom Transferpaket (Funktion als Ganzes) drückt § 1 Abs. 3 FVerlV aus. „Ein Transferpaket i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 des Außensteuergesetzes besteht aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen.“
Nach der Verordnungsbegründung (S. 11 f.) ist das Transferpaket Ausgangspunkt für die Verrechnungspreisbildung in Fällen von Funktionsverlagerungen und besteht aus den in § 1 Abs. 3 FVerlV genannten Komponenten. Im Vordergrund stehen dabei die transferierten Chancen und Risiken der Funktion, namentlich die funktionsbezogenen Gewinnpotentiale. Diese Gewinnpotentiale machen durch einen wertmäßigen Vergleich mit der Summe der Einzelpreise der „greifbaren“ oder erkennbaren Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen die nicht unmittelbar erkennbaren sonstigen funktionsbezogenen Vorteilen, die gleichfalls übergehen, transparent. Anmerkung: Maßgeblich ist hier § 1 Abs. 4 FVerlV, der die Gewinnpotentiale i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 6 des Außensteuergesetzes für Fälle der Funktionsverlagerung begrifflich bestimmt. Im Folgenden wird lediglich in Grundzügen auf die Gewinnpotentiale dem Grunde nach eingegangen. Zusammenfassend können die Grundsätze der Transferpaketbetrachtung nach § 1 Abs. 3 FVerlV in einer Übersicht wie in Abbildung 5 dargestellt werden. Das Herausstellen der sonstigen Vorteile, die erst mittels der Betrachtung der Funktion als Ganzes mit ihren Gewinnpotentialen erkennbar werden, verdeutlicht den Residualansatz der Besteuerungskonzeption des § 1 Abs. 3 S. 9 ff. AStG, der zu einem derivativen Wert der Funktion als sonstigem Vorteil führt. Dieser lässt sich wie folgt komprimiert beschreiben (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG i. V. m. § 1 Abs. 3 FVerlV): Soweit der Verrechnungspreis der Funktion als Ganzes den Wert der erkennbaren Einzelwirtschaftsgüter übersteigt, ergibt sich eine Residual- oder Differenzgröße. Aus dieser Größe wird der Wert der sonstigen Vorteile, die vom verlagernden Unternehmen auf das übernehmende Unternehmen übergehen, abgeleitet.
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Markus Frischmuth
Materielle Wirtschaftsgüter (z. B. Produktionsanlagen, Vorräte) sowie funktionsbezogene Verbindlichkeiten (z. B. gegenüber Lieferanten)
„Erkennbare“ immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. Produktrechte, Produktions- oder Vertriebsrechte, abgrenzbares Know-how)
Funktion inklusive mit dieser zusammenhängende Chancen und Risiken, d. h. Gewinnpotentiale
Nicht unmittelbar erkennbare sonstige Vorteile, die erst mittels der Gewinnpotentialbetrachtung zum Vorschein kommen
Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Funktion(sverlagerung) erbracht werden
Abbildung 5: Komponenten des Transferpakets und der Verrechnungspreisbildung
Diese Berechnungsmethodik weist eine Analogie zur Berechnung des Geschäfts- oder Firmenwerts (Goodwill) nach § 255 Abs. 4 HGB auf, nach dem sich der Goodwill als Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis für das Gesamtunternehmen (Preis für die Funktion als Ganzes) und dem Wert der einzelnen (mit der Funktion zusammenhängenden) Vermögensgegenstände des Unternehmens abzgl. der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt. Insofern kann man diesen Differenz- oder Residualbetrag (= Wert der sonstigen Vorteile) als derivativen Funktionswert (analog Geschäfts- oder Firmenwert) bezeichnen. Dieser derivative Funktionswert muss in Fällen der Funktionsverlagerung vom verlagernden Unternehmen verrechnet werden, denn § 4 Abs. 1 FVerlV schreibt vor, dass die Summe der Verrechnungspreise zur Verrechnung der einzelnen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen (s. Abbildung 1) dem Wert des Transferpakets als Ganzes entsprechen muss. Diese Vorschrift verlangt die Verrechnung eines derivaten Funktionswerts als sonstige Vorteile der Funktion nach Abbildung 5. Diesen rechnerischen Zusammenhang verdeutlicht die folgende Darstellung.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht (A) Transferpaketwert
(B) Wert der Einzelsachverhalte
(C) Residual-/ Differenzbetrag Derivative „sonstige Vorteile“ (derivativer Funktionswert)
Gewinnpotentiale der Funktion als Ganzes (Transferpaketpreis gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG)
Dienstleistungserbringung (z. B. Vertriebsunterstützungsentgelt) Immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. Überlassungsentgelt Schutzrechte) Materielle Wirtschaftsgüter (z. B. Übertragungswert Maschinen) Zu verrechnende und nach § 1 Abs. 3 AStG steuerlich relevante Sachverhalte des Transferpakets
Abbildung 6: Die Ableitung des Werts der sonstigen Vorteile (derivativer Funktionswert)
Aus dieser Darstellung folgt auch, dass der Residual-/Differenzbetrag und damit der Wert des Transferpakets nach Berücksichtigung der Einzelwirtschaftsgüter (z. B. Abschreibung der an das übernehmende Unternehmen transferierten Maschinen) und Einzelverrechnungen (z. B. Unterstützung im Funktionsaufbau, marktgerechte Lizenzverrechnung im Überlassungsfall, s. unten) ermittelt werden muss. Dabei ist wesentlich, aber m. E. auch kritisch, das zwei – rechtlich und wirtschaftlich – unterschiedliche Fälle von Funktionsverlagerungen stereotyp gleichbehandelt werden: der (1) Übertragungsfall und (2) Überlassungsfall. Und diese stereotype Gleichbehandlung ist m. E. ein konzeptioneller Geburtsfehler der Funktionsverlagerungsbesteuerung und insoweit ein Leiden des jungen § 1 AStG. 2. Die stereotype Gleichbehandlung des Verkaufs- und Überlassungsfall als konzeptionelle Geburtsfehler § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG schreibt eindeutig vor, dass die Transferpaketwertermittlung bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung anzuwenden ist, in denen „... eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der (1) mitübertragenen oder (2) überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert ...“ wird. Insofern wird sowohl die (1) Übertragung als auch die (2) Überlassung des derivativen Firmenwerts erfasst und in beiden Fällen erfolgt die Residual- oder Differenzbetragsberechnung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nach oben genannten 669
Markus Frischmuth
Grundsätzen. Im Konkreten bedeutet das mit Blick auf die obige Abbildung Folgendes14: (1) Übertragungsfall: die mit der Funktionsverlagerung zusammenhängenden immateriellen Wirtschaftsgüter werden (endgültig und definitiv) übertragen. Die Einschränkung der eigenen Funktionstätigkeit beim verlagernden Unternehmen ist mit einer Übertragung (einem Verkauf) der immateriellen Wirtschaftsgüter verbunden (Verkaufsfall)15Die Funktionsverlagerung ist hier eine Funktionsübertragung, d. h. ein Verkaufsfall. Hier kommen (isolierte) Übertragungsentgelte für die Komponente nach (C) in Frage. (2) Überlassungsfall: die mit der Funktionsverlagerung zusammenhängenden immateriellen Wirtschaftsgüter werden (temporär) überlassen. Die Einschränkung der eigenen Funktionstätigkeit beim verlagernden Unternehmen erfolgt durch die zeitweise Lizenzierung der Funktionsausübung an das übernehmende Unternehmen (Lizenzfall)16. Hier kommen Überlassungsentgelte für immaterielle Wirtschaftsgüter als Teil von (B) in Frage, die durch die Komponente nach (C) möglicherweise adjustiert werden können bzw. müssen. Obwohl diese Gegenüberstellung unzweifelhaft zeigt, dass es sich aus rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht um nicht vergleichbare Sachverhalte handelt, werden diese bei der Ermittlung und Besteuerung des Werts der sonstigen Vorteile (Funktionswert) – unverständlicherweise – stereotyp gleich behandelt17. Aus betriebswirtschaftlicher und bilanzieller Sicht (vgl. § 255 Abs. 4 HGB) dürfte die derivative Berechnung des Funktionswert (sonstige Vorteile) eigentlich nur beim Übertragungsfall zur Anwendung kommen, der eine entgeltliche Übertragung (Verkaufsfall) regelt. Ungeachtet dessen wird im AStG und in der FVerlV eine eindeutige Richtung manifestiert, die die Verrechnung der sonstigen Vorteile (Funktionswert) als Nutzungsüberlassung (Lizenzverrechnung) vorsieht18.
__________ 14 Vgl. hierzu auch Frischmuth, StuB 2007, 386 sowie 419. 15 Im Gegensatz zur Überlassung ist das verlagernde Unternehmen nicht mehr rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der mit der Funktionsverlagerung zusammenhängenden immateriellen Wirtschaftsgüter. 16 Ungeklärt ist dabei, was während oder nach dem Überlassungszeitraum beim verlagernden Unternehmen passiert, das weiterhin rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der mit der Funktion zusammenhängenden immateriellen Wirtschaftsgüter ist. 17 Man kann erhebliche Zweifel erheben, ob die Funktionsüberlassung überhaupt eine Funktionsverlagerung ist. Die Unterschiedlichkeit beider Funktionsverlagerungsfälle belegen auch die komplett abweichenden bilanziellen, gewinnbezogenen als auch steuerlichen Folgen. Zur Kritik an diesem konzeptionell fehlerhaften Gleichmacherei bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung vgl. Frischmuth, StuB 2007, 386. 18 Diesen Trend bestätigt erstens die in § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG i. V. m. der Gesetzesbegründung verankerte Aussage, dass eine lizenz- oder nutzungsentgeltartige Verrechnungsregel als Preisanpassungsregelung i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG gilt. Zweitens enthält § 4 Abs. 2 eine Regelung von „Zweifelsfällen“, in denen regelmäßig – auf Antrag – von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen werden kann.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Die Verrechnung des Transferpakets und die damit zusammenhängende Verrechnung aller Bestandteile des Transferpakets einschließlich des derivativen Funktionswerts verdeutlicht und fasst das folgende Beispiel zusammen. Beispiel 7: Die X-GmbH verlagert die Produktion und den Vertrieb des Produktes A mit seinem Kundenstamm 1 (d. h. die betreffenden Umsätze) auf die ausländische Tochtergesellschaft X-sro in der Slowakei. Es werden im Zuge der Funktionsverlagerungen Sachanlagen und Vorräte zum Marktwert (= Buchwert) von 150 GE übertragen. Zusätzlich werden Verbindlichkeiten durch die X-sro i. H. v. 100 GE übernommen. Die X-GmbH erbringt für die Anlaufphase eine Vertriebsunterstützungsleistung in einem Verrechnungswert von 25 GE. Die Produktlaufzeit (Verlagerungszeitraum) wird mit 5 Jahren angegeben; das belegen auch die Rahmenvereinbarungen mit den betreffenden Kunden. Der Wert des Transferpakets beträgt als mittleres Gewinnpotential (vgl. hierzu Kapitel 2) gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 i. V. m. der FVerlV 750 GE. Über die Einzelverrechnungen – Maschinentransfer, Verbindlichkeitenübernahme und Dienstleistungen – sind zwischen der X-GmbH und der X-sro bereits Verträge abgeschlossen. Analysen und Fremdvergleiche zeigen, dass für die Produkte bei einer gewöhnlichen, nicht verlagerungsbezogenen Nutzungsüberlassung für 5 Jahre (= Überlassung an einen externen Lizenzproduzenten mit eigenständigem Vertrieb) ein Produktlizenzentgelt (für Produktion und Markt) von 3 % des Umsatzes zu zählen wäre. Diesem zeitraumbezogenen Nutzungsentgelt entspricht ein Barwert von 200 GE. Dieser Wert kann zudem als potentieller Übertragungswert der „erkennbaren“ immateriellen Wirtschaftsgüter (z. B. Patente, Vertriebsrechte) angesetzt werden. Fall 1: Die X-GmbH entschließt sich, alle immateriellen Wirtschaftsgüter zusammen mit der betreffenden Funktion endgültig und definitiv auf die Y-sro zu übertragen = Übertragungsfall). Auf der Grundlage der obigen Darstellungen (s. Abbildung 2) ergibt sich folgende Verrechnungsfolge. (A) Transferpaketwert
(B) Wert der Einzelsachverhalte
(C) Residual-/ Differenzbetrag Derivative „sonstige Vorteile“ (derivativer Funktionswert) = 475 GE
750 GE
Dienstleistung = 25 GE Immaterielle Wirtschaftsgüter 200 GE Materielle Wirtschaftsgüter 50 GE
Im Übertragungsfall gehen alle materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter zusammen mit der Funktion endgültig und definitiv auf das übernehmende Unternehmen über; sie verbleiben nach dem 5 Jahreszeitraum rechtlich 671
Markus Frischmuth
und wirtschaftlich bei der X-sro. Die X-sro wird rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Wirtschaftsgüter, also aller produkt- bzw. funktionsbezogenen Rechte. Die gesamte Gegenleistung für die Funktion als Ganzes beträgt 750 GE, die auf der Grundlage der Einzelwerte verrechnet wird. Unkritisch ist hierbei die Verrechnung der Dienstleistungen und erkennbaren Wirtschaftsgüter, die in Summe eine Verrechnung von 275 GE ermöglichen. Als Differenzbetrag, der annahmegemäß keinem vorgenannten Wirtschaftsgut zugerechnet werden kann, verbleiben 475 GE, die quantitativer Bestandteil des Transferpaketwerts sind und gleichfalls verrechnet werden müssen. Diese sonstigen Vorteile werden definitiv übertragen, so wie auch die anderen immateriellen Wirtschaftsgüter (z. B. Patente) endgültig an die Y-sro übertragen werden. Insoweit können diese 475 GE m. E. nur eine Gegenleistung für den übertragenen Goodwill (Funktionswert) sein, die im Zeitpunkt der Übertragung zu leisten ist19. Fall 2: Die X-GmbH entschließt sich aufgrund der strengen und risikobehafteten Preisanpassungsvorschriften des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG, alle funktionsverlagerungsbezogenen immateriellen Wirtschaftsgüter für den relevanten Zeitraum gegen Entgelt an die X-sro zu überlassen (Überlassungsfall). Die obige Verrechnungsfolge ist – lediglich – bei den Komponenten nach (B) leicht zu modifizieren. (A) Transferpaketwert
(B) Wert der Einzelsachverhalte
(C) Residual-/ Differenzbetrag Derivative „sonstige Vorteile“ (derivativer Funktionswert) = 475 GE
750 GE
Dienstleistung = 25 GE Barwert Nutzungsentgelt (2 % des Umsatzes) 200 GE Materielle Wirtschaftsgüter 50 GE
Im Vergleich zur obigen Fallkonstellation gehen die immateriellen Wirtschaftsgüter (z. B. Produktrechte) nicht endgültig und definitiv auf die X-sro über. Die X-sro wird nicht rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer dieser immateriellen Wirtschaftsgüter, sondern nutzt diese im Verlagerungszeitraum von 5 Jahren nur temporär. Ungeachtet dieser Unterschiede muss die X-GmbH auch im Überlassungsfall die sonstigen Vorteile verrechnen, um den Gesamtpreis für das Transferpaket (750 GE) erzielen zu können. Entgegen der Lösung im Fall 1 (einmalige Sofortvergütung) kommt im Überlassungsfall eine Nut-
__________ 19 Diese Einmalvergütung wird von den sog. Preisanpassungsvorschriften des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG i. V. m. §§ 9 ff. FVerlV erfasst, die in dem bereits erwähnten Folgebetrag zum Thema der Gewinnpotentiale besprochen werden.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
zungsentgelt- bzw. Lizenzentgeltlösung nahe. Dieser zur Folge wird der Wert der sonstigen Vorteile in die Lizenz- und Nutzungsentgeltverrechnung integriert und über den relevanten Überlassungszeitraum verrechnet. Im Beispielsfall würde das Nutzungsentgelt von 2 % auf ca. 6,75 % des Umsatzes steigen. Mit den zusätzlichen 4,75 % vom Umsatz wäre (planerisch, basierend auf den Gewinnerwartungen) die Überlassung der sonstigen Vorteile kompensiert20. Ein Risiko nachträglicher Preisanpassungen gem. § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG (z. B. Lizenzsatzanpassungen) besteht nicht. Wichtig ist an dieser Stelle, dass vor den zum 1.1.2008 eingeführten Funktionsverlagerungsvorschriften eine einzelverrechnungsbezogene Verrechnung durchgeführt worden wäre. Die X-GmbH hätte die Maschinen und sonstige Bilanzwerte übertragen und die Dienstleistungen erbracht und dafür ein angemessenes Entgelt verlangt. Wegen der temporären Überlassung der Produktion und des Vertriebs hätte die X-GmbH eine marktgerechte Lizenz (2 % v. Umsatz) verlangt. Bei der Lizenzierung ist wesentlich, dass diese auch das wirtschaftliche und rechtliche Interesse des verlagernden Unternehmens berücksichtigt: − Die Produktion und der Vertrieb betreffend den Kundenstamm 1 wird weiter im Wege der Überlassung ausgeführt, und zwar durch die X-sro, zu der ein gewöhnliches Lizenzverhältnis mit den entsprechenden Funktionen und Risiken besteht. Gleichzeitig hat die X-GmbH weiterhin eine zumindest mittelbare Beziehung zum Kundenstamm 1. − Während des Überlassungszeitraums bleibt die X-GmbH rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der immateriellen Wirtschaftsgüter. Nach dem Überlassungszeitraum erfolgt ein „Schnitt“, d. h. das aufnehmende Unternehmen verfügt nicht mehr über das Recht, die Produktion und den Vertrieb auszuüben und den überlassenden Kundenstamm zu nutzen. Und diese Umstände machen den Überlassungsfall zu einem komplett abweichenden Geschäftsvorfall vergleichen mit dem Übertragungsfall, der eine Veräußerung (entgeltliche Übertragung mit Goodwill) ist. Doch diese Ungleichheit wird in dem methodischen und rechnerischen Vorgehen der Residualberechnung nach § 1 Abs. 9 AStG in keiner Weise berücksichtigt, ist aber Recht und Gesetz. Diese stereotype Gleichbehandlung bei der Funktionswertvergütung (Goodwill-Vergütung) ist insoweit ein konzeptioneller Geburtsfehler und ein Leiden des jungen § 1 AStG, weil diese neue Methode der Lizenzermittlung über die Abschöpfung der ausländischen Gewinnpotentiale inklusive Standortvorteile des aufnehmenden Unternehmens internationale Verrechnungspreisstreitigkeiten und Doppelbesteuerungen auslöst.
__________ 20 Im Fall einer derartigen Lizenzverrechnung besteht gem. § 10 FVerlV ein Risiko einer nachträglichen Preisanpassung gem. § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG nicht.
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3. Der unbestimmten Rechtsbegriffe der Funktionsverlagerung a) Der Funktionsbegriff Die Berechnung des residualen Funktionswerts, der durch die Transferpaketermittlung und die Gegenüberstellung der relevanten Einzelverrechnungen ermittelt wird, ist die wesentliche quantitative Folge der neu konzipierten Funktionsverlagerungsbesteuerung. Diese Berechnungskonzeption wird begleitet von wichtigen Rechtsbegriffen, deren (quantitative) Inhalte häufig im Dunkeln liegen (z. B. Reingewinne, Gewinnpotentiale, Standortvorteile). Bevor jedoch diese wesentlichen Begriffe und Größen näher analysiert werden, ist es erforderlich, zunächst einmal danach zu fragen, wann den eine Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 i. V. m. der FVerlV überhaupt vorliegt. Diese Frage mündet in der Untersuchung zweier wichtiger Begriffsmerkmale, die in § 1 Abs. 1 und § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV geregelt sind: (1) Was ist eine Funktion? (§ 1 Abs. 1 FVerlV) (2) Was wird unter einer Einschränkung der Funktion verstanden? (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV)21 Aus Unternehmenssicht ist bereits an dieser Stelle zu konstatieren, dass selbst nach der Verabschiedung der konkretisierenden FVerlV wesentliche Unsicherheiten bei der Beantwortung obiger Fragen bestehen, die eine sachgerechte und steuerrechtlich fundierte Umsetzung ohne Steuerlastunsicherheiten nahezu unmöglich machen. Das ist ein Leiden des jungen § 1 AStG, das sich wie für den Besteuerungsgegenstand (Funktionsverlagerung) bei der Bemessungsgrundlage (Transferpaketwert auf der Grundlage von Gewinnpotentialen) fortsetzt. Dies wird im Folgenden zu zeigen sein22. Die legale Definition des Begriffs „Funktion“ findet sich in § 1 Abs. 1 FVerlV: „Eine Funktion ist eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegt.“
Demzufolge muss eine Funktion folgende Begriffsmerkmale aufweisen: (1) Die Funktion muss eine Geschäftstätigkeit sein. (2) Diese Geschäfttätigkeit muss aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben sein, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens ausgeübt werden. (3) Die Funktion muss ein organischer Teil eines Unternehmens sein.
__________ 21 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1954; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, Herne 2003; Frischmuth, StuB 2008, 864; Wolter/Pitzal, IStR 2008, 793; Wassermeyer, FR 2008, 67. 22 Vgl. dazu auch ausführlicher Frischmuth, StuB 2008, 864.
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Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Anmerkung: nach der Verordnungsbegründung ist dazu erforderlich, dass eine sachgerechte Abgrenzung der Gewinnauswirkungen aufgrund einer gewisser Eigenständigkeit der Funktion möglich sein muss. Schon diese Aufstellung zeigt, dass neue praxisbezogene Fragestellungen auftauchen, die im Folgenden in der angebrachten Kürze angedeutet werden sollen. Zu (1): Geschäftstätigkeit Die Frage, ob eine Geschäftstätigkeit vorliegt, lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven beantworten. So könnte beispielsweise die Geschäftstätigkeit des verlagernden Unternehmens aus dem (gesellschaftsrechtlich verankerten) Geschäftszweck abgeleitet werden. Eine weitere Annäherung an den Begriff wäre eine wirtschaftliche, indem die Wertschöpfungskette des verlagernden Unternehmens analysiert wird. Beispiel 8: Für die X-GmbH zeigt eine Wertschöpfungskettenanalyse, dass die Geschäftstätigkeit die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb von Getrieben für die Automobilzulieferindustrie umfasst. Um diese Geschäftstätigkeit administrativ und rechtlich konform ausüben zu können, werden in der X-GmbH administrative Hilfsfunktionen ohne externen Marktbezug wie z. B. IT-Unterstützung, Buchhaltung, Rechtsberatung oder Steuerberatung durchgeführt. Eine weite Auslegung des Begriffs der Geschäftstätigkeit umfasst alle möglichen Tätigkeiten eines Unternehmens (z. B. originäre Geschäftstätigkeit und Hilfsfunktionen). Würde man sich in die fiskalische Perspektive versetzen, müsste man zum Schluss kommen, dass das Merkmal der Geschäftstätigkeit alle nur möglichen Tätigkeiten des Unternehmens umfasst. Demgegenüber ist vor dem Hintergrund des Gesetztes- und Verordnungszwecks ergänzt durch den Gesetzes- und Verordnungswortlaut in Erinnerung zu rufen, dass die Funktionsverlagerungsbesteuerung darauf ausgerichtet ist, die Verlagerung − wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile (§ 1 Abs. 3 Satz 10 AStG, § 1 Abs. 5 FVerlV) und − funktionsbezogener Chancen und Risiken (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) und − Gewinnpotentiale (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, § 1 Abs. 4 FVerlV) zu erfassen. Wesentlich ist dabei, dass die Funktionsverlagerung den übergeordneten Zweck verfolgt23, „... die Besteuerung in Deutschland geschaffener Werte sicherzustellen ...“, wenn „... immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile [...] ins Ausland verlagert werden ...“. Darunter versteht der Gesetzgeber „... Know-how, patentiertes oder nicht patentiertes technisches Wissen, Markenrecht und -namen, Kundenstamm usw.) ...“.
__________ 23 Nach der Gesetzesbegründung (vgl. Einleitung zu Art. 7 des UntStRefG 2008) ist mit der Funktionsverlagerungsbesteuerung beabsichtigt.
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Vor diesem Hintergrund liegt es m. E. nahe, den Begriff der Geschäftstätigkeit an dem Regelungszweck der Funktionsverlagerungsbesteuerung auszurichten, nach dem die Geschäftstätigkeit eine erwerbsmäßige Tätigkeit sein muss, die (in Deutschland) Markt- und Gewinnpotentiale schafft und entwickelt (z. B. Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Kfz-Getrieben). Diese immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile sind wesentlich vor dem Hintergrund der betreffenden Geschäftstätigkeit und dem Zweck der Funktionsverlagerungsbesteuerung. Die Geschäftstätigkeit ist als Wertschöpfungskette des Unternehmens greifbar und es kann unter Rückgriff auf die einzelnen Wertschöpfungskettenbeiträge auch geprüft werden, ob bei einer Verlagerung eines Wertschöpfungskettenteils (z. B. reine Produktionsverlagerung) tatsächlich wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter übergehen oder nur eine Funktionsabspaltung, d. h. eine Abspaltung eines Teils der Wertschöpfungskette, vorliegt., die nicht von der Funktionsverlagerungsbesteuerung erfasst wird (vgl. § 2 Abs. 2 FVerl). M. E. folgen der Grundgedanke und auch die konkreten Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG diesem wertschöpfungsbeitragsorientierten Ansatz. Allerdings wird er an anderen Stellen – insbesondere in § 1 Abs. 1 FVerlV – nicht konsequent verfolgt. So regelt § 1 Abs. 1 FVerlV die Funktion als Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben, obwohl ein Transferpaket naturgemäß unterschiedliche Aufgaben (z. B. Entwicklung, Produktion und Vertrieb) enthalten kann oder sogar enthalten muss. Und derartige Transferpakete sind doch eigentlich von höherem Besteuerungsinteresse, nicht hingegen (nur) die Verlagerung einer Funktion als Zusammenfassung gleichartiger Aufgaben (z. B. gleichartige Fertigungs- und Produktionsaufgaben). Diese Überlegungen soll folgende beispielhafte Darstellung zusammenfassen, die sich an einer Wertschöpfungskette – Entwicklung, Produktion und Vertrieb – orientiert: Entwicklung
Produktion Wertschöpfungskette
Vertrieb Markt- und Gewinnpotenziale
Abbildung 7: Wertschöpfung und Funktionsverlagerungsbesteuerung
Dieser Abbildung zufolge muss die Funktionsverlagerung eine Verlagerung einer Geschäftstätigkeit mit wesentlichen Markt- und Gewinnpotentialen sein. Werden demnach nur Wertschöpfungskettenbeiträge in Form einer Abspaltung (z. B. Entwicklungsdienstleistung, Auftragsproduktion, Vertriebsdienstleistung) übertragen, verbleiben die aus der Wertschöpfungskette resultierenden Markt- und Gewinnpotentiale wirtschaftlich und rechtlich beim verlagernden Unternehmen. Werden hingegen die wertschöpfungskettenbezogenen Gewinnpotentiale vollumfänglich übertragen (z. B. Entwicklungsergebnisse, Produktion und Kundenstamm), ist die Funktionsverlagerungsbesteuerung grundsätzlich einschlägig, weil die Wertschöpfungskette als Ganzes (und organischer Teil des Unternehmens) definitiv übertragen wird. Die Zusam676
Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
menfassung der Funktionen oder Aufgaben in der Wertschöpfungskette als eine Art Paket schafft auch die Brücke zur Besteuerung des sog. Transferpakets, das eben aus einer Zusammenfassung unterschiedlicher Wirtschaftsgüter, Vorteile und Funktionen (Leistungen) besteht. Für diesen Fall kann auch der Funktionswertgedanke (Goodwill) eine Rechtfertigung erfahren. Aber die obige Abbildung macht auch deutlich, dass die Überlassung der Produktion und des Vertriebs mittels einer Lizenzierung nicht mit der Übertragung der gesamten Wertschöpfungskette und dem damit verbundenen Gewinnpotential identisch ist, denn das Recht an dem Markt- und Gewinnpotential (d. h. an der Wertschöpfungskette an sich) wird nur temporär überlassen und verbleibt beim verlagernden Unternehmen. Der oben erläuterte konzeptionelle Geburtsfehler der Funktionsverlagerung erfährt durch diesen Gedanken eine Verstärkung. Zusammenfassend ist zum Begriff der Geschäftstätigkeit festzuhalten, dass er einer der Kernbegriffsmerkmale der Funktion ist, der unterschiedlichen Auslegungen zugänglich ist. Das Merkmal der Geschäftstätigkeit in der Funktionsverlagerung versucht, den Begriff der Funktion zu konkretisieren, schafft aber nur zusätzliche offene Fragen. Diese Unbestimmtheit ist für die Unternehmenspraxis nicht tragbar, bestimmt der Begriff der Geschäftstätigkeit doch den Eintritt in die Funktionsverlagerungsbesteuerung überhaupt. Aus Sicht der Unternehmenspraxis wäre eine Orientierung des Begriffs an der Wertschöpfungskette sachgerecht und hilfreich. Eine Erfassung reiner Hilfstätigkeiten durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung wäre dadurch ausgeschlossen, was sachdienlich ist. Zudem können weitere unbestimmte Rechtsbegriffe der Funktionsverlagerungsbesteuerung zutreffend und zielgerichtet definiert werden, wie im Folgenden kurz gezeigt werden soll. Zu (2) Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben Fragt man zum einen, was eine „betriebliche Aufgabe“ ist, ist die obige Betrachtung wiederum hilfreich, denn betriebliche Aufgaben innerhalb des Wertschöpfungsprozesses sind darauf ausgerichtet, Markt- und Gewinnpotentiale für das Unternehmen zu schaffen. Insoweit ist im Rahmen der Funktionsverlagerungsbesteuerung zu prüfen, ob eine Aufgabe Teil des Wertschöpfungsprozesses ist und (externe) Markt- und Gewinnpotentiale schafft (z. B. Entwicklungsaufgabe, Produktionsaufgabe, Vertriebsaufgabe). Die Orientierung an identifizierbaren Markt- und Gewinnpotentialen trägt auch dazu bei, dass nicht jede „kleine“ Aufgabe für sich genommen Gegenstand einer Funktionsverlagerung ist. Vielmehr ist der Aufgaben- oder Funktionszusammenhang innerhalb des Wertschöpfungsprozesses, der zu einer Geschäftstätigkeit führt, maßgeblich, wenn über eine Transferpaketbesteuerung nachgedacht wird; der Atomisierung von Funktionen ist eine vernünftige Grenze zu setzen (s. zum „organischen Teil“ unten). Ungeachtet dieser Wertschöpfungsorientierung ist jedoch festzuhalten, dass eine Aufgabe etwas gegenüber der Funktion „Untergeordnetes“ sein muss. Allerdings ist einsichtig, dass eine Abgrenzung von Aufgabe (z. B. produktbezogener Vertrieb oder nur produktbezogener Vertrieb 677
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für eine Region?) und Funktion (z. B. Vertrieb als Gesamtfunktion oder auch schon produktbezogener Vertrieb als Teilfunktion?) in der Praxis sehr schwierig sein dürfte, zumal die FVerlV diese unterschiedlichen Begriffe nicht definiert. Aus Sicht der Unternehmenspraxis ist diese Abgrenzung jedoch sehr wichtig, denn als Funktion gilt nur eine Zusammenfassung von Aufgaben. Und nur eine Funktion ist Gegenstand der Funktionsverlagerungsbesteuerung. Vorstehende Ausführung zeigen in der gebotenen Kürze, dass das Vorliegen einer besteuerungsrelevanten Funktion i. S. d. FVerlV nicht selbstverständlich und ohne stringente Prüfung der Tätigkeiten und Aufgaben innerhalb des (verlagernden) Unternehmens gegeben ist. Die FVerlV liefert m. E. bei der Definition von Funktion und Aufgabe wie schon oben bei der Geschäftstätigkeit keinen positiven Beitrag zur Rechtssicherheit und praktischen Implementierung der Funktionsverlagerungsbesteuerung in der Unternehmenspraxis. (3) Funktion als „organischer Teil eines Unternehmens“ Eine weitere Betrachtung des Funktionsbegriffs führt zum Begriff des „organischen Teils eines Unternehmens“. Dieser weist folgende konstituierenden Merkmale auf (vgl. Verordnungsbegründung in § 1 Abs. 1 FVerlV): (1) gewisse (wirtschaftliche) Eigenständigkeit (2) Möglichkeit der sachgerechten Abgrenzung der Gewinnauswirkungen – Erträge und Aufwendungen – An dieser Stelle ist festzuhalten, dass auch diese Inhalte der FVerlV nicht zur Klarheit des Funktionsbegriffs beitragen. Das betrifft insbesondere die Frage nach der sachgerechten Abgrenzung der Gewinnauswirkungen einer Funktion = Geschäftstätigkeit = organischer Teil eines Unternehmens. Die Unternehmenspraxis legt offen, dass nicht für jede potentielle Funktion (z. B. Entwicklungsfunktion, Vertriebsfunktion) per se eine sachgerechte Abgrenzung von Erträgen und Aufwendungen vorliegt. Es zeigt sich auch bei der Erfordernis der sachgerechten Abgrenzung von Erträgen und Aufwendungen, dass diese regelmäßig nur durchgeführt wird, wenn Gegenstand der Berechnungen eine Wertschöpfungskette ist. Eine komplette Wertschöpfungskette mit den dazugehörigen Markt- und Gewinnpotentialen ist regelmäßig nur in z. B. Strategischen Geschäftsfeldern (Produkt- oder Kundensegmente) oder Cash Generating Units (nach IFRS-Rechnungslegung) zusammengefasst. Grund dafür ist, dass nur für diese „Reportingeinheiten“ der externe Markterfolg (die Gewinnpotentiale) der Geschäftstätigkeit bzw. des Wertschöpfungsprozesses berechnet wird, weil er den Erfolg der Geschäftstätigkeit bestimmt. Diese Reportingeinheiten (als organischer Teil) sind das wesentliche Fundament zur betriebswirtschaftlichen Beurteilung von Geschäftstätigkeiten und Wertschöpfungsprozessen (z. B. Segmentberichterstattung). Für diese wirtschaftlichen Einheiten werden folgerichtig Gewinne sachgerecht abgegrenzt. Betrachtet man an dieser Stelle den Regelungszweck der Funktionsverlagerungsbesteuerung, sind exakt diese Reportingeinheiten (als organischer Teil des Unternehmens mit externen Marktbezug) der regelungskon678
Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
forme Besteuerungsansatz. Denn werden diese Geschäftstätigkeiten als Wertschöpfungsprozess mit Markt- und Gewinnpotentialen und als Zusammenfassung betrieblicher Aufgaben (z. B. Entwicklungsergebnisse, Produktion und Vertrieb) verlagert, ist es sachgerecht, über eine Funktionsverlagerungsbesteuerung nachzudenken, weil wesentliche Funktionsvorteile und Funktionswerte als immaterielle Wirtschaftsgüter (Gewinnpotentiale) übertragen werden, für die sachgerechte Gewinnabgrenzungen durchgeführt werden, weil sie eine „organische“, weil geschäftliche (Wirtschafts-)Einheit sind. Hingegen sind potentielle Verlagerungen von „kleinen“, atomisierten Aufgaben und Hilfsfunktionen sowie Funktionsabspaltungen innerhalb der Wertschöpfungskette in keinem Fall relevant für die Funktionsverlagerungsbesteuerung. Denn aus Sicht der Unternehmenspraxis scheitert dies schon daran, dass eine sachgerechte Abgrenzung der Erträge und Aufwendungen nicht durchführbar ist, weil keine wirtschaftlich interessierende (kleinste) Einheit vorliegt. Es schließt sich so der Kreis zum „organischen Teil“ eines Unternehmens als Wertschöpfungsprozess mit Markt- und Gewwinnpotentialen. b) Die Verlagerung als Einschränkung der Funktion Der Grundtatbestand nach § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV sieht vor, dass eine Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 9 AStG einschlägig ist, wenn auf Ebene des verlagernden Unternehmens eine „Funktionseinschränkung“ eintritt. Dieses Merkmal der Funktionseinschränkung ist festgelegt, wobei die Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung keine Aussage dazu machen, wie eine solche Funktionseinschränkung festgestellt werden kann. M. E. kommen dafür ausschließlich Kriterien in Frage, die geeignet sind, den quantitativen Umfang einer Funktionsausübung respektive einer Geschäftstätigkeit bestimmen. Dazu gehören beispielweise Mitarbeiterzahlen oder Umsatzgrößen. Insbesondere letztere sind von hoher Aussagekraft, weil sie für die Bestimmung der Markt- und Gewinnpotentiale (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) maßgeblich sind. Daraus folgt, dass sich eine Funktionsverlagerung und demnach -einschränkung vordergründig in Umsatzrückgängen und damit verbundenen Gewinnpotentialminderungen (das ist eben der Ansatz des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) niederschlägt. Vor diesem Hintergrund ist sehr wichtig, dass die Gewinnpotentialminderungen (Funktions-Gewinnpotential 2) durch eine Differenzrechnung zu ermitteln sind, die als Teilgröße das Gewinnpotential des verlagernden Unternehmen heranzieht. Wesentlich für den Transferpaketwert ist dabei, wie sich das Funktions-Gewinnpotential 1 nach der Verlagerung im Vergleich zu Situation vor der Verlagerung verändert (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG). Im Fokus der Betrachtung liegt folglich die diesbezügliche Veränderung beim verlagernden Unternehmen. Überträgt man diesen Differenzgedanken auf das Tatbestandsmerkmal der Funktionseinschränkung, ist festzustellen, dass es aus Sicht des verlagernden Unternehmens zwei vollkommen unterschiedliche Fallgruppen gibt: 679
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(1) Die Funktionsverlagerung führt zu einer Einschränkung der Funktionsausübung (z. B. gemessen an der Mitarbeiterzahl oder den Umsatzerlösen) die Funktionsverlagerung führt zu einer Einschränkung des Gewinnpotentials des verlagernden Unternehmens oder (2) Die Funktionsverlagerung führt zu keiner Einsschränkung der Funktionsausübung (z. B. gemessen an der Mitarbeiterzahl oder den Umsatzerlösen) die Funktionsverlagerung führt zu keiner Einschränkung des Gewinnpotentials des verlagernden Unternehmens oder Beispiel 9: Die X-GmbH entschließt sich, routinierte Produktionsverfahren (als Teil der Produktionsfunktion) und die damit verbundenen Kundenumsätze (als Überlassungsfall) auf die X-sro zu verlagern einschließlich der Kundenstämme und Produktrechte. Damit werden Kapazitäten im Inland frei, komplexere und innovative Produkte – bei der X-GmbH – zu produzieren und an andere Kunden zu verkaufen. Die „alten“ Produktionsmaschinen werden an die ausländische Tochtergesellschaft verkauft und durch neue moderne Maschinen ersetzt. Der Personalstamm bleibt identisch, die Kundenumsätze und die Reingewinne bzw. die Gewinnpotential der X-GmbH können im relevanten Zeitraum durch die Verlagerung auf die X-sro leicht erhöht werden24. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob der Verlagerungsbegriff und demnach das Vorliegen einer Funktionseinschränkung nicht einer Prüfung aus wirtschaftlicher Sicht zu unterziehen ist. Nach dieser müsste analog der Differenzberechnung bei den Gewinnpotentialen bei der Analyse des Merkmals der Einschränkung der Funktionsausübung geprüft werden, ob es bezogen auf die Geschäftstätigkeit oder den Wertschöpfungsprozess zu einer Einschränkung wirtschaftlicher Größen (z. B. Umsatz) kommt. Ist dies nicht der Fall, läge aus wirtschaftlicher Sicht keine Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vor, d. h. die Transferpaketbetrachtung käme nicht zur Anwendung. Eine Anwendung der Funktionsverlagerungsbesteuerung wäre nur dann einschlägig, wenn man die „alte“ und „neue“ Funktion atomisiert ungeachtet dessen, dass das verlagerte Unternehmen das Gewinnpotential steigert. M. E. genügt es nicht, diesen Umstand bei der Bemessungsgrundlage, d. h. beim Mindestpreis zu berücksichtigen. Es liegt keine Einschränkung (des Umsatzes) vor und damit ist der Tatbestand der Funktionsverlagerung nicht erfüllt! Davon unberührt ist die Frage der Verrechnungspreisbildung der Einzelwirtschaftsgüter und Einzelverrechnungen sowie einer potentiellen Überlassung des Produktions- und Vertriebsrechts (Markt- und Gewinnpotential) im Wege der Lizenzierung. Diese Rechtsfolge vorausgesetzt, muss die X-GmbH aber die Frage der richtigen Lizenzhöhe beantworten. Beispiel 10: Aufgrund der vorstehenden Auslegung kommt es nicht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Funktionseinschränkung beim verlagern-
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24 Das impliziert selbstverständlich, dass die Erträge und Aufwendungen abgegrenzt werden können, also ein „organischer Teil“ eines Unternehmens vorliegt. Allerdings ist diese Voraussetzung nach der Definition in § 1 Abs. 1 FVerlV eine notwendige, aber keine hinreichende Tatbestandsvoraussetzung.
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den Unternehmen X-GmbH. Dennoch ist die X-GmbH selbstredend gewillt, eine angemessene Einzelverrechnung an die X-sro durchzuführen. Sie veräußert die Maschinen zum Verkehrswert und verlangt für die Überlassung der Produktion und des Vertriebs von der X-sro eine angemessene Lizenz (z. B. 2 % vom Umsatz, s. oben). Diese Überlassung ist aus subjektiver Sicht der X-GmbH die bessere Handlungsalternative, verglichen mit der „Nichtverlagerung“; das gilt analog für den deutschen Fiskus. Diese kurz angedeuteten Aspekte verdeutlichen m. E., dass die Definitionen „Funktion“ und „Funktionsverlagerung“ nach der FVerlV zu ungenau sind und demnach praktische Fragestellungen aufwerfen, die nur schwer zu lösen sind sowie zu Auslegungsstreitigkeiten führen. Aus Unternehmenssicht sind diese Mängel und Leiden des § 1 AStG (und der FVerlV) unbedingt zu klären. Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung das Merkmal der Funktionsverlagerung nicht wörtlich als reine Verlagerung der „alten“ Funktion qualifiziert und die „neue“, veränderte Funktionsausübung nicht in die Tatbestandsbetrachtung einbezieht. Bei einer solchen isolierten, atomisierten Betrachtung der „alten Funktionsausübung“ käme es zu einer „isolierten Funktionseinschränkung“ (z. B. Umsatzminderung), und das Tatbestandsmerkmal wäre erfüllt. Allerdings hat eine derartige Betrachtungsweise zur Folge, dass die Schaffung und Erschließung neuer Markt- und Gewinnpotentiale (hier der X-GmbH) steuerlich gegenüber einer weniger profitablen Weiterausübung benachteiligt wird. Das kann vor dem Mitgrund des Regelungszwecks der Funktionsverlagerungsbesteuerung (s. oben) nicht wirklich beabsichtigt sein. Unabhängig vom Ausgang dieser Frage muss die Finanzverwaltung im geplanten BMF-Schreiben die vorstehenden Fragestellungen des Tatbestandsmerkmals lösen, um das Leiden der fehlenden Rechtssicherheit bei der praktischen Anwendung zu beseitigen. Anmerkung: Vernachlässigt die Finanzverwaltung diese wirtschaftliche Sicht auf der Ebene des Tatbestandsmerkmals, müssen die o. g. wirtschaftlichen Größen – wie oben kurz angedeutet – in der Gewinnpotentialermittlung des verlagernden Unternehmens nach der Verlagerung berücksichtigt werden. Regelmäßig führt dies dazu, dass das Funktions-Gewinnpotential 1 des verlagernden Unternehmens kleiner Null wird, weil das Gewinnpotential nach der Verlagerung (s. oben bei der X-GmbH) höher ist. Die X-GmbH wäre demnach bereit, für die Verlagerung an die X-sro eine Ausgleichszahlung zu leisten, weil sie mit der Verlagerung ihren Gewinn im Vergleich zur Alternative der NichtVerlagerung steigern könnte. Die Leiden des jungen § 1 AStG, die einer ausführlichen Analyse unterworfen werden sollten, sind nunmehr abschließend aufgeführt. Es ist jedoch angebracht, weitere, für die Unternehmenspraxis gleichfalls bedeutende Leiden wenigstens kurz zu erwähnen.
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4. Weitere Leiden der Funktionsverlagerungsbesteuerung, die nicht unerwähnt bleiben sollen Neben dem Tatbestand der Funktionsverlagerung als Besteuerungsobjekt ist die Bemessungsgrundlage von erheblicher Relevanz. Es geht hierbei um die Frage, wie der Wert des Transferpakets gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG zu ermitteln ist. Auch diese Frage ist auf der Grundlage der Vorschriften der Funktionsverlagerungsbesteuerung (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und FVerlV) nicht mit hinreichender Sicherheit für den Rechtsanwender zu beantworten. Diese Unsicherheiten sind im Wesentlichen in (1) der Gewinnpotentialberechnung und (2) dem Reingewinnbegriff begründet. Bei der Gewinnpotentialberechnung für das verlagernde und das übernehmenden Unternehmen müssen die Reingewinne nach Steuern, der Kapitalisierungszinssatz und der Kapitalisierungszeitraum berücksichtigt werden (Barwertberechnung). Dabei stellt sich neben der oben angedeuteten Frage der Gewinnpotentialbestimmung nach einem Funktionsaustausch (z. B. ohne Umsatz- und Gewinneinschränkung) auch die Frage, ob und inwieweit die Einzelverrechnungen nach § 4 FVerlV als Bestandteile des Transferpakets in die Gewinnpotentialberechnungen einzubeziehen sind. Diese Frage ist wichtig, denn die Einzelverrechnungen im Zuge der Funktionsverlagerung nehmen Einfluss auf die der Besteuerung zugrunde liegenden Gewinnpotentiale als Residuale (deutscher Funktionswert) respektive den Einigungsbereich. So gehören z. B. Maschinenverkaufspreise zum Transferpaketwert aus Sicht des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens, wobei die zukünftigen Abschreibungen das Gewinnpotential, d. h. die Reingewinne des übernehmenden Unternehmens mindern. Letzteres wäre für den Fall nicht gegeben, dass die Einzelverrechnungen nicht in die Gewinnpotentialberechnung einbezogen werden. Diese methodisch offene Frage muss das geplante BMF-Schreiben unbedingt beantworten, weil deren Beantwortung signifikante quantitative Verrechnungspreisauswirkungen beim Transferpaketwert hat. Eine wichtige Größe zur Bestimmung der Gewinnpotentiale sind die Reingewinne nach Steuern, die in eine Barwertberechnung (Investitionsrechnung) zu überführen sind (§ 1 Abs. 4 FVerlV). Hier stellen sich aus Sicht der Unternehmenspraxis folgende – seitens des Gesetz- und Verordnungsgebers ungeklärte – Fragen: − Werden die Reingewinne nach Steuern auf der Grundlage von Gewinnermittlungen inklusive Rückstellungsbildungen, Abschreibungen usw. oder auf der Grundlage von Cashflows ermittelt, wie es Investitionsrechnungen (DCF-Methoden) vorsehen? − Sofern Gewinnermittlungen einschlägig sind, werden diese nach regelmäßig unterschiedlichen, nationalen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelt oder werden internationale Rechnungslegungsgrundsätze (z. B. Konzernrechnungslegung nach IFRS) zugrunde gelegt? 682
Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
− Sofern Cash-Flow-Berechnungen erforderlich sind, werden die darin enthaltenen (potentiellen) Steuerzahlungen nach den nationalen steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelt, was aufgrund der Erfordernis, eine 4-fache Gewinnpotentialberechnung durchzuführen (jeweils vor und nach Verlagerung beim verlagernden und aufnehmenden Unternehmen) eine enorme praktische Herausforderung darstellt? Diese Fragen verdeutlichen, dass deren Nichtbeantwortung ein enormes Steuerlastrisiko aufgrund „Fehlauslegungen“ seitens des Steuerpflichtigen darstellt, weil sie die Höhe der Bemessungsgrundlage signifikant beeinflussen. Eine praktische Umsetzung der Funktionsverlagerungsbesteuerung erscheint unter diesen Umständen ohne Steuerlastunsicherheit nicht möglich.
IV. Zusammenfassung und Ausblick Die vorstehenden Ausführungen hatten zum Ziel, die „Leiden des jungen § 1 AStG“ aus Sicht der Unternehmenspraxis offenzulegen, ohne den Anspruch erheben zu wollen, konzeptionell zutreffende Lösungen zu liefern. Dieser Anspruch ist auch nicht zielführend, weil die vorstehenden Probleme in den bereits bestehenden betreffenden Rechtsvorschriften des AStG in Verbindung mit der Funktionsverlagerungsverordnung konzeptionell manifestiert sind. Insofern kann es nur darum gehen, auf praktische Probleme aufmerksam zu machen mit dem Ziel, dass diese auf Ebene der Finanzverwaltung ausreichende Berücksichtigung finden. Das gilt im Besonderen für das angekündigte BMFSchreiben. Die wesentlichen Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen. Es ist eine Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichs gegenüber dem konkreten Fremdvergleichs festzustellen. Dies zeigt auch der jeweilige Anteil am Umfang des Wortlauts des § 1 AStG. Diese Dominanz ist auch Sicht der Unternehmenspraxis bedauerlich, beschäftigt sich doch der hypothetische Fremdvergleich mit preistheoretischen Überlegungen, die praxisfremde Prämissen zugrunde legen und mit unternehmens- und geschäftsspezifischen Preisverhandlungssituationen nichts gemeinsam haben. Der Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichs folgt implizit auch, dass die vorhandenen Einsatzbereiche des konkreten Fremdvergleichs völlig untergehen. Dieser kann sich jedoch auf unterschiedliche Vergleichswerte und -objekte beziehen, somit auch Geschäfts- und Preisbedingungen zum Gegenstand haben. Sofern konkrete Geschäfts- und Preisbedingungen die hypothetischen Bedingungen widerlegen oder modifizieren, gehen die konkreten Bedingungen den hypothetischen Bedingungen uneingeschränkt vor. Es ist ein Leiden des jungen § 1 AStG, dass die Regelungsdominanz des hypothetischen Fremdvergleichs dies nicht eindeutig zum Ausdruck bringt. Denn die Unternehmenspraxis sollte darauf ausgerichtet sein, hypotetische Preisbildungen und -bedingungen konkret zu widerlegen. Das kann nicht hinreichend genug herausgestellt werden. Ein wesentliches „Leiden“ des § 1 AStG ist die Transparenzfunktion, die eine gegenseitig vollkommene Information der Verhandlungs- und Geschäftspart683
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ner unterstellt. Dieser Informationsstand ist nicht fremdvergleichskonform, weil er eine übergeordnete Transparenzinstanz unterstellt, wie sie nur die Konzernebene oder ein Preistheoretiker haben kann, der die Theorie der Preisbildung bei unvollständiger Information analysiert. Diese Theorie hat nichts mit der praktischen Verhandlungssituation zwischen fremden Dritten zu tun, und der Steuerpflichtige sollte alles daran setzen, reale Verhandlungssituationen und -ergebnisse mit dem vorrangigen konkreten Fremdvergleich darzulegen. Ungeklärt ist beim hypothetischen Fremdvergleich auch, wie denn z. B. Gewinnerwartungen des Leistenden und des Leistungsempfängers bei der Bemessung eines Dienstleistungsentgelts hypothetisch und theoretisch Berücksichtigung finden sollen, und auf was sich diese Gewinnpotentiale rechnerisch beziehen. Im Bereich der Funktionsverlagerungsbesteuerung setzen sich die Leiden des jungen § 1 AStG im Speziellen fort. Hier ist zunächst die stereotype Gleichbehandlung des Übertragungs- oder Verkaufsfalls und des Überlassungsfalls betreffend die immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Funktionsvorteile zu nennen. Für beide Fälle wird eine Veräußerung und folglich eine Residualberechnung analog einer Goodwill-Berechnung unterstellt. Diese Residualgröße ergibt sich durch die Gegenüberstellung des Werts der Funktion als Ganzes und der einschlägigen Einzelverrechnungen. Der Wert der Funktion als Ganzes ergibt sich aus den Gewinnpotentialen des verlagernden und übernehmenden Unternehmens. Die Wertfindung des Transferpakets und damit der Funktionsvorteile ist für den Übertragungs- und den Überlassungsfall identisch, obwohl die rechtliche und wirtschaftliche Situation grundlegend unterschiedlich ist. Diese stereotype Gleichbehandlung führt zu einer Art verkaufsfallanalogen Goodwill-Verrechnungen in Lizenzfällen. Diese Verrechnungsfolgen werden im übernehmenden Ausland auf heftigen Widerstand stoßen und zu Verrechnungspreisstreitigkeiten und Doppelbesteuerungen führen. Denn die ausländischen Steuerbehörden werden diese (Gegen-)Argumentation der stereotypen Gleichbehandlung aufgreifen. Die Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung regeln den Tatbestand der Funktionsverlagerung, d. h. die Begriffe der „Funktion“ und der „Verlagerungen“ bzw. „Einschränkung“ völlig unzureichend und lassen die Unternehmenspraxis mit offenen Fragen zurück. Unklar ist völlig, wie das essentielle Tatbestandsmerkmal der Geschäftstätigkeit definiert wird. Das Merkmal der Geschäftstätigkeit ist jedoch das Einfallstor in die Funktionsverlagerungsbesteuerung; dieses Merkmal gilt es vorher zu definieren. Hier ist eine Orientierung am Geschäftszweck und an der Wertschöpfungskette des verlagernden Unternehmens unbedingt geboten, will man nicht alle Tätigkeiten und Aufgaben mit der Funktionsverlagerungsbesteuerung erfassen. Es geht um die externen Markt- und Gewinnpotentiale, die in Deutschland geschaffen und bis zur Verlagerung in Deutschland „abgeschöpft“ werden bzw. wurden und jetzt verlagert werden sollen. Auf diesen Regelungszweck der Funktionsverlagerungsbesteuerung muss sich auch die Finanzverwaltung beim sich abzeichnenden BMF-Schreiben besinnen, sofern nicht eine Besteuerung theoretisch atomisierter Funktionen in der Unternehmenspraxis umgesetzt werden soll. 684
Die Leiden des jungen § 1 AStG aus Unternehmenssicht
Als letztes wichtiges „Leiden“ der Funktionsverlagerungsbesteuerung und damit des jungen § 1 AStG ist die unzureichende Klärung und Bestimmung der Berechnung des Transferpaketwerts zu nennen. Es ist völlig offen, was unter Reingewinnen nach Steuern zu verstehen ist und wie diese ermittelt werden sollen, stehen doch unterschiedliche nationale oder international akzeptierte Gewinnermittlungsvorschriften zur Disposition. Diese Unterschiedlichkeit der Gewinnermittlungsvorschriften mit demnach unterschiedlichen Reingewinnen könnte wiederum dafür sprechen, „bewertungsneutrale“ Cash-FlowBerechnungen durchzuführen. Eine diesbezügliche Klarstellung liefern die Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung nicht. Als Ausblick bleibt zu hoffen, dass der junge § 1 AStG durch das sich abzeichnenden BMF-Schreiben von seinen „Leiden“ nahezu erlöst wird. Dies ist dringend erforderlich, will man der Unternehmenspraxis eine wirkliche Chance geben, die Erfüllung der Vorschriften auf sicherem Fundament zu gewährleisten. Gleichzeitig sollte die deutsche Finanzverwaltung Augenmaß bei der Auslegung der Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung an den Tag legen, um nicht Verrechnungspreisstreitigkeiten im Ausland zu provozieren. Eine fehlende internationale Akzeptanz könnte ansonsten dazu führen, dass den jungen § 1 AStG das gleiche Schicksal erleidet, wie es dem jungen Werther widerfahren ist.
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Gerrit Frotscher
Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“ Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Zum Begriff des Treaty Overrides III. Geltungsgrund der DBA 1. Völkerrechtliche und innerstaatliche Wirksamkeit des Vertrages 2. Unmittelbare Berechtigung des Steuerpflichtigen aus dem völkerrechtlichen Vertrag? 3. Berechtigung des Steuerpflichtigen aus dem nationalen Recht a) Vorrang des völkerrechtlichen Vertrags nach Art. 25 S. 2 GG? b) Vorrang des DBA auf Grund des Grundsatzes „pacta sunt servanda“? c) Vorrang des DBA auf Grund der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des GG?
d) Vorrang des DBA auf Grund europarechtlicher Bestimmungen? e) Vorrang des DBA auf Grund des § 2 AO? f) Zusammenfassung IV. Der „neue Ansatz“ von Vogel V. Folgerungen für die Wirkungen eines Treaty Overrides 1. Treaty Override als Grundrechtseingriff 2. Doppelbesteuerung als Grundrechtseingriff 3. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs 4. Vorrang einer verfassungskonformen Interpretation VI. Ausblick
I. Problemstellung Die Frage nach der Zulässigkeit eines Treaty Overrides, also einer unilateralen Abweichung von den Bestimmungen eines DBA, hat die Literatur schon seit langem beschäftigt. Soweit ersichtlich, haben erstmals die USA das Recht für sich in Anspruch genommen, DBA durch einseitiges Gesetz zu ändern und dies mit kaum zu überbietender Offenheit damit begründet, dass der Staat, der mit den USA ein DBA abschließe, wisse, dass der Kongress die Regelungen einseitig ändern könne, und dass diesen Staaten kein Unrecht geschehe, weil sie im Wissen dieses Umstandes den Vertrag abgeschlossen hätten1. Hatte die Bundesrepublik in der Anfangsphase der Diskussion noch gegen das Treaty Override der USA protestiert2, griff sie selbst bald zu diesem Mittel, um
__________ 1 Vgl. Senator Sarbanes in einer Anhörung, berichtet von Turro, Tax Notes International 1990, 687; Vogel, in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. München 2008, Einl. Tz. 196. Zur Darstellung der Rechtslage in den USA vgl. Oliva, Canadian Tax Journal 1996, 1314. 2 Gattermann, Tax Notes International 1990, 1238. Auch die OECD hat empfohlen, treaty override zu unterlassen, vgl. OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, Tax Notes International 1990, 25.
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Gerrit Frotscher
unerwünschte Freistellungen nach einem DBA einzuschränken oder auszuschließen. Soweit ersichtlich, erfolgte ein ausdrückliches Treaty Override erstmals durch das Steueränderungsgesetz 1992 v. 25.2.19923, indem in § 20 Abs. 2 AStG die Freistellungsmethode für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter, die zu einer Betriebsstätte gehören und bei einer Körperschaft als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, durch die Anrechnungsmethode ersetzt wurde4. Der Wortlaut des § 20 Abs. 2 AStG bestimmt zwar nicht ausdrücklich, dass die Regelungen der DBA verdrängt werden sollen, doch lässt die Überschrift zu § 20 AStG („Bestimmungen über die Anwendung von Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung“) keinen Zweifel an dem Charakter der Vorschrift als „treaty overriding“5. Die Vorschrift wurde durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.20036 auf alle Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte, die bei einer Körperschaft als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, ausgedehnt. Ungeachtet aller rechtspolitischer Kritik an einem Treaty Override7 hat die Zahl der abkommensdurchbrechenden Bestimmungen im deutschen Steuerrecht ständig zugenommen. Zu nennen sind neben § 20 Abs. 2 AStG, der weiterhin gilt, § 8b Abs. 1 S. 3 KStG, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 15 Abs. 1a EStG, § 17 Abs. 5 S. 3 EStG, § 50d Abs. 8 EStG und, umfassend, § 50d Abs. 9 EStG sowie § 16 Abs. 1 S. 3, § 20 Abs. 4 S. 2, 3 REITG8. Im Gegensatz zu § 20 Abs. 2 AStG ist in diesen Bestimmungen die abkommensdurchbrechende Wirkung eindeutig klargestellt, da die unilaterale Regelung jeweils „ungeachtet des Abkommens“ oder auf Grund ähnlicher Formulierungen gelten soll. Keine Fälle des Treaty Overrides sind m. E. § 48d, § 50d Abs. 1 EStG, wonach der Steuerabzug ungeachtet der Vorschriften eines DBA durchzuführen ist. Die DBA bestimmen nur, dass das Besteuerungsrecht des Quellenstaates beschränkt ist, aber nicht, in welchem Verfahren diese Beschränkung zu berücksichtigen ist. Die Möglichkeit, vor der Zahlung der Vergütung eine Freistellung oder nach der Zahlung eine Erstattung zu beantragen, wird international als ausreichend für die Vermeidung der Doppelbesteuerung angesehen9. Dieses Ver-
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3 BGBl. I 1992, 297; BStBl. I 1992, 146; vgl. hierzu Leisner, RIW 1993, 1013. 4 Die ältere Vorschrift des § 20 Abs. 1 AStG, nach der die §§ 7 ff. AStG durch die DBA nicht berührt werden sollten, wird nicht als Treaty Override im strengen Sinne angesehen, da die DBA den Hinzurechnungsbetrag nicht erfassen. Nach dieser Auffassung handelt es sich um eine unilaterale Besteuerung des im Inland ansässigen Steuerpflichtigen, die das Besteuerungsrecht des anderen Staates nicht berührt; vgl. Abschn. 23 Kommentar zu Art. 10 ECD-MA, Debatin, DB 1992, 2159. Die Frage kann für das vorliegend bearbeitete Thema auf sich beruhen, da es genügend (andere) Beispiele für eindeutiges Treaty Override im deutschen Steuerrecht gibt. 5 Vgl. z. B. Tulloch, DB 1992, 1444. 6 BGBl. I 2003, 321; BStBl. I 2003, 321. 7 Vgl. hierzu nur Vogel, in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einf. Rz. 194 ff.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 847. 8 Vgl. hierzu auch Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008, S. 33 ff. 9 Vgl. Frotscher, EStG, zu § 50d Rz. 6. Der gegenteiligen Ansicht von BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171 wird nicht gefolgt.
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fahren ist daher grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem jeweiligen DBA. Entsprechendes gilt für die „Bruttomethode“ nach § 15 S. 2 KStG. Da nach dieser Vorschrift die Anwendung des DBA nicht ausgeschlossen, sondern nur auf die Ebene desjenigen Steuerpflichtigen verschoben wird, der für das fragliche Einkommen Steuerschuldner ist, kann dies als sachgerechte Anpassung der Vorschriften des DBA an die Besonderheiten der Organschaft angesehen werden. Insgesamt hat sich das „Treaty Override“ in der deutschen Gesetzgebungspraxis als Mittel zur Beseitigung unerwünschter Abkommenswirkungen etabliert. Es ist nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber mit dem Einsatz dieses Mittels in Zukunft zurückhaltender sein wird. Damit stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang ein Treaty Override zulässig ist.
II. Zum Begriff des Treaty Overrides Als „treaty overiding“ wird ein unilaterales Gesetz bezeichnet, das einen grenzüberschreitenden Sachverhalt abweichend von den Regelungen eines auf diesen Sachverhalt anwendbaren DBA regelt. An sich ist es für den Ausdruck des Treaty Overrides ohne Bedeutung, ob die Abweichung von den Bestimmungen zugunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkt. Da ein DBA aber i. d. R. eine Doppelbesteuerung des Steuerpflichtigen vermeiden soll, also zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt, verbietet es eine weitergehende Begünstigung als in seinen Bestimmungen vorgesehen nicht. Eine Abweichung von den Bestimmungen eines DBA zugunsten des Steuerpflichtigen stellt daher keine Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen des jeweiligen Staates dar. Hiervon ausgehend ist der Begriff des Treaty Overrides so zu konkretisieren, dass hierunter nur solche unilateralen gesetzlichen Regelungen zu fassen sind, die im Widerspruch zu den vertraglichen Verpflichtungen stehen, die der jeweilige Staat durch Abschluss des DBA eingegangen ist. Damit fallen nicht nur solche unilateralen Regelungen nicht unter diesen Begriff, die den Steuerpflichtigen begünstigen, sondern auch solche belastenden Regelungen, für die das jeweilige DBA einen Anknüpfungstatbestand enthält, z. B. einen Vorbehalt für Regelungen zur Vermeidung missbräuchlicher Ausnutzung des DBA. So wird im Folgenden § 50d Abs. 3 EStG nicht als eindeutiges Treaty Override angesehen, weil die Interpretation möglich ist, dass die Vorschrift nur eine Konkretisierung des in einem DBA enthaltenen Missbrauchsvorbehalts bzw. des Begriffs des „Nutzungsberechtigten“ (beneficial owner) in Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2 bzw. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA darstellt. Soweit die Regelung des Art. 50d Abs. 3 EStG über diesen Rahmen hinausgehen sollte, wäre dies durch eine teleologische Reduktion zu korrigieren. Ein Treaty Override, das zulässig sein könnte, liegt schon deshalb nicht vor, weil der Charakter dieser Vorschrift als „treaty overriding“ im Gesetzestext nicht eindeutig klargestellt wurde und daher nach § 2 AO das DBA Vorrang hat10.
__________ 10 Vgl. hierzu Abschn. III 3 e.
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Nicht als Treaty Override werden im Folgenden auch solche unilateralen Regelungen angesehen, die eine nach dem Wortlaut des DBA mögliche Interpretation der Bestimmungen des DBA festschreiben sollen. Dagegen sind Gesetze „treaty overriding“, die von der Bedeutung von Bestimmungen der DBA abweichen sollen, wie sie die Rechtsprechung auf Grund der anerkannten Auslegungsmethoden gefunden hat11. Wenn eine Bestimmung eines DBA auf Grund der anerkannten Auslegungsmethoden eine bestimmte Bedeutung hat, ist eine Änderung dieser Bedeutung ein „Treaty Override“. Mit dieser Definition werden als „Treaty Override“ nur solche unilateralen Gesetzesbestimmungen eingeordnet, die einen Bruch der in dem DBA übernommenen vertraglichen Verpflichtungen bedeuten und damit gegen den in Art. 26, 27 der Wiener Vertragsrechtskonvention12 kodifizierten Grundsatz „pacta sunt servanda“ verstoßen. Treaty Override stellt damit grundsätzlich einen völkerrechtswidrigen Akt dar13. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der andere vertragsschließende Staat dem „treaty override“ weder zugestimmt hat, noch, da es sich um eine Abweichung von der beim Abschluss des DBA ausgehandelten Kompromisslösung handelt, zustimmen würde14. Die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen unilateralen, den Steuerpflichtigen belastenden Regelung stellt sich daher in der Form, ob und welche Wirkungen ein solcher völkerrechtswidriger Verstoß gegen den internationalen Vertrag auf den Steuerpflichtigen hat. Konkret ist zu fragen, ob und aus welchem Rechtsgrund ein völkerrechtlicher Vertrag individualrechtliche Rechte des Steuerpflichtigen begründet. Dies hängt davon ab, aus welchem Rechtsgrund das DBA als völkerrechtlicher Vertrag seine Rechtswirkungen ableitet.
__________ 11 Vgl. Vogel in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Tz. 196, wonach auch solche Gesetze als „treaty overriding“ anzusehen sind, die eine bisher unstreitige Interpretation eines Abkommens ändern; ähnlich Stein, IStR 2006, 505 (507). 12 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v. 23.5.1969, BGBl. II 1985, 926. 13 Zur Völkerrechtswidrigkeit des Treaty Overrides vgl. Vogel, in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Tz. 194; Rust/Reimer, IStR 2005, 843; Doernberg, Tax Notes International 1990, 1130; OECD Committee on Fiscal Affairs, Report on Tax Treaty Overrides, Tax Notes International 1990, 25, Tz. 8 ff. Die Auffassung von Debatin, DB 1992, 2159, es liege kein „treaty override“ und damit kein Verstoß gegen den völkerrechtlichen Vertrag vor, da nur der Anwendungsbefehl des Vertragsgesetzes eingeschränkt werde, ist nicht vertretbar; vgl. auch Vogel in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Rz. 198. 14 Die Frage, ob ein DBA durch langdauernde abweichende Vertragspraxis geändert wird oder ob ein Vertragsstaat der Abweichung von dem DBA dadurch zustimmt, dass er längere Zeit hiergegen nicht protestiert, wird hier nicht weiter verfolgt. Vgl. hierzu Art. 45 Buchst. b der Wiener Vertragsrechtskonvention, wonach ein „qualifiziertes Stillschweigen“ zu einem Verlust des völkerrechtlichen Rügerechts gegen den Vertragsbruch führt, wenn zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der andere Staat durch sein Stillschweigen seiner Zustimmung zu der Abweichung von dem Vertrag Ausdruck verliehen hat. Vgl. hierzu Stein, IStR 2006, 505 (507).
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III. Geltungsgrund der DBA Für die Frage nach den Wirkungen des Treaty Overrides ist von entscheidender Bedeutung, ob und wie aus dem die beteiligten Staaten bindenden völkerrechtlichen Vertrag subjektive Rechte des einzelnen Steuerpflichtigen abgeleitet werden können. Dies konkretisiert sich zu der Frage nach dem Geltungsgrund des DBA im nationalen (Steuer-) Recht und, genauer, zu der Frage, ob das durch den Anwendungsbefehl im Rahmen des nationalen Rechts anwendbare DBA in der Normenhierarchie einen Rang einnimmt, der eine Verdrängung durch ein einfaches Gesetz ausschließt. 1. Völkerrechtliche und innerstaatliche Wirksamkeit des Vertrages Das Zustandekommen und die Geltung internationaler Verträge, und damit auch der DBA, richtet sich nach den Regeln des Wiener Vertragsrechtskonvention sowie, für die innerstaatlichen Verfahren der Bundesrepublik, nach dem Grundgesetz. Die Wiener Übereinkunft sieht als Sachverhalte, die den völkerrechtlichen Vertrag für die beteiligten Staaten verbindlich machen, gleichberechtigt nebeneinander in Art. 11 die Unterzeichnung, den Austausch der Vertragsurkunden, Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt vor. Welche Form zur Wirksamkeit des Vertrages führen soll, wird i. d. R. in dem Vertrag vereinbart. Üblicherweise treten DBA durch Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft15. Nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alternative 2 GG bedürfen völkerrechtliche Verträge, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Mitwirkung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Bundesorgane, also des Bundestages und des Bundesrates. Dieser Zustimmungsvorbehalt soll eine Umgehung der Gesetzgebungskompetenz der Legislative durch völkerrechtliche Verträge, die von der Exekutive abgeschlossen werden, verhindern. Da DBA Regelungen über ESt, KSt und GewSt enthalten, für die der Vorbehalt des Gesetzes gilt und für die dem Bund nach Art. 105 Abs. 2 GG, für die Gewerbesteuer i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht, unterliegen sie unzweifelhaft dem parlamentarischen Zustimmungsvorbehalt. Das Vertragsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG hat mehrfache Wirkungen. Es ermächtigt Exekutive und Bundespräsident zur Ratifikation; eine Ratifikation ohne Vertragsgesetz wäre verfassungswidrig. Außerdem enthält das Vertragsgesetz die Zustimmung des Legislativorgans zu dem Vertrag und den Anwendungsbefehl. Der Anwendungsbefehl des Vertragsgesetzes hat zur Folge, dass die Regelungen des DBA innerstaatlich anzuwenden sind. Die Anwendung setzt jedoch die völkerrechtliche Geltung des DBA voraus. Das ist im Zeitpunkt des Ergehens des Vertragsgesetzes noch nicht der Fall, da das Abkommen völkerrechtlich
__________ 15 Vgl. Art. 30 OECD-MA, z. B. Art. 32 Abs. 1 DBA-USA.
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erst mit Austausch der Ratifikationsurkunden wirksam wird. Der Tag, an dem das Abkommen wirksam wird, wird aus diesem Grund regelmäßig im BGBl. veröffentlicht16. Ursprünglich vertrat das BVerfG die Ansicht, der völkerrechtliche Vertrag werde durch das Vertragsgesetz in innerstaatliches Recht „transformiert“ (Transformationstheorie)17. Die Folge wäre dann jedoch, dass die Bestimmungen des Vertrags innerstaatlich unabhängig von der Ratifikation Geltung erlangen würden. In dem Vertragsgesetz wird daher nach neuerer Auffassung nur ein „Anwendungsbefehl“ gesehen („Vollzugstheorie“), auf Grund dessen die Bestimmungen des Vertrages erst nach der Ratifikation innerstaatlich anzuwenden sind18. Die Frage nach dem Geltungsgrund der DBA im innerstaatlichen Recht ist eng verknüpft mit der Frage des Verhältnisses des Völkerrechts zum innerstaatlichen Recht. Nach der monistischen Theorie bilden Völkerrecht und innerstaatliches Recht ein einheitliches Regelungssystem, wobei die Geltung des Völkerrechts entweder auf dem Völkerrecht selbst („Primat des Völkerrechts“; strikter Monismus) oder auf der Übernahme durch das innerstaatliche Recht beruht („Primat des Staatsrechts“; gemäßigter Monismus). Nach der dualistischen Theorie bilden Völkerrecht und nationales Recht verschiedene Rechtskreise, die nebeneinander existieren. Völkerrechtliche Regelungen gelten danach innerstaatlich nur dann, wenn das nationale Recht einen Rechtsgrund für diese Geltung enthält. Das GG hat sich nicht eindeutig für eine der beiden Theorien entschieden, sondern nimmt eine vermittelnde Position ein. So zeigt Art. 59 Abs. 2 GG, dass völkerrechtliche Verträge nicht unmittelbar im innerstaatlichen Recht gelten (wie es dem strikten Monismus entsprechen würde), sondern in irgend einer Form in das nationale Rechtssystem überführt werden müssen. Andererseits tendiert Art. 25 GG mit dem Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zum gemäßigten Monismus, lässt sich aber mit der Verankerung dieser Bestimmung im nationalen Verfassungsrecht auch dualistisch interpretieren. Für die praktische Anwendung der Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages und für die Frage der Zulässigkeit des Treaty Overrides hat der Theorienstreit seine Bedeutung weitgehend verloren. Sowohl nach dem gemäßigten Monismus als auch nach der dualistischen Theorie gelten die Be-
__________ 16 Z. B. für das Änderungsprotokoll zu dem DBA-USA BGBl. II 2008, 117. 17 Vgl. etwa BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272. Noch BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 31 spricht davon, dass ein völkerrechtlicher Vertrag durch das Vertragsgesetz in deutsches Recht „transformiert“ werde. 18 Vgl. z. B. BVerfG v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, Tz. 52; Kempen in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 59 Rz. 88 f.
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stimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages nur Kraft der (verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen) Verankerung im nationalen Recht19. Danach ist für die Geltung des völkerrechtlichen Vertrages zu unterscheiden. Der Vertrag selbst bindet nach der Ratifikation die beteiligten Völkerrechtssubjekte als Vertragspartner („Außenverhältnis“). Diese Bindung ist durch den Grundsatz „pacta sund servanda“ gewohnheitsrechlich im Völkerrecht verankert und in Art. 26, 27 der Wiener Übereinkunft kodifiziert. An dieser Bindung können Regeln des innerstaatlichen Rechts nichts ändern. Art. 27 der Wiener Übereinkunft bestimmt ausdrücklich, dass sich Staaten gegenüber der Geltung der von ihnen abgeschlossenen Verträge nicht auf innerstaatliches Recht (und das heißt: auch nicht auf innerstaatliches Verfassungsrecht) berufen können20. Eine Nichtdurchführung des Vertrages, und damit auch ein Treaty Override, ist daher Vertragsbruch und völkerrechtswidrig, und zwar auch dann, wenn die Nichtdurchführung auf einem formell ordnungsgemäß beschlossenen innerstaatlichen Gesetz beruht. Ergeben sich aus dem Vertrag Konsequenzen, die einer der vertragsschließenden Staaten nicht akzeptieren will oder die er nicht bedacht hat, sind die völkerrechtlich einzig möglichen Mittel die Vertragsänderung oder die Vertragskündigung21. Dieses Ergebnis bezieht sich aber auf das Verhältnis der beiden vertragsschließenden Staaten, und damit die völkerrechtliche Ebene. Der Vertragsbruch kann von dem anderen Staat gerügt werden, wenn auch die Möglichkeiten dafür verhältnismäßig gering sind. So kann der andere Staat diplomatische Schritte unternehmen, er kann die Wirkungen des Vertrags aussetzen oder den Vertrag kündigen, er kann schließlich „Vergeltungsmaßnahmen“, wie Retorsion22, durchführen. Ein internationales Schiedsverfahren oder Gerichtsverfahren zur Feststellung des Vertragsbruches gibt es mangels eines zuständigen Gerichtes jedoch nicht. Die Rechte und Möglichkeiten, die der vertragsschließende Staat gegen den vertragsbrüchigen Staat hat, sagen noch nichts darüber aus, ob und welche Möglichkeiten der Steuerpflichtige hat, gegen den Vertragsbruch vorzugehen. Solche Reaktionsmöglichkeiten des einzelnen Steuerpflichtigen können sich nur aus dem Völkerrecht oder dem innerstaatlichen Verfassungsrecht ergeben.
__________ 19 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 37; vgl. hierzu Kempen in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 59 Rz. 83 ff.; Gloria in Ipsen, Völkerrecht, § 72 Rz. 15, § 73 Rz. 2. 20 Vgl. hierzu Stein, IStR 2006, 505. 21 Vgl. Stein, IStR 2006, 505 (507). -dox-, FR 1992, 130 will generell Treaty Override als zulässige Missbrauchsverhinderung ansehen; dies ist für die Mehrzahl der Fälle jedoch keine tragfähige Rechtfertigung; vgl. Stein, IStR 2006, 505 (507), der einen „ungeschriebenen Missbrauchsvorbehalt“ in völkerrechtlichen Verträgen, und damit auch in DBA, ablehnt. 22 Retorsion ist eine völkerrechtskonforme, unfreundliche Maßnahme gegenüber dem vertragsbrüchigen Staat, wogegen Repressalien völkerrechtswidrige Akte sind; vgl. Stein, IStR 2006, 505.
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2. Unmittelbare Berechtigung des Steuerpflichtigen aus dem völkerrechtlichen Vertrag? Eine Möglichkeit des Steuerpflichtigen, wegen des im Treaty Override liegenden Vertragsbruchs gegen den vertragsbrüchigen Staat vorzugehen, könnte unmittelbar aus dem Völkerrecht abzuleiten sein. Völkerrechtlich berechtigt und verpflichtet aus einem zwischen zwei Staaten abgeschlossenen Vertrag sind grundsätzlich nur die vertragsschließenden Parteien; dies folgt aus dem Wesen der Vereinbarung als Vertrag23. Da der einzelne Steuerpflichtige nicht Vertragspartei ist, kann er unmittelbar aus dem Vertrag keine Rechte oder Pflichten herleiten. Der Steuerpflichtige hat daher gegenüber Vertragsverstößen eines der vertragsschließenden Staaten völkerrechtlich nur eine sehr schwache Stellung. Da dies unbefriedigend ist, könnte überlegt werden, die DBA ausdrücklich als „Verträge zugunsten Dritter“ (der betroffenen Steuerpflichtigen) auszugestalten oder zu interpretieren, so dass der Steuerpflichtige Vertragsverstöße aus eigenem Recht rügen könnte. Ein solcher „völkerrechtlicher Vertrag zugunsten des Steuerpflichtigen“ würde aber voraussetzen, dass der Steuerpflichtige als (partielles, steuerrechtliches) Völkerrechtssubjekt anerkannt würde, da originäre Rechte und Pflichten aus dem Völkerrecht einschließlich des Völkervertragsrechts nur ein Völkerrechtssubjekt haben kann. Eine unmittelbare Berechtigung des Steuerpflichtigen aus einem völkerrechtlichen Vertrag setzt weiter voraus, dass der Steuerpflichtige in der Lage sein müsste, gegen den den Vertragsbruch begehenden Staat seine Rechte in einem völkerrechtlichen Verfahren durchzusetzen. Ein nationales Rechtsschutzverfahren würde insoweit nicht ausreichen, um einen völkerrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter zu begründen24. Ein solches Verfahren gibt es jedoch nicht25. DBA können daher nicht als „Verträge zugunsten der Steuerpflichtigen“ interpretiert werden. Unmittelbar aus dem völkerrechtlichen Vertrag kann daher ein Schutz des Steuerpflichtigen gegen Treaty Override nicht abgeleitet werden. Legt die Bundesrepublik der Anwendung des DBA einen anderen Inhalt zugrunde als mit dem anderen Staat vereinbart, handelt die Bundesrepublik zwar wegen Ver-
__________
23 Nach Art. 26 der Wiener Vertragsrechtskonvention bindet der Vertrag „die Vertragsparteien“, also nicht Dritte. 24 Vgl. hierzu Epping in Ipsen Völkerrecht, § 7 Rz. 5. 25 Insoweit könnte ein Unterschied zu der Europäischen Menschenrechtskonvention bestehen, die ein Rechtsschutzverfahren für den Bürger vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof kennt und daher auch völkerrechtlich drittschützend wirkt. Aber selbst für diesen Fall leitet BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 32 das klagbare subjektive Recht des Bürgers nicht unmittelbar aus der Konvention ab, sondern aus einem betroffenen Grundrecht des GG, das, soweit methodisch vertretbar, im Licht der Europäischen Menschenrechtskonvention zu interpretieren sei. Damit ist selbst die Europäische Menschenrechtskonvention nach der Rechtsprechung des BVerfG kein eigenständiger verfassungsrechtlicher Prüfmaßstab. Das subjektive Recht, aus dem heraus der Bürger Rechtsschutzanspruch hat, kann damit immer nur aus dem nationalen Recht (also den Grundrechten oder nationalen Gesetzen) fließen, nicht aus einem zweiseitigen völkerrechtlichen Vertrag oder einer Konvention.
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stoßes gegen den Grundsatz des „pacta sund servanda“ und Art. 26, 27 der Wiener Übereinkunft völkerrechtswidrig und macht sich des Vertragsbruches schuldig. Dieser Vertragsbruch kann aber nur von dem Vertragspartner gerügt werden, nicht von dem durch die vertragswidrige Nichtanwendung des DBA benachteiligten Staatsbürger. Die Steuerpflichtigen können sich daher unmittelbar nicht auf den völkerrechtlichen Vertrag berufen. 3. Berechtigung des Steuerpflichtigen aus dem nationalen Recht Da der Steuerpflichtige aus dem völkerrechtlichen Vertrag unmittelbar keine Rechte ableiten kann, kann sich seine Berechtigung nur aus dem nationalen Recht ergeben. Innerstaatlich, d. h. gegenüber dem Steuerpflichtigen, leitet sich die Geltung des DBA aus dem Vertragsgesetz ab. Sowohl das Vertragsgesetz als auch das den Vertrag überlagernde Gesetz sind Teil der nationalen Rechtsordnung. Für die Wirkungen des Treaty Overrides ist daher entscheidend, ob das Vertragsgesetz, und damit das DBA, einen höheren Rang einnehmen als das den Vertrag überlagernde Gesetz. Dies ist eine Frage des (innerstaatlichen) Verfassungsrechts. Das Vertragsgesetz hat grundsätzlich den Rang eines einfachen Gesetzes. Damit hat auch das durch den Anwendungsbefehl des Vertragsgesetzes im Rahmen des innerstaatlichen Rechts anwendbare DBA nur den Rang eines einfachen Gesetzes26. Ein einfaches Gesetz kann aber durch ein anderes einfaches Gesetz geändert oder aufgehoben werden. Der Gesetzgeber hat daher die Möglichkeit, das Vertragsgesetz und das DBA durch ein anderes Gesetz zu verdrängen, m. a. W, er hat grundsätzlich die Möglichkeit eines Treaty Overrides27. Es ist zwar denkbar, dass ein DBA im innerstaatlichen Recht einen höheren Rang als den eines einfachen Gesetzes einnimmt. Für einen solchen höheren Rang wäre aber ein spezieller Rechtsgrund erforderlich. Ein solcher Rang, der höher wäre als der des Vertragsgesetzes und damit eines einfachen Gesetzes, könnte dem DBA nur entweder unmittelbar durch das GG oder durch Gesetz, z. B. das Vertragsgesetz, auf Grund einer speziellen Ermächtigung im GG zuerkannt werden. a) Vorrang des völkerrechtlichen Vertrags nach Art. 25 S. 2 GG? Einen Vorrang völkerrechtlicher Regelungen vor einfachen Gesetzen enthält das GG unmittelbar lediglich in Art. 25 S. 2 GG. Danach gehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes. Es stellt sich die Frage, ob hieraus ein Vorrang der DBA vor den innerstaatlichen Gesetzen abgeleitet werden kann.
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26 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 für die Europäische Menschenrechtskonvention; Kempen in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 59 Rz. 92. 27 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781.
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Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung, sowie internationale Verträge, die solches internationales Gewohnheitsrecht kodifizieren (wie etwa die Wiener Vertragsrechtskonvention). Andere internationale Verträge, insbesondere zweiseitige Verträge, können schon deshalb keine „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ darstellen, weil sie nicht allgemein, sondern nur zwischen zwei Staaten Geltung erlangen28. Insbesondere DBA weichen, auch bei gleicher Struktur, regelmäßig in Detailregelungen voneinander ab und beruhen auf Verhandlungen zwischen zwei Staaten und bilden damit den jeweils nach dem Verhandlungsverlauf unterschiedlich erzielten Kompromiss ab. Sie können daher keinen „Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“ darstellen, so dass sie keine „allgemeine Regeln des Völkerrechts“ bilden können29. Das gilt auch für das Prinzip der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Aus der Souveränität, die der Staat über sein Hoheitsgebiet ausübt, folgt die völkerrechtliche Berechtigung des Staates zur Inanspruchnahme derjenigen Steuerquellen, die eine ausreichende Beziehung, ein „genuine link“, zu seinem Staatsgebiet aufweisen. Abgesehen von dem Grundsatz, dass für die Inanspruchnahme dieses Besteuerungsrechts ein solches „genuine link“ zum Territorium dieses Staates vorliegen muss, gibt es keinen völkerrechtlichen Grundsatz, nach dem eine Doppelbesteuerung völkerrechtswidrig wäre30. Wenn zu einem Staat ein „genuine link“ besteht (z. B. Wohnsitz, Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen, im Inland belegene Einkunftsquelle), kann dieser Staat nach seinem gesetzgeberischen Ermessen das Besteuerungsrecht auch für solche Sachverhalte in Anspruch nehmen, die auf dem Territorium eines anderen Staates verwirklicht worden sind, bei denen die Einkunftsquelle also ganz oder teilweise auf dem Territorium eines anderen Staates belegen ist. Damit lässt sich aus dem Völkerrecht kein Verbot der Doppelbesteuerung, und entsprechend auch kein Gebot, die Doppelbesteuerung effektiv zu beseitigen, ableiten31. Aus der Sicht des Völkerrechts liegt es im gesetzgeberischen Ermessen des jeweiligen Staates, ob er Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbelastung ergreifen will oder nicht. Für die vorliegende Frage kommt hinzu, dass die Fälle des Treaty Overrides, jedenfalls soweit sie bisher in das Gesetz eingefügt worden sind, im Wesent-
__________ 28 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 geht selbst für die Europäische Menschenrechtskonvention nicht davon aus, dass es sich bei ihr um „allgemeine Regeln des Völkerrechts“ i. S. d. Art. 25 GG handelt. Solche allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach Art. 25 GG auch ohne Transformation unmittelbar geltendes Bundesrecht sind, gibt es im internationalen Steuerrecht nur wenige. Zu nennen sind etwa der Grundsatz, dass die Inanspruchnahme eines Besteuerungsrechts ein „genuine link“ voraussetzt, und der Grundsatz der diplomatischen Immunität, der eine Besteuerung von Diplomaten verbietet. 29 Vgl. hierzu König in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 25 Rz. 18 f.; Bron, IStR 2007, 431; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377. 30 Vogel in Vogel/Lehner DBA, a. a. O., Einl. Rz. 11; Stein, IStR 2006, 505. 31 Vgl. BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497.
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lichen lediglich die Freistellungsmethode durch die Anrechnungsmethode ersetzen. Die Anrechnungsmethode ist aber eine anerkannte Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Das Treaty Override in der Form, wie es in der Bundesrepublik praktiziert wird, hat daher nicht zum Ziel, eine Doppelbesteuerung zu verursachen, sondern eine Nichtbesteuerung zu verhindern. Unabhängig von der völkerrechtlichen Anerkennung eines Grundsatzes der Vermeidung der Doppelbesteuerung verstoßen die de lege lata bestehenden Regelungen daher auch nicht gegen ein solches Prinzip. Ein allgemeines völkerrechtliches Prinzip, die Freistellungsmethode anzuwenden, ist ohnehin nicht denkbar. b) Vorrang des DBA auf Grund des Grundsatzes „pacta sunt servanda“? Ein höherer Rang des DBA als den eines einfachen Gesetzes könnte aus dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ und Art. 25 S. 2 GG abgeleitet werden32. Dieser Grundsatz, wie er in Art. 26 der Wiener Vertragsrechtskonvention kodifiziert worden ist, kann als Bestandteil der allgemeinen Regeln des Völkerrechts angesehen werden33. Angewendet auf das Vertragsgesetz und das DBA würde sich hieraus ableiten, dass sich hieraus „Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“ ergeben. Auch hier ist aber wieder zwischen den Vertragsparteien und dem einzelnen Bürger, der nicht Vertragspartei ist, zu unterscheiden. Unmittelbar gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“ nur zugunsten und zu Lasten der Vertragsparteien, d. h. der Völkerrechtssubjekte, nicht zugunsten oder zu Lasten des einzelnen Staatsbürgers34. Die Steuerpflichtigen sind keine Völkerrechtssubjekte und können aus diesem Grundsatz unmittelbar, auch wenn er zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört, nicht berechtigt und verpflichtet werden. Eine solche Berechtigung und Verpflichtung kann sich daher nicht auf völkerrechtlicher, sondern nur auf verfassungsrechtlicher Grundlage ergeben, d. h. eben aus Art. 25 S. 2 GG. Die Frage stellt sich daher in der Form, ob Art. 25 S. 2 GG über den Grundsatz „pacta sund servanda“ völkerrechtliche Verträge, deren Inhalt nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört, unmittelbar zu Bestandteilen des Bundesrechts erklärt und ihnen Vorrang vor anderen Gesetzen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Bewohner des Bundesgebietes gibt. Wird die Frage in dieser Weise gestellt, fällt sofort der Widerspruch zu Art. 59 Abs. 2 GG auf. Wenn völkerrechtliche Verträge über Art. 25 S. 2 GG und den Grundsatz „pacta sund servanda“ unmittelbar Bestandteil des Bundesrechts würden, wäre eine Zustimmung der Legislative durch das Vertragsgesetz überflüssig. Eine solche Interpretation würde bedeuten, dass auf diesem Wege der Parlamentsvorbehalt des Art. 59 Abs. 2 GG ausgehebelt würde; diese Vorschrift wäre gegenstandslos. Folge wäre, dass Akte
__________
32 So Stein, IStR 2006, 505, 508; Eckert, RIW 1992, 386. 33 Vgl. BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145, Tz. 105 juris. 34 Vgl. zu dieser Frage Gloria in Ipsen Völkerrecht § 74 Rz. 16.
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der Exekutive, die ja die internationalen Verträge verhandelt und abschließt, ohne Zustimmung der Legislative Gesetzeskraft erhielten, den parlamentarisch verabschiedeten Gesetzen sogar vorgehen würden und wohl nur mit verfassungsändernder Mehrheit geändert oder beseitigt werden könnten (was dann gleichzeitig als eine partielle, auf den konkreten Fall bezogene Beseitigung des Art. 25 GG zu interpretieren wäre). Eine solche, die Grenzen der Gewaltenteilung substantiell verändernde Bedeutung kann aber Art. 25 GG nicht zuerkannt werden. Art. 59 Abs. 2 GG, wonach auch bei einem wirksam abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag ein Rechtsanwendungsbefehl in Form eines Vertragsgesetzes erforderlich ist, verdrängt daher als lex specialis insoweit Art. 25 GG. Konkrete Vertragsbestimmungen, die selbst nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören, werden daher nur auf dem Weg des Vertragsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG, nicht über Art. 25 GG durch den Grundsatz „pacta sunt servanda“, innerstaatlich wirksam35. Darüber hinaus existiert im GG keine ausdrückliche Bestimmung, auf Grund dessen das Vertragsgesetz dem DBA einen Rang über den eines einfachen Gesetzes zuerkennen könnte. c) Vorrang des DBA auf Grund der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des GG? Teilweise wird geltend gemacht, ein Vorrang des völkerrechtlichen Vertrags in der Form des Vertragsgesetzes vor sonstigem innerstaatlichen Recht ergebe sich aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG36. Zur Prüfung der Tragfähigkeit dieses Ansatzes ist zu prüfen, welchen Inhalt dieser Grundsatz hat. Die „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des GG ist selbst kein subsumierbarer Grundsatz der Verfassung, sondern eine zusammenfassende Bezeichnung für eine Reihe von Bestimmungen im GG, die die Beziehungen des Bundes zur Völkerrechtsordnung behandeln. Dazu gehört die programmatische Festlegung der Bundesrepublik auf die internationale Zusammenarbeit, Art. 24 GG, und auf die europäische Integration, Art. 23 GG, der Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts, Art. 25 S. 2 GG, die Integration des Völkervertragsrechts in das nationale Recht nach Art. 59 S. 2 GG und die friedliche Streitbeilegung, Art. 24, 26 GG. Hinzu kommt die Präambel, nach der sich die Bundesrepublik als friedliches und gleichberechtigtes Glied in eine dem Frieden dienende Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft einfügt37. Daraus ergibt sich, dass sich die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes nur im Rahmen des demokratischen und rechtsstaatlichen Systems der Bundesrepublik entfaltet38. Sowohl das Demokratieprinzip als auch das Prinzip der
__________ 35 Vgl. BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145, Tz. 105 juris; König in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 25 Rz. 18; hierzu auch Vogel in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Tz. 202; Seer, IStR 1997, 481 (483). 36 Rust/Reimer, IStR 2005, 843. 37 Vgl. hierzu BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 33 juris. 38 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 34 juris.
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formellen Rechtsstaatlichkeit zielen auf den Vorrang und die Notwendigkeit von gesetzlichen Grundlagen und enthalten damit die Änderbarkeit einfacher Gesetze durch andere Gesetze. Eine Bindung des souveränen Gesetzgebers, Gesetzesänderungen und damit auch ein Treaty Override zu unterlassen, würde gegen diese Grundsätze verstoßen und lässt sich aus der Verfassung nicht begründen39. Dass den gesetzgebenden Körperschaften, haben sie einmal das Zustimmungsgesetz (einfaches Gesetz) erlassen, die Rechtsmacht fehlen soll, dieses zu ändern oder zurückzunehmen40, ist aus dem GG m. E. nicht ableitbar. Das gilt auch für die Ansicht, das DBA sei ein unteilbares Ganzes und eine partielle Änderung daher nicht möglich41. Zwar lässt sich ein völkerrechtlicher Grundsatz annehmen, dass ein internationaler Vertrag im Zweifel unteilbar ist, weil er insgesamt einen Ausgleich der verschiedenen Interessen der Vertragsparteien enthält und eine Vertragspartei einen zu ihren Lasten abgeänderten Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Dies betrifft aber nur das Verhältnis der vertragsschließenden Parteien zueinander, d. h. die Frage, ob Deutschland sich durch die nur eingeschränkte Umsetzung des Vertrages eines Vertragsbruchs schuldig gemacht hat. Dies ist zu bejahen. Daraus folgt aber nicht, dass auch das Vertragsgesetz und damit die Umsetzung in das innerstaatliche Recht bzw. das den Vertrag verdrängende Gesetz unwirksam sind. Wenn innerstaatlich das DBA nur den Rang eines einfachen Gesetzes hat, ist diese Rechtfolge der Nichtigkeit eines dieses Gesetz ändernden Gesetzes nicht begründbar; geändert wird nur das innerstaatliche Gesetz, nicht der völkerrechtliche Vertrag42. Der Begriff der materiellen Rechtsstaatlichkeit wird konkretisiert durch Art. 1 GG sowie die Grundrechte43. Ein Verstoß gegen die materielle Rechtsstaatlichkeit ist daher, soweit der einzelne Staatsbürger betroffen ist, nur aus einem Grundrechtsverstoß ableiten. Damit kann sich eine besondere Rechtsstellung des Einzelnen nicht aus einem allgemeinen Grundsatz der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ ergeben, sondern nur aus einer der angesprochenen Normen des GG. In Betracht kommen für das Treaty Override offensichtlich nur Art. 25 S. 2 GG und Art. 59 S. 2 GG sowie die Grundrechte. Wie oben (Abschn. III 3 a und III 3 b) dargestellt, lässt sich aber weder aus Art. 25 S. 2 GG noch aus Art. 59 S. 2 GG ein höherer Rang des DBA als dem eines einfachen Gesetzes ableiten. Damit können sich subjektive Rechte des Steuerpflichtigen auch nur aus dem Vertragsgesetz i. V. m. dem jeweiligen DBA ergeben. Wird das DBA i. d. F. des Vertragsgesetzes partiell durch ein anderes Gesetz verdrängt, werden damit die subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen, die sich aus dem im Rahmen des nationalen Rechts anwendbaren DBA ergeben, beseitigt. Eine Grenze für diese Befugnis des Gesetzgebers, (ein-
__________ 39 40 41 42 43
Vgl. Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (847). So Tillmanns in Mössner, Steuerecht internationaler Unternehmen, S. 258 (259). Daragan, IStR 1998, 225; ähnlich Wohlschlegel, FR 1993, 48. Vgl. auch Bron, IStR 2007, 431; Seer, IStR 1997, 481 (483 f.). Sommermann in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 20 Rz. 239.
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fache) Gesetze einzuschränken oder zu beseitigen, kann sich nur ergeben, wenn hierin ein Grundrechtsverstoß zu sehen wäre; hierzu vgl. Abschn. V 1 und V 2. Ein Vorrang des DBA lässt sich daher nicht aus der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des GG ableiten. d) Vorrang des DBA auf Grund europarechtlicher Bestimmungen? Auch europarechtlich ergibt sich kein anderes Ergebnis. Eine bindende, für den Steuerpflichtigen einklagbare Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergibt sich aus Art. 293, 2. Spiegelstrich EG nicht44. Aus der Vorschrift kann lediglich eine Verpflichtung der Staaten abgeleitet werden, Verhandlungen aufzunehmen. Eine effektive, von der Bundesrepublik verursachte Doppelbesteuerung könnte zwar gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstoßen. Auch insoweit ist aber entscheidend, dass das Ziel der Vorschriften über Treaty Override de lege lata nicht die Herstellung einer Doppelbesteuerung ist, sondern die Verhinderung der Nichtbesteuerung durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Die Anrechnungsmethode ist aber eine in der OECD anerkannte Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und ist dadurch grundsätzlich europarechtskonform45. Ebenso wenig wie völkerrechtlich gibt es europarechtlich einen Anspruch auf Anwendung der Freistellungsmethode. Ein Treaty Override verletzt daher keine Grundfreiheit46. e) Vorrang des DBA auf Grund des § 2 AO? Hat das DBA (nur) den Rang eines einfachen Gesetzes, stellt sich die Frage, welches Gesetz anzuwenden ist, wenn der Inhalt eines DBA mit dem Inhalt eines anderen Bundesgesetzes (Steuergesetzes) kollidiert. Dem Anschein nach ist diese Frage durch § 2 AO eindeutig geregelt, da nach dieser Vorschrift die DBA den (sonstigen inländischen) Steuergesetzen vorgehen. Dieser Schein trügt jedoch, da § 2 AO mehr Fragen aufwirft als löst. Die Vorschrift ist überflüssig und eher irreführend als hilfreich47. § 2 AO kann als einfaches Bundesgesetz zwar ein anderes einfaches Bundesgesetz verdrängen oder überlagern, es kann seinerseits aber wiederum von einem anderen Gesetz verdrängt oder überlagert werden. Es gibt keine Möglichkeit, nach dem sich ein einfaches Gesetz einen dauernden Vorrang, z. B. auch vor späteren Gesetzen, beilegen könnte. § 2 AO ist daher lediglich als Ausdruck der allgemeinen Regeln zur Lösung von Gesetzeskollisionen zu verstehen. In dieser Auslegung bedeutet § 2 AO
__________ 44 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, FR 1998, 847; Bron, IStR 2007, 431 m. w. N.; Forsthoff, IStR 2006, 509; a. A. Lehner, Bulletin 2000, 461. 45 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, FR 1998, 847. 46 A. A. Seer, IStR 1997, 481 (520). 47 Vgl. hierzu Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 48.
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nichts anderes als eine Ausprägung des Grundsatzes des Vorrangs des spezielleren Gesetzes vor dem allgemeineren („lex specialis derogat legi generali“). Das DBA ist für die Regelung der steuerlichen Folgen von grenzüberschreitenden Sachverhalten gegenüber dem allgemeinen innerstaatlichen Steuerrecht das speziellere Gesetz und geht dem allgemeinen Steuergesetz daher vor48. Da sich diese Rechtsfolge bereits aus den allgemeinen Regeln zur Anwendung der Steuergesetze ergibt, ist § 2 AO überflüssig. Ist § 2 AO aber nur eine gesetzliche Ausprägung der allgemeinen Kollisionsnormen, ist nicht ausgeschlossen, dass § 2 AO, und damit der Anwendungsbefehl für das einschlägige DBA, durch ein spezielleres innerstaatliches Gesetz, oder auch durch ein allgemeines späteres Gesetz („lex posterior derogat legi priori“) verdrängt oder überlagert wird49. Aus § 2 AO kann daher kein grundsätzlicher Vorrang der DBA abgeleitet werden. Ein späteres oder spezielleres Gesetz kann § 2 AO und das Vertragsgesetz für ein bestimmtes oder die Vertragsgesetze für alle DBA, und damit die DBA selbst, überlagern und damit zur Unanwendbarkeit aller oder bestimmter Bestimmungen der DBA führen. Für das Verhältnis eines DBA i. V. m. dem Vertragsgesetz einerseits und dem Gesetz, das nach dem Willen des Gesetzgebers dieses DBA partiell überlagern soll, sind damit verschiedene Fallgestaltungen bzw. Argumentationsstränge denkbar50. Das DBA wird regelmäßig das speziellere Gesetz gegenüber den allgemeinen innerstaatlichen Steuergesetzen sein und damit sowohl den älteren als auch den neueren innerstaatlichen Gesetzen vorgehen. Dies wäre der Inhalt und der Wirkungsbereich des § 2 AO, würde sich aber auch ohne § 2 AO aus dem Charakter des DBA ergeben. Das Steuergesetz, das dieses DBA überlagern soll, wäre im Verhältnis zu den bestehenden DBA sowohl das spätere Gesetz als auch das speziellere Gesetz, da es sich auf einen Einzelbereich der durch die DBA geregelten Sachverhalte bezieht und damit gegenüber den allgemeineren DBA das speziellere Gesetz ist. Im Verhältnis zu später abgeschlossenen und in das innerstaatliche Recht implementierten DBA ist ein solches Gesetz das speziellere, aber frühere Gesetz. Hier wären beide Auslegungsergebnisse möglich, nämlich dass das DBA als das spätere Gesetz das die DBA verdrängende Gesetz seinerseits für den Geltungsbereich des späteren DBA verdrängt, als auch, dass das frühere Gesetz als spezielleres Gesetz das spätere DBA verdrängt. Regelmäßig, d. h. wenn sich nach den Auslegungsmethoden, insbesondere der historischen Auslegung und damit aus den Gesetzesmaterialien, nicht das Gegenteil ergibt, wird man davon aus-
__________ 48 Vgl. Rust/Reimer, IStR 2005, 843. 49 So BFH v. 13.7.1994, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995, BStBl. II 1995, 781; Bron, IStR 2007, 431; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377; Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, zu § 2 AO Rz. 1 5a, 38. 50 Vgl. hierzu auch Kempf/Bandl, DB 2007, 1377; Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, zu § 2 AO Rz. 2.
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gehen müssen, dass der Gesetzgeber das die DBA verdrängende Gesetz bei Erlass des Vertragsgesetzes für das spätere DBA kannte und das DBA nur im Rahmen der insoweit geltenden, d. h. der „treaty overriding“ Gesetze, in Kraft setzen wollte51. Andernfalls würde ein Gesetz, das nach dem Willen des Gesetzgebers für alle DBA-Fälle gelten sollte, für Sachverhalte auf Grund später abgeschlossener DBA nicht gelten und zu einer (aus der Sicht des Gesetzgebers) ungleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen führen, die allein von dem Abschlussdatum des jeweiligen DBA abhängen würde. Im Zweifel kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber ein solches zufälliges Ergebnis gewollt hatte. Für die Wirksamkeit eines Treaty Overrides wird man daraus sowie aus § 2 AO ableiten müssen, dass das Gesetz, das Bestimmungen der DBA verdrängen soll, seinen Charakter als „treaty overriding“ und damit den Willen des Gesetzgebers deutlich machen muss, dass es als das speziellere Gesetz auch spätere DBA verdrängen soll52. Der im Gesetz regelmäßig verwendete Ausdruck „ungeachtet der Bestimmungen eines DBA“ erfüllt diese Anforderung, da der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sich das Treaty Override auf alle, und damit auch die späteren, DBA beziehen soll. Andererseits ist es denkbar, dass das DBA eine speziellere Regelung als die des Gesetzes aufweist, die das DBA verdrängen sollen53. Ist das DBA das frühere Gesetz, ist zu prüfen, ob das spätere allgemeinere Gesetz die früheren spezielleren Klauseln des DBA verdrängen soll. I. d. R. wird das nicht der Fall sein, es sei denn, es ergibt sich auf Grund der historischen Auslegung, dass der Gesetzgeber die speziellere DBA-Regelung verdrängen wollte. Ist das DBA das spätere Gesetz und gleichzeitig das speziellere Gesetz, kann kein Treaty Override vorliegen, d. h. das DBA verdrängt das Gesetz, nicht umgekehrt. Ein solches Verhältnis liegt etwa zwischen Art. 28 DBA-USA und § 50d Abs. 3 EStG vor. Die „limitation-of-benefit“-Klausel des Art. 28 DBA-USA ist gegenüber § 50d Abs. 3 EStG sowohl das speziellere als auch das spätere Gesetz54.
__________ 51 A. A. Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (846), die fordern, dass ein Vorbehalt in das DBA zugunsten des Treaty Override aufgenommen werden muss. M. E. ist das nicht begründbar, da der Unterschied zwischen völkerrechtlicher Ebene und unilateraler Ebene nicht beachtet wird. Der Gesetzgeber ist in seiner Entscheidung nicht nur dann frei, wenn der völkerrechtliche Vertrag einen Vorbehalt enthält. 52 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; vgl. hierzu Vogel in Vogel/ Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Rz. 203. Drüen in Tipke/Kruse, AO, zu § 2 Rz. 2. Ein strenges Zitiergebot analog Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG, wonach alle verdrängten DBA aufzuführen seien (so Leisner, RIW 1993, 1013, 1019) lässt sich jedoch nicht begründen; eine Analogie zu Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG ist mangels einer der Grundrechtsqualität vergleichbaren subjektiven Rechtsstellung des Steuerpflichtigen aus dem völkerrechtlichen Vertrag oder dem Vertragsgesetz nicht möglich; im Ergebnis so auch Seer, IStR 1997, 481. 53 Dies liegt der Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG zugrunde, wonach eine weitergehende Regelung eines DBA als des dann spezielleren Gesetzes unberührt bleiben soll. 54 Kempf/Bandl, DB 2007, 1377.
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f) Zusammenfassung Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der Steuerpflichtige auf die Umsetzung des Vertrages durch den nationalen Gesetzgeber angewiesen ist, d. h. auf das Vertragsgesetz. Berechtigend und verpflichtend für die Staatsbürger des jeweiligen Staates wird das DBA somit erst durch den Anwendungsbefehl des Vertragsgesetzes, das den Rechtsgrund für die Anwendung der Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages und auch eines DBA im innerstaatlichen Recht und damit für die Berechtigung und Verpflichtung des Staatsbürgers aus dem DBA bildet. Soweit die nationale Rechtsordnung dem völkerrechtlichen Vertrag widerspricht, ist diese nationale Rechtsordnung, und nicht der völkerrechtliche Vertrag, bindend für den Staatsbürger, bis die nationale Rechtsordnung an den internationalen Vertrag angepasst worden ist55. Da sich die innerstaatliche Geltung des DBA nicht unmittelbar aus dem Völkerrecht ableiten lässt, kommt somit als (innerstaatlicher) Geltungsgrund nur das Vertragsgesetz in Betracht. Das Vertragsgesetz ist seinem Rang nach ein einfaches Gesetz. Daraus folgt, dass auch die innerstaatlich anzuwendenden DBA grundsätzlich keinen höheren Rang als den eines einfachen Gesetzes haben können56. Damit unterliegt das Vertragsgesetz und mittelbar auch das DBA der Änderungsgewalt der gesetzgebenden Körperschaften. Wenn die Legislative im Vertragsgesetz den „Befehl“ geben kann, den völkerrechtlichen Vertrag anzuwenden, besteht damit auch die Kompetenz der Legislative, diesen Anwendungsbefehl nicht zu geben, ihn später zu ändern oder ganz oder teilweise zurückzunehmen. Dies ermöglicht das „Treaty Override“ durch ein einfaches Gesetz. Diese Möglichkeit folgt somit letztlich aus der Souveränität des Gesetzgebers, dem insoweit verfassungsrechtlich keine Schranken gesetzt sind. Daraus folgt weiter, dass ein Treaty Override als solches kein subjektives Recht des Steuerpflichtigen verletzt. Die klagbaren subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen ergeben sich aus dem GG, insbesondere den Grundrechten, und den einfachen Gesetzen. Zu den einfachen Gesetzen, die den Inhalt und den Umfang der subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen bestimmen, gehört aber auch ein Gesetz, das „treaty overriding“ ist und damit das DBA vollständig oder partiell verdrängt. Aus einem DBA, das in den für den Steuerpflichtigen maßgeblichen Bestimmungen durch ein „treaty override“ verdrängt worden ist, kann der Steuerpflichtige allein aus dem Umstand, dass ein Verstoß gegen einen völkerrechtlichen Vertrag vorliegt, daher keine klagbaren subjektiven Rechte mehr ableiten.
__________ 55 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 51 für die Europäische Menschenrechtskonvention; BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 56 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 31 juris mit Hinweis auf weitere Entscheidungen des BVerfG; Kempen in v. Mangold/Klein/Starck, GG, zu Art. 59 Rz. 92.
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Weiter folgt aus dem bisher Gesagten, dass sich ein klagbares subjektives Recht gegenüber einem Treaty Override nur aus den Grundrechten des GG ergeben kann. Da das Gesetz, das einen Treaty Override enthält, ein einfaches Gesetz ist, kann es gegen Grundrechte verstoßen. Klaggrund für den Steuerpflichtigen kann daher ein Grundrechtsverstoß sein. Im Rahmen einer Grundrechtsbeeinträchtigung kann der Verstoß der Bundesrepublik gegen einen völkerrechtlichen Vertrag Bedeutung erlangen. Dies wird unter Abschn. V näher ausgeführt.
IV. Der „neue Ansatz“ von Vogel Die Ausführungen unter Abschn. III können als der „konventionelle“ Ansatz bezeichnet werden. Insbesondere Vogel57 hat dagegen, auch unter dem Eindruck der Entwicklung in anderen Staaten58, die zunehmend den völkerrechtlichen Verträgen unmittelbare Geltung oder Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht einräumen, einen „neuen Ansatz“ entwickelt. Ausgangspunkt dieser Ansicht, dass sich aus Art. 20 GG ein verfassungsrechtliches Verbot des Treaty Overrides ergebe, ist eine Aussage des BVerfG59, es widerspreche nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachte, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden seien. Vogel schließt aus diesem Satz im Umkehrschluss, dass nur bei einem Verstoß gegen tragende Verfassungsgrundsätze ein Treaty Override zulässig sei; ein Verstoß eines DBA gegen tragende Verfassungsgrundsätze sei aber nicht denkbar. Eine solche Bedeutung kann dieser (mehr ein obiter dictum darstellende) Aussage des BVerfG jedoch nicht beigelegt werden. Abgesehen davon, dass kein Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, dass der Umkehrschluss zulässig ist, enthält das Urteil des BVerfG, a. a. O., keine Aussage dazu, welche Folge ein solcher „völkerrechtsunfreundlicher Akt“ hat. In dem vorhergehenden Satz hat das BVerfG ausdrücklich betont, dass Deutschland trotz der Völkerrechtsfreundlichkeit „ nicht auf die in dem letzten Wort der deutschen Verfassung liegende Souveränität“ verzichte. Dazu gehört aber auch die Befugnis der Legislative, einfache Gesetze zu ändern oder zu verdrängen. Völkervertragsrecht gilt innerstaatlich nur dann, wenn es in die nationale Rechtsordnung formgerecht und in Übereinstimmung mit materiellem Verfassungsrecht in-
__________ 57 Vogel in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Einl. Rz. 205; ihm folgend Kempf/Bandl, DB 2007, 1377; Gosch, IStR 2008, 418; ähnlich Stein, IStR 2006, 505 (508); differenzierend Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (848). 58 Einen Vorrang vor nationalen Gesetzen für DBA räumen beispielsweise Frankreich, Japan, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und Russland ein. Dagegen tendieren die angloamerikanischen Staaten, die Schweiz und Skandinavien zu einer auch durch Völkerrecht nicht eingeschränkten Gesetzgebungsbefugnis der Parlamente. 59 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 35 juris.
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korporiert worden ist60. Eine Beschränkung des souveränen Gesetzgebers lässt sich hieraus nicht ableiten. Bei der Interpretation dieser Aussagen des BVerfG, a. a. O., ist zu berücksichtigen, dass es um die Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention ging, also eines internationalen Vertrages mit unmittelbarer Auswirkung auf den grundrechtlich geschützten Bereich des Bürgers. Selbst für die Menschenrechtskonvention hat das BVerfG aber keine absolute Geltung angenommen, sondern lediglich entschieden, dass die Grundrechte im Licht der Menschenrechtskonvention zu interpretieren seien61. Die subjektive Rechtsstellung des Bürgers ergibt sich daher nicht unmittelbar aus internationalen Verträgen, sondern aus den Grundrechten mit dem Inhalt und den Grenzen, wie sie die nationale Rechtsordnung, also die einfachen Gesetze (einschließlich der im Rahmen der nationale Rechtsordnung anwendbaren internationalen Verträge) definiert. Ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Nichtigerklärung des Vertragsgesetzes oder eines das Vertragsgesetz partiell verdrängenden anderen Gesetzes kann sich daher nicht aus einem abstrakten Grundsatz der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ ergeben, sondern nur aus konkreten Normen des GG. Insbesondere sind dies, soweit es um einen Eingriff in subjektive Rechte des Einzelnen geht, die Grundrechte. Damit mündet die Frage nach der Zulässigkeit des Treaty Overrides in die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen; dies wird in Abschn. V weiter ausgeführt.
V. Folgerungen für die Wirkungen eines Treaty Overrides 1. Treaty Override als Grundrechtseingriff Da das DBA auf Grund des Vertragsgesetzes (nur) den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes hat, lässt sich aus dem durch das Vertragsgesetz in das nationale Recht integrierten DBA auf Grund seines Ranges in der Normenhierarchie kein eigenständiger Prüfungsmaßstab gegenüber dem den Vertrag verdrängenden Gesetz gewinnen62. Ein solcher Prüfungsmaßstab kann nur aus dem GG, und dabei insbesondere aus den Grundrechten, fließen. Das setzt aber voraus, dass das Gesetz, das „treaty overriding“ ist, einen Eingriff in ein Grundrecht des Steuerpflichtigen enthält63. Da das Vertragsgesetz und das DBA dem Steuerpflichtigen unmittelbar nur solche subjektiven Rechte gewährt,
__________ 60 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 36 juris. Unter Tz. 51 betont das BVerfG, dass bei einer dem völkerrechtlichen Vertrag widersprechenden nationalen Rechtsordnung es Sache des Gesetzgebers sei, die innerstaatlichen Regelungen anzupassen. 61 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 48–50 juris. 62 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 32 juris. 63 Auch BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 64 juris, kommt zu der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Rechtsstaatsprinzip nur, weil unzweifelhaft ein Grundrechtseingriff, nämlich in Art. 6 GG, vorlag.
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die auf Grund der Normenhierarchie durch einfaches Gesetz eingeschränkt oder beseitigt werden können, muss der Prüfungsmaßstab aus dem GG, und damit insbesondere aus den Grundrechten, entnommen werden, soll das Treaty Override unzulässig sein. Das bedeutet, dass das fragliche Gesetz aus sich heraus, also ohne Berücksichtigung des Verstoßes gegen den internationalen Vertrag, einen Eingriff in ein Grundrecht darstellen muss. Naturgemäß kommen hierbei insbesondere Art. 14 GG, subsidiär Art. 2 GG, sowie Art. 3 GG in Betracht. Ein Gesetz, das ein DBA einschränkt, kann in grundrechtlich geschützte Positionen eingreifen, muss es aber nicht. Für die Frage, ob ein Eingriff in die Grundrechtssphäre vorliegt, ist zwischen dem allgemeinen Steuergesetz und der Rechtslage, wie sie durch das Treaty Override hergestellt wird, zu unterscheiden. Ausgangspunkt der Prüfung muss sein, dass die fraglichen Einkünfte des Steuerpflichtigen nach den allgemeinen Steuergesetzen steuerpflichtig sind. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht ist das regelmäßig der Fall auf Grund des Welteinkommensprinzips, § 1 Abs. 1 EStG, § 1 Abs. 2 KStG, i. V. m. den Vorschriften über das Einkommen als die steuerliche Bemessungsgrundlage und den Tarif. Bei der beschränkten Steuerpflicht ergibt sich der Umfang der Besteuerung aus § 1 Abs. 4 EStG, § 2 Nr. 1 KStG, jeweils i. V. m. § 49 ff. EStG. Die darin liegende steuerliche Belastung des unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen ist verfassungsgemäß, bildet also keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen64. Zu dieser verfassungsgemäßen steuerlichen Rechtsordnung gehört auch die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode, § 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG für unbeschränkt Steuerpflichtige und nach § 50 Abs. 6 EStG für beschränkt Steuerpflichtige65. Diese Rechtslage wird durch das im Rahmen des nationalen Rechts anwendbare DBA verändert, indem Deutschland seinen Besteuerungsanspruch aufgibt (Freistellungsmethode) oder einschränkt (Quellensteuerabzug). Ein Treaty Override, jedenfalls in den überwiegenden de lege lata bestehenden Fällen, macht diese Aufgabe oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsanspruchs rückgängig, stellt also die Rechtslage wieder her, wie sie ohne das DBA bestehen würde. Da annahmegemäß diese ohne das DBA bestehende Rechtslage verfassungsgemäß ist, kann allein in der Tatsache des Treaty Override kein Eingriff in die Grundrechte vorliegen. Es wird lediglich die im Verhältnis zu bestimmten Staaten bestehende Rechtslage durch die allgemein geltende verfassungsgemäße Rechtslage ersetzt.
__________ 64 Das wird hier unterstellt, weil sich sonst die Frage der Zulässigkeit eines Treaty Overrides nicht stellt. Soweit bei einer einzelnen steuerlichen Regelung diese Annahme nicht zutrifft, ist diese Regelung verfassungswidrig, nicht das Treaty Override. 65 Es kann hier dahin gestellt blieben, ob eine Doppelbesteuerung verfassungswidrig wäre. Jedenfalls wird positivrechtlich und unilateral die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode vermieden. Dass stattdessen aus grundrechtlicher Sicht zwingend die Freistellungsmethode anzuwenden sein sollte, ist nicht begründbar.
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Bezogen auf die einzelnen Grundrechte können diese Überlegungen folgendermaßen konkretisiert werden. Ein Treaty Override ist gleichheitsrechtlich regelmäßig unbedenklich, weil es allgemein für alle in einer vergleichbaren Lage befindlichen Steuerpflichtigen das jeweilige DBA verdrängt. Es wird diejenige Rechtslage hergestellt, die auch für Fälle ohne DBA gelten. Damit liegt kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 3 GG vor. Sollte im Einzelfall ein solcher Eingriff doch vorliegen, ist dieser jedenfalls im Regelfall gerechtfertigt. Bei einem Eingriff in das Grundrecht des Art. 3 GG unterliegt der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG66 unterschiedlichen Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reichen. Welche der danach möglichen Abstufungen für den jeweiligen Einzelfall gelten, richtet sich danach, wie sehr die Ungleichbehandlung sich den personenbezogenen Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG nähert und ob und in welchem Maße die Ungleichbehandlung unmittelbar oder mittelbar zur Diskriminierung einer Minderheit führt. In den hier besprochenen Fällen knüpft eine etwaige Ungleichbehandlung weder an personenbezogene Merkmale an, wie sie im Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählt sind, nach droht die Diskriminierung einer Minderheit. Die Grenze für den Gesetzgeber ist daher bei einem Treaty Override sehr weit im Sinne eines Willkürverbots gezogen. Eine Verfassungswidrigkeit würde daher nur vorliegen, wenn die Unsachlichkeit der Regelung evident ist. Das ist aber regelmäßig nicht der Fall, weil die Ziele eines Treaty Overrides (Vermeidung von niedrig besteuerten oder unbesteuerten Einkünften) nicht offensichtlich sachwidrig sind. Hinsichtlich der Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, liegt die Eingriffsintensität des Treaty Overrides in den de lege lata bestehenden Fällen unter der Grenze des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, so dass die Regelung als bloße Inhaltsbestimmung anzusehen ist. Dies kann am Beispiel des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG erläutert werden. Die Vorschrift will eine Doppel-Nichtbesteuerung verhindern. Da ein Steuerpflichtiger keinen rechtlich geschützten Anspruch darauf hat, im Gegensatz zu dem allgemein geltenden Grundsatz des Welteinkommensprinzips einen Teil der von ihm erzielten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Besteuerung zu entziehen, liegt ein Eingriff in Art. 14 GG nicht vor. Der Gesetzgeber stellt damit nur die verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung der effektiven Besteuerung des Welteinkommens wieder her. Ob die gegenüber der Anwendung der Freistellungsmethode eintretende höhere steuerliche Belastung verfassungskonform ist, ist nicht mehr eine Frage des Treaty Overrides, sondern der Vereinbarkeit des Welteinkommensprinzips i. V. m. § 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG mit den Grundrechten. Wie oben ausgeführt, bestehen insoweit aber keine grundsätzlichen Zweifel. Ähnliches gilt für § 20 Abs. 2 AStG. Da der Steuerpflichtige keinen Anspruch darauf hat, dass die Doppelbesteuerung gerade durch die Freistellungsmethode
__________ 66 BVerfG v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, 87.
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vermieden wird67, ist er in seinen grundrechtlich geschützten Positionen nicht verletzt, wenn die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode statt durch die Freistellungsmethode vermieden wird. Auch hierbei handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung. Die Grenze für das allgemeine Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeitsrecht, Art. 2 GG, wird durch die verfassungsmäßige Ordnung gebildet. Zu dieser verfassungsgemäßen Ordnung gehören auch die steuerrechtlichen Regelungen, also das Welteinkommensprinzip, die Anrechnungsmethode und die Regelungen über die beschränkte Steuerpflicht. Zwar gehören auch die im Rahmen des nationalen Rechts anzuwendenden DBA zu dieser verfassungsmäßigen Ordnung, aber ebenso das Gesetz, das die DBA verdrängt und die ursprüngliche, allgemein geltende und verfassungsgemäße Besteuerung wieder herstellt. Ein Treaty Override stellt also allein auf Grund seines das DBA verdrängenden Charakters keinen Verstoß gegen Art. 2 GG dar. Der mit der Besteuerung verbundene Eingriff in Art. 2 GG liegt in den allgemeinen Steuergesetzen, nicht in dem Treaty Override. In diesen Fällen, die m. E. die wesentlichen de lege lata vorhandenen Fälle des Treaty Overrides umfassen68, liegt somit keine Grundrechtsbeeinträchtigung vor. 2. Doppelbesteuerung als Grundrechtseingriff Andererseits kann die Regelung durch das Gesetz, das das DBA verdrängt, gleichheitswidrig wirken oder nach seiner Intensität einen Eingriff in Art. 14 bzw. Art. 2 GG darstellen. Ein solcher Eingriff liegt m. E. regelmäßig vor, wenn das Treaty Override zu einer Doppelbesteuerung führt. Das DBA hatte gerade den Zweck, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, und ist durch das Vertragsgesetz im Rahmen des nationalen Rechts anwendbar geworden. Der Zweck des DBA ist der Schutz des Steuerpflichtigen vor einer als unberechtigt empfundenen Doppelbesteuerung, ist also darauf gerichtet, dem Steuerpflichtigen auf Grund des als einfaches Gesetz wirkenden DBA subjektive Rechte auf Vermeidung der Doppelbesteuerung zu verschaffen. Wird durch Treaty Override die entsprechende Regelung des DBA verdrängt und dadurch eine Rechtslage geschaffen, die zu einer Doppelbesteuerung des Steuerpflichtigen führt, wird ihm dieses subjektive Recht entzogen. Darin liegt ein Eingriff in Art. 14 GG, zumindest in Art. 2 GG, u. U. auch in Art. 3 GG. Eine Doppelbesteuerung auf Grund des Treaty Overrides wird regelmäßig in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht eintreten69. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der ausländische Staat als Ansässigkeitsstaat zu einer Beseitigung der Doppelbesteuerung nach Art. 23A Abs. 1, Art. 23B Abs. 1 OECD-MA
__________ 67 Sonst läge bei allen steuerrechtlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten, mit denen kein DBA besteht, ein verfassungswidriger Zustand vor. 68 Ausnahme wäre § 15 Abs. 1a, § 17 Abs. 5 EStG; hier ist eine teleologische Reduktion erforderlich, die eine mögliche Verfassungswidrigkeit beseitigt; vgl. Abschn. V 4. 69 Vgl. hierzu Bron, IStR 2007, 431.
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nur verpflichtet ist, wenn die Besteuerung im Quellenstaat dem Abkommen entspricht. Nimmt Deutschland durch Treaty Override eine nicht dem Abkommen entsprechende Besteuerung vor, versagt daher der Abkommensschutz. Erhebt Deutschland etwa im Wege des Treaty Overrides eine Quellensteuer, die über den im DBA festgesetzten Höchstgrenzen liegt, wird der Ansässigkeitsstaat nur die nach dem DBA zulässige Abzugsteuer anrechnen; in Höhe des überschießenden Teils entsteht eine Doppelbesteuerung. Entsprechendes gilt für das gesetzgeberische Vorhaben, im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 zu bestimmen, dass ungeachtet der Bestimmungen eines DBA von Personengesellschaften an Gesellschafter gezahlte Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG immer als Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA einzuordnen sind. Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die Sondervergütungen von einer ausländischen Personengesellschaft erhalten, hat diese Umqualifizierung von Art. 11, 12 OECD-MA in Art. 7 OECD-MA keine Auswirkungen, da sowohl die Anwendung der Art. 11, 12 OECD-MA als auch die Anwendung des Art. 7 OECD-MA i. V. m. § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG zur Besteuerung im Inland unter Anrechnung der ausländischen Quellensteuer führt. Anders ist es aber im Fall der beschränkten Steuerpflicht, wenn also ein im Ausland ansässiger Gesellschafter Sondervergütungen von einer inländischen Personengesellschaft erhält. Hier nimmt Deutschland durch das Treaty Override ein Besteuerungsrecht in Anspruch, das es im Falle von Zinsen überhaupt nicht, im Falle von Lizenzzahlungen allenfalls auf einen Quellensteuerabzug eingeschränkt hätte70. Die unbeschränkte Besteuerung der Sondervergütungen als Teil der inländischen Unternehmensgewinne verstößt damit gegen die geltenden DBA. Da auch der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters diese Vergütungen besteuern wird, tritt eine Doppelbesteuerung ein. Der Ansässigkeitsstaat ist auch nicht verpflichtet, die Doppelbesteuerung durch Freistellung oder Anrechnung der deutschen Steuer zu vermeiden, da die Besteuerung in Deutschland entgegen den Bestimmungen des DBA erfolgt. In einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige aus Art. 23A Abs. 1, Art. 23B Abs. 1 OECD-MA keinen Anspruch gegen den Ansässigkeitsstaat auf Vermeidung der Doppelbesteuerung. Aber auch, wenn Deutschland der Ansässigkeitsstaat ist, ist es denkbar, dass das Treaty Override zu einer Doppelbesteuerung führt. Das ist etwa bei § 15 Abs. 1a, § 17 Abs. 5 EStG der Fall.
__________ 70 Dem zu erwartenden Argument der Finanzverwaltung, es handle sich bei der Gesetzesänderung nicht um ein Treaty Override, sondern nur um eine Klarstellung, ist zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Sondervergütungen unter Art. 11, 12 OECD-MA fallen und dies auch internationale Übung ist, da außer Deutschland und Österreich kein Staat „Sondervergütungen“ bei Personengesellschaften kennt. Das Gesetz verändert daher die auf Grund der DBA geltende Rechtslage und ist seinem Charakter nach treaty overriding. Zur Rechtsprechung des BFH vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003. 631; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869. Vgl. zur Problematik Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. München 2005, Rz. 356 ff.
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In den genannten Fällen führt das Treaty Override also zu einem Eingriff in den Schutzbereich der Grundrechte, insbesondere in Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. 3. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs Ist ein solcher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position des Steuerpflichtigen festgestellt, hat die Prüfung einer (möglichen) Rechtfertigung zu erfolgen. Auf dieser Ebene spielen Verfassungsprinzipien außerhalb der Grundrechte, wie etwa das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, und die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG, eine Rolle. Das völkerrechtswidrige Verhalten, das in dem Vertragsbruch liegt, kann nicht als ein den rechtsstaatlichen Normen entsprechendes Verhalten angesehen werden. Ein Rechtsstaat muss die wirksam eingegangenen Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag erfüllen und darf sich nicht völkerrechtswidrig verhalten71. Ein Treaty Override verstößt damit gegen den allgemeinen Verfassungsgrundssatz der Völkerrechtsfreundlichkeit und das Rechtsstaatsprinzip. Bei der Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 2 GG ist anerkannt, dass ein Gesetz, das materiell gegen allgemeine Verfassungsgrundsätze wie den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit und das Rechtsstaatsprinzip verstößt, nicht zur „verfassungsmäßigen Ordnung“ i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG gehört und daher den Eingriff in das Grundrecht der Handlungsfreiheit nicht rechtfertigen kann72. Ein die DBA verdrängendes Gesetz kann daher regelmäßig nicht zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 2 GG dienen. M. E. lässt sich dieser Gedanke auch für die anderen betroffenen Grundrechte nutzbar machen. So ist ein Gesetz, das völkerrechtswidrig ist und wegen des Vertragsbruches dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht, nicht geeignet, die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Ebenso kann ein mit einem solchen Gesetz verfolgter Zweck nicht zur Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 3 GG herangezogen werden. Der Verstoß gegen den völkerrechtlichen Vertrag und das darin liegende völkerrechtswidrige Verhalten des Staates sind also auch auf der innerstaatlichen, individualrechtlichen Ebene nicht bedeutungslos. Zwar kann ein solcher Vertragsbruch allein von dem Steuerpflichtigen nicht gerügt werden. Isoliert betrachtet stellt das Treaty Override keinen Eingriff in die geschützte Rechtsposition des Steuerpflichtigen dar. Wenn aber ein solcher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position unabhängig von der Völkerrechtswidrigkeit festgestellt ist, also das das DBA verdrängende Gesetz einen Eingriff in den Schutz-
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71 Ein Ausnahmefall, wie ihn BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 35 juris mit der Rechtfertigung des Vertragsverstoßes zur Vermeidung eines Verstoßes gegen tragende Verfassungsgrundsätze für möglich gehalten hat, liegt im Steuerrecht regelmäßig nicht vor; vgl. hierzu Vogel, in Vogel/Lehner, a. a. O., DBA, Einl. Rz. 205. 72 Vgl. hierzu BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32; v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89; v. 6.6.1989 – 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137; v. 11.10.1994 – 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186.
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bereich eines Grundrechts darstellt, ist der Verstoß gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und der darin liegende Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip im Rahmen der Rechtfertigungs- und Angemessenheitsprüfung ein erhebliches Argument, das gegen die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs spricht. Hier entfaltet der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG eine begrenzende Wirkung. Eine Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs durch ein völkerrechtswidriges Verhalten ist zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, doch sind die Anforderungen an eine Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs höher, wenn das auf dem Prüfstand stehende Gesetz gegen einen völkerrechtlichen Vertrag und damit gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit und das Rechtsstaatsprinzip verstößt. In diesem Zusammenhang entfaltet auch die Bemerkung des BVerfG73 ihre Wirkung, es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet (vgl. oben Abschn. IV). Liegt, wie regelmäßig im Steuerecht, ein solcher Ausnahmefall nicht vor, ist es angesichts der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG kaum denkbar, dass ein Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen gerechtfertigt werden kann. M. E. ist die Frage des Verstoßes gegen die Völkerrechtsfreundlichkeit also auf der Ebene der Rechtfertigungs- und Angemessenheitsprüfung, dann aber mit einem sehr erheblichen Gewicht, anzusiedeln. Damit kommt dem Unterschied zwischen Inhaltsbestimmung und Eingriff in das Freiheitsgrundrecht entscheidende Bedeutung dar. Eine Inhaltsbestimmung erfordert nur ein geringes Maß an Rechtfertigung, weil sie unterhalb eines Grundrechtseingriffs liegt. Eine ausreichende Rechtfertigung für eine Inhaltsbestimmung wird regelmäßig darin liegen, dass der Gesetzgeber eine als unsachgemäß empfundene Begünstigung des Steuerpflichtigen durch das Gesetz, das das DBA verdrängt, beseitigen will. Der Grundrechtseingriff liegt dann in dem zugrunde liegenden allgemeinen Steuergesetz, das verfassungskonform ist74. Demgegenüber stellt das das DBA verdrängende Gesetz keinen weiteren eigenständigen Eingriff in die subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen dar. Wenn das Treaty Override etwa dazu dient, eine Doppel-Nichtbesteuerung zu vermeiden, liegt darin kein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Steuerpflichtigen, da er keinen Anspruch darauf hat, dass ein Verhalten, das nach den allgemeinen Steuergesetzen steuerpflichtig ist, in seinem Fall nicht zu einer Steuer führt. Ebenso hat er keinen Anspruch darauf, dass eine Doppelbesteuerung durch die Freistellungsmethode vermieden wird; der Übergang zur Anrechnungsmethode greift daher nicht in seine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition ein. Bei einer bloßen Inhaltsbestimmung bleibt ein völkerrechtswidriges Verhalten des Staates also individualrechtlich75 ohne Sanktion.
__________ 73 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 35 juris. 74 Dies als Annahme, da sich sonst die Verfassungswidrigkeit bereits ohne Rückgriff auf das völkerrechtswidrige Gesetz ergeben würde. 75 Natürlich können sich völkerrechtliche Sanktionen ergeben, die aber nur der andere Vertragsstaat ergreifen kann; vgl. Abschn. III 1.
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Anders ist es aber, wenn das die DBA verdrängende Gesetz zu einer eigenständigen Belastung führt, die über die sich aus den allgemeinen Steuergesetzen ergebende Belastung hinausgeht. Das die DBA verdrängende Gesetz ist dann nicht nur inhaltsbestimmend, sondern enthält einen eigenständigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtssphäre des Steuerpflichtigen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn das Treaty Override zu einer Doppelbesteuerung führt. Die Verursachung der Doppelbesteuerung durch das Treaty Override ist ein Eingriff des Gesetzgebers in die nach Art. 14 I GG sowie nach Art. 2 GG geschützte Rechtssphäre des Steuerpflichtigen76. Dann kann sich die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs nicht mehr aus dem allgemeinen Gesetz ergeben; vielmehr muss sich das die DBA verdrängende Gesetz der Rechtfertigungs- und Angemessenheitsprüfung stellen. Das BVerfG77 hat es als seine Aufgabe angesehen, im Rahmen seiner Zuständigkeit (also des Schutzes des Bürgers gegen Grundrechtseingriffe) Verletzungen des Völkerrechts, die eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit Deutschlands begründen können, nach Möglichkeit zu verhindern und zu beseitigen. Dabei kann es geboten sein, von herkömmlichen Maßstäben abzuweichen. Hieraus folgt, dass das BVerfG bei einer Grundrechtsverletzung durch ein Gesetz, das gegen einen internationalen Vertrag verstößt, im Rahmen der Rechtfertigungs- und Angemessenheitsprüfung auch neue Prüfungsmaßstäbe entwickeln kann. Ein solcher Prüfungsmaßstab würde in der Aussage liegen, dass ein völkerrechtswidriges Gesetz i. d. R. keine Rechtfertigung für einen Grundrechtseingriff liefern kann. Eine Rechtfertigung könnte allenfalls dann vorliegen, wenn andernfalls ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung drohen würde78. Ein solcher Ausnahmefall ist für den Bereich des Steuerrechts kaum denkbar. Somit führt das völkerrechtswidrige Verhalten der Bundesrepublik auf der Rechtfertigungsebene grundsätzlich zu einer individualrechtlichen Sanktion, nämlich der Nichtigerklärung des Eingriffsgesetzes durch das BVerfG, wenn das ein DBA verdrängende Gesetz die Qualität eines Grundrechtseingriffs hat. 4. Vorrang einer verfassungskonformen Interpretation Diese Rechtsfolge gilt nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn der Grundrechtseingriff nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation beseitigt werden kann79. Das kann an folgendem Beispiel erläutert werden. Besteht ein
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76 Es soll hier offen bleiben, ob deshalb ein Verstoß auch gegen Art. 3 GG vorliegt, da es bei anderen Steuerpflichtigen nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt. BVerfG v. 12.10.1976 –1 BvR 2328/73, BStBl. I 1977, 190, Tz. 26 juris hat für die beschränkte Steuerpflicht entschieden, dass sich im Ausland ansässige Personen nicht in der gleichen Lage befinden wie im Inland ansässige. Daraus könnte man schließen, dass Steuerpflichtige mit Auslandsbeziehungen generell mit Steuerpflichtigen mit Inlandsbeziehungen nicht vergleichbar sind. Da eine Doppelbesteuerung in den hier besprochenen Fällen nur bei Auslandsbeziehungen eintritt, ist die Vergleichbarkeit mit nur im Inland Steuerpflichtigen zumindest fraglich. 77 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 61 juris. 78 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 35 juris. 79 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Tz. 62 juris; Rust/Reimer, IStR 2005, 843.
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DBA, das eine Doppelbesteuerung effizient beseitigt, und führt das Treaty Override dazu, dass jetzt doch eine Doppelbesteuerung erfolgt, liegt m. E. ein Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition, und damit ein Eingriff in die Grundrechte des Art. 14 und Art. 2 GG des Steuerpflichtigen vor80. Dann muss in erster Linie im Rahmen versucht werden, diesen Grundrechtseingriff im Rahmen der Auslegung, z. B. eine teleologische Reduktion, zu beseitigen. So sieht § 15 Abs. 1a EStG und § 17 Abs. 5 EStG die Besteuerung der Veräußerungsgewinne bei Veräußerung der Anteile an der weggezogenen SE „ungeachtet eines DBA“ vor. Dieses im Wege des Treaty Overrides in Anspruch genommene Besteuerungsrecht ist nicht begrenzt auf die bis zum Wegzug entstandenen stillen Reserven in den Anteilen, erfasst also auch die nach Wegzug und damit dem Verlust des deutschen Besteuerungsrecht entstandenen stillen Reserven. Auf das Besteuerungsrecht der in der Zeit vom Zuzug bis zur Veräußerung entstandene stillen Reserven wird der Zuzugsstaat aber nicht verzichten; es gibt auch keine internationalen Rechtsgrundsätze, die ihn zu einem solchen Verzicht zwingen könnte81. Daher hat die Bundesrepublik mit dem Treaty Override und das zu Unrecht in Anspruch genommene Besteuerungsrecht für die zwischen Wegzug und Veräußerung enstandenen stillen Reserven eine Doppelbesteuerung verursacht, die das einschlägige DBA im Interesse des Steuerpflichtigen beseitigt hatte. Im Wege der teleologischen Reduktion ist die Vorschrift daher so auszulegen, dass das Treaty Override nur die bis zum Wegzug entstandenen stillen Reserven erfasst. Soweit der Gesetzestext eine solche teleologische Reduktion nicht zulässt, führt der Grundrechtseingriff zur Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes durch das BVerfG. Im Ergebnis hängt die Zulässigkeit des Treaty Overrides daher davon ab, ob ein Eingriff in ein Freiheits- oder Gleichheitsgrundrecht vorliegt, oder ob wegen mangelnder Intensität lediglich eine Inhaltsbestimmung des jeweiligen Freiheitsgrundrechts erfolgt. Im ersten Fall ist das Gesetz, das das DBA verdrängt, vom BVerfG regelmäßig für nichtig zu erklären, weil wegen des völkerrechtswidrigen Vertragsbruches ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff vorliegt. Im zweiten Fall ist das Treaty Override individualrechtlich ohne Sanktionen, weil keine subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen verletzt sind.
VI. Ausblick Die rechtliche Behandlung des Treaty Overrides wirft das Problem auf, dass zwischen zwei Ebenen, der völkerrechtlichen und der individualrechtlichen, unterschieden werden muss. Ein individualrechtlicher Rechtsschutz kann sich nur bei einem Eingriff in subjektive Rechte, und damit insbesondere in Grundrechte, ergeben. Treaty Override enthält in vielen Fällen einen solchen Eingriff nicht, so dass ein individualrechtlicher Rechtsschutz nicht eröffnet ist. Enthält
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80 Zu der Möglichkeit, dass ein Ertragsteuergesetz in Art. 14 GG eingreift, vgl. BVerfG v. 18.1.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97. 81 Diese Fälle des Treaty Overrides sind daher grundsätzlich bedenklich.
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das Treaty Override jedoch einen Eingriff in Grundrechte, insbesondere wenn eine Doppelbesteuerung verursacht wird, lässt sich dieser Eingriff in aller Regel nicht rechtfertigen, so dass das die DBA verdrängende Gesetz vom BVerfG für nichtig zu erklären ist. Auf der völkerrechtlichen Ebene stellt das Treaty Override einen Vertragsbruch dar und ist völkerrechtswidrig. Diesen Vertragsbruch kann nur der Vertragspartner rügen. Auch dessen Möglichkeiten sind aber beschränkt, da die völkerrechtlichen Sanktionen, wie Suspendierung des Vertrages oder Retorsion, kaum geeignete Antworten auf den Vertragsbruch sind. Ein völkerrechtliches gerichtliches Verfahren, in dem der Vertragsbruch gerügt werden könnte, ist nicht vorgesehen. Damit eröffnet sich dem Gesetzgeber in der Praxis ein Spielraum für Treaty Override. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Treaty Override, auch wenn Sanktionsmöglichkeiten fehlen, einen Rechtsbruch darstellt. Einem Rechtsstaat, der von Bürgern und Vertragspartnern rechtmäßiges und vertragstreues Verhalten erwartet und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch erzwingt, steht es schlecht an, selbst bewussten Vertragsbruch zu begehen und damit gegen den Verfassungsauftrag der Völkerrechtsfreundlichkeit zu verstoßen82.
__________ 82 Hierzu überzeugend Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 847. Nach Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008, S. 37 sollte Treaty Override nur ultima ratio sein.
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Funktionsverlagerung – Verhältnis zu DBAs Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Bisherige Rechtslage 1. Funktionsverlagerung als Übertragung eines Teilbetriebs 2. Funktionsverlagerung als Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern III. Die gesetzlichen Neuregelungen 1. Überblick 2. Der Begriff der Funktion 3. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Funktionsverlagerung 4. Funktionsverdoppelungen 5. Transferpaket und Gewinnpotential IV. Unterschiede zur bisherigen Rechtslage 1. Grundfall Funktionsverlagerung 2. Grundfall Funktionsverdoppelung
V. Einschränkung der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung durch Art. 9 DBA OECD-MA 1. Rechtsnatur von Art. 9 OECD-MA 2. Verstoß der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung gegen den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA a) Vereinbarkeit des Transferpaketansatzes mit den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen 1995 b) Vereinbarkeit der deutschen Transferpaketbesteuerung mit dem Entwurf der Business Restructuring Rules der OECD 3. Treaty Overriding durch § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG VI. Zusammenfassende Beurteilung zur internationalen Kompatibilität der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung
I. Einleitung Der Gesetzgeber hat im Unternehmenssteuerreformgesetz 20081 in § 1 Abs. 3 AStG erstmals die Besteuerung der Verlagerung betrieblicher Funktionen ins Ausland einer expliziten gesetzlichen Regelung unterworfen. Die neue Vorschrift ist der vorläufige Schlusspunkt einer jahrelangen Diskussion in der Verwaltung über den Erlass eines diesbezüglichen BMF-Schreibens auf Basis der alten Rechtslage. Die jetzige gesetzliche Regelung geht dabei inhaltlich deutlich über die bisherige Besteuerung von Funktionsverlagerungen hinaus und bedeutet mit geschätzten Mehreinnahmen von 1,7 Mrd. Euro jährlich2 eine erhebliche Verschärfung der Besteuerung. Die neue Rechtslage gilt seit 1.1.2008 einschließlich ihrer Ausprägung, die sie in der Funktionsverlagerungsverordnung, beschlossen vom Bundesrat am 4.7.20083, gefunden hat.
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1 Unternehmenssteuerreformgesetz vom 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs beträgt die volle Jahresleistung 1,7 Mrd. Euro, Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, S. 57. 3 BGBl. I 2008, 1680 ff.
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Die Regelungen zur Besteuerung von betrieblichen Funktionsverlagerungen waren von Anfang an umstritten. Neben einer Vielzahl von neuen unbestimmten Rechtsbegriffen und der dadurch kreierten Unsicherheit bei der Rechtsanwendung wird vor allem die internationale Kompatibilität der Regelungen, ihre Vereinbarkeit mit den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen 1995, ausländischem Steuerrecht und mit Doppelbesteuerungsabkommen problematisiert. Während die deutsche Fachöffentlichkeit4 den sog. Transferpaketansatz für international unüblich und im Widerspruch zu den bisherigen OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen1995 sieht, geht der Gesetzgeber von der internationalen Kompatibilität der Vorschriften aus. Ob dem tatsächlich so ist, soll nachfolgend untersucht werden. Eine zentrale Frage wird dabei sein, ob Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen 20085 einer Anwendung von § 1 Abs. 3 AStG möglicherweise entgegensteht.
II. Bisherige Rechtslage § 1 AStG alte Fassung enthielt bisher keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Besteuerung von betrieblichen Funktionsverlagerungen. Gleichwohl war es allgemeine Meinung, dass die mit der Übertragung von betrieblichen Funktionen einhergehende Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland zu steuerlichen Konsequenzen im Inland führt6. Betriebliche Funktionsverlagerungen konnten über die Vorschrift des § 1 AStG alte Fassung, die Grundsätze über Einlagen, Entnahmen, verdeckte Gewinnausschüttungen, verdeckte Einlage und neuerdings auch über die im SEStG enthaltenen Entstrickungsregeln Besteuerungsfolgen nach sich ziehen. Unbeschadet der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe – Fremdvergleichsgrundsatz, gemeiner Wert, Teilwert – die hier nicht Gegenstand der Erörterung sein sollen, waren damit schon seit jeher alle Lieferungen und Leistungen im Rahmen einer betrieblichen Funktionsverlagerung wie zwischen Fremden Dritten zu verpreisen7. Inhaltlich galt bisher der Grundsatz zur Einzelbewertung8. Die Reichweite der Besteuerungsfolgen war allerdings umstritten und nicht in jedem Detail deutlich herausgearbeitet. Grundsätzlich waren zwei Kategorien von Funktionsverlagerungen zu unterscheiden, solche, die die Übertragung eines Teilbetriebs bedeuteten und Funk-
__________ 4 Blumers, BB 2007, 1353 ff.; Hey, BB 2007, 1303 ff.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB F. 3 Gr. 1, S. 2220 ff.; Wassermeyer, JbFSt 2007/2008, 447; Wassermeyer, FR 2008, 67 ff.; Welling/Tiemann, FR 2008, 68 ff.; Willmanns, SR 2007, 201 ff. 5 Angenommen am 17.7.2008 vom OECD-Rat, im Folgenden OECD-MA. 6 Statt vieler: Frotscher, FR 2008, 49 (49) m. w. N. 7 Dietz, DStR 2006, 1627; Wassermeyer, DB 2007, 538; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, F. 3 Gr.1, S. 2211; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Siegfried (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, S. 345 ff.; Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 2004, S. 762 ff.; Kaminski in Strunk/Kaminski/ Köhler, AStG, § 1, Rz. 499 ff. 8 Vgl. Tz. 1.42 OECD Verrechnungspreisgrundsätze 1995, angenommen vom Fiskalausschuss am 27.6.1995 und vom OECD-Rat am 13.7.1995, im Folgenden OECD-RL; Tz. 2.1.4 Verwaltungsgrundsätze 1983 (BMF v. 17.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218).
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tionsverlagerungen, bei denen lediglich Einzelwirtschaftsgüter übertragen oder überlassen wurden. Insbesondere bei letzteren stellte sich die Frage, ob neben den Einzelwirtschaftsgütern noch eine Geschäftschance zu verpreisen war. 1. Funktionsverlagerung als Übertragung eines Teilbetriebs Nach der in den Einkommensteuerrichtlinien enthaltenen Definition der Finanzverwaltung ist ein Teilbetrieb ein mit gewisser Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebes im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich lebensfähig ist. Indizien für einen Teilbetrieb sind das Vorhandensein eines eigenen Kundenkreises, selbständiges Auftreten am Markt sowie eigene Einkaufsbeziehungen, eigenes Anlagevermögen etc. Einzelheiten des relativ restriktiv ausgelegten deutschen Teilbetriebsbegriffs sollen nicht erörtert werden, hierzu wird auf die umfangreiche Literatur verwiesen9. Wichtig ist lediglich noch der Hinweis, dass von einer Teilbetriebsübertragung nur dann auszugehen ist, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mit übertragen wurden. Stellt sich nun die Verlagerung einer betrieblichen Funktion als Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs dar, so waren auch nach der bisherigen Rechtslage nicht nur die in den einzelnen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven, sondern auch ein darüber hinausgehender Goodwill vom übernehmenden Unternehmen zu entgelten10 und lässt sich ebenfalls aus dem Fremdvergleichsgrundsatz ableiten. Der Erwerb eines Teilbetriebes oder Betriebes ist letztlich ein Unternehmenskauf. Zwischen fremden Dritten bildet sich dabei ein Kaufpreis üblicherweise auf Grundlage einer am Ertragswert orientierten Bewertung, bei der der Wert der Einzelwirtschaftsgüter regelmäßig in den Hintergrund tritt. Der Erwerber übernimmt einen für sich lebensfähigen Betrieb, der auch künftig Einnahmen generiert und ist daher bereit, den Wert auf Grundlage des künftigen Cash Flows zu bestimmen. Weil er alle den Geschäftswert bildende Faktoren z. B. den Kundenstamm, die Firma, die betriebliche Organisation, alle Mitarbeiter, die öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, die Beziehungen zu Lieferanten etc. ohne Veränderung übernimmt, kann der Erwerber eines going concerns oder Teilbetriebs berechtigter Weise davon ausgehen, auch künftig entsprechende Einnahmen erzielen zu können. Abgesehen von dem allgemeinen unternehmerischen Risiko, was regelmäßig in der Abzinsung der künftigen Einnahmen bei der Kaufpreisberechnung berücksichtigt wird, geht der Erwerber keine besonderen Risiken ein. Im Ergebnis wird deshalb am Markt für einen Teilbetrieb oder going concern ein über den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter hinaus gegebenenfalls vorhandener Mehrwert – Geschäftswert oder Goodwill – bezahlt.
__________ 9 Schmidt/Wacker EStG, § 96 Rz. 140 ff., Blümich/Stuhrmann, § 16 EStG Rz. 124 ff. jeweils m. w. N. 10 Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, S. 368 mit umfangreichen Nachweisen.
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Diese Beurteilung entspricht der Einschätzung der Rechtsprechung11, die ebenfalls von einer Verknüpfung des Geschäftswerts mit dem Betrieb in seiner Gesamtheit ausgeht. In Folge dessen könne der Firmenwert nur zusammen mit einem lebenden Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil auf einen Erwerber übergehen oder nutzungsweise überlassen werden. Entscheidend soll sein, dass alle den Geschäftswert bildenden Faktoren übergehen. 2. Funktionsverlagerung als Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern Wird kein Teilbetrieb übertragen, so war nach bisheriger Rechtslage unbestritten, dass nach dem Fremdvergleichsgrundsatz alle übertragenen Einzelwirtschaftsgüter zum Marktwert an das übernehmende Unternehmen zu berechnen sind. Dies galt auch für immaterielle Wirtschaftgüter einschließlich dem Geschäftswert ähnlicher Wirtschaftsgüter wie Kundenstamm, soweit sie losgelöst vom Teilbetrieb separat übertragen werden können. Fraglich und im Detail nicht abschließend geklärt war, ob darüber hinaus ein Vergütungsanspruch wegen der Übertragung einer Geschäftschance bestand. Der BFH hat die sog. Geschäftschancenlehre im Wesentlichen bei der Abgrenzung der Sphäre der Kapitalgesellschaft von ihrem Gesellschafter entwickelt12. Die dort herausgearbeiteten Grundsätze beanspruchen aber auch im Anwendungsbereich des § 1 AStG Geltung, da sie letztlich auf dem Fremdvergleichsgrundsatz beruhen. Kein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer würde einem fremden Dritten eine Geschäftschance unentgeltlich überlassen. So eindeutig und unbestritten diese Aussage ist, so unklar waren Voraussetzungen und Reichweite der Entgeltpflicht im Einzelnen. Eindeutig schien, dass relativ konkrete Chancen, z. B. die Möglichkeit einen bereits ausverhandelten, vorteilhaften Geschäftsabschluss tätigen zu können, sicherlich nicht ohne Entgelt an einen Dritten überlassen werden konnten. Derart konkrete Geschäftschancen können bei Übertragung schon Wirtschaftsgutqualität erlangen und sind ganz klar entgeltpflichtig. Schwieriger war die Beurteilung bei der Übertragung nicht konkretisierter allgemeiner Geschäftschancen, die letztlich aus der Möglichkeit zur Erzielung von Gewinnen aus der Ausübung einer unternehmerischen Funktion bestehen. Baumhoff/Bodenmüller13 bezeichnen diese allgemeine Geschäftschance treffend als unternehmerische Geschäftschance und lehnen eine Verpreisungspflicht im Ergebnis ab. Dies ist zutreffend14. Kein fremder Dritter würde für
__________ 11 Vgl. BFH v. 27.3.1996 – I R 60/95, BStBl. II 1996, 576; v. 14.12.1993 – VIII R 13/93, BStBl. II 1994, 922; v. 6.3.1991 – X R 57/88, BFHE 164, 246 = BStBl. II 1991, 829 (830) m. w. N.; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BFHE 137, 59 = BStBl. II 1983, 113 (114); v. 14.2.1978 – VIII R 158/73, BFHE 124, 447 = BStBl. II 1979, 99; v. 26.2.1975 – I R 72/73, BFHE 115, 243 = BStBl. II 1976, 13. 12 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 155/94, DB 1995, 2451; v. 12.10.1995 – I R 127/94, DB 1996, 507; v. 11.6.1996 – I R 97/95, DB 1996, 2366. 13 Baumhoff/Bodenmueller, a. a. O., Fn. 6, S. 379 ff. 14 Im Ergebnis ebenso Sieber in Debatin/Wassermeyer, MA Art. 9 Rz. 3 mit einer Darstellung des Meinungsstandes und weiteren Nachweisen.
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die Möglichkeit, mit einer bestimmten betrieblichen Funktion am Marktgeschehen teilnehmen zu können etwas bezahlen, wenn er nicht einen für sich lebensfähigen Betrieb übernimmt. Denn diese Möglichkeit hat jeder, der über eine solche Funktion verfügt, z. B. die Wettbewerber. Chance und Risiko sind hier ausgeglichen und gebühren dem, der die Funktion ausübt. Eine steuerliche Verrechnungspflicht kann daher nicht bestehen15.
III. Die gesetzlichen Neuregelungen 1. Überblick Mit der Neufassung von § 1 Abs. 3 AStG wird erstmals die Durchführung des Fremdvergleichs im Detail geregelt. Das Gesetz normiert den Vorrang der klassischen Verrechnungspreismethoden, differenziert zwischen uneingeschränktem und eingeschränktem Fremdvergleich, erläutert den Umgang mit Bandbreiten einschließlich deren Verengung und beschreibt in § 1 Abs. 3 S. 5 bis 8 AStG den hypothetischen Fremdvergleich. Der Grundtatbestand der Funktionsverlagerung findet sich in § 1 Abs. 3 S. 9 AStG. Danach ist im Falle der Verlagerung einer betrieblichen Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter die Funktion als Ganzes zu bewerten. Das Gesetz erfordert somit im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage keine Bewertung der übertragenen Einzelwirtschaftsgüter, sondern eine einheitliche Bewertung des sog. Transferpakets. Diese Gesamtbewertung ist allerdings nur dann vorzunehmen, wenn gem. § 1 Abs. 3 S. 5 AStG keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichspreise festgestellt werden können. Die Vergleichswerte müssen wohl für einen Sachverhalt vorliegen, der einer Funktionsverlagerung gleichkommt. Auch bei der Funktionsverlagerung geht somit der tatsächliche Fremdvergleich dem hypothetischen Fremdvergleich vor. Insgesamt ist die gesetzliche Definition wenig griffig und dürfte zu erheblichen Unsicherheiten in der Rechtsanwendung führen. Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung ist die Bewertung des Transferpaketes als Ganzes. Grundlage ist die Bestimmung des abgezinsten Gewinnpotentials des abgebenden und des übernehmenden Unternehmens. Beide Werte bestimmen den Einigungsbereich, im Zweifel ist der Mittelwert des Einigungsbereichs der Verpreisung für die Verlagerung zugrunde zu legen. Nach der sog. Escape-Klausel des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG ist die Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter anzuerkennen, wenn keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile mit der Funktion übergegangen sind oder wenn das Gesamtergebnis der Einzelbewertungen der Bewertung für das Transferpaket als Ganzes entspricht. § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG fordern eine nachträgliche Anpassung des bei Durchführung der Transaktion festgelegten Verrechnungspreises, wenn die
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15 Vergleiche hierzu: Baumhoff/Bodenmueller, a. a. O., Fn. 6, S. 375 ff.; Jahndorf, Besteuerung der Funktionsverlagerung, FR 2008, 101 (102 ff.).
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tatsächliche spätere Gewinnermittlung erheblich von den ursprünglichen Annahmen abweicht. § 1 Abs. 3 S. 13 AStG enthält die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, deren Ziel es ist, die einheitliche Rechtsanwendung und die Übereinstimmung mit den internationalen Grundsätzen zur Einkünfteabgrenzung sicherzustellen. 2. Der Begriff der Funktion Im Gesetz wird der Begriff der Funktion nicht definiert und deshalb in der Literatur breit diskutiert16. Auch die Definition in der nunmehr geltenden Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) ist wenig präzise17. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 FVerlV ist eine Funktion eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. Diese Definition offenbart, dass wir es bei dem Begriff der Funktion mit einem völlig neuen Tatbestandsmerkmal zu tun haben, für dessen Auslegung sich im bisherigen Steuerrecht und in der Steuerrechtsprechung keinerlei Anhaltspunkte finden. Der Verordnungsgeber stellt lediglich klar, dass eine Funktion in dem vorliegenden Sinne auch unterhalb der Teilbetriebsschwelle liegen kann. Erstes Definitionsmerkmal der Funktion ist die Geschäftstätigkeit. Auch dieses Merkmal ist unklar. Der Begriff suggeriert, dass es wohl auf eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ankommt. Das Tatbestandsmerkmal würde sich dann auf Aktivitäten wie Vertrieb, Produktion, Dienstleistungserbringung beschränken, während unterstützende Funktionen wie Einkauf, Finanzen, Strategisches Marketing aber auch Forschung und Entwicklung im Regelfall nicht erfasst wären. Etwas anderes würde gelten, wenn der Einkauf als Profitcenter geführt würde. In jedem Fall sollten Verwaltungsaufgaben in einem Unternehmen außerhalb der Reichweite des Tatbestandsmerkmals Funktion liegen. Die Geschäftstätigkeit muss darüber hinaus aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben bestehen. Um eine – verlagerungsfähige – Funktion zu bilden, müssen diese gleichartigen Aufgaben von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Die Funktion knüpft damit an die tatsächlich im Unternehmen vorgefundene Organisation
__________ 16 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB F. 3 Gr. 1 S. 2207 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 558 ff.; Pohl, JbFSt 2007/2008, 433 ff.; Jahndorf, FR 2008, 101 ff.; Frotscher, FR 2008, 50; Looks/Scholz, BB 2007, 2541; Richter/Welling, FR 2008, 72; Borstell/ Brüninghaus, WPg Sonderheft 2006, 131 ff.; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, 306; Wulf, DB 2007, 2280; Zielke, DB 2007, 2781; Kaminski, RIW 2007, 594. 17 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 AStG in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) vom 12.8.2008.
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an18. Trotz dieser Erläuterungen in der Funktionsverlagerungsverordnung sind Inhalt und Umfang des Funktionsbegriffs noch sehr unscharf und dürften sich wohl erst durch die Judikatur der kommenden Jahre herausbilden. 3. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Funktionsverlagerung Das Gesetz definiert in § 1 Abs. 3 S. 9 AStG die Funktionsverlagerung als die Verlagerung einer Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter. Die gesetzliche Definition hat tautologische Züge und normiert aber dennoch zwei Tatbestandsmerkmale, die zu verwirklichen sind, um die Rechtsfolge, die Bewertung der Funktion als Ganzes, auszulösen. Zum einen muss eine betriebliche Funktion verlagert werden. Zum anderen müssen zusätzlich Chancen und Risiken verlagert werden sowie Wirtschaftsgüter übertragen bzw. überlassen werden. Daraus lässt sich schließen, dass Verlagerungen von Funktionen ohne Änderung des Risikoprofils oder ohne Übertragung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern ebenso wenig tatbestandsmäßig sind wie die schlichte Änderung des Risikoprofils bei ansonsten gleichbleibenden betrieblichen Funktionen. § 1 Abs. 2 FVerlV weicht das Tatbestandsmerkmal der Verlagerung etwas auf und lässt Funktionseinschränkungen genügen. Eine – die Transferpaketbewertung auslösende – Verlagerung liegt danach vor, wenn Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile und die damit verbundenen Chancen und Risiken übertragen werden und dadurch das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden ausgeübt worden ist und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Dieser Definitionsansatz geht bei Weitem über die gesetzliche Definition hinaus. Während danach eine Verlagerung der Funktion, d. h. dem Wortsinn nach die Beendigung der Funktion im Inland und die Neuaufnahme der selben Funktion im Ausland, erforderlich ist, um den Tatbestand zu erfüllen, reicht nach § 1 Abs. 2 FVerlV jede noch so geringe Einschränkung der Funktionsausübung im Inland. Im Grunde wird damit die Teilfunktionsverlagerung durch die Hintertür wieder erfasst, obwohl sie aus früheren Verordnungsentwürfen mangels einer gesetzlichen Grundlage herausgestrichen wurde. Die FVerlV geht damit klar über den Wortsinn des Gesetzes hinaus und ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Darüber hinaus entspricht die Konsequenz der Transferpaketbesteuerung bei bloßen Funktionseinschränkungen keinesfalls dem Fremdvergleich. Ein fremder Dritter, der eine Lizenz, Teile des Kundenstamms und Dienstleistungen von einem inländischen Produzenten übernimmt, wird doch nicht deshalb ein höheres Entgelt für die übertragenen und überlassenen Wirtschaftsgüter akzeptieren, nur weil beim Verkäufer der Wirtschaftsgüter im Inland die Auslastung der Produktion zeitweise oder dauerhaft zurückgeht19.
__________ 18 So insbesondere Wolter/Pitzal, Der Begriff der „Funktion“ in den neuen Regelungen zur Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2008, 793 ff. 19 Von der Darstellung weiterer Einzelheiten der Funktionsverlagerungsverordnung wird hier abgesehen. Vergleiche hierzu Haas, Ubg 2008, 517 ff.
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Nach § 1 Abs. 2 S. 3 FVerlV werden auch sukzessive Funktionsverlagerungen erfasst, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Maßgebend ist die Tatbestandsverwirklichung innerhalb eines Fünfjahreszeitraums. 4. Funktionsverdoppelungen § 1 Abs. 6 FVerlV beschäftigt sich mit der Funktionsverdoppelung, die im Gesetz nicht enthalten ist. Die Funktionsverdoppelung gehört zu den am stärksten kritisierten Elementen der Funktionsverlagerungsbesteuerung. Eine Funktionsverdoppelung liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger eine inländische Funktion künftig auch in einem ausländischen verbundenen Unternehmen wahrnimmt, ohne die Funktion im Inland einzustellen und dem ausländischen Unternehmen Chancen und Risiken sowie Wirtschaftsgüter überträgt oder überlässt. Begrifflich lässt sich dieser Vorgang nicht unter das Tatbestandsmerkmal der Verlagerung subsumieren. Eine Verlagerung setzt begriffsnotwendig die Einstellung der Funktion im Inland voraus. Ein Vorgang, bei dem die Funktion im Inland bestehen bleibt, kann keine Verlagerung sein. Da das Gesetz lediglich an der Verlagerung anknüpft, ist eine Ausdehnung der Besteuerungsfolgen des § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG auf Funktionsverdoppelungen in der FVerlV nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Dem scheint § 1 Abs. 6 S. 1 FVerlV Rechnung zu tragen, denn dort wird die Verdoppelung grundsätzlich von der Verlagerung abgegrenzt. Kommt es jedoch bei einer Verdoppelung innerhalb eines Fünfjahreszeitraums zu einer Einschränkung der Funktion im Inland, soll nach § 1 Abs. 6 S. 2 FVerlV eine einheitliche Funktionsverlagerung vorliegen. Im Ergebnis bedeutet dies nach dem Wortlaut der Verordnung, dass jede Funktionsverdoppelung, die zu einer noch so geringen Einschränkung der Funktion im Inland führt, die vollen Besteuerungsfolgen einer uneingeschränkten Funktionsverlagerung auslöst. Die Transferpaketbesteuerung wird nicht ausgelöst, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass die Einschränkung der Funktion im Inland nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht. Dieser Nachweis dürfte in der Praxis kaum gelingen, da die Aufnahme zum Beispiel einer Produktion im Ausland häufig zumindest eine Ursache für den Rückgang der Produktion im Inland setzt. 5. Transferpaket und Gewinnpotential Liegt der Tatbestand einer Funktionsverlagerung vor, greift die Rechtsfolge der Transferpaketbewertung nicht zwingend. Vielmehr gilt wie bei jedem Verrechnungspreis der Vorrang des uneingeschränkten oder eingeschränkten Fremdvergleichs. Ergibt der Fremdvergleich für den Tatbestand einer Funktionsverlagerung eine Einzelverpreisung, dann muss diese maßgebend sein. Nur wenn keine eingeschränkten Fremdvergleichswerte vorliegen, kommt der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung20.
__________ 20 Vgl. § 2 Abs. 1 FVerlV.
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Da für betriebliche Funktionsverlagerungen im Regelfall echte Fremdvergleiche fehlen, dürfte die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs den Regelfall darstellen. Im Rahmen dessen ist Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung die Bewertung des Transferpaketes als Ganzes. Grundlage dabei ist die Bestimmung des abgezinsten Gewinnpotentials des abgebenden und des übernehmenden Unternehmens. Beide Werte bestimmen den Einigungsbereich, im Zweifel ist der Mittelwert des Einigungsbereichs für die Verpreisung der Funktionsverlagerung zugrunde zu legen. Nach der sog. EscapeKlausel des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG darf der Steuerpflichtige allerdings in zwei Fällen von dem Transferpaketbewertungsansatz abweichen und seinen Verrechnungspreis auf Grundlage von Einzelverpreisungen der übertragenen Wirtschaftsgüter und der erbrachten Leistung festsetzen. Danach sind Einzelverpreisungen akzeptiert, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen oder überlassen werden. Diese erste Möglichkeit spielt in der betrieblichen Praxis wohl eher bei ohnehin kritischen Fällen eine Rolle, z. B. wenn lediglich Hilfsfunktionen – etwa die Buchhaltung – übertragen werden und das Gewinnpotential im Inland nicht oder nur wenig betroffen ist. In diesen Fällen werden regelmäßig keine maßgeblichen immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen, so dass ohnehin kaum Streitpotential besteht. Wesentlich relevanter ist, zumindest dem Wortlaut des Gesetzes nach, die zweite Alternative. Danach ist die Einzelverpreisung auch dann zu akzeptieren, wenn das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmung, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Dem Wortlaut nach scheint diese gesetzliche Bestimmung die Anwendung der Transferpaketbewertung unter den Vorbehalt der Fremdüblichkeit zu stellen. Recherchiert man allerdings in den Gesetzesmaterialien und nimmt die jüngst erlassene FVerlV für die Auslegung zu Hilfe, so wird schnell deutlich, dass dieser Vorbehalt ein sehr eingeschränkter ist. Schon in der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 S. 10 AStG wird deutlich gemacht, dass die Summe der Einzelverrechnungspreise in jedem Fall im festgestellten Einigungsbereich liegen muss21. Der Gesetzgeber hat wohl seine in der Begründung geäußerte Auffassung in der etwas kryptischen Formulierung „gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes“ zum Ausdruck gebracht. In § 2 Abs. 3 FVerlV wird dies dann nochmal ausdrücklich bestätigt. Der Gesetzgeber stellt dadurch sicher, dass ein im Inland bestehender Goodwill in jedem Fall der Besteuerung unterworfen wird. Er ordnet dies an, auch wenn der Fremdvergleich aus Sicht des übernehmenden Unternehmens ein Entgelt für den im Inland abgebenden Goodwill nicht zulässt. Im Ergebnis ist die durch die FVerlV konkretisierte Escape-Klausel damit für die Praxis weitgehend nutzlos und stellt für die Steuerpflichtigen lediglich eine Möglichkeit dar, von dem ansonsten geltenden Mittelwertansatz abzuweichen.
__________ 21 S. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung bei Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 300.
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Der Gesetzgeber nimmt offenbar einen möglichen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz in Kauf bzw. unterstellt, dass die Entgeltpflicht für einen im Inland eventuell abgehenden Goodwill in jedem Fall dem Fremdvergleich entspricht. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird die weitere Untersuchung zeigen. Darüber hinaus gelingt der Escape nur, wenn der Steuerpflichtige die Fremdüblichkeit der Einzelverpreisung glaubhaft macht. Dies bedeutet eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen, deren internationale Kompatibilität vor dem Hintergrund der OECD-RL schon fraglich ist22. Überdies ist völlig unklar, wie eine Glaubhaftmachung im vorliegenden Zusammenhang durchgeführt werden kann. Die Glaubhaftmachung bedeutet im allgemeinen Rechtsverkehr ein herabgesetztes Beweismaß zur Erhärtung einer Tatsachenbehauptung. Im vorliegenden Zusammenhang müsste der Steuerpflichtige Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die Fremdüblichkeit der Einzelverpreisung ergibt. Ein solcher Tatsachenvortrag dürfte aber bereits scheitern. Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs geht es nicht um echte Fremdvergleichsdaten, d. h. Tatsachen, sondern um das, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mutmaßlich in der konkreten Lage akzeptieren würde. Derartige Erwägungen sind per definitionem hypothetischer Natur und nichts Weiteres als angewandte kaufmännische Vernunft. Mit einem Beweis oder einer Glaubhaftmachung zugänglichen Tatsachenbehauptung haben diese Erwägungen nichts zu tun. Da es aber objektiv unmöglich ist, Tatsachen im eigentlichen Sinne vorzutragen, kann Glaubhaftmachung i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 10, Alt. 2 AStG nur so verstanden werden, dass der Steuerpflichtige im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs plausible Erwägungen zur Begründung der Abweichung von der Transferpaketbewertung anstellen muss. Im Ergebnis geht damit das Gesetz im Regelfall von der Pflicht zur Vornahme der Transferpaketbewertung aus und stellt damit sicher, dass zumindest die Summe der Einzelwerte zzgl. eines bei der Fortführung der verlagerten Funktion im Inland zu realisierenden Goodwills der Verrechnungspreisbildung zugrunde zu legen ist. Für die Bewertung des Transferpaketes ist das maßgebliche Gewinnpotential der Barwert der jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern, auf die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 2 AStG aus Sicht des verlagernden Unternehmens nicht unentgeltlich verzichten würde und für die ein solcher Geschäftsleiter aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens bereit wäre, ein Entgelt zu zahlen23. Dieser Abs. 4 enthält zwei wichtige Kernaussagen. Erstens wird das Gewinnpotential als Barwert nach Steuern definiert. Dies führt über den Ansatz des Mittelwerts des Einigungsbereichs praktisch dazu, dass die Hälfte eines etwaigen ausländischen Steuervorteils in Deutschland der Besteuerung unterworfen wird. Es ist schlechter-
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22 OECD-RL, Tz. 4.15 ff., dazu Werra, IStR 2009, Heft 3 Verrechnungspreise bei der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen, 4 b cc (Seitenzahl stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest). 23 Vgl. § 1 Abs. 4 FVerlV.
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dings nicht vorstellbar, dass ein ausländischer Staat einen Verrechnungspreis akzeptiert, mit dem z. B. steuerliche Investitionsanreize im Ausland zur Hälfte in Deutschland besteuert werden. Zweitens sind diese Gewinnpotentiale nur dann maßgeblich, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter aus Sicht des übernehmenden Unternehmens auch bereit wäre, dafür ein Entgelt zu zahlen. Darin liegt praktisch das Einfallstor des arm’s-length-Prinzips. Hier gilt es nämlich im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleiches zu überlegen, ob ein fremder Dritter tatsächlich bereit wäre, neben der Verpreisung der übertragenen materiellen und immateriellen Einzelwirtschaftsgüter einen Ausgleich für den vom abgebenden Unternehmen künftig nicht mehr realisierten Goodwill und darüber hinaus sogar noch einen Teil des eigenen zusätzlichen Goodwills zu vergüten24. Abhängig von der konkreten Sachverhaltskonstellation wird man hier in vielen Fällen dazu kommen, dass es bei der Einzelverpreisung verbleibt.
IV. Unterschiede zur bisherigen Rechtslage Vergleicht man die neuen Vorschriften über die Verrechnungspreisbildung bei betrieblichen Funktionsverlagerungen mit der bisherigen Rechtslage, so besteht der wesentliche Unterschied in der Anordnung der Gesamtbewertung für alle betrieblichen Funktionsverlagerungen. Die Verpreisung hat auf Basis einer Unternehmensbewertung zu erfolgen, die neben dem Wert der übertragenen materiellen und immateriellen Einzelwirtschaftsgüter auch den Goodwill erfasst. Nach bisherigem Recht war die Erfassung des Goodwills eher die Ausnahme und hatte auch unter Berücksichtigung der Geschäftschancenlehre nur dann zu erfolgen, wenn ein Betrieb oder Teilbetrieb und damit alle den Geschäftswert bildenden Faktoren übertragen wurden. Die Auswirkungen der neuen Vorschriften und die Unterschiede zur bisherigen Rechtslage lassen sich am besten an nachfolgenden Grundfällen einer Funktionsverlagerung und eine Funktionsverdoppelung verdeutlichen: 1. Grundfall Funktionsverlagerung Die X-AG unterhält einen Produktionsstandort in Deutschland. Waren werden hauptsächlich zu Kunden nach Asien direkt exportiert. Die X-AG entschließt sich daher, eine neue Produktionsanlage in ihrer chinesischen Tochtergesellschaft zu bauen und ihren Produktionsstandort in Deutschland zu schließen. Sie berechnet ihrer Tochtergesellschaft für Ingenieurleistungen, Patente und Know-how-Überlassung und die Übertragung des Kundenstammes fremdübliche Vergütungen. Der Kapitalwert (NPV) des möglichen Gewinns bei Fortsetzung der Produktion in Deutschland ist 100, der NPV aus der Investition in China beträgt 200, die Summe der Einzelverrechnungen 90.
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24 Einen weiteren Ansatz, die Transferpaketbewertung unter den Vorbehalt des Fremdvergleichs zu stellen, bietet § 1 Abs. 7 S. 2 FVerlV, wonach keine Funktionsverlagerung vorliegen soll, wenn fremde Dritte den Vorgang nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion ansehen würden.
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Besteuerungsfolgen: Nach bisher geltendem Recht – Lizenzgebühr – Entgelte für Ingenieurleistungen – Evtl. Übertragung des Kundenbestandes Nach Funktionsverlagerungsgrundsätzen – NPV Gewinnpotential X-AG – NPV Gewinnpotential Ausland – Verrechnungspreis (Mittelwert) Differenz
NPV 50 10 30 90 100 200 150 60
Da keine Teilbetriebsübertragung vorliegt, sind nach bisherigem Recht alle Lieferungen und Leistungen wie zwischen fremden Dritten einzeln zu verpreisen. Die umsatzabhängige Lizenzgebühr ist nach der sog. Knoppe-Formel ermittelt25 und führt zu signifikanten Lizenzeinnahmen im Inland. Nach neuem Recht ist der Vorgang eine tatbestandsmäßige Funktionsverlagerung, für die eine Transferpaketbewertung durchzuführen ist. Dadurch wird zusätzlich zum Wert der Einzelwirtschaftsgüter der Goodwill der Besteuerung unterworfen wird. Dies gilt nicht nur für das inländische Gewinnpotential, das bei der gedachten Fortführung der Produktion im Inland verbliebe (Gewinnpotential der X-AG i. H. v. 100), sondern darüber hinaus auch noch für die Hälfte des Betrages, um den das ausländische Gewinnpotential den Kapitalwert der gedachten Fortführung der Produktion im Inland übersteigt (Gewinnpotential Ausland 200 + Gewinnpotential Inland 100, geteilt durch 2). Dies ist Folge von § 1 Abs. 3 S. 7 AStG, wonach der angemessene Verrechnungspreis im Zweifel dem Mittelwert zwischen dem ausländischen und dem inländischen Gewinnpotential entspricht. Im Ergebnis wird damit ausländisches Steuersubstrat, das in keinem Fall im Inland entstehen könnte, einer inländischen Besteuerung unterworfen. Das Ergebnis der Anwendung von § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG entspricht ganz offensichtlich nicht dem Fremdvergleich. Die chinesische Tochtergesellschaft erhält neben mehreren immateriellen Wirtschaftsgütern technische Unterstützung. Von der Übertragung eines laufenden Geschäftsbetriebes kann keine Rede sein. Sie betreibt zwar die Anlage mit dem Know-how der X-AG, muss aber im Übrigen die Produktionsanlagen in einem völlig neuen Umfeld errichten und erfolgreich in Betrieb nehmen, hat die dafür notwendigen Genehmigungen einzuholen, muss u. U. mehrere Hundert Mitarbeiter neu einstellen und anlernen und muss abgesehen von den Kundenkontakten zu allen übrigen Stakeholdern ein neues Beziehungsgeflecht aufbauen. Sie übernimmt damit
__________ 25 Nach der Knoppe-Formel sollten die Lizenzgebühren eine Höhe von nicht mehr als 25 bis 33 % des vorkalkulierten Gewinns des Lizenznehmers nicht übersteigen; vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 2. Aufl. 1972, 102.
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keine wesentlichen den Goodwill bildenden Faktoren26 von der X-AG, auch wenn diese sie fraglos aufgibt. Aus Sicht der chinesischen Tochter bleibt es bei den Einzelwirtschaftsgütern, die natürlich marktgerecht zu verpreisen sind. Das offenbar hohe Ertragspotential ist Ausfluss eigener unternehmerischer Risikoübernahme und das Resultat von Standortvorteilen, die jeder realisieren kann, der in China investiert. Ein Entgelt hierfür verbietet sich daher im Markt. Aus Sicht der deutschen X-AG stellt sich allerdings die Frage, ob sie neben dem Wert der Einzelwirtschaftsgüter noch Anspruch auf ein Entgelt in Höhe des im Inland wegfallenden Geschäftswerts, im obigen Beispiel also zusätzliche 10 beanspruchen kann. Diesen Wert könnte sie ja nach eigener Einschätzung bei Fortsetzung der Produktion im Inland erzielen. Die Antwort hängt davon ab, was letztlich Gegenstand des Fremdvergleichs ist. Nach bisheriger Lesart auch der OECD unterliegt die Verpreisung einer tatsächlich durchgeführten Transaktion Angemessenheitsprüfung27. Der Besteuerung unterliegt der verwirklichte Sachverhalt und nicht einer, den die verbundenen Unternehmen alternativ hätten gestalten können. Konzerne sind grundsätzlich frei ihre internen Angelegenheiten so zu regeln, wie sie es unternehmerisch für richtig halten. Nur in Ausnahmefällen bei missbräuchlichen Gestaltungen kann die Besteuerung davon abweichen28. Im vorliegenden Fall liegt ein solcher Missbrauch ganz offensichtlich nicht vor. Die X-AG hat sich aus strategischen Gründen dafür entschieden, die Produktion im Inland zu schließen und nach China zu verlagern. Auch wenn zurzeit noch ein Goodwill erzielt wird, wäre die Beibehaltung der Produktion im Inland aufgrund der Tatsache, dass die Kundenbasis im Heimatmarkt weggefallen ist, mit einem höherem strategischen Risiko behaftet. Es macht deshalb auch aus Sicht der X-AG Sinn, sich aus diesem Geschäftsfeld in einem Zeitpunkt zurückzuziehen, in dem die Technologie noch wirtschaftlich werthaltig und separat vermarktungsfähig ist, auch wenn der mutmaßliche Gewinn daraus geringer ist. Die Begründung liegt in dem geringeren unternehmerischen Risiko eines Lizenzgebers im Vergleich zu einem voll operativen Marktteilnehmer. Zusammenfassend gibt es also im Beispielsfall keine Rechtfertigung, die Besteuerungsfolgen auf Grundlage gedachter Handlungsalternativen der X-AG durchzuführen. Der Angemessenheitsüberprüfung unterliegen daher die Verrechnungspreise für die übertragenen Einzelwirtschaftsgüter. Da ein going concern nicht übertragen wird, ist ein Entgelt für den Goodwill nicht fremdvergleichskonform.
__________ 26 Auch der BFH sieht den Übergang aller wesentlichen den Geschäftswert bildender Faktoren als Voraussetzung für die selbständige Bilanzierungsfähigkeit des Firmenwertes an; vgl. z. B.: BFH v. 29.7.1982, BStBl. II 1982, 650. 27 OECD-RL 1995, Tz. 1.36. 28 Auch die OECD hält in dem Entwurf des Berichts über „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“ vom 19.9.2008 an diesem Grundsatz fest und erlaubt nur in „exceptional“ Fällen, die Besteuerungsfolgen auf Grundlage einer möglichen Handlungsalternative festzustellen.
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2. Grundfall Funktionsverdoppelung Das für den Normalfall einer Funktionsverlagerung gefundene Ergebnis gilt erst recht für Fälle von Funktionsverdoppelungen, was an folgendem Fall erläutert werden soll. Die X-AG unterhält einen Produktionsstandort in Deutschland. Waren werden in Europa und zunehmend im stark wachsendem asiatischen Markt über Tochtergesellschaften vor Ort abgesetzt. Die X-AG entschließt sich daher, eine zusätzliche Produktionsanlage in ihrer chinesischen Tochtergesellschaft zu bauen, die die Belieferung der asiatischen Kunden übernimmt und den asiatischen Markt weiter entwickelt. X-AG berechnet ihrer Tochtergesellschaft für Ingenieurleistungen, Know-howÜberlassung und die Übertragung des Kundenstammes fremdübliche Vergütungen. Der NPV (Kapitalwert) des möglichen Gewinns aus einer theoretisch denkbaren zweiten Anlage in Deutschland ist 100, der NPV aus der Investition in China beträgt 200, die Summe der Einzelverrechnungen 70. In den ersten drei Jahren nach Aufnahme der Produktion in China gehen Auslastung und Profitabilität der deutschen Anlage wegen Wegfalls der asiatischen Kunden um 30 bzw. 20 % zurück. Ab dem dritten Jahr steigt die Auslastung aufgrund von Marktwachstum in Europa wieder auf den ursprünglichen Wert. Der Kapitalwert des Gewinnpotentials aus der ersten Anlage im Inland sinkt dadurch von 100 auf 85. Besteuerungsfolgen: Nach bisher geltendem Recht (OECD-konform) – Lizenzgebühr – Entgelte für Ingenieurleistungen – Evtl. Übertragung des Kundenbestandes Nach Funktionsverlagerungsgrundsätzen – NPV theoretisches Gewinnpotential X-AG (aus einer zusätzlichen Anlage im Inland) – NPV erste Anlage X-AG (100 – 15) – NPV Ausland – Verrechnungspreis (Mittelwert) Differenz
NPV 50 10 10 70
100 85 200 ? ?
Wie im Ausgangsfall ist nach bisherigem Recht erst recht bei der Funktionsverdoppelung nur eine Einzelverpreisung der übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und der erbrachten Dienstleistungen erforderlich, da der Geschäftsbetrieb im Inland lediglich – hier zeitweise – eingeschränkt wird. Nach dem Wortlaut der FVerlV führt jedoch jede Verdoppelung einer im Inland bereits vorhandenen Funktion mit anschließender Einschränkung der Inlandfunktion zur Auslösung der Transferpaketbesteuerung. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Funktionseinschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Verdoppelung steht. Im Beispielsfall ist 728
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die Produktionsaufnahme in China conditio sine qua non für den Rückgang der Kapazitätsauslastung im Inland. Darüber hinaus ist auch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang kaum zu leugnen. Hätte es die Produktionsanlage im Ausland nicht gegeben, wäre die Inlandsproduktion nach wie vor mit voller Auslastung weiter gelaufen. Es verbliebe also, dem Wortlaut der FVerlV nach, bei der Besteuerung einer fingierten Funktionsverlagerung. Fraglich ist allerdings, in welcher Weise die Transferpaketbesteuerung greift. Die FVerlV enthält hierzu keinerlei Angaben. Der Wortlaut, der von einer einheitlichen Funktionsverlagerung in diesem Fall spricht, deutet darauf hin, dass fiktiv eine vollständige Funktionsverlagerung unterstellt wird. Ökonomisch angemessen könnte allenfalls – wenn man die Funktionsverlagerungsbesteuerung hier überhaupt als angemessen ansieht – die Besteuerung des Gewinnrückgangs in Deutschland sein, also 15. Aber selbst das entspricht nicht dem Fremdvergleich. Mit dem Gewinnrückgang von 15 korreliert nämlich ein zusätzlicher Ergebnisbeitrag durch Lizenzgebühren, Vergütung für die Überlassung des Kundenstammes und Dienstleistungsentgelte i. H. v. 70, so dass netto ein zusätzliches Gewinnpotential von 55 als Folge der Funktionsverdoppelung im Inland verbleibt. Jegliche Überlegung in dieser Situation über weitere Besteuerungsfolgen aus der Verdoppelung nachzudenken, ist im Grund absurd und entspricht keinesfalls dem Fremdvergleich. Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung wäre daher hier unangemessen. Ob die Finanzverwaltung dem folgen wird, ist allerdings zweifelhaft. Die Konzeption der Funktionsverlagerungsbesteuerung bezweckt nicht nur die Besteuerung des inländischen Steuersubstrates, sondern hat darüber hinaus mit dem Ansatz des Mittelwerts zwischen ausländischem und deutschem Gewinnpotential auch den hälftigen Zugriff auf ausländisches Besteuerungssubstrat zum Ziel. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass sich die Finanzverwaltung auf die Versteuerung des aus dem Inland abgehenden Gewinnpotentials beschränken wird und stattdessen im Zweifel den Mittelwert wie bei einer tatsächlichen Verlagerung, also i. H. v. 150 besteuern wird. Möglich ist auch, dass die Berechnung des Mittelwertes auf Basis des verminderten Gewinnpotentials der Altanlage im Inland i. H. v. 85 erfolgt und der Verrechnungspreis i. H. v. 142,5 neu festzusetzen ist. Denkbar ist auch, dass die Finanzverwaltung neben dem Barwert des Gewinnpotentials der Anlage in China das Gewinnpotential einer theoretisch denkbaren Alternativinvestition in Deutschland ermittelt und dann den Mittelwert berechnet. Ökonomisch sinnhaft ist das alles nicht und ein fremder Dritter würde derartige Verrechnungspreise gewiss in der beschriebenen Sachverhaltsgestaltung nicht akzeptieren. Gerade bei Funktionsverdoppelungen ist deshalb die Einzelverpreisung aller übertragenen und überlassenen Wirtschaftsgüter und der erbrachten Dienstleistungen der einzig mögliche Ansatz, der zu marktgerechten Verrechnungspreisen führt.
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V. Einschränkung der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung durch Art. 9 DBA OECD-MA Die Analyse der Beispielsfälle hat gezeigt, wie weitgehend die deutsche Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf inländisches und ausländisches Steuersubstrat zugreift und Verrechnungspreise postuliert, die fremde Dritte in vergleichbaren Situationen nicht bereit wäre zu bezahlen. Die Transferpaketbesteuerung nach § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG könnte deshalb in weiten Teilen dem in Art. 9 OECD-MA niedergelegten Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen. Problematisch könnten dabei insbesondere Fälle sein, in denen kein Teilbetrieb übertragen wird und die Geschäftswert bildenden Faktoren im Inland verbleiben bzw. zwar wegfallen aber im Ausland nicht ankommen29. In diesen Fällen ist fraglich, ob ein fremder Dritter einen Kaufpreis akzeptieren würde, der über die Summe der übertragenden Einzelwirtschaftsgüter hinausgeht. Mit Blick auf Art. 9 OECD-MA stellen sich in diesem Zusammenhang drei Fragen. Zunächst ist die Rechtsnatur von Art. 9 OECD-MA zu klären, insbesondere der Frage nachzugehen, ob die Vorschrift gegenüber innerstaatlichem Recht eine Sperrwirkung entfalten kann. Bejaht man das, so stellt sich die weitere Frage, ob die deutsche Funktionsverlagerungsbesteuerung mit dem in Art. 9 OECD-MA normierten Fremdvergleichsgrundsatz kompatibel ist oder ob die deutschen Regelungen darüber hinaus gehen. Bejaht man das und attestiert Art. 9 OECD-MA eine Sperrwirkung so fragt sich noch, ob § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG als neueres Gesetz die Wirkungen des Art. 9 OECD-MA bzw. der entsprechenden Vorschriften in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verdrängen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die genannten Vorschriften zu einem wirksamen Treaty Override führen. 1. Rechtsnatur von Art. 9 OECD-MA Art. 9 OECD-MA und die dieser Regelung entsprechenden Vorschriften in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen sind nach Ratifizierung über § 2 AO unmittelbar geltendes Recht, das gegenüber den nationalen Vorschriften vorrangig ist30. Inhalt und Umfang seiner Rechtswirkung im Detail sind allerdings seit jeher in der Literatur umstritten. Die herrschende Meinung in der Literatur geht davon aus, dass Art. 9 OECD-MA lediglich eine Erlaubnisnorm darstellt und keine eigenständige Gewinnkorrekturvorschrift begründet. Eine steuerliche Korrektur von konzerninternen Verrechnungspreisen bedarf daher immer einer diesbezüglichen Regelung im innerstaatlichen Recht, die Vorschrift hat also keine sog. self executing Wirkung31. Die entgegenstehende Auffassung, die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA eine self executing Wirkung beimisst, ist
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29 Siehe oben Grundfälle unter IV. 30 Siehe dazu unten c). 31 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA, Art. 9 Rz. 18: Kaminski in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA Art. 9 OECD-MA Rz. 10; Schaumburg, Rz. 16.290 mit weiteren Nachweisen; Debatin/Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76; Raff, Konzernverrechnungspreise, S. 187.
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mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar und kann heute als überholt gelten32. Enthält das nationale Recht eine selbständige Rechtsgrundlage zur Vornahme von Gewinnkorrekturen bei fehlerhaften Verrechnungspreisen, so ist deren Inhalt an Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zu messen. Die Vorschrift gebietet, dass sich diese Gewinnkorrekturnormen am sog. dealing at arm’s length Maßstab zu richten haben. Orientiert sich das innerstaatliche Recht an anderen Grundsätzen, sieht also in bestimmten Situationen Gewinnkorrekturen vor, die nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar sind, so stellt sich die Frage, welche rechtliche Wirkung Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entfaltet. Auch dies ist wiederum umstritten. Einige Autoren sprechen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA lediglich deklaratorische Bedeutung zu und verneinen deshalb jede Schrankenwirkung33. Die deutsche Finanzverwaltung scheint ebenfalls die Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECDMA abzulehnen und führt in Tz. 1.2.1 Verwaltungsgrundsätze34. Die Rechtsprechung des BFH hat sich zur Sperrwirkung noch nicht geäußert35. Lediglich das FG Köln36 hat sich mit der vorliegenden Streitfrage beschäftigt und mit der herrschenden Literaturmeinung die Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA bejaht. Dem ist zu folgen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift deutet durch die Verwendung des Wortes „dürfen“ auf eine Schrankenwirkung hin. Im Übrigen lässt sich der Zweck der Vorschrift nicht mit einem lediglich deklaratorischen Charakter erreichen. Die Gewinnberichtigungsklausel hat den Sinn sicherzustellen, dass notwendige Gewinnkorrekturen nach einem einheitlichen Korrekturmaßstab durchgeführt werden. Im Ergebnis soll der Unternehmensgewinn dort besteuert werden, wo er wirtschaftlich tatsächlich entstanden ist. Das lässt sich nur erreichen, wenn beide Vertragsstaaten die Gewinnzuordnung verbindlich nach einem einheitlichen Maßstab vornehmen müssen. Eine lediglich deklaratorische Empfehlung des Fremdvergleichsmaßstabes in § 9 Abs. 1 OECD-MA würde abweichende Korrekturmaßstäbe in den einzelnen Staaten ohne Konsequenzen hinnehmen und damit Doppelbesteuerungen nicht vermeiden.
__________ 32 Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, S. 430 ff.; Schmitz, Kommentar zum internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 473. 33 Baranowski, Die Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 1996, Rz. 478; Menk, DStZ/A 1972, 68; Debatin, DStZ/A 1971, 385 (388); Höppner, StBP 1981, 56 ff. für eine lediglich beschränkte Sperrwirkung Blümich/Menk § 1 AStG Rz. 121. Die überwiegende Literaturauffassung folgt dem nicht und spricht Art. 9 OECD-MA eine Sperrwirkung zu: Becker in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 9 Rz. 9 ff.; Art. 9 OECD-MA Rz. 85; Eigelshoven in Vogel/Lehner, Art. 9 Rz. 20; Jakobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 696; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.290, alle mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 34 Die Verwaltungsgrundsätze BMF v. 17.2.1983 – IV C 5 - S. 1341 - 4/81 führen unter Tz. 1.2.1 zweiter Satz ganz lapidar aus: „Dem Sinn und Zweck der DBA entspricht es nicht, Berichtigungen von Einkünften, die sachlich geboten sind, für bestimmte Fälle zu verbieten“. 35 Offen gelassen in BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BB 2006, 756. 36 FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/08 EFG 2008, 161.
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Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA einen einheitlichen Berichtigungsmaßstab für Verrechnungspreiskorrekturen normiert und insoweit das innerstaatliche Recht der Abkommensstaaten beschränkt, als deren Korrekturmaßstab über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgeht. Die Vorschrift hat also eine Sperrwirkung gegenüber dem nationalen Recht. 2. Verstoß der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung gegen den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA Art. 9 Abs. 1 OECD-MA normiert als Prüfungsmaßstab für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen das „dealing at arm’s length“-Prinzip. Danach ist ein Entgelt für eine Lieferung oder Leistung zwischen Konzerngesellschaften unangemessen, wenn es dem zwischen fremden Dritten vereinbarten Wert nicht entspricht. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA enthält keine weitere Detaillierung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu bestimmen ist. Als Auslegungshilfe könnte zunächst der Kommentar des OECD-Fiskalausschusses dienen, der allerdings den Inhalt des Fremdvergleichsgrundsatzes nur ansatzweise erläutert. Eine tiefer gehende Analyse des Fremdvergleichsgrundsatzes findet sich stattdessen in den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen aus dem Jahr 199537. In jüngster Zeit hat die OECD zudem den Entwurf eines Berichts über Verrechnungspreisaspekte von „business restructurings“ veröffentlicht, der allerdings noch nicht vom OECD-Rat angenommen ist38. Formal sind die OECD-Verrechnungspreisberichte eine offizielle Interpretationshilfe zu Art. 9 OECD-MA und haben für DBA, die eine den Art. 9 OECDMA vergleichbare Regelung enthalten und die nach dem Jahr 1995 abgeschlossen wurden, rechtliche Bindungswirkung zwischen den Partnerstaaten39. Die Reichweite der rechtlichen Bindungswirkungen im Einzelnen ist unklar. Zutreffender Weise wird man wohl von einer Selbstbindung der Verwaltung ausgehen können, die für den Steuerpflichtigen mittelbar bei der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechender Bestimmungen in anderen DBA wirksam wird. Auch der BFH hat den OECD-Verrechnungspreisbericht bereits für die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes herangezogen40. Im praktischen Ergebnis kann damit die Bedeutung der OECD-Verrechnungsberichte auch für die unmittelbare Rechtsanwendung nicht unterschätzt werden. Sie sind die verbindliche Interpretation von Art. 9 OECD-MA, auf die sich – die immer größer werdende Anzahl – der OECD-Mitgliedstaaten geeinigt hat. Sie sind für die Auslegung des Fremdver-
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37 OECD-RL 1995, die eine Überarbeitung des OECD-Berichts „Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen“ aus dem Jahre 1979 darstellen. 38 Discussion draft vom 19.9.2008 zu „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“. 39 Becker in Kroppen, Vorbemerkung OECD Anm. 18; Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA, Rz. 30 zu Art. 9; Werra, IStR 1995, 458; andere Ansicht: Höppner, StBp 1981, 57; Runge, IStR 1995, 505. 40 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2001, 171.
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gleichsgrundsatzes in den DBA maßgeblich und bestimmen deshalb auch Inhalt und Reichweite der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Die Erörterung der Beispielsfälle ergab einen Verstoß der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung gegen den Fremdvergleichsgrundsatz in Fällen, in denen fremde Dritte nicht von der Übertragung eines going concerns ausgehen und deshalb einen Verrechnungspreis, der über die Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter hinausgeht, nicht akzeptieren würden. Dieses aufgrund allgemeiner Überlegungen gefundene Ergebnis ist nun an den Wertungen der OECD Verrechnungspreisberichte zu verproben. Dabei werden im Folgenden die diesbezüglichen Wertungen des OECD Verrechnungspreisbericht 1995 und des Entwurf eines Berichts über Verrechnungspreisfragen im Zusammenhang mit Unternehmensumstrukturierungen getrennt untersucht. Bestätigt sich danach der Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz, entfaltet Art. 9 OECD-MA Sperrwirkung und steht insoweit der Anwendung der deutschen Transferpaketbesteuerung entgegen. a) Vereinbarkeit des Transferpaketansatzes mit den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen 1995 Wie oben im Beispielsfall beschrieben, ist der Kern eines möglichen Verstoßes gegen den in Art. 9 OECD-MA durch den Transferpaketansatz zwingend angeordnete einheitliche Gesamtbewertung einer betrieblichen Funktionsverlagerung. Die OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995 beschäftigen sich in ihrem ersten Kapitel mit Grundfragen, Inhalt und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Fragen betrieblicher Funktionsverlagerungen werden allerdings nicht explizit erörtert. Der Bericht enthält deshalb auch keinen Hinweis auf eine in diesem Zusammenhang erforderliche Transferpaketbetrachtung. Im Gegenteil soll nach dem OECD-Bericht der Fremdvergleichsgrundsatz im Idealfall auf jedes einzelne Geschäft gesondert Anwendung finden, um so dem allgemeinen Marktwert möglichst nahe zu kommen41. Gleichwohl erkennt die OECD auch sog. „package deals“ an, bei denen eine Mehrzahl von Geschäftsvorfällen wirtschaftlich zusammengefasst und ganzheitlich bewertet wird. Es handelt sich dabei allerdings um eine Ausnahme von dem Grundsatz der Einzelbewertung. Als Beispiel nennt die OECD langfristige Verträge über Warenlieferungen und Dienstleistungen, Rechte auf Nutzung mehrerer immaterieller Wirtschaftsgüter und einheitliche Preisgestaltung bei einer Palette eng mit einander verbundener Produkte. Die genannten Beispiele haben mit betrieblichen Funktionsverlagerungen nichts zu tun und können folglich nicht als Argument für die Notwendigkeit einer einheitlichen Transferpaketbewertung herangezogen werden. Umgekehrt hält es die OECD sogar teilweise für erforderlich, von verbundenen Unternehmen als Leistungspaket abgeschlossene Geschäfte gesondert zu beurteilen, wenn es zur Feststellung zur Einhaltung des Fremdvergleichsgrund-
__________ 41 Tz. 1.42 OECD-RL 1995.
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satzes42 oder zur Anwendung von Regelungen eines DBA wegen z. B. Abzugsteuern43 erforderlich sein sollte. Anhaltspunkte dafür, dass bei einem package deal eine Gesamtbewertung zu einem erhöhten Bewertungsergebnis führt, das über die Summe der Einzelwerte der einzelnen Liefer- und Leistungsbestandteile hinausgeht, finden sich ebenso wenig im Bericht, wie Hinweise auf die Notwendigkeit einer Gesamtbewertung beim Sondertatbestand einer betrieblichen Funktionsverlagerung. Die OECD hat sich vielmehr dem Grundsatz der Einzelbewertung verschrieben44 und hält die zusammenfassende Beurteilung zusammenhängender Geschäfte nur für notwendig, soweit es für die sachgerechte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erforderlich ist. Im Ergebnis schließt damit der OECD-Verrechnungspreisbericht eine einheitliche Bewertung mehrerer Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit einer betrieblichen Funktionsverlagerung nicht kategorisch aus. Die OECD sieht die Gesamtbewertung allerdings als Ausnahmefall, der im Einzelfall nach dem Fremdvergleich geboten sein muss. Die deutsche Transferpaketbesteuerung, die bei jeder betrieblichen Funktionsverlagerung eine Gesamtbewertung verschreibt, stellt insoweit das Regelausnahmeverhältnis auf den Kopf. Es fragt sich allerdings, ob deshalb bereits eine generelle Unvereinbarkeit mit den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen 1995 gegeben ist. Im Ergebnis wird man diese Frage nur im Einzelfall beantworten können. Der deutsche Transferpaketansatz ist dann international kompatibel, wenn die Gesamtbewertung zur sachgerechten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im gegebenen Sachverhalt erforderlich ist. In Fällen von Funktionsverlagerung, in denen fremde Dritte einer Einzelverpreisung folgen würden und nicht bereit wären, einen über die Summe der Einzelwerte hinaus gehenden Betrag als Verrechnungspreis zu akzeptieren, verstößt der Transferpaketansatz gegen die Verrechnungspreisrichtlinie 1995 und damit gegen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. b) Vereinbarkeit der deutschen Transferpaketbesteuerung mit dem Entwurf der Business Restructuring Rules der OECD Aufgrund der hohen praktischen Bedeutung von betrieblichen Funktionsverlagerungen und Reorganisationen startete die OECD im Jahr 2005 ein Projekt zur Untersuchung der damit verbundenen schwierigen Verrechnungspreisfragen. Nach mehrjähriger Arbeit veröffentlichte die OECD am 19.9.2008 einen 59-seitigen Entwurf über „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“. Der Entwurf erläutert alle wesentlichen Aspekte von Verrechnungspreisfragen betrieblicher Funktionsverlagerungen und wird nach seiner Verabschiedung durch den OCED-Rat die entscheidende Anweisung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltungen bei der Beurteilung von betrieblichen Funktionsverlagerungen sein. Letztlich wird er auch die Grundlage für die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA bilden.
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42 Tz. 1.43 OECD-RL 1995. 43 Tz. 1.44 OECD-RL 1995. 44 Vgl. Tz. 6.18 für immaterielle Wirtschaftsgüter.
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Im ersten Abschnitt unterstreicht die OECD zunächst die Bedeutung der Risikoallokation für die Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisfragen im Zusammenhang mit Reorganisationen45. Ausgangspunkt der Risikoanalyse soll die zwischen den verbundenen Konzernunternehmen vertraglich vereinbarte Risikoverteilung sein, die als solche dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen muss. Allerdings hält die OECD auch vertragliche Risikoallokationen für vertretbar, wenn fremde Dritte sie in dieser Form nicht vereinbaren würden. Voraussetzung ist dann aber, dass die Risikotragung für die beteiligten Unternehmen wirtschaftlich Sinn macht und dass das Risiko übernehmende Unternehmen tatsächlich in der Lage ist, das übernommene Risiko zu überwachen und zu steuern. Darüber hinaus kann eine Risikoallokation nur bei entsprechender finanzieller Ausstattung anerkannt werden. In Tz. 44 stellt die OECD zusammenfassend fest, dass eine Risikoübertragung dann als vereinbar mit dem Fremdvergleichsgrundsatz gilt, wenn die das Risiko übernehmende Gesellschaft alle Kosten im Zusammenhang mit Kontrolle und Steuerung des Risikos übernimmt, die Kosten aus einer möglichen Realisierung des Risikos trägt und eine dem erhöhten Risiko entsprechend erhöhte Vergütung erhält. Im zweiten Teil beschäftigt sich die OECD mit den im vorliegenden Zusammenhang besonders interessierenden Verrechnungspreisfragen der Restrukturierung selbst. Zunächst betont die OECD die Wichtigkeit einer genauen Analyse aller Gesamtumstände der betrieblichen Reorganisation, der Funktion der Parteien, der erwarteten Vorteile der Umstrukturierung und der Handlungsalternativen, die fremde Dritte gehabt hätten. Die OECD betont, dass alle Transaktionen aus Sicht jeder einzelnen Gesellschaft dem arm’s-lengthPrinzip genügen müssen und dass die Vorteilhaftigkeit einer Reorganisation auf Gruppenebene keine hinreichende Rechtfertigung ist. Die Handlungsalternativen sind wichtig, um den wirtschaftlichen Zweck einer Transaktion beurteilen zu können und spielen insbesondere bei der Frage der im vierten Kapitel erörterten steuerlichen Anerkennung eine entscheidende Rolle. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Konsequenzen aus einer Verlagerung von Risiken, Rechten und anderen Wirtschaftsgütern und einer daraus resultierenden Neuzuordnung von Gewinnpotential stellt der OECD-Bericht noch einmal sehr grundsätzlich fest46, dass das Gewinn- und Verlustpotential als solches kein Wirtschaftsgut ist, aber ein Potential, das gegebenenfalls anderen Wirtschaftsgütern anhaftet. Nach Auffassung der OECD verlangt der Fremdvergleichsgrundsatz für die Übertragung des Potentials als solches keine Kompensation. Entscheidend für den Verrechnungspreis sind vielmehr die übertragenen Wirtschaftsgüter. Fehlen identifizierbare Wirtschaftsgüter, so fehlt es auch an ausgleichsfähigem Gewinnpotential. Werden Wirtschaftsgüter übertragen, so kann damit auch ein beträchtliches Gewinnpotential verbunden sein, das angemessen vergütet werden muss. Entscheidend hierfür ist u. a., ob
__________ 45 Tz. 19 des Entwurfs des OECD-Berichts über Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings vom 19.9.2008. 46 OECD-Berichtsentwurf, a. a. O., Rz. 64.
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ein fremder Dritter für den Transfer des Gewinnpotentials eine Vergütung geleistet hätte. Dabei spielen auch die Alternativen eine Rolle, die fremde Dritte realistischer Weise im Hinblick auf die übertragenen Wirtschaftsgüter gehabt hätten. Die OECD beschäftigt sich intensiv mit der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter47 und verweist insoweit auch auf die Regeln des Kapitels 6 des OECD Verrechnungspreisberichts 1995. In Rz. 93 und 94 beschäftigt sich die OECD – wohl auf Veranlassung der deutschen Finanzverwaltung – mit der Übertragung eines ongoing concern. Umstrukturierungen bringen gelegentlich die Übertragung einer wirtschaftlichen Aktivität, d. h. eines Gesamtbündels von Wirtschaftsgütern (ggf. einschließlich vertraglicher Rechte, vorhandener Arbeitskräfte, Firmenwert usw.) mit sich. Im Falle der Übertragung eines ongoing concern soll die angemessene Bewertung der Übertragung nicht notwendigerweise in der Summe der isolierten Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter bestehen, sondern in einer Gesamtbewertung, die den Firmenwert berücksichtigt. Bewertungsmethoden, die fremde Dritte im Falle von Akquisitionen anwenden würden, könnten hier einschlägig sein. Hierzu bildet die OECD folgendes Beispiel: „Eine Herstellungsaktivität wird gruppenintern von M1 auf M2 übertragen, um Standortvorteile zu erzielen. Übertragen werden Maschinen und Anlagen, Vorräte, Patente, Produktionsverfahren und Know-how sowie wesentliche Kunden- und Lieferantenverträge. Mehrere Beschäftigte werden von M1 zu M2 entsandt, um beim Anlauf der verlagerten Aktivität zu assistieren. Man nehme an, dass dies unter fremden Dritten als Übertragung einer Aktivität anzusehen wäre. Bei der Bestimmung der angemessenen Vergütung unter verbundenen Unternehmen sollte die Situation eher mit der Übertragung eines ongoing concern unter fremden Dritten als mit der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter verglichen werden.“ Im dritten Abschnitt betont die OECD die Bedeutung einer genauen Funktions- und Risikoanalyse der an der Restrukturierung beteiligten Gesellschaften für die Verrechnungspreisbestimmung. Ferner werden Details der Anwendung unterschiedlicher Verrechnungspreismethoden erörtert, ebenso wie die Beziehung zwischen der Gegenleistung für die Restrukturierung selbst und den nach einer Restrukturierung vereinbarten Verrechnungspreisen. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit der Auswirkung von Standortvorteilen48. Deren Allokation hängt nach Auffassung der OECD ganz maßgeblich von der Wettbewerbssituation ab, in der sich die an der Restrukturierung beteiligten Gesellschaften als unabhängige Unternehmen befunden hätten. Im vierten Abschnitt erörtert die OECD die Voraussetzung der Nichtanerkennung von tatsächlich durchgeführten Reorganisationen. Mit zahlreichen Verweisen auf die Verrechnungspreisrichtlinien 1995 wird klargestellt, dass Ausgangspunkt der Verrechnungspreisprüfung die von den verbundenen Unternehmen tatsächlich durchgeführte Transaktion sein muss. Nur in außerordent-
__________ 47 OECD-Berichtsentwurf, a. a. O., Rz. 78 ff. 48 OECD-Berichtsentwurf, a. a. O., Rz. 188 ff.
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lichen Fällen sei die Finanzverwaltung befugt, hiervon abzuweichen. Dies soll in zwei Fällen statthaft sein, zum einen, wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt von den, formal dokumentierten, abweicht, zum anderen, wenn Form und Substanz der Transaktion zwar übereinstimmen, aber die Transaktion in ihrer Gesamtheit von kaufmännisch vernünftig handelnden fremden Dritten nicht durchgeführt worden wäre und deshalb die Bestimmung eines angemessenen Verrechnungspreises für die Finanzverwaltung praktisch unmöglich wird. Bei der Beurteilung, ob eine Transaktion kaufmännisch vernünftig ist, spielen die realistisch zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen nach Auffassung der OECD eine entscheidende Rolle. Zusammengefasst ist festzustellen, dass die OECD in dem Entwurf der Verrechnungspreisregeln für betriebliche Funkionsverlagerungen an dem Grundsatz der Einzelverpreisung aller übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter festhält. Gewinnpotential ist grundsätzlich nur insoweit relevant für die Verpreisung von betrieblichen Funktionsverlagerungen, als es den einzelnen übertragenen Wirtschaftsgütern konkret zugeordnet werden kann. Ein darüber hinausgehendes Gewinnpotential – der Firmenwert – spielt regelmäßig bei Verpreisungen betrieblicher Funktionsverlagerungen keine Rolle. Eine Ausnahme bildet insoweit die Übertragung eines ongoing concern bei Sachverhalten, bei denen auch fremde Dritte von der Übertragung eines Firmenwertes ausgehen würden und deshalb den Vorgang wie eine Unternehmensakquisition bewerten würden. Auf dieser Grundlage kommt die OECD in ihrem eigenen, oben dargestellten Beispielsfall nicht definitiv zur Berücksichtigung des Firmenwerts, sondern nur unter der Annahme, dass fremde Dritte den Vorgang als Übertragung eines ongoing concern werten würden49. Die OECD ist sich offenbar – zurecht – selbst nicht so sicher, dass das im Beispiel der Fall ist. Die deutsche Transferpaketbesteuerung geht darüber bei weitem hinaus, indem sie bei jeder betrieblichen Funktionsverlagerung das gesamte Gewinnpotential einschließlich des Goodwills erfasst, auch wenn fremde Dritte den Vorgang nicht als Übertrag eines ongoing concern werten würden. In diesen Fällen – die wohl den Regelfall betrieblicher Funktionsverlagerungen darstellen – schränkt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA § 1 Abs. 3 S. 9 AStG ein. 3. Treaty Overriding durch § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG Zu untersuchen bleibt, ob § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG als späteres Gesetz nicht die Sperrwirkung der dem Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Vorschriften im Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen hat. Der Sache nach geht es dabei um das Problem des sog. Treaty Overriding. Nach einer Definition des OECD-Steuerausschusses50 liegt Treaty Overriding vor, wenn der nationale Gesetzgeber mit Wissen und Wollen eine Bestimmung erlässt, die in klarem Widerspruch zu dem vom gleichen Staat in einem Doppelbesteuerungsabkommen eingegangenen Bestimmungen steht.
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49 S. Rz. 94 OECD-Berichtsentwurf „assume such a transfer would be regarded as a transfer offer of an ongoing concern“. 50 OECD-Steuerausschuss vom 2.10.1989, Tax Notes International 1990, 25.
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In Deutschland bestimmt sich das Verhältnis zwischen innerstaatlichem Recht und völkerrechtlichen Verträgen nach § 2 AO. Danach haben die Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen Vorrang vor dem übrigen nationalen, innerstaatlichen Recht, wenn und soweit die völkerrechtlichen Verträge nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar anwendbares staatliches Recht geworden sind. Der Vorrang nach § 2 AO gilt allerdings nur, solange der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet. Mit der Ratifikation sind die völkerrechtlichen Verträge auf die Ebene des einfachen staatlichen Rechts transformiert und können dort nach normalen Grundsätzen geändert werden. Der dadurch begangene Völkerrechtsverstoß spielt auf der Ebene des staatlichen Rechts keine Rolle. Die herrschende Meinung hält daher ein Treaty Overriding grundsätzlich für zulässig51. Gosch sieht die fast schon zum Regelfall gewordene Praxis des Treaty Overriding vor dem Hintergrund des Völkerrechtsprimats des Grundgesetzes in einem neueren Beitrag allerdings deutlich kritischer52, so dass künftig wieder etwas Bewegung in Diskussion kommen dürfte. Deren Ergebnis bleibt abzuwarten. Auf Basis der herrschenden Meinung stellt sich noch die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber von den Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen abweichen darf. Grundsätzlich gilt bei der Kollision von Normen die allgemeine Regel „lex posterior derogat legi priori“. Danach hat der spätere Gesetzgeber im Zweifel den Inhalt der älteren Norm gekannt und zugunsten der neueren Regelung konkludent aufgehoben53. Die lex posterior Regel kann allerdings im vorbezeichneten Zusammenhang nicht gelten, da der Gesetzgeber in § 2 AO die Vorrangfrage für die Umsetzung völkerrechtlicher Verträge im Steuerrecht davon abweichend geregelt hat. Der Gesetzgeber hat vielmehr jede Abweichung deutlich zum Ausdruck zu bringen. Der Wille, sich über ein Doppelbesteuerungsabkommen hinwegsetzen zu wollen, muss klar erkennbar werden54. Im vorliegenden Zusammenhang fehlt es allerdings an so einem klaren Hinweis. Weder das Außersteuergesetz selbst, noch die Gesetzesmaterialien enthalten einen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber sich über bestehende Doppelbesteuerungsabkommen hinwegsetzen wollte. Im Gegenteil bestätigt die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, dass der Gesetzgeber offenbar von der internationalen Kompatibilität der Funktionsverlagerungsbesteuerung und ihrer Vereinbarkeit mit Doppelbesteuerungsabkommen
__________ 51 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 1 MA, Rz. 9 m. w. N.; einschränkend: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3.26 ff. 52 Gosch, IStR 2008, 413 (421). 53 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spittaler, § 2 AO, Rz. 167. 54 Vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Rz. 40, Seer, IStR 1997, 481 (484); Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 1 MA Rz. 12; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 20 AStG Rz. 41 ff.; FischerZernin in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Grundlagen Teil 1 Abschn. 3 Rz. 37 ff.; Vogt in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 20 AStG Rz. 11, 26 ff., jew. m. w. N.) und auch in der Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; jüngst FG Rh.-Pf. v. 11.10.2007, EFG 2008, 365 (BFH-Beschwerde I B 209/07); FG Köln v. 30.1.2008, EFG 2008, 593, m. Anm. Herlinghaus.
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ausgegangen ist. Die Gesetzesänderung stehe in Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz und der internationalen Praxis55. Auch die Begründung zur FVerlV vom 12.8.200856 lässt eindeutig erkennen, dass der Verordnungsgeber sich mutmaßlich an den internationalen Bestimmungen und Art. 9 OECD-MA orientieren wollte. Im Ergebnis liegt damit, auch unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung, kein wirksames Treaty Overriding vor. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und vergleichbare Vorschriften in einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen stehen daher einer Anwendung von § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. entgegen, soweit die dort angeordneten Besteuerungsfolgen dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen.
VI. Zusammenfassende Beurteilung zur internationalen Kompatibilität der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung Kern der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung ist die in der Transferpaketbewertung angeordnete Gesamtbewertung der übertragenen Funktionen. Deutschland fordert damit einen Verrechnungspreis, der über die Summe der Einzelwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter hinaus geht und auch einen im Inland gegebenenfalls vorhandenen Goodwill voll vergütet. Über den Mittelwertansatz greift der deutsche Fiskus sogar auf die Hälfte eines gegebenenfalls nur im Ausland erzielbaren erhöhten Goodwills zu. Diese Rechtsfolge kann im Einzelfall dem in § 9 Abs. 1 OECD-MA enthaltenen Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, wenn im Rahmen der Funktionsverlagerung ein ongoing concern mit allen wesentlichen, den Geschäftswert bildenden Faktoren übertragen wird. Für die ganz große Mehrzahl von Funktionsverlagerungen wird das allerdings nicht gegeben sein, da die neue Funktion im neuen Umfeld mit neuen Mitarbeitern komplett neu aufgebaut werden muss. Dieser Vorgang unterscheidet sich sehr grundlegend von der Situation bei einer Unternehmensakquisition, bei der der Erwerber – bildlich gesprochen – lediglich den Schlüssel zum Werkstor übernehmen muss, um am nächsten Tage die Produktion im gleichen Umfeld und mit gleichem Personal ohne jegliches zusätzliches Risiko wie bisher weiter betreiben kann. Für den Regelfall einer Funktionsverlagerung verstößt daher die Transferpaketbewertung gegen den in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA enthaltenen Fremdvergleichsgrundsatz. Weder die OECD-RL 1995 noch der Entwurf des Verrechnungspreisberichts über business restructurings enthalten Hinweise darauf, dass die OECD die Transferpaketbewertung bei jeder Funktionsverlagerung als fremdvergleichskonform ansehen würde. Aus den genannten Stellungnahmen der OECD wird im Gegenteil deutlich, dass eine Gesamtbewertung und damit ein Zugriff auf den mit der Ausübung einer Funktion gegebenenfalls verbundenen Goodwill lediglich bei Übertragung eines ongoing concern angemessen sein kann. Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA liegt allerdings nur dann vor, wenn die Transferpaketbewer-
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55 Begründung zum Regierungsentwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 bei Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 297. 56 BR-Drucks. 352/08.
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Wolfgang Haas
tung zu einem höheren Wert führt, als die Summe der Einzelbewertungen. In diesem Fall entfaltet Art. 9 Abs. 1 OECD-MA bzw. die entsprechenden Vorschriften in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG. Ein wirksames Treaty Overriding liegt auch nach herrschender Meinung nicht vor. Internationale Kompatibilität, insbesondere im Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, kann also der deutschen Funktionsverlagerungsbesteuerung nicht attestiert werden. Da der Gesetzgeber dies offensichtlich anders beurteilt, wird man das Ergebnis der ersten Verständigungs- und Schiedsverfahren zu diesem Fragenkomplex abwarten müssen, bevor sich der Rauch der hitzigen Diskussion über dieses Thema verzieht. In der Zwischenzeit ist Art. 9 Abs. 1 OECD-MA für die Praxis eine ausreichende Beruhigung.
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Zur Reichweite des internationalen Korrespondenzprinzips Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Fall III. Anmerkungen 1. Grundsatz (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG) 2. Materielles Korrespondenzprinzip (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG) a) Fehlende Einkommensminderung durch vGA b) Gewinnminderung bei divergierenden Rechtssystemen c) Gewinnminderung durch fehlende Steuerfestsetzung
d) Zwischenergebnis 3. DBA-Schutz (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG) – Treaty Override 4. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG 5. Analoge Anwendung von § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG a) Positivistischer Ansatz b) Teleologischer Ansatz c) Normativ-konstitutioneller Ansatz IV. Zusammenfassung
I. Einleitung Durch das Jahressteuergesetz 20071 wurde im Körperschaftsteuergesetz ein internationales Korrespondenzprinzip im Rahmen des § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG für verdeckte Gewinnausschüttungen eingeführt. Danach wird die Steuerfreiheit von Dividendenbezügen im Inland von der steuerlichen Behandlung im Ausland abhängig gemacht. Dies führt in internationalen Dreiecksfällen zur Doppelbesteuerung2. Insofern stellt sich die Frage, ob dies durch sachgerechte Auslegung vermieden werden kann oder ob hierfür eine gesetzliche Klarstellung angeregt werden sollte. Die Frage ist von Bedeutung, da die einschlägigen Sachverhalte bei global agierenden Unternehmen kaum beherrschbar sind und in ihrer Belastungswirkung außerordentlich hoch sein können. In der Gesetzesbegründung zur Neuregelung wird ausgeführt3: Durch die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG wird die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividendenausschüttungen zwischen Kapitalgesellschaften vermieden. Dies gilt auch für verdeckte Gewinnausschüttungen. Mit diesen Grundsätzen ist eine Freistellung einer verdeckten Gewinnausschüttung ohne vorhergehende Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns
__________ 1 Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 2 Becker/Kempf, DB 2008, 370 ff. (375 f.); Frase, BB 2008, 2713 ff. (2713); sowie der nachfolgende Fall. 3 BT-Drucks. 16/2712, S. 70.
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auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht zu vereinbaren. Die Freistellung eines sonstigen Bezuges im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist daher beim Anteilseigner künftig von der Voraussetzung abhängig, dass die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der leistenden Kapitalgesellschaft das Einkommen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder bei gebietsfremden Gesellschaften nach entsprechendem ausländischen Recht nicht gemindert hat. Eine Minderung des Einkommens liegt auch in den Fällen vor, in denen bei der Körperschaft noch keine erstmalige Steuerfestsetzung ergangen ist. Bei Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften sind zusätzlich die Vorschriften in den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu beachten. Die DBA enthalten in ihrem Methodenartikel (Art. 23 OECD-Musterabkommen) in der Regel eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Freistellung der Dividendeneinnahmen einer inländischen Gesellschaft (sog. DBA-Schachtelprivileg), wenn die jeweilige Beteiligungsgrenze und die in einigen DBA vorgesehene Aktivitätsklausel erfüllt werden (z. B. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz). Die in der jüngeren Zeit verhandelten DBA machen die Freistellung von der Voraussetzung abhängig, die der Änderung in § 8b Absatz 1 Satz 2 entspricht (z. B. Art. 23 DBA-Österreich). Dies basiert auf dem von der OECD anerkannten Grundsatz, dass DBA eine Doppelbesteuerung vermeiden, nicht aber zu sogenannten weißen Einkünften (d. h. einer doppelten Nicht-Besteuerung) führen sollen. Der neu eingefügte Satz 3 sieht daher für DBA, die keine dem Absatz 1 Satz 2 entsprechende Regelung zum Schachtelprivileg enthalten, eine eng begrenzte Durchbrechung des Methodenartikels zur Gewährleistung des Abkommenszwecks vor. Auf Grund der Tatbestandsvoraussetzung der Minderung der Einkünfte bei der leistenden Gesellschaft ist der Eintritt einer abkommenswidrigen Doppelbesteuerung durch die Besteuerung beim Empfänger ausgeschlossen. Soweit der ausländische Staat nach seinem Recht eine Quellensteuer erheben sollte, wird durch die Änderung in § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung gewährleistet. Zudem gilt in der internationalen Abkommenspraxis der Grundsatz, dass jeder Staat selbst über die Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entscheidet. Besonderheiten bei Dreieckskonstellationen mit nahe stehender Person (§ 8b Abs. 1 Satz 4 KStG)4: Verdeckte Gewinnausschüttungen unterliegen beim Gesellschafter nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Änderung der vollen Besteuerung, soweit sie bei der leistenden Körperschaft das Einkommen gemindert haben. Mit der hier vorgeschlagenen Formulierung werden bestimmte Dreieckskonstellationen von diesem Grundsatz ausgenommen, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung bereits bei einer nahe stehenden Person der Besteuerung unterlegen hat und die Veranlagung der nahe stehenden Person trotz § 32a EStG nicht geändert werden kann (z. B. weil die nahe stehende Person im Ausland ansässig ist).
__________ 4 BT-Drucks. 16/3368, S. 16.
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Beispiel: Der Anteilseigner B mit Wohnsitz im Inland ist alleiniger Gesellschafter der Kapitalgesellschaften X 1 und X 2 mit Sitz im Ausland. Das ausländische Steuerrecht kennt die steuerrechtlichen Instrumentarien der verdeckten Einlage und der verdeckten Gewinnausschüttung nicht. Die KapG X 2 überlässt der KapG X 1 ein Grundstück für eine Jahresmiete von 150.000 Euro, angemessen ist eine jährliche Miete von 100.000 Euro. Bei X 1 ist die Miete von 150.000 Euro als Betriebsausgabe gewinnmindernd berücksichtigt worden, bei X 2 wurde eine Betriebseinnahme von 150.000 Euro gewinnerhöhend erfasst. Die verdeckte Gewinnausschüttung von 50.000 Euro an den Gesellschafter B wäre grundsätzlich wegen der Einkommensminderung der vGA bei X 1 voll zu versteuern. In Höhe dieser 50.000 Euro läge eine verdeckte Einlage des Gesellschafters B an die X 2 vor, die bei Anwendung des § 8 Abs. 3 KStG das Einkommen nicht erhöht hätte. X 2 unterliegt indessen nicht der deutschen Steuerhoheit. Mithin ist die verdeckte Gewinnausschüttung von 50.000 Euro an B bereits bei X 2 voll als Ertrag versteuert worden. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wird gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 3 EStG für die verdeckte Gewinnausschüttung auch weiterhin das Halbeinkünfteverfahren angewendet. Die Neuregelung ist ab 18.12.2006 (Verkündung des JStG im Bundesgesetzblatt) anwendbar5.
II. Fall Die Kapitalgesellschaft M mit Sitz im Inland ist alleinige Gesellschafterin der Tochter-Kapitalgesellschaften T 1 und T 2 mit Sitz im Ausland 1. T 1 und T 2 sind ihrerseits Alleingesellschafter von zwei Tochter(Enkel-)gesellschaften E 1 und E 2. Die E 1 veräußert an E 2 ihren Geschäftsbetrieb zum Buchwert von 100. Anschließend erfolgt eine Veräußerung desselben Geschäftsbetriebes an die Kapitalgesellschaft F (unverbundenes Unternehmen). Zwischen E 1 und E 2 findet im Ausland 2 eine Steuerkonsolidierung (Gruppenbesteuerung) Anwendung, wie beispielsweise in den USA6. Einkommen aus Intercompany-Transaktionen wird dadurch eliminiert, so dass keine Ertragsbesteuerung anfällt7. Ausland 2 unterhält ein Steuersystem mit Selbstveranlagung und Betriebsprüfung, wie gleichfalls in den USA8. Die zu zahlende Körperschaftsteuer ist im Wege der Selbstveranlagung zu ermitteln und zu entrichten, d. h. es ergehen weder ein Steuerbescheid noch Zahlungsaufforderungen9.
__________ 5 § 34 Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Satz 12, Abs. 13c KStG, § 52 Abs. 4b Satz 2 EStG. 6 Ditsch/Meier-Holzgräbe in Endres/Schreiber, Investitions- und Steuerstandort USA, 2008, S. 85. 7 Ditsch/Meier-Holzgräbe, a. a. O. 8 Ditsch/Meier-Holzgräbe, a. a. O., S. 107. 9 Ditsch/Meier-Holzgräbe, a. a. O.
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Die Veräußerung von E 2 an F ist im Ausland 2 voll steuerpflichtig. M geht davon aus, dass die Sachverhalte im Ausland 2 (Geschäftsveräußerung und Weiterveräußerung) ohne Einfluss auf die Ermittlung ihres Einkommens ist.
III. Anmerkungen 1. Grundsatz (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG) § 8b Abs. 1 KStG regelt die steuerliche Behandlung von Dividendenbezügen. Kapitalgesellschaften, die an anderen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, können nach § 8b Abs. 6 KStG ihnen zufließende Dividenden steuerfrei vereinnahmen, eingeschränkt durch das typisierte Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG. Dies gilt auch für verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und Bezüge aus ausländischem Anteilsbesitz10. Die Übertragung des Geschäftsbetriebes zum Buchwert stellt nach deutschem Verständnis, soweit ein Geschäftswert vorhanden ist, eine vGA11 (verhinderte Vermögensmehrung) der E 1 an die T 1 und mittelbar an die M dar12. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleibt die vGA im Grundsatz bei der Ermittlung des Einkommens der M außer Ansatz. 2. Materielles Korrespondenzprinzip (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG) Nach Einführung des materiellen Korrespondenzprinzips gilt dies allerdings nach Satz 2 nur, soweit die vGA das Einkommen der leistenden Gesellschaft nicht gemindert hat.
__________ 10 Gosch, KStG § 8b Rdnr. 115. 11 Grundlegend: BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455 ff. 12 Darstellung der h. M. und a. A. aus jüngster Zeit Kohlhepp, DStR 2008, 1859 ff.
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a) Fehlende Einkommensminderung durch vGA Nach der Gesetzesbegründung soll die Freistellung davon abhängen, „dass die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der leistenden Kapitalgesellschaft das Einkommen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder bei gebietsfremden Gesellschaften nach entsprechendem ausländischen Recht nicht gemindert (Hervorh. d. Verf.) hat.“13 Ähnlich Dötsch/Pung14, die darauf abstellen, „ob im Ausland das Einkommen nach einer dem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vergleichbaren Vorschrift nicht gemindert worden ist.“ Im beschriebenen Sachverhalt liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da aufgrund der Gruppenbesteuerung im ausländischen Rechtskreis keine Korrektur der Buchwertveräußerung erfolgte. Gegen vorstehende Ansicht von Dötsch/Pung wird geltend gemacht, dies hätte zur Folge, dass der Nachweis nur dann geführt werden könnte, wenn die fehlende Einkommensminderung auf einem ausländischen rechtlichen Konzept beruht, das einer vGA nach deutschem Recht vergleichbar ist15. Eine derartige Beschränkung würde jedoch in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu überschießenden Belastungen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerungen führen16. Deshalb sollte der Nachweis der fehlenden Einkommensminderung unabhängig von dem Rechtsgrund der Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen im Ausland zu führen sein17. Insofern wäre eine ausweitende Auslegung denkbar, die jedoch im vorgegebenen Fall zu keinem anderen Ergebnis führt, da überhaupt keine Einkommenskorrektur vorliegt. b) Gewinnminderung bei divergierenden Rechtssystemen Das dargelegte Ergebnis entspricht auch der Gesetzesbegründung, wonach verdeckte Gewinnausschüttungen beim Gesellschafter nach der Gesetzesänderung der vollen Besteuerung unterliegen sollen, soweit sie bei der leistenden Körperschaft das Einkommen gemindert haben18. Dem wird in der Literatur teilweise zugestimmt. Die Vorschrift soll danach auch Bedeutung für Fälle haben, bei denen die Qualifikation als vGA bei der ausländischen Tochtergesellschaft und inländischen Muttergesellschaft nicht „deckungsgleich“ sind19. Nach dieser Ansicht kann eine inländische Mutterkapitalgesellschaft die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG auch dann nicht
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BT-Drucks. 16/2712, S. 70. Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14). Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378). Dörfler/Adrian, a. a. O. Dörfler/Adrian, a. a. O. BT-Drucks. 16/3368, S. 16. Dötsch/Pung, a. a. O.
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in Anspruch nehmen, wenn das Einkommen nach dem dort anzuwendenden Steuerrecht zutreffend gemildert worden ist (sog. Qualifikationskonflikt)20. c) Gewinnminderung durch fehlende Steuerfestsetzung Eine Minderung des Einkommens soll nach der Gesetzesbegründung auch in den Fällen vorliegen, in denen bei der Körperschaft noch keine erstmalige Steuerfestsetzung ergangen ist21. Im dargelegten Fall kennt die ausländische Rechtsordnung keine Steuerfestsetzung. Folgt man den Gesetzesmaterialien, wäre allein aus diesem Grunde in Deutschland eine Steuerpflicht der vGA gegeben. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da diese Intention des Gesetzgebers im Gesetzeswortlaut keinerlei Anknüpfungspunkte findet. d) Zwischenergebnis Nach dem Wortlaut des Gesetzes und den Gesetzesmaterialien ist die vGA bei der M nicht steuerbefreit. Dies würde zu einer Doppelerfassung des Veräußerungsgewinnes führen. 3. DBA-Schutz (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG) – Treaty Override M kann sich auch nicht auf einen eventuellen Abkommensschutz berufen. § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG postuliert einen Treaty Override22. Ein Treaty Override ist zwar regelmäßig völkerrechtswidrig, doch nach der Rechtsprechung wirksam23. In § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass entsprechende DBA-Regelungen verdrängt werden sollen. Damit sind die Voraussetzungen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung erfüllt. Soweit kein Doppelbesteuerungsabkommen jüngeren Datums als die Neuregelung des § 8b KStG im Einzelfall vorliegt, kann auch der Grundsatz, dass neueres Recht älteres Recht verdrängt, keine Abhilfe schaffen24. Somit bleibt die Frage, ob im einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen eine speziellere Regelung dem § 8b Abs. 1 Satz 2–4 KStG vorgeht. 4. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG Nach § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG gilt Satz 2 nicht, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person erhöht hat und § 32a KStG auf die Veranlagung dieser nahe stehenden Person keine Anwendung findet.
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Siehe Fn. 8. BT-Drucks. 16/2712, S. 70. Vogel, DBA, 5. Aufl. 2008, Einl. Rdnr. 193 ff. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129 ff.; kritisch Gosch, IStR 2008, 414 ff. Vogel, a. a. O., Rdnr. 203.
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Nach der Gesetzesbegründung25 sollen zwar vGA beim Gesellschafter nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Änderung der vollen Besteuerung unterliegen, soweit sie bei der leistenden Körperschaft das Einkommen gemindert haben. Nach § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG sollen bestimmte26 (Hervorhebung durch den Verfasser) Dreieckskonstellationen von diesem Grundsatz ausgenommen werden, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung bereits bei einer nahe stehenden Person der Besteuerung unterlegen hat und die Veranlagung der nahe stehenden Person trotz § 32a EStG nicht geändert werden kann (z. B. weil die nahe stehende Person im Ausland ansässig ist). Satz 4 setzt voraus, dass die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person erhöht hat und § 32a KStG auf die Veranlagung dieser nahe stehenden Person keine Anwendung findet. Die Vorrausetzungen liegen im Ausgangsfall nicht vor. Aufgrund der Gruppenbesteuerung ergibt sich keine Einkommenserhöhung bei einer verbundenen Person. 5. Analoge Anwendung von § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG Als Zwischenergebnis lässt sich feststellen, dass bei Anwendung des Gesetzeswortlautes keine Steuerbefreiung des Dividendenbezuges bei M vorliegt. Da es der erklärte Wille des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung ist, Doppelbelastungen zu vermeiden, stellt sich die Frage, ob im Wege einer analogen Anwendung von § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG dieses Ziel erreicht werden kann27. Hierbei stellen sich jedoch einige steuermethodologische Grundsatzfragen, die nur auf Grundlage der einschlägigen steuerrechtlichen Methodenlehre beantwortet werden können28: Die Frage der analogen Anwendung von § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG soll daher an den jeweiligen Grundpositionen gespiegelt werden29. a) Positivistischer Ansatz Für den Steuerpositivismus ist das Steuergesetz der Normtext, Auslegungsgrenze ist der mögliche Wortsinn30. Auf den Punkt gebracht hat diese Position Flume, der von der „radikalen Positivität des Steuerrechts“ spricht31. Dies korrespondiert regelmäßig mit der Ansicht, dass der Gesetzgeber einen sehr weiten Beurteilungsspielraum bei der Frage habe, an welche Sachverhalte er eine Steuerpflicht knüpfen will. Der weite Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erlaubt ihm, materielle Steuerrechtsprinzipien durch einfach gesetzliche Grund-Entscheidungen beliebig bis zur Grenze des Exis-
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BT-Drucks. 16/3368, S. 16. BT-Drucks. 16/3368, S. 16. Becker/Kempf, DB 2008, 370 (376). Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007; ders., Kritik der steuerlichen Methodenlehre, StuW 2008, 206 ff.; kritisch Tipke, StuW 2008, 377. 29 Die Terminologie folgt Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 251 ff. 30 Schenke, StuW, a. a. O. 31 Zitiert nach Schenke, a. a. O., S. 208.
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tenzminimums zu durchbrechen32. Ob dies nach der neueren Judikatur des Bundesverfassungsgerichtes aufrecht erhalten bleiben kann, erscheint fraglich33. Auf positivistischer Grundlage scheidet eine Analogie vorliegend aus. b) Teleologischer Ansatz Der teleologische Ansatz blickt auf den Willen des Gesetzgebers. Der Wortlaut des Gesetzes ist nicht absolut verbindlich. Ist die Rechtsnorm nicht unmissverständlich, „so hat der Ausleger auf objektiv-teleologische Kriterien zurückzugehen, auch wenn sie dem Gesetzgeber selbst nicht voll bewusst gewesen sind.“34 Nach den Gesetzesmaterialien wollte der Gesetzgeber eine Einmalbelastung erreichen. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Durch die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG wird die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividendenausschüttungen zwischen Kapitalgesellschaften vermieden. Dies gilt auch für verdeckte Gewinnausschüttungen.“ Nach Becker/Kempf35 soll dies ausreichen, die Vorschrift auszudehnen. Zweifel sind indes angebracht, da die Gesetzesbegründung zu § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG davon spricht, „bestimmte“ Dreieckskonstellationen auszunehmen, wird der Wille des Gesetzgebers möglicherweise sichtbar, nicht alle Dreieckskonstellationen auszunehmen. Gleichwohl scheint hier ein Analogieschluss durchaus möglich, da der Wille des Gesetzgebers – weder Doppelbesteuerung, noch Doppelfreistellung – „objektiv-teleologisch“ ausreichend in der Gesetzesbegründung niedergelegt ist. c) Normativ-konstitutioneller Ansatz36 Auch für den normativ-konstitutionellen Ansatz ist die Auslegung von Steuergesetzen nicht auf den Wortlaut der Regelung beschränkt. Im Gegensatz zum teleologischen Ansatz sind für Verfechter des normativ-konstitutionellen Ansatzes weniger die durch den Gesetzgeber verfolgten Zwecke als die dem Gesetz zugrunde liegenden Werte und Prinzipien entscheidend37. Überwiegend wird aus systemtragenden Prinzipien versucht, gerechte Regeln abzuleiten38. Als Konsequenz wird aus diesem Ansatz neben dem Prinzip der finanziellen
__________ 32 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, Absatz-Nr. 38 ff., http://www.bverfg.de/entschei dungen/ls20081209_2bvl000107.html. 33 BVerfG, a. a. O., Absatz-Nr. 56 ff.; a. A. Nawrath, DStR 2009, 2 ff. 34 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 344. 35 Becker/Kempf, a. a. O., S. 376. 36 Terminologie nach Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2008, S. 320 ff. 37 Schenke, StuW 2008, 206. 38 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. 2000, S. 256 ff.
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Leistungsfähigkeit das Gebot der Folgerichtigkeit abgeleitet39. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes40. Auf dieser Grundlage ließe sich für den Ausgangsfall folgern, dass nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung eine einmalige Besteuerung sicherzustellen und eine Doppelbelastung zu vermeiden, der Analogieschluss möglich sein sollte. Jedoch ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten41. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen42. § 8 b Abs. 1 Satz 4 KStG scheint nach der Gesetzesbegründung nicht als typisierende Vorschrift gedacht zu sein. Vielmehr erscheint die überschießende Tendenz des § 8 b Abs. 1 Satz 2 KStG mit Hinzurechnungswirkung43 nicht ausreichend im Gesetzgebungsprozeß erkannt worden zu sein.
IV. Zusammenfassung In internationalen Dreiecksfällen entstehen durch die Neufassung des § 8b KStG wegen divergierender Steuersysteme wirtschaftliche Doppelbesteuerungen. Diese können je nach Sachverhalt zu erheblichen steuerlichen Mehrbelastungen führen. In vielstufigen Konzernen sind die potentiellen Sachverhalte kaum beherrschbar. Lediglich durch Auslegung kann hier eine Doppelbesteuerung vermieden werden. Da deren Reichweite im Steuerrecht nicht einhellig anerkannt ist, sollte der Gesetzgeber hier legislativ einschränkend eingreifen. Nach dem hier vorgestellten Fall sind Einschränkungen bei Gruppenbesteuerungssachverhalten und Selbstveranlagungssystemen geboten. Insoweit sind entsprechende Gesetzesinitiativen zu unterstützen44.
__________ 39 40 41 42 43 44
BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, FR 2009, 74 Absatz-Nr. 57. BVerfG, a. a. O. BVerfG, a. a. O., Absatz-Nr. 59. BVerfG, a. a. O., Absatz-Nr. 60. Frase, BB 2008, 2713 ff. (2713). Schreiben der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft vom 10.6.2008.
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Europäisierung und Internationalisierung der steuerlichen Gewinnermittlung Inhaltsübersicht I. Entwicklungslinien 1. Verfestigung der Maßgeblichkeit 2. Erosion der Maßgeblichkeit II. Bilanzrecht im Umbruch 1. Steuerneutrale Umsetzung der 4. EG-Bilanzrichtlinie 2. Abschottung des Einzelabschlusses 3. Objektivierung der steuerlichen Gewinnermittlung 4. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
IV. Initiativen der EU-Kommission 1. Anläufe im Zeitablauf 2. Grundkonzeption der CCCTB 3. Verwaltungsaspekte der CCCTB und politische Implikationen 4. Aufschnürung des Gesamtprojekts V. Nationale Perspektive 1. Das Aufbrechen der Einheitsbilanz 2. Eigenständige steuerliche Gewinnermittlungsregeln
III. Rolle des EuGH
I. Entwicklungslinien Das Verhältnis zwischen handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung wird in Deutschland seit mehr als 100 Jahren durch den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz geprägt1. Ungeachtet seiner ausschließlich steuerrechtlichen Verankerung in § 5 Abs. 1 EStG stellt dieser Grundsatz einen Eckpfeiler des geltenden deutschen Bilanzrechts dar, der in den letzten Jahren nicht zuletzt unter dem Einfluss der Globalisierung erheblich ins Wanken geraten ist. Dabei ist die Verbindung von handelsbilanzieller und steuerlicher Gewinnermittlung kein deutsches Spezifikum, vielmehr kennen auch viele ausländische Rechtsordnungen einen solchen Zusammenhang2. Dieser hat in Deutschland jedoch durch die ausdrückliche und umfassende gesetzliche Normierung in § 5 Abs. 1 EStG eine besondere Ausprägung erfahren3, die sich in mehreren Stufen entwickelt hat.
__________ 1 Vgl. umfassend zur Entwicklung der Maßgeblichkeit Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. II, Teilbd. 1, Stuttgart 1955; Pohl, Die Entwicklung des ertragsteuerlichen Maßgeblichkeitsprinzips, Köln 1983; Schmidt, Maßgeblichkeitsprinzip und Einheitsbilanz. Geschichte, Gegenwart und Perspektiven des Verhältnisses von Handels- und Steuerbilanz, Heidelberg 1994; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, Düsseldorf 2004. 2 Hierzu umfassend Schön (Hrsg.), Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, Köln 2005. 3 Zur Grundkonzeption des Maßgeblichkeitsprinzips Beisse, BB 1980, 637 ff.; Mathiak, DStR 1988, 274 ff.; Ballwieser, BFuP 1990, 477 ff.; Moxter, DStZ 2000, 157 ff.; Kußmaul/Klein, DStR 2001, 546; Müller, DStR 2001, 1858 ff.
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Auf die lang anhaltende und keinesfalls stetig verlaufende Verfestigung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes folgte eine kurze, aber heftige Erosion, die andauert und in deren Folge der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes erhebliche Einschränkungen erfahren hat. Da internationale und europäische Einflüsse diese Entwicklung maßgeblich geprägt haben, besteht eine unmittelbare Verbindung zu dem Schwerpunkt des wissenschaftlichen Schaffens unseres Jubilars, der zu den Pionieren des Internationalen Steuerrechts in Deutschland zählt und der daneben auch in der steuerpolitischen Diskussion maßgeblich mitgewirkt hat und auch hoffentlich weiterhin mitwirken wird. 1. Verfestigung der Maßgeblichkeit Basierte die Maßgeblichkeit bei ihrer Einführung auf der pragmatischen Erwägung, mit einer Einheitsbilanz handels- und steuerrechtliche Pflichten erfüllen zu können, so reichte diese bei Steuersätzen zwischen 3 % und 5 % überzeugende Erklärung nicht mehr aus, als die ESt-Sätze in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg deutlich anstiegen. Anstelle der Vereinfachung trat als materielle Rechtfertigung der Gedanke in den Vordergrund, der Fiskus dürfe als „stiller Gesellschafter“ hinsichtlich seiner Teilhabe am Erfolg des Unternehmens nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden als der Anteilseigner4. Die Maßgeblichkeit entwickelte sich damit zum Schutzinstrument für den Steuerpflichtigen gegen den übermäßigen Zugriff des Staates und im Gewande der umgekehrten Maßgeblichkeit auch zum Schutzinstrument für den Fiskus. Denn soweit dieser durch die Einräumung von Vergünstigungen auf Steuern verzichtet, müssen zumindest auch die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften einen Ausschüttungsverzicht üben. Der Anwendungsbereich der Maßgeblichkeit dehnte sich über den Ansatz dem Grunde nach auch auf die Bewertung aus, soweit dem kein steuerlicher Bewertungsvorbehalt entgegenstand5, und kulminierte in der umfassenden6 gesetzlichen Kodifizierung der umgekehrten Maßgeblichkeit, die im Jahr 1990 in das EStG integriert wurde7. Mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte in die Vermögensaufstellung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde die Maßgeblichkeit in ein weiteres Rechenwerk hinein verlängert8 und damit endgültig überdehnt. Die Phase der Erosion begann.
__________ 4 Grundlegend zur Teilhaberthese Döllerer, BB 1971, 1334; Groh, Der Kampf um das Maßgeblichkeitsprinzip, in FS für Dietrich Börner, Wiesbaden 1998, S. 177 ff. 5 Zur materiellen Maßgeblichkeit im Rahmen der Bewertung Stobbe, Die Verknüpfung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung. Maßgeblichkeitsausprägungen de lege lata et ferenda, Berlin 1991. 6 Zur Entwicklung des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG aus der Vorgängerschrift des § 6 Abs. 3 EStG s. Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG, Anm. 75 ff. 7 Vgl. Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990, BStBl. I 1989, 505; kritisch zur umgekehrten Maßgeblichkeit Wagner, StuW 1990, 3 ff.; Wassermeyer, DStJG 14 (1991), 29 ff. 8 Zur verlängerten Maßgeblichkeit Herzig, DB 1992, 1053 f.; Herzig/Benders, FR 1993, 670 ff.
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Europäisierung und Internationalisierung der Gewinnermittlung
2. Erosion der Maßgeblichkeit Während die fiskalisch motivierten Durchbrechungen der Maßgeblichkeit zunächst nur Randbereiche des Steuerbilanzrechts betrafen, wie etwa die Rückstellungen für Schutzrechtsverletzungen oder Jubiläumsverpflichtungen, setzten ab Mitte der 90er Jahre Entwicklungen ein, die einen gemeinsamen Kern hatten9. Die Verknüpfungen der einzelnen Rechenwerke wurden gelockert und abgebaut mit dem Ziel, den Zwecksetzungen der einzelnen Rechenwerke besser entsprechen zu können. Für die Steuerbilanz trat im Rahmen des internationalen Steuerwettbewerbs die Zielsetzung in den Mittelpunkt des Interesses, die Bemessungsgrundlage über die handelsrechtliche Ausgangsgröße hinaus zu verbreitern, um die nominellen Spitzensteuersätze ohne Einbußen beim Steueraufkommen absenken zu können. Für die Handelsbilanz erlangte die Orientierung an den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarkts zentrale Bedeutung, was zwangsläufig zu einem Spannungsverhältnis mit den Zielsetzungen der Kapitalerhaltung und der Steuerbemessung führen musste. Die unterschiedliche Bewertung der einzelnen Vermögensarten in der Erbschaftsteuer traf sogar das Verdikt der Verfassungswidrigkeit, womit das Ende der verlängerten Maßgeblichkeit besiegelt war10. Ihren legislatorischen Niederschlag fanden die aufgezeigten Entwicklungen in unterschiedlichen Steuergesetzen. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/200211 wurde eine Objektivierung der steuerlichen Gewinnermittlung angestrebt. Einen anderen wichtigen Einschnitt markiert das SEStEG12, mit dem für den wichtigen Bereich der Umwandlungen eine Abkehr vom Maßgeblichkeitsgrundsatz erfolgte und die Möglichkeit eröffnet wurde, trotz steuerlicher Fortführung der Buchwerte handelsbilanziell die stillen Reserven aufzudecken und damit dem Kapitalmarkt attraktive Bilanzen präsentieren zu können. Ihren vorläufigen Höhepunkt findet die Erosion der Maßgeblichkeit im geplanten Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts, das sich von dem Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit löst, um den Informationsgehalt der Handelsbilanz zu verbessern13. Unter dem Einfluss der europäischen und
__________ 9 Zu den Durchbrechungen der Maßgeblichkeit Eigenstetter, WPg 1993, 575 ff.; Schlotter, FR 2007, 951; Petersen/Zwirner, StuB 2008, 205 ff. 10 Vgl. zur Problematik der unterschiedlichen Bewertung verschiedener Vermögensarten in der Erbschaftsteuer Crezelius, DStR 2007, 415; Fuhrmann/Strahl, NJW 2007, 1415 ff.; Kessler/Märkle/Offerhaus, DB 2007, 1155 ff.; Meincke, NJW 2007, 586; Wachter, DB 2007, 821; Lang, StuW 2008, 189. 11 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402 ff.; hierzu Weber-Grellet, StuB 1999, 1289 ff.; Herzig, WPg 2000, 104 ff. 12 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG), BGBl. I 2006, 2782, ber. I 2007, 68; zur Maßgeblichkeit im Umwandlungsrecht Herzig, FR 1997, 123 ff.; Thiel, GmbHR 1997, 145 ff.; Weber-Grellet, BB 1997, 653 ff.; Widmann, Der Grundsatz der Maßgeblichkeit im Umwandlungsrecht, in FS für Heinrich Beisse, Düsseldorf 1997, S. 571 ff. 13 Siehe Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, DStR 2008, 1057 ff.; Ernst/Seidler, ZGR 2008, 631 ff.; Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 ff.; Herzig, DB 2008, 1 ff.; Weber-Grellet, DB 2008, 2451 ff.
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internationalen Entwicklungen, die es im Folgenden zu erörtern gilt, dürfte dieser Schritt noch nicht den Endpunkt der Entwicklung markieren. Die Aufgabe der gesetzestechnischen Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
II. Bilanzrecht im Umbruch Sehr aufschlussreich für die Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung sind die einzelnen Entwicklungsstufen des zunächst vollständig national geprägten deutschen Bilanzrechts. 1. Steuerneutrale Umsetzung der 4. EG-Bilanzrichtlinie Mit der vierten gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie wurde zwar ursprünglich eine Harmonisierung der Rechnungslegung in der Europäischen Gemeinschaft angestrebt. Im Ergebnis hat man sich jedoch nicht zu einer materiellen Harmonisierung durchringen können, sondern vielmehr das Ziel verfolgt, durch die Verankerung entsprechender Mitgliedstaatenwahlrechte den Status quo zu wahren. In Deutschland stand die Umsetzung dieser EG-Richtlinie durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985 unter dem Postulat der Steuerneutralität14. Wegen dieser Steuerneutralität durfte die Umsetzung zumindest im Bereich der Bilanzierung und Bewertung keine gravierenden Veränderungen ggü. dem vorangegangenen Rechtszustand bringen, um die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht zu verändern. Mit dieser Entscheidung wurde die Entwicklung des Bilanzrechts primär an ihren Folgen für die steuerliche Gewinnermittlung gemessen, während die europäische Harmonisierung der Rechnungslegung auf der Strecke blieb. Wie sich später herausstellte, waren die internationalen Herausforderungen mit einer derart defensiv angelegten Strategie nicht zu bewältigen. Trotzdem war das Bilanzrichtliniengesetz für die Konkretisierung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes von zentraler Bedeutung, da mit diesem Gesetz bis dahin weitgehend nicht kodifizierten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kodifiziert und damit konkretisiert worden sind. 2. Abschottung des Einzelabschlusses Dem zunehmenden Informationsbedarf des Kapitalmarktes konnte mit den Jahresabschlüssen auf der Grundlage des Bilanzrichtliniengesetzes nicht entsprochen werden. Mit dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz15 wurde eine
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14 Vgl. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BGBl. I 1985, 2355; insbesondere zum Aspekt der Steuerneutralität Herzig, WPg 2000, 107; ebenso zum Bilanzrichtliniengesetz Weber, DB 1988, 1 ff.; Chmielewicz in FS für Walther Busse von Colbe, Wiesbaden 1988, S. 53 ff.; Baetge/Hense, DStZ 1987, 378; Weber, Stbg 1987, 172. 15 Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG), BGBl. I 1998, 707.
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Spaltung der Rechnungslegung eingeleitet; neben den informationsorientierten Konzernabschluss nach den Regeln der internationalen Rechnungslegung trat der ausschüttungs- und steuerorientierte Einzelabschluss nach traditionellen HGB-Grundsätzen. Diese Differenzierung diente dem Zweck, den Einzelabschluss und damit die steuerliche Gewinnermittlung gegenüber Einflüssen der internationalen Rechnungslegung abzuschotten. Damit wurde die Maßgeblichkeit als „Bollwerk gegen Internationalisierungstendenzen“16 im Einzelabschluss in Stellung gebracht. In der Gesetzesbegründung zum Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz wird ausgeführt: „Das deutsche Vorsichtsprinzip hat sich bewährt. Es ist Grundlage der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung. Seine Aufgabe wäre nicht nur für die mittelständische Wirtschaft nachteilig. Seine Aufgabe oder Einschränkung kommt daher nicht in Frage.“17
Diese Vorgehensweise wirft zwangsläufig die Frage auf, ob die Abschottung des Einzelabschlusses in Verbindung mit einem strikten Festhalten am Maßgeblichkeitsgrundsatz einen zukunftsweisenden Ansatz darstellt18. Die weitere Entwicklung im Steuerbilanz- und Handelsrecht ist einen anderen Weg gegangen, nicht zuletzt getrieben durch den internationalen Steuerwettbewerb und das Vordringen der internationalen Rechnungslegungsstandards19. 3. Objektivierung der steuerlichen Gewinnermittlung Im Zuge des fortschreitenden internationalen Steuerwettbewerbs richtete sich der Blick auch des deutschen Steuergesetzgebers im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf die Absenkung des Unternehmensteuersatzes auf höchstens 35 %, wobei ein Teil der Gegenfinanzierung durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage angestrebt wurde. Mit dieser Ausweitung der Steuerbasis zugunsten einer Absenkung der nominellen Steuersätze hat der Gesetzgeber im Bereich der Unternehmensbesteuerung einen Paradigmenwechsel vollzogen, der insbesondere die Funktion des Maßgeblichkeitsprinzips entwertet, einen Schutz vor einer übermäßigen Besteuerung zu gewährleisten20. Die Distanzierung vom Maßgeblichkeitsgrundsatz kommt auch in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck, die wegen der Kehrtwendung gegenüber dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz wörtlich zitiert wird:
__________ 16 Vgl. Selchert in FS für Lutz Fischer, Berlin 1999, S. 914. 17 BT-Drucks. 13/7141, 8. 18 Kritisch hierzu Schreiber, Rechnungslegung im Einzelabschluss nach internationalen Grundsätzen, in FS für Lutz Fischer, Berlin 1999, S. 879 ff.; Heyd, ZfB 2001, 377 ff. 19 Vgl. für eine Darstellung der Grundmodelle der Anbindung an eine HGB-Kapitalerhaltungsbilanz sowie die Modelle einer IAS/IFRS-Maßgeblichkeit und eines eigenständigen Steuerbilanzrechts Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 29 ff.; hierzu ebenfalls Herzig/Bär, DB 2003, 3. 20 Vgl. zu den Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz Hennrichs, StuW 1999, 138 ff.; Schmitz, DB 1999, 1974 f.; Weber-Grellet, DB 2000, 165; Kußmaul, DStR 2001, 546.
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Damit hat der deutsche Gesetzgeber eine deutliche Veränderung der Weichenstellung vorgenommen. Materiell hat der Maßgeblichkeitsgrundsatz als tragender Eckpfeiler des deutschen Bilanzrechts erheblich an Bedeutung eingebüßt. Formal wird zwar an der Maßgeblichkeit festgehalten, die wegen der materiellen Aushöhlung jedoch immer mehr zu einer subsidiären Maßgeblichkeit degeneriert, die nur zur Anwendung kommt, soweit keine abweichenden Regeln vorgehen. 4. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Mit dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wird eine weitere Einschränkung der Maßgeblichkeit in personeller und sachlicher Hinsicht angestrebt. Im Zuge der Deregulierung ist beabsichtigt, kleine Einzelkaufleute von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht zu befreien. Wird diese Möglichkeit genutzt, fehlt es an einer handelsrechtlichen Bilanzierung, an die steuerlich angeknüpft werden kann. Vielmehr ist der Weg in die steuerliche Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorgezeichnet, die ohne Maßgeblichkeit auskommt. Damit zeichnet sich eine Dreiteilung der Rechnungslegung ab, die zwischen Überschussrechnern nach § 4 Abs. 3 EStG, HGB-Bilanzierern im Einzel- und Konzernabschluss sowie IFRS/HGB-Doppelbilanzierern im IFRSKonzern- und HGB-Einzelabschluss unterscheidet, während die im HGB angelegte Differenzierung zwischen allen Kaufleuten und Kapitalgesellschaften wegen der Einschränkung der Wahlrechte an Bedeutung verliert22. In sachlicher Hinsicht strebt das BilMoG eine Einschränkung der Maßgeblichkeit mit dem Ziel an, die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu verbessern23, wozu insbesondere die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit beiträgt, da die steuerliche Deformation der Handelsbilanz beseitigt wird. Auch mit der Einführung neuer Elemente in die handelsrechtliche Rechnungslegung, wie der Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände und der Rückstellungsbewertung, entfernt sich die Handelsbilanz immer stärker von der Steuerbilanz. Dieser Abstand wird auch nicht entscheidend durch die Tatsache reduziert, dass mit dem BilMoG un-
__________ 21 BT-Drucks. 14/23, 170; vgl. auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/265, 128. 22 Hierzu Herzig, DB 2008, 1 ff. 23 Vgl. Ernst/Seidler, ZGR 2008, 631 ff.; Herzig, DB 2008, 1 ff.; Herzig, DB 2008, 1339; Küting/Kessler/Keßler, WPg 2008, 748 ff.
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zeitgemäße handelsrechtliche Wahlrechte abgeschafft werden, da diese Wahlrechte im Rückstellungs- und Bewertungsbereich schon bisher nur von begrenzter praktischer Relevanz waren, da sie steuerlich keine Anerkennung gefunden haben. Mit der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob die Entwicklung bei einer Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit stehen bleiben kann oder ob nicht vielmehr auch eine Aufgabe der materiellen Maßgeblichkeit geboten ist. Diese Problematik wird sehr deutlich in der Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG angesprochen: „Die Informationsfunktion der Handelsbilanz tritt in den Vordergrund und das Realisationsprinzip als Gradmesser der steuerlichen Leistungsfähigkeit wird punktuell modifiziert. Daher wird zu analysieren sein, ob zur Bewahrung einer nach der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung und auch im Hinblick auf die Bestrebungen zur Schaffung einer einheitlichen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage auf EU-Ebene eine eigenständige steuerliche Gewinnermittlung notwendig ist und erforderlichenfalls, wie sie zu konzipieren ist.“24
In dieser Aussage deutet sich eine neue Perspektive für die steuerliche Gewinnermittlung an. Erwogen werden eine Abkopplung der steuerlichen Gewinnermittlung von der handelsrechtlichen Rechnungslegung und eine Hinwendung zu einer europäischen Lösung, die zwangsläufig nicht an die nationale Rechnungslegung eines EU-Mitgliedstaates anknüpfen kann. Damit ist die EUPerspektive angesprochen, die durch einen Blick auf die einschlägigen EuGHEntscheidungen zum Bilanzrecht und die Aktivitäten der EU-Kommission beleuchtet werden soll.
III. Rolle des EuGH Der in Deutschland zu beobachtenden Abschottung des Einzelabschlusses und damit der steuerlichen Gewinnermittlung gegenüber europäischen und internationalen Einflüssen ist bereits der Europäische Gerichtshof insbesondere in den Entscheidungen Tomberger25 und BIAO26 entgegengetreten. In der Tomberger-Entscheidung ist der Europäische Gerichtshof erstmals auch im Bilanzrecht auf den Plan getreten. In methodischer Hinsicht verdeutlicht das Urteil eindrucksvoll die Bedeutung des Europarechts als Rechtsquelle des Bilanzrechts. Der Europäische Gerichtshof zeigt die europäischen Wurzeln des deutschen Handelsbilanzrechts auf, soweit mit dem Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.198527 die Umsetzung der 4. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie28 in
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24 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 34. 25 EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94 – Tomberger, EuGHE I 1996, 3145 ff. 26 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 – BIAO, EuGHE I 2003, 1 ff. 27 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BGBl. I 1985, 2355. 28 Vierte Richtlinie des Rates v. 25.7.1978, 78/660/EWG, ABl. Nr. L 222 v. 14.8.1978, 11–13.
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nationales Recht erfolgt. Die allenthalben propagierte richtlinienkonforme Auslegung der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der übrigen Einzelnormen war bisher mehr eine leere Hülse denn bilanzrechtliche Praxis. Mit der Tomberger-Entscheidung ist die europäische Dimension des Bilanzrechts verdeutlicht worden, die über den Maßgeblichkeitsgrundsatz auch steuerliche Relevanz erlangen kann. Inhaltlich ist an dieser Entscheidung bemerkenswert, dass der EuGH der vom Generalanwalt Tesauro vertretenen rein zivilrechtlichen Betrachtungsweise29 im Bilanzrecht eine Absage erteilt hat. Damit kann auch aus Sicht des europäischen Bilanzrechts an der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Instrument der teleologischen Gesetzesauslegung festgehalten werden30. In einem noch weitergehenden, heftig umstrittenen Schritt hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache BIAO sogar die handels- und damit auch steuerliche Relevanz der Internationalen Rechnungslegungsstandards betont. Nach dieser Entscheidung können die Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) in ergänzender Weise bei der Auslegung handelsbilanzieller und damit über das Maßgeblichkeitsprinzip auch steuerbilanzieller Fragestellungen herangezogen werden31. Rechtlich ist dieser mittelbare Einfluss der IFRS auf die steuerliche Gewinnermittlung zwar außerordentlich problematisch, faktisch aber insbesondere bei neuartigen Problemfeldern, wie beispielsweise dem Hedge-Accounting, kaum auszuschließen. Von Problemlösungen, die der Weltstandard IFRS vorsieht, geht stets eine gewisse Sogwirkung aus, die nur durch eine abweichende spezialgesetzliche Regelung sicher unterbunden werden kann. Trotz der aufgezeigten Einwirkungen auf die steuerliche Gewinnermittlung ist der Europäische Gerichtshof nicht in der Lage, eine Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung in der EU voranzutreiben. Diese Aufgabe obliegt der EU-Kommission.
IV. Initiativen der EU-Kommission Die von der Zersplitterung der steuerlichen Gewinnermittlung in der EU ausgehenden Probleme für die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen haben bereits frühzeitig die Frage laut werden lassen, ob nicht eine Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung im Binnenmarkt sachgerecht wäre, obgleich
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29 Vgl. hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts Guiseppe Tesauro v. 25.1.1996, EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94 – Tomberger, EuGHE I 1996, 3135; weitergehend zu den Schlussanträgen: Felix, ZIP 1996, 396.; Herzig, DB 1996, 1401; Hoffmann, BB 1996, 581; Schulze-Osterloh, ZIP 1996, 1453; Kropff, ZGR 1997, 116. 30 Vgl. Herzig/Rieck, IStR 1998, 315; Weber-Grellet in Herzig (Hrsg.), Europäisierung des Bilanzrechts, 1997, S. 96; Weber-Grellet, DStR 1996, 1094; DB 1996, 2089; zu einer Analyse der „Tomberger-Entscheidung“ hinsichtlich der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vgl. Böcking in FS für Heinrich Beisse, Düsseldorf 1997, S. 85 ff.; des Weiteren zur „Tomberger-Entscheidung“ Herzig, WPg 2000, 107; Wassermeyer, GmbHR 2000, 1111; Hofmeister, BB 1997, 1578; Moxter in Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997, S. 487 ff.; Forster, AG 1996, 419. 31 Vgl. Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, 268; Christiansen, DStR 2007, 1178 ff.; Hennrichs, NZG 2005, 783; Scheffler, StuB 2003, 298 ff.
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der EG-Vertrag keinen unmittelbaren Harmonisierungsauftrag für den Bereich der direkten Steuern enthält32. 1. Anläufe im Zeitablauf Bereits im März 1988 hat die EU-Kommission den Vorentwurf zu einer Richtlinie über die Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung vorgelegt, der jedoch wieder zurückgezogen wurde, da die Zeit für einen solchen Schritt noch nicht reif war. Dieser Entwurf orientierte sich weitgehend an den Vorschriften der 4. EG-Richtlinie33. Mit den Leitlinien zur Unternehmensbesteuerung vom 23.4.1990 ließ die Kommission erkennen, dass sie zwar die Notwendigkeit einer Harmonisierung der nationalen Systeme der Unternehmensbesteuerung sieht, sich zunächst aber wegen des Subsidiaritätsprinzips auf einzelne, eng begrenzte Harmonisierungsvorhaben beschränken will, die zur Vollendung des Binnenmarkts unerlässlich erscheinen34. Im Jahr 2001 hat die EUKommission eine neue Initiative gestartet und in ihrer Mitteilung „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ eine Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten in der EU formuliert35. Die Diskussion konzentrierte sich sehr schnell auf zwei von der EU-Kommission vorgestellte Modelle, nämlich die Home State Taxation und die Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB)36. Da die Home State Taxation die Zersplitterung der steuerlichen Gewinnermittlung in der EU nicht überwindet, sondern das Nebeneinander von 27 unterschiedlichen steuerlichen Gewinnermittlungssystemen perpetuiert, wurde die Common Consolidated Corporate Tax Base favorisiert37.
__________ 32 Schön in Schön (Hrsg.), Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, Köln 2005, S. 113. 33 Vgl. Herzig in Ahlert/Franz/Göppl (Hrsg.), FS für Herbert Vormbaum, Wiesbaden 1990, S. 189 ff.; Kuiper, European Taxation, October 1988, S. 319 ff. 34 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung […] über Leitlinien zur Unternehmensbesteuerung, SEK (1990) 601 endg., BR.-Drs. 360/90; Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, Wiesbaden 2002, S. 89; Herzig/Rieck, IStR 1998, 320. 35 Vgl. Europäische Kommission, Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse vom 23.10.2001, COM (2001) 582, BR-Drucks. 971/01; hinsichtlich des Grundgedankens der Anwendung einer formelhaften Gewinnaufteilung Sievert, Konzernbesteuerung in Deutschland und Europa, Düsseldorf 2006, S. 36; Cockfield, Canadian Tax Journal 2004, 116; Oestreicher, StuW 2002, 348; Fernandez/Pope, Revenue Law Journal 2002, S. 124; Salzberger, IStR 1999, 98; Harms/Küting, BB 1982, 447. 36 Vgl. Herzig, StuW 2006, 158. 37 Zur Problematik des Nebeneinanders unterschiedlicher Steuersysteme beim Modell der Home State Taxation vgl. Sørensen, International Tax and Public Finance 11/2004, S. 92; hinsichtlich einer Darstellung der Funktionsweise der Home State Taxation Witt, Die Konzernbesteuerung. Vorschlag zur Fortentwicklung des Rechts der steuerlichen Organschaft, Köln 2006, S. 77 f.; Frebel, Erfolgsaufteilung und -besteuerung im internationalen Konzern, Lohmar 2006, S. 84; Bovenberg/Cnossen/ De Mooij, International Tax and Public Finance 2003, S. 621; Gammie, ET 2004, 38; Hellerstein/McLure, BIFD 2004, 86; McLure, BIFD 2002, 588; Plasschaert, ET 2002, 9; Lodin/Gammie, Home State Taxation, 2001, S. 21 ff.
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2. Grundkonzeption der CCCTB Von der Kommission ist im Jahr 2004 eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, deren Aufgabe darin besteht, einen Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu erarbeiten. Der ursprüngliche Plan war, im September 2008 einen Richtlinien-Entwurf vorzulegen, der Grundlage der weiteren fachlichen und politischen Diskussion sein sollte. Obwohl die Arbeiten an dem Konzept einer CCCTB weit fortgeschritten sind, hat die Kommission angekündigt, dass zur Lösung der aufgetretenen Probleme mehr Zeit erforderlich ist und deswegen die Veröffentlichung des RichtlinienEntwurfs hinausgeschoben werden muss. Es bleibt zu hoffen, dass diese wichtige Initiative damit nicht im Sande verläuft, sondern Anstöße zu einer Harmonisierung der Gewinnermittlung liefert. Im Rahmen der CCCTB wird im ersten Schritt eine einheitliche steuerliche Gewinnermittlung in den Mitgliedstaaten angestrebt, wobei die IFRS als starting point herangezogen werden38, da sie in allen Mitgliedstaaten über die IASVerordnung39 der EU geltendes Recht darstellen und eine geeignete Plattform für die Ableitung sachgerechter steuerlicher Gewinnermittlungsregeln bilden. Bedeutsam ist jedoch, dass sich die Harmonisierung auf die Tax Base erstreckt und damit nicht auf das klassische Steuerbilanzrecht beschränkt, sondern eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage anstrebt und folglich auch alle außerbilanziellen Korrekturen einbeziehen muss. Letztlich müssen alle Einwirkungen auf die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage einschließlich des Umwandlungssteuerrechts vereinheitlicht werden40. Die im zweiten Schritt angestrebte Konsolidierung beschränkt sich auf eine Eliminierung der Zwischengewinne, dagegen ist eine Kapital- und Schuldenkonsolidierung nicht beabsichtigt. Damit bleiben auch die Anteile an konsolidierten Gesellschaften als steuerliche Größen erhalten mit der Folge, dass ein Asset- und ein ShareDeal im Konzern weiterhin unterschiedliche steuerliche Konsequenzen entfalten41. Zur Reallokation der einheitlichen Bemessungsgrundlage auf die unverändert steuerpflichtigen Gesellschaften in den Mitgliedstaaten soll ein Sharing-Mechanismus herangezogen werden, der sich in Grenzen an interna-
__________ 38 Vgl. zur Bedeutung der IAS/IFRS im Sinne eines starting points Kahle/Dahlke/ Schulz, StuW 2008, 279; Spengel, IStR 2003, 35; zur Sachgerechtigkeit des Heranziehens der IAS/IFRS Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer in der Europäischen Union, Schriftenreihe des BMF, Heft 81, 2007. 39 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (sog. IAS-Verordnung), ABl. EG Nr. L 243, 11.9.2002, 1. 40 Vgl. insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Rahmen der CCCTB Durst, Tax Notes International 2007, S. 1044; Spengel/Wendt, ZEW Discussion Paper 07-043, 2007, S. 7; Spengel, EC Tax Review 2007, 118 f.; Rhode, Tax Planning International Review 11/2007, 9; Hellerstein/McLure, BIFD 2004, 87; Mintz, CESifo Forum 1/2002, S. 7; Oestreicher, StuW 2002, 347. 41 Zur Konsolidierung im Rahmen der CCCTB s. die Beiträge von Herzig und Oestreicher in Lang u. a. (Hrsg.), Common Consolidated Corporate Tax Base, Wien 2008, S. 517 ff. u. S. 547 ff.
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tionalen Vorbildern orientieren kann und auf die drei unternehmensbezogenen Faktoren Löhne und Zahl der Arbeitskräfte, eingesetztes Vermögen sowie Umsätze abstellt42. Beim eingesetzten Vermögen ist die Einbeziehung immaterieller Vermögenswerte problematisch und bei den Umsätzen stellt sich die Frage, ob auf das Ursprungs- oder Bestimmungslandprinzip abgestellt werden soll43. Daneben werfen die Drittlandbeziehungen außerordentlich schwierige Probleme auf, die bei der Existenz unterschiedlicher Außen-DBA der Mitgliedstaaten nur schwer in den Griff zu bekommen sind. 3. Verwaltungsaspekte der CCCTB und politische Implikationen Um die Effizienz der Abwicklung zu verbessern, wird ein One-Stop-Shop angestrebt, wobei ein Principle-Tax Payer einer Gruppe mit einer Principle-Tax Authority in Verbindung tritt44. Neben vielen institutionellen Fragen stellt sich hier das Grundproblem, ob zwischen den Finanzverwaltungen der verschiedenen Mitgliedstaaten das notwendige Vertrauen besteht, ohne das ein solches System nicht praktiziert werden kann. Neben den schwierigen technischen Fragen sind auch im politischen Bereich viele Aspekte heftig umstritten. Die Einwendungen reichen von einer grundsätzlichen Ablehnung wegen des Subsidiaritätsprinzips45 bis zu Vorbehalten in einer ganzen Reihe von Punkten, wie beispielsweise der Ablehnung einer Optionalität46, der Forderung nach Mitwirkung aller Mitgliedstaaten47, der Einführung von Mindeststeuersätzen48 und dem Abschluss einheitlicher Außen-DBA49, um nur einige Beispiele zu nennen. Hinzu treten nationale Probleme, wie beispielsweise aus deutscher Sicht die Zukunft der Gewerbesteuer und die Einbeziehung von Personengesellschaften. Wegen dieser Vorbehalte ist mit einer kurz- und mittelfristigen
__________ 42 Vgl. hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgabe einer fairen Aufteilung auf die Bundesstaaten in den USA Joondeph, Fordham Law Review 2002, 149; für das Beispiel des US-Bundesstaates Georgia Edmiston, Fiscal Research Program Report No. 55, Georgia State University, 2001, S. 3 ff.; ebenso in Bezug auf die USA Becker/ Fink/Jacob, Unternehmerische Tätigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1988, S. 180 f. 43 Vgl. zur Problematik der Einbeziehung immaterieller Vermögenswerte in den Aufteilungsmechanismus im Rahmen einer formelhaften Gewinnaufteilung AgúndezGarcía, The delineation and apportionment of an EU consolidated tax base for multijurisdictional corporate income taxation, European Commission, Directorate General Taxation and Customs Union, EU Taxation Working Paper Nr. 9/2006, S. 50. 44 Vgl. Herrera/Mantero in Lang u. a. (Hrsg.), Common Consolidated Corporate Tax Base, Wien 2008, S. 1069 ff. 45 Vgl. Hrehorovska, Intertax 2006, 163. 46 Vgl. Hey in Lang u. a. (Hrsg.), Common Consolidated Corporate Tax Base, Wien 2008, S. 93. 47 Vgl. zur Problematik einer Mitwirkung von nur wenigen Staaten Hey, EU Common Consolidated Corporate Tax Base: Guided Variety vs. Strict Uniformity – Lessons from the „U. S. States’ Tax Chaos”, Jean Monnet Working Paper 02/08, NYU School of Law, S. 38. 48 Vgl. Spengel, EC Tax Review 3/2007, 118 ff. 49 Für eine einheitliche Regelung im Verhältnis zu Drittstaaten Spengel, IStR 2008, 556 ff.
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Umsetzung dieses Konzepts kaum zu rechnen, womit die Gefahr verbunden ist, dass auch diese wichtige Initiative der Kommission im Bereich der direkten Steuern scheitern könnte. 4. Aufschnürung des Gesamtprojekts Da es offenkundig mit ganz erheblichen Risiken verbunden ist, nur die geschlossene Umsetzung der gesamten CCCTB-Richtlinie als einzige Option zu verfolgen, sollte der Vorschlag aufgegriffen werden, das Gesamtprojekt in kleinere Einheiten aufzuteilen, die eigenständig, aber unter Wahrung der gesamten Konzeptidee umgesetzt werden können50. Als solche Teilprojekte können die einheitliche steuerliche Gewinnermittlung, die Schaffung einheitlicher AußenDBA sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten genannt werden. Die gegenwärtigen Probleme innerhalb der EU mit dem Informationsaustausch zeigen, welcher Weg noch zurückgelegt werden muss bis zu einer funktionierenden Koordination im Rahmen einer CCCTB. Die Zerlegung des gesamten Projektes in Teilschritte würde es der Kommission und den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglichen, bereits Schritte auf dem Weg zu einer Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung zu unternehmen, ohne das Gesamtziel aus dem Auge zu verlieren.
V. Nationale Perspektive Führt man die bisher diskutierten verschiedenen Entwicklungslinien zusammen, so ergeben sich für die Bilanzierungspraxis und die Bilanzgesetzgebung in Deutschland insbesondere zwei Perspektiven, nämlich – das Aufbrechen der Einheitsbilanz in eine getrennte Handels- und Steuerbilanz – die Entwicklung eines eigenständigen steuerlichen Gewinnermittlungsgesetzes, möglichst im europäischen Kontext. 1. Das Aufbrechen der Einheitsbilanz Spätestens mit dem Inkrafttreten des BilMoG dürften die Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz ein solches Ausmaß erreichen, dass das Leitbild einer Einheitsbilanz mit der einfachen Überleitung zum steuerlichen Ergebnis endgültig der Vergangenheit angehört. Diese Praxis kann allenfalls noch bei kleineren Unternehmen Anwendung finden, die nicht die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG wählen oder wählen können. Schon bei mittelgroßen Unternehmen erscheint die Erstellung einer gesonderten Steuerbilanz unverzichtbar, da zu den bereits bisher bestehenden Unterschieden zwischen Handels- und Steuerbilanz noch folgende Abweichungen hinzutreten:
__________ 50 Vgl. Herzig, StuW 2006, 163 f.; Mayr, SWI 2008, 289.
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– Abweichungen aufgrund der Inanspruchnahme steuerlicher Wahlrechte wegen des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit51, – Fair-Value-Ansatz in der Handelsbilanz für Finanzinstrumente, die zu Handelszwecken erworben werden, während steuerlich die Anschaffungskosten die Wertobergrenze bilden52, – Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz bei steuerlichem Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG53, – Abweichende Konzeption bei der Rückstellungsbewertung; Stichtagswert und Abzinsung mit dem gesetzlich fixierten Zinssatz von 5,5 % in der Steuerbilanz und künftiger Erfüllungsbetrag sowie Abzinsung mit einem durchschnittlichen Marktzinssatz in der Handelsbilanz, was insbesondere bei längerfristigen Rückstellungen zwingend zu Abweichungen führen muss54. Zwar enthält das BilMoG auch Regelungen, die zu einer Annäherung von Handels- und Steuerbilanz führen, wie die Abschaffung unzeitgemäßer Wahlrechte bei Abschreibungen und Rückstellungen sowie die Angleichung der Bewertungsuntergrenzen bei den Herstellungskosten. Aber diese handelsrechtlichen Abweichungen sind wegen ihrer fehlenden steuerlichen Anerkennung in der gegenwärtigen Bilanzierungspraxis nur von untergeordneter Bedeutung. Dagegen verstärken Abweichungen in Detailfragen künftig das Auseinanderklaffen von Handels- und Steuerbilanz. Genannt seien hier die steuerlich fingierte Abschreibungsdauer von 15 Jahren beim erworbenen Geschäfts- und Firmenwert, die nur in Extremfällen der betriebsindividuellen Nutzungsdauer entspricht, die für die Handelsbilanz heranzuziehen ist55; die Notwendigkeit voraussichtlich dauernder Wertminderungen bei steuerlichen Teilwert-Abschreibungen im Umlaufvermögen, während handelsrechtlich auch eine vorübergehende Wertminderung eine Abwertungspflicht begründet56; die unterschiedliche Konzeption bei der Wertaufholung, die sich beim erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert steuerlich in der Fortgeltung der Einheitstheorie manifestiert, während das BilMoG eine Wertaufholung beim Geschäfts- und Firmenwert verbietet57. Diese Ausweitung der Abweichungen an Zahl und Gewicht, deren Nachvollzug im Zeitablauf gewährleistet sein muss, dürfte abgesehen von kleineren Unternehmen faktisch die Erstellung einer gesonderten Steuerbilanz erzwingen. Bei Kapitalgesellschaften spricht für eine gesonderte Steuerbilanz auch die
__________ 51 Hierzu Herzig, DB 2008, 1 ff. 52 Siehe Wiechens/Helke, DB 2008, 1334 ff. 53 Weiterführend Hennrichs, DB 2008, 540; Mindermann, WPg 2008, 276; Fülbier/ Gassen, DB 2007, 2609. 54 Siehe Theile/Stahnke, DB 2008, 1757 ff. 55 Im Zweifel für eine Heranziehung der 15 Jahre als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer im Handelsrecht Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 152 ff. (156); zurückhaltend Günkel, Ubg 2008, 129. 56 Hierzu weiterführend Günkel, Ubg, 2008, 126 ff. (133). 57 Siehe Herzig, DB 2008, 1344; für ein steuerliches Wertaufholungsverbot Günkel, Ubg 2008, 129.
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Notwendigkeit, latente Steuern nach dem Temporary-Konzept ausweisen zu müssen, soweit keine kleine Kapitalgesellschaft gegeben ist. Die im Temporary-Konzept notwendige Gegenüberstellung von handelsbilanziellem Buchwert und Steuerwert erzwingt faktisch die Erstellung einer gesonderten Steuerbilanz58. Technisch stellt sich die Frage, ob die eigenständige Steuerbilanz auf einem eigenen Buchführungskreis basiert oder durch eine Überleitung aus der handelsrechtlichen Buchführung ermittelt werden kann. 2. Eigenständige steuerliche Gewinnermittlungsregeln Betrachtet man die Aktivitäten des deutschen Gesetzgebers im Zeitablauf vor dem aufgezeigten internationalen Hintergrund, so zeigt sich sehr deutlich, dass der Maßgeblichkeitsgrundsatz zwischen der Internationalisierung der Rechnungslegung und dem internationalen Steuerwettbewerb zerrieben wird und zu einer subsidiären Maßgeblichkeit degeneriert, die keine Orientierung in dem sich auflösenden Bilanzsteuerrecht bietet. Eine systematische Neuordnung des Steuerbilanzrechts ohne Bindung an die Handelsbilanz erscheint geboten. Ein solcher Schritt zur Fortentwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung in Deutschland wird in dem Koalitionsvertrag angesprochen, den CDU/CSU und SPD am 11.11.2005 abgeschlossen haben. Dort wird in dem Abschnitt über die Reform der Unternehmensbesteuerung ausgeführt: „Wesentliches Element einer grundlegenden Unternehmensteuerreform wird auch die steuerliche Gewinnermittlung sein. Die Arbeit auf EU-Ebene zur Schaffung einer einheitlichen konsolidierten Bemessungsgrundlage werden wir aktiv mitgestalten, um ein modernes und wettbewerbsfähiges Bilanzsteuerrecht zu entwickeln.“59
In dieser Aussage kommt eine deutliche Hinwendung zu einer Europäisierung der steuerlichen Gewinnermittlung zum Ausdruck, die naturgemäß einhergehen muss mit einer Lockerung der Bindung an das nationale Handelsbilanzrecht, die auch nicht durch eine vergleichbare Bindung an die IFRS substituiert werden kann. Denn die Verwendung der IFRS als starting point dient nur zur Schaffung einer gemeinsamen Ausgangsposition und ist nicht im Sinn einer formalen Anknüpfung zu verstehen, die IFRS werden vermutlich nicht einmal zur Lückenfüllung herangezogen werden können. In der Unternehmensteuerreform 2008 konnte die im Koalitionsvertrag formulierte Zielsetzung noch nicht umgesetzt werden, da die steuerliche Gewinnermittlung ausgeklammert wurde60. Aber mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wird in Deutschland der Graben zwischen Handels- und Steuerbilanz weiter vertieft – nicht zuletzt durch die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit. Zusätzlich ist
__________
58 In diesem Sinne auch Loitz, DB 2008, 1389 ff. 59 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, 11.11.2005, online im Internet: http:// www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/koalitionsvertrag,property=publica tionFile.pdf, S. 82. 60 Vgl. zur Unternehmensteuerreform 2008 Herzig in Herzig u. a. (Hrsg.): Handbuch Unternehmensteuerreform 2008, Münster 2008, S. 1 ff.; Rödder in Schaumburg/ Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, München 2007, S. 352 ff.
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in die Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG der Auftrag aufgenommen worden, die Notwendigkeit einer eigenständigen steuerlichen Gewinnermittlung zu prüfen, deren Ausgestaltung in Verbindung gebracht wird mit den Überlegungen zur einheitlichen konsolidierten körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage auf EU-Ebene61. Auch wenn sich die Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs der EU zur CCCTB verzögert und selbst die Umsetzung im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit höchst ungewiss ist, sollten zumindest die Gewinnermittlungsregeln daraufhin überprüft werden, ob sie einen geeigneten Ausgangspunkt für eine eigenständige steuerliche Gewinnermittlung darstellen. Bei allen Unwägbarkeiten des Konsolidierungs- und Aufteilungsmechanismus könnten zumindest die Gewinnermittlungsregeln zu einer EU-kompatiblen Fortentwicklung des Bilanzsteuerrechts genutzt werden. Selbst wenn eine solche Gewinnermittlungsrichtlinie in der EU nicht durchsetzbar sein sollte, könnte Deutschland die notwendige Fortentwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung möglicherweise auch in Anlehnung an den Richtlinienvorschlag zur CCCTB betreiben. Denn die CCCTB-Lösung könnte für die künftige Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts in Europa eine Vorbildfunktion entfalten, da sich die Mitgliedstaaten – zumindest auf der technischen Ebene – bereits auf diese Regeln verständigen konnten. Es würde sich dann auch anbieten, alle steuerlichen Bilanzierer und nicht nur Kapitalgesellschaften diesen Gewinnermittlungsregeln zu unterwerfen, um eine Zweispurigkeit der steuerlichen Gewinnermittlung im Bereich des Bestandsvergleichs zu vermeiden. Daneben könnte für kleine und mittlere Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, die Überschussrechnung zur steuerlichen Gewinnermittlung zu nutzen, wie dies bereits durch das BilMoG mittelbar verwirklicht wird. Flankiert werden müssten diese Regeln durch eine Modernisierung der nationalen Konzernbesteuerung, deren Einbindung in einen internationalen Kontext allerdings unverzichtbar erscheint. Als Anregungen zur Bewältigung dieser Aufgaben stehen Gesetzgebungsvorschläge zur Verfügung, die von der Stiftung Marktwirtschaft erarbeitet worden sind und die sich auf die Überschussrechnung, den Bestandsvergleich und die Konzernbesteuerung erstrecken62. Der Fortentwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung im nationalen und europäischen Bereich darf man daher mit Spannung entgegensehen.
__________ 61 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 34. 62 Vgl. zu den Vorschlägen der Stiftung Marktwirtschaft Herzig, Tagungsband Sächsische Steuertagung 2006, Stuttgart u. a. 2007, S. 71 ff.; Wendt in Oestreicher (Hrsg.), Reform der Unternehmensbesteuerung: Verschiede Wege diskutieren, Herne u. a. 2007, S. 191 ff.; Herzig/Bohn, DB 2006, 1; Herzig, Wirtschaftsdienst 2006, 151 ff.
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Vorrecht des Quellenstaates und binnenmarktkonforme Besteuerung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union Inhaltsübersicht I. Besteuerung von Kapitalgesellschaften im Fokus der Harmonisierungsbemühungen und der Rechtsprechung des EuGH II. Abschirmwirkung und Zwei-EbenenBesteuerung 1. Bedeutung für die internationale Steuerplanung und Partizipation der beteiligten Staaten am Steueraufkommen 2. Europarecht und Dualismus der Unternehmensbesteuerung 3. Das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner in der Rechtsprechung des EuGH III. Der Ausgleich von Grundfreiheiten und der Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsrechte auf der Rechtfertigungsebene IV. Maßstäbe der Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat bei Gewinnerwirtschaftung durch Kapitalgesellschaften 1. EG-Vertrag und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 2. Internationale Praxis der Verteilung des in einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Steuersubstrats
3. Mutter-/Tochter-Richtlinie (Vorrecht des Quellenstaates) versus Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie (Welteinkommensprinzip) 4. Schlussfolgerungen des EuGH: Vorrecht des Staates der ausschüttenden Kapitalgesellschaft V. Das Vorrecht des Quellenstaates in der Rechtsprechung des EuGH zur Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner 1. 20 Jahre Rechtsprechung des EuGH: Vom Einzelfall zum System? 2. Zuordnung und Ermittlung der Einkünfte der Kapitalgesellschaft a) Internationale Einkünftezuordnung b) Zuordnung von Aufwand und Verlusten c) Gewinnermittlung 3. Besteuerung thesaurierter Gewinne 4. Besteuerung ausgeschütteter Gewinne 5. Besteuerung von Gewinnen aus der Anteilsveräußerung a) Wegzugsfälle b) Steuernachteile bei Veräußerung an beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, § 50c EStG a. F. VI. Resümee
I. Besteuerung von Kapitalgesellschaften im Fokus der Harmonisierungsbemühungen und der Rechtsprechung des EuGH Das europäische Unternehmensteuerrecht ist Körperschaftsteuerrecht. In den Harmonisierungsbemühungen sind Personenunternehmen weitgehend ausgeblendet. Richtlinien und Richtlinienentwürfe konzentrieren sich auf Kapital767
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gesellschaften. Mutter-/Tochter-Richtlinie1, Fusionsrichtlinie2 und Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie3 sind ebenso auf Kapitalgesellschaften beschränkt wie die Überlegungen zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage4. Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Unternehmensteuerrecht finden sich nur wenige Entscheidungen zur grenzüberschreitenden Tätigkeit von Personenunternehmen5. Das ganz überwiegende Gros der Judikate entfällt auf Kapitalgesellschaften. Dies hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen spielen Personengesellschaften als Rechtsform unternehmerischer Betätigung im Ausland eine weitaus geringere Rolle als in Deutschland. Zum anderen ist die Gefahr der Benachteiligung grenzüberschreitender Sachverhalte bei transparenter Besteuerung geringer als unter Anwendung des Trennungsprinzips, das neben internationaler juristischer Doppelbesteuerung auch internationale wirtschaftliche Doppelbelastung6 verursachen kann. Sind Kapitalgesellschaft und Anteilseigner in unterschiedlichen Staaten ansässig, ergeben sich nahezu zwangsläufig Friktionen bei der Abstimmung der beiden Besteuerungsebenen, weil diese grundsätzlich ein in sich geschlossenes System voraussetzt.
II. Abschirmwirkung und Zwei-Ebenen-Besteuerung 1. Bedeutung für die internationale Steuerplanung und Partizipation der beteiligten Staaten am Steueraufkommen Die Abschirmwirkung der juristischen Person als eigenständiges Steuersubjekt einerseits, die Möglichkeit des Zugriffs auf dasselbe Steuerobjekt sowohl auf der Ebene der Körperschaft als auch auf der Ebene des Anteilseigners anderer-
__________ 1 S. Anhang zu Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG), ABl. EG 1990 Nr. L 225, 6; erweitert durch Richtlinie des Rates vom 22.12.2003 (2003/123/EG), ABl. EG Nr. L 7, 41. 2 S. Anhang zu Art. 3 Buchst. a und Art. 8a der Richtlinie des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen (90/434/EWG), ABl. EG 1990 Nr. L 225, 1 in der Fassung der Richtlinie 2005/19/EG des Rates, ABl. EG v. 4.3.2005, L 58, S. 19. 3 S. Anhang zu Art. 3 Buchst. a der Richtlinie des Rates vom 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG), ABl. EG 2003 Nr. L 157, 49. 4 Vgl. Europäische Kommission, Working Paper v. 26.7.2007, CCCTB/WP057 und v. 20.11.2007, CCCTB/WP057annotated No. 10. 5 Z. B. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831, wobei es auch hier nicht um spezifische Probleme der grenzüberscheitend tätigen GmbH & Co. KG ging, sondern allgemein um die Frage der Behandlung von Betriebsstättenverlusten. 6 Zur Terminologie K. Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl. Rz. 2 ff.
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seits unterscheidet die grenzüberschreitende Betätigung in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft von der Personengesellschaft7. Die Abschirmwirkung ermöglicht den Steuerpflichtigen in besonderem Maße die Ausnutzung von Steuersatzunterschieden innerhalb der EU, weil die aus niedrigeren Steuersätzen resultierenden Zinsvorteile durch Aufschiebung der Repatriierung von Gewinnen maximiert werden können8. Bleiben die Gewinne wie durch § 8b Abs. 1 KStG auf der Ebene der inländischen Muttergesellschaft weitgehend steuerfrei, lässt sich der Steuervorteil eines niedrigeren Steuersatzes im Staat der Tochtergesellschaft dauerhaft nutzen. Allerdings kann das gleiche Ergebnis auch durch Errichtung einer Betriebsstätte im Ausland erreicht werden. Zwar erhöhen die Betriebsstättengewinne unmittelbar den Gewinn des inländischen Stammhauses. Soweit abkommensrechtlich die Freistellungsmethode vereinbart ist, und keine Aktivitätsvorbehalte9 zur Anwendung kommen, bleiben sie aber ebenfalls dauerhaft von weiterer Besteuerung freigestellt. Insofern erzeugt in Freistellungsstaaten auch die Betriebsstätte Abschirmwirkung, noch dazu ohne weitere Belastung durch Quellensteuern. Gleichzeitig ermöglicht die Zwei-Ebenen-Besteuerung dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft und dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners, an dem in der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Steueraufkommen zu partizipieren. Mit der Gewinnausschüttung endet die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft. Die Dividende kann im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners erfasst werden. Zwar wird die Gewinnausschüttung auf der Ebene eines körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigners oftmals von weiterer Besteuerung freigestellt sein (vgl. § 8b Abs. 1 KStG), bei späterer Ausschüttung von Auslandsgewinnen an eine natürliche Person, greift jedoch die, wenn auch in der Regel zur Berücksichtigung der Vorbelastung mit Körperschaftsteuer ermäßigte Einkommensteuer ein. Aufgrund der gemeinschaftsweit deutlich gesunkenen Körperschaftsteuersätze10 und der Verbreitung sog. Shareholder-Relief-Systeme11 kommt es damit vielfach zu einer in etwa hälftigen Aufkommensteilung zwischen dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft und dem Ansässigkeitsstaat des einkommensteuerpflichtigen Anteilseigners. Gleichzeitig sind die Belastungseffekte der Zwei-Ebenen-Besteuerung gegenüber traditionellen klassischen Systemen deutlich abgemildert („integration through double taxation“12).
__________ 7 Zur steueroptimalen Rechtsformwahl für grenzüberschreitende Investitionen s. O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 861 ff. 8 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, § 10.2. 9 Standard in neueren deutschen DBA vgl. K. Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 23 Rz. 74 ff. 10 Zur Entwicklung der Körperschaftsteuersätze innerhalb der EU innerhalb der letzten 20 Jahre vgl. J. Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-/KStG-Kommentar, Einf. KSt Anm. 448 (1999). 11 Zu diesem Begriff s. J. Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-/KStG-Kommentar, Einf. KSt Anm. 10(1999); J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 89. 12 Vgl. G. Yin, Tax Law Review Bd. 47 (1992), 480 ff.; dazu J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, Köln 1997, S. 229–234.
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Bei grenzüberschreitender Betätigung von Personenunternehmen folgt die Verteilung der Besteuerungsrechte dagegen dem Alles-oder-nichts-Prinzip des Art. 7 OECD-MA13. Solange im Quellenstaat keine Betriebsstätte begründet wird, unterliegt der Gewinn, auch wenn er auf Umsatzakten in einem anderen Staat beruht, nach dem Wohnsitzprinzip vollständig der Besteuerung im Wohnsitzstaat des Unternehmers bzw. Gesellschafters. Bei Begründung einer Betriebsstätte kehrt sich das Bild um. Nun hat der Quellenstaat das vorrangige und unter Geltung der Freistellungsmethode auch das alleinige Besteuerungsrecht auf die Gewinne, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind. 2. Europarecht und Dualismus der Unternehmensbesteuerung Der Dualismus der Unternehmensbesteuerung mit dem Nebeneinander von steuerlich transparenten Personengesellschaften und separat besteuerten Kapitalgesellschaften wird durch das Europarecht nicht berührt. Die aus dem Gebot der Gleichbehandlung von Betriebsstätte und Tochtergesellschaft abgeleitete These des Gerichtshofs, die in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG angesprochene Wahl der Niederlassungsform dürfe nicht steuerlich beeinflusst werden14, lässt sich entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum15 nicht im Sinne eines europarechtlichen Gebots der Rechtsformneutralität deuten16. Es handelt sich lediglich um eine Ausprägung des Gebots der Inländergleichbehandlung. Wirksam ist dieses Gebot der Gleichbehandlung unterschiedlicher Niederlassungsformen bisher nur dahingehend geworden, dass die mit einer Auslandsbetriebsstätte beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nicht schlechter gestellt werden darf als eine Muttergesellschaft, die im Ausland mittels einer unbeschränkt steuerpflichtigen Tochterkapitalgesellschaft tätig wird17. Würde man diesen Satz dahingehend umdrehen wollen, dass die im Ausland ansässige Tochterkapitalgesellschaft Behandlung wie eine Betriebsstätte beanspruchen kann, ergäben sich weitreichende Konsequenzen, weil sich hierauf eine Durchbrechung des Trennungsprinzips mit der Konsequenz sofortiger Gewinn- und Verlustzurechnung ohne weitere Besteuerung bei Ausschüttung stützen ließe. Indes enthält Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag – wie Generalanwalt Miguel Maduro in den Schlussanträgen zur Rechtssache Marks & Spencer zutreffend herausgearbeitet hat18 – kein derartiges Gebot horizontaler
__________
13 Duales Verteilungssystem vgl. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, § 16.223. 14 Bereits EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – avoir fiscal, EuGHE 1986, 273 Rz. 22. 15 So aber N. Herzig, GS für B. Knobbe-Keuk, Köln 1997, 627, 633 ff.; N. Dautzenberg, EWS 2001, 270. 16 Wie hier O. H. Jacobs, FS für L. Fischer, Berlin 1999, 85, 95 ff.; J. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, § 18 Rz. 538; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 273; P. Wattel, EC Tax Review 2003, 194; A. Schnitger, IStR 2004, 821 (825); O. Thömmes, IWB 2005, Fach 11A, 861; M. Lang, IStR 2006, 397 ff. 17 EuGH v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, EuGHE 1999, I-2651; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Compagnie de Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161; v. 23.2.2006 – Rs. C-253/03 – CLT-UFA, EuGHE 2006, I-1831. 18 Schlussanträge Generalanwalt M. Maduro v. 7.4.2005 zu Marks & Spencer Rs. C-446/03, EuGHE 2005, I-10837, Rz. 42 ff.
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Gleichbehandlung unterschiedlicher Niederlassungsformen. Dem Quellenstaat ist es daher – innerhalb der Grenzen von Art. 87 EGV sowie des Verhaltenskodex gegen unfairen Steuerwettbewerb19 – grundsätzlich unbenommen, Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften günstiger zu besteuern als ansässige Kapitalgesellschaften. Hierin mag eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig Inländerdiskriminierung („umgekehrte“ Diskriminierung, „Discrimination à rebours“) liegen, nicht aber ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten. 3. Das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner in der Rechtsprechung des EuGH Mangels primär- oder sekundärrechtlicher Vorgaben sind die Mitgliedstaaten ferner frei, ob sie von einer eigenständigen Leistungsfähigkeit der juristischen Person ausgehend Kapitalgesellschaft und Anteilseigner als zwei selbständige Steuersubjekte ansehen mit der Folge einer (ungeminderten) wirtschaftlichen Doppelbelastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen, ob sie einem Integrationsansatz folgen, der in der Körperschaftsteuer eine Art Vorauszahlung auf die Einkommensteuer des Anteilseigners sieht, oder ob sie – wie dies der mittlerweile überwiegenden Praxis der Mitgliedstaaten entspricht – Mischsysteme anwenden. Der Gerichtshof muss die Ausgangsentscheidung der Mitgliedstaaten akzeptieren. Allerdings hat der Gerichtshof die Zusammenhänge zwischen der Besteuerung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Kohärenzprinzip lange negiert, indem er die grundsätzlich richtige20 Forderung nach personeller Identität von Vor- und Nachteil im Hinblick darauf, dass Kapitalgesellschaft und Anteilseigner zwei selbständige Steuersubjekte sind, für nicht erfüllt ansah, ohne zu erkennen, dass außer in klassischen Körperschaftsteuersystemen beide Ebenen aufeinander bezogen sind21. Der EuGH stützte sich allein darauf, dass Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedene juristische Personen seien, die jeweils einer eigenen Besteuerung unterliegen, so dass es an einem unmittelbaren Zusammenhang im Rahmen einer einzigen Besteuerung fehle, so dass eine Berufung auf die Kohärenz des Steuersystems nicht möglich sei22. Die Ausblendung korrespondierender Regelungen des Körperschaftsteuersystems mit der formalistischen Begründung, Vor- und Nachteil träten nicht bei ein und demselben Steuerpflichtigen auf, barg indes gerade die Gefahr einer Störung der Kohärenz der mitgliedstaatlichen Systeme, weil zusammengehörige Regelungen auseinandergerissen wurden. Entlastungs-
__________ 19 Verhaltenskodex zur Bekämpfung schädlichen Steuerwettbewerbs v. 1.12.1997, ABl. EG 1998 Nr. C 2/2 Anhang 1. 20 Mit überzeugender Begründung J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 301. 21 So insbesondere EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4071 Rz. 56 ff.; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-1179 Rz. 42; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9409 Rz. 32. 22 EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9409 Rz. 32.
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regeln auf Anteilseignerebene verlieren ohne die entsprechende Belastungsnorm auf Kapitalgesellschaftsebene ihre innere Rechtfertigung. Erst die Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott in der Rechtssache Manninen haben diesen Zusammenhang herausgestellt23 und damit wesentlich zu einer systemkonformen Anwendung der Grundfreiheiten und des Kohärenzprinzips beigetragen.
III. Der Ausgleich von Grundfreiheiten und der Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsrechte auf der Rechtfertigungsebene Europarechtliche Fragestellungen können in allen Konstellationen grenzüberschreitender Betätigung von Kapitalgesellschaften auftreten. Zur Überprüfung zieht der Europäische Gerichtshof in Abhängigkeit von der Höhe der Beteiligung entweder die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit heran24. Zum einen ist die Betätigung von Kapitalgesellschaften im Ausland durch Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten diskriminierungs- und beschränkungsfrei zu gestalten (Art. 43 i. V. m. Art. 48 EG)25. Zum anderen ergibt sich – je nachdem welche Perspektive man einnimmt – das Problem der Gleichbehandlung in- und ausländischer Anteilseigner26 beziehungsweise der Gleichbehandlung von Ausschüttungen und Veräußerungsgewinnen aus in- und ausländischen Beteiligungen27. Welche Folgerungen sich aus den Grundfreiheiten für die Besteuerung der grenzüberschreitenden Betätigung von Kapitalgesellschaften ergeben, hat der Europäische Gerichtshof, wenngleich keineswegs abschließend, in einer Vielzahl von Entscheidungen konkretisiert. Wie die Besteuerungsrechte zwischen den beteiligten Staaten aufzuteilen sind und welchen Staat die Verantwortung für die Vermeidung steuerlicher Nachteile der grenzüberschreitenden Betätigung trifft, wird dagegen nur indirekt und häufig ohne weitergehende Begrün-
__________ 23 Generalanwältin J. Kokott, Schlussanträge v. 18.3.2004 in der Rechtssache Manninen Rs. C-319/02, EuGHE 2004, I-7477 Rz. 61. 24 Art. 43 EG soll Art. 56 EG verdrängen, wenn die Beteiligung an der Auslandsgesellschaft dem Steuerpflichtigen einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft vermittelt, vgl. EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, EuGHE 2000, I-2782 Rz. 21; v. 10.5.2005 – Rs. C-492/04 – Lasertec, EuGHE 2007, I-3775 Rz. 22. 25 Hierzu insbesondere EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – avoir fiscal, EuGHE 1986, 273; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Compagnie de Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161; v. 23.2.2006 – Rs. C-253/03 – CLT-UFA, EuGHE 2006, I-1831. 26 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673; v. 8.11.2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, EuGH 2007, I-9569; v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06 – Burda, GmbHR 2008, 824. 27 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-407; v. 15.7.2004 – Rs. C-315/02 – Lenz, EuGHE 2004, I-7063 Rz; v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7477; v. 14.12.2006 – Rs. 170/05 – Denkavit Internationaal, EuGHE 2006, I-11949; v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11754; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE 2007, I-1835.
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dung zum Teil als Frage der Vergleichbarkeit, zum Teil als Frage der Rechtfertigung thematisiert28. Gleichwohl nimmt die vom Gerichtshof zugrunde gelegte Verteilung der Besteuerungsrechte erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Unternehmensteuersysteme der Mitgliedstaaten. Deshalb soll im Folgenden zunächst ermittelt werden, nach welchen Prinzipien der EuGH entweder den Quellenstaat oder den Ansässigkeitsstaat in die Verantwortung für die Beseitigung von Nachteilen der grenzüberschreitenden Tätigkeit nimmt. In einem zweiten Schritt soll anhand einzelner Sachverhaltsgestaltungen geklärt werden, inwieweit die bisherige Rechtsprechung des EuGH auf der einen Seite freie Standortwahl gewährleistet, auf der anderen Seite den Mitgliedstaaten die als gerecht empfundene Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse erlaubt.
IV. Maßstäbe der Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat bei Gewinnerwirtschaftung durch Kapitalgesellschaften 1. EG-Vertrag und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit Der EG-Vertrag enthält weder unmittelbar noch mittelbar Aussagen zur zwischenstaatlichen Aufkommensverteilung. Ebenso wenig können ihm Präferenzen zugunsten des Quellenprinzips oder einer bestimmten Methode zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung entnommen werden29. Das Binnenmarktprinzip ist nicht auf eines der unterschiedlichen Neutralitätskonzepte – Kapitalexportneutralität oder Kapitalimportneutralität – festgelegt30, noch lassen sich aus ihm Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit31 gewinnen. Dementsprechend lässt auch die Mutter-/Tochter-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Wahl, ob sie die Auslandsdividende von der Besteuerung freistellen oder die von der Tochtergesellschaft erhobene Körperschaftsteuer anrechnen (Art. 4 Abs. 1 der Mutter-/Tochter-Richtlinie).
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28 Z. B. als Frage der Vergleichbarkeit in der Schumacker-Rechtsprechung (EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225), als Rechtfertigung des Ausschlusses ausländischer Verluste (dazu unten V.2.b) oder zur Rechtfertigung des Ausschlusses beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner von körperschaftsteuerrechtlichen Entlastungssystemen (dazu unten V.4). 29 Zur Methodenindifferenz des Gemeinschaftsrechts vgl. ausführlich G. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007, S. 619 ff. 30 Vgl. M. Lehner in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl. Rz. 267, aber im Hinblick auf die protektionistische Wirkung der Anrechnungsmethode mit Präferenz für die Freistellungsmethode; ähnlich J. Schönfeld, StuW 2006, 80 ff.; dagegen mit Blick auf die Besonderheiten der fortschreitenden Integration im Binnenmarkt eher für Kapitalexportneutralität O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 30 f.; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 357. 31 Grundlegend zur Figur der inter-nations-equity P. Musgrave, Tax Policy in the Global Economy, 2002, S. 159 ff.; R. Musgrave in Public Finance in a Democratic Society, 2000, S. 210 ff.; N. Kaufmann, Law and Policy in International Business Bd. 29 (1998), 145 ff.
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2. Internationale Praxis der Verteilung des in einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Steuersubstrats Mangels Harmonisierung des Doppelbesteuerungsrechts sind die Mitgliedstaaten weiterhin befugt, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen32. Infolgedessen legt der EuGH seinen Aussagen zur Ausgewogenheit der Verteilung der Besteuerungsrechte primär die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und damit die Aufteilungsregeln des OECD-Musterabkommens zugrunde, wobei er nur selten auf die konkret zwischen den involvierten Staaten geschlossenen Abkommen eingeht33, sondern die Verteilungsregeln häufig nur allgemein in Bezug nimmt34. Das OECD-Musterabkommen basiert auf einem Nebeneinander von ausschließlicher Aufkommenszuweisung und Aufkommensteilung. Das Besteuerungsrecht für unternehmerische Tätigkeiten wird nach der Nutzentheorie35 in erster Linie dem Quellenstaat zugewiesen. Passive Investments unterliegen dagegen eher der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Investors. Für die Erfassung grenzüberschreitend erwirtschafteter Gewinne von Kapitalgesellschaften ist wie folgt zwischen der Besteuerung auf Kapitalgesellschaftsund Anteilseignerebene zu unterscheiden: – Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft weisen Art. 5 und 7 OECD-MA das Besteuerungsrecht für Betriebsstättengewinne dem Quellenstaat zu. Der Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft ist nach dem Methodenartikel zur Freistellung oder Anrechnung der im anderen Staat erhobenen Steuer verpflichtet. Die Behandlung des thesaurierten Gewinns der unbeschränkt steuerpflichtigen Auslands(tochter)gesellschaft bedarf keiner gesonderten abkommensrechtlichen Regelung. Dass bis zu einer Ausschüttung grundsätzlich nur der Sitzstaat der (Tochter)gesellschaft den thesaurierten Gewinn besteuern kann, folgt aus der Abschirmwirkung der Körperschaft als selbständigem Steuersubjekt. – Für die Besteuerung des Anteilseigners ist doppelbesteuerungsrechtlich zwischen Ausschüttung und Beteiligungsveräußerung zu unterscheiden: Art. 10 OECD-MA teilt das Besteuerungsrecht auf Dividenden zwischen dem Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft und dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigers auf. Der Quellenstaat, der bereits den Gewinn auf Gesellschaftsebene besteuert hat, wird, wenn auch begrenzt auf maximal 15 % des Bruttobetrags der Dividende (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a, b OECD-MA),
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32 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793, Rz. 24, 30; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161, Rz. 57; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409, Rz. 44; v. 8.11.2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, EuGH 2007, I-9569 Rz. 17. 33 Z. B. EuGH v. 19.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bouanich, EuGHE 2006, I-923, Rz. 44 ff. 34 Z. B. EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 45 f. 35 Hierzu H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, Rz. 567; zur wachsenden Bedeutung einer nutzentheoretischen Begründung von Besteuerungsrechten in offenen Märkten, s. in diesem Buch J. Lang, S. 45.
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zusätzlich an der Ausschüttung beteiligt. In ähnlicher Weise teilt Art. 11 OECD-MA das Besteuerungsrecht auf, wenn der Anteilseigner der im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft statt Eigen- Fremdkapital zur Verfügung gestellt hat und als Vergütung Zinsen i. S. v. Art. 11 Abs. 3 OECD-MA bezieht. Auch hier hat der Quellenstaat, wenngleich beschränkt auf 10 % (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA), das Recht, den beschränkt steuerpflichtigen Zinsempfänger zu besteuern, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass der Zinsaufwand den Gewinn im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft gemindert hat. Auch dieses Quellenabzugsrecht läuft zudem in der Regel leer, weil die Zinseinkünfte des nichtansässigen Empfängers nach nationalem Recht meist keine beschränkte Steuerpflicht begründen36. Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ist dagegen schon abkommensrechtlich in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat vorbehalten37. Auch im Fall der Anteilsveräußerung kommt es aber aufgrund der doppelten Steuerverstrickung der stillen Reserven bei einer Gesamtbetrachtung von Körperschafts- und Anteilseigerebene zu einer Beteiligung beider Staaten. Denn im Rahmen der Beteiligungsveräußerung vergütete stille Reserven sind entweder als offene Rücklagen bereits auf der Ebene der Kapitalgesellschaft versteuert worden oder werden, soweit sie stille Reserven der Kapitalgesellschaft repräsentieren, bei Veräußerung der entsprechenden Wirtschaftsgüter noch im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft besteuert. Regelungen zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung enthält das OECD-Musterabkommen weder für Gewinnausschüttungen noch für Veräußerungsgewinne38. 3. Mutter-/Tochter-Richtlinie (Vorrecht des Quellenstaates) versus Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie (Welteinkommensprinzip) Ein Regime zur Vermeidung internationaler juristischer Doppelbesteuerung und internationaler wirtschaftlicher Doppelbelastung enthält aber die 1990 angenommene Mutter-/Tochter-Richtlinie für intercompany dividends39. Beide beteiligten Staaten werden in die Pflicht genommen, indem der Quellenstaat zum Verzicht auf die Erhebung von Quellensteuern auf Ausschüttungen an in einem anderen EU-Staat ansässige Muttergesellschaften verpflichtet wird, während der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft die wirtschaftliche Doppelbelastung durch Freistellung der Dividende oder durch indirekte
__________ 36 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 11 Rz. 49. 37 Diese Differenzierung zwischen Ausschüttungen und Veräußerungen führt vor allem in der Behandlung von Liquidationen zu Abgrenzungsschwierigkeiten, vgl. E. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 13 Rz. 194. 38 Dies ist u. a. auf den Entstehungszeitpunkt des OECD-MA zurückzuführen, dazu J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, Köln 1997, S. 165. 39 Allgemein zur Umsetzung Terra/Wattel in European Tax Law, 5. Aufl. London/Den Haag/New York 2008, S. 487 ff.
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Anrechnung der bei der Tochtergesellschaft erhobenen Körperschaftsteuer vermeiden muss. Damit liegt das Besteuerungsrecht primär beim Staat der Tochtergesellschaft. Der Staat der Muttergesellschaft kann nur bei Anwendung der Anrechnungsmethode am Aufkommen partizipieren, und auch nur dann, wenn die Steuerbelastung im Quellenstaat niedriger ist. Freilich befreien die meisten EU-Staaten den (ausländischen) Beteiligungsertrag auf Ebene der Muttergesellschaft, so dass eine Zugriffsmöglichkeit erst bei Weiterausschüttung an eine natürliche Person besteht. In genau entgegengesetzter Weise formuliert die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie ein Vorrecht des Ansässigkeitsstaates der Muttergesellschaft. Die Vereinbarkeit mit der in der Mutter-/Tochter-Richtlinie zugrunde gelegten nutzentheoretischen Zuweisung von Besteuerungsrechten ist unklar. Die ausschließliche Zuweisung des Besteuerungsrechts auf Lizenzgebühren und Zinsen zum Staat der lizenzgebenden bzw. darlehensgebenden Muttergesellschaft lässt sich nur dann in Einklang mit der Zuweisungsentscheidung in der Mutter-/Tochter-Richtlinie bringen, wenn man unterstellt, dass die mit den Lizenzgebühren vergütete Wertschöpfung allein dem Sitzstaat der Muttergesellschaft, die das lizenzierte Recht entwickelt hat, zuzuordnen ist40. Dies lässt sich zumindest im Hinblick auf zuvor im Sitzstaat der Muttergesellschaft zum Abzug gebrachte Forschungs- und Entwicklungskosten begründen. Sehr viel schwieriger ist die eindeutige Lokalisierung der Erwirtschaftung von Fremdkapitalentgelten. Gerade wenn man von der weitgehenden wirtschaftlichen Austauschbarkeit von Gesellschafterdarlehen und Eigenkapitalausstattung ausgeht41, ist wenig einsichtig, warum die Eigenkapitalvergütung ausschließlich im Quellenstaat erwirtschaftet worden sein soll, die Fremdkapitalvergütung dagegen ausschließlich im Ansässigkeitsstaat. Diese Verteilung entspricht zwar internationaler Konvention, eröffnet aber einerseits weitgehende Gestaltungsspielräume, andererseits ein erhebliches Bedürfnis, die Verlagerung von Steuersubstrat zu verhindern. 4. Schlussfolgerungen des EuGH: Vorrecht des Staates der ausschüttenden Kapitalgesellschaft Der Europäische Gerichtshof geht sowohl auf der Grundlage der OECD-Regeln als auch gestützt auf die Mutter-/Tochter-Richtlinie42 von einem allgemeinen Vorrecht des Staates der ausschüttenden Gesellschaft zur Besteuerung des Gesellschaftsgewinns aus (sog. „source country entitelement“). Der Quellenstaat kann auch zur Verwirklichung der Grundfreiheiten nicht gezwungen werden, auf sein Recht zur Besteuerung des Einkommens, das durch eine in seinem
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40 Dagegen K. Vogel, Intertax 1988, 310 (317 f.); 393 (402), der zutreffend eine Aufteilung der Besteuerungsrechte für sachgerecht hält. 41 O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 909; zu den Entscheidungsparametern zwischen Fremd- und Eigenkapital s. S. Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, München 2008, S. 11 ff. 42 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673, Rz. 59.
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Hoheitsgebiet ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erzielt wurde, zugunsten eines anderen Staates zu verzichten43. Allerdings bezieht der Gerichtshof dieses Vorrecht nur auf die Ebene der Körperschaft. Hinsichtlich der Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns auf der Ebene des Anteilseigners kann sich der Quellenstaat nicht mehr auf sein ihm in Art. 10 Abs. 1 OECD-MA zugestandenes beschränktes Besteuerungsrecht berufen. Im Zweifel muss der Quellenstaat auf dieses Recht verzichten, um die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Anteilseignern sicherzustellen. Insofern trifft ihn, und nicht den Ansässigkeitsstaat die Pflicht, entsprechend dem jeweils verwirklichten nationalen System eine wirtschaftliche Doppelbelastung zu vermeiden44.
V. Das Vorrecht des Quellenstaates in der Rechtsprechung des EuGH zur Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner 1. 20 Jahre Rechtsprechung des EuGH: Vom Einzelfall zum System? Bereits die erste Entscheidung des EuGH zum Recht der direkten Steuern in der Rechtssache avoir fiscal aus dem Jahr 198645 betraf mit der Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften hinsichtlich der Gewährung eines Körperschaftsteueranrechnungsguthabens Kernfragen der Besteuerung der grenzüberschreitenden Betätigung von Kapitalgesellschaften. Zentrale Probleme – Gleichbehandlung beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner, mangelnde Harmonisierung des internationalen Steuerrechts, Einwirkung von Doppelbesteuerungsabkommen – lagen schon damals auf dem Tisch. Trotzdem hat es mit dem Rechtssachen Verkooijen46 (2000), Manninen47 (2004), ACT48 (2006) und Denkavit49 (2006) über zwanzig Jahre gedauert, bis weitgehende Klarheit über die für eine diskriminierungsund beschränkungsfreie Ausgestaltung körperschaftsteuerrechtlicher Entlastungssysteme erforderlichen Maßnahmen erreicht war. Auch in anderen Fragen der Kapitalgesellschaftsbesteuerung haben sich gefestigte Rechtsprechungs-
__________ 43 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373 Rz. 56; v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673, Rz. 59. 44 Siehe dazu unten V.4. 45 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – avoir fiscal, EuGHE 1986, 273. 46 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4071: Einbeziehung ausländischer Dividenden in einen pauschalen Entlastungsmechanismus. 47 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7477: Einbeziehung ausländischer Dividenden in ein körperschaftsteuerrechtliches Anrechnungssystem. 48 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673: Einbeziehung ausländischer Anteilseigner in ein körperschaftsteuerrechtliches Anrechnungssystem. 49 EuGH v. 14.12.2006 – Rs. 170/05 – Denkavit Internationaal, EuGHE 2006, I-11949: Anwendung eines Schachtelprivilegs im Rahmen der Quellenbesteuerung ausländischer Anteilseigner außerhalb der Mutter-/Tochter-Richtlinie.
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linien herausgebildet, etwa zur Gesellschafterfremdfinanzierung50, zur Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Konzerne51 oder zur Erfassung stiller Reserven bei Wegzug von Anteilseignern52. In manchen Bereichen – wie bei den körperschaftsteuerrechtlichen Entlastungssystemen – hat dies zu einer Angleichung der Systeme im Wege stiller Harmonisierung geführt. Doch passen die Entscheidungen zusammen53? Kann die Rechtsprechung des EuGH eine Blaupause für ein binnenmarktkonformes System der Besteuerung von Kapitalgesellschaften liefern, das einerseits den Mitgliedstaaten erlaubt, ihre berechtigten Aufkommensinteressen durchzusetzen, andererseits den Steuerpflichtigen Freizügigkeit garantiert und gleichzeitig neutral54 ist, das heißt ökonomische Fehlsteuerungen vermeidet? 2. Zuordnung und Ermittlung der Einkünfte der Kapitalgesellschaft Das vom EuGH anerkannte Vorrecht des Quellenstaates, das Einkommen zu besteuern, das in seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet wurde55, setzt voraus, dass sich die Einkommensentstehung lokalisieren und bestimmten Tätigkeiten zuordnen lässt56, bietet hierfür aber keine Lösung an. Gerade die Zuordnung von Ertrag und Aufwand zu den einzelnen Einkommensquellen bereitet in der Quellentheorie erhebliche Schwierigkeiten. a) Internationale Einkünftezuordnung Mit der Frage, ob zu Doppelbelastungen führende Konflikte bei der Zuweisung des Gewinns zwischen Betriebstätte und Stammhaus oder zwischen verbundenen Unternehmen (sog. Zurechnungskonflikte57) gegen die Grundfreiheiten verstoßen und wie sie gegebenenfalls aufzulösen sind, hat sich die europarechtliche Rechtsprechung bisher nur ausschnittsweise befasst. In der Rechtssache Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation verweist der Gerichtshof für die Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapitalentgelten auf
__________ 50 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-1179; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group litigation, EuGHE 2007, I-2107; v. 17.1.2008 – Rs. C-105/07 – Lammers & Van Cleeff NV, EuGHE 2008, I-173. 51 Dazu unten V.3. 52 Dazu unten V.5b. 53 Siehe insbesondere den Vorwurf fehlender Konsistenz von Graetz/Warren, Common Market Law Review 2007, 1577 (1618 ff.) bzgl. der Entscheidungen zur Dividendenbesteuerung. 54 Zum Begriff der Neutralität oder efficiency im internationalen Kontext s. K. Vogel, Intertax 1988, 310 ff. 55 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373 Rz. 56; v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673, Rz. 59. 56 Zu Recht zweifelnd Rödder/Schönfeld, IStR 2006, 49 (51); K. Vogel, Intertax 1988, 216 (223 ff.). 57 K. Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl. Rz. 181a.
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Art. 9 OECD-MA58. Hieraus lässt sich folgern, dass auch ausschließlich im Verhältnis zum Ausland anzuwendende Verrechnungspreisvorschriften wie in § 1 AStG, wenn man sie nicht ohnehin als nicht diskriminierende Aufteilungsnormen einordnet59, jedenfalls gerechtfertigt werden können, solange sie dem international üblichen Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Damit ist aber nicht geklärt, ob und durch welchen der beteiligten Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten tangiert sind, wenn es trotz Durchführung der in Art. 25 OECD-MA bzw. der EG-Schiedskonvention60 vorgesehenen Verständigungsverfahren aufgrund unterschiedlicher Wertansätze zu wirtschaftlichen Doppelbelastungen kommt61. Zwar dient die Gewinnabgrenzung mittels Verrechnungspreisen der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den beteiligten Staaten. Einen Anspruch auf Zuweisung zu einem bestimmten Staat, im Zweifel dem mit dem günstigeren Steuersatz, besteht nicht. Dies bedeutet aber nicht, dass wirtschaftliche Doppelbelastungen infolge von Verrechnungspreisdifferenzen, europarechtlich unbeachtlich sind. Die fortbestehende Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich der abkommensrechtlichen Aufteilung der Steuerhoheiten deckt zwar die Entscheidung, welchem Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen wird, jedoch – entgegen den Ausführungen des Gerichtshofs in Kerckhaert Morres62 – nicht eine (partiell) doppelte Erfassung, soweit sie zu Mehrbelastungen im Vergleich zu beiden beteiligten Staaten führt. Dies muss unabhängig davon gelten, ob es sich um eine juristische Doppelbesteuerung oder eine wirtschaftliche Doppelbelastung handelt63. Welcher Staat in diesem Fall sein Besteuerungsrecht zurücknehmen muss, richtet sich primär nach den zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Hält sich der Staat der Betriebsstätte/Tochtergesellschaft innerhalb der ihm abkommensrechtlich eingeräumten Besteuerungsbefugnis, so kann er sich grundsätzlich auf seine bessere Besteuerungs-
__________ 58 EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group litigation, EuGHE 2007, I-2107, Rz. 88. 59 So G. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007, S. 897; von einem Verstoß gegen Art. 43 und 46 EG gehen dagegen F. Wassermeyer, IStR 2001, 633 (637); H. Schaumburg, Der Konzern 2006, 495 (499); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, Kommentar, Loseblatt, § 1 Anm. V 14 (2008) aus. 60 Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436/EWG), ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8.1990, 10 ff. 61 Zu wesentlichen Fortschritten bei der Vermeidung von Doppelbesteuerungen durch unterschiedliche Verrechnungspreisansätze dürfte der – allerdings rechtlich unverbindliche – Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der EU, ABl. EG Nr. C 176 v. 28.7.2006, S. 1 beitragen. 62 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerckhaert Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 18 ff. 63 Ebenso O. Thömmes, DB 2002, 2397 (2402); a. A. G. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007, S. 907 mit dem Argument, Verrechnungspreisdifferenzen beruhten auf der mangelnden Abstimmung der nationalen Rechtsordnungen.
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berechtigung berufen64. Es ist dann nicht seine Sache, zu gewährleisten, dass es durch den Zugriff im anderen Staat nicht zu einer Doppelbelastung kommt65. Allerdings lässt sich bei Verrechnungspreisdifferenzen aufgrund unterschiedlicher nationaler Gewinnberichtigungsvorschriften häufig nicht eindeutig feststellen, welches die richtige Aufteilung ist. In diesem Fall kann sich der Quellenstaat nicht auf sein Vorrecht berufen, vielmehr müssen beide Mitgliedstaaten zusammenwirken. Versuche des Quellenstaates, sein Besteuerungsrecht unilateral auszudehnen, sei es nur durch Anordnung ungebräuchlicher Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen wie in § 1 Abs. 3 AStG i. d. Fassung des UntStREfG 200866, lassen sich ebenfalls nicht auf sein etwaiges Vorrecht stützen67. Selbst wenn man der wenig überzeugenden These in Kerckhaert Morres folgt, es gebe kein europarechtliches Doppelbesteuerungsverbot68, ist jedenfalls dann, wenn ein derartiges Abkommen besteht, ein zu Doppelbesteuerung oder Doppelbelastung führender einseitiger Bruch des Abkommens dem vertragsbrüchigen Staat als Verletzung der Grundfreiheiten zuzurechnen69. b) Zuordnung von Aufwand und Verlusten Entscheidende Bedeutung kommt der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zu. Aus dem Territorialitätsprinzip wird zunächst die primäre Verantwortung70 des Quellenstaates zur Berücksichtigung von in Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit auftretenden Inlandsverlusten71 abgeleitet. Ob im Quellen-
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64 So wohl auch G. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007, S. 911 f. 65 EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group litigation, EuGHE 2007, I-2107, Rz. 89. 66 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 67 J. Englisch, Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse – Ein Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung der EG-Grundfreiheiten?, IFSt-Schrift Nr. 449 (2008), S. 107. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, Kommentar, Loseblatt, § 1 Anm. V 14 (2008) gehen von Europarechtswidrigkeit von § 1 Abs. 3 AStG aus. Zum Verhältnis von § 1 Abs. 3 Satz 4 ff. AStG zu Art. 9 OECD-MA vgl. A. Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 9 Rz. 21 ff. 68 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerckhaert Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22 f.; zustimmend H. Kube, IStR 2008, 305 (307 ff.). 69 A. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002, S. 882. Ausführlich zur europarechtlichen Einordnung von treaty overrides A. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000, S. 109 ff., der im treaty override, wenn es zu Nachteilen gegenüber dem Inlandssachverhalt führt, eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Grundfreiheiten sieht. 70 Jetzt sehr deutlich EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz Wannsee, Rz. 51. 71 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Singer, EuGHE 1997, I-2471 Rz. 21 f. Verluste, die in einem anderen Staat als dem Quellenstaat entstanden sind, müssen nicht berücksichtigt werden; zustimmend W. Schön, IStR 2004, 289 (295).
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staat nicht ausgeglichene Auslandsverluste im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen sind, richtet sich danach, welche Methode zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung zur Anwendung kommt. Besteuert der Stammhausstaat den Auslandsgewinn nach dem Welteinkommensprinzip unter Anrechnung der im Betriebsstättenstaat erhobenen Körperschaftsteuer, so sind auch die Verluste unmittelbar zu berücksichtigen72. Verzichtet der Ansässigkeitsstaat dagegen auf die Besteuerung des Auslandsgewinns, soll er auch nicht zur Berücksichtigung von Auslandsverlusten verpflichtet sein. Dementsprechend besteht nach Auffassung des Gerichtshofs auch kein Bedürfnis für eine nur vorübergehende Verlustberücksichtigung mit Nachversteuerung bei späterer Verlustverrechnung im Quellenstaat73. Nur wenn eine Berücksichtigung im Quellenstaat endgültig ausgeschlossen ist, kommt es zur Verlustübertragung. Allerdings soll – wie der Gerichtshof nun in der Entscheidung Krankenheim Ruhesitz Wannsee angedeutet hat – der andere Staat auch in diesem Fall nicht eintreten müssen, wenn die Verlustverrechnung aufgrund restriktiver Verlustverrechnungsregeln im Quellenstaat fehlschlägt74. Diese weitere Einschränkung fügt sich in den quellentheoretischen Ansatz des EuGH, da es andernfalls, insbesondere wenn man sich den häufig bestehenden Zusammenhang zwischen niedrigen Steuersätzen und restriktiven Verlustverrechnungsbedingungen vor Augen hält, zu einer Verfälschung der Investitionsentscheidung käme75. Die Freistellungsmethode entfaltet damit umfassende Abschirmwirkung. Auf die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft hat der Gerichtshof in der Rechtssache Marks & Spencer den Ausschluss ausländischer Tochtergesellschaften von der Verlustverrechnung im Rahmen der britischen Gruppenbesteuerung gestützt76. Bis zur Ausschüttung ist der Staat der Muttergesellschaft an der Besteuerung der Gewinne der im anderen Staat ansässigen Tochtergesellschaft gehindert. Deshalb trifft ihn außer als ultima ratio auch keine generelle Pflicht zur Berücksichtigung von Verlusten der Auslandstochter.
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72 Mittelbar EuGH v. 21.2.2006 – Rs. C-152/03 – Ritter-Coulais, EuGHE 2006, I-1711. 73 Rechtssache EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, FR 2008, 831 Rz. 45 ff. Im Schrifttum weitgehend auf Kritik gestoßen, s. z. B. Dörfler/Ribbrock, BB 2008, 1326; J. de Weerth, IStR 2008, 405; kritisch insbesondere hinsichtlich der dogmatischen Mängel der Begründung J. Englisch, IStR 2008, 404 f.; zustimmend dagegen – als Kritik der Schlussanträge – H. Kube, IStR 2008, 305 (306 ff.). 74 EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz Wannsee, Rz. 49. 75 Zudem könnte der Ansässigkeitssaat noch nicht einmal unter der Anrechnungsmethode dazu verpflichtet werden, ein höheres Steuerniveau im Quellenstaat, z. B. aufgrund höherer Gewinnsteuersätze, auszugleichen. Diese sind nicht auf die grenzüberschreitende Tätigkeit zurückzuführen, sondern Konsequenz der Entscheidung für einen bestimmten Standort (insofern zutreffend H. Kube, IStR 2008, 305 [310]). Deshalb ist die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die im Ansässigkeitsstaat anfallende Steuer mit den Grundfreiheiten vereinbar, m. E. auch als per country limitation. Europarechtskonformität der auf die inländische Steuer beschränkten Steueranrechnung s. J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 472. 76 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 Rz. 45 f.; vgl. auch Schlussanträge GA Maduro v. 7.4.2005, Rz. 58 ff. u. 65 ff., der das Symmetrieargument dem Kohärenzprinzip zuordnet.
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Andererseits hat der Gerichtshof in den Rechtssachen Bosal77, Keller Holding78 und Rewe Zentralfinanz79 trotz Anwendung der Freistellungsmethode auf ausländische Dividendeneinkünfte den Sitzstaat der Muttergesellschaft zum Abzug von in Zusammenhang mit Auslandsbeteiligungen stehenden Aufwendungen verpflichtet, soweit ein solcher Abzug in Zusammenhang mit Inlandsbeteiligungen gewährt wurde. Der Ausschluss derartiger Gewinnminderungen kann nicht auf die territoriale Begrenzung der Steuerhoheit bezüglich des Gewinns der Tochtergesellschaft gestützt werden. Schließlich geht es hier um den Gewinn der unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft80. Für Wertminderungen der Beteiligung und Finanzierungskosten der Muttergesellschaft im Zusammenhang mit der Auslandsbeteiligung besteht zudem auch keine Gefahr einer doppelten Berücksichtigung, da sie per se nur im Staat der Muttergesellschaft berücksichtigt werden können81. c) Gewinnermittlung Keine europarechtlichen Begrenzungen erfährt der Quellenstaat mangels sekundärrechtlicher Vorgaben für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage hinsichtlich nichtdiskriminierender Ausweitungen seines Besteuerungsrechts. Zwar münden auch Abzugsverbote wie die des § 4h EStG oder Hinzurechnungen des § 8 Nr. 1 GewStG in Doppelbelastungen, die die wirtschaftliche Betätigung behindern. Doch solange auch der reine Inlandsfall erfasst wird, ist mangels Benachteiligung der grenzüberschreitenden Betätigung der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht eröffnet. Der „Kollateralschaden“ für die nationale Steuerrechtsordnung ist freilich hoch, weil sich die Ausweitung des Besteuerungsrechts nur um den Preis einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips und Doppelbelastungen auch im Inlandsfall erzielen lässt. Korrespondierende Kürzungsvorschriften für die Gewinnermittlung beim inländischen Empfänger müssen unterbleiben, weil derartige Vorschriften ihrerseits einem Diskriminierungsvorwurf unterlägen82. 3. Besteuerung thesaurierter Gewinne Das seitens des Gerichtshofs postulierte Vorrecht des Quellenstaats bezieht sich auf die Ebene der Kapitalgesellschaft. Dabei ist nicht der gesellschaftsrechtliche Sitz entscheidend, sondern die tatsächliche Verflechtung mit der Wirtschaft des Ansässigkeitsstaates und die Nutzung der von diesem bereitge-
__________ 77 EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9409 Rz. 31 ff. 78 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, EuGHE 2006, I-2107 Rz. 44. 79 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647 Rz. 68 f. 80 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647 Rz. 69. 81 Ebenso für Währungsverluste in Zusammenhang mit Dotationskapital einer Auslandsbetriebsstätte vgl. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-01129 Rz. 52. 82 Mittelbar geklärt durch EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7447, Rz. 42.
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stellten Infrastruktur83. Die Niederlassungsfreiheit gewährt Gleichbehandlung mit anderen Gesellschaften im Tätigkeitsstaat. Die Besteuerung des thesaurierten Gewinns in einem Staat, in dem die Gesellschaft weder ihren Sitz hat, noch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, kann dagegen nicht verlangt werden. Zu Recht hat der Gerichtshof daher in der Rechtssache Oy AA einem Anspruch auf freie Zuordnung von Gewinnen innerhalb europäischer Konzerne eine Absage erteilt. Zwar stellt die Begrenzung der Gruppenbesteuerung auf ansässige Gesellschaften nach Auffassung des Gerichtshofs eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Diese ist aber durch das Interesse des Mitgliedstaats der Tochtergesellschaft, die durch Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet erzielten Gewinne zu besteuern, gerechtfertigt84. Weniger eindeutig ist, ob der EuGH das Territorialitätsprinzip bis zu einer Ausschüttung auch als Recht ausschließlicher Besteuerung im Quellenstaat versteht. Grundsätzlich ist der Gewinn bis zur Ausschüttung durch die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft vor anderweitigem Zugriff geschützt. Gegen Gesellschaften in Niedrigsteuerländern gerichtete CFC-Regime wie §§ 7 ff. AStG erfassen den Gewinn indes bereits vor Ausschüttung beim Anteilseigner, um ihn auf dessen Steuerniveau hochzuschleusen. Eine derartige Durchbrechung der Abschirmwirkung im Wege der Hinzurechnungsbesteuerung soll sich nach der Rechtssache Cadbury Schweppes85 nur als Missbrauchsvorschrift rechtfertigen lassen, und auch nur dann, wenn der Gewinn in Wirklichkeit gar nicht in der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet wurde, sondern diese nur zum Schein als künstliche Konstruktion errichtet wurde. Allerdings handelte es sich bei der im Streit stehenden britischen Hinzurechnungsbesteuerung von vornherein um eine auf nichtansässige Kapitalgesellschaften beschränkte Regel, während die Abschirmwirkung für in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaften ausnahmslos respektiert wurde. Würde die sofortige Erfassung beim Anteilseigner dagegen darauf beruhen, dass der Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners die Gesellschaft entweder zwingend oder im Wege eines Optionsrechts als transparent behandelt86, so ließe sich bereits kein Diskriminierungsvorwurf erheben87. Dass der Quellenstaat berechtigt ist, die Gewinne zu besteuern, die durch Tätigkeiten auf seinem Gebiet erwirtschaftet wurden, beinhaltet nicht, dass andere Staaten grundsätzlich von der Besteuerung ausgeschlossen werden können88. Ebenso wenig wie sich dem EG-
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83 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 53, dort allerdings fälschlicherweise als Problem der Rechtfertigung und nicht des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit erörtert. 84 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373 Rz: 54 ff. 85 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 51 ff. 86 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Art. 4 Abs. 1a der Mutter-/Tochter-Richtlinie, 90/435/EWG, wo Regeln für den Fall festgelegt sind, dass der Staat der Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft als transparent einstuft. 87 Vergleichbar EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 88 In diese Richtung aber J. Schönfeld, StuW 2005, 158 (160 f.); Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln 2005, S. 179 ff.
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Vertrag eine Präferenz für die Freistellungsmethode zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung entnehmen lässt, ist die Abschirmwirkung von Kapitalgesellschaften europarechtlich garantiert. Deshalb bleiben die Mitgliedstaaten – soweit sie dies diskriminierungsfrei tun – frei, für die Besteuerung von Unternehmen zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip zu wählen. Ein Optionsrecht zugunsten einer transparenten Besteuerung für bestimmte Kapitalgesellschaften89 oder im Rahmen von Gruppenbesteuerungsregimen90 begegnet grundsätzlich keinen europarechtlichen Bedenken. 4. Besteuerung ausgeschütteter Gewinne91 Das Recht des Quellenstaates zur Besteuerung der in der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinns wird nach der Konzeption des OECD-MA nicht durch eine spätere Ausschüttung beeinflusst. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns der Kapitalgesellschaft ist eine endgültige, vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA92. Welcher Staat bei Bestehen eines körperschaftsteuerechtlichen Entlastungssystems die Entlastung gewähren muss, ist im OECD-MA nicht geregelt. Der Europäische Gerichtshof folgert jedoch aus dem abkommensrechtlich verankerten Vorrecht des Quellenstaats, dass der Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft auch europarechtlich nicht verpflichtet sei, körperschaftsteuerrechtliche Entlastungssysteme in der Weise auf nichtansässige Anteilseigner zu erstrecken, dass diesen Körperschaftsteuer vergütet wird93.
__________ 89 Hierzu J. Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-/KStG-Kommentar, Einf. KSt Anm. 210 (1999). 90 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373 lässt sich nur entnehmen, dass der Staat der Tochtergesellschaft nicht verpflichtet werden kann, auf sein Besteuerungsrecht zu verzichten, d. h. aber nicht, dass ein grenzüberschreitendes Gruppenbesteuerungsregime, das nicht nur die Übertragung von Auslandsverlusten zulässt, sondern unter Anrechnung der bei der Auslandstochter erhobenen Körperschaftsteuer auch Auslandsgewinne erfasst, europarechtswidrig wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein solches Besteuerungsregime optional ist bzw. der Hinzurechnungsmechanismus in gleicher Weise auch für Inlandsgesellschaften gilt. 91 Hierzu grundlegend Graetz/Warren, Common Market Law Review 2007, 1577 ff.; M. Lang, ECJ Tax Review 2008, 67 ff. 92 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 201. 93 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673 Rz. 59; v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06 – Burda, GmbHR 2008, 824 Rz. 89; so auch schon J. Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-/KStG-Kommentar, Einf. KSt Anm. 217 (1999). Bedenkenswert ist jedoch die – allerdings nur im Zusammenhang mit den inzwischen aus der Mode gekommenen Anrechnungsverfahren relevante – Kritik von J. Englisch, dass sich der Quellenstaat damit, selbst wenn man ihm grundsätzlich ein Vorrecht zugestehen will, in Fällen, in denen der individuelle Steuersatz des Anteilseigners unter dem Körperschaftsteuersatz liegt, ein Mehr an Besteuerungsrecht anmaßt, als er es im Inlandsfall beansprucht J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 208 f.
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Für die Besteuerung der Ausschüttung kann sich der Quellenstaat dagegen nach den Rechtssachen ACT Group Litigation94, Denkavit Internationaal95 und Amurta96 nicht auf sein Vorrecht berufen. Übt der Quellenstaat sein ihm abkommensrechtlich zugestandenes Recht zur Erhebung einer (niedrigen) Quellensteuer auf Ausschüttungen an nichtansässige Anteilseigner aus, so muss er ihn unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots genauso behandeln wie einen ansässigen Anteilseigner. In einem solchen Fall hat „der Staat des Sitzes der ausschüttenden Gesellschaft dafür zu sorgen, dass die gebietsfremden Gesellschaften als Anteilseigner angesichts des in seinem nationalen Recht vorgesehenen Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung einer mehrfachen Belastung eine Behandlung erfahren, die derjenigen der gebietsansässigen Gesellschaften als Anteilseigner gleichwertig ist“97. Zwar bedeutet dies außerhalb des Anwendungsbereichs der Mutter-/TochterRichtlinie nicht notwendig einen Verzicht auf die Ausübung des Quellenbesteuerungsrechts gegenüber dem beschränkt steuerpflichtigen Dividendenempfänger. Der Staat der ausschüttenden Gesellschaft soll sich insofern aber nicht auf einseitige Entlastungsmaßnahmen im Ansässigkeitsstaat berufen können98, sondern ihn trifft die Verantwortung, abkommensrechtlich sicherzustellen, dass der Ansässigkeitsstaat eine Benachteiligung verhindert99. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn es dem Quellenstaat gelingt, den Ansässigkeitsstaat unabhängig von seinem eigenen Körperschaftsteuersystem dazu zu verpflichten, den Entlastungsmechanismus des Quellenstaates zu übernehmen und gegebenenfalls auch im Staat der ausschüttenden Gesellschaft erhobene Quellensteuer zu erstatten, was freilich aufgrund der internationalen Praxis, ausländische Steuern stets nur bis zur Höhe der inländischen Steuerlast zu berücksichtigen, ein wenig realistisches Szenario ist. Insofern kann man bezüglich der Besteuerung der Dividende von einem Vorrecht des Ansässigkeitsstaates des Anteilseigners sprechen. Damit läuft, soweit der Quellenstaat ein körperschaftsteuerrechtliches Schachtelprivileg zur Anwendung bringt, das in Art. 10 Abs. 2 OECD-MA vorgesehene Quellenabzugsrecht gegenüber ausländischen Empfängerkapitalgesellschaften leer. Für Deutschland hat dies zur Folge, dass auch außerhalb der Mutter-/Tochter-Richtlinie bei Ausschüttungen an körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner auf die Erhebung von Kapitalertragsteuer verzichten werden bzw. diese zurückerstattet werden muss, solange für Ausschüttungen an in-
__________ 94 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673 Rz. 70. 95 EuGH v. 14.12.2006 – Rs. 170/05 – Denkavit Internationaal, EuGHE 2006, I-11949 Rz. 35. 96 EuGH v. 8.11.2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, EuGH 2007, I-9569. 97 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673 Rz. 70. 98 EuGH v. 8.11.2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, EuGH 2007, I-9569 Rz. 78. 99 EuGH v. 8.11.2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, EuGH 2007, I-9569 Rz. 39.
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ländische Empfänger an § 8b Abs. 1 KStG festgehalten werden soll100. Die im Vorfeld des Jahressteuergesetzes 2009 diskutierte grundfreiheitenkonforme101 Alternative der Anordnung einer definitiven Körperschaftsteuerpflicht für an inländische Empfänger gezahlte Streubesitzdividenden ist aus steuersystematischer Sicht abzulehnen102. Für Ausschüttungen an einkommensteuerpflichtige Anteilseigner müssen Veranlagungswahlrechte eingeführt werden103, wobei ab 2009 zwischen im Privatvermögen und im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen zu differenzieren ist. Soweit der gebietsfremde Anteilseigner die Beteiligung im Privatvermögen hält, müsste ihm entgegen § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG im Rahmen der Abgeltungsteuer das Veranlagungsantragsrecht des § 32d Abs. 4 EStG gewährt werden104. Ausländische Anteilseigner, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten, müssten auf Antrag in der Weise in das Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG integriert wird, dass der unter Einbeziehung des Welteinkommens zu ermittelnde individuelle Steuersatz auf 60 % des Dividendenbezugs zur Anwendung kommt. Richtigerweise kann aus dem Gebot der Inländergleichbehandlung gegenüber dem Quellenstaat nur abgeleitet werden, dass der gebietsfremde Anteilseigner zu denselben Konditionen Zugang zum Teileinkünfteverfahren erhält wie der Gebietsansässige, d. h. dass nicht verlangt werden kann, dass der abkommensrechtlich ermäßigte Quellenabzugssatz auf die Bemessungsgrundlage des § 3 Nr. 40 EStG zur Anwendung gebracht wird, sondern nur der unter Zugrundelegung des Welteinkommens ermittelte individuelle Einkommensteuersatz105. Abkommensrechtlich bestehen ebenfalls keine Einwände gegen die Anwendung des individuellen Steuersatzes, soweit die Gesamtbelastung der Dividende im Staat der ausschüttenden Gesellschaft die Belastung, die sich unter Anwendung des vereinbarten Quellensteuersatz auf den vollen Bruttobetrag der Dividende106 ergäbe, nicht überschreitet.
__________ 100 Wobei allerdings die Begrenzung der Freistellung auf 95 % der Dividende durch § 8b Abs. 5 KStG zu berücksichtigen wäre, so dass Deutschland sein Quellenabzugsrecht auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende anwenden dürfte. Im Ergebnis verbleibt Deutschland damit unter Zugrundelegung der Begrenzung des Kapitalertragsteuersatzes auf 15 % durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA ein auf 0,75 % der Bruttodividende beschränktes Besteuerungsrecht. 101 Siehe die Schlussanträge von Generalanwältin J. Kokott v. 18.9.2008 in der Rechtssache Truck Center Rs. C-287/07 Rz. 62 ff. 102 Insbesondere auch im Hinblick auf eine mögliche Einbeziehung der sich aus §§ 8 Nr. 5; 9 Nr. 2a GewStG ergebenden Gewerbesteuerbelastung von Streubesitzdividenden inländischer Dividendenempfänger s. Baumgärtel/Lange, Ubg 2008, 525 ff.; ferner V. Schmidt, NWB 2008, 2311 ff.; Patzner/Frank, IStR 2008, 433 ff. 103 In diese Richtung schon auf der Grundlage von EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/02 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5933 W. Schön, IStR 2004, 289 (292/293). 104 Ebenso J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 465. 105 Vgl. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/02 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5933 Rz. 49. 106 Dazu W. Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 10 Rz. 44.
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5. Besteuerung von Gewinnen aus der Anteilsveräußerung a) Wegzugsfälle Zur Zuordnung der Besteuerungsrechte im Fall von Anteilsveräußerungen hat sich der Gerichtshof bisher vor allem im Zusammenhang mit Regelungen der Wegzugsbesteuerung geäußert. In den Rechtssachen Lasteyrie du Saillant107 und N108 hat der Gerichtshof das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf die Erfassung stiller Reserven in Beteiligungen erstreckt, die während der Ansässigkeit des Anteilseigners im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft entstanden sind109. Zwar berechtigt dies den Staat, unter dessen Steuerjurisdiktion die stillen Reserven entstanden sind, nicht zu einer Besteuerung ohne Realisationsakt. Gerechtfertigt sind aber Maßnahmen, die den Wegzugsstaat in die Lage versetzen, seinen Steueranspruch bei späterer Realisation auszuüben, soweit sie nicht über das hierfür erforderliche Maß hinausgehen. Zudem muss der Wegzugsstaat spätere Wertminderungen berücksichtigen110. Der Gerichtshof stützt seine Entscheidung auf das Territorialitätsprinzip, dessen einseitige oder bilaterale Verwirklichung durch die Mitgliedstaaten auch vor dem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich Bestand habe111. Offen ist jedoch, wie die einseitig angeordnete Wegzugsbesteuerung mit dem Doppelbesteuerungsrecht in Einklang zu bringen ist. Abkommensrechtlich ist das Recht zur Besteuerung von Wertsteigerungen in Anteilen allein dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) zugewiesen, weshalb § 6 AStG nach – wenngleich nicht unbestrittener Auffassung112 – zumindest in materieller Hinsicht ein treaty override darstellt113. Nur wenn man Art. 13 Abs. 5 OECD-MA wie der Gerichtshof in der Rechtssache N dahingehend auslegt, dass das Besteuerungsrecht zeitlich auf während der Ansässigkeit des Anteilseigners entstandene Wertsteigerungen beschränkt ist114, lässt sich ein Einklang mit der abkommensrechtlichen Verteilungsentscheidung herstellen115. Der Umstand, dass eine Reihe von Abkommen gesonderte Regeln für den Wohn-
__________ 107 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-240. 108 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409. 109 Diese territoriale Zuordnung stiller Reserven stößt weitgehend auf Zustimmung, vgl. etwa W. Schön, IStR 2004, 289 (296). 110 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 37. 111 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 41. 112 Noch offen gelassen in BFH v. 17.12.1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558 (559); jetzt aber BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, DStR 2008, 2154 (2155); A. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000, S. 77 f. 113 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, Rz. 5.399, jedenfalls soweit die Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA nicht ausdrücklich auf den Wertzuwachs nach Zuzug beschränken. 114 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 46. 115 Hierzu im Einzelnen E. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 13 Rz. 199 ff.
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sitzwechsel aufweisen116, spricht allerdings, wenn man diesen nicht allein deklaratorische Wirkung beimisst, gegen eine derartige Interpretation von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA117. Fehlt es an einer solchen Regelung, ließe sich allenfalls aus dem Umstand einer eigenen Wegzugsregel des Zuzugsstaates eine Art stillschweigender einvernehmlicher Abkommensergänzung folgern. Der Gerichtshof hat bisher nur über die Behandlung im Wegzugsstaat entschieden. Nach Ansicht des BFH118 implizieren die Entscheidungen jedoch, dass der Zuzugsstaat verpflichtet ist, seinen Besteuerungsanspruch entsprechend zurückzunehmen. Die EG-vertragliche Grundlage dieser Schlussfolgerung ist allerdings zweifelhaft. Setzt der Zuzugsstaat bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns stets die Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten an, ließe sich ein Diskriminierungsvorwurf allenfalls unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte erheben. Ob und in welchem Umfang statt der Anschaffungskosten der Verstrickungswert angesetzt werden müsste, ließe sich zudem nicht allgemein, sondern nur in Abhängigkeit zu den Regeln des Wegzugstaates bestimmen. Unberücksichtigt geblieben ist bisher, dass die Rechtsprechung des EuGH zum Wegzug zu Widersprüchen im Verhältnis zur Rechtsprechung zu grenzüberschreitenden Ausschüttungen führt. Ausschüttung und Anteilsveräußerung stellen – jedenfalls bezüglich der offenen Rücklagen der Kapitalgesellschaft – äquivalente Formen des Transfers von Gewinnen der Kapitalgesellschaft auf die Ebene des Anteilseigners dar119. Beruhen die stillen Reserven in den Anteilen auf nicht ausgeschütteten Gewinnen der Kapitalgesellschaft und schüttet die Gesellschaft den Gewinn nach Wegzug des Anteilseigners aus, partizipiert der Staat der ausschüttenden Gesellschaft (der Wegzugsstaat) maximal in Höhe des abkommensrechtlich vereinbarten Quellenabzugs. Einen weitergehenden Besteuerungsanspruch kann er ebenso wenig auf das Territorialitätsprinzip stützen, wie den Ausschluss der Anwendung körperschaftsteuerlicher Entlastungssysteme bei der Erhebung des Quellenabzugs. Wird der thesaurierte Gewinn dagegen durch Anteilsveräußerung nach Wegzug realisiert, soll der Wegzugsstaat ein sehr viel weitergehendes Besteuerungsrecht auf das Territorialitätsprinzip stützen können, das es ihm erlaubt, den auf die thesaurierten Gewinne der Kapitalgesellschaft entfallenden Veräußerungsgewinn voll – und unter Ausschluss des (neuen) Ansässigkeitsstaats – zu besteuern. Mit der Reservenverdoppelung in den Anteilen scheint sich auch das Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu verdoppeln.
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116 Vgl. die Übersicht bei E. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 13 Rz. 225. 117 So auch H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, § 5.399 u. § 16.401. 118 BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, DStR 2008, 2154 (2156); zweifelnd J. Intemann, NWB 2008, Fach 2, 10106. 119 BT-Drucks. 14/2683, 96; jedenfalls für offene Rücklagen U. Prinz, FR 1999, 1265 (1271); und ausführlich M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, Köln 2004, S. 132– 147.
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b) Steuernachteile bei Veräußerung an beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, § 50c EStG a. F. Die Wegzugsbesteuerung und die hierzu ergangene Judikatur des EuGH betrifft stille Reserven, die während der unbeschränkten Steuerpflicht des Anteilseigners entstanden sind120. Offengeblieben ist dagegen auch in der Rechtssache Bouanich121, die die Veräußerungsgewinnbesteuerung gebietsfremder Anteilseigner zum Gegenstand hatte, welche europarechtlichen Schlussfolgerungen sich aus der abkommensrechtlichen Zuweisung der Besteuerungsrechte in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA für Besteuerungsnachteile ergeben, die beschränkt steuerpflichtigen Veräußerern erwachsen. In der Regel wird der Sitzstaat der Kapitalgesellschaft, deren Anteile veräußert werden, den Veräußerungsgewinn wegen Art. 13 Abs. 5 OECD-MA nicht besteuern, so dass eine Benachteiligung gebietsfremder Anteilsveräußerer im Quellenstaat nicht eintritt. Kommt es aber zu einer Erfassung des gebietsfremden Veräußerers, z. B. weil die von ihm realisierten Wertsteigerungen in Dividenden umqualifiziert werden, so bedarf dies der Rechtfertigung122. Eine ähnliche Wirkung, wenn auch vermittelt über die Benachteiligung des Erwerbers, erzeugte § 50c EStG a. F., der ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen nach Erwerb einer Beteiligung von einem nicht zur Anrechnung berechtigten (in der Regel nichtansässigen)123 Anteilseigner ausschloss und in der Rechtssache Glaxo dem EuGH vorliegt124. Der vorlegende Erste Senat des BFH hat § 50c EStG ausschließlich als Vorschrift zur Vermeidung von Umgehungen des Ausschlusses nichtansässiger Anteilseigner vom früheren Körperschaftsteueranrechnungsverfahren für Dividenden angesehen, so dass parallel zur Rechtssache Burda davon auszugehen wäre, dass § 50c EStG mit dem Vorrecht des Quellenstaates gerechtfertigt werden kann. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Maßnahme zur Sicherung der Einmalbesteuerung von Veräußerungsgewinnen125. Dass § 50c Abs. 1 EStG in unmittelbarem Kontext nicht mit der Ausschüttungsbesteuerung, sondern der Veräußerungsgewinn-
__________ 120 § 6 AStG macht eine 10jährige unbeschränkte Steuerpflicht des Anteilseigners zur Voraussetzung. Darüberhinaus sieht § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG vor, dass, wenn dem Anteilseigner die Anteile bereits vor Zuzug nach Deutschland steuerlich zuzurechnen waren, für die Ermittlung der in Deutschland steuerpflichtigen stillen Reserven statt der Anschaffungskosten nur der Wert anzusetzen ist, der keiner § 6 AStG vergleichbaren Steuer in dem Staat, aus dem der Anteilseigner zugezogen ist, unterlegen hat. 121 EuGH v. 19.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bouanich, EuGHE 2006, I-923. 122 EuGH v. 19.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bouanich, EuGHE 2006, I-923 Rz. 31 ff. 123 Dabei lässt der Umstand, dass das Verbot der Teilwertabschreibung auch beim Erwerb vom steuerbefreiten gebietsansässigen Veräußerer eingreift, den Diskriminierungsvorwurf nicht entfallen, vgl. EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-1179 Rz. 28; vergleichbar EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7447 Rz. 39 f. 124 BFH v. 23.1.2008 – I R 21/06, IStR 2008, 443. 125 Kempf/Jorewitz, IStR 2008, 787 (790); ferner I. van Lishaut, DB 1997, 2190 (2193); Prinz/van Lishaut, FR 1998, 1105 (1107).
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besteuerung stand, wird durch R 227d Abs. 3 Satz 2 EStR bestätigt, wonach – trotz fehlender Anrechnungsberechtigung des Veräußerers – der Sperrbetrag des § 50c EStG auf der Grundlage von § 163 AO um den Betrag zu mindern war, der nachweislich von einem früheren Anteilseigner im Inland als Veräußerungsgewinn versteuert worden war126. Ordnet man § 50c EStG damit entgegen des Vorabentscheidungsersuchens des BFH richtigerweise als eigenständige Vorschrift zur Abstimmung der Besteuerungsebenen und Sicherung der Einmalbesteuerung im Veräußerungsfall ein, scheidet eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Ausgewogenheit der Verteilung der Besteuerungsrecht jedenfalls auf der Grundlage des OECD-MA aus. Im Fall der Gewinnrealisierung durch Anteilsveräußerung gibt es – unabhängig von dem im Ausschüttungsfall zugrunde liegenden Körperschaftsteuersystem – weder ein Vorrecht des Quellenstaates noch eine automatische Beteiligung beider Staaten. Vielmehr weist Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – wie dargelegt – dem Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht zu127. Genau entgegengesetzt zum Ausschüttungsfall steht im Rahmen der Veräußerungsgewinnbesteuerung der erste Besteuerungszugriff auf noch nicht ausgeschüttete offene Rücklagen und stille Reserven dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zu.
VI. Resümee Die Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner zeigt ein ambivalentes Bild. Auch wenn die Rechtsprechung einige Fortschritte gemacht hat, sind viele Fragen internationalen Doppelbesteuerung und Doppelbelastung im Zusammenhang mit der Besteuerung grenzüberschreitender Betätigung von Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner nach wie vor ungeklärt. Insbesondere in den Fällen, in denen erst das Zusammentreffen zweier Steuersysteme zu einer Benachteiligung der grenzüberschreitenden Tätigkeit führt, ist weitgehend unklar, wie der Konflikt aufzulösen ist128. Zudem lässt sich, auch wenn der Ausgangsposition eines Vorrechts des Quellenstaates aus nutzentheoretischer Sicht zugestimmt werden kann, kein in sich geschlossenes System der Besteuerung von Kapitalgesellschaften gewin-
__________ 126 Noch deutlicher belegt die Einfügung von § 50c Abs. 11 EStG, dass das Verbot der Teilwertabschreibung nicht in Zusammenhang mit der Anrechnungsberechtigung im Ausschüttungsfall steht, sondern in Zusammenhang mit der Steuerpflicht im Veräußerungsfall. Die ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung hat nicht die Funktion der Neutralisation der auf der Ebene der ausschüttenden Körperschaft erhobenen Körperschaftsteuer, sondern korrespondiert mit der Besteuerung des Veräußerungsgewinns und neutralisiert diese, so auch G. Roderburg, Die Steuerfreiheit der Anteilsveräußerungsgewinne im neuen Körperschaftsteuersystem, Berlin 2005, 288 Fn. 850 mit Kritik an der lediglich zeitversetzten Neutralisation. 127 Zutreffend Kempf/Jorewitz, IStR 2008, 787 (791). 128 Die Kritik von W. Schön, IStR 2004, 289 (292) hat an Aktualität nichts eingebüßt.
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nen. Die starke Abstützung der Rechtsprechung des EuGH auf dem existierenden Doppelbesteuerungsrecht trägt zudem Neutralitätsdefizite in die Rechtfertigungsdogmatik hinein und führt zu einer Verschärfung des Steuerwettbewerbs. Wenn wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte eine unterschiedliche Zuweisung von Besteuerungsrechten nach sich ziehen, eröffnet dies den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, den Ort der Versteuerung zu beeinflussen und damit das innerhalb der EU bestehende Steuergefälle auszunutzen. Indes ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, für ein entscheidungsneutrales System der Kapitalgesellschaftsbesteuerung in der EU zu sorgen129. Dies können nur die Mitgliedstaaten, etwa indem sie sich – wenn schon nicht auf eine gemeinsame körperschaftsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage – so wenigstens auf einheitliche Standards der Vermeidung rechtlicher und wirtschaftlicher Doppelbelastung einigen. Mutter-/Tochter-Richtlinie, Zins- und Lizenzrichtlinie und Fusionsrichtlinie sind ein Schritt in diese Richtung, auch wenn sie unter Neutralitätsaspekten verbesserungsbedürftig sind.
__________ 129 Zum Verhältnis von zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit und wirtschaftlicher Effizienz s. J. Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005, S. 197, wonach Effizienzgesichtspunkte gegenüber Fragen der Verteilungsgerechtigkeit nachrangig sein sollen.
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Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen Inhaltsübersicht I. Vorgeschichte des Unternehmensteuerreformgesetzes II. Schätzungen des Volumens von Gewinnverlagerungen 1. „Grobabschätzung“ des Bundesfinanzministeriums 2. Kritik des IW daran 3. Untersuchung des DIW 4. Untersuchung des ZEW
III. Eigene Auseinandersetzung 1. Plausibler Rückgang des Steueraufkommens ab 2001 2. Erwartungslücke in der Öffentlichkeit 3. Methoden zur Abschätzung des Volumens von Steuersubstratverlagerungen ins Ausland IV. Schlussfolgerungen
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 haben die Vertragspartner sich als Ziel der Reform der Unternehmensbesteuerung u. a. auf eine „Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten“ und die „nachhaltige Sicherung der deutschen Steuerbasis“ festgelegt. Es wird unterstellt, dass in der Vergangenheit in erheblichem Umfang Gewinne, die in der Bundesrepublik erwirtschaftet worden sind, ins Ausland verlagert worden sind („Abwanderung der Steuerbasis“). Diesen Tendenzen solle durch gesetzgeberische Maßnahmen entgegengewirkt werden. Es gelte, die „Steuerbasis in Deutschland zu sichern, die kommunalen Finanzen zu stabilisieren und verstärkt gegen Missbrauch vorzugehen“. Dies ist insbesondere durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 geschehen. In ihm werden in bisher nicht gekannter beziehungsweise nicht vorstellbarer Weise Ausgaben für steuerliche Zwecke dem Gewinn hinzugerechnet. Beispiele dafür sind die Ausdehnungen der Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer und die Einführung einer Zinsschranke, mit der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsen unter bestimmten Umständen eingeschränkt wird und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall eine Verlagerung ins Ausland tatsächlich stattfindet. Außerdem wurde in § 1 AStG eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung verankert, mit der Verlagerungen von Funktionen ins Ausland besteuert werden können. Damit können im Ausland anfallende Gewinne zu einem wesentlichen Teil im Inland besteuert werden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes zum Unternehmensteuerreformgesetz sollen diese Maßnahmen dem Ziel dienen, „die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland zu erschweren“. Im allgemeinen Teil der Begründung des Regierungsentwurfes, der in der Kabinettsitzung am 14.3.2007 als Gesetzentwurf zur Unternehmenssteuerreform beschlossen wurde, heißt es u. a.: 793
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„Die Mehrzahl der verlässlichen Vergleichsuntersuchungen zur internationalen Unternehmensteuerbelastung kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei Kapitalgesellschaften eine der höchsten nominalen und effektiven Steuerbelastungen aufweist. Mit dem in der EU höchsten nominalen Belastungssatz von 38,65 Prozent (Thesaurierungsbelastung von Kapitalgesellschaften mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer bei Hebesatz 400 Prozent) ist Deutschland international nicht wettbewerbsfähig. Selbst wenn der Produktionsstandort Deutschland aus Sicht internationaler Konzerne im Hinblick auf zahlreiche wichtige Standortfaktoren wie etwa Infrastruktur, Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer oder Rechtssicherheit durchaus attraktiv ist, ergeben sich nicht automatisch aus hoher Wertschöpfung Steuerzahlungen der Unternehmen. Folge der hohen deutschen Steuerbelastung ist, dass international operierende Unternehmen durch Gestaltungen dafür sorgen, dass ein erheblicher Teil der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne nicht hier, sondern in anderen Ländern mit niedrigeren Steuersätzen versteuert werden. Unternehmen nutzen also die Vorteile des Standortes Deutschland, entziehen sich aber häufig durch Gewinnverlagerungen der Besteuerung. Nach einer aktuellen Studie des DIW – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – besteht bei Kapital- und Personengesellschaften zwischen den in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nachgewiesenen Gewinnen und den steuerlich erfassten positiven Gewinnen eine Besteuerungslücke in einer Größenordnung von 100 Mrd. Euro (Wochenbericht 5/2007). Die errechnete Besteuerungslücke und die hohen steuerlichen Verluste führen das DIW zu der Schlussfolgerung: „Dies deutet auf Steuervergünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten hin, mit denen die Unternehmen ihre steuerpflichtigen Gewinne herunterrechnen oder ins Ausland verlagern.“ Ziel der Unternehmensteuerreform ist es deshalb auch, Anreize für international tätige Unternehmen zu setzen, einen angemessenen Anteil der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne hier zu versteuern. Eine Möglichkeit, Erträge ins Ausland zu verlagern, ist die grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierung, da die gezahlten Zinsen in Deutschland als Betriebsausgabe abzugsfähig sind und so in Deutschland den Gewinn mindern. Die heute schon bestehenden Abwehrmaßnahmen bei Darlehen ausländischer Konzernmütter an ihre deutschen Konzerntöchter (im Körperschaftsteuergesetz) und bei Darlehen ausländischer Konzerntöchter an ihre inländischen Mütter oder Konzernteile (im Außensteuergesetz) sind unzureichend. Die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch niedrige Steuersätze zieht nicht nur ausländische Investoren an, sondern erhöht auch die Attraktivität des Standortes für bereits ansässige Unternehmen. Auslandsinvestitionen verlieren an Renditevorsprung, Investitionen und Arbeitsplätze bleiben in Deutschland. Deshalb benötigen die Kapitalgesellschaften in Deutschland einerseits ein attraktiveres Ertragsteuerrecht, um positive Anreize für mehr Investitionen in Deutschland zu setzen. Zugleich ist aber auch dafür Sorge zu tragen, dass die 794
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in Deutschland erwirtschafteten Gewinne auch hier versteuert werden. Da Fremdkapitalzinsen und interne Verrechnungspreise die beiden wichtigsten Instrumente der Konzerne sind, um Steuersubstrat ins Ausland zu transferieren, muss auch bei den Kapitalentgelten gegengesteuert werden. Nichthandeln würde zu einer weiteren Erosion der deutschen Steuerbasis führen.“ Der Gesetzgeber sah und sieht sich mit seinem Vorhaben erheblicher Kritik ausgesetzt. Von der „Verletzung fundamentaler Besteuerungsprinzipien“ ist die Rede1. Mit seiner Prinzipienlosigkeit rüttele der Gesetzgeber an den „Grundfesten des Ertragsteuerrechts, die keine Diskussion zulassen, nämlich objektives Nettoprinzip und Realisationsprinzip“2.
I. Vorgeschichte des Unternehmensteuerreformgesetzes Im Jahre 2001 reduzierte sich das Körperschaftsteueraufkommen dramatisch, nämlich von etwa 23 Mrd. Euro im Jahre 2000 auf einen kleinen Negativbetrag im Jahre 2001. Diesen Einbruch an Einnahmen „trägt die Politik wie ein Trauma mit sich“3. Das Gewerbesteueraufkommen sank gleichzeitig um etwa 11 %. Das war der Beginn eines munteren Kesseltreibens gegen die grenzüberschreitend tätigen Konzerne, die angeblich ihre Gewinne nach Belieben ins niedrig besteuernde Ausland verlagern können. Manche Steuerpolitiker beklagten den gewachsenen Steuergestaltungswillen der Steuerexperten in den Unternehmen und den mangelnden Patriotismus, gepaart mit Gier, wenn es um die eigene Vergütung geht. Es wurde behauptet, dass eine Putzfrau mehr Steuern als Siemens zahle4 und dass die Unternehmen „die steuerlichen Gewinne nahezu nach Belieben manipulieren würden“5. Es war die Rede davon, dass die DAX30-Unternehmen in irischen Finanzierungsgesellschaften mehr Ergebnisse versteuern als im Inland6. Dies alles war für manche Steuerpolitiker ein willkommener Anlass, Bemühungen um die im internationalen Kontext längst notwendigen Reduzierungen der Unternehmenssteuersätze entgegenzutreten. Es war auch Grundlage für die Mehrfacherwähnung von Steuerbasisverlagerungen ins Ausland im Koalitionsvertrag vom 11.11.2005 sowie für die im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vorgesehenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen zu der vielfach für notwendig erachteten Reduzierung der nominellen Unternehmenssteuerbelastung.
__________ 1 Vgl. Hey, BB 2008, 1303. 2 Hey, a. a. O., (Fn1), S. 1303 re. Sp. 3 So jedenfalls Nawrath, Staatssekretär im BMF, anlässlich der 59. Jahrestagung der Fachanwälte für Steuerrecht 2008 am 5.5.2008, JbFSt 2008/2009, S. 16. 4 Zitat eines Gewerkschaftsvertreters in einer Fernsehdiskussion. 5 Das Zitat stammt vom damaligen und heutigen Oberbürgermeister der Stadt München, s. Süddeutsche Zeitung vom 20.8.2003. 6 S. Peiner, Capital 2006, Heft 3.
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II. Schätzungen des Volumens von Gewinnverlagerungen 1. „Grobabschätzung“ des Bundesfinanzministeriums Im Juni 2006 versuchte sich das für Steuerschätzungen zuständige Referat im Bundesfinanzministerium an einer „Grobabschätzung der Größenordnung von in Deutschland erwirtschafteten, aber nicht in Deutschland versteuerten Gewinnen“. Die vermeintliche Besteuerungslücke sollte dabei für das Jahr 2005 durch einen Vergleich der in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) nachgewiesenen Gewinne von Kapitalgesellschaften mit den ausweislich des Körperschaftsteueraufkommens steuerlich erfassten Gewinnen ermittelt werden. Methodisch wurde so vorgegangen, dass der volkswirtschaftliche Ausgangswert, nämlich die Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften laut VGR, um die dort auch enthaltenen Gewinne der Personengesellschaften bereinigt wurde. Um Doppelzählungen zu vermeiden, wurden dabei auch Ausschüttungen von anderen Kapitalgesellschaften eliminiert. Für die Ermittlung des der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkommens von Kapitalgesellschaften wurde von dem Kassenaufkommen der Körperschaftsteuer – unter Vernachlässigung des „Veranlagungs-Timelags“7 – ausgegangen. Durch Hinzurechnung der im Kassenaufkommen verrechneten Beträge für Investitionszulage, Kapitalertragsteuer der Körperschaften und Zinsabschlagsteuer ergab sich ein bereinigtes Körperschaftsteueraufkommen. In dem Vermerk des Bundesfinanzministeriums vom 29.6.2006 wird sodann folgende Rechnung aufgemacht: Nach den Daten für das Jahr 2005 ergeben sich folgende Werte (grobe Größenordnung): – – – – – – –
Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften gemäß VGR: (Quelle: Konten- und Standardtabellen) Anteil Gewinne Personengesellschaften Verbleibende Gewinne der körperschaftsteuerpfl. Kapitalgesellschaften Geltend gemachter Verlustabzug Gewinne anderer Kapitalgesellschaften Rechnerische Bemessungsgrundlage 2005
408 Mrd. € ./. 150 Mrd. € 258 Mrd. € ./. 40 Mrd. € ./. 51 Mrd. € 167 Mrd. €
Die Untersuchung endet mit folgendem Fazit: „Die auf der Grundlage eines Abgleichs von volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung und Körperschaftsteuerstatistik ermittelte Größenordnung von in Deutschland erwirtschafteten, aber nicht in Deutschland versteuerten Gewinnen i. H. v. 60 Mrd. Euro ist nicht unplausibel, enthält aber eine erhebliche nicht näher eingrenzbare Unsicherheitsmarge. Der jetzige Analysestand zeigt, dass es für die Verbesserung der Chancen, die Abwanderung von Substrat zu stoppen oder sogar Substrat nach Deutschland zurückzuholen, nicht nur auf die Steuersätze in Deutschland und in den Niedrigsteuergebieten ankommt, sondern auch die Hinzurechnungen eine
__________ 7 Zitat aus dem offenbar für interne Zwecke erstellten Vermerk des BMF vom 29.6.2006.
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zentrale Bedeutung dafür haben, ob wieder mehr Substrat in Deutschland versteuert wird. Eine Senkung der Sätze und Wegfall der Hinzurechnungen würde unter dem Strich beim Substrat fast nichts bringen.“ Die Untersuchung des Bundesfinanzministeriums wurde im zeitlichen Anschluss an den sog. Eckpunkte-Beschluss des Bundeskabinetts vom 12.7.2006, in dem die Prüfung von „Maßnahmen gegen den Verlust von Steuersubstrat“ im Vorfeld der Beratungen zum Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes angekündigt worden war, ausgewählten Medienvertretern zur Verfügung gestellt. Dies hatte ein starkes Echo in der überregionalen Presse zur Folge. Die FAZ8 titelte: „Unternehmen entziehen sich dem deutschen Fiskus“, die Überschrift in der Welt9 lautete: „Firmen entziehen Fiskus 65 Mrd. Euro“. Das Handelsblatt10 wusste zu berichten, dass die Untersuchung für den Bundesfinanzminister ein wichtiges Argument dafür sei, „zur Finanzierung der Unternehmenssteuerreform eine Hinzurechnung von Zinsen zum steuerlichen Gewinn vorzuschlagen“. 2. Kritik des IW daran Vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wurden die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums mit deutlichen Worten („grob verrechnet“) zurückgewiesen11. Die Begründung des IW lautete: Die Ermittlung der Gewinne der Kapitalgesellschaften aus der VGR als Restgröße führt ebenso zu unscharfen Ergebnissen wie die Tatsache, dass Abschreibungen in der VGR gänzlich anders ermittelt werden als für Steuerzwecke. Damit nicht genug werden mehrere Posten aufgeführt, die zusätzlich nach der VGR hätten abgezogen werden müssen (z. B. Subventionen, Bundesbankgewinne und Gewinne öffentlicher Unternehmen)12. Auch die Außerachtlassung des vom BMF sog. Veranlagungs-Timelags war für das IW Anlass für Zweifel an der Haltbarkeit der BMF-Untersuchung13. 3. Untersuchung des DIW Im Januar 2007 veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine eigene Untersuchung14, bei der es ungeachtet der Kritik des IW an der Verwendbarkeit der VGR diese ebenfalls für seine Untersuchung heranzog.
__________ 8 Ausgabe vom 15.8.2006. 9 Ausgabe vom 14.8.2006; die Überschrift ist auslegungsfähig: viele Leser werden den Eindruck gehabt haben, dass die Firmen 65 Mrd. Euro Steuern entzogen hätten. 10 Ausgabe vom 15.8.2006; interessanterweise druckte das Handelsblatt in seinem Beitrag ganze Auszüge aus der BMF-Analyse. 11 IW vom 24.8.2008, „Grob verrechnet“. 12 IW, a. a. O., (Fn. 11). 13 Vgl. zu der Problematik der Zahlungsverzögerung bei Veranlagungssteuern Breuer, ifo-Schnelldienst 22/2008, S. 14 ff.; der Autor weist darauf hin, dass „aufgrund der Besonderheit des Veranlagungsverfahrens“… die Vorauszahlungen nur langsam geänderten Gewinnerwartungen angepasst werden. 14 DIW Wochenbericht Nr. 5/2007 vom 31.1.2007.
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Allerdings verglich das DIW die in der VGR ausgewiesenen Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften nicht wie das BMF mit Gewinnen der Kapitalgesellschaften, die sich aus einer Hochrechnung der Steuerzahlungen für das jeweilige Jahr ergaben; vielmehr wurden die Gesamtbeträge der Einkünfte laut den Steuerstatistiken des statistischen Bundesamtes, die für alle drei Jahre erstellt werden, für Vergleichszwecke herangezogen. Bei der Ermittlung der Unternehmensgewinne laut VGR wurden die vom IW kritisierten Fehler des BMF teilweise vermieden, indem der Bundesbankgewinn und die Subventionen eliminiert wurden. Die Untersuchung ermittelte für das Jahr 2001, für das eine Steuerstatistik vorliegt, überschießende Unternehmensgewinne nach VGR von knapp 100 Mio. Euro. Die „Lücke zwischen den ökonomischen und den steuerlich erfassten Gewinnen“ versuchte das DIW mit Steuervergünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten zu erklären, „mit denen die Unternehmen ihre steuerpflichtigen Gewinne herunterrechnen oder ins Ausland verlagern“15. Die DIW-Studie stellt den im Vorfeld der Beratungen zum Unternehmensteuerreformgesetz am meisten beachteten und diskutierten Beitrag zum Thema dar. Der eingangs wiedergegebene Auszug aus der Begründung zum Regierungsentwurf zeigt, dass gerade die DIW-Thesen als Beleg für die Notwendigkeit der mit dem Unternehmensteuerreformgesetz beschlossenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen herangezogen worden sind. 4. Untersuchung des ZEW Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim griff das Thema „Ausmaß der Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen“16 zu Beginn des Jahres 2008 erneut auf. Die Autoren setzten sich dabei kritisch mit den bisherigen Untersuchungen – insbesondere derjenigen des DIW – auseinander und wiesen dabei in einer abgewogenen und sorgfältigen Auseinandersetzung nach, dass „aus einem Vergleich des Unternehmensgewinns der Kapitalgesellschaften im Sinne der VGR mit den entsprechenden Steuerstatistiken keine validen Aussagen – weder über das Ausmaß von Steuervergünstigungen noch über das tatsächliche Ausmaß der Buchgewinnverlagerung17 – abgeleitet werden können“18. Die Autoren belegen zunächst, dass die vom DIW als Erklärung für die von diesem ermittelte deutliche Abweichung der beiden statistischen Größen herangezogenen Steuervergünstigungen nicht tauglich sind. Steuerliche Sondervorschriften wie überhöhte Abschreibungen oder steuerfreie Rücklagen, die zur Erreichung wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele eingeführt worden
__________ 15 DIW, a. a. O., (Fn. 14), S. 63 f. 16 Heckemeyer/Spengel, Ausmaß der Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen – empirische Evidenz und Implikationen für die deutsche Steuerpolitik, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, S. 37 ff. 17 Dies ist der von den Autoren durchgängig verwendete Begriff, der Substratverlagerungen ins Ausland beschreiben soll. 18 ZEW, a. a. O., (Fn. 16), in den Schlussthesen auf S. 59.
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seien, um vorübergehend eine Senkung der ertragssteuerlichen Bemessungsgrundlage zu bewirken, scheiden als Erklärung aus, weil „derartige Regelungen von der VGR systematisch nicht erfasst werden“19. Die ZEW-Untersuchung unterscheidet ferner deutlich zwischen OutboundFällen (Direktinvestitionen inländischer Unternehmen im Ausland) und Inbound-Fällen (Direktinvestitionen ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland). Der Schlüssel zum Verständnis der Untersuchungen besteht nunmehr darin, dass in Outbound-Fällen in die VGR auch die im Ausland erzielten Erträge nach Steuern eingehen und zwar unabhängig davon, ob diese thesauriert oder ausgeschüttet werden. Das bedeutet aber, dass sich zwangsläufig eine erhebliche Diskrepanz zum Gesamtbetrag der Einkünfte, der vom DIW als Vergleichsgröße aus der Steuerstatistik herangezogen worden ist, ergibt. Mit dem Hinweis darauf, dass im Ausland erzielte Gewinne von Tochterkapitalgesellschaften in aller Regel in Deutschland steuerlich irrelevant sind, belegt das ZEW, dass aus der Diskrepanz zwischen VGR und den Werten der Steuerstatistik kein Beleg für Steuersubstratverlagerungen hergeleitet werden kann. Anders ist dies laut ZEW in Inbound-Fällen, in denen künstliche Gewinnminderungen negativen Einfluss sowohl auf die VGR als auch auf den Gesamtbetrag der Einkünfte haben. Das ZEW versucht sich sodann an einer eigenen Schätzung von Buchgewinnverlagerungen und zwar begrenzt auf den Outbound-Fall. Es konstatiert, dass die eigene Schätzung lediglich eine Grobabbildung darstellen kann, und begnügt sich in diesem Zusammenhang damit, dass das Volumen denkbarer Buchgewinnverlagerungsaktivitäten mit seiner Methode nach oben begrenzt werden kann. Dies geschieht, indem „das gesamte Geschäftsergebnis der ausländischen Direktinvestitionsobjekte annahmegemäß auf aus Deutschland buchhalterisch verlagerte Gewinne zurückzuführen ist20. Mit anderen Worten: Es wird unterstellt, dass „sich das aus eigenständiger unternehmerischer Aktivität hervorgebrachte Geschäftsergebnis der ausländischen Direktinvestitionsobjekte exakt auf Null beläuft“21. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, „dass die berechneten Werte als absolute Obergrenzen der denkbaren Buchgewinnverlagerung im Outbound-Fall zu interpretieren sind, die nur unter Akzeptanz extremer Prämissen erreicht werden können, und sich das Ausmaß der tatsächlich stattfindenden Aktivitäten in einer deutlich kleineren Dimension bewegen dürfte“. In den abschließenden Thesen wird erneut darauf hingewiesen, dass die Schätzung der denkbaren Buchgewinnverlagerung „auf der Grundlage z. T. extremer Annahmen“ beruht22. Die Schätzung des ZEW, die – was nicht oft genug wiederholt werden kann – auf extremen, wenn nicht gar absurden Prämissen beruht, kommt zu dem Ergebnis, dass in dem vom DIW untersuchten Jahr 2001, für das das DIW den
__________ 19 20 21 22
ZEW, a. a. O., (Fn. 16), S. 41. ZEW, a. a. O., (Fn. 16), S. 52. ZEW, a. a. O., (Fn. 16), S. 52. ZEW, a. a. O., (Fn. 16), S. 59.
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100 Mrd.-Euro-Wert ermittelt hatte, eine Verlagerung von inländischem Steuersubstrat ins Ausland i. H. v. maximal 1 Mrd. Euro vorgenommen worden sein kann23. Für die Folgejahre steigt dieser Wert kontinuierlich an; er erreicht in 2006 eine Größenordnung von ca. 60 Mrd. Euro. Das ZEW hat eine weitere Untersuchung angekündigt, in der angestrebt wird, zu errechnen bzw. zu schätzen, wie dieses im Ausland erwirtschaftete Maximalergebnis aufgeteilt werden kann in originäre Geschäftsergebnisse einerseits und auf Verlagerungen beruhende Resultate andererseits. Einer mündlichen Vorabpräsentation der Ergebnisse war zu entnehmen, dass in Abhängigkeit von Prämissen für 2006 der Anteil echter Gewinnverlagerungen aus dem Inland in einer Spanne zwischen ca. 8 Mrd. Euro und ca. 21 Mrd. Euro liegt24.
III. Eigene Auseinandersetzung An den Anfang einer Auseinandersetzung mit dem Thema gehört die Feststellung, dass unternehmerische Aktivitäten von inländischen Unternehmen im Ausland nicht als Verrat am Vaterland angesehen werden dürfen. Produktionsaufnahmen im Ausland – in welcher organisatorischen Form auch immer – erfolgen in erster Linie, um den Wünschen der Schlüsselkunden Rechnung zu tragen, die zunehmend Zwang auf ortsnahe Lieferung ausüben. Außerdem geht es darum, nationalen Importbarrieren oder protektionistischen Maßnahmen auszuweichen. Produktionsaufnahmen im Ausland sind nötig, um Marktvolumen zu erschließen und so im Kampf um Marktanteile im Interesse auch und insbesondere der Existenzfähigkeit der Muttergesellschaft nicht zurückzufallen. Der Aufbau von ausländischen Produktionskapazitäten von voluminösen Produkten, die aufgrund der geographischen Situation (Belegenheit der Rohstoffe, Sitz der Abnehmer) sonst entstehende hohe energieintensive Transportaufkommen vermeiden, ist angesichts der weltweiten Klimasituation auch unter ökologischen Aspekten zu begrüßen. „Kein anderes Land wie die Bundesrepublik ist so sehr involviert und so sehr vernetzt mit dem, was wir den globalen Wettbewerb nennen. Warum? Weil 40 % unseres Bruttosozialprodukts über Im- und Exportbeziehungen generiert werden. Das ist deutlich mehr als im Fall der USA, die unter 15 % ihres GBP im Globalisierungsprozess generieren. Im Falle Japans dürften es rund 20 % sein. Das heißt: Jede Abkoppelung aus der Globalisierung läuft auf Wohlstandsverluste hinaus.“
Dieses Zitat stammt aus einer Rede von Bundesfinanzminister Steinbrück25. Seine Ausführungen belegen, wie wichtig für die deutsche Volkswirtschaft, die ja nicht über nennenswerte Vorkommen an Rohstoffen verfügt, die Teilnahme der Unternehmen am weltweiten Austausch von Gütern und Leistungen ist.
__________ 23 ZEW, a. a. O., (Fn. 16), S. 55. 24 Die Untersuchung des ZEW wurde nach Manuskriptablieferung veröffentlicht in DB 2009, 133. 25 „Gerechtigkeit – Wettbewerbsvorteil in einer globalisierten Wirtschaft“, 14.1.2008 – www.bundesfinanzministerium.de.
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1. Plausibler Rückgang des Steueraufkommens ab 2001 Des Weiteren erscheint es angebracht, einige erklärende Erläuterungen zum Rückgang des Steueraufkommens ab 2001, der ja offenkundig der Auslöser für Verstimmungen bei den Politikern war, anzubringen: – Im Jahre 2001 gab es mit den Turbulenzen am Neuen Markt und dem Rückgang der Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts von fast 3 % auf 0,6 % einen massiven konjunkturellen Einbruch, in dessen Folge die aufsummierten Konzernergebnisse der damaligen DAX-30-Unternehmen von 74 Mrd. Euro in 2000 auf 25 Mrd. Euro in 2001 und auf nur noch 6 Mrd. Euro in 2002 zurückfielen. Ergebnisse vor Steuern 2000 / 2001 / 2002 - Unternehmen im Dax30 In Millionen EURO Unternehmen Adidas-Salomon Allianz Altana BASF Bayer Bayer. Hypovereinsbank BMW Commerzbank Daimler Chrysler Deutsche Bank Deutsche Börse Deutsche Lufthansa Deutsche Post Deutsche Telekom E.ON Fresenius Henkel Infineon Technologies Linde MAN Metro MLP Münchener Rück RWE * SAP Schering Siemens ** ThyssenKrupp ** TUI Volkswagen
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346,6 4873,0 329,3 2827,4 2990,0 1852,0 2032,0 2234,0 4476,0 6869,0 284,8 1188,9 2038,0 6333,0 6423,0 500,0 816,0 1744,2 340,2 668,0 754,0 124,2 2450,0 2151,0 1013,0 635,0 12239,0 1090,0 576,4 3719,0
376,3 1.827,0 543,8 608,7 1.115,0 1.549,0 3.242,0 43,0 -1.483,0 1.803,0 319,2 -806,9 2.147,0 -2.504,0 2.684,0 180,0 1.059,0 -1.025,0 447,0 213,0 673,0 150,8 -645,0 2.238,0 1.069,0 698,0 2.678,0 876,0 533,2 4.409,0
390,1 -1.214,0 526,5 2.640,9 956,0 -821,0 3.297,0 -372,0 6.068,0 3.549,0 374,4 904,7 1.856,0 -26.786,0 -704,0 567,0 664,0 -1.167,0 356,0 219,0 830,0 -36,6 438,0 2.722,0 1.107,7 1.145,0 3.475,0 762,0 280,0 3.986,0
73.917,0
25.018,1
6.013,7
Anmerkung: * 2000 = WJ 1999/2000; 2001 = WJ 2000/2001; 2002 = KJ 2002; EvSt RWJ 2001 = 1.143,0 Mio € ** Ergebnisse der am 30.9. des jeweiligen Kalenderjahres endenden Wirtschaftsjahre
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Der damalige Bundeskanzler Schröder beschrieb im Jahre 2004 die seinerzeitige Situation in einem SPIEGEL-Interview mit folgenden Worten: „Wir hatten zu Beginn des Jahrhunderts den Boom im Neuen Markt, der mit einem Zusammenbruch und erheblichen Turbulenzen bei Banken und Versicherungen endete. Es hat selten eine Zeit gegeben, in der die Probleme derart komprimiert auftraten26.“ Da dieser Konjunktureinbruch vornehmlich im Inland stattfand, durfte sich eigentlich niemand wundern, dass dies mit einer entsprechenden Reduzierung der unternehmerischen Steuern einherging. – Gleichzeitig gab es im Jahre 2001 Sondereffekte als Konsequenz des Wechsels vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. In dessen Folge kam es zu erheblichen systembedingten Sonderausschüttungen, die allerdings angekündigt waren und deshalb die am damaligen lange vorbereiteten Gesetzgebungsprozess Beteiligten nicht überraschen konnten. Diese ergaben höhere Rückforderungen von Körperschaftsteuerguthaben, denen aber – was häufig übersehen wird – ein entsprechender Zuwachs bei der Kapitalertragsteuer gegenüberstand. Sie erreichte im Jahre 2001 mit 20,9 Mrd. Euro ein nahezu doppelt so hohes Aufkommen wie noch im Jahr zuvor. Eine Untersuchung von BDI und VCI aus dem Jahre 2002 errechnete ein bereinigtes Körperschaftsteueraufkommen, in dem dieser Sondereffekt ebenso berücksichtigt wird wie die von Kapitalgesellschaften erhobenen, aber gesondert erfassten Abzugssteuern (z. B. Zinsabschlagsteuer, Kapitalertragsteuer). Diese Bereinigung, die grundsätzlich für vergleichbare Untersuchungen auch vom BMF angewandt wird27, ergab ein Körperschaftsteueraufkommen von etwa 19 Mrd. Euro für 2001 und von etwa 33 Mrd. Euro für das Vorjahr28. 2. Erwartungslücke in der Öffentlichkeit Es ist ferner angebracht, auf eine Erwartungslücke aufmerksam zu machen, die in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit bezüglich Unternehmenssteuern besteht. – Wahrgenommen werden grundsätzlich nur die allgemein zugänglichen Gewinne aus den Konzernabschlüssen der Unternehmen. Der Einzelabschluss, der den eigentlichen Ansatzpunkt für die steuerliche Gewinnermittlung bildet, spielt kaum noch eine Rolle. Die Konzernabschlüsse sind indes aus vielen Gründen nicht als Gradmesser für die im Inland steuerpflichtige Bemessungsgrundlage geeignet. Sie enthalten in aller Regel höhere Ergebnisse als die aufsummierten, um Ausschüttungen und Gewinnabführungen bereinigten Einzelabschlüsse der in die Konsolidierung einbezogenen Unter-
__________
26 DER SPIEGEL 2/2004. 27 Vgl. dazu die oben angesprochene Untersuchung des BMF v. 29.6.2006; auch das IW (Fn. 11), das DIW (Fn. 14) und das ZEW (Fn. 16) gehen von solchen Bereinigungsnotwendigkeiten aus. 28 Bundesverband der Deutschen Industrie und Verband der Chemischen Industrie, „Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland“, Köln 2002, S. 19.
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Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen
nehmen. Die Konzernrechnung schließt insbesondere die Ergebnisse von ausländischen Gesellschaften ein, die in aller Regel im Inland nicht steuerpflichtig sind. Soweit im Konzernabschluss positive Ergebnisse von solchen Gesellschaften, die nicht voll konsolidiert sind, aber aufgrund des maßgeblichen Einflusses at equity, d. h. mit ihrer anteiligen Eigenkapitalentwicklung, erfasst sind, sind im Konzernabschluss auch keine Steueraufwendungen enthalten: Die Einbuchung des anteiligen Ergebnisses im Konzernabschluss erfolgt netto, d. h. ohne Berührung der Position „Steueraufwand“ in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung29. – Konzernabschlüsse werden nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt. Die hierbei relevanten Bilanzierungsgrundsätze weichen maßgeblich von den Regelungen des HGB’s und des Steuerbilanzrechts ab. In aller Regel führen diese Abweichungen dazu, dass ein höheres Konzernergebnis ausgewiesen wird. Ein Beispiel hierfür bildet die unterschiedliche Behandlung von Betriebsrenten. Wegen der Besonderheiten der für Steuerzwecke anzuwendenden Vorschrift in § 6a EStG, die einen Abzinsungssatz von 6 % enthält und keine Erfassung der Dynamisierung zulässt, ist im Zeitpunkt der Rentenzahlungen regelmäßig mit einem steuerlich höheren Aufwand zu rechnen, als in den nach IFRS aufgestellten Konzernabschlüssen. In denen wird mit flexiblen, weil von der Entwicklung am Anleihemarkt abhängigen, häufig niedrigeren (insbesondere in der jüngeren Vergangenheit!) Abzinsungssätzen gerechnet, und künftige Gehaltssteigerungen dürfen vorweg abgebildet werden. Da dieser Aufwand regelmäßig zu großen Teilen schon in den Eröffnungsbilanzen bei der Erstbilanzierung nach USGAAP oder IFRS erfasst wurde bzw. werden konnte, ist insoweit eine Berührung der Konzern GuV nicht eingetreten. Aus der Praxis bekannt sind Fälle, in denen wegen der konservativen Bilanzierung in den Konzernabschlüssen bei jährlichen Betriebsrentenzahlungen von z. B. 100 Mio. Euro ein steuerlich abzugfähiger Aufwand von ca. 45 Mio. Euro entsteht, während im Konzernabschluss lediglich ein Aufwand (aus Aufzinsung) von ca. 30 Mio. Euro gezeigt werden muss. Ein weiteres Beispiel für solche Abweichungen mit der Folge eines höheren Konzernergebnisses stellen steuerfreie Erträge dar, z. B. Investitionszulagen oder Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen30. – Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Fiskus gerade in den ersten Jahren der rot-grünen Koalition sozusagen von der Hand in den Mund gelebt hat. So ist mit dem noch von Lafontaine zu verantwortenden Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ganz massiv in die steuerlichen Bemessungsgrundlagen eingegriffen worden und zwar zum großen Teil mit Vorzieheffekten, die zu aperiodischen Mehreinnahmen in den Jahren 1999 und 2000 und zu Mindereinnahmen in den Jahren ab 2001 führen. Als Beispiele hierfür sind zu nennen die Regelungen zur Verpflichtung aus Besserungsschei-
__________ 29 Wg. weiterer Einzelheiten vgl. Verfasser, „Die Erwartungslücke bei Unternehmenssteuern“, DStR Beihefter 2 zu Heft 15/2004, S. 2. 30 Wg. weiterer Einzelheiten vgl. Verfasser, a. a. O., (Fn. 29), S 2 f.
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nen in § 5 Abs. 2 a EStG, die Einführung des Wertaufholungsgebots, der Rückstellungsausschluss für Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder die Verpflichtung zur Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten und Rückstellungen, durch die laut BMF alleine von der Energiewirtschaft 8 Mrd. Euro Mehreinnahmen erzielt werden sollten. Aus dem Blickwinkel der Entwicklung der Steuereinnahmen ab 2001 wirkte sich dies in doppelter Weise negativ aus. Zum einen in einer künstlichen Erhöhung der Basis der Vergleichsjahre 1999 und 2000 und zum anderen in der angesprochenen zwangsläufigen Reduzierung der Steuereinnahmen für die Jahre ab 200131. Vergleichbare „Umschlageffekte“ sind übrigens auch vor 1999 von der christlich-liberalen Regierung bereits beschlossen worden, nämlich das Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen, die Streichung von Jubiläumsrückstellungen mit der Folge, dass sich Zuwendungen wegen Arbeitnehmerjubiläen steuerlich zu großen Teilen erst bei Auszahlung auswirkten sowie die steuerliche Behandlung von Altersteilzeitregelungen mit vergleichbaren Nachholeffekten. 3. Methoden zur Abschätzung des Volumens von Steuersubstratverlagerungen ins Ausland Sämtliche bisher angestellten Versuche, die Steuersubstratverlagerungen ins Ausland methodisch zu erfassen, leiden unter einem großen systematischen Mangel, nämlich dem Verzicht auf die Festlegung, welche Sachverhalte im Einzelnen eigentlich unter Substratverlagerung zu erfassen sind. Der eingangs abgedruckte allgemeine Teil der Begründung des Regierungsentwurfes zum Unternehmensteuerreformgesetz vom 14.3.2007 enthält hierzu immerhin noch die Formulierung, dass es um „in Deutschland erwirtschaftete Gewinne“ gehe, die nicht in der Bundesrepublik, „sondern in anderen Ländern mit niedrigeren Steuersätzen versteuert werden.“ Eine solche Eingrenzung ist erforderlich, will man nicht jedwede OutboundInvestition per se als Substratverlagerung ansehen. So wird man beispielsweise den Erwerb einer bereits existierenden und am dortigen Markt erfolgreichen ausländischen Kapitalgesellschaft nicht als Substratverlagerung ansehen können, weil die Erträge ausschließlich auf die dort gegebenen Standort- und Marktsituationen zurückzuführen sind, die schon beim Erwerb der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft vorhanden waren. Dasselbe gilt aber auch bei der Gründung eines neuen Unternehmens auf der grünen Wiese. Auch wenn es hierbei im Einzelnen zu Know-how-Übertragungen und/oder sonstiger technischer oder kommerzieller Assistenz vom Inland aus kommt – die naturgemäß hier auch angemessen zu besteuern sind –: die nach Abzug der Belastungen für die Überlassung von Know-how etc. verbleibenden Gewinne, die von solchen Greenfield-Aktivitäten im Ausland erzielt werden, sind nicht im Inland erwirtschaftet, weil sie auf Markt-, Standort- und
__________ 31 Wg. weiterer Einzelheiten vgl. Verfasser, a. a. O., (Fn. 29), S 4.
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Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen
Produktionsbedingungen des ausländischen Staats beruhen. Häufig ist schon wegen des Interesses der Kunden an ortsnaher Produktion oder aus logistischen Gründen eine wirtschaftlich vernünftige Substitution der Lieferung des Greenfield-Unternehmens durch das inländische Stammhaus nicht denkbar. Verwendung der Gewinne aus der VGR Die oben unter II. 1. und 3. skizzierten Untersuchungen des BMF und des DIW gehen mit ihrem Vergleich der Unternehmensgewinne aus der VGR mit den aus Steuerrechnungen hochgerechneten Werten – offensichtlich unbewusst – davon aus, dass jedweder Ertrag aus Outbound-Investitionen als Steuersubstratverlagerung anzusehen ist. Anderenfalls ist nicht erklärlich, dass von ihnen auf die sonst notwendige Bereinigung um thesaurierte und ausgeschüttete Ergebnisse eines großen Teils der ausländischen Kapitalgesellschaften verzichtet wurde32. Diese Unterlassung kommt zu der sonstigen Kritik an der Verwendung der Gewinne aus der VGR hinzu: – In der VGR finden grundsätzlich Ansatz- und Bewertungskonzepte Anwendung, die sich wesentlich von den steuerbilanziellen und bewertungsrechtlichen Grundlagen unterscheiden, die den Vergleichsgrößen zugrunde liegen, die von BMF bzw. DIW verwendet wurden. So wird in der VGR der tatsächliche Substanzverzehr berücksichtigt, weshalb im Allgemeinen auch von einer längeren Nutzungsdauer der Anlagen im Vergleich mit der Ermittlung der steuerlich zugrunde zu legenden Abschreibungen auszugehen ist. Auch werden in der VGR die Abschreibungen nicht zu Anschaffungs-, sondern zu Wiederbeschaffungspreisen bewertet. Dies führt tendenziell und dauerhaft zu höheren Ergebnissen in der VGR. – Zudem werden die in den Steuerstatistiken enthaltenen Daten mit Hilfe einer Vollerhebung der Finanzbehörden erstellt, die eine ganz andere – sprich sehr hohe – Qualität besitzen, während die in der VGR ermittelten Unternehmensgewinne eine aus vergleichweise hoch aggregierten Posten ermittelte Residualgröße darstellen, die erhebliche Unschärfen und Ungenauigkeiten enthält. – Die VGR erfasst wirtschaftliche Aktivitäten, wenn ein Umsatz getätigt wird. Das Bilanzsteuerrecht grenzt nach wirtschaftlicher Verursachung und unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips ab. In der VGR sind z. B. keine Rückstellungen enthalten. – Die VGR erfasst nur Zinsaufwand, der auf einer Finanzierung über den Kapitalmarkt oder über Banken beruht. Andere Finanzierungsformen (z. B. über Gesellschaftsdarlehen!) werden nicht als Aufwand berücksichtigt. Die Verwendung der VGR ist auch deshalb in hohem Maße angreifbar, weil sie neben den im Inland nicht steuerpflichtigen Gewinnen ausländischer Toch-
__________
32 Die Untersuchung des BMF hatte wohl eine Eliminierung ausgeschütteter Gewinne vorgenommen.
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terkapitalgesellschaften auch andere Positionen im Vermögenseinkommen erfasst, die im Inland nicht steuerpflichtig sind. Es handelt sich hierbei insbesondere um im Inland aufgrund nationaler Bestimmungen oder aufgrund der Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen freigestellte Einkünfte aus Betriebsstätten im Ausland, die insbesondere im Anlagenbau, aber auch im Banken- und Versicherungsbereich erhebliche Größenordnungen ausmachen. Insgesamt erweist sich, dass aus der VGR keine verlässlichen, belastbaren Zahlen zu generieren sind, die eine seriöse Grundlage für einen Abgleich mit den hochgerechneten Steuerzahlungen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte bieten könnten. Es handelt sich um einen klassischen Fall eines Vergleichs von Äpfeln mit Birnen. Insofern sind auch die ansonsten hilfreichen und überzeugenden Ansätze des ZEW zu kritisieren, weil auch sie als Ausgangswert ihrer Betrachtungen das VGR-Zahlenwerk heranziehen und damit zwangsläufig Verzerrungen in Kauf nehmen müssen. Folgerungen aus der Höhe der Auslandsanteile in Konzernabschlüssen Auf dem Höhepunkt der Diskussion über die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland durch inländische Unternehmen wurde von dem damaligen Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Peiner, behauptet, die deutschen DAX-Konzerne versteuerten in irischen Finanzierungsgesellschaften höhere Ergebnisse als im Inland. In einem Briefwechsel hat der Autor den Finanzsenator darauf hingewiesen, dass die Aussage schon deshalb nicht zutreffen könne, weil – manche DAX-30-Unternehmen in Irland gar keine Finanzierungsgesellschaften33 unterhalten – ausweislich der in den meisten Geschäftsberichten enthaltenen Informationen über die Aufteilung des Konzernergebnisses in Inland und Ausland die Mehrzahl der DAX-30-Unternehmen im Inland mehr als 50 % der Ergebnisse erwirtschaften – Auslandsaktivitäten regelmäßig in einer ganzen Reihe von Ländern – und eben nicht nur in Irland – unterhalten werden, die ihrerseits durch ihre Steuerprüfer darauf achten, dass Ihnen ein angemessener Teil des weltweiten Steueraufkommens gesichert wird. Als Reaktion wies Herr Peiner darauf hin, dass die ursprüngliche Aussage von einem Institut stamme und er keinen Anlass habe, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln. Diese Institutsgläubigkeit verwundert etwas, in Sonderheit mit Blick auf die harten vom Autor in dem Briefwechsel vorgebrachten, belastbaren Fakten. In der Folge hatte das Deutsche Aktieninstitut in einer Umfrage herausgefunden,
__________ 33 Mit Hinweis auf eigene Erkenntnisse des Autors aus der Situation eines von ihm als Steuerabteilungsleiter betreuten DAX-30-Konzerns.
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Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen
dass „die in Irland gezahlten Steuern gegenüber den deutschen Steuern vernachlässigbar“ sind34. Untersuchungen, die der Autor aus Anlass eines Vortrags anlässlich der Jahrestagung 200835 der deutschen Landesgruppe der International Fiscal Association angestellt hatte, hatten für das Jahr 2007 aufgrund einer Auswertung der Geschäftsberichte der DAX-30-Unternehmen mit aussagefähigen Angaben einen durchschnittlichen Anteil der Auslandsergebnisse am gesamten Konzernergebnis von ca. 42 % ergeben. Auch für diese nicht weiter aussagefähige Zahl galt, dass das Ausland nicht nur aus Irland besteht. Schlussfolgerungen aus geringeren Steuersätzen im Ausland Die nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellten Konzernabschlüsse beinhalten obligatorisch eine sog. Steuerüberleitungsrechnung (tax rate reconciliation), mit der, ausgehend von dem erwarteten Steueraufwand aufgrund der im Einzelnen gegebenen Besonderheiten, die endgültige Konzernsteuerquote erläutert wird. Dabei wird für den erwarteten Steueraufwand ein Basissteuersatz unterstellt, der in aller Regel aus der inländischen Gesamtsteuerbelastung (nominelle Belastung mit Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag) ermittelt wird. Diese im englischen Sprachraum als home based tax rate bezeichnete Größe wird sodann mit spezifischen, ebenfalls obligatorischen Angaben weiter entwickelt und erläutert hin zur Konzernsteuerquote, der effective tax rate. Zu diesen erläuterungspflichtigen Angaben gehört u. a. der Effekt aus der Differenz zwischen dem erwarteten sprich inländischen Steueraufwand und der ausländischen Steuerbelastung (foreign tax rate differential). Bei der steuerlichen Überleitungsrechnung handelt es sich innerhalb des tax management reports im Konzernabschluss um das zentrale Informationsinstrument, das „Kernstück zur Erläuterung der Zusammensetzung der Konzernsteuerquote“36. Die in ihr enthaltenen tatsächlichen Angaben werden von dem bestellten Wirtschaftsprüfer überprüft und testiert. Sie unterliegen darüber hinaus der Prüfung durch die BaFin. Wenn man einmal mit der Begründung der Bundesregierung zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 davon ausgeht, dass Steuersubstratverlagerungen von inländischen Unternehmen bewusst mit dem Ziel einer massiven Steuerersparnis unter Nutzung des internationalen Steuergefälles und unter Verwendung von in Niedrigsteuerländern ansässigen Gesellschaften erfolgen, so müssten die steuerlichen Überleitungsrechnungen erhebliche negative Abweichungen wegen der geringeren Steuerbelastung im Ausland ausweisen. Eine Analyse der Situation bei denjenigen DAX-30-Unternehmen, die beim erwarteten Steueraufwand die inländische nominelle Steuerbelastung zugrunde legen, hat interessanterweise nicht das Ergebnis gezeigt, das möglicherweise zur Rechtfertigung der Maßnahmen zur Vermeidung der Substratverlagerung
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34 Leserbrief, von Kley in Capital 18/2006. 35 Vgl. dazu den Tagungsbericht von Piltz, IStR 2008, Heft 15, S. III + IV. 36 S. Kröner/Beckhaub, Konzernsteuerquote, München 2008, S. 183.
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zu erwarten wäre. Für die Untersuchung wurden die Geschäftsberichte für das Jahr 2005 ausgewählt. Dieses Berichtsjahr lag genau vor dem Jahr 2006, in dem das BMF seine Untersuchung auf Basis der VGR anstellte und in dem die Eckpunkte des Bundeskabinetts beschlossen wurden. Vorweg ist zu bemerken, dass die nominelle inländische Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften im Jahre 2005 bei ungefähr 39 % lag (Annahme: gewerbesteuerlicher Hebesatz ca. 415 %). In diesem Jahr war in vielen anderen Industriestaaten mit einer nominellen Steuerbelastung in einer Größenordnung von durchschnittlich weniger als 30 % zu rechnen37. Dieser Abstand wird in der eingangs wiedergegebenen Begründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 von der Bundesregierung konstatiert. Es liefert die Begründung dafür, dass „Deutschland international nicht wettbewerbsfähig“ war. Wenn also davon auszugehen war, dass Kapitalgesellschaften in ausländischen Industriestaaten – also nicht in Steueroasen – einer durchschnittlichen Gesamtbelastung von ca. 30 % unterlagen, so dürfte jeder Besteuerungsunterschied aufgrund ausländischer Steuersätze in den steuerlichen Überleitungsrechnungen in einer Größenordnung von bis zu 8 bis 9 % eigentlich keine Kritik oder Gegenmaßnahmen auslösen. 25 der DAX-30-Unternehmen haben im Jahre 2005 als home based tax rate die inländische Gesamtsteuerbelastung (inklusive Gewerbesteuer) gewählt. Davon haben insgesamt drei im Ausland per Saldo einen höheren Steueraufwand als es dem erwarteten inländischen Steueraufwand entsprach. Insgesamt 12 DAX30-Unternehmen haben eine negative Abweichung durch niedrigere ausländische Steuerbelastung von bis zu 5 % und weitere vier eine solche Abweichung von zwischen 5 bis 10 %. Bei drei Konzernen macht die Belastung einen Wert von zwischen 10 bis 12 % aus, wobei die Abweichungen durch Verluste im Inland bzw. einen vergleichsweise hohen Auslandsanteil, der zu einen überproportional wirkenden Abweichen ausländischer Steuersätze führt, zu erklären sind. Bei den drei verbleibenden Unternehmen liegen ebenfalls Sondereffekte vor (Verlustsituation im Inland, Sonderentlastungen im Ausland aufgrund einmaliger Gesetzesänderungen etc.). Dazu gehört die in 2005 von den USA eingeführte Steuerentlastung im Fall von repatriierten Auslandsgewinnen38, die allein in einem untersuchten Fall einen Steuersatzunterschied von 10,9 % ausmachte. Über alle 25 Konzerne gerechnet ergibt sich, dass die Reduzierung der Ertragsteuern wegen niedriger ausländischer Steuern kumuliert nur 5,4 % ausmachte und damit das angesichts der dargestellten damaligen Belastungsunterschiede erwartete Volumen bei Weitem nicht ausschöpft. Insgesamt ist der Befund jedenfalls so, dass die Erläuterungen zu den Besteuerungsunterschieden aufgrund niedrigerer ausländischer Steuersätze in den steuerlichen Überleitungsrechnungen in keiner Weise einen Beleg dafür bieten, dass die DAX-30-Unternehmen es in 2005 darauf angelegt haben, massiv
__________ 37 Vgl. Spengel, IStR 2004, 615 (616); BDI/VCI, Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, Köln 2006, S. 10.f. 38 Niedergelegt im „Job Creation Act of 2004“.
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durch Steuersubstratverlagerungen in das niedrig besteuernde Ausland Steuervorteile zu suchen. Sonstige Ansätze In der eingangs wiedergegebenen Begründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 hat die Bundesregierung „interne Verrechnungspreise“ als eines der „beiden mächtigsten Instrumente der Konzerne, ums Steuersubstrat ins Ausland zu transferieren“, bezeichnet. Schaumburg39 hat im Jahre 2006 eine Abschätzung des Steuermehraufkommens vorgenommen, das im Inland durch eine Korrektur von Verrechnungspreisen theoretisch pro Jahr entstehen kann. Dabei hat er zunächst das deutsche Außenhandelsvolumen des Jahres 2003 i. H. v. 1.919 Mrd. Euro zugrunde gelegt und auf Basis einer Schätzung der OECD einen Anteil der innerkonzernlichen Lieferung- und Leistungsbeziehung i. H. v. 60 % des weltweiten Handels als Basis genommen, um einen innerkonzernlichen deutschen Handel von 715 Mrd. Euro pro Jahr zugrunde zu legen. Sodann hat er auf Basis eines Gewinnkorrekturvolumens von 1 % und ohne Berücksichtigung von Gegenberichtigungen auf Basis des damaligen Steuersatzes von ca. 40 % ein jährliches Steuermehraufkommen von 2,86 Mrd. Euro aus der Korrektur von Verrechnungspreisen ermittelt. Mit diesen Zahlen belegte Schaumburg die Bedeutung von Angemessenheitsprüfungen von Verrechnungspreisen in der Bundesrepublik. Es soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden, ob in diesem Umfang tatsächlich durch steuerliche Prüfung von Verrechnungspreisen Mehreinnahmen in diesem Umfang erzielt werden können. Bedauerlicherweise weigert sich ja die Finanzverwaltung mitzuteilen, in welchem Umfang in der steuerlichen Betriebsprüfung Mehrergebnisse aus der Korrektur von Verrechnungspreisen erzielt werden. Festzuhalten ist jedoch, dass auch bei einer Realisierung eines Korrekturvolumens von ca. 7 Mrd. Euro (1 % von 715 Mrd. Euro) aus der Überprüfung von Verrechnungspreisen bei weitem nicht die Summe erreicht wird, die als Schätzung für Steuersubstratverlagerung in dem eingangs erwähnten allgemeinen Teil der Begründung zum Unternehmensteuerreformgesetz enthalten ist.
IV. Schlussfolgerungen Die Untersuchung hat gezeigt, dass die VGR als Ausgangsgröße für die Untersuchung, ob und in welchem Umfang inländische Unternehmen Steuersubstrat ins Ausland verlagern, nicht geeignet ist. Die DIW-Rechnung, in der versucht worden ist, ein Volumen von Steuersubstratverlagerung für das Jahr 2001 i. H. v. 100 Mrd. Euro zu belegen, ist offensichtlich und in einem erschreckenden Umfang übersetzt. Dies wurde durch die Untersuchungen des ZEW nachdrücklich belegt.
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39 „Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise“, Der Konzern 2006, 495.
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Andere Ansätze einer Abschätzung des Volumens von Substratverlagerungen haben deutlich bescheidenere Ausmaße ergeben. Insbesondere die Erläuterungen zu Steuerreduzierungen aus niedrigen ausländischen Steuern in den steuerlichen Überleitungsrechnungen der Konzernabschlüsse belegen, dass Verlagerungen von Steuersubstrat durch DAX-30-Konzerne in das niedrig besteuernde Ausland jedenfalls nicht in signifikantem Umfang erfolgen; vielmehr ergibt sich für das untersuchte Jahr 2005, dass das aufgrund des damaligen Belastungsunterschieds von Deutschland zu anderen Industriestaaten zu erwartende Abweichungsvolumen i. H. v. 9 % bei Weitem nicht ausgeschöpft wurde. Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass das Bundesfinanzministerium mit der Veröffentlichung seiner eigenen Untersuchung im Sommer 2006 und mit der Verwendung der DIW-Untersuchung im allgemeinen Teil der Begründung zum Unternehmensteuerreformgesetz erhebliche Wirkung erzielt und in der Öffentlichkeit viel Porzellan zerschlagen hat. Dadurch und durch die nicht immer um Objektivität bemühte Presseberichterstattung darüber wurde das Bild der deutschen Unternehmen in der Öffentlichkeit massiv und nachhaltig beschädigt. Um eines Vorteils in der parteipolitischen Auseinandersetzung willen wurde so dazu beigetragen, dass – was Bundesfinanzminister Steinbrück in seiner Rede am 14.1.2008 beklagt hat – „die Akzeptanz der Bevölkerung und die Legitimierung unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems der sozialen Marktwirtschaft schwinden“40. Die Möglichkeiten der Wirtschaft, in Presseverlautbarungen den entstehenden negativen Eindruck zu begrenzen, waren – wie der Autor aufgrund eigener Erfahrungen berichten kann – begrenzt. Auch die seriöse Tagespresse war mehr an reißerischen Überschriften als an Sachaufklärung interessiert. So schlugen u. a. Versuche fehl, auf die hohen Inlandsanteile in Konzernabschlüssen zu verweisen. Es erweist sich einmal mehr, dass für die Presse nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die für die Gesetzgebung berufenen Personen auch dann Handlungsbedarf gesehen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass das Verlagerungsvolumen im allgemeinen Teil der Begründung der Bundesregierung weit überzeichnet worden ist. Mit Hey, für die „die Zahlenbasis alles andere als abgesichert ist“41, ist der Verfasser der Auffassung, dass „nicht jede Maßnahme zur Unterbindung derartiger Effekte (gemeint ist die Verlagerung von 100 Mrd. Euro p. a./Anm. des Verfassers) gerechtfertigt ist“. Es erscheint durchaus fraglich, ob auch bei Kenntis der Fragwürdigkeit der DIW-Untersuchung in den Regierungsfraktionen die Zustimmung zu einer Maßnahme erreicht worden wäre, die eine derartige Streubreite hat, dass im großen Maße Unternehmen getroffen werden, die keinen Anlass für ein Aktivwerden des Gesetzgebers gegeben haben und die jetzt massiv und mit krisenverschärfender Wirkung Steuern auf Ausgaben leisten müssen. Es wäre schon
__________ 40 A. a. O. (Fn. 25). 41 „Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und Sicherung des Steueraufkommens“, FR 2008, 1033, S. 1036, re. Sp. mit Hinweis auf die ZEW-Untersuchung.
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viel gewonnen, wenn der zu Ehren von Prof. Dr. Harald Schaumburg verfasste Beitrag dazu dienen würde, die Öffentlichkeit aus der Sicht eines Repräsentanten der betroffenen Wirtschaft mit den Informationen zu versorgen, die Grundlage für eine gesetzgeberische Entscheidung sein sollten. Es ist leider bisher nicht zu erkennen, dass der in der Öffentlichkeit erweckte falsche Eindruck über das Volumen von Steuersubstratverlagerungen von seinen Urhebern bei sich bietender Gelegenheit korrigiert würde42. Der Spiegel43 hat im Rahmen seiner Berichterstattung über die Finanzkrise unter der Überschrift „Staatliche Steuerflucht“ beschrieben, in welch großem Umfang die öffentlich-rechtlichen Banken „die Vorteile von Steueroasen genutzt haben, um ungehindert von Fiskus und Aufsichtsbehörden Geschäfte zu machen“. Es wäre fatal, wenn die in den Organen dieser Landesbanken vertretenen Politiker und Beamten die dort erworbenen Kenntnisse über die in dem Artikel beschriebenen Verhältnisse bei den Landesbanken zum Anlass genommen hätten, auf die vermeintliche Situation in der Realwirtschaft zu schließen … Dies wäre deshalb fatal, weil die Landesbanken dann nicht nur die Kreditklemme mitverursacht hätten, sondern auch den falschen Eindruck über das Volumen der Steuersubstratverlagerung ins Ausland mitzuverantworten hätten.
__________ 42 Vgl. Nawrath, a. a. O., (Fn. 3) S. 14. 43 Heft 3/2009, S. 70.
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Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Rechtliche Grundlagen 1. Die Überführung von Unternehmensteilen 2. Der Wegzug von Kapitalgesellschaften III. Die steuerliche Behandlung der Überführung von Unternehmensteilen 1. Überführung als Entstrickungstatbestand 2. Milderung der Sofortbesteuerung durch § 4g EStG 3. Kritik an § 4g EStG 4. Beurteilung
IV. Die steuerliche Behandlung des Wegzugs von Unternehmen 1. Entstrickung als Grundsatz 2. Zuordnung der Wirtschaftsgüter zwischen ausländischem Stammhaus und deutscher Betriebsstätte 3. Ansatz Firmenwert/Gemeiner Wert 4. Verhältnis zu § 1 AStG V. EU-rechtliche Aspekte VI. Aufgaben der finalen Entnahmetheorie – Wegfall der Entstrickungsbesteuerung? VII. Ergebnis
I. Einleitung Europa „rückt zusammen“: Der EG-Vertrag zielt auf die Schaffung eines einheitlichen Lebens- und Wirtschaftsraums ab. Innerhalb dieses Wirtschaftsraums soll sich jeder EU-Bürger frei und ohne Beschränkungen niederlassen können. Diese Niederlassungsfreiheit wird unter anderem sowohl durch Begründung (oder Erweiterung) einer EU-Betriebsstätte ausgeübt, als auch z. B. durch die Verlegung von Sitz/Ort der Geschäftsleitung einer Gesellschaft vom In- in das EU-Ausland. Vor diesem Hintergrund wurden insbesondere auch die Regelungen zur Europäischen Gesellschaft entwickelt (SE), die EU-weit eine grenzüberschreitend identitätswahrende Sitzverlegung bzw. Verschmelzung ermöglicht. Diese gesellschaftsrechtlichen Regelungen waren steuerlich zu flankieren. Auf europäischer Ebene erfolgte dies durch die Novellierung der Fusionsrichtlinie, die im Rahmen des so genannten SEStEG1 (überwiegend) in deutsches Recht umgesetzt wurde. Der Gesetzgeber nahm dieses Gesetzesvorhaben allerdings weitergehend zum Anlass, im Rahmen des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- sowie Umwandlungssteuergesetzes z. T. erstmalig und konstitutiv um-
__________ 1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 = BStBl. I 2007, 4.
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fassend Regelungen bzgl. grenzüberschreitender Verlagerung von Unternehmen und Unternehmensteilen sowie grenzüberschreitender Umwandlungen zu kodifizieren. Insbesondere erfolgte erstmalig die Normierung eines allgemeinen Entstrickungsgrundsatzes (gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als Entnahmefiktion bzw. für Körperschaften als Veräußerungsfiktion, § 12 Abs. 1 KStG). Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Anwendung dieser Regelungen auf den „Wegzug“ einer Kapitalgesellschaft (d. h. mindestens der Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung sowie grundsätzlich auch des Sitzes der Gesellschaft) von Deutschland in das EU-Ausland bzw. der Verlegung von Unternehmensteilen durch Überführung auf eine EU-Betriebsstätte. Fälle des Übergangs auf einen anderen Rechtsträger (z. B. Verschmelzung oder Einbringung) sowie die Besteuerung der Gesellschafterebene finden nachfolgend keine Behandlung. Es werden die geltende gesetzliche Regelungen i. d. F. des SEStEG, die bestehenden Zweifel an der vollständigen Konformität mit höherrangigem EU-Recht sowie aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung bzgl. der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie reflektiert.
II. Rechtliche Grundlagen 1. Die Überführung von Unternehmensteilen Die Überführung von Unternehmensteilen auf eine im EU-Ausland belegene Betriebsstätte stellt gesellschaftsrechtlich ein Nullum dar. Die relevanten Wirtschaftsgüter werden innerhalb des bestehenden Rechtsträgers lediglich an einen anderen Standort verbracht bzw. an diesem genutzt. Steuerlich wird dies als die Überführung von einer in- in eine ausländische Betriebsstätte beurteilt2. 2. Der Wegzug von Kapitalgesellschaften In Bezug auf die gesellschaftsrechtliche Behandlung des Wegzugs von Kapitalgesellschaften ist die SE von anderen Rechtsformen zu unterscheiden. Zahlreiche große deutsche Unternehmen haben seit 2005 bereits die Rechtsform der Societas Europaea (SE)3 angenommen und mutmaßlich werden weitere folgen4. Vorteile dieser Rechtsform liegen neben dem Imagevorteil einer europäischen Gesellschaftsform sowie der – in Grenzen bestehenden – Mög-
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2 Auch der damit ggf. einhergehende Transfer von Mitarbeitern führt zu keinem Arbeitgeberwechsel, kann aber dennoch – insbes. in Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer – zu lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen führen. 3 Im Folgenden wird nur auf die SE, nicht aber auf die Societas Cooperativa Europaea (SCE) Bezug genommen. 4 Zum Beispiel operieren bereits die Allianz, BASF, Fresenius und Porsche als SE. Im Juni 2008 waren 70 Gesellschaften mit der Rechtsform der SE bei deutschen Registergerichten eingetragen. Von der Sitzverlegung sollen insgesamt 4 deutsche SEs Gebrauch gemacht haben. Vgl. Eidenmüller/Engert/Hornuf, AG 2008, 721 (724 f.). Dazu auch Capital v. 1.7.2008, abrufbar unter http://www.capital.de/unternehmen/ 100010220.html (Stand: November 2008).
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lichkeit der Einschränkung der arbeitsrechtlichen Mitbestimmung und Verkleinerung des Aufsichtsrats und der Möglichkeit eines monistischen BoardSystems nach angelsächsischem Vorbild insbesondere in der deutlich höheren „Mobilität“ innerhalb des EU-/EWR-Raums (durch Verschmelzung oder Sitzverlegung „über die Grenze“). Es ist insbesondere eine gesellschaftsrechtliche identitätswahrende Sitzverlegung, d. h. eine Sitzverlegung ohne Auflösung im Wegzugs- und Neugründung in einen anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat möglich5, 6. Notwendige Voraussetzung ist hierbei die gleichzeitige Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz, da beide sich nach Art. 11 Abs. 2 und Art. 7 SE-Verordnung im selben EU-/EWR-Mitgliedstaat befinden müssen7. Die Verlagerung des Verwaltungssitzes bedeutet allerdings nicht, dass das gesamte Unternehmen davon erfasst sein muss. Kapitalgesellschaften anderer deutscher Rechtsform wird der gesellschaftsrechtlich identitätswahrende (vollständige) Wegzug bislang nicht gewährt, so dass im Vorfeld eines geplanten vollständigen Wegzugs aus Deutschland – soweit nicht bereits erfolgt – die entsprechende Umwandlung in eine SE voranzustellen wäre. Daneben kann ein vollständiger Wegzug z. B. auch in den Fällen erfolgen, in denen eine nach ausländischem Recht gegründete EUKapitalgesellschaft (z. B. UK Ltd.) mit bislang inländischen Ort der Geschäftsleitung diesen in das EU-Ausland verlegt und dadurch aus der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht ausscheidet. Diesem Wegzug könnte vorgeschaltet eine operative deutsche GmbH auf diesen ausländischen Rechtsträger verschmolzen werden. Im Ergebnis ermöglicht dies dann auch einer operativen Gesellschaft „über die Grenze wegzuziehen“. Zwar wäre dies auch unmittelbar durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung möglich (vgl. § 122a UmwG), jedoch ergeben sich im Detail durchaus Unterschiede (z. B. die jeweiligen anzuwendenden Entstrickungsnormen und Bewertungsregelungen sind in § 12 Abs. 1 KStG anders gefasst als in § 11 UmwStG). Bei einer deutschen GmbH oder einer AG, ist nach den Änderungen des GmbHG und des AktG nunmehr durch das so genannte MoMiG8 eine Verwaltungssitzverlegung zivilrechtlich identitätswahrend möglich. Die (zusätzliche oder isolierte) Verlegung des Satzungssitzes wird derzeit dagegen wohl immer
__________ 5 Dies ist gesellschaftsrechtlich bereits seit dem 8.10.2004 nach der unmittelbar anwendbaren SE-Verordnung, Verordnung (EG) 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl EG Nr. L 294, 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20.12.2006, ABl. EU Nr. L 363, 1 möglich. 6 Für Kapitalgesellschaften anderer Rechtsform soll der Erlass einer Richtlinie zur identitätswahrenden Sitzverlegung nicht weiter verfolgt werden. Vgl. Grohmann/ Gruschinkse, GmbHR 2008, 27. 7 Zu den gesellschafts- und steuerrechtlichen Folgen im Falle eines Auseinanderfallens von Satzungs- und Verwaltungssitz vgl. Blumenberg/Lechner in Benz/Rosenberg, Das SEStEG, 2007, 79 (Fußnote 65). 8 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026.
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noch als zivilrechtlicher Auflösungsbeschluss der Gesellschaft behandelt9. Eine zumindest kollisionsrechtliche Möglichkeit der Satzungssitzverlegung ist indessen in dem Referentenentwurf des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen nach Art. 10b EGBGB-E vorgesehen10. Darüber hinaus enthält der bisher vorliegende Entwurf einer Verordnung zur Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft eine ebensolche Regelung11. Weitere Impulse für die gesellschaftsrechtlichen Vorfragen könnte die Entscheidung des EuGH zum ungarischen (gesellschaftsrechtlichen) Verfahren Cartesio12 geben. Nach Auffassung des Generalanwaltes Maduro verstößt eine nationale Regelung, nach der die Verlegung des operativen Geschäftssitzes einer Gesellschaft zu deren Auflösung nach nationalem Recht führt, gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG13. In der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung vom 16.12.200814 hat der EuGH sich differenziert dahin gehend geäußert (vgl. Rz. 110 ff.), dass ein Staat zwar eine Sitzverlegung unter Beibehaltung der Rechtsform des Wegzugsstaates untersagen kann, soweit es allerdings im Rahmen der Sitzverlegung zur Umwandlung der Gesellschaft (z. B. in eine Rechtsform des Zuzugsstaates, soweit dies rechtlich möglich ist) kommt, darf der Wegzugsstaat in diesem Falle nicht die Auflösung und Liquidation verlangen.
III. Die steuerliche Behandlung der Überführung von Unternehmensteilen 1. Überführung als Entstrickungstatbestand Die Überführung eines Wirtschaftsgutes, einer Vielzahl von einzelnen Wirtschaftsgütern, Betriebsteilen (Sachgesamtheiten) oder auch ganzen Betrieben bzw. Teilbetrieben aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte, deren Gewinn nach einem DBA von der inländischen Besteuerung freizustellen ist oder auch dem Anrechnungsverfahren unterliegt, bildet einen Hauptanwendungsfall der mit dem SEStEG eingeführten allgemeinen
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9 Vgl. dazu etwa Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, München 2006, § 4a, Rz. 10, sowie auch OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915. 10 Referentenentwurf v. 7.1.2008, abrufbar unter www.bjm.bund.de. Solange jedoch das deutsche materielle Gesellschaftsrecht einer Satzungssitzverlegung entgegensteht, wird die geplante kollisionsrechtliche Regelung des § 10b EGBGB wohl keine praktische Bedeutung erlangen. 11 Vgl. Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft v. 25.6.2008, KOM (2008) 396, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/company/epc/index_de.htm. 12 Vorlagefrage des Rechtsmittelgerichts Szeged, Ungarn v. 5.5.2006 – Rs. C-210/06, ABl. C 156 v. 15.7.2006, S. 17. 13 Schlussanträge Generalanwalt Maduro v. 22.5.2008 – C-210/05, Cartesio, BeckRS 2008, 70582. 14 EuGH v. 16.12.2008 – C 210/06 – Cartesio, abrufbar unter http://curia.europa.eu/ jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=C-210/06.
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Entstrickungstatbestände der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG15. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung steht demnach einer Entnahme des Wirtschaftsgutes für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) bzw. bei Körperschaften16 einer Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) gleich und bewirkt einen Ansatz zum gemeinen Wert (wogegen die Entnahme im Inlandsfall zum Teilwert erfolgt). Im Grundsatz bedeutet damit die Überführung stets einen sofort steuerpflichtigen Vorgang. Etwas anderes gilt nur im Rahmen des § 4g EStG. 2. Milderung der Sofortbesteuerung durch § 4g EStG Soweit Wirtschaftsgüter bzw. Unternehmensteile von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in eine EU-Betriebsstätte überführt werden, liegt der einzige Anwendungsfall des § 4g EStG vor. Hiernach können nur einheitlich für alle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (materielle und immaterielle) eines Veranlagungszeitraumes unter einem unwiderruflichen Antragsrecht im Rahmen einer Ausgleichspostenmethode, die – jedenfalls nach dem Verständnis der Gesetzesbegründung zum SEStEG – aufzudeckenden stillen Reserven über einen Zeitraum von fünf Jahren (Wirtschaftsjahr der Bildung und den vier folgenden Wirtschaftsjahren) gestreckt aufgelöst und besteuert werden. Statt der zeitlich gestreckten Auflösung kommt es zu einer „Sofortauflösung“, 1. wenn das als entnommen geltende Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet, 2. wenn das als entnommen geltende Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausscheidet oder 3. wenn die stillen Reserven des als entnommen geltenden Wirtschaftsguts im Ausland aufgedeckt werden oder in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts hätten aufgedeckt werden müssen. 4. wenn der Steuerpflichtige seinen Anzeigepflichten gem. § 4g Abs. 5 EStG, seinen Aufzeichnungspflichten nach § 4g Abs. 4 EStG oder seinen sonstigen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 90 der Abgabenordnung nicht nachkommt. Ein Ereignis gem. 1.–3. oder eine Entnahme muss der Steuerpflichtige unverzüglich anzeigen. Im Falle der Rückführung in das Inland vor Vollauflösung des Augleichspostens ist der noch verbliebene Ausgleichsposten ohne Auswirkungen auf den Gewinn aufzulösen und das Wirtschaftsgut mit den fortgeführten Anschaffungskosten, erhöht um zwischenzeitlich besteuerten Auflösungsbeträge und um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Rückführungswert und dem Buchwert im Zeitpunkt der Rückführung, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, anzusetzen.
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15 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 28. 16 S. z. B. BFH v. 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFH/NV 2005, 793.
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3. Kritik an § 4g EStG Die Norm „ersetzt“ Tz. 2.6.1. des Betriebsstättenerlasses vom 24.12.199917, welcher in weit größerem Umfang als § 4g EStG einen Steueraufschub vorsah. Im Überblick galt hiernach Folgendes, an was man sich u. U. in der aktuellen Diskussion um ein europataugliches Regime vielleicht noch einmal erinnern sollte: Die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens in eine Anrechnungsbetriebsstätte löste keine Besteuerung aus, wenn die Erfassung der stillen Reserven auch zukünftig gewährleistet war. Bei der Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte erfolgte die Aufdeckung der stillen Reserven grundsätzlich mit dem Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt der Überführung, d. h. mit dem Preis, den unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen vereinbart hätten. Wahlweise konnte der Steuerpflichtige den Gewinn (Verlust) durch Bildung eines Ausgleichspostens aufschieben. Das Wahlrecht wurde für jedes Wirtschaftsjahr und jede Betriebsstätte sowohl jeweils für Anlage- und Umlaufvermögens getrennt gewährt. Für Anlagevermögen wurde ein Steueraufschub von bis zu zehn Jahren gewährt, für Umlaufvermögen konnte ein Ausgleichsposten bis zum Ausscheiden aus dem Betriebsstättenvermögen gebildet werden. § 4g EStG ist damit im Vergleich in mehrfacher Hinsicht schärfer gefasst. Ein mehr als verblüffender Befund, dass es vor dem Hintergrund einer zu schaffenden und hoffentlich gewollten europatauglichen und europafreundlichen Regelung zu so markanten Verschärfungen der Rechtslage gekommen ist (die weiterhin auch noch rückwirkend zur erstmaligen Anwendung18 gelangte). 4. Beurteilung Bei der Überführung von Unternehmensteilen in eine EU-Betriebsstätte wird die grundsätzlich erfolgende volle Sofortbesteuerung nur unter engen Voraussetzungen in Bezug auf das Anlagevermögen auf das Überführungsjahr sowie die vier nachfolgenden Jahre gestreckt. Die Vorschrift unterliegt damit europarechtlichen Bedenken und ist strenger als die zuvor angewandten Regelungen der Finanzverwaltung. Weiterhin erscheint fraglich, ob es vor dem Hintergrund der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie19 überhaupt einen relevanten Anwendungsbereich für die Norm gibt. Bzgl. dieser beiden Aspekte sei auf die jeweiligen nachfolgenden Abschnitte dieses Beitrags verwiesen (EU: V.; Entnahmetheorie: VI.).
__________ 17 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. 18 Gem. § 52 Abs. 8b EStG ist § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bereits für Wirtschaftsjahre die nach dem 31.12.2005 enden anwendbar. Entsprechendes sollte dann auch für § 4g EStG gelten. Eine eigene Anwendungsregelung fehlt allerdings. 19 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941.
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IV. Die steuerliche Behandlung des Wegzugs von Unternehmen 1. Entstrickung als Grundsatz Durch die Umsetzung der Fusionsrichtlinie20 im Rahmen des SEStEG erfolgte grundsätzlich die Anpassung des nationalen deutschen Steuerrechts an die Flexibilisierung des Gesellschaftsrechts. Es besteht daher nunmehr die Möglichkeit eines in Grenzen steuerneutralen Wegzugs (d. h. Fortfall der unbeschränkten Steuerpflicht i. d. R. durch Verlegung von Sitz und Ort der Geschäftsleitung) einer Kapitalgesellschaft (z. B. SE) aus Deutschland in das europäische Ausland. Eine Liquidationsbesteuerung, wie sie u. U. gem. § 12 i. V. m. § 11 KStG a. F. ausgelöst worden wäre, ist nunmehr bei Wegzug in die EU nicht mehr gegeben. Der Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht löst damit isoliert gesehen unmittelbar keinerlei Steuerfolgen aus. Steuerrechtlich kann daneben selbst dann, wenn „nur“ der Ort der Geschäftsleitung übergeht, aber der statutarische Sitz und damit die formale unbeschränkte Steuerpflicht im Inland verbleibt, dennoch i. V. m. der Anwendung der „tie-breaker-rule“ der Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) eine sehr weitgehende Beschränkung des Besteuerungsrechts (zu beachten sind aber z. B. § 50d Abs. 9 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) Deutschlands eintreten21 und im Ergebnis zu ähnlichen – aber nicht in jeder Hinsicht gleichen – Steuerfolgen führen. Denn anders als bei Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht bliebe in derartigen Fällen der Doppelansässigkeit z. B. § 4g EStG anwendbar22. Führt der Wegzug zum Wegfall beider Anknüpfungsmerkmale für die unbeschränkte Steuerpflicht (Sitz und Ort der Geschäftsleitung), aber verbleiben Betriebsstätten/Unternehmensteile in Deutschland, wird die Gesellschaft insofern beschränkt körperschaft- und gewerbesteuersteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 49 EStG, § 2 Abs. 1 GewStG). Zum Zeitpunkt der Sitzverlegung bestehende Verlustvorträge sollten weiterhin mit den deutschen Einkünften der SE verrechenbar bleiben, da Verlustvorträge i. S. v. § 10d EStG nach § 50 Abs. 1 S. 2 EStG auch beschränkt Steuerpflichtigen gewährt werden und deren
__________ 20 Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. EG Nr. L 225, 1 (Titel neu gefasst mit Wirkung vom 24.3.2005 durch Richtlinie 2005/19/EG vom 17.2.2005, ABl. EU Nr. L 58, 19)., zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG vom 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129. 21 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 12; Richter, IStR 2008, 719 (723). 22 Verbleibt (lediglich) der statutarische Sitz im Inland unter Verlagerung der gesamten sonstigen Aktivitäten, so verbleibt es bei der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht. Eine Kernvoraussetzung für Anwendung des § 4g EStG wäre erfüllt. In einer derartigen Konstellation würde materiell-rechtlich ein Wegzug weitestgehend vollzogen werden können unter gleichzeitiger Sicherung einer der wesentlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 4g EStG.
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Untergang auch nicht durch eine andere steuerliche Vorschrift angeordnet wird23. Bezüglich Zinsvorträgen sollte nichts anderes gelten. Soweit allerdings bzgl. Wirtschaftsgütern eine Zuordnungsänderung dahingehend eintritt, dass diese durch den Wegzug nicht mehr uneingeschränkt der deutschen Besteuerung unterliegen, d. h., wenn das betreffende Wirtschaftsgut nicht mehr einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Betriebsstättenvorbehalt) oder nicht zum inländischen Grundvermögen gehört24, löst dies grundsätzlich insoweit eine ungeschmälerte Sofortversteuerung aus. Unter Zugrundelegung der inzwischen vom BFH25 aufgegebenen finalen Entnahmetheorie (vgl. VI) wurde in § 12 Abs. 1 KStG für Kapitalgesellschaften ein allgemeiner Entstrickungstatbestand kodifiziert, der (auch) im Falle einer Sitzverlegung bei einem daraus resultierenden Verlust oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts eine Sofortbesteuerung stiller Reserven bewirkt. Die Zuordnungsfrage besitzt danach eine große materielle Bedeutung. 2. Zuordnung der Wirtschaftsgüter zwischen ausländischem Stammhaus und deutscher Betriebsstätte Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sollen nur diejenigen Wirtschaftsgüter der deutschen Betriebsstätte zugehören, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen, d. h., die „in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unmittelbar unternehmerischen Tätigkeit“26 stehen. Die Wirtschaftsgüter können danach nur insoweit der in Deutschland verbleibenden Betriebsstätte zugeordnet werden, als diese funktional zum operativen Geschäft der Betriebsstätte gehören. Dies sind grundsätzlich diejenigen Wirtschaftsgüter, die von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Ergebnis beitragen. Für die funktionale Zuordnung ist dabei auf die Tätigkeit abzustellen, der nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Schwergewicht innerhalb der Betriebsstätte zukommt. Andere Wirtschaftsgüter sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der Betriebsstätte zuordenbar, wenn die daraus resultierenden Erträge „Nebenerträge“ sind, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, bei der das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt27. Eine rein buchhalterische Zuordnung führt dagegen nicht zu einer tatsächlichen Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu der deutschen Betriebsstätte.
__________ 23 Vgl. Schön/Schindler, Die SE im Steuerrecht, 2008, Rz. 158; Kessler/Huck, Der Konzern 2006, 352 (362). 24 Vgl. Voß, BB 2006, 411 (413). 25 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. 26 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; vgl. auch BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 27 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771.
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Von einer entsprechenden funktionalen Zuordnung geht grundsätzlich auch die deutsche Finanzverwaltung aus28. Generell gilt nach deren Ansicht für die Zuordnung von Kapitalbeteiligungen und Finanzanlagen die Zentralfunktion des Stammhauses. Unklar bis zweifelhaft ist damit, inwieweit der deutschen Betriebsstätte auch Wirtschaftsgüter zugeordnet werden können, die für das gesamte Unternehmen, d. h. auch für das neue Stammhaus im europäischen Sitzstaat, von relevanter Bedeutung sind. Risiken bezüglich der Zuordnung bestehen damit z. B. bei dem Firmenwert, Beteiligungen sowie immateriellen Wirtschaftsgütern (Patente, Marken, Know-how). Das Besteuerungsrecht für Dividenden, Zinsen und Lizenzen bzw. die darunter liegenden Beteiligungen, Forderungen oder Rechte werden abkommensrechtlich regelmäßig dem Sitzstaat (Stammhaus) des Unternehmens zugewiesen29, soweit diese nicht tatsächlich der ausländischen (d. h. hier deutschen) Betriebsstätte zuzuordnen sind30. Damit droht nach dieser Auslegung häufig im Grundsatz eine Entstrickung, bzgl. wesentlicher und vielfach mit hohen stillen Reserven „belasteter“ Wirtschaftsgüter. Entsprechendes sollte für die steuerliche Behandlung von Passivposten gelten. Wie auch bei aktiven Wirtschaftsgütern dürfte eine „gezielte Überführung“ i. d. R. nicht möglich sein. Vielmehr dürften die Passiva grundsätzlich den relevanten Aktiva „folgen“; m. a. W. es sollten jedenfalls insbesondere die passiven Wirtschaftsgüter übergehen, die mit aktiven Wirtschaftsgütern in Verbindung stehen, wie beispielsweise Pensionsrückstellungen zusammen mit Arbeitsverhältnissen oder die mit Wirtschaftsgütern in Verbindung stehende Finanzierung (z. B. Darlehen aus Beteiligungserwerben und daraus resultierenden Zinsaufwendungen). Materiell steuerlich ergeben sich daraus unter anderem folgende Konsequenzen. Während Beteiligungsbesitz bei Körperschaften auch im Entstrickungsfall i. d. R. „nur“ der „5 %-Schachtelstrafe“ gem. § 8b Abs. 3 KStG unterfallen sollte31, führt für alle weiteren Wirtschaftsgüter eine Entstrickung im Grundsatz zur regulären vollen Körperschaft- (zzgl. Solidaritätszuschlag) und Gewerbesteuerbelastung, wobei eine Verrechnung mit etwaig gegebenen laufenden Verlusten vollständig, mit einem Verlustvortrag dagegen nur in den engen Gren-
__________ 28 Vgl. Schreiben betreffend Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze) BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4. 29 Entsprechend Art. 10 Abs. 1, 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 OECD-MA. 30 Entsprechend Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 sowie Art. 13 Abs. 2 OECD-MA – vgl. auch BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025. 31 Hierbei ist allerdings beachtlich, dass gem. § 8b Abs. 2 KStG Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben. Man könnte daher auch darüber nachdenken, ob die Beschränkung oder der Wegfall eines deutschen Besteuerungsrechts auf den Veräußerungsgewinn von Anteilen überhaupt einen Entstrickungsfall darstellt, da – jedenfalls gegenwärtig – materiell kein Besteuerungsanspruch besteht. Dieser ergibt sich ggf. nur und insoweit als man die Veräußerungsfiktion zur Anwendung bringt, um hieraus dann zu einem Veräußerungsgewinn zu gelangen, der wiederum gem. § 8b Abs. 3 KStG zu 5 % der Besteuerung zu unterwerfen wäre.
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zen der Mindestbesteuerung gem. § 10d EStG möglich wäre. Soweit auch eine Übertragung von Passivposten erfolgt, sollten etwaige stille Lasten gegenzurechnen sein (insbesondere Pensionsrückstellungen32). 3. Ansatz Firmenwert/Gemeiner Wert Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 KStG ist jeweils die Entstrickung „eines Wirtschaftsguts“ steuerpflichtig, weshalb wohl grundsätzlich auf die getrennte Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter abzustellen ist. Nach der Gesetzesbegründung zum SEStEG33 soll sich jedoch entgegen diesem Wortlaut der gemeine Wert bei mehreren einen Teilbetrieb oder einen Betrieb bildenden Wirtschaftsgütern entsprechend den Regelungen zur Betriebsaufgabe/Totalentnahme in § 16 Abs. 3 EStG auf die überführte Sachgesamtheit beziehen. Gegenstand der steuerlichen Entstrickung wäre daher nach Auffassung des Gesetzgebers bzw. der Gesetzesbegründung auch der dem (Teil-)Betrieb innewohnende Firmenwert34. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob und inwieweit eine Gesetzesbegründung geeignet ist, eine gesetzliche Regelung klar über den Wortlaut hinaus auszudehnen35. Weiterhin ist beachtlich, dass es in Bezug auf den Firmenwert per Definition keinen „gemeinen Wert“ gibt. Da nach einhelliger Auffassung der Geschäfts- oder Firmenwert nur in Zusammenhang mit einem Betrieb oder Teilbetrieb übertragen werden kann, ist die beizulegende Wertgröße zwingend der Teilwert. Denn dieser bildet den Wertanteil im Rahmen und in Würdigung des Wertbeitrags für das gesamte Unternehmen ab. Der gemeine Wert ist dagegen eine Wertgröße im Rahmen einer Einzelübertragung. Entsprechend sehen auch die Grundsätze bei Betriebsaufgabe/Totalentnahme gem. § 16 EStG, die in diesen Fällen den Ansatz des gemeinen Wertes für Betriebsvermögen anordnen, gerade keine Erfassung eines Geschäftswerts vor36. Für Maschinen, Einrichtungen, Waren usw. ist in diesen Fällen als gemeiner Wert der Einzelveräußerungspreis anzusetzen37. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass so-
__________ 32 Entgegen der Regelungen im Umwandlungssteuergesetz (vgl. z. B. § 3 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG (jeweils mit Verweis auf einen Bewertungsansatz gem. § 6a EStG)) enthält § 12 KStG keine Sonderregelung bezüglich der Behandlung/Bewertung von Pensionsrückstellungen. Es spricht damit vieles dafür, dass diese, genauso wie die Wirtschaftsgüter, zum gemeinen Wert anzusetzen sind. Hieraus können sich im Einzelfall erhebliche Verrechnungsvolumina ergeben. 33 Vgl. BT-Drs. 16/2710, 28. 34 Die Gesetzbegründung führt an dieser Stelle auch selbst erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter auf. Es ist daher nicht ganz eindeutig, ob der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese nicht einzeln übertragen und damit steuerlich entstrickt werden können. 35 Vgl. jedenfalls zur Untauglichkeit nachgeschobener Begründungen BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. 36 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, § 16 Rz. 294; BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607. 37 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, § 16 Rz. 294; BFH v. 23.5.1989 – X R 17/85, BStBl. II 1989, 879.
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wohl der Gesetzeswortlaut (getrennte Einzelbewertung des jeweiligen Wirtschaftsguts) als auch der gewählte Wertmaßstab „gemeiner Wert“ (Wert des einzelnen Wirtschaftsguts – § 9 Abs. 2 BewG) eindeutig und ausschließlich auf eine getrennte Bewertung von einzelnen Wirtschaftsgütern abzielen, die demzufolge einen Firmenwert nicht umfassen können38. Die abweichende Gesetzesbegründung findet daher aller Voraussicht nach keinen hinreichenden Rückhalt im Gesetzestext und kann daher u. U. keine Beachtung finden. 4. Verhältnis zu § 1 AStG Wie dargelegt stellt § 12 Abs. 1 KStG i. d. F. des SEStEG, jedenfalls bei einer Überführung, die keinen gesamten (Teil)Betrieb umfasst (sondern z. B. lediglich eine Sachgesamtheit) nur auf den gemeinen Wert der einzelnen Wirtschaftsguts ab39. Ein Firmenwert sollte daher z. B. dann nicht der Entstrickung unterliegen, wenn nur die Geschäftsleitung40 zzgl. einiger Stäbe bzw. bestimmte Abteilungen in das europäische Ausland zögen41, da diese i. d. R. nicht als Teilbetrieb zu qualifizieren sein sollten. Insoweit erkennt man Unterschiede gegenüber einer Behandlung unter § 1 Abs. 3 AStG. Dessen unmittelbare Anwendbarkeit auf reine Betriebsstättenbzw. Wegzugsfälle ist wegen dem Fehlen einer Geschäftsbeziehung zu einer zweiten Partei nicht möglich. Nach der bis einschließlich 2007 geltenden Rechtslage war folglich eindeutig davon auszugehen, dass sich die Bewertung mehrerer keinen Teilbetrieb bildender Wirtschaftsgüter bzw. Sachgesamt-
__________ 38 Vgl. BFH v. 30.11.1988 – I R 114/84, BStBl. II 1990, 117: „Es wird der „Teil-Wert“ angesetzt, der für das Wirtschaftsgut im Rahmen eines Gesamtkaufpreises für das gesamte lebende Unternehmen anzusetzen wäre. Dabei kann nicht isoliert auf den Ertrag des einzelnen Wirtschaftsgutes abgestellt werden. Eine solche Betrachtung wäre bei der Ermittlung des gemeinen Werts anzustellen. Vielmehr muss der mit diesem Wirtschaftsgut beabsichtigte unternehmerische Zweck und die Funktion des Wirtschaftsguts im Betriebsorganismus berücksichtigt werden.“ 39 So wird auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kein Geschäftswert in das Ausland verbracht, sofern nicht mindestens eine Teilbetriebsverlegung vorliegt. Ein Geschäftswert sei an den fortbestehenden Betrieb/Teilbetrieb gebunden. Auch könne der Geschäftswert nicht wie andere Einzelwirtschaftsgüter für sich entnommen und in eine andere Betriebsstätte überführt werden. 40 Soweit z. B. im Falle einer (sehr) großen Gesellschaft ausschließlich die oberste Geschäftsleitung umzöge, könnte u. U. bereits fraglich sein, ob in einem solchen Szenario die zurückbleibende zweite Ebene, die häufig die eigentlichen Tagesgeschäfte von einiger Relevanz leitet, nicht dazu führt, dass es zu gar keiner Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht kommt, da der Ort der Geschäftsleitung im Inland verbleibt. 41 U. U. können dadurch am neuen Sitzort des Stammhauses erhebliche Volumina an Betriebsausgaben anfallen (z. B. Headquarter-Kosten, Finanzaufwand, Beteiligungskosten, (Teile der) Overheadkosten), denen u. U. nicht in gleicher Höhe steuerpflichtige Einnahmen gegenüberstehen, die in dieser Konstellation jedoch (gleichfalls) nicht mehr gegen das operative inländische Ergebnis verrechnet werden können, was u. U. erheblichen negativen Einfluss auf die Höhe der Steuerquote nehmen kann.
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heiten, die in das Ausland überführt werden, ausschließlich nach dem Summenwert der gemeinen Werte einzelner Wirtschaftsgüter ermittelte42. Fraglich könnte sein, ob sich die Rechtslage ab 2008 aufgrund der Einführung des § 1 Abs. 3 AStG verschärft hat. So sieht § 1 Abs. 3 AStG für die Fälle der Funktionsverlagerung von so genannten Transferpaketen eine Besteuerung vor, die im Ergebnis zu einem höheren Wertansatz als der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter führen kann. Es könnte u. U. die Auffassung vertreten werden, dass die Bewertung einer übertragenen Sachgesamtheit gem. § 12 Abs. 1 KStG entsprechend dem gesetzlich kodifizierten Fremdvergleich in § 1 Abs. 3 KStG zu erfolgen hat, da § 12 Abs. 1 KStG eine Veräußerung fingiert und aus dieser Fiktion heraus u. U. auch die weitergehende Folgerung des Vorliegens einer Geschäftsbeziehung unterstellt werden könnte. Dieser Gedanke ist jedoch klar abzulehnen. Die Veräußerungsfiktion des § 12 Abs. 1 KStG dient nur als „Realisationsfiktion“. Insoweit ist die Norm klar und eindeutig in sich geschlossen. Die Norm enthält keinen darüber hinausgehenden (impliziten) Verweis auf § 1 AStG, der infolgedessen auch in Gänze unanwendbar bleibt. Auch der Vergleich mit der „Parallelvorschrift“ des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG macht klar, dass die Veräußerungsfiktion nicht als Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 AStG interpretiert werden kann. Anderenfalls käme es zu dem verblüffenden Ergebnis, dass für Körperschaften über die Veräußerungsfiktion des § 12 Abs. 1 KStG die Regelung des § 1 AStG anwendbar wäre, in einem ansonsten völlig vergleichbaren Fall aber für Einkommensteuerpflichtige aufgrund der Entnahmefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die Regelung des § 1 AStG gerade nicht zur Anwendung gelangen würde. Man wird die unterschiedlichen Fiktionen – Entnahme versus Veräußerung – allein darauf zurückführen können, dass der Gesetzgeber wohl davon ausging, dass bei einer Kapitalgesellschaft keine Entnahme in eine außerbetriebliche Sphäre möglich sei und er sich daher gezwungen sah, eine Veräußerung zu unterstellen. Weitergehende Schlüsse aus dieser Fiktion sollten allerdings nicht zulässig sein.
V. EU-rechtliche Aspekte Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KStG sieht der Gesetzgeber im Wegzugsfall einer Kapitalgesellschaft für sich entstrickendes Vermögen keine Möglichkeit vor, eine entstehende Steuerlast zu strecken, zu stunden oder in anderer Form abzumildern. Vielmehr soll – entgegen der Grundsätze zu § 6 AStG, der eine zeitlich unbegrenzte zinslose und sicherheitenfreie Stundung vorsieht – im Bereich des Betriebsvermögens eine unmittelbare und ungemilderte Sofortbesteuerung greifen. Stille Reserven in nicht in Deutschland betriebsstättenverhaftetem Vermögen soll damit generell einer ungemilderten Sofortversteuerung unterliegen, während die Überführung der selben Wirtschaftsgütern innerhalb Deutschlands keinerlei Besteuerung auslösen würde. Diese vom Ge-
__________ 42 Vgl. BFH v. 17.3.1977 – IV R 218/72, BStBl. II 1977, 595.
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setzgeber intendierte Ungleichbehandlung von in- und EU-ausländischen Sachverhalten kann einen u. U. nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages (insbesondere der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG) bedeuten43. Ein derartiger Verstoß wurde auch vom BFH in Bezug auf eine etwaige Sofortbesteuerung stiller Reserven bei einer Einbringung in eine EU-Personengesellschaft adressiert44. Die gesetzliche Regelung verweist in diesem Zusammenhang in § 12 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 KStG auf die Möglichkeit der Bildung eines passiven Ausgleichspostens nach § 4g EStG als „milderes Mittel“ zur Vermeidung einer sofortigen Besteuerung mittels einer über maximal fünf Jahre verteilten Erfassung des Entstrickungsgewinns (vgl. dazu III. 2.). Dass die „Ausgleichspostenmethode“ geeignet sei, die „Wegzugsbesteuerung“ gemäß § 12 Abs. 1 KStG als europarechtskonform zu qualifizieren, bleibt jedoch mehr als fraglich, da die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG bei Sitzverlegung jedenfalls bei Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht überhaupt nicht möglich ist: § 4g EStG setzt gerade das Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht voraussetzt. Bei Verlagerung von Sitz und Ort der Geschäftsleitung fehlt es damit an der Erfüllung dieser zentralen Anwendungsvoraussetzung. Weiterhin wird vorgetragen, dass der Wegzug insoweit keine Besteuerung auslöst, als die Wirtschaftsgüter weiterhin in Deutschland steuerverstrickt bleiben (Betriebsstättenvorbehalt). Die Fortführung der Buchwerte in der Reichweite des Betriebsstättenvorbehalts entspricht den Vorgaben des Art. 10b der Fusionsrichtlinie, im Übrigen sei damit eine Sofortbesteuerung zulässig. Dennoch werden Zweifel an der Vereinbarkeit einer solchen Regelung insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen de Lasteyrie du Saillant und N geäußert45, wobei als Vorfrage zunächst zu klären wäre, ob die Fusionsrichtlinie als sekundärrechtliche EU-Rechtsquelle überhaupt gegen die Grundfreiheit des EG-Vertrages verstoßen könne. Die EUKommission vertritt hierzu die Auffassung, dass die Grundsätze des Urteils de Lasteyrie du Saillant trotz bzw. neben den Regelungen der Fusionsrichtlinie für die, in diesem Zusammenhang nicht betriebsstättenverhafteten Wirtschaftsgüter aufgrund einer Sitzverlegung gelten46. Diesbezüglich gilt es weiterhin zu beachten, dass die Fusionsrichtlinie lediglich regelt, dass eine Besteuerung der stillen Reserven bei Verbleib in einer inländischen Betriebsstätte nicht erfolgen darf. Die Richtlinie enthält dagegen keinerlei Regelungen bzw. Aussage zur Besteuerung stiller Reserven bei Verlagerung in das EU-Ausland47.
__________ 43 44 45 46
Vgl. BT-Drs. 542/06; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 54 ff. Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. Vgl. statt vieler Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 105 f. m. w. N. Mitteilung der Europäischen Kommission zur Wegzugsbesteuerung und der Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten v. 19.12. 2006, KOM(2006) 825, S. 6. A. A. bspw. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 106 f. 47 So aber wohl die Interpretation des deutschen Gesetzgebers, der wohl versucht aus der fehlenden expliziten Regelung für überführte Wirtschaftsgüter die Folgerung abzuleiten, dass in diesem Falle ein volles, sofortiges Besteuerungsrecht als EUkompatibel positiv geregelt sei.
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Die besondere Art der Lückenfüllung wie sie im vorliegenden Fall durch den deutschen Gesetzgeber erfolgte (nämlich die Annahme, dass dann eine Sofortbesteuerung zulässig sei), ist allerdings unzutreffend. Tatsächlich gilt, dass in solchen Fällen einer fehlenden Spezialregelung die allgemeinen Grundsätze greifen, d. h. hier: die Niederlassungsfreiheit. Letztere Sichtweise wird auch vom BFH geteilt. Der BFH führt in seiner richtungweisenden Entscheidung48 zur finalen Entnahmetheorie aus, dass entgegen der Ansicht des Bundesfinanzministeriums Art und Umfang der EU-rechtlichen Begünstigungsmöglichkeiten nicht durch die Fusionsrichtlinie fixiert werden. Denn die Fusionsrichtlinie als sekundäres Gemeinschaftsrecht schränkt die Grundfreiheiten des EG-Vertrags weder ein, noch gibt sie den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit vor; vielmehr muss sich das Sekundärrecht seinerseits an den Grundfreiheiten des EG-Vertrags messen lassen49. Soweit also ein Sachverhalt von der Fusionsrichtlinie nicht geregelt wird (wie z. B. die Frage, ob und wie stille Reserven zu besteuern sind, die nicht in einer deutschen Betriebsstätte zurückbleiben), kann somit nicht daraus geschlossen werden, dass insoweit durch eine Sofortbesteuerung keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit einträte. Damit sind die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit zu beachten. Der EuGH hat in den Verfahren de Lasteyrie du Saillant50 und N51 die sofortige Besteuerung von stillen Reserven bei wesentlichen Beteiligungen im Privatvermögen einer natürlichen Person aufgrund des Wegzuges in einen anderen Mitgliedstaat als eindeutigen, nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG angesehen. In der Rechtssache N wies der EuGH sogar darauf hin, dass nach nationalem Recht Fragen der Staatshaftung bei Verstoß gegen die Sicherung der Niederlassungsfreiheit zu prüfen seien52. Diese Grundsätze des EuGH sind sowohl nach Auffassung der Europäischen Kommission als auch der herrschenden Meinung in der Literatur prinzipiell gleichfalls auf die Wegzugsbesteuerung von Unternehmen anzuwenden, so dass eine Sofortbesteuerung der stillen Reserven in den oben genannten Fällen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EG bewirkt, die nur im Falle einer Rechtfertigung Bestand haben könnte53. Eine Rechtfertigung einer solch scharfen Beschränkung, wie sie durch die ungemilderte Sofortbesteuerung bewirkt wird, ist indessen nicht zu erkennen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Bundesregierung der Schutz des deutschen Besteuerungsaufkommens oder das Argument einer mangelnden
__________ 48 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. 49 Vgl. EuGH v. 23.2.2006 – C-471/04 – Keller Holding, EuGH-E I 2006, 2107; BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279. 50 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, DStR 2004, 551. 51 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04 – N, DStR 2006, 1691. 52 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04 – N, Rz. 62, DStR 2006, 1691. 53 Mitteilung der Europäischen Kommission zur Wegzugsbesteuerung und der Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten v. 19.12. 2006, KOM(2006) 825, S. 6; Zustimmend etwa Eickmann/Stein, DStZ 2007, 723 (727) m. w. N. A. A. etwa Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12 KStG, Rz. 106 m. w. N.
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Administrierbarkeit der Besteuerung von nicht realisierten Reserven54 kein hinreichender Rechtfertigungsgrund. Der EuGH hat in nunmehr ständiger Rechtsprechung geklärt, dass eventuelle Steuermindereinnahmen der Mitgliedstaaten keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, welcher eine Beschränkung rechtfertigen könnte55. Auch das Argument eines erhöhten verwaltungstechnischen Aufwandes wurde regelmäßig als Rechtfertigungsgrund, generell auch unter Hinwies auf die bestehende Amtshilfe-56 und/oder Beihilferichtlinie57 in der EU, abgelehnt58. Der EuGH hat in de Lasteyrie du Saillant darüber hinaus festgestellt, dass Regelungen, die nicht speziell darauf zielen, missbräuchliche Sachverhaltsgestaltungen (Wegzugsfälle) zur Umgehung einer inländischen Besteuerung zu bekämpfen, keine Rechtfertigung erfahren können59. Für § 12 Abs. 1 KStG sollte eine Einstufung als Missbrauchsbekämpfungsvorschrift klar abzulehnen sein60. Mutmaßlich stellt daher eine sofortige ungemilderte Wegzugsbesteuerung eine nicht zu rechtfertigenden Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Diese Beschränkung wäre darüber hinaus nicht verhältnismäßig, da z. B. eine aufgeschobene Besteuerung oder die entsprechende Anwendung der Ausgleichspostenmethode ein jeweils milderes und damit vorzugswürdiges Mittel darstellen würde61. Aber selbst bei einer unterstellten Anwendbarkeit von § 4g EStG kann ein europarechtlicher Verstoß gegen Art. 43 EG anzunehmen sein, wenn die Bildung und Auflösung des Ausgleichspostens z. B. zu früheren oder höheren Steuerzahlungen führt als im vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt62. Darüber hinaus könnten sich europarechtliche Probleme insbesondere mit Blick auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Tatsache ergeben, dass im Rahmen der Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen gemäß § 6 Abs. 5 AStG eine unbegrenzte zinslose Stundung möglich ist, während § 4g EStG einen definitiven und relativ zeitnahen Mittelabfluss, wenn auch verteilt auf fünf Jahre, vorsieht63. § 4g EStG bewirkt damit letztlich nur eine begrenzte Stundungsmöglichkeit und sollte deshalb, trotz ggf. im Einzelfall möglicher Vorteile durch erhöhte Abschreibungen im Ausland, als europarechtlich problematisch eingestuft werden64.
__________ 54 Vgl. BT-Drs. 16/2934, 1. 55 Vgl. etwa EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, DStR 2004, 551, Rz. 60. 56 Richtlinie 77/799/EWG des Rates v. 19.12.1977, ABl. EG Nr. L 336, 15, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129. 57 Richtlinie 76/308/EWG des Rates v. 15.3.1976, ABl. EG Nr. L 73, 18, zuletzt geändert durch Richtlinie Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26.5.2008, ABl. EU Nr. L 150, 28. 58 Vgl. z. B. EuGH v. 15.7.2004 – C-315/02 – Lenz, DStRE 2005, 273, Rz. 48. 59 EuGH v. 11.5.2004 – C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, DStR 2004, 551, Rz. 50 ff. 60 So auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 87. 61 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12, Rz. 79. 62 Vgl. Förster, DB 2007, 74 (75). 63 Im Ergebnis kritisch etwa auch Schnitger, IStR 2007, 28. 64 Vgl. Prinz, GmbHR 2007, 966 (969); Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266 (268); Schnitger, IStR 2007, 22 (28); Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 (137); Förster, DB 2007, 74 (75).
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In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission im Hinblick auf die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung von Unternehmen derzeit Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG gegen Schweden, Portugal und Spanien führt65. Die in Frage stehenden Regelungen sehen dabei, ähnlich den deutschen Vorschriften, eine Wegzugsbesteuerung bzgl. der stillen Reserven vor, wenn ein Unternehmen aufgrund einer Verlegung des steuerlichen Sitzes bzw. des Verwaltungs- und/oder Satzungssitzes aus der Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet. Im Ergebnis scheint damit vieles auf eine Europarechtswidrigkeit einer sofortigen und ungemilderten Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG hinzudeuten66. Der Gesetzgeber sollte daher § 12 Abs. 1 KStG wohl noch einmal einer europarechtlichen Prüfung unterwerfen. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG auf den Fall der grenzüberschreitenden Sitzverlegung ist dabei unter Berücksichtigung der oben genannten Bedenken u. U. nicht ausreichend. Geeigneter wäre entsprechend § 6 Abs. 5 AStG eine grundsätzlich zeitlich unbegrenzte zinslose Steuerstundungslösung ohne Stellung von Sicherheiten, jedoch mit ggf. verbundenen jährlichen Auskunftspflichten über den Verbleib bzw. die tatsächliche Veräußerung der überführten Wirtschaftsgüter durch den Steuerpflichtigen67. Die nachstehend diskutierte Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH gibt für eine solche Überprüfung einen hervorragenden Anlass und ermöglicht ggf. sogar ohne Änderung des Gesetzeswortlauts im Auslegungswege die vorstehend eingeforderten Grundsätze zur Anwendung zu bringen.
VI. Aufgaben der finalen Entnahmetheorie – Wegfall der Entstrickungsbesteuerung? Bereits vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum SEStEG wurden ernste Zweifel dahingehend geäußert, ob das deutsche Besteuerungsrecht durch einen Überführungsvorgang in eine ausländische Betriebsstätte überhaupt verloren geht. Wassermeyer wies darauf hin, dass das Recht, stille Reserven zu besteuern, grundsätzlich dem Staat zustehe, in dessen Betriebsstätte diese ent-
__________ 65 Az. 2007/2372 (Schweden), 2007/2365 (Portugal), 2007/2382 (Spanien); vgl. die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission v. 18.9.2008 (IP/08/1363) und 27.11.2008 (IP/08/1813). 66 Wohl auch die jüngste BFH-Entscheidung bzgl. der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie und dem damit verbundenen Hinweis auf einen anderenfalls drohenden Verstoßen gegen die Niederlassungsfreiheit, vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. 67 So auch Richter, IStR 2008, 719 (723). Vgl. auch die diesbezügliche Mitteilung der Europäischen Kommission zur Wegzugsbesteuerung und der Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten v. 19.12.2006, KOM(2006) 825, S. 7.
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standen sind68. Das deutsche Besteuerungsrecht an den bis zum Zeitpunkt der Überführung entstandenen stillen Reserven besteht nach dieser Ansicht ungeachtet dessen fort, welcher Betriebsstätte ein Wirtschaftsgut im Realisationszeitpunkt zuzuordnen ist. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA darf der Betriebsstättenstaat nur solche Gewinne besteuern, die durch die Tätigkeit der Betriebsstätte erzielt wurden und ihr entsprechend zuzurechnen sind69. Diese Rechtsauffassung findet nunmehr Bestätigung in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17.7.200870, mit der der BFH die so genannte Theorie der finalen Entnahme aufgegeben hat. Nach dieser Theorie wurde die Überführung eines Wirtschaftsguts vom inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte als gewinnrealisierende Entnahme i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 2 EStG fingiert, soweit die ausländischen Betriebsstättengewinne nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland von der Besteuerung freizustellen waren. Hierdurch sollten die im Zeitpunkt der Überführung in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven der deutschen Besteuerung unterworfen werden. Neben der Tatsache, dass die Überführung eines Wirtschaftsguts keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Annahme einer Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG darstellt sowie erhebliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken für den Fall einer (vorgezogenen) Besteuerung geäußert werden, begründet der Bundesfinanzhof seine geänderte Rechtsauffassung weiterhin damit, dass die finale Entnahmetheorie auf einer unzutreffenden Beurteilung der Abgrenzung zwischen in- und ausländischen Einkünften und den Wirkungen der abkommensrechtlichen Freistellung beruhe. So werde nach heutiger Erkenntnis die (spätere) Besteuerung von (früher) im Inland entstandener stiller Reserven bei Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte selbst durch die Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne nicht beeinträchtigt. Tatsächlich gehe das Besteuerungsrecht für ein Wirtschaftgut bei Überführung in eine so genannte Freistellungsbetriebsstätte nur in jenem Umfang über, in dem die (später) realisierten Gewinne durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet wurden („Verursachungsbeiträge“). So ermögliche der dem Urteilsfall zugrunde liegende Art. 4 Abs. 2 DBA Deutschland-Österreich, der dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA im Grundsatz gleicht, eine Aufteilung des künftigen Veräußerungsgewinns zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte nach diesen Verursachungsbeiträgen. Damit behält Deutschland in Bezug auf im Überführungszeitpunkt bestehende stille Reserven („nach-
__________ 68 Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; 2420 ff.; ebenso Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483); Blumenberg/Lechner, BB 2006, Special 8, 25 (27); a. A. Meurer in Lademann, EStG, § 4, Rz. 348; Benecke, NWB F 3, 14733 (14736 f.); Wied in Kirchhof, EStG, § 4, Rz. 487; zweifelnd Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, EStG, §§ 4, 5, Rz. 252; Heinicke in Schmidt, EStG, § 4, Rz. 329; Prinz in Herrmann/Heuer/ Raupach, Jb. 2007, EStG, Vor § 4, Anm. J 06-2. 69 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483); Kolbe in Herrmann/Heuer/ Raupach, Jb. 2007, KStG, § 12, Anm. J 06-15; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, EStG, §§ 4, 5, Rz. 252; a. A. unter Bezugnahme auf die Auslegung nach dem Authorised OECD Approach Benecke, NWB F 3, 14733 (14736 f.). 70 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941.
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laufend“) sein Besteuerungsrecht. Es fehlt damit der Anlass für eine (zeitnahe) Besteuerung, da es an einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts mangelt. Diese Grundsätze gelten jedenfalls für die Rechtslage vor Inkrafttreten des SEStEG. Der BFH hat die Frage nach den Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung auf die aktuelle Rechtslage offen gelassen71. So weist die Pressemitteilung des BFH zu dem Urteil darauf hin, dass zwischenzeitlich eine gesetzliche Entstrickungsregelung eingeführt wurde, die darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für die Theorie der finalen Entnahme zu schaffen72. Auch wenn vieles dafür spricht, dass der für die Entnahmefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und die Veräußerungsfiktion des § 12 Abs. 1 KStG erforderliche Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kraft dieser Änderung der Rechtsprechung nicht (mehr) vorliegt, bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung dennoch an einer Anwendung der Vorschriften in der mit dem SEStEG intendierten Form (zunächst) festhält. Da allerdings die finale Entnahmetheorie das Fundament der Zusammenfassung und Fortentwicklung der Entstrickungsregelungen i.R.d. SEStEG bildete73, muss der nach deren Aufgabe verbleibende Anwendungsbereich der Vorschriften klar in Frage gestellt werden74. Wassermeyer wies bereits im Vorfeld der BFH-Entscheidung darauf hin, dass die Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG mangels einer Beschränkung bzw. eines Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts weitgehend leer laufen. Ausgehend von diesem Rechtsverständnis könnte die Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische DBA-Betriebsstätten (in EU- und wohl auch Drittstaaten) im Regelfall steuerneutral vollzogen werden. Zu einer Besteuerung käme es erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung (Außenumsatz)75. Unter Beachtung dieser Grundsätze würde sich der verbleibende Anwendungsbereich der allgemeinen Entstrickungsvorschriften ggf. auf Fälle beschränken, in denen der Steuerpflichtige jede inländische Betriebsstätte vollständig aufgibt (vgl. dazu aber unten näher) und damit eine abkommensrechtliche Zuord-
__________ 71 Auch die bislang ergangenen Kommentare zum Urteil halten sich z. T. in der Beurteilung sehr offen: z. B. Hoffmann, DB 2008, 2286; Gosch, BFH-PR 2008, 501; Heger, Juris Praxis Report-Steuer 50/2008 Anm. 2; Mitschke, FR 2008, 1144, ablehnend Schimmele, EStB 2008, 385; tendenziell positiv für eine Relevanz auch nach Einführung des SEStEG: Roser, DStR 2008, 2389. 72 Vgl. Pressemitteilung Nr. 95/08 v. 8.10.2008 zum Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/06; Koch, BB 2008, 2450 (2452). 73 Vgl. BR-Drucks. 542/06, 38 f. 74 Vgl. Hoffmann, DB 2008, 2286 (2287). 75 Die Frage nach dem Maßstab zur Aufteilung eines späteren Veräußerungsgewinns ließ der BFH in seinem Urteil vom 17.7.2008 offen. Neben der Theorie der aufgeschobenen Gewinnrealisierung, die eine Besteuerung des Wertes vorsieht, der im Überführungszeitpunkt im Wege eines Außenumsatzes zu erzielen gewesen wäre, kommt ebenso eine Abgrenzung unter Zugrundelegung der Wertschöpfungsbeiträge bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation in Frage, vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941.
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nung von Betriebsstätteneinkünften mangels Anknüpfungspunkten für die Besteuerung ausscheidet76 und/oder die Überführung in einen Staat mit einem abweichenden DBA oder anderen Sonderregelungen erfolgt, die den vom BFH genannten Grundsätzen zuwiderlaufen. Soweit jedenfalls „nur“ die unbeschränkte Steuerpflicht endet, jedoch eine inländische Betriebsstätte verbleibt, erscheint es generell sehr fraglich, ob dies nach der o. g. BFH-Entscheidung als Entstrickungstatbestand in Bezug auf dem neuen ausländischen Stammhaus zuzuordnenden Wirtschaftsgütern ausreicht. Unter dem Grundsatz, dass das Besteuerungsrecht zwischen Stammhaus und Betriebsstättenstaat nach Verursachungsbeiträgen aufzuteilen ist, erscheint es wenig zwingend, allein aus der Tatsache heraus, dass im Falle eines Wegzugs des Unternehmens der Stammhausstaat zu einem Betriebsstättenstaat degeneriert, als hinreichende Begründung für eine sofortige Entstrickungsbesteuerung anzusehen. Jedenfalls wenn und soweit eine Betriebsstätte zurückbleibt, können die dieser Betriebsstätte zugeordneten Verursachungsbeiträge hier steuerlich weiterhin erfasst werden. Ob es sich bei dieser Betriebsstätte um die Stammhaus (bzw. Geschäftsleitungs)-Betriebsstätte oder um eine andere Betriebsstätte des gleichen (u. U. nur noch beschränkt steuerpflichtigen) Unternehmens handelt, erscheint in diesem Zusammenhang irrelevant. Demnach spricht vieles dafür, dass jedenfalls bei Fortbestand einer Betriebsstätte, in welcher für steuerliche Zwecke die Verursachungsbeiträge für entstrickte Wirtschaftsgüter fortgeführt werden, keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für bis zur Entstrickung gebildete stille Reserven vorliegt. Grundsätzlich sollte dies – insbesondere im europarechtlichen Kontext – auch dann gelten, wenn keine inländische Betriebsstätte verbleibt. Es gilt allerdings zu beachten, dass in dieser Fallgruppe kraft Wegfalls der unbeschränkten Steuerpflicht und Aufgabe jeder deutschen Betriebsstätte die „nachlaufende deutsche Besteuerung“ von in Deutschland geschaffenen stillen Reserven sich als schwieriger (wenn auch nicht unmöglich) erweist. Dass derartige Regelungen durchaus möglich sind, zeigt insbes. § 22 Abs. 2 UmwStG. Diese Norm betrifft auch Fallkonstellationen, in denen beschränkt Steuerpflichtige Unternehmensteile gemäß § 20 UmwStG in eine deutsche Kapitalgesellschaft einbringen. Damit endet i. d. R. deren (beschränkte) Steuerpflicht in Deutschland. Eine inländische Betriebsstätte, bei der ein nachlaufendes Besteuerungsrecht durchgesetzt werden könnte, existiert i. d. R. nicht (mehr). Hier hat sich der Gesetzgeber das angestrebte nachlaufende Besteuerungsrecht dadurch gesichert, dass bei schädlichen Vorgängen rückwirkend der Einbringungsakt steuerpflichtig gestellt wird. Ein ähnliches Verfahren (mit rückwirkender Versteuerung bei „schädlichen“ Außenumsätzen/Realisationsakten) wäre auch bei Überführung in das Ausland (und gerade auch unter Wegfall jeder inländischen Betriebsstätte) denkbar. Zwar könnte man weiterhin für eine Änderung der Rechtslage über die Entscheidung des BFH hinaus argumentieren, dass unter den nunmehr gesetzlich
__________ 76 Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1180); DB 2006, 2420 (2423).
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geregelten allgemeinen Entstrickungstatbeständen nicht nur die bislang entstandenen stillen Reserven, sondern auch das gesamte zukünftige Besteuerungssubstrat als tatbestandsbegründend anzusehen sein könnte. Der insoweit theoretisch ggf. erfasste „Totalgewinn“ geht allerdings über das hinaus, was dem deutschen Fiskus maximal zustehen kann: Dies sind die stillen Reserven, die sich bis zum Übertragungszeitpunkt gebildet haben. Auf ein weiteres Besteuerungssubstrat hat der deutsche Fiskus – jedenfalls bei Überführung auf eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte – ohnehin keinen Zugriff (und hätte diesen Zugriff gleichfalls nicht bei einer tatsächlichen Veräußerung an einen fremden Dritten). Auch die angeordnete Rechtsfolge (Versteuerung zum gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entstrickung) erfasst nur die bislang im Inland gebildeten stillen Reserven77. Sowohl der zu unterstellende Sinn und Zweck der Norm als auch Art und Umfang der Rechtsfolge weisen damit klar darauf hin, dass trotz des möglicherweise überschießenden Wortlauts die Zielsetzung des Gesetzes und wohl auch gesetzgeberischer Wille sich ausschließlich auf die bis zum Überführungszeitpunkt gebildeten stillen Reserven beziehen. Da diese allerdings nach der Rechtsprechung des BFH ohnehin im Inland verbleiben, spricht damit vieles dafür, dass die allgemeinen Entstrickungsnormen – jedenfalls nach deren gegenwärtigem Wortlaut – weitgehend leer laufen dürften. Dies sollte jedenfalls insoweit gelten, als nach einem DBA die vom BFH aufgestellten Grundsätze über die verursachungsgerechte Aufteilung des Gesamtgewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts zur Geltung gelangen. Bei abweichenden oder fehlenden Regelungen (kein DBA) erscheint die Rechtslage nicht so eindeutig. U. U. kommt es letztendlich aber auch hier auf die Frage an, ob und inwieweit im Inland gebildete stille Reserven inländische Einkünfte darstellen und somit eine Beschränkung oder ein Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts nicht eintreten kann78. Ausgehend von diesen Überlegungen könnte auch die Regelung des § 4g EStG, die – zur Vermeidung einer Beschränkung der EG-Grundfreiheiten79 – bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte die antragsgebundene Bildung eines Ausgleichpostens vorsah, an Bedeutung verlieren. Die Schlussfolgerungen aus der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH sind für die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern, Sachgesamtheiten, Teilbetrieben oder Betrieben gleichermaßen von Bedeutung. Soweit ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bei einer Überführung in einen ausländischen Staat zu verneinen ist, fehlt es womöglich an dem für die Veräußerungsfiktion des § 12 Abs. 1 KStG erforderlichen Tatbestand. Eine Steuererhebung der im Übertragungszeitpunkt bestehenden stillen Reserven würde insoweit erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation erfolgen.
__________ 77 Vgl. Roser, DStR 2008, 2389. 78 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941, unter III. 3.b) bb 1. Absatz mit Verweis auf § 34d Nr. 2 lit. a EStG. 79 Vgl. BR-Drucks. 542/06, 3 f.
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VII. Ergebnis 1. Im Gegensatz zu § 6 AStG soll für Betriebsvermögen der Grundsatz der ungemilderten Sofortbesteuerung bei Beschränkung oder Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts gelten. 2. Bei der Überführung von Unternehmensteilen in das EU-Ausland kann in der Anwendungsreichweite des § 4g EStG von der Ausgleichspostenmethode Gebrauch gemacht werden, die im Ergebnis die Versteuerung von stillen Reserven im Anlagevermögen auf das Überführungsjahr und die vier Folgejahre verteilt. Trotz dieser Regelung bewirkt die Überführung in das EU-Ausland dennoch in aller Regel eine im Vergleich zum Inlandsfall nachteilige Besteuerung. Eine vollständige Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit ist entsprechend kritisch zu hinterfragen. Bereits die früher angewandte großzügigere Regelung des Betriebsstätten-Erlasses beweist, dass mildere Mittel vorstellbar sind. 3. Bei dem Wegzug von Kapitalgesellschaften aus dem In- in das EU-Ausland zielen die geltenden gesetzlichen Regelungen auf eine volle ungemilderte Sofortbesteuerung aller stillen Reserven, für die durch den Vorgang das deutsche Steuerrecht beschränkt oder ausgeschlossen wird. Selbst § 4g EStG ist nicht anwendbar. Dies führt zu einer klaren Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Eine hinreichende Rechtfertigung dafür ist zumindest offensichtlich nicht erkennbar. Auf Grund der Rechtsprechung des BFH von 17.7.2008 erscheint es unklar, ob die vom Gesetzgeber intendierte sofortige Entstrickungsbesteuerung überhaupt im Regelfall zur Anwendung gelangt. Somit muss die weitere Entwicklung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als offen bezeichnet werden. Es bleibt neben dem Fortgang einschlägiger Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission hinsichtlich der Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung in Schweden, Portugal und Spanien80 vor allem abzuwarten, inwieweit sich der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung nach der BFH-Entscheidung vom 17.7.2008 zu Korrekturmaßnahmen veranlasst sehen. Die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie könnte in diesem Zusammenhang ein guter Anlass sein, u. U. sogar ohne Änderung der gesetzlichen Regelungen der allgemeinen Entstrickungsnormen diese (nunmehr) einer EU-freundlichen und damit auch EU-konformen Auslegung zuzuführen. 4. Anderenfalls gilt es zu konstatieren, dass es wohl einer gerichtlichen Prüfung bedürfen wird, um die notwendige Klärung von Kernfragen der Besteuerung des Wegzuges von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen aus Deutschland herbeizuführen. Dies ist mehr als bedauerlich, da dies zugleich bedeutet, dass der Gesetzgeber in diesem Fragenkomplex aufgrund der dargelegten äußerst restriktiven Gesetzgebung mutmaßlich nur unzureichend der Umsetzung des europäischen Gedankens nachkommt und insoweit beschränkend wirkt.
__________ 80 Az. 2007/2372 (Schweden), 2007/2365 (Portugal), 2007/2382 (Spanien); vgl. die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission v. 18.9.2008 (IP/08/1363) und 27.11.2008 (IP/08/1813).
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Der internationale Erb- und Schenkungsfall als Auslöser der Wegzugsbesteuerung Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Grundlagen der Untersuchung 1. Der Charakter der Wegzugsbesteuerung 2. Der internationale Erb- und Schenkungsfall als Ersatztatbestand der Wegzugsbesteuerung a) Voraussetzungen b) Rechtsfolgen c) Milderungsregeln III. Besondere Problemebereiche bei internationalen Erb- und Schenkungsfällen 1. Anwendung der Vorschrift ohne tatsächliche Entstrickung 2. Besteuerung eines fiktiven Gewinns ohne Mittelzufluss 3. Die Gefahr der Doppel- und Mehrfachbesteuerung
IV. Strategien und Maßnahmen zur Vermeidung oder Milderung der Wegzugsbesteuerung in Erb- und Schenkungsfällen 1. Steueroptimale Auswahl der Empfänger von Anteilen 2. Gestaltungsmöglichkeiten bei eingetretenem Erbfall 3. Vermeidung der Wegzugsbesteuerung mit Hilfe einer gewerblich tätigen inländischen Personengesellschaft 4. Einbringung der Anteile in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten inländischen GmbH & Co. KG V. Schlussbetrachtung VI. Literaturverzeichnis
Der Jubilar befasst sich seit vielen Jahren im Rahmen seiner Beratungstätigkeit intensiv mit komplexen Fragestellungen vor allem des Internationalen Steuerrechts. Daneben bearbeitet er umfassend dieses und weitere Fachgebiete sowohl in der Forschung als auch in der akademischen Lehre. Schwerpunkte bilden u. a. die Erbfolge- und Unternehmernachfolgeplanung sowie das Problem der steuerlichen Entstrickung, die sich in vielen Veröffentlichungen1 und in zahlreichen inhaltlich und rhetorisch hervorragenden Vorträgen niedergeschlagen haben2. Deshalb widmen die Verfasser diesen Beitrag aus dem Schnittpunkt von Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Außensteuerrecht Harald Schaumburg mit herzlichen Glückwünschen.
__________ 1 Aus der Vielzahl der Literaturbeiträge vgl. z. B. Schaumburg, H., 1998a; Schaumburg, H., 2000a; Schaumburg, H., 2001; Schaumburg, H., 2005; Schaumburg, H./Schaumburg, H., 2005. 2 Vgl. z. B. „Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung“ auf dem 60. Fachkongress der Steuerberater, Köln 2008.
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I. Einleitung Im Rahmen des SEStEG3 hat die in § 6 AStG geregelte Besteuerung des Vermögenszuwachses – die sog. Wegzugsbesteuerung – eine grundlegende Reform erfahren. Den Auslöser bildete das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant, worin der EuGH die französische Wegzugsbesteuerung aufgrund einer Verletzung der Niederlassungsfreiheit für europarechtswidrig erklärte4. In der Folge hatte die Europäische Kommission die Bundesrepublik Deutschland in einem Vertragsverletzungsverfahren aufgefordert, die in weiten Teilen mit der französischen Wegzugsbesteuerung vergleichbare Regelung des § 6 AStG europarechtskonform auszugestalten5. Zu den wesentlichen Änderungen im Rahmen des SEStEG gehörte neben der Einführung umfassender Milderungsregelungen für Entstrickungssachverhalte innerhalb der Europäischen Union die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 6 AStG, der zuvor auf Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften begrenzt war. Jetzt schließt die Vorschrift auch ausländische Anteile ein und enthält einen erweiterten Katalog der Entstrickungstatbestände. Während der grenzüberschreitende Schenkungsfall, also die unentgeltliche Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen unter Lebenden, bereits vor der Reform zu den Tatbeständen des § 6 AStG gehörte6, können nach jetzt geltendem Recht auch internationale Erbfälle die Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung auslösen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG). Mit dieser Erfassung internationaler Erb- und Schenkungsfälle tritt der Gesetzgeber möglichen Gestaltungen zur Umgehung der Wegzugsbesteuerung entgegen. Für den Steuerpflichtigen resultieren daraus ggf. erhebliche steuerliche Mehrbelastungen. Der vorliegende Beitrag gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Behandlung internationaler Erb- und Schenkungsfälle im Rahmen der Wegzugsbesteuerung und arbeitet die Konsequenzen heraus, die sich für den Steuerpflichtigen ergeben. Darauf aufbauend werden verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten analysiert, mit deren Hilfe der Steuerpflichtige diese Belastung vermeiden oder zumindest abmildern kann.
__________ 3 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12. 2006, BGBl. I 2006, 2782 ber. BGBl. I 2007, 68. 4 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. Erläuternd hierzu Schaumburg, H./Schaumburg, H., 2005, S. 312 f.; Schaumburg, H., 2005, S. 413; Wassermeyer, F., 2004, S. 613. Zu einem vergleichbaren Urteil kommt der EuGH in der Rechtssache „N“ hinsichtlich der niederländischen Wegzugsbesteuerung. Vgl. EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7409. 5 Vgl. EU-Kommission, Pressemitteilung v. 19.4.2004, IP/04/493; BMF, Schr. v. 8.6.2005 – IV B 5 - S 1348 - 35/05, BStBl. I 2005, 714 = FR 2005, 717; Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG), BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, S. 26. 6 Vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AStG in der bis einschließlich 2006 geltenden Fassung. Siehe hierzu auch Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.405 ff.
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II. Grundlagen der Untersuchung 1. Der Charakter der Wegzugsbesteuerung Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen i. S. d. § 17 EStG, die zum Privatvermögen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person gehören, unterliegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Die Bundesrepublik Deutschland kann aber ihr Besteuerungsrecht hinsichtlich solcher Vermögenszuwächse verlieren, wenn der Anteilseigner durch Aufgabe seines Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland aus der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ausscheidet – wenn er also aus Deutschland „wegzieht“. Es kommt insofern zu einer Entstrickung der Beteiligung. Für entsprechende Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft entfällt mit dem Wegzug der Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Inland. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft werden zwar nach einem Wegzug prinzipiell im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht erfasst und nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG im Inland der Besteuerung unterworfen; aufgrund einer in den meisten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen – Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen entsprechenden – Regelung geht das Besteuerungsrecht allerdings regelmäßig auf den neuen Wohnsitzstaat über, so dass die Bundesrepublik Deutschland auch in diesem Fall letztendlich das Besteuerungsrecht verliert7. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und im Jahre 1972 mit der Einführung von § 6 AStG die sog. Wegzugsbesteuerung in das deutsche Steuerrecht eingefügt8. Die Norm soll das Besteuerungsrecht für Vermögensmehrungen, die aus einer nachhaltigen persönlichen und wirtschaftlichen Eingliederung in die deutsche Volkswirtschaft resultieren, in Entstrickungsfällen sicherstellen9. Diese Regelung blieb mehr als 30 Jahre lang in ihrer ursprünglichen Fassung nahezu unverändert, bis sie schließlich durch das SEStEG zahlreiche umfassende Neuerungen erfahren hat10. Den Grundtatbestand der Wegzugsbesteuerung erfüllt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG eine natürliche Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre lang im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war11 und durch Aufgabe ihres
__________ 7 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 1.; Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 26. 8 Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf des AStG, BT-Drucks. VI/2883, Rz. 24 f. Siehe auch Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 1; Winkeljohann, N., 2007, S. 292. 9 Vgl. Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 48; Töben, T./Reckwardt, S., 2007, S. 159; Schaumburg, H., 2000a, S. 374. 10 Vgl. Richter, A./Escher, J., 2007, S. 674 ff.; Lausterer, M., 2006, S. 80 ff. 11 Die unbeschränkte Steuerpflicht muss nicht ununterbrochen bestanden haben. Vielmehr sind bei der Ermittlung der Dauer sämtliche Zeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht zu addieren. Sind die Anteile im Wege eines Erb- oder Schenkungsfalls auf den Steuerpflichtigen übergegangen, fließen darüber hinaus die Zeitabschnitte, in denen der bzw. bei mehrfacher Übertragung die Rechtsvorgänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren, in die Berechnung der Frist ein. Treten hierbei Überschneidungen aufgrund gleichzeitiger unbeschränkter Steuerpflicht mehrerer Perso-
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Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Verfügt diese Person über Anteile i. S. d. § 17 EStG, löst der Wegzug die Rechtsfolgen dieser Norm auch ohne Veräußerung aus, sofern die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Es kommt damit in diesem Zeitpunkt zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns12. Die Wegzugsbesteuerung zielt ausschließlich auf Beteiligungen i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Dabei handelt es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft, an deren Kapital der Gesellschafter zu einem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar oder mittelbar zumindest 1 % beteiligt war. Sind die Anteile während des Fünfjahreszeitraumes im Wege des unentgeltlichen Erwerbs – durch Schenkung oder Erbfall – auf den Steuerpflichtigen übergegangen, gilt die Voraussetzung bereits dann als erfüllt, wenn der Rechtsvorgänger irgendwann während dieses Zeitraumes eine Beteiligung von mindestens 1 % besaß13. Auch wenn die Anteile auf mehrere verschiedene Personen übergehen, die anschließend isoliert betrachtet jeweils weniger als 1 % der Anteile besitzen, gilt die Voraussetzung als erfüllt. Ausschlaggebend ist in diesem Fall die Anteilsquote beim Rechtsvorgänger14. 2. Der internationale Erb- und Schenkungsfall als Ersatztatbestand der Wegzugsbesteuerung a) Voraussetzungen Neben dem Wegzug als Grundtatbestand enthält § 6 Abs. 1 AStG eine Reihe von Ergänzungstatbeständen, die der vollständigen Erfassung von wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten dient, um Regelungslücken zu schließen und mögliche Umgehungsmöglichkeiten einzuschränken15. Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages steht die Übertragung von Anteilen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden einerseits und durch Erwerb von Todes wegen andererseits (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG). Die Regelung soll Gestaltungen verhindern, bei denen eine Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt erfolgt und damit die Wegzugsbesteuerung umgangen wird16. Im Erb- und Schenkungsfall verliert Deutschland – genau wie im Wegzugsfall – regelmäßig das Besteuerungsrecht hinsicht-
__________
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nen auf, kommen die entsprechenden Zeiträume nur einmal zum Ansatz. Vgl. BMF, Schr. v. 14.5.2004, Tz. 6.1.1.2; Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.404; Schoss, N.-P., 2003, § 6 AStG, Anm. 8. Vgl. Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.417. Vgl. BMF, Schr. v. 14.5.2004, Tz. 6.1.2.2; Schulte, C., 2008, § 17 EStG Rz. 67. Vgl. Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 91. Hierzu gehören die unentgeltliche Übertragung von Anteilen auf nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen, also Schenkung und Erbfall (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG), die Begründung einer DBA-Ansässigkeit im Ausland (Nr. 2), die Einlage von Anteilen in einen Betrieb oder eine Betriebsstätte des Steuerpflichtigen im Ausland (Nr. 3) sowie ein allgemeiner Auffangtatbestand (Nr. 4). Vgl. Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 84; Stümper, F.-P., 2007, S. 358.
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lich der in den Kapitalgesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven, wenn der Empfänger im Inland nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Sofern mit dessen Ansässigkeitsstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, das eine Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen entsprechende Regelung enthält, liegt das Besteuerungsrecht für Gewinne aus einer Veräußerung der Anteile beim ausländischen Staat17. Die erste Alternative des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG – der Anteilsübergang durch Rechtsgeschäft unter Lebenden – betrifft insbesondere Schenkungen. Darunter fallen sowohl die reine Schenkung, bei der die Anteile voll unentgeltlich auf den Beschenkten übergehen, als auch die gemischte Schenkung, bei der das vereinbarte Entgelt nicht den vollen Wert der Anteile widerspiegelt. Für steuerliche Zwecke erfolgt eine Aufteilung der gemischten Schenkung in einen voll entgeltlichen Teil, der als Veräußerungsgeschäft dem Regelungsbereich des § 17 EStG unterliegt, und einen voll unentgeltlichen Teil, auf den die Wegzugsbesteuerung zur Anwendung kommt18. Durch die Übertragung der Anteile verwirklicht der Schenker den maßgebenden Besteuerungstatbestand. Demgemäß ist er der Steuerpflichtige, der die Einkünfte erklären muss und nach dessen persönlichen Verhältnissen sich die Höhe der Steuer bemisst19. Bei dem Schenker muss es sich um eine unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person handeln. Demgegenüber darf der Empfänger der Anteile ausdrücklich nicht der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen20. Ohne Bedeutung ist, ob er in einem Hoch- oder Niedrigsteuerland ansässig ist und ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland besteht21. Bei dem Beschenkten kann es sich entweder um eine natürliche oder um eine juristische Person handeln22. Auch eine Übertragung von Anteilen auf eine in- oder ausländische Personengesellschaft kann in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, soweit daran nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen als Mitunternehmer beteiligt sind und mit der Übertragung ein Verlust des deutschen Besteuerungsrechts einhergeht23. Die zweite Alternative des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfasst die Anteilsübertragung von Todes wegen auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person. Dieser Ersatztatbestand wurde mit dem SEStEG neu in das Außensteuergesetz aufgenommen und findet erstmals seit dem Veranlagungszeitraum 2007 Anwendung24. Wie die Schenkung betrifft auch dieser Ergänzungstatbestand ausschließlich solche Anteilsübergänge, bei denen der Empfänger
__________ 17 Vgl. Wassermeyer, F., 2005, S. 176. 18 Vgl. Schoss, N.-P., 2003, § 6 AStG, Anm. 21; Knobbe-Keuk, B., 1993, S. 920; Schulte, C., 2008, § 17 EStG Rz. 79; BFH v. 17.7.1980 – IV R 15/76; BStBl. II 1981, 11; H 17 Abs. 4 EStH 2006. 19 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 62; ders., 2007c, S. 835. 20 Vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG; BMF, Schr. v. 14.5.2004, Tz. 6.3 Nr. 1. 21 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 62. 22 Vgl. Schoss, N.-P., 2003, § 6 AStG, Anm. 22; Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 63. 23 Vgl. Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 81. 24 Vgl. § 21 Abs. 13 AStG i. d. F. des SEStEG.
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nicht der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erbe in einem niedrig oder hoch besteuernden Staat residiert und ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland besteht25. Bei Vorliegen einer Erbengemeinschaft erfasst die Vorschrift ausschließlich diejenigen Anteile, die auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Erben übergehen26. Uneinigkeit besteht seitens der Literatur hinsichtlich der Frage, wer den maßgeblichen Tatbestand verwirklicht und infolgedessen der Steuerpflichtige ist27. In Frage kommen der Erblasser einerseits und der Erbe bzw. die Erben andererseits. Diejenigen Vertreter des Schrifttums, die den Erben als Steuerpflichtigen ansehen, führen zur Begründung an, der Anteilsübergang könne frühestens in der ersten logischen Sekunde nach dem Tod des Erblassers erfolgen. Da die Steuerpflicht einer natürlichen Person mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet, kann der Erblasser selbst den Tatbestand nicht mehr im Rahmen seiner Steuerpflicht verwirklichen. Insofern käme allein der Erbe als möglicher Steuerpflichtiger in Frage28. Ein weiteres Argument ergibt sich aus der Analyse des Wortlauts des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG. Dieser setzt als Tatbestandsvoraussetzung eine „Übertragung der Anteile“ voraus, woraus sich eine Steuerpflicht des Erblassers ableiten ließe. Dem steht aber entgegen, dass nach geltender Rechtsauffassung bei einem Vermögensübergang von Todes wegen keine Übertragung, sondern ein „Vonselbsterwerb“ vorliegt29. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG stellt auf einen „Erwerb von Todes wegen“ ab. Der Erwerb wird durch den Erben realisiert. Darin liegt ein wesentliches Argument für das Anknüpfen der Steuerpflicht an dessen Person30. Nach der entgegenstehenden Auffassung liegt die Steuerpflicht beim Erblasser31. Zur Begründung wird auf den Grundtatbestand des § 6 AStG verwiesen. Im Wegzugsfall erfüllt den maßgebenden Tatbestand eine natürliche Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Einkommensteuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes endet. Im Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Alternative AStG soll der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht die Übertragung der Anteile durch Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen gleichstehen. Die übrigen Voraussetzungen können folglich bei der Bestimmung des Steuerpflichtigen aus dem Grundtatbestand übernommen werden. Insofern kommt auch im Erbfall nur eine natürliche Person in Frage, die insgesamt mindestens zehn Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig war. Nur so kann dem Gesetzeszweck – der Erfassung von Wertzuwächsen aus einer nachhaltigen persönlichen und wirt-
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Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 70. Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 69. Zum aktuellen Diskussionsstand s. Baßler, J., 2008, S. 851 ff. Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 69; ders., 2007c, S. 834. Lausterer, M., 2006, S. 81; Grotherr, S., 2007, S. 2156. 29 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 69; ders.,. 2007c, S. 834. 30 Vgl. Wassermeyer, F., 2007c, S. 834. 31 Vgl. Baßler, J., 2008, S. 852.
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schaftlichen Eingliederung in die deutsche Volkswirtschaft – Rechnung getragen werden. Da die Person, die durch Erwerb von Todes wegen die Anteile erhält, ausdrücklich nicht der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen darf, wäre es paradox zu verlangen, dass diese Person zuvor insgesamt mindestens zehn Jahre lang unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Dieses wesentliche Merkmal zielt insoweit auf den Erblasser, was die These bestärkt, dass er der Steuerpflichtige i. S. d. oben genannten Vorschrift ist32. Diesem Argument steht die Möglichkeit zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 6 AStG im Wege der Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht durch den Erben innerhalb von fünf Jahren nach der Anteilsübertragung nicht entgegen. Ein weiteres Indiz für die Steuerpflicht des Erblassers ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Schenkung und Erbfall. Im Schenkungsfall löst der Schenker nach anerkannter Literaturmeinung mit der bewussten Auswahl des Beschenkten und der Übertragung der Anteile den maßgebenden Tatbestand aus, weshalb die Steuerpflicht bei ihm anknüpft33. Der Erblasser kann ebenfalls zu Lebzeiten aktiv (ggf. auch passiv) die Weichen für den Anteilsübergang stellen, indem er durch Testament oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge den bzw. die Erben bestimmt. Diese These wird außerhalb des Regelungsbereichs des § 6 AStG durch die einkommensteuerliche Beurteilung der Übertragung von Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in Erbfällen bestätigt. Bei Vorliegen einer sog. qualifizierten Nachfolgeklausel folgen nicht alle Miterben, sondern nur einer bzw. einzelne von mehreren Miterben dem Erblasser in seiner Gesellschafterstellung nach34. Im Erbfall wird daher der Anteil am Sonderbetriebsvermögen, der auf Erben entfällt, die nicht zu Mitunternehmern werden, in Privatvermögen umqualifiziert. Ein hieraus resultierender Entnahmegewinn ist dem Erblasser – nicht den Erben – zuzurechnen35. Nach Abwägung aller Argumente, die für den Erben einerseits oder den Erblasser als Steuerpflichtigen andererseits sprechen, muss konstatiert werden, dass eine eindeutige Lösung nicht existiert. Nach Meinung der Verfasser überwiegen die Argumente für eine Steuerpflicht des Erblassers, nach dessen persönlichen Verhältnissen sich dann auch die Höhe der Steuer bemisst. Die so entstandene Steuerschuld geht nach § 45 AO im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den bzw. die Erben über36 und mindert als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG deren Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer37.
__________ 32 33 34 35
Vgl. Baßler, J., 2008, S. 852. Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 62. Vgl. BMF, Schr. v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 72. Vgl. BFH v. 28.1.1998 – VIII B 9/97, DStRE 1998, S. 470; v. 15.3.2000 – VIII R 51/98, DStR 2000, S. 922; BMF, Schr. v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 74; Baßler, J., 2008, S. 852 m. w. N. 36 Vgl. Baßler, J., 2008, S. 852; Ostertun, D., 2007, § 3 Rz. 231. 37 Vgl. Meincke, J. P., 2004, § 10 ErbStG, Rz. 31 ff.; Gebel, D., 2007, § 10 ErbStG, Tz. 140.
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b) Rechtsfolgen Sofern für Anteile i. S. d. § 17 EStG die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfüllt sind, also ein Erbfall oder eine Schenkung vorliegt, besteht die Rechtsfolge in einer Besteuerung des Vermögenszuwachses hinsichtlich dieser Anteile. § 17 EStG kommt auch ohne Veräußerung auf die Anteile zur Anwendung, was faktisch zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns führt. Die Einkünfte unterliegen ebenso wie tatsächliche Veräußerungsgewinne nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 % der Besteuerung. Bei Vorliegen einer Veräußerung stellt gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Veräußerungsgewinn den Betrag dar, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Da im Entstrickungsfall keine Veräußerung stattfindet und somit kein Veräußerungspreis vorliegt, tritt an dessen Stelle der gemeine Wert38 der Anteile im Zeitpunkt der Entstrickung (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AStG). Als „Veräußerungskosten“ kommen im Erb- bzw. Schenkungsfall diejenigen Kosten in Betracht, die im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile anfallen, wie beispielsweise Notarkosten39. Im hier betrachteten Erb- bzw. Schenkungsfall sind die Anschaffungskosten desjenigen Rechtsvorgängers maßgebend, der die Anteile zuletzt entgeltlich erworben hat (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG). Falls der Steuerpflichtige nachweist, dass ihm bzw. seinem Rechtsvorgänger40 die Anteile bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Begründung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland zuzurechnen waren und der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs bereits im Ausland einer mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt an die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten der Wert, den der ausländische Wegzugsstaat bei der Berechnung dieser Steuer angesetzt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). Dabei bildet jedoch der gemeine Wert die Obergrenze. Die Regelung dient der Vermeidung einer mehrfachen Besteuerung desselben Vermögenszuwachses.
__________ 38 Der gemeine Wert ergibt sich für börsennotierte Unternehmen aus dem Stichtagskurs. Die Bewertung von nicht börsennotierten Anteilen erfolgte bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2006 nach dem sog. „Stuttgarter Verfahren“. Seit dem Veranlagungszeitraum 2007 ist die Methode für ertragsteuerliche Zwecke nicht mehr anzuwenden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG i. d. F. des SEStEG). Im Rahmen der geplanten Erbschaftsteuerreform soll die Vorschrift neu gefasst werden. 39 Vgl. Eilers, S./Schmidt, R., 2006, § 17 EStG, Anm. 185; Weber-Grellet, H., 2008, § 17 EStG Rz. 151. 40 Der Gesetzeswortlaut besagt nicht ausdrücklich, dass die Besteuerung des Rechtsvorgängers im Ausland einzubeziehen ist. Im Wege der teleologischen Reduktion lässt sich dies jedoch aus dem Gesetzeszweck ableiten, der in der Sicherstellung der Besteuerung inländischer Vermögensmehrungen besteht. Aus diesem Grund erscheint es sachgemäß, § 17 Abs. 2 EStG auch im Erb- bzw. Schenkungsfall anzuwenden. Diese These findet ihre Bestätigung auch in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG, wonach die Anschaffungskosten desjenigen Rechtsvorgängers maßgebend sind, der die Anteile zuletzt entgeltlich erworben hat.
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c) Milderungsregeln Sofern der Steuerpflichtige Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft, die aufgrund einer Entstrickung der Wegzugsbesteuerung unterlegen haben, zu einem späteren Zeitpunkt im Ausland veräußert, verwirklicht er damit regelmäßig den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Daraus resultiert eine erneute Besteuerung dieser Anteile im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Zur Vermeidung einer doppelten steuerlichen Erfassung der stillen Reserven im Inland sieht § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG eine Kürzung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung um den bereits besteuerten Vermögenszuwachs vor41. Die Norm verhindert allerdings nur die doppelte Belastung im Inland. Besteuert der ausländische Staat den Gewinn aus einer späteren Veräußerung, kommt es regelmäßig zur Doppelbesteuerung, sofern nicht der ausländische Staat die bereits im Rahmen der Wegzugsbesteuerung entrichtete Steuer oder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage den schon erfassten Wertzuwachs berücksichtigt42. Für den tatsächlichen Wegzug enthält § 6 Abs. 3 AStG mehrere Rückkehrtatbestände, die zu einem Wegfall des Besteuerungsanspruchs nach § 6 Abs. 1 AStG führen. Dieser entfällt, wenn die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf einer vorübergehenden Abwesenheit beruht und der Anteilseigner innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung erneut eine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland begründet (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG)43. Darüber hinaus besteht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG die Möglichkeit zur Verlängerung der Fünfjahresfrist um weitere fünf Jahre, wenn der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzverwaltung glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind und seine Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht44. Die Milderungsregel gilt nach § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG in eingeschränkter Form auch für Erwerbe von Todes wegen, soweit der Rechtsnachfolger innerhalb von fünf Jahren nach dem Entstehen des Steueranspruchs eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht im Inland begründet45. Sind mehrere Erben vorhanden, gilt die Vorschrift für jeden einzelnen, der die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt46. Die Möglichkeit zur Verlängerung der Frist aus beruflichen Gründen auf zehn Jahre besteht in Erbfällen allerdings nicht. Die Rückkehr-Regelung stößt im Schrifttum aufgrund der Ungleichbehandlung von Erb- und Schenkungsfällen auf massive Kritik47. Anders als beim Erwerb von Todes wegen gelangt sie nämlich bei ganz oder teilweise unentgelt-
__________ 41 Vgl. Menck, T., 2008, § 6 AStG, Rz. 49; Lausterer, M., 2006, S. 81; Djanani, C./ Brähler, G., 2008, S. 423. 42 Vgl. Djanani, C./Brähler, G., 2008, S. 423. 43 Ausführlich dazu Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.419. 44 Siehe Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.419; kritisch dazu Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 158 ff. 45 Erläuternd dazu Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 162 f.; Grotherr, S., 2007, S. 2160 f.; Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 193 ff. 46 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 162; Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 195. 47 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 67; Grotherr, S., 2007, S. 2161.
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lichen Rechtsgeschäften unter Lebenden nicht zur Anwendung48. Überdies stellt sich die Frage, warum in Erbfällen keine Verlängerung der Frist auf zehn Jahre möglich sein soll, wenn der Rechtsnachfolger aus beruflichen Gründen zuvor keine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in Deutschland begründen kann49. Ein nicht berücksichtigter Erbe bzw. Beschenkter kann allerdings eine Stundung nach § 222 AO oder den Erlass der Steuer nach § 227 AO beantragen und argumentieren, dass er sich in einer mit dem geregelten Wegzugsfall vergleichbaren Situation befindet50. Für unbeschränkt steuerpflichtige Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens gilt die Fünf- bzw. die Zehnjahresfrist nicht. § 6 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. Abs. 5 AStG sieht eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit zur Wiederbegründung der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht vor, die zu einer gesetzlichen Aufhebung des Besteuerungsanspruchs nach § 6 AStG führt. Diese Regelung gilt gleichermaßen für den Grundtatbestand und sämtliche Ergänzungstatbestände dieser Vorschrift51. Auf Antrag ist die festgesetzte Steuer für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren gegen Sicherheitsleistung und die Verpflichtung zu regelmäßigen Ratenzahlungen zu stunden, wenn ihre alsbaldige Einziehung erhebliche Härten für den Steuerpflichtigen darstellt (§ 6 Abs. 4 AStG). Für den Stundungszeitraum können gem. § 237 AO Zinsen festgesetzt werden52. Für EU- sowie sonstige EWR-Staatsangehörige, die in einem dieser Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind, ist die Steuer zeitlich unbefristet und ohne Sicherheitsleistung zu stunden, sofern ein Amtshilfeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem betreffenden Staat besteht. Die Stundung ist gemäß 6 Abs. 5 Satz 4 AStG zu widerrufen, wenn die Anteile veräußert oder aus dem EU- bzw. sonstigen EWR-Raum heraus entstrickt werden oder wenn die Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 7 AStG nicht befolgt werden53. Der Steuerpflichtige bzw. sein Gesamtrechtsnachfolger hat in EU/EWR-Stundungsfällen auf einem amtlichen Formular mitzuteilen, wenn Gründe eingetreten sind, die einen Widerruf der Stundung nach sich ziehen. Zudem hat der Steuerpflichtige jährlich seine Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Anteile ihm bzw. seinem Gesamtrechtsnachfolger noch zuzurechnen sind (§ 6 Abs. 7 AStG).
__________
48 Während die Schenkung von Anteilen i. S. d. § 17 EStG durch einen unbeschränkt Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige Person die Wegzugsbesteuerung auslösen kann, gilt der umgekehrte Fall nicht als Rückkehrtatbestand und führt dementsprechend nicht zu einer Vermeidung der Besteuerung. Aus rechtssystematischen Überlegungen müsste hier eine spiegelbildliche Korrespondenz bestehen. Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 67; ders., 2005, S. 179. 49 Vgl. Grotherr, S., 2007, S. 2161; Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 200. 50 Vgl. Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 200; ähnlich Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 143; Baßler, J., 2008, S. 857. 51 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 206 f.; Lausterer, M., 2006, S. 83; Strunk, G./Kaminski, B., 2007a, § 6 AStG, Rz. 203 ff. 52 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 186. 53 § 6 Abs. 7 Satz 5 AStG.
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III. Besondere Problemebereiche bei internationalen Erb- und Schenkungsfällen 1. Anwendung der Vorschrift ohne tatsächliche Entstrickung Kritische Stimmen seitens der Literatur bemängeln, dass § 6 AStG über das ursprünglich vom Gesetzgeber formulierte Ziel54 hinausgeht55. Danach sollte die Wegzugsbesteuerung die in Kapitalgesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven erfassen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht verloren geht. § 6 AStG erfasst aber auch solche Fälle, in denen es gar nicht zum Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kommt. Gehen beispielsweise im Erb- oder Schenkungsfall Kapitalgesellschaftsanteile auf eine Person über, die in einem Staat ansässig ist, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen existiert, bleibt die Möglichkeit zur Besteuerung späterer Veräußerungsgewinne im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG bestehen56. Hierin sehen Vertreter des Schrifttums Verstöße gegen fundamentale Besteuerungsprinzipien, wie das Realisationsprinzip, das Leistungsfähigkeitsprinzip und die durch das Übermaßverbot gesetzten Besteuerungsgrenzen57. Schaumburg schlägt daher völlig zu Recht vor, den Anwendungsbereich des § 6 AStG auf jene Fälle zu beschränken, in denen die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich das Besteuerungsrecht verliert58. 2. Besteuerung eines fiktiven Gewinns ohne Mittelzufluss Die Übertragung von Anteilen im grenzüberschreitenden Erb- und Schenkungsfall führt nach § 6 AStG zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns, dem kein tatsächlicher Mittelzufluss gegenübersteht. Die vorgesehenen Stundungsregeln stehen zeitlich unbegrenzt nur in EU- bzw. sonstigen EWR-Fällen zur Verfügung59. Für alle anderen Staaten wird die Steuer festgesetzt und nach spätestens fünf Jahren erhoben. Hierdurch kommt es zu einer Durchbrechung des Realisationsprinzips60. Dieser fundamentale, aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abgeleitete Grundsatz des deutschen Steuerrechts verlangt, dass Gewinne erst im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Realisation besteuert werden61. Die Erhebung einer Steuer auf nicht realisierte Gewinne stellt für den Steuerpflichtigen eine erhebliche finanzielle Belastung dar, da es häufig an einem korrespondierenden Zufluss von liquiden Mitteln mangelt, aus denen die
__________ 54 Vgl. BT-Drucks. VI/2883, 26. 55 Vgl. Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.397; Djanani, C./Brähler, G., 2008, S. 419; Ettinger, J./Eberl, T., 2005, S. 153; Grotherr, S., 2007, S. 2155. 56 Vgl. Schaumburg, H., 1998a, Rz. 5.397; Grotherr, S., 2007, S. 2155. 57 Vgl. z. B. Schaumburg, H., 2000a, S. 374. 58 Vgl. Schaumburg, H., 2000a, S. 374. 59 Die Verzinsung während der Dauer einer Stundung in Nicht-EU- bzw. EWR-Fällen ist auf jeden Fall zu berücksichtigen. 60 Vgl. Schaumburg, H., 2000a, S. 374; ders., 2000b, S. 4. 61 Vgl. Schaumburg, H.,1998a, Rz. 17.10; ders., 2005b, S. 405; Krawitz, N./Kalbitzer, J., 2008, S. 162 f.
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Steuerlast getragen werden kann62. Der Steuerpflichtige kann daher gezwungen sein, die Steuerzahlungen aus anderen Finanzmitteln, z. B. durch Kredite, zu begleichen. Betriebswirtschaftlich ist dies äußerst kritisch zu betrachten63. Alternativ zur Kreditfinanzierung der Steuerzahlungen könnte der Steuerpflichtige die Kapitalgesellschaftsanteile – zumindest teilweise – vorzeitig veräußern, um die notwendige Liquidität für die Steuerzahlungen zu erhalten. Die Entscheidung wäre in diesem Fall fiskalisch bedingt und auch dann durchzuführen, wenn sie ohne den steuerlichen Zwang betriebswirtschaftlich nicht die optimale Vorgehensweise darstellt. Hier stellt sich des Weiteren die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung64. Es wird deutlich, dass die Besteuerung eines nicht realisierten Veräußerungsgewinns zu vorgezogenen Steuerbelastungen und damit zu Zinseffekten sowie zu betriebswirtschaftlich unvorteilhaften Entscheidungen und Handlungen führen kann. 3. Die Gefahr der Doppel- und Mehrfachbesteuerung Ein weiteres zentrales Problem bei der Anwendung des § 6 AStG auf internationale Erb- und Schenkungsfälle stellt die mögliche Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung dar. Die Erfassung eines fiktiven Veräußerungsgewinns im Zusammenhang mit der Entstrickung einerseits und die Besteuerung einer späteren tatsächlichen Veräußerung der Anteile im Ausland andererseits können sich unter Umständen kumulieren. Hinzu tritt die Belastung mit in- und ausländischer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer65. Nicht in jedem Fall besteht eine mit § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG vergleichbare Regelung, d. h. der ausländische Staat legt einer späteren Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht zwangsläufig die Werte, die beim Eintritt der Anteile in seine Steuerhoheit galten, zugrunde, sondern u. U. die historischen Anschaffungskosten. Damit kommt es teilweise zu einer Überschneidung der Bemessungsgrundlage der fiktiven inländischen und tatsächlichen ausländischen Veräußerungsgewinnbesteuerung. Veräußert der Erbe bzw. der Beschenkte Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft, die aufgrund einer Entstrickung der Wegzugsbesteuerung unterlegen haben, zu einem späteren Zeitpunkt im Ausland, verwirklicht er zudem regelmäßig den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Daraus resultiert eine erneute Besteuerung dieser Anteile im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht. Zur Vermeidung einer doppelten Erfassung der stillen Reserven im Inland ordnet § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG die Kürzung des Gewinns aus der späteren Veräußerung um den bereits besteuerten Vermögenszuwachs an. Die
__________ 62 63 64 65
Vgl. Wassermeyer, F., 2006, S. 290; Krawitz, N./Kalbitzer, J., 2008, S. 162 f. Vgl. Krawitz, N./Kalbitzer, J., 2008, S. 163. Vgl. Wassermeyer, F., 2006, S. 290; Krawitz, N./Kalbitzer, J., 2008, S. 163. Zum Problem der Doppel- und Mehrfachbesteuerung s. ausführlich Schaumburg, H., 2001, S. 161 ff.; ders., 1998b, S. 147 ff.; Stümper, F.-P., 2007, S. 360; Wassermeyer, F., 2005, S. 175 ff.
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Norm verhindert allerdings lediglich die doppelte Erfassung im Inland und bezieht sich ausschließlich auf Anteile an inländischen Gesellschaften. Besteuert der ausländische Staat den Gewinn aus einer späteren Veräußerung, kommt es hingegen regelmäßig zur Doppelbesteuerung, sofern nicht der ausländische Staat die bereits im Inland angefallene Steuer berücksichtigt66. Ein weiteres Problem besteht in der fehlenden Berücksichtigung von Schenkungsteuerzahlungen im Rahmen des § 6 AStG. Während die im Erbfall nach dieser Vorschrift beim Erblasser entstehende und auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehende Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer reduziert67, wirkt sich die Wegzugsteuer im Schenkungsfall nicht mindernd auf die Schenkungsteuer aus. Fällt im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Anteilsübertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person Schenkungsteuer an, führt die gleichzeitige Anwendung des § 6 AStG regelmäßig zu einer steuerlichen Doppelbelastung. Bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2006 sah § 6 Abs. 3 Nr. 1 AStG a. F. in solchen Fällen eine Milderung dahingehend vor, dass die nach § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG anfallende Steuer auf Antrag erlassen bzw. ermäßigt wurde. Diese Möglichkeit besteht nach dem SEStEG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2007 nicht mehr. Vertreter des Schrifttums kritisieren, dass der Wegfall der Milderungsregel gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstößt68. Die aufgezeigte Mehrfachbelastung enthält für den Steuerpflichtigen erhebliche Nachteile. In besonders ungünstigen Fällen kann sich die Steuerbelastung derart kumulieren, dass der Steuerpflichtige gezwungen wird, eine Schenkung abzulehnen bzw. das Erbe auszuschlagen. Hierbei ist an Fälle zu denken, in denen die inländische Wegzugsbesteuerung auf eine ausländische Veräußerungsgewinnbesteuerung trifft und der Erb- bzw. Schenkungsfall der Besteuerung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer im Inland und im Ausland unterliegt, ohne dass ein DBA zu einer Milderung führen könnte. Zwar handelt es sich hierbei um einen Extremfall, aber in der Realität sind derartige Fälle nicht ausgeschlossen.
IV. Strategien und Maßnahmen zur Vermeidung oder Milderung der Wegzugsbesteuerung in Erb- und Schenkungsfällen 1. Steueroptimale Auswahl der Empfänger von Anteilen Die dargestellten steuerlichen Auswirkungen verdeutlichen die Notwendigkeit zur Einbeziehung der Wegzugsbesteuerung bei Erb- und Schenkungsfällen in die individuelle Steuerplanung. So können negative steuerliche Folgen frühzeitig erkannt und durch entsprechende Maßnahmen u. U. verhindert oder zumindest abgemildert werden.
__________ 66 Vgl. Wassermeyer, F., 2007a, § 6 AStG, Anm. 106 ff. 67 Vgl. Baßler, J., 2008, S. 852 f. 68 Vgl. z. B. Grotherr, S., 2007, S. 2156; Stümper, F.-P., 2007, S. 358 ff.
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Bereits bei der Auswahl der Empfänger von Anteilen besteht Gestaltungspotential. Soweit es den einzelnen betroffenen Parteien nicht zwingend auf bestimmte Vermögenswerte ankommt, sondern lediglich auf die Übertragung werthaltiger Wirtschaftsgüter, empfiehlt sich zum Zwecke der Vermeidung bzw. Milderung der Wegzugsbesteuerung eine gezielte Aufteilung des zu übertragenden Vermögens. Kapitalgesellschaftsanteile würden dann ausschließlich auf unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Erben bzw. Beschenkte übertragen. Personen, die nicht der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, würden demgegenüber mit sonstigen Vermögensgegenständen oder Barvermögen bedacht. Hierdurch fiele bei Überschreiten der Freibeträge ausschließlich Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer an. Eine Doppelbesteuerung mit Wegzugssteuer ließe sich vermeiden69. Derartiger Überlegungen bedarf es auch, wenn ein potentieller Erbe oder Beschenkter beabsichtigt, in absehbarer Zeit nach dem Vermögensübergang ins Ausland zu ziehen und er damit eine grenzüberschreitende Ansässigkeitsverlagerung, also den Entstrickungstatbestand nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG realisiert. Die daraus resultierende Steuer lässt sich durch rechtzeitige Planung ganz oder teilweise vermeiden70. 2. Gestaltungsmöglichkeiten bei eingetretenem Erbfall Sofern durch den eingetretenen Erbfall in einer Erbengemeinschaft sowohl unbeschränkt als auch nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen Anteile an einer Kapitalgesellschaft erhalten haben, besteht noch nachträglich die Möglichkeit der steuerlichen Optimierung. Die ausländischen Erben, die nicht der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen und durch Annahme der Erbschaft in den Anwendungsbereich des § 6 AStG gelangen würden, können die Erbschaft ausschlagen. Als Ausgleich kommt eine Barabfindung in Betracht71. Ertragsteuerlich wird die Abfindung allerdings als Veräußerung gewertet72. Über die Vorteilhaftigkeit muss daher im Einzelfall anhand eines umfassenden Steuerbelastungsvergleichs entschieden werden. 3. Vermeidung der Wegzugsbesteuerung mit Hilfe einer gewerblich tätigen inländischen Personengesellschaft Der Anwendungsbereich des § 6 AStG zielt ausschließlich auf die Entstrickung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Demgegenüber bleiben Beteiligungen an einer Personengesellschaft unberücksichtigt. Im Schrifttum finden sich daher zahlreiche Gestaltungshinweise zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung
__________ 69 Vgl. Ostertun, D., 2007, § 3 Rz. 232; Strunk, G/Kaminski, B., 2007b, S. 422; s. auch Ettinger, J./Eberl, T., 2005, S. 155, die Hinweise für eine im Hinblick auf § 6 AStG steueroptimale Vermögensstrukturierung geben. 70 Vgl. Ostertun, D., 2007, § 3 Rz. 232. 71 Vgl. Baßler, J., 2008, S. 859; Ostertun, D., 2007, § 3 Rz. 234. 72 Vgl. BFH v. 20.4.2004 – IX R 5/02, BStBl. II 2004, 987; BMF, Schr. v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. 2006, 253 Tz. 37.
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durch Umwandlung der Kapital- in eine Personengesellschaft73 oder durch Einbringung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung in das Betriebsvermögen eines gewerblich tätigen inländischen Personenunternehmens74. Diese beiden Möglichkeiten sind prinzipiell zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung geeignet. Sie bedürfen allerdings einer umfangreichen Planung sowie einer Wirkungsanalyse im Vorfeld, da ihre Durchführung zeit- und kostenintensiv ist und weitreichende, für den Steuerpflichtigen unter Umständen andere unvorteilhafte steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Bei der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft besteht gem. § 3 Abs. 2 UmwStG auf Antrag die Möglichkeit der Buchwertfortführung. Hierdurch lässt sich eine steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven im Rahmen des Umwandlungsvorgangs vermeiden. Offene Rücklagen der Kapitalgesellschaft können dagegen nicht steuerneutral auf die Personengesellschaft übertragen werden. Sie führen zu einer fiktiven Vollausschüttung, die beim Anteilseigner der Kapitalgesellschaft die Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren auslöst (§ 7 UmwStG). Die so entstehende Steuerlast muss im Rahmen einer Vorteilhaftigkeitsanalyse Berücksichtigung finden. Des Weiteren unterliegt die Personengesellschaft nach der Umwandlung nicht mehr den Besteuerungsregeln für Kapitalgesellschaften, so dass das Trennungsprinzip nicht mehr zur Anwendung kommt. Stattdessen erfolgt eine Besteuerung auf Grundlage des Transparenzprinzips, dessen Konsequenzen ebenfalls im Einzelfall zu bewerten sind. Auch wenn die Umwandlung der Vermeidung der Wegzugsbesteuerung dient und daher bei isolierter Betrachtung einen steuerlichen Vorteil bringt, können die aufgezeigten Effekte in der Summe die ursprüngliche Vorteilhaftigkeit aufzehren. Die Einlage von Kapitalgesellschaftsanteilen in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft bedarf ebenfalls einer kritischen Prüfung. Wie die Umwandlung der Kapital- in eine Personengesellschaft führt diese Gestaltung zwar dazu, dass eine anschließende Übertragung der Mitunternehmeranteile auf eine nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person nicht die Rechtsfolgen des § 6 AStG auslöst. In beiden Fällen kann die Übertragung der Mitunternehmeranteile allerdings in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG75 oder des § 16 Abs. 3 EStG76 fallen. Infolgedessen käme es – wenn auch auf Grundlage einer anderen Norm – zu einer steuerpflichtigen Entstrickung und damit zur sofortigen Erfassung der stillen Reserven77.
__________ 73 Vgl. Plewka, H./Watrin, C., 2002, S. 254; Schmidt, W./Peter, M./Flömli, R., 2004, S. 436; Stein, K., 2004, S. 117 f.; Ettinger, J., 2006, S. 33; kritisch dazu Winkeljohann, N., 2007, S. 313 f. 74 Vgl. Schmidt, W./Peter, M./Flömli, R., 2004, S. 436; Stein, K., 2004, S. 118; Ettinger, J., 2006, S. 35 f. 75 Zur Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG s. z. B. Strahl, M., 2007, S. 665 ff.; Stadler, R./Elser, T., 2006, S. 23. 76 Zur fiktiven Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG s. z. B. Ettinger, J./Eberl, T., 2005, S. 154; Ettinger, J., 2006, S. 23; Wacker, R., 2008, § 16 EStG Rz. 175. 77 Ausführlich dazu Stein, K., 2004, S. 117 f.
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4. Einbringung der Anteile in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten inländischen GmbH & Co. KG In der Vergangenheit hat die Literatur zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung häufig die Einbringung von Anteilen i. S. d. § 17 EStG in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten inländischen GmbH & Co. KG empfohlen78. Die Übertragung der Mitunternehmeranteile in Erb- oder Schenkungsfällen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Personen führt nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung nicht zur Entstrickung und löst daher auch nicht die Wegzugsbesteuerung i. S. v. § 6 AStG aus79. Der Tatbestand der Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bleibt ebenfalls unberührt80. Zwar unterliegen die ausländischen Empfänger der Mitunternehmeranteile nicht der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht. Nach Verwaltungsauffassung erzielt aber eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht nur nach deutschem Recht gewerbliche Einkünfte, sondern auch abkommensrechtlich Unternehmensgewinne i. S. v. Art. 7 OECD-Musterabkommen. Das Besteuerungsrecht für diese Gewinne liegt bei der Bundesrepublik Deutschland81. Sie werden dem ausländischen Mitunternehmer zugerechnet und im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht im Inland erfasst82. Insoweit führt die Übertragung der Mitunternehmeranteile auf einen ausländischen Empfänger nicht zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Kapitalgesellschaftsanteile und damit auch nicht zur Anwendung des § 6 AStG. Die Finanzverwaltung hat früher regelmäßig in verbindlichen Auskünften die Wirksamkeit dieser Gestaltung bestätigt83. Zur Absicherung war i. d. R. eine Bestätigung erforderlich, worin die ausländischen Finanzbehörden erklären, dass Deutschland das Besteuerungsrecht inne hat und der ausländische Staat die Einkünfte freistellt84. Des Weiteren musste der Steuerpflichtige schriftlich darauf verzichten, einen Einspruch gegen Steuerbescheide einzulegen, die den Sachverhalt entsprechend der verbindlichen
__________ 78 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 868; Plewka, H./Watrin, C., 2002, S. 254; Stein, K., 2004, S. 117; Ettinger, J./Eberl, T., 2005, S. 156; Winkeljohann, N., 2007, S. 313 f.; Ostertun, D., 2007, § 3 Rz. 238; kritisch dazu Schmidt, W./Peter, M./Flömli, R., 2004, S. 436. 79 Vgl. Wassermeyer, F., 2006, S. 290; Brandenberg, H. B., 2008, S. 868 und Hoheisel, M., 2008, S. 2009, die ausschließlich den Grundtatbestand des § 6 AStG analysieren und nicht auf die Ergänzungstatbestände eingehen. 80 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 868; 156; Winkeljohann, N., 2007, S. 313. 81 Vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens v. 10.5.2007 – IV B 4 - S 1300/07/0006, Tz. 2.2.1; Kritisch dazu Wassermeyer, F., 2007b, S. 416; Hoheisel, M., 2008, S. 2012; Wolff, U., 2005, S. 649 f. 82 Vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens v. 10.5.2007 – IV B 4 - S 1300/07/0006, Tz. 3.1; Brandenberg, H. B., 2008, S. 868; Schaumburg, H., 1999, S. 102; a. A. Hoheisel, M., 2008, S. 2011 ff. 83 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 869. 84 Vgl. für die Schweiz Brandenberg, H. B., 2008, S. 868 f.; ferner Entwurf eines BMFSchreibens v. 10.5.2007 – IV B 4 - S 1300/07/0006, Tz. 6.3.
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Auskunft umsetzen85. Zurzeit erteilt die Finanzverwaltung diesbezüglich keine verbindlichen Auskünfte mehr. Hintergrund ist ein Urteil des BFH hinsichtlich der abkommensrechtlichen Zuordnung von Zinszahlungen einer inländischen Personengesellschaft an ihren in den USA ansässigen Mitunternehmer für die Gewährung eines Darlehens86. Bei den Darlehensvergütungen handelt es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese stellen abkommensrechtlich Unternehmensgewinn nach Art. 7 DBA-USA dar. Das Besteuerungsrecht steht der Bundesrepublik Deutschland zu87. Der BFH vertritt eine andere Auffassung und qualifiziert die Vergütungen als Zinsen, für die das Besteuerungsrecht nach Art. 11 DBA-USA beim Ansässigkeitsstaat des Empfängers liegt88. Vor dem Hintergrund dieses Urteils ist die Finanzverwaltung verunsichert und wird vorerst keine verbindlichen Auskünfte mehr erteilen, wonach die Einbringung einer Beteiligung i. S. d. § 17 EStG in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft dazu führt, dass die Wegzugsbesteuerung nicht eingreift89. Derzeit besteht mithin keine Rechtssicherheit hinsichtlich derartiger Gestaltungen. Klarheit könnte diesbezüglich eine erwogene Erweiterung des § 50d EStG schaffen90, die im Wege eines solchen treaty override das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland sichern würde.
V. Schlussbetrachtung Trotz der kritischen Stellungnahmen zu der Entwurfsfassung91 enthält auch die verabschiedete gesetzliche Neuregelung der Wegzugsbesteuerung erhebliche Mängel und Ungereimtheiten. Der Wortlaut des Gesetzes lässt schon Zweifel aufkommen, wer im Falle der Ersatztatbestände Steuerpflichtiger ist. Wassermeyer hat völlig zu Recht auf die Komplexität und die falsche Einordnung dieser Sonderregelung zu § 17 EStG hingewiesen, der sowohl einkommen-, außen- und erbschaftsteuerliche Einbindungen mit europarechtlichen Vorgaben als auch eine Kombination von persönlichen Besteuerungsmerkmalen des Übertragenden sowie des Erwerbers der betreffenden Anteile verbindet92.
__________ 85 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 869; § 354 Abs. 1a AO; BMF, Schr. v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, Tz. 4.6, worin der Einspruchsverzicht im Rahmen eines Advanced Pricing Agreements näher erläutert wird. 86 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659. 87 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 869; BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659 ff. 88 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, DStR 2008, 659 ff. 89 Vgl. Brandenberg, H. B., 2008, S. 869. 90 In den Diskussionen zum Leitthema „Internationales Steuerrecht“ auf dem 60. Fachkongress der Steuerberater wurde darauf verwiesen, dass als Vorlage für den Wortlaut einer solchen Regelung Tz. 19 des BMF, Schr. v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/ 07/10001, BStBl. I 2008, 718 dienen könnte. 91 Vgl. Wassermeyer, F., 2006, S. 287 ff. 92 Vgl. Wassermeyer, F., 2006, insb. S. 206.
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Dennoch sollten die ursprünglichen Eigentümer der Gesellschaftsanteile die erweiterten Regelungen des § 6 Abs. 1 AStG in ihre Überlegungen bei unentgeltlicher Weitergabe oder Vererbung der Anteile einbeziehen. Die Bedeutung der Steuerplanung zur Vermeidung bzw. zur Milderung der Folgen einer Wegzugsbesteuerung in Erb- und Schenkungsfällen liegt auf der Hand. Dem Steuerpflichtigen bieten sich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zu einer Milderung der steuerlichen Folgen. Hierüber muss er im Einzelfall entscheiden. Da vor allem der Erbfall i. d. R. nicht eindeutig vorhersehbar ist, bedürfen die aufgezeigten, stark personenabhängigen Gestaltungen einer stetigen Überwachung. Auf geänderte Einflussfaktoren muss der Steuerpflichtige eventuell durch Anpassungen reagieren. Hinsichtlich der Einlage in eine gewerblich geprägte inländische GmbH & Co. KG mangelt es derzeit an einer abschließenden Planungs- und Rechtssicherheit. Deshalb kann dieses Gestaltungsinstrument nur mit einem erheblichen Rechtsfolgenrisiko eingesetzt werden. Die Untersuchung zeigt ferner, dass die Regelung des § 6 AStG deutlich über das ursprüngliche Ziel – die Sicherung des deutschen Besteuerungsanspruchs – hinausgeht, indem die Vorschrift auch jene Fälle erfasst, in denen es nicht zu einer Entstrickung von Kapitalgesellschaftanteilen kommt, wenn bspw. kein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem ausländischen Staat besteht, das diesem das Besteuerungsrecht hinsichtlich der stillen Reserven zuweist. Die Milderungsregeln, insbesondere die in § 6 Abs. 3 AStG normierte Rückkehrlösung, stehen dem Steuerpflichtigen in Erb- und Schenkungsfällen nur eingeschränkt zur Verfügung, wodurch eine Vermeidung der Wegzugsbesteuerung mittels einer Rückverstrickung erschwert wird. Seitens des Gesetzgebers besteht insofern Nachbesserungsbedarf bei der Wegzugsbesteuerung. Dem Steuerpflichtigen sollte eine anwendungssichere Alternative zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ohne eine Besteuerung nach § 6 AStG grenzüberschreitend verschenkt bzw. vererbt werden können, sofern die spätere einkommensteuerliche Erfassung im Inland sichergestellt ist.
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Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 1. Verfassungsrecht a) Normenklarheit b) Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip 2. Vereinbarkeit mit EU-Recht
3. Vereinbarkeit mit DBA-Recht a) Transparenzklausel b) Übergang eines Geschäftswerts c) Anordnung des Mittelwerts III. Bewertung des Transferpakets 1. Abzug des Tätigkeitsgewinns 2. Reingewinn nach Steuern 3. Basiszinssatz 4. Risikoaufschlag
I. Einleitung Die Problematik der Verlagerung von Aktivitäten und Funktionen durch Unternehmen vom Inland ins Ausland ist nicht neu, sondern besteht schon seit vielen Jahrzehnten1. Gerade in der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer sehr export- und globalisierungsabhängigen Wirtschaft war es für Unternehmen zwingend, inländische Erfolgsmodelle im Ausland zu kopieren, um nahe bei den ausländischen Kunden in neuen Märkten zu sein. Als steuerliches Phänomen ist die Funktionsverlagerung seit etwa Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts stärker in das Bewusstsein der steuerlich Interessierten gelangt. Seit dieser Zeit wurden z. B. auch wesentliche Verlagerungen von Aktivitäten vom Inland ins niedrig besteuernde Ausland (vor allem die Schweiz) unter Begriffen wie „Entrepreneurmodell“ oder „Kommissionärmodell“ bekannt2. Harald Schaumburg hat schon frühzeitig die steuerliche Brisanz des Themas erkannt und durch seine Seminare und Veröffentlichungen die Problematik der breiten Steueröffentlichkeit zugänglich gemacht3. Der Steuergesetzgeber hat die vorstehend beschriebene Entwicklung stets mit Sorge betrachtet und als Gefahr für das inländische Besteuerungsgut ange-
__________ 1 Zur kontroversen Diskussion der Besteuerung von Funktionsverlagerungen bereits vor der Einführung der Neuregelung in § 1 Abs. 3 Sätze 9–13 AStG vgl. statt vieler Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf (2004). 2 Dazu Kroppen in IWB 2004, Fach 3, Gr. 2, 1137 ff.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 ff.; Kroppen in FS Wassermeyer, 691 (698). 3 U. a. Der Konzern 2006, 495 ff.; FS Wassermeyer, 411 ff.; StuW 2005, 306 ff.; DB 2005, 1129 ff.; Steuerliche Gestaltungsziele in- und ausländischer Holdinggesellschaften, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Holdinggesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 22 (2002); JbFSt 2001/2002, 17.
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Heinz-Klaus Kroppen
sehen4. Er hat deshalb seit dem 1.1.2008 mit dem § 1 Abs. 3 AStG5 und der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV)6 neue gesetzliche Regelungen geschaffen, die zurzeit noch einzigartig7 auf der Welt sind8. Im Vorfeld zu diesen Regelungen gab es zu den entsprechenden Entwürfen massive Kritik in der Literatur9. Allerdings ist die Frage, ob es einer gesetzlichen Regelung überhaupt bedurft hätte und ob es sinnvoll war, von den bestehenden Rechtsprechungsgrundsätzen zur Übertragung von Geschäftschancen abzuweichen, heute müßig. Die gesetzliche Regelung besteht und bindet die Steuerpflichtigen, die Finanzverwaltung und die Gerichte. Allenfalls höherrangiges Recht kann zu einer Einschränkung der bestehenden Rechtslage nach den neuen Normen führen. Vor diesem Hintergrund wird sich dieser Beitrag im ersten Teil damit beschäftigen, ob bestimmte Teilaspekte der gesetzlichen Regelung der Verfassung, dem EU-Recht oder dem DBA-Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen. Kernbestandteil der neuen gesetzlichen Regelungen sind schwierigste Bewertungsfragen, um zu einer steuerlichen Bemessungsgrundlage für eine Funktionsverlagerung zu kommen. Im zweiten Teil wird sich dieser Beitrag zu einigen dieser Bewertungsthemen äußern.
II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 1. Verfassungsrecht a) Normenklarheit Nach der Rechtsprechung des BVerfG10 müssen steuerrechtliche Normen so klar und eindeutig formuliert sein, dass der Steuerpflichtige die tatbestandlichen Voraussetzungen und die damit verknüpften Rechtsfolgen der Norm er-
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4 Vgl. BT-Drucks. 16/4841; BR-Drucks. 220/07; Haas, Ubg 2008, 517 (518) erklärt Hintergrund und Motivation des Gesetzgebers mit einem „gefühlten Vollzugsdefizit der Finanzverwaltung bei der Verlagerung von immateriellen Wirtschaftsgütern“, vgl. hierzu auch Schreiber, Ubg 2008, 433 (434) und Kahle, Der Konzern 2007, 647. 5 BGBl. I 2007, 1933 f. 6 BGBl. I 2008, 1680 ff. 7 Haas, Ansicht dargestellt von Richter/Welling, FR 2008, 71 (75). 8 Wassermeyer, DB 2007, 535 spricht im Hinblick auf den neuen § 1 AStG von einem „dramatischen Verfall des gesetzgeberischen Niveaus“; Wassermeyer, DB 2007, 535 (538) und FR 2008, 67 spricht von einem „Machtmissbrauch des Steuergesetzgebers“, der dazu führen könne, dass „Unternehmen ihre Aktivitäten von Anfang an ins Ausland verlagern“, was zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in Deutschland führen könne; so auch die von Richter/Welling, FR 2008, 71 dargestellte Ansicht von Lambrecht, der insbesondere einen Schaden für den Holdingstandort Deutschland befürchtet; Hey, BB 2007, 1303 spricht insoweit von einer „massiven Verschärfung“ der bisherigen Abwehrgesetzgebung durch das UntStRefG 2008. 9 Vgl. Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 ff.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 ff.; Wassermeyer, DB 2007, 535 ff.; FR 2008, 67 ff.; Kaminski, RIW 2007, 594 ff.; Wulf, DB 2007, 2280 ff.; Frischmuth, IStR 2007, 485 ff.; Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 ff.; Bödefeld/Kuntschik in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 249 ff. 10 Vgl. zuletzt BVerfGE 113, 348 und BVerfGE 112, 304.
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Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG
kennen und sein Verhalten danach ausrichten kann11. Diesem Standard wird die neue Regelung im Gesetz und in der Rechtsverordnung in vielerlei Hinsicht nicht gerecht12. Nach der Gesetzesbegründung und dem Finanztableau über die finanziellen Auswirkungen der Änderung sind die gesetzlichen Regelungen zur Funktionsverlagerung eine der wesentlichen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Absenkung der Steuersätze13. Durch sie soll ein erhebliches Steuermehraufkommen generiert werden14. Trotz dieser schon vom Gesetzgeber selbst erwarteten einschneidenden Rechtsfolgen versäumt er es im Gesetz, den Begriff „Funktion“15 als Basis für den steuerlichen Eingriff überhaupt zu definieren oder zu präzisieren. Zwar wird eine solche Präzisierung in § 1 Abs. 1 der FVerlV versucht. Allerdings bezieht sich die Ermächtigungsgrundlage in § 1 Abs. 3 Satz 13 nur darauf, Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch die Rechtsverordnung zu regeln und nicht die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Gesetzes erst festzulegen16. Der Gesetzgeber muss die wesentlichen Voraussetzungen für den steuerlichen Eingriff im Gesetz selbst regeln und kann dies nicht auf den Verordnungsgeber verlagern17.
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11 Zum Bestimmtheitsgebot vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. (2008), § 4 Rz. 53, 167 ff. 12 Wassermeyer, FR 2007, 67 kritisiert diesbezüglich zu Recht, dass § 1 AStG eine Vielzahl „unscharfer Gesetzesbegriffe“ verwendet, z. B. „uneingeschränkte/eingeschränkte Vergleichbarkeit“, „sachgerechte Anpassungen“, „Einigungsbereich“, „Transferpaket“ und „Gewinnpotential“ und weist darauf hin, dass unter diesen Begriffen „jeder etwas anderes versteht“. 13 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 41. 14 Die geschätzten Steuermehreinnahmen betragen ca. 1,7 Mrd. Euro, vgl. Schaumburg/ Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 57; Haas, Ubg 2008, 517; Spatscheck/ Birkenmaier, AG 2008, 706; Looks/Scholz, BB 2007, 2541. 15 Zur Diskussion des Begriffs der „Funktion“ vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2341 f.); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2207 ff.); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 ff.; Pohl, JbFSt 2007/2008, 433 ff.; Jahndorf, FR 2008, 101 ff.; Frotscher, FR 2008, 49 (50); Looks/Scholz, BB 2007, 2541; Richter/Welling, FR 2008, 71 (72); Borstell/Brüninghaus, WPg Sonderheft 2006, 131 ff.; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, 306; Wulf, DB 2007, 2280; Zielke, DB 2007, 2781; Haas, Ubg 2008, 517 (518 ff.); Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung (2003), S. 22; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland (2004), S. 7; Kaminski, RIW 2007, 594 (599) kritisiert im Hinblick auf die Bestimmtheit des Begriffes insbesondere, dass es keine „Untergrenze“ gebe, von der an nicht mehr von einer Funktion auszugehen ist. Die OECDGuidelines 1995, Tz. 1.21 nennen als Beispiele für Funktionen: Geschäftsleitung, F+E, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Design, Verpackung, Vertrieb, Montage, Bearbeitung oder Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Transport, Organisation, Verwaltung, Marketing und Kundendienst. Blumers, BB 2007, 1757 bezeichnet als „Funktionen“ im vorliegenden Sinne nur solche im Rahmen der Wertschöpfung [und nicht auch reine Verwaltungsaufgaben]. 16 So auch Schreiber in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 12. 17 Vgl. Kaminski, RIW 2007, 594 (597), der gerade diese „Auslagerung“ der Begriffsdefinitionen in eine Rechtsverordnung kritisiert, anstatt „bereits im Gesetz konkrete Anforderungen zu definieren“; a. A.: Schwenke, Ansicht dargestellt von Richter/ Welling, FR 2008, 71 (75).
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Ähnlich mangelhaft und damit meines Erachtens ebenso verfassungsrechtlich bedenklich geht der Gesetzgeber mit dem zweiten zentralen Begriff des neuen Rechts, der Funktionsverlagerung, um18. Hier gibt es zwar durch die Gesetzestechnik der Einklammerung des Begriffs „Funktionsverlagerung“ den Versuch einer Definition im Gesetz selber. Diese Definition ist jedoch unpräzise und nichts sagend. Sie lautet: „Wird (…) eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung), hat der Steuerpflichtige (…)“. Im Kern lautet also die gesetzliche Definition, dass, wenn eine Funktion verlagert wird, dies eine Funktionsverlagerung ist19. Wie eine solche Definition des Kernelements der neuen Regelungen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit gerecht werden soll, bleibt ein Geheimnis des Gesetzgebers. Ein wesentliches Ziel der gesetzlichen Neuregelung war nach der Gesetzesbegründung20 die vorrangige Anordnung der Gesamtbewertung eines Transferpakets statt der Einzelbewertung von Bestandteilen einer Funktionsverlagerung21. Statt dies schlicht anzuordnen, hat der Gesetzgeber aber formuliert: „Wird in den Fällen des Satzes 5 eine Funktion (…) verlagert (Funktionsverlagerung), hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) (…) zu bestimmen.“
__________ 18 Zum Begriff der Funktionsverlagerung vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1650); Haas, Ubg 2008, 517 (518); Wassermeyer, FR 2008, 67; Jahndorf, FR 2008, 101 (104); Kahle, Der Konzern 2007, 647 (649 m. w. N.); Naumann in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 167 (174); Frischmuth, StuB 2008, 864 ff. Zu den in der Praxis unterschiedenen Arten der Funktionsverlagerung (Funktionsausgliederung, -abschmelzung, -abspaltung, -verdoppelung bzw. -vervielfachung) vgl. Kahle, Der Konzern 2007, 647 (648); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1650); Schwenke, StbJb 2007/2008, 137 (141); Jahndorf, FR 2008, 101 f.; Frotscher, FR 2008, 49 (50); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9423 f.). 18 Ähnlich auch Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 (277); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1946); Schwenke, StbJb 2007/2008, 137 (138); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9424); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2210); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2542); vgl. hierzu BR-Drucks. 220/07, 148; § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV stellt ausdrücklich klar, dass „kein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne“ vorliegen muss. Der konkrete Unterschied zwischen den beiden steuerlichen Begriffen „Funktion“ und „Teilbetrieb“ bleibt aber offen, vgl. Blumers, BB 2007, 1757 (1759 f.); Kaminski, RIW 2007, 595 (599); Welling/Tiemann, FR 2008, 68. 19 Ebenso Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1650); Haas, Ubg 2008, 517 (518) und Wassermeyer, FR 2008, 67; Jahndorf, FR 2008, 101 (104), die zurecht darauf hinweisen, dass es sich bei der Legaldefinition des Begriffes der „Funktionsverlagerung“ in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG um eine Tautologie handelt: „Wird (…) eine Funktion (…) verlagert (Funktionsverlagerung)“, was insbesondere deshalb unbefriedigend sei, weil eine Funktionsverlagerung häufig als „außergewöhnlicher Geschäftsvorfall“ i. S. d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO i. V. m. § 3 GAufzV anzusehen und folglich „zeitnah“ zu dokumentieren ist, vgl. Kahle, Der Konzern 2007, 647 (649 m. w. N.). 20 BT-Drucks. 16/4841, 84 ff. 21 Vgl. Schreiber in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 4.
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Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG
Damit wird aber gerade eine Gesamtbewertung nicht uneingeschränkt angeordnet, sondern nur dann, wenn ein Fall des Satzes 5 vorliegt. Satz 5 wiederum besagt: „Können keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden, hat der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich (…) durchzuführen.“ Hierzu ist zunächst zu sagen, dass der Gesetzgeber wohl schlicht vergessen hat, hier die uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte zu erwähnen. Es muss aber wohl unterstellt werden, dass der Gesetzgeber entgegen dem Wortlaut den hypothetischen Fremdvergleich nur anordnen wollte, wenn weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte auffindbar sind22. Selbst wenn man dies aber unterstellt, bleibt die Regelung zur Gesamtbewertung einer Funktionsverlagerung und insbesondere der Vorrang der Gesamtbewertung äußerst nebulös. Die Gesamtbewertung eines Transferpakets soll ja als Rechtsfolge erst eingreifen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 vorliegen, also keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen23. Das Vorhandensein dieser Werte kann sich dann aber nicht auf ein Transferpaket beziehen (dies ist ja Teil der Rechtsfolge), sondern muss vorab auf einer anderen Stufe geklärt werden. Dies kann dann aber nur auf der Stufe der Einzelbewertung für die Bestandteile der Funktionsverlagerung geschehen. Mit anderen Worten, erst wenn feststeht, dass für die einzelnen Bestandteile der Funktionsverlagerung keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte auffindbar sind, kommt es überhaupt zu der Rechtsfolge der Gesamtbewertung eines Transferpakets24. Damit wird der gesetzgeberisch gewollte Regelfall zur Ausnahme, weil häufig zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte verfügbar sein werden25. Will man entgegen dem Wortlaut der Norm trotzdem im Regelfall zu einer Gesamtbewertung kommen, ist dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit sicherlich nicht Rechnung getragen worden.
__________ 22 Vgl. Schreiber in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 19; Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2356); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Bohr, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2285 f.; Schreiber, Ubg 2008, 434 f.; zu der Kritik an diesem gesetzgeberischen Konzept vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 2201 (2209 f.). 23 So auch Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2209 f.); Haas, Ubg 2008, 517 (518); Frotscher, FR 2008, 49 f.; Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2356); Wassermeyer, DB 2007, 535. 24 Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2356). 25 So auch Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2356); Kroppen/Rasch/ Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2209 f.); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9422); Schwenke, StbJb 2007/2008, 137 (145); Spatscheck/Birkenmaier, AG 2008, 706; Haas, Ubg 2008, 517 (518); Strahl, KÖSDI 2008, 15861 (15863).
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b) Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip Einer der Grundpfeiler einer gerechten und verfassungsgemäßen Besteuerung ist die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen26. Dies hat das BVerfG erst kürzlich wieder ausdrücklich in seiner PendlerpauschaleEntscheidung betont27. Die Steuerlast muss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechen. Nur so kann ein Schutz des Steuerpflichtigen vor einem Zugriff des Staates sichergestellt werden, falls eine steuerlich belastbare Leistungsfähigkeit zu verneinen ist28. Eines der wesentlichen Elemente der neuen gesetzlichen Regelung ist die Einbeziehung subjektiver Beurteilungen des Empfängers eines Transferpakets einschließlich der unter Umständen realisierbaren Standortvorteile und Synergieeffekte in die Bewertung der Funktionsverlagerung29. Damit werden bei der Besteuerung des inländischen Steuerpflichtigen Umstände berücksichtigt, die sich möglicherweise ausschließlich in der Person des Empfängers des Transferpakets im Ausland verwirklichen können und die völlig außerhalb des Einflussbereichs des inländischen Steuerpflichtigen liegen30. Diese in die inländische Bemessungsgrundlage einfließenden wertbildenden Faktoren wären auch niemals entstanden, wenn die Funktion weiter im Inland ausgeübt worden wäre31. Damit führt allein der Umstand, dass der Empfänger des Transferpakets dieses anders oder besser nutzt als der Übertragende bzw. es im Ausland unter veränderten Rahmenbedingungen nutzt, zu einer höheren Besteuerung im Inland, ohne dass sich die steuerliche Leistungsfähigkeit des inländischen Steuerpflichtigen tatsächlich erhöht hätte. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden32, dass die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als tragendem Prinzip der internationalen Verrechnungspreisbildung zwischen verbundenen Unternehmen von jeher einen Mindestpreis, einen Höchstpreis und eine Bandbreite kennt. Die neue gesetzliche Regelung basiert eben gerade nicht auf in Märkten feststellbaren empirisch belegbaren Daten, Werten und Fakten, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers auf dem hypothetischen Fremdvergleich. Dieser ist im Gegensatz zum tatsächlichen Fremdvergleich ein reines Denkmodell33, basierend auf
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26 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip vgl. Lang in Tipke/Lang Steuerrecht, 19. Aufl. (2008), § 4 Rz. 81 ff. m. w. N.; Tipke, StRO I, § 9 („Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung“). 27 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, DStR 2008, 2460 (2461). 28 Lang in Tipke/Lang Steuerrecht, 19. Aufl. (2008), § 4 Rz. 85. 29 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2349 f.); Naumann, S:R 2007, 203 (204); Jahndorf, FR 2008, 101 (104); nach Endres/Spengel/Reister, WPg 2007, 478 (487) sollten deshalb auch Umwegkonstruktionen (vorherige Verlegung in Länder mit geringen Standortvorteilen) durchdacht werden. 30 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 132. 31 Vgl. Hey, BB 2007, 1303 (1307 f.); Jahndorf, FR 2008, 101 ff. 32 Vgl. Schreiber, Ubg 2008, 433 (437). 33 Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften (1994), S. 127, 135.
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Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG
Grenzpreisbetrachtungen gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter34, 35. Ein solches Denkmodell auf Grundlage des erdachten Entscheidungswerts einer Partei (Erwerber) ist meines Erachtens nicht geeignet, die steuerliche Leistungsfähigkeit des inländischen Steuerpflichtigen sachgerecht zu bestimmen36. Hier werden vielmehr Wunschvorstellungen eines anderen zur Basis der Besteuerung des inländischen Steuerpflichtigen gemacht, was dann in Ordnung sein mag, wenn diese Wunschvorstellungen zu einem realen Zahlungsvorgang und zu einer wirklichen Realisierung von stillen Reserven geführt haben, etwa dadurch, dass ein Käufer seine Wunschvorstellung in seinen tatsächlich gezahlten Kaufpreis einfließen lässt. Gerade dies geschieht aber im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs nicht, sondern es wird nur gedacht, und das reicht als Basis zur Bemessung von Leistungsfähigkeit und Besteuerung nicht aus37. Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Wunsch wird auch deutlich an den Unternehmensbewertungsgrundsätzen des IDW38. Diese unterscheiden zwischen dem objektiven Unternehmenswert und dem subjektiven Entscheidungswert. Der objektive Unternehmenswert ist ein intersubjektiv nachprüfbarer Zukunftswert, der auf der am Stichtag vorhandenen Ertragskraft und den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Erfolgsfaktoren beruht39. Mögliche Maßnahmen und Veränderungen durch den Erwerber sowie echte Synergieeffekte sind nicht zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu beinhaltet eine Bestimmung subjektiver Entscheidungswerte die vom Erwerber beabsichtigten Maßnahmen, wie z. B. Erweiterungsinvestitionen, Desinvestitionen, Veränderung der strategischen Geschäftsfelder und echte Synergieeffekte40. Meines Erachtens entspricht nur der objektive Unternehmenswert auf Basis der am Stichtag vorhandenen Ertragskraft und der zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorliegenden Erfolgsfaktoren einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähig-
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34 Zur sog. „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ vgl. ausführlich Baumhoff in F/W/B, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 1 Anm. 114 ff.; Baumhoff, in FS Flick, 639 ff.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten (2004), S. 187 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); Röder, Ubg 2008, 202 (204 f.). 35 Vgl. auch Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2209); Looks/ Scholz, BB 2007, 2541 (2542); Baumhoff in F/W/B, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 1 AStG, Anm. 361; Kahle, Der Konzern 2007, 647 (649); Baumhoff/Ditz/ Greinert, DStR 2007, 1461 ff.; Waldens, PIStB 2007, 209 (210). 36 Waldens, PIStB 2007, 209 (210, 212) gibt diesbezüglich zu bedenken, dass auch die Geschäftsleiter von verbundenen Unternehmen zumindest dann nicht freiwillig der anderen Seite ihre Kalkulations- und Prognoserechnungen offenlegen, wenn ihre Vergütung vom Erfolg des jeweils eigenen Unternehmens abhängt. 37 Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 106 weist diesbezüglich auf die zu führenden Diskussionen im Rahmen eines etwaigen Verständigungsverfahrens hin, in dem die unterschiedlichen Ergebnisse der Denkprozesse der jeweils anderen Seite debattiert werden müssten; vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1651); dies., DStR 2007, 1461 (1464); Wassermeyer, FR 2008, 67 (68). 38 IDW S 1, WPg Supplement 2008, 68 ff. 39 IDW S 1, Rz. 29 ff., WPg Supplement 2008, 68 (73). 40 IDW S 1, Rz. 48 ff., WPg Supplement 2008, 68 (75).
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keit41. Die vom Empfänger vielleicht in Zukunft vorgenommenen Maßnahmen haben mit der Leistungsfähigkeit des inländischen Steuerpflichtigen so lange nichts zu tun als sie nicht zu einer tatsächlich durchgeführten realisierten Zahlung unter Dritten geführt haben42. Eine steuerliche Anpassung nach § 1 Abs. 3 AStG kann auf sie nicht gestützt werden, ohne die Verfassung zu verletzen43. 2. Vereinbarkeit mit EU-Recht § 1 Abs. 3 AStG, welcher die Regelungen zur Funktionsverlagerung enthält, verweist in seinem Satz 1 auf eine Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 1 AStG. Nur für eine solche Geschäftsbeziehung gelten die Regelungen der nachfolgenden Sätze. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG beschränkt die Anwendung des Gesetzes auf Geschäftsbeziehungen zum Ausland. Folglich ist der gesamte § 1 AStG einschließlich der Regelungen zur Funktionsverlagerung auf rein inländische Vorgänge nicht anwendbar44. Dies ist umso verwunderlicher als sich auch im Inland durch die Gewerbesteuer mittlerweile ein erhebliches Steuergefälle ergeben hat, da die Hebesätze zwischen ca. 200 % und 490 % differieren. Trotzdem wird eine Funktionsverlagerung von einer Muttergesellschaft in eine Hochsteuergemeinde, wie z. B. München, zu einer Tochtergesellschaft in eine Niedrigsteuergemeinde, wie z. B. Grünwald, nicht von der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3 erfasst, während eine vergleichbare Verlagerung von einer Muttergesellschaft in Deutschland zu einer Tochtergesellschaft z. B. in Luxemburg Gegenstand des § 1 Abs. 3 AStG ist. Dies führt zu einer erheblichen Ungleichbehandlung in der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und hat unter Umständen erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der steuerlichen Ergebniskorrektur. Im Einzelnen gilt nur für die grenzüberschreitende Funktionsverlagerung45 – die gesetzliche Fiktion von Informationstransparenz zwischen dem inländischen und dem ausländischen Unternehmen, – die Verpflichtung, eine Bandbreite aus eingeschränkt vergleichbaren Vergleichswerten einzuengen,
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41 Vgl. hierzu auch Rathausky, Finanz Betrieb 2008, 114 (118 f.). 42 Dies belegt auch der Vergleich mit gesellschaftsrechtlichen Bewertungsanlässen, z. B. beim „squeeze out“, vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 132. 43 Vgl. auch Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2349 f.); Blumers, BB 2007, 1757 (1760); vgl. hierzu auch Naumann, SR 2007, 203 (204); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1652); Welling/Tiemann, FR 2008, 68 (69); Waldens, PIStB 2007, 209 (212); a. A.: Schwenke, StbJb 2007/2008, 137 (147); Kahle, Der Konzern 2007, 647 (650 ff.); Naumann in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 167 (179); Naumann, S:R 2007, 203 (204). 44 Vgl. hierzu Hey, BB 2007, 1303 („Dass die Regelung mit hoher Wahrscheinlichkeit europarechtswidrig ist, weil sie nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung findet (…) und es sich nicht um die Abwehr von Missbrauch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH handelt, nimmt der Gesetzgeber hin.“). 45 Vgl. Schreiber in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 27.
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Funktionsverlagerung nach dem neuen § 1 Abs. 3 AStG
– die Korrektur auf den Median statt auf den Rand einer Bandbreite, falls der vom Steuerpflichtigen gewählte Wert außerhalb der Bandbreite liegt, – der Grundsatz der Vierfachbewertung jeweils vor und nach der Funktionsverlagerung beim übertragenden und empfangenden Unternehmen unter Einbeziehung von Standortvorteilen und Synergieeffekten, die nur der Empfänger realisieren kann, – der Ansatz des Mittelwerts innerhalb des hypothetischen Einigungsbereichs mangels Glaubhaftmachung eines niedrigeren Werts durch den Steuerpflichtigen, – die Möglichkeit einer Preisanpassung nach oben für zehn Jahre durch die Finanzverwaltung. Keine der vorstehend beschriebenen Regelungen gilt für Funktionsverlagerungen im Inland. Insbesondere die Einbeziehung von Synergieeffekten und Standortvorteilen des Empfängers, die Berücksichtigung seiner Steuervorteile durch die Betrachtung der Reingewinne nach Steuern (vgl. § 1 Abs. 4 FVerlV) sowie der Ansatz des Mittelwerts statt des günstigeren äußeren Randes der Bandbreite wird in der Praxis zu einer erheblich höheren Besteuerung des grenzüberschreitenden Vorgangs verglichen mit dem inländischen Vorgang führen. Darin liegt eine massive Diskriminierung, die meines Erachtens nicht gerechtfertigt werden kann. Deshalb geht die Literatur auch praktisch einhellig davon aus, dass der neue § 1 Abs. 3 AStG europarechtswidrig ist46. Diese Sicht wird auch durch eine Reihe von neueren FG-Urteilen zum bisherigen § 1 AStG gestützt47. Das FG Düsseldorf48 meint, dass § 1 AStG mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, während das FG Münster49 sogar davon ausgeht, dass § 1 AStG mit der Niederlassungs-
__________ 46 Vgl. Kahle, Der Konzern 2007, 647 (657 m. w. N.); Kaminski, RIW 2007, 594 (595, 603), Hey, BB 2007, 1303; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952); Hammerschmidt/Rehfeld, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2293; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 301 (321); Wassermeyer, DB 2007, 535 (539); a. A.: Jahndorf, FR 2008, 101 (109 ff.), der Verstöße gegen Europa- und Völkerrecht im Ergebnis jeweils verneint. Grundsätzlich zu EU-rechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 1 AStG vgl. Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984; Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65; Kaminski/Strunk, StBp 2004, 29 (34); Kroppen/Rasch, IWB 2003, Fach 3, Gr. 1, 1977 (1987); Schnitger, IStR 2003, 73/76); Herlinghaus, FR 2001, 240; Eigelshoven, IWB 2001, Fach 3, Gr. 1, 1761; Dautzenberg/Goksch, BB 2000, 904; Köplin/ Sedemund, IStR 2000, 305; Wassermeyer in F/W/B, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 1 Anm. 95 f., 816.1; Wassermeyer, StBJb 1998/1999, S. 157, 172. 47 Vgl. auch BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, IStR 2001, 318 (319) und BFH v. 21.6.2001 – I B 141/00, DStR 2007, 1290; vgl. hierzu Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 757; Eigelshoven, IWB 2001, Fach 3, Gr. 1, 1761; Bauschatz, IStR 2002, 291 und 333; Köplin/Sedemund, IStR 2002, 120. 48 FG Düsseldorf v. 19.2.2008 – 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449. 49 FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, EFG 2008, 923.
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freiheit unvereinbar ist50. Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der EuGH den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz als Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff anerkannt hat. Zwar hält es der EuGH für zulässig, die Aufteilung des Steuersubstrats zwischen den Mitgliedstaaten auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes vorzunehmen51. Das bedeutet aber gerade nicht, dass dies in diskriminierender Weise dadurch geschehen darf, dass vergleichbare Vorgänge im Inland völlig anders als grenzüberschreitende innerhalb der EU behandelt werden52. Gerade diese Problematik hat eine Reihe von Mitgliedstaaten dazu veranlasst, für inländische und grenzüberschreitende Vorgänge ein identisches Fremdvergleichspostulat anzuordnen53. 3. Vereinbarkeit mit DBA-Recht In der steuerrechtlichen Literatur wird bereits seit vielen Jahren vertreten, dass der Fremdvergleichsgrundsatz, wie er in Art. 9 der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen postuliert ist und wie er durch die OECD-Verrechnungspreisrichtlinie konkretisiert wird, eine Sperrwirkung gegen Preisanpassungen auf Basis inländischer Regelungen entfaltet, die in ihren Wirkungen über den Maßstab des Art. 9 hinausgehen54. Diese Sichtweise ist nunmehr auch durch ein rechtskräftiges Urteil des FG Köln bestätigt55. Das FG geht davon aus, dass Art. 9 des jeweiligen Abkommens gegenüber nationalen Rechtsvorschriften eine Sperrwirkung entfaltet, soweit die nationalen Vorschriften zu Lasten des Steuerpflichtigen vom Maßstab des Art. 9 abweichen. Allerdings kann der nationale Gesetzgeber durch einen sog. „Treaty Override“56 nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung57 von den Vor-
__________ 50 Wie bei diesem Rechtszustand die Verordnungsbegründung davon ausgehen kann, an der Vereinbarkeit mit Europarecht bestünden keine rechtlichen Zweifel, ist gänzlich unverständlich, vgl. BR-Drucks. 352/08: „Die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit Europarecht wurde mit dem Ergebnis überprüft, dass insofern keine rechtlichen Zweifel bestehen. Da die Rechtsverordnung den Fremdvergleichsgrundsatz lediglich – ausgehend von den neuen gesetzlichen Regelungen des § 1 Abs. 3 AStG – weiter präzisiert, besteht kein Anhaltspunkt für europarechtliche Bedenken.“ 51 EuGH v. 12.5.1998 – C 336/96, Slg. 1998, I – 2793. 52 Vgl. Schreiber in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 29. 53 So z. B. Portugal, Großbritannien, Dänemark, Spanien und Norwegen. 54 Vgl. Mank/Nientimp, DB 2007, 2163 ff.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2221); Kroppen/Rasch, ITPJ 2004, 28 f.; Becker in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Tz. 116 zu Art. 9 OECD-MA; Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Tz. 22 zu Art. 9; Eicker/Röhrbein, WPg 2006, 1357 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Tz. 16.291 m. w. N.; Gosch, KStG, Tz. 190 zu § 8 KStG. 55 FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161. 56 Vgl. grundlegend hierzu Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einl. Rz. 194 ff., Reith, Internationales Steuerrecht, Rz. 4.66; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, § 5 Rz. 571 ff. 57 Vgl. BFH v. 28.11.2001 – I B 169/00, BFH/NV 2002, 774; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113.
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gaben eines DBA abweichen58. Allerdings ist eine solche Durchbrechung des Abkommens nur möglich, wenn der Gesetzgeber seine entsprechende Absicht ausdrücklich deutlich gemacht hat59. Genau das Gegenteil ist aber vorliegend für die Funktionsverlagerung der Fall. Ausweislich der Gesetzesbegründung60 sah sich der Gesetzgeber bei Schaffung des neuen § 1 Abs. 3 AStG in Übereinstimmung mit dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz61. Auch die Ermächtigung62 zu einer Rechtsverordnung in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG spricht von der Sicherstellung der Übereinstimmung mit den internationalen Grundsätzen zur Einkunftsabgrenzung und die Verordnungsbegründung63 bezieht sich auf eine Ausrichtung an international üblichen Maßstäben64. Damit steht fest, dass der Rechtssetzer keine Abkommensdurchbrechung beabsichtigt hatte, so dass Art. 9 der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen seine Sperrwirkung gegenüber den neuen Regelungen grundsätzlich entfalten kann. a) Transparenzklausel § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG unterstellt als gesetzliche Fiktion, dass für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes davon auszugehen ist, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen. Das Gesetz unterstellt also für den Fremdvergleich eine
__________ 58 Kritisch hierzu u. a.: Bron, IStR 2007, 431 ff.; Stein, IStR 2006, 505 ff.; Forsthoff, IStR 2006, 509 ff.; Kippenberg, IStR 2006, 512 ff.; Seer, IStR 1997, 481 ff. 59 Vgl. Tipke/Kruse, AO, § 2 Rz. 2; Pahlke/Koenig, AO, § 2 Rz. 20; Vogel, DBA, Vorb. Rz. 193 ff.; Debatin/Wassermeyer, MA, Art. 1, Rz. 9, 12. 60 BT-Drucks. 16/4841, 84 f. 61 Kritisch hierzu Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2340 f., 2349 f.); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, 2201 (2220 ff.); Wassermeyer, FR 2008, 67 (68); Welling/Tiemann, FR 2008, 68 (69); Bödefeld/Kutschnik in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, 240 (254 ff.); vgl. auch die kritischen Stellungnahmen der Verbände, u. a. des BDI, DIHK, der Steuerberaterkammer, die Stellungnahme der 12 DAX-CFO an den Bundesfinanzminister. 62 Zur Bindungswirkung der Ermächtigung vgl. Art. 80 GG; Welling/Tiemann, FR 2008, 68 (79 f.) halten die Verordnungsermächtigung in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG für verfassungsrechtlich bedenklich, da sie „wohl kaum“ den spezifischen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als Konkretisierungen des rechtsstaatlich verankerten Gesetzesvorbehalt gerecht werde und auch der Umfang der zukünftigen Regelung nicht aus der Ermächtigung zu erkennen sei; so auch Kroppen/Rasch/ Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2221); ähnlich auch Kaminski, RIW 2007, 594 (597 f.), der kritisiert, dass die „Auslagerung“ der Bestimmung konkreter Voraussetzungen der Besteuerung in eine Rechtsverordnung grundlegend problematisch sei, weil speziell Ausländer in die Lage versetzt werden müssten, Verrechnungspreisfragen und die hierzu bestehenden Regelungen nachvollziehen zu können; Wassermeyer, DB 2007, 535 (538) sieht den Gesetzgeber „offenbar bewusst in den Bereich des Unpräzisen und der Unsicherheiten flüchten“. 63 BR-Drucks. 352/08, 9 ff. 64 Kritisch hierzu Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2239 (2240 f.); Kroppen/ Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2220 ff.); Wassermeyer, FR 2008, 67 (68); Welling/Tiemann, FR 2008, 68 (69).
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vollständige Informationstransparenz65. Nach ihrem Wortlaut und der Gesetzesbegründung66 gilt diese Regelung nicht nur für den hypothetischen Fremdvergleich, sondern für jeglichen Fremdvergleich67. Die in der Regelung angesprochenen unabhängigen Dritten agieren normalerweise auf Märkten und wickeln ihre Geschäfte unter Marktbedingungen ab. Diese Märkte sind aber dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel keine Informationstransparenz gibt68. Vielmehr unterscheidet sich die Informationslage verschiedener Marktteilnehmer oft erheblich voneinander69. Trotzdem kommt es laufend zu Transaktionen zwischen diesen Marktteilnehmern und es wäre geradezu absurd anzunehmen, dass diese Transaktionen wegen des unterschiedlichen Informationsstands nicht dem Fremdvergleich entsprächen70. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn der Gesetzgeber eine Informationstransparenz entgegen der Lebenswirklichkeit anordnen will, geht es ihm also gar nicht darum, willkürliche Ergebnisse zu vermeiden, wie es die Gesetzesbegründung suggeriert, sondern darum, durch die Hintertür und verdeckt den international anerkannten Grundsatz des Fremdvergleichs71 einzuschränken und durch ein Sollergebnis zu ersetzen, welches die Marktkräfte beim echten Fremdvergleich außer Kraft
__________ 65 Kritisch hierzu. Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2356); Kroppen/ Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2227); Wassermeyer, DB 2007, 535 (538); Kaminski, RIW 2007, 594 (595); WULF, DB 2007, 2280; Frischmuth, IStR 2007, 485 (486); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9428); Bödefeld/Kuntschik in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 249 f.; Schaumburg, Ansicht dargestellt von Schneider, FR 2008, 686 (687); a. A.: Naumann in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 167 (175 f.), der darauf hinweist, dass der Konzern über alle Entscheidungsunterlagen verfüge, der Geschäftsvorfall also transparent sei – tatsächlich sind solche Unterlagen aber keineswegs immer vorhanden, vgl. Rz. 38; Jahndorf, FR 2008, 101 (107) hält diese Kritik dagegen für „normativ irrelevant“, weil der Gesetzgeber per Fiktion anordnen könne, dass „sich die Parteien stets auf einen Mittelwert einigen oder alle Umstände des Geschäfts kennen“. 66 BT-Drucks. 16/4841, 85. 67 So auch Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2359); Bödefeld/Kuntschik, in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 240 (250); Frischmuth, IStR 2007, 485 (486). 68 Vgl. Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2359). 69 Insbesondere obliegt ausländischen Mutter- oder Schwestergesellschaften keine Verpflichtung dazu, Informationen an ein verbundenes deutschen Unternehmen herauszugeben, vgl. Waldens, PIStB, 209 (212). 70 Vgl. Waldens, PIStB 2007, 209 (212); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2215); abweichend dagegen Frischmuth, StuB 2007, 386 (389), der die Annahme der vollständigen Information für nicht unrealistisch hält, weil die konzerninternen Planrechnungen und die Gewinnpotentiale sowohl auf Seiten des abgebenden als auch auf Seiten des aufnehmenden Unternehmens in der Regel bekannt seien, da es sich bei Funktionsverlagerungen (v. a. -ausgliederungen) in der Regel um Konzernprojekte handele, die auf der höchsten Managementebene entschieden werden. 71 Nach der h. M. stimmte die bisherige Auslegung des Fremdvergleichs im nationalen Recht mit der Auslegung des „dealing at arm’s length“-Grundsatzes i. S. d. Art. 9 OECD-MA überein, vgl. hierzu statt vieler Wassermeyer in F/W/B, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 1 AStG Anm. 99 ff.
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setzt72. Damit verstößt die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG gegen den Fremdvergleich, wie er in Art. 9 der jeweiligen DBA beschrieben ist. Sie kann deshalb wegen der Schrankenwirkung von Art. 9 keine Wirkung entfalten73. b) Übergang eines Geschäftswerts Eine der wesentlichen Neuerungen der gesetzlichen Regelung zur Funktionsverlagerung ist, im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des BFH74 zur Geschäftschance75, dass der Gesetzgeber durch die Anordnung der Gesamtbewertung eines Transferpakets auf Basis der Gewinnpotentiale der Beteiligten zur Erfassung eines Geschäftswerts76 kommen will. Dieser Geschäftswert soll auch auf Seiten des Transferpaket-Empfängers dessen Standort- und Steuervorteile sowie mögliche Synergieeffekte erfassen77. Fraglich ist jedoch, ob diese Art der Besteuerung mit Art. 9 der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen in Einklang steht. Als Begründung für eine Besteuerung unter Berücksichtigung des Geschäftswerts wird vorgebracht, dass eine Funktionsverlagerung etwas anderes sei als der schlichte Übergang von Einzelwirtschaftsgütern78. Gegenstand des Vorgangs sei vielmehr eine Organisationseinheit aus Zuständigkeiten, Wirtschaftsgütern und Vorteilen (eingearbeitete Mitarbeiter und Produktionskapazität), Entscheidungskompetenzen,
__________
72 Vgl. Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 107. 73 Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2359); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2542); Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Strahl, KÖSDI 2008, 15861 (15862); Kaminski, RIW 2007, 594 (595); Frischmuth, IStR 2007, 485 (488) bezeichnet die Regelung als „regelmäßig unangebracht, marktkonträr und inpraktikabel“. 74 BFHE 178, 371 m. Anm. Pezzer, FR 1995, 906; BFHE 179, 258; 181, 122; 181, 494; 182, 190; 182, 358; 183, 459; BFH/NV 1996, 645; 1999, 1125; 2003, 205; 2003, 1349; vgl. hierzu Gosch, DStR 1995, 1863; Buyer, GmbHR 1996, 98; Lawall, DStR 1996, 605; NJW 1997, 1742; Wassermeyer, DStR 1997, 681; Frotscher, GmbHR 1998, 23 (30 f.); Fleischer, DStR 1999, 1249; Jakob, DStR 2000, 1122; Schuhmann, StBp. 2004, 35. 75 Zur sog. Geschäftschancenlehre vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. (2008), § 11 Rz. 86 m. w. N.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, S. 391 ff.; speziell zur Behandlung von Geschäftschancen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen vgl. Serg, DStR 2005, 1916 ff.; eine allgemeine Definition des Begriffs der Geschäftschance hat sich nicht herausgebildet, nach Wassermeyer, GmbHR 1993, 332 ist eine Geschäftschance die Möglichkeit, künftig einen Vermögensvorteil zu erzielen, der jedoch zur Zeit nach der Verkehrsauffassung noch keiner besonderen Bewertung zugänglich und deshalb auch noch nicht zu einem Wirtschaftsgut erstarkt ist. 76 Wassermeyer, DB 2007, 535 (538) und Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9420) sprechen von einem „geschäftswertähnlichen Wirtschaftsgut“. 77 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 141. 78 Schreiber, Ubg 2008, 433 (435) verweist zur Rechtfertigung auf das Urteil des BFH v. 15.9.2004 – I R 7/2004, BStBl. II 2005, 867, in welchem der BFH ausführt, dass der Wert eines Unternehmens durch die Ertragskraft und nicht durch den Wert der Einzelwirtschaftsgüter bestimmt werde; Haas, Ubg 2008, 517 (519) kritisiert hieran aber zu Recht, dass es in dem Fall nicht um eine Verlagerung eines Unternehmens mit Schließung und Neuaufbau ging, sondern um die Übertragung eines „going concern“.
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Verantwortlichkeiten, Rechten, geschäftswertbildenden Faktoren sowie Ertragschancen und -risiken. Wenn man davon ausgeht, liegt die Funktionsverlagerung zwischen der bloßen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, für die eine Einzelbewertung gilt und einer Betriebsübertragung, die regelmäßig einer Gesamtbewertung unterliegt79. Der Gesetzgeber hat die sich daraus ergebende Frage einer Einzel- oder Gesamtbewertung durch die Anordnung einer Gesamtbewertung für den Regelfall beantwortet80. Damit hat er meines Erachtens seinen gesetzgeberischen Ermessensspielraum nicht überschritten81. Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Einbeziehung der Empfängerseite den Grundsätzen des Fremdvergleichs entspricht82. Geht man von dem Normalfall einer Funktionsverlagerung aus, z. B., dass im Inland eine Fabrik geschlossen und im Ausland eine neue Fabrik aufgebaut wird, ist die Annahme der Übertragung eines Transferpakets unlogisch. Nach dem Fremdvergleich würde der Empfänger von Gegenständen an den Übertragenden nur etwas zahlen, wenn er diese Gegenstände von ihm auch wirklich erhält83. Übertragen auf den hier in Rede stehenden Vorgang der Funktionsverlagerung zahlt der Empfänger nur etwas für ein Transferpaket an den Übertragenden, wenn er genau das, was beim Übertragenden durch die Nicht-Fortführung verloren geht, als Ganzes erhält. Es muss also eine Nämlichkeit zwischen dem Abgang beim Übertragenden und dem Zugang beim Empfänger gegeben sein. Da der Mehrwert des Transferpakets gegenüber seinen Einzelteilen gerade in der funktionierenden Organisationseinheit liegen soll, muss genau diese Organisationseinheit beim Empfänger ankommen, um ein entsprechendes Entgelt durch den Empfänger zu rechtfertigen. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr wird die bestehende Organisationseinheit beim Übertragenden regelmäßig vor der Übertragung zerstört und eine andere, neue Funktionseinheit beim Empfänger, wenn auch mit ähnlichen Aufgaben, aufgebaut. Ein Transferpaket als Ganzes als Mehrwert gegenüber tatsächlich übergehenden Wirtschaftsgütern kommt also niemals beim Über-
__________ 79 Ähnlich auch Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 (277); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1946); Schwenke, StbJb 2007/2008, 137 (138); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9424); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2210); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2542); vgl. hierzu BR-Drucks. 220/07, 148; § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV stellt ausdrücklich klar, dass „kein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne“ vorliegen muss. Der konkrete Unterschied zwischen den beiden steuerlichen Begriffen „Funktion“ und „Teilbetrieb“ bleibt aber offen, vgl. Blumers, BB 2007, 1757 (1759 f.); Kaminski, RIW 2007, 595 (599); Welling/Tiemann, FR 2008, 68. 80 Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Bohr, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2285 f.; Schreiber, Ubg 2008, 434 f.; Haas, Ubg 2008, 517 (519) bemüht als mögliche Rechtfertigung für eine Besteuerung dieses Mehrwertes das Zitat von Aristoteles (384–322 v.Chr.): „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“, stellt dann aber heraus, dass die Besteuerung dieses Goodwills für den Regelfall einer Funktionsverlagerung „ökonomisch nicht gerechtfertigt“ sei. 81 Vgl. Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 103; a. A. wohl Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1651) und Hey, BB 2007, 1303 (1308). 82 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 131. 83 Vgl. Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 131.
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nehmer an. Er baut vielmehr mit den wirklich übergehenden Einzelwirtschaftsgütern und zusätzlich vor Ort verwirklichten Vorgängen eine neue Organisationseinheit auf. Der Empfänger wird deshalb auch nicht bereit sein, ein Transferpaket zu bezahlen, welches er niemals erhält. Insofern unterscheidet sich eine Funktionsverlagerung eben doch grundlegend von einer Betriebsübertragung84, bei der gerade der bestehende Betrieb übertragen und in der bestehenden Form vom Erwerber fortgeführt wird85. Die Einbeziehung eines vom Empfänger noch zu schaffenden Geschäftswerts in die Bewertung des inländischen Transferpakets und damit in die Bemessungsgrundlage für die inländische Besteuerung widerspricht deshalb dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz und muss an der Schrankenwirkung von Art. 9 des jeweiligen DBA scheitern86. Selbst im Nicht-DBAFall kommt es meines Erachtens nicht zu einem abweichenden Ergebnis. § 1 Abs. 4 FVerlV enthält die Aussage, dass nur die Gewinnpotentiale der Besteuerung zugrunde zu legen sind, auf die das verlagernde Unternehmen nicht unentgeltlich verzichten würde und für die ein übernehmendes Unternehmen bereit wäre zu zahlen. Wie vorstehend dargestellt, ist ein Empfänger jedoch nur bereit, für etwas ein Entgelt an den Übertragenden zu zahlen, das er wirklich von diesem erhält, nicht für etwas, das er sich selbst aufbaut. c) Anordnung des Mittelwerts § 1 Abs. 3 Satz 7 enthält die Regelung, wie im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs der Einigungsbereich zwischen dem Mindestpreis und dem Höchstpreis aufgeteilt werden soll87. Danach ist zunächst der Preis anzusetzen, der dem Fremdvergleich mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Lässt sich dieser nicht ermitteln und gelingt es weder dem Steuerpflichtigen noch der Finanzverwaltung, einen anderen Wert glaubhaft zu machen, ist der Mittelwert der Besteuerung zugrunde zu legen88. Die vorstehend beschriebene Regelung ist misslungen89. Der hypothetische Fremdvergleich ist ein Denkmodell aus zwei gedachten ordentlichen und ge-
__________ 84 So auch Blumers, BB 2007, 1757 (1762); Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2342). 85 Haas, Status Recht 2008, 107; Haas, Ubg 2008, 517 (519) mit Kritik an der von Schreiber, Ubg 2008, 433 (435) angeführten Rechtfertigung der Besteuerung des Goodwill mit dem BFH-Urteil v. 15.9.2004 – I R 7/2004, BStBl. II 2005, 867, dem ein Fall einer Übertragung eines going concern zugrunde lag. 86 Vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2220 f.). 87 Vgl. hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465). 88 In der Rechtsprechung zur Aufteilung von Standortvorteilen im Rahmen von Produktionsverlagerungen zwischen verbundenen Unternehmen wird unterstellt, dass sich das verlagernde und das aufnehmende Unternehmen die aus der Verlagerung resultierenden Standortvorteile hälftig teilen, vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02, IStR 2006, 794, dazu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789. 89 Zu den Auswirkungen des Mittelwertansatzes vgl. die Beispiele bei Haas, Ubg 2008, 517 (519 ff.).
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wissenhaften Geschäftsleitern, der gerade nicht auf tatsächlichen Fremdvergleichsdaten basiert. Wie es in der Praxis im Rahmen dieses Denkmodells möglich sein soll, einen Preispunkt zu bestimmen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, ist völlig unklar und wird kaum möglich sein90. Die praktische Relevanz dieser Regelung ist deshalb äußerst gering91. Vielmehr wird sich die Auseinandersetzung zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung auf den Mittelwert und die Glaubhaftmachung eines anderen Wertes konzentrieren92. Zwar erfordert eine Glaubhaftmachung nur ein herabgesetztes Beweismaß, aber der Steuerpflichtige bzw. die Finanzverwaltung muss wohl zumindest zeigen, dass der behauptete Wert dem Fremdvergleich mit höherer Wahrscheinlichkeit entspricht93. Auch hier stellt sich wiederum das Problem, wie eine höhere Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines Denkprozesses gezeigt werden soll. In der Praxis wird es meistens auf den schlichten Austausch von Behauptungen zwischen den Beteiligten hinauslaufen, ohne dass plausibel eine höhere Wahrscheinlichkeit dargelegt werden kann. Nach der gesetzlichen Regelung kommt es dann zum Ansatz des Mittelwerts. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Mittelwertansatz mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 der jeweiligen Abkommen in Einklang zu bringen ist. Es wird zwar behauptet, dass sich die Vertretbarkeit dieses Vorgehens aus Tz. 1.48 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie ergebe94; dies ist jedoch nicht der Fall95. Tz. 1.48 äußert sich zum hypothetischen Fremdvergleich und dem Ansatz eines Mittelwerts überhaupt nicht. Es wird vielmehr vertreten, dass die Finanzverwaltung im Rahmen von Verrechnungspreisberichtigungen den Wert zugrunde legen sollte, der den Verhältnissen am besten entspricht. Am Anfang der Teilzahl heißt es aber auch eindeutig, dass, wenn die maßgeblichen Bedingungen der Geschäfte zwischen verbundenen Unternehmen (z. B. Preis oder Marge) innerhalb der Bandbreite von Fremdpreisen liegen, keine Berichtigung vorzunehmen ist96. Damit folgt die OECD-Richtlinie dem weltweit anerkannten Grundsatz im Rahmen der Anwendung des Fremdvergleichs, dass jeder
__________ 90 Zur Problematik des Begriffs „Wahrscheinlichkeit“ – auch im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot – vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1951) sowie Bortz, Statistik, 4. Aufl., S. 49. 91 So auch Kahle, Der Konzern 2007, 647 (653). 92 Vgl. Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 109. 93 Eine Glaubhaftmachung erfordert zwar ein herabgesetztes Beweismaß – vgl. Kroppen/ Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2216) – allerdings ist unklar, wie höhere Wahrscheinlichkeiten verdeutlicht werden sollen, da es sich um einen statistischen Wert handelt, vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465); Kahle, Der Konzern 2008, 647 (653) und Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9429) bezweifeln die generelle Möglichkeit der Glaubhaftmachung eines anderen Wertes. 94 Schreiber, Ubg 2008, 433 (440). 95 Vgl. Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 111. 96 So auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465); Frischmuth, StuB 2007, 389; Ditz, DStR 2006, 1625 (1628); Kaminski, RIW 2007, 594 (596).
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Wert innerhalb einer Bandbreite angemessen ist und nicht von der Finanzverwaltung angepasst werden kann97. Dieser Grundsatz muss dann aber auch für den hypothetischen Fremdvergleich gelten, soweit man ihn überhaupt als im Grundsatz mit dem Fremdvergleichsgrundsatz und der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie für vereinbar hält. Zwar versucht der Gesetzgeber durch die Wahl der Bezeichnung „Einigungsbereich“ einen Unterschied zu unterstellen, jedoch ergibt die Differenz zwischen dem Mindest- und dem Höchstpreis im Rahmen des hypothetischen Denkmodells immer eine „Range“ im Sinne der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie. Innerhalb dieser Bandbreite entspricht jeder Wert dem Fremdvergleich und nicht etwa nur dem Mittelwert98. Der Mittelwert wäre nur dann generell vertretbar, wenn dieser in der Regel den Verhältnissen am besten entspräche. Dafür lassen sich aber empirisch keinerlei Belege finden99. Die gesetzgeberische Anordnung des Mittelwerts in § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG widerspricht deshalb dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 der jeweiligen DBA100 und kann deshalb wegen der Sperrwirkung des Abkommens keine Wirkung entfalten101.
III. Bewertung des Transferpakets Eine der wesentlichen Herausforderungen der neuen gesetzlichen Regelung ist die Bewertung des Transferpakets, welches nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei einer Funktionsverlagerung übertragen wird. Dazu hat der Steuerpflichtige basierend auf den jeweiligen Gewinnerwartungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen. Der Mindestpreis und der Höchstpreis der Beteiligten sollen sich dabei nach § 3 Abs. 2 FVerlV aus einer Bestimmung der jeweiligen Gewinnpotentiale vor und nach der Funktionsverlagerung ergeben. Das neue Recht geht also im Ergebnis von einer vierfachen Bewertung zur Bestimmung des
__________ 97 So auch BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, DStR 2001, 2149 ff., dazu Kaminski/ Strunk, IWB 2002, Fach 3, Gr. 1, 1831 ff.; US Reg. Sec. 1.482 – 1 e) (1); Niederländisches Decree v. 30.3.2001, Wo. IFZ 2001/295 M in Wo. 1.2. 98 OECD-Richtlinie Tz. 1.45 und 1.48; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1951); Ditz, DStR 2006, 1625 (1628); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 1 Anm. V 61; Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3 Gr. 1, 2339 (2349 f.); Frischmuth, StuB 2007, 386 (389 ff.); Kroppen/ Nientimp, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2355 (2357); Roeder, Ubg 2008, 202 (203); Wassermeyer, DB 2007, 535 (537); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2226) äußern diesbezüglich auch Bedenken hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot. 99 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2216); Frischmuth, StuB 2007, 386 (389). 100 So auch Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2349); Kroppen/Rasch/ Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2213 f.); Roeder, Ubg 2008, 202 (203); Schwenke, StbJb 2007/2008, 147; Haas, Ubg 2008, 517 (519). 101 Insbesondere beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Regelung kein „treaty override“, vgl. oben II. 3.
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Einigungsbereichs aus102. Allerdings ist im Rahmen des Bewertungsablaufs eine Reihe von Besonderheiten zu beachten, die hier kurz dargestellt werden sollen, ohne auf alle Probleme und Einzelheiten bei der Bewertung eingehen zu können. 1. Abzug des Tätigkeitsgewinns Wird im Inland eine Funktion (z. B. die Herstellung eines Produkts) vollständig aufgegeben und ins Ausland verlagert, stellt sich die Frage, ob das gesamte wegfallende Gewinnpotential im Inland Basis für den Mindestpreis und das gesamte im Ausland entstehende Gewinnpotential Grundlage für den Höchstpreis sein kann103. Eine Einbeziehung des gesamten Gewinnpotentials, einschließlich desjenigen Gewinnanteils, der auf die in jeder Funktionswahrnehmung enthaltene Routinetätigkeit entfällt, würde verkennen, dass mit der Aufgabe der Funktion im Inland der entsprechende Tätigkeitsgewinn mit der darin enthaltenen Risikovergütung nicht mehr dem Inland zusteht und deshalb auch nicht über eine Einmalzahlung entgolten werden darf104. Routinetätigkeiten sind per Definition auf dem Markt erhältlich. Derjenige, der eine solche Routinetätigkeit für jemand anderen ausüben darf, zahlt diesem normalerweise für die Einräumung dieser Möglichkeit kein Entgelt, so dass nach § 1 Abs. 4 FVerlV kein entgeltliches Gewinnpotential entsteht105. Dieser Gedanke findet sich auch in § 2 Abs. 2 FVerlV, der von einer Transferpaket-Bewertung absieht, wenn nur eine Routinefunktion gegen ein Routineentgelt übertragen wird106. Da dieser Ansatz unzweifelhaft richtig ist, muss er auch bei der Übertragung einer unternehmerischen Funktion durch einen entsprechenden Abschlag berücksichtigt werden. Fremde Dritte würden einer Bewertung und Zahlung nicht das gesamte Gewinnpotential aus der Funktionsausübung zugrunde legen, sondern dieses um das Gewinnpotential aus der in der unternehmerischen Funktion enthaltenen Routinefunktion kürzen und nur die Übergewinne, die über den Routinegewinn hinausgehen, einer Bewertung
__________ 102 So auch Blumers, BB 2007, 1757 (1762); Piltz in Arbeitsbuch zur Jahrestagung der FfSt 2007, S. 105; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1652); Jahndorf, FR 2008, 101 (107); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2542); Baumhoff, Ansicht dargestellt von Schneider, FR 2008, 686 (687); Waldens, PIStB 2007, 209 (212) und Kahle, Der Konzern 2007, 647 (650) sprechen – in der Sache aber übereinstimmend – von einer „Doppelbewertung“; Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9427); Jahndorf, FR 2008, 101 (109 ff.) prüft die Einbeziehung der Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens in die steuerliche Bemessungsgrundlage im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen EU- und Völkerrecht, verneint aber jeweils das Vorliegen eines Verstoßes. 103 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 140. 104 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1950); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1651); Rödder, ZHR 2007, 402. 105 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3, Gr. 1, 2201 (2208). 106 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 113 ff.
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zugrunde legen107. Deshalb muss sowohl zur Ermittlung des Mindestpreises als auch des Höchstpreises ein angemessener Tätigkeits- oder Funktionsgewinn aus dem jeweiligen Gesamtgewinnpotential herausgerechnet werden. 2. Reingewinn nach Steuern Nach § 3 Abs. 1 FVerlV entspricht der Wert des Transferpakets als Ganzes dem Gewinnpotential, das mit der Ausübung der Funktion verbunden ist. In diesem Zusammenhang besagt dann § 1 Abs. 4 FVerlV, dass das Gewinnpotential die zu erwartenden Reingewinne nach Steuern sind108. Welche Steuern aber für die Ermittlung des Gewinnpotentials im Einzelnen in Abzug zu bringen sind, lässt die Rechtsverordnung offen109. Man wird deshalb auf die Grundsätze des IDW zur Unternehmensbewertung zurückgreifen können, weil das neue Recht sehr stark in Anlehnung an Unternehmensübertragungen gestaltet ist110. Nach den IDW-Bewertungsgrundsätzen im IDW S 1 kommt es für den Wert eines Unternehmens auf die Nettozuflüsse beim Investor an, die dieser zur freien Verfügung hat111. Dementsprechend sind grundsätzlich sowohl die Ertragsteuern des Unternehmens als auch die persönlichen Steuern des Unternehmers in Abzug zu bringen112. Allerdings würde der Investor mit einer gedachten Alternativanlage in ein Aktienportfeuille ebenfalls normalerweise einer persönlichen Ertragsteuerbelastung unterliegen, so dass der IDW-Standard typisierend die Nicht-Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern des Investors zulässt113. In jedem Fall abzuziehen sind aber die Ertragsteuern des Unternehmens114. Dies führt auf Basis der gesetzlichen Regelung zu der interessanten Erkenntnis, dass der Wert des Transferpakets, der beim inländischen Steuerpflichtigen die Basis für seine Besteuerung ist, aus einer Nach-Steuergröße ermittelt wird. Dieser Nach-Steuerwert unterliegt dann beim inländischen Steuerpflichtigen erst noch der Ertragsbesteuerung, so dass sich zwischen dem Steueraufkommen im Status quo (Weiterführung der Funktion) und dem Steueraufkommen bei Übertragung nach der eindeutigen Regelung des Gesetzes ein Unterschied
__________ 107 Vgl. hierzu auch Schreiber in Östreicher (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise, S. 307. 108 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3, Gr. 1, 2339 (2342); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2544 f.). 109 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1651), Fn. 27 ziehen sogar die Möglichkeit in Betracht, dass ein neuer steuerlicher Gewinnbegriff kreiert werden soll. 110 So auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1949); Kahle, Der Konzern 2007, 647 (652); Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2543 f.); Waldens, PIStB 2007, 209 (211); Baumhoff, Ansicht dargestellt von Schneider, FR 2008, 686 (687). 111 IDW S 1, Rz. 30, WPg Supplement 2008, 68 (73). 112 Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2545) weisen darauf hin, dass die Berücksichtigung von persönlichen Einkommensteuern international sehr ungewöhnlich ist und weiteres Konfliktpotential schaffen wird; kritisch zu den Auswirkungen der Berücksichtigung von persönlichen Ertragsteuern auch Jonas/Löffler/Wiese, WPg 2004, 898 (899); Kunowski, DStR 2005, 569 (571). 113 So auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1949). 114 So auch Looks/Scholz, BB 2007, 2541 (2544).
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ergibt. Diese für den Steuerpflichtigen günstige Regelung liegt im Ermessensspielraum des Gesetzgebers und ist wegen der zahlreichen mit der Bewertung des Transferpakets verbundenen Unsicherheiten gerechtfertigt115. 3. Basiszinssatz Nach § 5 FVerlV ist zur Bestimmung des angemessenen Kapitalisierungszinssatzes zunächst vom Zins für eine risikolose Investition auszugehen. Dieser Basiszinssatz ist jeweils getrennt für den relevanten Markt des aufnehmenden und des abgebenden Unternehmens zu bestimmen. Dazu werden in der Regel die Renditen langfristiger, quasi sicherer, Anlagen am Kapitalmarkt des jeweiligen Sitzlandes benutzt. Das IDW empfiehlt hierzu den Rückgriff auf die langfristig erzielbare Rendite für öffentliche Anleihen. Auch für solche öffentlichen Anleihen ergeben sich jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede. So betrug die Rendite langfristiger Schuldverschreibungen des Staates im November 2008 für die Bundesrepublik Deutschland z. B. 3,25 %, während sich für Bulgarien eine Rendite von 6 % und für Rumänien von 8,38 % ergab. Diese relativ hohen Unterschiede schon in dem Basiszins haben einen erheblichen Einfluss auf das Gewinnpotential, welches § 1 Abs. 4 FVerlV als den Barwert der Reingewinne definiert. So würde sich bei einer Verlagerung von Deutschland nach Rumänien schon bei der Anwendung des Basiszinssatzes gar kein Einigungsbereich ergeben, wenn der Reingewinn in Deutschland z. B. 5 Mio. Euro und in Rumänien 12 Mio. Euro im Jahr wäre. Erst bei einem Reingewinn von mehr als 12,8 Mio. Euro ergäbe sich überhaupt ein Einigungsbereich, um die Vorgaben des Gesetzes positiv anwenden zu können. Diese Zahlen machen deutlich, dass, je nachdem, in welches Land verlagert wird, schon bei Zugrundelegung des Basiszinses erhebliche Standort- und Synergievorteile realisiert werden müssen, um die Vorstellung des Gesetzgebers von einer Schlussbesteuerung im Inland sinnvoll anwenden zu können. 4. Risikoaufschlag § 5 Abs. 1 Satz 3 FVerlV geht davon aus, dass der Zuschlag für das vom Unternehmen übernommene Risiko jeweils getrennt für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen zu ermitteln ist. Diese Annahme ist richtig, obwohl die beteiligten Unternehmen in der Regel zu demselben Konzern gehören und es aus Konzernsicht unter Umständen eine einheitliche Risikobeurteilung gibt. Gerade der Fremdvergleich verlangt aber, dass die Verbundenheit und Konzernzugehörigkeit ausgeblendet wird und die richtige Bepreisung auf „stand-alone“-Basis ermittelt wird. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass verschiedene empirische Untersuchungen belegen, dass der Grad der Risikoaversion typischerweise vom Einkommen und Vermögen des Entscheiders abhängt. Mit steigendem Einkommen und Vermögen sinkt die Risikoaversion und umgekehrt. Beispielhaft ausgedrückt ist jemand mit hohem Ein-
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115 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen (Hrsg.), Handbuch Internationale Verrechnungspreise, „FVerlV“, Rz. 138.
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kommen und Vermögen eher geneigt, sich am Aktienmarkt zu engagieren, während jemand mit geringem Einkommen und Vermögen eher auf das klassische Sparbuch oder festverzinsliche Wertpapiere setzt. Übertragen auf die Situation im Konzern bedeutet dies, dass z. B. eine deutsche Obergesellschaft eines Konzerns einen niedrigeren Risikozuschlag ansetzen würde als eine Konzerntochtergesellschaft mit einem vergleichsweise niedrigen Kapital. Bei Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Risikoaufschläge bedarf es unter Umständen nur aus diesem Aspekt heraus einer erheblich höheren jährlichen Reingewinnerwartung im Ausland, um auf ein dem Gewinnpotential des inländischen Unternehmens vergleichbares Gewinnpotential zu kommen. Wird dieser erheblich höhere jährliche Reingewinn nicht erwartet, kann es wiederum an einem Einigungsbereich im Sinne des Gesetzes fehlen.
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Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA* Inhaltsübersicht I. Art. 19 OECD-MA als Spezialregelung II. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts
IV. Die Aufteilung zwischen Einkünften nach Art. 18 und 19 OECD-MA V. Ausblick
III. Die Ausübung öffentlicher Funktionen
I. Art. 19 OECD-MA als Spezialregelung Es gehört zu den Privilegien von Wissenschaftlern und wissenschaftlich tätigen Praktikern, dass der Abschied aus dem aktiven Berufsleben nicht notwendigerweise eine Zäsur darstellt: Zumindest Rechtswissenschaftler können ihre Untersuchungen auch im Ruhestand anstellen. Sie bedürfen dazu keiner Laboratorien, sondern lediglich des Zugangs zu den Normen und zur Fachliteratur und zur Rechtsprechung. Wissenschaftliche Stellungnahmen von nicht mehr im aktiven Berufsleben stehenden wissenschaftlich tätigen Praktikern sind oft besonders bereichernd: Ihre Autoren können aus jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen schöpfen und sind befreit von den Lasten des beruflichen Alltags. Harald Schaumburg und – noch mehr – der gesamten Steuerrechtswissenschaft ist zu wünschen, dass der Jubilar weiterhin mit seinen brillanten Beiträgen das Fachschrifttum bereichern wird. Der neue Lebensabschnitt, der Harald Schaumburg bevorsteht, möge insoweit keine Zäsur sein. Die OECD-Musterabkommen und die ihm nachgebildeten Doppelbesteuerungsabkommen machen es hingegen zumindest bei Einkünften aus einem Dienstverhältnis erforderlich, zwischen den Einkünften aus der Tätigkeit und den Ruhegehältern zu unterscheiden: Die Einkünfte aus der Tätigkeit werden nach Maßgabe des Art. 15 OECD-MA im Ansässigkeitsstaat, im Tätigkeitsstaat oder anteilig in beiden Staaten erfasst. Ruhegehälter dürfen hingegen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Handelt es sich jedoch um Dienstleistungen für einen Vertragsstaat oder eine seiner Gebietskörperschaften, können schon die laufenden Einkünfte aus dem Dienstverhältnis im Regelfall nicht im Tätigkeitsstaat oder im Ansässigkeitsstaat des Dienstnehmers, sondern nur im Staat, für den die Dienste geleistet wurden, besteuert werden. Dieser Staat wird im Fachschrifttum oft „Kassen-
__________ * Herrn Mag. Florian Brugger danke ich für die kritische Diskussion dieses Manuskripts und die Unterstützung bei der Erstellung des Anmerkungsapparats und der Fahnenkorrektur.
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staat“ genannt1. Diesem Staat kommt – wiederum von Ausnahmen abgesehen – auch das Besteuerungsrecht für Ruhegehälter aus derartigen Tätigkeiten zu. Die unterschiedliche Zuteilung von Besteuerungsrechten für Einkünfte aus dem Dienstverhältnis und Ruhegehältern bewirkt schon bei Vergütungen für in der Privatwirtschaft geleistete Dienste beträchtliche Schwierigkeiten: Zum einen gibt es eine Reihe von Grenzfällen, in denen die Zuordnung kontrovers diskutiert wird2. Zum anderen wird diese Differenzierung zunehmend auch rechtspolitisch hinterfragt: Dienstnehmer verbringen immer öfter ihren Ruhestand in einem anderen Staat als dem, in dem sie zuvor tätig und ansässig waren. Die Migrationsströme weisen dabei oft in eine bestimmte Richtung. Nur selten verbringen nämlich Portugiesen oder Spanier ihren Lebensabend in Skandinavien. Staaten, in denen Beiträge zu Pensionskassen oder anderen Vorsorgeeinrichtungen beim Arbeitnehmer oder Arbeitgeber die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern, wollen es nicht ohne weiteres hinnehmen, dass ihnen nach den Regelungen des OECD-MA die Möglichkeit, nun die Ruhegehälter der früher auf ihren Gebieten ansässigen oder tätigen Arbeitnehmern zu besteuern, genommen wird. Komplizierte – vom OECD-MA abweichende – DBA-Regelungen sind immer häufiger die Konsequenz3. In letzter Zeit waren diese Regelungen und die Unzufriedenheit eines der Vertragspartner mit ihnen sogar mitunter ausschlaggebend für die Kündigung von DBA4. Aus den genannten Gründen ist aber nicht nur zwischen den unter Art. 18 OECD-MA fallenden Ruhegehältern und den von Art. 15 OECD-MA geregelten laufenden Bezügen des Dienstnehmers zu unterscheiden. Vielmehr sind davon die unter Art. 19 OECD-MA fallenden Einkünfte aus derzeitigen und früheren Dienstleistungen für einen der Staaten oder seine Gebietskörperschaften abzugrenzen. Besonders bedeutsam ist dies für Ruhegehälter: Während diese im Regelfall ausschließlich im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, kommt meist dem „Kassenstaat“ das Besteuerungsrecht zu, wenn die frühere Dienstleistung für diesen Staat oder eine seiner Gebietskörperschaften erbracht wurde. Diese Unterscheidung beschäftigt zunehmend auch die Rechtsprechung. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte zuletzt mehrmals die
__________ 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht² (1998), Rz. 16.467; Waldhoff in Vogel/ Lehner (Hrsg), DBA5 (2008), Art. 19 Rz. 2; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer (Hrsg), Doppelbesteuerung, Art. 19 Rz. 1; Rodi, Das Kassenstaatsprinzip im nationalen und internationalen Steuerrecht, RIW 1992, 484 (484). 2 Vgl. z. B. die Diskussion zu Abfertigungen, Abfindungen, „golden handshake“-Zahlungen. Vgl. dazu die Nachweise bei Schuch/Stefaner, Abfertigungen und Abfindungen im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (2003), 251 (251 ff.). 3 Vgl. z. B. Art. 18 DBA Niederlande – Portugal (dazu Lang, Generalbericht in IFA, Cahiers de droit fiscal international, Volume 89a, Double non-taxation (2004) 21 [59]). 4 Vgl. Singer/Delaurière, Why Is Denmark Terminating Tax Treaties?, TNI 51/2008, 13 (13).
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Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA
Gelegenheit, Art. 19 OECD-MA von Art. 18 OECD-MA abzugrenzen5. Diese Entscheidungen möchte ich in der Folge näher erläutern.
II. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts In diesen in den letzten Monaten entschiedenen Fällen ging es immer um die Auslegung des DBA zwischen Österreich und Spanien. Dieses DBA wurde in seiner Stammfassung, auf der die hier maßgebenden Vorschriften zurück gehen, am 20.12.1966 abgeschlossen6. Es beruht im Wesentlichen auf dem OECD-MA 19637. Allerdings weicht Art. 20 dieses Abkommens – die Art. 19 OECD-MA nachgebildete Abkommensvorschrift – insoweit von seinem Vorbild ab, als diese Vorschrift auch „für die diesem Staat, der Gebietskörperschaft, dem Verwaltungsbezirk oder der öffentlich-rechtlichen Körperschaft dieses Staates […] erbrachten Dienste“ gilt. Nicht nur die dem Staat und seinen Gebietskörperschaften erbrachten Dienste fallen unter diese Regelung, sondern auch die Dienste, die „dem Verwaltungsbezirk oder der öffentlichrechtlichen Körperschaft“ erbracht wurden. In den vom VwGH entschiedenen Fällen ging es um Dienstnehmer einer Pensionsversicherungsanstalt. Dabei handelt es sich um einen gesetzlichen Sozialversicherungsträger8. Der VwGH setzte sich in seinem Erkenntnis v. 19.9.2007, 2007/13/0080 mit der Frage, ob die Pensionsversicherungsanstalt als „öffentlich-rechtliche Körperschaft“ nach Art. 20 des DBA anzusehen ist, wie folgt auseinander: „Es trifft zu, dass die Lehre die juristischen Personen des öffentlichen Rechts u. a. in Körperschaften öffentlichen Rechts und in Anstalten einteilt, wobei die Körperschaft die zur juristischen Person erhobene Personenmehrheit und die Anstalt die zur juristischen Person erhobene Einrichtung mit einem Bestand an sachlichen und persönlichen Mitteln, die dauerhaft bestimmten Zwecken der öffentlichen Verwaltung gewidmet sind, bildet (vgl. etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 321 ff.). Allerdings ist – vor dem Hintergrund, dass die in der Lehre vorgenommene Unterscheidung in Körperschaften öffentlichen Rechts und Anstalten keine unterschiedlichen Rechtsfolgen nach sich zieht und der von der belangten Behörde zitierte § 32 Abs. 1 ASVG selbst die Versicherungsträger als Körperschaften öffentlichen Rechts bezeichnet – das Steuerrecht durch eine eigene Begriffsbildung gekennzeichnet; der in Steuervorschriften anzutreffende Begriff ‚Körperschaft öffentlichen Rechts‘ wird nicht im technischen Sinn der Lehre als Unterart, sondern als Sammelbegriff für alle juristischen Personen öffentlichen Rechts verstanden (vgl. Antoniolli/Koja, a. a. O., 326; Stoll, BAO I, 435 f., m. w. N., und Ruppe, UStG3, Rz. 168 zu § 2 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten […] war nach diesem Verständnis eine Körperschaft öffentlichen Rechts im steuerrechtlichen Sinn und damit auch i. S. d. Art. 20 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 des DBA-Spanien.“
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5 Vgl. VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080; 17.10.2007, 2007/13/0088; 21.11.2007, 2007/13/ 0087. 6 BGBl. 395/1967. 7 Vgl. ErlRV 338 BlgNR XI. GP, 19; vgl. auch Philipp, Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien, ÖStZ 1968, 86 (86 ff.). 8 Vgl. § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a ASVG i. d. F. BGBl. I 138/1998.
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Dem VwGH ist zuzustimmen, wenn er zur Auslegung des Begriffs der öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf das nationale Steuerrecht zurückgreift9. Wenn die Vertragsstaaten vom OECD-MA abweichen und sich dabei einer Terminologie bedienen, die dem nationalen Steuerrecht der Vertragsstaaten vertraut ist, sprechen gute Gründe dafür, den Vertragsverfassern zu unterstellen, dass sie an die Inhalte der vom nationalen Steuerrecht geprägten Begriffe anknüpfen wollten10. Diskussionswürdig ist, ob der vom VwGH nur ganz am Rande angebrachte Hinweis auf die Art. 3 Abs. 2 OECD-MA 1963 entsprechende Vorschrift des DBA Österreich – Spanien tatsächlich Sinn macht: Im vorliegenden Fall war das nationale Recht eines der Vertragsstaaten nämlich nicht deshalb maßgebend, weil „der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ hat. Vielmehr hat gerade der Zusammenhang des Abkommens die Heranziehung des nationalen Rechts geboten11. Da Art. 3 Abs. 2 OECD-MA aber nicht nur den Verweis auf das Recht des Anwenderstaates, sondern auch die Wortfolge „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ beinhaltet, ist der Hinweis auf diese Vorschrift nicht fehl am Platz. Das Interpretationsergebnis hätte sich aber nicht geändert, wenn keine Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Vorschrift Bestandteil des Abkommens gewesen wäre.
III. Die Ausübung öffentlicher Funktionen Zum Begriff der „Ausübung öffentlicher Funktionen“ verwies der VwGH in seinem Erkenntnis v. 19.9.2007, 2007/13/0080 auf sein zum DBA Österreich – Liechtenstein12 ergangenes Erkenntnis v. 21.3.1996, 94/15/0128. In dieser Entscheidung hatte der VwGH folgende Auffassung vertreten13: „Bei der Auslegung von Art. 19 Abs. 1 DBA ist der Rechtsanwender somit vor die Aufgabe gestellt, einen eigenständigen, von jenem des in der erwähnten Norm ebenfalls verwendeten Begriffes der ‚diesem Staat oder der Gebietskörperschaft erbrachten Dienste‘ zu unterscheidenden Inhalt des Begriffes ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ zu ermitteln. Aus Art. 19 Abs. 2 DBA ergibt sich, dass vom Kassenstaatsprinzip nach Abs. 1 jedenfalls Vergütungen für jene Dienste ausgenommen sind, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit der ‚öffentlichen Hand‘ erbracht werden; mit diesem ‚sachbezogenen‘ Merkmal wird ausschließlich an eine
__________ 9 Vgl. auch BMF v. 8.10.1992, EAS 174, SWI 1993, 50 (50): „Welche Einrichtungen als „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ i. S. v. Art. 20 Abs. 1 DBA-Spanien anzusehen sind, richtet sich nach dem innerstaatlichen Recht jenes DBA-Partnerstaates, nach dessen Recht diese Einrichtung geschaffen wurde“. 10 Vgl. Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres (Hrsg), Außensteuerrecht Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis – FS Debatin (1997), 283 (299 ff.). 11 Vgl. Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht (1991), 26. 12 BGBl. 24/1971. 13 Vgl. zur „Ausübung öffentlicher Funktionen“ i. S. d. Art. 19 DBA Österreich – Liechtenstein auch Raschauer, Vergütungen für Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen, SWI 1993, 79 (79 ff.).
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Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA Eigenschaft der betreffenden Einrichtung, nämlich den Gegenstand ihres Betriebes, angeknüpft. Sachbezogen bleibt somit nach Bedachtnahme auf die durch Abs. 2 normierte Ausnahme vom Kassenstaatsprinzip des Abs. 1 für dieses ein Anwendungsbereich betreffend Vergütungen für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten der ‚öffentlichen Hand‘ erbracht werden, die nicht ‚kaufmännisch oder gewerblich‘ sind. Zu diesem sachbezogenen Merkmal tritt als Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips nach Abs. 1 das an der Eigenschaft der durch den Betreffenden geleisteten Dienste orientierte und somit ‚personenbezogene‘ Merkmal der ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ hinzu. Der Inhalt des letztgenannten – personenbezogenen – Begriffes kann somit nicht mit Hilfe von Überlegungen ermittelt werden, die sich ausschließlich am sachbezogenen Merkmal des Abs. 2 orientieren. Aus dem dargestellten Zusammenhang folgt, dass der Anwendungsbereich des Kassenstaatsprinzips nach Abs. 1 in zweifacher Weise eingeschränkt ist: Zum einen durch das sich aus Abs. 2 ergebende sachbezogene, auf die Tätigkeit der betreffenden Einrichtung der öffentlichen Hand, die nicht ‚kaufmännisch oder gewerblich‘ sein darf, bezogene Merkmal; zum anderen durch das personenbezogene, auf die ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ durch den Betreffenden bezogene Merkmal. Der Umstand, dass im DBA – anders als z. B. in der Vorgängerregelung oder im OECD-MA 1992 (1994) – die Einschränkung des Kassenstaatsprinzips sich nicht im mehrfach erwähnten sachbezogenen Merkmal erschöpft, sondern an ein weiteres – personenbezogenes – Merkmal anknüpft, führt zu der Schlussfolgerung, dass Art. 19 Abs. 1 DBA zwischen Dienstnehmern ein und derselben öffentlichen, nicht im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit stehenden Einrichtung unterscheidet, die ‚öffentliche Funktionen ausüben‘, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Voraussetzung für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips nach Art. 19 Abs. 1 DBA ist somit einerseits die Leistung von Diensten für den Staat oder eine Gebietskörperschaft ohne Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit der öffentlichen Hand bzw. der betreffenden Einrichtung, und andererseits die ‚Ausübung einer öffentlichen Funktion‘. Bei der Ermittlung des Inhaltes des Begriffes ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ ist somit zu beachten, dass nach dem Zusammenhang der Regelung an (öffentliche Aufgaben wahrnehmende) Einrichtungen der öffentlichen Hand zu denken ist, bei denen sowohl Dienstnehmer ‚in Ausübung öffentlicher Funktionen‘ tätig sind, als auch solche, bei denen dies nicht der Fall ist. Davon ausgehend kann sich der Begriff der ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ nicht darin erschöpfen, dass der Betreffende im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben tätig wird. Denn dieses Merkmal träfe – einen solchen Aufgabenbereich der Einrichtung vorausgesetzt – auf alle dort beschäftigten Dienstnehmer zu. Der Begriff der ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ kann somit nicht – wie es die der Beschwerde vorschwebende Lösung der Rechtsfrage voraussetzen würde, dem Begriff der ‚Wahrnehmung von Aufgaben des Staates oder einer Gebietskörperschaft‘ gleichgesetzt werden; vielmehr steht der ersterwähnte Begriff zum letztgenannten im Verhältnis von Unter- und Oberbegriff. Auf dieser Grundlage legen Wortlaut und Regelungszusammenhang die Auffassung nahe, dass mit dem Begriff der ‚Ausübung öffentlicher Funktionen‘ auf jene Dienstnehmer Bezug genommen werde, die als Organe bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben tätig werden. Einerseits zwingt der dargestellte Regelungszusammenhang auch bezogen auf Einrichtungen des Staates oder einer Gebietskörperschaft, die nicht mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zu einer Differenzierung zwischen Dienstnehmern dieser Einrichtung, die ‚in Ausübung öffent-
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Michael Lang licher Funktionen‘ tätig werden, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist; andererseits ist nicht ersichtlich, an welchen anderen Gesichtspunkten als jenen der Ausübung hoheitlicher Funktionen diese Unterscheidung orientiert werden könnte. Dabei ist zu bemerken, dass das Kassenstaatsprinzip dem Prinzip der Achtung der Souveränität der Vertragsstaaten dienen soll. Wenn die Vertragsstaaten das Kassenstaatsprinzip – wie hier – nicht allein an die Auszahlung der Bezüge aus öffentlichen Kassen bzw. umfassend an den Umstand einer Dienstleistung für die öffentliche Hand unter der Einschränkung der Erwerbsklausel anknüpfen, sondern darüber hinaus an ein zusätzliches, auf die ‚öffentliche Funktion‘ des Betreffenden bezogenes Merkmal, erscheint es auch unter dem Gesichtspunkt der Staatensouveränität sachgerecht, das erwähnte Merkmal auf die Wahrnehmung hoheitlicher Staatsaufgaben zu beziehen.“
Der VwGH hat somit seine zum DBA Österreich – Liechtenstein begründete Rechtsprechung auch für das DBA Österreich – Spanien bestätigt. Somit ist zwischen der „Ausübung öffentlicher Funktionen“ und anderen Diensten, die dem Kassenstaat oder gleichgestellten Körperschaften erbracht werden, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung hat aber – wie der VwGH schon zum DBA Österreich – Liechtenstein ausgeführt hat – nur für jene DBA Bedeutung, die dem OECD-MA 1963 folgen und in ihrer Art. 19 OECD-MA nachgebildeten Abkommensnorm überhaupt die Wortfolge „Ausübung öffentlicher Funktionen“ verwenden. Für die dem OECD-MA 1992 und schon dem OECD-MA 1977 nachgebildeten DBA spielt diese Unterscheidung offenbar keine Rolle und die Kassenstaatsregelung erfasst auch Einkünfte von Dienstnehmern für ihre dem Staat oder den gleichgestellten Körperschaften erbrachten Dienste, wenn die Dienstnehmer nicht hoheitlich tätig waren, sofern die Tätigkeit nicht mit der gewerblichen Tätigkeit des Staates in Zusammenhang entstand. Daher haben die Kassenstaatsregelungen jener Abkommen, die die Wortfolge „Ausübung öffentlicher Funktionen“ nicht verwenden, im Lichte dieser Rechtsprechung einen größeren Anwendungsbereich. In dem dem Erkenntnis v. 19.9.2007, 2007/13/0080 zugrunde liegenden Fall war der Dienstnehmer vor Eintritt in den Ruhestand „Prüfer“ bei der Pensionsversicherungsanstalt: Die „Feststellung hinsichtlich des Ausmaßes von Leistungsansprüchen sowie die bescheidmäßige Erledigung“ bildeten nach der Arbeitsplatzbeschreibung seine Tätigkeiten. Seine aus der „Ausübung öffentlicher Funktionen“ stammenden Einkünfte konnten somit in Österreich – als Kassenstaat – besteuert werden. Anders verhielt es sich mit jenem Dienstnehmer, der bei derselben Körperschaft beschäftigt war und dessen Fall der VwGH mit Erkenntnis v. 17.10.2007, 2007/13/0088 entschied: Er hat zunächst „als Manipulant einfache Bürohilfstätigkeit (Ablage, Anfertigung von Fotokopien) verrichtet. Seine berufliche Tätigkeit als Operator, als Gruppenleiter, als Arbeitsvorbereiter, als Systemprogrammierer, als Abteilungsleiter-Stellvertreter und als Abteilungsleiter habe ein Aufgabengebiet umfasst, welches im Wesentlichen in der Betreuung, Wartung, Optimierung und Überwachung der von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten verwendeten EDVBetriebsanlagen (Hard- und Software) und in den mit der Personalführung im Zusammenhang stehenden Aufgaben bestehe.“ Für den VwGH war ausschlaggebend, dass „bescheidmäßige Feststellungen“ nicht zu seinem Aufgaben884
Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA
bereich gehörten. Sein Ruhegehalt darf daher nicht in Österreich besteuert werden. Ob diese Unterscheidung praktikabel ist, wird sich erst zeigen: Kein Dienstnehmer erlässt wohl permanent und ausschließlich hoheitliche Verwaltungsakte. Vermutlich wird sich der VwGH noch häufig mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welche Tätigkeiten mit „bescheidmäßigen Feststellungen“ in untrennbarem Zusammenhang stehen und daher zur „Ausübung öffentlicher Funktionen“ gehören und welche einen eigenständigen Aufgabenbereich darstellen, der vom Aufgabengebiet der „bescheidmäßigen Feststellungen“ abzugrenzen ist.
IV. Die Aufteilung zwischen Einkünften nach Art. 18 und 19 OECD-MA Im Erkenntnis v. 21.11.2007, 2007/13/008714, ging es um einen Dienstnehmer derselben Pensionsversicherungsanstalt, der vor Begründung dieses Dienstverhältnisses „Vordienstzeiten“ bei anderen Arbeitgebern hatte. Der daraus erwachsende Pensionsanspruch war in das nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) an ihn zu leistende Ruhegehalt einzubeziehen und betrug nach Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt 16,35 % des gesamten Ruhegehalts. Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, dass „eine Aufteilung der einheitlich ausgezahlten ASVG-Pension in Komponenten, auf welche ein Anspruch in Ausübung öffentlicher Funktion einerseits und durch andere Erwerbstätigkeit andererseits erworben worden sei, […] dem Art. 20 DBASpanien nicht zu entnehmen“ ist. Da der frühere Dienstnehmer seinen ASVGPensionsanspruch „zum Großteil auf Grund der Ausübung öffentlicher Funktionen erworben und die Pension zudem als Dienstnehmer einer öffentlichen Kasse angetreten habe, stehe das Besteuerungsrecht für die gesamte ASVGPension […] zu.“ Der VwGH hat diese Position nicht geteilt: „Die vom beschwerdeführenden Finanzamt für unzutreffend gehaltene Aufteilung einer Ruhegehaltszahlung nach dem Rechtsgrund des Anspruchserwerbes ist entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes den Bestimmungen der Art. 19 und 20 des DBA-Spanien zu entnehmen, räumt Art. 20 Abs. 1 des DBA-Spanien doch ein Besteuerungsrecht des (früheren) Tätigkeits- und Auszahlungsstaates nur für solche Ruhegehälter ein, die für in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachte Dienste gezahlt werden. Die Teilnahme eines Arbeitnehmers, der seine Dienste verschiedenen Arbeitgebern erbracht hat, in einem einzigen Pensionssystem ist nicht ungewöhnlich und kann zur Aufteilung des in diesem Pensionssystem erworbenen Pensionsanspruches in Teile führen, die verschiedenen Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens unterliegen (vgl. auch Lang, Article 19(2): The Complexity of the OECD Model Can Be
__________ 14 Vgl. dazu Prillinger, Eine Pension, zwei Verteilungsnormen!, ecolex 2008, 469 (469 f.).
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Michael Lang
Reduced, in: Bulletin for International Taxation, 2007, 17 ff., insb. 19 f., und Kolb/Lang/Loukota/Waldburger/Waters/Wolff, Employment Income Under Tax Treaty Law – Case Studies, in SWI 2002, 522 ff., insb. 526 f.).“ Im konkreten Fall hatte die Pensionsversicherungsanstalt das Ausmaß der nicht der „Ausübung öffentlicher Funktionen“ zugeordneten Pension nach der Dauer des Dienstverhältnisses berechnet: Der Dienstnehmer hatte Vordienstzeiten von mehr als vier Jahren und war dann rund 30 Jahre bei der Pensionsversicherungsanstalt tätig. Ob der VwGH davon ausgeht, dass in allen Fällen ausschließlich auf die zeitliche Komponente abzustellen ist, ist nicht völlig klar. Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass auch das beschwerdeführende Finanzamt nicht behauptet hat, die Pensionsversicherungsanstalt wäre „im Beschwerdefall bei der Bekanntgabe des Aufteilungsschlüssels an die belangte Behörde der Höhe nach von einer unrichtigen Aufteilung ausgegangen […] und die belangte Behörde den Haftungsbetrag deshalb in unrichtiger Höhe festgelegt hätte“. Die Höhe der ASVG-Pension muss zwar nicht ausschließlich von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen. Dennoch ist dies sicherlich der praktikabelste Maßstab. Denkbar ist es zwar, stattdessen die Höhe des Gesamteinkommens heranzuziehen. Die Einbeziehung der Inflationsrate wäre dabei nicht einfach zu bewerkstelligen. Die Aufteilung anhand der in verschiedenen Perioden von den Arbeitgebern und dem Arbeitnehmer geleisteten Pensionsbeiträge vorzunehmen, würde ebenso Schwierigkeiten aufwerfen15. Wenn ein Dienstnehmer während ein und desselben Dienstverhältnisses nur in manchen Perioden „öffentliche Funktionen“ ausübt, muss dann – wenn man die zeitliche Komponente als maßgebend erachtet – für die Zuordnung zu Art. 19 OECD-MA ebenso die Dauer dieser Perioden entscheidend sein. Streng genommen könnte auch ein Dienstnehmer, der zwar jahrzehntelang keine öffentlichen Funktionen ausgeübt hat, einmal aber für wenige Wochen mit hoheitlichen Aufgaben betraut war, sein Ruhegehalt einmal anteilig nach Art. 19 OECD-MA zu erfassen haben16. Wenn ein Dienstnehmer öffentliche Funktionen ausübt und daneben – also in derselben Periode – einen nichthoheitlichen Aufgabenbereich hat, wird ebenso das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme maßgebend sein.
V. Ausblick Den Rechtsanwendern, die die Abgrenzung zwischen Art. 18 und Art. 19 OECD-MA zu administrieren haben, mag im Lichte dieser Ausführungen angst und bang werden. Dennoch sind die Überlegungen des VwGH meines
__________ 15 Vgl. zu den mit einer Aufteilung verbundenen Problemen auch Toifl, Pensionen im DBA-Recht, in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Arbeitnehmer, 287 (299). 16 Zu dieser Fallkonstellation vgl. Kolb/Lang/Loukota/Waldburger/Waters/Wolff, Employment Income Under Tax Treaty Law – Case Studies, SWI 2002, 522 (524 ff.).
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Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA
Erachtens überzeugend17. Nicht die Rechtsprechung des VwGH zu Art. 19 OECD-MA ist das Problem, sondern Art. 19 OECD-MA selbst. Früher hat Art. 19 OECD-MA in der Praxis nicht so viele Auslegungsfragen aufgeworfen, da die meisten Menschen in dem Staat, in dem sie ansässig und berufstätig waren und gegenüber den dort ansässigen Dienstgebern sie ihre Dienste erbrachten, auch nach Eintritt in den Ruhestand dort ansässig geblieben sind. Die Abgrenzung zwischen den Art. 15, 18 und 19 OECD-MA war daher nicht so bedeutend. Dies hat sich geändert. Daher überrascht es nicht, dass die Zahl der Auslegungsfragen zunimmt. Art. 19 OECD-MA beruht auf Souveränitätsüberlegungen, nach der es den „Regeln internationaler Courtoisie und gegenseitiger Achtung souveräner Staaten“ entspricht, dass Einkünfte aus Dienstleistungen, die für einen Staat erbracht werden, nicht von einem anderen Staat besteuert werden sollen18. Heute scheinen uns diese Gedanken als „alter Zopf […], der nicht in die heutige Zeit passt“19. Dies sollte für den OECD-Steuerausschuss Grund genug sein, die Streichung des Art. 19 OECD-MA zu erwägen20.
__________ 17 Zustimmend zur Notwendigkeit der Aufteilung auch Waldhoff in Vogel/Lehner (Hrsg), DBA5, Art. 19 Rz. 62; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer (Hrsg), Doppelbesteuerung, Art. 19 Rz. 107; anders Toifl in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Arbeitnehmer, 299. 18 Vgl. OECD-Kommentar zu Art. 19, Rz. 1. 19 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer (Hrsg), Doppelbesteuerung, Art. 19 Rz. 1. 20 So auch Pistone, Government Service (Article 19 OECD Model Convention), in Lang/Pistone/Schuch/Staringer (Hrsg), Source vs. Residence (2008) 311 (311 ff.); zu verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. Lang, Article 19(2): The Complexity of the OECD Model Can Be Reduced, Bulletin for International Taxation 2007, 17 (22); Lang, Public Sector Pensions and Tax Treaty Law, in Gutmann (Hrsg,) Liber Amicorum Cyrille David (2005), 223 (234 f.); Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer (Hrsg), Doppelbesteuerung, Art. 19 Rz. 1; anders Waldhoff in Vogel/Lehner (Hrsg), DBA5, Art. 19 Rz. 8 ff.
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Mag. Reinhard Leitner*
Deutsche Unternehmensteuerreform 2008 und ihre Auswirkungen auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Österreich Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Treaty override 1. Rangordnung der Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen in der Hierarchie der nationalen Gesetzgebung 2. Treaty override in der österreichischen und deutschen Gesetzgebung 3. Rechtsfolgen eines treaty override a) Völkerrecht b) Verfassungsrecht c) Europarecht III. Zinsschranke 1. Zinsschrankenregelung statt der Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung a) Unvereinbarkeit mit den Bestimmungen des DBA b) Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie
3. Verdeckte Diskriminierung der internationalen Konzerne a) Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 24 Abs. 4 und 5 DBA b) Beschränkung der Grundfreiheiten und Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des EGV 4. Fazit IV. Verrechnungspreisbildung 1. Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 DBA 2. Allgemeine Änderungen im Bereich der Verrechnungspreise a) § 1 Abs. 1 AStG b) § 1 Abs. 3 AStG 3. Neuregelungen zur Funktionsverlagerung 4. Fazit V. Abgeltungsteuer 1. Allgemeines zur Abgeltungsteuer 2. Abgeltungsteuer im Verhältnis zum Art. 13 DBA VI. Schlussbetrachtung
I. Einleitung Die langjährige, freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Jubilar und seiner Sozietät hat mir vielfältige Anlässe geboten, Scylla und Charybdis der steuerrechtlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich auszuloten. So hat die deutsche Unternehmensteuerreform 2008 zahlreiche Änderungen im deutschen Ertragsteuer- und Außensteuerrecht gebracht. Im Folgenden Beitrag soll auf jene Änderungen durch die deutsche Unternehmensteuerreform
__________ * Meiner Mitarbeiterin Frau Dr. Iryna Stetsko danke ich für ihre wertvolle Unterstützung.
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Reinhard Leitner
2008 eingegangen werden, die Auswirkungen auf das zwischen Deutschland und Österreich bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (in der Folge kurz DBA genannt) haben. Betroffen ist das DBA nämlich durch die neuen deutschen Regelungen über die Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), die Verrechnungspreisbildung (§ 1 AStG) und die Abgeltungsteuer (§ 43 EStG, § 20 Abs. 2 EStG). Es wird im vorliegenden Beitrag untersucht, wie sich diese Neuregelungen zu den Grundsätzen und Bestimmungen des DBA verhalten. Im Bereich der Zinsschranke wird auch die Frage nach der Vereinbarkeit der Zinsschrankenregelung mit dem EG-Recht behandelt. Bevor jedoch mit diesen Untersuchungen begonnen wird, soll dargestellt werden, welche Rangordnung die abkommensrechtlichen Bestimmungen in der Hierarchie der österreichischen und deutschen Gesetzgebung haben und zu welchen völker-, verfassungs- und europarechtlichen Folgen ein sog. treaty override (Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages) führt.
II. Treaty override 1. Rangordnung der Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen in der Hierarchie der nationalen Gesetzgebung Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) stellen bilaterale völkerrechtliche Verträge dar. Sie kommen durch Erklärung der Zustimmung durch beide Vertragsstaaten zustande1 und werden von diesem Zeitpunkt an bzw. von dem Zeitpunkt an, der im DBA hierfür gesondert vorgesehen ist, völkerrechtlich bindend. Ihre Bindungswirkung entfalten die DBA als völkerrechtliche Verträge allerdings nur gegenüber den Vertragsstaaten. Nach sowohl in Österreich als auch in Deutschland herrschender Auffassung können die in dem jeweiligen Vertragsstaat ansässigen einzelnen Steuerpflichtigen von einem abgeschlossenen DBA nur dann profitieren, wenn dieses in das innerstaatliche Rechtssystem wirksam umgesetzt wurde2. In Österreich werden Doppelbesteuerungsabkommen gemäß Art. 50 B-VG als Staatsverträge vom Nationalrat genehmigt. Sie werden dadurch zum Bestandteil des österreichischen innerstaatlichen Rechtssystems und nehmen in diesem die gleiche Stellung wie einfache Bundesgesetze ein3. Eine allfällige Kollision zwischen den abkommensrechtlichen und den sonstigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist nach den allgemeinen Grundsätzen wie lex specialis und lex posterior aufzulösen. Nach in Österreich herrschender Auffassung ge-
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1 Art. 9 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (WÜRV). 2 Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Rz. 21 ff.; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Einl. Tz. 58; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Vor Art. 1 MA Tz. 9; Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (432). 3 Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Rz. 51; Loukota/Jirousek, Leitfaden – zum revidierten österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (1994), Tz. 39.
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hen die Doppelbesteuerungsabkommen den entgegenstehenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts grundsätzlich als lex specialis vor4. Davon abweichend kommt es aber nach der jüngeren Rechtsprechung des VwGH zu einer Verdrängung der speziellen abkommensrechtlichen Bestimmungen durch das sonstige innerstaatliche Recht, wenn Missbräuche verhindert werden sollen5. In diesem Fall haben die innerstaatlichen Missbrauchsvorschriften selbst dann den Vorrang vor dem DBA, wenn dieses keinen ausdrücklichen Missbrauchsvorbehalt enthält. Argumentiert wird dies mit einem den DBA inhärenten ungeschriebenen bzw. stillschweigenden Missbrauchsvorbehalt. So hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 9.12.2004, 2002/14/0074 ausgeführt, dass das Fehlen abkommensrechtlicher Antimissbrauchsbestimmungen nicht den Schluss zulasse, dass das Abkommen den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts für zulässig erklärt. Derartiges wäre mit Art. 31 WÜRV unvereinbar. „Auch bei Fehlen ausdrücklicher Abkommensbestimmungen hat daher ein Staat das Recht, sich vor einer unberechtigten Ausnützung der im Abkommen vorgesehenen Steuervorteile zu schützen.“6 In Deutschland bedarf es gemäß Art. 59 Abs. 2 GG für die Umsetzung eines DBA in das innerstaatliche Rechtssystem der Zustimmung des Gesetzgebers in der Form eines Bundesgesetzes (sog. Zustimmungsgesetz). Erst durch das Zustimmungsgesetz entfaltet ein DBA seine innerstaatliche Wirksamkeit. Da aber das Zustimmungsgesetz selbst ein einfaches Bundesgesetz ist, hat auch das dadurch innerstaatlich in Kraft getretene DBA keinen Vorrang gegenüber
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4 Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Rz. 53 ff.; Loukota in Lang/Loukota/Reich/Wassermeyer/Zorn, Konsequenzen der neuen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Auslandsverlusten – Podiumsdiskussion, SWI 2002, 428; Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich (1997), Vor Art. 1 Tz. 25; Loukota/Jirousek, Leitfaden – zum revidierten österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (1994), Tz. 39; VwGH v. 28.6.1963 – 2312/61; VwGH v. 17.12.1975 – 1037/75. 5 VwGH v. 9.12.2004 – 2002/14/0074; VwGH v. 26.7.2000 – 97/14/0070. 6 Zustimmend Loukota, Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften, SWI 2005, 207; Loukota, Das zweite Treaty-Shopping-Erkenntnis des VwGH, SWI 2000, 420; Loukota/Jirousek, Leitfaden – zum revidierten österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (1994), Tz. 50 ff.; Loukota, Internationale Steuerplanung und „treaty-shopping“, ÖStZ 1990, 2 ff.; a. A. Lang, VwGH zur Anwendung des § 22 BAO auf irische IFSC-Gesellschaften, SWI 2005, 67; H. Kofler/G. Kofler, Grundsätzliches zum Methodenwechsel nach § 10 Abs. 3 KStG bei internationalen Schachteldividenden, Journal of Economics and Business 2002, 110: das WÜRV stelle kein legitimes Rechtfertigungsmittel dar, um DBA ohne einschlägige Antimissbrauchsklausel durch innerstaatliches Recht zu durchbrechen; in Deutschland umstritten: Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287 (288): die Annahme eines ungeschriebenen Missbrauchsvorbehaltes scheitere daran, dass es zwischen den Abkommensstaaten der Welt keine übereinstimmende Überzeugung von der Reichweite des Missbrauchsbegriffes gibt; in diesem Sinne auch Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Art. 1 MA Tz. 57; a. A. Vogel, Abkommensbindung und Missbrauchsabwehr, in Cagianut/Vallender, Steuerrecht – Ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, FS (1995), 467: dass die DBA unter einem ungeschriebenen Vorbehalt stehen, sei nicht von vornherein ausgeschlossen.
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den anderen innerstaatlichen Bundesgesetzen. Es befindet sich vielmehr auf der gleichen Normenebene wie das andere innerstaatliche Recht7. Allfällige Kollisionsprobleme sind daher grundsätzlich nach den allgemeinen Grundsätzen der zeitlichen Reihenfolge (lex posterior-Regel) sowie der Spezialität (lex specialis-Regel) zu lösen. In § 2 AO ist allerdings in diesem Zusammenhang ausdrücklich gesetzlich verankert, dass die Verträge über die Besteuerung mit anderen Staaten i. S. d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den anderen Steuergesetzen vorgehen. § 2 AO stellt somit – in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung8 – klar, dass die DBA als lex specialis gegenüber den anderen innerstaatlichen Gesetzen anzusehen sind. Diese Bestimmung in § 2 AO verhilft dem DBA aber nicht zu einer höheren Rangordnung im Vergleich zu den anderen innerstaatlichen Gesetzen in der Hierarchie der deutschen Rechtsnormen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sich § 2 AO selbst bloß auf der Ebene des einfachen Rechts bewegt. Kurz zusammengefasst, besteht somit in Österreich und in Deutschland ein normhierarchisches Gleichordnungsverhältnis zwischen den in das innerstaatliche Rechtssystem umgesetzten DBA und den anderen innerstaatlichen Gesetzen. Im Kollisionsfall gehen aber nach herrschender Auffassung – und in Deutschland auch nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 2 AO – die Normen der DBA infolge ihrer Spezialität den anderen Steuergesetzen vor. Der österreichische VwGH sieht allerdings eine Ausnahme von dieser Regel für den Fall vor, dass die abkommensrechtlichen Bestimmungen missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Unter dieser Voraussetzung verdrängen die österreichischen innerstaatlichen Missbrauchsvorschriften das innerstaatlich umgesetzte Abkommensrecht. 2. Treaty override in der österreichischen und deutschen Gesetzgebung Da die in das innerstaatliche Recht umgesetzten DBA und die anderen innerstaatlichen Gesetze in der Hierarchie der österreichischen und deutschen Rechtsordnung gleich geordnet sind, steht es dem Gesetzgeber – formell gesehen – grundsätzlich frei, die abkommensrechtlichen Bestimmungen durch ein späteres innerstaatliches Gesetz außer Kraft zu setzen oder, mit den anderen Worten, einen treaty override zu begehen. Zu einem treaty override kommt es allerdings nur dann, wenn das spätere innerstaatliche Gesetz seinen vom Gesetzgeber gewollten Vorrang vor dem DBA ohne jeden Zweifel zum
__________ 7 Herrschende Ansicht: z. B. Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (432); Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287 (288). 8 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Einl. Tz. 203; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Vor Art. 1 MA Tz. 9; Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843 (844 f.); Busching/Trompeter, Der G-REIT und die Steuerpflicht ausländischer Anteilseigner, IStR 2005, 510 (512 f.).
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Deutsche Unternehmensteuerreform 2008 und das DBA-Österreich
Ausdruck bringt9. Sonst würden die DBA-Bestimmungen als lex specialis diesem Gesetz vorgehen10. Während Österreich bislang grundsätzlich keine treaty override-Gesetzgebung in dem eben dargestellten Sinne eines ausdrücklichen Abweichens von den abkommensrechtlichen Vorschriften erlassen hat11, scheint sich der deutsche Gesetzgeber verstärkt eines treaty override bedienen zu wollen. Zur Rechtfertigung wird oft ausgeführt, dass die treaty override-Gesetze der Missbrauchsbekämpfung dienen sollen12. Gosch13 hat versucht, die vom deutschen Gesetzgeber erlassenen treaty override-Vorschriften nach Maßgabe ihres Sinnes und Zweckes in drei Kategorien aufzuteilen, und gezeigt, dass die Mehrheit der abkommenswidrigen gesetzlichen Bestimmungen auf einer anderen Grundlage als jener der Missbrauchsbekämpfung beruht. Diese Kategorien sind: 1) treaty override zur Missbrauchsverhinderung: § 20 AStG, § 50d Abs. 1 und 2 i. V. m. Abs. 3 EStG; 2) treaty override zur Verhinderung der Keinmalbesteuerung: § 50d Abs. 9 EStG, § 50d Abs. 8 EStG, § 8b Abs. 1 KStG, § 26 Abs. 6 KStG; 3) treaty override zur Sicherstellung von Besteuerungssubstrat: § 15 Abs. 1a EStG, § 17 Abs. 5 EStG, § 13 Abs. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 UmwStG, § 16 Abs. 2 REIT-G, § 20 Abs. 4 REIT-G, § 48d EStG. In der Folge soll nun dargestellt werden, zu welchen Rechtsfolgen ein treaty override aus völker-, verfassungs- und europarechtlicher Sicht führt.
__________ 9 Forsthoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (418); Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287 (289); Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (433); Busching/Trompeter, Der G-REIT und die Steuerpflicht ausländischer Anteilseigner, IStR 2005, 510 (513). 10 Vgl. z. B. Busching/Trompeter, Der G-REIT und die Steuerpflicht ausländischer Anteilseigner, IStR 2005, 510 (513); Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843 (846). 11 Nur einmal hat der österreichische Gesetzgeber durch eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift eine Abkommensregelung außer Kraft gesetzt, und somit einen treaty override begangen. Betroffen war Art. 11 Abs. 3 des DBA zwischen Österreich und Spanien, welcher eine Steuerbefreiung für Zinsen aus Staatsanleihen im Ansässigkeitsstaat vorsah. Durch das innerstaatliche Gesetz (BGBl. 21/1995) wurde angeordnet, dass diese Befreiung mit Wirkung vom 1.1.1995 nicht mehr anzuwenden ist. In weiterer Folge ist allerdings das DBA durch das BGBl. 709/1995 mit Rückwirkung zum 1.1.1995 geändert worden. Auf diese Weise sollte laut Lang der durch das innerstaatliche Gesetz begangene Vertragsbruch rückwirkend saniert werden (Lang, IStR 1996, 207). 12 Zu dieser Problematik s. ausführlich Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar (2003), Einl. Tz. 197. 13 Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (415 ff.).
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3. Rechtsfolgen eines treaty override a) Völkerrecht Das allgemeine Völkerrecht ordnet an, dass die Vertragsparteien an einen in Kraft getretenen völkerrechtlichen Vertrag gebunden sind und diesen Vertrag nach Treu und Glauben zu erfüllen haben (Art. 26 WÜRV). Gemäß Art. 27 Satz 1 WÜRV kann sich eine Vertragspartei nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines von ihr abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrages zu rechtfertigen. Daraus folgt, dass das einseitige Abweichen einer der Vertragsparteien von den abkommensrechtlichen Verpflichtungen im Wege eines treaty override völkerrechtlich nicht zulässig ist. Der andere Vertragsstaat kann sich gegen einen solchen Völkerrechtsverstoß mit völkerrechtlichen Gegenmaßnahmen wehren: er kann den betroffenen Vertrag kündigen oder seine Anwendung suspendieren, aber auch jede Art anderer „Repressalien“ ergreifen14. b) Verfassungsrecht Eine Verletzung des Völkerrechts führt jedoch nicht zwangsläufig zur innerstaatlichen Ungültigkeit des gegen ein Abkommen verstoßenden innerstaatlichen Gesetzes. Dies ist vielmehr eine Frage des jeweils einschlägigen staatlichen Verfassungsrechts. In Österreich herrscht die Auffassung, dass das österreichische Verfassungsrecht keine Schranke enthält, die den Gesetzgeber daran hindern kann, sich über seine völkerrechtlich eingegangenen Verpflichtungen hinwegzusetzen. Ein allfälliger treaty override durch den österreichischen Gesetzgeber wäre daher nach herrschender Auffassung nur völkerrechtswidrig, nicht aber zugleich auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unzulässig15. Auch in Deutschland wurde zunächst die Auffassung vertreten, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn der Gesetzgeber ein Gesetz erlässt, welches ausdrücklich einer auf Grund völkervertragsrechtlicher Verpflichtung in das innerstaatliche Rechtssystem übernommenen Norm widerspricht. Dies führt zwar zu einem Verstoß gegen das Völkerrecht, ist aber innerstaatlich ohne Bedeutung. Der einzelne Steuerpflichtige kann sich daher gegen einen an ihn gerichteten Steuerbescheid nicht wehren, wenn dieser auf einem treaty
__________ 14 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Einl. Tz. 194 ff.; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Art. 1 MA Tz. 12; Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (432); Stein, Völkerrecht und nationales Steuerrecht im Widerstreit?, IStR 2006, 505 (506); Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843 (844); Lang, § 10 Abs. 3 KStG und abkommensrechtliches Schachtelprivileg, SWI 1994, 346 (350). 15 Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Tz. 58; Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich (1997), Vor Art. 1 Tz. 29; Lang, § 10 Abs. 3 KStG und abkommensrechtliches Schachtelprivileg, SWI 1994, 350.
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override-Gesetz basiert16. Demgegenüber vertrat Vogel die Auffassung, dass eine abkommenswidrige innerstaatliche Gesetzgebung nicht nur eine Verletzung des Völkerrechts darstelle, sondern darüber hinaus auch gegen den verfassungsrechtlichen Rechtsgrundsatz des Art. 20 GG verstoße und daher nichtig sei17. Die Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit der treaty override-Gesetzgebung wurde zuletzt durch das am 14.10.2004 erlassene Urteil des BVerfG (2 BvR 1481/04), das in der Literatur auch als Görgülü-Urteil bezeichnet wird, erneut entfacht. In diesem Urteil hat das BVerfG ausgesprochen: „Es widerspricht nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist“. Vogel18, gefolgt von einer Reihe anderer Autoren19, hat aus dieser Aussage des BVerfG im Umkehrschluss das Prinzip abgeleitet, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen (und damit basierend auf dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sei, Völkervertragsrecht zu beachten. Eine Abweichung vom Völkervertragsrecht sei ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn dadurch ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwehren ist. Letzteres sei aber bei völkerrechtlichen Verträgen und damit auch bei DBA nur schwer vorstellbar. Nach Gosch können allein echte Missbrauchsfälle eine Ausnahme als ultima ratio rechtfertigen20. Liegt keine Notwendigkeit zur Abwehr eines „Verstoßes gegen tragende Grundsätze der Verfassung“ vor, so sei ein treaty override nicht nur völkerrechtswidrig, sondern auch verfassungswidrig. Der einzelne Steuerpflichtige könnte sich darüber hinaus auf Grund einer Verletzung seiner Grundrechte i. V. m. § 20 Abs. 3 GG gegen die Steuerfestsetzung wehren21.
__________ 16 Z. B. Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Vor Art. 1 MA Tz. 9, Art. 1 MA Tz. 12; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 3.26; auch BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93; BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94. 17 Vogel, Wortbruch im Verfassungsrecht. Mit einer Bemerkung zum Verhältnis zwischen BVerfG und demokratischem Gesetzgeber, JZ 1997, 161 ff.; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Einl. Tz. 205. 18 Vogel, Völkerrechtliche Verträge und innerstaatliche Gesetzgebung, IStR 2005, 29. 19 Rust/Reimer, Teaty Override im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843: Im Einzelfall sei das Verhältnis zwischen dem Demokratieprinzip (Verbot einer Selbstbindung des Gesetzgebers) und dem Rechtsstaatsprinzip (Völkerrechtsfreundlichkeit) abzuwiegen. Nur dann, wenn das Demokratieprinzip überwiegt, sei das treaty override-Gesetz nicht verfassungswidrig. So ein Verhältnis sei aber im Recht der DBA kaum möglich. Deswegen meinen die Autoren, dass sich die Ansicht von Vogel zum Vorrang der DBA vor entgegenstehenden innerstaatlichen Normen durchsetzen wird; Stein, Völkerrecht und nationales Steuerrecht im Widerstreit?, IStR 2006, 505: leitet die Unzulässigkeit von treaty override schon aus den Bestimmungen des Art. 25 GG ab; Kempf, Hat Treaty Override in Deutschland eine Zukunft?, DB 2007, 1377: treaty override sei nichtig; nicht so kategorisch Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413. 20 Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (419). 21 Kempf, Hat Treaty Override in Deutschland eine Zukunft?, DB 2007, 1377 (1381).
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Nach anderer Auffassung22 soll der Umkehrschluss, den Vogel aus dem BVerfG-Urteil v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 gemacht hat, nicht zulässig sein. Aus dem Urteil des BVerfG lasse sich nach dieser Auffassung nur ableiten, dass innerstaatliche Normen möglichst völkerrechtsfreundlich auszulegen sind. Ein Nichtigkeitsverdikt für völkerrechtsunfreundliches Recht sei diesem Urteil hingegen nicht zu entnehmen. Wenn der Gesetzgeber seinen Willen zum Vertragsbruch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, bleibe kein Raum für eine völkerrechtsfreundliche DBA-Auslegung. Das gegenständliche Urteil des BVerfG habe somit nichts an der früheren Rechtslage geändert. Deswegen ist nach Auffassung dieses Teils der Lehre weiterhin davon auszugehen, dass ein treaty override mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar sei. Wie Gosch ausgeführt hat, sei es letztendlich die Aufgabe der Rechtsprechung, hier eine abschließende Beurteilung vorzunehmen, notfalls über eine Normenkontrolle durch das BVerfG gemäß Art. 100 GG23. c) Europarecht Die Frage nach der Vereinbarkeit des treaty override mit dem Gemeinschaftsrecht wird in der Literatur grundsätzlich aus zweifacher Sicht gewürdigt: einerseits im Hinblick auf Art. 293 EGV und andererseits im Hinblick auf die Grundfreiheiten des EGV. Gemäß Art. 293 EGV leiten die Mitgliedsstaaten, soweit erforderlich, untereinander Verhandlungen ein, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung gehört somit zu den Zielen des EGV. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass auch die bilateralen DBA zu den Abkommen i. S. d. Art. 293 EGV gehören. Die in Art. 10 EGV festgelegte Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit würde demnach die Vertragsparteien verpflichten, die abgeschlossenen DBA einzuhalten, so dass ein treaty override gemeinschaftsrechtlich unzulässig sei24. Dem hält jedoch die herrschende Auffassung zutreffend entgegen, dass aus der EuGH-Rechtsprechung25 eindeutig hervorgeht, dass die bilateralen DBA nicht
__________ 22 Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287 (289): das BVerfG wollte überhaupt keine abschließende Aussage über die Zulässigkeit eines treaty override treffen; Fortshoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509 (509); Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (434). 23 Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (421); ebenso Stein, Völkerrecht und nationales Steuerrecht im Widerstreit?, IStR 2006, 505 (509). 24 Vgl. Busching/Trompeter, Der G-REIT und die Steuerpflicht ausländischer Anteilseigner, IStR 2005, 510 (513). 25 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, FR 1998, 847.
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als Abkommen i. S. d. Art. 293 EGV angesehen werden können. Demzufolge lässt sich aus Art. 293 EGV auch kein Verbot des treaty override entnehmen26. Was die Grundfreiheiten betrifft, so folgt aus der Rechtsprechung des EuGH, dass ein treaty override mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, solange er nicht zu einer Benachteiligung im Vergleich zum reinen Inlandsfall führt. Führt ein treaty override hingegen dazu, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt ungünstiger als ein rein nationaler Sachverhalt besteuert wird, so ist er nach dem Gemeinschaftsrecht unzulässig. Im Übrigen, so der EuGH in der Rs. Kerckhaert und Morres, ist es Sache der Mitgliedstaaten die Besteuerungskompetenzen durch Doppelbesteuerungsabkommen unter sich aufzuteilen, und besteht in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen mangels Harmonisierung daher keine Prüfungs- bzw. Auslegungskompetenz des EuGH27. In der Literatur wird aus dieser EuGH-Rechtsprechung der Schluss gezogen, dass ein treaty override unter Berücksichtigung der europarechtlichen Grundfreiheiten keinen Gemeinschaftsrechtsverstoß darstellt. Dies allerdings unter der Bedingung, dass er nicht zu einer Diskriminierung i. S. d. Gemeinschaftsrechts führt28. Demgegenüber spreche laut Kofler im Falle, dass ein treaty override zu einer juristischen Doppelbesteuerung führt, vieles dafür, „den Grundfreiheiten ein Verbot einer solchen Doppelbesteuerung zu entnehmen und dem völkerrechtsbrüchigen Mitgliedsstaat die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Beseitigung dieser Doppelbesteuerung aufzuerlegen“29.
III. Zinsschranke 1. Zinsschrankenregelung statt der Regelung zur GesellschafterFremdfinanzierung Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 hat der deutsche Gesetzgeber die bisherigen Regelungen in § 8a KStG zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung durch eine Zinsschranke (§ 8a KStG i. V. m. § 4h EStG) ersetzt. Die neue Zinsschrankenregelung ist mit der alten Regelung des § 8a KStG grundsätzlich nicht vergleichbar. Während die bisherige Regelung des § 8a KStG eine Umqualifizierung von Zinsen in verdeckte Gewinnausschüttungen bei
__________ 26 Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (434); Forsthoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509 ff. 27 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerckhaert und Morres, AG 2007, 29; vgl. auch EuGH v. 16.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, DStR 2008, 31; EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, FR 2001, 157. 28 Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431 (435); Forsthoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509 ff.; beschreibend Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (420); Busching/Trompeter, Der G-REIT und die Steuerpflicht ausländischer Anteilseigner, IStR 2005, 510 (513); in Österreich: Gurtner/Hofbauer/Kofler, taxlex-EC 2008, 61. 29 Kofler, Treaty Override, juristische Doppelbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, SWI 2006, 62 m. w. N.
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einer zu hohen Fremdkapitalausstattung der Gesellschaft durch ihren wesentlich beteiligten Gesellschafter vorsah, führt die Neuregelung der Zinsschranke zu einer betragsmäßigen Einschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen, uzw unabhängig von der Art der Fremdfinanzierung. Die nichtabzugsfähigen Zinsen behalten dabei ihren Charakter als „Zinsen“; sie werden also nicht in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifiziert. Die Regelungen der Zinsschranke sind von allen deutschen Betrieben zu beachten. Für Zwecke der Zinsschranke gelten gem. § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG auch Organträger und Organgesellschaften im Rahmen eines Organkreises als ein Betrieb. Dies hat zur Folge, dass die Zinsschranke im Organkreis nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich hat (sie kann nur auf der Ebene des Organträgers, nicht aber auf jener der Organgesellschaften eingreifen)30, was völkerrechtlich und europarechtlich nicht unbedenklich ist (dazu s. unten III.3.). Gemäß § 4h Abs. 1 EStG können Zinsaufwendungen eines Betriebes in Höhe des Zinsertrages und darüber hinaus nur bis zur Höhe von 30 % des steuerlichen EBITDA abgezogen werden. Der Mehrbetrag stellt dann den nichtabzugsfähigen Zinsaufwand dar. Dieser ist zwar gem. § 4h Abs. 1 EStG zeitlich unbeschränkt vortragsfähig, kann aber in den Folgejahren nur unter Beachtung der Regelungen der Zinsschranke abgezogen werden und geht gem. § 4h Abs. 5 EStG bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebes unter. Bei einem Zinssaldo unter 1 Mio. Euro (Freigrenze), fehlender Konzernzugehörigkeit des Betriebes31 oder im Falle, dass die Eigenkapitalquote des Betriebes die Eigenkapitalquote des Konzerns um nicht mehr als einen Prozentpunkt unterschreitet32, kommen gem. § 4h Abs. 2 EStG die Regelungen der Zinsschranke nicht zur Anwendung, so dass der Zinsaufwand unbeschränkt abgezogen werden kann. Bei Kapitalgesellschaften ist die Zinsschranke allerdings auch bei Erfüllung dieser Voraussetzungen weiterhin maßgebend, wenn ein Sachverhalt der schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung i. S. d. § 8a Abs. 2 und 3 KStG vorliegt. 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung Die nach der alten deutschen Rechtslage erfolgte Umqualifizierung von nichtabzugsfähigen Zinsen in verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden führte i. d. R. nur zu einer Quellenbesteuerung beim deutschen Kapitalnehmer und damit zu keiner Doppelbelastung der Zinszahlungen. Dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die österreichische Seite dieser Umqualifizie-
__________ 30 Siehe im Einzelnen ausführlich Herzig/Liekenbrock, Zinsschranke im Organkreis, DB 2007, 2387 ff. 31 Bezeichnet als Konzernklausel: Herzig/Liekenbrock, Zinsschranke im Organkreis, DB 2007, 2387 (2388); oder Stand-alone-Klausel: Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12. 32 Bezeichnet als Escape-Klausel: Kumer/Blome, Die deutsche Unternehmensteuerreform 2008, SWI 2007, 470 (473); Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12 (13); oder Öffnungsklausel: Homburg, Die Zinsschranke – eine beispiellose Steuerinnovation, FR 2007, 717 (718).
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rung folgte und eine Freistellung der Dividendenzahlungen gewährte33. Demgegenüber führt die Neuregelung der Zinsschranke einerseits zur Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und KSt-Besteuerung beim deutschen Kapitalnehmer, andererseits aber auch zu einer regulären Zinsbesteuerung beim österreichischen Kapitalgeber, da die Zinsen nicht mehr umqualifiziert werden. Es entsteht also durch die Zinsschranke eine Doppelbesteuerung34, die aber keine juristische, sondern nur eine wirtschaftliche ist, da nicht ein und derselbe Steuerpflichtige besteuert wird, sondern ein und dasselbe Steuerobjekt, uzw nichtabzugsfähige Zinszahlungen35. Durch den in § 4h Abs. 1 EStG vorgesehenen Zinsvortrag kann es zwar zum Ausgleich auf der Seite des deutschen Kapitalnehmers kommen. Wie bereits oben im Punkt III. 1. erwähnt, kann aber der Zinsvortrag unter bestimmten Voraussetzungen untergehen, so dass eine temporäre Doppelbesteuerung zu einer endgültigen wird. Ob eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung DBA-rechtlich und europarechtlich haltbar ist, ist im Folgenden zu untersuchen: a) Unvereinbarkeit mit den Bestimmungen des DBA Ziel eines DBA ist u. a., die Interessen der Vertragsstaaten, einen angemessenen Teil des Steueraufkommens zu erhalten, zu wahren. Dieses Ziel wird durch die Verteilungsnormen des DBA erreicht. Nach den Verteilungsnormen des DBA zwischen Deutschland und Österreich dürfen Gewinne eines Unternehmens (hier: des Kapitalnehmers) grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden, in welchem sich das Unternehmen befindet (Art. 7 DBA), Zinsen demgegenüber – nur im Ansässigkeitsstaat des Kapitalgebers (Art. 11 DBA). Gemäß Art. 9 DBA darf der Gewinn des Unternehmens des Kapitalnehmers nur dann erhöht werden, wenn es mit dem Unternehmen des Kapitalgebers verbunden ist, und sein Gewinn wegen der Nichteinhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes gemindert wurde. Die Zinsschranke stellt aber keine Gewinnberichtigung i. S. d. Art. 9 DBA dar. Der deutsche Staat verletzt daher die in Art. 7, 9 und 11 DBA zwischen Österreich und Deutschland normierten Steuerverteilungsregeln, indem er die Einkünfte, für die er das Besteuerungsrecht an Österreich vertraglich abgetreten hat, dem in Deutschland zu versteuernden Unter-
__________ 33 Ausführlich zur bisherigen Rechtslage Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (109 f.); s. auch Leitner/Furherr, Deutsche Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelung und abkommensrechtliche Schachtelbefreiung im DBA Deutschland-Österreich, SWI 2004, 61. 34 Ebenso Kessler, Die Zinsschranke im Rechtsvergleich: Problemfelder und Lösungsansätze, IStR 2007, 418: diese Doppelbesteuerung sei nur in echten Missbrauchsfällen zu rechtfertigen; Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12; Homburg, Die Zinsschranke – eine beispiellose Steuerinnovation, FR 2007, 717 (725): die Wirkung der Zinsschranke sei sogar schärfer als die einer (verbotenen) Quellensteuer; Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (106). 35 Zur Abgrenzung zwischen juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung s. Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Vor Art. 1 MA Tz. 3; auch Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Tz. 11 ff.
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nehmensgewinn zuschlägt. Bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Zinsschranke eine Regelung, die mit den Bestimmungen des DBA unvereinbar ist36 (zu weiteren völkerrechtlichen Überlegungen s. III. 3.). b) Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie Die Zins- und Lizenzrichtlinie 2003/49/EG verlangt im Art. 1 Abs. 1, dass Zinsen, die eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft an eine Kapitalgesellschaft aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet zahlt, in Deutschland „von allen … Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – befreit“ werden. Denn es muss, wie im Abs. 3 der Präambel ausgeführt, „gewährleistet sein, dass Einkünfte in Form von Zinsen … einmal in einem Mitgliedsstaat besteuert werden“. Es folgt also bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie, dass jede Form der Doppelbesteuerung von Zinsen – sei es eine juristische oder wirtschaftliche, temporäre oder endgültige Doppelbesteuerung – verboten ist37. Da die Zinsschrankenregelung des § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Zinszahlungen bewirkt, verstößt sie somit gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie38. Die Ausnahme des Art. 4 Abs. 1 lit a RL kommt nicht zur Anwendung, da nach der Neuregelung die nichtabzugsfähigen Zinszahlungen nicht mehr in Gewinnausschüttungen umqualifiziert werden. 3. Verdeckte Diskriminierung der internationalen Konzerne Auf den ersten Blick erstreckt sich die Wirkung der deutschen Zinsschranke auf alle inländischen Betriebe, unabhängig davon, ob sie einen internationalen Bezug aufweisen oder nicht. Bei genauerer Betrachtung des gesamten Bündels der allgemeinen und besonderen (Ausnahmen und Gegenausnahmen) gesetzlichen Bestimmungen über die Zinsschranke lässt sich jedoch erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Zinsschranke in erster Linie auf die internationalen Konzerne abzielt. So ist es für die kleinen und großen konzernfreien inländischen Unternehmen grundsätzlich möglich, sich der Zinsschrankenregelung durch die hohe Freigrenze oder die Konzernklausel zu entziehen. Die inländi-
__________ 36 Siehe auch Homburg, Die Zinsschranke – eine beispiellose Steuerinnovation, FR 2007, 717 (726); nach Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (106): könnte die Zinsschranke als Verstoß gegen Art. 11 DBA angesehen werden. Da aber die Zinsschranke bloß zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung führe und Art. 11 DBA nur auf eine juristische Doppelbesteuerung anzuwenden sei, würde sich Deutschland gegen den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 11 DBA wehren können; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Art. 24 Tz. 140: Die Verteilungsnormen des Art. 11 mildern nur die juristische Doppelbesteuerung. 37 Arg.: „von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern“, „Einkünfte in Form von Zinsen … einmal in einem Mitgliedsstaat besteuert“. 38 Homburg, Die Zinsschranke – eine beispiellose Steuerinnovation, FR 2007, 717 (725); Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (106 f.): der Begriff „Veranlagung“ im Art. 1 Abs. 1 RL umfasse sowohl die Veranlagung des Kapitalgebers als auch die Veranlagung des Kapitalnehmers.
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schen Konzerne können der Zinsschranke demgegenüber durch die EscapeKlausel entgehen und auch partiell39 dadurch, dass sie eine Organschaft i. S. d. § 14 KStG bilden, welche gem. § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG für Zwecke der Zinsschranke einen einheitlichen Betrieb darstellt. Den internationalen Konzernen ist die Möglichkeit der Bildung einer Organschaft hingegen verwehrt. Denn gem. § 14 KStG können nur rein inländische Konzerngesellschaften Mitglieder einer Organschaft sein. Dies hat zur Folge, dass die internationalen Konzerne stets aus mehreren Betrieben im Sinne der Zinsschranke bestehen, so dass die Zinsschranke in diesen Konzernen ihre volle Wirkung entfalten kann. Darin liegt eine verdeckte Diskriminierung der internationalen Konzerne40, deren DBA-rechtliche und europarechtliche Zulässigkeit in Frage steht und in der Folge zu prüfen ist: a) Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 24 Abs. 4 und 5 DBA Nach dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA sind „Zinsen …, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen“. Daraus folgt, dass die Zinszahlungen des Unternehmens an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person denen an eine im Inland ansässige Person vollständig gleichzustellen sind. Wegen des Tatbestandsmerkmales des Art. 24 Abs. 4 DBA „unter den gleichen Bedingungen“ erfordert aber eine solche Gleichstellung die Erfüllung der Voraussetzungen, die das Recht des Vertragsstaates des zahlenden Unternehmens für den Abzug der Zinsen bei einem reinen Inlandsfall vorsieht41. Die für die unbeschränkte Abzugsfähigkeit von Zinsen im Rahmen eines deutsch-österreichischen Konzerns maßgebende Voraussetzung i. S. d. Art. 24 Abs. 4 DBA besteht in der Vergleichbarkeit dieses Konzerns mit einer Organschaft i. S. d. § 14 dKStG. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn die Gesellschaften des deutsch-österreichischen Konzerns in einer Unternehmensgruppe i. S. d. § 9 öKStG erfasst sind. Denn das österreichische Gruppenbesteuerungsregime ist mit der deutschen Organschaftsregelung grundsätzlich vergleichbar. Aber auch bei jeder anderen mit der deutschen Organschaft vergleichbaren internationalen Verflechtung ist das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA zu beachten42. Unterliegen die
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39 Auf der Ebene des Organträgers kann die Zinsschranke eingreifen. Für Organgesellschaften ist sie jedoch nicht anwendbar: s. im Einzelnen ausführlich Herzig/Liekenbrock, Zinsschranke im Organkreis, DB 2007, 2387 ff. 40 Auch Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (107); Homburg, Die Zinsschranke – eine beispiellose Steuerinnovation, FR 2007, 717 (725); Führich, Ist die geplante Zinsschranke europarechtskonform?, IStR 2007, 341 (343); Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12 (15). 41 Vgl. Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Art. 24 Tz. 148: „Bedingungen“ sind die Voraussetzungen für den Abzug des Entgelts. 42 Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (109).
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Zinsen trotz Vorliegens einer Unternehmensgruppe oder einer anderen mit der deutschen Organschaft vergleichbaren internationalen Verflechtung der Zinsschranke, so ist darin ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA zu erblicken43. Selbst wenn beim Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA das Vorliegen von „gleichen Bedingungen“ noch in Frage gestellt werden kann, so kann nicht bezweifelt werden, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft, die einer österreichischen Kapitalgesellschaft gehört, einer deutschen Kapitalgesellschaft, die einer anderen deutschen Kapitalgesellschaft gehört, „ähnlich“ ist. Art. 24 Abs. 5 DBA sieht nämlich vor, dass „Unternehmen eines Vertragsstaates, deren Kapital … einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person … gehört …, im erstgenannten Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden dürfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind …“. Werden daher die Zinszahlungen einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine andere deutsche Kapitalgesellschaft von der Regelung der Zinsschranke befreit, die Zinszahlungen einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine österreichische Kapitalgesellschaft hingegen der Zinsschranke unterworfen, so stellt dies einen Verstoß gegen das im Art. 24 Abs. 5 DBA verankerte Diskriminierungsverbot dar44. b) Beschränkung der Grundfreiheiten und Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des EGV Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH45 haben die Mitgliedsstaaten ihre Befugnisse zur Regelung der direkten Steuern unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts im Allgemeinen und der Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes nach Art. 12 EGV im Besonderen auszuüben. Die Regelung der Zinsschranke, welche rein inländische Konzerne gegenüber internationalen Konzernen durch das Organschaftsprivileg besser stellt, behindert die Niederlassungsfreiheit46 und führt darüber hinaus zu einer Diskriminierung der internationalen Konzerne. Diese Diskriminierung hat zwar nur einen verdeckten Charakter, da sie erst durch komplizierte Ausnahme- und Gegenausnahmeregelungen in § 4h EStG und § 8a KStG bewirkt wird. Nach ständiger Recht-
__________ 43 Vgl. Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (108). 44 Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (108). 45 Vgl. etwa EuGH v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94 – Wielockx, FR 1995, 647; EuGH v. 14.2. 1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, FR 1995, 224. 46 Ausführlich Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12 (15); Führich, Ist die geplante Zinsschranke europarechtskonform?, IStR 2007, 341 (343); Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (108).
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sprechung des EuGH47 sind aber nicht nur offene, sondern auch verdeckte Diskriminierungen unzulässig. Nach herrschender Auffassung kann die verdeckte Diskriminierung der internationalen Konzerne durch die Zinsschrankenregelung nicht gerechtfertigt werden und ist zugleich auch nicht verhältnismäßig ausgestaltet48, so dass die Zinsschranke als nicht EG-rechtskonform zu beurteilen ist49. 4. Fazit Festzuhalten ist also, dass die durch die Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte Neuregelung der Zinsschranke mit den Grundsätzen und Bestimmungen des DBA in Widerspruch steht. Da eine ausdrückliche Willenserklärung des deutschen Gesetzgebers zum Abgehen von abkommensrechtlichen Regelungen jedoch fehlt, dürfte davon auszugehen sein, dass kein wirksamer treaty override vorliegt (s. dazu oben II.2.). Mangels eines treaty override stellt sich daher auch nicht die Frage, ob ein solcher allenfalls verfassungsrechtlich unzulässig sein könnte. Die betreffenden Bestimmungen der Art. 11 und 24 DBA müssen daher den Vorrang vor den nationalen deutschen Zinsschrankenregelungen haben50. Darüber hinaus verstößt die Zinsschranke gegen die Regelungen der Zins- und Lizenzrichtlinie sowie gegen die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot des EGV.
IV. Verrechnungspreisbildung Im Konflikt mit dem DBA zwischen Deutschland und Österreich stehende Regelungen finden sich seit der Unternehmensteuerreform 2008 auch in § 1 AStG. Diese betreffen im Wesentlichen die Verrechnungspreisbildung. 1. Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 DBA Nach Art. 9 DBA Deutschland-Österreich, welcher dem Art. 9 OECD-MA nachgebildet ist, ist eine Gewinnkorrektur zwischen den verbundenen Unternehmen durchzuführen, wenn „die beiden Unternehmen in ihren kaufmänni-
__________ 47 EuGH v. 12.2.1974 – Rs. 152/73 – Sotgiu; v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94 – Wielockx, FR 1995, 647; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, FR 2003, 182. 48 Führich, Ist die geplante Zinsschranke europarechtskonform?, IStR 2007, 341 (343 ff.); Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12 (16). 49 Herrschende Ansicht: Eilers, Fremdfinanzierung im Unternehmen nach der Unternehmenssteuerreform 2008, FR 2007, 733 (735); Loukota, Internationale Probleme mit der deutschen Zinsschranke, SWI 2008, 105 (108 f.); Führich, Ist die geplante Zinsschranke europarechtskonform?, IStR 2007, 341 (345); Musil, Systematische, verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme der Zinsschranke, DB 2008, 12 (16). 50 Ebenso Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (418).
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schen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden.“ Der im Art. 9 DBA verankerte Maßstab wird als Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length principle“) bezeichnet. Art. 9 DBA führt diesen Grundsatz zwar nicht unmittelbar näher aus, doch greifen hier die OECD-Verrechnungspreisgrundsätze ein, die als Hilfskriterien zu verstehen sind und den Fremdvergleichsgrundsatz ausfüllen51. Auch hier gilt wiederum, dass der im DBA festgelegte Fremdvergleichsgrundsatz durch die Umsetzung des DBA zum Bestandteil des innerstaatlichen Rechts wird, und er daher innerstaatlich eingehalten werden muss. Insbesondere muss sich das sonstige innerstaatliche Recht, das die Möglichkeit einer Gewinnkorrektur zwischen den verbundenen Unternehmen vorsieht (§ 1 AStG), an diesem Grundsatz orientieren. In der Gesetzesbegründung52 zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Neuregelung des § 1 Abs. 1 und 3 AStG lediglich eine Klarstellung bzw. eine Konkretisierung des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatzes darstellen sollte, welcher ohnehin schon geltendes Recht ist. In der Folge wird aber gezeigt, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 und 3 AStG in vielen Punkten über den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 DBA hinausgeht. 2. Allgemeine Änderungen im Bereich der Verrechnungspreise a) § 1 Abs. 1 AStG Eine der heftigst kritisierten Neuregelungen im AStG durch die Unternehmensteuerreform 2008 stellt § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG dar. Demnach ist „für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ davon auszugehen, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Die Annahme einer vollumfänglichen Informationstransparenz zwischen den voneinander unabhängigen Geschäftsleuten entspricht jedoch nicht der wirtschaftlichen Realität. Denn voneinander unabhängige Dritte legen gerade nicht alle geschäftsbezogenen (rechtlichen, wirtschaftlichen und anderen) Informationen offen. In der Realität ist nämlich die nicht vollständige Information die Ausgangssituation bei der Verrechnungspreisbildung. Diese Tatsache wird in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG verkannt. Durch die Verankerung der Annahme einer vollumfänglichen Informationstransparenz zwischen den voneinander unabhängigen Dritten im Art. 1 Abs. 1 Satz 2
__________ 51 Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Art. 9 MA Tz. 103; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Art. 9 Tz. 60. 52 Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 84.
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AStG weicht der deutsche Gesetzgeber somit erheblich vom Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 DBA ab53. Teilweise kritisiert wird in Deutschland auch das in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG durch die Verwendung des Plurals („die voneinander unabhängigen Dritten“) verankerte Prinzip des „doppelt ordentlichen Geschäftsleiters“. Es wird argumentiert, dass die Denkfigur des „doppelt ordentlichen Geschäftsleiters“ auf OECD-Ebene lediglich im Zusammenhang mit der Erfüllung von Dokumentationspflichten, nicht aber in materieller Sicht als Konkretisierungsmaßstab für den Fremdvergleichsgrundsatz anerkannt sei. Daher verstoße der Gesetzgeber durch die Normierung dieses Prinzips gegen den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 DBA54. Demgegenüber vertreten Blumenberg/Benz die Auffassung, dass das Prinzip des „doppelt ordentlichen Geschäftsleiters“ schon seit langer Zeit Anwendung finde, ohne dass dies zu vermehrten Diskussionen mit ausländischen Finanzbehören geführt hätte. Insofern sollte dieses Prinzip als ein geeignetes Abgrenzungskriterium auch für den Fremdvergleichsgrundsatz i. S. d. Art. 9 DBA gehalten werden55. b) § 1 Abs. 3 AStG Liegen entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vor, kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 bis 4 AStG der konkrete Fremdvergleich zur Anwendung. Eine Reihe von gesetzlichen Neuregelungen im Bereich des konkreten Fremdvergleiches ist in der Literatur bereits auf Kritik gestoßen56. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG verdient dabei wohl am meisten Kritik. Danach ist der Median der Bandbreite maßgebend, wenn der vom Steuerpflichtigen angesetzte Wert außerhalb der ermittelten und allfällig auch eingeengten Bandbreite liegt. Nach den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen soll aber die Gewinnkorrektur lediglich auf einen innerhalb der Bandbreite liegenden Wert erfolgen, der den Gegebenheiten und Umständen des Einzelfalls am besten entspricht57. Es kann daher nach den internationalen
__________ 53 Ebenso Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280 f.; Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 248 ff.; Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n. F., IStR 2007, 485 (486). 54 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, Die Behandlung der Funktionsverlagerung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2201 (2227). 55 Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 247 f. mit den Verweisen auf Wassermeyer, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht Kommentar (2004), § 1 AStG, Rz. 147. 56 Z. B. Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n. F., IStR 2007, 485 (487): der Gesetzgeber regele nicht die Rangfolge der Standardmethoden untereinander, obwohl dem OECD-Verständnis die Preisvergleichsmethode anderen Standardmethoden vorrangig sei; ebenda: keine eindeutige Trennung zwischen den Begriffen „Preise“ und „Werte“. 57 Tz. 1.48 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze; s. auch Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung (2005), Art. 9 MA Tz. 154a.
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Regeln grundsätzlich jeder Wert innerhalb einer Bandbreite angemessen sein. Dies geht insbesondere aus der Tatsache hervor, dass die Ermittlung eines angemessenen Preises keine „exakte Wissenschaft ist, sondern Urteilsvermögen abverlangt“58. Die alleinige Anerkennung des Medians als angemessenen Wert und die zwingende Korrektur auf diesen Wert ist mit den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen nicht vereinbar59. Können keine uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte ermittelt werden, so ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG hat der Steuerpflichtige einen Einigungsbereich zu ermitteln, welcher sich aus dem Mindestpreis des Leistenden (Untergrenze) und dem Höchstpreis des Leistungsempfängers (Obergrenze) zusammensetzt. Dieser Einigungsbereich muss von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentialen) bestimmt werden. Zu diesen Neuregelungen werden grundsätzlich zwei Kritikpunkte hervorgehoben: Einerseits wird ausgeführt, dass es beim hypothetischen Fremdvergleich im Bereich der allgemeinen Verrechnungspreisermittlung keinen Mindest- und Höchstpreis, sondern – wie beim konkreten Fremdvergleich – eine Bandbreite möglicher hypothetischer Fremdvergleichspreise gebe60. Andererseits wird als bedenklich befunden, dass das Gewinnpotential auch bei gewöhnlichen Verrechnungspreissachverhalten außerhalb der Funktionsverlagerung zu beachten sei61. 3. Neuregelungen zur Funktionsverlagerung Nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG wird unter der Funktionsverlagerung jede Verlagerung einer „Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mitübertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile“ verstanden. Der Begriff der Funktionsverlagerung wird in § 1 Abs. 2 der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) konkretisiert. Demnach liegt eine Funktionsverlagerung i. S. d. des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG dann vor, wenn ein verlagerndes Unternehmen einem anderen, nahe stehenden übernehmenden Unternehmen „Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch
__________ 58 Tz. 1.12, 1.48 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze. 59 Ebenso Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 245 f.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, Die Behandlung der Funktionsverlagerung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2201 (2226). 60 Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n. F., IStR 2007, 485 (489); s. aber auch Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 250 ff. 61 Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 251; Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n. F., IStR 2007, 485 (488).
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das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird“. Unter der Funktion wird nach § 1 Abs. 1 FVerlV eine Geschäftstätigkeit verstanden, „die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden“. Die Funktion ist somit ein organischer Teil eines Unternehmens, welcher nicht unbedingt ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn sein muss. Wird eine Funktion auf ein anderes nahe stehendes Unternehmen verlagert, so hat gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 9 AStG der Steuerpflichtige einen „Einigungsbereich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen“. Die Funktion als Ganzes bzw. das Transferpaket wird so vom deutschen Gesetzgeber zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst62. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den internationalen Bewertungsregeln, die vom Grundsatz der Einzelbewertung geprägt sind63. Nur in Ausnahmefällen hat nach OECD die Gesamtbewertung eines Leistungspakets („package-deal“) zu erfolgen. Dies insbesondere dann, wenn im Einzelfall eine Einzelbewertung nicht möglich ist, weil es sich um eng miteinander verbundene Geschäftsvorfälle handelt64. Ein Transferpaket i. S. d. Art. 1 Abs. 3 Satz 9 AStG kann aber mit einem package-deal i. S. d. OECD-Verrechnungspreisgrundsätze nicht gleichgestellt werden, weil es darüber hinaus noch nicht konkrete Chancen und Risiken sowie die sonstigen Vorteile miterfasst65. Dass sich das Transferpaket neben den Wirtschaftsgütern auch noch aus den Chancen, Risiken und Vorteilen zusammensetzt, wird ebenfalls kritisiert. Nach Auffassung von Frotscher enthält § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG damit einen Gewinnrealisierungstatbestand, „der völlig neu ist und das System der Gewinnbesteuerung sprengt“66. Bei dem Transferpaket werde etwas (Chancen und Risiken) realisiert, was im Zeitpunkt der Realisierung noch gar nicht vorhanden sei, sondern erst später geschaffen werden müsste. Ferner ist zu bemerken, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 9 i. V. m. Satz 6 AStG die Bewertung des Transferpakets auf Grundlage der Gewinnerwartungen bzw. des
__________ 62 Die in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG vorgesehene Möglichkeit der Einzelbewertung wird in der Praxis leer laufen, da eine zu verlagernde Funktion i. d. R. wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter enthält. Im Übrigen (Vergleich zwischen der Einzelbewertung und der Bewertung des Transferpakets) kann der Aufwand der Einzelbewertung erspart werden. In diesem Sinne auch Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280 (2284). 63 Welling/Tiemann, Funktionsverlagerungsverordnung im Widerstreit mit internationalen Grundsätzen, FR 2008, 68 (69); Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280 (2283). 64 Tz. 1.42 bis 1.43 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze. 65 Auch Welling/Tiemann, Funktionsverlagerungsverordnung im Widerstreit mit internationalen Grundsätzen, FR 2008, 68 (69). 66 Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49 (53).
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Gewinnpotentials aus der Funktion sowohl des verlagernden als auch des übernehmenden Unternehmens zu erfolgen hat. Dabei sollen die Gewinnerwartungen unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinsen bestimmt werden. Auf diese Weise wird ein Einigungsbereich bestimmt, der durch den Mindestpreis aus der Sicht des verlagernden Unternehmens und den Höchstpreis aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens begrenzt wird. Aus diesem Einigungsbereich wird der Preis ausgewählt, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; im Zweifel jedoch – der Mittelwert (§ 1 Abs. 3 Satz 9 i. V. m. Satz 7 AStG). Die Einbeziehung des Gewinnpotentials des übernehmenden Unternehmens in die Bewertung ist aber problematisch, weil in Deutschland dadurch Gewinne besteuert werden, die in der Bundesrepublik nicht entstanden sind, sondern erst von dem übernehmenden Unternehmen im Ausland erzielt werden. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG führt somit zu einer ungerechtfertigten Besteuerung des ausländischen Besteuerungspotentials in Deutschland67. Da die ausländische Finanzverwaltung auch nicht auf eine Besteuerung der dann tatsächlich im Ausland erwirtschafteten Gewinne verzichten wird, sind Doppelbesteuerungen bzw. aufwendige Verständigungsverfahren vorprogrammiert. Abgesehen davon, stellt ein nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ermittelter Verrechnungspreis einen irrealen dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz nicht entsprechenden Preis dar. Denn einerseits würde kein fremder Geschäftsleiter erwarten, einen Teil des von dem übernehmenden Unternehmen erst noch zu schaffenden Mehrwertes zu erhalten; andererseits würde kein fremder Geschäftsleiter einen Teil des von seinem Unternehmen in Zukunft zu erarbeiteten Gewinnpotentials abgeben68. Letztendlich ist die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG anzusprechen. Nach dieser Regelung wird widerlegbar vermutet, dass unabhängige Dritte eine Preisanpassungsregelung vereinbart hätten, wenn die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnentwicklung abweicht, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag. Fehlt es an einer solchen Anpassungsklausel und tritt innerhalb von 10 Jahren nach dem Geschäftsabschluss eine erhebliche Abweichung ein, so ist eine entsprechende Preisanpassung vorzunehmen. Wie in der Literatur bereits betont wurde, gibt es jedoch keine allgemeinen Markterfahrungssätze, wonach fremde Dritte stets derartige Anpassungsklauseln vereinbaren würden. Die in § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG vorgesehene Preisanpassungsklausel und die 10-Jahresfrist sind im wirtschaftlichen Leben vielmehr unüblich und widersprechen daher dem
__________ 67 Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49 (53 f.); Welling/ Tiemann, Funktionsverlagerungsverordnung im Widerstreit mit internationalen Grundsätzen, FR 2008, 68 f.; Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280 (2283); Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; in diesem Sinne auch § 3 Abs. 2 FVerlV: die jeweiligen Gewinnpotentiale sollen auch Standortvorteile und Synergieeffekte enthalten, also Faktoren, die nicht zu den Besteuerungsgrundlagen in Deutschland gehören. 68 Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49 (54).
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international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz69. Nach Wassermeyer sei diese Neuregelung des AStG der Höhepunkt der Willkürlichkeiten und eine Verletzung des EG-Vertrages70. 4. Fazit Zusammenfassend läst sich daher festhalten, dass es sich bei den Neuregelungen in § 1 Abs. 1 und 3 AStG um keine Klarstellung bzw. Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes i. S. d. Art. 9 DBA und der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze handelt. Vielmehr weicht § 1 Abs. 1 und 3 AStG in vielen Punkten von dem internationalen Verständnis dieses Grundsatzes ab. Diese Abweichungen stellen aber wohl keinen treaty override dar, weil der Gesetzgeber einen darauf gerichteten Willen nicht ausdrücklich ausgesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass in einem DBA-Fall das internationale Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes dem § 1 AStG vorgehen muss71.
V. Abgeltungsteuer 1. Allgemeines zur Abgeltungsteuer Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde die Abgeltungswirkung der Einkommensteuer für die Einkünfte aus Kapitalvermögen privater Anleger eingeführt72. Die Einkommensteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen wird nunmehr mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % an der Quelle durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben und ist an sich abschließend. Ein Veranlagungsverfahren findet also nicht statt (§ 43 EStG; sog. Abgeltungsteuer). Allerdings kann in bestimmten Fällen zu einer Veranlagung optiert werden. Zugleich wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 auch der bisherige in § 20 EStG festgelegte Katalog der Einkünfte aus Kapitalvermögen erweitert, so dass nunmehr insbesondere auch die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) vom Begriff der Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst sind und gem. § 43 Abs. 1 EStG i. V. m. § 20 Abs. 2 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen. Die Einkommensteuer/Abgeltungsteuer wird nach der neuen Rechtslage unabhängig von einer Haltefrist der Kapitalanteile im Privatvermögen und ohne andere Vor-
__________ 69 Ebenso Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280 (2284); Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67 (68); Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49 (54 und 56). 70 Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67 (68). 71 Ebenso Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413 (418); Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008 (2007), S. 290 f. 72 Die Abgeltungswirkung gilt nur für natürliche Personen, die die Kapitalanlagen im Privatvermögen halten, nicht jedoch für Kapitalgesellschaften, weil bei diesen alle Einkünfte gem. § 8 Abs. 2 KStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden.
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aussetzungen erhoben73. Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Beteiligung im Ausmaß von mindestens 1 % § 17 EStG Vorrang hat, so dass nicht die Abgeltungsteuer, sondern der individuelle Steuersatz zur Anwendung kommt74. 2. Abgeltungsteuer im Verhältnis zum Art. 13 DBA Der Begriff des Art. 13 DBA „Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen“ wird im DBA nicht definiert, ist aber nach herrschender Auffassung in einem weiten Sinne zu verstehen75. Es gehören dazu insbesondere die Gewinne aus den (Teil-)Veräußerungen, Entnahmen und Enteignungen von Vermögenswerten, Tauschvorgängen sowie Einbringungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Nicht maßgebend ist dabei, unter welche Einkunftsart diese Gewinne nach den innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten subsumiert werden. Derartige Gewinne stellen daher auch dann Veräußerungsgewinne i. S. d. Art. 13 DBA dar, wenn das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaates sie als Kapitaleinkünfte oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb einordnet76. Nach der alten Rechtslage stellten Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften gem. § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG sonstige Einkünfte dar. Abkommensrechtlich waren sie nach herrschender Auffassung den Veräußerungsgewinnen i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA zuzuordnen77. Die Umqualifizierung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 in die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) kann, wie oben dargelegt, nichts an ihrer bisherigen abkommensrechtlichen Zuordnung ändern. Keine Zuordnungsänderung bewirkt auch die Neuregelung des EStG, nach welcher die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften samt den anderen Einkünften aus Kapitalvermögen einer besonderen Abgeltungsteuer unterliegen. Denn Art. 13 DBA ist auf jede Steuer i. S. d. Art. 2 DBA anzuwenden, die auf einen Veräußerungsgewinn in den Vertragsstaaten erhoben wird. Auch dann, wenn der Veräußerungsgewinn einer besonderen Steuer unterworfen wird oder ein besonderer Steuersatz angewendet wird, findet Art. 13 DBA somit Anwendung78.
__________ 73 Nach Eckhoff, Abgeltungsteuer – steuersystematische und verfassungsrechtliche Aspekte, FR 2007, 989 (994) sei dies aus der Perspektive des Leistungsfähigkeitsprinzips zu begrüßen. 74 Brusch, Unternehmensteuerreformgesetz 2008: Abgeltungsteuer, FR 2007, 999 (1000). 75 Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung (2004), Art. 13 MA Tz. 3. 76 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar (2003), Art. 13 Tz. 3; Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung (2004), Art. 13 MA Tz. 125, 135 und 138: So waren die Gewinne i. S. d. § 17 (Gewinne aus der Veräußerung von qualifizierten Beteiligungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb) und § 20 Abs. 2 Nr. 2 (Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenansprüchen als Einkünfte aus Kapitalvermögen) EStG in der Fassung vor dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 als Veräußerungsgewinne i. S. d. Art. 13 DBA anzusehen. 77 Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung (2004), Art. 13 MA Tz. 125. 78 Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung (2004), Art. 13 MA Tz. 8.
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Daraus folgt, dass die Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanteilen nach wie vor Veräußerungsgewinne i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA darstellen79. Im Falle, dass ein in Österreich ansässiger Privatanleger einen Anteil an einer deutschen Kapitalgesellschaft besitzt und diesen anschließend veräußert, kommt Art. 13 Abs. 5 DBA zur Anwendung. Das ausschließliche Besteuerungsrecht für einen allfälligen Veräußerungsgewinn steht demnach Österreich als Ansässigkeitsstaat zu. Deutschland ist von der Besteuerung ausgeschlossen. Wird trotzdem die Abgeltungsteuer in Deutschland von dem Veräußerungsgewinn erhoben, so muss die Erstattung dieser Abgeltungsteuer nach Art. 27 DBA möglich sein80.
VI. Schlussbetrachtung Die in diesem Beitrag beschriebenen – und kritisierten – Regelungen belegen einen Trend in der Entwicklung des Internationalen Steuerrechts: Getrieben von tiefroten Haushaltszahlen wächst die Bereitschaft der einzelnen Fisci, Steuersubstrat, das man in völkervertragsrechtlichen Vereinbarungen einem anderen Staat bereits zugestanden hat, einseitig wieder zu beanspruchen. Im Interesse der Steuerpflichtigen ist dies keinesfalls, geht ihnen doch die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unabdingbare steuerliche Planungssicherheit mehr und mehr verloren. Die zu derartigen Maßnahmen tendierenden Fisci täten daher gut daran, erwartetes, wohl aber nicht nachhaltig erzielbares Steuermehraufkommen gegen eine nachhaltige Beschädigung des Wirtschaftsstandortes abzuwägen.
__________ 79 Ebenso Rodin, Tagungsbericht über das 24. Berliner Steuergespräch zum Thema „Abgeltungsteuer“ am 17.9.2007, S. 23; s. auch Oho/Hagen/Lenz, Zur geplanten Einführung einer Abgeltungsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, DB 2007, 1322 (1326). 80 Rodin, Tagungsbericht über das 24. Berliner Steuergespräch zum Thema „Abgeltungsteuer“ am 17.9.2007, S. 23; Wird die Erstattung verweigert, so bleibt nur der Weg eines Verständigungsverfahrens i. S. d. Art. 25 DBA, um die abkommenswidrige Besteuerung in Deutschland zu beseitigen.
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Die Behandlung einer britischen „Schein“-Limited im deutschen Recht Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Gesellschaftsrechtliche Grundlegung 1. Gründung 2. Organe der Limited 3. Regelmäßige Pflichten der Limited 4. Haftungsfragen a) Haftung der Gesellschaft b) Haftung der Organe der Gesellschaft 5. Insolvenzrecht 6. Vollstreckung von Entscheidungen III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Zwangslöschung 1. Wirkungen der Löschung für die Limited a) … als Restgesellschaft
b) … als Nachfolgegesellschaft 2. Einstehen müssen der Direktoren IV. Ertragsteuerliche Folgen der Zwangslöschung 1. Besteuerung der Limited a) Beginn der Steuerpflicht b) Ende der Steuerpflicht; Besteuerung der Restgesellschaft c) Besteuerung der Gesellschafter 2. Besteuerung der Direktoren – Nachfolgegesellschaft 3. Zustellung von Verwaltungsakten/ Steuerbescheiden V. Fazit
I. Einleitung Im deutschen Geschäftsleben erfreuen sich ausländische Rechtsformen großer Beliebtheit. Das trifft vor allem für die englische Private Company Limited by Shares (im Folgenden kurz: Limited) zu, die mittlerweile in allen Branchen und in jeder Größenordnung anzutreffen ist. Die Gründe für die Wahl der Limited als Rechtsform sind dabei vielfältig1. Das Haftungskapital der Limited beträgt nur 1 £. Attraktiv sind auch die geringen Gründungskosten. Eine Limited ist im Internet schon zu einem Komplettpreis von 260 Euro zu haben. Die Gründung kann innerhalb kürzester Zeit vollzogen werden2. Dabei lässt sich die Limited ebenso flexibel verwenden wie eine GmbH, z. B. als Komplementärin einer Limited & Co. KG3. Als weiterer Vorzug gilt die nach englischem Gesell-
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1 Eine tabellarische Übersicht der Vor- und Nachteile bieten Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2107) an. 2 In der Regel wird die Eintragung innerhalb einer Woche ausgeführt. Teilweise besteht sogar ein 24-Stunden-Eilservice. 3 Als Limited & Co. KG untersteht die Gesellschaft grundsätzlich deutschem Recht, denn nach außen tritt die KG auf. Gleichzeitig richtet sich die Vertretungsbefugnis des Direktors nach britischem Recht, und es besteht keine deutsche Mitbestimmung. Vgl. Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2106); Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 348 ff. mit ausführlicher Besprechung der Ltd. & Co. KG.
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schaftsrecht bestehende Möglichkeit, den Verwaltungssitz problemlos in ein anderes Land zu verlegen4. Auch spielt das deutsche Mitbestimmungsrecht bei einer Limited keine Rolle5. Die für die Limited bekannten besonderen Anteilsgattungen eröffnen Handlungsspielräume, die im deutschen Gesellschaftsrecht so nicht bestehen6. Indessen bilden nicht immer diese an sich unverdächtigen Gründe das Hauptmotiv für die Wahl der Limited. Bei einem Blick auf die Angebote einiger Gründungsagenturen wird schnell klar, worauf es offenbar sonst noch ankommen kann: auf die Ausschaltung von Haftungsrisiken, die „Vermögenssicherung“, die Anonymität bei der Teilnahme am Wirtschaftsleben, die Vermeidung einer „Scheinselbständigkeit“, den Wegfall des Meisterzwangs bei der Erbringung von Handwerksleistungen und zuguterletzt auch auf eine mögliche Steuerersparnis. Als Vorzug der Limited wird dabei u. a. herausgestellt, dass die Gesellschafterliste bei Treuhändergründungen erst ab dem zweiten Jahr einsehbar ist und nicht sämtliche gesellschaftsrechtlichen Vorgänge beurkundungspflichtig sind7. Vor allem die Anteilsübertragung bedarf keiner Beteiligung eines Notars und genießt damit eine besondere „Anonymität“. Die sehr intensive Bewerbung dieser „Vorzüge“ legt außerdem die Vermutung nahe, dass zahlreiche der in Deutschland aktiven Limiteds weder ihr Gewerbe angemeldet haben, noch im Handelsregister eintragen oder den Finanzbehörden bekannt sind. Dabei wird den Verschleierungswilligen die Sache erleichtert, weil sich die Kenntnisse der Behörden und sonstigen mit der Erfassung des Gewerbetreibenden befassten Stellen von der Existenz der Gesellschaft teilweise gegenseitig bedingen. Die Kammerzugehörigkeit der IHK orientiert sich an der Veranlagung zur Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 IHKG). Steuerlich erfasst wird ein Unternehmen, das nicht von sich aus die Erfassung beim Finanzamt betreibt, in der Regel erst über den Handelsregistereintrag bzw. die Gewerbeanmeldung (Gewerbeschein) und die dadurch ausgelösten Mitteilungen an die Finanzbehörden. Die im Verborgenen agierenden Limiteds sind es auch – darf man vermuten, die ihren Verpflichtungen den britischen Registerbehörden gegenüber häufig nicht nachkommen. Die Folge ist dann unter Umständen das sog. striking off the register8 – also die Löschung der Limited aus dem englischen Handelsregister (dem sog. Companies House9). Es stellt sich die Frage, wie mit solchen aus dem Register gelöschten Limiteds in Deutschland umzu-
__________ 4 Sofern nicht das Gesellschaftsrecht des Zielstaats dem entgegensteht. 5 H. M., vgl. Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2102) m. w. N. 6 Vgl. Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2105), die in diesem Zusammenhang auf jene Anteilsgattungen hinweisen, bei denen die Vermögens- zu den Verwaltungsrechten nicht proportional ausgestaltet sind (z. B. tracking stocks oder stapled stocks). 7 Vor allem wenn den Gesellschaftern nach deutschem Recht eine weitere Tätigkeit nicht mehr möglich ist (z. B. bei Insolvenzverschleppung oder Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit), dürfte das die Wahl der Limited als Rechtsform begünstigen. Mitnichten können jedoch etwaige Meldepflichten, die Eintragungspflicht gegenüber der Handwerksrolle oder der Meisterzwang mit einer Limited ausgehebelt werden; vgl. auch Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2108). 8 Nach ss. 1000 ff. des Companies Act 2006. 9 Mit Sitz in Cardiff.
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gehen ist. In diesem Beitrag soll dieser Frage mit besonderem Blick auf das Steuerrecht nachgegangen werden. Aussagen zur Verbreitung der Limited in Deutschland lassen sich nur schwer treffen. In jüngeren Publikationen ist teilweise von 46.000 aktiven Limiteds mit inländischem Verwaltungssitz die Rede10. Beschränkt verwertbare Daten lassen sich der amtlichen Gewerbestatistik entnehmen. Sie erfasst seit Beginn des Jahres 2005 die Limited gesondert unter der Merkmalsgruppe „Rechtsform“. Zwar gehören in diese Gruppe nicht nur britische Limiteds; diese dürften aber den größten Teil ausmachen11. Für die Jahre 2005 bis 2007 ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild: Anmeldungen Rechtsform
Abmeldungen
Limited
GmbH
Limited
GmbH
2005
6.625
81.415
1.814
70.605
2006
8.643
77.530
3.166
67.490
2007
7.463
80.277
4.243
63.096
Das britische Handelsregister (Companies House) sieht sich zu Auskünften über die Anzahl der in Deutschland tätigen Limiteds dagegen nicht in der Lage. Die im Companies House registrierten Gründungen werden nicht nach der Staatsangehörigkeit der Gründer erfasst. Und auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der F.D.P. im Deutschen Bundestag erachtete es die Bundesregierung als unverhältnismäßig, bei allen (ca. 200) Handelsregistern Deutschlands die dort erfassten Zweigniederlassungen von Limiteds in Erfahrung zu bringen12. Als Quelle bleibt daher „nur“ die oben auszugsweise ausgewertete, vom Statistischen Bundesamt regelmäßig veröffentlichte Gewerbeanzeigenstatistik. Aus den dargestellten Zahlen wird jedoch bereits eines deutlich: Nach wie vor ist die GmbH zwar die in Deutschland herrschende Rechtsform. Die Limited wurde in den dargestellten Jahren jedoch häufig als Rechtsform für Unternehmensgründungen in Deutschland genutzt. Vor allem 2006 scheint ein Boomjahr gewesen zu sein.
II. Gesellschaftsrechtliche Grundlegung Auslöser der wachsenden Bedeutung der Limited in Deutschland sind letztlich die Grundfreiheiten des EGV – vor allem die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV. Eine wirksam gegründete Limited kann nach britischem Gesellschaftsrecht problemlos ihren Verwaltungssitz im Ausland – und damit auch
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10 Westhoff, GmbHR 2007, 471 (474); Kußmaul/Ruiner, IStR 2007, 696. Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 44 geht von 30.000 Gesellschaften aus, wohingegen aber nur 5.000 Zweigniederlassungen in den Handelsregistern eingetragen sein sollen! 11 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der F.D.P., BT-Drucks. 16/283, 2. 12 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der F.D.P., BT-Drucks. 16/283, 2 f.
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in Deutschland – nehmen. Deutschen Kapitalgesellschaften ist die Verlegung des Verwaltungssitzes an einen Ort außerhalb Deutschlands zwar seit dem 1.11.2008 ebenfalls erlaubt13. Da nach bisherigem deutschen Gesellschaftsrecht aber die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zur Auflösung der Gesellschaft führte, wurde einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland lange Zeit die Rechtsfähigkeit abgesprochen (sog. Sitztheorie)14. Erst die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Centros15 vom 9.3.1999, Überseering16 vom 5.11.2002 und Inspire Art17 vom 30.9.2003 schränkte diese Wirkung der Sitztheorie ein. Seitdem muss einer nach dem Gesellschaftsstatut eines Mitgliedstaats der EU wirksam gegründeten Gesellschaft die Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland unter der Voraussetzung gestattet werden, dass ihr diese nach dem Gründungsstatut möglich ist. Das britische Gesellschaftsrecht gestattet die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland seit jeher. Die ihren Verwaltungssitz in Deutschland nehmende britische Limited muss selbst dann anerkannt werden, wenn es außer der Gründung an jeglicher Verbindung zum Gründungsstaat fehlt. Die typische Gründung einer Limited zur Aufnahme von Geschäftsaktivitäten in Deutschland ist von vornherein auf diese Konstellation angelegt. Die Gründung als solche erfolgt zwar im Ausland unter Beachtung der dortigen Rechtsvorschriften. Die Gesellschaft nimmt ihren Verwaltungssitz jedoch unmittelbar im Inland und entfaltet hier den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Der gesellschaftsrechtliche Rahmen einer Limited mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland richtet sich aber weiterhin grundsätzlich nach britischem Recht18. Im Einzelnen gilt Folgendes: 1. Gründung Die Gründung einer Limited ist im Wesentlichen im sog. Companies Act geregelt. Maßgebend ist der Companies Act 2006 (CA 2006)19. Zur Gründung müs-
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13 GmbH und AG können ihren Verwaltungssitz außerhalb Deutschlands nehmen; vgl. § 4a GmbHG und § 5 AktG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). Die separate Verlegung des statutarischen Sitzes in das Ausland – mit im Inland verbleibender Geschäftsleitung – ist nach geltendem Recht nicht möglich. Sollte das Handelsregister wider Erwarten den Sitzverlegungsbeschluss eintragen, würde dies zu einer Auflösung der Gesellschaft führen. 14 Auch nach dem MoMiG ist nicht zweifelfrei geklärt, ob nach der Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland internationalprivatrechtlich noch deutsches Recht anwendbar ist. Wäre das infolge der Fortgeltung der Sitztheorie nicht der Fall, könnte es gesellschaftsrechtlich trotz des geänderten § 4a GmbHG und § 5 AktG zum Erlöschen der Gesellschaft kommen. 15 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027. 16 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919 = NJW 2002, 2037. 17 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155 = ZIP 2003, 1885. 18 Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (799). 19 Der Companies Act 2006 tritt nach und nach in Kraft und findet ab Oktober 2009 vollständig Anwendung. Er reformiert den Companies Act 1985.
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sen beim Companies House u. a. das sog. memorandum of association, ein Registrierungsantrag und der Gesellschaftsvertrag eingereicht werden. Der Gesellschaftsvertrag besteht im Wesentlichen aus den sog. articles of association20, die das Innenverhältnis der Limited regeln21. Er bedarf der Schriftform, nicht aber einer notariellen Beurkundung. Das memorandum of association besteht aus der Erklärung, dass die Unterschreibenden eine Gesellschaft gründen und deren Gesellschafter werden wollen22. Im Registrierungsantrag sind der Satzungssitz (registered office)23, die Geschäftsadresse, die Firma und eine evtl. Haftungsbeschränkung mitzuteilen. Anzugeben sind darüber hinaus die Namen der ersten Anteilseigner, des Direktors und des Sekretärs. Liegen die Voraussetzungen vor, wird die Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eingetragen. Dabei überprüft das Companies House die eingegangenen Dokumente nicht auf materielle Richtigkeit. Die Aufbringung der Kapitaleinlage ist nicht Eintragungsvoraussetzung. Die Gesellschaft erhält in der Regel binnen fünf Arbeitstagen eine Bescheinigung über die Eintragung (certificate of incorporation). Das Ausstellungsdatum der Gründungsbescheinigung ist das Gründungsdatum der Gesellschaft. Mit der Eintragung wird die Gesellschaft Träger von Rechten und Pflichten. In Gerichtsverfahren ist sie parteifähig. Die Eintragung der Limited in das britische Companies House hat also konstitutive Wirkung. Eine Vorgesellschaft kennt das englische Recht nicht24. Deutschen Amtsstellen werden zwar weder die Gründung noch eine eventuelle Löschung der Gesellschaft mitgeteilt. Eine Limited, die ihre Tätigkeit in Deutschland ausübt, erfüllt aber in der Regel die Merkmale einer Zweigniederlassung und löst auch in Deutschland gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen aus. Die Zweigniederlassung ist zwingend zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts anzumelden, in dessen Bezirk sie sich befindet (§ 13d Abs. 1
__________ 20 Das sog. memorandum of association bildet ab dem 1.10.2009 nicht mehr Teil des Gesellschaftsvertrags; vgl. Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 32. 21 Kußmaul/Ruiner, IStR 2007, 696. 22 Vor dem Companies Act 2006 war die Bedeutung des memorandum of association größer. Es war Bestandteil der Verfassung der Limited und regelte deren Rechtsverhältnisse mit Dritten; vgl. Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 75 ff. Die diesbezüglichen Inhalte des memorandum of association nach altem Recht finden sich nunmehr in den articles of association wieder: Angaben zur Firma, zum statutarischen Sitz der Gesellschaft, zu deren Unternehmensgegenstand sowie Aussagen zur Haftungsbeschränkung und zum Kapital. Die articles of association bilden damit das Herzstück – die Konstitution – der Limited. Mit der Neuordnung des englischen Gesellschaftsrechts scheint auch die Ultra-viresLehre endgültig aufgegeben worden zu sein (s. zum alten Recht noch Tz. 3.4.2 der Verfügung der OFD Hannover vom 15.4.2005, S 2700 – 2 – StO 241). Ohne ausdrückliche Beschränkung des Unternehmensgegenstands ist dieser künftig als unbeschränkt anzusehen; s. 31 (1) CA 2006. Eine in der constitution vorgesehene Beschränkung wirkt nur im Innenverhältnis der Gesellschaft und gegenüber den Direktoren (s. 171 CA 2006). 23 Der offizielle Schriftverkehr, wie Klagen oder auch die Androhung der Löschung der Gesellschaft werden unter dem registered office zugestellt; vgl. Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (793). 24 Wachter, FR 2006, 358 (362).
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HGB). Das gilt auch dann, wenn sie zugleich die Hauptniederlassung der Limited ist25. Zur Eintragung bedarf es der Vorlage einer (beglaubigten) Bescheinigung des englischen Handelsregisters, häufig auch des Gesellschaftsvertrags sowie der Angabe des Unternehmensgegenstands. Im Falle einer genehmigungsbedürftigen Tätigkeit der Limited im Inland ist allerdings nicht mehr der Nachweis der staatlichen Genehmigung erforderlich (§ 13e Abs. 2 HGB)26. Für die gesetzlichen Vertreter der Limited gelten in Bezug auf die Zweigniederlassung § 76 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG sowie § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG entsprechend. Wer wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist, kann deshalb auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Vertreter der Gesellschaft sein. Die Mitglieder des board of directors müssen eine Versicherung abgeben, wonach ein Bestellungshindernis dieser Art nicht besteht (§ 13e Abs. 3 HGB)27. Im Übrigen gilt für die Beurteilung der Vertretungsverhältnisse der Limited englisches Gesellschaftsrecht, so dass insbesondere Aussagen zum Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 BGB) nicht eintragungsfähig sind28. Kommt die Gesellschaft ihren Verpflichtungen gegenüber dem deutschen Handelsregister nicht nach, kann das Registergericht sie durch Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die für die Anmeldung verantwortliche(n) Person(en) – üblicherweise den Direktor bzw. das board of directors – erzwingen (§ 14 HGB). Weiterreichende materiell-rechtliche Wirkungen entfaltet die fehlende Eintragung der Limited in das Handelsregister nicht. Vor allem unterliegen die Direktoren keiner persönlichen Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG29. Bei unvollständigen oder unrichtigen Eintragungen hilft dagegen die Vorschrift des durch das MoMiG neu eingeführten § 15a HGB weiter. Wenn die Übermittlung einer Willenserklärung unter der eingetragenen Anschrift der Zweigniederlassung der Limited oder an eine für Zustellungen empfangsberechtigte Person nicht möglich ist, kann sie im Wege der öffentlichen Zustellung erfolgen30. Das bringt gerade gegenüber Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsform eine erhebliche Erleichterung im Geschäftsverkehr. Im Ergebnis ist die Gründung einer Limited also relativ einfach zu erreichen. Gegen geringes Entgelt kann sie auch als Dienstleistung erworben werden.
__________ 25 Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 44. 26 § 13 Abs. 2 Satz 2 HGB wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026) geändert. 27 Zur Rechtslage vor MoMiG s. Beschluss des BGH v. 7.5.2007 – II ZB 7/06, BB 2007, 1640; kritisch aus europarechtlichen Gründen Kußmaul/Ruiner, IStR 2007, 696 (698); vgl. auch den Überblick bei Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 51 f. 28 Vgl. Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 45 ff. 29 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 = BB 2005, 1016; Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 42, 63. 30 Zuständig ist das AG, in dessen Bezirk sich die eingetragene inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft befindet.
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Rund um die Gründung von Limiteds hat sich ein regelrechter Markt entwickelt. Als Plattform hebt sich vor allem das Internet hervor31. 2. Organe der Limited Organe32 der Limited sind der Direktor, der Sekretär und die Gesellschafter. Der Direktor ist zur Geschäftsführung der Limited berufen; mehrere Direktoren sind im board of directors zusammengefasst. Mindestens ein Direktor muss eine natürliche Person sein (s. 155 (1) CA 2006). Der Direktor unterliegt bestimmten Sorgfalts- und Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft. Er muss stets im Interesse der Limited handeln und sich an die ihm zugewiesenen Befugnisse halten. Im Rahmen seiner Geschäftsführung hat er u. a. die Bücher der Gesellschaft zu führen, den Jahresabschluss zu erstellen und die jährlichen Meldeverpflichtungen gegenüber dem Companies House zu erfüllen33. Während sich der Direktor dem Management widmet, übernimmt der Sekretär hauptsächlich administrative und beratende Aufgaben. Insoweit ist auch er Organ der Limited im weiteren Sinne. Für die Pflichten des Sekretärs kennt das britische Recht keine gesetzlichen Vorgaben. Jede Gesellschaft kann dessen Aufgaben nach ihren Bedürfnissen definieren. Häufig werden die Aufgaben des Sekretärs bei ausschließlich in Deutschland tätigen kleineren Limiteds durch den zur Gründung eingeschalteten britischen Anwalt wahrgenommen. Die Gesellschafter sind Träger der Limited. In der Gesellschafterversammlung wirken sie maßgeblich auf die Geschicke der Gesellschaft ein (bspw. durch die Ernennung des Direktors oder die Bestätigung des Jahresabschlusses). 3. Regelmäßige Pflichten der Limited Die Limited unterliegt regelmäßigen Publizitäts- und Rechnungslegungsverpflichtungen. In Deutschland etwa haben deren gesetzliche Vertreter den Jahresabschluss beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen. Dabei ist streitig, ob nach deutschem oder britischem Recht Rechnung zu legen ist34. Das hängt internationalprivatrechtlich davon ab, ob sich die Rechnungslegungsverpflichtung der Limited nach dem Gesellschaftsstatut richtet oder öffentlich-rechtlich qualifiziert. Im letzteren Falle gelangten §§ 238 ff. HGB zur An-
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31 Im Internet konkurrieren zahlreiche Anbieter. Dabei wird der Interessent in der Regel nicht über Gebühr mit den „juristischen Details“ belästigt, sondern mehr oder weniger schnell vor die Wahl der Gründungs- bzw. Rechtsformvarianten gestellt. Es wird der Eindruck erweckt, dass einige wenige „Mausklicks“ zum Erwerb der Limited genügten. 32 Der Begriff „Organ“ wird nachfolgend in einem weiteren Sinne benutzt. Denn der Direktor ist nicht Organ im engeren Sinne, sondern vielmehr Vertreter bzw. Treuhänder der Limited. Ein am deutschen Recht orientiertes Verständnis vom Begriff „Organ“ würde diesem Umstand nicht gerecht werden. 33 Zum Ganzen s. auch Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 156 ff. 34 Vgl. Müller, BB 2006, 837 (842); Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2103); Kußmaul/ Ruiner, IStR 2007, 696 (697); Wachter, FR 2006, 393 (394 f.); zum Streitstand auch Korts/Korts, BB 2008, 1474 (1475).
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wendung, und es käme wohl auf die Kaufmannseigenschaft der Limited an. Die herrschende Meinung scheint jedoch von einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation auszugehen35, so dass britisches Recht anwendbar ist. Der Abschluss nach britischem Recht ist dann gem. §§ 325a, 325, 328, 329 Abs. 1 HGB offenzulegen. Das gilt auch, wenn die Limited ihre geschäftlichen Aktivitäten ausschließlich in Deutschland entfaltet. Nach § 325a HGB ist zwar nur die Zweigniederlassung und nicht auch die Hauptniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit (statutarischem) Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Offenlegung verpflichtet. Als Folge der europäischen Zweigniederlassungsrichtlinie ist jedoch die inländische Niederlassung am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes ebenfalls als Zweigniederlassung zu behandeln und unterliegt den Vorschriften, durch die die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde – also in Deutschland dem § 325a HGB36. Unabhängig von den in Deutschland zu erfüllenden Verpflichtungen hat die Limited dem britischen Handelsregister (Companies House) in jedem Fall jährlich ihren sog. annual return und ihren annual account zu übermitteln. Denn die Rechnungslegungsverpflichtung nach britischem Recht besteht fort, auch wenn die Limited ihren Verwaltungssitz im Ausland nimmt und in England nicht (mehr) der Körperschaftsteuer unterliegt37. Der annual return besteht neben der Angabe des aktuellen Satzungssitzes, einer Übersicht über die für die Gesellschaft handelnden Personen und gegebenenfalls den Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen der Gesellschaft aus allen weiteren gegenüber dem Companies House anzeigepflichtigen Ereignissen des Berichtsjahrs. Der annual account setzt sich im Regelfall aus dem Geschäftsbericht der Direktoren, der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, den Anmerkungen und dem Testat eines Wirtschaftsprüfers zusammen38. Der annual account ist spätestens 21 Monate nach Gründung der Limited und danach jährlich39 einzureichen. Die Verletzung der Publizitätspflichten dem Companies House gegenüber ist es, die die in diesem Beitrag behandelte Löschung der Limited aus dem Register bewirken kann. Die Publizitätspflichten werden vom Companies House sehr ernst genommen. Das hat einen guten Grund: Das englische Recht versteht die Publizität als „Eintrittsgeld“ für die Haftungsbeschränkung40. Das Companies House besitzt verschiedene Sanktionsmöglichkeiten, um die Publizitätspflichten der Limited durchzusetzen: eine gerichtliche Aufforderung zum
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Vgl. Graf/Bisle, IStR 2004, 873 f. m. w. N. Graf/Bisle, IStR 2004, 873 (874). Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (799 f.); Wachter, FR 2006, 393 (395 f.). Kleinere und als „dormant“ geltende Gesellschaften unterliegen allerdings nicht der Prüfungspflicht bzw. können sich von dieser befreien lassen. Für ausschließlich im Ausland (z. B. Deutschland) tätige Gesellschaften ist strittig, ob sie sich ebenfalls auf diese Ausnahme berufen können; vgl. Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (795 f.). 39 Innerhalb von neun Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahrs; vgl. ss. 441 ff. CA 2006. 40 Müller, BB 2006, 837 (842).
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Einreichen der vorgeschriebenen Dokumente, die Auferlegung von Geldstrafen gegenüber den Vertretern der Gesellschaft, Geldstrafen gegenüber der Limited oder die gerichtliche Anordnung gegenüber den Direktoren, die mindestens dreimal wegen Nichteinreichung der Unterlagen verurteilt worden sind, das Amt des Direktors für einen Zeitraum bis zu fünf Jahren nicht mehr auszuüben. Am Gewichtigsten ist allerdings die zwangsweise Auflösung und Löschung der Gesellschaft aus dem Companies House. Von der Löschung macht das Companies House dann Gebrauch, wenn die Limited bzw. ihre Organe auf Schreiben des Gesellschaftsregisters nicht reagieren und der Registerführer annehmen muss, dass die Limited keine Geschäfte mehr betreibt. Die im Vereinigten Königreich befindlichen Vermögensgegenstände und Rechte der Gesellschaft gehen dann im Zeitpunkt der Löschung auf die britische Krone über41. Allerdings kann jeder Gläubiger die Überführung des behördlichen Amtslöschungsverfahrens in eine gerichtliche Zwangsabwicklung (winding up by the court) beantragen, um so seine Befriedigung zu erreichen. Das Gericht kann die Abwicklung nicht mangels Masse zur Deckung der Verfahrenskosten ablehnen. Die Löschung ist nicht selten dem Umstand geschuldet, dass die inländischen Gründungsagenturen ihren Dienst einstellen und somit zwangsläufig die von ihnen auftragsweise übernommene Wahrnehmung der Publizitätspflichten der von ihnen betreuten Limiteds vernachlässigen. Unter dem britischen Satzungssitz (Firmensitz) zugestellte Schriftstücke gelangen dann nicht mehr an die Gesellschafter, so dass diese vom Schicksal ihrer Gesellschaft häufig erst sehr spät oder nie Kenntnis erlangen. 4. Haftungsfragen a) Haftung der Gesellschaft In erster Linie steht für die Verbindlichkeiten und Verpflichtungen einer Limited diese selbst als eigenständige juristische Person mit ihrem Vermögen ein. Zu ihrem Vermögen gehören auch die Einlagen der Gesellschafter. Die Einlageverpflichtung gegenüber der Limited ist allerdings nicht mit jener gegenüber einer GmbH zu vergleichen. Ein Mindestkapital gibt es nicht. Es können häufig sowohl Geld- als auch Sachwerte zur Erfüllung der Einlageverpflichtung auf die Limited übertragen werden. Eine Einlagebewertung ist dabei in der Regel nicht erforderlich42. Die Erfüllung der Einlageverpflichtung ist auch nicht Eintragungsvoraussetzung43. Wohl aber besteht eine strenge Ausschüttungssperre für die Limited, so dass Dividenden nur aus realisierten Gewinnen gespeist werden dürfen44.
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41 Müller, BB 2006, 837 (842). 42 Siehe auch Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2102), wonach offenbar sogar Dienstleistungen eingelegt werden können. 43 Das ist allerdings bei public companies anders. Auch nach dem Companies Act 2006 liegt das Mindesteigenkapital hier bei 50.000 £; vgl. Thole, Der Konzern 2008, 402 (404). 44 Vgl. Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2102).
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Die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft tritt nach britischem Recht nicht per Gesetz, sondern erst durch eine entsprechende Vereinbarung der Gesellschafter ein, die im Gesellschaftsvertrag Ausdruck findet45. Sie ist mit Erteilung der Gründungsurkunde wirksam. Danach schützt der Unternehmensmantel (veil of incorporation) die Gesellschafter vor einer weiteren Inanspruchnahme für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Im Ergebnis können sich die Gesellschafter einer Limited somit durch die sehr geringen Einlageanforderungen relativ günstig und schnell von der eigenen Haftung „freikaufen“. Der Preis für die geringen Kapitalanforderungen sind im Wesentlichen die verschärften Publizitätspflichten, die das britische Gesellschaftsrecht der Limited auferlegt. Jede auch unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes wichtige Information ist dem Companies House mitzuteilen und kann dort praktisch von jedermann abgefragt werden46. b) Haftung der Organe der Gesellschaft Die gesellschaftsvertragliche Haftungsbeschränkung auf die Einlage schützt die Direktoren und Gesellschafter einer Limited nicht in allen Fällen davor, mit ihrem eigenen Vermögen einstehen zu müssen. Die Haftungstatbestände richten sich dabei ebenfalls in erster Linie nach britischem Recht. Vor allem für Fälle eines Fehlverhaltens der Gesellschafter ordnet das britische Recht die Durchgriffshaftung und eine damit einhergehende Inanspruchnahme des Privatvermögens der Gesellschafter (lifting/piercing the corporate veil) an. Die Gesellschafter müssen die Gesellschaft missbräuchlich oder in betrügerischer Absicht verwendet haben. Dagegen spielt der Aspekt der Unterkapitalisierung der Gesellschaft keine große Rolle47. Der Missbrauch kann z. B. in einer Instrumentalisierung der Limited für Zwecke der Gesellschafter bestehen, wobei die Limited im Interesse der Gesellschafter (als Fassade) vorgeschoben wird. Auf eine Fremdunüblichkeit des auf diese Weise abgeschlossenen Geschäfts kommt es nicht an. Es kann durchaus zu marktüblichen Konditionen zustande gekommen sein. Der Durchgriff auf die Gesellschafter bezieht sich dann auf das jeweilige Geschäft, das unter missbräuchlicher Nutzung der Limited eingegangen wurde. Von dieser Durchgriffshaftung machen die britischen Gerichte in der Praxis nur selten Gebrauch. Auch die persönliche Haftung eines Direktors setzt nach britischem Gesellschaftsrecht dessen Fehlverhalten voraus. Eine Haftung kommt z. B. in Betracht, wenn der Direktor in der Krise (Insolvenz) der Limited pflichtwidrig
__________ 45 Thole, Der Konzern 2008, 402. 46 Dem Companies House mitzuteilen sind z. B. auch Sicherheiten, die einem Gläubiger aus Gesellschaftseigentum eingeräumt werden; vgl. Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (794). 47 Auch in Konzernsachverhalten gibt es in der Regel weder einen rechtlichen noch einen tatsächlichen Rückhalt bei der Konzernmutter; vgl. Thole, Der Konzern 2008, 402 (403 f.). Zur Verhaltenshaftung s. sogleich.
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den Gläubigerinteressen zuwider handelt. Ferner haftet der Direktor für die Verletzung von Treue- oder Sorgfaltspflichten oder bei Abschluss eines Geschäfts, das nicht zum Geschäftsgegenstand der Limited gehört. Diese Haftung trifft auch Personen, die nach außen hin lediglich als Direktor auftreten, tatsächlich aber keine entsprechenden Befugnisse haben – z. B. den aus dem Hintergrund auf den Direktor einwirkenden einflussreichen Gesellschafter (sog. shadow director)48. Der pflichtwidrig Handelnde hat der Gesellschaft den entstanden Schaden zu ersetzen sowie einen Gewinn herauszugeben, den er selbst durch den Vorgang erwirtschaftet hat49. Neben dem gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiko britischen Rechts trifft die Direktoren einer in Deutschland agierenden Limited ein zusätzliches Haftungsrisiko nach deutschem Deliktsrecht. Denn Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen dem Recht des Staats, in dem der Ersatzpflichtige deliktisch gehandelt hat (Art. 40 Abs. 1 EGBGB). Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten ist in dieser vom Gründungsrecht abweichenden internationalprivatrechtlichen Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht zu sehen, da sich die Limited insoweit – wie jede andere in Deutschland aktive Person auch – dem hier geltenden „allgemeinen Verkehrsrecht“ unterwerfen muss50. Und auch aus Art. 43 Abs. 2 EGV folgt, dass die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten bzw. die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für dessen eigene Angehörige umfasst. Die Grundfreiheiten verschaffen dem Niederlassungswilligen also keinen Sonderstatus. Auslösendes Element der Haftung sind auch deliktsrechtlich vor allem individuelle Verhaltensfehler der Gesellschafter oder Direktoren51. Auf deren formale gesellschaftsrechtliche Stellung kommt es weniger an. So kommt eine persönliche Haftung der Gesellschafter oder Direktoren einer EU-Auslandsgesellschaft nicht schon deshalb in Betracht, weil diese ihrer Verpflichtung zur Eintragung der Zweigniederlassung im Inland nicht nachkommt52. Es bedarf vielmehr einer weiteren Sorgfaltsbzw. Pflichtverletzung oder eines zusätzlichen Fehlverhaltens im Sinne eines den Schaden verursachenden Ereignisses. Steuerlich trifft die Direktoren darüber hinaus die Vertreterhaftung nach § 69 AO. Die Direktoren sind die gesetzlichen Vertreter der Limited i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO und haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haften,
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48 Hier setzt auch eine evtl. Haftung eines Konzernmutterunternehmens für seine Tochterunternehmen ein, wenn das Mutterunternehmen über das übliche Maß hinaus auf die Geschäfte der Tochterunternehmen Einfluss nimmt. Vgl. Thole, Der Konzern 2008, 402 (406). 49 Vgl. Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 166, 172. 50 Vgl. Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205). Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 93, 346 weist in diesem Zusammenhang auf die Existenzvernichtungshaftung nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BB 2007, 1970) hin. 51 Siehe BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 = BB 2005, 1016 hinsichtlich der Haftung eines Gesellschaftergeschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten „seiner“ Gesellschaft. 52 Wachter, FR 2006, 358.
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soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Gesellschaft infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. 5. Insolvenzrecht Während sich die gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten der Limited nach britischem Recht richten, ist dies für das Insolvenzrecht anders. Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird dieser zwar bis zum Beweis des Gegenteils am Ort des satzungsmäßigen Sitzes vermutet (vgl. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO)53. Im Falle einer ausschließlich in Deutschland aktiven Limited dürfte der Beweis des Gegenteils aber ohne weiteres gelingen. Dabei spricht viel dafür, dass sich nicht nur das Insolvenzantragsrecht, sondern auch die Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht nach der lex fori concursus richten. Immerhin hat das Insolvenzverfahren zum Ziel, die Verfahrenseröffnung im Interesse der Gläubiger zu einem Zeitpunkt zu erreichen, zu dem noch ausreichende Masse vorhanden ist. Neugläubiger sollen davor geschützt werden, mit einer notleidenden Gesellschaft Verträge abzuschließen. Zwischen dem Insolvenzantragsrecht, das traditionell als insolvenzrechtlich eingeordnet wird, und der Insolvenzantragspflicht besteht eine enge Verbindung. Das hat den Gesetzgeber auch veranlasst, die bisher in § 64 Abs. 1 GmbHG geregelte Insolvenzantragspflicht nunmehr in § 15a InsO aufzunehmen54. Die Vertreter einer Limited mit Hauptniederlassung in Deutschland sind also nach § 15a InsO bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet, den Insolvenzantrag bei dem zuständigen deutschen Gericht zu stellen. Das Insolvenzverfahren ist nach dem Recht des Staats abzuwickeln, im dem es eröffnet wird (§ 335 InsO; Art. 4 Abs. 1 EuInsVO), also bei einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren nach deutschem Recht. 6. Vollstreckung von Entscheidungen Der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung55 ist zu entnehmen, wo Ansprüche gegen die Limited geltend gemacht und vollstreckt
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53 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160 2000, 1). 54 § 64 Abs. 1 GmbHG wurde durch das MoMiG aufgehoben und § 15a in die InsO eingefügt. Damit signalisiert der Gesetzgeber klar die insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzantragspflicht (s. BT-Drucks. 16/6140, 55). Zum alten Recht s. bereits Kußmaul/Ruiner, IStR 2007, 696 (699); für eine gesellschaftsrechtliche Anknüpfung hingegen Müller, BB 2006, 837 (839). 55 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (ABl. EG Nr. L 12 2001, 1) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO).
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werden können. Im Falle einer Limited mit Hauptniederlassung in Deutschland dürfte die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig sein (Art. 5 Nr. 5 EuGVO), wobei für Klagen wegen der Auflösung einer Limited oder der Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe ausschließlich die englische Gerichtsbarkeit zuständig ist (vgl. Art. 22 Nr. 2 EuGVO). Die EuGVO betrifft ferner die Anerkennung und Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat.
III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Zwangslöschung Besteht für das Companies House Grund zu der Annahme, dass eine Gesellschaft ihre Geschäfte nicht mehr ausübt bzw. nicht mehr aktiv ist und damit nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnimmt, kann es die Löschung dieser Gesellschaft aus dem Register veranlassen. Häufigster Grund für die Löschung aus dem britischen Gesellschaftsregister ist die Verletzung der Publizitätspflichten. Sie veranlasst das Companies House zu der Annahme, dass die Gesellschaft nicht mehr geschäftlich aktiv ist. Deshalb fordert der Registerführer die Gesellschaft zunächst schriftlich auf, zu erklären, ob sie ihre Geschäfte noch ausübt56. Erhält er keine Antwort bzw. wird von der Gesellschaft die Nichtfortführung der Geschäfte angezeigt, droht er öffentlich in der Gazette57 die Streichung und Auflösung der Gesellschaft an. Nach Ablauf von drei Monaten kann die Gesellschaft endgültig aus dem Register gestrichen werden. Die Streichung ist ebenfalls in der Gazette bekannt zu machen. Mit Veröffentlichung gilt die Gesellschaft als erloschen58. Ausländische Behörden werden über die Löschung nicht informiert. Bei der Streichung aus dem Register wegen Inaktivität der Limited handelt es sich um eine Löschung ohne Liquidation59. Eine Limited, die aus dem Handelsregister gelöscht wurde, kann zwar bei berechtigtem Interesse wiederhergestellt werden (sog. restoration)60. Hierzu bedarf es eines Antrags der Gesellschaft und einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung. Das britische Gesellschaftsrecht lässt die Wiedereintragung in das Companies House noch innerhalb von 6 Jahren61 nach der Löschung zu. Das Verfahren kostet jedoch etwa 1.000 £ an Gerichtskosten und Gebühren. Wegen dieser hohen Kosten besteht bei den ehemaligen Gesellschaftern oft keine Neigung, von der Wiedereintragung Gebrauch zu machen. Stattdessen wird gelegentlich eine neue Limited unter dem Namen der Altgesellschaft gegründet62. Hierbei handelt es
__________ 56 Dies geschieht durch zweimalige schriftliche Aufforderung mit einer Erklärungsfrist von jeweils einem Monat, wobei die letzte Aufforderung per Einschreiben und unter Androhung der Löschung erfolgt. 57 Die Gazette ist das britische Amtsblatt. Einmal wöchentlich enthält sie eine Beilage mit gesellschaftsrechtlichen Bekanntmachungen. 58 S. 1000 (6) CA 2006. 59 Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 330 ff. 60 Ss. 1024 ff. CA 2006. 61 S. 1024 (4) CA 2006. 62 Die Neugründung ist mit ca. 260 £ (s. o.) deutlich günstiger.
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sich um einen Rechtsträger, der mit der gelöschten Limited nicht identisch ist. Die unterschiedliche Identität ist leicht anhand der Handelsregisternummern (Company-Nr.) zu erkennen, da das Companies House diese nur einmal vergibt. 1. Wirkungen der Löschung für die Limited a) … als Restgesellschaft Mit der Löschung der Limited fallen deren Vermögensgegenstände und Rechte an die britische Krone63. Die Vermögensgegenstände werden als sog. bona vacantia erachtet, d. h. sie gelten als herrenlos. Der Vermögensübergang auf die britische Krone betrifft freilich nicht die Verpflichtungen der Gesellschaft bzw. deren Haftung. Diese erlöschen vielmehr, und es könnte zu einer Übervorteilung der Gläubiger der Limited kommen. Um diesen Zustand nicht eintreten zu lassen, steht den Gläubigern der Limited das Recht auf eine gerichtliche Zwangsabwicklung der an sich schon gelöschten Gesellschaft zu. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Zwangsabwicklung der Limited wird durch die Löschung also nicht beschnitten. Die besondere Rücksichtnahme des britischen Rechts auf Gläubigerinteressen lässt sich auch an den Vorschriften zur freiwilligen Löschung der Limited erkennen. Die Organe einer Limited können zwar die freiwillige Löschung bewirken. Diese Möglichkeit ist unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes jedoch beschnitten. Vor allem die weitere Teilnahme der Limited am Wirtschaftsleben schließt eine von den Organen der Gesellschaft betriebene Löschung aus. Ebenso sind Maßnahmen gegen die Gesellschaft nach dem Insolvency Act geeignet, deren „freiwillige“ Löschung zu verhindern64. Damit ist sichergestellt, dass die Limited jedenfalls zu Abwicklungszwecken noch als solche fortbesteht. Und um diesen Schutz effektiv gewährleisten zu können, hat die Gesellschaft im Falle einer freiwilligen Auflösung allen potentiell Betroffenen innerhalb von sieben Tagen eine Kopie des Antrags auf freiwillige Löschung zu übermitteln. Zum geschützten Personenkreis zählen u. a.: die Anteilseigner, die Arbeitnehmer, die Gläubiger und die Vertreter von Alterssicherungseinrichtungen der Gesellschaft65. Ausländische Vermögensgegenstände und Rechte – und damit auch der Vermögensbestand in Deutschland – sind von der im britischen Gesellschaftsrecht angeordneten Herrenlosigkeit nicht betroffen. Dies dürfte sich schon aus dem Umstand ergeben, dass die Anordnung der Herrenlosigkeit von Vermögensgegenständen verbunden mit einem Vermögensanfall der Krone kollisionsrechtlich nur auf britischem Territorium belegenes Vermögen betreffen kann
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63 S. 1012 CA 2006. 64 Ss. 1003 ff. CA 2006. 65 S. 1006 CA 2006 betrifft die zum Antragszeitpunkt vorhandenen und s. 1007 CA 2006 die nach Antragstellung neu hinzukommenden schutzwürdigen Personen. Die Gesellschaft muss nach dem Antrag auf Löschung beim Companies House jeden künftigen Vertragspartner von diesem Antrag in Kenntnis setzen.
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(Art. 43 Abs. 1 EGBGB)66. Damit stellt sich die Frage, welches Schicksal das inländische Vermögen der gelöschten Limited nimmt. Für deutsche Verhältnisse ist die Löschung der Limited zwar grundsätzlich anzuerkennen. Allerdings gilt eine gelöschte Gesellschaft nach hiesigem Rechtsverständnis solange als fortbestehend, wie sie noch Vermögen hat (Restgesellschaft)67. Das muss auch für eine gelöschte britische Limited gelten. Nur auf diese Weise kann eine geordnete Abwicklung der Gesellschaft ermöglicht werden. Dabei untersteht die Restgesellschaft als Überbleibsel der Limited allerdings weiterhin britischem Gesellschaftsrecht und ist nicht etwa als GmbH-Restgesellschaft einzustufen68. Das ist zwar ungewöhnlich und weicht hinsichtlich der Fortbestehensfiktion auch von der rechtlichen Beurteilung der Limited in ihrem Sitzstaat ab. Noch ungewöhnlicher wäre es aber, in der gelöschten Limited nunmehr eine GmbH zu sehen und sie ausschließlich deutschem Recht zu unterstellen. Immerhin besteht für die gelöschte Limited ja noch die Möglichkeit, nach britischem Recht im Wege der restoration wiederzuerstarken. Die Abwicklung der Restgesellschaft liegt im Zweifel in den Händen eines zu bestellenden Liquidators69. Die Weiterführung der Limited im Sinne einer fortgesetzten werbenden Tätigkeit und einer uneingeschränkten weiteren Teilnahme am Geschäftsleben ist damit jedoch nicht verbunden. Sie ist weder dem Liquidator gestattet, noch sind die bisherigen Direktoren dazu nach deutschem oder britischem Gesellschaftsrecht befugt. Abwicklung bedeutet die Liquidation und Verteilung des Vermögens der Limited und nicht mehr. Die Bestellung des Liquidators erfolgt nach den Grundsätzen, unter denen in Deutschland eine Nachtragsliquidation abzuwickeln ist.
__________ 66 Vgl. Beschluss des OLG Jena v. 22.8.2007 – 6 W 244/07, IStR 2007, 825; Krömker/ Otte, BB 2008, 964. Hiervon geht offenbar auch der Treasury Solicitor in seinen „Guidelines about the Assets of Dissolved Companies that have vested in the Crown as bona vacantia“ Punkt 12 aus, indem er für ausländische assets keine zuständige (britische) Jurisdiktion erkennt. A. A. Beschluss des AG Charlottenburg v. 7.11.2008 – 99 AR 3845/08 mit Vorlage an den EuGH (Rechtssache C-497/08). 67 § 273 Abs. 4 AktG, § 69 Abs. 1 GmbHG; Krömker/Otte, BB 2008, 964; vgl. OLG Jena v. 22.8.2007 – 6 W 244/07, IStR 2007, 825. 68 Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (802 f.); ebenso Krömker/Otte, BB 2008, 964 (965), die zurecht auf den Aspekt der Niederlassungsfreiheit in diesem Zusammenhang hinweisen. 69 Die Lehre von der Restgesellschaft geht zwar von einer Kontinuität der Organe nach den Regeln des „alten“ Gesellschaftsstatus aus. Ein ungeprüftes Fortbestehen der Organstellung der bisherigen Direktoren der Limited ist jedoch angesichts ihrer Versäumnisse nicht angebracht. Es ist ein Nachtragsliquidator zu bestellen; vgl. OLG Jena v. 22.8.2007 – 6 W 244/07, IStR 2007, 825. Im Ergebnis wie hier Krömker/Otte, BB 2008, 964 (965 f.); a. A. Beitzke in FS für Ballerstedt, 185, der der Bestellung von „Notorganen“ den Vorzug gibt. Schulz, NZG 2005, 415 und Großfeld in Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 372 halten die Bestellung eines Abwesenheitspflegers für sinnvoll.
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b) … als Nachfolgegesellschaft Bei fortgesetzt werbender Tätigkeit der deutschen Zweigniederlassung der ehemaligen Limited bleibt nichtsdestotrotz die Frage, wem diese Aktivitäten bzw. die damit einhergehenden Rechtshandlungen zuzurechnen sind. Die Restgesellschaft der Limited jedenfalls kommt als Zurechnungssubjekt nicht in Frage. Die Geschäfte werden zwar in der Regel durch die schon vor der Löschung für die Limited handelnden Personen – also die Direktoren – fortgeführt. Ihnen fehlt aber die Befugnis, im Namen der Limited weiterhin Geschäfte abzuschließen. Es liefe den Gläubigerinteressen zuwider, die Limited bzw. deren Restgesellschaft über den eigentlichen Abwicklungszweck hinaus als Zurechnungssubjekt fortbestehen zu lassen. Die Akteure könnten sich auf einfachem Wege und folgenlos über das für sie in diesem Fall geltende britische Gesellschaftsrecht hinwegsetzen. Der Abwicklungszweck gebietet es deshalb, die Rechtshandlungen des fortgesetzten Geschäftsbetriebs nicht zu Lasten des Vermögens der gelöschten Limited wirken zu lassen. Ebenso wenig wie die Rechtshandlungen der Direktoren für die Limited wirken, vermögen sie deren Gesellschafter zu binden. Nicht zu ihnen, sondern zur Limited hatten die Direktoren vor der Löschung ein Vertretungsverhältnis. Die Gesellschafter können vermutlich von den diversen „Organen“ der Limited am wenigsten für deren rechtlichen „Zustand“. Vor allem gehört es nicht zu ihren Aufgaben, die Direktoren zu überwachen. Können die Rechtshandlungen weder der Limited noch den Gesellschaftern zugerechnet werden, dann bleibt nur die Haftung der handelnden Personen selbst70. Dabei spielt sich die Haftung der Direktoren auf zwei Ebenen ab. Indem die Direktoren das Vermögen der Limited auch nach der Löschung werbend weiterverwenden, handeln sie nicht nur ohne Vertretungsmacht für die Restgesellschaft, sondern im Einzelfall sogar gegen die Interessen der (Alt-) Gläubiger. Sie müssen der Restgesellschaft deshalb für den Schaden einstehen, der durch eine evtl. Verringerung der Haftungsmasse entsteht. Im Ergebnis darf das zur Verteilung bzw. Befriedigung der Altgläubiger zur Verfügung stehende Vermögen der Limited nicht durch die fortgesetzten Handlungen der Direktoren geschmälert werden. Den Neugläubigern gegenüber wird man das weitere geschäftliche Handeln der Direktoren dagegen nach allgemeinen vertragsrechtlichen Kriterien zu beurteilen haben. Die Direktoren haften zwar im normalen Geschäftsbetrieb der Limited nicht gegenüber Dritten. Vor allem § 11 Abs. 2 GmbHG findet keine Anwendung. Dies berührt indes nicht die Haftung der Direktoren als vollmachtlose Vertreter nach § 179 BGB71. Die Tatbestände der Rechtsscheinhaf-
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70 Just, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl., Rz. 333. 71 Fraglich ist allerdings, inwieweit die §§ 164 ff. BGB durch das britische Recht und die dort vorgesehene Möglichkeit zur rückwirkenden „restoration“ der Limited überlagert werden. Die restoration führt dazu, dass die Löschung als nicht geschehen gilt. Die Rechtshandlungen der Direktoren sind dann (wieder) der Limited zuzurechnen, soweit die Direktoren in der Zeit nach der Löschung in deren und nicht im eigenen Namen gehandelt haben.
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tung bilden Teil des deutschen allgemeinen Verkehrsrechts und richten sich damit nicht nach dem Gesellschaftsstatut, sondern nach dem Recht am Ort der Handlung72. Die Direktoren müssen die Rechtshandlungen nach Löschung der Limited gegen sich persönlich gelten lassen. Im Zweifel stehen mehrere Direktoren als Gesamtschuldner für die eingegangenen Verpflichtungen ein. Erfolgt das Handeln auf der Grundlage entsprechender Abreden der Direktoren untereinander, verpflichten sich diese als BGB-Gesellschaft, die man durchaus auch als Nachfolgegesellschaft bezeichnen kann. Im Schrifttum wird zwar vereinzelt angenommen, bei der Nachfolgegesellschaft handele es sich um eine Kapitalgesellschaft73. Die Rechtsform der Nachfolgegesellschaft ist indessen eine Frage des Einzelfalls, und es kommt – wie bei jeder Unternehmensgründung – maßgeblich auf den Willen der Unternehmensgründer an74. An einem Willen der Direktoren zur Gründung einer Kapitalgesellschaft wird es aber in den allermeisten Fällen fehlen. Denn häufig bleibt diesen schon die Löschung der alten Kapitalgesellschaft – der Limited – verborgen, und die alltäglichen Geschäfte werden fortgeführt, als wäre nichts geschehen. In der bloßen Fortführung der werbenden Tätigkeit aber kann keine Inkorporation im Sinne der Gründung einer neuen Körperschaft gesehen werden, ganz abgesehen davon, dass es an den erforderlichen Formalien – sowohl für eine inländische als auch für eine ausländische körperschaftliche Rechtsform – gänzlich fehlen dürfte. Ein einleuchtender Grund, hierauf im vorliegenden Fall zu verzichten, besteht nicht. 2. Einstehen müssen der Direktoren Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass es die löschungsbedingte „Verwandlung“ der Limited in eine womöglich personenidentische Nachfolge(kapital)gesellschaft nicht gibt75. Die Limited endet mit ihrer Löschung und wird in Deutschland allenfalls noch zu Liquidationszwecken künstlich als (Abwicklungs-)Restgesellschaft am Leben erhalten. Die fortgesetzten geschäftlichen Aktivitäten der Direktoren stellen aus Sicht der Restgesellschaft ein Handeln ohne Vertretungsmacht dar. Sie entsprechen in der Regel auch nicht den Interessen der Altgläubiger der Restgesellschaft und führen deshalb gegebenenfalls zu Schadenersatzansprüchen, denen sich die Direktoren als Gesamtschuldner ausgesetzt sehen. Vor allem die Weiterverwendung des an sich der Befriedigung der Altgläubiger dienenden Vermögens der Limited kann diese Rechtsfolge auslösen.
__________ 72 Ulmer, NJW 2004, 2101 (1205, 1210). 73 Vgl. die Darstellung bei Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (806 f.). 74 Bekanntermaßen bildet aber jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe, es sei denn, dass er nach Art oder Umfang keines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs bedarf (vgl. § 1 Abs. 2 HGB). 75 A. A. offenbar Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (811 ff.), die nicht erläutern, ob und wenn ja wie es zum Übergang des Vermögens der ehemaligen Limited auf die Nachfolgegesellschaft kommen soll. Die europarechtlichen Fragen, die Zimmer/ Naendrup aufwerfen, sind Folge der fehlenden Unterscheidung zwischen den verschiedenen Zurechnungsebenen.
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Gleichzeitig bilden die Direktoren gegenüber den Neugläubigern eine Haftungsgemeinschaft. Diese Haftungsgemeinschaft kann man getrost als die Nachfolgegesellschaft bezeichnen. Sie besteht parallel zur Restgesellschaft und ist von dieser personenverschiedenen. Auch ist sie nicht deren Rechtsnachfolger, sondern im Gegenteil als Gemeinschaft der Direktoren u. U. deren Schuldner im deliktischen Sinne. Beginn und Ende dieser Haftungsgemeinschaft hängen nicht notwendigerweise vom Bestand der Limited ab. Denn die Haftungsgemeinschaft der Direktoren kann als eigenständige Gesellschaft auch mit Außenwirkung76 auftreten. Eine restoration der Limited hebt die Nachfolgegesellschaft ebenso wenig auf, wie sie durch die Löschung der Limited begründet wurde.
IV. Ertragsteuerliche Folgen der Zwangslöschung 1. Besteuerung der Limited a) Beginn der Steuerpflicht Eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft unterliegt der dortigen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, wobei alle im englischen Companies House registrierten Gesellschaften als in England ansässig gelten. Aber auch nach deutschem Recht ist die Limited unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland hat. Als einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbare Gesellschaft ergibt sich die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Limited aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG77. Zudem ist die Limited nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig78. Sie ist damit doppeltansässig. Die „Tie-Breaker-Regelung“ nach Art. II Abs. 1 Buchstabe h Punkt (iii) DBA GB löst diesen Konflikt auf und weist Deutschland das Besteuerungsrecht zu, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung (place of effective management) der Limited in Deutschland befindet79. Die inländische Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG beginnt mit der Aushändigung der Gründungsurkunde durch das britische Gesellschaftsregister, wenn die Limited ihre Geschäftstätigkeit unmittelbar in Deutschland aufnimmt. Verlegt die Gesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung erst später nach Deutschland, entsteht die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht zum
__________ 76 Als Außengesellschaft tritt die Nachfolgegesellschaft allerdings erst in Erscheinung, wenn die Direktoren dies ausdrücklich so wollen. 77 Vgl. Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (411 ff.). 78 Vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.5.2005, BStBl. I 2005, 727. 79 Die Limited gilt dann aus englischer Sicht als non-resident, vgl. Korts/Korts, BB 2008, 1474 (1475); Wachter, FR 2006, 358 (367 f.); Graf/Bisle, IStR 2004, 838 (839).
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Zeitpunkt der Verlegung80. Die Eintragung der Zweigniederlassung der Limited in das deutsche Handelsregister ist keine Voraussetzung für die Begründung der (unbeschränkten) inländischen Steuerpflicht81. Das Ereignis, das den Beginn der inländischen Steuerpflicht der Limited auslöst, ist gem. § 137 AO dem zuständigen Finanzamt (§ 20 AO) innerhalb eines Monats mitzuteilen. Grundsätzlich sind dem Finanzamt hierzu die Gründungsurkunde, der Gesellschaftsvertrag und ein britischer Handelsregisterauszug vorzulegen82. Praktisch bedeutet die unbeschränkte Steuerpflicht der Limited in Deutschland deren weitgehende Gleichstellung mit einer inländischen GmbH. Die unbeschränkte Steuerpflicht der Limited ergibt sich – wie gesehen – aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Sie hat dann wegen § 8 Abs. 2 KStG nur gewerbliche Einkünfte83. Außerdem gelten für sie die Regeln der verdeckten Gewinnausschüttungen, und § 8c KStG (Verlustabzugsbeschränkung) findet Anwendung. Die Limited kann auch als Organträger fungieren. Denn Organträger kann jede nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. d. § 1 KStG mit Geschäftsleitung im Inland sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Dagegen ist für sie die Stellung als Organgesellschaft ausgeschlossen, da das Körperschaftsteuerrecht bislang einen doppelten Inlandsbezug fordert84. Für die inländische Gewinnermittlung sind die normalen Gewinnermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts anzuwenden. Unklar ist, ob die Gewinnermittlung immer im Wege des Bestandsvergleichs zu erfolgen hat. Die Verpflichtung der Limited zu einem Abschluss nach deutschem Handelsrecht ist – wie gesehen85 – strittig. Die Finanzverwaltung geht zwar von einer solchen Verpflichtung aus86, so dass die deutsche Handelsbilanz gem. § 140 AO auch für die Besteuerung nutzbar gemacht werden kann. Teile der Literatur bestreiten eine solche Verpflichtung aber, und § 140 AO hilft nicht weiter87. Es gelangt § 141 AO zur Anwendung, und erst bei Umsätzen von mehr als 500.000 Euro im Kalenderjahr oder einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von
__________ 80 Vgl. u. a. Graffe in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 1 Tz. 103. Ob die Ansässigkeit der Limited in Deutschland diese davon entbindet, auch eine britische Steuererklärung abzugehen, ist strittig. Für eine fortbestehende Erklärungspflicht: Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2104); dagegen: Wachter, FR 2006, 358 (367 f.). 81 Wachter, FR 2006, 358 (362). 82 Vgl. Tz. 3.8.4.1 der Verfügung der OFD Hannover vom 28.2.2007 (S 2700 – 2 – StO 242). Zur Frage, ob ein deutscher Handelsregisterauszug verlangt werden kann, vgl. Wachter, FR 2006, 358 (362). 83 Geier, Der Konzern 2006, 421 (422). 84 Sitz und Ort der Geschäftsleitung müssen sich im Inland befinden (§§ 17, 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). 85 Siehe II.3. 86 Siehe Tz. 1.1.3.2 des BMF, Schr. v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076; Tz. 3.8.5 der Verfügung der OFD Hannover v. 28.2.2007 – S 2700 – 2 – StO 242. 87 Als von einer handelsrechtlichen Verpflichtung abgeleitete Buchführungspflicht ergibt die Anwendung des § 140 AO nur Sinn, wenn die diesbezügliche Buchführung steuerlich verwertbar ist. Der für die britische Limited zu erstellende Abschluss nach englischem Recht kann der deutschen steuerlichen Gewinnermittlung aber nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Ebenso Wachter, FR 2006, 393 (400).
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mehr als 50.000 Euro im Wirtschaftsjahr besteht eine originär steuerliche Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen. §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1 und §§ 243 bis 256 HGB gelten sinngemäß, sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt88. Unterhalb der Buchführungsgrenzen nach § 141 AO stellt sich die Frage, ob die Limited eine Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorlegen kann. Wachter verneint dies unter Hinweis auf den Wortlaut des § 4 Abs. 3 EStG. Die Anwendbarkeit dieser Regelung fordere, dass der Steuerpflichtige nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sein dürfe, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen. Die Limited aber führe tatsächlich Bücher und erstelle Abschlüsse, wenn auch „nur“ nach englischem Recht. Die Gewinnermittlung müsse deshalb im Wege eines Bestandsvergleichs unter Heranziehung handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung erfolgen; die englische Buchführung sei überzuleiten (§ 60 Abs. 2 EStDV)89. b) Ende der Steuerpflicht; Besteuerung der Restgesellschaft Die deutsche Steuerpflicht ist an den gesellschaftsrechtlichen Fortbestand der Limited und an entsprechende inländische („steuerbare“) Aktivitäten geknüpft. Die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung ins Ausland kann deshalb zur Beendigung der Steuerpflicht in Deutschland ohne Auflösung bzw. Beendigung der Gesellschaft führen, wenn sich danach keine beschränkte Steuerpflicht (§§ 49 ff. EStG) im Inland mehr ergibt. Das Ende der Steuerpflicht ist hier ausschließlich die Folge einer Verlagerung der steuerlich relevanten Aktivitäten der Gesellschaft90. Gesellschaftsrechtlich kann eine Limited auf verschiedene Weise beendet werden, u. a. durch die hier besprochene Zwangslöschung im britischen Register (striking off the register). Die Körperschaftsteuerpflicht der Limited endet damit allerdings nicht91. Denn als Steuersubjekt besteht die Limited solange fort, wie sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat (Restgesellschaft). Das Besteuerungsverfahren richtet sich dann, wie bei einer GmbH auch, grundsätzlich nach § 11 KStG. Freilich kann die Sonderregelung des § 11 KStG nur in Anspruch genommen werden, wenn es tatsächlich um die Abwicklung der Gesellschaft geht92. Dem Abwicklungszweck widerspricht es mit der Folge einer Beendigung der Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG, wenn die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit fortsetzt oder wieder aufnimmt. Zwar können zur Beendigung der Gesellschaft erforderliche Neugeschäfte noch abgeschlossen werden. Keineswegs darf es aber zur Aufnahme des normalen Geschäftsbetriebs im bisherigen Umfang kommen. Die Fortführung des bisherigen Geschäftsbetriebs durch die Direktoren löst allerdings nicht das Ende
__________ 88 89 90 91 92
Zum Ganzen s. auch Wachter, FR 2006, 393 (398 f.). Wachter, FR 2006, 393 (399 ff.). Zu diesem Sachverhalt s. auch Graf/Bisle, IStR 2004, 838 (839). Vgl. R 51 Abs. 2 Satz 4 KStR 2004. Graffe in Doetsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 11 Tz. 14.
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der Liquidationsbesteuerung aus93. Denn die Direktoren verlieren mit der Zwangslöschung jegliche Vertretungsbefugnisse für die Limited. Sie haften persönlich für die neu eingegangenen Verpflichtungen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie nach außen hin unverändert unter dem Namen der Limited auftreten. Der Rechtsschein einer intakten und handlungsfähigen Limited, der die Rechtshandlungen der Direktoren zugerechnet werden könnten, existiert nicht. Er ist durch die Löschung der Limited aus dem britischen Register zerstört. Die Löschung erfolgte in diversen in der Gazette veröffentlichten Verfahrensschritten. Die Geschäftspartner einer Limited sind nach britischem Rechtsverständnis verpflichtet, sich über die Verhältnisse der Gesellschaft eigenständig auf dem Laufenden zu halten. Nicht zuletzt diesem Zweck dienen ja auch die umfänglichen Publizitätspflichten der Limited dem Companies House gegenüber, deren Opfer die Rechtsfähigkeit der Limited schlussendlich wurde. Der Limited stehen allerdings gesellschaftsrechtlich Schadenersatzansprüche gegen die Direktoren zu, soweit diese den normalen Geschäftsbetrieb weiterführen und dabei das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft schmälern. Die Vermögensminderung tritt zwar nicht bereits durch die Schuldverhältnisse ein, die die Direktoren im Zuge der fortgesetzten Geschäftstätigkeit eingehen. Denn mangels Vertretungsbefugnis können die Direktoren nicht die Limited, sondern nur sich selbst verpflichten. Zu einer Überschneidung der Rechtskreise von Limited und Direktoren kommt es jedoch durch die nachfolgenden Erfüllungsgeschäfte. Den Direktoren gehört nämlich das Vermögen nicht, über das zu verfügen sie sich verpflichten. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen müssen sie es der Limited entziehen. Freilich dürfte dieses Entziehen nicht so zu verstehen sein, dass es einem Rechteerwerb der Geschäftspartner der Direktoren entgegensteht. Ein nach dem Recht am Belegenheitsort (der rei lex sitae) – also in der Regel nach §§ 932 ff. BGB – vorgesehener Gutglaubenserwerb an den verfügten Gegenständen sollte möglich sein. Immerhin betrachtet das britische Gesellschaftsrecht die Vermögensgegenstände und Rechte der Limited nach deren Löschung ja als bona vacantia und damit herrenlos. Das ebnet den Weg, die Hürde des § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB zu nehmen und zu einem Gutglaubenserwerb der „Neugläubiger“ zu kommen. Die durch den Gutglaubenserwerb entstehenden Schadenersatzansprüche der Limited gegen die Direktoren sind ihrerseits wiederum Teil des Gesellschaftsvermögens und unterliegen der Abwicklung. Sie sind mit dem Verkehrswert der entzogenen Vermögensgegenstände anzusetzen und führen zur Aufdeckung stiller Reserven. Die fortgesetzten Geschäftsaktivitäten der Direktoren können auch zugunsten des Gesellschaftsvermögens ausfallen. Ebenso selbstverständlich, wie sich die Direktoren der Vermögensgegenstände und Rechte bemächtigen, werden sie möglicherweise die Schulden der Limited mit ihrem eigenen zwischenzeitlich erwirtschafteten Vermögen tilgen. Diese Rechtshandlungen sind aus Sicht der
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93 Das Problem des fortgesetzten Geschäftsbetriebs kann sich allerdings im Rahmen der Nachtragsliquidation ergeben, wenn der vom Gericht bestellte Nachtragsliquidator über den reinen Abwicklungszweck hinaus tätig wird.
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Limited und ihrer Vertragspartner die Leistung eines Dritten. Ihnen wird man, da erkennbar auf die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten der Limited gerichtet, eine Erfüllungswirkung nicht abstreiten können. Allerdings bleiben den Gläubigern neben § 267 BGB sämtliche vertraglichen und quasivertraglichen Rechte gegen die Limited erhalten. Das gilt insbesondere für die Rechte aus Leistungsstörung. Die steuerliche Würdigung der fortgesetzten Geschäftsaktivitäten wird in der Regel den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben folgen. Die Schadenersatzansprüche der Limited gegen ihre ehemaligen Direktoren führen also zur Aufdeckung stiller Reserven und zu entsprechenden Gewinnen der Limited. Die Erfüllung von Verbindlichkeiten der Limited läuft bilanziell auf einen Aktiv-PassivTausch hinaus, wenn sie unter Nutzung des Vermögens der Limited erfolgt; eine Ergebniswirkung entsteht in der Regel also nicht. Tilgen die Direktoren die Verbindlichkeiten der Limited aus ihrem eignen Vermögen bzw. dem Vermögen der Nachfolgegesellschaft, wird sich die Limited statt der ursprünglichen Verbindlichkeit einem Aufwendungsersatzanspruch der Direktoren ausgesetzt sehen. Bilanziell wird also lediglich die ursprüngliche Verbindlichkeit gegen eine neue Verpflichtung den Direktoren gegenüber ausgetauscht. Sind die Direktoren gleichzeitig Gesellschafter der Limited, kann es sich bei der Vermögensminderung infolge des fortgesetzten Geschäftsbetriebs steuerlich um eine verdeckte Gewinnausschüttung handeln94. Die Schadenersatzforderung der Gesellschaft ist dann eine Einlageforderung95. c) Besteuerung der Gesellschafter Die Gesellschafter sind mit den von der Limited erhaltenen Ausschüttungen steuerpflichtig. Für natürliche Person mit inländischem Wohnsitz besteht diese Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG, für Körperschaften nach § 1 Abs. 1 KStG. Sie erstreckt sich für Gesellschafter, die Direktoren der Limited sind bzw. waren, auch auf verdeckt erhaltene Gewinnausschüttungen – etwa infol-
__________ 94 In der Tendenz ebenso Geier, Der Konzern 2006, 421 (423), der allerdings von einer Sachauskehrung aller Wirtschaftsgüter im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung spricht. M. E. kann von einem das gesamte Vermögen der Limited betreffenden „Bemächtigungsakt“ der Direktoren in der Regel nicht ausgegangen werden. Denn in den seltensten Fällen wollen die Direktoren sich selbst das Eigentum am Vermögen der Limited verschaffen. Zur Annahme einer Vermögensminderung, wie sie für eine verdeckte Gewinnausschüttung erforderlich ist, bedarf es aber in der Regel einer entsprechenden (wirksamen) Vermögensdisposition. 95 Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann nicht rückgängig gemacht werden; vgl. BFH v. 10.3.1993 – I R 51/92, BFHE 171, 58 = BStBl. II 1993, 635; v. 25.5.2004 – VIII R 4/01, BFH/NV 2005, 105 = FR 2005, 199. Zivilrechtliche Ansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, die sich aus einem als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizierenden Vorgang ergeben, sind als Einlageforderung gegen den Gesellschafter zu behandeln und nicht geeignet, die durch die vorangegangene verdeckte Gewinnausschüttung eintretende Vermögensminderung auszugleichen (BFH v. 13.9.1989 – I R 41/86, BFHE 158, 338 = BStBl. II 1989, 1029; v. 29.5.1996 – I R 118/93, BFHE 180, 405 = BStBl. II 1997, 92).
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ge fortgesetzter Geschäftstätigkeit unter Verwendung von Gesellschaftsvermögen der Limited. Die Ausschüttungen der Limited an ihre Gesellschafter unterliegen der deutschen Kapitalertragsteuer. Die Limited hat ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland, so dass eine Pflicht zur Abführung von Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 43a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG entsteht96. Die Kapitalertragsteuerpflicht betrifft auch die verdeckten Gewinnausschüttungen. Die Vorschriften zur Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer sind zu beachten; § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eröffnet allerdings die Möglichkeit, auf Antrag von der Abgeltungswirkung abzusehen. Im Falle der Veräußerung seiner Beteiligung an der Limited unterliegt der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter mit dem Veräußerungsgewinn der Besteuerung. Diese richtet sich bei Beteiligungen im Privatvermögen von unter 1 % nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, ansonsten nach § 17 EStG. Der Ausfall des Anteilseigners mit einem kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen führt dabei nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG auf die Beteiligung an der Limited97. Denn die Limited ist nicht in allen Belangen einer deutschen GmbH gleichzustellen. Der Eigenkapitalersatzcharakter des Darlehens kann nur nach dem für die Gesellschaft geltenden Recht, d. h. nach britischem Gesellschaftsrecht beantwortet werden. Dies aber kennt ein Eigenkapitalersatzrecht deutscher Prägung nicht98. Im Betriebsvermögen ist der Veräußerungserlös Teil des Betriebsergebnisses und wird nach dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchstabe a EStG bzw. nach § 8b Abs. 2 KStG zum Teil freigestellt. 2. Besteuerung der Direktoren – Nachfolgegesellschaft Die Direktoren bilden nach der Löschung der Limited die Gemeinschaft der Handelnden und Haftenden, wenn durch sie die bisherigen Geschäftsaktivitäten der Limited uneingeschränkt fortgesetzt werden. Sie sind damit unternehmerisch tätig. Mehrere Direktoren können in der Regel zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks handeln und eine Personengesellschaft (§ 705 BGB) bilden. Die Personengesellschaft ist Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG99. Betreibt sie einen Gewerbebetrieb, ist sie zugleich Steuerschuldner gem. § 5
__________ 96 Korts/Korts, BB 2008, 1474 (1476); Wachter, FR 2006, 393 (401). 97 FG Rheinland-Pfalz vom 22.6.2004 (2 K 2455/02); Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2106); Pung/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG, Tz. 151g; Tz. 3.10 der Verfügung der OFD Hannover vom 28.2.2007 (S 2700 – 2 – StO 242); kritisch Wachter, FR 2006, 393 (402). 98 §§ 32a und 32b GmbHG wurden durch das MoMiG im Übrigen aufgehoben. Stattdessen werden Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig befriedigt. Auch im deutschen Gesellschaftsrecht wurde damit das Konzept der kapitalersetzenden Darlehen aufgegeben. 99 A 16 Abs. 2 UStR. Allerdings entsteht ein umsatzsteuerliches Problem, wenn die Direktoren unverändert im Namen der Limited handeln und unter deren Steuernummer Rechnungen ausstellen.
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Abs. 1 Satz 3 GewStG. Die Art der von den Direktoren als Gesellschafter der Personengesellschaft erzielten Einkünfte hängt vom Einzelfall ab. In der Regel dürfte es sich um Gewinneinkünfte i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG handeln, und die Gesellschaft bildet eine Mitunternehmerschaft. Sind die Direktoren zugleich Gesellschafter der Limited, vereinnahmen sie aus der unberechtigten Verwendung des Gesellschaftsvermögens der Limited gegebenenfalls verdeckte Gewinnausschüttungen. Die Beteiligungen der Gesellschafter-Direktoren an der Limited sind dann u. U. Sonderbetriebsvermögen der Nachfolgegesellschaft. Bei einem Direktor, der den Geschäftsbetrieb der Limited als Einzelunternehmen fortführt, kann es sich bei der Beteiligung an der Limited um notwendiges Betriebsvermögen handeln. Denn indem sich die Nachfolgegesellschaft uneingeschränkt der Vermögensgegenstände und Schulden der Limited bedient, steht sie zu dieser in einer intensiven und bis zur Vollbeendigung auch dauerhaften Beziehung100. Die Verwendung des Vermögens der Limited verschafft der Nachfolgegesellschaft überhaupt erst deren Handlungsfähigkeit. Die verdeckten Gewinnausschüttungen der Limited an die Direktoren fließen dann in das Betriebsvermögen der Nachfolgegesellschaft und unterliegen dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG. Der Abgeltungsteuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG findet keine Anwendung. 3. Zustellung von Verwaltungsakten/Steuerbescheiden Die Festsetzung der Ertragsteuern erfolgt durch Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 AO). Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO). Das ist im Falle der Restgesellschaft der gesetzliche Vertreter der Limited, im Zweifel also der Nachtragsliquidator. Bei Fortführung der laufenden Geschäfte der Limited handelt ein einzelner Direktor für sich selbst; sind mehrere Direktoren vorhanden, bilden sie u. U. eine Nachfolgegesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft, und jeder der Direktoren ist vertretungsbefugt. Da ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO), muss die jeweilige Behörde bei Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes über die Rechtsverhältnisse der Limited im Bilde sein. Die erforderlichen Informationen sind verhältnismäßig einfach zu beschaffen. Das Companies House erlaubt Online-Abfragen über das Internet101. Die örtlich zuständige Finanzbehörde ergibt sich nach allgemeinen Regeln. Umsatzsteuerlich sind allerdings Besonderheiten infolge des § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 1 Abs. 1 UStZustV zu beachten. Für in Großbritannien ansässige Unternehmer ist nämlich grundsätzlich das FA Hannover-Nord zuständig. Die
__________ 100 Siehe für Betriebsaufspaltungen BFH v. 26.8.2005 – X B 98/05, BStBl. II 2005, 833; für Genossenschaftsanteile BFH v. 4.2.1998 – XI R 45/97, BStBl. II 1998, 301. 101 Unter www.companieshouse.gov.uk.
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Finanzverwaltung versteht die UStZustV so, dass sie grundsätzlich auch auf eine Gesellschaft mit statutarischem Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland Anwendung findet. Denn die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO gilt bereits dann, wenn sich auch nur ein Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Kriterien Wohnsitz (§ 8 AO), Sitz (§ 11 AO) oder Geschäftsleitung (§ 19 AO) im Ausland befindet. § 21 Abs. 1 Satz 2 AO hat folglich Vorrang vor § 21 Abs. 1 Satz 1 AO und ist auch zu beachten, wenn der Unternehmer im Inland zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer zu veranlagen ist. In diesen Fällen soll jedoch eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO herbeigeführt werden, wenn der Unternehmer allein oder überwiegend im Inland tätig ist102. Die Zuständigkeit für die Umsatzbesteuerung soll dann im Regelfall bei dem Finanzamt angesiedelt werden, das auch für die Festsetzung der Ertragsteuern zuständig ist. Die Zuständigkeit für die Ertragsbesteuerung ist in § 20 Abs. 1 AO geregelt. Danach ist das Finanzamt für die Besteuerung örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Ort der Geschäftsleitung der Limited befindet.
V. Fazit Jedem Geschäftstreibenden und jeder öffentlichen Stelle, die mit einer britischen Limited zu tun haben, kann nur empfohlen werden, sich in regelmäßigen Abständen über den rechtlichen (und wirtschaftlichen) Zustand der Limited auf dem Laufenden zu halten. Eine Limited ist nur solange ein „vollwertiger“ Geschäftspartner, wie sie im britischen Companies House eingetragen ist und nicht gelöscht wurde. Die löschungsbedingte „Umwandlung“ der Limited in eine personenidentische Nachfolge(Kapital)gesellschaft gibt es nicht. Die Limited endet mit ihrer Löschung und kann in Deutschland nur noch zu Liquidationszwecken am Leben erhalten werden. Für sie kann dann nur ein eigens bestellter Nachtragsliquidator rechtswirksam handeln. Die bisherigen Direktoren haben keine Vertretungsbefugnis mehr. Ihre fortgesetzten geschäftlichen Aktivitäten stellen aus Sicht der gelöschten Limited ein Handeln ohne Vertretungsmacht dar, das im Zweifel auch den Interessen der Altgläubiger der Limited zuwider läuft und zu Schadenersatzansprüchen gegen die Direktoren als Gesamtschuldner führen kann. Ungeachtet dessen bilden die Direktoren gegenüber den Neugläubigern eine eigene Haftungsgemeinschaft, die parallel zur Restgesellschaft besteht und von dieser personenverschiedenen ist. Beginn und Ende dieser Haftungsgemeinschaft hängen nicht notwendigerweise vom Bestand der Limited ab. Die Geschäftspartner der ehemaligen Limited sowie öffentliche Stellen sollten diesem Umstand Rechnung tragen. Mit den für eigene Rechnung handelnden
__________ 102 A. A. Wachter, FR 2006, 393 (404), der für die im Inland ansässige Limited von einem grundsätzlichen Gleichlauf der Zuständigkeiten für die Umsatz- und die Ertragsbesteuerung beim Finanzamt am Ort der Geschäftsleitung ausgeht.
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Direktoren steht ihnen ein Anderer gegenüber. Es handelt keine Körperschaft mehr, sondern natürliche Personen bzw. eine Personengesellschaft. Die Direktoren haften auch insoweit persönlich für die Folgen ihres Tuns. Steuerlich dürften mehrere Direktoren in der Regel als Mitunternehmerschaft anzusehen sein. Umsatzsteuerlich entsteht das Problem, dass Rechnungen unter der Steuernummer der gelöschten Limited gegebenenfalls den Vorsteuerabzug des Vertragspartners gefährden. Die Finanzbehörden stehen vor der Aufgabe, die einzelnen Rechtshandlungen nach Löschung der Limited dem richtigen Steuerpflichtigen zuzuordnen und ausstehende Steuerbescheide den richtigen Adressaten zuzustellen. Im Zweifel ist die Gemeinschaft der Direktoren als Mitunternehmerschaft der richtige Ansprechpartner.
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Das SEStEG im Überblick Entstrickung und Verstrickung sowie neues Umwandlungssteuerrecht
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf 1. Europarechtliche Regelungen 2. EuGH-Rechtsprechung 3. Unsichere Rechtslage bei Entstrickung III. Europäisierung vs. Globalisierung IV. Entstrickung 1. Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG 2. Entstrickung nach § 12 KStG
3. Entstrickung nach dem Umwandlungssteuergesetz 4. Entstrickung bei Sitzverlegung einer Gesellschaft nach § 17 Abs. 5 EStG 5. Entstrickung bei Wegzug des Gesellschafters nach § 6 AStG 6. Besonderheiten für die Entstrickung bei Anteilen an Kapitalgesellschaften V. Verstrickung VI. Sonstige Änderungen des SEStEG VII. Schlussbemerkung
I. Vorbemerkung Der Gesetzgeber hat Ende 2006 das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) verabschiedet. Mit einer neuen Entstrickungs- und Verstrickungskonzeption sowie einer Anpassung des Umwandlungssteuerrechts passt sich der deutsche Steuergesetzgeber den verbesserten gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten grenzüberschreitender Umstrukturierungen an und trägt gleichzeitig den Anforderungen des Europarechts nach der Rechtsprechung des EuGH Rechnung. Harald Schaumburg hat sich bereits frühzeitig mit diesem Fragenkomplex auseinandergesetzt und dafür geworben, die im nationalen Steuerrecht nur lückenhaft geregelten Entstrickungsfälle nach einem geschlossenen Konzept zu regeln1. Dabei hat er sich von seiner systematischen Herangehensweise deutlich als Schüler seines Lehrmeisters Klaus Tipke erwiesen. Mit der nachfolgenden Darstellung soll daher der Versuch unternommen werden, die Grundentscheidungen des Gesetzgebers in diesem Regelungskomplex der grenzüberschreitenden Sachverhalte deutlich zu machen.
__________ 1 Harald Schaumburg, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 2000.
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II. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf Die europäische Fusionsrichtlinie vom 23.7.19902 sah bereits vor, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen, Einbringungen von Unternehmensteilen und der Austausch von Anteilen unter bestimmten Voraussetzungen steuerneutral möglich sein müssen. Der deutsche Gesetzgeber hatte dies bisher weitgehend nicht umgesetzt, da die handelsrechtlichen Voraussetzungen für derartige Umstrukturierungen nicht gegeben waren. Durch das Gesetz zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28.10.19943 wurden lediglich die steuerneutrale Einbringung von Unternehmensteilen (§ 23 Abs. 1 bis 3 UmwStG a. F.) und der Austausch von Anteilen (§ 23 Abs. 4 UmwStG a. F.) geregelt. Durch europarechtliche Regelungen auf gesellschaftsrechtlichem und steuerrechtlichem Gebiet wurde in den letzten Jahren der Weg für nationale steuerrechtliche Regelungen zur neutralen grenzüberschreitenden Umstrukturierung freigemacht. Daneben zwang die jüngere EuGH-Rechtsprechung zu Anpassungen und schließlich erforderte die Sicherung des deutschen Steuersubstrats eine systematische in sich geschlossene Konzeption der Entstrickung. 1. Europarechtliche Regelungen Durch die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001 wurde die Europa AG (Societas Europaea, SE) als neue Gesellschaftsform eingeführt. Die SE-Verordnung schaffte mit ihrem Inkrafttreten am 8.10.2004 erstmals die gesellschaftsrechtliche Grundlage für grenzüberschreitende Umwandlungen in Bezug auf die europäische Aktiengesellschaft. Die Verschmelzungsrichtlinie vom 26.10.20054 erweiterte die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verschmelzung auf alle EU-Kapitalgesellschaften. Die Fusionsrichtlinie wurde unter dem 7.2.20055 dahingehend geändert, dass u. a. die Sitzverlegung einer SE in einen anderen Mitgliedsstaat sowie die grenzüberschreitende Abspaltung von Unternehmensteilen zusätzlich aufgenommen wurden. 2. EuGH-Rechtsprechung In der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant6 erkannte der EuGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn allein der Wegzug innerhalb der EU eine Gewinnrealisierung auslöse. Die Regelung betraf zwar die französische Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen, sie hat jedoch auch Bedeutung für die deutsche Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG, weil die beiden Regelun-
__________ 2 3 4 5 6
ABl. EG Nr. L 252, 1. BGBl. I 1994, 3267. ABl. EG Nr. L 310, 1. ABl. EG Nr. L 58, 19. EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02, GmbHR 2004, 504.
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gen gleichermaßen an den Wegzug natürlicher Personen steuerrechtliche Nachteile knüpfen. Darüber hinaus stellte sich die Frage, ob diese EuGH-Entscheidung ebenfalls Bedeutung für den Wegzug von juristischen Personen und den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer habe. 3. Unsichere Rechtslage bei Entstrickung Ein geschlossenes Entstrickungskonzept, wonach stille Reserven zu besteuern sind, wenn sie dem deutschen Besteuerungsrecht entzogen werden bzw. ihre Besteuerung eingeschränkt wird, existierte bislang im deutschen Steuerrecht nicht. Es gab lediglich gesetzliche Einzeltatbestände, die jedoch nicht aufeinander abgestimmt waren. Der BFH hatte zwar mit der sog. finalen Entnahmetheorie7 einen Ersatzrealisationstatbestand geschaffen; sie wurde jedoch in der Fachliteratur8 in Frage gestellt und zum Teil als überholt9 angesehen.
III. Europäisierung vs. Globalisierung Ursprünglich war vorgesehen, die Maßnahmen des SEStEG global auszurichten, das heißt die Steuerneutralität nicht auf innereuropäische Umstrukturierungsmaßnahmen zu beschränken. Die Unsicherheit, sich dann mit außereuropäischem Recht befassen zu müssen, führte dazu, dass die Steuerneutralität nur bei innereuropäischen Umstrukturierungsmaßnahmen vorgesehen werden sollte. Bei diesem Ansatz wurde jedoch sehr schnell deutlich, dass man die Möglichkeit steuerneutraler Umstrukturierungen mit Auslandsbezug gegenüber dem geltenden Recht einschränken würde. Am Ende dieser Diskussion stand im Grundsatz eine europäische Lösung (unter Einschluss des EWR) mit ergänzenden Regelungen, die ausnahmsweise Umstrukturierungen mit Drittlandsbezug steuerneutral zuließen. Die nachfolgenden Vorgänge sind hiernach ausnahmsweise global angelegt: – Fusion zweier Körperschaften in einem Drittstaat mit deutscher Betriebsstätte, § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG – Fusion zweier Körperschaften in einem Drittstaat mit deutschem Anteilseigner, § 12 Abs. 2 KStG, § 13 UmwStG – Einbringung von Betrieben und Mitunternehmeranteilen durch Drittstaatler in den Grenzen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG – Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG unter Beteiligung von Rechtsträgern aus einem Drittstaat – Anteilstausch mit Drittstaatsbezug hinsichtlich des übertragenden Rechtsträgers sowie der getauschten Anteile, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 21 UmwStG.
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7 Vgl. z. B. BFH v. 16.7.1969, BStBl. II 1970, 175; v. 14.6.1988, BStBl. II 1989, 187. 8 Vgl. z. B. Buciek, DStZ 2000, 636. 9 Vgl. z. B. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481.
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IV. Entstrickung Nachdem die Entstrickung bisher nicht durchgängig im deutschen Steuerrecht geregelt war, wurde durch das SEStEG nunmehr die Entstrickung nach einem einheitlichen Konzept für den betrieblichen Bereich normiert. Danach findet grundsätzlich eine Besteuerung statt, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen oder beschränkt wird; die entsprechenden Regelungen finden sich im Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Umwandlungssteuergesetz. Daneben wird die Entstrickung ebenfalls für Privatvermögen im Einkommensteuergesetz und Außensteuergesetz – in modifizierter Form – festgeschrieben. 1. Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG stehen der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts einer Entnahme gleich. Der Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts wird z. B. angenommen werden müssen, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem deutschen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird, deren Gewinn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der inländischen Besteuerung freigestellt ist. Die Konsequenz einer Gewinnrealisierung wurde in diesen Fällen gleich in mehrfacher Hinsicht kritisiert. Zum einen wurde kritisiert, dass die Grundfreiheiten verletzt10 würden, weil der entsprechende innerdeutsche Fall keine derartige Rechtsfolge auslöse und daher – insbesondere vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung in der Rs. de Lasteyrie du Saillant – nur eine nachgelagerte Besteuerung in Frage käme. Es ist zuzugeben, dass tatsächlich mit der Entnahmebesteuerung eine Verletzung der Grundfreiheiten innerhalb der EU erfolgt. Dieser Eingriff ist jedoch insofern gerechtfertigt, als die Nachverfolgung der stillen Reserven im Ausland administrativ auch über die Amtshilfe nicht zu bewältigen ist und die Vielzahl der insoweit betroffenen Fälle sich deutlich vom Fall der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG unterscheidet. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der inländischen Entnahmebesteuerung höhere Aufwendungen aufgrund einer höheren Abschreibungsbasis im Ausland gegenüberstehen, so dass im Ergebnis keine höhere Besteuerung, sondern lediglich eine zeitliche Verschiebung vorliegt. Der Gesetzgeber hat sich insoweit zu Recht gegen eine aufgeschobene Besteuerung ausgesprochen. Gegen die Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte wurde zum anderen geltend gemacht11, dass das deutsche Besteuerungsrecht hier nicht entfalle. Dieser Auffassung kann
__________ 10 Stadler/Elser, BB-Spezial 8/2006, 18. 11 Wassermeyer, DB 2006, 1176.
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nicht zugestimmt werden. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung (finaler Entnahmebegriff) findet mit der Überführung des Wirtschaftsguts in das Ausland eine Gewinnrealisierung statt. Durch den Authorised-OECD-Approach (AOA), wonach eine Betriebsstätte im Verhältnis zu ihrem Stammhaus steuerlich dem Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaft gleichgestellt wird, wird die bisherige Betrachtung gestützt. Die Möglichkeit, dass auch im Verhältnis von Mutter und Tochter nicht zwingend auf eine Eigenhändlerfunktion bei der Tochtergesellschaft geschlossen werden könne, würde zumindest voraussetzen, dass bei einem solchermaßen untypischen Zusammenwirken dies auch nachweisbar tatsächlich gelebt werden müsste. Geht man davon aus, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den im Inland entstandenen stillen Reserven über Art. 7 OECD-MA bis zu deren tatsächlicher Realisierung nicht ausgeschlossen ist, hat eine Entstrickung mit der Überführung der Wirtschaftsgüter gleichwohl zu erfolgen, weil durch die Überführung das Besteuerungsrecht aufgrund der drohenden Vollzugsdefizite beschränkt ist (vgl. unten). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht durch die Änderung der Rechtsprechung des BFH, wonach die Theorie der finalen Entnahme mit Urteil vom 17.7.200812 aufgegeben wird13. Der Gesetzgeber hat die bisherige Rechtsprechung des BFH zur finalen Entnahme zum Ausgangspunkt seines Entstrickungskonzepts gemacht und damit seinen Willen kundgetan, im Falle der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte eine sofortige Aufdeckung der stillen Reserven zu wollen. Als weitere Fälle für den Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts sind zu nennen: – Überführung von Wirtschaftsgütern einer inländischen Betriebsstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen in das ausländische Stammhaus oder in eine andere ausländische Betriebstätte – Verlegung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes eines unbeschränkt Steuerpflichtigen in das Ausland ohne Beibehaltung einer inländischen Betriebsstätte14 – Erstmaliger Abschluss eines DBA mit Freistellung15, da die Entstrickung nicht an eine Entnahmehandlung (so aber bisherige finale Entnahmetheorie des BFH), sondern an ein rechtliches Ergebnis anknüpft. Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führt ebenfalls bereits zur Entstrickung und damit zur Gewinnrealisierung. Hauptanwendungsfall dieser Gruppe dürfte die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische DBA-Anrechnungsbetriebsstätte sein. Das Entstrickungskonzept des SEStEG geht damit ausdrücklich über die Regelung nach dem bisherigen Betriebsstättenerlass hinaus und lässt die Notwendigkeit zur
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BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, FR 2008, 1149 = DB 2008, 2281. Vgl. zweifelnd Schneider/Oepen, FR 2009, 22. Vgl. Benecke, StW 2007, 139. JFStR 2006/2007, 111.
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Anrechnung ausländischer Steuern wegen der Minderung des inländischen Steueraufkommens ausreichen. Als Folge dieser Beurteilung muss mit der Überführung des Wirtschaftsguts eine Sofortbesteuerung stattfinden. Über die Anrechnung einer ausländischen Steuer kann erst im Augenblick der tatsächlichen Realisierung entschieden werden. Die Einschränkung des Besteuerungsrechts allein für gewerbesteuerliche Zwecke führt meines Erachtens nicht zu einer Entstrickung, da der Entstrickungstatbestand für einkommensteuerliche Zwecke normiert ist und keine von der geltenden Rechtslage16 abweichende ausdrückliche Regelung enthält17. Auch der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts wird als Entstrickung erfasst. In diesem Sinne ist die Überlassung eines Wirtschaftsguts an eine ausländische Betriebsstätte nur zur vorübergehenden Nutzung zu verstehen, wenn die Überlassung unter Dritten aufgrund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt wäre oder es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die von mehreren Betriebsstätten genutzt werden18. Bei einer dauerhaften Nutzungsüberlassung findet eine Realisierung des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts statt, da insoweit eine Zuordnung des Wirtschaftsguts bei der ausländischen Betriebsstätte erfolgt. Die fingierte Entnahme im Fall der Entstrickung erfolgt nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG mit dem gemeinen Wert. Dieser Wert ergibt sich nach § 9 Abs. 2 BewG aus dem Einzelveräußerungspreis des Wirtschaftguts und unterscheidet sich insoweit vom Teilwert, der unverändert für die normale Privatentnahme gilt. Für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, regelt der Gesetzgeber klarstellend19, dass das Stuttgarter Verfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG keine Anwendung findet. Wie der Bundesfinanzhof20 geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine solche Bewertung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde. Für die Nutzungsentstrickung bedeutet die Realisation zum gemeinen Wert den Ansatz mit dem laufenden fremdüblichen Entgelt. Da nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung als auch dem geltenden OECD-Musterkommentar die Nutzung von Wirtschaftsgütern durch eine ausländische Betriebsstätte in der Regel lediglich zur Aufteilung von Erträgen und Aufwendungen führte, ist es allerdings zweifelhaft, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG insoweit einen hinreichend klaren Treaty-Override anordnet21.
__________ 16 17 18 19 20 21
BFH vom 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76. So ebenfalls Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 und Benecke a. a. O. BT-Drucks. 16/2710, 28. BT-Drucks. 16/2710, 56. BFH v. 24.10.2001 – II R 61/99, BStBl. II 2001, 834. Ebenso Benecke a. a. O.
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Der im Falle der Entstrickung durch den Ansatz des gemeinen Werts sich ergebende Gewinn ist grundsätzlich sofort zu versteuern. Wegen der hiergegen erhobenen Kritik mit Blick auf die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant verweise ich auf die obigen Ausführungen zur geforderten nachgelagerten Besteuerung. Auch wenn der Gesetzgeber dieser Forderung im Hinblick auf die administrativen Probleme nicht nachkommen konnte, so hat er sich letztlich doch im Ausnahmefall für einen milderen Eingriff in die Grundfreiheiten entschieden, indem er auf Antrag bei der Überführung von Anlagevermögen in die ausländische Betriebsstätte die Bildung eines Ausgleichspostens zugelassen hat, der über 5 Jahre verteilt aufgelöst werden muss, § 4g EStG. Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber damit in Ausnahmefällen für eine „Stundungslösung“ entschieden, die an die Merkpostenmethode des früheren Betriebsstättenerlasses22 anknüpft. Die im Falle einer nachgelagerten Besteuerung bestehenden administrativen Schwierigkeiten wegen der Nachverfolgung des Wirtschaftsguts bestehen für den Ausgleichsposten nicht, da die Besteuerung mit der Überführung des Wirtschaftsguts abschließend erfolgt, lediglich die Zahlung der Steuerschuld ist gestreckt. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen lediglich insoweit, als der Gesetzgeber im Falle der vorzeitigen tatsächlichen Realisierung oder weiteren Überführung in einen Drittstaat die vorzeitige Auflösung des Ausgleichspostens verlangt. Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bei Informationsdefiziten lediglich eine unberechtigte Hinauszögerung der Steuerzahlung zu befürchten ist und nicht der vollständige Ausfall wie im Fall einer nachgelagerten Besteuerung. Soweit im Falle der Überführung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Stammhaus die Sofortbesteuerung greift, entspricht dies der bisherigen Regelung des Betriebsstättenerlasses. Auch die Sofortbesteuerung in den Fällen der Überführung von Umlaufvermögen in die ausländische Betriebsstätte oder der Überlassung von Nutzungen bedarf wegen der anstehenden sofortigen Realisierung keiner Ausnahmeregelung. 2. Entstrickung nach § 12 KStG § 12 Abs. 1 KStG knüpft sehr eng an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG an und sieht bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen einen Entstrickungstatbestand vor, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt ist. Im Unterschied zu § 4 EStG fingiert § 12 KStG allerdings eine Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert, weil es bei den vor genannten Rechtsträgern eine Entnahme nicht gibt. Hinsichtlich der möglichen Sachverhaltsgestaltungen ist zunächst auf die unter § 4 EStG abgehandelten Fälle zu verweisen, in denen einzelne Wirtschaftsgüter in das Ausland überführt oder zur Nutzung überlassen werden.
__________ 22 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076.
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Des Weiteren fallen unter die Regelung die Fälle der Sitzverlegung innerhalb der EU bzw. EWR. Wird die Geschäftsleitung und der statutarische Sitz einer Gesellschaft verlegt, kommt es zur Sofortbesteuerung wegen der Auflösung der Gesellschaft, es sei denn, es handelt sich um eine SE (vgl. dazu weiter unten). Behält die Körperschaft ihre inländische Betriebsstätte und ihren statutarischen Sitz in Deutschland und verlagert nur die Geschäftsleitung ins EUbzw. EWR-Ausland, bleibt sie unbeschränkt steuerpflichtig, so dass lediglich eine Sofortversteuerung hinsichtlich des ungebundenen Vermögens (z. B. Beteiligungen, immaterielle Wirtschaftsgüter, Firmenwert) eingreift, das dem ausländischen Stammhaus und nicht der deutschen Betriebsstätte zugerechnet wird23. Bei der Sitzverlegung einer SE ins EU- bzw. EWR-Ausland unter Beibehaltung einer deutschen Betriebsstätte kommt es insgesamt nur zur Sofortbesteuerung hinsichtlich des ungebundenen Vermögens, da die SE ihre Identität mit der Sitzverlegung nicht verliert. § 12 Abs. 1 KStG erfasst keine gesellschaftsrechtlich veranlassten Vorgänge. Insoweit grenzen sich die Fälle des § 12 Abs. 1 KStG von denen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage deutlich ab. Die Möglichkeit, im Falle der Entstrickung einen Ausgleichsposten zu bilden, hängt davon ab, ob die unbeschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft erhalten bleibt. Bei der Verlegung der Geschäftsleitung unter Beibehaltung des statutarischen Sitzes (Doppelansässigkeit) ist dies zumindest zweifelhaft im Falle eines DBA, da dem Staat mit der Geschäftsleitung das umfassende Besteuerungsrecht zugewiesen wird (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA)24. Nach § 12 Abs. 2 KStG kann bei einem beschränkt Steuerpflichtigen das inländische Vermögen einer Betriebsstätte als Ganzes auf einen anderen ausländischen Rechtsträger steuerneutral übertragen werden, wenn der Übertragungsvorgang zwischen Rechtsträgern desselben ausländischen Staates mit einer Verschmelzung i. S. d. § 2 UmwG vergleichbar ist und das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an den übertragenen Wirtschaftsgütern nicht beschränkt wird. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 KStG geht insoweit über die europäische Ausrichtung des SEStEG hinaus und betrifft die unter III. genannten Umstrukturierungen in einem Drittstaat. § 12 Abs. 3 KStG betrifft die grenzüberschreitende Verlegung des Sitzes und/ oder der Geschäftsleitung in einen Drittstaat und normiert als Rechtsfolge die Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum verloren geht oder die Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung
__________ 23 Haarmann Hemmelrath, Steuerkonferenz 2005, 7/8; a. M. Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2650), nach deren Auffassung die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer anderen Körperschaft als einer SE oder SCE nicht möglich ist und daher die volle Versteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG auslöst. 24 I. E. verneinend Benecke, a. a. O.
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dadurch nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit einem anderen Staat als außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig anzusehen ist. Im Falle der Verlegung von Sitz und Geschäftsleitung führt diese zur Sofortbesteuerung, auch soweit das Besteuerungsrecht nicht verloren geht. Im Falle der Verlegung nur der Geschäftsleitung (Doppelansässigkeit) findet eine Sofortbesteuerung allerdings nur hinsichtlich des ungebundenen Vermögens statt, da die unbeschränkte Steuerpflicht erhalten bleibt. 3. Entstrickung nach dem Umwandlungssteuergesetz Die schon bisher im Umwandlungssteuergesetz geregelten Umstrukturierungsvorgänge sind auf grenzüberschreitende Vorgänge innerhalb der EU und des EWR ausgedehnt worden, die den nationalen Vorgängen des Umwandlungsgesetzes vergleichbar sind. Für diese Prüfung muss sich die Vergleichbarkeit sowohl hinsichtlich des Vorgangs als auch der beteiligten Rechtsträger sowie der Rechtsfolgen ergeben. Inwieweit es sich bei den Vorgängen des 2. bis 5. Teils des UmwStG wie im deutschen Recht um eine Gesamtrechtsnachfolge handeln muss, ist umstritten. Meines Erachtens ist diese Voraussetzung erforderlich, da das deutsche UmwStG auch bei den Einbringungen die Einzelrechtsnachfolge kennt25. Wegen der Ausdehnung auf Vorgänge mit Rechtsträgern aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder des EWR sind bei der Übertragung von Vermögen einer Kapital- auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person (§§ 3–10 UmwStG) die übergehenden Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Danach ist grundsätzlich von einer Entstrickung auszugehen. Die übergehenden Wirtschaftsgüter können einheitlich auf Antrag der übertragenden Körperschaft jedoch mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert angesetzt werden (§ 3 Abs. 2 UmwStG), soweit die Wirtschaftsgüter auch nach der Umwandlung der deutschen Besteuerung unterliegen. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Wirtschaftsgüter weiterhin zu einer inländischen Betriebsstätte gehören (Betriebsstättenvorbehalt). Entsprechendes gilt für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. Danach können auch in diesem Fall die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft auf Antrag einheitlich mit den Buchwerten oder Zwischenwerten angesetzt werden (§ 11 Abs. 2 UmwStG), wenn die deutschen Besteuerungsrechte gewahrt bleiben. Die Regelungen zur Besteuerung auf der Ebene der Anteilseigner sind in § 13 UmwStG entsprechend angepasst worden. Danach gelten die Anteile an der übertragenden Körperschaft grundsätzlich als zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Körperschaft als mit diesem Wert angeschafft. Wird das Recht der Bundesrepublik Deutsch-
__________ 25 Ebenso Benecke, a. a. O.; a. A. Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG § 1 Rz. 18.
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land hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns an der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt, gilt auf Antrag der Buchwert. Auch bei den Einbringungstatbeständen wurde die Systematik hinsichtlich der stillen Reserven in dem übergehenden Betriebsvermögen bzw. den Anteilen umgestellt. Danach muss der gemeine Wert grundsätzlich bei der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen (§ 20 Abs. 2 UmwStG), beim Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) und bei der Einbringung in eine Personengesellschaft (§ 24 Abs. 2 UmwStG) angesetzt werden. Der Ansatz des Buchwerts oder eines Zwischenwerts ist nur zulässig, soweit das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Bildung eines Ausgleichspostens ist in den vom UmwStG geregelten Entstrickungsfällen nach § 4g Abs. 1 Satz 5 EStG nicht möglich. 4. Entstrickung bei Sitzverlegung einer Gesellschaft nach § 17 Abs. 5 EStG Nach § 17 Abs. 5 EStG stehen die Beschränkung oder der Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Fall der Verlegung des Sitzes oder Ortes der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft in einen anderen Staat der Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert gleich. Bei der Frage nach den Fallgestaltungen, die unter diese Entstrickungsregelung hinsichtlich der Anteile an Kapitalgesellschaften fallen, und den Rechtsfolgen der Sitzverlegung ist Folgendes zu beachten: – Zivilrechtlich führt ein Beschluss der Gesellschafterversammlung, den statutarischen Sitz und die Geschäftsleitung in das Ausland zu verlegen, nach der in Deutschland vorherrschenden Sitztheorie26 grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft. Steuerlich führt dies zu einer Liquidationsbesteuerung nach § 17 Abs. 4 EStG und insoweit zur Realisation der in den Anteilen vorhandenen stillen Reserven. – Wegen der Sitzverlegung einer europäischen Gesellschaft und den übrigen Fällen der Sitzverlegung einer anderen Kapitalgesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat der EU findet eine Entstrickung hinsichtlich der Anteile aufgrund der Sitzverlegung (vgl. z. B. wegen DBA Tschechien unter 6.) nach der ausdrücklichen Regelung in § 17 Abs. 5 Sätze 2–4 EStG aber nicht im Zeitpunkt der Sitzverlegung statt. Hier erfolgt die Besteuerung erst im Falle der späteren Veräußerung der Anteile. § 15 Abs. 1a Satz 2 EStG ist insoweit entsprechend anzuwenden (vgl. auch unter 6.).
__________ 26 Vgl. aber Zunahme der Möglichkeiten eines identitätswahrenden Wegzugs aufgrund des MoMiG (BGBl. I 2008, 2026), ohne dass dadurch die Sitztheorie für Deutschland aufgegeben ist; zur Problematik grundsätzlicher Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 815.
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5. Entstrickung bei Wegzug des Gesellschafters nach § 6 AStG Mit der Änderung von § 6 AStG wird in erster Linie das deutsche Steuerrecht den Anforderungen des EU-Rechts angepasst, nachdem der EuGH in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant eine der bisherigen deutschen Wegzugsbesteuerung ähnliche Vorschrift des französischen Rechts für EU-rechtswidrig erklärt und wegen der deutschen Regelung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengt hatte. Auch der neue § 6 AStG bezieht sich ausschließlich auf natürliche Personen und deren Anteile (wesentliche Beteiligung und diesen gleichgestellte Anteile). Dabei erfasst die neue Vorschrift nicht – wie bisher – nur Anteile an inländischen, sondern auch an ausländischen Gesellschaften. Grundtatbestand des neuen § 6 AStG ist weiterhin die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland. Neben den bereits vorhandenen Ersatztatbeständen sind jedoch neu hinzugekommen die Übertragung der Anteile im Wege der Schenkung sowie der Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen und als Auffangtatbestand der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile. Wesentliche Änderung der neuen Wegzugsbesteuerung ist die Rechtsfolge in § 6 Abs. 5 AStG. Wie bisher wird die Steuer auf den Wegzug hin zwar festgesetzt. Sie wird jedoch von Amts wegen zinslos und ohne Sicherheit gestundet, wenn der Steuerpflichtige ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist und weiterhin innerhalb eines dieser Staaten einer der deutschen unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt. Mit Blick auf die EWR-Staaten ist weiterhin erforderlich, dass die Amtshilfe und die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind27. Um das Schicksal des Steuerpflichtigen und seiner Anteile weiterhin verfolgen zu können, sieht § 6 Abs. 7 AStG schließlich Anzeige- und Meldepflichten des Steuerpflichtigen gegenüber dem deutschen Fiskus vor. Die Stundung kann u. a. widerrufen werden, wenn der Steuerpflichtige diesen Pflichten nicht nachkommt (wegen weiterer Widerrufsgründe vgl. § 6 Abs. 5 Satz 4 AStG). Die Entstrickungsregelung des § 6 AStG unterscheidet sich deutlich von den bisher erörterten Entstrickungsregelungen dadurch, dass lediglich eine „vorläufige“ Versteuerung stattfindet. Dies ist insofern gerechtfertigt, als die Fälle der Wegzugsbesteuerung für den deutschen Fiskus von der Zahl her begrenzt und den Mitwirkungspflichten sowie Erkenntnisquellen her beherrschbar sein dürften. Demgegenüber handelt es sich bei den anderen Entstrickungstatbeständen mit betrieblichem Hintergrund um Massenverfahren, bei denen der
__________ 27 Problematisch bei Liechtenstein, vgl. hierzu Benecke, a. a. O., mit weiterem Nachweis.
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Eingriff in die EU-Grundfreiheiten zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig und durch die Ausgleichspostenregelung angemessen gemildert ist. Die „Vorläufigkeit“ der Besteuerung nach § 6 AStG wird dadurch deutlich, dass der Steuerbescheid zu ändern ist, wenn der tatsächliche Gewinn aus einer späteren Veräußerung niedriger ausfällt und diese Wertminderung im Zuzugsstaat nicht berücksichtigt wird. Dies ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn die Wertminderung gesellschaftsrechtlich – z. B. durch eine Ausschüttung – verursacht worden ist; aber auch in diesem Falle wird eine etwa erhobene Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung bei der Steuer nach § 6 AStG angerechnet. 6. Besonderheiten für die Entstrickung bei Anteilen an Kapitalgesellschaften Bei den vor genannten Entstrickungstatbeständen gibt es neben der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsfolgen28 zwei weitere Besonderheiten zu beachten. Zum einen gibt es Ausnahmen vom Entstrickungsgrundsatz und zum anderen gibt es Fälle, in denen sich die Entstrickung nicht auf den ersten Blick erschließt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG wird keine Entnahme fingiert für die im Betriebsvermögen befindlichen Anteile an einer Europäischen Gesellschaft, soweit die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts aufgrund der Sitzverlegung der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat der EU erfolgt. In diesen Fällen sieht § 15 Abs. 1a Satz 1 EStG jedoch vor, dass der Gewinn aus der späteren Veräußerung dieser Anteile gegebenenfalls entgegen abkommensrechtlicher Verpflichtungen so zu besteuern ist, als ob keine Sitzverlegung stattgefunden hätte. Die Mitgliedsstaaten werden hierzu nach Art. 10b Abs. 2 FusionsRL ausdrücklich ermächtigt. Eine entsprechende Regelung für Anteile an einer SE im Privatvermögen ist in § 17 Abs. 5 EStG vorgesehen. Auf die vorstehenden Ausführungen unter 4. wird hingewiesen. Bei der Sitzverlegung oder grenzüberschreitenden Umwandlung in einen anderen EU- oder EWR-Staat wird das Besteuerungsrecht für Gewinne/Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an der Gesellschaft grundsätzlich weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, da das Besteuerungsrecht regelmäßig der Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zusteht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Daneben gibt es jedoch auch Fälle, wie z. B. Art. 23 Abs. 1b i. V. m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien, wonach das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zusteht. In diesen Sonderfällen wird daher durch eine Sitzverlegung oder eine grenzüberschreitende Umwandlung der Gesellschaft das Besteuerungsrecht am Gewinn/an den Einkünften aus den Anteilen an der Gesellschaft ausgeschlossen bzw. eingeschränkt.
__________ 28 Vgl. auch Schwenke, DStZ 2007, 235 (242).
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Bei einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG können z. B. stille Reserven in einer ausländischen Betriebsstätte, die bei einer Veräußerung der Anteile in Deutschland der Besteuerung unterlegen hätten, nach der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft dieser Besteuerung (bei Veräußerung des Unternehmeranteils) nicht mehr unterliegen (neutrales Vermögen). Um die Besteuerung sicherzustellen, wird das übergehende Vermögen nach § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG mit dem gemeinen Wert angesetzt29.
V. Verstrickung Die Normierung einer Entstrickung zur Sicherung des deutschen Steueranspruchs verlangt in einem geschlossenen System nach einer Verstrickungsregelung, damit stille Reserven aus dem Ausland in Deutschland bei ihrer Realisierung nicht eventuell doppelt besteuert werden. § 4 Abs. 1 Satz 7 2. Halbsatz i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG sieht dementsprechend vor, dass bei der Begründung des deutschen Besteuerungsrechts, etwa durch die Überführung von Wirtschaftsgütern in das Inland, diese als Einlage fingiert und mit dem gemeinen Wert angesetzt werden. Anders als noch im Referentenentwurf zum SEStEG folgt keine Anknüpfung an den ausländischen Besteuerungswert. Insofern ist es durchaus möglich, dass weiße Einkünfte dadurch entstehen, dass die im Ausland bereits entstandenen stillen Reserven dort keiner Besteuerung unterlegen haben. Während diese Regelung als großzügig bezeichnet werden muss, da der Gesetzgeber ohne weiteres einen Nachweis für den ausländischen Besteuerungswert hätte verlangen können, hat der Gesetzgeber für die Entstrickung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBA-Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode und die Nutzungsüberlassung in das Ausland kein Pendant bei der Verstrickung geschaffen30. § 12 Abs. 1 KStG hat keine ausdrückliche Regelung zur Verstrickung. Die allgemeine Verstrickungsregelung des EStG greift jedoch aufgrund des Verweises in § 8 Abs. 1 KStG auf die einkommensteuerlichen Vorschriften, so dass diese z. B. auch im Fall der Sitzverlegung von gebietsfremden Körperschaften in das Inland gelten. Hinsichtlich der Anteile an Kapitalgesellschaften sieht § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG vor, dass ein Steuerpflichtiger mit wesentlichen Beteiligungen, der in das Inland zieht, nur dann mit einem über den historischen Anschaffungskosten liegenden Wert in die deutsche Besteuerungshoheit eintritt, wenn er in seinem bisherigen Heimatstaat einer mit § 6 AStG vergleichbaren Wegzugsbesteuerung unterlegen hat. Diese Regelung vermeidet konsequent weiße Einkünfte. Insofern verwundert, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung nicht in § 4 EStG (vgl. oben) vorgesehen hat.
__________ 29 BT-Drucks. 16/2710, 39. 30 Dazu kritisch z. B. Benecke, a. a. O.
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Bei Umwandlungen hat der übernehmende Rechtsträger die Werte des übertragenden Rechtsträgers grundsätzlich zu übernehmen. Das gilt auch für Austauschvermögen, soweit dieses erstmals in Deutschland verstrickt wird. Als Ausnahme hiervon wird auf § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG hingewiesen, den umgekehrten Fall des unter VI.6. dargestellten neutralen Vermögens.
VI. Sonstige Änderungen des SEStEG Neben der Implementierung einer Entstrickungs- und Verstrickungskonzeption im deutschen Steuerrecht ergeben sich weitere wesentliche Änderungen insbesondere im Umwandlungssteuerrecht und Körperschaftssteuerrecht im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umstrukturierungen, die nachfolgend jedoch lediglich kursorisch dargestellt werden. Die erste Änderung betrifft den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Die Maßgeblichkeit wird im Umwandlungssteuergesetz künftig aufgegeben. Damit können die im Umwandlungssteuergesetz vorgesehenen Wahlrechte zum Ansatz des übertragenen Vermögens im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage31 voll genutzt werden. Die Aufgabe der Maßgeblichkeit spielt auf der Basis einer formellen Maßgeblichkeit lediglich den Vorboten für die Aufgabe der Maßgeblichkeit im Steuerrecht insgesamt, da sich handelsrechtliche Rechnungslegung und steuerliche Gewinnermittlung nach einer Umwandlung ohne formelle Maßgeblichkeit ohnehin voneinander lösen. Dabei sollte ein eigenständiges Steuerbilanzrecht innerhalb der Europäischen Union das Ziel sein. Dies lässt sich bei realistischer Betrachtung jedoch lediglich zunächst im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb einiger Mitgliedsstaaten in Europa durchsetzen – und auch zunächst nur ohne eine konsolidierte Besteuerung, wie es die Europäische Kommission zurzeit allerdings noch anstrebt. Eine isolierte Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit im Rahmen des BilMoG32 erscheint wenig vernünftig, da dass mit der umgekehrten Maßgeblichkeit verfolgte Ziel einer Ausschüttungssperre auf andere Weise durch das BilMoG ohnehin beibehalten werden soll, aber gleichzeitig ohne Not erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der weiteren Bedeutung der Maßgeblichkeit entsteht33.
__________ 31 Vgl. UmwSt-Erlass v. 25.3.1998, BStBl. I, 268 mit Kritik z. B. von Rödder (Rödder, DB 1998, 998). M. E. ist die Verwaltungsauffassung i. S. des Maßgeblichkeitsgrundsatzes zutreffend, auch wenn dadurch steuerliche Wahlrechte teilweise leer laufen. Die zwei ausdrücklichen gesetzlichen Ausnahmen vom Maßgeblichkeitsgrundsatz im UmwStG zwingen zur Anwendung dieses Grundsatzes im Übrigen. Die fehlende Kongruenz zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz, die zu den Auslegungsversuchen geführt hat, den steuerlichen Wahlrechten zur vollen Geltung zu verhelfen, geht darauf zurück, dass die vom Gesetzgeber intendierte Auslegung zum UmwG (vgl. Biener, 47. Fachkongress der StB, Köln 1995) sich nicht durchgesetzt hat. Dies kann nur duch den Gesetzgeber geheilt werden. Zum Formwechsel vertretbar BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568. 32 BT-Drucks. 16/10067 vom 30.7.2008. 33 Vgl. z. B. Herzig, DB 2008, 1339.
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Vor dem Hintergrund der nunmehr möglichen grenzüberschreitenden Vorgänge soll das deutsche Quellensteuerrecht an den offenen Rücklagen einer inländischen Körperschaft gesichert werden. Die Vermögensübertragung wird insoweit wie eine Ausschüttung gesehen und nach § 7 UmwStG unabhängig davon besteuert, ob für den Anteilseigner ein Übernahmegewinn oder -verlust nach § 4 oder § 5 UmwStG entsteht. Die offenen Rücklagen sind dabei aus dem Übernahmeergebnis auszuscheiden, § 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG. Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft stellt wirtschaftlich eine „Veräußerung“ dar. Der Gesetzgeber zieht im SEStEG daraus die Konsequenz und wendet die Regelungen des Teileinkünfteverfahrens für Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen auf den Übernahmegewinn an, § 4 Abs. 7 UmwStG und § 12 Abs. 2 UmwStG. Dies bedeutet u. a. dass nach § 8b Abs. 3 KStG 5 % des Übernahmegewinns als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Erstmals erhält das UmwStG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zum sog. down-stream-merger. Sie macht die bisherige Billigkeitsregelung der Verwaltung obsolet, wonach die Anwendung der §§ 11 ff. UmwStG 1995 für diesen Fall nur auf übereinstimmenden Antrag möglich war. Einem allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG) folgend sind die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft in der steuerlichen Schlussbilanz der Überträgerin mindestens mit dem um steuerwirksam vorgenommene Teilwertabschreibungen und ähnliche Abzüge erhöhten Buchwert anzusetzen. Zur Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts hat der Gesetzgeber weiterhin die Möglichkeit des Verlustübergangs bei Verschmelzung von Kapitalgesellschaften eingeschränkt. Nach neuem Recht (§ 12 Abs. 3 UmwStG) geht ein verbleibender Verlustvortrag nicht auf die Übernehmerin über. Der Gesetzgeber wollte hierdurch den Import von Verlusten bei Hineinverschmelzungen nach Deutschland unterbinden. Nach der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Lidl34 dürfte diese Reaktion jedoch übertrieben sein, nachdem derartige Verluste regelmäßig mit dem Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte verrechnet werden müssen. Die Einschränkung des Verlustübergangs wird jedoch im Ergebnis dadurch abgemildert, dass die betroffenen Unternehmen das übertragene Vermögen zum gemeinen Wert oder einem Zwischenwert ansetzen können und damit den Verlust wenigstens insoweit steuerwirksam nutzen können. Zu einer weiteren wesentlichen Neuerung kommt es bei der Besteuerung einbringungsgeborener Anteile, wenn in den Fällen der Betriebseinbringung die erhaltenen Anteile oder in den Fällen des Anteilstauschs die eingebrachten Anteile innerhalb einer Frist von 7 Jahren nach der Einbringung veräußert werden. Nach bisherigem Recht kam es in diesen Fällen zu einer unsystematischen doppelten Besteuerung von stillen Reserven auf der Ebene des Veräußerers einbringungsgeborener Anteile und auf der Ebene der die eingebrachten Wirtschaftsgüter veräußernden Kapitalgesellschaft. Dieses System – und damit
__________ 34 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl, FR 2008, 831.
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die einbringungsgeborenen Anteile selbst – werden nunmehr in einem neuen Konzept dadurch abgeschafft, dass bei einem schädlichen Verkauf einbringungsgeborener Anteile innerhalb der 7-Jahres-Frist sowohl eine Korrektur des Einbringungsvorgangs als auch ein linearer Abbau des Einbringungsgewinns über 7 Jahre erfolgt. Durch diese Maßnahme werden zum einen die systematischen Mängel im früheren Recht abgebaut und zum anderen das Steuerrecht wesentlich vereinfacht. Für den Fall des schädlichen Verkaufs innerhalb der Sperrfrist sollte jedoch von den Betroffenen bereits Beweisvorsorge im Einbringungszeitpunkt getroffen werden, damit eine schwierige nachträgliche Bewertung der stillen Reserven vermieden wird. Der Gesetzgeber sollte jedoch darüber nachdenken, die Fristen des UmwStG auf einem niedrigeren Niveau zu vereinheitlichen. Vor dem Hintergrund von Umwandlungen und Sitzverlegungen in das europäische Ausland sind auch im Körperschaftsteuergesetz weitere Anpassungen erforderlich, die das Einlagenkonto, das EK 02 und das Körperschaftsteuerguthaben betreffen. – Für den inländischen Empfänger einer ausländischen Dividende muss zukünftig ermittelt werden, ob es sich bei der Ausschüttung ganz oder teilweise um die Rückzahlung von Einlagen handelt. Um in den Genuss der günstigeren steuerlichen Behandlung der Einlagenrückgewähr zu gelangen, muss die EU-ausländische Kapitalgesellschaft den Nachweis hierfür erbringen. – Das mit der Steuerreform 2000 vorhandene Körperschaftsteuerguthaben konnte nach § 37 KStG bislang über ein Sechstel der jährlichen Dividendenzahlung (höchstens 1/14 des Bestands) gehoben werden. Zukünftig erfolgt eine ratierliche Verteilung des Körperschaftsteuerguthabens auf den restlichen Übergangszeitraum (10 Jahre) – unabhängig vom Ausschüttungsverhalten. – Das ebenfalls aus der Umstellung des Körperschaftsteuersystems vorhandene Eigenkapital EK 02 muss bei der Verwendung der Ausschüttungen nachversteuert werden. Um den Schwierigkeiten beim Übergang auf ausländische Unternehmen Rechnung zu tragen, wird zukünftig beim Übergang eine Nachsteuer festgesetzt, diese jedoch gestundet. Bei späteren Ausschüttungen tritt dann Fälligkeit ein, wenn nicht der Nachweis erbracht wird, dass keine Ausschüttung aus unbelasteten Teilbeträgen des EK 02 erfolgt.
VII. Schlussbemerkung Mit der notwendigen Anpassung an europäische Entwicklungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts und des Steuerrechts sowie weiterer Anpassungen an die Rechtsprechung des EuGH werden mit dem SEStEG grenzüberschreitende Umstrukturierungen und sonstige Veränderungen wesentlich erleichtert und dabei erhebliche Fortschritte auf dem Weg zu einem europäischen Binnenmarkt gemacht. Dies verbessert gleichzeitig die Situation Deutschlands als zentralen Wirtschaftsstandort Europas. Wenn mit dieser erheblichen Flexibili954
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sierung des deutschen Steuerrechts auch Maßnahmen verbunden werden, die deutsches Steuersubstrat sichern sollen, so ist dies dem Wettbewerb der Mitgliedsstaaten und dem Haushalt geschuldet. Die vor diesem Hintergrund weitgehend geschaffene geschlossene Entstrickungs- und Verstrickungskonzeption des deutschen Steuerrechts verbessert jedoch gleichzeitig die Systematik des Steuerrechts und schafft Planungssicherheit für die Unternehmen. Nicht schließen möchte ich meinen Beitrag, ohne einen Hinweis des Jubilars aufzunehmen, der die Anwendung der neuen Entstrickungskonzeption anspricht35. Die neue Entstrickungskonzeption wird vom Gesetzgeber insgesamt als Klarstellung verstanden und gilt daher in allen offenen Fällen zumindest bereits ab 2006. Nachdem es unzweifelhaft jedoch dabei auch einige Verschärfungen gegenüber der bisher von der Verwaltung praktizierten Entstrickungstheorie des BFH gibt, bleibt zu hoffen, dass in keinem dieser Fälle das Vertrauen von Steuerpflichtigen hinsichtlich etwaiger Dispositionen verletzt worden ist.
__________ 35 Harald Schaumburg, JFStR 2006/2007, 115.
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Inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Inländische Ertragsbesteuerung III. Ausländische REITs 1. Erscheinungsformen 2. Begriff a) REIT-Gesetz b) Investmentsteuergesetz c) Doppelbesteuerungsabkommen aa) Deutsche DBA bb) OECD-Musterabkommen 3. Kategorisierung IV. Inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG 1. Überblick a) Ausschüttungen sowie sonstige Vorteile
b) Veräußerungsgewinne und -verluste 2. Ausgewählte Einzelfragen a) Tatbestandsmerkmale eines ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG b) Statuswechsel c) Hinzurechnungsbesteuerung aa) Anwendungsvorrang des § 7 Abs. 7 AStG bb) Zwischeneinkünfte (1) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (2) Zwischeneinkünfte ohne Kapitalanlagecharakter IV. Schlussbemerkung
I. Einleitung Einem weltweiten Trend folgend offeriert auch der deutsche Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen“ vom 28.5.20071 der interessierten Öffentlichkeit eine deutsch-rechtliche Version der international als „Real Estate Investment Trust (REIT)“ bekannten Struktur zur indirekten Immobilienanlage. Diesem sog. G-REIT wurde bei seiner Geburt eine ausgesprochen rosige Zukunft prognostiziert, indes nahm der weitere Verlauf der noch kurzen Geschichte des G-REIT einen kläglichen Verlauf. Ganze zwei deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen haben das Licht der Welt erblickt2. Der G-REIT ist gleichsam eines der ersten, wenn nicht das erste Opfer der internationalen Finanzkrise. Dessen ungeachtet erfreut sich der G-REIT weiterhin der ungeteilten Aufmerksamkeit des deutschen Steuergesetzgebers.
__________ 1 BGBl. I, 914. 2 Vgl. Deutsche Börse Group (www.deutsche-boerse.com).
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Angesprochen sind damit die in Art. 37 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009)3 normierten Änderungen des REIT-Gesetzes4. Das Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen stellt auch die inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs auf eine neue Rechtsgrundlage5 und bereichert damit das Internationale Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland um eine weitere Facette6. In den betreffenden Regelungen, obgleich sie sozusagen nur bei Gelegenheit der Einführung des G-REIT verfasst worden sind, liegt derzeit kurioserweise der praktische Anwendungsbereich der Vorschriften des Gesetzes zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen. Von diesen und zahlreichen weiteren Regelungen, die gleichfalls auf die inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs einwirken, soll im Folgenden die Rede sein.
II. Inländische Ertragsbesteuerung Wer auch nur die inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs beschreiben möchte, sieht sich zuförderst mit der Tatsache eines hoch komplexen und äußerst differenzierten Vorschriftengefüges konfrontiert. Es ist diese Tatsache, die auf die vordergründig schlichte Frage nach der inländischen Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs nur die folgende (unbefriedigende) Antwort gestattet: „Es kommt auf die Umstände des Sachverhalts an.“ Bereits ganz einfache Sachverhalte, wie etwa der Dividendenbezug einer natürlichen Person, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, aus Aktien an einem US-REIT lassen sich für alle beteiligten Rechtsanwender nur unter großer Mühe und nicht selten nicht zweifelsfrei beurteilen. Dies gilt erst recht für komplexe Sachverhalte, wie der Fall einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Rückversicherungskapitalgesellschaft, deren in Irland ansässige Tochterkapitalgesellschaft mittelbar über einen als Kapitalgesellschaft organisierten Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg Dividenden von einem UKREIT bezieht, wobei der UK-REIT seinerseits eine Beteiligung an einer inländischen Immobilien-GmbH & Co. KG hält. Eine vollständige und in sich geschlossene Darstellung der inländischen Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs würde deshalb unweigerlich den Umfang einer Monographie annehmen. Denn eine solche
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3 JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 4 Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz-REITG), Art. 1 des Gesetzes zur Schaffung deutscher ImmobilienAktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen. 5 Erneut geändert durch Art. 37 des JStG 2009, mit Wirkung vom 1.1.2009. 6 Siehe für eine umfassende Gesamtdarstellung des Internationalen Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 1998.
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Darstellung hätte jeden ertragsteuerlichen Tatbestand (nur beispielhaft genannt seien: Dividendenbezüge, Veräußerungsvorgänge, Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung) für jede Art von Investor (wiederum nur beispielhaft genannt seien: Banken, Versicherungen, Pensionskassen, Investmentfonds) in Abhängigkeit vom Beteiligungsumfang und Beteiligungsstruktur jeweils unter Beachtung der einschlägigen Normen des Verfassungs-, Europaund Abkommensrechts sowie des innerstaatlichen Rechts zu untersuchen7. Dafür fehlt hier der Raum, einige Anmerkungen müssen genügen.
III. Ausländische REITs 1. Erscheinungsformen Als steuergesetzliches Phänomen trat der REIT erstmals in den Vereinigten Staaten von Amerika in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts auf8. Viele Staaten sind in den folgenden Jahrzehnten dem Vorbild der USA gefolgt und haben ihrerseits mit dem US-REIT konzeptionell vergleichbare Regelungen geschaffen. Heutzutage finden sich REIT-Regime gleichermaßen in Asien (z. B. Australien, Hongkong, Japan), in Europa (z. B. Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Deutschland) sowie in Nord- und Südamerika (Brasilien, Kanada, USA)9. Nicht gänzlich überraschend ist „REIT“ nicht gleich „REIT“. Es herrscht vielmehr eine ausgesprochene „Artenvielfalt“. So qualifizieren in manchen Ländern nur Kapitalgesellschaften oder gar nur bestimmte Kapitalgesellschaftsformen als REIT (so etwa in Deutschland, Frankreich und Großbritannien). In anderen Ländern darf ein REIT nur als Trust errichtet werden (so etwa in Australien) und wieder andere Länder zeigen sich ausgesprochen flexibel in der Frage der zulässigen Rechtsform. So kann etwa eine nach dem Recht eines US-Bundesstaates gegründete Limited Partnership als REIT i. S. d. US-Steuergesetze qualifizieren, was u. a. voraussetzt, dass die Gesellschafter der Limited Partnership zur Besteuerung der Limited Partnership als Kapitalgesellschaft im Rahmen der Check the BoxRegelungen optieren10. Wieder andere Länder fordern die Organisation des REIT in der Art eines Sondervermögens (z. B. Brasilien und Thailand)11, vergleichbar einem hiesigen offenen Immobilienfonds i. S. d. Investmentgesetzes. Ein großer Variantenreichtum herrscht auch in anderen Punkten. In manchen Ländern ist eine Börsennotierung gefordert, andere Länder kennen dieses Er-
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7 Vgl. für eine detaillierte Würdigung dieser Normen im Kontext der Besteuerung von Kapitalerträgen Schaumburg, Besteuerung von Kapitalerträgen, DStJG Band 24 (2001), S. 225 ff. 8 Vgl. OECD, Tax Treaty Issues related to REITs, Public Discussion Draft vom 30.10. 2007, Tz. 1. 9 Der Global REIT Survey der European Public Real Estate Association (EPRA) aus August 2007 beschreibt 31 Länder-Regime. Die Studie ist erhältlich unter www. epra.com. 10 Vgl. zur Besteuerung einer US-Limited Partnership als REIT ausführlich Tischbirek, The REIT-LP, FS P+P Pöllath+Partners, München 2008, S. 403 ff. 11 Vgl. EPRA, Global REIT Survey, August 2007, S. 230, 240.
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fordernis nicht; teils unterliegen REITs einer öffentlichen Aufsicht oder Genehmigungspflicht; teils sind Vorschriften über eine Mindestkapitalausstattung zu beachten; teils ist die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises reglementiert und teils darf der Verschuldungsgrad eine maximale Höchstgrenze nicht überschreiten12. Zwei Voraussetzungen sind allen REIT-Ordnungen gemeinsam: Erstens sind die wirtschaftlichen Aktivitäten auf dauerhafte Immobilieninvestitionen zu konzentrieren und zweitens sind die Einkünfte aus der laufenden Immobilienbewirtschaftung zumindest zu 80 % zeitnah an die Anleger auszuschütten13. 2. Begriff a) REIT-Gesetz Das REIT-Gesetz differenziert terminologisch zwischen REIT-Aktiengesellschaften (§ 1 Abs. 1 REITG) einerseits und anderen REIT-Körperschaften, – Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen andererseits. Letztere werden in § 19 Abs. 5 REITG definiert als „alle Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die nicht im Inland ansässig sind, deren Bruttovermögen zu mehr als zwei Dritteln aus unbeweglichem Vermögen besteht, deren Bruttoerträge zu mehr als zwei Dritteln aus der Vermietung und Verpachtung und der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen stammen, die in ihrem Sitzstaat keiner Investmentaufsicht unterliegen, deren Anteile im Rahmen eines geregelten Marktes gehandelt werden und deren Ausschüttungen an ihre Anleger nicht mit einer der deutschen Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer in ihrem Sitzstaat vorbelastet sind. Das JStG 2009 ändert § 19 Abs. 5 REITG dahingehend, dass vor dem Wort „Ausschüttungen“ die Wörter „aus Immobilien stammenden“ eingefügt werden14. Der Anwendungsbereich dieser Definition ist nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 5 REITG auf § 19 REITG (Besteuerung der Anteilsinhaber) begrenzt, wie aus der Wortfolge … „im Sinne dieser Vorschrift“ ersichtlich. § 19 Abs. 5 REITG bietet mithin keine über § 19 REITG hinaus gültige Definition für einen ausländischen REIT. b) Investmentsteuergesetz Das Investmentsteuergesetz verwendet den Begriff des ausländischen REIT nicht, sondern verweist nur in §§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 8 Abs. 1 und 2 InvStG auf die Vorschrift des § 19 REITG.
__________ 12 Vgl. im Einzelnen die tabellarischen Übersichten in EPRA, Global REIT Survey, August 2007, S. 230 ff. 13 Vgl. im Einzelnen die tabellarischen Übersichten in EPRA, Global REIT Survey, August 2007, S. 230 ff. 14 Vgl. Art. 37 Nr. 5 lit. d) des JStG 2009.
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Auch das Investmentgesetz, dessen Begriffsbestimmungen in § 2 InvG das Investmentsteuergesetz in seinem § 1 Abs. 2 für anwendbar erklärt, kennt den Begriff des ausländischen REIT nicht. c) Doppelbesteuerungsabkommen aa) Deutsche DBA Soweit ersichtlich enthalten die deutschen DBA von einer einzigen Ausnahme abgesehen keine spezifischen Regelungen zu REITs. Einzig das DBA-USA 1989/200615 widmet sich explizit dem „Real Estate Investment Trust (REIT) der Vereinigten Staaten“, ohne allerdings den Begriff des REIT der Vereinigten Staaten zu definieren. Regelungen zum US-REIT finden sich in Protokoll Abs. 2 b) zu Art. 4 Abs. 1, Art. 10 Abs. 4 und in Art. 23 Abs. 3 a) DBA-USA 1989/2006. bb) OECD-Musterabkommen Das OECD-Musterabkommen (MA) enthält keine spezifischen Regelungen zu REITs. Jüngst sind jedoch in den Kommentar zum OECD-MA optional von Vertragsstaaten zu treffende Sonderregelungen im Anwendungsbereich der Art. 10 und 13 OECD-MA eingestellt worden16. Allerdings sieht sich auch die OECD in Anbetracht der Vielgestaltigkeit von REITs nicht in der Lage, eine zugleich allgemeingültige und präzise Definition für einen REIT zu formulieren. Der Musterkommentar lässt es bei einer Umschreibung bewenden, wonach man unter einem REIT eine im Streubesitz stehende Gesellschaft, einen Trust oder ein vertragliches oder treuhänderisches Konstrukt versteht, welches seine Einkünfte primär aus der langfristigen Anlage in unbewegliches Vermögen erzielt, sein Einkommen jährlich zum größten Teil ausschüttet und keine Ertragssteuern auf die ausgeschütteten Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen leistet17. 3. Kategorisierung Der vorstehende Blick auf die vielfältigen Erscheinungsformen und die steuergesetzlichen Definitionen führt zu der Erkenntnis, dass für Zwecke der inländischen Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländische REITs eine Differenzierung zwischen verschiedenen Formen des ausländischen REIT erforderlich ist. Nach dem Spezialitätskriterium lassen sich, beginnend mit der speziellsten Regelung, die folgenden vier Kategorien unterscheiden:
__________ 15 BGBl. II, 1186. 16 Vgl. OECD, The 2008 Update To The OECD Model Tax Convention vom 18.7.2008, Art. 10, Rz. 67.1 ff.; Art. 13 Rz. 28.9 ff.; vgl. für einen Überblick zu den OECDVorschlägen Nouel, The Tax Treaty Treatment Of REITs – The Alternative Provisions included in the Commentaries on the 2008 OECD Model, ET 2008, 477 ff. 17 Vgl. Kommentar zum OECD-MA, Art. 10, Rz. 67.1.
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– Kategorie 1: REIT der Vereinigten Staaten i. S. d. DBA-USA 1989/2006 – Kategorie 2: Ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG – Kategorie 3: Ausländischer REIT als ausländisches Investmentvermögen i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG – Kategorie 4: Sonstige ausländische REITs. Die vier Kategorien stehen teils in einem Verhältnis der Ausschließlichkeit zueinander, teils sind Überschneidungen, teils eine ergänzende Anwendung zu konstatieren. Im Einzelnen: Insoweit das DBA-USA 1989/2006 Regelungen trifft, richtet sich die inländische Ertragsbesteuerung einer Beteiligung an einem US-REIT abschließend nach den Abkommensvorschriften. Soweit das DBA-USA 1989/2006 jedoch keine Regelung trifft, ist eine Einordnung des US-REIT in eine der drei übrigen Kategorien vorzunehmen, um die anwendbaren Vorschriften zu bestimmen. Dies bedeutet etwa, dass ein Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einem US-REIT den besonderen Verrechnungsbeschränkungen des § 19 Abs. 4 REITG unterliegt, wenn der US-REIT, dessen Anteil mit Verlust veräußert worden ist, die tatbestandlichen Kriterien des § 19 Abs. 5 REITG erfüllt18. Ist dies hingegen nicht der Fall, weil etwa der in Frage stehende US-REIT nicht börsennotiert ist, greift § 19 Abs. 5 REITG nicht ein. Erfüllt ein ausländischer REIT, bei dem es sich nicht zugleich um einen USREIT handelt, die Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 5 REITG, richtet sich die inländische Ertragsbesteuerung abschließend nach § 19 REITG insoweit § 19 REITG die inländische Ertragsbesteuerung regelt. Dies bedeutet etwa, dass Ausschüttungen auf Anteile an einem australischen Property Trust, der die Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 5 REITG aufweist, gem. § 19 Abs. 1 und Abs. 5 REITG als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln sind. Werden hingegen die Ausschüttungen von einem australischen Property Trust bezogen, der nicht börsennotiert ist19, scheidet die Anwendung des § 19 Abs. 5 REITG aus. Ist § 19 REITG nicht einschlägig, ist im nächsten Schritt die Anwendbarkeit der Vorschriften des Investmentsteuergesetzes zu prüfen. Dessen Anwendbarkeit bedingt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG die Qualifikation des Anteils an dem ausländischen REIT als ausländischer Investmentanteil i. S. d. § 2 Abs. 9 InvG. Bejahendenfalls sind die auf den Anteil bezogenen Ausschüttungen (sowie die ausschüttungsgleichen Erträge) gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG (ebenfalls) als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu besteuern. Sind weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 5 REITG noch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 9 InvG erfüllt, kommt weder die
__________ 18 Das DBA-USA 1989/2006 regelt nicht die Verrechenbarkeit von Verlusten aus Anteilen an einem US-REIT. 19 Eine Börsennotierung ist nach dem australischen REIT-Regime nicht erforderlich. Vgl. EPRA, Global REIT Survey, August 2007, S. 88.
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Anwendung des § 19 REITG noch des Investmentsteuergesetzes in Betracht. Es bedarf sodann der unter Anwendung des sog. Typenvergleichs vorzunehmenden Prüfung, ob der ausländische REIT als Vermögensmasse bzw. Zweckvermögen i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG qualifiziert und bejahendenfalls gem. § 3 KStG die vom ausländischen REIT erzielten Einkünfte von dem REIT selbst oder unmittelbar bei den Investoren zu versteuern sind20.
IV. Inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG 1. Überblick a) Ausschüttungen sowie sonstige Vorteile Unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, die ihre Beteiligung im Privatvermögen halten, unterliegen mit ihren nach dem 31.12.2008 zugeflossenen Ausschüttungen und sonstigen Vorteilen der Abgeltungssteuer zum Satz von 25 Prozent21. Dies gilt auch für bezogene Ausschüttungen auf Anteile i. S. v. § 17 EStG, da nur eine Verwirklichung der in § 17 EStG genannten Tatbestände gewerbliche Einkünfte vermittelt, wohingegen Dividendenbezüge auf einen Anteil i. S. v. § 17 EStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 EStG führen. Ein die Anwendung der Abgeltungssteuer ausschließender Fall des § 20 Abs. 8 EStG liegt mithin nicht vor. Zur Erhebung der Abgeltungssteuer unterwirft § 20 Abs. 1 REITG i. d. F. des JStG 2009 die Ausschüttungen dem Kapitalertragsteuerabzug im Wege einer entsprechenden Anwendung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 6, 9 und Satz 2 EStG. Die Anwendung der Abgeltungssteuer schließt den Abzug von Werbungskosten aus; § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG22. Ausländische Quellensteuern sind nach Maßgabe und in den Grenzen des § 32d Abs. 5 EStG auf die Abgeltungssteuer anrechenbar. Werden die Anteile im Betriebsvermögen einer natürlichen Person gehalten, unterliegen die Bezüge vorbehaltlich der Regelung in § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 zur Gänze der Einkommensteuer. Das Teileinkünfteverfahren ist gem. § 19 Abs. 3 REITG vorbehaltlich § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 nicht anwendbar. Betriebsausgaben sind korrespondierend zur Gänze abzugsfähig, die Begrenzung des Abzugs auf 60 % gem. § 3c Abs. 2 EStG greift nicht. Bei Kapitalgesellschaften als Anteilsinhaber sind die bezogenen Dividenden ebenfalls zur Gänze körperschaftsteuerpflichtig, § 19 Abs. 3 REITG schließt vorbehaltlich § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 die Anwendung des § 8b KStG
__________
20 Vgl. allg. zum Typenvergleich Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 1998, S. 301 ff. 21 Vgl. § 19 Abs. 1 REITG; §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG; s. auch Jakob, Der G-REIT-Aktionär: Besteuerungsgrundsätze im Lichte des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, AG 2008, 583 (586). 22 Vgl. etwa Schönfeld in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, München 2007, S. 638 f.
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aus. Sollten (ausnahmsweise) die Dividendenbezüge bei einer Kapitalgesellschaft als Anteilsinhaberin für die Anwendung eines DBA-Schachtelprivilegs qualifizieren, ist gem. § 23 Abs. 9 REITG i. d. F. des JStG 2009 für nach dem 31.12.2008 zufließende Dividenden nach § 19 Abs. 6 REITG i. d. F. des JStG 2009 „… die Doppelbesteuerung unbeschadet des Abkommens nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuer zu vermeiden.“ Im Klartext heißt dies, dass – wieder einmal – ein DBA-Schachtelprivileg abkommensüberschreibend durch einseitigen Rechtsakt des deutschen Gesetzgebers suspendiert wird23. Soweit keine Schachtelbeteiligung vorliegt, sind gewerbesteuerlich ungeachtet der Rechtsform des Dividendenbeziehers die bezogenen Dividenden (auch) gewerbesteuerpflichtig. Dies gilt vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des unilateralen internationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 7 GewStG. Das unilaterale internationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg wird bekanntermaßen ungeachtet der Rechtsform des inländischen Dividendenbeziehers gewährt24. Natürliche Personen und Personengesellschaften sind gleichermaßen wie Körperschaften anspruchsberechtigt. Weder § 19 Abs. 6 REITG i. d. F. des JStG 2009 noch § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG suspendieren das unilaterale internationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg. Denn beide Vorschriften richten sich nach ihrem Wortlaut (nur) gegen die Anwendung einer abkommensrechtlichen Dividendenfreistellung und gerade nicht gegen unilaterale Schachtelprivilegien. Schließlich steht auch § 8 Nr. 5 GewStG der gewerbesteuerlichen Verschonung der Dividenden nicht entgegen, weil es bereits an der von § 8 Nr. 5 GewStG vorausgesetzten Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG oder von § 8b Abs. 1 KStG, deren Anwendbarkeit durch § 19 Abs. 3 REITG ausgeschlossen ist, mangelt. Gelten sog. vorbelastete Gewinne als ausgeschüttet, ist nach näherer Maßgabe des § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 auf den Teil einer Dividende, der aus vorbelasteten Gewinnen stammt, §§ 3 Nr. 40 und 3 c Abs. 2 EStG sowie § 8b KStG anzuwenden. Diese Regelung gilt auch für Ausschüttungen, die von einem ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG bezogen werden, allerdings gem. § 19a Abs. 4 REITG i. d. F. des JStG 2009 nur, „wenn der Anleger nachweist, dass für die Dividenden oder sonstigen Bezüge vorbelastete Gewinne der anderen REIT-Körperschaft, -Personenvereinigung oder -Vermögensmasse verwendet worden sind.“ Die Vorschrift des § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 ist nach der allgemeinen Anwendungsvorschrift des § 23 Abs. 1 REITG i. d. F. des JStG 2009 erstmals für das Kalenderjahr 2008 anzuwenden. Es ist absehbar, dass die Vorschrift des § 19a REITG i. d. F. des JStG 2009 auf Ausschüttungen von ausländischen REITs in der Praxis kaum jemals angewendet werden wird. Erstens greift die Regelung nur für Ausschüttungen von ausländischen REITs i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG, also nicht für Ausschüttungen
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23 Neben dieser Spezialregelung für von einem ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG bezogene Dividenden ist darüber hinaus bereits seit dem Beginn des Veranlagungszeitraumes 2007 § 50d Abs. 9 Satz 2 Halbs. 2 EStG zu beachten. 24 Vgl. nur Gosch in Blümich § 9 GewStG Rz. 289.
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von anderen ausländischen REITs. Zweitens ist die Regelung nicht anwendbar, wenn die Ausschüttungen der Abgeltungssteuer unterliegen. Und drittens wird in den noch verbleibenden Fällen die Anwendung zu allermeist daran scheitern, dass der Anleger den Nachweispflichten des § 19a Abs. 4 REITG i. d. F. des JStG 2009 nicht zu genügen vermag. Auf eine nähere Erörterung der Vorschrift wird deshalb hier verzichtet. b) Veräußerungsgewinne und -verluste Von unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen erzielte Veräußerungsgewinne unterliegen der Abgeltungssteuer, sofern die veräußerten Anteile nach dem 31.12.2008 erworben worden sind25, im Privatvermögen gehalten werden und nicht Anteile i. S. v. § 17 EStG sind. Die Anwendung der Abgeltungssteuer auch auf Veräußerungsgewinne wird klarstellend durch eine Änderung des § 19 Abs. 2 REITG i. d. F. des JStG 2009 mittels einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bekräftigt26. Die Abgeltungssteuer ist im Wege der Kapitalertragsteuer zu erheben; § 20 Abs. 1 REITG i. d. F. des JStG 2009. Handelt es sich bei den veräußerten Anteilen um solche i. S. v. § 17 EStG, unterfällt ein deshalb zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb rechnender Veräußerungsgewinn gem. § 20 Abs. 8 EStG nicht der Abgeltungssteuer. Da § 19 Abs. 3 REITG die Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG ausschließt, unterliegt der Veräußerungsgewinn zur Gänze dem progressivem Einkommensteuertarif. Entsprechendes gilt für Anteile, die von einer natürlichen Person aus einem Betriebsvermögen heraus veräußert werden. Korrespondierend sind Veräußerungsverluste bzw. Wertminderungen zur Gänze abzugsfähig. Von einer Kapitalgesellschaft erzielte Veräußerungsgewinne unterliegen zur Gänze der Körperschaft- und Gewerbesteuer, Veräußerungsverluste bzw. Wertminderungen sind zur Gänze abzugsfähig. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 19 Abs. 3 REITG, der die Anwendung des § 8b KStG ausschließt. Veräußerungsverluste unterliegen einer besonderen Verrechnungsbeschränkung. Sie dürfen gem. § 19 Abs. 4 REITG in entsprechender Anwendung von § 10d EStG nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien einer REITAktiengesellschaft oder Anteilen an ausländischen REITs i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG verrechnet werden. Für nach dem 31.12.2008 erfolgende Veräußerungen gilt diese Verrechnungsbeschränkung nur noch für im Betriebsvermögen gehaltene Anteile27. Der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2009 hielt diese Beschränkung auf im Betriebsvermögen gehaltene Anteile für vertretbar, da die im Übrigen anzuwendenden Regelungen zur Abgeltungssteuer bereits einen
__________ 25 Siehe § 23 Abs. 6 REITG i. d. F. des JStG 2009. 26 Vgl. auch Jakob, Der G-REIT-Aktionär: Besteuerungsgrundsätze im Lichte des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, AG 2008, 583 (587). 27 Vgl. § 19 Abs. 4 REITG i. d. F. des JStG 2009 i. V. m. § 23 Abs. 8 REITG i. d. F. des JStG 2009.
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besonderen Verlustverrechnungskreis für Aktienveräußerungen vorsehen28. Für Anteile i. S. v. § 17 EStG gelten mithin für nach dem 31.12.2008 erfolgende Veräußerungen keinerlei Verrechnungsbeschränkungen, da sie weder dem Abgeltungssteuerregime noch der Regelung des § 19 Abs. 4 REITG mangels Betriebsvermögenseigenschaft unterfallen. 2. Ausgewählte Einzelfragen a) Tatbestandsmerkmale eines ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG Sechs Tatbestandsmerkmale sind kumulativ von einem REIT zu erfüllen, um als ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG zu qualifizieren. Jedes dieser Tatbestandsmerkmale ist mit Auslegungsunsicherheiten behaftet29. Darüber hinaus ist die Umschreibung der Tatbestandsmerkmale teils unvollständig und teils ungeeignet, um im Ausland weit verbreitete REITs zu erfassen. Dies gilt im Besonderen für die Tatbestandsmerkmale, die verlangen, dass das Bruttovermögen zu mehr als zwei Dritteln aus unbeweglichem Vermögen besteht und die Bruttoerträge zu mehr als zwei Dritteln aus der Vermietung und Verpachtung und der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen stammen. Diesbezüglich regelt die Vorschrift weder die Bewertung des Bruttovermögens noch den Zeitpunkt der Bewertung noch nach welchen Vorschriften sich die Bruttoerträge errechnen. Da mittelbar über Personen- und Kapitalgesellschaften erfolgende Anlagen in Grundvermögen nicht „unbewegliches Vermögen“ i. S. v. § 19 Abs. 5 REITG darstellen bzw. Gewinnanteile und Dividendenbezüge nicht zu den „Bruttoerträgen aus der Vermietung und Verpachtung und der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen“ zählen, provoziert die Vorschrift Zufallsergebnisse, in dem sie solche REITs, die ihre Anlagen in wesentlichem Umfang mittelbar über Beteiligungen strukturieren, aus dem Anwendungsbereich des § 19 Abs. 5 REITG ausschließt. b) Statuswechsel Besondere Anwendungsprobleme stellen sich, wenn ein ausländischer REIT aufgrund einer Änderung der definitionsrelevanten tatsächlichen Umstände den Status eines ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG erstmals erlangt oder verliert. Ein solcher Statuswechsel kann etwa durch eine erstmalige Börsennotierung oder durch den Wegfall einer Börsennotierung verursacht werden. Fälle eines Statuswechsels sind in den Anwendungsvorschriften des REITGesetzes angesprochen. § 23 Abs. 5 REITG i. d. F. des JStG 2009 ordnet an, dass §§ 19 und 19 a REITG nicht mehr auf Bezüge anzuwenden sind, die dem An-
__________ 28 Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/11108, 73. 29 Vgl. etwa Engers in Helios/Wewel/Wiesbrock, REIT-Gesetz, München 2008, § 19 REITG Rz. 35 ff.; Schanne in Striegel (Hrsg.) REITG, Berlin 2007, § 19 REITG Rz. 37 ff.; Blaas/Ruoff in Seibt/Conradi, Handbuch REIT-Aktiengesellschaft, Köln 2008, S. 281 ff.
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leger nach dem Ende des Wirtschaftsjahres zufließen, in dem der ausländische REIT nicht mehr die Voraussetzung des § 19 Abs. 5 REITG erfüllt. Eine weitere Regelung findet sich in § 23 Abs. 7 REITG i. d. F. des JStG 2009. Danach ist auf Veräußerungen oder die Bewertung von Anteilen an einem ausländischen REIT § 19 Abs. 4 REITG anzuwenden, solange der ausländische REIT die Voraussetzung des § 19 Abs. 5 REITG erfüllt. Aus § 23 Abs. 5 REITG i. d. F. des JStG 2009 kann man ablesen, dass bei einem unterjährigen Verlust des Status als ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG auf nach dem Zeitpunkt des Statuswechsels zugeflossene Ausschüttungen § 19 REITG anzuwenden ist, insoweit die Ausschüttungen bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres des ausländischen REIT zufließen. Der unterjährig erfolgte Verlust des Status als ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG wird insoweit ignoriert. Eine korrespondierende Regelung für die erstmalige Anwendung der §§ 19 und 19 a REITG existiert nicht. Folglich sind die §§ 19 und 19 a REITG anzuwenden, wenn der ausländische REIT die Voraussetzung des § 19 Abs. 5 REITG in dem Zeitpunkt erfüllt, zu dem die Ausschüttungen zufließen, ungeachtet dessen ob der ausländische REIT auch am Ende seines vorhergehenden Wirtschaftsjahres bereits die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 REITG erfüllt hat. Entsprechendes gilt für Veräußerungsgewinne und -verluste. Sie unterfallen immer dann § 19 REITG, wenn der ausländische REIT im Zeitpunkt der Veräußerung als ein solcher i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG qualifiziert. Die Verhältnisse vor und nach dem Veräußerungszeitpunkt sind irrelevant30. Weitere Rechtsfolgen knüpft das REIT-Gesetz an einen Statuswechsel nicht. Insbesondere wird keine Abrechnung der stillen Reserven auf den Zeitpunkt des Statuswechsels vorgeschrieben. Bei einem Wechsel des Status eines ausländischen REIT in einen solchen des § 19 Abs. 5 REITG geht das Privileg des § 8b Abs. 2 KStG folglich auch für bis zum Zeitpunkt des Statuswechsels entstandene Wertsteigerungen verloren, andererseits werden bis zum Statuswechsel eingetretene, unrealisierte Wertminderungen bei Realisation nach dem Statuswechsel von dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG verschont. c) Hinzurechnungsbesteuerung aa) Anwendungsvorrang des § 7 Abs. 7 AStG § 7 Abs. 7 AStG statuiert unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anwendungsvorrang der Vorschriften des Investmentsteuergesetzes gegenüber den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung. Für diesen Anwendungsvorrang ist u. a. vorausgesetzt, dass auf die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes anzuwenden sind. Die Anwendung des Investmentsteuergesetzes erfordert gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG, dass es sich bei der Zwi-
__________ 30 Vgl. Engers in Helios/Wewel/Wiesbrock, REIT-Gesetz, München 2008, § 23 REITG Rz. 7.
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schengesellschaft um ein ausländisches Investmentvermögen i. S. d. § 2 Abs. 8 InvG handelt. Der Begriff des ausländischen Investmentvermögens wird in § 2 Abs. 8 InvG denkbar weit als Investmentvermögen i. S. d. § 1 Satz 2 InvG, das dem Recht eines anderen Staates untersteht, definiert. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 InvG sind Investmentvermögen Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen i. S. d. § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Unter diese Definition eines ausländischen Investmentvermögens, die nur eine gemeinschaftliche Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung erfolgt, verlangt, fällt im Grunde jeder ausländische REIT. Jedoch setzt die Anwendung des Investmentsteuergesetzes auf Anlegerseite gem. § 2 InvStG voraus, dass dem Anleger ein Investmentanteil zuzurechnen ist, hier präzise ein ausländischer Investmentanteil31. Nach § 2 Abs. 9 InvG sind ausländische Investmentanteile Anteile an ausländischen Investmentvermögen, die von einem Unternehmen mit Sitz im Ausland ausgegeben werden, „und bei denen der Anleger verlangen kann, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem ausländischen Investmentvermögen ausgezahlt wird, oder bei denen der Anleger kein Recht zur Rückgabe der Anteile hat, aber die ausländische Investmentgesellschaft in ihrem Sitzstaat einer Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage unterstellt ist.“ Bedenkt man nun, dass ein ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG nur vorliegt, wenn der ausländische REIT in seinem Sitzstaat keiner Investmentaufsicht unterliegt, qualifizieren Anteile an einem ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG nicht zugleich als ausländischer Investmentanteil i. S. d. § 2 Abs. 9 InvG, es sei denn, dass der Anleger von dem ausländischen REIT eine Rücknahme seiner Anteile verlangen könnte. Letzteres dürfte bei einem ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG allenfalls ausnahmsweise der Fall sein, da die Behandlung als ausländischer REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG weiter einen Handel der Anteile an dem ausländischen REIT an einem geregelten Markt voraussetzt. Es ist damit als Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Anwendungsvorrang des § 7 Abs. 7 AStG zugunsten der Vorschriften des InvStG für die Einkünfte eines ausländischen REIT i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG allenfalls ausnahmsweise greift. bb) Zwischeneinkünfte (1) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Da ein ausländischer REIT in der Regel nicht „deutsch-beherrscht“ i. S. d. § 7 Abs. 2 AStG sein wird, interessieren insbesondere die Regelungen zu den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter, welche eine Hinzurechnungsbesteuerung auszulösen vermögen, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der ausländischen Zwischengesellschaft zumindest ein Prozent beteiligt ist; § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von un-
__________ 31 Vgl. Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG DBA, § 7 AStG Rz. 205.2.
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Inländische Ertragsbesteuerung von Beteiligungen an ausländischen REITs
beweglichem Vermögen fallen allerdings nicht unter den Begriff der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, ebenso wenig von Kapitalgesellschaften bezogene Dividenden i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG; § 7 Abs. 6 a AStG. Eine Hinzurechnungsbesteuerung für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter kommt somit praktisch nur für Zinseinkünfte des ausländischen REIT in Frage. Soweit jedoch der inländische Steuerpflichtige nachweist, dass diese Zinseinkünfte aus einer Tätigkeit stammen, die der Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des ausländischen REIT dienen, rechnen auch diese Zinseinkünfte nicht zu den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter; § 7 Abs. 6 a Halbs. 2 AStG. (2) Zwischeneinkünfte ohne Kapitalanlagecharakter Zwischeneinkünfte ohne Kapitalanlagecharakter unterliegen nur dann einer Hinzurechnungsbesteuerung, wenn am Ende des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft unbeschränkt und erweitert beschränkt Steuerpflichtige zusammen zu mehr als der Hälfte an der ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt sind; § 7 Abs. 2 AStG. Auch bei Vorliegen dieser Beteiligungsvoraussetzung sollten in aller Regel jedenfalls die Einkünfte von im EU- bzw. EWRAusland ansässigen REITs von einer Hinzurechnungsbesteuerung verschont bleiben. Denn regelmäßig wird der unbeschränkt Steuerpflichtige den Nachweis führen können, dass der ausländische REIT im Staat seines Sitzes bzw. seiner Geschäftsleitung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nachgeht. Der ausländische REIT gilt sodann nach Maßgabe der weiteren Voraussetzungen und Einschränkungen in § 8 Abs. 2 Satz 2 ff. AStG nicht als Zwischengesellschaft. Eine Hinzurechnungsbesteuerung droht somit allenfalls für Einkünfte von solchen ausländischen REITs, die weder in der EU bzw. im EWR ansässig sind noch „aktive“ Einkünfte i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. b) AStG erzielen.
IV. Schlussbemerkung Es ist ausgesprochen bemerkenswert, mit welcher Energie und Akribie der deutsche Steuergesetzgeber sich manchen Problemstellungen widmet. Ein plastisches Beispiel ist der Fall einer von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehaltenen Schachtelbeteiligung an einem ausländischen REIT. Die in dieser Konstellation denkbare Entstehung von „weißen“ Einkünften wird mit allen gesetzgeberischen Mitteln zu verhindern versucht. Man schafft eine Sonderregelung für ausländische REITs in § 19 Abs. 5 REITG, schließt die Anwendung des § 8b KStG in § 19 Abs. 3 REITG aus, suspendiert unilateral bestimmte abkommensrechtliche Schachtelprivilegien in § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG und legt zu guter Letzt mit einer Switch-Over-Klausel in § 19 Abs. 6 REITG i. d. F. des JStG 2009 zur (vermeintlichen) Schließung auch der letzten Lücke noch nach. Und doch hat der Gesetzgeber sein Ziel noch immer nicht erreicht. Es verbleiben Lücken, manche so groß wie ein Scheu969
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nentor: So erfassen einige der vorgenannten Vorschriften nur Beteiligungen an ausländischen REITs i. S. d. § 19 Abs. 5 REITG, das unilaterale internationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg besteht unverändert fort, über mehrstöckige Beteiligungsstrukturen lässt sich den genannten Vorschriften leicht ausweichen, eine Hinzurechnungsbesteuerung ist nur ausnahmsweise zu besorgen. Es steht deshalb zu befürchten, dass der Gesetzgeber schon bald erneut tätig werden wird.
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Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht Inhaltsübersicht I. Prolog II. Das Problem III. Zu den Funktionen und Risiken eines Eigenhändlers und eines Kommissionärs IV. Doppelter Ansatz für die Prüfung des „Verrechnungspreises“ V. Die unterschiedlichen Ansätze in § 13 AO einerseits und in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA andererseits VI. Das Verhältnis zwischen Betriebsstätte und ständigem Vertreter
VII. Kennzeichen der Vertretertätigkeit: Genügt der Abschluss von Verträgen für Rechnung des Vertretenen? VIII. Der abkommensrechtliche Vertreterbegriff IX. Abhängiger Vertreter und Vertreter, der Sachanweisungen des Vertretenen unterliegt 1. Allgemeines 2. Formen der Abhängigkeit 3. Lösungsvorschlag: Abgrenzung zwischen einer Vertretertätigkeit und einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit X. Schlusswort
I. Prolog Der Beitrag ist Harald Schaumburg aus Anlass seines 65. Geburtstages gewidmet. Er ist dem Internationalen Steuerrecht zuzuordnen, weil Harald Schaumburg sich mit seinem dieses Rechtsgebiet betreffenden Lehrbuch besondere Verdienste erworben hat. Der Beitrag versucht, ein alt bekanntes Thema unter einem neuen Gesichtspunkt zu beleuchten, wobei der neue Gesichtspunkt viele Ansatzpunkte in dem Hergebrachten hat. Den Verfasser verbindet mit Harald Schaumburg seit Jahrzehnten eine sachlich geprägte, persönliche Freundschaft, die auf viele wechselseitige Anregungen zurückgeht. Er kann nur hoffen, dass auch dieser Festschriftbeitrag die Zustimmung des zu Ehrenden findet.
II. Das Problem Viele multinational tätige Konzerne stellen Produkte her, um sie weltweit zu verkaufen. Entsprechend verfügen sie einerseits über Produktionsgesellschaften. Andererseits wollen sie den weltweiten Vertrieb der Produkte gestalten. Häufig übernimmt den Vertrieb eine eigenständige Konzerngesellschaft vor Ort, die alternativ als Eigenhändler oder als Kommissionär (Agent) fungiert. Ob die Konzerngesellschaft als Eigenhändler oder als Kommissionär (Agent) 971
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auftritt, ist eine Frage der tatsächlich zu übernehmenden Funktionen und Risiken. Damit ist regelmäßig die Frage verbunden, welche materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der einen oder der anderen Konzerngesellschaft zuzuordnen sind. Der Konzern mag auch die Vorstellung verfolgen, möglichst viele Aufgaben zu zentralisieren und der vor Ort tätigen Konzerngesellschaft (= Vertriebseinheit) nur die Aufgaben zuzuweisen, die der Natur der Sache nach tatsächlich vor Ort erfüllt werden müssen. Jedenfalls ist in der Praxis der Trend auszumachen, die vor Ort tätige Vertriebseinheit eher funktionsschwach auszugestalten, was mit der Vorstellung verbunden wird, dass der Vertriebseinheit nur ein relativ kleiner „Anteil“ an der Vertriebsgewinnmarge zuzuordnen ist. Allerdings löst dies die andere Frage aus, ob nicht die Vertriebseinheit gleichzeitig als ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO bzw. als Vertreter i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA für eine andere Konzerngesellschaft auftritt. Auch muss die weitere Möglichkeit bedacht werden, dass die Vertriebseinheit vor Ort ständig Räumlichkeiten und Personal zur Nutzung durch eine andere Konzerngesellschaft zur Verfügung stellt. Die andere Konzerngesellschaft soll hier zwecks Vereinfachung als Prinzipalgesellschaft bezeichnet werden. Beide Möglichkeiten bedeuten, dass die Prinzipalgesellschaft in dem Staat, in dem die Vertriebseinheit tätig wird, beschränkt steuerpflichtig sein könnte1. Außerdem besteht die Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte vor Ort im abkommensrechtlichen Sinne (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA). Wird die Vertriebseinheit in mehreren Staaten gleichzeitig tätig, so können sich beschränkte Steuerpflichten bzw. Betriebsstätten für die Prinzipalgesellschaft in jedem dieser Staaten ergeben. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass in diesem Beitrag nicht auf Fragen eingegangen wird, die sich speziell aus der Umstellung einer Vertriebseinheit vor Ort von einem Eigenhändler zu einem Kommissionär (Agent) ergeben können.
III. Zu den Funktionen und Risiken eines Eigenhändlers und eines Kommissionärs Für den Eigenhändler ist typisch, dass er das wirtschaftliche Eigentum an dem hergestellten Produkt erwirbt und dass der Vertrieb des Produktes sein Risiko ist. Dies gilt gleichermaßen für den zufälligen Untergang des Produktes vor Verkauf, für den Preis des Produktes, für einen evtl. Forderungsausfall des bereits verkauften Produktes als auch für evtl. Währungsschwankungen einschließlich eines Kursverlustrisikos. Der Vertrieb des Produktes setzt häufig dessen Lagerung voraus. Die damit verbundenen Kosten gehen regelmäßig zu Lasten des Eigenhändlers. Außerdem stellt der Vertrieb des Produktes eine im Eigeninteresse des Eigenhändlers liegende Dienstleistung dar. Die Kosten der Dienstleistung gehen zu Lasten des Eigenhändlers. Dazu gehört z. B. auch die Debitorenbuchhaltung. Der Eigenhändler übernimmt schließlich gegenüber dem Käufer gewisse Gewährleistungspflichten, die er jedoch möglicherweise
__________ 1 Vgl. EAS 814 vom 2.2.1996, SWI 1996, 151; EAS 958 vom 21.10.1996, SWI 1996, 516; EAS 2128 vom 14.10.2002, SWI 2002, 556; EAS 2304 vom 23.6.2003, SWI 2003, 440.
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Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht
auf den Produktverkäufer abwälzen kann. Im Einzelfall sind zwar auf Grund der bestehenden Vertragsfreiheit Ausnahmen vom Regelfall denkbar. Diese Ausnahmen schlagen jedoch erfahrungsgemäß auf den Preis durch, d. h. sie müssen von dem Eigenhändler entweder durch den Verzicht auf Einnahmen oder durch höhere Aufwendungen bezahlt werden. Wird die Vertriebseinheit vor Ort nur als Kommissionär (Agent) tätig, so drückt sich dies in einer Abstufung (Herabsetzung oder Ausschluss) der zu übernehmenden Funktionen und Risiken aus. Der Kommissionär ist eine Person, die es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen, aber im Auftrag und für Rechnung des Kommittenten (= Prinzipal) zu kaufen oder zu verkaufen (§ 384 Abs. 1 HGB). Hier soll aus Vereinfachungsgründen nur auf den Verkaufskommissionär eingegangen werden, was jedoch auf die Ergebnisse ohne Einfluss ist. Unbeschadet der geltenden Vertragsfreiheit sind im Falle eines Verkaufskommissionärs die Lagerung und das Risiko des Vertriebs des Produktes im engeren Sinne Sache der Prinzipalgesellschaft. Der Kommissionär (Agent) erwirbt kein wirtschaftliches Eigentum an den zu verkaufenden Waren. Das Risiko des zufälligen Unterganges des Produktes und jegliches Preisrisiko, Forderungsausfallrisiko sowie das Kursverlustrisiko treffen im Regelfall die Prinzipalgesellschaft. Auch die Übernahme von Gewährleistungspflichten und die Debitorenbuchhaltung sind die Sache der Prinzipalgesellschaft. Häufig erhält allerdings der vor Ort tätige Kommissionär (Agent) das Exklusivrecht, in einem bestimmten räumlich abgegrenzten Gebiet Verkaufsgeschäfte für die Prinzipalgesellschaft ausschließlich zu vermitteln und sogar abzuschließen. Der Kommissionär (Agent) tritt dabei im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Prinzipalgesellschaft auf. Zu seinen Aufgaben können die Prüfung der Bonität der Kunden vor Ort, die Entgegennahme von Kundenzahlungen, Rabatt- und Bonusgewährungen im Einvernehmen mit der Prinzipalgesellschaft, die Anerkennung von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen, die Einschaltung gewisser Hilfspersonen oder -einrichtungen, gewisse Werbemaßnahmen auf der Grundlage eines von der Prinzipalgesellschaft zur Verfügung gestellten Budgets u. a. m. gehören. In der Regel erwirbt der Kommissionär (Agent) keine eigenen immateriellen Rechte (z. B. Marken) von der Prinzipalgesellschaft. Er ist allerdings Inhaber des Kundenstammes. Seine Vergütung ist das Entgelt für eine erbrachte Dienstleistung. Die Vergütung wird in der Regel nach einem Prozentsatz des vermittelten Umsatzes berechnet. Insoweit trägt der Kommissionär (Agent) das Risiko, einen bestimmten Umsatz vermitteln zu können. Es kann auch sein, dass der Kommittent dem Kommissionär dessen budgetmäßig vorher festgelegten Gemeinkosten erstattet und ihm im Übrigen eine entsprechend geringere Umsatzprovision zahlt. Ausnahmsweise kann das Entgelt auch als ein fester Stundensatz bzw. nach cost-plus-Grundsätzen vereinbart sein, was jedoch anderweitige steuerliche Rückschlüsse nach sich ziehen könnte, auf die gesondert einzugehen sein wird. Der Kommissionär (Agent) kann auch über längere Zeit nur für eine oder für einige wenige Prinzipalgesellschaft(en) tätig sein. Zwischen beiden kann sogar eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung bestehen.
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IV. Doppelter Ansatz für die Prüfung des „Verrechnungspreises“ Sieht man die hier angesprochene Problematik unter dem Gesichtspunkt, dass die beteiligten Staaten ein erklärtes Interesse daran haben, an dem Steuersubstrat, das bezogen auf die Vertriebsgewinnmarge besteht, angemessen beteiligt zu werden, so ist die Erkenntnis wichtig, dass die Finanzverwaltungen insoweit einen doppelten Ansatz haben. Zum einen geht es um die Frage, ob die dem Kommissionär (Agenten) gezahlte Vergütung angemessen ist. Diese Frage bezieht sich auf die Steuerpflicht der Konzerngesellschaft vor Ort. Dabei mögen die beteiligten Staaten unterschiedliche Interessen je nach dem haben, ob sie den Kommissionär (Agenten) oder die Prinzipalgesellschaft besteuern können. Es wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass der Kommissionär (Agent) im „Quellenstaat“ für die Prinzipalgesellschaft die Stellung eines „ständigen Vertreters“ i. S. d. § 13 AO bzw. eines „Vertreters“ i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA begründen könnte. Diese Möglichkeit zielt auf eine Steuerpflicht der Prinzipalgesellschaft im „Quellenstaat“. Dabei besteht nicht selten die Besonderheit, dass lange Zeit keiner die Möglichkeit der Existenz einer „Vertreterbetriebsstätte“ ins Auge gefasst hat. Im Zweifel hat die Prinzipalgesellschaft für sich selbst im Quellenstaat keine Steuererklärung abgegeben. Es liegen deshalb bisher keine Steuerbescheide für vergangene Jahre vor. Die Prinzipalgesellschaft ist auch häufig durch keine verbindliche Auskunft i. S. d. § 89 Abs. 2 AO abgesichert. Dadurch eröffnet sich für die Finanzverwaltung die Möglichkeit, die Rechtsfrage für viele Jahre rückwirkend aufzurollen, wenn sie nur auf die „Vertreterbetriebsstättenvariante“, d. h. auf die Steuerpflicht der Prinzipalgesellschaft setzt. Dazu ist es zumindest in einem gewissen Randbereich Verhandlungssache, ob man sich auf eine Anpassung der Kommissionärsvergütung verständigt oder sich auf einen bestimmten Gewinn einer „Vertreterbetriebsstätte“ einigt. Die Anpassung der Kommissionärsvergütung geht stets zu Lasten des Gewinns einer „Vertreterbetriebsstätte“. Dies zeigt sich auch an der Regelung im Protokoll Nr. 2 zu Art. 5 DBA-Österreich, wo es wörtlich heißt: „Es besteht Einverständnis, dass im Fall verbundener Unternehmen keines dieser Unternehmen als Vertreterbetriebsstätte eines anderen verbundenen Unternehmens behandelt wird, wenn die jeweiligen – ohne dieses Einverständnis sonst zur Vertreterbetriebsstätte führenden – Funktionen durch Ansatz angemessener Verrechnungspreise, einschließlich eines diesem verbleibenden Gewinns, abgegolten werden.“
V. Die unterschiedlichen Ansätze in § 13 AO einerseits und in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA andererseits Man muss auch beachten, dass die Regelungen in § 13 AO und in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA zumindest äußerlich nicht deckungsgleich sind. § 13 AO stellt darauf ab, ob der Vertreter Geschäfte des Vertretenen besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA lässt es dagegen genügen, dass eine Person für ein Unternehmen tätig ist und dabei die gewöhnlich ausgeübte Vollmacht hat, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen. 974
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Ausnahmen werden für die in Art. 5 Abs. 6 OECD-MA genannten unabhängigen Vertreter gemacht. § 13 AO erfordert eine nachhaltige Besorgung von Geschäften durch den Vertreter; in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ist lediglich von einer gewöhnlichen Ausübung der Vollmacht die Rede. Der äußerliche Vergleich der beiden Regelungsbereiche spricht dafür, dass § 13 AO teilweise einen engeren, teilweise aber auch einen weiteren Tatbestand als Art. 5 Abs. 5 OECD-MA enthält. Soweit der Tatbestand des § 13 AO enger ist, ist nicht jeder Vertreter i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA zugleich ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO. Anders ausgedrückt läuft Art. 5 Abs. 5 OECD-MA in diesem Bereich ins Leere, wenn der dort beschriebene Vertreter kein ständiger i. S. d. § 13 AO und deshalb im Quellenstaat nicht beschränkt steuerpflichtig ist. Umgekehrt erfordert Art. 5 Abs. 5 OECD-MA eine Vollmacht, die den Vertreter zum Abschluss von Geschäften im Namen des Vertretenen ermächtigt. § 13 AO stellt kein entsprechendes Erfordernis auf. Art. 5 Abs. 5 letzter Halbsatz OECD-MA schränkt die Annahme einer Vertreterbetriebsstätte für die Fälle ein, dass der Vertreter Hilfstätigkeiten i. S. d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA erbringt. § 13 AO enthält auch insoweit keine entsprechende Einschränkung. Schließlich nimmt Art. 5 Abs. 6 OECD-MA bestimmte unabhängige Vertreter aus dem Vertreterbegriff aus. Dies gilt für den Makler, den Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter, sofern sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. § 13 AO enthält wiederum keine vergleichbare Ausnahmeregelung, auch wenn man sich vorstellen kann, dass es in derartigen Fällen nicht immer an Sachweisungen fehlen wird, denen der Makler, der Kommissionär oder ein anderer unabhängiger Vertreter unterliegt. Der Grundgedanke der Regelung in Art. 5 Abs. 6 OECD-MA ist jedenfalls der, dass ein eigenständiges Unternehmen nicht als Vertreter (Betriebsstätte) eines anderen Unternehmens behandelt werden soll, wenn es denn im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt2. Dahinter steht auch eine Überlegung, auf der die sog. „Nullsummentheorie“ aufbaut3. Unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA muss ein „Vertretener“ seinen Gewinn zwischen seiner inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte und seiner ausländischen Vertreterbetriebsstätte aufteilen. Dies erfordert eine Bewertung des Vorteils, den der „Vertretene“ durch die Tätigkeit des „Vertreters“ erfährt. Dieser Vorteil ist unter Fremdvergleichsgesichtspunkten zu bewerten. Geht man jedoch davon aus, dass der „Vertretene“ dem „Vertreter“ eine unter Fremdvergleichsgesichtspunkten angemessene Vergütung zahlt, so entspricht die gezahlte Vergütung zwingend dem erhaltenen Vorteil. Der Gewinn der Vertreterbetriebsstätte beträgt jedenfalls dann regelmäßig 0 Euro, wenn ein unabhängiger „Vertreter“ eingeschaltet wird und dieser ein Entgelt erhält, das dem Fremdvergleich entspricht. Soweit durch das vermittelte Geschäft tatsächlich ein nicht erwarteter Mehr- oder Wenigergewinn anfallen sollte, ist er der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen.
__________ 2 Vgl. Art. 5 Nr. 36 Satz 2 OECD-MK; Birk in HHSp, § 13 AO Rz. 19; Görl in Vogel/ Lehner, DBA5, Art. 5 Rz. 145; Kroppen/Hüffmeier, IWB Fach 3, Gruppe 2, S. 637, 638. 3 Vgl. Sieker, DB 1996, 981.
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Sie trägt letztlich das Risiko des guten oder schlechten Verkaufs. Das ist der Grund, weshalb Art. 5 Abs. 6 OECD-MA den Makler, den Kommissionär und andere unabhängige Vertreter aus dem Regelungsbereich des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA herausnimmt. Letztlich kommt es deshalb allein darauf an, ob der „Vertreter“ ein eigenständiges Unternehmen betreibt oder aber die unternehmerische Tätigkeit des „Vertretenen“ ausübt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Regelung in R 49.1 Sätze 2 und 3 hinzuweisen, die die Besteuerung ausländischer Unternehmen betrifft, die Geschäftsbeziehungen zu einem inländischen Kommissionär, Makler oder Handelsvertreter unterhalten, der gleichzeitig ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO ist. Das ausländische Unternehmen wird nicht der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wobei unklar ist, ob dies auf Rechts- oder auf Billigkeitsüberlegungen beruht.
VI. Das Verhältnis zwischen Betriebsstätte und ständigem Vertreter Nach der Regierungsbegründung zum Entwurf einer AO steht der Begriff des „ständigen Vertreters“ in einer engen Parallele zu dem Konzept der Betriebsstätte, das er in subsidiärer Zuordnung ergänzt4. So gesehen liegen Überlegungen zu dem Verhältnis zwischen Betriebsstätte und ständigem Vertreter auf der Hand. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG begründen die inländische Betriebsstätte und der im Inland tätige ständige Vertreter eines ausländischen Unternehmens gleichermaßen dessen beschränkte Steuerpflicht. Andererseits bestehen bei der deutschen Gewerbesteuer gewichtige Unterschiede. Der im Inland tätige ständige Vertreter begründet für das vertretene ausländische Unternehmen keine Betriebsstätte mit der Folge, dass dieses nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegt. Umgekehrt muss allerdings das im Inland ansässige vertretene Unternehmen Gewinne der deutschen Gewerbesteuer unterwerfen, die es mit Hilfe eines im Ausland tätigen ständigen Vertreters erzielt hat. Das ist deshalb befremdend, weil die Tätigkeit des ständigen Vertreters im Ausland ohne weiteres in eine Betriebsstätte umfunktioniert werden kann. Der Vertretene muss lediglich im Ausland ein Büro mieten und dasselbe dem ständigen Vertreter für dessen Tätigkeit überlassen. Solange der Vertretene Verfügungsmacht über das Büro behält, hat er dort eine eigene Betriebsstätte. Dies wirft die Frage nach der Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung auf. Hier kann jedenfalls von einer Ergänzung in subsidiärer Zuordnung keine Rede mehr sein. Dazu ist festzuhalten, dass die inländische Betriebsstätte in ihrem Kernbestand aus einer im Inland unterhaltenen festen Geschäftseinrichtung besteht. Das Wesen des ständigen Vertreters beruht dagegen nur auf dem Ausüben einer nachhaltigen Tätigkeit. Eine Tätigkeit kann allerdings auch unter den Voraussetzungen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO eine Betriebsstätte begründen. Dennoch besteht zwischen der Tätigkeit eines ständigen Vertreters und den Bauausführungen und Montagen i. S. d. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO insoweit ein gewichtiger Unterschied, als letztere Tätigkeit in sehr viel stärkerem Maße auf
__________ 4 Vgl. BT-Drucks. VI/1982, 104 und BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BFHE 106, 206 = BStBl. II 1972, 785.
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einen bestimmten Ort (Baustelle) bezogen ist. Die Vertretertätigkeit kann dagegen im ganzen Land ausgeübt werden. Hier fehlt die klare Ortsbezogenheit. Dies zeigt sich bei der Fragestellung, wann an verschiedenen Orten gelegene Bauausführungen und Montagen als eine Betriebsstätte behandelt werden können. Hier werden die Betriebsstätte einerseits und der ständige Vertreter andererseits gewissermaßen mit unterschiedlichen Maßstäben bewertet. Die Frage des ausreichenden Ortsbezuges stellt sich auch mit Blick auf das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Vertretertätigkeit. Dazu stelle man sich ein inländisches Unternehmen vor, das in Paris ein Büro anmietet, um dort einen Mitarbeiter zu beschäftigen, der das Unternehmen im französisch sprachigen Raum vertreten soll. Der Mitarbeiter fährt mit einer gewissen Regelmäßigkeit durch Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Westschweiz, um dort seinen Aufgaben nachzukommen. Durch das Büro in Paris wird sicherlich eine Betriebsstätte in Frankreich begründet. Eine gewichtige Frage geht jedoch dahin, ob diesem Büro auch die in Belgien, Luxemburg und der Westschweiz ausgeübte Vertretertätigkeit zuzuordnen ist. Eine weitere Frage geht dahin, unter welchen Voraussetzungen das vertretene Unternehmen auch in Belgien, Luxemburg und der Schweiz beschränkt steuerpflichtig wird. Dazu stelle man sich vor, dass der Vertreter sich jede Woche nur an einem Tag während 5 Stunden in Belgien aufhält. Die Frage betrifft nicht nur die Nachhaltigkeit dieser Vertretertätigkeit, sondern auch deren Inhalt. Erfordert die Vertretertätigkeit den Abschluss von Verträgen oder fallen darunter auch bloße Werbemaßnahmen und Kundenbesuche? Auf diese Frage findet man in den einschlägigen Kommentierungen praktisch keine Antwort. Die berührt auch das verfassungsrechtliche Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von § 13 AO und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
VII. Kennzeichen der Vertretertätigkeit: Genügt der Abschluss von Verträgen für Rechnung des Vertretenen? § 13 Satz 1 AO definiert als ständigen Vertreter gewissermaßen jede Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Nach § 13 Satz 2 AO ist diese Voraussetzung schon dann erfüllt, wenn die Person für ein Unternehmen nachhaltig Verträge abschließt oder vermittelt. Der Hinweis auf die Vermittlung von Verträgen deutet an, dass der ständige Vertreter nicht selbst Verträge im Namen des Vertretenen abschließen muss. Die Formulierung lässt es jedenfalls bei wortgetreuer Auslegung genügen, dass z. B. der Kommissionär regelmäßig Verträge im eigenen Namen und für Rechnung des Vertretenen abschließt. Der Abschluss von Verträgen für ein anderes Unternehmen setzt kein Handeln in dessen Namen voraus, sondern lässt auch ein Vertragsabschluss in dessen Interesse bzw. mit dessen Zustimmung zu. Es genügt sogar die bloße Vermittlung von Verträgen, die der Vertretene selbst abschließt. Hinzuweisen ist darauf, dass andere Steuerrechtsordnungen ebenfalls den Begriff des „ständigen Vertreters“ verwenden, ohne ihn gesetzlich zu definieren. Dies gilt z. B. für § 98 Z 3 öEStG und § 29 Abs. 2 Buchst. b öBAO. In Österreich muss deshalb der Begriff 977
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„ständiger Vertreter“ nach seinem Wortsinn ausgelegt werden, was eine rein zivilrechtliche Betrachtungsweise nahe legt.
VIII. Der abkommensrechtliche Vertreterbegriff Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA wird das Unternehmen eines Vertragsstaates, für das eine Person in dem anderen Vertragsstaat tätig wird, die die Vollmacht besitzt, dort im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen und die die Vollmacht dort gewöhnlich ausübt, so behandelt, als habe es in diesem Staat eine Betriebsstätte. Aus dieser Fiktion wird das Handeln eines unabhängigen Vertreters i. S. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA ausgeklammert. Als entsprechend unabhängige Vertreter sind der Makler, der Kommissionär und andere unabhängige Vertreter zu verstehen, sofern sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Die Verwendung des Begriffes „unabhängiger Vertreter“ führt im Umkehrschluss dazu, die im anderen Vertragsstaat tätig werdende Person als „Vertreter“ zu bezeichnen. Im Widerspruch zu § 13 AO fordert also Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ausdrücklich das Vorliegen einer Vollmacht zugunsten des Vertreters, im Namen des vertretenen Unternehmens Verträge abzuschließen. Die Vollmacht muss gewöhnlich ausgeübt werden. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA baut insoweit eindeutig auf dem zivilrechtlichen Stellvertreterbegriff auf, der einem in allen fortgeschrittenen Rechtskulturen anzutreffenden Verkehrsbedürfnis entspricht. Die Stellvertretung soll es jeder Person ermöglichen, durch andere Personen am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und den eigenen Wirkungskreis im Wege der Arbeitsteilung zu erweitern. Unter der Stellvertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln in fremden Namen zu verstehen. Das rechtsgeschäftliche Handeln in fremden Namen setzt die Abgabe und/oder den Empfang einer Willenserklärung im Namen des Vertretenen voraus und erfordert eine entsprechende Vertretungsmacht, die ihrerseits auf einer Bevollmächtigung oder auf Gesetz beruht. Die Stellvertretung ist einerseits von anderen Formen der Zurechnung von Drittverhalten (Gehilfenschaft, Botenschaft) und im Übrigen vom Auftrag abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund entspricht es allein dem Wortsinn des Begriffes „Vertreter“, dass als ständiger Vertreter eines Unternehmens nicht in Betracht kommt, wer Geschäfte im eigenen Namen abschließt. Eine solche Person ist Auftragnehmer, aber kein Vertreter. Das im eigenen Namen abgeschlossene Geschäft begründet keine Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem anderen Vertragspartner. Seinem Wortlaut nach ist also Art. 5 Abs. 5 OECD-MA in diesem Punkt deutlich enger als § 13 AO. Der Kommissionär, der Verträge stets im eigenen Namen abschließt, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Trotz des an sich eindeutigen Wortlauts der Vorschrift gibt es Tendenzen, den Begriff der „Abschlussvollmacht“ in einem wirtschaftlichen Sinne auszulegen. Diese Tendenz folgt zunächst aus Art. 5 Nr. 32.1 OECD-MK. Dort heißt es: „Ferner soll der Ausdruck „Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen“, die Anwendung des Absatzes nicht auf Vertreter beschränken, die dem Wortlaut nach Verträge im Namen des Unternehmens abschließen; der Absatz ist eben-
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Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht so auf einen Vertrag anzuwenden, der Verträge mit rechtsverbindlicher Wirkung für das Unternehmen abschließt, auch wenn diese Verträge tatsächlich nicht im Namen des Unternehmens abgeschlossen werden“.
So sehr man diese Auslegung unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Sachverhalten verstehen kann, verbleibt es dennoch bei der Tatsache, dass die OECD hier eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut der Vorschrift vornimmt. Es ist nicht nachvollziehbar5, weshalb man nicht bereit ist, den Wortlaut der Vorschrift zu korrigieren, wenn man glaubt, eine andere Auslegung praktizieren zu sollen. Zwischen dem Abschluss von Verträgen im Namen und einem Tätigwerden nur für Rechnung von Unternehmen bestehen jedenfalls in den Zivilrechtsordnungen der deutschsprachigen Mitgliedstaaten der OECD erhebliche Unterschiede. Der Kommissionär (Agent) handelt nicht auf Grund einer Vollmacht, sondern auf Grund eines Auftrages. Art. 5 Nr. 32.1 OECD-MK ist erst am 28.1.2003 in den MK aufgenommen worden. Die Regelung kann für die damals bereits abgeschlossenen DBA nicht maßgebend sein. Hier setzt sich wieder einmal die fatale Bereitschaft der OECD durch, in der Vergangenheit abgeschlossene DBA auch entgegen ihrem klaren Wortlaut rückwirkend zu verändern. Dies ist ein verfassungsrechtliches Problem. Vor allem ist es nicht die Aufgabe der OECD, abgeschlossene Verträge rückwirkend zu ändern.
IX. Abhängiger Vertreter und Vertreter, der Sachanweisungen des Vertretenen unterliegt 1. Allgemeines Art. 5 Abs. 5 OECD-MA unterscheidet zwischen dem abhängigen und dem unabhängigen Vertreter. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA unterscheidet darüber hinaus zwischen einem unabhängigen Vertreter, der im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt, und einem unabhängigen Vertreter, der diese Voraussetzung nicht erfüllt. § 13 AO erfordert dagegen, dass der Vertreter bei der Besorgung von Geschäften des Vertretenen dessen Sachweisungen unterliegt. Auch wenn die genannten Formulierungen sehr stark voneinander abweichen, stellt sich letztlich für beide Rechtsbereiche die Frage, wann einerseits von Sachweisungen und andererseits von einem unabhängigen bzw. abhängigen Vertreter ausgegangen werden kann. Zusätzlich kann sich die Frage stellen, wann ein unabhängiger Vertreter im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Vor dem Hintergrund dieser sicherlich sehr differenziert zu sehenden Voraussetzungen soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wann eine „Vertreterbetriebsstätte“ zu bejahen ist.
__________ 5 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (183, 184); BS-VWG vom 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.2.
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2. Formen der Abhängigkeit Die Abhängigkeit eines Vertreters von einem Vertretenen kann eine rechtliche, wirtschaftliche, persönliche oder sachliche sein, wobei sich diese Begriffe auch inhaltlich überschneiden. Die Unabhängigkeit oder Abhängigkeit muss sich aus dem Innenverhältnis ergeben, das zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen besteht. Auf das Auftreten des Vertreters gegenüber dem Kunden kann es dagegen nicht ankommen. Das Innenverhältnis ist darauf zu überprüfen, ob es dem entspricht, was ein selbständiger Makler, Kommissionär oder vergleichbarer Vertreter üblicherweise tut. Das Auftreten eines entsprechenden Maklers, Kommissionärs oder vergleichbaren Vertreters ist durch einen eigenständigen Entscheidungsspielraum von einem gewissen wirtschaftlichen Gewicht und durch die Übernahme eines natürlichen Vertreterrisikos gekennzeichnet. Das Vertreterrisiko drückt sich typischerweise in einer erfolgsabhängigen Vergütung aus, wobei dies nicht das einzige Kriterium sein muss. Dies gilt auch für bestimmte Sachweisungen, die der Vertreter von dem Vertretenen erhält. Solche Sachweisungen stehen der Annahme eines unabhängigen Vertreters solange nicht entgegen, als sie auch im Fremdvergleich üblich sind. Im Übrigen kann jeder Rechtsträger Vertreter sein. Im Einzelnen kommen insbesondere natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften als mögliche Vertreter in Betracht. Es kann allerdings keine Person gleichzeitig sein eigener Vertreter sein6. Hinzuweisen ist auch darauf, dass im Bereich der „Vertreterbetriebsstätte“ große Rechtsunsicherheit besteht. Die Tatsache, dass der ständige Vertreter i. S. d. § 13 AO einerseits die beschränkte Steuerpflicht (nur) des vertretenen Unternehmers und andererseits keine Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO begründet, belegt die Fremdkörpereigenschaft, die mit diesem Begriff schon seit Jahrzehnten verbunden ist. 3. Lösungsvorschlag: Abgrenzung zwischen einer Vertretertätigkeit und einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit Ausgangspunkt der Überlegungen ist Art. 5 Nr. 36 und 38 OECD-MK. Danach hängt die Unabhängigkeit eines Vertreters von dem Ausmaß seiner Verpflichtungen gegenüber dem Vertretenen ab. Es kommt einerseits darauf an, welche Weisungen der Vertretene dem Vertreter erteilen kann. Andererseits ist auf die Aufsicht abzustellen, die der Vertretene gegenüber dem Vertreter ausübt. Dazu stellt Art. 5 Abs. 7 OECD-MA klar, dass es nicht auf die Kontrolle ankommt, die ein Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft auf Grund der bestehenden Beteiligungsverhältnisse ausüben kann bzw. ausübt7. Nach Art. 5 Nr. 38.4 OECD-MK sollen Begrenzungen der Vollmacht des Vertreters ebenfalls irrelevant sein, was insoweit fragwürdig ist, als Vollmachtsbegrenzungen die Frage aufwerfen können, ob der Bevollmächtigte überhaupt noch als Vertreter bezeichnet werden kann. Jedoch belegt Art. 5 Nr. 41 OECD-MK, dass eine Tochtergesellschaft grundsätzlich Vertreter ihrer Muttergesellschaft sein kann.
__________ 6 Vgl. BFH v. 14.4.1994 – I R 116/93, BFHE 176, 125 = BStBl. II 1995, 238. 7 Vgl. Art. 5 Nr. 38.1 OECD-MK.
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Auch kann die eine Konzerngesellschaft eine Vertreterbetriebsstätte für eine andere Konzerngesellschaft begründen. Das österreichische Bundesfinanzministerium (öBMF) vermutet eine rechtliche Abhängigkeit, wenn der Vertreter organschaftlich in den Vertretenen eingegliedert ist8. Dem wird man sicherlich zustimmen können. Eine andere Frage ist jedoch die, ob man die rechtliche Unabhängigkeit des Vertreters an den Eingliederungsvoraussetzungen einer Organschaft messen darf. Hier zeigt auch das öBMF eher Zurückhaltung. Jedenfalls setzt die Abhängigkeit eine gewisse Kontrolle des Vertreters voraus. Die Kontrolle muss die Tätigkeit des Vertreters für den Vertretenen betreffen. Die Kontrolle muss von dem Vertretenen ausgeübt werden. Wird sie von einem Dritten ausgeübt, so begründet dies keine „Vertreterbetriebsstätte“ i. S. d. § 13 AO bzw. i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Vorsorglich ist auf die BFH-Rechtsprechung9 hinzuweisen, die sehr stark mit dem Begriff der „sachlichen Unabhängigkeit“ arbeitet. Danach kann die Frage, ob ein Vertreter abhängig ist, nach der sachlichen oder nach der persönlichen Unabhängigkeit oder nach beidem beurteilt werden. Eine sachliche Weisungsgebundenheit soll allein noch nicht ausreichen, um eine Abhängigkeit i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA zu begründen. Der Begriff der Unabhängigkeit erfordere sowohl eine „rechtliche“ als auch eine „wirtschaftliche“. Unabhängig sei i. S. v. persönlicher Freiheit auszulegen. Solange eine selbständige juristische Person verschiedene Erzeugnisse produziere und vertreibe, weitere Erzeugnisse nur vertreibe und schließlich eigenständige Dienstleistungen (Wartungen und Reparaturen) erbringe, sei sie sowohl sachlich als auch persönlich unabhängig. Dem stünden die Konzernzugehörigkeit und der Verkauf von Produkten einer anderen Konzerngesellschaft in deren Namen nicht entgegen. Die Kritik an der BFH-Rechtsprechung belegt, dass keiner die maßgeblichen Abhängigkeitskriterien wirklich sinnvoll und einleuchtend zu gewichten weiß. Unter Hinweis auf Art. 5 Nr. 38.6 OECD-MK wird häufig indiziell einerseits auf die Anzahl der Geschäftsherren, für die der Vertreter tätig ist, und andererseits auf die Aufsicht (Sachanweisungen) abgestellt, der der Vertreter gegenüber dem Vertretenen unterworfen ist10. Eine gewisse indizielle Wirkung soll diesen Kriterien hier nicht abgesprochen werden. Jedoch muss die Fragestellung erlaubt sein, ob das Abstellen auf eine wie auch immer geartete Unabhängigkeit im Einzelfall immer wieder zu Ergebnissen führt, die mit dem Sinn und Zweck des § 13 AO und des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA nicht mehr übereinstimmen. Man muss letztlich wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge in die Überlegungen einbeziehen und die Frage aufwerfen, weshalb dort über eine Vertreterbetriebsstätte nicht einmal ansatzweise diskutiert wird. Es handeln nicht nur der Kommissionär, der Makler und der Handelsvertreter im wirtschaftlichen Interesse ihrer Auftraggeber. Ein entsprechendes Tätigwerden auch im Interesse
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8 Vgl. EAS 958 vom 21.10.1996, SWI 1996, 516. 9 Vgl. BFH v. 30.4.1974 – I R 152/73, BFHE 115, 504 (507) = BStBl. II 1975, 626; v. 14.9.1994 – I R 116/93, BFHE 176, 125 = BStBl. II 1995, 238. 10 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 ff. (186); Hack, ÖStZ 2008/495, 229.
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Franz Wassermeyer
eines anderen vollzieht sich vielmehr in zahlreichen wirtschaftlichen Bereichen. Dazu sei als Beispiel auf ein Zulieferungsunternehmen in der Automobilbranche verwiesen. Auch das Zulieferungsunternehmen wird regelmäßig nur für ein Automobilwerk tätig werden. Auch hier ist eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit des Zulieferungsunternehmen von „seinem“ Automobilwerk denkbar. Von einer solchen wirtschaftlichen Abhängigkeit ist jedoch solange nichts zu spüren, als das Automobilwerk keinen unangemessenen Druck auf die Preise des Zulieferungsunternehmens ausübt. Solange die Vertragsbeziehungen zwischen Zulieferungsunternehmen und Automobilwerk so gestaltet sind, dass sie einerseits dem Fremdvergleich entsprechen und andererseits das Zulieferungsunternehmen in die Lage versetzen, einen ausreichenden Gewinn zu erzielen, besteht de facto nur ein allgemeines Unternehmerrisiko, jedoch keine wirtschaftliche Abhängigkeit. Auch in diesem Fall wird das Automobilunternehmen klare Sachanweisungen geben, welche Anforderungen die zuzuliefernden Gegenstände haben müssen. Dennoch kommt keiner auf die Idee, den Zulieferer als ständigen Vertreter des Automobilwerkes zu bezeichnen. Das Beispiel sollte deutlich machen, dass der Zulieferer wirtschaftlich gesehen nicht stellvertretend das Unternehmen des Automobilwerkes, sondern ein eigenes selbständiges Unternehmen betreibt. Dabei mag es sich um ein Outsourcing des Automobilunternehmens handeln, was jedoch betriebswirtschaftlich vernünftig ist. Charakteristisch für das Verhältnis zwischen Zulieferungsunternehmen und Automobilunternehmen ist, dass die Sachanweisungen nur die „Bestellung“, jedoch nicht mehr die Fertigstellung der zuzuliefernden Gegenstände im engeren Sinne betrifft. Das Automobilunternehmen mag Forderungen bezüglich des Lieferungszeitpunktes stellen. Diese Forderung ist jedoch Ausfluss eigener wirtschaftlicher Interessen und hat nichts mit der Überwachung der unternehmerischen Tätigkeit des Zulieferungsunternehmens durch das Automobilunternehmen zu tun. Selbst wenn man den Begriff des „ständigen Vertreters“ i. S. d. § 13 AO in einem weit gefassten Sinne interpretieren möchte, so geht es doch letztlich um die Frage, ob der Vertreter die unternehmerische Tätigkeit des Vertretenen ausübt oder ob auf der Grundlage vernünftiger betriebswirtschaftlicher Funktionsaufteilungen zwei selbständige Betriebe – wenn auch in der Form des Outsourcing – geschaffen wurden. Von zwei selbständigen Betrieben ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Funktionen auf betriebswirtschaftlich vernünftiger Basis aufgeteilt wurden und der „Vertreterbetrieb“ auf der Basis des vereinbarten Leistungsentgeltes selbständig lebensfähig ist. Anders ausgedrückt gehört es zum Wesen des „ständigen Vertreters“ i. S. d. § 13 AO, dass er die Tätigkeit eines anderen Unternehmens ausüben muss. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn er eigene unternehmerische Aufgaben erledigt, die aus betriebswirtschaftlich vernünftigen Gründen und dem Fremdvergleich entsprechend aus dem unternehmerischen Bereich des „Vertretenen“ ausgegliedert wurden. Die eigenen Aufgaben des „Vertreters“ können durchaus auch im wirtschaftlichen Interesse eines Auftraggebers liegen. Für ein eigenes Unternehmen des „Vertreters“ spricht es jedoch, wenn der „Vertreter“ kein „Gehalt“ oder „Stundenlohn“, sondern ein unter Fremd982
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vergleichsgesichtspunkten angemessenes Entgelt enthält. Das Entgelt muss den „Vertreter“ unter normalen Bedingungen in die Lage versetzen, einen Gewinn zu erzielen. Für ein eigenes Unternehmen des „Vertreters“ spricht es auch, wenn dessen Abhängigkeit von einem bestimmten Auftraggeber nicht einen auch im Fremdvergleich üblichen Rahmen überschreitet. Gelegentlich liest man11, dass die Erstattung budgetierter Gemeinkosten des Vertreters (Kommissionärs) durch den Vertretenen (Kommittenten) zur Annahme eines „ständigen Vertreters“ zwinge. Eine solche Aussage ist alles andere als überzeugend und bedeutet letztlich einen massiven Eingriff der Finanzverwaltung in die Vertragsfreiheit von Unternehmen. Zweifellos kann die Finanzverwaltung die Angemessenheit von zwischen einander nahe stehenden Unternehmen vereinbarten Entgelten überprüfen. Insoweit kommt es jedoch auf das Gesamtentgelt an. Ob die nahe stehenden Personen für die budgetierten Gemeinkosten eine Erstattung vereinbaren oder ob sie sie in anderer Weise in das Entgelt einkalkulieren, ist eine Frage der Vertragsfreiheit der nahe stehenden Unternehmen und sollte die Finanzverwaltungen nicht weiter interessieren. Man kann auch nicht sagen, dass der Kommissionär bei Erstattung der budgetierten Gemeinkosten kein Unternehmensrisiko trage. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass jeder Kommissionär die budgetierten und in diesem Sinne erwarteten Gemeinkosten in seine Entgeltsforderung einkalkuliert. Dies gilt auch für das Zulieferungsunternehmen in seinem Preisgebaren gegenüber „seinem“ Automobilwerk. Das Unternehmerrisiko sowohl des Kommissionärs als auch des Zulieferungsunternehmens liegt gerade bei den nicht budgetierten und in diesem Sinne unerwarteten Kosten. Das reicht im Normalfall aus, um die Tätigkeit des Kommissionärs als eigenständiges und betriebswirtschaftlich vernünftiges Unternehmen darzustellen.
X. Schlusswort Es geht darum, dem Begriff des „ständigen Vertreters“ mehr Klarheit zu verschaffen. Man muss ihn vor allem im Bereich des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA in einem zivilrechtlichen Sinne interpretieren. In § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und in § 13 AO mag er stärker in Anlehnung an den Sinn und die Funktion des Betriebsstättenbegriffes auszulegen sein. Auch dann geht es jedoch darum, den Begriff als ein Tätigwerden nur im unternehmerischen Interesse des Vertretenen und nicht auch im eigenen unternehmerischen Interesse des Vertreters zu interpretieren. Letztlich geht es um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Abgrenzung zwischen dem Tätigwerden im fremden und im eigenen Interesse. Der dazu unterbreitete Vorschlag würde einen Verteilungskampf um Besteuerungsrechte zwischen den Staaten betriebswirtschaftlich deutlich entkrampfen und vernünftig lösen. Auch würde Rechtssicherheit in einer Weise geschaffen, die für die beteiligten Steuerpflichtigen betriebswirtschaftlich nachvollziehbar ist.
__________ 11 Hack, ÖStZ 2008/495, 229.
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Berthold Welling
Die Funktionsverlagerungsbesteuerung im Lichte der OECD-Äußerungen Inhaltsübersicht I. Besteuerungstatbestand II. Einzelfragen 1. Transferpaket 2. Funktionsverdoppelung
3. Alternativgestaltungen 4. Preisanpassungsklausel III. Fazit
Die Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung1 hat wie kaum ein anderes international steuerrechtliches Thema die öffentliche2 und insbesondere steuerpolitische3 Debatte beherrscht. Bereits die ersten Ansätze einer Neuausrichtung zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Verlagerungen, die in einem internen Entwurf eines BMF-Schreibens4 erkennbar wurden, lösten eine kontroverse Diskussion aus. Erst im Zuge der Unternehmensteuerreform5 nahm das steuerpolitische Vorhaben konkretere Formen an. Die Steuerpolitik knüpfte an die neue Besteuerung von Funktionsverlagerungen gleich mehrer Erwartungen, deren Erreichung in Aussicht gestellt wurde: Ein steuerpolitisches Instrument zur Abwehr von Substratsverlagerungen, das zudem einen hohen Gegenfinanzierungsbeitrag der intendierten Körperschaftsteuersatzsenkungen zu leisten vermag und schließlich internationalen Besteuerungsgrundsätzen entspricht. Insoweit kommen den internationalen Regeln eine besondere, weil rechtfertigende Bedeutung zu. Zumal der Finanzausschuss des
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1 Einzelheiten zur neu eingeführten Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 AStG vgl. auch Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Brandenberg, BB 2008, 864; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB F. 3 Gr. 1, 2201–2203; Ernst&Young/Bundesverband der Deutschen Industrie, Die Unternehmensteuerreform 2008; Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008. 2 Statt vieler: FAZ vom 4.11.2006, Steinbrück und Koch im Interview, „Deutsche Gewinne sollen auch hier versteuert werden“ sowie vom 13.3.2007, „Merkel signalisiert Bereitschaft zu Nachbesserungen“ sowie vom 29.8.2007, „Unternehmen sollen für Auslagerungen bezahlen“ sowie FAZ vom 30.3.2007, Leitglosse von Dr. Manfred Schäfers, „Steuerbürokraten“; Handelsblatt vom 13.3.2007, Fiskus droht Firmen neue Strafsteuer an“ sowie vom 3.8.2007, „Berlin plant Steuer auf Auslandsinvestitionen“. 3 Vgl. etwa Naumann, Status:Recht 2008, S. 204; Ditz/Haas/Schwenke/Welling, Status:Recht 2008, S. 105; Wassermeyer, FR 2008, 67; Welling/Tiemann, FR 2008, 68; Richter/Welling, FR 2008, 71. 4 Inoffizieller Entwurf eines BMF-Schreibens in 2006 zur grds. Neuordnung der Besteuerung von Funktionsverlagerungen. 5 Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/484; Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 16/5452.
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Berthold Welling
Deutschen Bundestages in seiner Beschlussempfehlung die Notwendigkeit der Vereinbarkeit einer Neuregelung mit internationalen Besteuerungsgrundsätzen hervorgehoben hat6. Mit dem jüngsten Entwurf der OECD zu sog. Business Restructurings7 liegt ein erster Entwurf internationaler Besteuerungsgrundsätze seit Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 AStG-neu vor, der bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren als antizipierte Rechtfertigung der weitgehenden steuerlichen Erfassungen von Funktionsverlagerungen angekündigt wurde. Damit können die nationalen Regelungen erstmals an internationalen Regeln gemessen werden, da letztere zumindest das offizielle Entwurfsstadium erreicht haben.
I. Besteuerungstatbestand Tatbestandlich relevant soll gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG die Verlagerung einer Funktion sein. Dabei ist der Begriff der betrieblichen Funktion bislang in der Betriebswirtschaftslehre zwar durchaus anzutreffen, als Teil eines Besteuerungstatbestandes hingegen ist er neu. Angesichts der rechtsstaatlichen Anforderungen an die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung verwundert, dass der Gesetzgeber es bei der unflankierten Einführung des Begriffs belässt. Denn weder aus dem Gesetz selbst, noch aus den Materialien lässt sich eine Konkretisierung des Begriffs der Funktion entnehmen8. Das ist umso erstaunlicher, als die Betriebswirtschaftslehre selbst keine feststehende Definition des Begriffs der Funktion liefert. Sie beschreibt die Funktion vielmehr als betriebliche Aufgabe oder als Bündel betrieblicher Aufgaben, als Teil der Gesamtaufgabe des Unternehmens oder als unselbständigen Teil eines Unternehmens und weist auf die Abhängigkeit des Funktionsbegriffs vom Gesamtziel des Unternehmens hin9. Die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 200810, durch das § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG neu gefasst wurde, weist darauf hin, dass Satz 9 eine gesetzliche Definition der Funktionsverlagerung enthalte. Das Fehlen einer gesetzlichen Definition Begriffs der Funktion wird offenbar erkannt, denn dem genannten Hinweis schließt sich die Feststellung an, dass als Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens anzusehen sei, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen müsse. Diese Feststellung, die gewissermaßen im Gewande einer Definition daherkommt, ist nicht unproblematisch. Einerseits enthält sie eine Begrenzung „nach oben“, indem sie festhält, dass eine Funktion im Sinne des Gesetzes eine betriebliche Einheit sein soll, die einen geringen Umfang als ein Teilbetrieb hat. Damit ist,
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6 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 23.5. 2007, BT-Drucks. 16/5452. 7 Entwurf der OECD vom 19.9.2008 zur Konkretisierung der Transfer Pricing Guidelines, „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“, eingestellt in www. oecd.org/dataoecd/59/40/41346644.pdf. 8 Wolter/Pitzal, IStR 2008, 793 ff. 9 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, S. 22 ff. 10 BT-Drucks. 16/4841, 86.
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Die Funktionsverlagerungsbesteuerung im Lichte der OECD-Äußerungen
worauf die Gesetzesbegründung nicht hinweist, offenbar ein Teilbetrieb i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und anderer ertragsteuerlicher Normen gemeint. Andererseits ist eine solche Feststellung gewissermaßen nach „unten hin offen“, es sei denn, dass man den Tatbestand der Funktionsverlagerung dahingehend eng auslegte, dass immer nur die Verlagerung der größten denkbaren organischen Einheit unterhalb des Teilbetriebs steuerlich relevant sei. Doch auch dann bliebe die Gefahr einer ungleichmäßigen Besteuerung, denn der genaue Zuschnitt eines Teilbetriebs ist keine unabänderliche Größe, sondern von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten abhängig, damit extrem wandelbar und als Basis für den steuerlichen Zugriff problematisch. Der Bundesrat11 hat das Problem in seinem Beschluss über die Zustimmung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 durchaus gesehen, als er anmerkte, dass die neu in das Außensteuergesetz eingefügte Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen wegen der Vielgestaltigkeit möglicher Sachverhalte noch relativ unbestimmt sei. Ob unter diesen Umständen die in dem Beschluss ausgedrückte Zuversicht des Bundesrates, dass in der von § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG vorgesehenen Durchführungsverordnung Regelungen gefunden werden, die sicherstellen, dass Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen im Inland oder der Wissenstransfer innerhalb verbundener Unternehmen nicht erschwert werden, enttäuscht wird oder nicht, lässt sich auch auf der Basis der seit dem 12.8.2008 vorliegenden Funktionsverlagerungsverordnung12 – die mit Zustimmung des Bundesrates (einschließlich Evaluierungsfrist) in Kraft getreten ist13 – nicht abschließend sagen. Sicher ist insoweit nur, dass die Funktionsverlagerungsverordnung für die betriebliche Planung schädliche Unsicherheiten fortbestehenden lässt14. Denn letztlich verharrt sie inhaltlich auf dem Stand des Gesetzes und seiner Begründung. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Funktion – in Anlehnung an die betriebswirtschaftliche Literatur – beschrieben wird als eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV). Das klingt auf den ersten Blick durchaus exakt, verringert aber nicht die oben beschriebenen schon in der Betriebswirtschaft bestehenden Unsicherheiten, sondern blendet sie lediglich aus. § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV, der die in der Gesetzesbegründung vorgegebene, die Abgrenzung zum Teilbetrieb enthaltende Beschreibung der Funktion übernimmt, ist, wegen der bereits beklagten „Offenheit nach unten“ ungeeignet, diese Unsicherheiten hinreichend einzugrenzen15. Hieran ändern auch die in § 1 Abs. 6 und 7 sowie § 2 Abs. 2 FVerlV enthaltenen Eingrenzungen nichts. Sie verringern das Problem nur partiell. Damit bleibt die wirkliche Präzisierung – und damit die eigentliche Festlegung des Steuertatbestandes – dem noch
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BR-Drucks. 384/07, 2. FVerlV vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. Beschluss des Bundesrates vom 4.7.2008, BR-Drucks. 352/08. Vgl. etwa Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945. Siehe Bewertungsbeispiele von Oesterreicher/Hundshagen, DB 2008, 1637.
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ausstehenden Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen überlassen. Vor dem Hintergrund der Anforderungen des Art. 80 GG an Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, des Wesentlichkeitsgrundsatzes und des Parlamentsvorbehalts ergeben sich insoweit unweigerlich Fragen16. Diese sollen hier jedoch nicht erörtert werden. Vielmehr soll das Hauptaugenmerk hier auf die besonderen Implikationen gerichtet werden, die sich aus dem grenzüberschreitenden Charakter der Funktionsverlagerung und den daraus folgenden Konsequenzen ihrer Besteuerung ergeben. Ausweislich der in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG enthaltenen Ermächtigung soll die Verordnung nicht nur – wie vom Bundesrat erhofft – Schaden für die Bereitschaft zu Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen im Inland vermeiden, sondern neben der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung auch die Übereinstimmung mit den internationalen Grundsätzen zur Einkunftsabgrenzung sicherstellen. Folglich ist der Blick auf die von Deutschland betriebene Praxis zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung und insbesondere auf die hierzu von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichten Grundsätze zu richten. Art. 9 OECD-MA enthält auch in der Fassung des Jahres 2008 keine Regelungen zu betrieblichen Funktionen und der Besteuerung ihrer Verlagerung über die Grenze hinweg. Auch Transfer Pricing Guidelines aus dem Jahre 1995, die insoweit zur Interpretation heranzuziehen sind, helfen hier letztlich nicht weiter. Diese sehen zwar zum Zwecke der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise Funktionsanalysen vor und nennen (in Abs. 1.20) beispielhaft Design, Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, Service, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Werbung, Transport, Finanzierung und Management. Doch haben Abgrenzungsunschärfen insoweit eine weit geringere Relevanz als in dem Fall, dass die Verlagerung einer Funktion über die Grenze selbst zum Anknüpfungspunkt des steuerlichen Zugriffs gemacht wird. Umso interessanter muss daher ein Blick in die von der OECD am 19.9.2008 vorgelegten Überlegungen zur Konkretisierung der Transfer Pricing Guidelines sein, die als Diskussionsentwurf unter dem Titel „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“ vorgelegt wurden17. In vier Abschnitten beschäftigt sich die OECD in diesem Diskussionspapier mit Verrechnungspreisfragen der Zuordnung von Risiken innerhalb verbundener Unternehmen, mit der Verpreisung der Auswirkungen von Umstrukturierungen multinationaler Gruppen, mit der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise für konzerninterne Geschäftsbeziehungen im Anschluss an eine Umstrukturierung sowie mit der Frage, wann Steuerverwaltungen berechtigt sein sollen, einer zwischen verbundenen Unternehmen vereinbarten Geschäftsbeziehung die steuerliche Anerkennung vollständig zu untersagen.
__________ 16 Vgl. Frotscher, Vortrag im Rahmen des 25. Berliner Steuergesprächs zum Thema der Besteuerung von Funktionsverlagerungen am 19.11.2007, Handout S. 5, eingestellt in www.steuergespraeche.de. 17 OECD-Entwurf ist eingestellt in www.oecd.org/dataoecd/59/40/41346644.pdf.
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Aus deutscher Sicht, das heißt insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung der Verlagerung betrieblicher Funktionen auf eine andere – ausländische – Konzerngesellschaft drängt sich auf, die Äußerungen der OECD zur Verpreisung der Auswirkungen von Umstrukturierungen (zweiter Abschnitt des Diskussionspapiers) auf Lösungen für die oben aufgezeigten, beim gegenwärtigen Stand der Normsetzung in Deutschland fortbestehenden Unsicherheiten zu untersuchen. Der zweite Abschnitt des OECD-Diskussionspapiers geht von der Feststellung aus, dass Umstrukturierungen zwischen verbundenen Unternehmen zur Verlagerung von Funktionen, Wirtschaftsgütern oder Risiken führen, mit denen ein Gewinn- oder Verlustpotential verbunden ist. Insofern sei es erforderlich, die jeweilige Umstrukturierung zu erkennen und die betroffenen Funktionen, Wirtschaftsgüter und Risiken vor und nach der Umstrukturierung zu identifizieren. Da die Neuverteilung von Risiken und der Transfer von Rechten und anderen Wirtschaftsgütern mit einer Neuzuordnung von Gewinn- oder Verlustpotential einhergehe, müsse es im Ergebnis der Umstrukturierung zu entsprechenden Ausgleichszahlungen kommen. Ins Auge fällt das Schwanken des Sprachgebrauchs, der keineswegs dem zusammenfassenden Charakter der vorausgegangenen Sätze geschuldet ist: Während die OECD einerseits von der Identifizierung von Funktionen, Wirtschaftsgütern und Risiken spricht, sieht sie Gewinn- und Verlustpotential im Zusammenhang mit der Neuzuordnung von Risiken sowie Rechten und anderen Wirtschaftgütern übergehen. Doch damit nicht genug. Unter der Überschrift der „Übertragung von Werthaltigem“ wird als typischer Transfer nicht derjenige von Funktionen erörtert, sondern der von materiellen und immateriellen Einzelwirtschaftsgütern sowie der derjenige von „Aktivitäten“. Sind Aktivitäten möglicherweise nur ein Synonym der OECD für den in Deutschland als Funktion bezeichneten Tatbestand? Dagegen spricht eigentlich schon der Sprachgebrauch des OECD-Papiers selbst. Während an anderer Stelle vielfach der Terminus der Funktion (function) gebraucht wird, tritt er bei den Erörterungen der werthaltigen Gegenstände, mit denen ein Gewinnoder Verlustpotential übergehen kann, völlig in den Hintergrund. In welchem Verhältnis stehen aber dann die Begriffe function und activity? Da sie innerhalb des Diskussionspapiers nicht ausdrücklich zueinander in Beziehung gesetzt werden, ist für einen Vergleich erforderlich, dass zunächst der jeweilige Inhalt ermittelt wird, den das Diskussionspapier den beiden Begriffen gibt. Ausgerechnet hier dürfte aber ein Schwachpunkt des OECD-Papiers liegen. Der Begriff function wird zwar vielfach gebraucht, sein Inhalt jedoch an keiner Stelle erläutert oder überhaupt nur problematisiert. Für den Begriff activity ist der Befund nicht ganz so eindeutig, aber im Ergebnis nicht weniger ernüchternd. Die OECD ersetzt in Abs. 93 des Papiers wahlweise den Begriff activity durch ongoing concern und ongoing concern durch activity. Der Ansatz einer Erläuterung besteht lediglich darin, dass festgehalten wird, dass die Übertragung einer activity in diesem Zusammenhang die Übertragung des Gesamtbündels von Wirtschaftsgütern (gegebenenfalls einschließlich vertraglicher 989
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Rechte, vorhandener Arbeitskräfte, eines Firmenwerts usw.) und Verbindlichkeiten meint, die mit der Ausführung bestimmter Funktionen verbunden sind, einschließlich der innewohnenden Risiken. In dieser Beschreibung stecken ähnliche Unschärfen wie in den oben betrachteten Versuchen des deutschen Gesetz- bzw. Verordnungsgebers zur Definition der Funktion – nur mit dem Unterschied, dass hier auch noch der Hinweis auf die „obere Begrenzung“ durch den Begriff des Teilbetriebs fehlt. Noch wichtiger aber als die Feststellung dieser Unschärfen ist der Umstand, dass unter dem Oberbegriff der Übertragung einer activity die Übertragung von Gegenständen zur Ausführung von Funktionen (Plural!) verbunden sein soll. Hier stellt sich die Frage, ob nur der Sprachgebrauch der OECD unscharf ist, oder ob die Begriffe activity und ongoing concern weiter sind, als der Begriff function. Der Gesamtkontext des Papiers und der unmittelbare Zusammenhang mit der Nennung und Erläuterung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern als Wertträgern, die dem Übergang eines Gewinn- oder Verlustpotentials zugrunde liegen, sprechen gegen die Annahme einer bewussten oder unbewussten Unschärfe in der Darstellung. Vielmehr wird an dieser Stelle das Grundkonzept der OECD deutlich. Es besteht darin, dass der Übergang von Einzelwirtschaftsgütern nach wie vor Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen der OECD, Umstrukturierungsvorgänge steuerlich zu erfassen, ist. Die Übertragung einer activity beziehungsweise eines ongoing concern in diese Überlegungen einzubeziehen, ist lediglich dem Bestreben geschuldet zu demonstrieren, dass in Fällen der Übertragung einer Mehrheit von Einzelwirtschaftsgütern der Wert des Ganzen von der Summe der Werte der Einzelwirtschaftsgüter abweichen kann. Damit unterscheidet sich der OECD-Ansatz durchaus von dem des deutschen Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgebers. Dieser Unterschied schlägt sich folgerichtig auch darin nieder, dass die OECD – anders als die deutsche Regelung – nicht die vierfache „Unternehmens“bewertung zum Maß aller Dinge erklärt (§ 3 FVerlV), sondern lediglich am Rande (Abs. 93) für möglich hält, dass Bewertungsmethoden, die von unabhängigen Dritten bei Akquisitionen verwendet werden, sich bei der Bewertung der Übertragung einer Aktivität einschließlich goodwill als nützlich erweisen können. Dies bedeutet letztlich, dass function und activity nicht gleichgesetzt werden können. Zudem werden weder function noch activity hinreichend klar abgegrenzt. Erkenntnisgewinne zur Findung einer hinreichend exakten, als Grundlage für steuerliche Belastungen tauglichen Definition einer Funktion i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG bzw. § 1 Abs. 1 FVerlV lassen sich aus dem OECDPapier nicht gewinnen. Wenn aber der Grundbegriff eines im internationalen Kontext angesiedelten Besteuerungstatbestandes unklar ist und eine nationale Regelung von anderen Voraussetzungen ausgeht als internationale Konsensbemühungen, ist Doppelbesteuerung vorprogrammiert.
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II. Einzelfragen 1. Transferpaket Im äußeren Gewand einer Legaldefinition führt § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG den dem deutschen Steuerrecht zuvor fremden Begriff des Transferpakets ein und umreißt ihn mit den Worten „Funktion als Ganzes“. Wie oben bei der Frage der Zuhilfenahme des OECD-Papiers zur Präzisierung der Definition einer Funktion bereits deutlich wurde, ist der Begriff der Funktion unklar. Die Formulierung „Funktion als Ganzes“ schreibt diese Unklarheit nicht nur fort, sondern betont geradezu die Offenheit des Begriffs der Funktion. Aus der Sicht des OECD-Papiers existiert das Problem in viel geringerem Ausmaß. Naturgemäß ergibt sich aus dem primär auf Einzelwirtschaftsgüter abstellenden Ansatz, dass es auf die Zusammenfassung von Wirtschaftsgütern und die Grenzen eines solchen Konglomerats grundsätzlich nicht ankommt. Dennoch ist an dieser Stelle als Schwäche des OECD-Papiers zu vermerken, dass es in Abs. 93 die Gesamtbewertung eines Gesamtbündels von Wirtschaftsgütern ähnlich der Bewertung des Objekts einer Unternehmensakquisition in Betracht zieht, ohne hinreichend genau festzulegen, wer woraus dieses Gesamtbündel schnürt. Problematisch ist dies auf Grund des strukturellen Unterschiedes zwischen einer von zwei Parteien vereinbarten Unternehmensakquisition und dem hoheitlichen Zugriff einer Steuerverwaltung. Während die Parteien einer Unternehmensakquisition sich nach Belieben auf ein Gesamtbündel von Wirtschaftsgütern und deren Organisation einigen, ohne dass sich Folgerungen aus der gemeinsam gewillkürten Einbeziehung oder Nichteinbeziehung des einen oder anderen Wirtschaftsgutes ergeben, tritt im Falle der Besteuerung der Übertragung eines solchen Gesamtbündels mit dem Steuergläubiger ein sich objektiv gebender Dritter hinzu, der verlangt, dass ihm die Zusammensetzung und Bewertung des Bündels nach Kriterien plausibel gemacht werde, die er selbst nicht hinreichend genau vorgibt. In der Folge ergeben sich Planungs-, Dokumentations- und Deklarationsunsicherheiten, die für den Einzelnen zu Kosten oder gar zum Entgehen von Geschäftschancen, für die Gesamtheit zu Wohlfahrtsverlusten führen. Hinzu kommt, dass in den hier relevanten grenzüberschreitenden Fällen nicht ein einzelner Steuergläubiger Ansprüche geltend macht, sondern die Abgrenzung der Ansprüche verschiedener Steuergläubiger die Probleme bereitet. Die strukturellen Unterschiede zwischen den zivilrechtlichen Implikationen eines Unternehmenskaufs und dem steuerlichen Zugriff auf eine Transaktion, bei der sich nicht zwei gleichwertige Verhandlungspartner gegenüberstehen, sollte daher auch von der OECD stärker beachtet werden. 2. Funktionsverdoppelung Der steuerliche Zugriff auf eine Funktionsverdoppelung krankt wie schon derjenige auf die Funktionsverlagerung daran, dass die exakte Abgrenzung der zu verlagernden Funktion unklar ist (s. oben). Hinzu kommt, dass die Funktionsverdoppelung schon vom Wortsinn her keine Funktionsverlagerung ist. Der 991
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Gesetzgeber schießt über sein Ziel, im Inland entstandenes Steuersubstrat nicht ins Ausland abfließen zu lassen, ohne die stillen Reserven steuerlich zu erfassen, hinaus18. Der Erwerb oder die Berechtigung zur Nutzung der gegebenenfalls erforderlichen immateriellen Wirtschaftsgüter, um die es letztlich geht, durch die ausländische Gesellschaft führt nicht zum Verschwinden der Rechte im Inland. Im OECD-Papier werden Funktionsverdoppelungen – zu Recht – nicht ausdrücklich erwähnt. 3. Alternativgestaltungen § 7 Abs. 1 Satz 2 FVerlV hält lapidar fest, dass tatsächlich bestehende Handlungsmöglichkeiten, die das verlagernde Unternehmen hätte, wenn es unabhängig wäre, zu berücksichtigen sind, ohne die unternehmerische Dispositionsfreiheit des verlagernden Unternehmens in Frage zu stellen. Ergänzend bezeichnet die Begründung der Verordnung die Anerkennung von tatsächlich bestehenden Handlungsalternativen, die in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit begründet seien, als „wichtig“. Diesen Satz von geringem Aussagewert wird der betroffene Steuerpflichtige im günstigsten Fall als deklaratorische Wiederholung dessen lesen, was Art. 2 Abs. 1 GG ihm ohnehin gewährt. Der ihm gegenüberstehende Prüfer wird diesen Satz wohl eher dahin verstehen, dass er besonderes Augenmerk auf die Frage legen soll, welche anderen Handlungsmöglichkeiten noch existiert hätten. Der Prüfer wird sich bei Fortführung der Lektüre der Verordnungsbegründung bestätigt sehen, wenn sogleich die Grenze der Dispositionsbefugnis angesprochen wird. Sie soll bestehen in der Verrechnungspreisbestimmung aus der Sicht von zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, deren Kenntnis über alle wesentlichen Umstände unterstellt werden müsse, um den Einigungsbereich und das Ergebnis fiktiver Verhandlungen zwischen voneinander unabhängigen Dritten bestimmen zu können. Man wird sich fragen müssen, ob eine so verstandene Dispositionsbefugnis überhaupt noch als Dispositionsfreiheit angesehen werden kann. Auch scheint die Unterstellung der Kenntnis aller wesentlichen Umstände nicht dem Fremdvergleich zu entsprechen, da Vertragsverhandlungen zwischen fremden Dritten in der Regel gerade von Intransparenz gekennzeichnet sind. Demgegenüber beschränken sich die Transfer Pricing Guidelines (Abs. 6.14) auf die Feststellung, dass die Sicht des Erwerbers zu berücksichtigen ist. Abs. 105 und insbesondere die Abs. 58 bis 61 des Diskussionspapiers zu „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“ konkretisieren dies dahingehend, dass realistische Alternativgestaltungen, die unter unabhängigen
__________ 18 Siehe grds. Kritik in gemeinsamer Stellungnahme der Spitzenorganisationen der gewerblichen Wirtschaft vom 30.7.2007 zum Entwurf einer Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i. S. des § 1 Abs. 1 AStG in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerung, eingestellt in http://www.bdi-online.de/ Dokumente/Anschreiben_FVerlagV.pdf.
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Unternehmen möglich wären, zu berücksichtigen sind. Einschränkend erklärt Abs. 59 des Papiers allerdings nur eindeutig attraktivere Alternativen für relevant. Die deutsche Regelung weicht von der OECD-Auffassung deutlich ab. Auch insoweit bestehen folglich Doppelbesteuerungsrisiken. 4. Preisanpassungsklausel Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG führt eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen späteren Gewinnentwicklung von der dem Verrechnungspreis zugrunde gelegten Gewinnentwicklung zu der widerlegbaren Vermutung, dass bei Vertragsabschluss eine Unsicherheit bestand, wegen derer voneinander unabhängige Parteien eine Preisanpassungsklausel vereinbart hätten. Dagegen ist schon grundsätzlich einzuwenden, dass Preisanpassungsklauseln unter fremden Dritten nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind19. Zudem werden ihnen – wenn sie überhaupt vorkommen – von den Parteien enge Grenzen gezogen. Dies lässt sich schlicht damit erklären, dass der Veräußerer sich letztlich in die Hand des Erwerbers begibt, wenn er sich auf eine Klausel einlässt, die den Preis zu seinen Lasten drückt, wenn der Erwerber schlecht wirtschaftet oder eigenwillig bilanziert. Zusätzliche Bedenken ergeben sich daraus, dass die erhebliche Abweichung gem. § 10 Satz 1 FVerlV schon dann vorliegen soll, wenn der ursprüngliche Einigungsbereich i. S. v. § 7 FVerlV verlassen wird. Das kann umso leichter der Fall sein, je enger der ursprüngliche Einigungsbereich war. Der Einigungsbereich wird umso enger sein, je weniger die Parteien Anlass hatten, künftige Unsicherheiten in Rechnung zu stellen. Hinzu kommt dass § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG die erstaunlich lange Beobachtungsphase von zehn Jahren für die Feststellung von Abweichungen vorschreibt20. Auch das OECD-Papier (Abs. 88) beschäftigt sich – wie schon die Abs. 6.28 und 6.35 der Transfer Pricing Guidelines – mit dem Problem einer eventuellen Preisanpassung. Die Frage der Notwendigkeit einer Preisanpassungsklausel im zu beurteilenden Vertragswerk wird jedoch durch das Diskussionspapier erstmals gestellt. Die Abs. 6.28 und 6.35 der Transfer Pricing Guidelines hatten bislang lediglich die entsprechende Korrektur des Verrechnungspreises durch die Finanzverwaltung vorgesehen. Das OECD-Papier sieht das Hauptproblem darin zu bestimmen, ob die Bewertung ursprünglich so unsicher war, dass fremde Dritte einen Preisanpassungsmechanismus vereinbart hätten oder ob die Wertveränderung eine so fundamentale Entwicklung darstellt, dass sie zu einer Neuverhandlung der Transaktion geführt hätte.
__________ 19 So auch Schaumburg mit seiner Antwort auf die Frage der Abgeordneten Gabriele Frechen in der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetztes 2008 (BT-Drucks. 16/4841), 56. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in der 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/56 S. 64 f. 20 So Schaumburg, der zudem Kritik an der Umgehung der Bestandskraft von Steuerbescheiden äußert, 56. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in der 16. Wahlperiode, Protokoll Nr. 16/56 S. 64 f.
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Die OECD nimmt somit bislang eine wesentlich vorsichtigere Position ein als die deutsche Finanzverwaltung. Zudem ist fraglich, ob die OECD an dieser – gegenüber den Transfer Pricing Guidelines neuen – in dem Diskussionspapier erstmals vertretenen Position festhalten wird. Die Vermeidung von Doppelbesteuerungsrisiken dürfte auch hier nur dadurch gelingen, dass die deutsche Extremposition zurückgefahren wird. Auch sollte die deutsche Gesetzgebung und Finanzverwaltung dem in Abs. 88 des OECD-Diskussionspapiers enthaltenen Grundsatz, ex-post-Betrachtungen zu vermeiden, stärkere Beachtung schenken.
III. Fazit Die bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der Neureglung der Besteuerung von Funktionsverlagerungen mit internationalen Besteuerungsgrundsätzen werden auch durch den aktuellen Entwurf der OECD zur Konkretisierung der Transfer Pricing Guidelines, „Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“ nicht ausgeräumt. Unerheblich von der Frage, ob eine antizipierte Rechtfertigung nationaler Regeln überhaupt zulässig sein könnte, zeigen die angedachten Lösungsansätze auf internationaler Ebene zu Business Restructurings allenfalls geringe Schnittmengen mit der Neuregelung des § 1 Abs. 3 AStG. Die Hoffnungen aus Sicht der Finanzverwaltung, die an den OECD-Entwurf geknüpft worden sind, werden nicht erfüllt. Insoweit verbleibt es bei der Erwartungslücke zwischen der erhofften Vereinbarkeit der nationalen Regeln mit internationalen Besteuerungsgrundsätzen und den neu formulierten Lösungsansätzen auf internationaler Ebene.
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Hans Flick
Die Kunst des Mandantengesprächs in Fragen der Unternehmernachfolge Inhaltsübersicht I. Das Produkt „Unternehmernachfolge“ II. Testamentsphobie III. Zusätzliche Unternehmerprobleme IV. Generationenkonflikt V. Nicht-loslassen-Können VI. Vertrauensgewinnende Einfühlsamkeit VII. Das erste Telefongespräch
VIII. Der individuelle Angang IX. Zielvorstellung des Mandanten X. Das zweite Gespräch XI. Willensfestigung XII. Widerstände XIII. Die Gretchenfrage XIV. Das Soforttestament XV. Schluss
Am Markt wird die Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg (FGS) heute als steuerzentrierte allgemeine Wirtschaftskanzlei mit vielen Spezialisten wahrgenommen, die insgesamt rundum das gesamte Beratungsspektrum auf hohem Niveau abdecken. Von den nationalen und internationalen Rating-Agenturen wird die Partnerschaft hoch eingestuft. Diese Entwicklung ist das Verdienst Schaumburgs. Entstanden war die Sozietät nämlich als Spezialboutique für Internationales Steuerrecht anlässlich der Einführung des Außensteuergesetzes – mit Erfolg. Bei der Durchsetzung am Markt waren häufige, intensive Vorträge bei der deutsch-schweizerischen Handelskammer, das frühe Erscheinen des StandardKommentars Flick-Wassermeyer-Baumhoff zum Außensteuergesetz und das Schaumburgsche Lehrbuch zum internationalen Steuerrecht von großem Nutzen.
I. Das Produkt „Unternehmernachfolge“ Im zweiten Schritt gingen wir mit dem Produkt „Unternehmernachfolge“ als Spezialität an den Markt: Beiträge in seriösen Zeitungen (z. B. in der F.A.Z. oder dem Handelsblatt) mit interessanten Titeln wie „Erziehen Sie Ihre Frau zur Witwe“ oder „Organisieren Sie Ihren Tod rechtzeitig“ lenkten die Aufmerksamkeit auf uns. Wir taten dies nicht mit Erbrechts- oder Steuerfragen, sondern mit einem neuen Produkt, der „Quadratur des Kreises“ bei der Unternehmernachfolge, einer ganzheitlichen dynamischen Betrachtung, die auch die unternehmerischen sowie die persönlich-psychologischen Aspekte berücksichtigte. 997
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Wir boten ein Gesamtpaket als Lösungen an mit gesellschaftsrechtlicher und güterrechtlicher Absicherung. Gemeinsam mit Schaumburg arbeitete ich ein Projekt aus, bei dem wir, von der Familiengesellschaft ausgehend, für alle Anteilseigner eine abgestimmte und doch individuelle Lösung aufzeigten, die das Problem in mehreren Schritten anging. Durch etwa 100 Unternehmerseminare in den Filialen einer Großbank erreichten wir die unmittelbare Beziehung zu den Unternehmern persönlich. Durch Broschüren und Zeitungsbeiträge ergab sich und ergibt sich weiterhin eine stete Erinnerungswerbung.
II. Testamentsphobie In der praktischen Umsetzung dieses Produktes ergaben sich einige Probleme: Es geht bei der Erbfolge nämlich um ein höchst persönliches Thema, bei dem die Exploration tief in die menschliche und vermögensmäßige Sphäre eindringen muss. Es geht nicht nur um Geld, sondern um Ängste und Befürchtungen, um Personenbeurteilung, um Gerechtigkeit und Sicherheit. Der Berater muss in diesem Bereich das Vertrauen seines Klienten in besonderer Weise gewinnen, er muss einige tief sitzende Vorurteile behutsam korrigieren, er braucht Geduld und eine stete Beharrlichkeit, um das Beratungsziel erst zu definieren und dann auf möglichst einfache und sichere Weise zu erreichen. Dabei gilt der ständige Kampf dem Unterbewusstsein des Klienten. Wenn auch jedermann weiß, dass der Mensch sterben muss, so befasst sich doch keiner gerne mit einem Problem, dessen Ansatzpunkt die typische Eingangsformel aller Testamente ist: „Im Falle meines Todes“. Psychologisch handelt es sich dabei um eine Testamentsphobie, eine krankhafte Abneigung, sich mit der Erbfolge zu befassen, die sich in der niedrigen Testamentsquote von nur ca. 30 % niederschlägt. Diese Testamentsphobie muss insbesondere am Anfang überwunden werden, taucht aber im Laufe der Beratung immer wieder verstärkt auf, insbesondere dann, wenn unangenehme Entscheidungen zu treffen sind.
III. Zusätzliche Unternehmerprobleme Die allgemeine Furcht aller Menschen vor dem Tod lässt auch den Unternehmer vor der Aufsetzung seines letzten Willens zurückschrecken. Freilich sollte er diese Schwelle eigentlich leichter überschreiten, weil er zusätzlich den Fortbestand des Unternehmens als ständige Mahnung vor sich sieht. Er muss also nicht nur dafür sorgen, dass sein Privatvermögen auf seine Erben gerecht verteilt wird. Die Verteilung des Firmenvermögens erweist sich oft als noch schwieriger, insbesondere dann, wenn dort nur einer das Sagen haben soll. Er hat möglicherweise auch das – allerdings nicht nur Unternehmer betreffende – Problem einer zweiten Ehefrau und Kinder aus erster Ehe, beim Unternehmer allerdings verbunden mit dem späteren häufigen Zusammentreffen im Gesellschafterkreis ohne seine dominante Präsenz.
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Die Kunst des Mandantengesprächs in Fragen der Unternehmernachfolge
IV. Generationenkonflikt Zuerst haben wir den Generationenkonflikt als Hindernis für eine sachliche Unternehmernachfolge entdeckt, der oft als Familienschande gegenüber Dritten empfunden und deshalb totgeschwiegen wird. Seine Symptome sind die Beschwerde des Seniors, er werde nicht ausreichend informiert, während der Junior sich darüber beklagt, der „Alte“ rede ihm noch dauernd herein und stelle seine Entscheidungen öffentlich vor der Belegschaft in Frage. In Wirklichkeit ist der Generationenkonflikt eigentlich ein positives Zeichen für die Auswahl des Nachfolgers, der danach strebt, etwas zu verändern und zu verbessern. Zur Überwindung solcher Schwierigkeiten bietet es sich an, dieses Problem durch eine richtige Führungsstruktur (Junior Geschäftsführer, Senior Vize-Aufsichtsratsvorsitzender) und die bevorzugte Information des Seniors durch den Junior (jour fix) zu lösen.
V. Nicht-loslassen-Können Etwas versteckt liegt eine andere Hemmschwelle: Das Pensionsloch des Seniors, das Gefühl, unersetzlich zu sein, an Ansehen in der Öffentlichkeit zu verlieren. Dieses Problem kann man umgehen mit beispielsweise einem anspruchsvollen Hobby oder der Übernahme eines gemeinnützigen Amtes. Es sollte kein Allerweltshobby sein, sondern eine Herausforderung. Diese Hindernisse müssen sorgfältig beachtet werden, sonst hat der Patron auf einmal Wichtigeres zu tun und verschiebt die Formulierung eines Testamentes immer weiter nach hinten. Eine Karikatur aus dem „New Yorker“ lässt den Unternehmer auf die Frage nach dem nächsten Termin überlegen: „Hat das eigentlich nicht Zeit bis nach meinem Tod?“
VI. Vertrauensgewinnende Einfühlsamkeit Hat sich der potentielle Klient zu dem Entschluss durchgerungen, seine Nachfolge mit einem fremden Dritten zu planen, will er seinem zukünftigen Berater zunächst einmal in die Augen sehen, bevor er ihm die persönlichen Verhältnisse anvertraut. Er ist zumeist entschlossen, auch dem Berater nicht alles zu erzählen und wird ihm zunächst eine heile Welt vorführen. Am liebsten erscheint er allein, dazu sollte der Berater ihn auch ermuntern.
VII. Das erste Telefongespräch Das erste Telefongespräch sollte wie folgt vom Berater geführt werden: Nicht durch eine Sekretärin vermittelt, sondern persönlich anrufen, sofortiges Akzeptieren eines vorgeschlagenen Termins, keine Vortäuschung von Geschäftigkeit. Steht die Wahl des Treffpunktes offen zwischen Anwaltsbüro und Firmensitz, so ist der Firmensitz vorzuziehen, möglichst verbunden mit einer Betriebsbesichtigung; es muss geklärt werden, welche Personen an dem Ge999
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spräch teilnehmen sollen (z. B. Ehefrau, Kinder, Finanzprokurist). Im Zweifel sollte man zunächst einmal ein Gespräch unter vier Augen führen. Das erste Telefongespräch wie auch das erste Beratungsgespräch dienen dem Unternehmer zum Kennenlernen und der Meinungsfindung, ob er dem Berater vertrauen kann und will. Mit ziemlicher Sicherheit taucht die Frage nach der Höhe des Honorars auf. Der Anwalt sollte dies nicht nutzen, um den Wert des gesamten Nachlasses zu erfragen, sondern bewusst eine Abtrennung vorschlagen. Das Einführungsgespräch wird separat ohne Rücksicht auf den Streitwert mit einer Pauschalsumme abgerechnet. Damit sollte zugleich ein Besprechungsvermerk abgegolten sein mit Auflistung der wahrscheinlichen Einzelleistungen, jeweils mit dem voraussichtlichen weiteren Honorarumfang.
VIII. Der individuelle Angang Angesichts der skizzierten Ausgangsposition sollte man das Gespräch nicht mit einer Checkliste in der Hand eröffnen. Man gerät sonst leicht an einen Punkt, bei dem der Klient sich noch nicht offenbaren will. Zweckmäßig ist es, die Partie mit der Frage zu eröffnen: „Wie ist es Ihnen eigentlich gelungen, mit Ihrem Produkt Weltmarktführer zu werden?“ Für einen Unternehmer ist es immer am leichtesten, über sein Unternehmen und sein Produkt zu reden. Irgendwann tauchen dann auch die nachfolgerelevanten Daten quasi nebenbei auf. Der erfahrene Berater weiß, dass er beim ersten Gespräch nicht alles erfahren wird und sollte deshalb auch nicht penetrant nachhaken. Der Berater wird zum gegebenen Zeitpunkt einfühlsam darauf zurückkommen. Einen Mitarbeiter sollte man nicht schon von Anfang an zum Mandanten mitnehmen, sondern sich zuerst alleine mit dem Unternehmer unterhalten und erst später die Hinzuziehung eines Mitarbeiters vorschlagen, etwa mit der Begründung Protokollführung, aber zugleich dessen sachliche und persönliche Kompetenz herausstellen. Der Anwalt wird dieses Gespräch gut vorbereitet haben, indem er sich über das Unternehmen und den Unternehmer aus den allgemein zugänglichen Materialien (Homepage im Internet, Branchenverzeichnis) informiert hat. Am Ende dieses Gesprächsteils sollte ein Organigramm der Unternehmensgruppe (Rechtsform, Beteiligungsverhältnisse, Funktionen) stehen. Dazu sollte dann eine Übersicht über die privaten Vermögensverhältnisse aufgestellt werden, sie sind meistens wertmäßig untergeordnet. Danach folgt der persönliche Stammbaum mit allen Verzweigungen (Bindungen durch das elterliche Testament beachten) einschließlich aller erbfolgerelevanten Nebenverträge: Eheverträge, Erbverträge, Gesellschaftsverträge und Vorschenkungen.
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IX. Zielvorstellung des Mandanten Als dritter Akt des Gesprächs folgt die Verdeutlichung der Zielvorstellungen des Mandanten. Die Zielrichtung ist dabei oft aus dem vorhandenen (meist Laien-)Testament zu entnehmen. Der Berater wird dann diese Zielvorstellungen tiefer explorieren: Eigene finanzielle Absicherung und die des Partners, gerechte Verteilung des Erbes, notwendige Bevormundung einzelner Erben (keine Entmündigung!), Erhaltung des Unternehmens, Willensbildung im Unternehmen, Vermeidung von Kommanditistengezänk, Streitunterdrückung in der Familie.
X. Das zweite Gespräch Das zweite Gespräch wird vereinbart, dann oft mit Ehepartner, ein drittes zusammen mit den Kindern in Aussicht genommen. Die Unternehmernachfolge darf keine „geheime Kommandosache“ sein. Ein kurzfristiger Zeitplan ist notwendig, um den Erledigungswillen des Klienten nicht erlahmen zu lassen. Erbfolgemandate dürfen nicht treiben gelassen werden, sondern müssen betrieben werden.
XI. Willensfestigung Die Gesamtberatung verlangt vom Berater, immer wieder den Regelungswillen des Klienten zu festigen und ihm die Vorteile einer durchdachten Erbregelung vor Augen zu führen. Am besten eignen sich dazu Fehler, die sich aus der vorhandenen individuellen Situation ergeben (z. B. Verschlechterung der Steuerklasse beim Brüdertestament). – Beim Fehlen eines jeglichen Testaments werden die Handlungsunfähigkeit der Erbengemeinschaft und die Teilungsschwierigkeit beim Nachlass herausgestellt (s. Sofort-Testament). – Bei Schenkungsverträgen wird man den Elchtest machen, um zu zeigen, was passiert, wenn in der falschen Reihenfolge gestorben wird (z. B. steuerpflichtiger Rückfall des geschenkten Vermögensgegenstandes). – Beim Berliner Testament wird man auf die Verfügungsbeschränkung des überlebenden Ehepartners sowie auf die doppelten Pflichtteilsansprüche bösartiger Kinder hinweisen. – Steuerliche Veräußerungsgewinne in Folge unfreiwilliger Entnahmen durch Testament oder bei der Erbteilung wird man aufzeigen. – Vor veralteten Testamenten muss gewarnt werden. – An positiven Beispielen wird man demgegenüber aufzeigen, wie man Steuern sparen kann (Steuerverlastungen, Vermehrung der Vermögensübergänge). – Bei der Zielsetzung Streitvermeidung wird man vorsichtig die These von den braven Kindern für die Zeit nach dem Tode der Autoritätsperson in Frage stellen („Gott kommt mit dem Tod, der Teufel kommt mit dem Erben“). 1001
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XII. Widerstände Während einer Erbfolgeplanung gibt es oft unerwartete Widerstände. Manchmal kommen bei den Ehepartnern eigenwillige, bisher verschwiegene Vorstellungen zu Tage, Kinder haben andere Vorstellungen für ihre Lebensplanung, Generationenkonflikte tauchen auf, Schwiegerkinder spielen nicht mit. Hier muss der Berater vermitteln, auf Fairness drängen, ohne dabei den Mandanten zu verlieren. Seine Vorschläge sollten deshalb immer schon solche möglichen Widerstände berücksichtigen: Nur faire Pflichtteilsverträge und Eheverträge haben eine rechtliche und psychologische Chance. Beim Vorgehen „per order de mufti“ scheitert die gesamte Erbfolgeregelung an solchen wichtigen Eckpfeilern. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich nach Scheidungen. Hier besteht die besonders große Gefahr, dass es später zu Erbstreitigkeiten kommt: Kinder aus erster Ehe gegen die zweite Ehefrau und deren Kinder. Hier ist ein wasserdichter Pflichtteilsverzicht Voraussetzung einer haltbaren Regelung. Aber einem solchen Gespräch weichen die geschiedenen Väter oft „schuldbewusst“ aus.
XIII. Die Gretchenfrage Es gibt Dinge, die man so, wie sie sind, nicht vererben kann. Dazu gehören Steuerkunstkonstruktionen wie Sonderbetriebsvermögen, Betriebsaufspaltungen, Wiesbadener Modell, Oasenholding, Abschreibungsgesellschaften und „schwarze“ Konten. Letztere werden auch dem Berater oft verschwiegen.
XIV. Das Soforttestament Der Sinn einer provisorischen letztwilligen Verfügung am Ende des ersten Beratungsgespräches ist, im Laufe des Gespräches auftauchende Katastrophen und Gefahren auf der Stelle zu verhindern. Das beste Beispiel ist ein bisher fehlendes Testament: Erfährt der Laie, dass dies zur Folge haben könnte, dass seine zweite Ehefrau und seine Kinder aus erster Ehe in eine Erbengemeinschaft fallen werden, die den Nachlass nur einstimmig verwalten und verteilen können, einer allein dagegen die öffentliche Versteigerung des Eigenheims betreiben könnte, ist er schnell bereit, noch im Büro des Beraters ein kurzes Soforttestament abzufassen, indem er etwa nur einen Testamentsvollstrecker zur Verwaltung und Auseinandersetzung bestellt. Ähnlich dringend erscheint ein Sofort-Testament, wenn eine geschiedene Ehefrau ihre kinderlose Tochter zur Alleinerbin einsetzt und mangels einer Nacherbenregelung das von ihr geführte Familienunternehmen bei ihrem Tod an den geschiedenen Ehemann wandern kann. Sie würde diese Lücke gerne sofort schließen. Das zum Jahreswechsel 2008/2009 in Kraft gesetz gibt Anlass, sofort einige Sachverhalte lichen Tod zu regeln: Ggf. Aufstockung der schluss eines Poolvertrages, Doppelbelastung 1002
getretene neue Erbschaftsteuerübergangsweise gegen den plötzBeteiligung über 25 % oder Abmit Erbschaft- und Einkommen-
Die Kunst des Mandantengesprächs in Fragen der Unternehmernachfolge
steuer vermeiden, Feststellung der Quote von Verwaltungsvermögen, um auch beim plötzlichen Tod des Unternehmers die Unternehmensverschonung in Anspruch nehmen zu können.
XV. Schluss Die Beratung bei der Erbfolgeplanung ist eine Wanderung durch vermintes Gelände. Sie verlangt ein einfühlsames, jedoch beharrliches Vorgehen und muss der Sache und allen beteiligten Personen gerecht werden. Sie ist – bei Gelingen – für den Berater aber oft auch die Eingangspforte für eine generationenübergreifende, breit angelegte Mandatsbeziehung.
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Testamentarisches Auffangnetz zur Verschonung unternehmerischen Vermögens Inhaltsübersicht I. Die Gestaltungsaufgabe II. Der Gestaltungsansatz III. Realisierbarkeit des Gestaltungsansatzes 1. Verschiebbarkeit des für das Vorliegen der Verschonungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunktes 2. Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags durch den Zweitbedachten a) Die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale der Finanzverwaltung und des BFH zum alten Begünstigungsrecht b) Subsumtion des vorliegend verfolgten Gestaltungsansatzes c) Weitergeltung der ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale nach der Erbschaftsteuerreform
3. Erbschaftsteuerliche Auswirkungen beim Erstbedachten a) Gestaltung mittels aufschiebend bedingtem Vermächtnis b) Gestaltung mittels Vor- und Nacherbschaft und Vor- und Nachvermächtnis 4. Gestaltungsmissbrauch 5. Veränderbarkeit der Vermächtnisgegenstände vor Vermächtnisanfall IV. Die Gestaltung 1. Das Vermächtnis 2. Die Bedingung 3. Die Auswahl des Erben 4. Testamentsvollstreckung, Auflagen und sonstige flankierende Regelungen
I. Die Gestaltungsaufgabe Erfahrungsgemäß gelingt eine Unternehmensnachfolge besser, wenn sie bereits zu Lebzeiten durchgeführt oder zumindest eingeleitet wird. Wenn auch die lebzeitige Unternehmensnachfolge nicht immer reibungslos verläuft, so erfolgt sie doch im Gegensatz zu häufig plötzlich und unerwartet eintretenden Erbfällen geplant und möglichst auf der Grundlage einer sorgfältig ausgearbeiteten Konzeption. Die Unternehmenskontinuität bleibt gewahrt und unnötige Liquiditätsbelastungen, insbesondere durch Steuern, können vermieden werden. Erfolgt die Unternehmensnachfolge hingegen von Todes wegen, hat der Unternehmer entweder zu lange gewartet oder er ist zu früh gestorben. Beides kommt vor und ist keineswegs selten. Das zum 1.1.2009 in Kraft getretene neue Erbschaftsteuerrecht, welches die erbschaftsteuerliche Verschonung unternehmerischen Vermögens völlig neu regelt, führt dazu, dass der Tod den Unternehmer auch zur erbschaftsteuerlichen Unzeit treffen kann, nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem die Voraus1005
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setzungen für die Inanspruchnahme des 100-prozentigen oder auch des 85prozentigen Verschonungsabschlags nicht erfüllt sind oder bei möglicher Inanspruchnahme der Begünstigung ein erhöhtes Nachsteuerrisiko besteht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn in dem an sich begünstigten unternehmerischen Vermögen mehr als 10 % oder mehr als 50 % Verwaltungsvermögen vorhanden ist. Im ersten Fall ist den Unternehmensnachfolgern die Option zur Nullregelung versagt, im zweiten Fall gibt es überhaupt keine Verschonung, und das Unternehmen ist mit seinem Verkehrswert wie jedes Festgeldkonto zu versteuern. Bei in Rechtsform der Kapitalgesellschaft geführten Unternehmen kann es sein, dass der Erblasser mit nicht mehr als 25 % an der GmbH oder AG beteiligt war und ein Poolvertrag, der ihn über die 25 %-Hürde hätte heben können, noch nicht geschlossen war. In diesem Fall ist sein Anteil nicht begünstigt und seine Erben haben ihren Erwerb wie den Erwerb jeden anderen Privatvermögens zum vollen Verkehrswert zu versteuern. Schließlich ist auch denkbar, dass der Unternehmer kurz vor seinem überraschenden Tod einen Teil seines Unternehmens veräußert hat, zu dem auch eine größere Anzahl an Arbeitsplätzen im Unternehmen gehörte. Sein Nachfolger startet dann mit deutlich weniger Arbeitnehmern und weiß schon bei Antritt des Erbes, dass er die aus dem 5-Jahres-Durchschnitt vor dem Tode ermittelte hohe Ausgangslohnsumme nicht wird halten können. Er „erbt“ damit ein erhebliches Nachsteuerrisiko. Für den Unternehmensnachfolger und letztlich für das Unternehmen aber ist es von existenzieller Bedeutung, ob der Verschonungsabschlag in Anspruch genommen werden kann oder nicht. Ein Unternehmen im Wert von beispielsweise 30 Millionen Euro kostet ohne Verschonungsabschlag den Nachfolger, wenn es sich um einen Abkömmling oder die Ehefrau des Erblassers handelt, 9 Millionen Euro Erbschaftsteuer. Erbt ein Geschwisterteil oder ein Neffe oder eine Nichte, sind sogar 15 Millionen Euro an Erbschaftsteuer zu zahlen. Bei Inanspruchnahme der Regelverschonung mit dem 85-prozentigen Verschonungsabschlag reduziert sich die Steuer auf 855.000 Euro auch für die entfernteren Verwandten. Kann bei Einhaltung der 10-prozentigen Verwaltungsvermögensquote die Null-Option ausgeübt werden, fällt überhaupt keine Steuer an. Angesichts dieser extremen Unterschiede in der steuerlichen Belastung muss jeder Unternehmer, dem am Erhalt seines Unternehmens über seinen Tod hinaus gelegen ist, kontinuierlich die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen überwachen. Die Realität aber wird anders aussehen. Viele, gerade junge Unternehmer, werden eine solche ständige Kontrolle nicht als notwendig erachten, den Aufwand scheuen oder mit der Zeit vergessen. Darüber hinaus wird es Phasen geben, in denen aufgrund außersteuerlicher Gründe auf die erbschaftsteuerlichen Erfordernisse nicht Rücksicht genommen werden kann. Und schließlich wird es vorkommen, dass trotz ständiger Kontrolle und bester Absichten im Zeitpunkt des Erbfalls die Verschonungsvoraussetzungen nicht erfüllt sein werden. Um die Reduzierung dieses Erbschaftsteuerrisikos als Gestaltungsaufgabe soll es im Folgenden gehen.
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II. Der Gestaltungsansatz Zur Reduzierung des Risikos, dass der Erblasser es zu Lebzeiten nicht mehr geschafft hat, seinen Nachlass steueroptimal zu strukturieren und insbesondere die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags für unternehmerisches Vermögen zu erfüllen oder bestehende Nachsteuerrisiken zu reduzieren, ist nach Gestaltungswegen zu suchen, die es seinen Erben ermöglichen, das Versäumte nachzuholen. Da es hierbei nur um die Gestaltung von steuerrelevanten Rechtsverhältnissen nach dem Tode des Erblassers gehen kann, ist das nächstliegende Mittel hierfür die letztwillige Verfügung, für Unternehmer somit das Unternehmertestament. Es gilt, das Unternehmertestament so zu gestalten, dass der für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen maßgebliche Stichtag nach hinten verschoben wird und der Unternehmensnachfolger Gelegenheit erhält, bis dahin die Verschonungsvoraussetzungen zu erfüllen und durch vorbereitende Maßnahmen Nachsteuerrisiken zu reduzieren. Beispiel: Der Unternehmer U verstirbt plötzlich und unerwartet. Zu seinem Nachlass gehört neben anderem eine von ihm alleine gehaltene GmbH & Co. KG im Wert von 10 Mio. Euro. Zum Vermögen der GmbH & Co. KG gehören neben dem Unternehmen auch fremdvermietete Immobilien im Wert von 4 Mio. Euro, die jedoch noch i. H. v. 2 Mio. Euro finanziert sind, und Wertpapiere im Wert von 1,5 Mio. Euro als Liquiditätsreserve für eine bereits geplante Investition. Der U hat ein Testament hinterlassen, in dem er die GmbH & Co. KG seinem als Unternehmensnachfolger auserkorenen Sohn vermacht, das übrige Nachlassvermögen geht an seine Ehefrau und seine Tochter. Der Sohn erwirbt mit der GmbH & Co. KG erbschaftsteuerlich nicht begünstigtes Vermögen, da die als Verwaltungsvermögen zu qualifizierenden Immobilien und Wertpapiere im Wert von 5,5 Mio. Euro mehr als 50 % des Gesamtwertes der GmbH & Co. KG von 10 Mio. Euro ausmachen1. Seine Erbschaftsteuerbelastung beträgt nach Abzug des persönlichen Freibetrages (9,6 Mio. Euro x 23 % =) 2.208.000 Euro. Gelänge es hingegen in solchen Fällen, den Stichtag für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen zeitlich nach hinten zu verschieben und die Übergangszeit dazu zu nutzen, die GmbH & Co. KG so umzustrukturieren, dass die Verschonungsvoraussetzungen zum Stichtag erfüllt sind, so fiele die vom Unternehmensnachfolger zu zahlende Steuer deutlich geringer aus. In Betracht käme vorliegend beispielsweise, die Wertpapiere zur Rückzahlung des Immobiliendarlehens zu verwenden. Die Erbschaftsteuer betrüge dann 209.000 Euro, also ca. 2 Mio. Euro weniger. Auch wäre es denkbar, Wertpapiere von bspw. 1 Mio. aus der GmbH & Co. KG zu entnehmen. Die Erbschaftsteuer fiele dann etwas höher aus, da die GmbH zwar mit einem Wert von ca. 9 Mio. Euro be-
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1 Die mit dem Immobilienvermögen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Darlehen von 2 Mio. Euro mindern zwar den Gesamtwert der GmbH & Co. KG, nicht aber den Wert des schädlichen Verwaltungsvermögens; vgl. § 13b Abs. 2 S. 4 ErbStG.
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günstigt zu versteuern ist, die ins Privatvermögen überführten Wertpapiere aber mit dem vollen Wert. Die Gesamtbelastung betrüge bei dieser Variante 370.500 Euro. Die Realisierbarkeit dieses Gestaltungsansatzes setzt allerdings voraus, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen dem Zeitpunkt des Erbfalls überhaupt nachgelagert sein kann. Weitere Voraussetzung ist, dass mit Hilfe erbrechtlicher Instrumentarien ein solcher späterer Zeitpunkt bestimmt werden kann. Zur Realisierbarkeit gehört schließlich aber auch, dass die hierzu erforderlichen Verfügungen keine anderen, möglicherweise sogar höheren Risiken oder Nachteile, insbesondere für den Zwischenerwerber begründen, dass die Unternehmensnachfolge gesichert bleibt und dass die Übergangszeit wirtschaftlich sinnvoll und für die Familie und den Unternehmensnachfolger verträglich gestaltet werden kann.
III. Realisierbarkeit des Gestaltungsansatzes 1. Verschiebbarkeit des für das Vorliegen der Verschonungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunktes Während in § 11 ErbStG für die Frage der Wertermittlung als maßgeblicher Bewertungsstichtag der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer genannt ist, enthält das Gesetz für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Verschonungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, keine ausdrückliche Aussage. Jedoch finden sich in den Verschonungsvorschriften an mehreren Stellen deutliche Hinweise, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen ebenfalls nur der Steuerentstehungszeitpunkt sein kann. So ist gem. § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG die Ausgangslohnsumme aus der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf „vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer“ endenden Wirtschaftsjahre zu bestimmen. Nach § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG wird solches Verwaltungsvermögen von der Begünstigung ausgenommen, welches dem Betrieb „im Besteuerungszeitpunkt“ weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. In § 13a Abs. 7 ErbStG wird, soweit nicht inländisches Vermögen zum begünstigten Vermögen gehört, dem Steuerpflichtigen auferlegt, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Begünstigung „im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer“ bestehen. Den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bestimmt das Erbschaftsteuergesetz wiederum ausdrücklich. Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Von diesem Grundsatz macht das Gesetz jedoch zahlreiche Ausnahmen. So entsteht die Steuer insbesondere (Auswahl) – bei Erwerben von Todes wegen unter einer aufschiebenden Bedingung mit dem Eintritt der Bedingung, – beim Erwerb einer vom Erblasser angeordneten Stiftung mit der Anerkennung derselben als rechtsfähig,
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– bei Erwerben infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer von ihm gesetzten Bedingung im Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung, – beim Erwerb einer Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung der Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung, – für den Erwerb des Nacherben mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge. In allen vorgenannten Fällen ordnet das Gesetz somit einen Steuerentstehungszeitpunkt an, der dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers nachgelagert ist. Deshalb müssen in den vorgenannten Fällen die Verschonungsvoraussetzungen zu diesem gesetzlich angeordneten späteren Steuerentstehungszeitpunkt vorliegen. Auf die Verhältnisse am Todestag kommt es nicht an. Dies schafft einerseits Risiken, andererseits aber auch Gestaltungschancen. Risiken insofern, als der Erstbedachte und somit Zwischenerwerber aus Nachlässigkeit oder bösem Willen das Unternehmen in einer Weise umstrukturiert, dass im Steuerentstehungszeitpunkt die Verschonungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Der Zweitbedachte verliert dadurch den Verschonungsabschlag und trägt die Erbschaftsteuer auf den vollen Verkehrswert. Gestaltungschancen ergeben sich aber umgekehrt dadurch, dass der Erstbedachte die Übergangszeit auch dazu nutzen kann, zum Vorteil des Zweitbedachten die Verschonungsvoraussetzungen nachträglich zu erfüllen. Für die Gestaltung des Unternehmertestaments bedeutet dies im ersten Fall, also bei Vorliegen der Verschonungsvoraussetzungen am Todestag, aber angeordnetem Zwischenerwerb, den Zweitbedachten davor zu schützen, dass der Erstbedachte die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen vereitelt. Im zweiten Fall, also zur Ausnutzung der Gestaltungschancen, ist einerseits ein Zwischenerwerb anzuordnen und andererseits für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen bis zum Erwerb des Zweitbedachten zu sorgen. 2. Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags durch den Zweitbedachten Die Verschiebung des für das Vorliegen der Verschonungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkts macht nur dann Sinn, wenn der Zweitbedachte im Falle der Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich die Verschonung erhält. Dies scheint auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber keineswegs. Sowohl die Finanzverwaltung als auch der BFH haben nämlich zur alten Begünstigungsvorschrift des § 13a ErbStG a. F. ungeschriebene Tatbestandsmerkmale entwickelt, deren Erfüllung Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensprivilegien war. Da diese Tatbestandsmerkmale schon dem Wortlaut der Altregelung nicht zu entnehmen waren, die Finanzverwaltung vielmehr ohne besondere Begründung und der BFH im Wege einer verfassungskonformen Auslegung deren Erfüllung verlangte, müssen diese besonderen Erfordernisse durch die nunmehr im Rahmen der Erbschaftsteuerreform erfolgte Änderung des Wort1009
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lauts nicht automatisch hinfällig geworden sein. Im Folgenden ist deshalb nach einer kurzen Darstellung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und des BFH zunächst zu prüfen, ob diese dem hier verfolgten Gestaltungsansatz entgegensteht und sodann zu untersuchen, ob sie auch nach Neufassung der Verschonungsregelungen durch das Erbschaftsteuerreformgesetz Fortgeltung beanspruchen kann. a) Die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale der Finanzverwaltung und des BFH zum alten Begünstigungsrecht Die Finanzverwaltung gewährte die Betriebsvermögensprivilegien nach altem Recht nur dann, wenn der Erblasser selbst von ihm stammendes begünstigtes Vermögen dem Erwerber zugewiesen hatte2. In Anwendung dieses im Gesetz so nicht zu findenden Rechtssatzes lehnte die Finanzverwaltung die Gewährung der Betriebsvermögensprivilegien insbesondere ab, wenn zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs oder eines Geldvermächtnisses an Erfüllungs statt begünstigtes Vermögen übertragen wurde3, da hier offenbar keine Zuweisung durch den Erblasser erfolgte. Entsprechendes galt, wenn begünstigtes Vermögen als Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses übertragen wurde4. Auch Erwerbern, die aufgrund eines Verschaffungsvermächtnisses begünstigtes Vermögen erwarben, wurde die Begünstigung vorenthalten, weil das erworbene Vermögen nicht vom Erblasser stammte5. Im Schrifttum ist die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung überwiegend kritisiert worden6. So wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass sich für die einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung im Wortlaut des § 13a ErbStG a. F. keine Stütze fand, zumal insbesondere nach der Regelung des Jahressteuergesetzes 1997 nicht mehr lediglich der Erwerb durch Erbanfall, sondern durch „Erwerb von Todes wegen“ begünstigt war. Auf die Person des Erblassers kam es nach der Neufassung des § 13a ErbStG nur noch im Hinblick auf die Begünstigung des Erwerbs von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften an. Die Begünstigung kam nur in Betracht, wenn der Erblasser (oder Schenker) am Nennkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als ¼ unmittelbar beteiligt war7.
__________ 2 3 4 5 6
R 55 Abs. 4 Satz 1 ErbStR (Stand Januar 2009). R 55 Abs. 4 Satz 2 ErbStR. R 55 Abs. 4 Satz 4 ErbStR. R 55 Abs. 4 Satz 3 ErbStR. Meincke, ErbStG, § 13 a, Rz. 7; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 a, Rz. 25; Hübner in Viskorf u. a., ErbStG, § 13 a, Rz. 12 sowie Hübner, DStR 2003, 4; Wohlschlegel, ZEV 1997, 107; Gebel, BB 1997, 811; der Finanzverwaltung hingegen weitgehend folgend Weinmann in Moench/Kien-Hümbert/Weinmann, ErbStG, § 13 a, Rz. 49 ff. 7 Diese Voraussetzung ist geblieben, aber insoweit „entschärft“ worden, als dass die 25 %-Grenze nunmehr durch die Vereinbarung von Verfügungsbeschränkungen und eine Poolung von Stimmrechten überwunden werden kann (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG).
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Testamentarisches Auffangnetz zur Verschonung unternehmerischen Vermögens
Dessen ungeachtet ist der BFH in seinem Urteil vom 14.2.20078 der Finanzverwaltung weitgehend gefolgt. Er hat den Leitsatz aufgestellt, dass die Steuerbegünstigung nur zu gewähren sei, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers Vermögen i. S. d. § 13a Abs. 4 Nr. 1 oder 2 ErbStG (a. F.) gewesen bzw. geblieben sei. Auch diese Entscheidung ist zu Recht kritisch besprochen worden9. Statt einer Fortführung des alten Meinungsstreits soll es für die vorliegenden Zwecke genügen, zunächst zu untersuchen, ob die restriktive Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und des BFH dem Gestaltungsansatz, die Verschonungsvoraussetzungen erst nach dem Tod des Erblassers aber vor dem für den Zweitbedachten maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt zu erfüllen, entgegensteht. Soweit hiernach noch relevant, ist weiter zu fragen, ob nach der Neufassung der Verschonungsvorschriften an dieser Rechtsauffassung noch festgehalten werden kann. b) Subsumtion des vorliegend verfolgten Gestaltungsansatzes Fasst man die Aussagen der Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien und den Leitsatz des BFH zusammen, so lassen sich im Kern drei ungeschriebene Tatbestandsmerkmale ausmachen, die bisher zur Erlangung der Begünstigung erfüllt sein mussten: (1) Das begünstigte Vermögen muss auch schon vor dem Erwerb Betriebsvermögen gewesen sein. (2) Das begünstigte Vermögen muss dem Erblasser (oder Schenker) gehört haben. (3) Der Erblasser selbst muss das begünstigte Vermögen dem Erwerber zugewiesen haben. Das erste ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist bei dem hier verfolgten Gestaltungsansatz erfüllt. Die Gestaltung zielt nämlich gerade darauf ab, vor dem Erwerb des Vermögens durch den Zweitbedachten die Verschonungsvoraussetzungen zu erfüllen. Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall entsteht das begünstigte Vermögen nicht erst mit dem Erwerb, sondern bereits davor. Ob auch das zweite Tatbestandsmerkmal, dass nämlich das erworbene Vermögen schon auf Seiten des Erblassers begünstigtes Vermögen gewesen sein muss, erfüllt ist, lässt sich hingegen anhand der Äußerungen des BFH in seiner Entscheidung vom 14.2.2007 nicht eindeutig beantworten. Bei der hier interessierenden Fallkonstellation gehört das Vermögen dem Erblasser, es erfüllt allerdings in seiner Hand noch nicht die Verschonungsvoraussetzungen. Vielmehr vererbt der Erblasser nicht begünstigtes Vermögen. Der Erbe mischt es dann aber neu – entnimmt beispielsweise Verwaltungsvermögen zur Reduzierung der Verwaltungsvermögensquote oder legt Privatvermögen zur weitergehenden Ausnutzung der Begünstigungen unter Beachtung der zweijährigen
__________
8 BFH v. 14.2.2007 – II R 69/05, DStR 2007, 669. 9 Meincke, ZEV 2007, 295.
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Missbrauchsfrist ins Betriebsvermögen ein – und der Zweitbedachte erwirbt dieses ursprünglich vom Erblasser stammende, aber „neu gemischte“ Vermögen, das nunmehr im Zeitpunkt seines Erwerbs die Verschonungsvoraussetzungen erfüllt. Insoweit unterscheiden sich die vorliegenden Gestaltungen auch von den Verschaffungsvermächtnissen, bei denen der Erbe das begünstigte Vermögen erst noch zu besorgen hat, dieses also nicht bereits zum Nachlass gehörte. Allerdings erfüllte das Vermögen zu Lebzeiten des Erblassers nicht (zumindest nicht im Zeitpunkt seines Todes) die Verschonungsvoraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG. Diese Voraussetzungen wurden eben erst nach dem Tode des Erblassers erfüllt, so dass sich die Frage stellt, wem diese Übergangszeit zuzurechnen ist, dem Erblasser, dem Erben oder vielleicht sogar schon dem Zweitbedachten. Da der Zweiterwerber (etwa als Vermächtnisnehmer oder Nacherbe) wirtschaftlich letztlich vom Erblasser erwirbt, spricht einiges dafür, die Übergangszeit dem Erblasser zuzurechnen, so dass dennoch „auf Seiten des Erblassers“, wie der BFH formuliert, bereits die Voraussetzungen der Verschonungsregeln erfüllt waren. Den Ausführungen des BFH, dem auch dieses Erfordernis nur zur Aussonderung der Fälle diente, in denen erst mit dem Erwerb in der Hand des Erwerbers begünstigtes Vermögen entsteht, lässt sich dies jedoch nicht eindeutig entnehmen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung und der BFH dem Zweitbedachten die Begünstigung versagen, weil das von ihm erworbene Vermögen „in der Hand des Erblassers“ noch nicht die Verschonungsvoraussetzungen erfüllte. Das dritte Tatbestandsmerkmal schließlich, dass der Erblasser selbst das von ihm stammende begünstigte Vermögen dem Erwerber zugewiesen haben muss, wäre zwar nicht mit sämtlichen der in § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG genannten erbrechtlichen Instrumentarien zur Verschiebung des für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkts gestaltbar. So läge beispielsweise die Entscheidung über eine Sachabfindung für den Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteils oder für eine Ausschlagung in der Sphäre des Erben. Insbesondere aber bei Verwendung des aufschiebend bedingten Vermächtnisses, der Vor-/Nacherbfolge oder des Vor-/Nachvermächtnisses sowie einer aufschiebend bedingten Auflage als Gestaltungsinstrument würde die Zuweisung durch den Erblasser selbst erfolgen. c) Weitergeltung der ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale nach der Erbschaftsteuerreform Da somit die erste und die dritte der vorgenannten Voraussetzungen erfüllt oder zumindest erfüllbar sind, kommt es für die Realisierbarkeit des hier verfolgten Gestaltungsansatzes vor allem auf die Relevanz des zweiten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals an. Es ist also zu fragen, ob auch auf der Grundlage des neuen Rechts für die Gewährung der Verschonung gefordert werden kann, dass das erworbene Vermögen auf Seiten des Erblassers und, wie mangels eindeutiger Aussagen des BFH vorsorglich zu unterstellen ist, noch zu seinen Lebzeiten die Voraussetzungen der §§ 13a, b ErbStG erfüllt hat. 1012
Testamentarisches Auffangnetz zur Verschonung unternehmerischen Vermögens
Da schon dem Wortlaut des § 13a ErbStG a. F. eine solche Voraussetzung nicht zu entnehmen war, begründete der BFH das von ihm aufgestellte Erfordernis mit dem Begünstigungszweck der Norm und „für die Seite des Erblassers“ insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei beruft sich der BFH auf Aussagen des BVerfG in seinen Entscheidungen vom 22.6.199510 und vom 7.11.200611. Dort habe das BVerfG insbesondere ausgeführt, dass die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt sei, die den Betrieb „weiterführen“, „aufrecht erhalten“ und „fortführen“. Diese Wortwahl zeige, dass das BVerfG den Betrieb des Erblassers (oder Schenkers) im Blick gehabt habe. Die Berufung auf diese Entscheidungen kann jedoch nach der Neufassung der Verschonungsregelungen durch den Gesetzgeber, die gerade in Erfüllung des Auftrags des BVerfG und unter Beachtung dessen Vorgaben erfolgte, nicht mehr als Begründung dienen. Maßgeblich muss nun vielmehr allein die vom Gesetzgeber neu getroffene Regelung sein. Soweit diese die vom BFH zum alten Recht aufgestellte Voraussetzung, dass bereits in der Hand des Erblassers begünstigtes Vermögen vorhanden gewesen sein muss, nicht enthält, kann dies auch nicht unter Berufung auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinzuinterpretiert werden. Allenfalls könnte die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wegen Fehlens einer solchen Voraussetzung in Frage gestellt werden. Die Neuregelung selbst aber lässt für ein solches (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal keinen Raum. Der Gesetzgeber hat sich in seiner Neuregelung vielmehr auf die Aussage beschränkt, dass der Wert von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 13b Abs. 4 ErbStG insgesamt außer Ansatz bleibt. Nach § 13b Abs. 4 ErbStG sind begünstigt 85 % des in § 13b Abs. 1 ErbStG genannten Vermögens. Der Gesetzgeber beschränkt sich damit auf eine Beschreibung desjenigen Vermögens, welches für ihn begünstigungswürdig ist. Im Rahmen dieser Beschreibung trägt er den vom BVerfG aufgestellten Anforderungen Rechnung. Ob ihm dies im ausreichenden Maße gelingt, ist allenfalls eine verfassungsrechtliche Frage. Nach der Neuregelung wird die Verschonung nicht schon für den Erwerb schlichten Betriebsvermögens gewährt, sondern nur, wenn die Zusammensetzung dieses Betriebsvermögens („nicht mehr als 50 % Verwaltungsvermögen“) darauf schließen lässt, dass es den Gemeinwohlzwecken dient, welche mit der Begünstigung gefördert werden sollen. In wessen Händen dieses Vermögen zu welcher Zeit war, ist dabei unerheblich. Missbräuchen wird stattdessen durch die sehr differenzierte und durchaus auch komplizierte Definition des letztlich begünstigten Vermögens vorgebeugt. Dabei spielt statt einer Zugehörigkeit des begünstigten Vermögens zum Erblasser vorrangig die Struktur des Vermögens vor (und nach) dem Steuerentstehungsstichtag eine Rolle. So wird zur Missbrauchsverhinderung insbesondere solches Verwaltungsvermögen von der (bei
__________ 10 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. 11 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, FR 2007, 338 = ZEV 2007, 76 mit Anmerkung Piltz.
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Einhaltung der 50 %igen oder 10 %igen Verwaltungsvermögensquote grundsätzlich zu gewährenden) Begünstigung ausgenommen, welches noch keine zwei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt dem begünstigten Vermögen zuzurechnen war. Darüber hinaus verpflichtet der Gesetzgeber den Erwerber, das begünstigte Vermögen zu behalten und das 6,5- bzw. 10-fache der aus der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre ermittelten Ausgangslohnsumme in den folgenden 7 bzw. 10 Jahren als Lohnaufwand zu erbringen, wenn er nicht wieder die Begünstigung verlieren will. Auch diese Inpflichtnahme des Erwerbers zur Sicherung der Erfüllung der Gemeinwohlzwecke zeigt, dass dieser nach dem Willen des Gesetzgebers die Begünstigung schon deshalb verdient, weil er begünstigungswürdiges Vermögen erwirbt und in begünstigungswerter Weise fortan hält. Darüber hinaus ist, anders als in der bis zum 31.12.2008 geltenden Begünstigungsregelung, im neuen Recht der Steuerentstehungszeitpunkt an mehreren Stellen als maßgeblicher Stichtag für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen ausdrücklich in Bezug genommen (s. bereits oben). Für zusätzliche, auf den Erblasser abstellende Voraussetzungen ist – abgesehen von der beibehaltenen 25 %-Grenze bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften – innerhalb dieses neuen differenzierten Regelungssystems kein Raum mehr. Die Aussagen der Finanzverwaltung und des BFHs zum alten Recht stehen damit einer Realisierbarkeit des hier verfolgten Gestaltungsansatzes nicht entgegen. 3. Erbschaftsteuerliche Auswirkungen beim Erstbedachten Das in § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i. V. m. § 3 Abs. 2 ErbStG ausdrücklich genannte erbrechtliche Instrumentarium zur Verschiebung des Steuerentstehungszeitpunkts ist durchaus vielfältig. Für die vorliegenden Zwecke sind die verschiedenen Instrumentarien jedoch nur nutzbar, wenn sie nicht gleichzeitig den Ersterwerber in einer Weise belasten, durch die die Vorteile, die dem Zweiterwerber aus der zwischenzeitlichen Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen erwachsen, wieder kompensiert oder sogar überkompensiert werden. Für die erbschaftsteuerlichen Auswirkungen beim Erstbedachten ist allerdings zwischen dem Einsatz der verschiedenen erbrechtlichen Gestaltungsinstrumentarien zu differenzieren. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Gestaltungen mittels aufschiebend bedingten Vermächtnisses und mittels Vor- und Nacherbschaft und Vor- und Nachvermächtnis. a) Gestaltung mittels aufschiebend bedingtem Vermächtnis Die Anordnung eines Vermächtnisses hat keine dingliche Wirkung, sondern begründet lediglich einen Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstandes. Die Entstehung dieses Anspruchs wird vom Gesetz als Anfall des Vermächtnisses bezeichnet. Grundsätzlich fällt das Vermächtnis mit dem Erbfall an. Bei einem aufschiebend bedingten Vermächtnis erfolgt der Anfall des Vermächtnisses aber erst mit dem Eintritt der Bedingung. In der Zeit zwischen Erbfall und Bedingungseintritt hat der Vermächtnisnehmer eine Anwartschaft, 1014
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die grundsätzlich vererblich und übertragbar ist. Erbschaftsteuerlich ist die Anwartschaft ohne Relevanz. Weder hat der Vermächtnisnehmer den Erwerb der Anwartschaft zu versteuern noch kann der Erbe die Anwartschaft als Last von seinem Erwerb abziehen. Für den Vermächtnisnehmer entsteht die Steuer deshalb erst mit dem Bedingungseintritt. Als Steuerentstehungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts auch der maßgebliche Bewertungsstichtag. Auch für die Frage der Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags für unternehmerisches Vermögen kommt es für ihn, wie oben ausgeführt, auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts an. Dem (oder den) Erben fällt die Erbschaft hingegen mit dem Tod des Erblassers an. Für ihn ist somit der Todestag der maßgebliche Steuerentstehungs- und Wertermittlungsstichtag. Für die Frage der Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags kommt es daher ebenfalls auf die Verhältnisse zum Todestag an. Waren am Todestag die Verschonungsvoraussetzungen nicht erfüllt, hat der Erbe den vollen Verkehrswert des unternehmerischen Vermögens zu versteuern. Da das aufschiebend bedingte Vermächtnis noch nicht angefallen ist, kann der Erbe es (noch) nicht als Nachlassverbindlichkeit von seinem Erwerb abziehen. § 6 BewG stellt insoweit klar, dass Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängen, nicht berücksichtigt werden. Wenn dann aber später die Bedingung eintritt, ist die Steuer unter Berücksichtigung der Last zu berichtigen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 1 BewG). Jedoch ist die Last nicht auf den Tag des Eintritts der Bedingung, sondern auf den Todestag des Erblassers zu bewerten12, da für den Erben als Steuerentstehungs- und damit Wertermittlungsstichtag der Todestag maßgeblich bleibt. Da der Erbe zu dem für ihn maßgeblich bleibenden Steuerentstehungszeitpunkt den Verschonungsabschlag nicht in Anspruch nehmen kann, ist auch seine Vermächtnislast nicht entsprechend § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG um den Verschonungsabschlag zu kürzen. Der Erbe hat damit durch seinen Zwischenerwerb keinen Steuernachteil. Insbesondere führt ein zwischenzeitlicher Wertverfall des vermachten Unternehmens nicht zu einer Minderung der abziehbaren Vermächtnislast. Der Erbe wird vielmehr nachträglich so behandelt, als habe das aufschiebend bedingt vermachte Unternehmen und etwa darüber hinaus vermachte Gegenstände damals nicht zu seinem Erwerb gehört.
__________ 12 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 9 Rz. 37; BFH v. 6.10.1976 – II R 107/71, BStBl. II 1977, 211, dort führt der BFH zum aufschiebend bedingten Vermächtnis aus, dass es nach Wortlaut und Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung beim Todestag als Bewertungsstichtag für die Vermächtnislast bleibt. Sodann heißt es wörtlich: „Hatte sich der Wert des an die Mutter (im Fall die Vermächtnisnehmerin) der Klägerin herauszugebenden Vermögens bei Eintritt der Bedingung verringert, so wäre es ungerecht, bei der Veranlagung der Klägerin zur Erbschaftsteuer die Vermächtnisverpflichtung nur mit diesem geringeren Wert anzusetzen, wenn ihr andererseits die Aktivwerte des Nachlasses und damit auch der an die Mutter herauszugebenden Vermögenswerte mit den höheren Werten zum Todestag des Erblassers zugerechnet worden sind.“
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Allerdings können dem Erben dadurch Nachteile entstehen, dass er zunächst die auf die aufschiebend bedingt vermachten Nachlassgegenstände entfallende Erbschaftsteuer zu zahlen hat. Die spätere Berichtigung und Erstattung verschafft ihm jedoch keinen Anspruch auf Erstattungszinsen, da sich § 233a AO nicht auf die Erstattung von Erbschaftsteuern bezieht. Der Erblasser wird dies bei der Gestaltung seines Testaments zu berücksichtigen haben. So kann er den Zinsnachteil bei der allgemeinen Verteilungsentscheidung über seinen Gesamtnachlass mit einbeziehen oder auch im Rahmen einer Regelung über den Behalt zwischenzeitlicher Nutzungen und die Erstattung von Verwendungen auf den Vermächtnisgegenstand berücksichtigen. b) Gestaltung mittels Vor- und Nacherbschaft und Vor- und Nachvermächtnis Nach § 2100 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem ein anderer Erbe geworden ist. Die Erbschaft geht also zunächst an den Vorerben und bei Eintritt eines vom Erblasser bestimmten Ereignisses – in der Mehrzahl der Fälle ist dies der Tod des Vorerben – an den Nacherben. Der Nacherbe ist aber zivilrechtlich nicht etwa Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern Rechtsnachfolger des Erblassers, d. h. sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe erben vom Erblasser. Erbschaftsteuerlich bestehen jedoch abweichend von dieser zivilrechtlichen Wertung einige Besonderheiten. § 6 ErbStG bestimmt, dass der Vorerbe als Erbe gilt, mit der Folge, dass ein und derselbe Nachlass beim Vorerben und beim Nacherben voll versteuert wird. Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Lage erfolgt die Besteuerung jedoch so, als erhielte der Nacherbe den Nachlass nicht vom Erblasser, sondern vom Vorerben. Für den Regelfall des Eintritts des Nacherbfalls durch Tod des Vorerben gewährt das Gesetz dem Nacherben die Option, sein Verwandtschaftsverhältnis zum ursprünglichen Erblasser der Versteuerung zugrunde legen zu lassen, wenn dies für ihn günstiger ist. Hängt der Eintritt der Nacherbfolge hingegen von einem anderen Ereignis als dem Tod des Vorerben ab (z. B. Wiederverheiratung, Vollendung eines bestimmten Lebensalters des Nacherben oder – wie im vorliegenden Zusammenhang relevant – die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen), so kehrt das Erbschaftsteuerrecht zu den zivilrechtlichen Vorgaben zurück: Die Vorerbfolge wird als auflösend bedingter und die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Erwerb jeweils vom Erblasser behandelt. Entgegen § 5 Abs. 2 BewG wird jedoch die Steuerfestsetzung gegen den Vorerben nicht berichtigt. Lediglich kann nach § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG der Nacherbe auf seine Steuerschuld aus der Nacherbschaft die Steuer des Vorerben anrechnen. Dabei bleibt der Steuerbetrag, der auf die dem Vorerben tatsächlich verbleibende Bereicherung entfällt, vom Abzug ausgeschlossen. Soweit also bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft die Verschonungsvoraussetzungen im Erbfall noch nicht erfüllt sind, hat der Vorerbe das zum Nachlass gehörende unternehmerische Vermögen zum vollen Verkehrswert zu versteuern. Denn für ihn ist der für die Wertermittlung und das Vorliegen der Ver1016
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schonungsvoraussetzungen maßgebliche Steuerentstehungszeitpunkt der Erbfall. Für den Nacherben ist hingegen maßgeblicher Steuerentstehungszeitpunkt der Eintritt des Nacherbfalls. Liegen zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Verschonungsabschlag vor, so versteuert der Nacherbe das zur Nacherbschaft gehörende unternehmerische Vermögen zwar begünstigt. Jedoch wird die hohe Belastung des Vorerben nicht berichtigt, sondern sie wird lediglich beim Vorerben in Abzug gebracht, soweit sie nicht auf die tatsächliche Bereicherung des Vorerben, das sind in der Regel die ihm nach Abzug seiner Aufwendungen verbleibenden Nutzungen, entspricht13. Damit aber bleibt es insgesamt bei dem hohen Steuerniveau im Vorerbfall, so dass das Instrument der Vor- und Nacherbschaft für die vorliegenden Zwecke untauglich ist. Entsprechendes gilt für das Vor- und Nachvermächtnis, da dieses nach § 6 Abs. 4 ErbStG in der erbschaftsteuerlichen Behandlung der Vor- und Nacherbschaft gleichgestellt wird. Das aufschiebend bedingte Vermächtnis ist dagegen in § 6 Abs. 4 ErbStG nicht genannt, so dass § 6 Abs. 3 ErbStG auf dieses, obwohl letztlich das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erzielt wird, keine Anwendung findet14 und es damit zu der vorstehend beschriebenen Korrektur der ursprünglichen Veranlagung kommt (Erstattung und nicht nur Anrechnung der zuviel entrichteten Steuer). 4. Gestaltungsmissbrauch Bei Gestaltungen, die in erster Linie der Steuerreduzierung dienen, stellt sich immer auch die Frage nach einem Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Zwar gilt § 42 AO grundsätzlich auch im Bereich des Erbschaftsteuerrechts15. Jedoch findet er dort nur in seltenen Fällen Anwendung. Grund für die Anordnung des § 42 AO ist nämlich der Umstand, dass das Steuerrecht „an sich“ wirtschaftliche Vorgänge im Blick hat. Zu deren Erfassung muss es aber häufig im Steuertatbestand an zivilrechtlich formierte Tatbestände anknüpfen. Denn nicht selten lassen sich anders die wirtschaftlichen Vorgänge, auf welche die Steuertatbestände eigentlich abzielen, nicht erfassen. Dies ermöglicht dem Steuerpflichtigen durch andersartige und möglicherweise atypische zivilrechtliche Gestaltung des angestrebten wirtschaftlichen Vorgangs, die Verwirklichung des Steuertatbestandes zu vermeiden und so der Steuerpflicht zu entgehen. Genauso kann er durch eine atypische zivilrechtliche Gestaltung die Erfüllung eines Steuerbegünstigungstatbestandes erreichen und so an sich nicht für ihn bestimmte Steuervorteile erlangen. Dies
__________ 13 Streitig ist in diesem Zusammenhang, auf welchen Stichtag die tatsächliche Bereicherung des Vorerben zu ermitteln ist. Da der Wert benötigt wird, um die Steuerschuld des Nacherben zu berechnen, wollen Moench, ErbStG, § 6 Rz. 36 und Meincke, ErbStG, § 6 Rz. 21, auf die Verhältnisse zur Zeit des Nacherbfalls abstellen. Demgegenüber sieht Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 6 Rz. 47, die Verhältnisse im Zeitpunkt der Steuerentstehung für den Vorerbfall als maßgebend an. 14 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 6 Rz. 55. 15 BFH v. 24.5.2000 – II B 74/99, BFH/NV 2001, 162.
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will § 42 AO verhindern. Die Verschonungsregelungen des neuen Erbschaftsteuerrechts aber stellen auf die Struktur des erworbenen Vermögens im Zeitpunkt der Steuerentstehung ab. Die Struktur des Vermögens, nicht die Art des Erwerbs begründet den Anspruch auf Steuervergünstigung. Deshalb kann es weder vor noch nach dem Erbfall missbräuchlich sein, Vermögen zu schaffen, welches nach der Wertung des Gesetzgebers allein seiner Struktur wegen dem Gemeinwohl nützt und deshalb eine Verschonung verdient. Entscheidend ist allein, dass das Vermögen im Zeitpunkt der Steuerentstehung diese begünstigungswerte Struktur aufweist. Wenn der Erblasser einen Tag vor seinem Tod eine solche begünstigungswerte Struktur schafft, etwa indem er Verwaltungsvermögen entnimmt, erhalten seine Erben oder Vermächtnisnehmer die Begünstigung. Genauso aber wird ihnen die Begünstigung auch verwehrt, wenn der Erblasser noch kurz vor dem Erbfall Verwaltungsvermögen in das Unternehmen eingelegt hat und hierdurch die 50 %-Grenze überschritten wurde. Beides folgt aus dem Stichtagsprinzip, und da maßgeblicher Stichtag nicht der Tod, sondern der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist, gilt entsprechendes in den Fällen, in denen der Steuerentstehungsstichtag dem Todestag zeitlich nachgelagert ist, für Maßnahmen nach dem Erbfall. Auch Maßnahmen nach dem Tod des Erblassers können deshalb sowohl dazu führen, dass die Verschonung noch erlangt wird als auch, dass sie verlorengeht. Missbräuchen bei der Strukturierung begegnet das Erbschaftsteuergesetz als Spezialgesetz unmittelbar, insbesondere durch die zweijährige Begünstigungssperrfrist für Verwaltungsvermögen und die 7- oder 10-jährige Lohnsummenkontrolle und Behaltensfrist. 5. Veränderbarkeit der Vermächtnisgegenstände vor Vermächtnisanfall In rechtlicher Hinsicht ist die Gestaltung nur realisierbar, wenn der Ersterwerber befugt ist oder ihm zumindest vom Erblasser im Testament die Befugnis eingeräumt werden kann, das geerbte, aber dem Zweitbedachten aufschiebend bedingt vermachte Nachlassvermögen strukturell zu verändern. Er muss also beispielsweise rechtlich in der Lage sein, die Rechtsform des aufschiebend bedingt vermachten Unternehmens zu wechseln, vermachtes Privatvermögen in vermachtes Betriebsvermögen einzulegen, Gesellschaften zu verschmelzen oder real zu teilen oder Verwaltungsvermögen aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen und dies unter Hinnahme eventueller ertragsteuerlicher Belastungen16. Die Aussetzung eines Vermächtnisses begründet einen schuldrechtlichen Anspruch des Bedachten auf Übertragung des vermachten Gegenstandes. Es entsteht ein Rechtsverhältnis zwischen dem Vermächtnisnehmer und dem Beschwerten, auf das die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts Anwendung finden. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten entstehen zwar mit dem Anfall, also bei einem aufschiebend bedingten Vermächtnis erst mit dem Eintritt der Bedingung (§ 2177 BGB). In der Schwebezeit zwischen Erbfall und
__________ 16 Zur Rolle des Vermächtnisnehmers in diesem Prozess noch unten.
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Bedingungseintritt hat der Vermächtnisnehmer aber bereits eine rechtlich gesicherte Anwartschaft, die ihm Schutz gegenüber der Beeinträchtigung oder Vereitelung seines Rechts vermittelt (vgl. §§ 2179, 160 Abs. 1 BGB). Ungeachtet dessen aber sind Verfügungen über den Vermächtnisgegenstand wirksam17. Die allein schuldrechtlich wirkende Anwartschaft begründet insofern auch keine Unveränderlichkeit des vermachten Gegenstandes. Vielmehr kann der Erbe als Eigentümer (§ 1922 Abs. 1 BGB) mit den vermachten Gegenständen dinglich frei verfahren. Den drohenden Sanktionen auf Sekundärebene muss der Erblasser begegnen, der weitgehend unbeschränkt über den Inhalt der Anwartschaft und die Rechte des aufschiebend bedingt eingesetzten Vermächtnisnehmers entscheiden kann18. Wenn der Erblasser beispielsweise letztwillig verfügt, dass der Vermächtnisnehmer ein Haus erst nach mit Mitteln des Nachlasses erfolgtem Umbau erhalten soll, so bestimmt sich aus dieser Anordnung der Inhalt des Vermächtnisses und damit auch das Recht des Vermächtnisnehmers. Dessen Anspruch ist allein auf die Übertragung des umgestalteten Gegenstandes gerichtet, so dass der entsprechend dem Erblasserwillen handelnde Erbe keine Sanktionierung befürchten muss. Statt den Erben zum Umbau zu verpflichten, kann der Erblasser ihn aber auch genauso zum Umbau berechtigen oder die Pflicht zum Umbau von einem entsprechenden Verlangen des Vermächtnisnehmers abhängig machen. Aus dem unternehmerischen Bereich sind Anordnungen bekannt, nach denen ein Vermächtnisnehmer – meist zu seinem eigenen Schutz – ein Unternehmen erst nach Überführung in eine haftungsbeschränkte Rechtsform erhalten soll. Umgestaltungen des aufschiebend bedingten Vermächtnisgegenstandes sind dem Erstbedachten somit rechtlich möglich und bei entsprechender Auflage oder Gestattung im Testament muss der Erstbedachte auch keine Schadensersatzansprüche des Vermächtnisnehmers befürchten.
IV. Die Gestaltung Bei der Gestaltung mittels aufschiebend bedingtem Vermächtnis ist zu berücksichtigen, dass das unternehmerische Vermögen nicht etwa deshalb dem Erben interimsweise zugedacht ist, damit seine Versorgung gesichert oder das unternehmerische Vermögen vernünftig von ihm verwaltet werden kann, bis der Vermächtnisnehmer die Unternehmensnachfolge antreten kann. Vielmehr wird mit der aufschiebenden Bedingung nur deshalb eine Übergangszeit geschaffen, damit der eigentlich vorgesehene Unternehmensnachfolger das unternehmerische Vermögen in einer Struktur erwerben kann, welche die Inanspruchnahme der erbschaftsteuerlichen Verschonung rechtfertigt. Ansonsten nämlich hätte er das Unternehmen entweder unmittelbar als Erbe oder zumindest durch ein mit dem Erbfall anfallendes und sofort zu erfüllendes Vermächtnis erhalten können. Nicht der Erbe, sondern der aufschiebend bedingt
__________ 17 Keine Anwendung von § 161 BGB. Vgl. MünchKomm/Schlichting, § 2179 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2179 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2179 Rz. 5. 18 Vgl. nur Palandt/Edenhofer, § 2179 Rz. 1.
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eingesetzte Vermächtnisnehmer ist somit derjenige, der nach der Vorstellung des Erblassers die unternehmerische Verantwortung übernehmen soll und der hierfür auch in erster Linie qualifiziert und in der Lage ist. Der Unternehmensnachfolger ist deshalb davor zu schützen, dass der Erbe in der Übergangszeit falsch wirtschaftet und durch Fehlentscheidungen Werte vernichtet oder zumindest falsche Weichen für die Zukunft stellt. Auch gilt es, dem Zugriff von Gläubigern des Erben auf das unternehmerische Vermögen vorzubeugen. Schließlich ist zu gewährleisten, dass der Erbe in der Zwischenzeit möglichst zügig und mit möglichst geringen ertragsteuerlichen oder sonstigen Belastungen für die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen durch entsprechende Umstrukturierungsmaßnahmen sorgt. Im Folgenden können hierzu nur erste Anregungen gegeben werden. Die nähere Ausgestaltung wird die Gestaltungspraxis anhand konkreter Fälle noch zu entwickeln haben. 1. Das Vermächtnis Der Umfang des Vermächtnisses hängt von den individuellen Verteilungsvorstellungen des Erblassers im jeweiligen Einzelfall ab. Letztlich sollte aber all dasjenige Vermögen aufschiebend bedingt vermacht werden, welches der Unternehmensnachfolger erhalten soll. Hierzu gehört insbesondere auch nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen, da die Übergangszeit gerade dazu genutzt werden kann, durch entsprechende Strukturierung des vermachten Vermögens auch für dieses Vermögen die Verschonung zu erhalten. Auch kann es sich empfehlen, im Testament den Zweck des Vermächtnisses zu umschreiben, der darin gesehen werden kann, dem Vermächtnisnehmer solches Vermögen zu vermachen, welches in besonderem Maße auch Gemeinwohlzwecken (Schaffung und Erhaltung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, Erhalt des mittelständischen Familienbetriebs) dient und deshalb erbschaftsteuerlich weitgehend verschont wird. Bei der Bestimmung des Umfangs des Vermächtnisses sollte allerdings darauf geachtet werden, dass es nicht den ganzen oder nahezu den ganzen Nachlass erfasst, da ansonsten die Gefahr besteht, dass im Rahmen der Auslegung trotz Bezeichnung des Zweitbedachten als Vermächtnisnehmer die testamentarische Verfügung als Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge umgedeutet wird, was erbschaftsteuerlich zur Folge hätte, dass der Erstbedachte die Vermächtnislast nicht von seinem Erwerb abziehen könnte (s. o.). 2. Die Bedingung Dem aufschiebend bedingt bedachten Vermächtnisnehmer soll das Vermächtnis nur deshalb nicht sofort anfallen, weil in der Zwischenzeit der Vermächtnisgegenstand noch so verändert werden soll, dass im Zeitpunkt des Vermächtnisanfalls die Verschonungsvoraussetzungen erfüllt sind. Es wäre daher nahe liegend, in der testamentarischen Verfügung die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen als Bedingung für das Vermächtnis zu formulieren. Dies würde für den Vermächtnisnehmer jedoch die Gefahr begründen, dass er über1020
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haupt nicht das Vermächtnis erhält, wenn, aus welchen Gründen auch immer, die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen rechtlich oder tatsächlich unmöglich werden sollte. Auch kann sich die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen derart verzögern und es können sich die wirtschaftlichen oder persönlichen Rahmenbedingungen des Unternehmensnachfolgers derart verändern, dass er sich veranlasst sieht, unter Verzicht auf die erbschaftsteuerliche Verschonung das Unternehmen an sich zu ziehen. Beispielsweise könnte sich für ihn die Chance ergeben, das Unternehmen oder wesentliche Teile davon zu außergewöhnlich attraktiven Konditionen kurzfristig zu veräußern oder eine solche Maßnahme ist zur Sicherung des Unternehmenserhalts dringend geboten. In diesem Fall würde die zeitnahe Veräußerung ohnehin erhebliche Nachsteuern auslösen und der Aufschub des Vermächtnisanfalls zur Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen würde seinen Sinn verlieren. Um dem Vermächtnisnehmer hinsichtlich des Zeitpunkts des Vermächtnisanfalls größte Flexibilität zu verschaffen und auch zur weitergehenden Sicherung seines Erwerbs würde es sich daher empfehlen, statt den Vermächtnisanfall von der Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen abhängig zu machen, das Vermächtnis unter eine schlichte Potestativbedingung zu stellen. Hiernach würde das Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer erst (oder schon) anfallen, wenn er erklärt, es haben zu wollen. Es wäre dann Sache des Vermächtnisnehmers, die Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen zu überprüfen und darüber zu entscheiden, ob das Vermächtnis ihm begünstigt oder nicht begünstigt, aber dafür zu einem früheren Zeitpunkt anfallen soll. Dies würde zu einer weitestgehenden Unabhängigkeit des Vermächtnisnehmers führen. Gleichzeitig bewegt man sich damit aber auch in die Richtung einer nach § 2065 BGB verbotenen Entscheidungsverlagerung auf einen Dritten. Nach § 2065 BGB darf nämlich über die Geltung einer letztwilligen Verfügung (Abs. 1) und die Bestimmung der Person des Zuwendungsempfängers und des Gegenstandes der Zuwendung (Abs. 2) nicht von einem anderen als dem Erblasser entschieden werden. Es gilt das Prinzip der „materiellen Höchstpersönlichkeit“, wonach der Erblasser selbst und umfassend seinen letzten Willen bilden muss. Obwohl das Gesetz die potestative Bedingung von Verfügungen ausdrücklich erlaubt (§§ 2074 f. BGB), befindet man sich mit derartigen Anordnungen immer in einem Spannungsverhältnis zu § 2065 BGB. Weder das Gesetz noch die zu diesem Problemkreis ergangene Rechtsprechung ermöglicht eine rechtssichere Abgrenzung zwischen einer zulässigen Potestativbedingung und einer unzulässigen Entscheidungsverlagerung, weshalb man Gestaltungen mit etwaigen Berührungspunkten zu § 2065 BGB immer vorsichtig handhaben sollte19. Meines Erachtens steht allerdings § 2065 BGB einer unter eine Potestativbedingung gestellten Vermächtnisanordnung nicht entgegen, da der Vermächt-
__________ 19 Vgl. dazu und allgemein zu Gestaltungsproblemen im Zusammenhang mit dem erbrechtlichen Drittbestimmungsverbot: Langenfeld, Rz. 185; Nieder/Kössinger, § 3 Rz. 39; N. Mayer, ZEV 1995, 247 (248); Helms, ZEV 2007, 1 ff.
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nisnehmer weder über die Wirksamkeit einer Verfügung entscheidet noch die Person des Zuwendungsempfängers oder den Gegenstand der Zuwendung bestimmt und sämtliche im Rahmen von § 2065 BGB maßgeblichen Entscheidungen bereits vom Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung getroffen werden. Die Aussetzung des Vermächtnisses bleibt durch den flexiblen Entstehungszeitpunkt unberührt. Etwas anderes könnte allenfalls anzunehmen sein, wenn die dem Vermächtnisnehmer eingeräumte Position letztlich leerläuft, weil der Vermächtnisanfall durch die Entscheidung eines Dritten unbegrenzt hinausgezögert werden kann. Der Erblasser begibt sich hingegen nicht des Rechts auf Selbstbestimmung seiner Verfügung, wenn er es in die Hand des Bedachten selbst legt, seinen Anspruch zu realisieren20. Insbesondere werden in diesem Fall auch der Vermächtnisnehmer und der Vermächtnisgegenstand schon vom Erblasser abschließend festgelegt. Unabhängig von den weitreichenden Ausnahmen vom Drittbestimmungsverbot bei der Anordnung von Vermächtnissen (Bestimmungs-, Verteilungs-, Wahl-, Gattungs-, Zweck- und Verschaffungsvermächtnis), die bereits sowohl personell als auch gegenständlich einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnen, beschränkt sich die Entscheidung des Dritten (hier des Vermächtnisnehmers) beim Vermächtnis unter Potestativbedingung auf die Entstehung seines Anspruchs. Selbst eine „mittelbare Entscheidungsverlagerung“ ist vorliegend nicht gegeben. Das Risiko einer Unwirksamkeit aufgrund § 2065 BGB wird aber noch weiter reduziert, wenn flankierend die folgenden ohnehin praktisch meist sinnvollen Anordnungen getroffen werden. So sollte für den Fall, dass der Vermächtnisnehmer vor dem Bedingungseintritt und damit dem Anfall des Vermächtnisses stirbt, ein Ersatzvermächtnisnehmer eingesetzt werden, der dann den Bedingungseintritt herbeiführen kann. Denkbar ist auch eine Befristung des Vermächtnisanfalls21. Allerdings sollte die Frist ausreichen, die erbschaftsteuerlichen Verschonungsvoraussetzungen zu erfüllen und erbschaftsteuerliche Nachsteuerrisiken zu reduzieren. Im Hinblick auf die Einlage von Verwaltungsvermögen müsste somit ein Zeitraum von mindestens zwei Jahren und für die Verbesserung der Ausgangslohnsumme ein Zeitraum von bis zu ca. fünf Jahren einkalkuliert werden.
__________ 20 Der BGH (BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199) hat die Drittbestimmung des Zeitpunkts, in dem die Nacherbfolge eintreten soll, für unzulässig erachtet, weil damit zugleich festgelegt werde, wer Nacherbe wird und welchen Umfang die dem Nacherben gemachte Zuwendung hat (s. hierzu auch MünchKomm/ Leipold, BGB, § 2065 Rz. 15). Vorliegend steht jedoch fest, dass der „Dritte“ (hier der Bedachte) die Zuwendung erhält, wenn er von seinem Entscheidungsrecht Gebrauch macht. 21 Nach MünchKomm/Leipold, BGB, § 2074 Rz. 16 erscheint beim Vermächtnis, anders als bei der Erbenberufung (zur Nacherbenberufung BGH Fn. 20), die Bedingung der Annahme des Vermächtnisses innerhalb einer bestimmten Frist als zulässig, da die Ausschlagung eines Vermächtnisses unbefristet möglich und diese Regelung auch nicht als zwingendes Recht anzusehen ist.
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Testamentarisches Auffangnetz zur Verschonung unternehmerischen Vermögens
Schließlich kann es sich auch empfehlen, den Bedingungseintritt nicht in das freie Ermessen des Vermächtnisnehmers zu stellen, sondern eine Verknüpfung zu dem verfolgten Zweck herzustellen, der beispielsweise im Erhalt des Unternehmens und dem Schutz des Unternehmens vor unnötiger Liquiditätsbelastung und der damit verbundenen Sicherung von Arbeitsplätzen liegen kann. Die konkrete Ausgestaltung wird sicherlich immer auch von außersteuerlichen Gründen mitgeprägt sein. 3. Die Auswahl des Erben Als Erbe wird man den oder diejenigen einsetzen, welche das übrige Nachlassvermögen erhalten sollen. Zur Vermeidung von Konfliktpotential sollte es sich hierbei aber auch gleichzeitig um Vertrauenspersonen handeln, welche die Übernahme des unternehmerischen Vermögens durch den vom Erblasser auserkorenen Unternehmensnachfolger nicht nur akzeptieren, sondern gutheißen. Zur weiteren Sicherstellung des Erwerbs des Vermächtnisnehmers kann auch dessen Einsetzung zum Miterben mit einer mehrheitsvermittelnden Quote sinnvoll sein, welche ihm für gewöhnliche Geschäfte ein originäres Verwaltungsrecht verschafft (§§ 2038, 745 BGB). Das Vermächtnis ist dann ein Vorausvermächtnis. Soweit keine sonstige Person aus dem Familien- oder Freundeskreis als Erbe in Betracht kommt, der Unternehmensnachfolger vielmehr eigentlich alleine erben soll, wäre es notwendig, selbst einen Erben oder Miterben „zu erschaffen“. In Betracht käme beispielsweise eine Privatstiftung, die auch von Todes wegen errichtet werden könnte, da sie mit Anerkennung rückwirkend auf den Erbfall erbt (§ 84 BGB) und dies abgesehen von der Verschiebung des Steuerentstehungszeitpunkts nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 c ErbStG auch erbschaftsteuerlich nachvollzogen wird. Sowohl zur Anerkennungsfähigkeit der Stiftung als auch zur Vermeidung einer Umdeutung der Verfügungen als Vor- und Nacherbschaft wäre allerdings darauf zu achten, dass der Stiftung auch nach Vermächtniserfüllung ein nicht unbedeutendes Restvermögen verbleibt. Außerdem sollte zur Liquiditätsschonung der Destinatärkreis so bestimmt werden, dass die Stiftung möglichst in Steuerklasse I erwirbt (vgl. § 15 Abs. 2 ErbStG). 4. Testamentsvollstreckung, Auflagen und sonstige flankierende Regelungen Zur Sicherstellung des Erwerbs des Vermächtnisnehmers, der Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen und der ordnungsgemäßen Verwaltung in der Übergangszeit empfiehlt es sich, den Unternehmensnachfolger selbst als Abwicklungs- und Verwaltungsvollstrecker einzusetzen. Die Testamentsvollstreckung begründet gleichzeitig ein Zugriffsverbot für Gläubiger des Erben (§ 2214 BGB). Mit Auflagen können die in der Übergangszeit zu treffenden Maßnahmen konkretisiert werden. Um dem Unternehmensnachfolger als Vermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker jedoch ein Höchstmaß an Flexibilität zu erhalten, dürfte es in vielen Fällen genügen, die zur Erfüllung der Verschonungsvoraussetzungen notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen 1023
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lediglich zu gestatten. Der Unternehmensnachfolger kann dann selbst dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzungen gut und schnell erfüllt werden und ist nicht auf die Mitwirkung anderer Personen angewiesen. Weitere flankierende Regelungen betreffen die Übernahme von Kosten, insbesondere die Erstattung von etwaigen Verwendungen auf die vermachten Gegenstände sowie die Verteilung von Nutzungen in der Übergangszeit.
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Schenkungsteuerliche Fragen bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften im Lichte aktueller Entwicklungen Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Schenkungsteuerliche Ausgangslage 1. Vorliegen einer Schenkung i. S. d. § 7 Abs. 1 ErbStG 2. Erwerb steuerlich begünstigten Betriebsvermögens III. Schenkungsteuerliche Implikationen ausgewählter Gestaltungsvarianten 1. Vollschenkung eines Gesellschaftsanteils a) Freies Widerrufsrecht b) Eingeschränktes Widerrufsrecht 2. Treuhandverhältnisse 3. Schenkung einer atypischen Unterbeteiligung
4. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt a) Nießbrauchsbestellung und -folgen b) Mitunternehmerstellung des Schenkers (Nießbrauchers) c) Mitunternehmerschaft des Beschenkten (Nießbrauchsbestellers) aa) Mitunternehmerrisiko des Beschenkten bb) Mitunternehmerinitiative des Beschenkten cc) Handlungsempfehlung IV. Zusammenfassung
I. Vorbemerkung Das breite Beratungsspektrum des Jubilars umfasst auch die Beratung von Familienunternehmen mit ihren sensiblen juristischen und menschlichen Fragestellungen, die er stets zum Wohle der Mandanten zu lösen weiß. Auch Partnern und Mitarbeitern steht er immer als Ansprechpartner zur Verfügung. Hierfür gebührt ihm herzlicher Dank. Die Familienunternehmen in Deutschland sind vielfach in Form von Personengesellschaften organisiert. Während die ältere Generation das Unternehmen oft über Jahre hinweg aufgebaut und erweitert hat, haben sich ihre Kinder schrittweise Verantwortung im Unternehmen erarbeitet mit dem Ziel, das Unternehmen eines Tages fortzuführen. Dabei spielt die frühzeitige Regelung der Unternehmensnachfolge eine zentrale Rolle. Denn nur, wenn neben der Heranführung an das Unternehmen auch die Übertragung des Unternehmens auf die nächste Generation rechtzeitig geschieht, ist vielfach gewährleistet, dass das Unternehmen nicht mit dem Erbfall „zerschlagen“ wird oder vom Unternehmensgründer ungewollte Folgen eintreten. Es ist daher konsequent, bereits frühzeitig im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Gesellschafts1025
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anteile auf die Kinder zu übertragen, nicht zuletzt, um potentielle Nachfolger wirksam an das Unternehmen zu binden1. In der Regel bietet sich nicht die vollständige Übertragung des Unternehmensvermögens in einem Zug an, damit die ältere Generation noch für eine gewisse Zeit ihren Einfluss auf die Unternehmensführung geltend machen2, an den Erträgen des Unternehmens beteiligt bleiben oder sich die Rückübertragung des geschenkten Vermögens für bestimmte Fälle vorbehalten kann3. Dies kann durch die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter Widerrufsvorbehalt, die Übertragung treuhänderisch gehaltener Gesellschaftsanteile, die Einräumung einer Unterbeteiligung oder durch Schenkung unter Vorbehalt oder eines vollständigen oder beschränkten Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil erfolgen. Die vorgenannten zivilrechtlichen Gestaltungsvarianten sind regelmäßig auch mit ihren steuerlichen Auswirkungen in Einklang zu bringen. Aus schenkungsteuerlicher Sicht steht die Erlangung der Begünstigungen für betriebliches Vermögen gem. § 13a ErbStG im Vordergrund. Scheidet eine solche in der konkret gewählten Gestaltung – und sei es unbeabsichtigt – aus, drohen erhebliche steuerliche Belastungen. An dieser grundsätzlichen Interessenlage hat sich durch Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.20084 nichts geändert.
II. Schenkungsteuerliche Ausgangslage Die Beurteilung der schenkungsteuerlichen Folgen konzentriert sich darauf, ob überhaupt eine Schenkung im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes vorliegt und der Beschenkte begünstigtes Betriebsvermögen erworben hat. Die erste Frage stellt sich bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 ErbStG, ob also der Schenker ent- und der Beschenkte bereichert ist, die zweite bei der ertragsteuerlichen Bezugnahme des § 13a ErbStG auf die Mitunternehmerstellung von Schenker und Beschenktem5. 1. Vorliegen einer Schenkung i. S. d. § 7 Abs. 1 ErbStG Das Erbschaftsteuergesetz knüpft die Steuerentstehung an den Begriff der freigebigen Zuwendung. Eine solche setzt nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG insbesondere voraus, dass der Beschenkte auf Kosten des Schenkers bereichert wird und diese Bereicherung unentgeltlich erfolgt. Der Schenker muss durch die Hingabe der Zuwendung dauerhaft entreichert und der Beschenkte – kausal, aber
__________ 1 Einen Überblick über die Vorteile der vorweggenommenen Erbfolge aus unternehmerischer Sicht geben Hörger/Stephan/Pohl, Unternehmens- und Vermögensnachfolge, S. 421 f. 2 Steiner, ErbStB 2005, 279 ff. 3 Anschauliche Gründe hierfür nachzulesen bei Flick/Hannes/von Oertzen, Prominente Testamente, S. 54 ff. 4 BGBl. I 2008, 3018. 5 Münch, ZEV 1998, 8 (12).
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nicht notwendigerweise inhaltsgleich – bereichert werden6. Die Bereicherung des Beschenkten tritt nur ein, wenn der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann7. Nur eine solche freie Verfügungsmacht führt zu einer Bereicherung des Beschenkten i. S. d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG8. Da die freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in ihrer Konstruktion und Rechtfertigung, jedenfalls wenn sie auf vertraglicher Grundlage in Form eines Schenkungsversprechens beruht, eine Schenkung i. S. d. § 516 BGB darstellt9, ist für die Frage, ob der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker über den Schenkgegenstand frei verfügen kann, ausschließlich auf das Zivilrecht abzustellen10. Fragen der nur wirtschaftlichen Zuordnung von Wirtschaftsgütern, insbesondere die ertragsteuerliche sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 AO, bleiben im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht außer Betracht11. Bei der Beurteilung der maßgeblichen Zivilrechtslage kommt es wiederum ausschließlich auf das Innenverhältnis zwischen Schenker und Beschenktem an. Der Schenker darf nicht die vollständige Kontrolle über den Zuwendungsgegenstand zurückbehalten. Das ist der Fall, wenn sich der Schenker eine umfassende Herrschaftsmacht vorbehält, wonach er jederzeit die teilweise oder vollständige Rückübertragung des Vermögens auf sich persönlich herbeiführen kann, so dass er in der Lage ist, über den Schenkungsgegenstand wie über eigenes Vermögen zu verfügen. Es fehlt dann an der für eine Schenkung wesentlichen Vermögensentäußerung12. Eine lediglich rein schuldrechtliche Anwartschaft löst noch keine schenkungsteuerlichen Folgen aus13. Vielmehr fällt das Vermögen abweichend von der tatsächlichen Vorstellung der Beteiligten steuerlich erst mit dem Tod des Schenkers beim Beschenkten an. 2. Erwerb steuerlich begünstigten Betriebsvermögens Sind die Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt und wird folglich durch die Vermögensübertragung Schenkungsteuer dem Grunde nach
__________ 6 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz. 17, 21 ff.; Schaub in Wilms/ Jochum, ErbStG, § 7 Rz. 9. 7 BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 18.11.2004 – II B 176/03, BFH/NV 2005, 355; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631. 8 BFH v. 29.6.2005 – II R 52/03, BStBl. II 2005, 800; v. 21.2.2006 – II R 70/04, ZEV 2006, 324. 9 Zum Verhältnis der freigebigen Zuwendung als Oberbegriff für Schenkungen im bürgerlich-rechtlichen Sinne und „sonstigen“ freigebigen Zuwendungen näher Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz. 14 f. 10 BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 m. w. N.; Jülicher, DStR 2001, 2177 m. w. N. 11 BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908. 12 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669. 13 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz. 50.
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ausgelöst, ist sicherzustellen, dass durch die Gestaltung auch tatsächlich Betriebsvermögen i. S. d. § 13a Abs. 1 ErbStG übertragen worden ist. Denn nur in diesem Fall kommt es zu den schenkungsteuerlichen Begünstigungen mit der Folge der Abschmelzung von 85 % bzw. 100 % der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei siebenjähriger bzw. zehnjähriger Behaltefrist des erworbenen Vermögens14. Wie bereits unter Geltung des vorherigen Rechts15 setzt die Gewährung der Betriebsvermögensbegünstigung nach § 13a Abs. 1 i. V. m. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ab dem 1.1.2009 bei der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen den „Erwerb (…) eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (…) des Einkommensteuergesetzes“ voraus. Damit ist zwingend, dass der Schenker einen Mitunternehmeranteil i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG überträgt und der Beschenkte einen solchen erwirbt16. Der Schenker muss somit zuvor Mitunternehmer der Gesellschaft gewesen sein, der Beschenkte muss durch die Schenkung Mitunternehmer geworden sein17; ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach ertragsteuerlichen Kriterien18. Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wer aufgrund eines Gesellschaftsvertrages oder eines damit wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Ob diese Merkmale vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Beide Hauptmerkmale der Mitunternehmernehmerschaft (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) müssen vorliegen, können aber im Einzelfall unterschiedlich stark ausgeprägt sein19. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist aber schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen20. Mitunternehmerrisiko erfordert gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder
__________ 14 Vgl. die Darstellung der neuen Verschonungsregeln bei Piltz, DStR 2008, 2237; Hannes/Onderka, ZEV 2009, 10; Geck, ZEV 2008, 557. 15 § 13a Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a. F. 16 Vgl. R 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ErbStR. 17 FG Köln v. 14.11.2006 – 9 K 2612/04, EFG 2007, 273, nrk.; FG Rh.-Pf. v. 27.4.2006 – 4 K 2163/03, EFG 2007, 1792, nrk., jeweils m. w. N.; BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631; Wachter, ErbStB 2006, 236 (238); Weinmann in Mönch, ErbStG, § 13a Rz. 24. 18 Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck u. a., ErbStG, § 13a Rz. 23, 26; Münch, ZEV 1998, 8 (12); Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 105 m. w. N.; R 51 Abs. 3 Satz 2 ErbStR. 19 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480; v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595. 20 Vgl. nur BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631, jeweils m. w. N.
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Schenkungsteuerliche Fragen bei der Übertragung von PersGes-Anteilen
Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Das Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Ein Kommanditist trägt ein solches Risiko, wenn er einerseits am laufenden Gewinn, im Fall seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven (§§ 168, 161 Abs. 2, 138, 155 HGB, §§ 738 f. BGB), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am Verlust beteiligt ist21. Aus der nur beschränkten Außenhaftung des Kommanditisten allein ist hingegen kein Mitunternehmerrisiko ableitbar22. Fraglich ist, ob eine bereits vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils bestehende Mitunternehmerstellung des Beschenkten für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 13a ErbStG ausreichend ist23. Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur soll der Erwerb eines Teilanteils auch ohne diesbezügliche isolierte Mitunternehmerstellung ausreichen, wenn der Erwerber bereits aus anderem Grund Mitunternehmer der Gesellschaft ist24. Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Beteiligung an einer Personengesellschaft in einer Hand grundsätzlich nicht in mehrere Teile unterteilt werden könne und damit auch die Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters unteilbar sei. Das FG Münster25 hält dies nunmehr für nicht entscheidend, da zwar bei Hinzuerwerb eines Gesellschaftsanteils nur eine einheitliche Beteiligung besteht, gleichwohl der Gesellschafter schuldrechtlich oder kraft Gesetzes gehindert sein könnte, über Teile seines Anteils frei zu verfügen. Wird der Beschenkte aufgrund weitgehender Beschränkungen zugunsten des Schenkers zwar zivilrechtlich Gesellschafter, ertragsteuerlich aber nicht Mitunternehmer der Gesellschaft, ist die Schenkung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gleichwohl erfolgt. Gegenstand der Schenkung ist aus schenkungsteuerlicher Sicht in diesem Fall nicht Betriebsvermögen nach § 12 Abs. 5 ErbStG, sondern ein Anteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, der gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht als Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit, sondern als Erwerb der einzelnen Wirtschaftsgüter gilt, für die die Gewährung der Begünstigungen nach § 13a ErbStG nicht in Betracht kommt26.
__________ 21 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 m. w. N.; Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rz. 264. 22 Zuletzt FG Hess. v. 2.7.2008 – 1 V 1357/08, EFG 2008, 1984, rk. 23 Zur Übertragung unter Vorbehalt eines sog. „Quotennießbrauchs“ vgl. Abschn. III Ziff. 4 lit. a). 24 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 134; ders., DStR 1998, 1977 (1978); Ebeling in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 85.1; so auch FG Münster v. 10.11.2005 – 3 K 5635/03 Erb, EFG 2006, 422, rk.; a. A. Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rz. 757. 25 FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, nrkr., EFG 2008, 1733. 26 R 26 ErbStR; Weinmann in Mönch, ErbStG, § 13a Rz. 24a; Jülicher in Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 134 m. w. N.; Escher, FR 2008, 985 (994).
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III. Schenkungsteuerliche Implikationen ausgewählter Gestaltungsvarianten Aus den genannten Anforderungen an eine schenkungsteuerlich begünstigte Übertragung von Gesellschaftsanteilen wird deutlich, dass sich der Schenker zumindest zu einem gewissen Grad seines Vermögens tatsächlich und endgültig begeben muss. Dies steht naturgemäß in einem Zielkonflikt mit möglichen Vorstellungen des Schenkers, sich umfassende Kontrollrechte sowie die Erträge an dem hingegebenen Gesellschaftsanteil vorzubehalten. Gestaltungen wie der Vorbehalt des Widerrufs der Schenkung, die Übertragung einer Treuhänderstellung, die Einräumung einer Unterbeteiligung oder die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sind also hinsichtlich der Frage, wem welche Erträge und welche Stimm- und Kontrollrechte zustehen müssen, um die Übertragung eines Mitunternehmeranteils zu gewährleisten, zu untersuchen. 1. Vollschenkung eines Gesellschaftsanteils Der zivilrechtliche Grundfall der Anteilsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist die Schenkung des Gesellschaftsanteils an den Beschenkten, ohne dass der Schenker sich die Erträge oder Stimmrechte in irgendeiner Weise vorbehält. Diese Gestaltung bietet sich insbesondere an, wenn der Schenker zukünftig nicht auf die Erträge aus dem geschenkten Vermögen angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt angemessen zu gestalten. In einem solchen Fall wäre die Vereinnahmung der Erträge schenkungs- bzw. erbschaftsteuerlich letztlich sogar kontraproduktiv: die Erträge aus dem geschenkten Vermögen mehren in den kommenden Jahren das Vermögen des Schenkers bis zu seinem Tod; werden sie nicht verbraucht, fallen sie spätestens im Erbfall in die Erbmasse und sind ohne Begünstigung der Erbschaftsteuer unterworfen. Der Schenker kann ein Interesse daran haben, die Schenkung generell oder unter gewissen Umständen27 zu widerrufen und den Schenkungsgegenstand an sich oder eine andere Person (sog. „Weiterleitungsempfänger“28) zurückzufordern29. Für die Frage der steuerlichen Auswirkungen können folgende Grundfälle unterschieden werden: a) Freies Widerrufsrecht Der freie Widerruf lässt die Tatbestandsmerkmale der Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht entfallen und hindert somit die Entstehung von
__________ 27 Einen Überblick über typische Widerrufsgründe gibt Wachter, ErbStB 2006, 236. 28 Zu den schenkungsteuerlichen Folgen einer solchen Weiterleitung vgl. BFH v. 17.2.1993 – II R 71/90, BStBl. II 1993, 523; v. 24.5.2000 – II R 62/97, BFH/NV 2001, 39; Jülicher, ErbBstg 2000, 261. 29 Zur zivilrechtlichen Zulässigkeit von Rückforderungsrechten bei der Schenkung von Gesellschaftsanteilen Wälzholz, GmbHR 2007, 1177.
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Schenkungsteuer nicht30. Selbst wenn der Schenker das zugewendete Vermögen jederzeit zurückfordern kann, bleibt der Beschenkte, solange der Schenker von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat, tatsächlich um den Gegenstand der Schenkung bereichert. Der Beschenkte hat also mehr als eine steuerlich unbeachtliche Anwartschaft auf den Vermögensgegenstand erworben31. Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus der Anknüpfung der Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an das Zivilrecht. Zivilrechtlich wird regelmäßig davon ausgegangen, dass sich der Schenker den jederzeitigen Widerruf der Schenkung vorbehalten oder ihm vertraglich ein Rücktrittsrecht eingeräumt werden kann, ohne dass dadurch das Wesen der Schenkung beeinträchtigt wird, denn der vereinbarte Widerrufsvorbehalt hindert den Beschenkten nicht an der freien Verfügung über das ihm schenkweise übertragene Vermögen32. Ertragsteuerlich erfordert die Übertragung der Mitunternehmerstellung hingegen, dass der Beschenkte auch wirtschaftlicher Eigentümer i. S. d. § 39 Abs. 2 AO wird33. Für die Frage, ob schenkungsteuerlich eine Schenkung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt, kommt es darauf wegen der zivilrechtlichen Betrachtung nicht an34. Maßgeblich für die Entstehung der Schenkungsteuer ist vielmehr allein, ob der Beschenkte über den Zuwendungsgegenstand im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann35. Bei freiem Widerrufsrecht des Schenkers wird allgemein eine Mitunternehmerstellung des Beschenkten abgelehnt36, da der Erwerber insbesondere keine eigenständige Mitunternehmerinitiative entfalten könne, wenn er bei betrieblichen Entscheidungen ständig mit der Rückforderung des Gesellschaftsanteils rechnen müsse37. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung auch dann, wenn der freie Widerruf zwar zeitlich beschränkt ist, er jedoch im Fall seiner Ausübung zur entschädigungslosen Rückübertragung verpflichtet38. Der
__________ 30 BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BFH/NV 2007, 1775 (1777); Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, § 7 Rz. 107. 31 A. A. noch Knobbe-Keuk in FS Flume, Bd. II, S. 158 (161). 32 Wimmer-Leonhardt in Staudinger, BGB, § 530 Rz. 41; Koch in MünchKomm/BGB, § 530 Rz. 18; BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669. 33 Vgl. Escher, FR 2008, 985 (986). 34 BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908. 35 Vgl. oben Abschn. II Ziff. 1. 36 BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877; H 15.9 Abs. 1 EStR „Rückübertragungsverpflichtung“ und H 51 Abs. 1 ErbStH „Schenkungen von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 134; Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, § 13a Rz. 26; Weinmann in Mönch, ErbStG, § 13a Rz. 24a. 37 BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877; Jülicher, DStR 1998, 1977 (1978) m. w. N.; ablehnend Ebeling in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 83. 38 Im Fall von BFH v. 30.5.2006 – IV B 168/04, BFH/NV 2006, 1828, war die Schenkung auf zehn Jahre frei und entschädigungslos widerruflich. Das FG Münster hat in seinem Urt. v. 10.11.2005 – 3 K 5635/03 Erb, EFG 2006, 422, rk, m. Anm. Fumi, den Vorbehalt eines freien Rückforderungsrechts auf bestimmte Zeit (in dem entschiedenen Fall 6 ½ Monate) für unschädlich erachtet hat. Der BFH hat das Urteil aus an-
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spätere Wegfall des Widerrufsrechts hat keinen Einfluss auf die schenkungsteuerliche Beurteilung bei Vollzug der Schenkung. b) Eingeschränktes Widerrufsrecht Nach herrschender Auffassung39 ist ein Widerrufsrecht für bestimmte, abschließend geregelte Fälle für die Übertragung der Mitunternehmerstellung unschädlich. Maßgeblich ist, dass der Widerrufsfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird und der Schenker keine Möglichkeit hat, die Voraussetzungen der Widerrufsklausel und damit die Rückübertragung des Schenkungsgegenstandes auf sich einseitig und grundlos herbeizuführen. Damit sind solche Widerrufsrechte unschädlich, die den gesetzlichen Widerrufsgründen der §§ 528, 530 BGB angenähert sind oder die eine Rückforderung bei Vorversterben des Beschenkten40, im Fall von dessen Geschäftsunfähigkeit oder Insolvenz41 o. Ä. gestatten42. In der Gesamtschau bedeutet dies, dass die Rückforderung nicht einseitig und willkürlich durch den Schenker herbeigeführt werden, sondern nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchgreifen darf43. 2. Treuhandverhältnisse In der Praxis ist der Schenker gelegentlich nur mittelbar über einen Treuhänder an einer Gesellschaft beteiligt44. Dies ist regelmäßig bei Publikumsgesellschaften der Fall. Aber auch bei Familienpersonengesellschaften kommen Treuhandverhältnisse zur Anwendung, z. B. um Handelsregisterpublizitäten zu vermeiden, minderjährige Gesellschafter von der Öffentlichkeit abzuschotten oder weil der Gesellschaftsvertrag keine offene Abtretung der Gesellschaftsanteile gestattet45. Die Übertragung des Treugutes auf den Treuhänder bei Begründung des Treuhandverhältnisses löst keine Schenkungsteuer aus, da der Treuhänder aufgrund der Rückübertragungsverpflichtung und der nur fremdnützigen Rechtsinhaberschaft nicht bereichert ist46. Schenkt jedoch der Treugeber seinen treu-
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deren Gründen bestätigt, ohne jedoch zu der Frage der Schädlichkeit des befristeten freien Widerrufs Stellung nehmen zu müssen, vgl. BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631. BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635; Jülicher, DStR 1998, 1977 (1978); Wachter, ErbStB 2006, 236 (238). BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635. FG Köln v. 19.1.2005 – 11 K 844/04, EFG 2005, 673, nrk.; hierzu Wälzholz, GmbHR 2007, 1319. Insbesondere im Hinblick auf die mit der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 verbundenen Unsicherheiten hatten sich die Schenker bei Schenkungen in 2008 häufig ein Widerrufsrecht vorbehalten, falls die Schenkungsteuer nach neuem Recht niedriger ausgefallen oder sogar vollständig entfallen wäre. Auflistung bei Wachter, ErbStB 2006, 236. Zu Rechtsnatur und Begründung der Treuhandschaft eingehend Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S. 17. Ulmer in MünchKomm/BGB, § 705 Rz. 85. Jülicher, DStR 2001, 2177 (2178); ZErb 2007, 361 (362 f.); Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749; Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 57.
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händerisch gehaltenen Gesellschaftsanteil, stellt sich die Frage nach dem schenkungsteuerlichen Gegenstand der Zuwendung. Zivilrechtlich tritt der Schenker seinen Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder an den Beschenkten als neuen Treugeber gem. § 398 BGB ab. Nach bisherigem Verständnis der Literatur stand dies der Gewährung der Betriebsvermögensbegünstigungen nach § 13a ErbStG für den mittelbar erworbenen Gesellschaftsanteil nicht entgegen47. Der Beschenkte sollte nicht als Anspruchsgläubiger des Herausgabeanspruchs, sondern als Beschenkter des von dem Anspruch betroffenen Vermögens behandelt werden. Dafür sprach auch, dass der Beschenkte als Treugeber nach ertragsteuerlichen Grundsätzen Mitunternehmer der Gesellschaft geworden war. Für die Beurteilung der Mitunternehmerstellung kommt es nur auf das Vorliegen der Voraussetzungen in der Person des Treugebers und nicht der des Treuhänders an, da letzterer als Gesellschafter zwar die Gesellschafterrechte in eigenem Namen, im Innenverhältnis aber gem. §§ 675, 665 BGB nach Weisung des Treugebers und auf dessen Rechnung ausübt48. Nach Auffassung der Finanzverwaltung49 ist demgegenüber Zuwendungsgegenstand der Schenkung nicht der Gesellschaftsanteil, sondern der Herausgabeanspruch des Treugebers nach § 667 BGB. Dieser sei als Sachleistungsanspruch nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 9 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Eine Betriebsvermögensbegünstigung nach § 13a ErbStG komme mangels Betriebsvermögenseigenschaft des Sachleistungsanspruchs nicht in Betracht. Begründet wird diese Auffassung mit der strikten Anknüpfung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts an das Zivilrecht50. Danach könne eine nur wirtschaftliche Zuordnung des Gesellschaftsanteils über § 39 Abs. 2 AO zum Treugeber nicht auf die schenkungsteuerliche Qualifikation als Betriebsvermögen durchschlagen. Den Kritikern dieser Verwaltungsauffassung51 ist zuzugeben, dass es unter Wertungsgesichtspunkten schwer verständlich ist, warum in Treuhandkonstellationen keine Betriebsvermögensbegünstigung gewährt werden soll, da der Treugeber ursprünglicher Eigentümer des dem Treuhandverhältnis zugrunde liegenden begünstigungsfähigen Vermögens war und dies regelmäßig nach Beendigung der Treuhandschaft auch wieder wird. Allerdings hat die Rechtsprechung wiederholt die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaft- und Schenkungsteuer in der Frage, was Zuwendungsgegenstand einer Schenkung ist, betont52. Die Nichtberücksichtigung des wirtschaftlichen Eigentums von
__________ 47 Jülicher, DStR 2001, 2177 (2179); Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (753), jeweils m. w. N. 48 BFH v. 12.10.1999 – VIII R 67/98, BFH/NV 2000, 427; v. 30.6.2005 – IV R 40/03, BFH/NV 2005, 1994 m. w. N. 49 FinMin Bayern, koordinierter Ländererlass v. 14.6.2005, ZEV 2005, 341 m. Anm. von Oertzen. 50 Vgl. hierzu Abschn. II Ziff. 1. 51 Hannes/Otto, ZEV 2005, 464; Daragan, DB 2005, 2210; Wachter, DStR 2005, 1844; Rödl/Seifried, BB 2006, 20; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 130a m. w. N. 52 BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669.
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§ 39 AO bei der dem § 13a ErbStG vorgelagerten Frage des Zuwendungsgegenstandes liegt auf dieser Linie und stellt zugleich die Grenze der ertragsteuerlichen Anknüpfung bei § 13a ErbStG dar. Auf die Tatsache, dass der Beschenkte als neuer Treugeber ertragsteuerlich Mitunternehmer der Gesellschaft geworden ist, kommt es nicht an, wenn dem Zuwendungsgegenstand aufgrund der zivilrechtlichen Anknüpfung bereits die Betriebsvermögenseigenschaft fehlt53. Auch wenn das Ergebnis aus Sicht der Praxis nicht wünschenswert ist, ist die Auffassung der Finanzverwaltung stringent. Im Anschluss an die Kritik hat die Finanzverwaltung54 ihre Auffassung dahingehend modifiziert, dass statt des Herausgabeanspruchs doch die Gesellschaftsbeteiligung unmittelbar als zugewendet gilt, wenn das Treuhandverhältnis beim Tod des Treuhänders bzw. bei Abtretung des Anspruchs aus dem Treuhandverhältnis endet und der Erbe bzw. Beschenkte unmittelbar in die Gesellschafterstellung des ehemaligen Treuhänders eintritt55. Unverständlich und abzulehnen bleibt, warum dies nur gelten soll, wenn die Beendigung des Treuhandverhältnisses gleichzeitig im Treuhandvertrag und im Gesellschaftsvertrag angelegt ist56. Weder aus dem Gesetz noch der ratio legis der Besteuerung folgt das Erfordernis einer solchen doppelten Regelung. Ausreichend müsste vielmehr sein, dass die Beendigung auf einem einzigen Rechtsgrund beruht, unabhängig davon, ob dieser im Treuhandvertrag, im Gesellschaftsvertrag oder in einer sonstigen getrennten Vereinbarung niedergelegt ist. 3. Schenkung einer atypischen Unterbeteiligung Will der Schenker dem Beschenkten keine direkte Gesellschafterstellung zukommen lassen, sondern ihn vermögensmäßig nur so stellen, als wäre er am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, ohne in der Gesellschaft seine Gesellschafterrechte selbst ausüben zu können, weil er z. B. als Nachfolger in die Gesellschaft nicht in Betracht kommt, bietet sich die schuldrechtliche Einräumung einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil des Schenkers an57. Hierbei beteiligt der Gesellschafter einer Personengesellschaft den Unterbeteiligten gegen Leistung einer Einlage oder unentgeltlich an seinem Gesellschaftsanteil. Zivilrechtlich handelt es sich um eine reine Innengesellschaft58. Ihr Zweck ist es, den Unterbeteiligten an einem Teil der Rechte und Pflichten des Hauptbeteiligten aus dem Hauptgesellschaftsverhältnis zu beteiligen. Rechtsbeziehungen bestehen dabei nur zwischen dem Hauptbeteiligten und
__________ 53 A. A. Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (754). 54 FinMin Bayern, koordinierter Ländererlass v. 11.1.2008, Tz. 1, DStR 2008, 508. 55 Ebenso FinMin Baden-Württemberg v. 16.2.2007, Tz. 1, ZErb 2007, 157 m. Anm. Jülicher. 56 So FinMin Bayern, koordinierter Ländererlass v. 11.1.2008, Tz. 1, DStR 2008, 508. 57 Weitere Gründe für die Begründung einer Unterbeteiligung bei K. Schmidt in MünchKomm/HGB, § 230 Rz. 206; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, § 13 Rz. 30.3 ff.; Carlé, KÖSDI 8/2008, 16116 (16117). 58 Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, § 13 Rz. 30.1; K. Schmidt in MünchKomm/ HGB, § 230 Rz. 194 m. w. N.
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dem Unterbeteiligten, nicht aber zwischen dem Unterbeteiligten und der Hauptgesellschaft59. Als reine Innengesellschaft verfügt die Unterbeteiligung über kein Gesamthandsvermögen. Nachteile gegenüber der Begründung eines Treuhandverhältnisses bestehen im Fall der Insolvenz des Hauptbeteiligten, da der Unterbeteiligte seine Ansprüche nur als Insolvenzforderung geltend machen kann, während dem Treugeber bei Insolvenz des Treuhänders ein Aussonderungsrecht zusteht60. Ertragsteuerlich ist zwischen der typischen und der atypischen Unterbeteiligung zu unterscheiden. Während die typische Unterbeteiligung eine rein kapitalmäßige Beteiligung am Gewinnanteil des Hauptbeteiligten darstellt, nimmt bei der atypischen Unterbeteiligung der Unterbeteiligte neben den laufenden Erträgen schuldrechtlich über das Innenverhältnis auch an Wertsteigerungen der Hauptbeteiligung in Form stiller Reserven teil61. Auf diese Weise wird eine weitere Mitunternehmerschaft zwischen dem Unterbeteiligten und dem Hauptbeteiligten begründet, wenn dem Unterbeteiligten Mitunternehmerrisiko und -initiative nach allgemeinen Grundsätzen zukommen62. Ausreichend ist, wenn dem Unterbeteiligten wenigstens angenähert die einem Kommanditisten gegenüber dem Hauptbeteiligten zustehenden Kontrollrechte eingeräumt sind63. Der Hauptbeteiligte bleibt alleiniger Stimmberechtigter in der Gesellschafterversammlung. Handelt er den Absprachen mit den Unterbeteiligten zuwider, macht er sich allenfalls im Innenverhältnis schadenersatzpflichtig64. Zudem ist in solchen Fällen der Unterbeteiligte gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG mittelbar Mitunternehmer der Hauptgesellschaft65. Aus schenkungsteuerlicher Sicht ist die Abgrenzung zwischen typischer und atypischer Unterbeteiligung nicht erst bei der Bewertung des zugewendeten Vermögens und dessen Begünstigung nach § 13a ErbStG vorzunehmen, sondern schon bei der Frage, ob überhaupt ein Vermögensgegenstand zugewendet ist. Nach Auffassung des BFH66 wird bei schenkweiser Einräumung einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil, die nicht alle Voraussetzungen einer atypischen Unterbeteiligung erfüllt, kein Vermögensgegenstand zugewandt, über den der Empfänger schon tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Bereichert ist der Zuwendungsempfänger erst, wenn ihm aus der Unterbeteili-
__________ 59 Weipert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 12 Rz. 62, 63; Carlé, KÖSDI 8/2008, 16116 (16117). 60 Henckel in Jaeger, InsO, § 47 Rz. 58; Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (750) m. w. N. 61 Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rz. 427. 62 BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269; Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rz. 365. 63 BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137. 64 Kritisch gegenüber einer Mitunternehmerinitiative des Unterbeteiligten aus diesem Grund Pickhardt-Potremba/Engelsing, DStZ 2000, 281 (285). 65 BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137; v. 19.4.2007 – IV R 70/04, BStBl. II 2007, 868; Carlé, KÖSDI 8/2008, 16116 (16171); Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rz. 365; a. A. noch BFH v. 29.10.1991 – VIII R 51/84, BStBl. II 1992, 512. 66 BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626; Anmerkung Hübner, ZEV 2008, 254.
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gung tatsächlich Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse zufließen. Dies hat zur Folge, dass die Zuwendung einer typischen Unterbeteiligung nicht mehr als Kapitalforderung67 anzusehen ist, sondern lediglich als schenkungsteuerlich unbeachtliche Einräumung von Rechtsansprüchen „in Gestalt eines Bündels schuldrechtlicher Ansprüche gegen den Zuwendenden“, die noch keine Bereicherung darstellen. Da die Bereicherung erst in den tatsächlichen Gewinnausschüttungen und den Liquiditätserlösen zu sehen ist, kommt im Fall der Einräumung einer Unterbeteiligung als unmittelbar Schenkungsteuer auslösender Zuwendungsgegenstand nur noch die atypische Unterbeteiligung in Betracht. Zu untersuchen bleibt damit die Bewertung und die Begünstigung der Zuwendung der atypischen Unterbeteiligung. Die Finanzverwaltung68 stellt für die Frage der Bewertung der Unterbeteiligung auf das Vermögen der Hauptgesellschaft ab, so dass die Bewertung entsprechend den Grundsätzen für Betriebsvermögen zu erfolgen hat. Eine Betriebsvermögensbegünstigung nach § 13a ErbStG soll dagegen nicht in Betracht kommen, da es sich bei der atypischen Unterbeteiligung selbst um eine reine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen und deshalb eine nur mittelbare Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft handelt. Dagegen spricht, dass die Unterbeteiligung – anders als die Treuhandschaft – ein Gesellschaftsverhältnis ist69. Insbesondere ist auch zivilrechtlicher Gegenstand der Zuwendung in solchen Fällen, anders als bei der Übertragung einer Treugeberstellung, kein bloßer Herausgabeanspruch über einen Gesellschaftsanteil sondern ein Anteil an der Innengesellschaft selbst, der – auch nach Ansicht der Finanzverwaltung70 – Betriebsvermögen i. S. d. § 12 Abs. 5 ErbStG darstellt. Ist man jedoch in den Anwendungsbereich des § 13a ErbStG gelangt, kann eine Betriebsvermögensbegünstigung angesichts der klar angeordneten Anknüpfung an den Erwerb einer Mitunternehmerstellung nicht mehr verneint werden. Denn eine solche besteht zweifach, und zwar sowohl unmittelbar an der Innengesellschaft mit dem Hauptbeteiligten als auch mittelbar an der Hauptgesellschaft71. Dabei rechtfertigen weder Wortlaut noch der Zweck der Norm eine Differenzierung zwischen der Mitunternehmerschaft an einer Gesellschaft mit oder ohne gesamthänderisch gebundenem Vermögen72. 4. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Will sich der Schenker neben einem – beschränkten – Einfluss auf die Gesellschaft auch die Erträge an dem geschenkten Vermögensgegenstand vorbehal-
__________ 67 BFH v. 7.5.1971 – III R 7/69, BStBl. II 1971, 642; R 112 ErbStR. 68 FinMin Bayern, koordinierter Ländererlass v. 11.1.2008, Tz. 4, DStR 2008, 508. 69 BFH v. 29.10.1992 – VIII R 51/84, BStBl. II 1992, 512 (516); Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (755); Vernekohl, ErbBstg 2008, 169 (170); Wälzholz, ZEV 2007, 369 (372). 70 FinMin Bayern, koordinierter Ländererlass v. 11.1.2008, Tz. 4, DStR 2008, 508. 71 BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137; v. 19.4.2007 – IV R 70/04, BStBl. II 2007, 868. 72 Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (755); Vernekohl, ErbBstg 2008, 169 (170).
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ten, kann er sich das Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Gesellschaftsanteil zurückbehalten73 (sog. „Vorbehaltsnießbrauch“). Anders als bei der Unterbeteiligung oder der Treuhandschaft handelt es sich beim Nießbrauch um eine dingliche Belastung, die dem Berechtigten unmittelbare Rechte gegen die Gesellschaft einräumt74. Der Vorbehalt des Nießbrauchs durch den Schenker stellt keine Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens dar75. Vielmehr handelt es sich für den Erwerber um eine Schuld, die im Zusammenhang mit dem Erwerb steht. Nach dem bis zum Ende 2008 geltenden Erbschaftsteuerrecht bestand jedoch nach § 25 Abs. 1 ErbStG ein Abzugsverbot. Nur soweit die Schenkungsteuer auf den Kapitalwert des Nießbrauchs entfiel, wurde die Schenkungsteuer bis zum Tod des Nießbrauchers zinslos gestundet. Da die gestundete Steuer mit dem Barwert sofort abgelöst werden konnte, konnte hierdurch noch eine Art rechnerischer Teilabzug verwirklicht werden76. Obwohl nach dem neuen Erbschaftsteuerrecht das Abzugsverbot entfallen ist, wirkt sich der Nießbrauch bei Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen nur noch in beschränktem Umfang aus. Lediglich bei Nutzung der 85 %igen Abschmelzung für Betriebsvermögen lässt sich noch ein quotaler Abschlag für den Kapitalwert des Nießbrauchs erzielen. Unter Nutzung der neuen vollständigen Abschmelzung mit zehnjähriger Behaltefrist hat der Nießbrauch grundsätzlich keine Auswirkung. a) Nießbrauchsbestellung und -folgen Der Nießbrauch an einem Personengesellschaftsanteil kann zivilrechtlich auf zwei verschiedene Arten begründet werden. Zum einen kann der Nießbrauch unter Übertragung der vollen Rechtstellung des Gesellschafters auf den Nießbraucher unter Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses begründet werden (sog. „Vollrechtsübertragung“ oder auch „Treuhandlösung“)77. Bei einem solchen Vollrechtsnießbrauch bleibt der Nießbraucher als Treuhänder im Außenverhältnis Inhaber des Vollrechts. Der Nießbrauchsbesteller scheidet für die Dauer des Nießbrauchs aus der Gesellschaft aus. Dem Nießbraucher als Treuhänder stehen alle sich aus der Gesellschafterstellung ergebenden Rechte und Pflichten zu. Der Nießbrauchsbesteller ist auf seine Rechte gegenüber dem
__________ 73 Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil ist zulässig, heute allg.M., vgl. BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 m. w. N. Die Bestellung eines Nießbrauchs setzt dabei wegen §§ 1069 Abs. 2 i. V. m. 717, 719 BGB voraus, dass die Übertragbarkeit der Gesellschaftsrechte gestattet ist, vgl. Ulmer in MünchKomm/BGB, § 705 Rz. 96 m. w. N. 74 Zur Abgrenzung näher Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rz. 437. 75 BFH v. 28.7.1981 – VIII R 124/76, BStBl. II 1982, 378; v. 10.4.1991 – XI R 7 u. 8/84, BStBl. II 1991, 791; v. 24.4.1991 – XI R 5/83, BStBl. II 1991, 793. 76 Zum alten Recht vgl. Jülicher, DStR 2001, 1200 (1201); Gebel, ZErb 2006, 122 (123 f.); Siegmund/Ungemach, DStZ 2008, 453 (454 ff.). 77 Z. B. BFH v. 11.4.1973 – IV R 67/79, BStBl. II 1973, 528; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 II 1 b); ders. in MünchKomm/HGB, Vor § 230 Rz. 12, der darauf hinweist, dass es sich wirtschaftlich, aber nicht rechtstechnisch um einen Nießbrauch handelt.
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Treuhänder im Innenverhältnis angewiesen. Nach heute herrschender Ansicht kann ein Gesellschaftsanteil ohne Begründung eines Treuhandverhältnisses auch nur mit einem Nießbrauchsrecht dinglich belastet werden (sog. „echte Nießbrauchslösung“)78. Gesellschafter bleibt in diesem Fall der Nießbrauchsbesteller. Im Fall der echten Nießbrauchslösung ist umstritten, in welchem Umfang Teilhabe- und Mitbestimmungsrechte auf den Nießbraucher übergehen bzw. welche Teilhabe- und Mitbestimmungsrechte beim Gesellschafter als Nießbrauchsbesteller verbleiben79. Nach herrschender Meinung steht dem Nießbraucher vorbehaltlich abweichender Regelungen nur ein Anspruch auf den laufenden entnahmefähigen Gewinn zu80. Außerordentliche Erträge, z. B. aus der Veräußerung von Anlagevermögen oder aus der Ausschüttung von Gewinnrücklagen stehen demgegenüber dem Nießbrauchsbesteller als Gesellschafter zu. An den Verlusten nimmt der Nießbraucher grundsätzlich nicht teil, allenfalls mittelbar insoweit, als Gewinne späterer Jahre aus diesem Grund nicht entnommen werden können81. Korrespondierend zu dem Anspruch des Nießbrauchers auf den Gewinn stehen diesem nach herrschender Ansicht Mitwirkungsrechte aus dem Gesellschaftsanteil insoweit zu, als laufende Angelegenheiten der Gesellschaft berührt sind82. Die Mitwirkung bei Beschlüssen der Gesellschaft, die den Kernbereich der Beteiligung betreffen, soll dagegen beim Nießbrauchsbesteller als Gesellschafter verbleiben83. Angesichts dieser zivilrechtlichen Unsicherheiten, aber auch wegen der sich daran anschließenden steuerrechtlichen Folgen84, ist unbedingt zu empfehlen, diese Teilhabe- und Mitbestimmungsrechte im Vorhinein vertraglich zu regeln85. Überträgt der Schenker seinen Gesellschaftsanteil teilweise oder vollständig auf den Beschenkten und behält er sich den Nießbrauch vor, ist die Übertragung des Gesellschaftsanteils nur dann nach § 13a ErbStG begünstigt, wenn der Beschenkte als Nießbrauchsbesteller nach ertragsteuerlichen Maßstäben Mitunternehmer der Gesellschaft wird. Auch hierbei kommt es also wiederum darauf an, dass die zurückbehaltene Rechtsstellung des Schenkers nicht so umfassend ist, dass sie das Vorliegen von Mitunternehmerinitiative und -risiko
__________ 78 BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, NJW 1999, 571; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 II 1 b); Pohlmann in MünchKomm., BGB, § 1068 Rz. 23. 79 Zum Streitstand Frank in Staudinger, BGB, Anh. zu §§ 1068 ff. Rz. 69 ff. 80 BGH v. 20.4.1972 – II ZR 143/69, NJW 1972, 1755; BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241; Pohlmann in MünchKomm., BGB, § 1068 Rz. 50; Frank in Staudinger, BGB, Anh. zu §§ 1068 ff. Rz. 77 f. 81 Pohlmann in MünchKomm., BGB, § 1068 Rz. 67 m. w. N. 82 So der BFH, Urt. v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 (245). 83 Carlé/Bauschatz, KÖSDI 2001, 12872 (12880); Götz in Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, Rz. 3208. 84 Dazu sogleich lit. b). 85 Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rz. 436; Carlé in Korn, EStG, § 15 Rz. 20; Carlé/Bauschatz, KÖSDI 2001, 12872 (12881).
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beim Beschenkten als Nießbrauchsbesteller verhindert86. Dies ist wiederum nach den bereits oben dargestellten87 ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen88. Höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage der Begünstigung nach § 13a ErbStG, wenn sich der Schenker einen umfassenden, die Mitunternehmerschaft des Beschenkten grundsätzlich ausschließenden Nießbrauch nur an einem Teil des geschenkten Anteils vorbehält (sog. „Quotennießbrauch“). Fraglich ist insbesondere, ob bei einer solchen Gestaltung die Begünstigung für denjenigen Anteil zu versagen ist, für den sich der Schenker den umfassenden Nießbrauch vorbehalten hat oder die Mitunternehmerstellung auf Grund des Restanteils dazu führt, dass die gesamte Übertragung begünstigt ist. Das Hessische FG89 hat im Rahmen eines Beschlusses über die Aussetzung der Vollziehung die Tendenz gezeigt, die Begünstigung des § 13a EStG insgesamt zu gewähren. Nach Ansicht des Hessischen FG war die fehlende Mitunternehmerschaft bezogen auf einen Teil des übertragenen Anteils unschädlich, selbst wenn sich der umfassende Nießbrauch auch auf nahezu den gesamten geschenkten Anteil bezieht90. Diese Auffassung deckt sich mit der herrschenden Ansicht in der Literatur, die den Erwerb eines Teilanteils auch ohne diesbezügliche isolierte Mitunternehmerstellung ausreichen lassen will, wenn der Erwerber bereits aus anderem Grund Mitunternehmer der Gesellschaft ist91. Danach ist die Übertragung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft selbst dann nach § 13a ErbStG begünstigt, wenn sich der Schenker in einer Weise den Nießbrauch vorbehält, der isoliert betrachtet nicht zur Mitunternehmerstellung des Beschenkten führen würde92. Dasselbe soll konsequenterweise gelten, wenn der Nießbrauch nur an einem Teil der geschenkten Beteiligung vorbehalten wird, der Beschenkte auf Grund des unbelasteten Teils die Mitunternehmerstellung erlangt93. Der BFH94 hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des Hessischen FG zurückgewiesen. Er hat trotz der Einheitlichkeit der Beteiligung eines Personen-
__________
86 Vgl. FG Köln v. 7.4.2003 – 9 K 3558/98, EFG 2003, 1025, nrk.; FG Nds. v. 22.12.2004 – 3 K 277/03, EFG 2005, 639, rk.; H 51 Abs. 1 „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“, letzter Satz; Götz/Jorde, ZErb 2005, 365 (371); Escher, FR 2008, 985 (988); Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 150; Weinmann in Mönch, ErbStG, § 13a Rz. 20a. 87 Vgl. Abschn. II Ziff. 2. 88 Vgl. BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241; FG BW v. 17.5.2006 – 5 K 567/02, EFG 2006, 1672, rk.; FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733, nrk. 89 FG Hess. v. 2.7.2008 – 1 V 1357/08, EFG 2008, 1984. 90 Gl.A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 150; Siegmund/Ungemach, DStZ 2008, 453 (455); Halaczinsky, NWB Fach 10 (31/2006), 1545 (1553), für einen Quotennießbrauch von z. B. 97 %. 91 Vgl. oben Abschn. II Ziff. 2. 92 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 134; Ebeling in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 85.1. 93 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a R 150; a. A. nun FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1080/86 Erb, nrkr., EFG 2008, 1733. 94 BFH v. 8.10.2008 – II B 107/08, ZEV 2008, 611.
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gesellschafters eine Unterteilung in einen nießbrauchsbelasteten und einen unbelasteten Teil für möglich gehalten. Darüber hinaus könne auch die Mitunternehmerstellung von der Gesellschafterstellung getrennt werden, wie das z. B. der Fall sei, wenn der Beschenkte mangels Mitunternehmerinitiative bzw. -risikos nicht Mitunternehmer würde. Der BFH hat die jeweiligen Argumente gegenübergestellt, die Rechtsfrage unter Hinweis auf das summarische Verfahren jedoch nicht entschieden. b) Mitunternehmerstellung des Schenkers (Nießbrauchers) In der Regel verbleibt die Substanz des mit einem Nießbrauch belasteten Vermögensgegenstands dem Besteller des Nießbrauchs, die Nutzung sowie die Erträge aus dem belasteten Vermögensgegenstand stehen hingegen dem Nießbraucher zu95. Substanz und Erträge fallen somit auseinander96. Dabei ist jedenfalls beim Vollrechtsnießbrauch aufgrund des Einrückens des Nießbrauchers in die Gesellschafterstellung „auf Zeit“97, ansonsten jedoch jedenfalls aufgrund der im Nießbrauchswege zurückbehaltenen Teilhabe am ordentlichen Ertrag und der Mitsprache in laufenden Angelegenheiten eine Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers regelmäßig unproblematisch98. Steht dem Nießbraucher hingegen ein bloßer Ertragsnießbrauch ohne weitere Mitwirkungsrechte zu, scheidet eine Mitunternehmerschaft des Nießbrauchers aus99, da in diesem Fall lediglich eine steuerlich unbeachtliche Vorausabtretung künftiger Gewinnansprüche vorliegt100. c) Mitunternehmerschaft des Beschenkten (Nießbrauchsbestellers) Allein die Bestellung eines Nießbrauchs und die damit regelmäßig verbundene Begründung einer Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers führt nicht automatisch zum Verlust der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchsbestellers101. Der BFH geht vielmehr von einer „Spaltung“ der Verwaltungs- und Mitwirkungsrechte zwischen Nießbraucher und Nießbrauchsbesteller für die Dauer des Nießbrauchs aus. Der Nießbraucher erwirbt Stimm- und Kontrollrechte nur insoweit, als seine Interessensphäre betroffen ist102. Anhand der
__________ 95 Vgl. Pohlmann in MünchKomm/BGB, § 1030 Rz. 2. 96 Siegmund/Ungemach, DStZ 2008, 453 (454). 97 L. Schmidt in FS von Wallis, S. 359; Schulze zur Wiesche, BB 2004, 353 (356); DB 2008, 2728; differenzierend zur Rechtstellung des Nießbrauchers K. Schmidt in MünchKomm/HGB, Vor § 230 Rz. 21. 98 Stuhrmann in Blümich, EStG, § 15 Rz. 365; Carlé in Korn, EStG, § 15 Rz. 20; Götz/ Jorde, ZErb 2005, 365 (371); FG Nds. v. 22.12.2004 – 3 K 277/03, EFG 2005, 639, rk; FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 5062/06 Erb, EFG 2008, 1734 (1735), nrk. 99 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15 Rz. 32 m. w. N. 100 BFH v. 13.5.1976 – IV R 83/75, BStBl. II 1976, 592. 101 Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rz. 309; Götz in Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, Rz. 3222; Gebel, ZErb 2006, 122 (128); Escher, FR 2008, 985 (988); Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rz. 439 m. w. N. 102 Vgl. BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241; FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733, nrk.
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Ausgestaltung des Nießbrauchs und der dem Nießbrauchsbesteller verbleibenden Mitsprache- und Ertragsrechte ist also im Einzelfall zu prüfen, ob dieser als Mitunternehmer nach ertragsteuerlichen Maßstäben anzusehen ist. aa) Mitunternehmerrisiko des Beschenkten Behält sich der Schenker nur die laufenden entnahmefähigen Erträge am geschenkten Gesellschaftsanteil vor, trägt der Beschenkte als Nießbrauchsbesteller nach herrschender Ansicht ein ausreichendes Mitunternehmerrisiko, da er zum einen im Außenverhältnis an Verlusten der Gesellschaft, zum anderen aber an Wertsteigerungen des Gesellschaftsanteils selbst und am Auseinandersetzungsguthaben teilnimmt103 bzw. das Risiko des Untergangs des übertragenen Gesellschaftsanteils trägt104. Maßgeblich ist hier, dass der Nießbraucher auf die Substanz des Gesellschaftsanteils nicht einwirken und den Gegenstand verwerten kann105. Hat sich der Schenker demgegenüber auch die ausschließliche Teilhabe an substantiellen Wertsteigerungen des Gesellschaftsanteils, z. B. aus Anlagenverkäufen, vorbehalten, scheidet ein Mitunternehmerrisiko des Beschenkten regelmäßig aus106. Dem steht nach Ansicht des FG Rheinland-Pfalz107 ein unbegrenztes Entnahmerecht des Nießbrauchers gleich, da dieser dann faktisch in der Lage ist, auch stille Reserven vor einer Veräußerung des Gesellschaftsanteils an sich zu ziehen108. bb) Mitunternehmerinitiative des Beschenkten Ähnlich verhält es sich bei den mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Stimmrechten. Behält sich der Nießbrauchsberechtigte zu Lasten des Beschenkten Stimmausübungsrechte vor, die nur die laufenden Geschäfte der Gesellschaft betreffen, hindert dies die Mitunternehmerschaft des Beschenkten nicht. Soweit ihm immer noch das Stimmrecht als Gesellschafter – oder bei Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht zumindest ein Widerspruchsrecht gegenüber dem Nießbraucher109 – über außerordentliche Geschäfte bzw. grundlegende Entscheidungen betreffend den Gesellschaftsanteil zusteht, kann er bezüglich der ihm zustehenden Substanz des Gesellschaftsanteils jedenfalls
__________ 103 Schulze zur Wiesche, DStR 1995, 318 (320); Siegmund/Ungemach, DStZ 2008, 453 (455); Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rz. 440 m. w. N.; BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241. 104 So FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733 (1734), nrk. 105 Vgl. Jülicher, DStR 2001, 1200 (1203). 106 Vgl. BFH v. 16.5.1995 – VIII R 18/93, BStBl. II 1995, 714; FG Nds. v. 22.12.2004 – 3 K 277/03, EFG 2005, 639, rk. 107 FG Rh.-Pf. v. 27.4.2006 – 4 K 2163/03, EFG 2007, 1792, nrk. 108 Vgl. auch BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241; a. A. wohl Ebeling, DB 1999, 611, der den Verlust der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers nur „in Ausnahmefällen“ und aufgrund „extremer Regelungen des Nießbrauchsverhältnisses“ annehmen will. 109 FG Nds. v. 22.12.2004 – 3 K 277/03, EFG 2005, 639, rk.; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15 Rz. 32a; a. A. FG BW v. 17.5.2006 – 5 K 567/02, EFG 2006, 1672, rk., dazu sogleich.
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Mitunternehmerinitiative entfalten110. Dieses betrifft insbesondere Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Änderungen der Gewinnverteilung und sonstige außerordentliche Geschäfte. Unschädlich ist, wenn dem Nießbraucher hierbei allenfalls ein Zustimmungsvorbehalt für den Fall der Beeinträchtigung seines Nießbrauchs zusteht, das Stimmrecht jedoch ansonsten vom Beschenkten als zivilrechtlichem Gesellschafter ausgeübt wird. Hat sich der Nießbraucher demgegenüber sämtliche Verwaltungs- und Kontrollrechte vorbehalten, kann der Beschenkte keine Mitunternehmerinitiative entfalten111. Das FG Baden-Württemberg112 hat in einem Fall des sog. Vollrechtsnießbrauchs die Frage aufgeworfen, ob eine Mitunternehmerinitiative des Beschenkten trotz eines Widerspruchsrechts in Grundlagengeschäften im Innenverhältnis gegenüber dem ansonsten stimmberechtigten Nießbraucher abzulehnen ist. Das FG hat die Mitunternehmerinitiative mit der Begründung verneint, es fehle an einem unmittelbar durchsetzbaren Recht des Beschenkten. Ein bloßes Widerspruchsrecht im Innenverhältnis zwischen Nießbrauchsbesteller und Nießbraucher reiche nicht aus, da sich der Nießbraucher bei Zuwiderhandlung allenfalls schadensersatzpflichtig mache. Dagegen stellt das FG Münster113 für die Beurteilung der Mitunternehmerstellung auf das Innenverhältnis zwischen Nießbraucher und Nießbrauchsbesteller ab. cc) Handlungsempfehlung Die Frage, ob der Beschenkte als Nießbrauchsbesteller Mitunternehmer der Gesellschaft geworden ist und damit die Frage, ob die Übertragung des belasteten Gesellschaftsanteils nach § 13a ErbStG begünstigt ist, ist in der Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen114. Die Rechtsprechung lässt jedoch erkennen, dass bei der Ausgestaltung des Nießbrauchs der Trennung von Erträgen und Substanz Rechnung zu tragen ist. Um sich in der Gestaltungsberatung auf „sicherem Terrain“ zu bewegen, sollten daher Kernbereiche der Mitgliedschaftsrechte sowie die Substanzerträge zwingend beim Beschenkten als Gesellschafter belassen werden. Behält sich dagegen der Schenker einen Nießbrauch auch an Erträgen vor, die aus der Substanz des geschenkten Gesellschaftsanteils herrühren oder behält er sich die Ausübung von Stimmrechten vor, die den Kernbereich der Mitgliedschaft in der Gesellschaft berühren, ist in der Regel davon auszugehen, dass der Beschenkte in Ermangelung dieser Rechte kein Mitunternehmer der Gesellschaft geworden ist.
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110 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241. 111 Ganz h. M., vgl. FG Köln v. 14.11.2006 – 9 K 2612/04, EFG 2007, 273, nrk.; FG Nds. v. 22.12.2004 – 3 K 277/03, EFG 2005, 639, rk.; FG BW v. 17.5.2006 – 5 K 567/02, EFG 2006, 1672, rk.; FG Rh.-Pf. v. 27.4.2006 – 4 K 2163/03, EFG 2007, 1792, nrk.; FG Hess. v. 2.7.2008 – 1 V 1357/08, EFG 2008, 1984, rk.; Gebel, ZErb 2006, 122 (129); FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733 (1734), nrk.; Gebel, ZErb 2006, 122 (129 f.). 112 FG BW v. 17.5.2006 – 5 K 567/02, EFG 2006, 1672, rk. 113 FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733 (1734). 114 Escher, FR 2008, 985 (988).
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IV. Zusammenfassung Bei der Beteiligung an Personengesellschaften bieten sich dem Schenker eine Reihe von Gestaltungsvarianten an, um nicht vollständig seinen Einfluss auf den geschenkten Anteil bzw. den Anspruch auf den Gewinn aufzugeben. Damit jedoch schenkungsteuerlich der Anteil auch auf den Beschenkten übergeht, muss Letztgenannter rechtlich und tatsächlich über den Zuwendungsgegenstand verfügen können. Dazu ist erforderlich, dass der Schenker nicht jederzeit die teilweise oder vollständige Rückübertragung des Vermögens auf sich persönlich herbeiführen kann. Zur Erlangung der Begünstigung nach § 13a ErbStG ist unabdingbar, dass der Beschenkte ertragsteuerlich Mitunternehmer der Personengesellschaft wird. Im Hinblick auf die noch ausstehende höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob eine bereits vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils bestehende Mitunternehmerstellung des Beschenkten für die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG ausreichend ist, bzw. bei einem Quotennießbrauch der unbelastete Restanteil zu einer Begünstigung der vollständigen Beteiligung führt, sind die Grundsätze über die Mitunternehmerschaft des Beschenkten im Hinblick auf den mit Widerrufsvorbehalt oder unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkten Gesellschaftsanteil zu beachten. Unschädlich ist, wenn sich der Schenker den Widerruf der Schenkung vorbehält. Die Widerrufsgründe sind jedoch so auszugestalten, dass der Schenker nicht einseitig die Voraussetzungen der Widerrufsklausel und damit die Rückübertragung des Schenkgegenstandes auf sich bewirken kann. Soll der Beschenkte nicht unmittelbar Gesellschafter werden, kommt die Übertragung der Treuhänderstellung oder die Einräumung einer atypischen Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil in Betracht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist jedoch in beiden Fällen der Erwerb nach § 13a ErbStG nicht begünstigt, bei einem Treuhandverhältnis schon mangels Betriebsvermögens und bei der Einräumung einer atypischen Unterbeteiligung mangels unmittelbarer Beteiligung des Beschenkten an der Hauptgesellschaft. Bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sollte zur Begründung der Mitunternehmerstellung der Nießbrauch so ausgestaltet werden, dass dem Nießbraucher nur der laufende entnahmefähige Gewinn zusteht, die Substanzerträge jedoch dem Nießbrauchsbesteller verbleiben. Entsprechend sollten die Mitspracherechte so ausgestaltet werden, dass der Nießbrauchsbesteller die Entscheidungen über den Kernbereich der Beteiligungen trifft, während dem Nießbraucher das Stimmrecht in laufenden Angelegenheiten zusteht.
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Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG – Ein Beispiel interdisziplinärer Beratung Inhaltsübersicht I. Einführung II. Der neue Befreiungstatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1. Das Tatbestandsmerkmal „Verpflichtung der Gesellschafter untereinander“ 2. Das Tatbestandsmerkmal „Das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschafter einheitlich auszuüben“ 3. Das Tatbestandsmerkmal „Einheitlich zu verfügen“ 4. Verpfändung von Anteilen während der Nachsteuerperiode 5. Das Tatbestandsmerkmal „Ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen“
6. Rechtsfolgen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 7. Poolung im Verwaltungsvermögenstest 8. Erbschaftsteuerliche Poolung von Todes wegen 9. Durch Erbfall eintretende Konfusion des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags 10. Kündigung des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags während der Nachsteuerperiode 11. Begünstigung nicht gebundener Anteile durch gebundene Anteile 12. Fernwirkungen des erbschaftsteuerlichen Poolvertrages III. Ausblick
I. Einführung Das Arbeitsgebiet des hochverehrten Jubilars ist weit gefasst. Konzernsteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Unternehmensnachfolge, Erbschaftsteuerrecht sind u. a. die Gebiete, in denen der Jubilar ständig und interdisziplinär berät. Wie kaum ein Zweiter verkörpert er rechtliche und steuerliche Beratung aus einer Hand und einem Kopf. Dies ist eine besondere und seltene Gabe. Deswegen ist es ein großes Privileg, mit dem Jubilar zusammenarbeiten zu können. Dabei lässt er auch gerne jüngere Kollegen an seinem breiten und tiefen Rechts- und Steuer-Know-how partizipieren. Interdisziplinäre Beratung ist zwingend erforderlich, weil der Gesetzgeber immer komplexere Gestaltungsvorgaben an den Steuerpflichtigen stellt. Ein Beispiel hierzu ist das gerade verabschiedete Erbschaftsteuergesetz mit seinen besonderen Befreiungstatbeständen für unternehmerisches Vermögen. Völlig neu ist dabei der Befreiungstatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, der grundsätzlich für Anteilseigner gilt, die mit 25 % oder mehr an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind.
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II. Der neue Befreiungstatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Nach neuem Erbschaftsteuerrecht können Anteile an Kapitalgesellschaften im Inland, in der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, selbst wenn die Beteiligungsquote des Erblassers oder des Schenkers 25 % oder weniger beträgt, erbschaftsteuerbegünstigt übertragen oder vererbt werden, wenn dieser und weitere Gesellschafter sich untereinander verpflichten, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben1. Diese Poolvereinbarung muss dabei gem. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG für sieben Jahre nach Schenkung oder Erbfall im Rahmen der Regelverschonung bzw. bei der 100 %-Verschonung über zehn Jahre aufrecht erhalten werden2, um den vollen Bewertungsabschlag und den Abzugsbetrag von 150.000 Euro zu erhalten. Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird. Dabei gilt das Abschmelzungsprinzip und nicht das Fallbeilprinzip, wie dies für den sog. „Überentnahmetatbestand“ des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG angeordnet ist3, das heißt für jedes Jahr der Aufrechterhaltung des Pools entfällt 1/7 (Regelverschonung) bzw. 1/10 (100 % Verschonung) der gestundeten Erbschaftsteuer. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gilt für unmittelbar gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften, die sich im Privatvermögen befinden. Theoretisch anwendbar kann diese Regelung aber auch für im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Anteile sein, die gepoolt sind und die ohne den dazugehörigen Mitunternehmeranteil übertragen werden4. Über vermögensverwaltende GbRs gehaltene Anteile sind trotz der Bruchteilsbetrachtung des § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG nicht begünstigt5. Die Poolung kann deshalb nur schuldrechtlich als Innengesellschaft erfolgen. Die Poolklausel ist dabei zweiaktig aufgebaut6: ●
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Die Poolklausel muss die Verpflichtung enthalten, das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben, zusätzlich, das heißt kumulativ, müssen sich die Gesellschafter wahlweise untereinander verpflichten, entweder – über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder alternativ – die Anteile ausschließlich nur auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen.
__________ 1 2 3 4
Vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG. Vgl. § 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG. Vgl. § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG. Vgl. Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Kapitel F, Rz. 1045; Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 236 für die alte Rechtslage. 5 Vgl. zum bisherigen Recht R 53 Abs. 2 Satz 3 ErbStR. 6 Vgl. Verfasser, JbFSt. 2008/2009, 130; Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 418 f.; Schulz/Althoff/Markl, BB 2008, 528 ff. (531).
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Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
Der Gesetzestext als auch die Begründung des Gesetzgebers enthalten keinen Hinweis, ob die Poolung innerhalb oder außerhalb der Satzung der Kapitalgesellschaft erfolgen muss. Beides erscheint möglich7. Erfasst werden deswegen sowohl klassische Poolvereinbarungen, die neben der Satzung existieren, als auch Beschränkungen, die unmittelbar in der Satzung vereinbart sind. Auch aus einer Zusammenschau von einer Stimmrechtsvereinbarung außerhalb der Satzung, inklusive Verfügungsbeschränkungen vereinbart in der Satzung, kann sich der Begünstigungstatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ergeben. Wie im alten Recht ist davon auszugehen, dass, soweit die Gesellschaft eigene Anteile hält, diese nicht das Nennkapital der Gesellschaft mindern und deswegen bei der Prüfung der Beteiligungshöhe eines Gesellschafters bzw. des Pooles nicht auszuscheiden sind8. Dies bedeutet, dass durch die Poolung selbst unmittelbar mehr als 25 % des Stamm- bzw. Grundkapitals der Kapitalgesellschaft gebunden werden müssen. Die ertragsteuerliche Sichtweise des § 17 EStG zur Erfüllung des maßgeblichen Schwellenwertes gilt nicht9. 1. Das Tatbestandsmerkmal „Verpflichtung der Gesellschafter untereinander“ Der Erbe/Beschenkte und die weiteren Gesellschafter müssen für die Dauer der Nachsteuerperiode, also bei der Regelverschonung für sieben Jahre bzw. bei der 100 %-Verschonung für zehn Jahre untereinander verpflichtet werden10. Eine Mindestvorlaufzeit des Pooles wird dabei nicht verlangt. Theoretisch kann der Pool aufschiebend bedingt eine juristische Sekunde vor dem Stichtag der Schenkung oder des Todesfalls abgeschlossen werden. Sowohl der Entwurf zum Gesetz zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge aus dem Jahre 2006 („UntErlG“) als auch der Referentenentwurf für die Erbschaftsteuerreform vom 20.11.2007 hatten eine unwiderrufliche Verpflichtung der Gesellschafter untereinander gefordert. Die Unwiderruflichkeit ist im verabschiedeten Gesetz weggefallen, denn unwiderrufliche, das heißt unkündbare Poolvereinbarungen verstoßen gegen zwingendes Recht11. Das Erbschaftsteuerrecht kann nicht etwas zum Tatbestandsmerkmal erheben, was zivilrechtlich auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet ist. Demnach darf in der Poolvereinbarung auch ein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen werden. Gleichwohl sollte auf ein ordentliches Kündigungsrecht verzichtet werden, damit sich die Beteiligten nicht ohne weiteres der Verpflichtung entziehen können. Aus der Formulierung „Verpflichtung“ ist zu entnehmen, dass die schlichte Verpflichtung ohne ein Vertragsstrafeversprechen ausreichend ist12. Dennoch bietet es sich an, Vertragsstrafenversprechen und Pönalisierungsklauseln vor-
__________ 7 Vgl. Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16 ff., 20; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Auflage 2007, § 47 Rz. 40; König, ZGR 2005, 417 ff.; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 133 Rz. 27 ff. 8 Vgl. R 53 Abs. 2 Satz 2 ErbStR für die alte Rechtslage. 9 Vgl. Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 17 EStG Rz. 41. 10 Vgl. § 13b Abs. 5 Nr. 5 ErbStG bzw. § 13b Abs. 8 ErbStG. 11 Vgl. § 723 Abs. 3 BGB. 12 Vgl. Verfasser, JbFSt. 2008/2009, 131.
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zusehen, um die Verpflichtung auch effektiv durchsetzen zu können. Sie sind auch ein Indiz dafür, dass es sich bei dem Poolvertrag nicht nur um ein Scheingeschäft handelt. Der Begriff „Gesellschafter“ meint sowohl natürliche Personen, Körperschaftsteuersubjekte aber auch Personengesellschaften. Personengesellschaften sind zwar grundsätzlich im Erbschaftsteuerrecht bzgl. ihrer Erwerbereigenschaft transparent13, dennoch sind sie zivilrechtlich Gesellschafter und können Vertragspartei einer Poolvereinbarung sein. Insoweit muss die zivilrechtliche Betrachtungsweise gelten. Die Verpflichtung muss gesellschaftsrechtlich wirksam sein. Dabei sind rechtsformspezifische Besonderheiten bzw. rechtsformübergreifende Grundsätze zu beachten: Bei Aktiengesellschaften darf sich der Poolvertrag nicht als unzulässiger Syndikatsvertrag gem. § 136 AktG herausstellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg14 zu beachten. Nach diesem Urteil ist der Stimmrechtsbindungsvertrag wegen Verstoßes gegen § 136 Abs. 2 AktG nichtig bzw. wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn sich ein Aktionär verpflichtet, nach Weisungen des Vorstands der Gesellschaft das Stimmrecht auszuüben und dadurch die Stimmbindungsvereinbarung einseitig den als Vorstand handelnden Unternehmensgründer und Hauptaktionär bevorzugt. Bei der AG sind auch entgeltliche Stimmbindungen angesichts der Bußgeldvorschrift des § 405 Abs. 3 AktG i. V. m. § 134 BGB ebenfalls nicht wirksam15. Bei der Rechtsform der GmbH sind die Schranken des § 47 Abs. 4 GmbHG zu beachten16. Über den Poolvertrag dürfen die Stimmrechtsverbote, insbesondere bei Abstimmungen in eigenen Angelegenheiten nicht ausgehebelt werden. Schließlich muss sich der Poolvertrag an die Grenzen des § 138 BGB halten und die Treuepflichten eines Gesellschafters wahren17. Auch kann nach herrschender Meinung die Zulässigkeit des Abschlusses eines Stimmrechtsbindungsvertrags in der Satzung der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen werden18. In diesem Zusammenhang ist nicht davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung zugunsten des Steuerpflichtigen im Erbschaftsteuerrecht als Verkehrssteuerrecht, das dem Zivilrecht nachfolgt, § 41 AO anwendet, wonach unwirksame Rechtsgeschäfte der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn sie tatsächlich durchgeführt werden. Die Finanzverwaltung wird sicherlich auch die Sonderrechtsprechung des BFH zur ertragsteuerlichen Anerkennung von Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen anwenden19. Etwas anderes muss
__________ 13 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 14 Vgl. OLG Oldenburg v. 16.3.2006 – I U 12/05, ZEV 2007, 35 ff. 15 Vgl. Schuberth in Hamann/Siegle (Hrsg.), Vertragsbuch Gesellschaftsrecht, München 2008, S. 170 ff. 16 Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 47 Rz. 41. 17 Müller, GmbHR, 2007, 113 ff.; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Auflage 2007, § 47 Rz. 44. 18 Vgl. Piehler, DStR 1992, 1654 (1655). 19 Hinweis auf R 4.8, H 4.8 sowie R 15.9 EStR.
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aber meines Erachtens dann gelten, wenn ein wirksamer Poolvertrag abgeschlossen wird, aber bei einzelnen Beschlussgegenständen gegen eine Verbotsnorm verstoßen wird20. 2. Das Tatbestandsmerkmal „Das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschafter einheitlich auszuüben“ Das Tatbestandsmerkmal wird sowohl im UntErlG-E als auch in der Gesetzesbegründung zur verabschiedeten Erbschaftsteuerreform etwas näher umschrieben21. Nach der Gesetzesbegründung bedeutet einheitliche Stimmrechtsausübung, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Entscheidung zurücktreten muss. Der Gesetzesentwurf spricht auch von der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichts- oder Leitungsgremiums oder sogar davon, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht verzichten oder die Anteile von vornherein stimmrechtslos gestellt sind. Eine taugliche Poolung liegt deswegen auch vor, wenn sich der Erblasser/Schenker verpflichtet, der Stimme zu enthalten oder genauso abzustimmen wie andere Poolmitglieder. Das Stimmrecht wird auch einheitlich ausgeübt, wenn vereinbart wird, dass ein einziges Poolmitglied in Vollmacht für den gesamten Pool in der Gesellschafterversammlung abstimmt. Da die Gesetzesbegründung nicht davon spricht, dass der konkrete Anteil ein Stimmrecht einräumt, können auch stimmrechtslose Anteile – gleich welcher Art (Vorzugsaktien, stimmrechtslose GmbH-Anteile) – begünstigungsfähige Kapitalgesellschaftsanteile sein, selbst wenn sie weniger als 25 % betragen, sofern sie Gegenstand einer Poolvereinbarung werden22. Aus dem Wortlaut der Norm könnte man auch den Schluss ziehen, dass die Wirkung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur dann eintreten kann, sofern es auch nicht gepoolte Gesellschafter gibt. Meines Erachtens ist dies nicht entscheidend. Es kommt nur darauf an, dass das Stimmrecht abstrakt gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich ausgeübt wird. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sollte deswegen auch dann anwendbar sein, wenn sich z. B. vier Gesellschafter á 25 % in einem einzigen Pool poolen. 3. Das Tatbestandsmerkmal „Einheitlich zu verfügen“ Dieses Tatbestandsmerkmal wird in der Gesetzesbegründung nicht näher erläutert. Unter dem Begriff der Verfügung wird man die rechtsgeschäftliche Verfügung über die Anteile inklusive der entgeltlichen als auch der unentgeltlichen lebzeitigen Übertragung der Anteile verstehen. Nicht eindeutig ist die Bedeutung des Begriffs „Einheitlichkeit“. Sicherlich ist das Tatbestandsmerkmal nicht zeitlich zu interpretieren (alle müssen immer zur selben Zeit übertragen) und/oder personell zu verstehen (immer muss an
__________ 20 Vgl. dazu auch Hübner, a. a. O., 427. 21 BR-Drucks. 778/06, S. 25; BT-Drucks. 16/7918, S. 35. 22 Vgl. Verfasser, JbFSt. 2008/2009, 132.
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denselben Erwerber übertragen werden). Es ist vielmehr erforderlich, dass nach denselben Kriterien und Standards abstrakt verfügt wird. Daraus ist zu folgern, dass in Poolvereinbarungen die Verpflichtung aufgenommen werden muss, nur einheitlich zu verkaufen (Notwendigkeit von tag-along und drag-alongKlauseln). Die Vereinbarung von Vorkaufs-/Vorerwerbs- und Übernahmerechten ist nicht ausreichend, denn diese Rechte führen nicht zu einer einheitlichen Verfügung, insbesondere dann nicht, wenn von diesen Rechten durch die Mitgesellschafter kein Gebrauch gemacht wird23. Streitig ist, ob die Poolvereinbarung auch eine Regelung vorsehen muss, dass nach einheitlichen Kriterien nur im Sinne einer qualifizierten Nachfolgeklausel vererbt werden kann. Man könnte diese Auffassung damit begründen, dass der Erwerb von Todes wegen zwar ein gesetzlicher und kein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb ist, aber dennoch Verfügung i. S. d. Erbschaftsteuerrechts24 ist. Hierbei ist aber Folgendes zu beachten: Das Erbschaftsteuerrecht kann nicht für die Erfüllung eines Befreiungstatbestandes Maßnahmen erfordern, die zivilrechtlich nicht erreichbar sind. Die Verpflichtung, auch von Todes wegen einheitlich zu verfügen, ist ein unzulässiger Testiervertrag gem. § 2302 BGB. Gemäß § 2302 BGB darf niemand verpflichtet werden, in einer bestimmten Weise ein Testament zu errichten. Das Kriterium „einheitlich zu verfügen“ bezieht sich meines Erachtens deswegen ausschließlich auf lebzeitige Maßnahmen, zumal der Erbfall kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein gesetzlicher Erwerbstatbestand ist25. 4. Verpfändung von Anteilen während der Nachsteuerperiode26 Viele mittelständische Unternehmen sind darauf angewiesen, dass der Gesellschafter durch Gesellschafterdarlehen oder durch Bereitstellung von Kreditsicherheiten zur Unternehmensfinanzierung beiträgt. Dabei ist es im Mittelstand üblich, dass die Kapitalgesellschaftsanteile an die Bank als Kreditsicherheit verpfändet werden. Es fragt sich nunmehr, ob im Falle der Vererbung gepoolter Kapitalgesellschaftsanteile, die verpfändet waren oder Anteile, die zunächst gepoolt vererbt werden und anschließend während der Dauer der Nachsteuerperiode als Kreditsicherheit eingesetzt werden (Aufnahme eines Erbschaftsteuerdarlehens), nicht begünstigungsfähig sind, weil die Einräumung eines Pfandrechts an die kreditgebende Bank als Verstoß gegen das Tatbestandsmerkmal der Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung qualifiziert werden könnte. Sicherlich ist es richtig, dass, wenn Pfandreife eintritt und die Kapitalgesellschaftsanteile von der Bank verkauft werden müssen, eine schädliche Verfügung vorliegt. Es fragt sich aber, ob nur allein die Tatsache, dass ein Pfand-
__________ 23 Vgl. Verfasser, JbFSt. 2008/2009, 132. 24 Vgl. so noch der Verfasser, Ubg 2008, 57 (61); dazu auch Wachter, GmbH-StB 2006, 356 (359); ZErb 2006, 391 (400); Hübner, a. a. O., 423. 25 Vgl. § 1922 BGB. 26 Vgl. Verfasser, Ubg 2008, 57 (61 f.); Hübner, a. a. O., 423.
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Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
recht eingeräumt wird, ein Verstoß gegen das Erfordernis zur einheitlichen Verfügung begründet, weil zivilrechtlich die Einräumung des Pfandrechts eine Verfügung ist. Dies ist meines Erachtens nicht der Fall. Das Kriterium „einheitlich zu verfügen“ bezieht sich auf das durch den Erbfall oder die Schenkung erhaltene Eigentum an den Anteilen. Solange nur ein beschränkt dingliches Recht an diesen Anteilen eingeräumt wird, verbleibt das durch Erbfall oder Schenkung erworbene Eigentum weiterhin beim Erben oder Beschenkten. Da der Eigentumserwerb erbschafts- bzw. schenkungsteuerpflichtig ist und das Eigentum den Begünstigungsabschlag erhält, sollte erst der Verlust dieses Eigentums eine schädliche Verfügung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG sein. Für die Tatsache, dass auch der gepoolte Kleinanteilseigner während der Dauer des Pools seine Anteile unschädlich an eine Bank verpfänden darf, spricht auch folgende Kontrollüberlegung: Der Großanteilseigner, der mit mehr als 25 % originär beteiligt und nicht auf die Poolung angewiesen ist, kann selbstverständlich während der Nachsteuerperiode seine Anteile an eine Bank verpfänden. Denn die Verpfändung als solches ist nicht Veräußerung i. S. d. § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG27. Meines Erachtens kann man auch nicht davon ausgehen, dass der Gesetzgeber mit der Poolungsklausel die Erben oder Beschenkten zu fideikommisähnlichen Zuständen verpflichten wollte, nämlich grundsätzlich über sieben oder zehn Jahre eine Unbelastbarkeit des erworbenen Eigentum herstellen will, also Eigentum in einer freiheitlich liberalen Rechtsordnung dem Rechtsverkehr über längere Zeit entziehen möchte. 5. Das Tatbestandsmerkmal „Ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen“28 Dieses Tatbestandsmerkmal kann wahlweise neben dem Tatbestandsmerkmal der einheitlichen Verfügung erfüllt werden. Aus den Formulierungen ergibt sich, dass ausschließlich auf andere Poolmitglieder übertragen werden muss. Dieses Tatbestandsmerkmal wird nach dem Wortlaut dann nicht erfüllt, wenn an eine Person übertragen wird, die im Zeitpunkt der Schenkung oder des Erbfalls noch nicht Poolmitglied und Gesellschafter der zu übertragenden Gesellschaft ist. Die Finanzverwaltung sollte es aber zulassen, wenn zeitgleich mit der Schenkung der Beitritt zum Poolvertrag erfolgt. Alles andere wäre sinnlose „Förmelei“. 6. Rechtsfolgen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Sind alle Tatbestandsmerkmal erfüllt, so erfolgt eine Zusammenrechnung von Anteilen. Wird durch die Zusammenrechnung die Beteiligungsschwelle von 25 % überschritten, wird das Begünstigungssystem der §§ 13a, 19a EStG angeschaltet. Die Zurechnungswirkung ist wechselseitig, das heißt, sie trifft alle
__________ 27 Vgl. Verfasser, JbFSt. 2008/2009, 133. 28 Vgl. Verfasser, Ubg 2008, 57 ff. (62); JbFSt. 2008/2009, 134.
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Poolteilnehmer in gleicher Weise. Damit ist der Abschluss der Poolvereinbarung eine Option für alle Poolteilnehmer29. Ferner wird nicht nur derjenige begünstigt, der z. B. kraft Mehrheitsstimmrecht herrscht, sondern auch derjenige, der sich zurücknimmt, auf Herrschaftsrechte verzichtet oder schon aus strukturellen Gründen (stimmrechtslose GmbH-Anteile/stimmrechtslose Vorzugsaktien) von vornherein grundsätzlich kein Stimmrecht hat. Dies ist eine interessante Gestaltungsmöglichkeit für den Unternehmer, der seine Unternehmensnachfolge teilweise mit (gemeinnützigen) Stiftungen regelt und stimmrechtslose Anteile auf gemeinnützige Stiftungen überträgt. Überträgt er mit Poolvereinbarung, kann er die bei ihm verbliebene Beteiligung im Begünstigungssystem der §§ 13a, 13b, 19a ErbStG halten, sofern der bei ihm zurückbehaltene Anteil und die schon übertragenen, aber gepoolten Anteile insgesamt mehr als 25 % des Grund- bzw. Stammkapitals der Kapitalgesellschaft ausmachen. Auf die verbliebene Stimmrechtsmacht kommt es nicht an. 7. Poolung im Verwaltungsvermögenstest30 Die Kriterien der Poolungsklausel des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sind auch im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests des § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG relevant. Der Verwaltungsvermögenstest überprüft, ob in der grundsätzlich begünstigungsfähigen Bewertungseinheit „schädliches“, das heißt nicht für die Begünstigung qualifizierendes Betriebsvermögen enthalten ist. Dieses ist gegebenenfalls auszuscheiden bzw. führt dazu, dass insgesamt die Bewertungseinheit die Begünstigung nicht in Anspruch nehmen darf. Gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gehören hierzu auch Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Betriebsvermögen ≤ 25 %. § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG enthält aber eine Gegenausnahme: Gepoolte Anteile qualifizieren als unschädliches Vermögen, wenn sich die Gesellschafter untereinander verpflichten, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben, wenn die gepoolten Anteile die Schädlichkeitsschwelle des Verwaltungsvermögenstests von 25 % überschreiten. Im Gegensatz zu § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist dabei eine Mindestpooldauer, orientiert an der Nachsteuerperiode des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG, nicht erforderlich, da der Verwaltungsvermögenstest stichtagsbezogen erfolgt. Entscheidend ist die Poolung im Zeitpunkt der Erfüllung der Erbschaftsteuertatbestände des § 3 bzw. § 7 ErbStG. Eine Mindestlaufzeit vor dem steuerpflichtigen Ereignis ist im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests auch nicht erforderlich. Insbesondere ist nicht § 13b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 ErbStG einschlägig. Nach dieser Vorschrift gehört Verwaltungsvermögen nicht zum begünstigten Vermögen, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Durch die Poolung wird die Kapitalgesell-
__________ 29 Vgl. Verfasser, Ubg 2008, 57 (62). 30 Vgl. Piltz, JbFSt. 2008/2009, 137 f.; Verfasser, Ubg 2008, 63 f.; Hübner, a. a. O., 437 f.
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Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
schaftsbeteiligung ≤ 25 % vom schädlichen Verwaltungsvermögen in unschädliches Betriebsvermögen umgewandelt. Es liegt also der umgekehrte Fall zu dem Fall vor, der in § 13b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 ErbStG geregelt ist: Aus dem an sich schädlichen Verwaltungsvermögen wird durch Poolung „gutes“ Betriebsvermögen. Für „gutes“ Betriebsvermögen gibt es aber keine Vorbesitzzeiten, damit dieses Vermögen an den Begünstigungen der §§ 13a, 13b, 19b ErbStG teilnimmt. 8. Erbschaftsteuerliche Poolung von Todes wegen Fraglich ist, ob man § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch dann erfüllen kann, wenn man die erbschaftsteuerliche Poolung erst durch erbrechtliche Anordnungen im Testament erreicht. Eine derartige Regelung besteht z. B. aus einer für die Dauer der Nachsteuerperiode angeordneten Dauertestamentsvollstreckung mit der Anordnung an den Testamentsvollstrecker, nur einheitlich über die Anteile zu verfügen und das Stimmrecht einheitlich auszuüben, zusätzlich kombiniert mit der erbrechtlichen Auflage, dass dem Erben schon gehörende Anteile an der Kapitalgesellschaft auch der Verfügungsmacht des Dauertestamentsvollstreckers zu unterstellen sind. Betragen die ererbten Anteile und die Anteile, die durch die erbrechtliche Auflage erfasst werden, mehr als 25 %, könnte § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG einschlägig sein. Eine derartige Kombination von Maßnahmen könnte z. B. im Rahmen eines Nottestaments angezeigt sein. Gegen eine Begünstigungswirkung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, erreicht durch Dauertestamentsvollstreckung mit erbrechtlicher Auflage, schon lebzeitig erhaltene eigene Anteile der Dauertestamentsvollstreckung zu unterstellen, spricht, dass nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG der Poolvertrag im Zeitpunkt des Todes schon „angeschaltet“ sein muss. § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG spricht davon, dass der Erblasser schon verpflichtet sein muss, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben. Zu Lebzeiten ist der Erblasser aber noch nicht gepoolt. Erst im Zeitpunkt des Todes werden die erbrechtlichen Anordnungen wirksam. Für die Zulässigkeit einer derartigen erbrechtlichen Poolung spricht jedoch der Teleos des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG: Weil mit dem Tod klagbare testamentarische Ansprüche auf Bündelung der Anteile sowohl im Stimmrechts als auch im Verfügungsteil entstehen, ist kein Grund ersichtlich, warum man die Begünstigungsvorschrift des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht auch auf den oben beschriebenen Fall anwenden sollte. Mit dem Tode entsteht eine qualifizierte Beteiligung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, die den Restriktionen dieser Vorschrift unterliegt. Das sollte für den Begünstigungstatbestand genügen. 9. Durch Erbfall eintretende Konfusion des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags Schließlich fragt es sich, ob bei einem Zwei-Personen-Poolvertrag § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ohne Verstoß gegen den Nachsteuertatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG zu gewähren ist, wenn sich z. B. Vater und Sohn gepoolt haben, 1053
Christian von Oertzen
der Sohn schon 20 % an der Kapitalgesellschaft hält, der Vater noch 6 % und durch den Tod diese 6 % auf den Sohn übergehen und lebzeitig ein Poolvertrag abgeschlossen wird. Haben sich Vater und Sohn lebzeitig gepoolt, so könnte man annehmen, dass kein Problem existiert, weil dem Vater die 20 % des Sohnes zugerechnet werden, so dass im Zeitpunkt des Todes der Vater eine qualifizierte Beteiligung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hält. Im Zeitpunkt des Todes erlischt jedoch kraft Konfusion der Poolvertrag, weil der Sohn Erbe des Vaters wird und damit nur noch eine Person an dem Pool beteiligt ist, was aber den Poolvertrag zum Erlöschen bringt. Für den Zeitpunkt des Todes ist dies wegen § 10 Abs. 3 ErbStG noch erbschaftsteuerlich irrelevant. Nach dieser Vorschrift gelten die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. Es ist aber in diesem Zusammenhang auch § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG zu beachten: Der Poolvertrag muss für die Dauer der Nachsteuerperiode, also sieben (Regelverschonung) oder zehn Jahre (100 % Verschonung), aufrechterhalten bleiben, ansonsten kommt es zur (anteiligen) Nachversteuerung. In der juristischen Sekunde nach dem Tode ist i. S. d. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG Stimmrechtsbündelung als auch Verfügungsverpflichtung entfallen. Die Konfusion könnte man daher als Aufhebung der Verfügungsbeschränkung und/oder der Stimmrechtsbündelung ansehen, weil durch die Konfusion Verfügungsbeschränkung und Stimmrechtsbündelung entfallen. Ist man dieser Ansicht, so kann der auf einem Poolmitglied vererbte ZweiPersonen-Poolvertrag nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG nicht die Begünstigung i. S. d. §§ 13a, 13b ErbStG herstellen. Gegen diese Auslegung spricht, dass der Sohn nunmehr eine qualifizierte Beteiligung von mehr als 25 % hält. Er benötigt den Poolvertrag überhaupt nicht mehr, weil er ohnehin nunmehr mehr als 25 % an der Kapitalgesellschaft hält. Entscheidend sollte deswegen nur noch sein, ob der Sohn i. S. d. § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG nachsteuerschädlich im Rahmen der Bindefristen verfügt. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG sollte in diesen Sachverhaltskonstellationen tatbestandlich einschränkend interpretiert werden31, zumal das Wort „Aufhebung“ eher auf das Erfordernis eines rechtsgeschäftlichen Handelns bei der Beseitigung des Poolvertrages hindeutet. 10. Kündigung des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags während der Nachsteuerperiode Im Zusammenhang mit der Nachsteuerperiode des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG stellt sich auch die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn der Pool im Rahmen der Nachsteuerperiode nicht insgesamt aufgelöst wird, sondern nur einzelne Anteilseigner den Pool verlassen. Hierbei sind verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden:
__________ 31 Vgl. so auch Hübner, a. a. O., S. 445; vgl. auch Schulz/Althof/Markl, a. a. O., 534.
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Der erbschaftsteuerliche Poolvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
Unstreitig ist die Nachsteuer für diejenigen Anteilseigner mit Anteilen ≤ 25 % nachzuerheben, die den Pool verlassen. Meines Erachtens muss die Vergünstigung aber für diejenigen Anteilseigner und Poolteilnehmer aufrecht erhalten bleiben, die weiter der Poolvereinbarung unterworfen bleiben. Dies gilt jedenfalls solange, wie in dem Pool die Beteiligungsquote von mehr als 25 % erhalten bleibt. Sinkt der Pool unter die Beteiligungsquote von 25 %, so wird das qualifizierte Erfordernis einer Beteiligung von mehr als 25 % nicht mehr erreicht. Das Ausscheiden eines Anteilseigners führt dann nicht nur zur Nachsteuer beim Ausscheidenden, sondern auch bei den im Pool verbleibenden Anteilseigner. Gesellschaftsrechtlich stellt sich dann die Frage, ob der kündigende Gesellschafter Schadenersatz leisten muss. Dies ist eine Frage, die man ausdrücklich in dem Poolvertrag in die eine oder andere Richtung regeln sollte. Die Konsequenzen des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG sollten aber jedenfalls bei dem Anteilseigner nicht gezogen werden, wenn sich innerhalb der Nachsteuerperiode ein Pool auflöst, wenn dieser Anteilseigner mehr als 25 % an der Kapitalgesellschaft hält, da insoweit eine qualifizierte Beteiligung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (unter Umständen auch erst durch den Erbgang entstanden) existiert32. 11. Begünstigung nicht gebundener Anteile durch gebundene Anteile Fraglich ist, ob die freien Anteile eines Gesellschafters begünstigungsfähig i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sind, der Mitglied eines erbschaftsteuerlichen Pools ist, dieser Pool aber nicht sämtliche seiner Anteile erfasst33. Aus dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ergibt sich aber, dass begünstigungsfähig nur diejenigen Anteile sind, die vom Poolvertrag erfasst werden. Es erfolgt eine anteils- und nicht eine gesellschafterbezogene Betrachtung. Anteile, die nicht gepoolt sind und nicht ihrerseits die Beteiligungsschwelle von mehr als 25 % überschreiten, nehmen nicht am Begünstigungssystem teil. Nur die Anteile, die tatsächlich gepoolt und damit erbschaftsteuerlich gebunden sind, können unter § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG qualifizieren. 12. Fernwirkungen des erbschaftsteuerlichen Poolvertrages Der Abschluss des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags kann eine ganze Reihe von sonstigen Rechtsfolgen haben, die bei der Beratung mit zu berücksichtigen sind: Ertragsteuerlich, das heißt körperschaftsteuerlich relevant kann der Abschluss des Poolvertrags im Rahmen des § 8c KStG werden34. Nach § 8c KStG entfällt der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft anteilig oder vollständig, wenn mehr als 25 % oder 50 % der Stimmrechte in einer Körperschaft an einen Erwerber oder an eine diesem nahe stehende Person übertragen werden oder wenn ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Nach Tz. 7 des BMF-
__________ 32 Vgl. Hübner, a. a. O., S. 456. 33 Vgl. hierzu auch Schulz/Althoff/Markl, a. a. O., 532. 34 Vgl. Hannes/von Freeden, Ubg 2008, 624 ff.; dazu auch Hübner, a. a. O., 429.
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Christian von Oertzen
Schreibens vom 4.7.200835 sind vergleichbare Sachverhalte auch Stimmrechtsvereinbarungen36. Der Poolvertrag kann auch gewerbesteuerlich relevant werden im Rahmen des § 10a Satz 9 GewStG. Die Verlustabzugsbeschränkungen des § 8c KStG gelten durch den Verweis in § 10a Satz 9 GewStG auch für gewerbesteuerliche Verluste von Körperschaften. Daneben kann der Abschluss eines Poolvertrags kapitalmarktrechtlich relevant sein, in dem er Meldepflichten nach dem WpHG oder sogar eine Pflicht zur Abgabe eines Überentnahmeangebots nach dem WpÜG bei börsennotierten Anteilen auslöst37. Auch mitbestimmungsrechtliche Rechtsfolgen können ausgelöst werden, wenn ein Beteiligter des Poolvertrags Unternehmen im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes ist (Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates). Schließlich kann der Abschluss eines erbschaftsteuerlichen Poolvertrags auch als Zusammenschluss i. S. d. § 37 Abs. 1 Ziff. 3 GWB qualifiziert werden, der dem BKartA angezeigt werden muss. Auch konzernrechtliche Konsequenzen gem. §§ 15, 17 AktG kann der Abschluss des erbschaftsteuerlichen Poolvertrags haben als Beginn einer Konzernierung.
III. Ausblick Das neue Erbschaftsteuerrecht mit seinen komplexen Tatbeständen in der Unternehmenserbschaftsteuer wirft in der Interpretation und Auslegung zahlreiche zivilrechtliche und steuerrechtliche Umsetzungsfragen auf. Um die Begünstigung zu erreichen, müssen viele Hürden genommen werden. Dies stellt hohe Anforderungen an den Berater, die nur durch einen interdisziplinären Beratungsansatz erfüllt werden können. Gesellschaftsrechtliches und steuerrechtliche Know-how müssen zusammenfließen, so wie dies durch Schaumburg verkörpert wird.
__________ 35 Vgl. BStBl. I 2008, 736. 36 Vgl. zur Kritik aber Hübner, a. a. O., S. 429 sowie van Lishaut, FR 2008, 792. 37 Vgl. §§ 23 ff. WpHG bzw. §§ 30 ff. WpÜG; dazu auch Hübner, a. a. O., 428
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Das neue ErbStG im Spiegel des Gleichheitsgebots (Art. 3 GG) Inhaltsübersicht I. BVerfG zur Erbschaftsteuer
9. Einlage von Verwaltungsvermögen 10. Alles oder nichts bei 85 % Verschonung 11. Alles oder nichts bei 100 %-Verschonung 12. Verschonungszwang (kein Wahlrecht) 13. Unternehmensverkauf innerhalb Behaltefrist 14. Unternehmensverkauf, Unternehmensfortführung, Unternehmensgründung 15. Erbschaftsteuerprogression 16. Einbeziehung von Auslandsvermögen 17. Erbschaftsteuerstundung
II. Verfassungswidrige Ergebnisse des bisherigen Erbschaftsteuerrechts III. BVerfG zu Gleichheitssatz und Erbschaftsteuer (Zitate) 1. Beschluss vom 7.11.2006 (Auszug) 2. Beschluss vom 17.4.2008 (Auszug) IV. Ausgewählte Belastungsergebnisse des neuen ErbStG 1. Festverzinsliche Wertpapiere 2. Vermietete Wohnimmobilie 3. Vermietete Nicht-Wohnimmobilie 4. Familienheim verschenkt oder vererbt 5. Kommanditanteil 6. Aktien oder GmbH-Anteil 7. 25 % Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften 8. Entnahme von Verwaltungsvermögen
V. Verfassungsrechtliche Folgerungen 1. Bewertungsebene 2. Begünstigungsebene a) Selektion b) Begünstigungsdifferenzierung
I. BVerfG zur Erbschaftsteuer Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Erbschaftsteuer ergeben sich hauptsächlich aus den Art. 14 und 3 GG, daneben aus den Art. 6 und 12, ggf. auch Art. 2 GG. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer bzw. einzelner Vorschriften des ErbStG verschiedentlich geprüft: – Beschluss vom 10.2.19761 betreffend die unterschiedliche Bewertung von Kapitalvermögen und Grundbesitz – Beschluss vom 8.3.19832 betreffend die Erbschaftsteuer für eine Familienstiftung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – Beschluss vom 22.6.19953 betreffend die unterschiedliche Belastung von Kapitalvermögen und Grundbesitz
__________
1 BVerfG, BStBl. II 1976, 311 = BVerfGE 41, 269. 2 BVerfG, BStBl. II 1983, 779 = BVerfGE 63, 316. 3 BVerfG, BStBl. II 1995, 671 = BVerfGE 93, 165.
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– Beschluss vom 7.11.20064 betreffend die Bewertung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögens – Beschluss vom 17.4.20085 betreffend die Erbschaftsteuerpflicht kommunaler Wählervereinigungen. In einer gewissen „Nähe“ zu diesen Erbschaftsteuererkenntnissen liegt auch der sog. Vermögensteuerbeschluss des BVerfG vom 22.6.19956 betreffend die Bewertung des der Vermögensteuer unterliegenden Vermögens. Nach dieser Rechtsprechung ist eindeutig, dass das Grundgesetz eine Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer nicht erzwingt. Sowohl der Beschluss vom 22.6.1995 als auch der vom 7.11.2006 ordnen das ersatzlose Auslaufen der Erbschaftsteuer an, wenn nicht bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das ist nur möglich, wenn die deutsche „Steuerwelt“ von Verfassungs wegen auch ohne Erbschaftsteuer gedacht werden kann. Auf der anderen Seite ist die Erhebung der Erbschaftsteuer aber auch nicht grundgesetzwidrig, vielmehr sehr wohl grundsätzlich erlaubt. Das Problem liegt nicht in der Existenz der Erbschaftsteuer dem Grunde nach, sondern in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung. Denn nur in einer ganz bestimmten inhaltlichen Ausgestaltung darf die Erbschaftsteuer erhoben werden. Von den für die Erbschaftsteuer relevanten Artikeln des Grundgesetzes stehen die Art. 3 und 14 im Vordergrund. Art. 14 GG lässt dem Gesetzgeber allerdings einen Spielraum, der so weit geht, dass man seine Grenze mit den Mitteln normaler Rechtsanwendung nicht bestimmen kann. Das Gericht formuliert das wie folgt7: „Der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen findet seine Grenze dort, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt. Die Steuerbelastung darf das Vererben vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eigentümers nicht als ökonomisch sinnlos erscheinen lassen. … Die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer muss den grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie wahren, zu dem die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts gehören; sie darf Sinn und Funktion des Erbrechts als Rechtseinrichtung und Individualgrundrecht nicht zunichte oder wertlos machen.“
Das BVerfG lässt nicht erkennen, dass das bisherige deutsche Erbschaftsteuerrecht gegen diesen Maßstab verstößt. Praktisch relevanter ist Art. 3 GG. Die Vorschrift regelt (entgegen ihrem Wortlaut) nicht nur die Rechtsanwendungsgleichheit (Gleichheit vor dem Gesetz), sondern fordert von dem Gesetzgeber auch die sog. Rechtssetzungsgleichheit8.
__________ 4 5 6 7 8
BVerfG, BStBl. II 2007, 192 = BVerfGE 117, 1. BVerfG, BFH/NV 2008, Beilage 4, 295 = HFR 2008, 854. BVerfG, BStBl. II 1995, 655 = BVerfGE 93, 121. BVerfG v. 22.6.1995, BStBl. II 1995, 671. Zuerst BVerfG v. 12.10.1951, BVerfGE 1, 14 (52), ausführlich Birk in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, § 4 Rz. 435; Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 3 Rz. 52.
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Verkürzt und vereinfacht bemisst sich die Gleichheitsgerechtigkeit einer Steuernorm nach Ansicht des BVerfG nach dem Kriterium des sog. Belastungserfolgs, also dem, was aus der Anwendung des Steuergesetzes bei dem Steuerpflichtigen am Ende herauskommt. Dieser Beitrag unternimmt es, die die Verfassungsrüge auslösenden Regelungen des bisherigen Rechts in ihren Belastungsergebnissen zu skizzieren, dann die darauf bezogenen Aussagen des BVerfG zur Gleichheitsgerechtigkeit der Erbschaftsteuer (wörtlich) zu zitieren, um ihnen danach die Belastungsergebnisse der Anwendung des neuen Erbschaftsteuergesetzes in bestimmten häufigkeitstypischen Sachverhalten gegenüberzustellen, um die normativen Aussagen zu Art. 3 GG an dem Belastungserfolg der neuen Erbschaftsteuernormen widerzuspiegeln.
II. Verfassungswidrige Ergebnisse des bisherigen Erbschaftsteuerrechts Ein wesentliches Kennzeichen der deutschen Erbschaftsteuer, wie sie das BVerfG in dem Beschluss vom 7.11.2006 zu beurteilen hatte, waren ihre teilweise erratischen Ergebnisse im Belastungserfolg. Erwerber mit gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit konnten vollständig unterschiedlich besteuert werden bis hin zu der Extremsituation, dass aus einem wirtschaftlichen Positivvermögen ein steuerlicher sog. Negativerwerb werden konnte. Die Gründe für diese erratischen Ergebnisse lagen im Kern in drei Regelungselementen: Steuerwerte: Der Steuerwert (für die Erbschaftsteuer maßgebende Bemessungsgrundlage) von Grundvermögen lag (nicht immer, aber) meistens unterhalb des Verkehrswerts des Grundvermögens, häufig im Bereich von 50–80 % des Verkehrswerts. Der Steuerwert von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen lag ausnahmslos unterhalb seines Verkehrswerts, meistens im Bereich von 5–10 % des Verkehrswerts. Der Steuerwert von Unternehmen hing von deren Rechtsform und Börsennotierung ab. Bei börsennotierten Aktien entsprach der Steuerwert deren Börsenkurs, ggf. zzgl. eines Paketzuschlags, d. h. im allgemeinen dem Verkehrswert. Bei nicht börsennotierten Unternehmen war der Steuerwert rechtsformabhängig. Bei Personenunternehmen (Einzelnunternehmen und Personengesellschaften) entsprach der Steuerwert (mit Modifizierungen für Grundbesitz und Anteile an Kapitalgesellschaften) im Wesentlichen dem Steuerbilanzwert des Unternehmens. Er lag damit gewöhnlich deutlich unter dem Verkehrswert, bisweilen drastisch. Nur ausnahmsweise konnte er auch einmal darüber liegen, z. B. bei einem substanzstarken, langjährig unrentablen Unternehmen. Der Steuerwert von Anteilen an Kapitalgesellschaften wurde (mangels Anteilskaufpreisen binnen eines Jahres vor dem Stichtag) nach dem sog. Stuttgarter Verfahren ermittelt. In neun von zehn Fällen lag der daraus resultierende 1059
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Steuerwert unterhalb des Verkehrswerts, wenngleich in hoch unterschiedlichem Maße. Die rechtsformabhängigen Bewertungsunterschiede konnten je nach Struktur des betreffenden Unternehmens extrem sein und viele Tausend Prozent ausmachen. Beispiel: Die Bilanz einer Steuerberatungspraxis wies Aktiva (Büroeinrichtung usw.) von 50.000 Euro und eine Darlehensschuld von ebenfalls 50.000 Euro aus. Es wurde ein Jahresumsatz von 1 Mio. Euro erwirtschaftet, aus dem ein Jahresgewinn von 500.000 Euro resultierte. In der Rechtsform des Einzelunternehmens oder der Personengesellschaft war der Steuerwert des Praxis Null. Die gleiche Praxis in der Rechtsform der GmbH hatte einen Steuerwert gem. Stuttgarter Verfahren von ca. 1,7 Mio. Euro (68 % von 2,5 Mio. Euro). Schuldenabzug: Die bereits dem Verkehrswert weitgehend nicht entsprechende Bewertung der Aktiva wurde noch verstärkt durch die Behandlung von Schulden. Als Teil eines Betriebsvermögens waren Schulden sowohl im Erbfall wie bei Schenkung zur Gänze abzugsfähig. Gingen diese Schulden zusammen mit Privatvermögen oder land- und forstwirtschaftlichem Vermögen über, konnten sie im Erbfall zu ihrem Nominalwert abgezogen werden (unabhängig vom Wertansatz der Aktiva), während sie bei einer Schenkung zusammen mit den Aktiva nur anteilig abziehbar waren9. Diese Regeln konnten dazu führen, dass Vermögen, welches wirtschaftlich einen beträchtlichen positiven Wert darstellte, steuerlich sogar als Negativvermögen auszuweisen war. Beispiel: A vererbte Grundbesitz im Verkehrswert von 1 Mio. Euro und Steuerwert von 600.000 Euro, belastet mit einer valutierten Hypothek von 800.000 Euro sowie festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 200.000 Euro. Der Verkehrswert der Erbschaft betrug 400.000 Euro, ihr Steuerwert nach bisherigem Recht null. Der Negativwert der Immobilie von – 200.000 Euro neutralisierte sogar noch den Positiverwerb der festverzinslichen Wertpapiere. Unternehmensbegünstigung nach Wahl: Das dritte Element lag darin, dass die Unternehmensbegünstigungen (Unternehmensfreibetrag von 225.000 Euro, Wertabschlag von 35 %, Steuerklasse I) nach Wahl der Steuerpflichtigen für jede Art von Vermögen, auch nichtunternehmerisches Vermögen, erlangt werden konnten, und zwar durch die ertragsteuerliche Zuordnung solchen Vermögens zu unternehmerischem Vermögen, insbesondere durch Einlage in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft.
__________ 9 Gemischte Schenkung, s. R 17 ErbStR.
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Das neue ErbStG im Spiegel des Gleichheitsgebots (Art. 3 GG)
Beispiel: A vererbte 100 Mio. Euro festverzinsliche Wertpapiere an einen Nichtverwandten. Die Erbschaftsteuer betrug 50 Mio Euro. Alternative: A legte die festverzinslichen Wertpapiere in eine GmbH & Co. KG ein und vererbte die Anteile an dieser. Die Erbschaftsteuer betrug noch 21,1 Mio Euro. Dass die vorstehenden Belastungsergebnisse gegen die Idee einer gleichmäßigen Besteuerung verstießen, war dem gesunden juristischen Menschenverstand schon immer klar. Trotzdem hatten sich Steuerpflichtige und Finanzverwaltung in dieser Rechtssituation „eingerichtet“. Die Finanzverwaltung hatte offenbar nichts gegen diese Rechtslage, die sie als Initiator der Gesetzgebung (mit) herbeigeführt hatte. Die von der Rechtslage begünstigten Steuerpflichtigen hatten keinen Grund, sich zu beklagen. Die von der Rechtslage benachteiligten Steuerpflichtigen führten keine Rechtsmittel, insbesondere auch keine Verfassungsbeschwerden, weil ihnen klar war, dass sie damit ihr Ziel, nämlich eine steuerliche Behandlung wie die „ungerecht bevorteilten“ Steuerpflichtigen, nicht würden erreichen können (keine Gleichheit im Unrecht). Als es doch einmal eine Steuerpflichtige versucht hatte, brachte sie zwar Teile des bis dahin geltenden Erbschaftsteuerrechts zum Einsturz, aber in ihrer eigenen Sache verlor sie. Im Erbschaftsteuerbeschluss des BVerfG vom 22.6.1995 hatte bekanntlich eine Steuerpflichtige der ungünstigen Steuerklasse (damals) IV, die Wertpapiere im Steuer- und Verkehrswert von 1 Mio. Euro geerbt hatte, darauf geklagt, damit so besteuert zu werden wie ein Erbe von Grundbesitz im Verkehrswert von 1 Mio. Euro, dessen erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage bei ca. 30 % des Verkehrswertes gelegen hätte. Auch das BVerfG half der Steuerpflichtigen nicht, sondern verwies (wegen Wertverfalls der Wertpapiere) nur auf den Billigkeitsweg. Seitdem hat diesen Versuch kein Steuerpflichtiger mehr unternommen. In dieser „klägerlosen“ Situation ergriff der II. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 22.5.200210 die Initiative und legte die ihm besonders erratisch erscheinenden Punkte des deutschen Erbschaftsteuerrechts dem BVerfG zur Prüfung vor, wobei er in didaktisch klug gewählten Beispielen die praktischen Rechtsfolgen der von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Vorschriften auflistete. Bekanntlich hat das BVerfG im Beschluss vom 7.11.2006 mit den oben dargestellten Bewertungsregeln einschließlich des Schuldenabzugs „aufgeräumt“ und diese für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen den Gleichheitssatz verstießen, teilweise mit deutlichen Wertungen wie „willkürlich“, „zufällig“, „völlig ungleichmäßig“, „nicht vertretbar“, „umfassend mangelhaft“. Wie ihm vom BVerfG aufgegeben, hat der Gesetzgeber mit der Schaffung eines erneuerten ErbStG11 reagiert, das ab 1.1.2009 für sämtliche Erbfälle und Schenkungen gilt (alternativ neben dem bisherigen Recht rückwirkend auch für Erbfälle ab 1.1.2007).
__________ 10 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598. 11 Als Teil des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
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III. BVerfG zu Gleichheitssatz und Erbschaftsteuer (Zitate)12 1. Beschluss vom 7.11.2006 (Auszug) 1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (Zitat)13. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (Zitat). 2. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (Zitat). Diese grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit (Zitat). a) Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit gefunden, wobei die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist (Zitat). Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Das danach – unbeschadet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen – gebotene Gleichmaß verwirklicht sich in dem Belastungserfolg, den die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen bewirkt (Zitat). Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert allerdings nicht einen gleichen Beitrag von jedem Inländer zur Finanzierung der Gemeinlasten, sondern verlangt, dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird (Zitat). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten nicht nur des einzelnen Falles, sondern gegebenenfalls auch ganzer Gruppen vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (Zitat). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (Zitat).
__________ 12 Kursive Hervorhebungen vom Verfasser. 13 Alle Zitate verweisen auf Entscheidungen des BVerfG.
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b) Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands hat der Gesetzgeber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (Zitat). Das hindert den Gesetzgeber nicht daran, außenfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen (Zitat). Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden (Zitat). Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (Zitat). Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe kann die Entlastung dabei im Ausnahmefall in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden. Die Lenkung mit Hilfe des Steuerrechts nimmt in Kauf, dass das Lenkungsziel nicht in jedem Fall erreicht wird. Sie ist ein Instrument zur Annäherung an ein Ziel (Zitat). In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (Zitat). Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (Zitat). Außerdem muss der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen (Zitat) und seinerseits wiederum gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (Zitat). Die Begünstigungswirkung muss den Begünstigungsadressaten daher möglichst gleichmäßig zugute kommen. Sie darf nicht von Zufälligkeiten abhängen und deshalb willkürlich eintreten, sondern muss sich direkt von der Entlastungsentscheidung des Gesetzgebers ableiten lassen. Erforderlich ist schließlich auch ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands (Zitat). 3. a) Die Erbschaftsteuer ist eine Erbanfallsteuer; sie besteuert damit nicht den Nachlass als solchen, sondern die beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall eintretende Bereicherung (Zitat). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gemäß seinem Wert zu erfassen und die daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leis1063
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tungsfähigkeit (die durch Erbfall oder Schenkung vermittelte Bereicherung) des Erwerbers – wenn auch in unterschiedlichen Steuersätzen nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und dem Wert des Erwerbs – zu besteuern (§ 10 Abs. 1 ErbStG). b) Diese Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, aufgrund derer er mit der Erbschaftsteuer – vom Sonderfall der periodischen Besteuerung des Vermögens von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) abgesehen – den Transfer von Vermögenssubstanz einmalig belastet, hat mit Blick auf den Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. aa) Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden (Zitat). Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist wegen der beschriebenen Belastungsentscheidung des Gesetzgebers nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Denn die durch den Vermögenszuwachs beim Erwerber entstandene finanzielle Leistungsfähigkeit besteht darin, dass er aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Letzterer kann durch den Verkauf des Wirtschaftsguts realisiert werden. Die durch den Erwerb eines nicht in Geld bestehenden Wirtschaftsguts vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit wird daher durch den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, mithin durch den gemeinen Wert i. S. d. § 9 Abs. 2 BewG, bemessen. Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung. c) Aufbauend auf Werten, die nach diesen Vorgaben seiner Belastungsentscheidung entsprechend ermittelt worden sind, ist es dem Gesetzgeber auch im Erbschaftsteuerrecht unbenommen, in einem zweiten Schritt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage steuerliche Lenkungsziele zu verwirklichen. Mittels Belastungs- und Verschonungsregelungen, die den oben unter C. 1. 2. b) dargestellten Anforderungen an Lenkungsnormen genügen, kann er bei Vorliegen ausreichender Rechtfertigungsgründe die Bemessungsgrundlage zielgenau modifizieren. Derartige Bestimmungen finden sich im geltenden Erbschaftsteuerrecht etwa in § 13a ErbStG. Wird der Lenkungszweck im Einzelfall verfehlt, kann dem über Nachversteuerungsvorbehalte wie beispielsweise in § 13a Abs. 5 ErbStG Rechnung getragen und die durch die steuerliche Lenkung nicht mehr gerechtfertigte Ungleichbehandlung rückgängig gemacht werden. Die Ausgestaltung solcher Korrektive würde hingegen bei einer steuerlichen Lenkung schon auf der Bewertungsebene zu nur schwer handhabbaren Problemen führen. 1064
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d) Schließlich kann der Gesetzgeber im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen auch Differenzierungen beim Steuersatz vorsehen. Von dieser Möglichkeit hat er im geltenden Erbschaftsteuerrecht nicht nur bei der Staffelung des § 19 Abs. 1 ErbStG Gebrauch gemacht, sondern er hat sich mit der Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG des Steuersatzes auch als Mittel steuerlicher Lenkung bedient. Bei Vorliegen ausreichender Rechtfertigungsgründe bestehen hiergegen ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 2. Beschluss vom 17.4.2008 (Auszug) Eine ungleiche Behandlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen ist am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen. Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (Zitat). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird (Zitat). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen … Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen … Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des ESt-Rechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (Zitat). Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Er muss aber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umsetzen … Diese Maßstäbe gelten auch für das ErbSt- und SchenkSt-Recht. Der Gleichheitssatz fordert auch bei der ErbSt, dass die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist und die Steuerpflichtigen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (Zitat). 1065
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Der Gesetzgeber ist im ErbSt- und SchenkSt-Recht ebenso wie in anderen Bereichen des Steuerrechts grundsätzlich nicht gehindert, bestimmte Personen, Gruppen oder Sachverhalte aus Gründen des Gemeinwohls steuerlich zu begünstigen (Zitat). Der Gesetzgeber darf nicht durch die Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Steuerliche Begünstigungsnormen müssen aber besonderen Anforderungen genügen. Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls lenken will (Zitat). Neben der Orientierung einer steuerlichen Förderung am Gemeinwohl muss der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen (Zitat) und seinerseits wiederum gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (Zitat).
IV. Ausgewählte Belastungsergebnisse des neuen ErbStG Es ist nicht die Regel, dass der BFH seine Entscheidungen mit Beispielen verdeutlicht. Beispiele werden in der Rechtswissenschaft gewöhnlich eingesetzt, wenn die abstrakten Regeln so kompliziert oder schwer verständlich oder unklar sind, dass ein Beispiel zu ihrer Erläuterung erforderlich ist. Bei den Regeln des bisherigen Erbschaftsteuerrechts, die das BVerfG im Beschluss vom 7.11.2006 für verfassungswidrig befunden hat, ergab sich ihr Inhalt i. S. d. Belastungsergebnisses nicht immer ganz einfach aus der bloßen Lektüre. Da es für die Verfassungswidrigkeit bekanntlich auf den Belastungserfolg ankommt, hat der BFH in seinem Beschluss vom 22.5.200214 das bisherige Erbschaftsteuerrecht verfassungsrechtlich an dem gemessen, was „hinten heraus kommt“, nämlich am Belastungserfolg. Dieser zeigt sich in der erbschaftsteuerlichen Belastung eines bestimmten einzelnen Sachverhalts. In ähnlicher Weise wie es der BFH getan hat, sollen im Folgenden einfache Sachverhalte zur Demonstration des Belastungserfolges im neuen Erbschaftsteuerrecht dienen. Diese Sachverhalte sind keine Randerscheinungen, sondern stehen im Mittelpunkt praktischer Arbeit mit dem Gesetz und sie sind auch die häufigsten. Sie sind zu lesen als Spiegel zu den vorstehenden Ausführungen des BVerfG (alle Rechnungen zur Vereinfachung ohne Freibeträge). 1. Festverzinsliche Wertpapiere A vererbt an E festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 10 Mio Euro. Keine Unternehmensbegünstigung. E zahlt Erbschaftsteuer je nach Verwandtschaftsgrad (Steuerklasse) – als Kind in Steuerklasse I 23 % = 2,3 Mio. Euro
__________ 14 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598.
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– als Geschwister in Steuerklasse II 50 % = 5 Mio. Euro – als Fremder in Steuerklasse III 50 % = 5 Mio. Euro 2. Vermietete Wohnimmobilie Fall 1: A vererbt an E eine im Privatvermögen gehaltene, vermietete Wohnimmobilie mit 40 Wohnungen ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Verkehrswert von 10 Mio. Euro. Keine Unternehmensbegünstigung, aber 10 % Abschlag. E zahlt Erbschaftsteuer auf 90 % des Verkehrswerts, also auf 9 Mio. Euro je nach Steuerklasse – in Steuerklasse I 23 % = 2,07 Mio. Euro – in Steuerklasse II und III 50 % = 4,5 Mio. Euro Fall 2: A vererbt eine vermietete Wohnimmobilie mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb mit 40 Wohnungen im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, die Teil eines Betriebsvermögen ist. Unternehmensbegünstigung greift. E zahlt Erbschaftsteuer auf 100 % des Verkehrswerts stets in Steuerklasse I – bei 85 % Verschonung 2,85 % = 285.000 Euro, falls kein Verwaltungsvermögen von mehr als 50 % vorhanden ist, oder wahlweise – bei 100 % Verschonung 0 Euro, falls kein Verwaltungsvermögen von mehr als 10 % vorhanden ist. 3. Vermietete Nicht-Wohnimmobilie A vererbt an E eine vermietete Büroimmobilie im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, die Teil seines Privat- oder Betriebsvermögens ist. Keine Unternehmensbegünstigung, kein 10 %-Wertabschlag. E zahlt auf den Verkehrswert die volle Erbschaftsteuer je nach Steuerklasse, also – in Steuerklasse I 23 % = 2,3 Mio. Euro – in Steuerklasse II und III 50 % = 5 Mio. Euro Ebenso wäre es bei einem vermieteten Supermarkt und sämtlichem anderen vermieteten Grundbesitz, der nicht in Wohnimmobilien besteht. 4. Familienheim verschenkt oder vererbt Fall 1: M schenkt seiner Ehefrau F das ihm allein gehörende von beiden bewohnte Familienheim im Verkehrswert von 1 Mio. Euro und stirbt kurz darauf. Ein halbes Jahr später verkauft F das Haus, weil es für sie alleine zu groß ist. 1067
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F erwirbt das Haus schenkungsteuerfrei. Die spätere Veräußerung führt nicht zu einer Nachsteuer. Fall 2: M vererbt das Haus an F, die es ein halbes Jahr nach dem Erbfall verkauft, weil es ihr zu groß ist. Der Erwerb der F durch Erbanfall ist zunächst steuerfrei. Sie muss die Erbschaftsteuer aber voll nachzahlen, wenn sie das Haus verkauft. 5. Kommanditanteil A vererbt an E einen 5 %-Kommanditanteil im Verkehrswert von 10 Mio. Euro. Die Unternehmensbegünstigung greift. E zahlt Erbschaftsteuer unabhängig von seinem Verwandtschaftsgrad zu A – bei Verwaltungsvermögen bis 50 % 2,85 % = 285.000 Euro – bei Verwaltungsvermögen bis 10 % 0 Euro Auf die Beteiligungsquote an der KG kommt es nicht an. 6. Aktien oder GmbH-Anteil Fall 1: A vererbt an E einen 5 % AG- oder GmbH-Anteil im Verkehrswert von 10 Mio. Euro ohne Poolvertrag (Stimmbindung und Verfügungsbeschränkung). Keine Unternehmensbegünstigung. E zahlt – in Steuerklasse I 23 % = 2,3 Mio. Euro – in Steuerklasse II und III 50 % = 5 Mio. Euro Fall 2: A vererbt an E einen 5 % AG- oder GmbH-Anteil im Verkehrswert von 10 Mio. Euro mit Poolvertrag. Die Unternehmensbegünstigung greift. E zahlt unabhängig vom Verwandtschaftsgrad – bei Verwaltungsvermögen bis 50 % 2,85 % = 285.000 Euro – bei Verwaltungsvermögen bis 10 % 0 Euro 7. 25 % Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften Fall 1: A vererbt an E einen Anteil von 25 % an einer operativ tätigen GmbH im Verkehrswert von 10 Mio. Euro. E zahlt auf den Verkehrswert Erbschaftsteuer – in Steuerklasse I von 2,3 Mio. Euro – in Steuerklasse II und III von 5 Mio. Euro 1068
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Fall 2: A vererbt an E einen Anteil von 25,01 % an einer operativ tätigen GmbH im Verkehrswert von 10 Mio. Euro. E zahlt unabhängig von der Steuerklasse eine Erbschaftsteuer von 285.000 Euro (85 %-Verschonung) oder sogar von 0 Euro (100 %-Verschonung). Fall 3: A ist zu 25 % an einer operativ tätigen GmbH beteiligt (keine Unternehmensbegünstigung). Er erwirbt durch Kapitalerhöhung oder Zukauf 0,1 % hinzu und vererbt den Anteil an E. Die Unternehmensbegünstigungen greifen, weil die Beteiligungsquote über 25 % liegt. Weiterentwicklung: E stock seine Beteiligung alsbald wieder auf 25 % ab. Hinsichtlich der 0,1 % findet eine (verschmerzbare) Nachversteuerung statt. Aber die Unternehmensbegünstigung geht nicht rückwirkend zur Gänze verloren. Fall 4: A und B sind zu je 13 % an einer operativ tätigen GmbH beteiligt und verschenken diese Anteile gleichzeitig an E. Obwohl E durch den Erbfall in den Besitz von 26 % kommt, greifen die Unternehmensbegünstigungen nicht, weil es auf die Beteiligungsquote bei dem Schenker ankommt, nicht beim Empfänger. E zahlt auf den Verkehrswert ungemildert Erbschaftsteuer je nach Steuerklasse. Fall 5: A und B bringen ihre Beteiligungen von jeweils 13 % in das Gesamthandsvermögen einer GbR oder OHG ein, an der jeder von ihnen zu 50 % beteiligt ist. Der Gesellschaftsvertrag erfüllt die Anforderungen eines Poolvertrages i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Sie verschenken die Gesellschaftsanteile gleichzeitig an E. E zahlt die gleiche Steuer wie im Fall 4, also ohne Begünstigung. Zwar sind die Anteile gepoolt, die GmbH-Anteile werden nach Auffassung der Finanzverwaltung aber nicht mehr „unmittelbar“ gehalten (R 53 Abs. 2 Satz 3 ErbStR). Fall 6: A und B bringen die Anteile von je 13 % an der operativ tätigen GmbH in eine gewerblich genutzte GmbH & Co. KG ein, an der jeder von ihnen zu 50 % beteiligt ist, und verschenken die KG-Anteile gleichzeitig an E. Hier greift die Unternehmensbegünstigung ein. Die Beteiligung an der KG ist als Betriebsvermögen begünstigt und die Beteiligung der KG an der GmbH ist kein schädliches Verwaltungsvermögen, weil sie 25 % überschreitet (unterstellt, dass die GmbH selbst nicht mehr als 50 % Verwaltungsvermögen besitzt).
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8. Entnahme von Verwaltungsvermögen Fall 1: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 4 Mio. Euro. Darin enthalten ist ein Verwaltungsvermögengrundstück mit Verkehrswert 6 Mio. Euro, das zu 6 Mio. Euro fremdfinanziert ist. Keine Unternehmensbegünstigung, da das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt. E zahlt auf das ganze Unternehmen ErbSt von 19 % = 760.000 Euro, weil es sich bei der Beurteilung der schädlichen Verwaltungsvermögensquote um eine reine Betrachtung der Aktivposten handelt. Eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten findet nicht statt. Fall 2: Einen Tag vor dem Erbfall entnimmt A das Grundstück und die Schuld aus dem Unternehmen. E zahlt 0 Euro auf das Unternehmen, weil er die 100 %-Verschonung in Anspruch nehmen kann und ebenfalls 0 Euro auf das Grundstück, weil das Darlehen den Grundstückswert neutralisiert. 9. Einlage von Verwaltungsvermögen Fall 1: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 5 Mio. Euro (ohne Verwaltungsvermögen) und zusätzlich festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 5 Mio. Euro. E zahlt auf das Unternehmen Erbschaftsteuer von 0 Euro (100 % Verschonung), auf die Wertpapiere in Steuerklasse I 19 % = 950.000 Euro, in Steuerklasse II und III 30 % = 1,5 Mio. Euro. Fall 2: Mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall legt A die Wertpapiere in das Unternehmen ein, dessen Verkehrswert danach 10 Mio. Euro beträgt. Unternehmensbegünstigung greift. E zahlt auf alles Erbschaftsteuer von 285.000 Euro (85 % Verschonung). 10. Alles oder nichts bei 85 % Verschonung A vererbt an E einen 100 % GmbH-Anteil im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, wobei die GmbH 50 % Verwaltungsvermögen hält. E zahlt unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis 285.000 Euro Erbschaftsteuer. In einer späteren Betriebsprüfung wird festgestellt, dass entweder das Verwaltungsvermögen 100 Euro (!) höher war als 5 Mio. Euro oder dass der Verkehrswert der GmbH 100 Euro geringer war als 10 Mio. Euro.
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In beiden Fällen fällt die Unternehmensbegünstigung zur Gänze weg. E muss je nach Steuerklasse den Erwerb besteuern – in Steuerklasse I mit 2,3 Mio. Euro Erbschaftsteuer – in den Steuerklasse II und III mit 5 Mio. Euro Erbschaftsteuer. 11. Alles oder nichts bei 100 %-Verschonung A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 10 Mio. Euro mit genau 10 % Verwaltungsvermögen. Erbe E stellt den Antrag auf 100 %-Verschonung und zahlt keine Erbschaftsteuer. In einer Betriebsprüfung ermittelt der Betriebsprüfer den Gesamtwert des Unternehmens mit 100 Euro weniger als 10 Mio. Euro oder das Verwaltungsvermögen mit 100 Euro mehr als 1 Mio. Euro. Damit verfehlt das Unternehmen die 10 %-Grenze. E gerät in die Regelbesteuerung und zahlt statt 0 Euro nunmehr je nach Steuerklasse – in Steuerklasse I 2,3 Mio. Euro Erbschaftsteuer – in den Steuerklassen II und III 5 Mio. Euro Erbschaftsteuer. Nach bisheriger Erkenntnis kann E nicht auf die 85 %-Verschonung (Verwaltungsvermögen bis 50 %) umsteigen, obwohl er deren gesetzgeberische Absicht der Begünstigung bis zu einem Verwaltungsvermögen von 50 % geradezu übererfüllt. 12. Verschonungszwang (kein Wahlrecht) A vererbt an E einen GmbH-Anteil im Verkehrswert von 6 Mio. Euro, den er vor der Finanzmarktkrise voll fremdfinanziert für 10 Mio. Euro gekauft hatte, sowie Wertpapiere im Wert von 4 Mio. Euro. Die Schuld von 10 Mio. Euro besteht noch. Wirtschaftlich erbt E den GmbH-Anteil im Wert von 6 Mio. Euro plus die Wertpapiere im Wert von 4 Mio. Euro und die Schuld von 10 Mio. Euro, also 0 Euro. Aber: Die Unternehmensbegünstigung in Form der 85 %-Verschonung ist zwingend! Daraus folgt, dass der GmbH-Anteil in den Aktiverwerb mit 900.000 Euro eingeht. Zusammen mit den Wertpapieren erbt E Aktivvermögen von 4.900.000 Euro. Die mit dem GmbH-Anteil zusammenhängende Schuld darf aber nur zu 15 % abgezogen werden, also mit 1.500.000 Euro. Der steuerliche Erwerb des E beläuft sich also auf 3.400.000 Euro, obwohl er wirtschaftlich 0 erworben hat. 13. Unternehmensverkauf innerhalb Behaltefrist A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 10 Mio. Euro. E verkauft das Unternehmen nach fünf Jahren für 10 Mio. Euro. 1071
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E zahlt Erbschaftsteuer – bei 85 % Verschonung zum Zeitpunkt des Erbfalls 285.000 Euro. Zum Zeitpunkt der Nachversteuerung kommen 461.430 Euro15 hinzu. Abgezinst auf den Zeitpunkt des Erbfalls mit 5 % beträgt der Barwert der Nachsteuer 361.530 Euro; – bei 100 % Verschonung zum Zeitpunkt des Erbfalls 0 Euro. Die Nachsteuer beträgt 950.000 Euro16. Der Barwert der Nachsteuer auf den Erbfall abgezinst beträgt bei 5 % Zins 744.300 Euro. Wenn E in den fünf Jahren seiner Besitzzeit aus dem Unternehmen einen angemessenen Jahresgewinn erwirtschaftet hat, steht er trotz Nachversteuerung günstig. 14. Unternehmensverkauf, Unternehmensfortführung, Unternehmensgründung Fall 1: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, welches E zwei Wochen nach dem Erbfall verkauft, ohne in ein Unternehmen zu reinvestieren. E zahlt (im Ergebnis) auf 10 Mio. Euro Erbschaftsteuer je nach Verwandtschaftsverhältnis zu A, also – in Steuerklasse I 2,3 Mio. Euro, – in Steuerklasse II und III 5 Mio. Euro. Fall 2: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, welches E völlig unverändert fortführt (keine Neuinvestitionen, keine neuen Arbeitsplätze). E zahlt unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zu A je nach Verschonungsweg entweder 0 Euro oder 285.000 Euro Erbschaftsteuer. Fall 3: A vererbt an E 10 Mio. Euro in bar. E gründet einen Monat nach der Erbschaft ein Unternehmen, kauft Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Betriebsausstattung und stellt 100 Arbeitnehmer ein. E zahlt auf die Bar-Erbschaft von 10 Mio. Euro Erbschaftsteuer – in Steuerklasse I von 2,3 Mio. Euro – in Steuerklasse II und III 5 Mio. Euro Die Tatsache, dass E sich volkswirtschaftlich „am wertvollsten“ verhält, ändert an der Besteuerung nichts.
__________ 15 Berechnung: 8,5 Mio. x 2/7 = 2.428.600 x 19 % = 461.430. 16 Berechnung: 10 Mio. x 5/10 = 5.000.000 x 19 % = 950.000.
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15. Erbschaftsteuerprogression Fall 1: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 5 Mio. Euro mit 85 %Verschonung. E zahlt Erbschaftsteuer i. H. v 142.500 Euro (= effektiv 2,85 %). Fall 2: A vererbt an E ein Unternehmen im Verkehrswert von 40 Mio. Euro mit 85 %Verschonung. E zahlt Erbschaftsteuer i. H. v. 1.140.000 Euro (= effektiv 2,85 %). Zwischen den Verkehrswerten von 5 Mio. Euro bis 40 Mio. Euro gibt es keine Progression, wenn die 85 %-Verschonung greift. 16. Einbeziehung von Auslandsvermögen Fall 1: A vererbt an E seinen Anteil an einer amerikanischen gewerblich tätigen Partnership (ohne schädliches Verwaltungsvermögen) im Verkehrswert von 10 Mio Euro. Da die Partnership weder in Deutschland noch der EU/EWR liegt, gibt es keine Unternehmensbegünstigung. E zahlt – in Steuerklasse I 2,3 Mio Euro. – in Steuerklasse II und III 5 Mio Euro. (ggf. unter Anrechnung amerikanischer Erbschaftsteuer). Fall 2: A bringt die Beteiligung an der amerikanischen Partnership in eine deutsche GmbH & Co. KG oder eine deutsche GmbH ein und vererbt die Anteile an diesen (arbeitnehmerlosen) Gesellschaften an E. Die Unternehmensbegünstigungen greifen ein. E zahlt unabhängig vom Verwandtschaftsgrad 285.000 Euro oder 0 Euro. 17. Erbschaftsteuerstundung Fall 1: A vererbt an E eine GmbH & Co. KG, deren Vermögen allein aus einer vermieteten Büroimmobilie im Wert von 10 Mio. Euro besteht. E zahlt die Erbschaftsteuer auf den vollen Verkehrswert – in Steuerklasse I 2,3 Mio. Euro – in Steuerklassen II und III 5 Mio. Euro. Aber: Soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist, ist dem E die Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahre zinslos zu stunden. Bei 5 % Zinssatz 1073
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ermäßigt sich die Erbschaftsteuer dadurch auf 1.412.000 Euro bei 23 % Steuersatz oder auf 3.069.500 Euro bei 50 % Steuersatz. Fall 2: A vererbt an E eine GmbH im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, deren Vermögen allein aus einer vermieteten Büroimmobilie besteht. E zahlt auf den vollen Verkehrswert je nach Steuerklasse 2,3 Mio. Euro oder 5 Mio. Euro. Eine Stundung wie bei der KG ist ausgeschlossen. Fall 3: A vererbt an E vermietete Wohnimmobilien im Verkehrswert von 10 Mio. Euro ohne einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. E zahlt auf 90 % des Verkehrswerts je nach Steuerklasse 2,07 Mio. Euro oder 4,5 Mio. Euro. Aber: Soweit E die Steuer nur durch Veräußerung der Immobilien aufbringen kann, wird ihm die Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahre zinslos gestundet. Bei einem Zinssatz von 5 % beträgt die effektive Belastung je nach Steuerklasse 1,27 Mio. Euro oder 2,76 Mio. Euro. Fall 4: A vererbt an E eine GmbH im Verkehrswert von 10 Mio. Euro, deren Vermögen ausschließlich aus vermieteten Wohnimmobilien ohne einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb besteht. E zahlt auf den vollen Verkehrswert Erbschaftsteuer – in Steuerklasse I von 2,3 Mio. Euro, – in Steuerklasse II und III von 5 Mio. Euro. Eine Stundung wie in Fall 3 ist nicht möglich. In den vorstehenden Nicht-Stundungsfällen ist allenfalls eine Stundung nach § 222 AO möglich, wonach die Finanzbehörden Steuern stunden können, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint.
V. Verfassungsrechtliche Folgerungen Der Vergleich zwischen den Anforderungen des BVerfG und den Belastungsergebnissen spricht für sich selbst. Deshalb nur einige kurze Folgerungen. 1. Bewertungsebene Die Erratik des geltenden Rechts auf der Bewertungsebene ist durch das neue ErbStG in verfassungskonformer Weise beseitigt worden (vielleicht außer Land- und Forstwirtschaft). 1074
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Überbewertungen bei Unternehmen kann der Steuerpflichtige durch Rückgriff auf Bewertungsgutachten vermeiden. Unterbewertungen werden die auch vom BVerfG erlaubte Unschärfegrenze („Annäherungswert an den gemeinen Wert“) einhalten. Krasse Unterbewertungen, zu denen die Steuerpflichtigen im Rahmen der von ihnen in einem ersten Schritt selbst vorzunehmenden Bewertung versucht sein könnten, wird die Finanzverwaltung abzuwehren wissen. Die Anzahl der Bewertungsstreitfälle wird allerdings zunehmen. Das ist der Unterschied zum Stuttgarter Verfahren. Dessen Ergebnisse lagen ca. in neun von zehn Fällen unterhalb des Verkehrswertes, allerdings im unterschiedlichen Ausmaß. Trotz dieser ungleichen Unterbewertung hielt sich die Anzahl der Streitfälle in Grenzen, weil eben meistens ein Wert unterhalb des Verkehrswertes herauskam. Nur in einem von zehn Fällen hatten die Steuerpflichtigen Anlass, die Bewertung anzugreifen. Wenn Bewertungsziel grundsätzlich genau der gemeine Wert ist und die vom Gesetz vorgeschriebenen Wertmaßstäbe ihn treffen wollen, werden sich per Definition mehr Steuerpflichtige (ob zu Recht oder Unrecht) falsch bewertet fühlen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 199 ff. BewG) wird verschiedentlich mit der Begründung für verfassungswidrig gehalten, dass es in einer Vielzahl von Fällen zu Überbewertungen führen werde. Tatsächlich ist der durch das Verfahren vorgeschriebene relativ hohe Kapitalisierungsfaktor verdächtig, zu Werten zu führen, die über den Verkehrswert des Unternehmens hinaus gehen. Trotzdem liegt keine Verfassungswidrigkeit vor. Denn dem Steuerpflichtigen steht es jederzeit offen, sein Unternehmen auf Grund des normalen Ertragswertverfahrens zu bewerten, welches den Kapitalisierungsfaktor unternehmensindividuell bestimmt und somit Überbewertung vermeidet17. Bei Grundvermögen hat der Steuerpflichtige ebenfalls einen Ausweg aus der gesetzlichen Regelbewertung. Wenn er diese für unzutreffend erhält, kann er jederzeit eine individuelle Bewertung vornehmen. Bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen allerdings dürfte es weiter im Regelfall zu Unterbewertungen kommen18. 2. Begünstigungsebene Die gleichheitsrechtliche und damit verfassungsrechtliche Grundproblematik des neuen ErbStG liegt in zwei Aspekten: a) der extremen Selektion der besteuerten Vermögensgegenstände und b) den Differenzierungen innerhalb der Begünstigungen.
__________ 17 Vgl. näher Piltz, Ubg 2009, 13; DStR 2008, 745. 18 Vgl. Viskorf auf der ZEV-Tagung 24.1.2009.
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a) Selektion Das BVerfG hat als Grundregel erkannt, dass die durch den Erwerb vermittelte Leistungsfähigkeit an dem Verkehrswert der erworbenen Vermögensgegenstände zu messen ist: „Nur [der Verkehrswert] bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung.“ Daraus folgt, dass die Erwerber von Unternehmen oder Immobilien im Verkehrswert von z. B. 10 Mio. Euro genauso leistungsfähig sind wie die Erwerber von 10 Mio. Euro Bargeld. Das neue ErbStG nimmt nun allerdings zahlreiche Personen und Vermögensgegenstände von der Besteuerung ganz oder zum größten Teil aus, insbesondere: – Erwerbe von Ehegatten und Kindern durch hohe Freibeträge von in der Normalfamilie mit zwei Kindern insgesamt 1,3 Mio. Euro – Unternehmen(-santeile) jeder Rechtsform (ggf. nach Gestaltung wie z. B. Poolverträgen, vorbehaltlich Verwaltungsvermögen) – Land- und Forstwirtschaften – vermietete Wohnimmobilien mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb – Selbstgenutzte Familienheime In Zukunft wird Erbschaftsteuer nur noch auf „ausgesuchte“ Erwerbe anfallen: – Größere liquide Vermögen (festverzinsliche Wertpapiere, Festgeld, Portfolio-Aktien). – Unbegünstigte Immobilien, z. B. Büroimmobilien, Supermärkte oder Wohnimmobilien ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. – Dem Verwandtschaftsgrad der Erwerber nach werden Geschwister, Neffen und Nichten wie Nichtverwandte besteuert und damit extrem belastet. Das sind die „Pechvögel“ des neuen Erbschaftsteuerrechts, die (fast) das ganze Steueraufkommen in Zukunft alleine aufbringen müssen. Nur ca. 3–5 % aller Erbfälle sollen in Zukunft noch zu einer Besteuerung führen. Ob für die begünstigenden Selektionierungen „ausreichende“ Gemeinwohlgründe vorliegen, ist zweifelhaft. Die in der Gesetzesbegründung hierfür angeführte und in § 13a Abs. 1 ErbStG durch die sog. Lohnsummenklausel zum Ausdruck gekommene Erhaltung von Arbeitsplätzen würde sicherlich einen Gemeinwohlgrund darstellen. Das aber nur, wenn es tatsächlich die Kausalität gäbe, dass die Belastung durch Erbschaftsteuer Arbeitsplätze vernichtet und die Nicht- oder Geringbelastung sie erhält. Ironischerweise wird die NeuSchaffung von Arbeitsplätzen nicht begünstigt (vgl. oben IV. 14. Fall 3). Eine rechtstatsächliche Untersuchung der Vergangenheit würde sehr wahrscheinlich ergeben, dass die Entlassung von Arbeitnehmern zwecks Beschaffung der Erbschaftsteuer bisher nicht vorgekommen ist. Zwar kann die Erbschaftsteuer den Eigentümer im Extremfall zum (Teil-) Verkauf zwingen, aber dann übernimmt der Käufer die Arbeitsplätze. Empirische Erkenntnisse dazu, ob und ggf. 1076
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wie oft die Erbschaftsteuer einen Verkaufszwang ausgelöst hat, sind nicht ersichtlich. Die Nichtinanspruchnahme des § 28 ErbStG (zinslose Stundung der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen im Erbfall) in der Praxis19 spricht dafür, dass die Liquiditätsanforderung durch die Erbschaftsteuer von den Erwerbern unternehmerischen Vermögens bewältigt worden ist. Das gilt auch für den Übergang von Wohnimmobilien. Dass ein Mieter aufgrund Erbschaftsteuerbelastung des Vermieters hat ausziehen müssen, ist bisher nicht bekannt geworden. Es ist überhaupt ein Dilemma der Erbschaftsteuergesetzgebung, dass rechtstatsächliche Erkenntnisse zu ihr entweder zu wenig vorhanden oder nicht veröffentlicht oder ziemlich veraltet sind20. Es bleibt abzuwarten, wie das BVerfG, das zum neuen ErbStG sicher angerufen werden wird, die Gemeinwohlfrage beantworten wird. Die Begünstigungen sind die Korrektur einer verfehlten Grundentscheidung des Gesetzgebers. Diese Grundentscheidung liegt darin, die Erbschaftsteuer in der Regelbesteuerung extrem hoch anzusetzen. Diese Regelbesteuerung würde für praktisch alle erworbenen Vermögensgegenstände außer liquiden Mitteln, also insbesondere für Unternehmen, Land- und Forstwirtschaften und Immobilien, zum Verkaufs- und Zerschlagungszwang führen. Da dies wiederum nicht gewollt ist, werden diese Vermögensgegenstände von der Regelbesteuerung völlig befreit oder in hohem Maße ausgenommen. Eine Besteuerung, welche als Grundregel zur Vermögensvernichtung führt, dann für die „Guten“ eine Null- oder Geringstbelastung einführt, für die „Bösen“ aber den Vermögensverlust belässt, kann nach Auffassung des Verfassers dem Gleichheitssatz nicht entsprechen. Sie ist dessen Perversion. Es ist zweifelhaft, ob eine Steuer, die aus ihrem vom Gesetzgeber für besteuerungswürdig gehaltenen Grundtatbestand (unentgeltlicher Erwerb von Todes wegen oder unter Lebenden) 95–97 % aller Fälle wieder ausnimmt, überhaupt noch eine Steuer im Sinne des GG und des § 3 AO ist, die bekanntlich „allen auferlegt sein muss, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Ist das noch gegeben, wenn nur 3–5 % der Erwerbe besteuert werden? Die „Pechvögel“ werden ihre Belastung eher als ungerechtfertigtes Sonderopfer empfinden. Die Extrembelastung der „Pechvögel“, um noch Steueraufkommen zu erzielen, berührt die Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG, zu der das BVerfG mit Bezug auf die Erbschaftsteuer ausgeführt hat (Beschluss vom 22.6.1995): „Die Erbschaftsbesteuerung mindert für den Steuerpflichtigen den Wert seines Erbes. Die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer muss den grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie wahren, zu dem die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts gehören; sie darf Sinn und Funktion des Erbrechts als Rechtseinrichtung und Individualgrundrecht nicht zunichte oder wertlos machen.“
__________
19 Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2004, § 28 Rz. 1. 20 Vgl. etwa Lehmann/Treptow, Zusammensetzung und Diskrepanz der Erbschaft- und Schenkungsteuer 2002, Wirtschaft und Statistik 2006, S. 952, auch veröffentlicht als Sonderheft zerb wissenschaft 2006.
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Wenn ein Bruder seiner Schwester eine nicht begünstigte Immobilie im Verkehrswert von 10 Mio. Euro vererbt und die Schwester darauf 5 Mio. Euro Erbschaftsteuer zahlen muss (vielleicht noch Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn), dann erscheint diese Grenze deutlich überschritten. Es liegt faktisch eine Teilenteignung ohne Entschädigung vor. b) Begünstigungsdifferenzierung Die für das bisher geltende Erbschaftsteuerrecht konstatierte Erratik ist für die Bewertungsebene jedenfalls in ihrem Kernbereich abgeschafft worden (s. oben). Auf der Begünstigungsebene ist diese Erratik allerdings zu großen Teilen erhalten geblieben, wie die o. a. Beispiele deutlich machen. Die sich aus diesen Beispielen ergebenden Verwerfungen und Wertungswidersprüche sind keineswegs Randerscheinungen, die als Begleiterscheinungen eines jeden Steuergesetzes diesem nicht seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz nehmen. Solche Randerscheinungen „auszubügeln“, ist Sache der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung. Im neuen ErbStG sind die Verwerfungen aber eine notwendige Folge des Grundfehlers des Gesetzes, nämlich der Extrembelastung als Regel bei gleichzeitiger Herausnahme oder Entlastung der ganz großen Mehrheit aller Erwerbe. Die Trennung von „gutem“ und „bösem“ Vermögen ist rechtspraktisch trennscharf nicht zu bewerkstelligen. Wenn die Trennung doch gemacht wird, führt sie zwangsläufig zu den beschriebenen Verwerfungen und absurden Gestaltungen zur Erlangung der Begünstigungen, und den daraus resultierenden Rechtsstreiten. Was rechtfertigt es denn, den Erwerber von Wohnungen mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (das kann ein Angestellter sein) von der Erbschaftsteuer frei zu stellen, während der Erwerber von Wohnungen ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die Höchstbelastung erleidet und, wenn er kein sonstiges Vermögen hat, (teil-)verkaufen muss? Das Begünstigungssystem ist in sich so erratisch, dass es ebenfalls gegen den Gleichheitssatz verstößt. Schrifttum (Auswahl): Hey, JZ 2007, 564; Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009; Lang, StuW 2008, 189; Papier, DStR 2007, 973; Seer, ZEV 2007, 101; GmbHR 2007, 281.
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Der mühsame Weg zu einem neuen Erbschaftsteuerund Bewertungsrecht Inhaltsübersicht I. Wie „alles“ begann – Der Jobgipfel vom Frühjahr 2005 II. Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition – Das Abschmelzmodell als Regierungsentwurf III. Der Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006 – „zurück auf Los!“ IV. Reaktionen auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006 1. Der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 1.2.2007 2. Arbeitsgruppe der Länder zu den Bewertungsfragen V. Die politische Arbeitsgruppe „Koch/ Steinbrück“ 1. Eckpunkte und Ziele der politischen Arbeitsgruppe 2. Zwei Konzeptionen: Schwerpunktmäßige Verschonung des Betriebsvermögens oder breite Bemessungs-
grundlage und niedrige Sätze für alle? 3. Weitere Fragen VI. Der Regierungsentwurf 1. Bewertungsfragen 2. Regelungen zur Verschonung VII. Die Stellungnahme des Bundesrates VIII. Die Beratungen des Bundestages und die Bayerische Landtagswahl als retardierendes Moment IX. Die Einigung in letzter Minute 1. Verschonung des Betriebsvermögens und deren Voraussetzungen 2. Das „selbstgenutzte Wohneigentum“ 3. Weitere Änderungen X. Fazit – Ist der Kompromiss gelungen? 1. „Die Betriebe können damit leben“ 2. Die Verlierer 3. Verfassungsfragen
I. Wie „alles“ begann – Der Jobgipfel vom Frühjahr 2005 In der Überschrift hat sich ein Fehler eingeschlichen. Selbstverständlich begann nicht „alles“ mit dem Jobgipfel des Jahres 2005. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht willkürlich, beschreibt er doch den Beginn der „neueren“ Diskussion um das Erbschaftsteuerrecht in Deutschland, insbesondere was seine Bedeutung für die Erhaltung von Betriebsvermögen und somit die Fortführung von Unternehmen bedeutet. Hier soll diese neuere Entwicklung (allerdings nicht vollständig und abschließend) dargestellt werden. Eine umfassende Darstellung der Geschichte der deutschen Erbschaftsteuer würde den Rahmen dieses Festschriftbeitrags sprengen. Aus Gründen der Aktualität wird auch auf die Darstellung der Erbschaftsteuerreform 1996 aufgrund des vorausgegangenen Beschlusses des BVerfG vom 22.6.19951 verzichtet2.
__________
1 Vgl. hierzu u. a. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff. 2 In diesem Urteil hat das BVerfG unter maßgeblichem Einfluss von Herrn Prof. Dr. Paul Kirchhof die Sozialpflichtigkeit unternehmerischen Eigentums betont. Eben
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Zurück zum Jobgipfel des Jahres 2005: Die Zeiten sind schnelllebig. Kaum mehr präsent ist, dass damals eine rot-grüne Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Spitze regierte. Aus heutiger Sicht (der Beitrag wurde im Januar des Jahres 2009 verfasst) erscheinen die damaligen wirtschaftlichen Probleme eher harmlos3. Allerdings waren die Arbeitslosenzahlen im Jahr 2005 noch durchaus bedrohlich hoch4. Die Regierung Schröder konnte sich nicht sicher sein, ob ihre wirtschaftspolitischen Maßnahmen Erfolg haben würden, war die Agenda 2010 („Hartz IV“ und anderes) doch auch im Regierungslager hart umstritten. In dieser Phase gefiel es der Opposition von CDU/ CSU und FDP, die Regierung vor sich herzutreiben und sie aufzufordern, „endlich“ eine große Steuerreform mit einer Unternehmensteuerreform sowie eine Erbschaftsteuerreform auf den Weg zu bringen. In einer Art „konzertierten Aktion“ nahm Bundeskanzler Schröder das Gespräch mit den damaligen Oppositionsführern5 auf. Heraus kam u. a. das Versprechen, die Erben von Unternehmensvermögen von der Erbschaftsteuer zu befreien unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen fortgeführt und die Arbeitsplätze somit erhalten würden. Dieser Ansatz gefiel CDU/CSU und FDP deshalb, weil eben die Unternehmenserben geschont werden sollten und das betriebliche Kapital nicht durch Entnahme von Erbschaftsteuer geschmälert werden sollte. Den Anhängern der Sozialdemokraten und der Grünen wurde dieses Konzept dadurch schmackhaft gemacht, dass eben Arbeitsplätze erhalten bleiben sollten. Während die einen also die Entlastung der Unternehmer begrüßten, nahmen die anderen diese Entlastung wegen deren mittelbaren positiven Auswirkungen auf die Arbeitnehmer hin. Dieser Grundansatz und diese Grund“übereinstimmung“ blieben bis heute erhalten und ermöglichten letztlich auch die Erbschaftsteuerreform 2009. Damals wie heute war bzw. ist der (politische?) Grund für die erbschaftsteuerliche Privilegierung des Betriebsvermögens die Annahme, dass (nur bzw. vor allem) die Fortführung des Unternehmens durch den Erben oder Beschenkten die Arbeitsplätze erhalten würde. Dies würde aber umgekehrt bedeuten, dass ein Verkauf des Unternehmens und die Fortführung desselben durch den Käufer Arbeitsplätze eher vernichten würde. Diese These ist zumindest gewagt und wohl auch nicht wissenschaftlich erwiesen. Andererseits ist zuzugeben, dass zahlreiche Familienunternehmen nicht nur in Baden-Württemberg wachsen und gedeihen und Arbeitsplätze schaffen.
__________ deswegen, weil Betriebsvermögen im Hinblick auf die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen stiftet, soll die Erbschaftsteuer diesbezüglich maßvoll sein. 3 Im Jahr 2008 brach die größte Finanzkrise nach der Weltwirtschaftskrise über die Welt herein; für das Jahr 2009 übertreffen sich die Wirtschaftsforschungsinstitute mit äußerst pessimistischen Aussagen – der Absatz der Automobilindustrie erlitt Ende 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Einbruch um über 20 %. 4 So betrug die Arbeitslosenquote im Dezember 2005 in Deutschland 11,1 Prozent gegenüber 7,4 Prozent im Dezember 2008. 5 Frau Merkel (CDU), Herr Stoiber (CSU) und Herr Westerwelle (FDP).
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Auch wenn im Jahre 2009 (schon) wieder Bundestagswahlen anstehen, weiß doch noch jeder, welch turbulenten politischen Verlauf das Jahr 2005 genommen hat: Vertrauensfrage, Neuwahlen, Große Koalition. Trotz des fulminanten Endspurts der damaligen Kanzlerpartei SPD im Bundestagswahlkampf und der steuerpolitischen Ungeschicklichkeit der Unionsparteien konnte die CDU mit Angela Merkel im Herbst 2005 die Bundeskanzlerin stellen. Allerdings wurde mit Peer Steinbrück ein profilierter SPD-Politiker Bundesfinanzminister, was bereits aus damaliger Sicht steuerpolitisch interessante Zeiten erwarten ließ.
II. Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition – Das Abschmelzmodell als Regierungsentwurf Man darf wohl sagen, dass die Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition in steuerpolitischer Hinsicht eher eine Aufzählung vernünftig erscheinender Einzelmaßnahmen als ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept enthält. Dies verwundert nicht weiter, prägte doch die Auseinandersetzung um ein durchgreifend vereinfachendes und entlastendes Steuerreformmodell um den Kandidaten der Unionsparteien für das Amt des Bundesfinanzministers, Prof. Dr. Paul Kirchhof, den Bundestagswahlkampf. Offensichtlich hatte die Union nicht mehr die Kraft oder die Lust, gegenüber den Sozialdemokraten ihr ambitioniertes Steuerreformmodell durchzusetzen bzw. auch nur zu verteidigen. So ist das Ziel einer durchgreifenden Steuervereinfachung mit der Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2005 faktisch beerdigt worden. Übrig blieben verschiedene Steuererhöhungsmaßnahmen6, ein allerdings klares Bekenntnis zu einer Unternehmensteuerreform7 sowie – „vor dem Hintergrund der erwarteten Entscheidung des BVerfG“ – das bereits im Jobgipfel gefundene Konzept einer Erbschaftsteuerreform mit dem Kernziel einer Entlastung des vererbten Betriebsvermögens. Aus Sicht der Großen Koalition war das Projekt „Erbschaftsteuerreform“ vergleichsweise einfach, auch wenn man sich das heute, gut drei Jahre später, nach dem fast schon zermürbenden Gesetzgebungsprozess kaum noch vorzustellen vermag. Es gab ein schlüssiges, im Rahmen des Jobgipfels unstreitig gestelltes Konzept der die Große Koalition bildenden Parteien. Es gab die fast identische Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern8 und es gab, last but not least, relativ bald das Abschmelzmodell der Bundesregierung9. Nach der Grundkonzeption dieses sog. Abschmelzmodells sollten Erben von Betriebsvermögen dann von der Erbschaftsteuer vollständig freigestellt werden, wenn sie den Betrieb zehn Jahre lang fortführen würden. Die Erbschaftsteuer sollte zunächst
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6 Etwa die Umsatzsteuererhöhung um drei Prozentpunkte und die Abschaffung der Pendlerpauschale, wobei letzteres schon wieder obsolet ist. 7 Immerhin ist dem Gesetzgeber die Unternehmensteuerreform 2008 mit einer signifikanten Senkung der Gewinnsteuersätze und der Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge gelungen. 8 BR-Drs. 341/05 v. 4.5.2005. 9 BR-Drs. 322/05 v. 6.5.2005.
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zu 100 % festgesetzt und zinslos gestundet, mit jedem Jahr der Fortführung aber – endgültig – um ein Zehntel reduziert werden. Nach zehn Jahren wäre die Erbschaftsteuerschuld erloschen gewesen. Allerdings war diese Privilegierung beschränkt auf sog. Produktivvermögen. Insbesondere Geldbestände jeglicher Art, Wertpapiere, vermietete Immobilien und Wertsachen, wie z. B. Kunstgegenstände, Schmuck und Edelmetalle, sollten nicht begünstigt werden. Hinter diesem Konzept schimmert wieder das Ziel der Erhaltung von Arbeitsplätzen durch erbschaftsteuerliche Privilegierung des Betriebsvermögens durch („nur Maschinen sichern Arbeitsplätze“). Wie nicht anders zu erwarten, führte die geplante Begrenzung der erbschaftsteuerlichen Verschonung auf das sog. Produktivvermögen zu harscher Kritik. Sicherlich hätte eine solche Differenzierung auch zu erheblichen administrativen Problemen geführt. Andererseits hätte die damals geplante erbschaftsteuerliche Privilegierung an den „alten“ Bewertungsregeln angesetzt. Das heißt: Ausschlaggebend für die Bewertung wären die Steuerbilanzwerte gemäß dem Steueränderungsgesetz 1992 gewesen. Die Vermögensgegenstände des Produktivvermögens hätten also bei gelungener zehnjähriger Fortführung keinerlei Erbschaftsteuer unterlegen, während die übrigen Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens mit dem Steuerbilanzwert der Erbschaftsteuer unterlegen hätten. Aus Sicht der Unternehmenserben10 war ein solches Ergebnis eine durchaus reizvolle Perspektive.
III. Der Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006 – „zurück auf Los!“ Das Abschmelzmodell der Großen Koalition wurde im Jahr 2006 intensiv diskutiert. Sehr gut kann ich mich noch an eine intensive Diskussion in einer Arbeitsgruppe verschiedener Länder im Dezember 2006 erinnern. In Zeiten der Großen Koalition lösten (und lösen) Arbeitskreise und -gruppen auf verschiedenen Ebenen (Politiker und/oder Fachbeamte) die Institution des Vermittlungsausschusses ab. Im Unterschied zum verfassungsrechtlich vorgesehenen Vermittlungsverfahren bei unterschiedlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat unterliegt die Einsetzung solcher Arbeitsgruppen keinen festen Regeln. Dementsprechend muss man sich bemühen, „dabei sein zu dürfen“, wenn man etwas bewirken möchte. Aufgenommen wird man in solche Arbeitsgruppen nicht nur aufgrund der politischen Bedeutung der Körperschaft oder Institution, der man angehört oder für die man arbeitet, oder aufgrund der erwarteten inhaltlichen Auffassungen (Parität), sondern bisweilen auch wegen erwarteter fachlicher Beiträge zur Problemlösung. Aus welchen Gründen auch immer, der Verfasser hatte das Glück, bei einigen steuerpolitischen Arbeitsgruppen (leider und glücklicherweise nicht bei allen) mit den Fachbeamten seiner Steuerabteilung dabei sein zu dürfen. Bei der oben erwähnten Arbeitsgruppensitzung hatten wir uns intensiv über das Problem der Abgrenzung des produktiven Vermögens vom unproduktiven
__________ 10 Das Konzept hätte auch für die Unternehmensnachfolge unter Lebenden, also für Betriebsschenkungen, gegolten.
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Vermögen unterhalten und überlegt, ob man nicht andere Mechanismen zur Verhinderung von Missbräuchen finden könnte, beispielsweise eine Sanktion der Überentnahme sowie strenge Behaltensregelungen. All dies war bereits überholt. Bereits mit Beschluss vom 7.11.2006 hatte das BVerfG das geltende Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens 1.1.2009 eine verfassungskonforme Regelung zu verabschieden. Leider wurde dieser Beschluss erst Ende Januar 2007 veröffentlicht11. Mit diesem Verfassungsgerichtsbeschluss, der nach über vierjähriger Anhängigkeit der entsprechenden Vorlage des BFH12 doch überraschend gekommen war, waren die bisherigen Bemühungen des Gesetzgebers und der politischen Parteien vom Jobgipfel bis zum Abschmelzmodell genauso Makulatur wie weite Teile des bis dahin geltenden Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts. Es ist schon in gewisser Weise seltsam, wenn das höchste deutsche Gericht zwischen Entscheidung und Veröffentlichung dieser Entscheidung mehrere Wochen benötigt und während dieser Wochen Politik, Verwaltung und nicht zuletzt Rechtsklarheit suchende Bürger weiterhin einer Schimäre (Abschmelzmodell) hinterherrennen lässt. Gut Ding will Weile haben, dies sollte im Steuerrecht prinzipiell unbestritten sein. Gleichwohl mutet es merkwürdig an, wenn man sich nach einer solch langen Verfahrensdauer nicht auch zügig zu seiner eigenen Entscheidung bekennt. Wie auch immer, die erbschaftsteuerrechtliche Welt hat sich mit diesem Beschluss des BVerfG schlagartig verändert. Im Zentrum der Entscheidung steht die Verfassungswidrigkeit der Bewertung des Betriebsvermögens. Sicher, auch die Bewertung des Immobilienvermögens, des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie der Beteiligungen an Kapitalgesellschaften entspricht nach diesem Beschluss des BVerfG nicht dem Grundgesetz. Gleichwohl ist die Entscheidung des BVerfG, dass nämlich die Grundentscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Relevanz der Steuerbilanzwerte für die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung des Betriebsvermögens nicht der Verfassung entspricht, der spektakulärste Teil dieser Entscheidung. Das Verfassungsgericht hält das Erbschaftsteuergesetz 1996 nicht mit Art. 3 des Grundgesetzes für vereinbar. Die einheitliche Rechtsfolge des Erbschaftsteuergesetzes, nämlich die Besteuerung des Nachlasses, des aus vielen verschiedenen Vermögensgegenständen bestehenden Gesamtvermögens, mit einem einheitlichen Steuersatz, einer vereinheitlichten Belastung, setze voraus, dass diese verschiedenen Vermögensgegenstände aus den verschiedenen Vermögensarten realitätsgerecht und untereinander vergleichbar bewertet würden. Eine solche Bewertung habe „in der Nähe des gemeinen Wertes“ zu erfolgen. Dieser gemeine Wert sei regelmäßig der Verkehrswert. Im Hinblick auf das Betriebsvermögen erkennt das BVerfG die Ertragswertmethode als diejenige an, die
__________ 11 Beschluss des BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. 12 Beschluss des BFH v. 22.5.2002 – I R 61/99, BStBl. II 2002, 598.
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dem gemeinen Wert oder Verkehrswert eines Betriebes am nächsten komme. Die Heranziehung der Steuerbilanz führe kaum je zum Ansatz des gemeinen Wertes oder Verkehrswertes. Zum einen unterlägen die Steuerbilanzwerte der „Bilanzpolitik“ der Unternehmen (Abschreibungen usw.), zum anderen seien wesentliche Vermögenspositionen wie etwa der Firmenwert nicht erfasst. An der Nichterfassung all dieser stillen Reserven stört sich das BVerfG besonders. Ähnlich rügt das BVerfG die Bewertung des Grundvermögens. Während das Gericht die Bodenrichtwerte lediglich wegen ihrer fehlenden Aktualität ablehnte13, übte es an den Regeln für die Bewertung von Gebäuden harsche Kritik. Insbesondere hält das BVerfG die für die Bewertung aller Gebäude14 grundsätzlich vorgesehene Ertragswertmethode, nach der die ortsübliche Miete überall in Deutschland und gleich bei welchem Gebäude mit dem Vervielfältiger von 12,5 multipliziert wird, für zu grob, so dass Unterbewertungen bis zu 50 % keine Ausnahme, sondern eher die Regel seien. Nicht kritisiert hat das Verfassungsgericht allerdings den grundsätzlichen systematischen Ansatz des Erbschaftsteuergesetzes 1996 zur Verschonung des Betriebsvermögens durch die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes15. Der BFH hatte dies in seinem Vorlagebeschluss noch vehement angemahnt16. Immerhin sieht das Erbschaftsteuergesetz 1996 zusätzlich zu der günstigen Bewertung mit den Steuerbilanzwerten noch einen Abschlag auf das Betriebsvermögen von 35 % vor17. Außerdem sollte der Erbe von Betriebsvermögen grundsätzlich mit den niedrigeren Steuersätzen der Steuerklasse I wie Ehegatten und Kinder besteuert werden18, auch wenn er selbst einer anderen Steuerklasse angehörte. Allerdings hat das Verfassungsgericht die frühere Verschonung des Betriebsvermögens auch nicht akzeptiert. Es hat vielmehr bewusst geschwiegen. Am Rande sei bemerkt, dass das Verfassungsgericht als Beispiel für eine Verschonung von Erbschaftsteuer nicht etwa das Betriebsvermögen gewählt hat, sondern das vermietete Immobilienvermögen. Die Schaffung von privat finanziertem Mietwohneigentum hält das Verfassungsgericht also ausdrücklich für gemeinwohlorientiert. Es ist schon erstaunlich, dass das Gericht in diesem Zusammenhang das Betriebsvermögen keines Wortes würdigt und das Argu-
__________ 13 Dieses Problem war bei Veröffentlichung des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses bereits gelöst, da das Jahressteuergesetz 2006 die Aktualisierung der Bodenrichtwerte vorschreibt. 14 Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen, Mietwohnimmobilien. 15 Dies war wohl nach der Kritik der unsystematischen Begünstigung durch die Bewertung mit Steuerbilanzwerten auch nicht mehr notwendig. 16 Beschluss des BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598. 17 Insoweit sind die Verschonungsabschläge des Erbschaftsteuergesetzes 2009 i. H. v. 85 % bzw. sogar 100 % vom System her nicht neu. 18 Nach bisherigen Recht wurden dem Steuerpflichtigen 88 % des Unterschieds zwischen der Steuer nach seiner Steuerklasse und der Steuerklasse I nachgelassen; diese im Rahmen der Koch/Steinbrück-Maßnahmen zum 1.1.2005 eingeführte Reduktion des Steuervorteils um 12 % wurde im Erbschaftsteuergesetz 2009 glücklicherweise wieder aufgegeben.
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ment der „gemeinwohlorientierten Erhaltung von Arbeitsplätzen“ mit keinem Wort erwähnt. Freilich erscheint der Umkehrschluss nicht angebracht; aus meiner Sicht ist die Erhaltung von Arbeitsplätzen durchaus ein Gemeinwohlgrund, der die Privilegierung von Betriebsvermögen erlauben kann, immer vorausgesetzt die Privilegierung des Betriebsvermögens im Rahmen der Erbschaftsteuer kann grundsätzlich zur Erhaltung von Arbeitsplätzen führen. Ohne Zweifel: Dieser Beschluss des BVerfG war für die Politik, für die Bundesregierung und auch für andere politische Parteien, ein herber Schlag. Wurde doch die Begünstigung des Betriebsvermögens im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer geradezu aufs Korn genommen. Denn häufig ist der Ansatz der Steuerbilanzwerte eine massive Begünstigung im Vergleich zu anderen vererbten oder verschenkten Vermögensgegenständen. An sich, so hätte man annehmen müssen, hätte die Bundesregierung ihren Plan, Betriebsvermögen erbschaft- und schenkungsteuerlich massiv zu privilegieren, aufgeben müssen. Doch wie wir alle wissen, kam es anders. Dies deshalb, weil das BVerfG höchst selbst in seinem Beschluss der Politik ein, wenn auch höchst schmales und niedriges, Hintertürchen offen gelassen hat. Das BVerfG legt größten Wert auf eine vergleichbare Bewertung sämtlicher Vermögensgegenstände in der Nähe des gemeinen Werts, damit die hieran anknüpfende Entscheidung des Gesetzes, die Belastung mit Erbschaftsteuer, gerecht im Sinne einer gleichmäßigen Belastung entsprechend Art. 3 des Grundgesetzes erfolgen kann. Allerdings, so das BVerfG, könne der Gesetzgeber quasi in einem zweiten Schritt auf der sog. „Verschonungsebene“ im Rahmen des ihm zustehenden Spielraums durchaus einzelne Vermögensgegenstände oder Gruppen von Vermögensgegenständen steuerlich begünstigen, sofern es hierfür belastbare Gründe des Allgemeinwohls gebe. Diese Verschonung könne sogar zu einer völligen Freistellung des entsprechenden Vermögens von Erbschaft- und Schenkungsteuer führen. Hätte das Verfassungsgericht diese Möglichkeit nicht ausdrücklich eröffnet, hätten wir heute vielleicht ein anderes Erbschaftsteuerrecht oder vielleicht auch gar keine Erbschaftsteuer mehr. Wie später zu zeigen sein wird, gab es im Rahmen des politischen Prozesses durchaus auch andere Ansätze als die letztendlich gewählte, recht komplexe Verschonung des Betriebsvermögens.
IV. Reaktionen auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006 1. Der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 1.2.2007 Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Verfassungsgerichtsbeschlusses am 30.1.2007 tagte, turnusgemäß und damit insoweit zufällig, die Finanzministerkonferenz (FMK)19. Obgleich die Zeit zwischen Bekanntgabe des Beschlusses
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19 Die Finanzministerkonferenz ist eine genauso feste Einrichtung wie die in der Öffentlichkeit bekanntere Kultusministerkonferenz (KMK). Beide Gremien sind keine von der Verfassung vorgesehenen Staatsorgane, haben aber in der Staatspraxis eine erhebliche Bedeutung. Die Finanzministerkonferenz (FMK) tritt alle drei Wochen zu-
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des BVerfG und der Sitzung der FMK äußerst knapp bemessen war, musste und wollte sich die Finanzministerkonferenz äußern. Die Finanzminister der Länder kündigten an, binnen kurzem, etwa bis zur Mitte des Jahres 2007, verfassungsgemäße Bewertungsregeln auszuarbeiten und vorzulegen. Mit dieser Entscheidung der Finanzministerkonferenz wurde bereits sehr früh der Weg in Richtung des jetzt Realität gewordenen Bewertungsrechts gewiesen. 2. Arbeitsgruppe der Länder zu den Bewertungsfragen Entsprechend des oben beschriebenen Beschlusses der Finanzministerkonferenz hat sich eine Arbeitsgruppe von Länderfinanzministern gebildet, um ein Konzept für ein verfassungsgemäßes Bewertungsrecht zu erarbeiten. Teilgenommen haben die Länder Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Sachsen und Baden-Württemberg. Die Arbeitsgruppe hat sich zügig an die Arbeit gemacht und bei den Bewertungsfragen durchaus belastbare Lösungsmöglichkeiten gefunden. Die Ergebnisse sollen lediglich skizziert werden: Bei der Bewertung des Betriebsvermögens hat sich die Länder-Arbeitsgruppe gegen ein normiertes Bewertungsverfahren gewandt und stattdessen einem „Konzept“ den Vorzug gegeben, wonach es dem Steuerpflichtigen aufgegeben wird, den gemeinen Wert bzw. Verkehrswert des ererbten oder verschenkten Betriebsvermögens darzulegen. Schließlich gebe es, so die Mehrheitsmeinung, bewährte Methoden der Unternehmensbewertung, die auch vor den Zivilgerichten Anwendung fänden20. Bedauerlicherweise fanden bei diesen Erörterungen die Vertreter einer Mittelwertmethode21 nach dem Vorbild des Stuttgarter Verfahrens keine Mehrheit. Dem Argument der Administrierbarkeit und Rechtssicherheit wurde nicht so viel Gewicht beigemessen wie dem Umstand, dass eine solche Mittelwertmethode notwendigerweise stark vereinfacht und deswegen bisweilen auch zu stark vergröbert. Bei der Bewertung des Grundvermögens wollte sich die Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister grundsätzlich an die Wertermittlungsverordnung des öffentlichen Rechts halten. Ausschlaggebend sollten hier also die auf dem Markt erzielbaren Erlöse für unbebaute und bebaute Grundstücke sein. Dass Kapitalvermögen wie bereits zuvor mit dem Nennwert angesetzt wird, stand außer Frage. Der entscheidende „Strickfehler“ des Auftrags dieser Arbeitsgruppe bestand darin, dass sie sich von vornherein nur mit Bewertungsfragen zu befassen
__________ sammen, ihre Mitglieder sind die Finanzminister der Länder. Genauso wenig wie die Institution selbst sind auch deren Befugnisse gesetzlich geregelt. Gleichwohl entfaltet die FMK erhebliche Aktivitäten; ihre Beschlüsse sind in Fragen des Steuerrechts und der Steuerverwaltung verbindlich. In anderen Fragen geben sie zumindest inhaltliche Orientierung. 20 Genannt werden in diesem Zusammenhang stets die Methoden IDW S 1, die Discounted-cash-flow-Methode u. a. m. 21 Mittelwert aus Ertragswert und Substanzwert.
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plante. Zwar hat das BVerfG tatsächlich nur den Großteil der Bewertungsregelungen für verfassungswidrig erklärt. Keine Ausführungen hat es zu den im Vorlagebeschluss des BFH gerügten Verschonungsregeln gemacht. Klar war aber, dass sich der Gesetzgeber nicht mit der verfassungskonformen Ausgestaltung der Bewertungsregeln würde begnügen können. Vielmehr musste sich die Politik, auch in Anbetracht der Vorgeschichte (Jobgipfel, Abschmelzmodell) mit der vom Verfassungsgericht ausdrücklich eröffneten zweiten Ebene, der sog. Verschonungsebene, befassen. An sich war deshalb bereits Anfang des Jahres 2007 vorauszusehen, dass sich der Gesetzgeber nicht sehr zügig auf ein Reformmodell würde einigen können. Vielmehr war von vornherein zu befürchten, dass der Gesetzgeber die ihm vom BVerfG zur Neuregelung gesetzte Frist bis Ende des Jahres 2008 ausschöpft.
V. Die politische Arbeitsgruppe „Koch/Steinbrück“ Nachdem die Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister ihre Arbeit zu den Bewertungsfragen abgeschlossen und einen entsprechenden Bericht verabschiedet hatte, entstand eine plötzliche Ungewissheit. Wie sollte es weitergehen? Keiner wollte sich, so hatte man den Eindruck, an den heißen Kohlen die Finger verbrennen. Die Politiker standen vor einer äußerst schwierigen Situation. Die Ziele, die mit der Erbschaftsteuerreform verfolgt werden sollten bzw. verfolgt werden mussten, waren nur schwer in Einklang zu bringen. Zunächst waren die Wertansätze verfassungskonform auszugestalten. Am grundsätzlichen Ansatz der Verkehrswerte konnte man nach dem insoweit sehr deutlich formulierten Beschluss des BVerfG kaum mehr vorbei kommen. Der Ansatz der Verkehrswerte musste zwangsläufig zu einer deutlichen Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer führen. Die höchsten Wertsteigerungen waren beim Betriebsvermögen zu erwarten22. Aber auch beim Grundvermögen sind deutliche Wertsteigerungen zu erwarten23. Diese unumgängliche Wirkung eines neuen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts stand diametral dem politischen Ziel, insbesondere die Betriebsvermögenserben zu entlasten, entgegen. Außerdem stellt die Erbschaftsteuer eine nicht unbedeutende Einnahmequelle der Länder dar. Während der Gesetzgebungsarbeiten ging man von einem durchschnittlichen jährlichen bundesweiten Aufkommen von ca. 4 Mrd. Euro aus. Im Jahre 2008 dürfte das Aufkommen aber bereits höher gelegen haben. Obgleich dieses Aufkommen im Vergleich zum Gesamtsteueraufkommen relativ gering ist, wollten die
__________ 22 Bei Personenunternehmen wird man von einer Verdoppelung der Betriebsvermögenswerte ausgehen müssen, wobei die Streuung höchst unterschiedlich ist. In Einzelfällen können die Werterhöhungen auch stärker ausfallen. 23 Die stärksten Erhöhungen von ca. 50 % sind bei selbstgenutzten Wohnungen zu erwarten; aber auch bei vermieteten Immobilien können sich deutliche Werterhöhungen um die 30 % ergeben.
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Länder, denen diese Steuer ausschließlich zusteht, aus nachvollziehbaren haushaltspolitischen Gründen auf diese Einnahmen nicht verzichten24. In Anbetracht dieser schwierigen Ziellage ist auch noch die politisch-ideologische Dimension der Erbschaftsteuer zu beachten. Die Erbschaftsteuer gilt als klassisches Instrument der Umverteilung zur Schaffung einer „gesellschaftlichen Balance“. Die starken Schultern, so heißt es, müssten über die Erbschaftsteuer ihren Beitrag an den Gemeinschaftsaufgaben leisten. Diejenigen, die sich von der Erbschaftsteuer belastet fühlen, sehen dies freilich anders. Sie haben vielmehr den Eindruck, das nach Zahlung hoher Ertragsteuern vom Erblasser/Schenker erarbeitete Vermögen werde nun nochmals besteuert und über Gebühr geschmälert. Man sieht, die Erbschaftsteuer besteht aus dem Stoff, aus dem hitzige politische Debatten entstehen können. Eine äußerst schwierige Situation, insbesondere für eine große Koalition. Diese Situation wurde durch die Lage im Nachbarland Österreich verschärft. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte am 7.3.200725 – etwa zur gleichen Zeit wie das BVerfG – die österreichische Erbschaftsteuer mit ähnlichen Argumenten für verfassungswidrig erklärt. Im Gegensatz zur deutschen Bundesregierung hat die österreichische Bundesregierung die Erbschaftsteuer mit dem Jahr 2008 auslaufen lassen, allerdings unter Beibehaltung der Abgeltungssteuer für Kapitalvermögen, mit der auch die Erbschaftsteuer abgegolten war, und unter Einbeziehung des unentgeltlichen Grundstückserwerbs in die Grunderwerbsteuer. Dies erschien etlichen deutschen Bürgern und Unternehmern als durchaus vorbildhaft. Was konnte also im politischen Prozess herauskommen? Gebildet wurde nun von der Großen Koalition (der Bund war jetzt also mit im Boot) und den betroffenen Ländern eine politische Arbeitsgruppe unter der bewährten Führung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück. Der hessische Ministerpräsident und der Bundesfinanzminister sind bei der Lösung brisanter und schwieriger steuerpolitischer Fragen ein bewährtes Tandem. So kann man mit Fug und Recht behaupten, dass diese beiden Spitzenpolitiker der Unternehmensteuerreform 2008 über so manche Hürde geholfen haben. Weitere Mitglieder der politischen Arbeitsgruppe waren der damalige baden-württembergische Finanzminister Stratthaus, Finanzminis-
__________ 24 In Baden-Württemberg betrugen die Erbschaftsteuereinnahmen im Jahr 2007 vor Länderfinanzausgleich 720 Mio. Euro; aber auch nach dem Länderfinanzausgleich blieben dem Land noch 600 Mio. Euro. Im Jahr 2008 ist das Bruttoaufkommen in Baden-Württemberg auf 800 Mio. Euro angestiegen. Ein besonderes Interesse an den Erbschaftsteuer-Einnahmen haben auch die neuen Länder. Das originäre Erbschaftsteueraufkommen ist dort zwar gering, so dass die Bürger dieser Länder kaum mit Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet werden. Über den Länderfinanzausgleich profitieren diese Länder aber gleichwohl am Erbschaftsteueraufkommen, das vornehmlich in den großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und BadenWürttemberg, aber natürlich auch in allen anderen „alten“ Bundesländern generiert wird. 25 Verfassungsgerichtshof Österreich v. 7.3.2007 – G 54/06 u. a.
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ter Deubel (Rheinland-Pfalz), Staatsminister der Finanzen Faltlhauser (Bayern) und Finanzsenator Sarrazin (Berlin). 1. Eckpunkte und Ziele der politischen Arbeitsgruppe Sehr schnell verständigte sich die politische Arbeitsgruppe auf den Ansatz der Verkehrswerte für die verschiedenen Vermögensgegenstände. Dies, so die gemeinsame Grundüberzeugung, war dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss geschuldet. Klar war auch, dass ein Mindestaufkommen von 4 Mrd. Euro erzielt werden sollte. Außerdem bestätigten die Mitglieder der Arbeitsgruppe frühzeitig das Ziel, das vererbte/verschenkte Betriebsvermögen zu verschonen, um eben keine Arbeitsplätze zu gefährden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stand die Abschaffung der Erbschaftsteuer durch „Auslaufenlassen“ des für verfassungswidrig erklärten Rechts zum Ende des Jahres 2008 nicht mehr zur Debatte26. 2. Zwei Konzeptionen: Schwerpunktmäßige Verschonung des Betriebsvermögens oder breite Bemessungsgrundlage und niedrige Sätze für alle? Zunächst war in der politischen Arbeitsgruppe das jetzt als „Variante 1“ Gesetz gewordene Modell eines Verschonungsabschlags für Betriebsvermögen erörtert geworden. Der Verkehrswert des Betriebsvermögens sollte zunächst ermittelt werden. Von diesem Wertansatz war dann ein gewisser Verschonungsabschlag abzuziehen. Am Ende hat sich die Arbeitsgruppe auf einen Abschlag von 85 % geeinigt. Letztlich sollten dann 15 % des Verkehrswerts des Betriebsvermögens der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen. Allerdings sollte der Verschonungsabschlag zehn Jahre lang zu je einem Zehntel verloren gehen, wenn in einem dieser zehn Jahre nicht ein Mindestanteil der im Zeitpunkt des Erbfalls gezahlten Lohn- und Gehaltssumme gezahlt würde. Eine andere Richtung in der politischen Arbeitsgruppe präferierte das Modell „breite Bemessungsgrundlage – niedrige Sätze“. Als Verfechter dieses Konzepts darf man die Finanzminister von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Gerhard Stratthaus und Prof. Dr. Ingolf Deubel, nennen. Freilich folgten diese beiden Politiker mit diesem Vorschlag nicht nur der Stimme der Vernunft, sondern zahlreichen Stimmen in der Rechtsprechung und in der Wissenschaft27. Die Idee ist einfach: Alle Vermögensgegenstände werden mit dem Verkehrswert bewertet. Abschläge zur Verschonung einzelner Vermögens-
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26 Ernsthaft dürfte diese Option ohnehin nur von sehr wenigen Politikern erwogen worden sein. Schließlich sind in Deutschland nach dem Wegfall der Vermögensteuer und der „Gewerbekapitalsteuer“ die Substanzsteuern im internationalen Vergleich gering. Außerdem macht sich derjenige, der die Abschaffung der Erbschaftsteuer propagiert und vorschlägt, in Wahlkämpfen als Freund der Reichen angreifbar. 27 Vgl. beispielsweise auch Viskorf, Verfassungsrechtliche Fragen der Erbschaftsteuer und der geplanten gesetzgeberischen Neuregelung, FR 2007, 624 ff.; Crezelius, Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG), DStR 2007, 2277 ff.; Piltz, Steuerliche Überlegungen vor der Erbschaftsteuerreform, DStR 2008, 2297 ff.
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gegenstände gibt es nicht. Freibeträge werden möglichst gering gehalten. Das durch die Erhöhung der Wertansätze gewonnene Aufkommenspotential wird in Form deutlich niedrigerer Steuersätze zurückgegeben. Die Verschonung nichtfungibler Vermögenswerte wie Betriebsvermögen und Immobilienvermögen wird durch großzügige Stundungsregelungen erreicht. So sollte die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen und Immobilienvermögen in zehn Jahresraten gezahlt werden können. Die damit zusammenhängenden Stundungen sollten nicht verzinst werden. Zahlt ein Steuerpflichtiger sofort, wird seine Steuerschuld entsprechend abgezinst, so dass durchaus eine Verschonung von bis zu 50 % der Steuerschuld entstehen könnte. Dieses Modell hätte zahlreiche Vorteile gehabt. Zunächst wären jegliche verfassungsrechtlichen Zweifel vermieden worden. Außerdem hätte man die Erbschaftsteuer mit maßvollen Steuersätzen ausgestalten können. Weiter wären mit diesem Modell mehr Steuerpflichtige in die Erbschaftsteuerpflicht einbezogen worden, so dass sie den Charakter einer Sonderbesteuerung besonders Vermögender verloren hätte. Erben von Betriebsvermögen und von Immobilienvermögen wären gleich und eben nicht stark unterschiedlich besteuert bzw. verschont worden. Zwischen diesen beiden Konzeptionen musste sich die Politik entscheiden. Bedauerlicherweise waren sich die Vertreter der Wirtschaft nicht einig. Während der Deutsche Industrie- und Handelskammertag das Modell „breite Bemessungsgrundlage – niedrige Sätze“ grundsätzlich unterstützte, setzte der BDI eher auf das Modell einer stärkeren und einseitigen Verschonung der Betriebsvermögen. Letzteres hat sich dann, wohl auch aufgrund des deutlich formulierten Willens von Teilen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, durchgesetzt. Man wollte sich eben von der früher vertretenen politischen Linie nicht lösen: „Das haben wir der Wirtschaft doch bis hin zum Koalitionsvertrag versprochen!“ Heute bestimmt dieses Ergebnis das Bewusstsein all derjenigen, die sich mit der Erbschaftsteuerreform auseinandersetzen. Damals war dieses Ergebnis durchaus überraschend, – und für einige, wie auch den Verfasser dieser Zeilen, frustrierend. 3. Weitere Fragen Die Arbeitsgruppe hatte sich mit weiteren Fragen zu beschäftigen, obwohl das Erbschaftsteuerrecht konzeptionell nicht grundlegend überarbeitet werden sollte und letztlich auch nicht überarbeitet worden ist. Eine wichtige Frage war die Höhe der Freibeträge und der Steuersätze. Letztlich sind die Steuersätze der Steuerklasse I, also für Ehegatten und Abkömmlinge, gleich hoch geblieben, eine Absenkung dieser Sätze erschien – auch und gerade wegen der Privilegierung des Betriebsvermögens – nicht finanzierbar. Allerdings wurde bereits in der politischen Arbeitsgruppe das Konzept einer deutlichen Erhöhung der Freibeträge für die „nächsten Anverwandten“, nämlich die Ehegatten und die Kinder, beschlossen. Letztlich wurde bereits zu diesem Zeitpunkt die Erhöhung der Freibeträge für Ehegatten auf 500.000 Euro und für Kinder auf 400.000 Euro festgelegt. Ebenfalls festgelegt wurden aber auch „Verlierer“ der Reform. In den Steuerklassen II (Geschwister, Neffen und 1090
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Nichten, Onkel und Tanten) und III betragen die Steuersätze 30 % bzw. sogar 50 %. Abgemildert wird diese Belastung nur für Unternehmenserben: Erben von Betriebsvermögen werden immer mit den Sätzen nach Steuerklasse I besteuert. Ausführlich hat sich die Arbeitsgruppe auch mit der Ehegattenbesteuerung auseinandergesetzt. Einige Vertreter der Arbeitsgruppe präferierten eine völlige Freistellung der Ehegatten. Dies ist überzeugend, da die Erbschaftsteuer an sich den Übergang des Vermögens auf die nächste Generation besteuern sollte und die Ehegatten zumeist in einer Wirtschafts- und Erwerbsgemeinschaft das „Vermögen der beiden Ehegatten“ gemeinsam erwirtschaftet haben. Die Freistellung der Ehegatten scheiterte letztlich daran, dass andere Vertreter der politischen Arbeitsgruppe diese Besserstellung auch für die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erreichen wollten. Dies war nicht konsensfähig. Da die eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht genauso (günstig) besteuert werden sollten wie die Ehegatten, werden künftig die Ehegatten nach wie vor (wider bessere Überzeugung) mit Erbschaftsteuer belegt, wenn einer von ihnen stirbt. Der Vollständigkeit halber bleibt noch nachzutragen, dass mit den Beschlüssen der politischen Arbeitsgruppe eine weitere Verlierergruppe der Erbschaftsteuerreform identifiziert war. Im Gegensatz zu den Erben von Betriebsvermögen sollten nämlich die Erben von Grundvermögen keinen Verschonungsabschlag erhalten, obwohl gerade auch das Grundvermögen aufgrund des nunmehr vorgesehenen Ansatzes der Verkehrswerte bei im Wesentlichen unveränderten Sätzen höher belastet wird. Einzig hilfreich sind hier die hohen persönlichen Freibeträge für Ehegatten und Kinder. Dieser „Makel“ wurde bis zum Schluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht wirklich beseitigt. Lediglich im Hinblick auf das selbstgenutzte Wohneigentum wurden gewisse, freilich angreifbare Erleichterungen geschaffen.
VI. Der Regierungsentwurf Nach der doch recht ausführlichen Darstellung von Arbeit und Ergebnissen der politischen Arbeitsgruppe kann der Chronist sich bei der Schilderung des Regierungsentwurfs kurz fassen, gibt er doch im Wesentlichen eben diese Ergebnisse wieder. 1. Bewertungsfragen Der Regierungsentwurf modifiziert das Bewertungsrecht nur unwesentlich und verschiebt die materiell-rechtlichen Fragen der Bewertung überwiegend in entsprechende Rechtsverordnungen für die Bewertung des Betriebsvermögens, des Grundvermögens sowie des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Das Grundprinzip besteht im Ansatz der Verkehrswerte. Für die Bewertung des Betriebsvermögens werden die Verkehrswerte anhand der Erträge geschätzt. Zugelassen sind aber alle am Markt unter den Beteilig1091
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ten übliche Bewertungsmethoden, also nicht nur Ertragswertmethoden. Aus Gründen der Administrierbarkeit wird im Rahmen des Regierungsentwurfs ein vereinfachtes Bewertungsverfahren, das für alle Unternehmen bis zu einer gewissen Größe angewandt werden kann, vorgeschlagen. Soweit das Betriebsvermögen anhand einer Ertragswertmethode ermittelt wird, wird der sog. Kapitalisierungsfaktor aufgrund der Ermächtigungsnorm des § 11 des Bewertungsgesetzes für alle Ertragswertverfahren, nicht nur für das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren, einheitlich festgelegt. Dies führt zu einem Vervielfältiger von gut zwölf. Mit anderen Worten der durchschnittliche Gewinn der letzten drei Jahre wird mit dem Faktor zwölf multipliziert. Das Grundvermögen wird nach dem System der Wertermittlungsverordnung bewertet. Zunächst wird das Grundvermögen kategorisiert. Dann werden den einzelnen Kategorien von Grundvermögen bestimmte Bewertungsverfahren zugeordnet. Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen sollen danach anhand von Vergleichswerten (Relevanz von Kaufpreissammlungen!) bewertet werden. Für fremdvermietete und gemischt genutzte Immobilien gilt ein Ertragswertverfahren. In Einzelfällen gilt ein Sachwertverfahren. Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren betreffen allerdings nur die jeweiligen Gebäude, für die Grundstücke sind die Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse anzusetzen. Die Bewertungsfragen sind sicherlich nicht einfach zu lösen; gleichwohl stellen die im Rahmen des Regierungsentwurfs gefundenen Regeln ein solides Handwerkszeug für alle Beteiligten dar. Um diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen, sind die Bewertungsregelungen letztlich in das Bewertungsgesetz aufgenommen worden, wurden also nicht lediglich als Verordnungsregeln erlassen. 2. Regelungen zur Verschonung Politisch bedeutender als die verfassungskonforme Ausgestaltung des Bewertungsrechts waren die Regelungen auf der sog. Verschonungsebene. Bei der Verschonung des Grundvermögens hält sich der Regierungsentwurf genauso zurück wie die endgültige Reform. Lediglich zu Wohnzwecken vermietete Gebäude werden verschont, indem deren Verkehrswerte um 10 % vermindert werden. In diesem Zusammenhang verwundert, dass der Gesetzgeber nicht den bisherigen 20-prozentigen Abschlag auf die Bodenrichtwerte der Grundstücke fortführt, obgleich das BVerfG dies für verfassungsgemäß hält. Sehr viel großzügiger geht der Regierungsentwurf mit dem Betriebsvermögen um. Wie bereits oben beschrieben, wird das Betriebsvermögen nur i. H. v. 15 % des Verkehrswerts der Erbschaftsteuer unterworfen. Allerdings bleibt es bei dieser Begünstigung nur, wenn schwerwiegende Auflagen erfüllt werden. So muss nach dem Regierungsentwurf der Erbe des Betriebsvermögens zehn Jahre lang in jedem dieser zehn Jahre mindestens 70 % der sog. Ausgangslohnsumme bezahlen. Ansonsten verliert er 10 % der Verschonung, muss also auf 8,5 % des Verkehrswerts Erbschaftsteuer nachentrichten. Das entspricht einer 1092
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Erhöhung der zunächst (auf 15 % des Verkehrswerts) gezahlten Steuer von 56,67 %! Die Ausgangslohnsumme wird indexiert, nämlich an die Entwicklung der Löhne und Gehälter angepasst. Damit aber nicht genug. Der Erbe des Unternehmens unterliegt zudem einer 15-jährigen Behaltefrist. 15 Jahre lang darf er also das Unternehmen nicht veräußern. Auch die Insolvenz ist ein schädlicher Vorgang und löst die volle Erbschaftsteuer aus. Die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen löst eine anteilige Nachversteuerung aus. Auch wenn der Erbe in einem Zeitraum von 15 Jahren seit dem Erbfall zu hohe Entnahmen tätigt, wird Erbschaftsteuer ausgelöst. Diese verschiedenen Fallbeileffekte bei Lohnsummenregel und Behaltensregel lösten herbe Kritik aus. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass auch große Teile des nicht produktiven Vermögens verschont werden können. Beträgt das „Verwaltungsvermögen“ nicht mehr als 50 % des gesamten Betriebsvermögens, wird das Betriebsvermögen in toto privilegiert. Überschreitet das Verwaltungsvermögen allerdings die 50 %-Grenze, ist keinerlei Verschonung möglich. Wer also ein wenig aufpasst, kann Vermögensgegenstände, die Nichtunternehmer als Privatvermögen „unverschont“ vererben müssen, als (eventuell gewillkürtes) Betriebsvermögen mit 15 % der Werte an die Erben weitergeben. Obwohl etliche Vertreter der Wirtschaft dem im Regierungsentwurf umgesetzten Verschonungskonzept eindeutig den Vorzug gegenüber dem Konzept „breite Bemessungsgrundlage – niedrige Sätze“ gegeben hatten, waren sie mit dem Ergebnis der politischen Bemühungen keineswegs zufrieden. Zum einen erschienen die Voraussetzungen für die Verschonung als zu hart. Zum anderen bedeutet die Besteuerung von 15 % des Verkehrswertes des Unternehmens natürlich immer noch eine bei weitem höhere Belastung als die ursprünglich geplante Erbschaftsteuer von 0 % nach dem sog. Abschmelzmodell entsprechend der Vorstellungen des Jobgipfels und der Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition. Obwohl also die Bundesregierung mit dem Regierungsentwurf das Betriebsvermögen in verfassungsrechtlich nicht risikoloser Weise gegenüber anderen Vermögensgegenständen verschonte und damit privilegierte, waren die Adressaten dieser Verschonung und Privilegierung ganz und gar nicht zufrieden, weil für sie die Addition von Lohnsummenregelung, Behaltensregelung und Entnahmeregelung offensichtlich eine Bedrohung durch ein dreischneidiges Damoklesschwert darstellte.
VII. Die Stellungnahme des Bundesrates Im „normalen“ Gesetzgebungsverfahren leitet die Bundesregierung den von ihr beschlossenen Regierungsentwurf zunächst dem Bundesrat zu. Im ersten Durchgang Bundesrat gibt dieser zu dem geplanten Gesetz eine Stellungnahme ab. Diese Stellungnahme erfolgt regelmäßig in der Form von Änderungsanträgen, kann aber auch andere Inhalte haben, etwa die Anregung, den Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten. Die Stellungnahme des Bundesrates wird, ähnlich wie im Bundestag auch, von Fachausschüssen des Bundesrates 1093
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vorbereitet. Steuergesetze bereitet der Finanzausschuss vor, dem kraft Amtes die Finanzminister und -senatoren der Länder angehören. Die Stellungnahme des Bundesrates versieht die Bundesregierung mit einer Gegenäußerung und übersendet sodann das Gesamtpaket (Regierungsentwurf, Stellungnahme des Bundesrates, Gegenäußerung der Bundesregierung) dem Bundestag. Dieser behandelt das Gesetzgebungswerk dann in drei Lesungen des Bundestagsplenums und im Finanzausschuss des Bundestages. Beim Finanzausschuss des Bundestages finden auch die Anhörungen von Sachverständigen statt. Nicht selten werden die Entwürfe der Regierung im Finanzausschuss des Bundestages nochmals erheblich verändert. Die Vorlage des Finanzausschusses des Bundestages wird im Plenum des Bundestages in zweiter und dritter Lesung erörtert und beschlossen. In diesem Zeitpunkt liegt ein Gesetz im formellen Sinne vor. In Kraft treten können Steuergesetze aber nur, wenn der Bundesrat diesen im zweiten Durchgang zustimmt. Im zweiten Durchgang hat der Bundesrat neben der Option der Zustimmung nur noch die Möglichkeiten, das Gesetz entweder abzulehnen28 oder den Vermittlungsausschuss anzurufen. In den Zeiten der Großen Koalition hat der Vermittlungsausschuss keine Konjunktur. Dies war in den Jahren 1992 bis 2005 anders gewesen. In diesen Jahren gab es im Bundestag einerseits und im Bundesrat andererseits unterschiedliche politische Mehrheiten. Während der Regierung Kohl ab 1992 eine Mehrheit von sozialdemokratisch regierten Ländern im Bundesrat gegenüberstand, hatte es die Regierung Schröder schon ab 1999 mit einer Mehrheit unionsregierter Länder im Bundesrat zu tun. Deshalb war über ein Jahrzehnt lang der Vermittlungsausschuss der zentrale Ort des steuerpolitischen Geschehens. Dies ist seit dem Spätjahr 2005 anders. Wie bereits oben ausgeführt, werden die steuerpolitischen Meinungsverschiedenheiten „in der Koalition“ unter Hinzuziehung von Steuerpolitikern und Steuerexperten der Länder ausgetragen. In Zeiten einer großen Koalition ist es politisch so gut wie ausgeschlossen, dass der Bundesrat den Gesetzen des Bundestages nicht zustimmt und damit die endgültige Kompromissfindung in den Vermittlungsausschuss verlagert wird. Damit hat aber die Länderkammer politische Einflussmöglichkeiten eingebüßt, so dass sie die gesamte Kraft ihrer Argumente auf den ersten Durchgang im Bundesrat konzentrieren muss. Obwohl zur Vorbereitung des Regierungsentwurfs für eine Erbschaftsteuerreform wie oben geschildert eine einflussreiche politische Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Bundesregierung und wichtiger Ländervertreter und Parteivertreter eingesetzt worden war, kam der Stellungnahme des Bundesrates eine entscheidende Bedeutung zu. Der Bundesrat hat sich durchaus selbständig ohne Rücksicht auf die im Regie-
__________ 28 So waren z. B. die sog. Petersberger Beschlüsse im Jahre 1998 vor dem damaligen Regierungswechsel bereits formelles Gesetz geworden, d. h. der Bundestag hatte die Petersberger Beschlüsse in formelle Gesetze umgesetzt. Allerdings hat dann der Bundesrat diesen Gesetzen nicht zugestimmt und damit eine signifikante Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes verhindert.
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rungsentwurf umgesetzten Ergebnisse der politischen Arbeitsgruppe eine eigene Auffassung gebildet und wegweisende Änderungsvorschläge unterbreitet29. Offensichtlich wollte die Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat deutlich machen, was aus Sicht der Unionsparteien keinesfalls gemacht werden sollte und wie der gefundene Kompromiss „zu entschärfen sei“. Die zum Teil harsche Kritik am Regierungsentwurf blieb insoweit nicht folgenlos. Um den Rahmen nicht zu sprengen, werden hier nur die aus Sicht des Verfassers fünf wichtigsten Änderungswünsche des Bundesrates dargestellt. – Zunächst war dem Bundesrat die Behaltensfrist von 15 Jahren zu lang, zumal die Lohnsummenklausel nach dem Regierungsentwurf lediglich zehn Jahre angewandt werden sollte. Der Bundesrat plädierte für eine einheitliche Schädlichkeitsfrist von zehn Jahren für Lohnsummenklausel, Veräußerungsverbot und Überentnahmen. – Außerdem setzte sich der Bundesrat für eine zeitanteilige Nachbelastung bei späterer Veräußerung, Aufgabe und Insolvenz ein. Den sog. „Fallbeileffekt“, nach dem die gesamte Verschonung entfallen sollte, wenn etwa im letzten Jahr der Behaltensfrist veräußert würde, hielt der Bundesrat für völlig verfehlt – Darüber hinaus plädierte der Bundesrat für die Vermeidung verfassungswidriger Überbewertungen. Wie oben geschildert, sollte bei der Bewertung von Betriebsvermögen im Rahmen eines jeden Ertragswertverfahrens gesetzlich ein einheitlicher Kapitalisierungszinssatz vorgeschrieben werden. Nach den Vorstellungen des Regierungsentwurfs hätte damit der Wert eines jeden Betriebes letztlich in gleicher Weise festgelegt werden müssen. Der durchschnittliche Gewinn der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt wäre mit dem Multiplikator zwölf zu vervielfältigen gewesen, unabhängig etwa von der Größe und der regionalen Lage des Betriebs sowie von der Branche, in der der Betrieb arbeitet. – Der Bundesrat verlangte weiter eine Differenzierung bei den Steuerklassen II und III. Er zielte auf eine geringere Belastung der Verwandten in Steuerklasse II, von Geschwistern, Neffen und Nichten, Onkeln und Tanten, ab. Diese sollten nicht mit entweder 30 % oder gar 50 % belastet werden, so wie die Angehörgen der Steuerklassen III. Aus Sicht des Bundesrats war dies auch deshalb bedeutend, weil die Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zwar in Steuerklasse III eingeordnet sind, immerhin aber einen Freibetrag von 500.000 Euro (wie Ehegatten) eingeräumt bekommen. Der Bundesrat hielt dem gegenüber die Besteuerung von Geschwistern für grob ungerecht. – Schließlich sprach sich der Bundesrat für einen Abschlag vom Bodenwert i. H. v. 20 % aus. Dies führte zu einer geringeren Streitanfälligkeit bei der Bewertung von Grundbesitz. Außerdem habe das BVerfG für die Bewertung des Grundvermögens einen solchen Bewertungskorridor eingeräumt.
__________ 29 Stellungnahme des Bundesrats vom 15.2.2008, BR-Drs. 4/08.
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Mit dem Regierungsentwurf und den Vorstellungen des Bundesrates war dem interessierten Publikum ausreichend Stoff zur Auseinandersetzung geboten30. Der Vollständigkeit halber muss an dieser Stelle eingeräumt werden, dass das Konzept einer breiten Bemessungsgrundlage mit niedrigen Sätzen im Bundesrat nur noch von Nordrhein-Westfalen zur Sprache gebracht worden ist. Die überwältigende Mehrheit sah aber nach den Ergebnissen der politischen Arbeitsgruppe für einen solchen „vernünftigen Ansatz“ keine Verwirklichungschancen mehr31.
VIII. Die Beratungen des Bundestages und die Bayerische Landtagswahl als retardierendes Moment Nach Überzeugung des Verfassers lagen mit dem Regierungsentwurf und der Stellungnahme des Bundesrates genügend Materialien auf dem Tisch, um einen vernünftigen, zumindest erträglichen und praktikablen Kompromiss für eine Erbschaftsteuerreform im Bundestag zu finden. Soweit ersichtlich waren auch sämtliche Erwartungen auf eine zügige Beratung und Beendigung der Reformdiskussion gerichtet. Warum ist es anders gekommen? Dies hat natürlich verschiedene Gründe. Empfindlicher noch als die Mitglieder des Bundesrates reagierten die Abgeordneten des Bundestages auf scheinbar vorgegebene, fertige Beschlüsse der Großen Koalition und irgendwelcher, zweifelsohne vom Wähler nicht legitimierter Arbeitsgruppen, mögen diese politisch und fachlich auch noch so hochrangig besetzt gewesen sein. Diese selbstverständliche Haltung der Bundestagsabgeordneten führt regelmäßig dazu, um es mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagesfraktion Peter Struck auszudrücken, dass ein Gesetz nie so aus dem Bundestag herauskommt, wie es reinkommt. Je intensiver sich der Bundestag mit der jeweiligen Materie beschäftigt, umso bedeutender sind auch die von ihm vorgenommenen Veränderungen am vorgelegten Entwurf32. Der Bundestag hat sich auch deshalb so intensiv mit der Materie beschäftigt, weil einige Abgeordnete sich mit den gefundenen Kompromissen so gar nicht ab-
__________ 30 Bei der 59. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung der Fachanwälte für Steuerrecht wurden die vorliegenden Überlegungen für eine Erbschaftsteuerreform als zweites Generalthema „Erbschaftsteuerreform“ unter der Leitung des Jubilars vorgestellt. Der Verfasser dieser Zeilen hatte seinerzeit die Möglichkeit, als Teilnehmer der Podiumsdiskussion seine Sicht der Dinge darzustellen. Vgl. zu allem Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2008/2009, S. 97–197. 31 Vgl. hierzu Schmitt in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2008/2009, S. 196. 32 Das vielfach geäußerte Vorurteil, die Bundestagsabgeordneten hätten im Wesentlichen die Vorlagen der Bundesregierung lediglich noch „abzunicken“, kann aus Sicht des Verfassers nicht bestätigt werden. Zwar hat der Gesetzgeber keinen den Ministerien vergleichbaren Apparat. Doch machen sich die Abgeordneten ohne Scheu und selbverständlich zu Recht das Fachwissen der Ministerien zu Nutze, fragen kritisch nach und fordern Formulierungshilfen für entsprechende Veränderungen ein.
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finden wollten. Nach meiner Beobachtung waren dies vor allem Abgeordnete aus Bayern und Baden-Württemberg33. Anders als man es nach den bereits vorhandenen Überlegungen und Vorlagen an sich erwarten durfte, wurde die Erbschaftsteuer immer hitziger diskutiert. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man sagt, dass sich die Abgeordneten der CSU, sicher auch in Anbetracht der im September 2008 bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern, zum „Anwalt der Erben“ machten. Wollte man die Entstehungsgeschichte der Erbschaftsteuerreform als Drama aufführen, so hätten die Bayern bzw. die CSU für das „retardierende Moment“ gesorgt. Wider Erwarten34 wurde die Erbschaftsteuerreform somit nicht vor der parlamentarischen Sommerpause des Jahres 2008 „perfekt gemacht“. Vielmehr wurde die Entscheidung bis nach der Bayernwahl im September vertagt. Staatsrechtlich ist dies ein bemerkenswerter Vorgang. Ein solcher Vertagungsbeschluss wurde nicht etwa in den Gremien des Bundestages getroffen. Vielmehr war dies das Ergebnis verschiedener Sitzungen des Koalitionsausschusses der Großen Koalition unter Beteiligung bedeutender Politiker aus den Ländern. Anders als bis zu diesem Zeitpunkt erkennbar, nahmen sich nun die Politiker aus Bayern verstärkt der Erbschaftsteuerreform an. Freilich waren dies nicht nur die Mitglieder der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Auch die Mitglieder der Landesregierung bemühten sich in dieser Phase um eine Veränderung der Reform in ihrem Sinne35. Dieses retardierende Moment der Bayernwahl und das massive Interesse einer bestimmten politischen Gruppe an Veränderungen/Verbesserungen des an sich bereits erkennbaren politischen Kompromisses hatte einige Wirkungen. Für den Gesetzgeber wurde es langsam knapp. Wäre es ihm nicht gelungen, bis zum 31.12.2008 die Erbschaftsteuer verfassungskonform auszugestalten, hätte das Erbschaftsteuergesetz nicht mehr angewandt werden können. Wie die Vermögensteuer im Jahre 1997 wäre die Erbschaftsteuer entfallen36. Wird es zeitlich knapp, setzen natürlich einige darauf, dass es tatsächlich nichts mehr wird, dass die Erbschaftsteuer also entfällt. Im Übrigen befördert Zeitdruck nicht eben die Qualität der Beratungen und der Ergebnisse. Die zweite Wirkung war die Verbreitung von Ratlosigkeit. Die Erbschaftsteuerbelastung ist für die Organisation der Unternehmensnachfolge ein ent-
__________ 33 Vielleicht hat dies seinen Grund darin, dass sich in diesen Ländern zahlreiche erfolgreiche Familienunternehmen befinden, denen die Erbschaftsteuer regelmäßig „ein Dorn im Auge“ ist. Vielleicht fürchtet man in diesen Ländern auch besonders die Konkurrenz aus Österreich. 34 Zumindest wider meine Erwartung. 35 Im Vergleich zu diesem intransparenten Verfahren, das ja nur von den omnipräsenten Medien in Berlin transparent gemacht wird, ist das allseits beklagte Vermittlungsverfahren ein Musterbeispiel eines verfassungsrechtlich geordneten, demokratischen Verfahrens. 36 Alle anderen Auslegungen, die von einer Weitergeltung des bisherigen Rechts bis zur Entscheidung durch den Gesetzgeber ausgegangen waren, sind aus meiner Sicht abwegig und werden deshalb hier nicht diskutiert.
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scheidendes Kriterium37. Dies führt natürlich zu Unzufriedenheiten und Unsicherheiten. Die aus meiner Sicht wohl schädlichste Wirkung dieser Verzögerung bestand jedoch darin, dass die Interessenverbände nun nachgerade verpflichtet schienen, sich im Interesse ihrer Mitglieder zu äußern. Zahllose Forderungen und Verbesserungsvorschläge wurden auf allen politischen Ebenen vorgebracht. Selbstverständlich mussten die angesprochenen und angeschriebenen Politiker Stellung nehmen zu den vorgetragenen Wünschen und Auffassungen. Was sollte aber eigentlich gesagt und geschrieben werden? Die Beratungen, die an sich zügig zu einem Kompromiss hätten führen sollen, waren ausgesetzt. Ich wage die Behauptung, dass diese Verzögerung der Autorität des Gesetzgebers und natürlich auch dem Rechtsgeltungswillen des Gesetzes selbst Schaden zugefügt hat. Andererseits waren diejenigen, die die Verzögerung maßgeblich betrieben haben, und das sind nun mal „die Bayern“, dazu verdammt, Verbesserungen oder zumindest Änderungen, die man als Verbesserungen darstellen kann, zu erreichen. Sie mussten also „Erfolge jenseits der Bundesrats-Vorschläge“ erzielen. Dies ist, wie zu zeigen sein wird, (nur) teilweise gelungen.
IX. Die Einigung in letzter Minute Wie wir heute wissen, ist es dem Gesetzgeber geglückt, in letzter Minute eine Erbschaftsteuereform so auf den Weg zu bringen, dass sie am 1.1.2009 in Kraft treten konnte. „Selbstverständlich“ hat wiederum eine politische Arbeitsgruppe, erneut in anderer Besetzung als die vorhergehenden Arbeitsgruppen, den „Endkompromiss“ vorbereitet. Dies geschah wohlgemerkt alles während der offiziell noch andauernden Beratungen des Gesetzentwurfs im Finanzausschuss des Bundestages, also vor dessen zweiter und dritter Lesung. Aber es ist gut gegangen, am 27.11.2008 verabschiedete der Bundestag die Erbschaftsteuerreform, am 5.12.2008 erklärte dann der Bundesrat im zweiten Durchgang seine Zustimmung. Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnete das Gesetz an Heiligabend, so dass es tatsächlich rechtzeitig im Bundesgesetzblatt erscheinen und zum 1.1.2009 in Kraft treten konnte38. Worin besteht die Einigung in letzter Minute? Im Folgenden soll der Kompromiss grob dargestellt werden39. 1. Verschonung des Betriebsvermögens und deren Voraussetzungen Ganz entscheidende Veränderungen ergaben sich bei der Verschonung des Betriebsvermögens und deren Voraussetzungen. Insoweit können diejenigen, die
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37 Der Jubilar und seine Sozien sind mit entsprechenden Beratungen ja bekanntermaßen seit Jahrzehnten beschäftigt. 38 Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRefG) vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 39 Vgl. hierzu Schmitt, Entwicklungen im Unternehmensteuerrecht, WPg 2008, 1163 ff.
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nachdrücklich auf Verbesserungen der bisher vorliegenden Entwürfe und Kompromisslinien gedrungen haben, sich eines signifikanten Erfolges rühmen. Einfach ist die gefundene Lösung freilich nicht, gibt es doch zwei Verschonungsvarianten. Variante 1 gewährt wie der Gesetzentwurf einen Verschonungsabschlag von 85 %. Die Verwaltungsvermögensgrenze von 50 % gilt genauso wie eine Behaltensfrist, die allerdings auf sieben Jahre reduziert ist. Im Vergleich zur im Gesetzentwurf vorgesehenen Frist von 15 Jahren ist dies weniger als die Hälfte. Aber auch die Empfehlung des Bundesrates (zehn Jahre) wurde nochmals deutlich untertroffen. Bei schädlichen Handlungen des Erwerbers innerhalb dieser mehr als halbierten Behaltensfrist erfolgt zudem nur eine zeitanteilige Nachbelastung. Der vielkritisierte Fallbeileffekt ist also nicht Gesetz geworden. Insoweit nimmt der Kompromiss die dementsprechende Anregung des Bundesrates auf. Außerdem ist der sog. „Lohnsummenerhalt“ deutlich entschärft worden. Zunächst muss die Lohnsumme über einen Zeitraum von sieben Jahren grundsätzlich erhalten werden, insoweit ist also eine Harmonisierung mit der Behaltensfrist erfolgt. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Frist für den Lohnsummenerhalt von zehn Jahren ist also deutlich verkürzt worden. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf wird erst am Ende dieser siebenjährigen Frist „abgerechnet“. Nach Ablauf dieser Frist muss die aufaddierte Lohnsumme in diesen sieben Jahren 650 % der Ausgangslohnsumme erreichen. Zugunsten des Erwerbers wird die Ausgangslohnsumme entgegen der Regelungen im Gesetzentwurf nicht indexiert. Bei tatsächlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen wirkt sich dies positiv aus. Außerdem wird die Einhaltung der Lohnsumme erst nach Ablauf der sieben Jahre geprüft, so dass der Erwerber innerhalb dieser Zeitspanne einzelne Zeiträume mit niedrigerer Lohnsumme mit höheren Lohnsummen in anderen Zeiträumen ausgleichen kann. Wird dann festgestellt, dass der Erwerber 650 % der Ausgangslohnsumme unterschritten hat, wird er nur insoweit mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer nachbelastet, als er diese 650 % unterschritten hat. Insgesamt bedeutet also die „85 %-Variante“ eine deutliche „Entschärfung“ der Regelungen des Gesetzentwurfs, die zudem einfacher zu handhaben ist. Der Erwerber des Betriebsvermögens kann sich aber zum Zeitpunkt des Erbfalls bzw. der Schenkung auch für die Variante 2, nämlich eine volle Freistellung entscheiden. Das Verwaltungsvermögen muss dann aber weniger als 10 % des Betriebsvermögens betragen. Die Behaltensfrist ist etwas länger; sie währt nämlich zehn Jahre. Aber auch hier gibt es keinen Fallbeileffekt, bei Veräußerung innerhalb der Behaltensfrist wird ebenfalls nur zeitanteilig nachbelastet. Die Lohnsumme muss innerhalb einer Frist von zehn Jahren 1000 % der Ausgangslohnsumme erreichen. Auch hier wird nicht indexiert und auch hier wird nur insoweit nachbelastet, als der Erwerber diese Mindestlohnsumme am Ende der Zehnjahresfrist unterschritten haben sollte. Allerdings erfolgt die Wahl der Variante 2 unwiderruflich. 1099
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2. Das „selbstgenutzte Wohneigentum“ Gegen Ende der Diskussion um die Erbschaftsteuerreform gewann ein bis dahin nicht mit dieser Aufmerksamkeit verfolgtes Thema an Brisanz. Bayerische (und auch baden-württembergische) Politiker hatten die Regionalisierung der Erbschaftsteuer ins Spiel gebracht, zumindest sollten die Steuersätze und die persönliche Freibeträge durch die Länder festgelegt werden können. Begründet wurde dieser politische Ansatz mit den hohen Bodenpreisen in den süddeutschen Ballungsräumen, etwa um Stuttgart oder München. Betont wurde in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit des Erben, Erbschaftsteuer auf das vom Erblasser genutzte Wohneigentum zu zahlen, falls der Erbe dieses nach dem Erbfall ebenfalls nutzen wollte. Diese Diskussion hat letztlich zu einer erbschaftsteuerrechtlichen Privilegierung des selbstgenutzten Wohneigentums geführt. Vererbt der Erblasser seinem Ehegatten selbstgenutztes Wohneigentum, so bleibt dies steuerfrei, wenn der erbende Ehegatte diese Wohnimmobilie selbst weiter nutzt. Voraussetzung ist also sowohl die Selbstnutzung durch den Erblasser als auch die weitere Selbstnutzung durch den erbenden Ehegatten. Die Steuerbefreiung entfällt nämlich rückwirkend, wenn das Familienwohnheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Bewertungsstichtag verkauft oder vermietet wird, es sei denn, der erbende Ehegatte stirbt oder wird ein schwerer Pflegefall. Diese Regelung ist der steuerfreien Schenkung des Familienwohnheims zwischen Ehegatten nachempfunden. Unter den gleichen Voraussetzungen kann Kindern selbstgenutztes Wohneigentum bis zu einer Wohnfläche von 200 m² erbschaftsteuerfrei vererbt, jedoch nicht verschenkt werden40. Soweit die Wohnfläche größer ist als 200 m², ist der Erwerb hingegen erbschaftsteuerpflichtig. 3. Weitere Änderungen Zugunsten der Betriebsvermögenserben wurden weitere Ausnahmen vom Verwaltungsvermögensbegriff vorgenommen. Dies betrifft etwa verpachtete landund forstwirtschaftliche Flächen, Fälle der Betriebsaufspaltung, Einzelfälle von im Rahmen der Betriebsverpachtung im Ganzen überlassenen Grundstücken, Wohnungsunternehmen und die Verpachtung von Grundstücken innerhalb des Konzerns41. Eine Differenzierung der Steuersätze in den Steuerklassen II und III konnte allerdings nicht durchgesetzt werden, obgleich dies eine der zentralen Forderungen des Bundesrats gewesen war.
__________ 40 Die Begrenzung auf 200 m² bei von Kindern geerbtem selbstgenutztem Wohneigentum ist Ergebnis eines politischen Kompromisses. Dass sich die Sozialdemokraten mit dieser erbschaftsteuerrechtlichen Privilegierung des selbstgenutzten Wohneigentums besonders schwer getan haben, ist ja kein Geheimnis. 41 Zu den Einzelheiten vgl. Schmitt, WPg 2008, 1163 f.
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Die im Verlauf der Reformdiskussion heftig kritisierte Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer wird deutlich abgemildert. Wird das ererbte Vermögen, regelmäßig das Betriebsvermögen, nach dem Erbschaftsteuer auslösenden Erbfall veräußert und wird hierdurch Einkommensteuer ausgelöst, soll bei der späteren Einkommensteuerzahlung entsprechend dem früheren § 35 EStG die Erbschaftsteuer berücksichtigt werden. Dies allerdings nur dann, wenn der Erwerber das Vermögen spätestens im vierten auf das Erwerbsjahr folgenden Kalenderjahr veräußert. Damit ist etwa der problematische Fall zufriedenstellend geregelt, in dem der Erbe nicht die berufsbefähigenden Voraussetzungen des Erblassers hat, z. B. bei der Vererbung einer Arztpraxis, einer Rechtsanwaltskanzlei oder eines Steuerberaterbüros. Besonders wichtig ist die Klarstellung, dass außerhalb des vereinfachten Verfahrens zur Bewertung von Betriebsvermögen die bei den sonst marktüblichen Verfahren anzuwendenden Kapitalisierungsfaktoren angewandt werden dürfen. Damit wird die oben beschriebene drohende verfassungswidrige Überbewertung, aber auch die Unterbewertung, in einer Vielzahl von Betriebsvermögensfällen vermieden.
X. Fazit – Ist der Kompromiss gelungen? 1. „Die Betriebe können damit leben“ Mit der Überschrift ist alles gesagt. Aus meiner Sicht werden die Erben von Betriebsvermögen bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen privilegiert. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass regelmäßig Unternehmer die Chance haben, ein überdurchschnittliches Vermögen zu erwerben und eben auch zu vererben. Dies liegt daran, dass sie die durch den Firmenwert verkörperte Chance, Gewinne zu erwirtschaften, nutzen. Dass diese Chance42 einen erbschaftsteuerrechtlich relevanten Wert darstellt, der auch besteuert werden kann, kann letztlich nicht bezweifelt werden. Freilich ist den Erben recht zu geben, wenn sie einwenden, sie müssten aus dieser Chance auch etwas machen. Die drohende Belastung mit Erbschaftsteuer, wenn man denn die Voraussetzungen der Verschonung nicht erfüllt, mag ein „psychologisches Damoklesschwert“ sein. Doch zumindest der Wegfall des sog. Fallbeileffektes sollte selbst diese psychologische Belastung in Anbetracht der häufig ererbten Chance auf ein anschauliches unternehmerisches Einkommen erträglich machen können. 2. Die Verlierer Die Verlierer sind schnell gefunden. Vor allen anderen Beteiligten sind dies die Angehörigen der Steuerklasse II. Erbende Geschwister, Nichten, Neffen, Onkel
__________ 42 Es handelt sich um einen dem Transferpaket im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 7 Außensteuergesetz vergleichbaren Wertansatz. Hier wie dort ist die Diskussion überdurchschnittlich emotional angeheizt.
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und Tanten werden mit Sätzen von 30 % und 50 % stark zur Kasse gebeten. Dies betrifft zwar nicht die Erben von Betriebsvermögen, dort gilt stets die Steuerklasse I. Bei der Vererbung von Grundbesitz und Kapitalvermögen ist die Belastung allerdings enorm. Diese unverändert hohe Besteuerung der Erben der Steuerklasse II ist offensichtlich dem Erhalt eines Mindestaufkommens von 4 Mrd. Euro geschuldet. An diesem besonderen fiskalischen Interesse haben sich damit letztlich auch die Politiker der CSU die Zähne ausgebissen. Bedauerlicherweise konnten sich hier die Vorstellungen des Bundesrates nicht durchsetzen. Die zweite große Verlierergruppe sind die Erben von Grundvermögen. Hier schlägt der Ansatz mit dem durch die neuen Bewertungsverfahren regelmäßig jedenfalls annähernd erreichten Verkehrswert voll auf die Belastung durch. Verschont werden lediglich die Erben von vermieteten Wohnungsimmobilien; hier ist auf die Gebäude ein Abschlag von 10 % vorzunehmen. Helfen können in diesem Zusammenhang lediglich die deutlich erhöhten persönlichen Freibeträge von Ehegatten (500.000 Euro statt bisher 307.000 Euro) und von Kindern und Kindern vorverstorbener Kinder (400.000 Euro statt bisher 205.000 Euro). Nicht zu trösten sind insoweit wiederum die Angehörigen der Steuerklasse II, bei denen der Freibetrag lediglich von 10.300 Euro auf 20.000 Euro erhöht wurde. Tröstlich ist im Zusammenhang mit der Besteuerung der Immobilien lediglich die Möglichkeit, für die Erbschaftsteuer für Mietwohngrundstücke und selbstgenutzte Wohnungen eine zehnjährige zinslose Stundung zu beantragen. Dem Antrag wird allerdings nur stattgegeben, wenn die ererbte Immobilie verkauft werden müsste, damit die Erbschaftsteuer gezahlt werden kann. 3. Verfassungsfragen Der vom Gesetzgeber gewählte Weg birgt verfassungsrechtliche Risiken. Die erneute Prüfung des Gesetzes durch das BVerfG ist wohl nur eine Frage der Zeit. Die Risiken sind schnell aufgezählt. Neben der sehr niedrigen Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, auf die in diesem Beitrag nicht näher eingegangen wurde, ist die starke Privilegierung des übrigen Betriebsvermögens augenfällig. Systematisch korrekt, so wie vom BVerfG vorgegeben, erfolgt die Verschonung nicht mehr auf der Bewertungsebene, sondern auf der zweiten Ebene, der sog. Verschonungsebene. Die Verschonung ist allerdings enorm. Sie beträgt 85 % oder gar 100 % des Betriebsvermögens, je nachdem welche der oben dargestellten Verschonungsvarianten gewählt wird. Die Voraussetzungen, an die diese Verschonung geknüpft ist, sind gegenüber dem Gesetzentwurf deutlich abgeschwächt worden. Die Behaltensfrist ist mit sieben bzw. zehn Jahren überschaubar. Kernargument für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Verschonungsmechanismen dürfte aber der erzwungene Erhalt von Arbeitsplätzen sein. Erzwungen wird die Erhaltung von Arbeitsplätzen durch die oben beschriebene Lohnsummenregelung, nach der während einer Frist von sieben Jahren 650 % der Ausgangslohnsumme bzw. während einer Frist von zehn Jahren 1000 % der Ausgangs1102
Der mühsame Weg zu einem neuen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht
lohnsumme bezahlt werden müssen. Dies setzt sicher den Erhalt der meisten Arbeitsplätze des ererbten Betriebes voraus. Das Verfassungsgericht wird zu entscheiden haben, ob diese durchaus noch strengen, wenn auch entschärften Voraussetzungen die Privilegierung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang wird das Verfassungsgericht auch prüfen müssen, ob die Fortführung des Familienunternehmens durch den Erben die Arbeitsplätze eher garantiert als eine etwaige Veräußerung des Familienunternehmens an Dritte. Auch die Privilegierung des selbstgenutzten Wohneigentums könnte verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. In der heutigen mobilen Gesellschaft ist es doch häufig Zufall, wenn das erbende Kind das ererbte selbstgenutzte Wohneigentum seinerseits selbst nutzen kann. Vielleicht arbeitet das Kind in einer ganz anderen Stadt, verkauft das ererbte Elternhaus und erwirbt von dem Erlös eine selbstgenutzte Wohnung an seinem Arbeitsort. Warum wird dieser Fall im Gegensatz zum Fall des immobilen Kindes nicht privilegiert? Diese Fälle können auch innerhalb einer Familie stattfinden. Der Sohn erbt die von den Eltern selbstgenutzte Immobilie und nutzt diese selbst weiter, während die Tochter einen namhaften Geldbetrag erhält, den sie zum Erwerb eines eigenen Familienwohnheims nutzt. Weshalb werden diese Fälle erbschaftsteuerrechtlich unterschiedlich behandelt? Die Ausgangsfrage, ob der Kompromiss gelungen ist, lässt sich mithin nicht einfach beantworten. Im Prinzip ja, möchte man mit Radio Eriwan gerne antworten. Ich mache kein Hehl daraus, das Konzept „breite Bemessungsgrundlage – niedrigere Sätze“ wäre sicher überzeugender und zudem jedenfalls verfassungsfest gewesen. Während nach der jetzt gefundenen Regelung allenfalls 10 % der Erben Erbschaftsteuer zahlen müssen, wären nach jenem Konzept deutlich mehr Bürger in die Steuerpflicht geraten, allerdings mit moderaten Belastungen. Gleichheitsfragen hätten sich nicht gestellt. Die gleichlaufende Verschonung von Betriebsvermögen und Immobilienvermögen wäre mit einer großzügigen Stundungsregelung durchaus möglich gewesen. Andererseits kann man mit dem gefundenen Kompromiss leben. Die Länder behalten ihre Erbschaftsteuereinnahmen, die Betriebe werden geschont, die nächsten Angehörigen (Ehegatten und Kinder) werden ebenfalls nicht übermäßig belastet. Auch die Belastung der 10 % steuerpflichtigen Erben hält sich im Rahmen, sofern diese der Kernfamilie des Erblassers (Ehegatte, Kinder) angehören. Die Verfassungswidrigkeit der Reform steht keineswegs fest. Das Erbschaftsteuergesetz könnte länger leben, als viele es ihm derzeit voraussagen. Eine rechtspolitisch und systematisch überzeugende Lösung stellt das neue Gesetz dennoch nicht dar. Sie wurde dem Zwang und dem Willen, an sich durch den Verfassungsgerichtsbeschluss obsolet gewordene alte Konzepte nicht aufgeben zu wollen, geopfert.
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Zur Relevanz der Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im Grunderwerbsteuerrecht Inhaltsübersicht I. Die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG 1. § 1 Abs. 2a GrEStG: Fiktion eines Grundstückserwerbs durch eine fingierte neue Personengesellschaft 2. § 1 Abs. 3 GrEStG: Fiktion eines Grundstückserwerbs durch den Gesellschaftsanteilserwerber II. Vereinbarkeit der Grunderwerbsteuer auf Anteilseinbringungen mit der RL 69/335/EWG wegen der Fiktion von Grundstückserwerben? III. Steuerschuldnerschaft in den Fällen von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG IV. Keine vollständige Gleichstellung von fiktivem und tatsächlichem Grundstückserwerb (mit Auswirkungen insbes. im Rahmen von §§ 16, 3 Nr. 8 GrEStG) V. Begünstigung fiktiver Grundstückserwerbe nach § 3 GrEStG 1. § 1 Abs. 2a GrEStG a) Anteilsschenkungen b) Anwendung der sog. personenbezogenen Befreiungen nach § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG auf fingierte Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG 2. Anwendung der Befreiungen nach § 3 GrEStG auf fiktive Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 3 GrEStG a) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG b) Fingierte Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG
aa) Anteilsvereinigung durch Erwerb von Todes wegen oder Schenkung bb) Sog. personenbezogene Befreiungen VI. § 1 Abs. 6 GrEStG: Verrechenbarkeit der Bemessungsgrundlagen bei unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallendem mehrfachen Erwerb desselben Grundstücks durch denselben Erwerber 1. Anwendungsvoraussetzungen von § 1 Abs. 6 GrEStG 2. § 1 Abs. 3 GrEStG 3. § 1 Abs. 2a GrEStG a) Verhinderung der Anwendung von § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG durch die § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegende Fiktion b) Nichtberücksichtigung der § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Fiktion im Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 6 GrEStG VII. Relevanz der Fiktionen von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG 1. Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG beim Grundstücksübergang auf den Gesamthänder nach vorheriger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG a) Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2a GrEStG b) Ausscheiden der KomplementärGmbH: Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG c) Nichterhebung der Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 2 GrEStG
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Stefan Behrens d) Unanwendbarkeit der Sperrfrist i. S. v. § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG aa) Wortlaut von § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG bb) Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG durch die ständige BFH-Rechtsprechung cc) Gültigkeit der Fiktion des Grundstückserwerbs durch eine neue Personengesellschaft im Rahmen von § 6 Abs. 4 GrEStG dd) Irrelevanz der Höhe der Bemessungsgrundlagen 2. Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch mittelbare Anteilsübergänge bei vermittelnden Kapitalgesellschaften
3. Anwendung der Befreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG bei Anteilsvereinigung bezogen auf eine Personengesellschaft 4. Anwendung von § 5 GrEStG bei Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer Personengesellschaft a) Verlängerung der Beteiligungskette verwirklicht § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG b) Verlängerung der Beteiligungskette verwirklicht § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG VIII. Wechselseitige Beteiligungen 1. Kapitalgesellschaften 2. Personengesellschaften IX. Zusammenfassung
Mit Freude widme ich dem Jubilar den folgenden sich mit der Grunderwerbsteuer beschäftigenden Beitrag. Darin wird der Frage nachgegangen, inwieweit die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen in § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG in der Praxis der Finanzgerichte und Finanzverwaltung bei der Anwendung der übrigen Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes beachtet werden. Diese Vorschriften machen die Veräußerung oder den Übergang von Anteilen von Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz zum Anknüpfungspunkt für die Erhebung von Grunderwerbsteuer. Der eigentliche Besteuerungsgrund liegt jedoch in der erstmaligen Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke zu einer fingiert neuen Personengesellschaft bzw. zu dem mindestens 95 % der Anteile in seiner Hand vereinigenden Anteilserwerber.
I. Die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG 1. § 1 Abs. 2a GrEStG: Fiktion eines Grundstückserwerbs durch eine fingierte neue Personengesellschaft Gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG gilt, wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen1 auf neue Gesell-
__________ 1 Mit dem Begriff „Anteil“ i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist die vermögensmäßige Beteiligung am Gesamthandsvermögen und nicht die Gesellschafterstellung als dingliche Mitberechtigung gemeint; vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271 Tz. 1.
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schafter übergehen, dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. „Die Vorschrift enthält … die Fiktion eines (auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichteten) Rechtsgeschäfts“2. Unerheblich ist, ob mindestens 95 % der Anteile in einem einzigen Rechtsakt3 oder als sukzessive Anteilsübertragungen innerhalb von fünf Jahren auf einen neuen oder mehrere neue Gesellschafter4 übergehen. Grunderwerbsteuer fällt auf die Grundstücke an, die während des Zeitraums, in dem mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen oder von neuen Gesellschaftern übernommen werden, „durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören“5. 2. § 1 Abs. 3 GrEStG: Fiktion eines Grundstückserwerbs durch den Gesellschaftsanteilserwerber Gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegen, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört6, die folgenden Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt7: – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen
__________ 2 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422 (423). 3 Anteilsübertragungen von mindestens 95 % der Anteile, die in einem Rechtsakt vollzogen werden, vollziehen sich in einer logischen Sekunde, also immer innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren; vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271 Tz. 5. 4 Nach Starke/Bükker, GmbHR 2006, 416 ist der Übergang von mindestens 95 % der Anteile auf nur einen neuen Gesellschafter kein Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG; dagegen aber die ganz h. M., z. B. Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG, Rz. 822c („Verwendung des Plural sprachlogisch möglich, um den Teil einer gattungsmäßigen Vielzahl anzusprechen“); Pahlke in Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 1 GrEStG, Rz. 287. 5 Vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271, Tz. 3. 6 Die „Zugehörigkeit“ eines Grundstücks zum Gesellschaftsvermögen setzt voraus, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 3 GrEStG, ggf. also im Zeitpunkt des Eintritts einer Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung als dem Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer, (schon oder noch) zum Vermögen der Gesellschaft gehört; vgl. Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 14 GrEStG, Tz. 72; vgl. Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 908: „Die Gesellschaft hat ein Grundstück gekauft. Bedarf der Kaufvertrag der Genehmigung, unterliegt die Anteilsvereinigung der Steuer, wenn die Genehmigung bereits vor der Anteilsvereinigung erteilt worden ist“. Vgl. auch Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 843, wonach das Tatbestandsmerkmal „der Gesellschaft gehörendes Grundstück“ im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG ebenso auszulegen ist wie im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG. 7 § 1 Abs. 3 GrEStG ist nicht anwendbar, soweit der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist; vgl. Fischer in Boruttau, 15. Aufl. 2002, § 1 GrEStG, Rz. 812b; koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271, Tz. 8.
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oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG); – die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG); – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG); auch bei § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG muss der Anspruch auf Übertragung von min. 95 % der Anteile auf einen anderen gerichtet sein8; – die Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). § 1 Abs. 3 GrEStG führt zum Anfall von Grunderwerbsteuer auf „gedachte Grundstückserwerbe“. Besteuert wird nicht die Anteilsvereinigung als solche, sondern die auf der erstmaligen Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft zum Anteilserwerber beruhende erstmalige Zuordnung des Grundvermögens der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden9. Besteuert werden soll die durch die genannten Vorgänge geschaffene Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich gleichsam wie ein Eigentümer zu beherrschen und zu verwerten10. Bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Ersatztatbeständen fingiert das Gesetz – zivilrechtlich nicht vorhandene – grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der 95 % oder mehr der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt oder erwirbt,
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8 Vgl. Pahlke in Pahlke/Franz, § 1 GrEStG, Rz. 362; BFH v. 2.2.1955 – II 215/54 S, BStBl. III 1955, 90 (91). 9 Vgl. z. B. BFH v. 4.12.1996 – II B 110/96, BFH/NV 1997, 440 (441); v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320 (321). Zwar werden in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG keine Grundstücke übertragen; die tatbestandserfüllenden Anteilsveräußerungen verschieben jedoch die grunderwerbsteuerliche Zuordnung von der Gesellschaft auf den mindestens 95 % der Anteile auf sich vereinigenden Erwerber (Nr. 1, Nr. 2) oder vom Anteilsveräußerer auf den Anteilserwerber (Nr. 3, Nr. 4). 10 Vgl. BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866. Noch nicht geklärt ist, ob der mittelbare Gesellschafter durchgerechnet an der grundbesitzenden Gesellschaft mindestens zu 95 % beteiligt sein muss, oder ob ausschießlich eine mindestens 95 %ige Beteiligung auf jeder Beteiligungsstufe erforderlich ist (zumindest dies ist nach Verwaltungsansicht Voraussetzung für die Tatbestandserfüllung, vgl. koordinierter Länder-Erlass, z. B. FM BW, Erl. v. 14.2.2000, StEK GrEStG Nr. 144), oder beide Kriterien erfüllt sein müssen, vgl. FG Münster v. 17.9.2008 – 8 K 4659/05 GrE, EFG 2008, 1993 – Rev. II R 65/08. Weil das Gesellschaftsgrundstück schon bei 95 %iger Beteiligung dem Gesellschafter zugerechnet wird, wäre bei ausschließlicher Relevanz der (bei mindestens 95 %iger Beteiligung) unwiderlegbar vermuteten Herrschaftsmacht die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG bei mindestens 95 %iger Beteiligung auf jeder Beteiligungsstufe zu bejahen, auch wenn die durchgerechnete Beteiligungsquote unter 95 % (ab der vierzehnten Stufe sogar unter 50 %) liegt. Dazu, dass dies mit dem Gesetzeswortlaut und dem Gerechtigkeitsempfinden nicht in Einklang steht, vgl. Behrens/Schmitt, BB 2009, 425.
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eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt den Inhaber von 95 % der Anteile so, als gehörten ihm nunmehr die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke11. In den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG wird der Erwerb des Grundstücks von der Gesellschaft12, in den Fällen von Nr. 3, Nr. 4 vom Anteilsveräußerer bzw. -überträger fingiert.
II. Vereinbarkeit der Grunderwerbsteuer auf Anteilseinbringungen mit der RL 69/335/EWG13 wegen der Fiktion von Grundstückserwerben? Mit Hilfe der § 1 Abs. 3 GrEStG zugrunde liegenden Fiktion begründet der BFH die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit der RL 69/335/EWG betreffend indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital („RL“)14. Unter Hinweis auf diese RL wird zum Teil geltend gemacht, dass die Erhebung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG europarechtswidrig sei, wenn die Anteilsübertragung in Form einer Einlage in eine andere Gesellschaft erfolgt15. Beispielhaft kann diese Konstellation wie folgt verdeutlicht werden:
O-Sarl
O-Sarl 100 %
100 % 100 %
U-Sarl 100 %
Z-Sarl
Z-Sarl 100 %
U-Sarl 100 %
GmbH
GmbH Einlage der 100 %igen Beteiligung an der U-Sarl in die Z-Sarl gegen Ausgabe neuer Anteile an der Z-Sarl (formelle Sachkapitalerhöhung)
__________ 11 Vgl. z. B. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268; nach Teiche, UVR 2003, 258 (261). 12 Vgl. z. B. BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505 m. w. N.; v. 2.4.2008 – II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268. 13 Richtlinie 69/335/EWG des Rates v. 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, ABl. EG Nr. L 249, 25. 14 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489. 15 Vgl. Spengel/Dörrfuß, DStR 2003, 1059 betr. § 1 Abs. 3 GrEStG.
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Fraglich ist, ob die Festsetzung von Grunderwerbsteuer i. H. v. 3,5 %16 der Bedarfswerte der zum Vermögen der GmbH gehörenden Grundstücke gegen Art. 10 a), b) der RL 69/335/EWG verstößt, weil die Übertragung aller Anteile an der U-Sarl auf die Z-Sarl im Wege der Einlage gegen neue Anteile, d. h. unter Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Z-Sarl, erfolgen. An sich geht es bei dieser RL zunächst „nur“ um die Harmonisierung der Gesellschaftsteuern innerhalb der EU. Nach dem Wortlaut der RL-Bestimmungen könnte ihr Regelungsgehalt jedoch sehr viel einschneidender sein: Denn gem. Art. 10 a), b) „erheben die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftsteuer von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere Steuern oder Abgaben u. a. auf die Einlagen oder Leistungen im Rahmen der in Art. 4 genannten Vorgänge“. Art. 10 a) enthält dem Wortlaut nach also ein Verbot, auf die Einlagen und Transaktionen, die in Art. 4 RL 69/335/EWG aufgelistet sind, irgendwelche anderen Steuern oder Abgaben als die harmonisierte – in Deutschland jedoch abgeschaffte – Gesellschaftsteuer zu erheben. Art. 4 nennt auch die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Tatbestandsmerkmale in Art. 4 RL 69/335/EWG gemeinschaftsautonom, d. h. objektiv und einheitlich für alle Mitgliedstaaten und ohne Rücksicht auf eventuelle Besonderheiten der einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und Steuersysteme auszulegen17. Die Einbringung der Anteile an der U-Sarl in die Z-Sarl, die die Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 3 GrEStG bewirkt, führt zu einer Einlage i. S. v. Art. 4 Abs. 1 c), weil sich das Kapital der aufnehmenden Gesellschaft Z-Sarl erhöht. Nach dem Wortlaut von Art. 10 RL 69/335/EWG ist Deutschland mithin nicht befugt, irgendeine Steuer (außer allenfalls einer Gesellschaftssteuer, die mit der RL 69/335/EWG in Einklang steht)18 anlässlich dieser Einbringungen zu erheben. Dennoch hat der BFH mit Urteil II R 65/06 vom 19.12.200719 entschieden, dass die RL 69/335/EWG ohne jeden Zweifel der Erhebung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf eine Anteilsvereinigung nicht entgegenstünde, der eine Einlage von Aktien gegen neue Anteile zugrunde liegt, die durch Kapitalerhöhung geschaffen worden sind. Entstehungstatbestand der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei nicht der gesellschaftsrechtliche Vorgang der Einlage, sondern die Veränderung der Eigentumszuordnung von Grundstücken, die sich im Gesellschaftsvermögen befinden, im Sinne einer erstmaligen Zuordnung der Grundstücke zu der (juristischen oder natürlichen) Person, die 95 % oder mehr der Anteile an der grundbesitzenden Ge-
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16 4,5 % seit 1.1.2007 in Berlin (vgl. HebesatzG v. 20.12.2006, GVBl. Berlin 2006, 1172) und seit 1.1.2009 in Hamburg (vgl. Gesetz v. 16.12.2008, HmbGVBl. Nr. 57, 433). 17 Vgl. z. B. EuGH v. 13.2.1996 – Rs. C-197/94, C-252/94 – Bautiaa und Société française maritime, Slg 1996, I-505 Rz. 32. 18 Deutschland hat die Gesellschaftsteuer mit Wirkung ab 1.1.1992 abgeschafft. 19 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489. Auf die Zulässigkeit der Erhebung von Börsenumsatzsteuern nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a RL 69/335/EWG wird im Rahmen dieses Beitrags nicht eingegangen.
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sellschaft auf sich vereinigt. Mithin besteuere § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht die Einlage „als solche“. Der Anwendungsbereich der RL sei nicht betroffen. Der Auffassung des BFH, wonach die Grunderwerbsteuer ohne Zweifel von der RL nicht berührt werde, steht m. E. entgegen, dass auch die in Art. 12 der RL genannten Steuern und Abgaben, deren Erhebung neben der Gesellschaftssteuer den Mitgliedstaaten entgegen Art. 10 ausdrücklich erlaubt wird (unter Art. 12 fallen z. B. Registerabgaben, Hypotheken- und Katasterabgaben; Abgaben mit Gebührencharakter, Mehrwertsteuer), nicht „Einlagen als solche“ belasten. Der Regelungen in Art. 12 der RL hätte es nicht bedurft, wenn Steuern und Abgaben, die nicht „Einlagen als solche“ belasten, schon gar nicht in den Anwendungsbereich der RL fielen. Die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG (für § 1 Abs. 2a GrEStG gilt m. E. dasselbe20) stellt – entgegen BFH – möglicherweise auch keine Besitzwechselsteuer i. S. v. Art. 12 Abs. 1b RL 69/335/EWG dar. Nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1b ist es den EG-Mitgliedstaaten nur erlaubt, neben einer Gesellschaftsteuer „Besitzwechselsteuern, einschließlich der Katastersteuern, auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder „Fonds de Commerce“ in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck“ zu erheben. Die Einordnung von nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG ausgelöster Grunderwerbsteuer als Besitzwechselsteuer i. S. v. Art. 12b der Richtlinie 69/335/EWG21 ist möglicherweise unzulässig. Durch die Anteilseinbringung in die Z-Sarl wurden keine deutschen Liegenschaften eingebracht. Dies würde umso mehr gelten, wenn es sich bei der grundbesitzenden Gesellschaft um eine Personengesellschaft handelte. Bei Erfüllung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG fingiert diese Vorschrift die Übertragung des inländischen Grundbesitzes der Personengesellschaft auf eine fingierte neue Personengesellschaft. Auch grunderwerbsteuerlich läge keine Einbringung deutscher Grundstücke in die Z-Sarl vor. Davon abgesehen haben die in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG angelegten Fiktionen einer Grundstücksübertragung für die Anwendung der Richtlinie 69/335/ EWG möglicherweise keine Bedeutung22. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es für die gemeinschaftsrechtliche Qualifizierung als Steuer i. S. d. RL 69/335/EWG auf die objektiven Merkmale der Steuer an, unabhängig von ihrer
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20 Soweit ersichtlich sind noch keine finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Frage nach der Vereinbarkeit von § 1 Abs. 2a GrEStG mit der RL 69/335/EWG ergangen. 21 In Rz. 34 seines Urteils v. 11.12.1997 in der Rechtssache Società Immobiliare SIF SpA legte der EuGH den Begriff „Besitzwechselsteuer“ wie folgt aus: „Besitzwechselsteuern i. S. v. Art. 12 Abs. 1b RL sind Registersteuern, die von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit bestimmten Vorgängen der Übertragung von Grundstücken oder „Fonds de Commerce“ nach allgemeinen und objektiven Kriterien erhoben werden. Diese Bestimmung macht keinen Unterschied zwischen verschiedenen Besitzwechselsteuern, die die Mitgliedstaaten erheben können. Sie ermächtigt die Mitgliedstaaten allgemein, neben der Gesellschaftsteuer, jedoch im Zusammenhang mit einer Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, Steuern zu erheben, deren Entstehungstatbestand objektiv im Zusammenhang mit der Übertragung des Eigentums an Grundstücken oder „Fonds de Commerce“ steht“. 22 Vgl. Spengel/Dörrfuß, DStR 2003, 1059.
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Qualifizierung im nationalen Recht23. Sofern die Steuer auf Vorgänge erhoben wird, die in den Geltungsbereich der RL 69/335/EWG fallen, stellt sie eine Gesellschaftsteuer oder ähnliche Steuer i. S. d. RL 69/335/EWG dar24. Wegen dieser autonomen Qualifikation von Steuern ist die nationale Beurteilung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG als Steuer auf fingierte Grundstückserwerbe möglicherweise irrelevant. Allein wegen der Fiktion einer Grundstücksübertragung fällt die Grunderwerbsteuer dem Wortlaut nach nicht unter den Begriff „Besitzwechselsteuer“ i. S. v. Art. 12 Abs. 1b RL 69/335/EWG. Erfasst wird nur die „Einbringung von Liegenschaften“, nicht aber die Einbringung von Beteiligungen oder Anteilen an Gesellschaften, zu deren Vermögen – ggf. vermittelt über weitere Kapital- und Personengesellschaftsbeteiligungen mittelbar – inländische Grundstücke gehören. Sinn und Zweck der RL 69/335/EWG war es, andere indirekte Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer zu unterbinden, weil durch die bestehenden indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (d. h. auf die Einbringung von Gesellschaftsanteilen) die Förderung des freien Kapitalverkehrs behindert wird25. M. E. bestehen mithin – entgegen der Ansicht des BFH – durchaus Zweifel, ob § 1 Abs. 3 GrEStG in Fällen, in denen dieser Tatbestand durch Anteilseinlagen verwirklicht wird, mit der RL 69/335/EWG vereinbar ist. Es wäre wünschenswert, wenn der BFH die Frage nach der Vereinbarkeit bei nächster Gelegenheit dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen würde. Dies gilt insbesondere, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG durch Anteilseinlagen verwirklicht wird.
III. Steuerschuldnerschaft in den Fällen von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG Schuldnerin der nach § 1 Abs. 2a GrEStG anfallenden Grunderwerbsteuer ist gem. § 13 Nr. 6 GrEStG die grundbesitzende Personengesellschaft selbst. Grunderwerbsteuerlich wird der fingierte Erwerb des Grundstücks durch die (gedacht: neue) Personengesellschaft besteuert26. Weil § 1 Abs. 2a GrEStG nicht die geänderte Sachherrschaft in der Person des einzelnen Neugesellschafters oder auch mehrerer Neugesellschafter erfasst, sondern die geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Gesellschaftsebene (Gesamthand als eigenständiger Rechtsträger), wird die Steuerschuldnerschaft der Per-
__________ 23 Vgl. EuGH v. 13.2.1996 – Rs. C-197/94 – Soc. Bautiaa, Rz. 39. 24 Vgl. EuGH v. 13.2.1996 – Rs. C-197/94 – Soc. Bautiaa, Rz. 40; v. 11.12.1997, Rs. C-42/96 – Società Immobiliare, Rz. 23. 25 Vgl. Spengel/Dörrfuß, DStR 2003, 1059, unter Hinweis darauf, dass in Fällen der mittelbaren Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften ein objektiver Zusammenhang mit einer Übertragung von Eigentum an Grundstücken im Rahmen von Kapitalerhöhungen erst recht nicht mehr erkennbar ist. 26 Zivilrechtlich bleibt die Identität einer Personengesellschaft unberührt, selbst wenn alle Gesellschafter ihre Anteile auf neue Gesellschafter übertragen; vgl. z. B. BFH v. 19.3.1980 – II R 23/77, BStBl. II 1980, 598 m. w. N.
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sonengesellschaft selbst als gerechtfertigt angesehen27. Deshalb liege keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Gesellschafterwechsels im Verhältnis zur Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vor, bei der der Erwerber oder die an der Anteilsvereinigung Beteiligten die Grunderwerbsteuer schulden28. Fiktiv ist die Personengesellschaft zugleich Grundstückserwerberin und -überträgerin. Dazu passt, dass § 13 Nr. 6 GrEStG sie zur Schuldnerin der Grunderwerbsteuer erklärt. Im Falle der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile ist gem. § 13 Nr. 5a GrEStG dieser Erwerber Schuldner der Grunderwerbsteuer. Im Falle des Erwerbs von insgesamt mindestens 95 % der Anteile durch zum selben Organkreis i. S. v. § 1 Abs. 4 Nr. 2b GrEStG gehörende Gesellschaften/Unternehmen sind sämtliche Mitglieder des Organkreises, die selbst Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben, gem. § 13 Nr. 5b GrEStG gesamtschuldnerisch Schuldner der Grunderwerbsteuer (wozu die Verwaltungsansicht, der Organkreis einerseits und dessen Mitglieder andererseits seien verschiedene Zurechnungssubjekte, nicht recht passt). Im Falle des Erwerbs bereits beim Veräußerer vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG sind nach einhelliger Auffassung29 der Anteilsveräußerer und der Anteilserwerber Schuldner der Grundsteuer. Dass § 13 Nr. 1 GrEStG, nach dessen Wortlaut „die an einem Erwerbsvorgang beteiligten Personen“ Steuerschuldner sind, nur bei § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4, nicht aber auch bei Nr. 1, Nr. 2 mit dem Ergebnis auch der Steuerschuldnerschaft des Anteilsveräußerers zur Anwendung gelangt, zeigt, dass für die Bestimmung der Steuerschuldner die fingierten Grundstücksübertragung relevant sind, nicht die Anteilsübertragungen. So ist der Veräußerer eines unter-95 %igen Anteils, dessen Veräußerung zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG beiträgt, nicht Steuerschuldner, obwohl er an dem Anteilsveräußerungsgeschäft beteiligte Person ist. Allerdings müsste, wenn die Fiktion des Übergangs des Grundstücks uneingeschränkt für die Bestimmung der Steuerschuldner maßgebend wäre, in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG auch die grundbesitzende Gesellschaft Schuldner der Grunderwerbsteuer sein. Die Steuerschuldnerschaft der grundbesitzenden Gesellschaft entsprechend § 13 Nr. 1 GrEStG wird soweit ersichtlich nicht in Erwägung gezogen. Maßgebend ist, dass die grundbesitzende Gesellschaft nur Objekt der den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG auslösenden Rechtsgeschäfte ist. Die Fiktion der Übertragung des Grundstücks durch sie tritt zurück. Der § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 zugrunde liegenden Fiktion entspricht jedoch, dass derjenige, der den letzten, zum Erreichen der 95 %-Grenze erforderlichen Anteil auf den danach zu mindestens 95 %-Gesellschafter überträgt, nicht Steuerschuldner ist.
__________ 27 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 28 Vgl. Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 13 GrEStG, Rz. 44. 29 Vgl. Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 851; Viskorf, a. a. O., § 13 GrEStG, Rz. 43.
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IV. Keine vollständige Gleichstellung von fiktivem und tatsächlichem Grundstückserwerb (mit Auswirkungen insb. im Rahmen von §§ 16, 3 Nr. 8 GrEStG) Die Fiktion eines Grundstückserwerbs hat eine andere Qualität als der tatsächliche Grundstückserwerb. Dies wirkt sich auf den Anwendungsbereich von § 16 GrEStG aus30. Beispielhaft kann dies am Fall der Sachgründung einer GmbH durch Treugeber und Treuhänder gezeigt werden, wenn Gegenstand der Sacheinlage ein inländisches Grundstück ist. Im dem BFH-Urteil II 77/64 vom 28.6.1972 zugrunde liegenden Sachverhalt gründete der Kläger zusammen mit einem in seinem Auftrag agierenden Treuhand-Gesellschafter eine GmbH und übernahm es, auf seine Stammeinlage ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf die GmbH zu übertragen. Der Treuhandgesellschafter übernahm den 10 %igen Geschäftsanteil auf Rechnung des Klägers.
Kläger
Treuhandvertrag
90 %
TreuhandGesellschafter
10 %
GmbH
Sachgründung: Kläger hat auf seine Stammeinlage ein Grundstück einzubringen Der Treuhandgesellschafter hält den 10 %-Geschäftsanteil für den Kläger
Nach Ansicht des BFH31 wird bei Eintragung der GmbH im Handelsregister – zusätzlich zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei Entstehung des Anspruchs auf Grundstückseinbringung in die GmbH – der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Begründung des Anspruchs auf Übertragung der 10 %igen Beteiligung gegen den Treuhänder-Gesellschafter und das Halten des
__________ 30 Auch verfahrensrechtlich steht ein nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG fingierter Grundstückserwerb einem tatsächlichen Grundstückserwerb nicht gleich, vgl. z. B. BFH v. 15.6.1994 – II R 120/91 BStBl. II 1994, 819. Die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG muss für alle von einem Erwerbsvorgang betroffenen Grundstücke in einem Verwaltungsakt erfolgen. 31 Vgl. BFH v. 28.6.1872 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719.
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90 %igen Anteils führe zur Anteilsvereinigung32. Der Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG stehe es nicht entgegen, dass das Grundstück aus dem Vermögen des Klägers in das der Gesellschaft gelange. Denn die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei anderer Art als die Zurechnung gem. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG. Weil die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG kraft gesetzlicher Fiktion nur durch die Anteile an der Gesellschaft vermittelt wird, das gesellschaftsrechtliche Einbringen aber unmittelbar die Gesellschaft begünstigt, verbliebe dem Kläger keine wirtschaftliche Verwertungsbefugnis i. S. v. § 1 Abs. 2 GrEStG. Die die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG begründenden Rechtsverhältnisse seien vielmehr – wenn auch gleichzeitig – neu entstanden. Der Kläger habe demnach das wirtschaftliche Eigentum nicht behalten, sondern in einer anderen Form und von anderer Seite wiedererlangt. Wegen der unterschiedlichen Art der Zurechnung lehnt der BFH die Anwendung von § 17 GrEStG (heute: § 16 GrEStG) ab, obwohl das Grundstück auf Grundlage der Fiktion von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als von der GmbH auf den Kläger übergegangen gilt, insoweit also die Annahme einer Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs der GmbH nicht von vornherein gänzlich ausscheidet. Weil tatsächlich das Grundstück jedoch bei der GmbH verbleibt, wird die Fiktion des Grundstückserwerbs durch den Kläger im Ergebnis nicht als Rückgängigmachung der Grundstückseinbringung angesehen33. Ein tatsächlicher Grundstückserwerb durch eine Gesellschaft kann nach wohl herrschender Meinung34 auch nicht dadurch mit den Rechtsfolgen von § 16 Abs. 2 GrEStG rückgängig gemacht werden, dass die beim vom Grundstücksveräußerer verschiedenen Alleingesellschafter der das Grundstück erwerbenden Gesellschaft bereits vereinigten Gesellschaftsanteile im Anschluss an die Grundstücksübertragung auf die GmbH an den Grundstücksveräußerer übertragen werden. In dem dem Urteil des FG Düsseldorf – 3 K 2158/03 GE vom 14.3.200635 zugrunde liegenden Fall übertrug der Treugeber zunächst ein Grundstück auf eine GmbH, deren Anteile allesamt von einem Treuhänder für ihn gehalten wurden. Anschließend übertrug der Treuhänder die Anteile auf den Treugeber.
__________ 32 Nach Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG, Rz. 951 kann § 1 Abs. 3 bei der EinmannGründung einer GmbH nicht eingreifen. Denn es vereinigten sich nicht alle Anteile, sondern es entstehe nur ein einziger. 33 Zur Anwendung von § 16 GrEStG in den Fällen von § 1 Abs. 3 GrEStG und zwischenzeitlichen Grundstückserwerben durch die Gesellschaft vgl. Sack in Boruttau, § 16 GrEStG, Rz. 275, 16. Aufl. 2007; Pahlke in Pahlke/Franz, § 16 GrEStG, Rz. 75, 3. Aufl. 2005; Behrens/Schmitt, UVR 2009, 51. 34 Vgl. Loose, EFG 2006, 839; Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 468. 35 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.3.2006 – 3 K 2158/03 GE, EFG 2006, 839 (rkr).
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Das FG Düsseldorf lehnte die Befreiung der Anteilsübertragung nach § 3 Nr. 8 GrEStG ab, weil der „Hinerwerb“ des Grundstücks nicht im Verhältnis „Treugeber/Treuhänder“ erfolgt sei, sondern auf einem Kaufvertrag zwischen dem Treugeber und der GmbH beruhte, die ungeachtet der treuhänderischen Bindung ihres Anteilsinhabers grunderwerbsteuerlich ein eigenes Rechtssubjekt darstellt. Die Anwendung der an sich vorrangigen Vorschrift in § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG schied bereits wegen Überschreitens der Zwei-Jahres-Frist aus. Aber selbst wenn die Zwei-Jahres-Frist zwischen Grundstücksübertragung auf die GmbH und Übertragung der Anteile auf den Treugeber gewahrt worden wäre, hätte die Anteilsübertragung m. E. nicht als Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs der GmbH anerkannt werden können. Denn die GmbH bleibt Grundstückseigentümerin. Die Fiktion von § 1 Abs. 3 GrEStG führt im Ergebnis zur Zurechnung desselben Grundstücks zu mehreren Rechtsträgern. Der Verbleib des Grundstücks bei der Gesellschaft trotz Vereinigung ihrer Anteile beim Grundstücksveräußerer bewirkt, dass die Anwendung von § 16 GrEStG nicht streng grundstücksbezogen erfolgen kann. Es entspricht vielmehr der wohl einhelligen Meinung, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG nur durch Rückübertragung der Anteile, der Erwerb eines Grundstücks nur durch Rückübertragung des Grundstücks rückgängig gemacht werden kann36. Durchaus fraglich ist allerdings, ob nicht ein Rückerwerb i. S. v. § 16 Abs. 2 GrEStG nach vorangegangener Anteilsübertragung i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auch in der Form möglich ist, dass die Gesellschaft, deren Anteile Gegenstand des ursprünglichen Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG waren, einzelne oder sämtliche ihrer Grundstücke an den Anteilsverkäufer „zurück überträgt“. In diesem Fall erwirbt der ursprünglich nur fiktive Grundstücksveräußerer das Grundstück tatsächlich zurück. Weder bleibt das Grundstück dem Anteilserwerber zugerechnet, noch erlangt der Anteilserwerber das Grundstück tatsächlich.
__________ 36 Vgl. Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 16 GrEStG, Rz. 275; Pahlke in Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 16 GrEStG, Rz. 75; Hoffmann, § 16 GrEStG, 8. Aufl. 2004, Rz. 53; vgl. auch Heine, GmbHR 2001, 365; UVR 2001, 186.
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V. Begünstigung fiktiver Grundstückserwerbe nach § 3 GrEStG 1. § 1 Abs. 2a GrEStG Für die Befreiungen nach § 3 GrEStG wird wie bei der Frage nach der Steuerschuldnerschaft an die Fiktion des Grundstücksübergangs auf eine fingierte neue Personengesellschaft angeknüpft37. Nicht maßgebend ist demgegenüber, ob die Übertragung der Gesellschafterstellung von einem Gesellschafter auf einen neuen Gesellschafter – wäre sie eine Grundstücksübertragung – von der Grunderwerbsteuer befreit wäre38. a) Anteilsschenkungen Die Finanzverwaltung schloss ursprünglich die Anwendung von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, wonach Grundstücksschenkungen unter Lebenden i. S. v. ErbSt-/ SchStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sind39, auf fingierte Grundstücksübertragungen nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus40. Im Rahmen der Schenkungsteuer werde die Anteilsübertragung besteuert, bei der Grunderwerbsteuer dagegen der fingierte Grundstückserwerb zwischen der alten und der fingiert neuen Personengesellschaft41. Nach ursprünglicher Verwaltungsansicht lag keine dem Sinn und Zweck von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG widersprechende Doppelbesteuerung desselben Vorgangs vor, so dass sie fiktive Grundstückserwerbe i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG aus Sicht der Steuerpflichtigen ungünstiger behandelte als tatsächliche Grundstückserwerbe42.
__________ 37 Vgl. Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 51a Rz. 91a; Koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271, Tz. 10. 38 Vgl. Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 51a. 39 § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG befreit auch Grundstückserwerbe von Todes wegen von der Besteuerung. Diese Variante von § 3 Nr. 2 GrEStG hat für § 1 Abs. 2a GrEStG keine Bedeutung, weil nach dessen S. 2 von Todes wegen auf neue Gesellschafter übergegangene Anteile bei der Ermittlung des Gesamt-Prozentsatzes der innerhalb desselben Fünf-Jahres-Zeitraums insgesamt auf neue Gesellschafter übergegangenen Anteile außer Betracht bleiben. Anteilserwerbe von Todes wegen erfüllen mithin schon nicht das Tatbestandsmerkmal „Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter“ i. S. v. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG. S. 2 beruht auf dem auf die Verhütung von Missbrauch gerichteten Gesetzeszweck von § 1 Abs. 2a GrEStG; vgl. Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 842. 40 Vgl. koordinierter Länder-Erlass; FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975. 41 Vgl. auch Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 91a: Die fingierte Grundstücksübertragung sei realiter nicht erfolgt, d. h. von den Beteiligten weder vereinbart noch gewollt. Mithin könne sie auch nicht auf einer freigebigen Zuwendung beruhen. 42 Zur Kritik in der Literatur vgl. z. B. Hofmann, GrEStG, 8. Aufl. 2004, § 1 GrEStG, Rz. 105; Teiche, UVR 2005, 306 (310); Franz in Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 3 GrEStG, Rz. 36, der § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG – zu Unrecht – allerdings nur in Verbindung mit § 6 Abs. 4, Abs. 3 S. 2 GrEStG anwenden will.
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Beispiel (nach Tz. 10 des koordinierten Länder-Erlasses vom 26.2.200343): Der 90 %ige oHG-Gesellschafter A überträgt seinen 90 %igen Anteil schenkweise auf seinen Sohn A. B überträgt seine 8 %ige Beteiligung auf den nicht mit ihm verwandten E, ebenfalls im Wege der Schenkung.
C
B
E (fremd)
8%
A
2%
Sohn A
C
E
Sohn A
8% 90 %
2%
90 %
oHG
oHG
A überträgt seine 90 %-Beteiligung auf seinen Sohn A, B seine 8 %Beteiligung auf E, jeweils auf Grundlage eines Schenkungsvertrags.
Auf Grund des Übergangs von insgesamt 98 % der Anteile am Vermögen der oHG auf neue Gesellschafter ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Auf die Übertragung der 90 %-Beteiligung durch A auf seinen Sohn A wendete die Verwaltung die Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG an, was allerdings voraussetzt, dass sowohl die vorgelagerte Fünf-Jahres-Frist i. S. v. § 6 Abs. 4 GrEStG durch den A als auch die nachgelagerte Fünf-Jahres-Frist i. S. v. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG durch den Sohn A erfüllt sind bzw. werden44. Hinsichtlich des sowohl an der zivilrechtlich tatsächlich existierende oHG als auch an der fingiert neuen oHG zu 2 % beteiligten C unterbleibt die Erhebung der Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 3 GrEStG, soweit nicht § 6 Abs. 4, Abs. 3 S. 2 GrEStG entgegen stehen. Die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG auf die schenkweise Anteilsübertragung durch B an E lehnte die Finanzverwaltung ab45.
__________ 43 Vgl. BStBl. I 2003, 271. 44 Bei Anwendung der sog. personenbezogenen Befreiungsvorschriften, für die Umstände in der Person des Erwerbers und/oder des Veräußerers relevant sind, bedarf es der wertenden Zusammenschau von § 3 Nr. 4, Nr. 6 mit §§ 5, 6 GrEStG; vgl. z. B. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528; v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879. 45 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975 (976).
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
Mit seinen Urteilen vom 13.9.200646 und 12.10.200647 hat sich der BFH gegen die Verwaltungsauffassung gewandt. Der Anwendung von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG stehe es nicht entgegen, dass § 1 Abs. 2a GrEStG einen Grundstücksübergang auf Gesellschafts-Ebene fingiert, während der Schenkungsteuer die freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile auf der Gesellschafter-Ebene unterliegt. Im Hinblick auf den Zweck von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer einerseits und Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden, komme diesen unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkten keine Bedeutung zu. Nach BFH sind § 6 Abs. 4, Abs. 3 S. 2 GrEStG bei der (anteiligen) Freistellung von Vorgängen i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG in Anwendung von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG nicht einschlägig (weil es sich um keine personenbezogene Befreiung handelt). Die Finanzverwaltung hat sich dem zwischenzeitlich angeschlossen und ihre entgegenstehende Verwaltungsanweisung aufgehoben48. Im Beispielsfall bleibt die nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer mithin zu 100 % unerhoben49. ME ergibt sich aus dieser BFH-Rechtsprechung und aus der geänderten Verwaltungsansicht nicht, dass die in § 1 Abs. 2a GrEStG angelegte Fiktion des Grundstückserwerbs durch die fingiert neue Personengesellschaft nicht beachtet würde. Wegen des Vorliegens von Anteilsschenkungen ist vielmehr der fiktive Grundstückserwerb durch die fingiert neue Personengesellschaft anteilig als auf einem Schenkungsvertrag beruhend anzusehen. b) Anwendung der sog. personenbezogenen Befreiungen nach § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG auf fingierte Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG Für die personenbezogenen Befreiungen in § 3 GrEStG ist bei Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter davon auszugehen, dass ein Grundstücksübertragung von einer Gesellschaft in der alten Zusammensetzung auf eine Gesellschaft in der neuen Zusammensetzung stattgefunden hat. Überträgt z. B. die Mutter ihren 100 %igen Anteil an einer Grundstücks-KG auf Grundlage von Kaufverträgen auf ihre Söhne, bleibt die nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 i. V. m. § 3 Nr. 6 GrEStG unerhoben50. Voraus-
__________ 46 Vgl. BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59 betr. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens, zu dem Grundbesitz gehörte, beim allein verbliebenen Gesellschafter infolge schenkweisen Erwerbs der Beteiligung des vorletzten Gesellschafters. In Höhe der Quote der schenkweise übertragenen Beteiligung gewährte der BFH die Befreiung nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG hinsichtlich der an sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG angefallenen Grunderwerbsteuer. 47 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409; vgl. dazu Behrens, BB 2007, 368; Mack, UVR 2007, 185 (187); Teiche, BB 2008, 196 (197). 48 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 11.10.2007, DB 2007, 2400. 49 Lediglich im Hinblick auf die von C gehaltene 2 %ige Beteiligung sind allerdings § 6 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 GrEStG zu beachten. 50 Vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271, Tz. 10.
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setzung ist allerdings, dass in Bezug auf die bisherige 100 %-Beteiligung der Mutter die Anforderungen von § 6 Abs. 4 GrEStG und in Bezug auf die anschließenden 50 %-Beteiligungen der Söhne die Anforderungen von § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG erfüllt sind bzw. werden51.
Weil zu einer Personengesellschaft keine ehelichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen i. S. v. § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG bestehen können, können diese sog. personenbezogenen Befreiungen nur in wertender Zusammenschau mit § 6 Abs. 3, Abs. 4 GrEStG angewandt werden (sog. Interpolation). Nach der Rechtsprechung des BFH schließen es die „relative Selbständigkeit“ und die Rechtsträgerschaft der Gesamthand nicht aus, dieser die persönlichen Eigenschaften ihrer Gesamthänder quotal zuzurechnen. Die persönliche Eigenschaften der Gesamthänder, die für eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG relevant sind, sind quotenmäßig in dem Ausmaß zu berücksichtigen, als der betreffende Gesamthänder am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist52. Technisch wird über die personenbezogene Befreiungsvorschrift das fehlende, jedoch von § 6 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal „Identität der Gesamthänder“ ersetzt53.
__________ 51 Wertende Zusammenschau (sog. Interpolation) von § 3 Nr. 6, § 6 Abs. 3, Abs. 4 GrEStG. 52 Vgl. Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 30 Rz. 51a; vgl. auch koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975 (976): „Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaft rechtfertigt es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d. h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen“. 53 Vgl. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528. Dass der BFH die Befreiung im diesem Beschluss zugrunde liegenden Fall i. H. v. 40 % versagte, kann m. E. allenfalls damit begründet werden, dass die Mutter ihre Beteiligung insoweit am selben Tag, an dem Sohn A das Grundstück an die KG verkaufte, an ihren Sohn B übertrug.
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
2. Anwendung der Befreiungen nach § 3 GrEStG auf fiktive Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 3 GrEStG a) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG Die Befreiungen nach § 3 GrEStG sind auf die Übertragung bereits vereinigter Anteile auf eine andere Hand nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG anwendbar. Weil die Grundstücke einer Gesellschaft, deren Anteile zumindest 95 % in einer Hand vereinigt sind, grunderwerbsteuerlich im Grundsatz diesem Gesellschafter zugerechnet werden (eine – hier nicht relevante – Ausnahme gilt für den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG), wird bei der Übertragung zu mindestens 95 % bereits vereinigter Anteile auf einen Erwerber54 fingiert, dass der Erwerber die Grundstücke unmittelbar vom Anteilsveräußerer – und nicht von der Gesellschaft – erwirbt. Diese Fiktion schlägt auf die Anwendung der im Gesetzeswortlaut durchgängig auf Grundstückserwerbe (d. h. nicht auf Anteilserwerbe) abstellenden Befreiungen nach § 3 GrEStG durch55. Lediglich die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG wurde von der Finanzverwaltung ursprünglich verweigert, weil der Grundstückserwerb von der Gesellschaft auf der durch § 1 Abs. 3 GrEStG angeordneten Fiktion und damit nicht auf einer Schenkung beruhe56. Davon ist sie im Anschluss an das BFHUrteil II R 79/05 vom 12.10.200657 zu Recht abgerückt58. b) Fingierte Grundstückserwerbe nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG aa) Anteilsvereinigung durch Erwerb von Todes wegen oder Schenkung Die Finanzverwaltung hält bisher daran fest, dass die rein sachlichen Befreiungsvorschriften auf Fälle des fiktiven Grundstücksübergangs von der Gesellschaft auf den mindestens 95 % der Anteile an dieser Gesellschaft auf sich vereinigenden Gesellschafter nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG nicht anwendbar seien59. Danach ist die Grunderwerbsteuer zu erheben, auch wenn das Erreichen der 95 %-Schwelle z. B. auf einem Schenkungsvertrag und/oder auf einem Erbfall beruht.
__________ 54 Gemeint ist die Veräußerung der bereits vereinigten mindestens 95 % oder Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft an ein und dasselbe Rechtsubjekt, an Treugeber und Treuhänder bzw. an mehrere Organgesellschaften/Unternehmen desselben Organkreises i. S. v. § 1 Abs. 4 Nr. 2b GrEStG. 55 Vgl. Sack in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 3 GrEStG, Rz. 91b a. E. 56 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975. 57 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 9/05, BStBl. II 2007, 409. 58 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 11.10.2007, DB 2007, 2400; zustimmend Teiche, BB 2008, 196 (200): „Ist § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG anwendbar, muss dies erst recht für die Fälle der Anteilsübertragung i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG gelten, weil sich hier – anders als in den Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG – Schenkung und Grundstücksübertragung in demselben Rechtsverhältnis vollziehen“. 59 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 11.10.2007, DB 2007, 2400. Dies beruht auf älterer BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424 und BFH v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785.
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Beispiel:
Jahr 01: Vater 50 %
Mutter
Jahr 10: Tochter Vater
50 %
GmbH
Die Mutter überträgt ihre 50 %-Beteiligung auf ihre Tochter aufgrund Schenkungsvertrag.
50 %
Tochter 50 %
GmbH
Tochter 100 %
GmbH
Der Vater stirbt, Alleinerbin ist seine Tochter.
Die Finanzverwaltung lehnt die Anwendung der Befreiungen nach §§ 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG auf diese den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfüllenden Vorgänge ab60. Nach den BFH-Urteilen vom 13.9. und 12.10.2006 (vgl. oben in Ziffer V.1.) kommt den unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkte im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht einerseits und im Grunderwerbsteuerrecht andererseits im Hinblick auf den Zweck von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, die doppelte Belastung eines Lebensvorgang mit Grunderwerbsteuer einerseits und Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden, allerdings keine Bedeutung zu. Weil es sich bei § 3 Nr. 2 GrEStG um keine personenbezogene Befreiungsvorschrift handelt, kann auch die Eigenschaft der Kapitalgesellschaft als juristische Person ihrer Anwendung nicht entgegenstehen61. Die Anteilsvereinigung in der Hand der Tochter ist – entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung und der älteren BFH-Rechtsprechung – also nach § 3 Nr. 2 S. 1 befreit (und zwar in vollem Umfang62).
__________ 60 Vgl. den koordinierten Länder-Erlass, FM BW v. 11.10.2007, DB 2007, 2400, der im Wege der Streichung von Aussagen in Tz. 10 des Erlasses v. 26.2.2003 und der Erlasse v. 28.4.2005, DB 2005, 975 Konsequenzen aus dem BFH-Urteil BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409, nur für § 1 Abs. 2a GrEStG und für Anteilsvereinigungen bei Personengesellschaften zieht. 61 Vgl. Teiche, BB 2008, 196 (199); Heine, UVR 2008, 88 (90). 62 Ohne Rücksicht auf die zeitliche Reihenfolge ist jeder einzelne Anteilsübergang, der zur Anteilsvereinigung beigetragen hat, daraufhin zu überprüfen, ob eine Befreiungsvorschrift zur Anwendung gelangt; vgl. BFH v. 22.6.1966 – II 165/62, BStBl. III 1966, 554; anders dagegen RFH v. 2.8.1927, RStBl 1927, 191, wonach über die Anwendung von Befreiungsvorschriften allein nach Maßgabe der letzten Anteilsveräußerung oder des letzten Anteilsübergangs entschieden werden sollte.
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bb) Sog. personenbezogene Befreiungen Fraglich ist, ob im obigen Beispiel hinsichtlich der Anteilsübertragung im Jahr 01 die Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG zur Anwendung käme, wenn ihr keine Schenkung, sondern ein Kaufvertrag zugrunde läge. Nach herrschender Meinung kommt, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG vereinigt werden, eine Befreiung auf Grundlage sog. personenbezogener Vorschriften, d. h. nach § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG, nicht in Betracht63. Denn persönliche Beziehungen i. S. v. § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG seien zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschaftern nicht möglich64. Dem ist auf Grundlage der grunderwerbsteuerlich relevanten Fiktion des Grundstücksübergangs von der Kapitalgesellschaft auf den Erwerber zuzustimmen.
VI. § 1 Abs. 6 GrEStG: Verrechenbarkeit der Bemessungsgrundlagen bei unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallendem mehrfachen Erwerb desselben Grundstücks durch denselben Erwerber 1. Anwendungsvoraussetzungen von § 1 Abs. 6 GrEStG Gemäß § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG unterliegt ein in den Abs. 1, 2 oder 3 von § 1 GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang65 der Steuer auch dann, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Die Steuer wird jedoch gem. § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Anwendungsvoraussetzungen für die Anrechnung der Bemessungsgrundlage für den zuerst erfüllten Vorgang auf die für den anschließend erfüllten Vorgang sind mithin: – die aufeinanderfolgende Verwirklichung unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallender Grunderwerbsteuer-Tatbestände (nach dem Gesetzeswortlaut mit Ausnahme von § 1 Abs. 2a GrEStG)66;
__________ 63 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975; BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424; v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785; Sack in Boruttau, § 3 GrEStG, Rz. 53, 16. Aufl. 2007; Hofmann, § 3 GrEStG, Rz. 175, 8. Aufl. 2004; Franz in Pahlke/Franz, § 3 GrEStG, Rz. 12 und 234; a. A. Freiherr v. Proff zu Irnich, DB 2007, 2616 (2619): Es sei für die Anwendung von § 3 GrEStG in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG nicht auf die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen abzustellen (allerdings ohne Begründung). 64 Vgl. BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424; v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785 (786); Teiche, BB 2008, 196 (199); Heine, UVR 2008, 88 (90). 65 Nicht genannt in § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG werden Rechtsvorgänge i. S. v. Abs. 2a. 66 Ohne Bedeutung ist der Zeitraum zwischen den beiden Tatbestandsverwirklichungen. Die Rechtsfolge besteht darin, dass die Steuererhebung anlässlich der zweiten Tatbestandsverwirklichung auf die um die Bemessungsgrundlage für den ersten Vorgang verringerte Bemessungsgrundlage beschränkt wird.
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– im Grundsatz Erwerberidentität67; – Grundstücksidentität; – in Bezug auf den vorausgegangenen Rechtsvorgang muss Grunderwerbsteuer „berechnet“ – d. h. festgesetzt – worden sein; – ob die berechnete Steuer bezahlt wurde oder etwa aus Billigkeitsgründen erlassen wurde, bzw. Zahlungsverjährung eintrat, ist ohne Bedeutung. 2. § 1 Abs. 3 GrEStG Vereinigt zunächst ein Rechtsträger mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand und überträgt die Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt das Grundstück auf den Anteilserwerber, folgt der Verwirklichung eines der Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG die Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nach.
A
B
50 %
50 %
GmbH
A
A
100 % 100 %
GmbH
GmbH
Erwerber ist bei beiden Vorgängen A. Verwirklicht werden zwei unter verschiedener Absätze von § 1 fallende Tatbestände, die sich beide auf dasselbe Grundstück beziehen. Zwar fällt zusätzlich zur Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an. Auf die Bemessungsgrundlage für den zweiten Vorgang wird jedoch die Bemessungsgrundlage angerechnet, von der die Steuer auf die Anteilsvereinigung berechnet worden ist. 3. § 1 Abs. 2a GrEStG a) Verhinderung der Anwendung von § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG durch die § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegende Fiktion Hat eine Personengesellschaft ein Grundstück erworben und werden anschließend 95 % oder mehr der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter übertragen, werden die Bemessungsgrundlagen der beiden Vorgänge nicht i. S. v. § 1 Abs. 6 GrEStG miteinander verrechnet. Auf Grundlage der Fiktion sind die im ersten Schritt das Grundstück erwerbende Gesellschaft und die wegen des Gesell-
__________
67 Ob der Organkreis einerseits und die einzelnen Gliedgesellschaften andererseits ein und derselbe Erwerber i. S. v. § 1 Abs. 6 GrEStG sind, ist nicht geklärt. Der Wortlaut von § 1 Abs. 6 GrEStG setzt die Verwirklichung der mehreren Tatbestände durch dasselbe grunderwerbsteuerliche Zurechnungssubjekt nicht ausdrücklich voraus.
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schafterwechsels i. H. v. mindestens 95 % fingierte Gesellschaft, die im zweiten Schritt fiktiv das Grundstück erwirbt, nicht identisch68. Insoweit wird die Fiktion von § 1 Abs. 2a GrEStG zu Lasten der Steuerpflichtigen für die Zwecke von § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG zugrunde gelegt. b) Nichtberücksichtigung der § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Fiktion im Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 6 GrEStG Fraglich ist, ob § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG auch dann zur Anwendung kommt, wenn einer der aufeinander folgenden Tatbestände ein solcher nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist. Betroffen ist z. B. der Fall, dass zunächst mindestens 95 % der Anteile an einer KG, die mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft hält, veräußert werden und es dann zur Verschmelzung (up stream merger) der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf die KG kommt. Nach (in der Literatur nicht geteilter) Verwaltungsansicht gilt das Grundstück der Kapitalgesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG als zum Vermögen der KG gehörend69. Der Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG durch Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister geht danach im genannten Fall die von § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Veräußerung der 100 %igen Kommanditbeteiligung durch den Altgesellschafter auf den Käufer voraus.
§ 1 Abs. 6 GrEStG war durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.199670 auch auf § 1 Abs. 2a GrEStG erstreckt worden. Diese Erstreckung wurde durch
__________
68 Vgl. Fischer in Boruttau, 15. Aufl. 2002, § 1 GrEStG, Rz. 819; Erlass FM Nds. v. 7.10.2002 – S 4514 - 11 - 34 2, StEK, GrEStG 1983 § 6 Nr. 8. 69 Vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, Tz. 3. Dies wird in der Literatur zu Recht für nicht gesetzeskonform gehalten; vgl. Heine, GmbHR 2006, 350. Denn im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG gebietet die Fiktion die Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks zur (fingierten neuen) Personengesellschaft, nicht zu einem der neuen Gesellschafter, selbst wenn er 95 % oder mehr der Anteile erwirbt. Im Folgenden wird dennoch die Verwaltungsansicht zugrunde gelegt. 70 Vgl. BGBl. I 1996, 3049.
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das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.199971 wieder gestrichen. Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass § 1 Abs. 6 GrEStG in der Fassung des Jahressteuergesetz 1997 „mangels denkbarer Erwerberidentität der fiktiven neuen Personengesellschaft als Beteiligte an einem in § 1 Abs. 1, 2 oder 3 bezeichneten Rechtsvorgang ins Leere“ ginge. Diese Annahme ist – in der skizzierten Fallkonstellation: auf Grundlage der (m. E. unrichtigen) Verwaltungsansicht zur Zurechnung des inländischen Grundbesitzes mindestens 95 %iger Tochter-Kapitalgesellschaften zum Vermögen der Personengesellschaft im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG – nicht richtig72. Ein weiterer Beispielsfall wäre, dass der KG im Zeitpunkt des mindestens 95 %igen Wechsels in ihrem Gesellschafterbestand nur eine Verwertungsbefugnis i. S. v. § 1 Abs. 2 GrEStG an einem Grundstück zusteht und sie anschließend das Eigentum an diesem Grundstück erwirbt. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Streichung von § 1 Abs. 2a GrEStG aus dem Anwendungsbereich von § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG wieder rückgängig machen und die Finanzverwaltung § 1 Abs. 6 GrEStG bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung analog anwenden wird.
VII. Relevanz der Fiktionen von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG 1. Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG beim Grundstücksübergang auf den Gesamthänder nach vorheriger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG Der bisherige Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG verkauft alle Anteile an den Käufer. Nachdem die Anteilsübergänge dinglich wirksam geworden sind, tritt die Komplementär-GmbH aus der KG aus, deren Vermögen einschließlich des inländischen Grundstücks dem Käufer anwächst.
Verkäufer GmbH & Co. KG Käufer Verkauf der
100 %
100 %
Kompl.GmbH
100 %
100 %
0%
KG
Käufer Kompl.GmbH
100 %
100 %
Kompl.GmbH
0%
KG
KG
Im Zeitpunkt des Austritts der Kompl.-GmbH endet die KG ohne Abwicklung.
__________ 71 Vgl. BGBl. I 1999, 402. 72 Vgl. Schiessl/Tschesche, BB 2003, 1867 (1873).
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a) Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2a GrEStG Der Käufer ist bisher nicht an der Objekt-KG beteiligt. Mithin ist er „neuer Gesellschafter“ i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG, d. h. der Übergang der Beteiligungen, die vermögensmäßig 100 % der Anteile an der Objekt-KG darstellen, auf den Käufer erfüllt den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Grunderwerbsteuer fällt auf die Grundstücke an, die der Objekt-KG in dem Zeitpunkt, in der die Übertragung der Beteiligungen dinglich wirksam wird73, im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne gehören. b) Ausscheiden der Komplementär-GmbH: Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bewirkt das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft, dass der „letzte“ Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven übernimmt74. Das Gesellschaftsvermögen wächst dem Alleinübernehmer (d. h. hier dem Käufer) ohne einzelne bzw. besondere Übertragungsakte durch einheitlichen Akt bzw. als Ganzes bzw. im Wege der Gesamtrechtsoder Sonderrechtsnachfolge zu. Die Personengesellschaft selbst erlischt. Es kommt zur Vollbeendigung ohne Liquidation. Nach ständiger BFH-Rechts-
__________ 73 Nach dem koordinierten Länder-Erlass v. 26.2.2003, a. a. O., Tz. 4 kommt es für den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 2a GrEStG „auf die Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung an“. M. E. ist mit „Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung“ die dingliche Erfüllung, d. h. die sachenrechtliche Änderung der Rechtszuständigkeit gemeint; vgl. Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 824; Pahlke in Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 1 GrEStG, Rz. 271, Rz. 293. Daraus folgt, dass, wenn die wirksame Übertragung der Kommanditbeteiligungen nicht im Gesellschaftsvertrag der Objekt-KG zugelassen ist, alle Mitgesellschafter jeweils zustimmen müssen und die Übertragungen bis zur Erteilung der wirksamen Zustimmung schwebend unwirksam sind, der Tatbestand erst mit Erteilung aller Zustimmungen erfüllt wird. Steht die Abtretung eines Kommanditanteils an einer KG mit inländischem Grundbesitz – wie zur Vermeidung eine Haftung nach § 176 Abs. 2 HGB im Regelfall – unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelsregister (samt Nachfolgevermerk), liegt ein im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG relevanter Anteilsübergang m. E. erst mit Eintritt dieser Bedingung – d. h. mit Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelregister – vor; vgl. Behrens/Hofmann, UVR 2004, 27 (28). 74 Vgl. BGH v. 19.5.1960, BGHZ 32, 307 (317); die dogmatische Einordnung der Anwachsung (und Abwachsung) ist v. Gesetzgeber selbst nicht abschließend geklärt worden; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 1315; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 216: Der Austritt des vorletzten Gesellschafters führe zum Untergang der Mitgliedschaftsrechte, weil das Gesellschaftsverhältnis durch Konfusion ende und die Gesamthand in sich zusammenfiele („keine Ein-Mann-Personengesellschaft“).
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prechung liegt im Fall der Anwachsung ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang vor75. c) Nichterhebung der Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 2 GrEStG Gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG wird, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person übergeht, die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Geht ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders über, so ist die Auseinandersetzungsquote maßgebend, wenn die Beteiligten für den Fall der Auflösung der Gesamthand eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinsetzungsquote vereinbart haben76. Zum Teil wird die Beendigung der Personengesellschaft durch Ausscheiden des „vorletzten“ Gesellschafters als „Auflösung“ der Gesellschaft beschrieben77. Nach dem dinglich wirksamen Erwerb der 100 %igen Kommanditbeteiligung an der Objekt-KG ist der Käufer vermögensmäßig zu 100 % an der Objekt-KG beteiligt. Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 GrEStG für die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer in vollem Umfange sind also erfüllt. d) Unanwendbarkeit der Sperrfrist i. S. v. § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG aa) Wortlaut von § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG Gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG gilt die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG insoweit nicht, als ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG stünde die Vergünstigung i. S. v. § 6 Abs. 2 GrEStG nicht zur Verfügung und müsste die auf Grundlage von § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG entstandene Grunderwerbsteuer – zusätzlich zur zuvor nach § 1 Abs. 2a GrEStG angefallenen Steuer – erhoben werden. Denn der Käufer hat die Kommanditbeteiligungen an der Objekt-KG im Beispielsfall innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Austritt der Komplementär-GmbH und damit dem Übergang des Grundstücks von der Objekt-KG auf den Käufer erworben.
__________ 75 Vgl. z. B. BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903; v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344. Eine Anteilsvereinigung i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG wird durch den Austritt der Komplementär-GmbH nicht ausgelöst, weil die Gesellschaftsbeteiligungen nicht über-, sondern untergehen; vgl. Hofmann, GrEStG, 8. Aufl. 2004, § 1 GrEStG, Rz. 51 m. w. N.; BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903. 76 Vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 2 GrEStG. 77 Vgl. Sudhoff, Personengesellschaften, 6. Aufl., S. 320; FG Düsseldorf v. 14.7.2004 – 7 K 792/02 GE, rkr., DStRE 2004, 1363 (1364).
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bb) Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG durch die ständige BFH-Rechtsprechung Nach der BFH-Rechtsprechung und der Kommentar-Literatur ist § 6 Abs. 4 GrEStG dahin einschränkend auszulegen, dass § 6 Abs. 2 GrEStG nicht schon deshalb zu versagen ist, weil der nun das Grundstück von der Gesamthand erwerbende Gesamthänder seine gesamthänderische Mitberechtigung innerhalb der letzten fünf Jahre erworben hat. Die Anwendung von § 6 Abs. 4 GrEStG setzt eine Steuerumgehungsmöglichkeit voraus. Die Vergünstigung i. S. d. § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG ist zu gewähren, wenn die Personengesellschaft das Grundstück erst nach dem Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung durch den Gesellschafter, der nun dieses Grundstück von der Personengesellschaft erwirbt, erworben hat. Die Grunderwerbsteuer kann in diesem Fall nicht umgangen werden, weil im Umfang der Beteiligung des nun erwerbenden Gesellschafters der Übergang des Grundstücks in seinen grunderwerbsteuerlichen Zurechnungsbereich78 bereits beim Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand der Grunderwerbsteuer unterlegen hat79. Die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG soll durch § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG nur insoweit verhindert werden, wie der das Grundstück von der Gesamthand erwerbende Gesamthänder mit dem Erwerb des Grundstücks von der Gesamthand einen Anteil erlangt, der über seinen Anteil im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesamthand hinausreicht. Die Sperrfrist i. S. v. § 6 Abs. 4 GrEStG ist also immer dann bedeutungslos, wenn die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand seit dem Erwerb des Grundstücks durch diese unverändert geblieben sind80. Denn soweit die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand seit dem Erwerb des Grund-
__________ 78 Dadurch, dass eine Personengesellschaft ein Grundstück erwirbt, gelangt dieses Grundstück in den grunderwerbsteuerlichen Zurechnungsbereich der Gesellschafter. Zwar sind Personengesellschaften im Rahmen von § 1 GrEStG als selbständige Rechtsträger anzusehen. Aus §§ 5, 6 GrEStG folgt, dass die zum Vermögen der Personengesellschaft gehörenden Grundstücke (entgegen der gesellschaftlichen Dogmatik, vgl. zuletzt BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, BB 2009, 346) den Gesellschaftern zuzurechnen sind. Nach BFH tragen §§ 5 und 6 GrEStG „dem Umstand Rechnung, dass die Gesamthänder an jedem Gegenstand des gemeinschaftlichen Vermögens mitberechtigt sind und auch hinsichtlich des verselbständigten Sondervermögens der Personenhandelgesellschaften dessen Eigentümer die einzelnen Gesellschafter bleiben, wenn auch mit den anderen Gesellschaftern in gesamthänderischer Verbundenheit (vgl. Entscheidung des BFH v. 25.2.1969 – II 142/63, BFHE 95, 292 = BStBl. II 1996, 400, m. w. N.). Die dort angeordnete spezifisch grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung, die von dem Gedanken getragen ist, dass die Besteuerung von Erwerbsvorgängen zwischen einer Gesamthand und den an ihr Beteiligten bzw. Untergesamthandgemeinschaften nicht an die bloße Veränderung der Form der Berechtigung am Grundstück anknüpfen soll, hat zur Folge, dass sich die Steuererhebung auf die Erhöhung der Berechtigung des einzelnen Beteiligten am Grundstück(swert) beschränkt“; vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714 (715). 79 Vgl. BFH v. 14.6.1973 – II R 37/72, BStBl. II 1973, 802; v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400; Viskorf in Boruttau, 15. Aufl. 2002, § 6 GrEStG, Rz. 40; Pahlke/ Franz, GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 6 GrEStG, Rz. 26. 80 Vgl. BFH v. 25.2.1969, BStBl. II 1969, 400; v. 16.7.1997, BStBl. II 1997, 663.
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stücks durch diese nicht verändert worden sind, hat der Übergang des Grundstücks in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich des Gesamthänders schon im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesamthand der Grunderwerbsteuer unterlegen81. cc) Gültigkeit der Fiktion des Grundstückserwerbs durch eine neue Personengesellschaft im Rahmen von § 6 Abs. 4 GrEStG Die dem Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegende Fiktion der Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gilt auch bei Anwendung von § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG. Der Erlass des FM Niedersachsen vom 29.3.199982 behandelt den – der vorliegenden Sachverhaltskonstellation entsprechenden – Fall, dass an einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz eine Komplementär-GmbH mit 0 % sowie ein Kommanditist mit 100 % beteiligt ist. Nach Erwerb der 100 %igen Kommanditbeteiligung durch eine TochterGmbH der Mutter-Gesellschaft der Komplementär-GmbH scheidet die Komplementär-GmbH aus der GmbH & Co. KG aus, wodurch das Gesellschaftsvermögen durch Anwachsung auf die Tochter-GmbH übergeht. Das Finanzministerium Niedersachsen sagt ausdrücklich, „dass § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG der Vergünstigung i. S. v. § 6 Abs. 2 GrEStG nicht entgegensteht, weil die Beteiligung des Gesellschafters im Zeitpunkt seines Grundstückserwerbs unverändert seinem Anteil in dem Zeitpunkt entspricht, in dem die Gesellschaft das Grundstück erworben hat, BFH-Urteil II 143/63 vom 25.2.1969, BStBl. II 1969, 400. Denn die wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG gilt als Übereignung der Grundstücke im Gesellschaftsvermögen auf eine neue Personengesellschaft (Begründung des § 13 Nr. 6 GrEStG i.d.F. des JStG 1997, BT-Drucks. 13/5359)“. (Unterstreichung durch Verfasser)
Die Gültigkeit der Fiktion i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen von § 6 Abs. 4 GrEStG entspricht zudem der einhelligen Auffassung der Kommentar-Literatur und des Schrifttums83.
__________
81 Vgl. Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 6 GrEStG, Rz. 40; Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 6 GrEStG, Rz. 25: Schon der Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand war ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang; durch den Übergang eines Grundstücks auf einen Gesamthänder, der zu dieser Zeit an der Gesamthand beteiligt war, ändert sich aus Sicht von §§ 5, 6 GrEStG nur die Qualität, nicht aber das Quantum der Beteiligung am Grundstück; § 6 Abs. 2 GrEStG ist auch dann unanwendbar, wenn sich das prozentuale Beteiligungsverhältnis zwar innerhalb der FünfJahres-Frist verändert hat, das später auf den Gesamthänder übergehende Grundstück aber erst nach der Anteilsverschiebung von der übertragenden Gesamthand erworben wurde und sich die Beteiligungsverhältnisse nach dem Grunderwerb durch die übertragende Gesamthand nicht mehr geändert haben; vgl. FG Nds. v. 12.10.1989 – III 249/89, rkr., EFG 1990, 371; Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 6 GrEStG, Rz. 41. 82 Erlass des FM Nds. v. 29.3.1999 – S 4514 – 7 – 341, StEK GrEStG 1983 § 6 Nr. 7. 83 Vgl. Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 6 GrEStG, Rz. 41/1; Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 6 GrEStG, Rz. 26; Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 6 GrEStG, Tz. 20 a. E; Widmann/Mayer/Pahlke, UmwG, 70. Erg. Lfg. 2003, Anh. 12, GrESt, Rz. 67; Gottwald, GrESt, Einführende Darstellung für Praktiker, 2. Aufl. 2004; Orth, DStR 1999, 1017; Behrens/Schmitt, UVR 2004, 270 (273).
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
Nach einem Urteil des FG Köln vom 12.12.199684 hindert § 6 Abs. 4 GrEStG in dem Fall nicht die Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG, dass alle Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG in der Hand eines Gesellschafters vereinigt wurden und anschließend der Grundbesitz auf eine Schwester-Personengesellschaft übertragen wird. Die Anteilsvereinigung führt zu der Fiktion, dass dem Gesellschafter die Grundstücke grunderwerbsteuerlich zugerechnet werden. Mit der Grundstücksübertragung auf die Schwester-Personengesellschaft hätten die Grundstücke diesen Zurechnungsbereich nicht verlassen, weshalb eine nochmalige Besteuerung nicht gerechtfertigt sei. Dementsprechend entschied auch das FG Düsseldorf mit Urteil vom 14.7.200485, dass die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG im Falle des Grundstückserwerbs durch Anwachsung zu gewähren sei, wenn der Erwerb der zuvor begründeten gesamthänderischen Mitberechtigung zwar innerhalb der letzten fünf Jahre erfolgte, dieser Erwerb jedoch der Grunderwerbsteuer unterlag. Weil der zu beurteilenden Sachverhalt aus den Jahren 1995 und 1996 stammte, löste der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG – nicht nach Abs. 2a86 – aus. Der Grundgedanke, dass § 6 Abs. 4 GrEStG nicht anwendbar ist, wenn der Erwerb des Grundstücks durch die Personengesellschaft oder der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung durch den Gesellschafter der Grunderwerbsteuer unterlegen hat, gilt jedoch unabhängig davon, ob der Grundstücks- bzw. Beteiligungserwerb nach § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG oder nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG Grunderwerbsteuer ausgelöst hat. dd) Irrelevanz der Höhe der Bemessungsgrundlagen Sowohl das FG Köln als auch das FG Düsseldorf stellen klar, dass die Unanwendbarkeit von § 6 Abs. 4 GrEStG nicht davon abhängt, ob die Bemessungsgrundlage, die sonst für den Übergang des Grundstücks von der Personengesellschaft auf den Gesellschafter von Bedeutung wäre, die Bemessungsgrundlage für den vorherigen Beteiligungserwerb übersteigt. Auch nach dem Erlass des Finanzministeriums Niedersachsen vom 29.3.1999 hat die Höhe der Bemessungsgrundlagen keine Bedeutung87. Nach der Rechtsprechung des BFH88 hindert § 6 Abs. 4 GrEStG die Nichterhebung von Grunderwerbsteuer auf den Übergang des Grundstücks auf den Gesamthänder selbst dann nicht, wenn der vorherige Übergang des Grundstücks in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich des Gesamthänders zwar der Grunderwerbsteuer unterlegen hat, aber von ihr befreit war.
__________ 84 Vgl. FG Köln v. 12.12.1996 – 5 K 5640/95, EFG 1997, 555, rkr. 85 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.7.2004 – 7 K 792/02 GE, rkr., DStRE 2004, 1363. 86 § 1 Abs. 2a GrEStG wurde erst durch das Jahressteuergesetz 1997 mit Wirkung zum 1.1.1997 eingefügt; zur Gesetzeshostorie vgl. z. B. Hofmann, § 1 GrEStG, Rz. 89, 8. Aufl. 2004. 87 A. A. Franz in Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 5 GrEStG, Rz. 32; dagegen Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG, Rz. 94, Rz. 101, 16. Aufl. 2007. 88 Vgl. BFH v. 28.1.1981 – II R 146/75, BStBl. II 1981, 484.
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Stefan Behrens
2. Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch mittelbare Anteilsübergänge bei vermittelnden Kapitalgesellschaften Werden weniger als 100 %, jedoch 95 % oder mehr der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen, löst dies Grunderwerbsteuer bezogen auf die gesamten Grundstücke dieser Gesellschaft aus. In Bezug auf den maximal 5 %igen Anteil, der beim oder bei den bisherigen Gesellschaftern verbleibt, kommt es zur Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG, d. h. die nach § 1 Abs. 2a GrEStG angefallene Grunderwerbsteuer bleibt zumindest insoweit wegen „Deckungsgleichheit“ des Gesellschafters an der alten und an der fingiert neuen Gesellschaft unerhoben; § 6 Abs. 3 GrEStG betrifft seinem Wortlaut nach den Fall des Übergangs eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand89. Der fingierte Grundstücksübergang auf die fingierte neue Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG steht dem gleich. Nicht entschieden ist, ob der Begünstigungstatbestand von § 6 Abs. 3 GrEStG auch dann wegen der Fiktion von § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt gilt und damit der Erhebung der nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklichten Grunderwerbsteuer entgegensteht, wenn jeweils mindestens 95 % der Anteile an Kapitalgesellschaften auf neue Gesellschafter übertragen werden, die i. H. v. mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind90. Als Beispiel ist im Folgenden die mittelbare Übertragung einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG dargestellt.
Verkäufer
Käufer
100 %
100 %
GmbH 100 %
Kompl.-GmbH
GmbH 100 %
100 %
0%
Kompl.-GmbH
100 %
0%
KG
KG
§ 1 Abs. 2a GrEStG fingiert (infolge des Übergangs von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter) ein Rechtsgeschäft, das auf die Übereignung eines Grundstücks von der Personengesellschaft auf
__________ 89 Vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, a. a. O., Tz. 11. 90 Unter der Voraussetzung der Wahrung der Fünf-Jahres-Frist i. S. v. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG.
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
eine neue Personengesellschaft gerichtet ist91. Auf Grundstücksübergänge zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften ist § 6 Abs. 3 GrEStG anwendbar. Danach fällt insoweit keine Grunderwerbsteuer an, als die prozentuale Berechtigung der Beteiligten an den gesamthänderisch gebundenen Vermögen beider Gesamthandsgemeinschaften deckungsgleich ist. Die BFH-Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG stellt lediglich darauf ab, dass sich die Berechtigung an dem Grundstück insoweit fortsetzt, als die bisherigen Gesamthänder über ihre Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleiben; ob die Anteile an dem Gesamthänder übertragen werden, ist unerheblich92. Diese Grundsätze haben auch im Falle des fiktiven Grundstückübergangs auf eine fiktive neue Personengesellschaft zu gelten93. Weil die erwerbende Gesamthand nur fingiert wird, ist im BFH-Urteil II R 61/03 vom 27.4.200594 und in der Kommentarliteratur von einer „entsprechenden“ Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG die Rede95. Die Frage, ob § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG auch dann greift, wenn 95 % oder mehr der Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die selbst an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist und bleibt, auf neue Gesellschafter übergehen, wird in der Literatur zum Teil bejaht96. Die Finanzgerichte und die Finanzverwaltung haben soweit ersichtlich bisher nicht Stellung genommen97.
__________ 91 Vgl. zuletzt BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. Vgl. dazu Kaiser, BB 2005, 1877. 92 Vgl. BFH v. 24.4.1996 – II R 52/93, BStBl. II 1996, 458. 93 Die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung haben allerdings bisher nur anerkannt, dass in Höhe der Anteile, die bei den unmittelbaren Altgesellschaftern verblieben sind, die Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht erhoben wird; vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 26.2.2003, Tz. 11 und BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BB 2005, 1892. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Beteiligung der Altgesellschafter an der fingierten „neuen“ Personengesellschaft innerhalb der folgenden fünf Jahre nicht vermindert. Die vor Einfügung von § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG zum 1.1.2002 entwickelte BFH-Rechtsprechung, wonach die Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht anwendbar ist, wenn und soweit entsprechend einem vorgefassten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesellschafter verringern oder sie tatsächlich nicht weiter an der Fortentwicklung des Grundstückswerts beteiligt sein sollen, gilt nicht fort. 94 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 1877. 95 Vgl. Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 6 GrEStG, Rz. 12 c. 96 Vgl. Salzmann/Loose, DStR 2004, 1941 (1943); offen gelassen bei Behrens, StBJb 2005/06, 317 (324 f.) und Heine, UVR 2007, 375; gegen die Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 6 GrEStG, Rz. 12c; Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 6 GrEStG, Rz. 27d. 97 Im koordinierten Länder-Erlass v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 273, wird der Fall einer grundbesitzenden OHG beurteilt, an der A zu 85 %, B zu 5 % sowie C-GmbH zu 10 % beteiligt sind. An der C-GmbH sind X zu 90 %, Y zu 5 % und Z zu 5 % beteiligt. Innerhalb derselben Fünf-Jahres-Frist übertragen A, X und Y ihre Beteiligungen auf neue Gesellschafter. Der Hinweis im Beispiel 4.2.3 des Länder-Erlasses v. 26.2.2003 bezieht sich zumindest auf den zu 5 % unmittelbar an der grundbesitzenden OHG beteiligt bleibenden B.
1135
Stefan Behrens
Ausschlaggebend muss m. E. sein, dass § 6 Abs. 3 seinem Wortlaut nach anwendbar ist, denn die Einordnung der unmittelbar beteiligten GmbH als „neuer“ Gesellschafterin für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG lässt sich dem Gesetzeswortlaut dieser Vorschrift nicht entnehmen98. Wird – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die durchgehend unmittelbar an der Grundstücks-Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft wegen des mindestens 95 %igen Gesellschafterwechsels auf ihrer Ebene im Rahmen der Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG als neue Gesamthänderin angesehen und deshalb die nach § 1 Abs. 2a GrEStG angefallene Grunderwerbsteuer erhoben, müsste das Grundstück der Personengesellschaft als „in den grunderwerbsteuerlichen Zurechnungsbereich der neuen Gesellschafter der vermittelnden Kapitalgesellschaft gelangt“ angesehen werden. Überträgt anschließend die Personengesellschaft ihr Grundstück auf den neuen Gesellschafter der vermittelnden Kapitalgesellschaft, müsste m. E. die Begünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG zur Anwendung gelangen.
Verkäufer
Käufer
Käufer
100 %
100 %
T-GmbH
T-GmbH 100 %
100 % 100 %
Kompl.-GmbH
100 %
0%
0%
KG
Veräußerung der 100 %igen Beteiligung an T-GmbH an den Käufer
Kompl.-GmbH
KG
Veräußerung des Grundstücks durch die KG an den Käufer
Nach bisher ganz herrschender Meinung werden jedoch die Vergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften und auch im Fall zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften nicht angewandt99. M. E. sind
__________ 98 Auch der Wortlaut von § 1 Abs. 2a GrEStG spricht lediglich vom „auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine andere Personengesellschaft gerichteten Rechtsgeschäft“ und ordnet die Fiktion, dass der unmittelbare Altgesellschafter bei mittelbarem Anteilsübergang als unmittelbarer Neugesellschafter zu gelten hätte, (zumindest) nicht (ausdrücklich) an. An der in DStR 2003, 2093 (2098) vertretenen Ansicht wird nicht mehr festgehalten. 99 Vgl. z. B. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714; v. 30.10.1996 – II R 72/94, BStBl. II 1997, 87; zuletzt BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268.
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
die Vorschriften in § 1 Abs. 2a GrEStG einerseits und in §§ 5, 6 GrEStG andererseits in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis bisher nicht aufeinander abgestimmt. Die Lösung könnte darin bestehen, die Variante „mittelbarer Anteilsübergang“ in § 1 Abs. 2a GrEStG auf den Fall des Übergangs von Anteilen an vermittelnden Personengesellschaften zu beschränken, d. h. § 1 Abs. 2a GrEStG nicht anzuwenden, wenn es sich bei der Gesellschaft, an der die übergegangenen Anteile bestehen, um eine Kapitalgesellschaft handelt bzw. wenn die auf neue Gesellschafter übertragene Gesellschaft über eine (oder mehrere) Kapitalgesellschaft(en) an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist. 3. Anwendung der Befreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG bei Anteilsvereinigung bezogen auf eine Personengesellschaft Veräußert der bisherige Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG zunächst die Komplementär-GmbH und eine 94,9 %ige Kommanditbeteiligung an den Käufer, wird weder der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG (mangels Erreichen der 95 %-Grenze) noch der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht (weil nur zwei der drei bestehenden Beteiligungen an der KG in der Hand des Käufers vereinigt werden). Eine der drei Beteiligungen an der grundbesitzenden KG verbleibt beim Verkäufer, d. h. der Käufer vereint lediglich 66,67 % der Anteile der grundbesitzenden KG auf sich100. Veräußert der Verkäufer nach mehr als fünf Jahren die ihm verbliebene 5,1 %ige Kommanditbeteiligung an den Käufer, ist zwar § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt, weil der Käufer nach Ablauf von fünf Jahren ab Erwerb der 94,9 %igen Kommanditbeteiligung für die Zwecke dieser Vorschrift zum Altgesellschafter wird101. Jedoch kommt es zur Vereinigung aller Beteiligungen an der KG in der Hand des Käufers (teils unmittelbar, teils mittelbar), so dass Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst wird.
__________ 100 Bei Personengesellschaften ist im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG unter „Anteil an der Gesellschaft“ die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital zu verstehen; vgl. BFH v. 26.7.1995, BStBl. II 1995, 736; koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975 (976); Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG, Rz. 867, 16. Aufl. 2007. 101 Vgl. Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 1 GrEStG, Rz. 92. M. E. würde der Käufer auch dann nach Ablauf von fünf Jahren seit Erwerb der Beteiligung an der KomplementärGmbH zum Altgesellschafter i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn er die Kommanditbeteiligung nicht oder erst später erworben hätte.
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Ausgangslage: Verkäufer
Schritt 1 im Jahr 01: Käufer
Verkäufer
Schritt 2 im Jahr 06: Käufer 100 %
100 %
Kompl. GmbH
Kompl. GmbH
100 %
Kompl. GmbH
0% 0% 94,9 %
5,1 %
KG
KG
KG
Nach einhelliger Meinung wird die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG entstehende Grunderwerbsteuer i. H. v. 94,9 % nicht erhoben, vorbehaltlich § 6 Abs. 4 GrEStG. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG wird, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person übergeht, die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Weil infolge der Anteilsvereinigung i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Übergang des Grundstücks der KG auf den Käufer fingiert wird, ist es geboten, diese Grundstückszurechnung auch hinsichtlich der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG vorzunehmen102. Das Tatbestandsmerkmal „Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person“ i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG gilt also aufgrund der Fiktion von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als erfüllt103. Gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG gilt die Begünstigung nach § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG allerdings insoweit nicht, als ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, ohne einen Grunderwerbsteuer-Tatbestand zu verwirklichen. Hinsichtlich der bereits durch Schritt 1 auf den Käufer übertragenen 94,9 %igen Kommanditbeteiligung ist die Fünf-Jahres-Frist im Zeitpunkt von Schritt 2 bereits abgelaufen. Dies gilt jedoch nicht für die durch Schritt 2 vom Käufer erworbenen restlichen 5,1 %. Zwar wird durch den Erwerb der restlichen 5,1 % der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt; nach dem Zweck von § 6 Abs. 4 GrEStG muss die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG auch auf die restliche 5,1 %ige Beteiligung ausscheiden. In Höhe von 5,1 % fällt mithin Grunderwerbsteuer auf die Anteilsvereinigung an (5,1 % von grundsätzlich 3,5 % des Grundbesitzwerts, in Berlin und Hamburg von 4,5 %).
__________ 102 Vgl. FG München v. 20.10.1983 – IV 109/80, rkr., EFG 1994, 246. 103 Vgl. koordinierter Länder-Erlass, FM BW v. 28.4.2005, DB 2005, 975 (976).
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
4. Anwendung von § 5 GrEStG bei Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer Personengesellschaft Überträgt ein Grundstückseigentümer sein Grundstück auf eine Gesamthand, bleibt die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer gemäß § 5 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG insoweit unerhoben, als der Übertragende als Gesamthänder unmittelbar oder über andere Gesamthandsgemeinschaften an der erwerbenden Gesamthand beteiligt ist und in den folgenden fünf Jahren beteiligt bleibt. Nach dem Gesetzeswortlaut betreffen §§ 5, 6 GrEStG nur Grundstücksübertragungen zwischen Gesamthänder und Gesamthand. Im Hinblick auf die § 1 Abs. 3 GrEStG zugrunde liegenden Fiktionen ist fraglich, inwieweit auch die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften zwischen Gesamthänder und Gesamthand nach § 5 GrEStG begünstigt sein können104. a) Verlängerung der Beteiligungskette verwirklicht § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG Bringt der Alleingesellschafter mindestens 95 % seiner Beteiligung an der grundbesitzenden Tochter-Kapitalgesellschaft in eine ihm zu 100 % unmittelbar gehörende Personengesellschaft ein, wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Fraglich war, ob der Erhebung der Grunderwerbsteuer § 5 Abs. 2 GrEStG entgegensteht, wonach, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht, die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben wird, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist105 und gem. § 5 Abs. 3 GrEStG innerhalb der folgenden fünf Jahre beteiligt bleibt. Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg106 ist eine Ausdehnung der Befreiungsvorschriften in §§ 5 und 6 GrEStG auf Übergänge, an denen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, nicht möglich107. Mit Urteil II R 53/06 vom 2.4.2008 entschied der BFH per obiter dictum jedoch, dass die grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion von § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG es rechtfertigt, die Veräußerung aller (bereits vereinigten) Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft wie eine Veräußerung des Grundstücks durch den Anteilsveräußerer zu
__________ 104 Für die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften von einer Gesamthand auf eine (teilweise) gesellschafter- und beteiligungsidentische Schwester-Gesamthand stellt sich die entsprechende Frage hinsichtlich der Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG. 105 Vorbehaltlich § 5 Abs. 3 GrEStG, d. h. der Alleingesellschafter darf seine 100 %ige Beteiligung an der Personengesellschaft in den folgenden fünf Jahren nicht verringern. 106 Vgl. FG BW v. 20.3.2002 – 5 K 155/01, EFG 2002, 1321 – Rev. II R 24/02, durch Beschluss v. 10.3.2005 ohne Entscheidung zur Sache erledigt. 107 Das FG Baden-Württemberg verwies auf das BFH, Urt. v. 22.6.1966 – II 165/62, BStBl. III 1966, 554. Die Nichtanwendung dieser Befreiungsvorschriften sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis auf BVerfG v. 16.5.1996 – 1 BvR 600/66, HFR 1996, 398).
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Stefan Behrens
behandeln und damit bei einer Übertragung aller Anteile auf eine Gesamthand die Steuervergünstigung i. S. v. § 5 GrEStG zu gewähren108.
Vorher:
Nachher:
AG
AG 100 %
100 %
GmbH
Kompl. GmbH
100 %
0%
KG 100 %
GmbH
Der fingierte Grundstücksumsatz erfolgt – ebenso wie die tatsächliche Anteilsübertragung – im Verhältnis zwischen Gesamthänder und Gesamthand. Entscheidend für die Anwendung von § 5 GrEStG ist allein, in welchem Verhältnis der fingierte Grundstücksumsatz erfolgt. b) Verlängerung der Beteiligungskette verwirklicht § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG § 5 GrEStG ist nicht anwendbar, wenn nicht bereits zu mindestens 95 % vereinigte Anteile aus einer Hand auf eine zwischengeschaltete Gesamthand übertragen werden, sondern die Anteile auf Ebene der Gesamthand erstmals (unmittelbar oder mittelbar) vereinigt werden. Nach vom BFH mit Urteil vom 2.4.2008109 bestätigter herrschender Meinung110 ist § 5 Abs. 2 GrEStG bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG nicht anwendbar, weil der Erwerb einzelner Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, die jeweils weniger als 95 % ihres gezeichneten Kapitals ausmachen und die von verschiedenen Anteilsveräußerern übertragen werden, nicht dem Erwerb von Miteigentumsanteilen an den Grundstücken der Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden kann. Dass zivilrechtlich jeweils ein Rechtsträgerwechsel zwischen dem übertragenden und dem erwerbenden Anteilseigner stattfindet, ist danach grunderwerbsteuerlich irrelevant. Besteuert werde nur die Anteils-
__________ 108 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 51/06, BFH/NV 2008, 1268. 109 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 51/06, BFH/NV 2008, 1268. 110 Vgl. Viskorf in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 5 GrEStG, Rz. 41; Pahlke/Franz, 3. Aufl. 2005, § 5 GrEStG, Rz. 61; Hofmann, 8. Aufl. 2004, § 5 GrEStG, Rz. 38; a. A. FG Hamburg v. 4.7.2006 – 3 K 23/05, EFG 2007, 142 (Erste Instanz).
1140
Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
vereinigung und damit der fingierte Übergang des Grundstücks von der Kapitalgesellschaft auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft, nicht aber die Übertragung der jeweils unter-95 %igen Kapitalgesellschaftsanteile.
Vorher:
Nachher:
S
S
T 50%
50%
100%
P-GmbH
G-GmbH
100%
K-GmbH
T
GbR
50%
KT-GmbH 100%
50%
KT-GmbH 100%
GE-GmbH
100%
P-GmbH
100%
G-GmbH
100%
K-GmbH
100%
GE-GmbH
Die Anwendung von § 5 GrEStG setzt einen auf ein Grundstück bezogenen Rechtsträgerwechsel zwischen Gesamthänder und Gesamthand voraus, der fingierte Rechtsträgerwechsel erfolgt hier jedoch zwischen der jeweiligen grundbesitzenden GmbH und der GbR. Die Unanwendbarkeit von § 5 GrEStG ergibt sich mithin aus der § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG zugrunde liegenden Fiktion.
VIII. Wechselseitige Beteiligungen Den Vorschriften von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG liegt zunächst die Fiktion von Grundstückserwerben zugrunde, d. h. der Veränderung der Zurechnung inländischer Grundstücke zu bestimmten Rechtsträgern. Allerdings kommt es über § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG ggf. auch zur Zurechnung von Anteilen an (unmittelbar oder mittelbar) grundbesitzenden Gesellschaften111. Dies soll am Beispiel wechselseitiger Beteiligungen erläutert werden. Soweit ersichtlich gibt es dazu bisher weder veröffentlichte Rechtsprechung noch Verwaltungsverlautbarungen. 1. Kapitalgesellschaften Dem Rechtssubjekt, das mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in seiner Hand vereinigt, wird
__________
111 Ungeklärt ist, ob im Organkreis vereinigte Anteile dem mindestens 95 %igen Gesellschafter des Organträgers zuzurechnen sind. In den Fällen von § 1 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2b GrEStG wird der Grundbesitz nach Verwaltungsansicht dem Organkreis zugeordnet, nicht den zum Organkreis gehörenden Gesellschaften/Unternehmen, d. h. auch nicht dem Organträger; vgl. koordinierter Länder-Erlass v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422.
1141
Stefan Behrens
grunderwerbsteuerlich das Grundstück der Gesellschaft zugerechnet112. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn die nominale Beteiligung unter 95 % liegt, die nicht dem Gesellschafter gehörenden Anteile jedoch nicht von Außenstehenden gehalten werden, sondern von Tochter- oder Enkelgesellschaften. Beispielhaft könnte diese Konstellation wie folgt dargestellt werden:
Verkäufer 90 % 10 %
Käufer 90 % 10 %
O-GmbH
O-GmbH
100 %
100 %
GrundstücksGmbH
GrundstücksGmbH
Fraglich ist, ob bei der Veräußerung der nur 90 %igen Beteiligung an der O-GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auf die Grundstücke der O-GmbH und/oder der Tochter-GmbH ausgelöst wird. Bei rechtlicher Betrachtung werden nur 90 % der Anteile übertragen, was für die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht ausreicht. Bei wirtschaftlicher Betrachtung erwirbt der Käufer insofern die Alleingesellschafterstellung, als es außer ihm keinen zweiten außenstehenden Gesellschafter gibt. Eigene Anteile sind bei der Ermittlung der effektiven Höhe der Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft herauszurechnen113. Fraglich ist, ob Entsprechendes gilt, wenn eine grundbesitzende oder zumindest 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft zwar keine eigenen Anteile hält, jedoch mindestens 95 % der Anteile an einer Tochtergesellschaft hält, der Anteile an ihr gehören. Nach einer in der Literatur114 vertretenen Ansicht ist diese Frage dann zu bejahen, wenn die Gesellschaft (hier: die O-GmbH) zumindest 95 % unmittelbar oder mittelbar an der Tochtergesellschaft, die Anteile an der O-GmbH hält, beteiligt ist115. Es würde dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechen, wenn in dem Fall, dass die O-GmbH die Anteile an ihr selbst von ihrer Tochtergesellschaft zurückkauft, oder dass z. B. der Alleingesellschafter der O-GmbH
__________
112 Vgl. oben in Ziffer I.2. 113 Vgl. z. B. BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 153; Fischer in Boruttau, 16. Aufl. 2007, § 1 GrEStG, Rz. 887. 114 Vgl. Clemens/Lieber, DStR 2005, 1761. 115 Eine grunderwerbsteuerlich relevante Beherrschung i. S. v. § 1 Abs. 4 Nr. 2b GrEStG genügt nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht, weil diese nicht zur Zurechnung der Grundstücke der Tochter-GmbH zur O-GmbH führt, vgl. Fn. 111.
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
die von ihrer Tochtergesellschaft gehaltenen Anteile erwirbt, Grunderwerbsteuer festgesetzt würde. Nach einer anderen Ansicht116 kann eine wechselseitige Beteiligung grunderwerbsteuerlich nicht mit eigenen Anteilen an der Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden. Wegen der für das Grunderwerbsteuerrecht geltenden rechtlichen Betrachtungsweise sei die Behandlung wechselseitiger Beteiligungen als „mittelbar eigene Anteile“ abzulehnen. Bei der Nicht-Beachtung eigener Anteile folge der BFH den zivilrechtlichen Vorgaben, nach der eigene Anteile zwar formal als Anteile an der Gesellschaft weiter existierten, diese jedoch keine Gesellschafterrechte vermittelten117. Diese Argumentation sei jedoch auf den Fall der wechselseitigen Beteiligung nicht übertragbar, weil in diesem Fall eine rechtlich verschiedene Person als Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt sei. Bei Beteiligungen an Personengesellschaften greife die Argumentation („was für eigene Anteile gilt, muss auch für wechselseitige Beteiligungen gelten“) erst recht nicht, weil „eigene Personengesellschaftsbeteiligungen“ nicht denkbar seien und es für wechselseitige Beteiligungen schon zivilrechtlich keine Einschränkungen gebe. Nach dieser Ansicht ist die Zurechnung von einer Enkelgesellschaft gehaltener inländischer Grundstücke zur Muttergesellschaft, die z. B. 90 % der Anteile an der Tochter-Gesellschaft hält, deren restliche Anteile (d. h. 10 %) von der (im alleinigen Anteilsbesitz der TochterGesellschaft stehenden) Enkelgesellschaft gehalten werden, abzulehnen, weil das Grunderwerbsteuerrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht als übergeordnetes Prinzip kenne118. Wechselseitige Beteiligungen könnten daher zu einer „Zurechnungssperre“ führen und deshalb in Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall zur grunderwerbsteuerlichen Gestaltung von Übertragungsvorgängen genutzt werden. M. E. ist der Anteilsbesitz der Grundstücks-GmbH im Beispielsfall der O-GmbH wegen deren 100 %iger Beteiligung and der Grundstücks-GmbH zuzurechnen119. Danach liegen aus grunderwerbsteuerlicher Sicht „eigene Anteile“ vor, die bei der Ermittlung der effektiven Höhe der Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft herauszurechnen sind120. Die spezifisch grunderwerbsteuerliche Zurechnung der 10 %igen Beteiligung der GrundstücksGmbH zur O-GmbH führt also m. E. dazu, dass der Verkauf der 90 %igen Beteiligung an den Käufer im Beispielsfall Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auslöst.
__________ 116 Vgl. Wischott/Schönweiß/Fröhlich, DStR 2007, 833. 117 Gesellschafterrechte aufgrund eigener Anteile, insbesondere die Stimmrechte, stehen der Gesellschaft nicht zu (für GmbH allgemeine Meinung, vgl. BGH v. 30.1.1995 – II ZR 45/94, DStR 1995, 537; für AG: § 71b AktG). Bei einer Personengesellschaft kann es zivilrechtlich keine eigenen Anteile geben. 118 Vgl. Wischott/Schönweiß/Fröhlich, DStR 2007, 833. 119 Vgl. z. B. BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408. 120 Wischott/Schönweiß/Fröhlich, DStR 2007, 833 ist allerdings zuzugeben, dass die Argumentation BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 153 zu zivilrechtlich eigenen Anteilen nicht unmittelbar auf den Fall wechselseitiger Beteiligungen übertragen werden kann.
1143
Stefan Behrens
2. Personengesellschaften Die Frage nach der grunderwerbsteuerlichen Behandlung wechselseitiger Beteiligungen stellt sich auch im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG. Dies soll das folgende Beispiel veranschaulichen:
Der Verkäufer überträgt lediglich 94 % der Anteile am Vermögen der KG auf einen neuen Gesellschafter. Im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG ist dem Verkäufer die 6 %ige Komplementär-Beteiligung nicht zuzurechnen. Bei § 1 Abs. 2a GrEStG kommt es – anders als bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG – auf eine durch die Personengesellschaftsbeteiligungen vermittelte Sachherrschaft der Gesellschafter am Gesellschaftsgrundstück nicht an121, und werden Grundstücke und damit auch Anteile an grundbesitzenden Tochtergesellschaften einem mindestens 95 %-Gesellschafter nicht zugerechnet. Folglich ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt. Grunderwerbsteuer ausgelöst wird m. E. nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG122. Denn im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG wird dem mindestens 95 %igen Gesellschafter die Beteiligung seiner Tochtergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet. Dass eine Personengesellschaft gesellschaftsrechtlich nicht an sich selbst beteiligt sein kann, steht dieser spezifisch grunderwerbsteuerlichen Zurechnung m. E. nicht entgegen.
IX. Zusammenfassung Bei Wechseln im Gesellschafterbestand grundbesitzender Gesellschaften, die einen der Tatbestände von § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG erfüllen, sollen
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121 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777; vgl. auch FG Münster v. 12.10.2004 – 8 K 5451/01 GrE, rkr., EFG 2005, 302. § 1 Abs. 2a GrEStG besteuere die „geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Gesellschaftsebene (Gesamthand als eigenständiger Rechtsträger)“. 122 A. A. Götz, GmbHR 2005, 615.
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Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im GrEStR
nach der Teleologie des Gesetzes nicht die Übertragung, Ausgabe bzw. Einziehung der Gesellschaftsanteile als solche der Grunderwerbsteuer unterworfen werden. Gegenstand der Besteuerung ist vielmehr die durch die Bewegung der Anteile begründete erstmalige Zuordnung des der Gesellschaft gehörenden Grundstücks, bei § 1 Abs. 2a GrEStG zur fiktiv das Grundstück erwerbenden (gedacht neuen) Personengesellschaft, bei § 1 Abs. 3 GrEStG zum Anteilserwerber bzw. zu den zum selben Organkreis gehörenden mehreren Anteilserwerbern bzw. nach Verwaltungsansicht zum Organkreis. Diese Fiktionen von Grundstückserwerben werden im Sinne einer folgerichtigen Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes auch bei der Auslegung der anderen grunderwerbsteuergesetzlichen Vorschriften (mit Ausnahme von §§ 16, 3 Nr. 8 GrEStG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) berücksichtigt: − Die Bestimmung des Schuldners der nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 3 GrEStG ausgelösten Grunderwerbsteuer richtet sich im Grundsatz danach, wer die Parteien der fingierten Grundstücksübertragung sind. Allerdings gilt in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG die grundbesitzende Gesellschaft selbst nicht als Steuerschuldner, obwohl sie fiktiv ihren Grundbesitz auf den Gesellschafter überträgt, der mindestens 95 % der Anteile an ihr (unmittelbar oder mittelbar) auf sich vereinigt. − Beruhen die zur Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG beitragenden Anteilsübergänge auf Schenkungen (und bei § 1 Abs. 3 GrEStG auf Erwerben von Todes wegen oder auf Schenkungen), hat die Besteuerung im Ergebnis so zu erfolgen, als sei das Grundstück auf Grundlage eines Schenkungsvertrags übertragen worden. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur Anwendbarkeit von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG auf die Fälle von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG erstrecken wird. In den Fällen von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG sind auch die sog. personenbezogenen Befreiungen in § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG anzuwenden. − Die derzeit gültige Fassung von § 1 Abs. 6 GrEStG, wonach bei unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallendem mehrfachen Erwerb desselben Grundstücks durch denselben Erwerber die Bemessungsgrundlagen miteinander verrechnet werden können, berücksichtigt nicht, dass Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die fingiert neue Personengesellschaft zunächst nach § 1 Abs. 2a GrEStG die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück fiktiv und anschließend z. B. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG dieses Grundstück tatsächlich erwirbt. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber den Wortlaut von § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG entsprechend ergänzen und die Finanzverwaltung die Vorschrift bis zur gebotenen Gesetzesänderung extensiv auslegen wird. − Im Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG finden die den Regelungen in § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG zugrunde liegenden Fiktionen weitgehend Beachtung. Weil jedoch bei § 1 Abs. 2a GrEStG auch mittelbare Anteilsübergänge bzw. -veräußerungen tatbestandsmäßig sind, wenn es sich bei der vermittelnden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt, während §§ 5, 6 GrEStG nach bisher herrschender Meinung nicht angewandt werden 1145
Stefan Behrens
können, wenn Grundstücke zwischen der Gesamthand und ihrem mittelbaren Gesellschafter bei vermittelnder Kapitalgesellschaft bewegt werden, sind die beiden Regelungskomplexe bisher in der Rechtspraxis nicht aufeinander abgestimmt, was zu unbefriedigenden – m. E. nicht folgerichtigen – Besteuerungen führen kann. − Die Fiktion von Grundstückserwerben in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG steht tatsächlichen Grundstückserwerben nicht vollständig gleich. Anders als tatsächliche Grundstückserwerbe führen § 1 die Tatbestände in Abs. 3 GrEStG zur Zurechnung desselben Grundstücks zu mehreren Rechtsträgern. Nach wohl vorherrschender Ansicht können tatsächliche Grundstückserwerbe nicht mit nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG fingierten „Rückerwerben“ und umgekehrt mit den Rechtsfolgen von §§ 16, 3 Nr. 8 GrEStG rückgängig gemacht werden. Auf die durch Anteilsübertragungen ausgelösten Grunderwerbsteuer-Tatbestände in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG sind diese Vorschriften im Grundsatz m. E. anteilsbezogen – und damit nicht grundstücksbezogen – anzuwenden. Aufgrund der in § 1 Abs. 3 GrEStG angeordneten Fiktion gelangt der BFH zu der Auffassung, dass § 1 Abs. 3 GrEStG auch in den Fällen, in denen Anteilsvereinigungen bzw. -übertragungen auf gesellschaftsrechtlichen Einlagen beruhen, nicht in den Anwendungsbereich der RL 69/335/EWG fällt. Weil die Tatbestandsmerkmale der Vorschriften dieser RL nach der EuGH-Rechtsprechung gemeinschaftsautonom, d. h. objektiv und einheitlich für alle Mitgliedstaaten und ohne Rücksicht auf eventuelle Besonderheiten der einzelnen mitstaatlichen Rechtsordnungen und Steuersysteme auszulegen sind, ist dies fraglich. Außerhalb des Grunderwerbsteuergesetzes – und damit möglicherweise auch bei Anwendung der RL 69/335/EWG – haben die Fiktionen i. S. v. § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG keine Bedeutung123. ME bestehen deshalb – entgegen der Ansicht des BFH – durchaus Zweifel, ob § 1 Abs. 3 (und Abs. 2a) GrEStG in Fällen, in denen einer dieser Tatbestände durch Anteilseinlagen verwirklicht wird, mit der RL 69/335/EWG vereinbar ist. Es wäre wünschenswert, wenn der BFH die Frage nach der Vereinbarkeit mit der RL 69/335/EWG bei nächster Gelegenheit dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen würde. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen § 1 Abs. 2a GrEStG durch Anteilseinlagen verwirklicht wird.
__________ 123 Beispiel: Weil Anteilsbewegungen zivilrechtlich, bilanziell und ertragsteuerlich im Grundsatz keine Neuzuordnung des der Gesellschaft gehörenden Grundstücks bewirken, ist nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG angefallene Grunderwerbsteuer nicht den Anschaffungskosten der Gesellschaftsgrundstücke hinzuzurechnen. Hinsichtlich § 1 Abs. 2a GrEStG a. A. Bayerisches Landesamt für Steuern, Vfg. v. 20.8.2007 – S 2171 4 St 3203, DStR 2007, 1679; OFD Hannover, Vfg. v. 24.7.2007 – S 2171 65 StO 221/222, DANUS 5231222.
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Hans Nieskens
Intra-community supplies: eine kritische Analyse zum Zeitpunkt und Ort grenzüberschreitender Warenbewegungen Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Problemfälle III. Grundlagen IV. Zeitpunkt der Lieferung 1. Unmaßgeblichkeit der Gefahrtragung 2. Umsatz im Zeitpunkt der Lieferung a) Umsatz b) Rechtsfolgen c) BFH, Urt. v. 6.12.2007 d) Unmaßgeblichkeit der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit e) Unmaßgeblichkeit handelsrechtlicher Klauseln f) Zwischenergebnis
g) Neuer Bewertungsansatz: Neutralitätsgebot h) Ergebnis V. Dauer der Lieferung 1. Reihengeschäftslieferungen 2. Zwei-Personen-Verhältnisse 3. Rechtsfolgen a) Transportfortsetzung durch Leistungsempfänger ohne neuen Willensentschluss b) Transportfortsetzung durch Leistungsempfänger aufgrund neuen Willensentschlusses c) Ergebnis VI. Zusammenfassung
I. Einleitung Mit dem Namen Harald Schaumburg ist unweigerlich das Steuerrecht in seiner internationalen Rechtsbeziehung verbunden, und wer weiß, dass Harald Schaumburg auch ein Kenner der Umsatzsteuer ist, den verwundert ein umsatzsteuerlicher Beitrag zu Ehren seines 65. Geburtstags und dann mit einer europäischen Ausrichtung nicht. In der Tat stellt sich die (deutsche) Umsatzsteuer gerade mit ihrer europäischen Ausrichtung als eine große und manchmal kaum noch zu bewältigende Spezialmaterie dar. Verantwortlich hierfür ist ein für den Praktiker schlechterdings nicht mehr zu entwirrendes Beziehungsgeflecht zwischen EuGH, BFH, deutschem Gesetzgeber und deutscher Finanzverwaltung. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen eine Antwort auf Fragen zum Zeitpunkt und Ort einer EU-grenzüberschreitenden Lieferung zu geben, um möglichen Belastungen der am EU-grenzüberschreitenden Warenverkehr beteiligten Unternehmer entgegen zu wirken. Ansatzpunkt ist dabei zunächst das deutsche Recht, aber recht schnell wird klar werden, dass der europäische Einfluss mit seinen EU-grenzüberschreitenden Grundsätzen, wie Neutralität, 1147
Hans Nieskens
Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit den deutschen Rechtsstandpunkt dominieren wird.
II. Problemfälle Zur Verdeutlichung der umsatzsteuerlichen Belastungswirkungen im Zusammenhang mit EU-grenzüberschreitenden Warenbewegungen sollen zwei Bespiele dienen. Beispiel 1: Der deutsche Unternehmer U kauft Stahl von einem britischen Unternehmer B, den dieser aus China bezieht. B ist für den Transport aus China verantwortlich und leistet an U verzollt und versteuert frei Hafen Antwerpen. In Antwerpen übernimmt Spediteur SP aus Belgien den Transport für U auf dessen Lager in Dortmund. Nach Eingang der Ware verkauft U den Stahl – zum Teil nach Zuschnitt – weiter an seine internationale Kundschaft. B fakturiert netto. Vordergründig geht es um die Frage, wie B an den deutschen U fakturieren muss, ein Frage, die sich maßgeblich in Abhängigkeit vom Ort und Zeitpunkt der Lieferung B an U entscheidet. Hiermit zusammen hängt die Frage, ob U sich eventuell in Belgien registrieren lassen muss. Letztlich wird zu klären sein, welchen Einfluss die Warenübernahme durch SP im Auftrage des U in Antwerpen hat, ob also damit die Lieferung B an U bereits abgeschlossen ist oder die Lieferung erst mit Ankunft der Ware im Lager des U in Dortmund bewirkt ist. Beispiel 2: Der spanische Unternehmer U aus Madrid verkauft Roh-Stahl aus Spanien an Kunden in Deutschland. Der Stahl stammt aus U’s Werk in Spanien und wird auf dem Seeweg über den (See-)Hafen in Duisburg verschifft. Die Entladung der in Duisburg ankommenden Schiffe wird von der Firma JFS GmbH in Duisburg durchgeführt. Nach der Entladung des Stahls wird die Ware von den Kunden des U per Bahn oder Lkw weiter transportiert. Die Transportdauer von Spanien nach Duisburg beträgt durchschnittlich 6 bis 9 Tage, eine Schiffsladung beinhaltet regelmäßig eine qualitativ gleiche Menge an Stahl, bestimmt für einen Abnehmerkreis von maximal vier Kunden. Als Incoterm wurde die sog. CIF-Klausel/Duisburg mit den Kunden vereinbart. U fakturiert stets netto. Auch hier geht es vordergründig um die Frage, wie U an seine Kunden fakturieren muss. Eingebettet ist diese Frage in die Problematik, ob U im Zeitpunkt der Verschiffung in Spanien bereits eine Lieferung ausgeführt hat, oder ob eine solche erst mit der Abholung des Stahls durch seine Kunden in Duisburg bewirkt wird. Während im ersten Fall U lediglich in Spanien eine innergemeinschaftliche Lieferung erklären müsste, löste er im zweiten Fall den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens mit einer nachfolgenden in Deutschland steuerpflichtigen Inlandslieferung an seine Kunden aus. 1148
Intra-community supplies
III. Grundlagen Eine Lieferung liegt gem. § 3 Abs. 1 UStG dann vor, wenn der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. § 3 Abs. 1 UStG setzt Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL um. Gemäß Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL gilt als Lieferung von Gegenständen die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand verfügen zu können. Wie der EuGH in seiner Entscheidung Autolease Holland1 deutlich gemacht hat, bezieht sich der Begriff der Lieferung eines Gegenstandes nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Vielmehr umfasst sie jede Übertragung eines körperlichen Gegenstandes durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, faktisch über diesen Gegenstand so zu verfügen als wäre sie sein Eigentum. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Leistenden, den Abnehmer oder einen beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt, § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG. Die Ortsbestimmung in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG setzt die Vorgaben aus Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL um. Nur für den Fall, dass der Liefergegenstand aus einem Drittland ins Inland befördert oder versendet wird und der Lieferer Schuldner der deutschen Einfuhrumsatzsteuer ist, verlagert sich der Lieferort gem. § 3 Abs. 8 UStG, der insoweit Art. 32 Unterabs. 2 MwStSystRL umsetzt, ins Inland.
IV. Zeitpunkt der Lieferung Weder das deutsche UStG noch die MwStSystRL geben Auskunft über den Zeitpunkt der Lieferung2. Ohne Kenntnis vom Zeitpunkt bleibt jedoch unklar, wann frühestens eine Lieferung bewirkt ist. Zu beachten ist dabei, dass die Systematik des Umsatzsteuerrechts nicht zwingend einen Gleichklang zwischen dem „ob“, dem „wann“ und dem „wo“ einer Lieferung verlangt. Allerdings drängt sich eine gewisse Folgerichtigkeit auf, wenn der Ort der Lieferung gleichzeitig den Zeitpunkt und damit die Lieferung als solche indiziert3. Zu beachten ist indes, dass der früheste Zeitpunkt nicht nur Auskunft über die Frage gibt, ob im Falle des Untergangs der Ware auf dem Transportweg schon eine Lieferung angenommen werden kann. Der früheste Zeitpunkt der Lieferung gibt auch Auskunft darüber, ob ein Warentransport blosses Verbringen oder schon Lieferung ist.
__________
1 EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 – Autolease Holland BV, UR 2003, 137 Rz. 32 unter Hinweis auf EuGH v. 8.2.1990 – Rs. C-320/88 – Shipping and Vorwarding Enterprise Safe, UR 2003, 137 Rz. 7, 8; vgl. in diesem Sinne auch EuGH v. 21.4.2005 – Rs. C-25/03 – HE, Rz. 60 ff., UR 2005, 324. 2 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3200. 3 Ebenso Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495 (497/498).
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Hans Nieskens
1. Unmaßgeblichkeit der Gefahrtragung Die Beantwortung der Frage, wann eine Lieferung zeitlich ausgeführt ist, hängt maßgeblich davon ab, zu welchem Zeitpunkt die Verfügungsmacht an dem Liefergegenstand vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht. Unter Beachtung der Vorgaben des EuGH4 dominieren dabei zwei Grundvorgaben den Lösungsansatz: Zum einen ist das (nationale) Zivilrecht für die Auslegung des Lieferbegriffs unbeachtlich, zum anderen beeinflusst maßgeblich der Zweck der Norm das Auslegungsergebnis. Hieran anknüpfend hat der EuGH5 eine Lieferung in dem Moment angenommen, in dem die eine Partei des Leistungsaustausches die andere Partei ermächtigt, über den Liefergegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Unter Beachtung dieser Vorgaben ist es zulässig, den Gefahrtragungsregeln zumindest eine indizielle Bedeutung zukommen zu lassen6 und eine Lieferung dann anzunehmen, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Leistungsempfänger übergeht7. So richtig dieser Ansatz im Grundsatz ist, um beispielsweise eine Lieferung an den Mieter ablehnen zu können8, so wenig zielführend ist er bei der Bestimmung des Lieferzeitpunktes warenbewegter Lieferungen. Ohne auf die (zivilrechtlichen) Gefahrtragungsregeln der §§ 446, 447 BGB abstellen zu dürfen, verlangt bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG eine Interpretation in dem Sinne, dass über § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht nur der Ort der Lieferung fingiert wird, sondern gleichzeitig und parallel dazu auch der Zeitpunkt und letztendlich auch das „ob“ der Lieferung9. Die zivilrechtlichen Gefahrtragungsregeln der §§ 446, 447 BGB sind nur noch für die Frage relevant, ob sich die Bemessungsgrundlage für die vorliegende Lieferung infolge der möglicherweise übergehenden Preisgefahr ändert und eventuell nach § 17 UStG berichtigt werden muss. Diese sich auch bei richtlinienkonformer Auslegung des Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL10 ergebende Interpretation folgt aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG. Mit Verwendung des Adverbs „dort“ (… gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo …) kommt zum einen die Ortsbezogenheit der Fiktion zum Ausdruck. Genauso eindeutig spricht § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG aber auch von der Ausführung der Lieferung. Richtig gelesen, bedeutet die Aussage in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, dass die Lieferung als ausgeführt gilt (Zeitfunktion), wenn mit der Beförderung oder Versendung begonnen wor-
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4 EuGH v. 8.2.1990 – Rs. C-320/88 – Shipping and Forwarding Enterprise Safe BV, UR 1991, 289; v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 – Auto Lease Holland BV, UR 2003, 137. 5 EuGH v. 8.2.1990 – Rs. C-320/88 – Shipping and Forwarding Enterprise Safe BV, UR 1991, 289. 6 So auch Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495 (496). 7 Stadie, Umsatzsteuerrecht, Köln 2005, Rz. 7.36; Schmidt, Lieferung und Lieferzeit (= Fiktion) bei Beförderungen und Versendungen, UR 1997, 295; Hummel, Verschaffen der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht, UR 2007, 757. 8 Hummel, Verschaffen der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht, UR 2007, 757. 9 A. A. Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495 (497). 10 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3031; Birkenfeld, UmsatzsteuerHandbuch, I Rz. 862, 864; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 459; a. A. (nur Ortsbestimmung) Flückinger in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 3 Abs. 6 Rz. 10.
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den ist, und zwar dann dort (Ortsfiktion), wo sich bei Beginn der Beförderung oder Versendung der Gegenstand befindet. Zusätzlich zur Fiktion zum Ort und zur Zeit wird damit auch das „ob“ der Lieferung auf den Beginn der Beförderung/Versendung vorverlegt11. Damit sind für die Bestimmung des Lieferzeitpunktes in den Fällen warenbewegter Lieferungen die Gefahrtragungsregelungen der §§ 446, 447 BGB irrelevant12. 2. Umsatz im Zeitpunkt der Lieferung Auch wenn sich über die Regelung in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG der Ort und der Zeitpunkt der Lieferung auf den Beginn der Beförderung/Versendung verlagert, bleibt weiterhin für die Rechtsfolge des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG entscheidend, ob es ausreichend ist, dass durch die Beförderung/Versendung die Lieferung ausgelöst werden kann oder ob vielmehr der Umsatz als solcher Voraussetzung für die Beförderung/Versendung sein muss. a) Umsatz Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG bedingt ein Umsatz im Sinne des Umsatzsteuerrechts ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Hiervon ist dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Beförderung/Versendung der konkrete Abnehmer der beförderten oder versendeten Ware sowie die Menge der abgenommenen (nicht der abzunehmenden) Ware feststeht. Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Zwar ist ein wirksamer, unbedingter, gegenseitiger Vertrag hierfür nicht Voraussetzung13. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem solchen gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, ist aber grundsätzlich von einem Leistungsaustauschverhältnis auszugehen14. Ist auf ein Leistungsaustauschverhältnis abzustellen, bleibt folglich fraglich, wann die Leistungsempfänger bereits so konkret als Leistungsaustauschpartner feststehen, dass sie berechtigt und verpflichtet sind, die Ware abzunehmen und den hierfür vorgesehenen Kaufpreis zu entrichten.
__________ 11 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3222, 3225 ff.; Birkenfeld, UmsatzsteuerHandbuch, I Rz. 864, 864.1–864.3; Lippross, Lieferung beim Versendungskauf – zur Auslegung des § 3 Abs. 7 UStG, DStR 1992, 569; Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495 (496) – allerdings nur unter Beachtung der Grundsätze der Sachlogik und Praktikabilität; BMF, Schr. v. 26.11.2005 – IV A 5 S 7280 a - 82/05, Tz. 2, UR 2005, 625. 12 So aber Hummel, Verschaffen der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht, UR 2007, 757; Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 14 Rz. 56; Schmidt, Lieferung und Lieferzeit (= Fiktion) bei Beförderungen und Versendungen, UR 1997, 295. 13 BFH v. 24.2.2005 – V R 1/03, BFH/NV 2005, 1160. 14 BFH v. 21.4.2005 – V R 11/03, BStBl. II 2007, 63; v. 18.1.2005 – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394.
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b) Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen sind höchst unterschiedlich, je nachdem, welcher Ansatz favorisiert wird, wie das Beispiel 2 deutlich zeigt: Verlangt man das Vorliegen eines Umsatzes bereits bei Beginn der Beförderung/Versendung, so käme es im Beispiel 2 maßgeblich darauf an, ob bei Transportbeginn in Spanien die Kunden als Leistungsempfänger hinsichtlich eines zumindest bestimmbaren Leistungsgegenstandes hinreichend feststanden. Denkbar wären drei Szenarien: – bei Transportbeginn standen die Abnehmer bereits hinreichend konkret mit ihrer Abnahmemenge fest; – zwar standen die Abnehmer bei Transportbeginn noch nicht hinreichend konkret fest, aber während des Transports wurden die konkreten Kunden mit der dann bestimmbaren Ware bestimmt; – und schließlich wurden die Abnehmer erst nach Abladung im Hafen Duisburg bestimmt. In der ersten Alternative läge der Lieferort dort, wo mit der Schiffsbeförderung begonnen wird, also in Spanien, in der zweiten Alternative auf dem Transportweg, in der Regel also außerhalb des Inlandsgebietes. Es lägen in Spanien bzw. außerhalb Deutschlands steuerbare, aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vor (Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL). Die Abnehmer/Kunden bewirkten in Deutschland einen steuerbaren und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb, § 1a Abs. 1 UStG, bei gleichzeitigem Vorsteuerabzugsrecht gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG. U hätte netto an seine Kunden zu fakturieren. Lediglich in der dritten Alternative läge der Lieferort im Inland. Rechtsfolge dieser Annahme wäre zum einen, dass dem Transport der Ware ein sog. innergemeinschaftliches Verbringen zugrunde läge. Hieraus ergäbe sich für U zwingend eine Registrierung in Deutschland, ein (fiktiver) steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb gem. § 1a Abs. 2 UStG bei gleichzeitiger Vorsteuerabzugsberechtigung gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG. Die Lieferung an seine Abnehmer/Kunden wäre unter Beachtung dieser Vorgabe als steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung anzusehen. Die Abnehmer/Kunden bewirkten folglich dann keinen innergemeinschaftlichen Erwerb, sondern können den Vorsteuerabzug nur aus der an sie ausgeführten steuerpflichtigen Lieferung geltend machen. U hätte mit deutscher Umsatzsteuer zu fakturieren. c) BFH, Urt. v. 6.12.200715 In der Entscheidung EMAG16 unterscheidet der EuGH Lieferungen, die zu einer Beförderung oder Versendung von Gegenständen führen (Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL), von Lieferungen, die nicht zu einer Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen (Art. 31 MwStSystRL).
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15 BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, UR 2008, 334. 16 EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG Handel Eder oHG, Rz. 46, UR 2006, 342.
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In Umsetzung der Aussagen des EuGH interpretiert der BFH17 § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG in Übereinstimmung mit Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL dahingehend, dass Grundlage der Versendung/Beförderung „ein Umsatz im Sinne des UStG ist“. Es reicht nicht aus, dass eine Versendung/Beförderung erst „bei Hinzutreten weiterer Umstände, wie z. B. der Billigung des zugesandten Gegenstandes durch den Kunden zu einem Umsatz im Sinne des UStG führen könnte“18. Folglich verlangt der BFH in richtlinienkonformer Interpretation für den Anwendungsrahmen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG (entspricht Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL) ein konkretes Leistungsaustauschverhältnis bei Beginn der Beförderung/Versendung. d) Unmaßgeblichkeit der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit Beeinflusst wird die zuvor getroffene Feststellung des BFH allerdings durch die Vorgaben des EuGH in der Entscheidung EMAG19 und durch das Votum der Generalanwältin in der Sache Teleos20. In der Entscheidung EMAG hat der EuGH wörtlich ausgeführt: „Diese Auslegung (Zuordnung der Warenbewegung zu nur einer Lieferbeziehung21) gilt unabhängig davon, in der Verfügungsmacht welches Steuerpflichtigen – des Erstverkäufers, des Zwischenhändlers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers – sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet.“ (Rz. 45)
Unter Beachtung dieser Aussage des EuGH, die im Wege der richtlinienkonformen Auslegung Eingang in die deutsche Rechtsanwendung des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG findet, ist es für das Auslösen der sich aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ergebenden Rechtsfolgen unbeachtlich, ob der Abnehmer/Kunde bereits bei Beginn der Beförderung/Versendung über den Liefergegenstand tatsächlich verfügen kann bzw. ob er bereits zu diesem Zeitpunkt Rechte an der Ware besitzt. Das vom BFH geforderte Leistungsaustauschverhältnis zu Beginn der Beförderung oder Versendung kann nicht alleine mit dem Hinweis auf eine solche mangelnde Berechtigung des Abnehmers verneint werden. In diesem Sinne versteht sich auch die Aussage der Generalanwältin in Sachen Teleos, wenn sie formuliert: „Ein Befördern in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Verkäufer … den Warentransport selbst oder durch Beauftragte durchführt, die seinen Weisungen unterliegen. Ist der Verkäufer für den Transport verantwortlich, so tritt der innergemeinschaftliche Erwerb ein, wenn der Verkäufer oder seine Beauftragten den Gegenstand beim Erwerber im Bestimmungsland abliefern … Dennoch findet der innergemeinschaftliche Erwerb auch hier erst statt, wenn die Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat abgeschlossen ist.“ (Rz. 43)
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17 BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, UR 2008, 334. 18 BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, UR 2008, 334; bestätigt durch BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, DStR 2008, 2160. 19 EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG Handel Eder OHG, UR 2006, 342. 20 Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 11.1.2007 – Rs. C-409/04 – Teleos plc u. a., www.curia.eu.int/de. 21 Einschub durch den Verfasser.
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Nach dieser Interpretation führt U mit der Verschiffung und anschließenden Herausgabe der Waren keine Versendungs-, sondern eine Beförderungslieferung aus. Ein Versenden wird nur für den Fall eines Transportes durch einen unabhängigen Dritten angenommen, der keinen Weisungen unterliegt, wie beispielsweise die Post. Der Aussage der Generalanwältin ist insoweit zu entnehmen, dass das vom BFH geforderte Leistungsaustauschverhältnis unbeeinflusst davon zu prüfen ist, ob die Auftraggeberin in Bezug auf die Ware während des Transportes noch weisungsberechtigt ist oder nicht und wie sie dem Abnehmer im Bestimmungsstaat die Ware abliefert22. e) Unmaßgeblichkeit handelsrechtlicher Klauseln Die Vereinbarung handelsrechtlicher Klauseln, wie z. B. die sog. „bill of ladings“ oder Incoterms, nach denen der Liefernde während des Transports als Berechtigter ausgewiesen ist (Empfänger „to order“) und nicht schon dessen Kunden/Abnehmer, dokumentieren alleine die weiterhin während des Transports alleine für den Liefernden bestehende Weisungsberechtigung gegenüber den Transporteuren. Zwar hat der BFH in seiner Entscheidung vom 10.11.196623 unter Hinweis auf die handelsrechtlichen Vorschriften zum Ladeschein (§ 444 HGB) es für die Annahme eines konkreten Abnehmers und damit eines Leistungsaustauschverhältnisses bei Transportbeginn nicht ausreichen lassen, dass der Ladeschein an eigene Order ausgestellt wurde. Jedoch fußte diese Rechtsauffassung auf § 5 Abs. 2 UStDB 195124, die mit der 196725 zum ersten Mal und 199726 zum zweiten Mal neu gefassten Regelung zur Versendungslieferung nicht überein stimmte. Zum einen begründete der BFH seine Rechtsauffassung mit dem Wortlaut in § 5 Abs. 1 UStDB, wonach der Gegenstand einer Lieferung „an den Abnehmer versendet“ werden muss, eine Formulierung, die dem heutigen Gesetzeswortlaut fremd ist. Zum anderen regelte § 5 Abs. 2 UStDB 1951 nur die Versendungslieferung und konnte die Versendung nur durch den leistenden Unternehmer ausgeführt werden, im Unterschied zur heutigen Rechtslage, wo neben der Versendung auch die Beförderungslieferung geregelt ist, unabhängig davon, ob durch den Leistenden oder Leistungsempfänger veranlasst27.
__________ 22 So jetzt – unter Aufgabe der bisherigen Rspr. – auch BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, DStR 2008, 2160. 23 BFH v. 10.11.1966 – V 73/64, BStBl. III 1967, 101. 24 Bekanntmachung der Neufassung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz v. 1.9.1951, BStBl. I 1951, 482. 25 § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1967 v. 29.5.1967, BStBl. I 1967, 224. 26 Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (UmsatzsteuerÄnderungsgesetz 1997) v. 12.12.1996, BStBl. I 1996, 1560. 27 Ebenso FG BW v. 21.2.1982 – III 424/79 – rkr., EFG 1983, 378.
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Die vom BFH bislang vertretene Auffassung begründete sich auf der rein formalistischen Betrachtung, dass ein Versenden nur dann vorliegen könne, wenn der Beförderungsunternehmer verpflichtet war, dem Abnehmer die Verfügungsmacht an der Ware zu verschaffen und der Abnehmer berechtigt war, die Ware zu empfangen. Insoweit reichte ihm der Ladeschein an eigene Order nicht aus. Spätestens mit der Gleichstellung des Versendens mit dem Befördern durch das UStG 196728 ist aber die vertraglich übernommene Beförderungspflicht des Lieferers als Abgrenzungskriterium untauglich. Entscheidend ist alleine, ob rein tatsächlich der Abnehmer bei Transport bereits feststeht. Zwar liegt im Hinblick auf den bestimmten Abnehmer ein eindeutiges Beweisanzeichen bei einem ausgestellten Ladeschein an die Order des Abnehmers vor. Wie der BFH29 jetzt, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, jedoch bestätigt, ist eine solche Kennzeichnung in den Beförderungspapieren oder auf dem Versandgut dagegen nicht unbedingt erforderlich, wenn der Abnehmer nach anderen Unterlagen, wie etwa der Vertragsurkunde oder dem Bestellschein bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststeht. Darüber hinaus bedingt die zwingend gemeinschaftsautonome Begriffsinterpretation die Unanwendbarkeit nationaler zivilrechtlicher Ordnungsstrukturen, wie sie etwa aus § 444 HGB ersichtlich sind. Hieraus verbietet sich ein endgültiger Rückschluss auf umsatzsteuerliche Rechtsfolgen alleine unter Beachtung handelsrechtlicher Vorgaben30. Alleine diese Interpretation setzt die Vorgaben des EuGH in der Entscheidung Collée31 zutreffend um. Zwar betrifft die Rechtssache Collée die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Allerdings hat der EuGH unmissverständlich hervorgehoben, dass eine unzweifelhaft vorliegende Rechtsfolge nicht durch zusätzliche Formalismen verhindert werden darf. Nichts anderes würde vorliegend aber geschehen, wollte man bei abgeschlossenem Kaufvertrag und zugeschickter Rechnung an einen konkreten Abnehmer über eine konkrete verschiffte Warenmenge Handelsdokumente dafür benutzen, die Rechtsfolge des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG zu negieren. f) Zwischenergebnis Fest zu halten ist somit, dass unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung die Beurteilung des Beispielsfalles 2 maßgeblich darauf abzustellen ist, ob bei Transportbeginn in Spanien der einzelne Abnehmer hinsichtlich einer konkret bestimmbaren Ware feststand oder zumindest im Laufe des Trans-
__________ 28 § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1967 v. 29.5.1967, BStBl. I 1967, 224. 29 BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, DStR 2008, 2160. 30 FG Nds. v. 3.5.2007 – 5 K 232/02, www.nwb.de/finanzgericht/nfg/auswahl.htm; EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 – Auto Lease Holland BV, UR 2003, 137; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Anm. 92 ff.; Birkenfeld, UmsatzsteuerHandbuch, § 62 Rz. 864.1; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 459. 31 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Albert Collée, UR 2007, 813; BFH v. 6.12.2006 – V R 59/03 – Nachfolgeentscheidung Collée, UR 2008, 186.
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portvorganges festgestellt werden kann. Nur wenn erst bei Abladung im Hafen Duisburg der Abnehmer identifizierbar ist, liegt aus Sicht des U ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender Inlandslieferung vor. Von entscheidender Bedeutung wird dabei auch sein, welche Rolle die Firma JFS GmbH spielt, ob sie also etwa als verlängerter Arm des U fungiert und erst nach Einzelanweisung durch U die Ware an die dann feststehenden Abnehmer ausliefern darf. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die anlässlich einer Beförderung/Versendung notwendige Ablieferung der Ware an den Abnehmer/ Kunden stets mit der Willenserklärung verbunden, dem Abnehmer/Kunden nunmehr endgültig die tatsächliche Verfügungsmacht an den Gegenständen verschaffen zu wollen. Wie die Generalanwältin in der Sache Teleos32 deutlich gemacht hat, wird hierdurch der Beförderungs- und Auslieferungsvorgang erst abgeschlossen. Eine eventuelle Rückversicherung beim Verkäufer – geäußert durch eine „delivery order“ oder ähnlichem – kann hieran nichts ändern. Keinesfalls kann hierin ein rechtlicher Akt gesehen werden, der sich auf den Zeitpunkt der Lieferung auswirkt. Konsequenterweise will der BFH33 im Falle einer sog. Freigabeklausel – anders noch als das erstinstanzliche FG34 – den Zeitpunkt des Leistungsaustauschverhältnisses nicht auf den Zeitpunkt verschieben, in dem der Verkäufer nach Beginn der Versendung den Zugriff auf die Ware gestattet. Betroffen hiervon sind Fälle, in denen die Freigabe durch eine Bedingung, die vom Käufer erfüllt sein muss – wie etwa die Kaufpreiszahlung –, beeinflusst wird. Steht bei Vertragsschluss für die Vertragsbeteiligten fest, dass die Waren auf den Abnehmer endgültig übergehen sollen, bleibt es auch in den Fällen mit sog. „shipment on hold“-Klauseln bei einer Lieferung mit Beginn der Versendung. Die Sicherung der Kaufpreisforderung weist der Lieferung nur den Charakter einer Nachnahmelieferung zu. g) Neuer Bewertungsansatz: Neutralitätsgebot Die zuvor beschriebenen Rechtsfolgen machen deutlich, welchem Risiko der Lieferer ausgesetzt ist: Muss er von einem innergemeinschaftlichen Verbringen ausgehen, folgt für ihn in Deutschland die zwingende Registrierungspflicht und muss er in Deutschland den Umsatz der deutschen Umsatzsteuer zweimal unterwerfen. Bei einer falschen Beurteilung – U geht von einer in Spanien steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung aus, bei gleichzeitigen innergemeinschaftlichen Erwerb durch seine Kunden – muss er mit einer Zinspflicht gem. § 233a AO rechnen und das, obwohl dem deutschen Fiskus kein Steuerschaden entstanden ist.
__________ 32 Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 11.1.2007 – Rs. C-409/04 – Teleos, Rz. 43, www.curia.eu.int/de. 33 BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, DStR 2008, 2160. 34 FG Nds. v. 3.5.2007 – 5 K 232/02 („ship to hold“-Klausel), www.nwb.de/finanz gericht/nfg/auswahl.htm und FG Nds. v. 12.11.2004 – 16 V 137/04 („shipment on hold“-Klausel), www.nwb.de/finanzgericht/nfg/auswahl.htm.
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Unter Beachtung des vom EuGH35 postulierten Grundsatzes der wirtschaftlichen Neutralität der Umsatzsteuer ergeben sich unter Beachtung beider Lösungsansätze für den deutschen Fiskus die gleichen wirtschaftlichen Auswirkungen. Aufgrund des Vorsteuerabzugsrechts sowohl der Auftraggeberin als auch aller ihrer Abnehmer/Kunden ergibt sich für den deutschen Staat (zunächst) keine effektive Umsatzsteuereinnahme. Im Rechtsmodell innergemeinschaftliches Verbringen mit nachfolgender steuerpflichtiger Inlandslieferung neutralisieren sich Umsatzsteuer und Vorsteuer bei U wie auch bei dessen Abnehmern/Kunden. Gleiches gilt unter Beachtung des Rechtsmodells steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung in Deutschland durch U und steuerpflichtigem innergemeinschaftlichem Erwerb der Kunden in Deutschland hinsichtlich Erwerbsteuer und Vorsteuer beim Abnehmer/Kunden. Zu bedenken sind jedoch die Belastungswirkungen aus der Sicht des U. Nur die Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung des U in Spanien führt zu einer Minimierung der Belastungswirkungen für alle beteiligten Wirtschaftsteilnehmer. Die Ware gelangt nach Deutschland und wird hier durch den innergemeinschaftlichen Erwerb erfasst. Selbst bei einem nicht überschaubaren Abnehmerkreis besteht wegen der gesetzlich europaweit vorgeschrieben lückenlosen Dokumentationspflicht weder die Gefahr eines Steuermissbrauchs noch einer Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Der bisherige in Deutschland angewendete rechtliche Ansatz missachtet den vom EuGH in der Sache Netto Supermarkt36 formulierten unstreitigen Grundsatz, wonach der Unternehmer lediglich Steuereinsammler ist und damit eigentlich eine dem Staat zufallende Aufgabe wahrnimmt. Hieraus verbietet sich eine aus der Umsatzsteuer resultierende Belastung für den Unternehmer. Die Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer wird letztlich nur durch den Endverbraucher getragen. Gegen diesen Grundsatz würde aber im vorliegenden Fall verstoßen werden, wenn U nachträglich seine, im Rahmen unterstellter innergemeinschaftlicher Lieferung erteilten Rechnungen an seine Abnehmer/Kunden berichtigen müsste. Bereits rechtlich fraglich ist, ob zivilrechtlich eine Rechnungsberichtigung gegenüber den Abnehmern/Kunden im Sinne zusätzlich in Rechnung gestellter Umsatzsteuer überhaupt möglich ist. Darüber hinaus ergibt sich die wirtschaftliche Belastung zu Lasten des U aber alleine daraus, dass U die diesen Lieferungen zugrunde liegende Umsatzsteuer – unter Beachtung des Verzinsungsgebotes gem. § 233a AO – sofort schuldet. Der Ausgleich seitens der Abnehmer/Kunden würde zeitlich – wenn überhaupt – verzögert erfolgen, verbunden mit dem Risiko, dass der Abnehmer/Kunde diese zusätzliche Belastung nur bei entsprechender Vorsteuerabzugsberechtigung tragen würde. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass aufgrund des gegenwärtigen AllphasenNetto-Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug das Finanzamt des jeweiligen
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35 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Albert Collée, UR 2007, 813 Rz. 26. 36 EuGH v. 21.2.2008 – Rs. C-271/06 – Netto Supermarkt GmbH & Co. KG, UR 2008, 508 Rz. 21; ebenso Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 25.10.1007 – Rs. C-271/06 – Netto Supermarkt GmbH & Co KG, Rz. 44, www.curia.eu.int/de.
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Abnehmers/Kunden ein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich des Vorsteuerabzugs beanspruchen kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dessen rechtliche Würdigung eine Inlandslieferung mit Vorsteuerabzugsberechtigung verneint. Auch die Verwaltung37 selbst sieht in vergleichbaren Fällen zugunsten der Wirtschaftsteilnehmer Vereinfachungen zur Abmilderung der sich hieraus ergebenden Belastungsrelationen vor. So ist eine mögliche Registrierungsverpflichtung eines deutschen Kommittenten im EU-Ausland für die deutsche Finanzverwaltung38 Anlass genug, in den Fällen der Verkaufskommission über eine EU-Grenze dem in Deutschland ansässigen Kommittenten ein Wahlrecht39 einzuräumen. Ihm steht es frei, bei Übergabe des Kommissionsgutes an einen im übrigen EU-Land ansässigen Kommissionär und späterer Weiterveräußerung an einen Dritten den Verbringenstatbestand mit anschließender steuerpflichtiger Lieferung im anderen EULand oder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland mit steuerpflichtigem innergemeinschaftlichen Erwerb des Kommissionärs in dem anderen Mitgliedstaat zu wählen. Unter Beachtung des deutschen Rechts begründet der im Inland ansässige Kommittent in diesen Fällen mit der Übergabe noch keine Lieferung an den EU-ausländischen Kommissionär40. Aus „Sinn und Zweck der Regelung“41 könne aber die Lieferung bereits mit der Übergabe als bewirkt behandelt werden. Auch im umgekehrten Fall schützt die Verwaltung den – diesmal EU-ausländischen – Liefernden mit einem Wahlrecht: steht der Abnehmer einer konkreten Ware bei Transportbeginn im Ausgangsmitgliedstaat fest, will der Leistende aber im Bestimmungsmitgliedstaat keinen innergemeinschaftlichen Erwerb zu Lasten seines Abnehmers auslösen, gewährt ihm die Verwaltung ein Wahlrecht. Statt eines innergemeinschaftlichen steuerfreien Lieferumsatzes in seinem Abgangsland kann er auch ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender steuerpflichtiger Inlandslieferung wählen. Auch dem europäischen Recht auf der Basis der MwStSystRL ist diese Sichtweise nicht fremd wie der Beschluss des 41. Treffens des MWSt-Ausschusses der EU vom 28.2./1.3.1994 zu Art. 29 Abs. 5 der 6. EG-RL belegt. Dem Votum des Mehrwertsteuerausschusses lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein Ge-
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37 BMF, Schr. v. 19.11.1993 – IV C 3 - S 7100 a - 30/93, BStBl. I 1993, 1004; Abschn. 15 b Abs. 7, Abschn. 24 Abs. 2 Satz 9 UStR 2008; BMF, Schr. v. 3.3.1993 – IV A 1 - S 7056 a - 103/93, UR 1993, 175; Abschn. 15 b Abs. 14 UStR 2008. 38 BMF, Schr. v. 19.11.1993 – IV C 3 - S 7100 a - 30/93, BStBl. I 1993, 1004; Abschn. 15 b Abs. 7, Abschn. 24 Abs. 2 Satz 9 UStR 2008. 39 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 2402; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1a UStG, Anm. 175 m. w. N. 40 H. M. seit BFH v. 25.11.1986 – V R 102/98, BStBl. II 1987, 278. 41 So ausdrücklich BMF, Schr. v. 19.11.1993 – IV C 3 - S 7100 a - 30/93, BStBl. I 1993, 1004; Abschn. 15 b Abs. 7, Abschn. 24 Abs. 2 Satz 9 UStR 2008; vgl. zum umgekehrten Fall (der Unternehmer bewirkt im Ausgangs-Mitgliedsland eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, will aber im Bestimmungs-Mitgliedsland über das innergemeinschaftliche Verbringen mit anschließender Inlandslieferung den Erwerber aus der Erwerbsbesteuerung fernhalten) BMF, Schr. v. 3.3.1993 – IV A 1 S 7056 a - 103/93, UR 1993, 175; Abschn. 15 b Abs. 14 UStR 2008.
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genstand aus EU-Land A in das EU-Land B an Abnehmer 1 geliefert wurde und wegen der Annahmeverweigerung durch Abnehmer 1 der Leistende daraufhin die Ware an Abnehmer 2 ebenfalls aus EU-Land B auslieferte. Der Mehrwertsteuerausschuss nahm trotz des Austausches des Abnehmers in EU-Land B und rückgängig gemachter Lieferung an Abnehmer 1 eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung beim Leistenden und einen innergemeinschaftlichen Erwerb bei Abnehmer 2 an. Nichts anderes muss dann aber in dem zuvor beschriebenen Beispielsfall gelten. Auch soweit sich hier das Leistungsaustauschverhältnis erst nach der Abladung konkretisieren sollte, ist dennoch der Transportbeginn gekennzeichnet durch die in Deutschland zu bewirkende Lieferung an einen konkreten Abnehmer. Nach Auffassung des Mehrwertsteuerausschusses muss auch in diesem Fall U in Spanien eine innergemeinschaftliche Lieferung erklären können. Schließlich werden hierdurch die Vorgaben des EuGH in Sachen EMAG und die Aussagen der Generalanwältin in der Rechtssache Teleos umgesetzt. Danach ist eine Berechtigung des Abnehmers an der transportierten Ware ebenso unbeachtlich wie die während des Transportes weiterhin bestehende mögliche Weisungsberechtigung des U. h) Ergebnis Unter Beachtung der maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben zur Belastungsneutralität der Umsatzsteuer steht dem U im Beispielsfall 2 ein Wahlrecht zu, ob er seinen Liefervorgang über ein innergemeinschaftliches Verbringen mit nachfolgender steuerpflichtiger Inlandslieferung oder von vornherein als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung in Spanien erklären will. Wählt er – wovon in der Praxis auszugehen sein wird – die Variante steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung, so hat er in seiner Rechnung netto unter Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung zu fakturieren. Eine Registrierungspflicht in Deutschland bestünde nicht. Die Kunden/Abnehmer hätten in Deutschland den innergemeinschaftlichen Erwerb, bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug zu erklären.
V. Dauer der Lieferung Ebenfalls ungeklärt ist im deutschen Recht wie auch in der MwStSystRL die Frage, was alles von der im Zeitpunkt des Beginns der Beförderung/Versendung ausgeführten Lieferung mit umfasst wird. Besondere Bedeutung erlangt diese Fragestellung, wenn in den Transportvorgang nicht nur der Leistende oder ein von ihm beauftragter Dritter, sondern zusätzlich auch noch der Leistungsempfänger oder ein von ihm beauftragter Dritter involviert ist. Zwei Szenarien sind denkbar: Zum einen kann der Weitertransport durch den Leistungsempfänger oder in seinem Auftrag durch den Dritten zum Abschluss der an ihn ausgeführten Lie1159
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ferung führen; die Konsequenz wäre ein anschließend erfolgtes Verbringen durch den Leistungsempfänger, das – wenn es über eine EU-Grenze erfolgen würde – zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen führen würde. Zum anderen könnte der Weitertransport durch den Leistungsempfänger oder durch den von ihm beauftragten Dritten als Teil der an ihn ausgeführten Lieferung betrachtet werden; Konsequenz hieraus wäre eine Lieferung an den Leistungsempfänger, ausgeführt erst mit Ankunft der Ware nach Weitertransport durch den Leistungsempfänger. 1. Reihengeschäftslieferungen Für den Fall einer Lieferung im Reihengeschäft hat der Gesetzgeber mit der Definition zum Reihengeschäft in § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG eine gesetzgeberische Lösung gefunden. Da ein Reihengeschäft nur dann vorliegt, wenn die Ware unmittelbar vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer gelangt, führt der Weitertransport durch einen weiteren Unternehmer in der Reihe entweder zu einer Verneinung des Reihengeschäfts, wenn der erste Unternehmer mit dem Transport begonnen und der zweite Unternehmer den Transport weitergeführt hat42. In diesem Fall liefert der erste Unternehmer an den ersten Abnehmer warenbewegt, ebenso wie der erste Abnehmer an den letzten Abnehmer (beim zweigliedrigen Reihengeschäft). Der Ort bestimmt sich für beide Lieferungen nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG. Hat der letzte Abnehmer dagegen den Warentransport vollendet, liegt zwar ein Reihengeschäft vor, dieses endet jedoch an dem Ort, an dem der letzte Abnehmer die Ware zum Weitertransport übernimmt43. Diese Bewertung ist mit der EU-rechtlichen Vorgabe in Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL vereinbar. Zwar enthält die MwStSystRL in Art. 32 keinerlei eindeutige Aussage zu dem hier angesprochenen Problem. Der Wortlaut lässt sowohl eine Interpretation zugunsten einer Beteiligung mehrerer Unternehmer am Beförderung- oder Versendungsvorgang zu als auch eine ablehnende Interpretation. Mangels klarer Aussage ist es aber zumindest für die Reihenlieferungen zulässig, die hier anstehende Streitfrage alleine am Wortlaut der deutschen Norm in § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG zu entscheiden44. 2. Zwei-Personen-Verhältnisse Unklar ist dagegen die Rechtslage im Zwei-Personen-Verhältnis, wenn der Leistungsempfänger neben dem Lieferenden in den Transportvorgang eingeschaltet ist.
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42 Vgl. in diesem Sinne auch Abschn. 31a Abs. 4 UStR 2008. 43 Vgl. hierzu ausführlich m. w. N. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 1785 ff.; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 477; Fritsch in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, § 3 UStG Rz. 515. 44 Vgl. hierzu Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 1786; im Ergebnis ebenso Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 3 Abs. 6 UStG Rz. 62; a. A. Langer, Umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften und innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften ab 1.1.1997, DB 1997, Beilage 9 zu Heft Nr. 22.
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Wenig hilfreich sind die Ausführungen zur sog. gebrochenen Beförderung/Versendung. Der Begriff der gebrochenen Versendung/Beförderung umschreibt nur die zusammenhängende Beförderung oder Versendung durch mehrere Frachtführer, Verfrachter oder Spediteure auf Veranlassung entweder des Lieferenden oder des Leistungsempfängers. Für diesen Fall liegt ein einheitlicher Transport in zwei Teilabschnitten vor, soweit nur der Liefernde alles in seiner Macht stehende getan hat, um den Gegenstand an einen bereits feststehenden Abnehmer gelangen zu lassen. Der Ort bestimmt sich dann nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und liegt dort, wo der erste Frachtführer, Spediteur oder der Unternehmer selbst mit der Warenbewegung beginnt45. Lediglich in den Fällen, in denen bei Übergabe an den ersten Beförderer der Abnehmer noch nicht feststeht oder die Weisung an den zweiten Beförderer erst erteilt wird, nachdem die Ware bereits rollt, zerfällt der Beförderungsvorgang in zwei Teile: der erste Beförderungsakt stellt ein Verbringen dar, das bei einem Transport über eine EUGrenze zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen führt, ansonsten als rechtsgeschäftsloses Verbringen ohne umsatzsteuerliche Konsequenzen bleibt. Der zweite Beförderungsakt löst gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG den Ort dort aus, von dem aus der Transport an den nunmehr benannten Abnehmer fortgesetzt wird46. Auch ein Transport der bereits verkauften Ware zu einem Lohnveredler, der nach der Bearbeitung die dann bearbeitete Ware im Auftrag des Liefernden an seinen Kunden weiterbefördert, führt zu zwei getrennt zu beurteilenden Transportvorgängen: Ort der Lieferung ist gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG der Ort, von dem der Gegenstand nach seiner Bearbeitung zum Kunden transportiert wird, nicht dagegen der Ort, von dem Gegenstand zum Bearbeitungsort hin transportiert wurde47. Bezugnehmend auf den Ausgangsfall 1 helfen diese Abgrenzungskriterien nur insoweit, als der Zuschnitt des Stahls als Bearbeitung des Liefergegenstandes auf dem Lager des U in Dortmund definitiv spätestens in Dortmund die Lieferung des B an den U beendet. Der Lieferort für die Lieferungen des U an seine Kunden bestimmt sich folglich über § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und liegt stets in Dortmund. Ungeklärt bleibt aber nach wie vor die Einschaltung des U in den Transportvorgang der von B gelieferten Ware. Es liegt eine gemischte Versendung vor48, die entweder in zwei getrennte Transportvorgänge aufgeteilt oder aber als ein einheitlicher Transportvorgang bewertet werden muss.
__________ 45 BFH v. 9.4.1963 – V 179/60, StRK UStDB 1951 § 4 R. 5; Abschn. 30 Abs. 3 Satz 4 UStR; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3142. 46 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3143; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 62 Rz. 872 – Stichwort „Gebrochene Beförderung oder Versendung“. 47 Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 3 Abs. 6 und 7 UStG Rz. 99 – Zwischenbeförderungen; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 62 Rz. 872 – Stichwort „Zwischenversendung“; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3145. 48 Zum Begriff vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3151 und Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 462.
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Da die Lieferung über § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG fiktiv als in dem Zeitpunkt ausgeführt gilt, wo mit dem Warentransport begonnen wird (s. oben), müssen sämtliche Versuche, eine Lösung über den Lieferbegriff – Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag – zu erreichen, fehlschlagen. Unabhängig davon, ob und wann die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Leistungsempfänger übergegangen ist49, bleibt alleine entscheidend, ob die Übernahme des Transportes einhergeht mit einem neuen Willensentschluss, was mit der Ware geschehen soll50. Nur für den Fall, dass der Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Übernahme des Transportes aufgrund eines neuen Willensentschlusses die Ware weiter bewegt oder bewegen lässt, endet die ursprüngliche Lieferung an ihn im Zeitpunkt der Übernahme des Transportes. In dem Fall allerdings, in dem von vornherein feststeht, dass er den Transport übernimmt und wohin er die Ware transportieren will, endet der Liefervorgang an ihn erst mit der Ankunft der Ware dort, wo der Leistungsempfänger sie von vornherein bestimmungsgemäß geliefert haben wollte. Dabei muss schon aus Gründen der Praktikabilität ausreichend sein, dass spätestens bei Übergabe der Ware an den Leistungsempfänger oder an den von diesem beauftragten Dritten feststehen muss, wohin die Ware bestimmungsgemäß geliefert werden soll. 3. Rechtsfolgen Bezogen auf das Ausgangsbeispiel 1 ergeben sich durch die Einschaltung des Leistungsempfängers U in den Transportvorgang folgende Konsequenzen: a) Transportfortsetzung durch Leistungsempfänger ohne neuen Willensentschluss Die Lieferung des Stahls von B an U stellt eine warenbewegte Lieferung dar, die gem. Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG) grundsätzlich dort als ausgeführt gilt, wo mit der Beförderung/Versendung begonnen wird, also in China. Da jedoch der Leistende B Schuldner der belgischen Einfuhrumsatzsteuer ist, verlagert sich der Ort gem. Art. 32 Unterabs. 2 MwStSystRL (§ 3 Abs. 8 UStG) nach Belgien. Da der Weitertransport nicht durch eine unabhängige und aufgrund neuen Willensentschlusses beruhende unternehmensinterne Warenbewegung auf das Lager in Dortmund erfolgt, sondern als Fortsetzung des durch den Leistenden initiierten Transportvorganges anzusehen ist, erfolgt im Anschluss an die Einfuhr eine in Belgien steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung, Art. 138 MwStSystRL (§ 4 Nr. 1 b, § 6a Abs. 1 UStG). Die Ware gelangt nach der Einfuhr und ihrer Steuerbarkeit in Belgien durch den Leistungsempfänger aus
__________ 49 So aber wohl Hummel, Verschaffung der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht, UR 2007, 757. 50 Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch § 62 Rz. 865.2; vgl. auch Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Anm. 3151.
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einem Mitgliedsland, Belgien, in das andere Mitgliedsland, Deutschland, und unterliegt dort den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung (§ 1a Abs. 1 UStG). Da die Warenbewegung unmittelbar im Anschluss an die Einfuhr zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung führt, beurteilt sich die Einfuhr als steuerfrei gem. Art. 143 Buchst. d MwStSystRL (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Der innergemeinschaftliche Erwerb in Deutschland ist steuerbar und grundsätzlich steuerpflichtig. Soweit U den erworbenen Stahl nach seinem Zuschnitt im Lager Dortmund europaweit weitergeliefert wird, ist der innergemeinschaftliche Erwerb aber steuerfrei gem. § 4b Nr. 4 i. V. m. § 4 Nr. 1 a, § 6 Abs. 1, § 4 Nr. 1 b, § 6a Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 3 Nr. 1 a UStG. Unter Beachtung dieser Fallgestaltung hat B in seinen Rechnungen an U unter Hinweis auf die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung netto zu fakturieren. B müsste sich in Belgien registrieren lassen, um die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklären zu können. b) Transportfortsetzung durch Leistungsempfänger aufgrund neuen Willensentschlusses In Abweichung vom zuvor gefundenen Ergebnis ist der Liefervorgang B an U mit der Aushändigung der Ware an U in Antwerpen beendet. Konsequenz hieraus ist, die steuerbare und jetzt auch steuerpflichtige Lieferung von B an U in Belgien. Wegen Art. 32 Unterabs. 2 MwStSystRL (§ 3 Abs. 8 UStG) liegt nach wie vor eine Verlagerung des Ortes in das Land vor, in dem der leistende B die Abfertigung zum freien Verkehr vornimmt. Als Konsequenz hieraus muss B über seine Lieferungen an U Rechnungen mit belgischer Umsatzsteuer ausstellen, die U in Belgien als Vorsteuern geltend machen muss. Der Warentransport durch U aus Belgien auf das Lager in Deutschland stellt ein innergemeinschaftliches Verbringen dar, als fiktive Lieferung, Art. 21 MwStSystRL (§ 3 Abs. 1 a UStG), steuerbar, aber als innergemeinschaftliche Lieferung, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL (§ 4 Nr. 1 b i. V. m. § 6a Abs. 2 UStG), steuerfrei in Belgien. Das Verbringen löst für U in Deutschland den Tatbestand des fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs, § 1a Abs. 2 UStG, aus. Sofern im Anschluss an das Verbringen und nach erfolgtem Zuschnitt die Ware europaweit weiter geliefert wird, ist der innergemeinschaftliche Erwerb steuerfrei gem. § 4b Nr. 4 i. V. m. § 4 Nr. 1 b, § 6a Abs. 1, § 4 Nr. 1 a, § 6 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 3 Nr. 1 a UStG. c) Ergebnis Die nachfolgend dargestellten Rechtsfolgen verdeutlichen, welche nachteiligen Konsequenzen Leistungsempfänger U ausgesetzt ist, wenn der Transportvorgang bereits in Antwerpen, Belgien, enden sollte. Die hier vorgestellte Lösung berücksichtigt daher ein Höchstmaß eigenverantwortlichen Handelns für die am Leistungsaustausch beteiligten Parteien. Sofern U bereits im Vorhinein 1163
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eine klare Vorstellung davon hatte, wo sich die angelieferten Gegenstände am Ende des Liefervorgangs befinden sollen, ist schon aus Neutralitätsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, den Liefervorgang trotz Einschaltung des Leistungsempfängers in den Transportvorgang erst am Ende der Warenbewegung als beendet an zu sehen. Steht spätestens bei Übernahme der Ware – hier im Hafen Antwerpen – dagegen noch nicht fest, was mit der übernommenen Ware zu geschehen hat, so ist es schon aus Gründen der notwendigen Dokumentationspflicht zulässig, mit dem Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens den Nachweis der Warenbewegung in das Lager Dortmund durch den Leistungsempfänger dokumentieren zu lassen.
VI. Zusammenfassung Bei Einführung des Umsatzsteuer-Binnenmarktes wurde das Ziel eines harmonisierten freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs angestrebt. Auch 16 Jahre nach Einführung des Binnenmarktes entpuppt sich das Konstrukt eines grundsätzlich für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Regelungswerkes, das im Kern aber eben durch die Mitgliedstaaten selbst ausgefüllt werden soll, nach wie vor als störungsanfällig. Die zuvor angeführten Beispiele verdeutlichen die Gefahren, denen ein Unternehmer nach wie vor ausgesetzt ist, wenn er über die Inlandsgrenze hinweg aktiv ist. Es bleibt die Hoffnung, dass die Verwaltung bei allem – berechtigten – Bestreben, den Umsatzsteuer-Missbrauch einzudämmen, stets auch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes im Auge behält und den Unternehmern helfend und beratend zur Seite steht.
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Unternehmensumstrukturierungen und Umsatzsteuer Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Auslegungsmaximen zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Unternehmensumstrukturierungen III. Unternehmensumstrukturierungen nach dem UmwG 1995 1. Die zivilrechtlichen Grundformen
2. Verschmelzungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG 3. Spaltungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG 4. Vermögensübetragungen und Formwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UmwG IV. Fazit und Ausblick
I. Einleitung Es verdient Bewunderung, welches wissenschaftliche Oeuvre Harald Schaumburg neben seiner praktischen Tätigkeit und führenden Rolle in einer (oder wohl richtig der) führenden deutschen (Steuer)Rechtskanzlei geschaffen hat1. Dass sich gerade auch die praktische Tätigkeit Schaumburgs in diesem beeindruckenden Werk niederschlägt, vermag daher nicht so sehr zu erstaunen2. Freilich geht es Harald Schaumburg immer auch besonders darum, das Steuerrecht für die Praxis, d. h. in seiner Anwendung für den Steuerpflichtigen, tauglich zu machen, indem er von Rechtsprechung und Gesetzgebung Prinzipienfestigkeit und Systemgerechtigkeit3 verlangt. Die Beachtung des Leistungsfähigkeitprinzips für das Steuerrecht insgesamt4, nicht nur für die Einkom-
__________
1 Das nicht erschöpfende Schriftenverzeichnis bei Juris weist allein mehr als 80 Beiträge auf. Nicht darin enthalten sind – leider – gerade seine frühen Beiträge zum Umsatzsteuerrecht, u. a. seine 1974 als Band 10 der Schriften zum Steuerrecht erschienene (Dissertations)Schrift: Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht, sowie seine Beiträge in StuW 1973, 15 f. zur übertragenden Umwandlung und in UStR 1974, 269 zur Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht. 2 Als Beispiel möge insoweit sein Beitrag „Grundsätze des steuerorientierten Unternehmenskaufs und -verkaufs“ in dem von ihm herausgegebenen Buch zum „Unternehmenskauf im Steuerrecht“, 3. Aufl. 2004, dienen. Es war mir eine besondere Freude und Ehre, an dieser Schrift auf Einladung von Harald Schaumburg mit einem Beitrag zur Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer beim Unternehmensverkauf mitwirken zu dürfen. 3 Seine frühe Schrift zu Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht von 1974, a. a. O., (Fn. 1), trägt den bezeichnenden Untertitel „zugleich ein Beitrag zum Systemgedanken im Verkehrsteuerrecht“. Auf „Systemdefizite im internationalen Steuerrecht“ weist er in StuW 2000, 369 f. hin. 4 Vgl. dazu insbesondere die Beiträge: Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in FS Wolfram Reiß, 2008, S. 25 f.; Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306 f. (zusammen mit Heide Schaumburg); Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in FS Klaus Tipke, 1995, 125 f.
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mensteuer, mahnt er unermüdlich, namentlich vom Gesetzgeber5, an. Die thematische Breite weist Harald Schaumburg als einen steuerlich umfassend tätigen Wissenschaftler und Praktiker aus, beginnend bei A wie Außensteuerrecht und Abgabenordnung6 und nicht schon bei O, sondern – dem deutschen Alphabet entsprechend – über U wie Umsatzsteuer und V wie Verkehrsteuer erst bei Z7 wie Zivilrecht endend. Ungeachtet der thematischen Breite des wissenschaftlichen Gesamtwerkes lassen sich gleichwohl zwei Schwerpunkte des Schaffens Schaumburgs erkennen. Das ist einmal das Internationale Steuerrecht8 und zum anderen das Unternehmenssteuerrecht und innerhalb dessen namentlich die steuerrechtlichen Regelungen für Unternehmensumstrukturierungen, insbesondere das Umwandlungssteuerrecht9. Auch wenn dabei mittlerweile die ertragsteuerlichen Fragen, namentlich im Hinblick auf die Problematik eines Zwanges zur Gewinnrealisierung, respektive die Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung, in den Vordergrund getreten sind, hat sich Harald Schaumburg zeitlich sogar früher zunächst mit „Umwandlungen und Verschmelzungen im Verkehrsteuerrecht“10 auseinandergesetzt. Er knüpfte dabei an einen entsprechenden früheren Beitrag Tipkes11 an. Einbezogen wurde, entsprechend der technischen Anknüpfung an Lieferungen und Leistungen als „Verkehrsakte“, auch die umsatzsteuerliche Behandlung von Umwandlungen und Verschmelzungen.
__________ 5 Insoweit sei auf die in den JbFfSt veröffentlichten kritischen Kongressvorträge Schaumburgs zur jeweils aktuellen Steuergesetzgebung verwiesen, u. a. JbFfSt 2007/ 2008 zum Mantelkauf, JbFfSt 2005/2006 zur SE-VO und zum SEEG; JbFfSt 2004/2005 zu Finanzierungsaufwendungen und Gesellschafterfremdfinanzierung. 6 Vgl. zu A u. a. die Monographie: Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, 2005 und Abgabenordnung 1977 (Textausgabe) zusammen mit Mittelsteiner. 7 In der zeitliche Reihenfolge lagen bei Schaumburgs Beiträgen U, V und Z freilich vor dem A, vgl. Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 f.; Die Verschmelzung der Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 f.; Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht, Bd. 10 der Schriften zum Steuerrecht, 1974; Umsatzsteuer und Zivilrecht, NJW 1974, 1734 f. 8 Schaumburgs Internationales Steuerrecht von 1993 ist das führende Lehrbuch für den akademischen Unterricht geworden. Für deutsche Dissertationen zu Fragen des Internationalen Steuerrechtes ist es ein unentbehrlicher Helfer und Anreger geworden. 9 Vgl. dazu u. a.: Zuzug von Unternehmen, Der Konzern 2005, 347 f.; Der Wegzug von Unternehmen, in FS Franz Wassermeyer, 2005, 411 f.; Das internationale Umwandlungsrecht in der Unternehmenssteuerreform, FS Siegfried Widmann, 2000, 505 f.; Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, GmbHR 1996, 414 f.; Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996, 501 f. und 585 f.; Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug, GmbHR 1996, 668; Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995, 211 f. 10 Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht, Bd. 10 der Schriften zum Steuerrecht, Berlin 1974. 11 K. Tipke, Verschmelzung und Umwandlung im Verkehrsteuerrecht, Beilage Nr. 17/68 zu Heft Nr. 29, DB 1968, 1 f.
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Unternehmensumstrukturierungen und Umsatzsteuer
Der Frage, ob die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, damals noch im Aktiengesetz12 geregelt, und die übertragende Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften und auf den Alleingesellschafter, „ein steuerbarer Umsatz“ ist, ging Schaumburg auch in zwei frühen weiteren Zeitschriftenbeiträgen nach13. Unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Regelung zur Verschmelzung im damaligen Aktiengesetz und zur übertragenden Umwandlung im Umwandlungsgesetz 196914 als zivilrechtlichem Ausgangspunkt sowie der Regelungen im damaligen UStG gelangte Schaumburg für das damalige Recht zum Ergebnis, dass nach Wortsinn und Gesetzeszweck Verschmelzungen und übertragende Umwandlungen nicht zu steuerbaren Umsätzen führen. Rechtstechnisch begründete er dies damit, dass die Vermögensübertragungen zwar zu Lieferungen und Leistungen führten, es jedoch mangels Gegenleistung nicht zu einem Leistungsaustausch komme. Teleologisch sei eine Umsatzbesteuerung von Verschmelzung und Umwandlung von der Grundwertung des Umsatzsteuergesetzes her auch nicht geboten. Denn die Umsatzbesteuerung ziele auf die Belastung des privaten Verbrauchs und nicht auf die bloße Vermögensumschichtung, wie sie bei Verschmelzung und übertragender Umwandlung vorliege. Es fehle bei Verschmelzung und Umwandlung an einer besteuerungswürdigen Einkommensverwendung15. Seit jenen vor mehr als 35 Jahren erfolgten Ausführungen Schaumburgs zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen durch Verschmelzung und übertragende Umwandlung haben sich sowohl im deutschen Umwandlungsrecht durch das Umwandlungsgesetz 1995 als auch im Umsatzsteuerrecht durch die weitere Harmonisierung und Anpassung an die europäischen Richtlinienvorgaben erhebliche Weiterentwicklungen ergeben. Dies lässt es als reizvoll erscheinen, sich unter Beachtung der inzwischen erfolgten Weiterentwicklungen erneut16 im Anschluss an die frühen Ausführun-
__________ 12 §§ 339 f. AktG 1965; für die Verschmelzung von Genossenschaften befanden sich die Regelungen in den §§ 93s ff. GenG; für die Verschmelzung von GmbHs im Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (KapErhG). 13 H. Schaumburg, Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 f.; Die Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 f. 14 Nach dem Umwandlungsgesetz v. 6.1.1969, BGBl. I 1969, 2081 konnten Kapitalgesellschaften in Personenhandelsgesellschaften, eine BGB-Gesellschaft oder auf eine natürliche Person als bisherigen Gesellschafter umgewandelt werden. Die Umwandlung führte mit der Eintragung in das Handelsregister zum Übergang der aktiven Vermögensgegenstände und der Schulden von der übertragenden (untergehenden) Kapitalgesellschaft auf den übernehmenden Rechtsträger (Personengesellschaft, Gesellschafter). Der nach heutigem Umwandlungsgesetz mögliche Formwechsel von der Kapitalgesellschaft als Unternehmensträger in die Personengesellschaft und umgekehrt wurde erst durch das UmwG 1995 v. 28.10.1994, BGBl. I 1994, 3210 und BGBl. I 1995, 428 eingeführt. 15 Schaumburg, a. a. O. (Fn. 13), StuW 1973, 15 f. (20) und Schaumburg, UStR 1974, 269 (271). 16 Vgl. schon bisher Reiß, Rechtsnachfolge im Umsatzsteuerrecht, StVj 1989, 103 und ders., Sacheinlagen, Geschäftseinbringungen, Umwandlung von Unternehmensträgern und steuerfreie Umsätze von Gesellschaftsanteilen, UR 1996, 357.
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gen des Jubilars mit der Frage auseinanderzusetzen, welche umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen Unternehmensumstrukturierungen durch Umwandlungsvorgänge nach dem Umwandlungsgesetz 1995 auslösen.
II. Auslegungsmaximen zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Unternehmensumstrukturierungen Die umsatzsteuerliche Würdigung von unter das Umwandlungsgesetz fallenden Umstrukturierungsmaßnahmen sollte sich von folgenden Auslegungsmaximen leiten lassen: 1. Die Umsatzbesteuerung zielt auf die Belastung der Aufwendungen von Endverbrauchern (Nichtunternehmern). Es ist daher sicherzustellen, dass Umstrukturierungsmaßnahmen nicht zu einer Definitivbelastung mit Umsatzsteuer führen, soweit es sich um Umstrukturierungen von Rechtsträgern handelt, die umsatzsteuerlich vor und nach der Umstrukturierung als Unternehmer agieren. Andererseits sollten Umstrukturierungen von Rechtsträgern nicht dazu führen, dass es zu einem umsatzsteuerlich unbelasteten Endverbrauch durch Nichtunternehmer kommt. Umstrukturierungen dürfen auch nicht zur Folge haben, dass der vom Gesetz eindeutig – wenn auch aus wenig überzeugenden Gründen – vorgesehene Vorsteuerausschluss für Unternehmer mit steuerbefreiten Umsätzen allein durch die Umstrukturierung vermieden werden kann. 2. Die Belastungsneutralität für Unternehmer wird im geltenden Umsatzsteuerrecht prinzipiell durch den Vorsteuerabzug hergestellt, soweit bei entgeltlichem Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen für das Unternehmen eine Besteuerung der Leistungen an den Unternehmer als Leistungsempfänger erfolgte. Da und soweit eine entsprechende Entlastung auch bei den (als Unternehmer handelnden) Vorlieferanten stattfindet, wird die Belastungsneutralität für Unternehmer auch durchgängig bei sich über mehrere Stufen erstreckenden Lieferungen und Leistungen erreicht. Angesichts dieser Entlastungstechnik kann nicht von vornherein als ausgemacht gelten, dass Umstrukturierungsmaßnahmen bei unternehmerisch agierenden Rechtsträgern nicht als steuerbare Umsätze behandelt werden dürften, da es an einer Einkommensverwendung für einen Endverbrauch mangele17. Die Belastungsneutralität für den Unternehmer lässt sich allerdings auch – ohne Vorsteuerabzug – dadurch herstellen, dass bei Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen von Unternehmern für das eigene Unternehmen die
__________ 17 Insoweit für die Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug zu kurz greifend Schaumburg, a. a. O., (Fn. 13), StuW 1973, 15 f. (20) und UStR 1974, 269 (271); zutreffend freilich für die alte Bruttoumsatzsteuer ohne Vorsteuerabzugsrecht und für die GrESt, da hier nur durch die Annahme einer Nichtsteuerbarkeit eine Belastung unternehmerischen Verbrauchs vermieden werden kann; vgl. zur GrESt auch Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in FS Wolfram Reiß, 2008, 25 (35) mit weiteren Nachweisen.
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Unternehmensumstrukturierungen und Umsatzsteuer
betreffenden Erwerbsvorgänge bereits als nicht steuerbar behandelt werden18. Für das geltende Recht wird diese Lösungsmöglichkeit seit 1994 ausnahmsweise in § 1 Abs. 1a UStG sowohl für entgeltliche und unentgeltliche Umsätze vorgesehen, die im Rahmen einer Geschäftsveräußerung erfolgen. Eine Herstellung der Belastungsneutralität gelingt dann allerdings nur, wenn auch auf den Vorstufen – im Falle des § 1 Abs. 1a UStG mithin beim Veräußerer – eine Entlastung von Umsatzsteuer durch Vorsteuerabzug oder schon durch Nichtbesteuerung des (Vor)Erwerbs stattgefunden hat. Der Übergang des Unternehmens(vermögens) im Erbfall wird schon mangels Leistung, aber auch mangels Entgeltes als nicht steuerbar behandelt19. Führen Umstrukturierungen hingegen dazu, dass die dabei übertragenen Vermögensgegenstände in der Hand des erwerbenden Rechtsträgers nicht mehr zur Ausführung von unternehmerischen, zu besteuernden Umsätzen verwendet werden, ist umgekehrt sicherzustellen, dass es nicht durch die Umstrukturierung zu einer gleichheitswidrigen Entlastung von einer Umsatzbesteuerung des Endverbrauches kommt. Soweit Umstrukturierungen als zu entgeltlichen steuerpflichtigen Umsätzen führend angesehen werden, ist die Besteuerung des Endverbrauches durch Nichtgewährung des Vorsteuerabzuges gem. § 15 Abs. 1 UStG für den Erwerber sicherzustellen, falls bei diesem ein Endverbrauch erfolgt. Entsprechendes gilt gem. § 15 Abs. 2 UStG, wenn der Erwerber die erworbenen Gegenstände zur Ausführung abzugsschädlicher steuerbefreiter Umsätze verwendet. Wird die Umstrukturierung selbst hingegen als nicht steuerbar behandelt, muss der Erwerber sich die umsatzsteuerlichen Bindungen des übertragenden Rechtsträgers wie selbst verwirklichte Bindungen zurechnen lassen. Kommt es daher etwa nach der Umstrukturierung dazu, dass ein zutreffend beim übertragenden Rechtsträger durch Vorsteuerabzug entlasteter Unternehmensgegenstand vom übernehmenden Rechtsträger für private Zwecke entnommen wird oder nunmehr zur Ausführung von den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen, so ist die bisherige Entlastung durch eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe gem. § 3 Abs. 1 b UStG, bzw. eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG zu korrigieren. Bezüglich der Be- und Entlastungskonzeption der Umsatzsteuer als einer den Endverbraucher belastenden Einkommensverwendungssteuer kann mithin zunächst grundsätzlich festgehalten werden, dass diese Belastungskonzeption sich prinzipiell sowohl durchsetzen lässt, indem die Umstrukturierung als zu entgeltlichen steuerbaren Umsätzen führend behandelt wird, aber auch dadurch, dass davon ausgegangen wird, dass sie zu nicht steuerbaren Vorgängen führt.
__________ 18 Vgl. dazu generell nunmehr den Vorschlag zur Umgestaltung der Umsatzsteuer von P. Kirchhof im Umsatzsteuer Gesetzbuch, Heidelberg 2008, wonach im Grundsatz gem. § 1 Nr. 1 UStGB E der Umsatzsteuer nur noch die im Inland an Verbraucher erbrachten Umsätze (Leistungen gegen Entgelt) unterliegen. Ergänzend werden noch die Entnahmen von Leistungen und die Einfuhr erfasst. 19 Vgl. dazu Stadie in R/D/F/G, Kommentar UStG, § 2 Rz. 566 f.; Tehler in Reiß/ Kraeusel/Langer, Kommentar UStG, § 1 Rz. 489; Reiß, StVj 1989, 103 (118); Ruppe, Kommentar (österr.) UStG, 3. Aufl., § 1 Tz. 186 und § 2 Tz. 151.
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3. Die Umsatzsteuer als eine den Endverbrauch belastende Einkommensverwendungssteuer muss notwendigerweise im Hinblick auf die Rechtsform des Unternehmensträgers rechtsformneutral ausgestaltet sein. Es sind daher Auslegungen zu vermeiden, die hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung nach der Rechtsform der umstrukturierten Rechtsträger differenzieren20. Insoweit erfolgende ungleiche Behandlungen verfehlen per se die Belastungskonzeption, wenn sie wegen dadurch sich ergebender Wettbewerbsverzerrungen dazu führen, dass der benachteiligte Rechtsträger die wegen der Rechtsform ausgelöste umsatzsteuerliche Belastung selbst zu tragen hat, weil er sie aufgrund der fehlenden Wettbewerbsneutralität nicht auf den Verbraucher abwälzen kann. 4. Für die umsatzsteuerliche Würdigung von Umstrukturierungsmaßnahmen sollte es nicht auf die zivilrechtliche Rechtstechnik ankommen, mit deren Hilfe die Umstrukturierung erfolgt. Soweit durch unterschiedliche zivilrechtliche Rechtstechniken wirtschaftlich derselbe Umstrukturierungserfolg hergestellt wird, sind die Umstrukturierungsmaßnahmen umsatzsteuerlich ungeachtet der unterschiedlichen Rechtstechniken für die Durchführung übereinstimmend zu behandeln. Zur zutreffenden Beurteilung des umsatzsteuerlich maßgeblichen wirtschaftlichen Sachverhaltes ist es freilich unabdingbar, die zivilrechtliche Rechtslage zunächst einmal zutreffend zu analysieren. Im Zusammenhang mit Unternehmensumstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz 1995 bedeutet dies beispielsweise, dass – vorbehaltlich noch näher zu analysierender wirtschaftlicher Auswirkungen der zivilrechtlichen Rechtslage – die durch Verschmelzung erfolgende Übertragung des Unternehmensvermögens auf einen übernehmenden Rechtsträger für den übertragenden Rechtsträger wie für den übernehmenden Rechtsträger umsatzsteuerlich nicht anders behandelt werden sollte, als die Übertragung des gesamten Unternehmensvermögens durch Einzelrechtsübertragungen. Ebenso sollte es für die umsatzsteuerliche Würdigung keinen Unterschied machen, ob einzelne Wirtschaftgüter im Wege der Abspaltung oder Ausgliederung oder durch Einzelrechtsübertragung auf eine andere Gesellschaft oder auf den Gesellschafter übertragen werden, wenn in beiden Fallgestaltungen sich derselbe wirtschaftliche Erfolg im Hinblick auf die nunmehrigen Eigentumsverhältnisse an den übertragenen Vermögensgegenständen und die Beteiligungsverhältnisse an den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträgern einstellt.
__________ 20 Zum Erfordernis der Rechtsformneutralität für die Anwendung von Befreiungsvorschriften vgl. Reiß in Tipke/Lang, Stuerrecht, 19. Aufl., § 14 Rz. 88; BVerfG v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BStBl. II 2000, 160 = UR 1999, 498; EuGH v. 7.9.1999 – Rs. C-216/97 – Gregg, EuGHE 1999, I-4947; v. 6.11.2003 – Rs. C-45/01 – Dornier-Stiftung, EuGHE 2003, I-12911 und dazu die BFH Folgeentscheidung BFH v. 1.4.2004 – V R 54/98, UR 2001, 115 = BStBl. II 2004, 681.
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III. Unternehmensumstrukturierungen nach dem UmwG 1995 1. Die zivilrechtlichen Grundformen Das UmwG 199521 ermöglicht vorhandenen Rechtsträgern zivilrechtlich erleichterte Umstrukturierungen gegenüber den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über die Gründung, Auflösung und Abwicklung von Rechtsträgern und für die Übertragung von Vermögensgegenständen zwischen solchen Rechtsträgern. Im Kern geht es darum, dass die Vermeidung einer (gänzlichen oder teilweisen) Abwicklung beim übertragenden (formwechselnden) Rechtsträger ermöglicht wird. Er muss nicht erst vermittels Einzelübertragung der bei ihm vorhandenen Vermögensgegenstände auf einen übernehmenden (formgewechselten) Rechtsträger abgewickelt werden, sondern sein Vermögen kann uno actu auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, respektive verbleibt bei demselben, allerdings formgewechselten Rechtsträger. Außerdem wird der Übergang (die Fortführung) von Schulden ohne Zustimmung der Gläubiger durch den übernehmenden (formgewechselten) Rechtsträger ermöglicht. Die Ausgestaltung erfolgt dabei so, dass den Gesellschaftern/Anteilsinhabern des übertragenden (formwechselnden) Rechtsträgers prinzipiell keine Vermögensnachteile entstehen. Sie werden für einen etwaigen Verlust der Anteile/Gesellschaftsrechte am übertragenden (formwechselnden) Rechtsträger dadurch entschädigt, dass sie wertmäßig gleichwertige Anteile/Gesellschaftsrechte am übernehmenden (formgewechselten) Rechtsträger erhalten. Soweit Vermögensgegenstände vom übertragenden Rechtsträger auf den Alleingesellschafter übertragen werden – Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter nach § 120 UmwG – wird der Gesellschafter durch den Vermögenszugang für den Untergang der Beteiligung entschädigt22. Umgekehrt erlangt der übertragende Rechtsträger bei der Konstellation der Spaltung durch Ausgliederung für den Verlust der übertragenen Vermögensgegenstände einen wertmäßigen Ausgleich durch den Erwerb oder jedenfalls die Werterhöhung von Anteils/Gesellschaftsrechten an dem übernehmenden Rechtsträger. Nach § 1 UmwG 1995 kommen für Umstrukturierungen von (Unternehmens-) Rechtsträgern vier Umwandlungsarten in Betracht, nämlich erstens die Umwandlung durch Verschmelzung nach dem Zweiten Buch (§§ 2 bis 122 l), zweitens die Umwandlung durch Spaltung nach dem Dritten Buch (§§ 123 bis 173), drittens die Umwandlung durch Vermögensübertragung nach dem Vierten Buch (§§ 174 bis 189) und viertens die Umwandlung durch Formwechsel nach dem Fünften Buch (§§ 190 bis 304) des UmwG.
__________ 21 UmwG 1995 v. 28.10.1994, BGBl. I 1994, 3210 und BGBl. I 1995, 428, zuletzt geändert durch Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 22 Schaumburg hat dies a. a. O. (Fn. 13), UR 1974, 269 (271) zutreffend als „bloße Vermögensumschichtung“, nämlich die „Umschichtung von durch Aktien vermitteltem Vermögen in unmittelbares Vermögen“ gekennzeichnet.
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Durch das UmwG 1995 wurden nicht nur die bisher außerhalb des UmwG 1969 geregelten Vorschriften über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und zum Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften nunmehr im UmwG 1995 zusammengefasst. Darüber hinausgehend wurde der Kreis der Rechtsträger, die von den Umwandlungsmöglichkeiten Gebrauch machen können, erheblich erweitert. Neu eingeführt wurde die Möglichkeit der Spaltung. Vor allem aber gestattet das UmwG 1995 in einem bis dato nicht gekannten Ausmaß den reinen Formwechsel. Insbesondere wird erstmals der Formwechsel von der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft und umgekehrt ermöglicht. Identitätswahrende Umstrukturierungen des Unternehmensrechtsträgers von der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und umgekehrt sind daher seither durch echte formwechselnde Umwandlungen möglich und nicht lediglich durch übertragende Umwandlungen, wie noch nach dem UmwG 1969. Sieht man von dem erweiterten Anwendungsbereich des Formwechsels ab, so ist zivilrechtlich auch nach dem UmwG 1995 weiterhin zwischen übertragenden und formwechselnden Umwandlungen zu differenzieren. Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragungen nach dem 2. bis 4. Buch des UmwG 1995 stellen übertragende Umwandlungen dar. Bei diesen Umwandlungen kommt es zivilrechtlich zu einem Übergang von Vermögensgegenständen und Schulden auf den übernehmenden Rechtsträger, §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 176 Abs. 3 i. V. m. § 177 Abs. 2 UmwG 1995. Bei der rein formwechselnden Umwandlung besteht hingegen der formwechselnde Rechträger in der geänderten Rechtsform als solches weiter, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Ein Übergang des Aktivvermögens und der Schulden auf einen anderen Rechtsträger findet nicht statt. Vielmehr verbleibt das Aktiv- und Passivvermögen beim bisherigen Rechtsträger, der lediglich seine Rechtsform geändert hat. 2. Verschmelzungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG Für die heute unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwG i. V. m. dem Zweiten Buch des UmwG 1995 fallenden Verschmelzungen23 hat der Jubilar für das damalige Umsatzsteuerrecht des UStG 1968/1973 vertreten, dass diese schon mangels Vorliegens eines Leistungsaustausches nicht zu steuerbaren Umsätzen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei dem übertragenden Rechtsträger führen können. Die allerdings noch zum UStG 1951 ergangene Rechtsprechung des BFH ist ihm dabei freilich für die Umsatzsteuer nicht gefolgt24. Wohl aber verneinte sie mit
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23 Harald Schaumburg, Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 f.; Die Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 f. Die von Schaumburg in StuW 1973, 15 f. behandelten übertragenden Umwandlungen fallen nach heutigem Recht teilweise unter Verschmelzungen im Sinne des zweiten Buches, teilweise aber unter den Formwechsel nach dem Vierten Buch. 24 Vgl. BFH v. 22.4.1976 – V R 54/71, BStBl. II 1976, 518; v. 22.4.1971 – V R 86/67, BStBl. II 1971, 657; v. 13.3.1986 – V R 155/75, BFH/NV 1986, 500 (zu einer nach damaligem Recht übertragenden Umwandlung von einer GmbH auf eine oHG); vgl. insoweit auch RFH v. 30.11.1944 – V 190/41, RStBl. 1945, 45 und BFH v. 9.7.1964 – V 287/61 S, BStBl. III 1964, 464.
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dem Jubilar einen Erwerb gegen Gegenleistung für die GrESt25 und folgte ihm in der Verneinung eines entgeltlichen Anschaffungsgeschäftes bei der Börsenumsatzsteuer26. Für die Rechtslage nach dem heutigen UStG ist im Ergebnis unstrittig, dass zivilrechtlich durch Verschmelzung gem. § 2 UmwG 1995 erfolgende Unternehmensumstrukturierungen, wie vom Jubilar für das UStG 1973 generell befürwortet, weitgehend nicht zu steuerbaren Umsätzen beim übertragenden Rechtsträger führen. Strittig ist freilich die Begründung. Folgt man dem Jubilar, soll sich die Nichtsteuerbarkeit bereits daraus ergeben, dass bei Verschmelzungen mangels Entgeltes schon keine steuerbaren Leistungen (Lieferungen und sonstige Leistungen) i. S. d. § 1 Abs. 1 UStG vorliegen. Insbesondere verneint er, dass der gesetzlich mit der Eintragung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG erfolgende Schuldenübergang und die Gewährung von Gesellschaftsrechten (der Erwerb von Anteilsrechten) am übernehmenden Rechtsträger nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ein Entgelt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellen. Ein Entgelt liege deshalb nicht vor, weil der Schuldenübergang kraft Gesetzes erfolge und nicht auf Willenserklärungen des übernehmenden Rechtsträgers zurückzuführen sei. Es könne auch weder die Gewährung von Gesellschaftsrechten am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers noch der Verlust der Anteile am übertragenden Rechtsträger als Entgelt angesehen werden, weil dadurch keine Leistung des übernehmenden Rechtsträgers an den übertragenden Rechtsträger erbracht werde27. Nimmt man hingegen – entgegen den Ausführungen des Jubilars – an, dass die Verschmelzung dazu führt, dass der übertragende Rechtsträger Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt an den übernehmenden Rechtsträger ausführt, so wird die Steuerbarkeit dann aber seit dem 1.1.199428 ausdrücklich durch § 1 Abs. 1a UStG ausgeschlossen, soweit die Verschmelzung als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu qualifizieren wäre. Im Ergebnis kann die strittige Frage, ob bei der Verschmelzung vom übertragenden Rechtsträger umsatzsteuerlich Leistungen gegen Entgelt erbracht werden, daher immer dahinstehen, wenn von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG ausgegangen werden könnte. Insoweit ist jedenfalls unproblematisch, dass bei Verschmelzungen das Unternehmensvermögen immer im Ganzen i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG, respektive dass das Gesamtvermögen i. S. d. Art. 19 und 29 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL)29 auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Denn bei der
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BFH v. 28.7.1970 – II 105/64, BStBl. II 1970, 816. BFH v. 19.12.1973 – II R 172/72, BStBl. II 1974, 400. H. Schaumburg, a. a. O., (Fn. 23). Die Vorschrift des § 1 Abs. 1a UStG wurde mit Wirkung ab dem 1.1.1994 durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) v. 21.12.1993, BStBl. I 1994, 50 eingeführt. 29 V. 28.11.2006, ABl. EG-2006-L-0384-0092; im deutschen Sprachgebrauch als Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) bezeichnet.
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Verschmelzung wird immer das gesamte Aktiv- und Passivvermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen, § 20 UmwG i. V. m. § 2 UmwG. Der komplizierten Abgrenzung, ob bei Zurückbehaltung von Vermögensgegenständen eine Geschäftsveräußerung in der Form einer Übertragung des Unternehmens im Ganzen (eines Gesamtvermögens) oder eines gesondert geführten Betriebs (eines Teilvermögens) noch vorliegt, ist man hier – anders als bei der Spaltung – enthoben30. Ungeachtet der vollständigen Übertragung des Vermögens scheidet allerdings eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG aus, wenn das übergehende Vermögen vom übernehmenden Rechtsträger nicht zur Fortsetzung der bisher vom übertragenden Rechtsträger ausgeübten wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit als Unternehmer eingesetzt wird. Dies kann darin begründet sein, dass der übernehmende Rechtsträger überhaupt keine (unternehmerische) wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt, sondern das übergegangene Vermögen nur für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen wird aber auch schon dann verneint, wenn das erworbene Vermögen zwar weiter für eine unternehmerische Tätigkeit des übernehmenden Rechtsträgers eingesetzt wird, sich diese ausgeübte (unternehmerische) Tätigkeit aber nicht als Fortsetzung der bisher vom übertragenden Rechtsträger ausgeübten Geschäftstätigkeit darstellt. Insbesondere scheidet nach der Rechtsprechung des EuGH eine Anwendung der Art. 19 und 29 MwStSystRL – und damit bei richtlinienkonformer Auslegung auch des § 1 Abs. 1a UStG – aus, wenn das Gesamt(unternehmens)vermögen oder ein Teil(unternehmens)vermögen/ein gesondert geführter Betrieb nur zum Zwecke der sofortigen Abwicklung (Stilllegung) erworben wurde31. Zivilrechtlich ist hingegen für die Verschmelzung auf einen übernehmenden Rechtsträger nicht erforderlich, dass der übernehmende Rechtsträger beabsichtigt, mit den übergehenden Vermögensgegenständen überhaupt noch eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit auszuüben32. Schon gar nicht setzt die Verschmelzung voraus, dass das übergehende Vermögen vom übernehmenden Rechtsträger im Rahmen der Fortsetzung einer bereits vom übertragenden Rechtsträger ausgeübten geschäftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit weiterhin genutzt wird. Einer Verschmelzung steht es daher auch nicht entgegen,
__________ 30 Siehe dazu u. a. Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, Komm.UStG, § 1 Rz. 502 (514) f. und Abschn. 5 Abs. 1 und 2 UStR 2005 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 31 Vgl. insoweit grundlegend EuGH v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01 – Zita Modes, EuGHE 2003, I-1493 und die daran anknüpfende Rechtsprechung des BFH und der FG; dazu weitere Nachweise auch aus der Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte bei J. Hidien, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG), UVR 2009, 11 f. 32 Zu Recht kritisch gegenüber der auf Absichten des übernehmende Rechtsträgers abstellenden Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 5 Abs. 8 der RL 77/388/EWG (nunmehr Art. 19 der MWstSystRL) aber Hidien, a. a. O., (Fn. 31), UVR 2009, 11 (13); vgl. auch H. Stadie, Umsatzsteuerrecht, Rz. 5.196. Richtigerweise sollte es allein darauf ankommen, ob objektiv die bisherige unternehmerische Geschäftstätigkeit des übertragenden Rechtsträgers im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird.
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dass der Vermögenserwerb nur zum Zwecke der Stilllegung eines konkurrierenden Unternehmens erfolgt. Jedenfalls in den vorgenannten Konstellationen einer fehlenden Deckungsgleichheit zwischen zivilrechtlicher Verschmelzung und einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG kann auch nach heutigem Recht daher nicht dahingestellt bleiben, ob die Verschmelzung zu steuerbaren Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des übertragenden Rechtsträgers führt. Zum Vorliegen von Leistungen hat schon Harald Schaumburg ausgeführt, dass der übertragende Rechtsträger durch die Übertragung des Vermögens im Sinne des UStG im umsatzsteuerlichen Sinne willentlich eine Leistung33 erbringt. Der BFH ist dem unter Berufung auf den Jubilar zutreffend gefolgt34. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Vermögensübergang nach §§ 2, 20 UmwG kraft Gesetzes erfolgt. Denn, wie bereits der Jubilar unter Hinweis auf den auch nach heutigem Recht gem. § 13 UmwG weiterhin erforderlichen Umwandlungsbeschluss ausführte, beruht die Vermögensübertragung zweifellos auf einem willentlichen Verhalten des übertragenden Rechtsträgers35. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Verschmelzung zu einer Gesamtrechtsnachfolge führt36. Die Annahme, eine Gesamtrechtsnachfolge könne keinen Steuertatbestand erfüllen, trifft weder generell zu, wie deutlich die Erbschaftsteuer belegt, noch trifft sie speziell für die Umsatzsteuer zu. Es kann keine Rede davon sein, dass es an einem Leistenden und Leistungsempfänger fehle, soweit es aufgrund von Umwandlungen zu einer Gesamtrechtsnachfolge kommt. Der Umstand, dass der übertragende Rechtsträger mit der Eintragung erlischt und der übernehmende Rechtsträger bei der Verschmelzung (und Spaltung) durch Neugründung erst in diesem Augenblick entsteht, ändert Nichts daran, dass in Gestalt des übertragenden Rechtsträgers der Leistende und in Gestalt des übernehmenden Rechtsträgers der Leistungsempfänger klar identifizierbar sind. Im Übrigen trifft es lediglich für die Verschmelzung (Spaltung) durch Neugründung gem. § 2 Nr. 2 UmwG zu, nicht aber für die Verschmelzung im Wege der Aufnahme, dass der übernehmende Rechtsträger erst mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers entsteht. Es vermag schon daher nicht zu überzeugen, sich für die Ablehnung eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches bei Verschmelzung (und Spaltung) darauf zu berufen, dass der übernehmende Rechtsträger erst eine logische Sekunde nach Untergang des übertragenden Rechtsträgers entstehe37.
__________ 33 Harald Schaumburg, Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 f.; Die Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 f. 34 BFH v. 22.4.1976 – V R 54/71, BStBl. II 1976, 518. 35 Für das UmwG 1995 ist zusätzlich darauf zu verweisen, dass die Verschmelzung nach § 4 UmwG auch aufgrund des von den Vertretungsorganen geschlossenen Vertretungsvertrages erfolgt. 36 So aber H. Stadie in R/F/D/G, Kommentar UStG, § 2 Rz. 600 f. 37 So aber H. Stadie in R/F/D/G, Kommentar UStG, § 2 Rz. 601–603. Soweit Stadie, a. a. O., es für unvereinbar hält, § 1 Abs. 1a UStG bei Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden und außerdem im Hinblick auf den Übergang von Verbindlichkeiten sowie
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Problematisch erscheint demgegenüber, ob die Lieferungen und sonstigen (Dienst-)Leistungen des übertragenden Rechtsträgers gegen Entgelt erfolgen, so § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, bzw. Art. 2 Abs. 1 lit a) und c) der MwStSystRL. Ungeachtet der Vielzahl der Umschreibungen, auf die bereits der Jubilar hingewiesen hat38, kommen rein gegenständlich nur Gesellschafts/Anteilsrechte und die Übernahme von Verbindlichkeiten als Entgelt in Betracht. Der ausdrücklich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG statuierte gesetzliche Übergang der Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger beruht ebenso wie der Übergang der Aktiva auf einem willentlichen Verhalten. Auch wenn man mithin mit dem Jubilar verlangt, dass auch bezüglich des Entgeltes (Gegenleistung) ein willentliches Verhalten des Leistungsempfängers – hier des übernehmenden Rechtsträgers – erfolgen muss, liegt dies vor39. Denn bei der Verschmelzung schließt auch der übernehmende Rechtsträger den Verschmelzungsvertrag ab und auch bei ihm bedarf es grundsätzlich eines Umwandlungsbeschlusses, §§ 4, 13 UmwG. Bei der Umwandlung auf den Alleingesellschafter als natürliche Person nach § 120 UmwG bedarf es eines Umwandlungsbeschlusses in Ermangelung von Anteilsinhabern zwar nicht; hier ergibt sich der Willensakt jedoch schon aus dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages durch den Alleingesellschafter selbst. Der Jubilar verneinte bezüglich des Überganges von Verbindlichkeiten den Entgeltscharakter mit der Begründung, dass bei der Verschmelzung der Saldo von Aktiva und Passiva der einheitliche Leistungsgegenstand sei. Diesem Ausgangspunkt kann freilich weder im Ergebnis noch in der Begründung gefolgt werden. Denn was umsatzsteuerlicher Leistungsgegenstand ist, ist nach den für das UStG maßgeblichen Grundsätzen (und nicht nach dem AktG oder UmwG) zu bestimmen. Für das UStG aber verbietet es sich, schon mit Rücksicht auf die Anwendungen von Befreiungsvorschriften, völlig heterogene Aktiva zu einem Leistungsgegenstand zusammenzufassen, geschweige denn, Aktiva und Passiva im Saldo als einen einheitlichen Leistungsgegenstand zu behandeln. Einem Jubilar in einem diesem gewidmeten Festschriftenbeitrag zu widersprechen, ist zweifellos gewagt und könnte möglicherweise als respektlos angesehen werden. Ich bin jedoch sicher, dass der Jubilar mir diese Kühnheit verzeihen wird. Denn er selbst hat seinerseits nicht gezögert, seinem verehrten Lehrer Klaus Tipke im hier gegebenen Zusammenhang nicht in der Auffassung zu folgen, dass es bei Umwandlung und Verschmelzung schon an einer wil-
__________ den Eintritt in umsatzsteuerliche Rechtslagen aus dem Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge weitere Rechtsfolgen abzuleiten, ist schlicht nicht erkennbar, weshalb dies miteinander unvereinbar sein sollte. Sofern in den Umwandlungsfällen tatsächlich eine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, wie immer bei der Verschmelzung und der Spaltung durch Aufspaltung, aber eben auch nur dann, sind insoweit die über § 1 Abs. 1a UStG hinausgehenden Rechtsfolgen zusätzlich anzuwenden. 38 H. Schaumburg, Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 (17); Die Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 (270). 39 H. Schaumburg, a. a. O., (Fn. 38), StuW 1973, 15 (17, 18) und UStR 1974, 269 (270).
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lentlichen Leistung fehle40. Diesem Mut vor Königsthronen folge ich hier und zähle auf die Nachsichtigkeit des Jubilars. Erheblich problematischer erscheint, ob neben einem Entgelt durch Übergang der Verbindlichkeiten ein Entgelt auch in einer Änderung der durch die Verschmelzung bewirkten Anteilseigner/Gesellschafterverhältnisse gesehen werden kann. Problematisch erscheint dies unter zwei Aspekten. Erstens vollzieht sich die Änderung der Anteilseignerverhältnisse, anders als der Schuldenübergang, nicht im Verhältnis übertragender zum übernehmenden Rechtsträger, sondern im Verhältnis zu deren Anteilseignern. Fraglich könnte daher erscheinen, ob und inwieweit derartige Änderungen dann als Entgelt gerade für Leistungen des übertragenden Rechtsträgers behandelt werden dürfen. Des Weiteren ist aber insbesondere im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH41 schon in Frage gestellt worden, ob die Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten durch den übernehmenden Rechtsträger ihrem Leistungsinhalt nach überhaupt umsatzsteuerliches Entgelt sein kann. In Bezug auf die durch Verschmelzung eintretende Änderung der Anteilseignerverhältnisse ist zwischen drei unterschiedlichen Grundkonstellationen zu differenzieren. 1. Zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger besteht kein wechselseitiges Beteiligungsverhältnis. Die Übertragung des Vermögens gem. § 2 UmwG erfolgt dann „gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden … Rechtsträgers … an die Anteilsinhaber (Gesellschafter, Partner, Aktionär, Mitglied) … der übertragenden Rechtsträger“. Verkürzt lässt sich dies als Gewährung von Gesellschaftsrechten bezeichnen. Soweit der Gesellschafter bisher nicht an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt war, erhält er erstmals neue Gesellschaftsrechte an der übernehmenden Gesellschaft. Dadurch wird er quasi für den Untergang der Anteile/Gesellschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger entschädigt. War er bereits als Gesellschafter beteiligt, erhält er weitere zusätzliche Gesellschaftsrechte, die zu den schon bisher bestehenden hinzutreten42. 2. Die übernehmende Gesellschaft ist an der übertragenden Gesellschaft beteiligt (Verschmelzung auf die Muttergesellschaft oder neudeutsch upstream
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40 H. Schaumburg, a. a. O., (Fn. 38), StuW 1973, 15 (17) in Fn. 32 mit dem Hinweis auf die abweichende Auffassung von K. Tipke, Verschmelzung und Umwandlung im Verkehrsteuerrecht, Beilage Nr. 17/68 DB Heft 29/1968, 1 f. 41 EuGH v. 26.2.2003 – Rs. C-442/01 – KapHag, EuGHE 2003, I-6851; v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03 – Kretztechnik, EuGHE 2005, I-4357. 42 Das gilt auch dann, wenn übernehmender Rechtsträger eine Personenhandelsgesellschaft ist. Zwar besteht hier für den jeweiligen Gesellschafter nur ein einheitliches Gesellschaftsrecht, in dem die gesamthänderische Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck kommt. Als „Gewährung von Gesellschaftsrechten“ i. S. d. § 2 UmwG bei Verschmelzung auf eine Personengesellschaft ist aber sowohl die erstmalige Begründung eines Anteils wie auch die Erhöhung des Anteils am (gesamthänderisch) gebundenen Gesellschaftsvermögen anzusehen. Ist der übernehmende Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft (AktG, GmbH), werden durch Kapitalerhöhung auch formal zusätzliche selbständige Anteilsrechte (Aktien, Geschäftsanteile) geschaffen.
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merger). Dann beschränken sich die Wirkungen der Verschmelzung auf den Übergang der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, § 2 UmwG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG und §§ 54, 68 UmwG und den Untergang der Gesellschaftsrechte an der erloschenen übertragenden (Tochter) Gesellschaft. 3. Die übertragende Gesellschaft ist an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt (Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft – downstream merger). Die Gesellschafter der erlöschenden (Mutter)Gesellschaft erhalten die bisher von der Muttergesellschaft an der übernehmenden Tochtergesellschaft gehaltenen Gesellschaftsanteile unmittelbar kraft Gesetzes. Ein Durchgangserwerb bei der übernehmenden Tochtergesellschaft findet nicht statt43. Umsatzsteuerlich stellt sich für die erste und dritte Konstellation die Frage, ob die Gewährung von Gesellschaftsrechten i. S. d. § 2 UmwG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 1. Halbsatz UmwG an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers als Entgelt für dessen Leistungen angesehen werden kann, obwohl dieser die Gesellschaftsrechte nicht erhält. Der Jubilar hat dies unter dem Aspekt verneint, dass die Gesellschaftsrechte an der übernehmenden Gesellschaft lediglich den Gesellschaftern als Entschädigung für den Verlust ihrer Gesellschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger gewährt werden. Die Gewährung erfolge nicht an den übertragenden Rechtsträger als Entgelt für dessen Leistungen durch Übertragung der Vermögensgegenstände. Das eine schließt freilich das andere nicht aus. Die Formulierung des § 2 UmwG, wonach die „Übertragung des Vermögens … gegen Gewährung von Anteilen …“ erfolgt, stellt erkennbar zwischen dem Vermögensübergang und der Gewährung der Gesellschaftsrechte einen Zusammenhang her. Letztlich ist aber anhand des Wortlautes und der Teleologie des UStG und nicht des UmwG zu entscheiden, ob ein Entgelt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG für eine Leistung vorliegen kann, wenn der vermögenswerte Vorteil der Erlangung von Gesellschaftsrechten nicht beim Leistenden selbst, sondern bei einem Dritten eintritt, der allerdings dem Leistenden nahesteht. Für die zweite Konstellation, bei der Gesellschaftsrechte vom übernehmenden Rechtsträger überhaupt nicht gewährt werden, stellt sich die Frage, ob gleichwohl davon auszugehen ist, dass umsatzsteuerlich ein Entgelt vorliegt, weil dem Vermögensübergang gegenübersteht, dass die Gesellschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger erlöschen. Auch insoweit ist die Frage anhand des Wortlautes und der Teleologie des UStG zu entscheiden. Insoweit ist zunächst einmal zu konstatieren, dass die Gewährung von Gesellschaftsrechten am übernehmenden Rechtsträger wie auch der Untergang der Gesellschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger durch ein allen Beteiligten zuzurechnendes willentliches Verhalten veranlasst ist. Es kann daher dahinstehen, ob das Entgelt des § 1 UStG ebenso wie die Leistung überhaupt ein willentliches Verhalten verlangt.
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43 So die h. M., vgl. Grunewald in Lutter, Komm. UmwG, § 20 Rz. 53 m. w. N.
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Aus der Funktion des Entgeltes, die Aufwendungen/Einkommensverwendung für den Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen zu belasten, folgt, dass Aufwendungen im Sinne eines Einsatzes von Geld oder vermögenswerten Gütern vorliegen müssen. Die Aufwendungen müssen wegen des Erwerbs verbrauchsfähiger Leistungen erfolgen. Sie müssen aber nicht vom Leistungsempfänger selbst getätigt werden, wie sich klarstellend auch aus § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG und Art. 73 MwStSystRL44 ergibt. Es genügt, dass sie von einem Dritten wegen der Leistung aufgewendet werden. Da der Leistende als Steuereinsammler in Anspruch genommen wird, muss das Entgelt ihm gewährt werden, so § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG, respektive er muss es vom Leistungsempfänger oder einem Dritten erhalten, so Art. 73 MwStSystRL. Das ist allerdings auch dann zu bejahen, wenn aufgrund eines dem Leistenden zuzurechnenden (willentlichen?) Verhaltens das aufgewendete Entgelt tatsächlich unmittelbar an einen Dritten ausgehändigt wird und wenn der Dritte aufgrund eines zum Leistenden bestehenden Rechtsverhältnisses das Entgelt beanspruchen kann. Unerheblich für die Annahme eines Entgeltes ist hingegen, ob die Leistung beim Empfänger unmittelbar für den für den Verbrauch bestimmt ist. Denn insoweit erfolgt die Entlastung unternehmerischen Verbrauchs – vorbehaltlich von Sonderregelungen wie in § 1 Abs. 1a UStG, Art. 19 und 29 MwStSystRL vorgesehen – erst durch den Vorsteuerabzug. Bei der Verschmelzung kommt es immer zu (willentlich herbeigeführten) Aufwendungen der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers in Gestalt des Unterganges der vermögenswerten Gesellschaftsrechte an diesem. Dieser Aufwand wird bei der Verschmelzung auf die Muttergesellschaft von dieser selbst als Leistungsempfängerin getragen, in den anderen Konstellationen von den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers. Dabei besteht, wie sich aus § 2 UmwG und 20 UmwG ergibt, ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Untergang der Gesellschaftsrechte und dem Vermögensübergang auf die übernehmende Gesellschaft. In Gestalt des willentlich herbeigeführten Unterganges der Gesellschaftsrechte liegen daher Aufwendungen des Leistungsempfängers oder Dritter vor, die wegen des Vermögensüberganges, umsatzsteuerlich wegen der Leistungen der übertragenden Gesellschaft an die übernehmende Gesellschaft erbracht werden. Problematischer erscheint, ob auch bejaht werden kann, dass die untergehende Gesellschaft als leistender Unternehmer selbst etwas als Gegenleistung erhält, wie Art. 73 MwStSystRL verlangt, bzw. das ihr selbst etwas als Entgelt gewährt wird, wie § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG verlangt. Auch dies ist zu bejahen. Denn der untergehenden Gesellschaft ist als ihr gewährtes Entgelt/von ihr empfangene Gegenleistung zuzurechnen, was mit ihrem Willen ihren Gesellschaftern auf ihre Rechnung gewährt wird. Dies sind zunächst einmal die ihren Gesellschaftern gewährten Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger. Es ist aber auch das übertragene Vermögen abzgl. Schulden, so-
__________ 44 Entspricht Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (6. Richtlinie).
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weit Gesellschaftsrechte nicht zu gewähren sind, weil der übernehmende Rechtsträger selbst auch Gesellschafter des übertragenden Gesellschafters ist. Das scheinbar paradoxe Ergebnis, wonach die Vermögensübertragung zugleich Leistung und Entgelt für den übertragenden Rechtsträger darstellt, wie auch, dass die den Gesellschaftern gewährten Gesellschaftsrechte Entgelt für den übertragenden Rechtsträger sind, erklärt sich, wenn man die verschiedenen Ebenen auseinander hält. Die erste Ebene ergibt sich zwischen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft aus dem Verschmelzungsvertrag als dem Deckungsverhältnis. Eine weitere Ebene zwischen der übertragenden Gesellschaft und ihren Gesellschaftern wird durch das Gesellschaftsverhältnis als dem Valutaverhältnis gebildet. Aus dem Gesellschaftsverhältnis folgt, dass bei Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft das nach Erfüllung der Verbindlichkeiten verbleibende Gesellschaftsvermögen nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile unter die Gesellschafter zu verteilen ist. Da bei der Verschmelzung eine Auflösung und Abwicklung gerade nicht erfolgt, erhält der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft im Valutaverhältnis statt eines Anteils am auszukehrenden Gesellschaftsvermögen Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger. Soweit er allerdings zugleich der übernehmende Rechtsträger ist, erhält er keine Gesellschaftsrechte an sich selbst, sondern stattdessen die Vermögensgegenstände selbst abzgl. der Verbindlichkeiten (= das Gesellschaftsvermögen). Umsatzsteuerlich ist zunächst einmal die Gewährung der Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträger als von diesem erhaltene Gegenleistung, respektive als das ihm für die Leistung gewährte Entgelt zu würdigen. Maßgeblich ist insoweit, dass die Gesellschaftsrechte nur im Vollzugsverhältnis unmittelbar an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers gelangen und nicht erst an die übertragende Gesellschaft. Im für die umsatzsteuerliche Beurteilung maßgeblichen Deckungsverhältnis werden die Gesellschaftsrechte als Entgelt jedoch dem übertragenden Rechtsträger gewährt, bzw. er erhält sie als Gegenleistung. Denn einerseits sind sie aufgrund der gesetzlichen Regelung im UmwG für Rechnung des übertragenden Rechtsträgers seinen Gesellschaftern zu gewähren (Valutaverhältnis) und andererseits werden sie nur wegen der Vermögensübertragung (im Deckungsverhältnis) eingeräumt. Die Übertragung der Vermögensgegenstände stellt sich einerseits im Deckungsverhältnis immer als Leistung des übertragenden Rechtsträgers an den übernehmenden Rechtsträger dar. Entsprechend dem Umfange der Beteiligung des übernehmenden Rechtsträgers am übertragenden Rechtsträger stellt sie aber zugleich auch die im Valutaverhältnis erfolgende Zuteilung des Anteils am Gesellschaftsvermögen dar, der dem Gesellschafter gebührt, wenn die Gesellschaft ohne Abwicklung erlischt und ihm keine Gesellschaftsrechte an einer anderen Gesellschaft eingeräumt werden. Die Vermögensübertragung an den übernehmenden Rechtsträger als Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft erfolgt insoweit zugleich im Valutaverhältnis für Rechnung der übertragenden Gesellschaft, indem an den Gesellschafter der ihm gebührende An1180
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teil am Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wird. Insoweit ist die Vermögensübertragung daher nicht nur im Deckungsverhältnis erbrachte Leistung an den übernehmenden Rechtsträger, sondern zugleich auch im Valutaverhältnis an sie wegen ihrer Gesellschafterstellung zum übertragenden Rechtsträger von diesem ausgekehrtes Vermögen und insoweit zugleich dem übertragenden Rechtsträger als von ihm erhaltenes Entgelt zuzurechnen. Dem Ergebnis, dass bei der Verschmelzung die Gewährung von Gesellschaftsrechten sich als Entgelt für die Leistungen durch Übertragung der Vermögensgegenstände darstellt, könnte allerdings die neuere Rechtsprechung des EuGH zur Behandlung des Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten gegen Sacheinlagen entgegenstehen. Der EuGH hat sowohl für die Personengesellschaft als auch für Kapitalgesellschaft zutreffend verneint45, dass diese eine (Dienst-)Leistung gegen Entgelt erbringt, wenn sie Neugesellschaftern gegen Zahlung einer Bareinlage „ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten Kapitals einräumt“, diesen mithin Gesellschaftsrechte gewährt werden. Der EuGH verweist insoweit darauf, dass aus der Sicht der Gesellschaft das Ziel in der Aufbringung von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung bestehe. Aus der Sicht des Anteilseigners stelle die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge (Bareinlage) keine Gegenleistung für eine umsatzsteuerliche Leistung der Gesellschaft dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage46. Aus dieser Rechtsprechung folgt zweifellos, dass auch bei der Umwandlung/ Verschmelzung der übernehmende Rechtsträger keine steuerbaren Leistungen durch Gewährung von Gesellschaftsrechten erbringt47. Daraus ist aber weitergehend gefolgert worden, dass Sacheinlagen des Gesellschafters, auch wenn sie aus einem eigenen Unternehmen erfolgen, nicht steuerbar sein können. Denn der Sacheinlage stehe, da die aufnehmende Gesellschaft ihrerseits keine Leistung durch Gewährung von Gesellschaftsrechten an den Gesellschafter erbringe, keine „Gegenleistung“ und damit kein Entgelt gegenüber48. Wäre es zutreffend, dass die Sacheinlage nicht gegen Entgelt erfolgt, könnte auch für die im Zuge einer Verschmelzung erfolgenden Leistungen durch Vermögensübertragung gegen Gewährung von Anteilen/Gesellschaftsrechten nicht anders entschieden werden. Zutreffend bejaht der BFH jedoch unter ausdrücklicher Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung, dass die Sacheinlage des Gesell-
__________ 45 EuGH v. 26.2.2003 – Rs. C-442/01 – KapHag, EuGHE 2003, I-6851; v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03 – Kretztechnik, EuGHE 2005, I-4357. 46 So EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03 – Kretztechnik, EuGHE 2005, I-4357 in Rz. 26. 47 Die Schuldübernahme stellt als bloße Geldleistung zwar Entgelt, aber keine umsatzsteuerliche Leistung dar. 48 So Husmann in R/D/F/G, Kommentar UStG, § 1 Rz. 250; Huschens, Umsatzsteuer bei der Aufnahme von Gesellschaftern in Personengesellschaften, INF 2003, 703; im Ergebnis ebenfalls die Steuerbarkeit verneinend R. Korf, Tertium datur – (Sach)Einlage und Leistungsaustausch, in FS W. Reiß, 213 f. Danach liegt bei der Sacheinlage allerdings weder ein entgeltliches, noch ein unentgeltliches Handeln vor. Vgl. auch ders., Folgen des KapHag-Urteils des EuGH zur Umsatzsteuer bei Aufnahme von Gesellschaftern gegen Bareinlage, DB 2003, 1705.
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schafters gegen Entgelt erfolgt49. Weder Wortlaut noch Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und § 10 Abs. 1 UStG in richtlinienkonformer Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 73 der MwStSystRL verlangen, den Entgeltsbegriff dahingehend einzuengen, dass auch der Leistungsempfänger – hier die übernehmende Gesellschaft – eine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne erbringen muss. Soweit im deutschen Text in Art. 73 MwStSystRL vom „Wert der Gegenleistung“ die Rede ist, ist damit lediglich gemeint, dass der Leistende für und wegen seiner Leistung ein vermögenswertes Gut erhält50. So ist auch noch nie bezweifelt worden, dass eine Geldzahlung Entgelt und „Gegenleistung“ ist, obwohl Geld als Leistungsgegenstand nicht in Betracht kommt. Bei der Sacheinlage ergibt sich die vermeintlich paradoxe Situation, dass der Einlegende für seine dadurch bewirkte Leistung ein Entgelt (Gesellschaftsrechte) erhält, die Gesellschaft aber keine Leistung durch Gewährung von Gesellschaftsrechten erbringt, daraus, dass das Gesellschaftsrecht in der Person des Gesellschafters ein vermögenswertes Gut ist, nicht aber in der Person der Gesellschaft, an der dieses Recht besteht51. Die Annahme, dass eine Sacheinlage nicht gegen Entgelt erfolge, erweist sich gerade unter dem Aspekt des telos der Umsatzsteuer als problematisch. Denn Sacheinlagen führen dann im eigenen Unternehmen dazu, dass entweder unentgeltliche Wertabgaben zu unternehmensfremden Zwecken nach § 3 Abs. 1 b UStG oder § 3 Abs. 9a UStG, respektive Art. 16 MwStSystRL und Art. 26 Abs. 1 MwStSystRL, zu versteuern sind, ohne dass bei der übernehmenden Gesellschaft ein Vorsteuerabzug möglich ist. Oder aber, wenn man dies verneint52, es besteht im eigenen Unternehmen kein Zusammenhang mit zu besteuernden Umsätzen, so dass für den Erwerb der Sacheinlagegegenstände dem Gesellschafter im eigenen Unternehmen kein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG, Art. 168, 169 MwStSystRL gewährt werden darf53. Im Ergebnis führt die Sacheinlage aus einem Unternehmen in ein Unternehmen dann, dem telos der Umsatzbesteuerung widersprechend, gerade zu einer Definitivbelastung.
__________ 49 BFH v.13.11.2003 – V R 79/01, BStBl. II 2004, 375 = UR 2004, 312 unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung zur Sacheinlage in BFH v. 8.11.1995 – XI R 63/94, BStBl. II 1996, 114 = UR 1996, 384; v. 15.5.1997 – V R 67/94, BStBl. II 1997, 705 = UR 1998, 23; v. 20.8.1998 – V R 24/96, BFH/NV 1999, 523; v. 30.9.1999 – V R 9/97, BFH/NV 2000, 607 und BFH v. 27.9.2001 – V R 32/00, BFHE 196, 349 und auf Reiß, Kein Renditefonds, UR 2003, 428. 50 Vgl. dazu auch B. Burgmaier, Sacheinlagen des Gesellschafters, in H. Nieskens (Hrsg], Umsatzsteuer-Kongressbericht, Köln 2007, 109; a. A. R. Korf, a. a. O. (Fn. 48). 51 Vgl. insoweit bereits Reiß, a. a. O. (Fn. 16), UR 1996, 357. 52 So wohl R. Korf, a. a. O. (Fn. 48). 53 Vgl. dazu nunmehr EuGH v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 – Securenta, UR 2008, 344 m. Anm. Eggers = HFR 2008, 526 mit Anm. Eggers/Korf, Vorsteuerabzug bei Kapitalbeschaffungen und Beteiligungen, DB 2008, 719. Auch wenn man den Gesellschafter als Investor behandelt, so R. Korf, a. a. O. (Fn. 48), 227, führt seine Investition in die Gesellschaft gerade nicht dazu, dass sich ein allgemeiner Zusammenhang mit zu besteuernden Umsätzen des Gesellschafters herstellen ließe. Denn die Investition durch Sacheinlage dient dann weder Umsätzen im eigenen Unternehmen, noch können dem Gesellschafter die zu besteuernden Umsätze der Gesellschaft umsatzsteuerlich zugerechnet werden.
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Als Ergebnis lässt sich festhalten: Die Verschmelzung führt, soweit der übernehmende Rechtsträger die vom untergehenden Rechtsträger ausgeübte Geschäftstätigkeit fortsetzt, zu nicht steuerbaren Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG. Wird die Geschäftstätigkeit nicht fortgesetzt, erfolgen steuerbare Leistungen des übertragenden Rechtsträgers gegen Entgelt. Soweit der übernehmende Rechtsträger kein Unternehmer ist, wird der nichtunternehmerische Verbrauch durch die Besteuerung definitiv belastet; soweit er Unternehmer ist, erfolgt die Entlastung durch den Vorsteuerabzug. Diese Behandlung führt dazu, dass die Vermögensübertragung durch Verschmelzung umsatzsteuerlich nicht anders behandelt wird als eine (vollständige) Vermögensübertragung durch Sacheinlagen vermittels Einzelrechtsübertragungen im Rahmen einer Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers. Diese Gleichbehandlung ist auch geboten. Denn durch die Verschmelzung wird lediglich auf rechtstechnisch einfachem Wege dasselbe wirtschaftlich Ergebnis wie durch Sacheinlagen des abzuwickelnden Rechtsträgers zugunsten seiner Gesellschafter beim übernehmenden Rechtsträger hergestellt. 3. Spaltungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG Die Spaltung des Rechtsträgers eines Unternehmens führt, insoweit übereinstimmend mit der Verschmelzung, dazu, dass Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des zu spaltenden übertragenden Rechtsträgers auf den oder die übernehmenden Rechtsträger kraft Gesetzes mit der Eintragung als Gesamtheit übergehen und dass dafür Anteils/Gesellschaftsrechte an den übernehmenden Rechtsträgern gewährt werden, §§ 123, 131 UmwG. Anders als bei der Verschmelzung kommt es jedoch nur bei der Aufspaltung zur Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers und zu einer Gesamtrechtsnachfolge54. Da bei der Abspaltung und der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt, tritt keine (auch keine partielle) Gesamtrechtsnachfolge ein55, sondern es wird lediglich rechtstechnisch ermöglicht wird, die Übertragung von Vermögensgegenständen und Schulden uno actu vorzunehmen anstelle sonst erforderlicher Einzelübertragungen. Wie bei der Verschmelzung ist umsatzsteuerlich zu bejahen, dass der übertragende Rechtsträger bei allen Spaltungsarten Leistungen an den oder die übernehmenden Rechtsträger hinsichtlich der übergehenden Vermögensgegenstände erbringt. Der Übergang von Verbindlichkeiten sowie die „Gewährung von Gesellschaftsrechten“ stellt das Entgelt für diese Leistungen dar, nicht anders als bei der Verschmelzung. Das gilt gleichermaßen für die bei der Abspaltung und Aufspaltung den Gesellschaftern des Spaltungsträgers gewährten Gesell-
__________ 54 Gegenüber der Verschmelzung besteht insoweit allerdings der Unterschied, dass bei der (Auf-)Spaltung die Gesamtrechtsnachfolge sich auf mindestens zwei Nachfolger verteilt, während die Verschmelzung immer nur auf einen Rechtsnachfolger erfolgt. 55 Vgl. dazu BFH v. 23.3.2005 – III R 20/03, BStBl. II 2006, 432; v. 7.8.2002 – I R 99/00, BStBl. II 2003, 835; BGH v. 6.12.2000 – XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217.
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schaftsrechte wie auch für die bei der Ausgliederung dem Spaltungsträger selbst gewährten Gesellschaftsrechte an dem oder den übernehmenden Rechtsträgern. Hier wie dort stellen sich die Übernahme der Verbindlichkeiten und die Gewährung von Gesellschaftsrechten jedoch nicht als umsatzsteuerliche Leistung der übernehmenden Rechtsträger dar. Hier wie dort ist von einem Entgelt auch insoweit auszugehen (Vermögenszuteilung wegen Untergangs der Gesellschaftsrechte) als wegen einer Beteiligung des übernehmenden Rechtsträgers am übertragenden Rechtsträger die Gewährung von eigenen Gesellschaftsrechten an den übernehmenden Rechtsträger ausscheidet. Ebenso wie bei der Verschmelzung schließt § 1 Abs. 1a UStG allerdings die Steuerbarkeit aus, wenn die dortigen Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung durch die Spaltung erfüllt werden. Gleichermaßen wie bei der Verschmelzung kann § 1 Abs. 1a UStG nicht angewendet werden, wenn der oder die übernehmenden Rechtsträger mit dem übertragenen Vermögen die bisherige Geschäftstätigkeit des übertragenden Rechtsträgers nicht fortsetzen, sei es, weil sie überhaupt nicht unternehmerisch tätig werden, sei es, weil sie jedenfalls das übernommene Vermögen nicht für eine entsprechende Geschäftstätigkeit einsetzen. De facto wird allerdings die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG bei Spaltungsfällen häufiger zu verneinen sein als in Verschmelzungsfällen. Denn anders als bei einer Verschmelzung wird das gesamte Unternehmensvermögen nicht auf einen Rechtsnachfolger übertragen. Bei der Spaltung kann § 1 Abs. 1a UStG daher nur in der Konstellation der Übertragung eines gesondert geführte Betriebes (Teilvermögens i. S. d. Art. 19 MwStSystRL) erfolgen. Schon vor der Spaltung muss ein solcher abgrenzbarer gesondert geführter Betrieb bestanden haben und die insoweit ausgeübte Geschäftstätigkeit muss fortgeführt werden. Gerade für die umsatzsteuerliche Behandlung der Spaltung eines Unternehmensrechtsträgers gewinnt daher die Frage Bedeutung, ob sie zu gegen Entgelt erbrachten Leistungen führt und inwieweit dann die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG in Betracht kommt. Insoweit kann erkennbar nicht in Betracht kommen, a limine eine Steuerbarkeit unter Berufung auf den Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge zu verneinen56, da diese jedenfalls für die Abspaltung und Ausgliederung nicht vorliegt. Eine Differenzierung zwischen Aufspaltung einerseits und Abspaltung und Ausgliederung andererseits führt zwar bei Übertragung gesonderter Betriebe zur übereinstimmenden Rechtsfolge der Nichtsteuerbarkeit, einmal wegen des angeblich bestehenden Rechtsgrundsatzes der Nichtsteuerbarkeit von Gesamtrechtsnachfolgen, zum anderen wegen der Spezialregelung des § 1 Abs. 1a UStG. Soweit aber keine gesonderten Betriebe, sondern Einzelwirtschaftsgüter durch Spaltung übertragen werden oder es jedenfalls nicht zur Fortführung der Geschäftstätigkeit kommt, käme es zu nicht vertretbaren Differenzierungen. Denn bei der Aufspaltung lägen beim übertragenden Rechtsträger keine zu
__________ 56 So aber wohl Stadie in R/D/F/G, Kommentar UStG, § 2 Rz. 603, 609.
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besteuernden Umsätze vor. Eine Besteuerung könnte nur dadurch gesichert werden, dass auf die Rechtsnachfolger, selbst wenn sie keine Unternehmer sind, die umsatzsteuerlichen Bindungen übergehen, etwa im Hinblick auf Wertabgaben für außerunternehmerische Zwecke oder für nach § 15a UStG durchzuführende Korrekturen. Hingegen wäre bei Abspaltung und Ausgliederung, soweit § 1 Abs. 1a UStG nicht anwendbar ist, eine Besteuerung schon beim übertragenden Rechtsträger vorzunehmen, nämlich gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG wegen entgeltlich erbrachter Leistungen57. Soweit die Vermögensgegenstände für ein eigenes Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers erworben wurden, erfolgt, vorbehaltlich § 15 Abs. 2 UStG, die Entlastung durch den Vorsteuerabzug, andernfalls verbleibt es bei der dann auch teleologisch gebotenen Definitivbelastung. Gerade bei der Spaltung erweist sich daher, dass es teleologisch zutreffend ist, die übertragenden Umwandlungsarten Verschmelzung und Spaltung umsatzsteuerlich dahingehend zu würdigen, dass der übertragende Rechtsträger Leistungen gegen Entgelt erbringt. Denn nur so kann insgesamt übereinstimmend gewährleistet werden, dass es nicht zu einer Definitivbelastung mit Umsatzsteuer für Eingangsleistungen kommt, die unternehmerisch für zu besteuernde (oder diesen gleichgestellte Export – und Auslands) Umsätze verwendet werden, dass aber eine solche Belastung eintritt, wenn die Eingangsleistungen nicht für das Unternehmen (oder zur Ausführung befreiter Umsätze) eingesetzt werden. 4. Vermögensübetragungen und Formwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UmwG Für die nur bestimmte Rechtsträger betreffenden Vermögensübertragungen gem. § 174 f. UmwG kann hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung vollumfänglich auf die Ausführungen zur Verschmelzung und Spaltung verwiesen werden. Es besteht lediglich die Besonderheit, dass den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, respektive dem übertragenden Rechtsträger selbst – im Falle der Teilübertragung durch Ausgliederung – eine „Gegenleistung“ zu gewähren ist, die nicht in Anteilen/Gesellschaftsrechten besteht, normalerweise mithin eine in Geld bestehende „Gegenleistung“. Für den erst durch das UmwG 1995 eingeführten Formwechsel von der Kapitalgesellschaft in die Personengesellschaft und umgekehrt ist mittlerweile zu Recht unstreitig, dass auch umsatzsteuerlich die nunmehrige Zivilrechtslage dahingehend zugrunde zu legen ist, dass der Formwechsel nicht zu einem Vermögensübergang auf einen anderen Rechtsträger führt, sondern der Form-
__________ 57 Bei Verneinung eines Entgeltes müsste – zur Vermeidung unbelasteten Endverbrauches – von unentgeltlichen Wertabgaben beim übertragenden Rechtsträger ausgegangen werden. Dies wiederum führt zu unbefriedigender Belastung, falls die Vermögensgegenstände beim übernehmenden Rechtsträger für dessen unternehmerische Zwecke verwendet werden.
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wechsel die Identität des Rechtsträgers unberührt lässt58. Mangels eines Vermögensüberganges auf einen anderen Rechtsträger fehlt es daher von vornherein an Leistungen und natürlich auch an einem Leistungsaustausch. Insoweit hat die veränderte zivilrechtliche Rechtslage gegenüber dem früheren Recht für die vom Jubilar schon 1973 behandelten „übertragenden Umwandlungen“59, soweit diese sich heute als bloßer Formwechsel darstellen, auch zur Folge, dass steuerbare Umsätze nicht mehr vorliegen können.
IV. Fazit und Ausblick Übereinstimmend für alle übertragenden Umwandlungen und auch für Einzelübertragungen durch Sacheinlagen wird auf zwei unterschiedlichen Wegen sichergestellt, dass einerseits unternehmerischer Verbrauch nicht definitiv mit Umsatzsteuer belastet wird, andererseits aber auch nichtunternehmerischer Verbrauch (oder diesem gleichgestellter Verbrauch zur Ausführung befreiter Umsätze) belastet wird. Dies erfolgt einmal dadurch, dass bei einer unter § 1 Abs. 1a UStG fallenden Geschäftsveräußerung schon die Steuerbarkeit entfällt. Fehlt es daran, erfolgt eine Entlastung für den unternehmerischen Verbrauch erst durch den Vorsteuerabzug. Die insoweit erfolgende Differenzierung zwischen Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung und solchen außerhalb einer Geschäftsveräußerung führt materiell lediglich zu Liquiditätsvorteilen für die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung. Diese Differenzierung lässt sich sowohl unter einem Vereinfachungsaspekt als auch wegen der unterschiedlichen Bedeutsamkeit einer Geschäftsveräußerung gegenüber laufenden Geschäften zweifellos rechtfertigen. Insoweit erfolgt dann aber berechtigterweise auch keine Differenzierung mehr danach, ob die Geschäftsveräußerung durch eine Umstrukturierung nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt ist oder ob es sich um eine Geschäftsveräußerung im Wege von Einzelübertragungen durch Einbringung von Sacheinlagen oder sogar um ganz normale Geschäftsveräußerungen durch Kauf handelt. Damit wird dem berechtigten Anliegen des Jubilars, Unternehmensumstrukturierungen durch übertragende Umwandlungen mangels einer Einkommensverwendung für nichtunternehmerische Zwecke nicht zu belasten, im Ergebnis in vollem Umfange Rechnung getragen. Ich hoffe deshalb, dass er dem Verfasser verzeihen kann, dass dieser ihm nicht in der Begründung folgen konnte, es fehle bereits an Leistungen gegen Entgelt. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob sich die Umsatzsteuer entsprechend dem Vorschlag Paul Kirchhofs
__________ 58 Statt vieler, Reiß, Sacheinlagen, Geschäftseinbringungen, Umwandlung von Unternehmensträgern und steuerfreie Umsätze von Gesellschaftsanteilen, UR 1996, 357 (376) und ders., Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer beim Unternehmens(ver)kauf in Schaumburg (Hrsg.), Unternehmenskauf im Steuerrecht, 3. Aufl. 2004, 241 (268); Stadie in R/D/F/G, Kommentar UStG, § 2 Rz. 605; vgl. auch BFH v. 18.8.2005 – V R 50/04, BStBl. II 2006, 201 = UR 2006, 479. 59 H. Schaumburg, a. a. O., (Fn. 38), StuW 1973, 15.
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für ein Umsatzsteuer Gesetzbuch60 in Zukunft nicht allgemein dahin entwickeln wird, dass Umsätze von Unternehmern an Unternehmer – bei Erfüllung gewisser Nachweisvoraussetzungen – nach dem Vorbild des § 1 Abs. 1a UStG von vornherein nicht der Besteuerung unterliegen. Bis dahin wird aber wohl noch viel Wasser an Bonn vorbei den Rhein hinab fließen. Es ist anzunehmen und zu hoffen, dass der Jubilar weiterhin kritisch beobachten wird, dass auch bei der Umsatzsteuerbesteuerung dem telos einer Belastung nur des nichtunternehmerischen Verbrauchs nach Maßgabe des daran angepassten Leistungsfähigkeitsprinzips Rechnung getragen wird und dass er notfalls seine mahnende Stimme erhebt, wenn dagegen verstoßen wird. In diesem Anliegen besteht volle Übereinstimmung mit dem Jubilar.
__________ 60 P. Kirchhof, Umsatzsteuer Gesetzbuch, Heidelberg 2008.
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Organschaft im Umsatzsteuerrecht Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Anforderungen an Organträger und Organgesellschaft 1. Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft 2. Rechtsformneutralität und Organschaft a) Gesetzliche Ausgangslage b) Bedeutung allgemeiner Rechtsgrundsätze c) Folgen für die Organschaft III. Eingliederungsvoraussetzungen 1. Kein Wahlrecht zur Organschaft 2. Eingliederung statt enger Verbundenheit 3. Bedeutung der einzelnen Eingliederungsvoraussetzungen 4. Finanzielle Eingliederung a) Mehrheit der Stimmrechte b) Mittelbare finanzielle Eingliederung über Tochtergesellschaft
c) Mittelbare finanzielle Eingliederung über Gesellschafter des Organträgers 5. Wirtschaftliche Eingliederung a) Allgemeine Anforderung b) Eingliederung aufgrund Leistungserbringung durch Organträger c) Wirtschaftliche Eingliederung und Einwirkungsmöglichkeiten 6. Organisatorische Eingliederung a) Bisherige Rechtsprechung b) Offene Fragen 7. Mehrmütterorganschaft IV. Rechtsfolgen der Organschaft 1. Beginn und Ende der Organschaft 2. Besteuerung des Organkreises a) Innen- und Außenumsätze b) Bedeutung für Umsatzqualifikation c) BFH-Rechtsprechung zu § 17 UStG 3. Umfang des Organkreises V. Zusammenfassung
I. Einleitung Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft wurde durch die Rechtsprechung des RFH begründet und erstmals 1934 kodifiziert. Die Organschaft setzt heute nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Seit 1.1.1987 beschränken sich die Wirkungen der Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen. Diese Unternehmensteile sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 UStG der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer. Gemeinschaftsrechtlich beruht die Organschaft auf Art. 11 MwStSystRL (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie). Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch 1189
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gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Übt ein Mitgliedstaat diese Möglichkeit aus, kann er die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen vorzubeugen. Während zur Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine umfangreiche Judikatur des BFH vorliegt, hat sich der EuGH erstmals im Urteil vom 22.5.2008 C-162/07 Ampliscientifica Srl/Amplifin SpA1 grundlegend zur mehrwertsteuerrechtlichen Gruppenbesteuerung im Gemeinschaftsrecht geäußert. Unter Berücksichtigung der EuGH- und BFH-Rechtsprechung sollen im Folgenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Organschaft erörtert werden.
II. Anforderungen an Organträger und Organgesellschaft 1. Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft Nach der Rechtsprechung des BFH können nur Unternehmer Organträger sein2. Das Erfordernis der eigenständigen Unternehmereigenschaft des Organträgers beruht im nationalem Recht auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG. Danach muss eine Eingliederung „in das Unternehmen des Organträgers“ vorliegen. Ein sich erst aufgrund der Organschaft ergebendes Unternehmen reicht hierfür nicht aus. Auch bei der Organgesellschaft muss es sich um einen Unternehmer handeln. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die „gewerbliche oder berufliche Tätigkeit … nicht selbständig ausgeübt“. Dies bezieht sich auf die Tätigkeit der Organgesellschaft, so dass sich für Gesellschaften, die keiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit nachgehen, die Frage nach einer Selbständigkeit ihrer Tätigkeit erübrigt. Hält daher z. B. der Organträger über eine nichtunternehmerische Zwischenholding Anteile an einer unternehmerisch tätigen Organ-Enkelgesellschaft, gehört die Tochtergesellschaft nicht dem Organkreis an3. Einer mittelbaren finanziellen Eingliederung4 der Enkelgesellschaft steht dies nicht entgegen5. Für Organträger und Organgesellschaft kommt es zur Begründung der erforderlichen Unternehmereigenschaft im Grundsatz darauf an, ob ohne Berücksichtigung der Organschaft die allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Maßgeblich ist somit, ob Organträger und Organgesellschaft eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausüben. Ob steuerbare Umsätze des Organträgers nach § 1 Abs. 1 Nr. 1
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1 EuGH v. 22.5.2008 – Rs. C-162/07 – Ampliscientifica Srl/Amplifin SpA, UR 2008, 534. 2 BFH v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375 = UR 2002, 74; ebenso Birkenfeld, Handbuch, § 37 Rz. 30 ff.; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 67; Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 2 Rz. 335 f.; a. M. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 670. 3 Abschnitt 21 Abs. 4 Satz 3 UStR. 4 S. hierzu unten III.4.b). 5 Abschnitt 21 Abs. 4 Satz 2 UStR.
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UStG vorliegen oder ob der Organträger nur entgeltliche Leistungen gegenüber der Organgesellschaft erbringt, die aufgrund der Organschaft nicht steuerbar sind, ist dabei unerheblich6. Darüber hinaus spielt für die Unternehmereigenschaft der Organgesellschaft das Merkmal der Selbständigkeit letztlich keine Rolle, da aufgrund der Organschaft die Selbständigkeit der Organgesellschaft entfällt und die Rechtsprechung des BFH im Übrigen davon ausgeht, dass eine juristische Person ihre Tätigkeit nur unter den Voraussetzungen der Organschaft unselbständig ausübt7. Im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht könnte das Erfordernis der Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft in Frage gestellt werden. Denn nach Art. 11 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten „Personen … zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln“. Danach könnte für die Mitgliedstaaten die Befugnis sowie ggf. die Verpflichtung bestehen, auch Personen, denen für sich betrachtet nicht die Eigenschaft als Unternehmer (Steuerpflichtiger gem. Art. 9 MwStSystRL) zukommt, in den Organkreis einzubeziehen. Hierfür spricht, dass die Richtlinie in Art. 9 Abs. 2, Art. 10 und Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL den Begriff der Person für Rechtsträger verwendet, bei denen es sich nicht um Steuerpflichtige (Unternehmer) handelt. Hieraus ergibt es aber nicht zwingend die Gemeinschaftswidrigkeit des nationalen Rechts, da die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Unterabs. 2 MwStSystRL berechtigt sind, die zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies rechtfertigt m. E. nationale Regelungen, die eine Zusammenfassung von Personen zu einem Steuerpflichtigen nur unter der Voraussetzung zulassen, dass es sich bei den einzelnen Personen um Steuerpflichtige handelt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen bei einem Organkreis, dem eine Person angehört, die bei eigenständiger Beurteilung nicht als Unternehmer (Steuerpflichtiger) anzusehen ist, dazu führt, dass Leistungen anderer Mitglieder des Organkreises an diese Person als Innenleistung nicht steuerbar sind, während ohne die Organschaft ein steuerpflichtiger Leistungsbezug ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug vorliegt8. Da die Organschaft dann der Steuerumgehung dienen kann, ist es m. E. nicht zu beanstanden, wenn das nationale Recht Nichtunternehmer von der Organschaft ausschließt. 2. Rechtsformneutralität und Organschaft a) Gesetzliche Ausgangslage § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG führt nicht zu einer in jeder Hinsicht rechtsformneutralen Besteuerung. Während es sich beim Organträger um Einzelunternehmer oder um Personen- oder Kapitalgesellschaften handeln kann, kommen
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6 BFH v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273. 7 BFH v. 19.7.1973 – V R 157/71, BStBl. II 1973, 764 = UR 1973, 242; v. 13.7.1994 – XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168. 8 Nach hier vertretener Auffassung kommt dann aber eine Entnahmebesteuerung in Betracht, s. unten IV.3.; zur Rechtsformneutralität im Hinblick auf die Einbeziehung abhängiger Unternehmen in den Organkreis s. unten II.2.c).
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als Organgesellschaften nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur juristische Personen in Betracht. Ob dies der Richtlinie entspricht, ist fraglich9. Nach Art. 11 MwStSystRL können „Personen“ zu einem Steuerpflichtigen zusammengefasst werden10. Für eine Befugnis der Mitgliedstaaten, nur bestimmte Gesellschaftstypen zum Organkreis zuzulassen, könnte der bloße Ermächtigungscharakter des Art. 11 MwStSystRL sprechen. Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Zusammenfassung von Personen zu einem Steuerpflichtigen anzuordnen. Hieraus könnte sich für die Mitgliedstaaten die Berechtigung ergeben, die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen auf Träger bestimmter Rechtsformen zu beschränken. b) Bedeutung allgemeiner Rechtsgrundsätze Für die Beurteilung der Frage, welche Rechtsetzungsmöglichkeiten den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des nationalen Rechts zustehen, ist zu berücksichtigen, dass der EuGH in seiner Rechtsprechung zu den nach der Richtlinie für die Mitgliedstaaten bestehenden Ermächtigungen, eigenständige Regelungen zu treffen, zwar die sich für die Mitgliedstaaten hieraus ergebende Gestaltungsfreiheit, zugleich jedoch auch die für die Mitgliedstaaten bestehende Bindung an die allgemeinen Rechtsgrundsätze des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrechts betont. So sind die Mitgliedstaaten z. B. nach Art. 137 MwStSystRL berechtigt, nicht aber verpflichtet, ihren Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, sich bei den in dieser Bestimmung aufgeführten steuerfreien Umsätzen für eine Besteuerung zu entscheiden. Auf dieser Bestimmung beruht z. B. im nationalem Recht § 9 UStG. Dabei steht den Mitgliedstaaten einerseits ein weites Ermessen zu11, das es den Mitgliedstaaten gestattet, bestimmte Umsätze oder bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen vom Anwendungsbereich der Option auszunehmen12. Bei der Ausübung der Befugnis, den Umfang des Optionsrechts zu beschränken und die Modalitäten seiner Ausübung festzulegen, müssen die Mitgliedstaaten andererseits auch die Ziele und die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen, beachten13.
__________ 9 Birkenfeld, UR 2008, 2 (5 ff.); Hahne, DStR 2008, 910 (913 ff.); Wäger, UmsatzsteuerKongressbericht, Bericht Bamberg 2004, Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 22, S. 87 (89 f.). 10 Bei denen es sich aber nach der hier vertretenen Auffassung um Unternehmer (Steuerpflichtiger) handeln muss. 11 EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-246/04, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 29; v. 3.12.1998 – Rs. C-381/97 – Belgocodex, Slg. 1998, I-8153, Rz. 17; v. 3.2.2000 – Rs. C-12/98 – Amengual Far, Slg. 2000, I-527, Rz. 13; v. 4.10.2001 – Rs. C-326/99 – Goed Wonen, Slg. 2001, I-6831, Rz. 45. 12 EuGH v. 12.1.2006 – C-246/04 – Turn- und Sportunion Waldburg, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 30. 13 EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-246/04 – Turn- und Sportunion Waldburg, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 31; v. 4.10.2001 – Rs. C-326/99 – Goed Wonen, Slg. 2001, I-6831, Rz. 56.
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Besondere Bedeutung hat dabei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, nach dem alle wirtschaftlichen Tätigkeiten gleich zu behandeln sind14. Der Neutralitätsgrundsatz verbietet es insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln15. Identität und Rechtsform des Steuerpflichtigen sind für die Gleichartigkeit von Waren oder Dienstleistungen grundsätzlich ohne Bedeutung16. c) Folgen für die Organschaft Die EuGH-Rechtsprechung zur Verpflichtung, die allgemeinen Rechtsgrundsätze bei der Ausübung der nach der Richtlinie für die Mitgliedstaaten bestehenden Ermächtigungen zu beachten, gilt auch im Rahmen von Art. 11 MwStSystRL17. Auch hier besteht für die Mitgliedstaaten die Berechtigung, nicht aber die Verpflichtung, nach eigenem Ermessen eine nationale Sonderregelung einzuführen, so dass bei Ausübung dieser Ermächtigung die Ziele und die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie, insbesondere der Neutralitätsgrundsatz zu beachten sind. Entscheidend ist daher nicht, ob nationale Regelungen, die auf der Grundlage von Art. 11 MwStSystRL erlassen werden, dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität entsprechen müssen, was zu bejahen ist, sondern ob sich aus dem Neutralitätsgrundsatz ein allgemeines Gebot rechtsformneutraler Besteuerung ableiten lässt, das es den Mitgliedstaaten untersagt, bei der Zusammenfassung von Personen zu einem Steuerpflichtigen wie in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nach der Rechtsform der abhängigen Person zu differenzieren. Dies könnte im Ergebnis zu verneinen sein. Zwar verbietet es der Neutralitätsgrundsatz, gleichartige Umsätze hinsichtlich Steuerbefreiungen oder Steuersatz nach dem Kriterium der Rechtsform des Leistenden unterschiedlich zu behandeln. Bei der Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 11 MwStSystRL geht es jedoch nicht um die Steuerfreiheit oder den Steuersatz gleichartiger Umsätze, sondern vorrangig um die Erfassung der von mehreren Personen erbrachten Umsätze bei nur einem Steuerpflichtigen. Insoweit ist weiter zu beachten, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hinsichtlich des Steuerpflichtigen, dem die Umsätze des Organkreises zuzurechnen sind, dem Gebot rechtsformneutraler Besteuerung entspricht, da jeder Unternehmer und damit Einzelunternehmer, Kapital- und
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14 EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-246/04 – Turn- und Sportunion Waldburg, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 32; v. 20.6.1996 – Rs. C-155/94 – Wellcome Trust, Slg. 1996, I-3013, Rz. 38; v. 3.12.1998 – Rs. C-381/97 – Belgocodex, Slg. 1998, I-8153, Rz. 18. 15 EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-246/04, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 33; v. 11.10.2001 – Rs. C-267/99 – Adam, Slg. 2001, I-7467, Rz. 36; v. 23.10.2003 – Rs. C-109/02 – Kommission/Deutschland, Slg. 2003, I-12691, Rz. 20; v. 26.5.2005 – Rs. C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, Rz. 41. 16 EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-246/04, Slg. 2006, I-589 = UR 2006, 224, Rz. 34; v. 17.2.2005 – Rs. C-453/02, C-462/02 – Linneweber und Akritidis, Slg. 2005, I-1131, Rz. 25. 17 So prüft der EuGH in seinem Urteil vom 22.5.2008 Rn. 25 ff. (s. oben Fn. 1), ob eine nationale Regelung zur umsatzsteuerrechtlichen Gruppenbesteuerung allgemeinen Grundsätzen des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrechts entspricht.
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Personengesellschaften Organträger sein können. Eine Verletzung des Neutralitätsgebots läge daher nur vor, wenn hieraus – weitergehend als in der bisherigen EuGH-Rechtsprechung – die Notwendigkeit einer Rechtsformneutralität auch hinsichtlich der nachgeordneten Personen, die in den Organkreis einbezogen werden, abzuleiten wäre. Unabhängig von Überlegungen zum Neutralitätsgrundsatz könnte sich das Erfordernis einer sich gleichermaßen auf Kapital- und Personengesellschaften erstreckenden Eingliederungsfähigkeit daraus ergeben, dass nach Art. 11 MwStSystRL „Personen, die … rechtlich unabhängig“ sind, zu einem Steuerpflichtigen zusammengefasst werden können. Da die von der Richtlinie verwendeten Begriffe auch dann autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen sind, wenn es auf sie im Rahmen der den Mitgliedstaaten erteilten Ermächtigungen ankommt18, ist die Beurteilung der Rechtsfähigkeit einzelner Gesellschaftsformen nach nationalem Gesellschaftsrecht und dabei z.B. die bis zur Klärung durch den BGH19 umstrittene Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften, die möglicherweise für die Beschränkung der Eingliederung auf juristische Personen von Bedeutung war, unerheblich. Für den Begriff der rechtlich unabhängigen Person ist m. E. vielmehr entscheidend, ob es sich bei der Person um ein eigenständiges Umsatzsteuersubjekt handelt. Diese Voraussetzung erfüllen Personengesellschaften, die eigene Umsätze erbringen20. Entscheidet sich daher ein Mitgliedstaat dafür, „rechtlich“ unabhängige Personen in eine Gruppenbesteuerung einzubeziehen, könnte sich hieraus die Verpflichtung ergeben, zumindest alle „umsatzsteuerrechtlichen“ Personen und damit alle Unternehmer unter den gleichen Voraussetzungen als abhängige Unternehmen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen.
III. Eingliederungsvoraussetzungen 1. Kein Wahlrecht zur Organschaft Für die Organschaft kommt es nur auf die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG und damit nicht auf einen weitergehenden Antrag des Unternehmers an. Ein derartiges Antragserfordernis ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere lässt es sich nicht aus dem EuGH-Urteil vom 22.5.200821 ableiten22. Neben den vom BFH hierfür bereits angeführten Gründen ergibt sich m. E. auch aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit23 kein Erfor-
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18 EuGH v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01 – Zita Modes, Slg. 2003, I-14393 = UR 2004, 19 Rz. 31 ff. zum Begriff der Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens nach Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie (Art. 19 MwStSystRL). 19 Zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und den früher hierzu vertretenen Auffassungen vgl. z. B. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BFHZ 146, 341. 20 Vgl. z. B. BFH v. 28.4.1994 – V R 80/91, BFH/NV 1995, 557; v. 21.9.2006 – V B 102/05, juris; v. 6.9.2007 – V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710. 21 S. oben Fn. 1. 22 BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, UR 2009, 47. 23 S. unten III.4.c) a.E..
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dernis, die Organschaft antragsabhängig auszugestalten. Zwar ist es danach notwendig, den Leistenden im Zeitpunkt der Leistungserbringung rechtssicher bestimmen zu können. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG würde jedoch nur dann hiergegen verstoßen, wenn eine rechtssichere Klärung, ob im Einzelfall die antragsunabhängigen Eingliederungsvoraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, nicht möglich wäre. Dies ist nicht der Fall. 2. Eingliederung statt enger Verbundenheit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt die Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht voraus. Dass es für die Organschaft auf finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Kriterien ankommt, entspricht Art. 11 MwStSystRL, der für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen gleichfalls auf diese Merkmale abstellt. Allerdings verlangt die Richtlinie nicht eine Eingliederung, sondern dass Personen „durch gegenseitige … Beziehungen eng miteinander verbunden sind“. Eine Diskrepanz zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht besteht aber m. E. nicht24. Die von der Richtlinie vorausgesetzten gegenseitigen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen ergeben sich aus den Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Liefert z. B. der Alleingesellschafter/Alleingeschäftsführer seiner Vertriebs-GmbH Waren, liegen aufgrund der Kapitalbeteiligung, der Warenlieferungen und der Geschäftsführerstellung nicht nur die Eingliederungsvoraussetzungen, sondern auch gegenseitige Beziehungen vor, die sich für die GmbH daraus ergeben, dass sie finanziell über einen Gesellschafter verfügt, wirtschaftlich von diesem Waren bezieht und von ihm als Geschäftsführer geleitet wird. Denkbar wäre allerdings auch, auf „echte“ gegenseitige Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht abzustellen. Eine Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen käme dann nur Betracht, wenn z. B. finanziell wechselseitige Kapitalbeteiligungen vorlägen, bei der nicht nur der Organträger an der Organgesellschaft beteiligt ist, sondern auch umgekehrt die Organgesellschaft über eine Beteiligung am Organträger verfügen würde. Eine derartige Verschärfung der Voraussetzungen für eine Organschaft dürfte aber selbst bei richtlinienkonformer Auslegung mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht zu vereinbaren sein. Gegen eine derartige Auslegung spricht im Übrigen, dass die Bedingung, durch gegenseitige Beziehungen eng miteinander verbunden zu sein, der Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtiger mit der Folge dient, dass nach dem EuGH-
__________ 24 Das Abstellen auf die Eingliederung ist in der Rechtsprechung aber auch als nur teilweise Ausübung der nach dem Gemeinschaftsrecht bestehenden Ermächtigung angesehen worden, vgl. BFH v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. Korf, UVR 2008, 172 (179) geht wohl davon aus, dass an die gegenseitige Verbundenheit nach der Richtlinie geringere Anforderungen als an die Eingliederung zu stellen sind.
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Urteil vom 22.5.200825 sog „untergeordnete Personen“ nicht mehr als Steuerpflichtige anzusehen sind. Die Zusammenfassung der einzelnen Personen führt somit nach der Richtlinie ebenso zu einem übergeordneten Steuerpflichtigen, dem die anderen Personen nachgeordnet sind, wie es nach auf das sich aus der Organschaft ergebende Über-Unterordnungsverhältnis26 zutrifft. Auf wechselseitige Beziehungen kommt es daher nicht an. 3. Bedeutung der einzelnen Eingliederungsvoraussetzungen Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es nicht erforderlich, dass die Merkmale der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung gleichermaßen deutlich ausgeprägt sind. Im Hinblick auf die gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG „nach dem Gesamtbild der tatsächliche Verhältnisse“ vorzunehmenden Beurteilung kann eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist aber, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht27. Daher kann aus der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung ebenso wenig auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden28, wie sich aus der finanziellen die wirtschaftliche Eingliederung29 ergibt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist darüber hinaus auch nicht auf das Erfordernis der organisatorischen Eingliederung als eigenständiger Voraussetzung für die Organschaft zu verzichten30. Im Rahmen der Eingliederungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kommt daher der auf der finanziellen Eingliederung beruhenden Abhängigkeitsvermutung nach § 17 AktG keine Bedeutung zu31. Das Gesamtbild der Verhältnisse ist m. E. auch für die Frage der Organschaft bei einer GmbH & Co KG zu beachten. Der BFH hat hier eine Eingliederung der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft in eine Organträger-KG abgelehnt, da die Komplementär-GmbH als Geschäftsführerin der KG nicht in der
__________ 25 S. oben Fn. 1 Rz. 19. 26 BFH v. 18.12.1996 – XI R 25/94, BStBl. II 1997, 441= UR 1997, 435; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496; v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 27 BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434 = UR 2003, 394; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496; v. 5.12.2007 – V R 26/06 BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 14.2.2008 – V R 12 und 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 28 BFH v. 18.12.1996 – XI R 25/94, BStBl. II 1997, 441 = UR 1997, 435. 29 BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06 BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 30 BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 5.12.2007 – V R 26/06 BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 31 BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549; zustimmend Korf, UVR 2008, 172 (178); a. A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 698.
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Weise in die KG eingegliedert sein kann, dass die KG den Willen ihrer Komplementär-GmbH bestimmt32. Obwohl dies auch gegen eine Eingliederung der Komplementär-GmbH in die KG als Organträger bei einer sog. EinheitsGmbH & Co KG, bei der die KG die GmbH-Anteile in ihrem Gesamthandvermögen hält, spricht, bejaht die Finanzverwaltung hier die Eingliederung der GmbH in die KG33. Da die Organgesellschaften aufgrund ihrer Unselbständigkeit als Teil des Organträgers anzusehen sind, steht es der Eingliederung m. E. nicht entgegen, wenn der die Eingliederung begründende Zusammenhang nicht unmittelbar zum eigenen Unternehmen des Organträgers besteht, sondern sich aus den zwischen mehreren Organgesellschaften bestehenden finanziellen, wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen ergibt34. 4. Finanzielle Eingliederung a) Mehrheit der Stimmrechte Die finanzielle Eingliederung erfordert, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann35. Dies erfordert im Regelfall eine einfache Stimmenmehrheit und damit mehr als 50 v. H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist36. Sieht die Satzung z. B. für den Regelfall der Beschlussfassung ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vor, muss der Organträger dieses erfüllen37. Erreicht der Mehrheitsgesellschafter das qualifizierte Stimmrechtserfordernis nicht, kann gleichwohl die finanzielle Eingliederung vorliegen, wenn sich ein Minderheitsgesellschafter durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleich gerichteten Stimmverhalten verpflichtet38. b) Mittelbare finanzielle Eingliederung über Tochtergesellschaft Die finanzielle Eingliederung kann mittelbar über zwischengeschaltete Gesellschaften erfolgen, wenn diese finanziell beherrscht werden. Liegt diese Voraus-
__________ 32 BFH v. 14.12.1978 – V R 85/74, BStBl. II 1979, 288 = UR 1979, 81, Abschnitt 21 Abs. 2 Satz 3 UStR. 33 Abschnitt 21 Abs. 4 Satz 5 UStR. 34 Ebenso Birkenfeld, Handbuch, § 37 Rz. 63 zur wirtschaftlichen Eingliederung; zur mittelbaren finanziellen Eingliederung über Tochtergesellschaften s. unten III.4.b). 35 BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, UR 1999, 491 = BFH/NV 1999, 1136; v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = UR 2002, 127; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496. 36 BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = UR 2002, 127; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496. 37 BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = UR 2002, 127. 38 BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = UR 2002, 127; ebenso Birkenfeld, Handbuch, § 37 Rz. 52.
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setzung vor, können unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an der Organgesellschaft zusammengerechnet werden39. c) Mittelbare finanzielle Eingliederung über Gesellschafter des Organträgers Eine mittelbare finanzielle Eingliederung kann nach der Rechtsprechung des BFH auch über Gesellschafter des Organträgers begründet werden. So ging der BFH in seinem Urteil vom 17.4.196940 davon aus, dass eine Organgesellschaft auch dann finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, wenn nicht dieser, sondern die nicht unternehmerisch handelnden Gesellschafter des Organträgers über eine Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft verfügen. Der BFH hat diese Rechtsprechung später aber für den Fall, dass es sich bei dem Organträger um eine juristische Person handelt, aufgegeben41. Hält eine natürliche Person als Nichtunternehmer die Mehrheitsbeteiligung an mehreren Kapitalgesellschaften, kommt danach eine Organschaft nicht in Betracht, da zwischen diesen Kapitalgesellschaften das für eine Organschaft erforderliche Über-Unterordnungsverhältnis nicht vorliegt, sondern es sich nur um gleichgeordnete Schwestergesellschaften handelt. Ist Organträger demgegenüber eine Personengesellschaft, kann nach der BFH-Rechtsprechung eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile von den Gesellschaftern des Organträgers gehalten werden, weiterhin mittelbar finanziell eingegliedert sein42. Dies beruht maßgeblich auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handelt43. Während der BFH die mittelbare finanzielle Eingliederung zunächst für den Fall bejahte, dass die Anteilsmehrheit in der Organträger-Personengesellschaft und der Organgesellschaft nur einem Gesellschafter44 oder zwei Gesellschaftern45 zusteht, hielt er es später sogar allgemein für ausreichend, dass „die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird“46. Eine finanzielle Eingliederung der Organ-GmbH in eine Organträger-KG wurde bisher nur für den Fall abgelehnt, dass die GmbH Mehrheitsgesellschafter der KG ist; für die Ein-
__________ 39 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 684 f. und Birkenfeld, Handbuch, § 37 Rz. 51 ff. 40 BFH v. 17.4.1969 – V R 123/68, BStBl. II 1969, 505. 41 BFH v. 18.12.1996 – XI R 25/94, BStBl. II 1997, 441 = UR 1997, 435 und die Abweichungsanfrage BFH v. 28.2.1996 – XI R 25/94, GmbHR 1996, 950. 42 BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 = UR 1999, 491; zustimmend Flückinger in Plückebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Rz. 282/1 f.; ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 687.1 und 689, für den Fall, dass auch die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen. 43 BFH v. 28.2.1996 – XI R 25/94, GmbHR 1996, 950. 44 BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, UR 1999, 491 = BFH/NV 1999, 1136. 45 BFH v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223. 46 BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = UR 2002, 127; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496 und zuletzt BFH v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; ähnlich auch BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, UR 1999, 491 = BFH/NV 1999, 1136.
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gliederung der GmbH in die KG reicht es dann nicht aus, dass die Minderheitsgesellschafter der KG über eine Anteilsmehrheit in der GmbH verfügen47. Die sich somit ergebende Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers, die zu einer mittelbaren finanziellen Eingliederung von juristischen Personen in Organträger-Personengesellschaften, nicht aber zu einer mittelbaren finanziellen Eingliederung in Organträger-Kapitalgesellschaften führt, ist zweifelhaft48. Nach nationalem Recht führt die Organschaft zur Unselbständigkeit der Organgesellschaft. Aus welchen Gründen es für diese Unselbständigkeit auf die Rechtsform des Organträgers ankommen sollte, ist nicht ersichtlich. Soll die Organschaft zu einem Über-Unterordnungsverhältnis führen49, wurde zumindest noch nicht nachgewiesen, dass eine Organträger-Personengesellschaft über ihre Gesellschafter über weitergehende Einflussmöglichkeiten auf Schwesterkapitalgesellschaften verfügt als eine Organträger-Kapitalgesellschaft. Darüber hinaus bestehen auch Bedenken im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz, da es zu einer unmittelbaren Differenzierung nach der Rechtsform des Steuerpflichtigen (Organträgers) kommt. Im Übrigen entspricht die Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung zumindest für den Fall, dass die Eingliederung nicht über einen Mehrheitsgesellschafter bei Organträger-Personengesellschaft und Organgesellschaft, sondern über mehrere Gesellschafter erfolgt, nicht dem Erfordernis der einfachen Rechtsanwendung50. Denn dann sind die sich im Rahmen der Betriebsaufspaltung stellenden Streitfragen, die sich aus der sog. Personengruppentheorie51 ergeben, auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Schließlich erscheint diese Rechtsprechung im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit bedenklich. Danach müssen die Rechtsakte der Gemeinschaft und ihre Anwendung für die Betroffenen eindeutig und vorhersehbar sein52. Bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen53, was auch für die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, gilt54. Im Hinblick diese Grundsätze ist es m. E. fragwürdig, die Stellung einer
__________ 47 BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496. 48 Gegen die Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers auch Reiß in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 111. 49 S. oben III.2. 50 S. oben II.2.b). 51 Vgl. z. B. BFH v. 18.3.1993 – IV R 96/92, BFH/NV 1994, 15; v. 24.2.1994 – IV R 8, 9/93, BStBl. II 1994, 466 = FR 1994, 470 zu zwei Gesellschaftern, denen die Anteile an der Besitzgesellschaft jeweils hälftig und an der Betriebs-GmbH zu 98 v. H. und 2 v. H. zustehen; v. 24.2.2000 – IV R 62/98, BStBl. II 2000, 417. 52 EuGH v. 22.11.2001 – Rs. C-301/97 – Niederlande/Rat, Slg. 2001, I-8853, Rz. 43; v. 21.2.2006 – Rs. C-255/02 – Halifax, Slg. 2006, I-1609, Rz. 72. 53 EuGH v. 15.12.1987 – Rs. C-326/85 – Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091, Rz. 24; v. 29.4.2004 – Rs. C-17/01 – Sudholz, Slg. 2004, I-4243, Rz. 34. 54 EuGH v. 26.4.2005 – Rs. C-376/02 – Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445, Rz. 32; v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 – Isle of Wright, UR 2008, 816, Rz. 47 f.; vgl. auch Korf, UVR 2008, 172 (179).
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Kapitalgesellschaft als eigenständiger Unternehmer oder Organgesellschaft von Umständen abhängig zu machen, die ihr, wie die Frage an welchen weiteren Gesellschaften ihr Mehrheitsgesellschafter beteiligt ist, u. U. weder bekannt sind noch bekannt sein können. 5. Wirtschaftliche Eingliederung a) Allgemeine Anforderungen Weder aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch aus Art. 11 MwStSystRL ergibt sich, welche Anforderungen an wirtschaftliche Eingliederung und an wirtschaftliche Beziehungen zu stellen sind. Erforderlich ist m. E. zumindest ein Zusammenhang zu wirtschaftlichen Tätigkeiten i. S. v. Art. 9 MwStSystRL. Der BFH hat für die wirtschaftliche Eingliederung darauf abgestellt, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint55, wofür es ausreicht, dass zwischen Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung – auch in verschiedenen Wirtschaftszweigen – besteht und die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind und sich fördern und ergänzen56. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Organgesellschaft für den Verlag des Organträgers Presseerzeugnis druckt57 wenn die Organgesellschaft für den Vertrieb der Waren des Organträgers sorgt58, wenn der Organträger als Architekt ausschließlich für seine Bauträger-Organ-GmbH tätig ist und diese die für sie wesentlichen Architektenleistungen vom Organträger bezieht59 oder wenn Verkauf von Grund und Boden durch den Organträger und Bebauung des verkauften Grundstücks durch die Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind60. Die Organgesellschaft braucht weder überwiegend für den Organträger tätig61 noch vom Organträger wirtschaftlich abhängig zu sein62.
__________ 55 BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, UR 1999, 491 = BFH/NV 1999, 1136; v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271; v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 433 = UR 2003, 394. 56 BFH v. 9.9.1993 – V R 124/89, BStBl. II 1994, 129 = UR 1994, 122; v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 433 = UR 2003, 394; v. 29.10.2008 – XI R 74/07, UR 2009, 47; ähnlich BFH v. 22.6.1967 – V R 89/66, BStBl. III 1967, 715 = UR 1967, 262; v. 17.4.1969 – V 44/65, BStBl. II 1969, 413 = UR 1969, 252; v. 15.6.1972 – V R 15/69, BStBl. II 1972, 840 = UR 1972, 363; v. 19.10.1995 – V R 128/93, UR 1996, 265 = BFH/NV 1996, 275. 57 BFH v. 17.4.1969 – V R 123/68, BStBl. II 1969, 505. 58 BFH v. 22.6.1967 – V R 89/66, BStBl. III 1967, 715 = UR 1967, 262; v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271. 59 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 433 = UR 2003, 394. 60 BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, UR 2009, 47. 61 BFH v. 9.9.1993 – V R 124/89, BStBl. II 1994, 129 = UR 1994, 122. 62 BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, UR 2009, 47.
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b) Eingliederung aufgrund Leistungserbringung durch Organträger Die wirtschaftliche Eingliederung ist auch bei einer den Betrieb der Organgesellschaft fördernden Tätigkeit des Organträgers wie z. B. einer Vermietung wesentlicher Anlagegegenstände63 oder wesentlicher Betriebsgrundlagen64 gegeben. Bei der Vermietung eines Betriebsgrundstücks reicht es aus, dass diesem für die Organgesellschaft besonderes Gewicht zukommt, da sie dort ihr Unternehmen betreibt65, oder dass das Grundstück für die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist, weil es die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet66. Ob der Organträger z.B. neben einer Vermietung oder Verpachtung an die Organgesellschaft auch an Dritte entgeltliche Leistungen erbringt oder keine eigenen Außenumsätze vorliegen, ist für die wirtschaftliche Eingliederung unerheblich67. Der BFH hat für die Frage, ob dem der Organgesellschaft überlassenen Grundstück die erforderliche Bedeutung zukommt und daher umsatzsteuerrechtlich eine wirtschaftliche Eingliederung vorliegt, auch auf die ertragsteuerrechtliche Beurteilung im Rahmen der Betriebsaufspaltung abgestellt68. Dabei liegt nach der neueren Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung eine wesentliche Betriebsgrundlage bei der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken selbst dann vor, wenn das Grundstück nicht für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft branchenspezifisch hergerichtet und ausgestaltet ist; dies gilt auch für reine Büro- und Verwaltungsgebäude69. Diese verminderten Anforderungen an die sachliche Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung sind m. E. auch umsatzsteuerrechtlich für die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung zu beachten. c) Wirtschaftliche Eingliederung und Einwirkungsmöglichkeiten Bemerkenswert ist, dass der BFH in Einzelfällen die wirtschaftliche Eingliederung darauf gestützt hat, dass sich für den Organträger aus der bloßen Möglichkeit, einen Pachtvertrag über die Überlassung betriebsnotwendiger Anlagegegenstände zu kündigen, eine beherrschende Stellung ergibt70, und umgekehrt die wirtschaftliche Eingliederung abgelehnt hat, wenn aus den gegenüber
__________ 63 BFH v. 25.1.1968 – V 25/65, BStBl. II 1968, 421; v. 17.4.1969 – V 44/65, BStBl. II 1969, 413 = UR 1969, 252. 64 BFH v. 18.5.1995 – V R 46/94, BFH/NV 1996, 84; v. 20.1.1999 – XI R 69/97, UR 1999, 491 = BFH/NV 1999, 1136. 65 BFH v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223. 66 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434 = UR 2003, 394; ähnlich BFH v. 9.3.1978 – V R 90/74, BStBl. II 1978, 486. 67 BFH v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273; v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223; v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375 = UR 2003, 74. 68 BFH v. 9.9.1993 – V R 124/89, BStBl. II 1994, 129 = UR 1994, 122; v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223. 69 BFH v. 13.7.2006 – IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung. 70 BFH v. 9.9.1993 – V R 124/89, BStBl. II 1994, 129 = UR 1994, 122; ebenso zuvor BFH v. 25.1.1968 – V 25/65, BStBl. II 1968, 421 = UR 1968, 201.
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der Organgesellschaft z. B. in den Bereichen Buchführung und laufende Personalverwaltung erbrachten Leistungen keine besondere Einwirkungsmöglichkeit gegenüber der Tochtergesellschaft folgt71. Als eigenständige Voraussetzung, die im Rahmen der wirtschaftlichen Eingliederung zu erfüllen wäre, erscheint dies insoweit zweifelhaft, als sich die Prüfung, ob dem Organträger eine Durchsetzung seines Willens möglich ist, nach dem Kriterium der organisatorischen Eingliederung richtet, nicht aber nach Maßgabe der wirtschaftlichen Eingliederung zu bestimmen ist72. Liegt eine für den Betrieb der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Leistung des Organträgers vor, kommt es daher m. E. zumindest im Regelfall nicht darauf an, ob sich aus der wirtschaftlichen Eingliederung auch eine besondere Stellung oder eine besondere Einwirkungsmöglichkeit für den Organträger ergibt. Soll die wirtschaftliche Eingliederung auf den vom Organträger an die Organgesellschaft erbrachten Leistungen beruhen, kommt es aber gleichwohl auf die Bedeutung dieser Leistung für das Unternehmen der Organgesellschaft an. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt z. B. bei vom Organträger bezogenen Architektenleistungen vor, die für das Bauträgergeschäft der Organgesellschaft wesentlich sind73, nicht aber bei Buchführungs- und Personalverwaltungsleistungen74, bei denen die Person des Leistungserbringers ohne weiteres austauschbar ist. Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung sind insbesondere im Rahmen von Holdingstrukturen zu beachten. Entgeltliche Leistungen, die eine Holdinggesellschaft gegenüber ihren Tochtergesellschaften erbringt und die eine Unternehmerstellung der Holding begründen75, führen, wenn es sich um für das Unternehmen der Tochtergesellschaft völlig unwesentliche Leistungen handelt, nicht zur wirtschaftlichen Eingliederung der Tochtergesellschaften in ein von der Holding geführtes Unternehmen. 6. Organisatorische Eingliederung a) Bisherige Rechtsprechung Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft in deren Geschäftsführung wirklich wahrnimmt und durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft nicht möglich ist76. Nach anderen Urteilen kam es darauf an, ob anderen Per-
__________ 71 72 73 74 75 76
BFH v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534. Ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 694. BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 433 = UR 2003, 394. BFH v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534. Vgl. hierzu Wäger in FS Reiß, 2008, S. 229 (240 f.). BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258 = UR 1999, 251; demgegenüber stellte BFH v. 18.5.1995 – V R 46/94, UR 1996, 229 = BFH/NV 1996, 84 zu dem für die Tochtergesellschaft bestellten Vergleichsverwalter, dem eine ähnliche Stellung wie dem Konkursverwalter zukam,
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sonen wie einem Sequester oder einem vorläufigen Insolvenzverwalter eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung möglich ist77. Zuletzt stellte der BFH darauf ab, dass neben der wirklichen Wahrnehmung der Beherrschungsmöglichkeit in der laufenden Geschäftsführung und der Beherrschung der Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung „zumindest“ durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung nicht möglich ist78. Die organisatorische Eingliederung durch Ausschluss einer vom Organträger abweichenden Willensbildung beruht m. E. darauf, dass die drei Eingliederungsmerkmale der Organschaft nicht in gleicher Weise deutlich ausgeprägt sein müssen79. Dies rechtfertigt es, bei einer organisatorischen Eingliederung in der „schwächeren“ Form des bloßen Ausschlusses einer abweichenden Willensbildung auf einen weitergehenden Nachweis einer tatsächlichen Ausübung der Beherrschungsmacht zu verzichten, so dass das bloße Vorliegen einer Sperrminorität in der Geschäftsführung der Organgesellschaft zur Begründung der organisatorischen Eingliederung ausreicht. Dadurch wird im Übrigen dem Erfordernis einer einfachen und rechtssicheren Anwendung der Organschaftsregelung Rechnung getragen80. Ist zwischen der „wirklichen“ Beherrschung der Organgesellschaft und dem bloßen Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft zu differenzieren, führt eine personelle Verflechtung in den Geschäftsführungs- und Vertretungsorganen von Organträger und Organgesellschaft im Fall personenidentischer Leitungsgremien zur Begründung der organisatorischen Eingliederung in ihrer stärksten Form 81, da der Organträger die Organ-
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darauf ab, ob der Mehrheitsgesellschafter oder der Vergleichsverwalter „den maßgeblichen Einfluss“ auf die Tochtergesellschaft hatte und kann nach BFH v. 9.1.1992 – V R 82/85, BFH/NV 1993, 63 die einheitliche Leitung von der Organgesellschaft ausgehen, wenn deren Geschäftsführer zur umfassenden Vertretung des Einzelunternehmer-Organträgers berechtigt ist. BFH v. 13.3.1997 – V R 96/96 BStBl. II 1997, 580 = UR 1997, 396; v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223; v. 1.4.2004 – V R 24/03, BStBl. II 2004, 905 = UR 2004, 352. BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549; abweichend hiervon kommt es nach BFH v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365 auf „organisatorische Maßnahmen“ an. BFH v. 16.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223; v. 1.4.2004 – V R 24/03, BStBl. II 2004, 905 = UR 2004, 352. S. oben II.2.b) und III.4.c) a.E. BFH v. 13.3.1997 – V R 96/96, BStBl. II 1997, 580; v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271; v. 5.12.2007 – V R 26/06 BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; v. 29.10.2008 – XI R 74/07, DB 2009, 37; Personenidentität liegt z. B. nach BFH v. 18.5.1995 – V R 46/94, UR 1996, 229 = BFH/NV 1996, 84 vor, wenn der einzige Komplementär der Organträger-KG einziger Geschäftsführer der Organ-GmbH ist oder nach BFH v. 18.8.2001 – V R 34/01, UR 2002, 214 = BFH/NV 2002, 223, dann vor, wenn die beiden Gesellschafter der Organträger-GbR Geschäftsführer der OrganGmbH sind.
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gesellschaft dann vollkommen und „wirklich“ beherrscht. Maßgeblich ist dabei die Beurteilung aus Sicht der Organgesellschaft, so dass es für die Personenidentität in den Leitungsgremien darauf ankommt, dass z. B. alle Geschäftsführer der Organ-GmbH auch dem Vorstand der Organträger-AG angehören, nicht aber darauf, dass alle Vorstandsmitglieder der AG auch Geschäftsführer der GmbH sind82. Damit eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist und somit die organisatorische Eingliederung in ihrer schwächeren Ausprägung vorliegt, reicht es z. B. bei einer Organ-GmbH mit zwei Geschäftsführern, die entsprechend dem gesetzlichen Regelfall nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbH nur gesamtvertretungsberechtigt und bei Fehlen weiterer Vereinbarungen dementsprechend auch nur gesamtgeschäftsführungsbefugt sind83, aus, dass nur ein Geschäftsführer vom Organträger gestellt wird. Fehlt es an einer für die Eingliederung hinreichenden personellen Verflechtung, wird die organisatorische Eingliederung häufig nicht vorliegen. Unzureichend ist die sich aus der finanziellen Eingliederung ergebende Möglichkeit, Weisungen durch Gesellschafterbeschluss zu erteilen84, eine Berichtspflicht der Geschäftsführung85 oder eine „geschäftsführungsähnliche leitende Position“86. Ungenügend sind weiter Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung für die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgehenden Geschäfte, da derartige Regelungen nicht in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung eingreifen87. Weiter reicht es zumindest für sich nicht aus, dass sich der Geschäftssitz von Mehrheitsgesellschafter und Tochtergesellschaft am selben Ort befinden, gemeinsame Fernsprecheranschlüsse und Postschließfächer genutzt werden, Gesellschafterversammlungen gemeinsam durchgeführt werden und gemeinsame Ausschüsse zur Erörterung betrieblicher Fragen bestehen88. Auch andere „weiche Kriterien“ wie z. B. die Buchführung der Organgesellschaft durch einen Angestellten
__________ 82 Vgl. BFH v. 17.4.1969 – V R 123/68, BStBl. II 1969, 505; v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258 = UR 1999, 251; v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271; ebenso wohl auch v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273. 83 Altmeppen, in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 37 Rn. 33 m.w.N. 84 BFH v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549; zustimmend Hidien/Lohmann, GmbHR 2008, 917 (924); a. A. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 113; zur Befugnis der Gesellschafterversammlung, einzelne laufende Angelegenheiten der Geschäftsführung an sich zu ziehen vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 37 Rz. 6. 85 BFH v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549; demgegenüber bejahte Schmidt, GmbHR 1996, 175 (179 f.) eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines einheitlichen Controllingsystems mit Berichtspflicht über Geschäftsentwicklung und -planung; ebenso a. A. Scholz/Nattkämper, UR 2008, 716 (723). 86 BFH v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365. 87 BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 und v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 88 BFH v. 17.4.1969 – V R 123/68, BStBl. II 1969, 505.
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des Organträgers89 sind im Hinblick auf die neuere BFH-Rechtsprechung m. E. nicht geeignet, die organisatorische Eingliederung zu begründen90. b) Offene Fragen aa) Bedeutung von Innen- und Außenverhältnis In der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur organisatorischen Eingliederung spielte die Abgrenzung zwischen Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis kaum eine Rolle. Fraglich ist daher, ob für den maßgeblichen Ausschluss der abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft auf die Vertretungsmacht gegenüber Dritten oder auf die interne Geschäftsführungsbefugnis abzustellen ist. Insoweit ist zu beachten, dass der BFH die organisatorische Eingliederung für einen Fall der Einzelvertretungsberechtigung (und der damit grundsätzlich zugleich bestehenden Einzelgeschäftsführungsbefugnis91) zweier Geschäftsführer einer GmbH verneint hat, wenn der Organträger nur einen der Geschäftsführer stellt.92 Der BFH hat dabei für die Frage, ob bei der Organgesellschaft eine abweichende Willensbildung ausgeschlossen ist, letztlich das Außenverhältnis für entscheidend gehalten. Denn nach Maßgabe des Innenverhältnisses hätte für den erforderlichen Ausschluss der abweichenden Willensbildung auch auf das selbst bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis für jeden Geschäftsführer bestehende Widerspruchsrecht gegen Maßnahmen der anderen Geschäftsführer93 abgestellt werden können. Zu berücksichtigen ist aber darüber hinaus, dass in dem zu entscheidenden Streitfall erhebliche Unklarheiten im Hinblick auf die unterschiedlichen Fassungen einer sog. Geschäftsführungsordnung94 bestanden, so dass aufgrund dieser Besonderheit die erforderliche eindeutige und rechtssichere Entscheidung95 über die organisatorische Eingliederung nach Maßgabe der Geschäftsführungsbefugnisse nicht getroffen werden konnte. Da es der BFH zugleich ausdrücklich ablehnte, sich zur Bedeutung von Geschäftsführungsordnungen allgemein zu äußern, ergibt sich aus diesem Urteil m.E. nicht, dass für die organisatorische Eingliederung zwingend auf das Außenverhältnis abzustellen ist. Maßgeblich ist m. E. vielmehr, dass die organisatorische Eingliederung die Selbständigkeit der Organgesellschaft betrifft, über die im Allgemeinen nach
__________ 89 BFH v. 22.6.1967 – V R 89/66, BStBl. III 1967, 715 = UR 1967, 262. 90 Gegen organisatorische Eingliederung aufgrund gemeinsamer Geschäftsräume oder gemeinsamer Buchführung auch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 113. 91 S. oben Fn. 83. 92 BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259; in den Folgeurteilen v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549 stellte sich diese Frage nicht. 93 Vgl. z. B. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 37 Rz. 25. 94 Vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 37 Rz. 24; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 37 Rz. 33 ff. 95 S. oben II.2.b) und III.4. c) a. E.
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den Verhältnissen im Innenverhältnis zu entscheiden ist96 und dass es für den Ausschluss einer abweichenden „Willensbildung“ eigentlich auf die Entscheidungsfindung im Innenverhältnis ankommt. Daher dürfte, vorbehaltlich einer weiteren Klärung durch die Rechtsprechung, zumindest beim Bestehen eindeutiger Geschäftsführungsregelungen grundsätzlich auf das Innenverhältnis abzustellen sein. Vorzugswürdig ist aber auch dann, in einer Geschäftsführungsordnung dem durch den Organträger entsandten Geschäftsführer eindeutig, rechtswirksam und rechtzeitig ein Letztentscheidungs- oder Vetorecht einzuräumen, anstatt darauf zu vertrauen, dass das bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis bestehende Widerspruchsrecht97, zu dem sich der BFH in diesem Zusammenhang noch nicht geäußert hat, zur Begründung der organisatorischen Eingliederung ausreicht. Zu beachten ist schließlich, dass einzelne Eingliederungsvoraussetzungen zwar nicht völlig fehlen dürfen, jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.98 Daher könnte die Organschaft auch dann zu bejahen sein, wenn ein Alleingesellschafter zumindest einen von zwei einzelvertretungsberechtigten und einzelgeschäftsführungsbefugten Geschäftsführern stellt und ihm das Widerspruchsrecht99 gegen Maßnahmen des anderen Geschäftsführers zusteht.100 Die für einen Mehrheits- oder Alleingesellschafter bestehende Möglichkeit, die „Geschäftsleitung bei missliebigem Verhalten – ohne Zustimmung weiterer Gesellschafter – zu ersetzen“101, reicht demgegenüber nicht aus. 102 bb) Beherrschungsverträge Die Rechtsprechung des BFH musste sich noch nicht zur organisatorischen Eingliederung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG aufgrund von Beherrschungsverträgen nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG äußern. Durch den Beherrschungsvertrag unterstellt die beherrschte Gesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen. Besteht ein nach § 294 AktG in das Handelsregister einzutragender Beherrschungsvertrag, ist das herrschende Unternehmen nach § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen, der Vorstand des beherrschten Unternehmens ist nach § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Die Weisungsbefugnis erstreckt sich auf alle Maßnahmen der Geschäftsführung
__________
96 BFH v. 15.7.1987 – X R 19/80, BStBl. II 1987, 746 = UR 1988, 15 m. Anm. Stadie unter II.2.b); ebenso zur Organschaft Flückinger in Plückebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Rz. 249. 97 S. oben Fn. 93. 98 S. oben III.3. 99 S. oben Fn. 93. 100 Im Urteilsfall BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259 bestand für den Mehrheitsgesellschafter nur eine Beteiligung von 51 v. H. 101 Scholz/Nattkämper, UR 2008, 716 (722 f.). 102 BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; dies berücksichtigen Scholz/ Nattkämper, UR 2008, 716 (722) nicht hinreichend.
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Organschaft im Umsatzsteuerrecht
durch den Vorstand nach §§ 76 ff. AktG103. Der Beherrschungsvertrag kann anders als das für die Gesellschafterversammlung einer GmbH bestehende Weisungsrecht, das sich letztlich nur aus der Gesellschafterstellung und damit aus der finanziellen Eingliederung ergibt und daher zur Begründung der organisatorischen Eingliederung nicht ausreicht104, als institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit105 und damit als besondere Organisationsmaßnahme angesehen werden. Weiter erstreckt sich das Weisungsrecht nach § 308 AktG auch auf das sog. Tagesgeschäft106, während z. B. die Gesellschafterversammlung einer GmbH nach § 46 Nr. 6 GmbHG grundsätzlich zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung befugt ist und nur einzelne laufende Angelegenheiten an sich ziehen kann107, so dass die konkrete Entscheidungstätigkeit der Gesellschafterversammlung einer GmbH nicht so weit gehen darf, sämtliche Geschäftsführungsentscheidungen selbst zu treffen und damit den Geschäftsführern jeden Spielraum zu eigenen Geschäftsführungsentscheidungen zu nehmen108. Dies rechtfertigt es m.E., die organisatorische Eingliederung bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages zu bejahen109. Bei Beherrschungsverträgen mit einer GmbH als abhängigem Unternehmen, auf die § 308 AktG anzuwenden ist110, gilt dies ebenso. cc) Anforderungen an personelle Verflechtung beim Organträger Zumindest durch die Rechtsprechung des BFH ist noch nicht geklärt, ob es sich bei der in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft entsandte Person um ein Mitglied des organschaftlichen Leistungsgremiums des Organträgers handeln muss oder ob die erforderliche personelle Verflechtung auch über nachgeordnete Angestellte des Organträgers sichergestellt werden kann111. Letzteres ist m. E. zumindest dann zu bejahen, wenn der in die Geschäftsführung der Organgesellschaft Abgeordnete den Weisungen des Leitungsgremiums des Organträgers aufgrund einer ihm erteilten Handlungsvollmacht wie z. B. einer Prokura nach §§ 48 HGB unterliegt. Die Willensdurchsetzung
__________ 103 Vgl. Altmeppen in MünchKomm/AktG, Band 8, 2. Aufl. 2000, § 308 Rz. 83 ff.; Hüffer, 8. Aufl. 2008, § 308 AktG Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, AktG § 308, Rz. 38 f. 104 S. oben III.6.a). 105 BFH v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549. 106 Veil, in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 308 Rn. 20. 107 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. 2006, § 37 Rn. 6; vgl. auch Paefgen in Ulmer GmbH. Großkommentar, § 37 Rn. 13. 108 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. 2006, § 37 Rn. 19 m.w.N., auch zur Gegenauffassung. 109 Ebenso Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz. 112; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 697. 110 Vgl. Altmeppen in MünchKomm/AktG, Band 8, 2. Aufl. 2000, § 308 Rz. 5; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, AktG § 308 Rz. 9. 111 Bejahend Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 697 m. N. zur Rechtsprechung des RFH; in BFH v. 14.2.2008 – V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905 = UR 2008, 549 spielte dies keine Rolle.
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Christoph Wäger
ist dann ebenso wie bei der Entsendung eines Mitglieds aus dem Leitungsgremium des Organträgers gesichert. Handelt es sich bei dem Mehrheitsgesellschafter um einen Verein, reicht es aber nicht aus, dass der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft, zwar Mitglied des Vereins ist, jedoch der Geschäftsführung oder dem Vorstand des Vereins nicht angehört112, da der Verein gegenüber seinen Mitgliedern nicht weisungsbefugt ist. 7. Mehrmütterorganschaft Der BFH ist bisher davon ausgegangen, dass nur ein Unternehmer, nicht aber eine Mehrzahl von Einzelpersonen oder Gesellschaftern umsatzsteuerrechtlich Organträger sein kann113. Dem hat sich das Niedersächsische FG114 unabhängig von ertragsteuerrechtlichen Überlegungen mit dem Argument angeschlossen, dass die Organschaft umsatzsteuerrechtlich bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art. 11 MwStSystRL nur zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen führt115.
IV. Rechtsfolgen der Organschaft 1. Beginn und Ende der Organschaft Die Organschaft beginnt und endet mit dem erst- und letztmaligen Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG116. Überträgt der Organträger auf die Organgesellschaft Unternehmensvermögen zur Begründung einer erstmaligen Unternehmenstätigkeit der Organgesellschaft im Rahmen der Organschaft, handelt es sich bereits bei dieser Übertragung um eine nicht steuerbare Innenleistung, da Organschaft und wirtschaftliche Eingliederung bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung für die Unternehmenstätigkeit und nicht erst mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Organgesellschaft gegenüber Dritten vorliegen117. Die bloße Vermögenslosigkeit der Organgesellschaft beendet die Organschaft nicht118. Anders ist es aber, wenn die Organgesellschaft ihre Unternehmereigenschaft verliert; es sind dann nur noch die Maßnahmen zur Abwicklung der Unternehmenstätigkeit dem Organträger zuzurechnen.
__________ 112 113 114 115
BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133. BFH v. 2.8.1979 – V R 111/77, BStBl. II 1980, 20 = UR 1980, 50. FG Nds. v. 5.12.2007 – 5 K 312/02, EFG 2008, 415, Rev. V R 3/08. Ebenso Birkenfeld, Handbuch, § 37 Rz. 60; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 672; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 108. 116 BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496 zum Entfallen der finanziellen Eingliederung. 117 BFH v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271. 118 BFH v. 18.5.1995 – V R 46/94, UR 1996, 229 = BFH/NV 1996, 84; v. 19.10.1995 – V R 128/93, BFH/NV 1996, 275 = UR 1996, 265.
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Organschaft im Umsatzsteuerrecht
2. Besteuerung des Organkreises a) Innen- und Außenumsätze Die Organschaft führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG dazu, dass die Organgesellschaft ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausübt. Die von der Organgesellschaft gegenüber dem Organträger erbrachten Leistungen sind als sog. „Innenleistungen“ nicht steuerbar119, da der Organgesellschaft aufgrund ihrer Unselbständigkeit keine Unternehmerstellung zukommt. Gleiches gilt für die Leistungen des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, zumindest jedoch bei richtlinienkonformer Auslegung aus Art. 11 MwStSystRL, wonach Organträger und Organgesellschaft zu einem Steuerpflichtigen zusammenzufassen sind, so dass es für den gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Leistungsaustausch am Handeln gegenüber einem eigenständigen Leistungsempfänger fehlt. Aufgrund ihrer Unselbständigkeit sind Leistungen, die die Organgesellschaft gegenüber Dritten erbringt, dem Organträger zuzurechnen120. Weiter ist die Organgesellschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt121, so dass auch ihre Leistungsbezüge dem Organträger zuzurechnen sind122, dem der sich hieraus ergebende Vorsteuerabzug zusteht. Im Hinblick auf die maßgebliche Verwendung(sabsicht) kommt es für den Vorsteuerabzug des Organträgers auf die Außenumsätzen, die der Organkreis gegenüber Dritten erbringt, nicht aber auf die nicht steuerbaren Innenleistungen an123. Die Organschaft wirkt sich somit auch auf die gegenüber Dritten erbrachten und bezogenen Leistungen aus. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG, wonach sich die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt, folgt daher nur die Begrenzung der Organschaft auf das Inland, nicht aber, dass die Organschaft lediglich für Innenleistungen von Bedeutung ist124. b) Bedeutung für Umsatzqualifikation Zu beachten ist, dass sich die Organschaft im Außenverhältnis zu Dritten nicht auf eine bloße Zurechnung der gegenüber Dritten erbrachten und von diesen bezogenen Leistungen beschränkt, sondern auch die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation der vom Organträger erbrachten Leistungen beeinflussen
__________ 119 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434 = UR 2003, 394. 120 BFH v. 15.7.1987 – X R 19/80, BStBl. II 1987, 746 = UR 1988, 15 m. Anm. Stadie, unter II.2.d); v. 9.1.1992 – V R 82/85, BFH/NV 1993, 63; v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273; v. 21.6.2001 – V R 68/00, BStBl. II 2002, 255 = UR 2002, 29; v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434 = UR 2003, 394; v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = UR 2005, 496. 121 BFH v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 = UR 2002, 271. 122 BFH v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273. 123 BFH v. 18.1.2005 – V R 53/02, BStBl. II 2007, 730 = UR 2005, 375. 124 BFH v. 19.10.1995 – V R 71/93, UR 1996, 266 = BFH/NV 1996, 273.
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kann. Veräußert z. B. der Organträger ein unbebautes Grundstück steuerfrei, während die Organgesellschaft in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang hiermit die Bebauung des Grundstücks für den Grundstückserwerber übernimmt, liegt nach zutreffender BFH-Rechtsprechung aufgrund der Organschaft eine einheitliche Leistung eines Unternehmers vor, die in der Lieferung eines noch zu bebauenden Grundstücks besteht. Ohne Verzicht nach § 9 Abs. 1 UStG ist diese Grundstückslieferung insgesamt nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, so dass für den Organkreis kein Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten besteht125. Die Gegenauffassung, die im Hinblick auf die vom historischen Gesetzgeber verfolgten Vereinfachungszwecke davon ausgeht, dass die Organschaft nur zu einer personellen Zurechnung von Umsätzen führt, nicht aber auch die Qualifikation von Umsätzen als z. B. steuerfrei oder steuerpflichtig beeinflusst126, berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Organschaft bei richtlinienkonformer Auslegung zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen führt. Daher sind auf die Leistungen dieses Steuerpflichtigen die allgemeinen Grundsätze und damit auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung anzuwenden. Liefert daher z. B. der Organträger dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lebensmittel, während die die Lieferung begleitenden Dienstleistungen, die zur Annahme einer dem Regelsteuersatz unterliegenden „Restaurantleistung„ führen127, von der Organgesellschaft erbracht werden, liegt m. E. eine einheitliche und zugleich dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung, nicht aber eine Lieferung vor128. c) BFH-Rechtsprechung zu § 17 UStG Hat die Organgesellschaft während des Bestehens der Organschaft Anzahlungen für Leistungen, die sie erst nach Beendigung der Organschaft erbringt, vereinnahmt, soll der Organträger die Anzahlung ohne Möglichkeit einer Berichtigung nach § 17 UStG zu versteuern haben, während die nach Beendigung der Organschaft selbständig tätige (frühere) Organgesellschaft nur die Restzahlung zu versteuern hat129. Werden Entgelte für an die Organgesellschaft erbrachte Leistungen uneinbringlich, richtet sich der Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 17 UStG bei einer Uneinbringlichkeit vor Beendigung der Organschaft gegen den Organträger130 und bei Uneinbringlichkeit nach Beendigung der Organschaft gegen die frühere Organgesellschaft131.
__________ 125 BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, UR 2009, 47. 126 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 652. 127 BFH v. 10.8.2006 – V R 55/04, BStBl. II 2007, 480 = UR 2006, 691; v. 10.8.2006 – V R 38/05, BStBl. II 2007, 482 = UR 2006, 694. 128 Vgl. auch Wäger, UR 2004, 602 (606) zur Bedeutung der Organschaft auf die Umsatzqualifikation bei Vermittlungsleistungen nach § 4 Nr. 8 UStG. 129 BFH v. 21.6.2001 – V R 68/00, BStBl. II 2002, 255 = UR 2002, 29. 130 BFH v. 6.6.2002 – V R 22/01, UR 2002, 429 = BFH/NV 2002, 1352. 131 BFH v. 7.12.2006 – V R 2/05, BStBl. II 2007, 848 = UR 2007, 277.
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Organschaft im Umsatzsteuerrecht
3. Umfang des Organkreises Muss es sich bei Organträger und Organgesellschaft um Unternehmer handeln132, stellt sich die Frage, ob sich der aus Organträger und Organgesellschaft zusammensetzende Organkreis nur auf unternehmerische Tätigkeitsbereiche oder auf alle Bereiche der dem Organkreis angehörenden Unternehmen erstreckt. In der Kommentarliteratur wird dabei unter Berufung auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG, wonach sich die Wirkungen der Organschaft auf die im Inland gelegenen Unternehmensteile beschränken, vereinzelt davon ausgegangen, dass entgeltliche Leistungen zwischen den Unternehmen des Organkreises nur insoweit nicht steuerbar sind, als sie gegenüber Unternehmensbereichen erfolgen. Erbringe z. B. ein Organträger entgeltliche Beratungsleistungen für den Unternehmensbereich und den nicht unternehmerischen Beteiligungsbereich einer Organgesellschaft, handele es sich bei den Leistungen für den Unternehmensbereich der Organgesellschaft um nicht steuerbare Innenleistungen, während die Leistungen für den nicht unternehmerischen Beteiligungsbereich steuerpflichtig seien133. Diese Differenzierung ist m. E. nicht zutreffend. Sie müsste auch für den Umkehrfall gelten, dass die Organgesellschaft entgeltliche Leistungen für den Unternehmensbereich und den nicht unternehmerischen Beteiligungsbereich des Organträgers erbringt und würde dann dazu führen, dass die Organgesellschaft im Hinblick auf ihre Leistungstätigkeit für den Beteiligungsbereich des Organträgers steuerbare Leistung erbringt und insoweit eine teilselbständige Tätigkeit ausüben würde. Die Annahme einer teilweisen Selbständigkeit einer Organgesellschaft in Abhängigkeit von der Verwendung der von der Organgesellschaft bezogenen Leistungen durch den Organträger ist m. E. aber nicht zu rechtfertigen, da es für die Frage der Selbständigkeit auf unternehmensbezogene Umstände, nicht aber auf die Verwendung der Leistung durch den Empfänger ankommt. Wird daher eine nicht steuerbare Innenleistung durch Mitglieder des Organkreises für nicht unternehmerische Zwecke verwendet, kann dies aufgrund der Verwendung der Leistung nur zu einer sog. Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG, nicht aber zu einer Steuerbarkeit der zwischen den Unternehmen des Organkreises erbrachten Leistung führen. Der Organkreis umfasst daher m. E. alle Tätigkeitsbereiche von Organträger und Organgesellschaft und nicht nur deren Unternehmensbereiche. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ergibt sich somit nur eine Einschränkung der Organschaft auf das Inland, da das Gemeinschaftsrecht eine grenzüberschreitende Organschaft nicht zulässt.134
__________ 132 S. oben II.1. 133 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 648; für Einschränkung der Organschaft auf den unternehmerischen Bereich des Organgesellschaft auch Abschnitt 21 Abs. 1 Satz 2 UStR. 134 S. oben IV.2.a)
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Christoph Wäger
V. Zusammenfassung Die gesetzliche Regelung der Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entspricht im Wesentlichen den sich aus Art. 11 MwStSystRL ergebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Dies gilt insbesondere für das Erfordernis der Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft. Fragwürdig erscheint demgegenüber die auf auf juristische Personen beschränkte Einbeziehung abhängiger Unternehmer. Zweifel bestehen auch hinsichtlich der von der Rechtsprechung bejahten Möglichkeit einer Eingliederung juristischer Personen in Organträger-Personengesellschaften, wenn nicht die Organträger-Personengesellschaft, sondern ihre Gesellschafter die Anteile an der juristischen Person halten. Für die wirtschaftliche Eingliederung reicht ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Unternehmen des Organkreises aus. Es müssen sich im Regelfall keine besonderen Einwirkungsmöglichkeiten aus der wirtschaftlichen Eingliederung ergeben. Die organisatorische Eingliederung erfordert zumindest, dass der Organträger eine von seinem Willen abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft verhindern kann; ob er diese Möglichkeit auch tatsächlich ausübt, ist unerheblich. Geschäftsführungsordnungen für die Kompetenzverteilung zwischen den Geschäftsführern und Beherrschungsverträge können im Gegensatz zu bloßen Zustimmungsvorbehalten oder Berichtspflichten, die zugunsten der Gesellschafterversammlung bestehen, die organisatorische Eingliederung begründen. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Organschaft ist neben der Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen im Organkreis und der Zurechnung von gegenüber Dritten erbrachten und von diesen bezogenen Leistungen zum Organträger zu beachten, dass die Organschaft auch die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation der vom Organkreis erbrachten Leistungen beeinflussen kann. Zum Organkreis gehören schließlich alle Tätigkeitsbereiche von Organträger und Organgesellschaft und nicht nur deren Unternehmensbereiche.
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Matthias Winter
Umsatzsteuer: Nichtsteuerbare Vermögensübertragungen bei Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH 1. Absicht zur Fortführung des Unternehmens ist zu belegen 2. Entgeltliche Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen unschädlich 3. Übertragung von Bruchteilseigentum auf Gemeinschaften 4. Personengesellschaften dürfen nicht abweichend behandelt werden
III. Anwendungs- und Abgrenzungsprobleme 1. Nicht jede Vermögensübertragung entzieht sich der Umsatzsteuer 2. Zuordnung zum Unternehmensvermögen bei Bruchteilsgemeinschaften 3. Vorsteuerabzug aus Beteiligungsaufwand bei Personengesellschaften 4. Die Kasuistik der Finanzverwaltung IV. Resümee und Ausblick
I. Einleitung Eine der meist diskutierten Fragen in der Umsatzsteuer ist die Behandlung von Vermögensübertragungen im Sinne des Erwerbs und der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen oder von Betrieben und Teilbetrieben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Prof. Dr. Harald Schaumburg schon sehr früh kritisch mit diesem Thema auseinandergesetzt und dabei Thesen vertreten hat, die erst heute – nach kontinuierlicher Rechtsprechung von EuGH und BFH – zum Allgemeingut in der Umsatzsteuer geworden sind. Bestechend war und ist dabei immer sein systemtheoretischer Ansatz. Er versteht die Umsatzsteuer in der Tat immer als Verbrauchsteuer und misst deren Konsequenzen an der Belastung des privaten Verbrauchs1. Sein Gradmesser für die umsatzsteuerliche Neutralität einer Vermögensübertragung war schon immer die Frage, ob die übertragenen Wirtschaftsgüter in der unternehmerischen Sphäre verbleiben und weiterhin für wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden. War dies der Fall, war für ihn eine Belastung mit Umsatzsteuer auszuschließen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis dieses Prinzip nicht nur in Gestalt des § 1 Abs. 1a UStG gesetzlich verankert sondern vor allem von der Rechtsprechung in diesem Sinne interpretiert wird. Leider sind auch heute noch nicht alle Fragen geklärt.
__________ 1 Vgl. Schaumburg, StuW 1973, S. 35 f.
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Matthias Winter
II. Die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH 1. Absicht zur Fortführung des Unternehmens ist zu belegen Der BFH hat in einer Serie von Entscheidungen zur Abgrenzung der steuerbaren von der nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung i. S. der EuGH-Rechtsprechung2 Stellung genommen. Hiernach liegt umsatzsteuerlich keine wirtschaftliche Tätigkeit vor, wenn mit den veräußerten Gegenständen der Erwerber das Unternehmen des Veräußerers in unveränderter oder in leicht veränderter Form fortführt. Dabei kommt es auf die bei der Übereignung bestehende Absicht der Vertragsparteien an. Beabsichtigt der Veräußerer, ein Vermietungsunternehmen mit der Errichtung eines Gebäudes zu begründen und veräußert er das Gebäude noch bevor es zu einer Vermietung kommt, liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung dann vor, wenn der Erwerber die Absicht belegen kann, damit ein Vermietungsunternehmen zu betreiben3. Verwendet der Erwerber das Gebäude jedoch, um darin selbst z. B. ein Architekturbüro zu unterhalten, unterliegt die Übereignung des Gebäudes der Umsatzsteuer. In diesem Sinne hatte der BFH mit Urteil vom 24.2.2005 – V R 45/024 – auch Steuerbarkeit angenommen, wenn ein Bauträger lediglich zur besseren Vermarktung eines von ihm errichteten Gebäudes bereits Mietverträge abschließt, er aber stets in der Absicht handelte, das Gebäude zu veräußern und nicht zu vermieten. Gerade hier zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen Steuerbarkeit und Nichtsteuerbarkeit fließend sein kann. Handlungsabsichten sollten daher immer auch durch entsprechende Verträge, Angebote und eigene Aufzeichnungen dokumentiert werden, damit sie im Zweifel gegenüber der Finanzverwaltung zu belegen sind. 2. Entgeltliche Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen unschädlich Bemerkenswert ist nun – vor allem im Vergleich zur ertragsteuerlichen Abgrenzung von Betriebs- und Teilbetriebsveräußerungen – dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung auch anzunehmen ist, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen – wie z. B. ein Grundstück – vom Veräußerer zurückbehalten, aber im Wege der langfristigen Überlassung (Vermietung oder Verpachtung) vom Erwerber, dem das übrige Vermögen übertragen wurde, genutzt werden können5. Nunmehr hat der BFH in Fortführung seiner Rechtsprechung sogar entschieden, dass Nichtsteuerbarkeit auch vorliegt, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert6. Im streitgegenständlichen Sachverhalt hatte der Erwerber bestimmte Verträge für den Bezug von Dienstleistungen nicht mit übernommen, vielmehr diese aus seiner eigenen Unternehmensgruppe für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt. Insofern dürfte nunmehr auch Nichtsteuerbar-
__________ 2 3 4 5 6
EuGH vom 27.11.2003, Rs. C-497/01 – Zita Modes, DStR 2003, 2220. BFH vom 8.3.2001, V R 24/98, BStBl. 2003 II 430. BFH/NV 2005, 1467. BFH vom 28.11.2002, V R 3/01, BStBl. 2004 II 665. BFH vom 23.8.2007, V R 14/05, BFH/NV 2008, 316.
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Nichtsteuerbare Vermögensübertragungen bei Fortführung der untern. Tätigkeit
keit anzunehmen sein, wenn Maschinen und Anlagen übertragen, das dafür erforderliche Betriebsgrundstück vom Veräußerer langfristig dem Erwerber zur Nutzung überlassen wird, letzterer aber z. B. nicht den Kundenstamm übernimmt sondern eigene Absatzdispositionen trifft. 3. Übertragung von Bruchteilseigentum auf Gemeinschaften Gerade im Zusammenhang mit Sachverhalten der vorweggenommenen Erbfolge war über Jahre umstritten, ob bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übertragung von Bruchteilseigentum Steuerbarkeit aus der Sicht der Umsatzsteuer anzunehmen sei7. Folgt man dem Gedanken der noch unverändert geltenden Verwaltungsanweisungen in Abschn. 5 Abs. 5 UStR 2008 war bisher die Übertragung eines Anteils an einem insgesamt umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück auf einen nichtunternehmerisch tätigen Dritten ein Vorgang, der wegen des Ausschlusses einer Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuer die Rechtsfolge einer Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG auslöste. Dies galt selbst dann, wenn mit dem nunmehr in Bruchteilseigentum befindlichen Grundstück unverändert die Vermietungstätigkeit fortgesetzt wurde. Begründet wurde dies häufig mit der Behauptung, dass die Bruchteilsgemeinschaft erst mit Übertragung des Anteils auf einen Dritten bei gleichzeitiger (steuerpflichtiger) Entnahme des zurückbehaltenen Anteils und dessen Einbringung entstehe. Diese „logische Sekunde“ hat der BFH in seiner Entscheidung vom 6.9.2007 – V R 41/058 – unter Bezugnahme auf § 571 BGB a. F. verneint. Die Bruchteilsgemeinschaft trete kraft Gesetzes gleichzeitig mit ihrer Entstehung in die bestehenden Mietverträge ein. Insofern gäbe es keinen Anlass zur Annahme einer Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG. Vielmehr handele es sich bei der Übertragung um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn das bisher vom Alleineigentümer vermietete Grundstück von der Bruchteilsgemeinschaft unverändert als Vermietungsunternehmen fortgeführt wird. Sofern die eingebrachten Wirtschaftsgüter einen für sich „lebensfähigen Organismus“ zur Aufnahme oder Fortführung einer unternehmerischen Tätigkeit begründen, wäre auch in diesen Fällen keine aus der Sicht der Umsatzsteuer steuerbare Transaktion anzunehmen. Dies gilt – entgegen noch weitverbreiteter Ansicht der Verwaltung – auch dann, wenn ein Einzelunternehmer bisher seinem Unternehmen zugeordnete Vermietungsobjekte als Sacheinlage in eine Bruchteilsgemeinschaft einbringt und diese die Vermietungstätigkeit fortführt. Selbst wenn Teile des Grundstücks vom Unternehmer zur Eigennutzung zurückbehalten werden, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen, sofern der eigen genutzte Grundstücksanteil das Bruchteilseigentum des Unternehmers nicht übersteigt9.
__________ 7 Vgl. hierzu Winter, UR 2003, 278. 8 DB 2007, 2352. 9 BFH vom 22.11.2007, V R 5/06, BStBl. II 2008, 448.
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Die Änderung der Rechtsprechung des BFH war längst überfällig, viele „gekünstelte“ Gestaltungen im Bereich der Strukturierung von Bruchteilsgemeinschaften können seitdem entfallen. 4. Personengesellschaften dürfen nicht abweichend behandelt werden Nichts anderes sollte dann auch bei der Einbringung von Vermögensgegenständen in eine Personengesellschaft gelten. Wenn der BFH in seinem Urteil vom 22.11.2007 betont, dass sich die bei Bruchteilsgemeinschaften bestehende Rechtslage von der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung bei Personengesellschaften unterscheide, so betrifft das zunächst nur das zivilrechtliche Verständnis der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensform. In der Tat steht anders als bei der Bruchteilsgemeinschaft dem Gesellschafter einer Personengesellschaft „nur“ ein Anteil am Gesamthandsvermögen zu, nicht aber ein Anteil an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Hieraus wird nun immer noch häufig geschlossen, dass die (Rück-) Übertragung eines im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft befindlichen Wirtschaftsguts an den Gesellschafter gegen Minderung seiner Anteile immer zu einer unentgeltlichen Wertabgabe führe. Dies ist m. E. dann nicht haltbar, wenn der Gegenstand in der unternehmerischen Sphäre des (ehemaligen) Anteilseigners verbleibt. Nutzt der Gesellschafter das Wirtschaftsgut weiterhin (nunmehr) im Rahmen seines Unternehmens zur Ausführung gleichgelagerter wirtschaftlicher Tätigkeiten, liegen die Voraussetzungen einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung vor. Dies kann aber nach den Grundsätzen der oben zitierten EuGH- und BFH-Rechtsprechung nicht gelten, wenn z. B. ein Betriebsgrundstück dem Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft zugeordnet war und nach Veräußerung an den Gesellschafter unter Minderung seiner Gesellschaftsanteile im Unternehmen des Gesellschafters an die Gesellschaft zurückvermietet wird. Hier wird kein Vermietungsunternehmen fortgeführt, weil dies vorher nicht existierte10. Vielmehr kommt es in diesem Fall zwangsläufig zu einer steuerbaren Lieferung des Grundstücks an den Gesellschafter mit Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuer. Die (nichtsteuerbare) Gegenleistung des Gesellschafters liegt in der Minderung seiner Gesellschaftsanteile. Nichtsteuerbarkeit im Sinne der Rechtsprechung bei Bruchteilsgemeinschaften muss aber m. E. auch dann gegeben sein, wenn das Grundstück z. B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von der Gesellschaft auf den Gesellschafter gegen Minderung seiner Gesellschaftsrechte übertragen und nach Übereignung vom Begünstigten wieder in die Gesellschaft gegen Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung eingebracht wird. Das Grundstück verbleibt im Rahmen dieser Transaktionen immer in der unternehmerischen Sphäre „Personengesellschaft“ und wird weiterhin zur Ausführung wirtschaftlicher Tätigkeiten (der Gesellschaft) genutzt11.
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10 Vgl. hierzu BFH vom 18.1.2005 – V R 53/02, BStBl. 2007 II 370. 11 In diesem Sinne wohl auch Klenk in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 9, Anm. 47.
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Nichtsteuerbare Vermögensübertragungen bei Fortführung der untern. Tätigkeit
III. Anwendungs- und Abgrenzungsprobleme 1. Nicht jede Vermögensübertragung entzieht sich der Umsatzsteuer Natürlich ist es „elegant“, bestimmte Sachverhalte heute mit der Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG zu lösen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Keine Vorsteuerberichtigung bei noch nicht abgelaufenem Berichtigungszeitraum gem. § 15a Abs. 1 UStG, Übergang der Verantwortung für die Überwachung der umsatzsteuerlichen Verhältnisse und für deren Konsequenzen auf den Erwerber und keine leidigen Diskussionen um die Höhe der anzuwendenden Bemessungsgrundlage. Andererseits entzieht sich nicht jede Vermögenstransaktion der Umsatzsteuer. Stadie weist zu Recht darauf hin, dass es zur Annahme einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung der Übertragung von Wirtschaftsgütern (Assets) bedarf. In der Tat ist dies bei Bruchteilseigentum jeweils zu unterstellen. Bei Personengesellschaften mit ihrem Gesamthandseigentum und der Stellung der Gesellschafter als umsatzsteuerrechtliche Nichtunternehmer ist das schon zu bezweifeln. Dagegen muss in der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach mehrheitlicher Auffassung in der Literatur12 die Übereignung des Vermögens des Unternehmens ausgeschlossen werden, weil die Kapitalgesellschaft als juristische Person Eigentümerin des Vermögens bleibt. Insofern verbleibt ein weites Feld für umsatzsteuerliche Zweifelsfragen bei Vermögensübertragungen, die zunächst bei der Frage beginnen, inwieweit Beteiligungen überhaupt der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden können. 2. Zuordnung zum Unternehmensvermögen bei Bruchteilsgemeinschaften Spätestens mit der Entscheidung des EuGH vom 21.4.2005 in der Rechtssache C-25/03 (HE)13 ist umsatzsteuerlich auch klargestellt, wie der Vorsteuerabzug eines im Bruchteilseigentum (z. B. einer Ehegattengemeinschaft) stehenden Wirtschaftsguts bei selbständiger unternehmerischer Nutzung eines Bruchteils durch einen Miteigentümer (hier: Nutzung eines Raumes als häusliches Arbeitszimmer durch einen der Ehegatten mit 1/4 Eigentumsanteil) zu beurteilen ist: „Im Fall der Bestellung eines Investitionsguts durch eine Ehegattengemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. der 6. EG-Richtlinie ausübt, sind die Miteigentümer, die diese Gemeinschaft bilden, für die Zwecke der Anwendung der 6. EGRichtlinie als Leistungsempfänger anzusehen.“14 Dem Ehegatten, der einen dem Unternehmensvermögen zugeordneten Teil (einen Raum) des Gebäudes ausschließlich für unternehmerische Zwecke verwendet, steht „das Recht auf Vorsteuerabzug für die gesamte Mehrwertsteuerbelastung des von ihm für unternehmerische Zwecke verwendeten Teils des Gegenstands zu, sofern der
__________ 12 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG § 2, Anm. 609.3. 13 UR 2005, 324. 14 EuGH vom 21.4.2005, a. a. O.
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Abzugsbetrag nicht über den Miteigentumsanteil des Steuerpflichtigen an dem Gegenstand hinausgeht“15. Im ersten Moment erscheint das Ergebnis des EuGH wie ein juristischer Kunstkniff, der so gar nicht in unser deutsches zivilrechtliches Verständnis passt. Er ist aber unter Berücksichtigung der Systematik des Gemeinschaftsrechts nicht zu beanstanden. Jeder Unternehmer ist in Bezug auf die von ihm ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit separat zu betrachten. Übt der Ehegatte eine selbständige berufliche Tätigkeit in einem von der Ehegattengemeinschaft genutzten Gebäude aus, muss er in Bezug auf die Anschaffung der von ihm für wirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Fläche als Leistungsempfänger angesehen werden. Das Zuordnungskriterium ergibt sich aber nach meinem Verständnis allein aus der Tatsache, dass die Bruchteilsgemeinschaft im vorliegenden Sachverhalt keine Vermietungsumsätze an den unternehmerisch tätigen Bruchteilseigentümer ausführte. Damit liegt diese Wertung auf der Linie des BFH-Urteils vom 1.10.1998, V R 31/9816. Mehrere Landwirte erwarben als Bruchteilsberechtigte gemeinsam einen Mähdrescher, den sie jeweils in ihren eigenen landwirtschaftlichen Betrieben einsetzten. Die Bruchteilsgemeinschaft selbst erzielte keine eigenen entgeltlichen Leistungen. Fraglich ist nun, wer in diesen Fällen bei einer Veräußerung des Bruchteilseigentums umsatzsteuerlich als leistender Unternehmer anzusehen ist bzw. ob auch hier eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung angenommen werden kann. Für den im Bruchteilseigentum befindlichen Mähdrescher liegt es auf der Hand: Die Veräußerung ist jedem einzelnen Landwirt in Höhe seines Bruchteilseigentums zuzurechnen. Da der Mähdrescher nicht dem Unternehmen der Bruchteilsgemeinschaft (über die Vornahme des Vorsteuerabzugs) zuzuordnen war, scheidet eine Veräußerung durch die Bruchteilsgemeinschaft aus. Auch die Annahme einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung ist auszuschließen, weil allein mit diesem Wirtschaftsgut die Fortführung eines Unternehmens nicht gewährleistet werden kann. Im Falle der dem Unternehmen des Ehegatten zugeordneten Grundstückfläche der Ehegattengemeinschaft ließe sich eine Veräußerung (des Arbeitszimmers) durch den Ehegatten nur dann annehmen, wenn der Erwerber die gleichen Grundstücksanteile für sein Unternehmen (weiter) nutzte. Anderenfalls führte die Veräußerung der Immobilie durch die Ehegattengemeinschaft zu einer Änderung der Verwendungsverhältnisse für das Arbeitszimmer und damit unter den Voraussetzungen des § 15a UStG zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim unternehmerisch tätigen Ehegatten. 3. Vorsteuerabzug aus Beteiligungsaufwand bei Personengesellschaften Es ist nunmehr zum Allgemeingut geworden, dass Bareinlagen im Zusammenhang mit der Gründung einer Personengesellschaft weder aus der Sicht des Gesellschafters noch aus der Sicht der Gesellschaft wirtschaftliche Tätigkeiten
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15 Ebenda. 16 BStBl. II 2008 497.
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begründen17. Dagegen sollen nach der Rechtsprechung des BFH Sacheinlagen dann einen steuerbaren Umsatz aus der Sicht des Gesellschafters begründen, wenn diese bisher dem Unternehmen des Gesellschafters zugeordnet waren. Die Einbringung von Wirtschaftsgütern eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen unterliegt der Umsatzsteuer, sofern nicht die Voraussetzungen einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1 UStG vorliegen18. Welche Probleme mit dieser Rechtstheorie verbunden sind, kann nur der Praktiker nachempfinden. Gelingt es nicht, die Einbringung unter den Voraussetzungen einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung ohne Umsatzsteuerbelastung zu gestalten, stellen sich die Fragen nach der Vorsteuerabzugsmöglichkeit der Gesellschaft, der Höhe der Bemessungsgrundlage oder gar einer unentgeltlichen Wertabgabe. Hinsichtlich der Möglichkeit einer Zuordnung zum Unternehmensvermögen und damit des Vorsteuerabzugs wird m. E. das Neutralitätsprinzip der Umsatzsteuer gänzlich verletzt. Handelt der Gesellschafter bei der Einbringung einer Sacheinlage anders als bei einer Bareinlage im Leistungsaustausch? Oder ist nicht eher die Einbringung einer Sacheinlage lediglich Reflex der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft, die in diesem Zusammenhang auf ihren Gesellschafter ausstrahlt19. Unter dem Neutralitätsgesichtspunkt der Umsatzsteuer ist Stadie vollends zuzustimmen. Warum sollen die Aufwendungen für den Pkw des geschäftsführenden Gesellschafters, den dieser der Gesellschaft unentgeltlich überlässt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen? Allein die fehlende Entgeltlichkeit kann für das Kriterium der unternehmerischen Nutzung auch nach meiner Ansicht nicht entscheidend sein. Andererseits muss wohl an dieser Stelle eingewandt werden, dass die Zuordnung zum Unternehmensvermögen seit geraumer Zeit im Umsatzsteuerrecht einer Absichtserklärung des Erwerbers bedarf. Kann er glaubhaft machen, dass er zum Zeitpunkt der Anschaffung der Wirtschaftsgüter die Absicht hatte, diese für eine (vorsteuerunschädliche) wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, steht ihm der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Anschaffung zu. Diese mit der EuGH-Rechtsprechung entwickelte Konzeption hat nicht nur einen positiven Effekt. Schafft der (potentielle spätere) Gesellschafter einen Pkw zunächst ausschließlich zur Privatnutzung an, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Dies gilt eben auch, wenn er später unternehmerisch tätig wird und den Pkw diesem Unternehmen nachträglich zuordnet. Diese spätere Einlage berechtigt weder zum Vorsteuerabzug noch zur Vorsteuerberichtigung, mit der anteilig der ursprünglich nicht mögliche Vorsteuerabzug nachgeholt werden könnte. Das Recht auf Vorsteuerabzug hat nur derjenige, der beim Erwerb „als Steuerpflichtiger“ handelt. Dafür kann auch die Absicht auf (erstmalige) unternehmerische Verwendung des Gegenstands ausreichen. Der spätere Wechsel „zum
__________ 17 EuGH-Urteil vom 26.6.2003 – C-442/01 – KapHag Renditefonds, UR 2003, 443. 18 BFH-Urteile vom 8.11.1995, XI R 63/94, BStBl II 1996 114, und vom 13.11.2003,V R 79/01, BStBl II 2004 375. 19 Stadie vertritt vehement diese Auffassung gegen die herrschende Meinung, vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 UStG, Anm. 83 ff.
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Unternehmer“ begründet kein nachträgliches Abzugsrecht20. Insofern bleibt Stadies Forderung an dieser Stelle Wunschdenken, weil kein Anteilseigner als solcher oder mit der Absicht, es zu werden, geboren wird. Wir müssen wohl weiter davon ausgehen, dass die Sacheinlage nur dann umsatzsteuerentlastet erfolgen kann, wenn entweder – das Unternehmen des Gesellschafters als Ganzes in die Gesellschaft eingebracht und von ihr fortgeführt wird oder – der Berichtigungszeitraum gem. § 15a UStG des dem Unternehmen des Gesellschafters entnommenen Wirtschaftsguts bereits abgelaufen ist und – bei unvermeidbarer Annahme eines steuerbaren Leistungsaustauschs die Gesellschaft zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die damit verbundenen Aufwendungen berechtigen den Gesellschafter nur dann zum Vorsteuerabzug, wenn es sich um Leistungen für sein Unternehmen handelt. 4. Die Kasuistik der Finanzverwaltung Für die Zuordnung von Aufwendungen zum Unternehmen im Zusammenhang mit dem Erwerb, dem Halten und der Veräußerung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen hat die Finanzverwaltung eine eigene Kasuistik entwickelt21. Sie geht dann von der Möglichkeit einer Zuordnung zum Unternehmen des Gesellschafters aus, wenn die Beteiligungen selbst den Unternehmensgegenstand bilden (gewerblicher Wertpapierhandel), der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit (z. B. Sicherung günstiger Einkaufskonditionen, Verschaffung von Einfluss bei potenziellen Konkurrenten, Sicherung günstiger Absatzkonditionen) dienen oder sie zum Zweck des unmittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, erfolgen. Letzteres soll dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG, z. B. durch das entgeltliche Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft belegt werden22. Zwischen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Haupttätigkeit soll ein erkennbarer und objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Dies sei nach der Rechtsprechung des EuGH der Fall, wenn die Aufwendungen für die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu den Kostenelementen der Umsätze aus der Haupttätigkeit gehören23. Nur unter diesen Voraussetzungen sei deshalb, das Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen als unternehmerische Tätigkeit anzusehen und damit ein Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen zulässig. Natürlich fragt sich der Rechtsanwender,
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20 EuGH vom 2.6.2005 – C-378/02 – Waterschap Zeeuws Vlaanderen, BFH/NV Beilage 2005 S. 323. 21 BMF-Schreiben vom 26.1.2007, BStBl I 2007, 211. 22 BMF-Schreiben vom 26.1.2007, Tz. 7, a. a. O. 23 Vgl. EuGH vom 26.5.2005 – C-465/03 – Kretztechnik AG, UR 2005, 382.
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Nichtsteuerbare Vermögensübertragungen bei Fortführung der untern. Tätigkeit
wie der Beteiligungsaufwand seinen Niederschlag in der Preiskalkulation der Erzeugnisse und Dienstleistungen des Steuerpflichtigen findet und wie dies z. B. im Rahmen einer Außenprüfung glaubhaft nachgewiesen werden kann. Also verbleibt dem Steuerpflichtigen nur die Einsicht, möglichst zu allen Gesellschaften, an denen er Beteiligungen hält, entgeltliche Leistungen in nicht unerheblichem Umfang zu erbringen, damit ihm das Vorsteuerabzugsrecht aus dem Beteiligungsaufwand zusteht. Seit Einführung dieses Kriteriums wird in der Rechtsprechung und in der Literatur über die Anforderungen an die entgeltliche Leistungstätigkeit einer Holding gegenüber ihren Beteiligungsgesellschaften heftig diskutiert. Dabei geht es nicht nur um den Wertumfang, der hinsichtlich der Anerkennung eines Vorsteuerabzugs durch die Finanzverwaltung schon eine gewisse Rolle spielt. Es geht auch um Fragen der Personalausstattung, der Anerkennung des Vorliegens einer Dienstleistungskommission (Weiterbelastung von Leistungen Dritter im eigenen Namen) u. a.24 Verwunderlich ist dabei nur, dass der eigentliche Kern des Umsatzsteuerrechts, ihre Neutralität im unternehmerischen Bereich und die ausschließliche Belastung des privaten Verbrauchs häufig auf der Strecke bleiben. Erinnern wir uns an den Maßstab Schaumburgs für Vermögensübertragungen im unternehmerischen Bereich, bleibt die bittere Erkenntnis, dass wir hier wohl mit unseren Erkenntnissen noch nicht am Ende sind.
IV. Resümee und Ausblick Die Nichtsteuerbarkeit von Vermögensübertragungen stößt dann an ihre Grenzen, wenn wie beim Erwerb oder der Veräußerung einer Beteiligung immense Aufwendungen zu einer Umsatzsteuerkumulation führen. Eine derartige Definitivbelastung ist dann nicht zu rechtfertigen, wenn die an sich nicht steuerbaren Tätigkeiten Mittel zum Zweck der Ausführung steuerbarer und vorsteuerunschädlicher Umsätze sind. Lassen wir uns von diesem theoretischen Ansatz leiten, ist das bisherige Herangehen für die Prüfung der Vorsteuerabzugsberechtigung im Zusammenhang mit dem Erwerb, dem Halten und der Veräußerung von Beteiligungen nicht konsequent zu Ende gedacht. Wir bewegen uns einseitig auf der Ebene des Gesellschafters, analysieren dessen Unternehmereigenschaft mit kaum glaubhaft zu machenden Abgrenzungskriterien und lassen die Ebene der Gesellschaft völlig außer Betracht. Ist es überhaupt richtig, die (mittelbare) Zuordnung zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit und damit des Vorsteuerabzugsrechts auf der Ebene des Anteilseigners festzumachen? Wenn wir einerseits vom EuGH in einer Fülle von Entscheidungen gelehrt bekommen, dass der Anteilseigner mit der Ausübung seiner Rechte als
__________ 24 Während z. B. von Streit, UR 2003, 1, und Eggers, WPg 2007, 616, einen Vorsteuerabzug bei entgeltlicher Tätigkeit von Holdinggesellschaften grundsätzlich bejahen, ziehen Wäger (in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht, Köln 2007, S. 87 ff.) und Englisch, UR 2007, 290, hier die Grenzen schon enger, ohne sich auf bestimmte Kriterien festzulegen.
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Aktionär oder Gesellschafter keine Leistung gegen Entgelt erbringt, warum sollen wir ihn durch gekünstelte Gestaltungen auf der Suche nach entgeltlichen Leistungen nun wieder zum Unternehmer trimmen? Natürlich besteht das Ziel darin, den Vorsteuerabzug aus dem Beteiligungsaufwand beim Gesellschafter zu retten! Hiergegen mag nun aber durchaus im Sinne von Schaumburg eingewandt werden, dass der Beteiligungsaufwand letztlich immer im unternehmerischen Bereich verbleibt, wenn er dem Erwerb und der Veräußerung einer Gesellschaft dient, die „besteuerte“ Umsätze ausführt. Insofern wäre der Vorsteuerabzug aus dem Beteiligungsaufwand an den umsatzsteuerlichen Verhältnissen der Beteiligungsgesellschaft auszurichten, aber dem Gesellschafter zu gewähren, der letztlich auch den Aufwand trägt. Natürlich mag das Ergebnis im ersten Moment verblüffen, weil sich der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers (hier: des Gesellschafters) an der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Dritten (hier: der Gesellschaft) orientiert. Letztlich ist es aber stimmig, weil die Umsatzbesteuerung darauf gerichtet ist, nur den privaten Konsum der Besteuerung zu unterwerfen, wozu systemgerecht auch die Belastung der Eingangsleistungen bei vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört.
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Klimawandel Inhaltsübersicht I. Einführung II. Vertrauen oder Kontrolle III. Veränderungen in der Steuerrechtslage IV. Veränderungen in der Besteuerungspraxis V. Die Bedeutung des Steuerstrafrechts 1. Auslandsbeziehungen 2. Das Ermittlungsverfahren als „Besteuerungsverfahrensbeschleunigungsmaßnahme“
VI. Veränderungen der Strafrechtslage 1. Überwachung der Telekommunikation 2. Besonders schwere Fälle 3. Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung VII. Veränderungen der Strafrechtspraxis VIII. Ergebnis
Aus dem umfangreichen Werk des Jubilars sind namentlich Beiträge zum internationalen Steuerrecht nicht wegzudenken. Hierzu gehören auch solche, die sich mit steuerstrafrechtlichen Grenzen, mit Korruption und Gestaltungsmissbrauch beschäftigen. Vielfach geht es um die Frage, inwiefern strafrechtliche Grenzen für steuerliche Gestaltungen bestehen. In dem folgenden Beitrag soll gezeigt werden, wie sehr steuerstrafrechtliche Fragestellungen auch in der gestaltenden Beratungspraxis an Bedeutung gewinnen.
I. Einführung Ob wir uns meteorologisch in einem Klimawandel befinden oder die Erwärmung der letzten Zeit etwas völlig Normales ist, ist unter den Gelehrten umstritten. Der Klimawandel, von dem ich sprechen möchte, wohl eher nicht. Es geht um Veränderungen im Umgang miteinander, konkret: Um den Umgang der Finanzverwaltung mit dem Steuerpflichtigen, insbesondere in der Außenprüfung. Aber auch um den Umgang mit Menschen, die sich steuerstrafrechtlich schuldig gemacht haben. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sehr sich die Dinge verändert haben und welche Veränderungen uns bevorstehen.
II. Vertrauen oder Kontrolle Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Lenin soll dies gesagt haben, als er die parteiinternen Kontrollorgane in eine parteitreue Geheimpolizei – die Tscheka – umwandelte. Soweit sind wir noch nicht, immerhin ist die Außenprüfung auf eine Kontrolle ausgelegt. 1225
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Und diese Kontrolle ist von Verfassungs wegen geboten. Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass sich der Gesetzgeber nicht darauf beschränken darf, eine wahrheitsgemäße Deklaration von Einkünften durch Steuerpflichtige zu erwarten, sondern dass die entsprechenden Erklärungen auch verifiziert werden müssen bzw. die Möglichkeit geschaffen werden muss, eine solche Verifikation vorzunehmen1. Ein Mittel der Verifikation ist und war die Außenprüfung, die freilich an personelle Grenzen stößt. Großunternehmen und Konzerne werden zwar anschlussgeprüft, bei Mittel-, Klein- oder gar Kleinstbetrieben ist jedoch die Prüfungsfrequenz zum Teil deutlich defizitär. Umso wichtiger ist es für die Finanzverwaltung, herauszufinden, wo sich das Prüfen im Sinne von Mehrergebnissen, aber auch von Abschreckung, wirklich lohnt. Denn selbst bei der Prüfung von Großbetrieben und Konzernen gibt es Kapazitätsprobleme. Hinzu kommen rechtliche Grenzen. Sobald es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht, sind die deutschen Finanzbehörden auf die Amtshilfe beziehungsweise Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen. Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bei grenzüberschreitenden Sachverhalten erhöhte Mitwirkungspflichten aufgestellt hat2, und im Grundsatz ist es auch nicht verwerflich, eine verstärkte Dokumentation etwa im Hinblick auf Verrechnungspreise zu verlangen3. Eine andere Frage ist die Ausgestaltung dieser Anforderungen und die Sanktionierung von Verstößen gegen Dokumentationspflichten4. Klar ist, dass diese Bereiche Schwerpunkte der Außenprüfung sind. Im Übrigen müssen ohnehin Prüfungsschwerpunkte gebildet werden, da eine flächendeckende Überprüfung des Zahlenwerks viel zu aufwendig ist. Welche es sind, war oftmals eine Frage des Zufalls, heute mag es eine Frage der elektronischen Datenverarbeitung sein.
III. Veränderungen in der Steuerrechtslage 1. Klimatisch abkühlend wirkt eine Gemengelage von Steuerrecht und verschärfter Bekämpfung der Korruption. a) Seit dem 1.1.1996 ist der Betriebsausgabenzug von nützlichen Aufwendungen bzw. Schmiergeldern nur noch eingeschränkt möglich. Allerdings setzte das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG a. F. voraus, dass es insofern zu Reaktionen der Strafjustiz kam5. Die Anknüpfung an die bloße Strafbarkeit
__________ 1 BVerfG v. 26.9.1991, BStBl. II 1991, 654; v. 9.3.2004, BStBl. II 2005, 56; v. 29.8.2006, UR 2007, 141. 2 § 90 Abs. 2 und 3 AO. 3 § 162 Ab. 3 und 4 AO. 4 Vgl. Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65. 5 Nicht abzugsfähig war eine Betriebsausgabe, „wenn wegen der Zuwendung oder des Empfangs der Vorteile eine rechtskräftige Verurteilung nach einem Strafgesetz erfolgt ist oder das Verfahren gemäß den §§ 153 bis 154 e der Strafprozessordnung eingestellt worden ist, oder wenn wegen der Zuwendung oder des Empfangs der Zuwendung ein Bußgeld rechtskräftig verhängt worden ist.“
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wurde u. a. mit dem Argument abgelehnt, die Finanzbehörden seien gar nicht in der Lage, über die Strafbarkeit einer Vorteilszuwendung zu entscheiden6. Da die Versagung der Abzugsfähigkeit von einer förmlichen Entscheidung der Justiz bzw. einer Verwaltungsbehörde (im Ordnungswidrigkeitenverfahren) abhing, musste die Finanzverwaltung die Möglichkeit haben, solche Entscheidungen zu initiieren. Ein Satz 2 verpflichtete daher die Finanzverwaltung, den Verdacht solcher Straftaten der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Die Regelung hatte zum Teil massive Kritik hervorgerufen7, wurde gar als „Windei“ bezeichnet8. Bedeutsam war, dass mit einer solchen Regelung Auslandstaten nicht erfasst wurden. Das Abstellen auf die Bestrafung und damit die Strafbarkeit nach deutschem Recht setzte insoweit voraus, dass auch die Bestechung ausländischer Amtsträger nach dem nationalen Recht strafbar war. Der Begriff des Amtsträgers, wie er im Strafgesetzbuch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 10 EStG vorhanden war, erfasste aber nur denjenigen, der nach deutschem Recht Beamter oder Richter usw. war. Zuwendungen an ausländische Amtsträger wurden durch dieses mittelbare Abzugsverbot regelmäßig nicht berührt, hier verblieb es bei der Rechtslage, die auch sonst bis zum 1.1.1996 galt. Mit dem Steuerreformgesetz 1999/2000/20029 wurde nicht mehr auf einzelne Strafvorschriften verwiesen, sondern abstrakt auf eine Strafbarkeit „wegen der Zuwendung“. Mit dem erst spät im Gesetzgebungsverfahren „wiederbelebten“ Satz 3 wurde die alte Mitteilungspflicht der Finanzbehörde beibehalten. Begründung: „Die Mitteilungspflicht ist zwar – anders als nach geltendem Recht, das auf eine rechtskräftige Verurteilung oder eine Einstellung des Strafverfahrens gemäß den §§ 153 bis 154e StPO abstellt – für das Funktionieren der steuerlichen Regelung nicht mehr erforderlich. Insbesondere generalpräventive Gesichtspunkte sprechen aber für eine Beibehaltung der Mitteilungspflicht.“ Die Finanzbehörde wird hier ebenso in den Dienst der Kriminalitätsbekämpfung gestellt wie bei der Geldwäsche oder der Schwarzarbeit (§§ 31a, b AO). b) Die Tragweite der Regelung wird erst so recht deutlich, wenn man die Strafrechtslage daneben stellt. Wer bis 1997 einem Amtsträger irgendeinen Vorteil zuwendete, wurde nur bestraft, wenn er dies als Gegenleistung für eine Diensthandlung tat. Gleiches galt für die Strafbarkeit des Amtsträgers. Seit August 1997 macht sich schon strafbar, wer sich oder einem Dritten einen Vorteil „für die Dienstausübung“ zuwenden lässt bzw. einem anderen einen solchen Vorteil zuwendet. Massive Veränderungen brachte das Gesetz zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Euro-
__________ 6 Vgl. Blümich/Meurer EStG/KStG § 4 Rz. 770. 7 Vgl. Müller-Franken, StuW 1997, 3 ff.; Rieß, wistra 1997, 137 ff.; Joecks, DStR 1997, 1023 ff. 8 Vgl. Salzberger/Theisen, DB 1996, 396. 9 BT-Drucks. 14/243.
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päischen Gemeinschaften (EUBestG) vom 10.9.199810. Die Bestimmungen sind seit dem 20.9.1998 in Kraft (Art. 4 Abs. 1) und erweitern den Anwendungsbereich der Bestechungstatbestände auf den Bereich der Europäischen Union11. Die gleichen Wirkungen für den „Rest der Welt“ hatte das IntBestG, das seit 15.2.1999 Bestechungen weltweit unter Strafe stellt12. Nicht erfasst sind Fälle der Vorteilsgewährung, also des bloßen „Geneigtmachens“, des „Anfütterns“. Damit sind steuerliche Probleme, insbesondere in der Außenprüfung vorprogrammiert. Da nur Bestechung, nicht jedoch Vorteilsgewährung zum Abzugsverbot führt, wird man sich jeweils streiten müssen, ob aufwendige Reisen, die ausländischen Amtsträgern finanziert wurden, nun „Anfüttern“ waren oder schon „Gegenleistung“ für die (pflichtwidrige) Diensthandlung. Nicht fern liegt es, dass man lieber auf den Betriebsausgabenabzug verzichtet, bevor die Staatsanwaltschaft zur Prüfung der schwierigen Abgrenzung zwischen den §§ 333, 334 StGB eingeschaltet wird. Die Rechtslage wurde weiter verschärft, als mit dem § 299 Abs. 3 StGB n. F. auch die Bestechung von Angestellten weltweit unter Strafe gestellt wurde13. Damit ist der Strafrechtsschutz weit reichend und eröffnet dem Abzugsverbot einen ebenso weiten Anwendungsbereich. c) Flankiert wird dies von der Mitteilungspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft. Nach Auffassung des BFH ist dabei die Finanzbehörde ohne eigene Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt, verpflichtet, die erlangten Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten14. Man mag dies bedauern oder einfach bedenken, dass die Geltendmachung solcher nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben regelmäßig schon den Verdacht der Steuerhinterziehung begründet und insofern die Staatsanwaltschaft ohnehin von dem Verfahren Kenntnis erlangen mag. 2. Ein weiterer Faktor für eine Veränderung in der Außenprüfung ist die Änderung der Betriebsprüfungsordnung, ehemals BpO St(euer) genannt. Die BpO15 forderte früher eine Einschaltung der Strafsachenstelle erst, wenn der Verdacht einer Steuerhinterziehung im Raum stand. Heute ergibt sich eine solche Pflicht schon dann, „wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss“ (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BpO). Nachdem einige Finanzbeamte, die das Auge zugedrückt hatten, mit Strafverfahren wegen Strafvereitelung im Amt überzogen worden waren, ist an der Basis der Betriebsprüfung eine Sensibilisierung eingetreten. Lieber einmal mehr als zuwenig die Strafsachenstelle informieren, scheint das Motto zu sein.
__________ 10 BGBl. II 1998, 2340. 11 Vgl. auch Zieschang, NJW 1999, 105. 12 „Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (IntBestG)“ vom 10.9.1998. 13 Dazu Randt, BB 2002, 2252. 14 BFH v. 14.7.2008 – VII B 92/08, BFHE 220, 348 = BStBl. II 2008, 850. 15 Vom 15.3.2000, BAnz 2000, 368.
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Dass es aber dem Klima der Prüfung nicht zuträglich ist, wenn man das Gefühl hat, der Gegenüber würde immer auch auf strafrechtliche Folgen des Mehrergebnisses schielen, liegt auf der Hand. Festzuhalten bleibt, dass die Finanzverwaltung in den Dienst der Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität gestellt wird und der Außenprüfer früher als bisher die Strafsachenstellen einschalten muss.
IV. Veränderungen in der Besteuerungspraxis 1) Manchmal hängt man in der Warteschleife eines Callcenters und bekommt beim besten Willen keine freie Leitung. Vielleicht hatte der Anrufer seine Telefonnummer als Kennung mitgeschickt. Dann könnte es nämlich sein, dass man den Betreffenden als nörgeligen Kunden erkannt hat. Es könnte aber auch sein, dass er nur in der falschen Straße wohnte. Die Unternehmen sammeln reichlich Daten, die ihnen die Bürger bereitwillig über Kundenkarten und Umfragen liefern, und ziehen ihre Schlüsse daraus. Es gibt dort einen Dreischritt: Erst werden Daten über Personen gesammelt, dann werden diese Daten mit einem Modell abgeglichen, und dann entscheidet – wer auch immer, z. B. der Computer – über die Einstufung einzelner Personen in eine Kategorie. Diesen Dreischritt finden wir in Unternehmen, wenn sie abschätzen wollen, wer Interesse an bestimmten Produkten hat, oder ob man bei einem Kunden eine Rechnung mitschickt oder lieber Vorkasse verlangt. Es sind Daten über das Einkommen, die Zahlungsmoral, den Lebensstil sowie Hobbys und andere Interessen. Die Modellbildung und automatische Sortierung entscheidet hier, welche Werbung man im Briefkasten findet, ob man höhere Kreditzinsen zahlen muss als andere und wie lange man im Callcenter auf eine freie Leitung warten muss. Die Wirtschaft ist erfindungsreich. Dieses Rating, Scoring und Profiling finden wir aber nicht nur in Handel und Industrie, sondern auch beim Staat. Begonnen hat dies insbesondere nach den schrecklichen Anschlägen in New York im September 2001. Besonders rührig sind hier die USA. Hier werden über 50 Datensätze von Flugpassagieren vor dem Betreten des Flugzeugs mit Datenbanken von FBI, Heimatschutz und Geheimdiensten abgeglichen. 2) Auch das Finanzamt kennt mittlerweile so etwas wie Scoring, Rating und Profiling. Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung begann in der Finanzverwaltung irgendwann in den frühen 80er Jahren. Die flächendeckende Umsetzung von der Erfassung der Steuerpflichtigen bis zur kassenmäßigen Abrechnung und Vollstreckung dauerte viele Jahre. Heute bestimmt die elektronische Verwaltung (sog. E-Government) zunehmend das Besteuerungsverfahren16. Das nunmehr mit Nachdruck vorangetriebene Projekt der elektronischen Steuererklärungen („ELSTER“) bildet nur eine
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16 Seer, DStR 2008, 1553.
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Facette der elektronischen Finanzverwaltung des 21. Jahrhunderts. Elektronische Datensammlung und -vernetzung, sog. Tax Compliance-Strategien, elektronische Risikomanagement-Systeme sowie die digitale Außenprüfung sind Realität. Das Tax-Compliance-Konzept bedient sich dabei zweier Wirkmechanismen im Sinne einer Doppelstrategie:17 – Ein umfangreiches Serviceangebot soll die Mitwirkungsbereitschaft der Steuerpflichtigen fördern. – Ein effektives Risiko-Management soll Fehlverhalten der Steuerpflichtigen aufdecken und mit spürbaren (abschreckenden) Sanktionen belegen (sog. Deterrence Strategy). Es wird ein elektronisches Datenblatt geben, in dem die relevanten Informationen des Steuerfalls zusammengefasst, die erkannten Risikobereiche genannt und eine Risikoklasseneinstufung vorgenommen werden18. Inzidenter wird ein Compliance-Faktor ausgewiesen, der an das Vorverhalten, z. B. an frühere BP-Ergebnisse, die Erklärungsabgabe, das Zahlungsverhalten, das Erfordernis von Schätzungen usw., anknüpft. 3) In diesen Kontext gehört auch die Schaffung einer lebenslangen bundesländerübergreifenden Steuernummer, die vom Gesetz vornehm PersonenIdentifikationsnummer genannt wird (§§ 139a ff. AO). Sie wird jedem einzelnen Bürger zugeteilt und künftig den Abgleich zwischen den Bundesländern und mittelfristig vielleicht auch mit anderen Behörden erleichtern. Aus verfassungsrechtlicher Sicht lässt sich hier wenig einwenden. Die Formulierungen in den Gesetzen sind nach allen Regeln der Kunst erfolgt und entsprechen den Anforderungen des BVerfG im Volkszählungsurteil und anderen Entscheidungen19. 4) Die Bundesländer haben sich in einem zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Verwaltungsabkommen verpflichtet, die in dem länderübergreifenden Projekt „koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung – KONSENS“ einheitlich entwickelte Software zu übernehmen. Mit diesem Projekt werden ein einheitliches Steuernummernsystem, ein bundesweiter Datenaustausch und die bundesweite Datenauswertung realisiert. 5) Diese Digitalisierung der Finanzverwaltung hat dann letztlich zwei Effekte: Zum einen braucht man weniger Personal, weil die Zulieferungen durch den Steuerpflichtigen erfolgen. Zum anderen kann man mithilfe der „Verkennzifferung“ herausfinden, wo man genauer hinschauen muss und wo nicht. Dies wird in den Unternehmen unterschiedlich wirken. Kleinere und mittlere Unternehmen werden insbesondere an den Zahlen von Wettbewerbern gemessen. Dort kommt überwiegend die Datenträgerüberlas-
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17 Seer, DStR 2008, 1554. 18 Seer, DStR 2008, 1555. 19 BVerfG v. 15.12.1983, BVerfGE 65, 1; v. 27.2.2008, BGBl. I 2008, 298; v. 11.3.2008, BGBl. I 2008, 541.
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sung (sog. Z-3-Zugriff) zur Anwendung. Damit wird es möglich, die auf dem Datenträger gespeicherten Unternehmensdaten auf behördeneigenen Rechnern anhand eines mittlerweile bundeseinheitlich verwendeten Prüf- und Analyseprogramms (IDEA) und dessen Erweiterung durch „AIS-Tax-Audit“ auszuwerten. Die Prüfsoftware enthält mathematische Wahrscheinlichkeitstests (z. B. CHI-Quadrat, Benford-Gesetz, Zeitreihenvergleich), die Auffälligkeiten vor allem im Bereich der Kasseneinnahmen aufdecken helfen. Dies ist allerdings weniger ein Prüfungsfeld für Konzerne. Aber auch diese „profitieren“ von der Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung. Während bislang die Prüfungshäufigkeit sich nach der Einteilung der BP-Fälle in Größenklassen richtete, wird künftig die Prüfungswürdigkeit anders bestimmt werden. Eine Arbeitsgruppe „BP-Strategie“ entwickelt neue Kriterien für eine am Steuerausfallrisiko orientierte Fallauswahl. Hierfür wird unter dem Titel „RMS Betriebsprüfung“ eine maschinelle Unterstützung vorbereitet20. 6) Allerdings setzen diese Einstufungen heute teilweise noch voraus, dass die Daten manuell erfasst werden müssen. Auch dies soll sich ändern. Das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens vom 20.12.2008 hat in § 5b EStG obligatorisch eine elektronische Übermittlung von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen ab dem 1.1.2011 vorgesehen21. Durch eine Verkennzifferung der Gewinnermittlung (Anlage EÜR, Steuerbilanz) soll es langfristig möglich sein, eine fundierte Vorab-Verprobung mittels in- und externen Betriebsvergleichs durchzuführen, um eine Prüfungsauswahl zielorientierter nach Maßgabe des Kontrollbedürfnisses sicherzustellen22. 7) Mit dem Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) in Bonn wurde zu Beginn des Jahres 2006 der größte IT-Dienstleister im zivilen Bereich der Bundesverwaltung geschaffen. Erkenntnisse aus den Außenprüfungen gehen in ein Betriebsprüfungsarchiv (§ 36 BpO), die nach den Ergebnissen von Außenprüfungen ermittelten branchenbezogenen Kennzahlen werden an das Bundeszentralamt für Steuern zur Aufnahme in eine zentrale Datenbank übermittelt (§ 37 BpO). Die zuständigen vorgesetzten Finanzbehörden sammeln als Hauptorte Unterlagen für einzelne Berufs- oder Wirtschaftszweige und werten sie aus, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BpO). Die Erkenntnisse werden den anderen vorgesetzten Finanzbehörden und dem Bundeszentralamt für Steuern regelmäßig mitgeteilt (§ 38 Abs. 2 BpO). Die Finanzverwaltung baut damit systematisch einen Datenpool auf, der auch bei Konzernen Verwerfungen leichter erkennen lässt. 8) Man mag darüber streiten, ob es den „gläsernen Steuerbürger“ schon gibt. Jedenfalls fehlt nicht mehr viel, bis die Gemengelage aus Identifikationsnum-
__________ 20 Schmidt, Moderne Steuerungssysteme im Steuervollzug, in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, DStJG 31 (2008), 37 (50). 21 BGBl. 2008, 2850; Seer, DStR 2008, 1555. 22 Seer, DStR 2008, 1555; s. auch Nagel/Waza, DStZ 2008, 312.
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mern, Verkennzifferungen und Datenaustausch ihn schaffen wird. Vieles wird für den Fiskus durchschaubarer werden. Der vermehrte Einsatz der EDV wird dazu führen, dass das bloße Störgefühl des Prüfers in dem Sinne rationalisiert wird, dass Zahlenkolonnen offenbar manipuliert sind, auffällige und nicht erklärte Unterschiede im Zeitreihenvergleich oder im Abgleich mit Wettbewerbern bestehen. Dies kann aus der bloßen Vermutung einen Verdacht machen.
V. Die Bedeutung des Steuerstrafrechts Dies bedeutet nicht schon zwingend, dass es zu „mehr Strafrecht“ kommen muss. Bislang wurden zwar bei einem Verdacht steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und in deren Folge kam es vielfach zu Durchsuchungen. Oftmals endeten die Verfahren aber überaus glimpflich. Nicht selten kam es zu tatsächlichen Verständigungen, die zwar zu einer hohen Steuerlast führten, im Hinblick auf die strafrechtliche Sanktionierung aber überaus großzügig waren. Dies musste nicht notwendig den Verzicht auf eine förmliche Bestrafung bedeuten, sondern konnte auch durchaus den Fall umfassen, dass trotz einer Hinterziehung in Millionenhöhe noch Freiheitsstrafen zur Bewährung verhängt wurden. Ob dies für die Zukunft so bleiben wird, ist aber angesichts aktueller Verschärfungen der Rechtslage und der neueren Rechtsprechung des BGH eher zweifelhaft. 1. Auslandsbeziehungen Keine großen Sorgen muss man sich allerdings machen, wo der Gesetzgeber mit gesteigerten Mitwirkungspflichten bei Auslandsbeziehungen und Pflichten zur Dokumentation die Besteuerung grenzüberschreitender Tätigkeiten erleichtern will. Solche Regelungen betreffen zunächst einmal „nur“ das Besteuerungsverfahren. Es mag zu einer Umkehr der Beweislast kommen oder zur Versagung des Abzugs von Betriebsausgaben, weil die Empfängerbenennung den Anforderungen nicht genügt. Strafrechtlich gilt aber der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“23. Eine Regelung in den „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“ vom 12.4.2005 hat insofern für Unruhe gesorgt24. Bei den Rechtsfolgen wird (Tz. 4.1) bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten als nachteilige Folge auch die Durchführung eines Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens angesprochen. Dieses „kommt z. B. in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisfestsetzung zuverlässige Fremdvergleichspreise bekannt waren, er diese aber aus Gründen der Steuerersparnis nicht verwendet hat, oder bei Verletzung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO“.
__________ 23 Klein/Rüsken, § 162 AO Rz. 18. 24 Vgl. Sidhu/Schemmel, BB 2005, 2549.
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Diese Aussage ist überaus problematisch: Liegt ein solcher Verdacht vor, ist der Steuerpflichtige zu belehren, dass er nicht mehr zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 393 Abs. 1 S. 4 AO). Eine Verletzung der Belehrungspflicht führt zur Unverwertbarkeit der Angaben des Steuerpflichtigen. Es wird insofern ein Zusammenhang zwischen Mitwirkung und Strafverfahren im Sinne von Wohlverhalten oder Repression suggeriert, den es schon von Verfassungs wegen („nemo tenetur se ipsum accusare“) nicht geben darf. Es handelt sich um „Säbelgerassel“. Der Verdacht einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung kann also nicht an die Verletzung von Mitwirkungs- oder Dokumentationspflichten anknüpfen, sondern nur an unrichtige Steuererklärungen, das Vorliegen einer Steuerverkürzung und des Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit. Für den Strafrichter muss sicher feststehen, dass der Steuerpflichtige z. B. unrichtige Angaben gemacht hat und es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Irgendwelche Beweiserleichterungen gibt es nicht, erst recht findet keine Umkehr der Beweislast statt. Weiterhin muss er davon überzeugt sein, dass der Steuerpflichtige bzw. ein für diesen handelnder Mensch auch vorsätzlich gehandelt hat. Die konkrete, verantwortliche Person muss identifiziert werden. Dies sind hohe Hürden, die überwunden werden müssen25. 2. Das Ermittlungsverfahren als „Besteuerungsverfahrensbeschleunigungsmaßnahme“ Allerdings ist nicht zu leugnen, dass das Steuerstrafrecht als Druckmittel eingesetzt werden kann. Informiert ein Prüfer die Strafsachenstelle, bedeutet dies zwar noch nicht automatisch die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens, denn die Unterrichtung nach § 10 BpO setzt keinen Verdacht im Sinne des Strafprozessrechts voraus. Die Einleitung ist aber möglich, wenn ein solcher Verdacht einer Steuerhinterziehung besteht. Dieser ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen nach kriminalistischer Erfahrung auf das Begangensein einer Steuerhinterziehung geschlossen werden kann. Die Anforderungen sind also deutlich niedriger als für eine Verurteilung, dieser Verdacht ermöglicht aber z. B. Durchsuchungen im Unternehmen, aber auch in den Wohnungen der Entscheidungsträger. Das Risiko ist also weniger die Verurteilung als das unter Umständen persönliche Betroffensein durch das Verfahren. Die eigentlichen Risiken in diesem Kontext von Auffälligkeiten und mangelnder Dokumentation bei Auslandsbeziehungen liegen eher in der Regelung in § 162 Abs. 3 und 4 AO und bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Der Umstand, dass das Strafrecht oftmals mehr ein Druckmittel war, bedeutet nicht, dass es keine Risiken gibt. § 130 OWiG schafft nämlich eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit des Inhabers von Betrieben oder Unternehmen,
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25 Siehe auch Sidhu/Schemmel, BB 2005, 2549 (2551).
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wenn es in diesen zu Zuwiderhandlungen gegen bestimmte zentrale Pflichten kommt, § 30 OWiG ermöglich die Verhängung von Sanktionen gegen Unternehmen. Die Höhe der Verbandsgeldbuße ergibt sich aus der in § 30 Abs. 2 OWiG vorgegebenen Systematik. Die Höchstgrenzen der Geldbuße (1 Million Euro bei vorsätzlicher Anknüpfungstat, 500.000 Euro bei einer fahrlässigen Anknüpfungstat) geben aber die Rechtslage nicht wieder, da nach § 17 Abs. 4 OWiG die Überschreitung des gesetzlich vorgesehenen Höchstmaßes erlaubt ist, wenn nur auf diese Weise der wirtschaftliche Vorteil aus der Ordnungswidrigkeit abgeschöpft werden kann26.
VI. Veränderungen der Strafrechtslage Während sich die Experten einig scheinen, dass die generalpräventive Wirkung des Strafrechts eher defizitär ist, setzt der Gesetzgeber offenbar nicht nur auf Compliance, sondern auch auf Strafrecht und Strafprozessrecht. Seit Januar 2008 darf in bestimmten Fällen der Steuerhinterziehung eine Überwachung der Telekommunikation erfolgen. Überdies sind die Anforderungen an einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO deutlich abgesenkt worden. Des Weiteren wurde mit dem JStG 2009 die Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehungen in bestimmten Konstellationen verlängert. 1. Überwachung der Telekommunikation Mit dem TKÜG27 ist für einige Fälle der Steuerhinterziehung nunmehr die Möglichkeit der Telefonüberwachung geschaffen worden. Seit 1.1.2008 kann nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 a StPO eine entsprechende Abhörmaßnahme auch bei einer Steuerhinterziehung „unter den in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO genannten Voraussetzungen“ erfolgen. Dass die gewonnenen Erkenntnisse auch in das Besteuerungsverfahren einfließen dürfen (§ 393 Abs. 3 AO n. F.), schafft geradezu einen Anreiz, von der Maßnahme in möglichst weitem Umfang Gebrauch zu machen. 2. Besonders schwere Fälle Ebenfalls zum 1.1.2008 ist es zu massiven Veränderungen bei den besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren) gekommen. Ging man bislang davon aus, dass eine Steuerhinterziehung aus grobem Eigennutz und in großem Ausmaß erst bei Millionenbeträgen in Frage kam28, hat der Gesetzgeber nunmehr auf das Erfordernis des groben Eigennutzes verzichtet. Der BGH hatte bereits zur vergleichbaren Regelung beim Betrugstat-
__________ 26 Vgl. § 30 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 4, § 18 OWiG. 27 Vom 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3198. 28 Vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, Kommentar, 6. Aufl. 2005, § 370 Rz. 270.
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bestand entschieden, dass ein großes Ausmaß ab 50.000 Euro in Betracht kommt29. Erwartungsgemäß soll dies auch für die Steuerhinterziehung gelten. Weiterhin wurde eine Nr. 5 eingefügt, die sich namentlich gegen Umsatzsteuerbetrügereien richtet. 3. Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung Schließlich wurde mit dem JStG 2009 die Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehungen in bestimmten Konstellationen verlängert. Wenn die Tat die Voraussetzungen des benannten besonders schweren Falles erfüllt, beträgt die Verjährung nunmehr 10 Jahre (§ 376 Abs. 1 AO n. F.). Begründet wird dies u. a. mit der Erwägung, damit könne man eine Harmonisierung mit der steuerlichen Festsetzungsfrist erreichen. Zutreffend ist dies nicht, da die Festsetzungsfrist kalenderjahrbezogen ist, während die Verfolgungsverjährung mit der Vollendung der Steuerhinterziehung taggenau beginnt. Die Neufassung gilt nach Art. 11 JStG 2009 bzw. § 23 EGAO für alle bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen. Nach Art. 39 Abs. 1 JStG 2009 tritt das Gesetz grundsätzlich am Tag nach der Verkündung in Kraft. Damit ist die Regelung am 25.12.2008 wirksam geworden. Sie erfasst alle Fälle, die die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO erfüllen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfolgungsverjährt waren. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Verlängerung der Verjährungsfrist bestehen im Grundsatz nicht. Zwar gilt grundsätzlich für Neuregelungen im Strafrecht, dass sie nicht zurückwirken. Das Rückwirkungsverbot (§ 2 Abs. 1 StGB) betrifft aber nicht Vorschriften, die ausschließlich die Verfolgungsvoraussetzungen betreffen oder sich als verfahrensrechtliche Vorschriften darstellen30. Da eine nachträgliche Verlängerung einer bereits verstrichenen Verjährungsfrist materiell einer Neubegründung der Strafbarkeit gleichkommt, ist allerdings eine Verlängerung nach Eintreten der (ursprünglich angeordneten) Verjährung ausgeschlossen31. Diese Grenzen hat der Gesetzgeber beachtet. Für die Fälle, die § 370 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 AO unterfallen, hat sich damit die Verjährungsfrist verdoppelt, wenn der Taterfolg nach dem 25.12.2003 eingetreten ist. Die Verschärfungen bei Steuerhinterziehungen in großem Ausmaß greifen erst für Taten ab 2008; gleiches gilt für die neue Nr. 5, die in Grenzen den zu Recht aufgehoben § 370a AO ablöst und insbesondere gegen Umsatzsteuerbetrügereien wirksam werden soll. Wer seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht hat (Nr. 2), die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbrauchte (Nr. 3) oder unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzte oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangte (Nr. 4) dürfte sofort in den „Genuss“ einer auch strafrechtlich zehnjährigen Verjährungsfrist
__________ 29 BGH v. 7.10.2003, BGHSt 48, 360. 30 MüKo-Schmitz, Rz. 17 zu § 1 StGB m. w. N. 31 BVerfG v. 26.2.1969, BVerfGE 25, 269 (291).
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kommen. Wegen der Mindeststrafdrohung für besonders schwere Fälle wird die Zahl der Verfahren zunehmen, in denen es statt Geldstrafen Freiheitsstrafen geben wird.
VII. Veränderungen der Strafrechtspraxis Dies hat auch mit einer sich andeutenden Verschärfung der Rechtsprechung zu tun. Der 5. Strafsenat hatte bitter beklagt, dass die Kapazitäten der Strafjustiz nicht ausreichten, um Wirtschaftsstrafverfahren und damit auch Steuerstrafverfahren angemessen abzuarbeiten und zu schuldangemessenen Strafen zu kommen32. Der seit dem 1.8.2008 für Revisionsentscheidungen über landgerichtliche Urteile in Steuerstrafsachen allein zuständige 1. Strafsenat hat in einer Grundsatzentscheidung vom 2.12.2008 in die nämliche Richtung judiziert und zugleich Maßstäbe für die gesetzeskonforme Abarbeitung von Steuerstrafverfahren aufgestellt. Der BGH33 geht für das große Ausmaß in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO n. F. grundsätzlich von 50.000 Euro aus, will dabei aber zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden differenzieren. Wer Erstattungen erschleicht, unterfällt der 50.000-Euro-Grenze34. Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt dies letztlich nur zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll das „große Ausmaß“ mit 100.000 Euro angesetzt werden35. Der BGH scheint dabei nicht nur an die Fälle des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu denken, denn zur Steuerverkürzung nach Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1) sagt das Urteil explizit nichts. Immerhin will der BGH nicht die Beträge addieren, die auf mehren Tathandlungen beruhen. Hat also jemand für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2007 jeweils 20.000 Euro hinterzogen, liegen nicht deshalb besonders schwere Fälle vor, weil es insgesamt um 100.000 Euro geht. Eine Addition will der Senat aber offenbar vornehmen, wenn tateinheitlich mehrere Taten begangen werden. Wer also in einem Umschlag eine unrichtige Erklärung zur Einkommen-, zur Umsatz- und zur Gewerbesteuer einreicht, muss sich gefallen lassen, dass die Beträge der drei Steuerarten addiert werden. Dies erstaunt. Der erfahrene Kriminelle wird daraus schließen, dass er lieber drei Umschläge einzeln einwerfen sollte. Der Unterlassungstäter kann ruhig bleiben, weil bei Nichtabgabe von Steuererklärungen immer Tatmehrheit vorliegt, und er damit besser behandelt wird. Es kann kaum überzeugen, dass die Einstufung als besonders schwerer Fall mit den massiven Konsequenzen für die strafrechtliche
__________ 32 33 34 35
BGH v. 2.12.2005, BGHSt 50, 299. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 34. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 38. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 39.
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Verjährung davon abhängen soll, ob Erklärungen in einem oder drei Umschlägen eingereicht wurden. Die Grundsatzentscheidung des 1. Strafsenats mag überdies bewirken, dass die Großzügigkeit, mit der auch bei Hinterziehungen in Millionenhöhe Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurden, ein Ende haben wird. Andererseits sind die Ausführungen in der Entscheidung so, dass auch bei an sich verschärften Anforderungen der „klassische“ Fall, dass der Täter geständig ist und die verkürzten Steuern nachentrichtet36, noch zu einer Bewährungsstrafe führen kann. Dabei stellt der Senat nicht zuletzt darauf ab, in welcher Relation die verkürzten Steuern zu den sonst erklärten und bezahlten stehen. Wenn es dann auch noch darauf ankommen kann, wie es mit der Lebensleistung des Täters steht37, wird klar, dass es bei einem Manager, der erhebliche Steuern zahlt und ein Auslandskonto „vergessen“ hat, auch bei siebenstelligen Beträgen noch eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommen mag, wenn er (frühzeitig) gesteht und die hinterzogenen Steuern nachentrichtet wurden. Zu höheren Strafen mag es bei solchen Tätern kommen, die das Finanzamt „als Bank“38 betrachteten oder die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise gewerbsmäßig oder gar „als Gewerbe“ betreiben. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwendigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken39. Namentlich bei den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. „Serviceunternehmen“ und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen will der BGH regelmäßig strafschärfende Gründe bejahen40. Ob sich die Praxis auf § 376 Abs. 1 AO i. V. m. § 370 Abs. 3 Satz 2 AO wirklich einlassen wird, bleibt abzuwarten. Das Legalitätsprinzip verpflichtet zwar, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Dementsprechend muss bei einem entsprechenden Anfangsverdacht auch eine Erstreckung der Ermittlungsmaßnahmen auf die Altjahre erfolgen. Ob diese dann tatsächlich angeklagt oder etwa nach § 154 StPO eingestellt werden, ist eine andere Frage. Insbesondere vor dem Hintergrund der sich andeutenden Verschärfung der Bestrafung der Steuerhinterziehung wird es in vielfältiger Weise zu Vereinbarungen kommen, nach denen man sich als Betroffener nicht gegen die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist wehrt, und andererseits die Altjahre nach § 154 StPO eingestellt werden, um das Anklagevolumen nicht in einen Bereich zu bringen, in dem nur noch Gesamt-Freiheitsstrafen ohne Bewährung vertretbar sind.
__________ 36 37 38 39 40
BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 45. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 45. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 46. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 46. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BB 2008, 2712 Rz. 47.
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VIII. Ergebnis Die Rolle des Steuerstrafrechts wird weiter wachsen. Grund ist neben den besseren Möglichkeiten einer Prüfung von Angaben des Steuerpflichtigen die Verschärfung der Rechtslage – viele Verfahren werden ein großes Ausmaß an Verkürzung aufweisen, wegen der verlängerten Verjährung können doppelt so viele Veranlagungszeiträume verfolgt werden. Zudem werden die Anforderungen, die der 1. Strafsenat für die schuldangemessene Sanktionierung von Steuerstraftaten aufgestellt hat, zu höheren Strafen führen. Für die Täter wird es also ein deutlich raueres Klima geben. Und für den ordentlichen Steuerpflichtigen, der eher zufällig in die Mühlen der Justiz gerät, bleibt das Strafrecht als Druckmittel, um tatsächliche Verständigungen zu erreichen, die ohne ein solches Damoklesschwert kaum möglich wären.
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Das österreichische Bankgeheimnis – Bollwerk im deutschen Steuerstrafverfahren?* Inhaltsübersicht I. Rechtliche Grundlagen der Ermittlung bei österreichischen Banken 1. Bankgeheimnisschutz a) Strafbestimmung bei Verletzung des Bankgeheimnisses b) Beweisverwertungsverbote 2. Durchbrechung des Bankgeheimnisses a) Vorbemerkungen b) Zuständigkeitsabgrenzung im Finanzstrafverfahren c) Wichtigste Voraussetzungen zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses aa) Zusammenhang zwischen Straftat und geheimen Sachverhalt bb) Eingeleitetes Strafverfahren 3. Österreichische Spezifika bezüglich Kontoauskunft/Kontoöffnung/ Kontoüberwachung a) Kontoauskunft b) Kontoöffnung und Kontoüberwachung
II. Ausgewählte Einzelfälle 1. Keine Kontoauskunft im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren 2. Keine Durchbrechung des österreichischen Bankgeheimnisses durch ein mittels Einleitungsvermerk eingeleitetes deutsches Steuerstrafverfahren a) Das VwGH-Erkenntnis vom 26.7.2006, 2004/14/0022 b) Mögliche Änderung der rechtlichen Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EU-RHÜ aa) Argumente für eine geänderte rechtliche Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EURHÜ bb) Argumente gegen eine geänderte rechtliche Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EU-RHÜ 3. Keine Kontoöffnung bei Kunden eines Bordellbetriebes III. Fazit
Festschriftbeiträge verfolgen immer das Ziel, enge Bezüge zu den Forschungsschwerpunkten des Jubilars herzustellen, um mit dem Beitrag auch den Interessen des Jubilars zu entsprechen. Im vielfältigen Wirken von Harald Schaumburg hat auch das Finanzstrafrecht einen hervorragenden Stellenwert eingenommen (Grenzüberschreitende Sachverhaltsaufklärungen im Finanzgerichtlichen Verfahren: Zeuge im Ausland FR 1997, 749 ff.; der Datenzugriff und andere Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung, DStR 2001, 829). Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, das steuerstrafrechtliche Wirken von Harald Schaumburg in Verbindung mit dem internationalen
__________ * Besonderer Dank für die Mitwirkung an der Erstellung des Manuskripts gebührt Dr. Christian Huber P LL. M.
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Steuerrecht und der grenzüberschreitenden Sachverhaltsgestaltung. Noch heute denke ich mit Freude und in Dankbarkeit an die Vorträge des Jubilars anlässlich der Finanzstrafrechtlichen Tagung an der Universität Linz im Jahr 2003 zurück, wo Harald Schaumburg grundlegend die steuerstrafrechtlichen Grenzen internationaler Steuergestaltung aufgezeigt hat (Verrechnungspreise, Wohnsitzwechsel und Abkommensmissbrauch im deutschen Steuerrecht in Leitner/ Dannecker, Finanzstrafrecht 2003, 37; steuerstrafrechtliche Grenzen internationaler Steuergestaltungen aus deutscher Sicht in Leitner/Dannecker, Finanzstrafrecht 2003, 189). Mit dem vorliegenden Beitrag danke ich dem Jubilar aber nicht nur für seine grundlegenden Beiträge zum nationalen und internationalen Steuerstrafrecht, sondern auch für die vielen Jahre freundschaftlicher Zusammenarbeit zwischen unseren Sozietäten, die der Jubilar stets wohlwollend mit hoher Fachkompetenz gefördert hat. Im Folgenden wird untersucht, welche Möglichkeiten und Befugnisse deutsche Behörden zur Ermittlung steuerlicher Sachverhalte im Steuerstrafverfahren haben.
I. Rechtliche Grundlagen der Ermittlung bei österreichischen Banken Das österreichische Bankgeheimnis wird in § 38 BWG1 geregelt, wobei § 38 Abs. 1 den Geheimnisschutz und Geheimnisbegriff regelt und § 38 Abs. 2 jene Tatbestände normiert, die zu einer Durchbrechung des Bankgeheimnisses führen. 1. Bankgeheimnisschutz2 a) Strafbestimmung bei Verletzung des Bankgeheimnisses § 101 BWG normiert eine strafrechtliche Sanktion, wenn Tatsachen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, offenbart oder verwertet werden, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen. Es handelt sich dabei um ein Privatanklagedelikt. b) Beweisverwertungsverbote Werden im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Gegenstände, die dem Bankgeheimnis unterliegen, rechtswidrigerweise beschlagnahmt, besteht zwar gem § 98 Abs. 4 FinStrG grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot; die Beweisergebnisse dürfen jedoch zur Beschaffung weiterer Beweismittel herangezogen werden; diese weiteren Beweismittel können in der Folge verwendet werden3.
__________ 1 Bundesgesetz vom 30.7.1993 über das Bankwesen (BWG), BGBl. 1993/532. 2 Zu den zivilrechtlichen Aspekten vgl. Leitner, Das österreichische Bankgeheimnis im europäischen Spannungsfeld³. 3 Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht³, Rz. 1974.
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Das österreichische Bankgeheimnis im deutschen Steuerstrafverfahren
Im gerichtlichen Finanzstrafverfahren existiert kein derartiges Beweisverwertungsverbot. Im Abgabenverfahren gibt es gem § 115 Abs. 1 i. V. m. § 166 BAO überhaupt kein Beweisverwertungsverbot4. Die Verwertbarkeit eines Beweismittels wird im Abgabenverfahren auch nicht dadurch ausgeschlossen, wenn es durch eine Rechtsverletzung in den Besitz der Abgabenbehörde gelangte. 2. Durchbrechung des Bankgeheimnisses a) Vorbemerkungen § 38 Abs. 2 BWG normiert eine Liste an Tatbeständen, welche zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses führen. Zu nennen sind etwa die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft und Strafgerichten sowie bei eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden5, ferner zur Bekämpfung von Geldwäscherei6 sowie im Todesfall7. Im Abgabenverfahren findet keine Durchbrechung des Bankgeheimnisses statt. In der Folge wird ausschließlich der in Bezug auf die Rechtshilfe wichtigste Durchbrechungstatbestand – das Vorliegen eines eingeleiteten Strafverfahrens – behandelt. b) Zuständigkeitsabgrenzung im Finanzstrafverfahren Gerichtliche Zuständigkeit besteht bei vorsätzlichen Finanzvergehen – mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten –, falls – der Verkürzungsbetrag 75.000 Euro bzw. – bei Schmuggel, der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben und der Abgabenhehlerei 37.500 Euro übersteigt (§ 53 Abs. 1 und 2 FinStrG)8. Ansonsten ist die Finanzstrafbehörde für die Durchführung des Verfahrens zuständig. Je nachdem, ob die Finanzstrafbehörde oder das Gericht zuständig ist, gilt entweder das FinStrG oder die StPO (mit den Sonderbestimmungen des FinStrG
__________ 4 Für ein punktuelles Verwertungsverbot Achatz, Beweiserhebung und Beweisverwertung im Abgaben- und Finanzstrafverfahren in Leitner (Hrsg), Finanzstrafrecht 1996– 2002, 631. 5 § 38 Abs. 2 Z 1 BWG. 6 § 38 Abs. 2 Z 2 BWG. 7 § 38 Abs. 2 Z 3 BWG. 8 Ausführlich zu den Zuständigkeitsregeln s. Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht³, Rz. 1541 ff.
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für das gerichtliche Finanzstrafverfahren in den §§ 196a ff. FinStrG). Die Verfahrensvorschriften des FinStrG und der StPO weisen unterschiedliche Regelungen auf, sodass in den folgenden Ausführungen streng zwischen gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Finanzstrafverfahren zu unterscheiden ist. Im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren kann gegen die im Laufe des Ermittlungsverfahrens ergehenden Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde an den Unabhängigen Finanzsenat (UFS) gem § 62 Abs. 1 FinStrG erhoben werden (soweit nicht ausdrücklich ein Rechtsmittel für unzulässig erklärt worden ist; § 152 Abs. 1 FinStrG). So z. B. gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe, wenn ein Auskunftsersuchen verweigert wird. Im gerichtlichen Finanzstrafverfahren kann gegen gerichtliche Verfügungen das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberlandesgericht (OLG) erhoben werden (§ 87 StPO). Das Rechtsmittel der Beschwerde steht auch gegen die „Kontoöffnungsanordnung“ der Staatsanwaltschaft – nach gerichtlicher Bewilligung – i. S. d. § 116 StPO9 zur Verfügung. c) Wichtigste Voraussetzungen zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses – Zusammenhang zwischen dem geheimen Sachverhalt und dem eingeleiteten Verfahren – Eingeleitetes gerichtliches (Finanz)Strafverfahren bzw eingeleitetes verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten aa) Zusammenhang zwischen Straftat und geheimen Sachverhalt Zusätzlich zum Erfordernis eines eingeleiteten Verfahrens, muss der geheime Sachverhalt mit diesem Verfahren in Zusammenhang stehen. Die einschlägige Judikatur10 fordert, dass der geheime Sachverhalt jedenfalls in einem unmittelbar greifbaren sachlichen und persönlichen Zusammenhang mit dem eingeleiteten Strafverfahren stehen muss. Beim sachlichen Zusammenhang geht es um den Konnex mit der verfahrensgegenständlichen Straftat, beim persönlichen Zusammenhang um den Konnex mit der tatverdächtigen Person. Der Nachweis des sachlichen Zusammenhangs setzt voraus, dass bereits wegen einer bestimmten Tat ermittelt wird, wobei ein hinreichender Verdacht wegen der Begehung einer bestimmten Straftat zu fordern ist, um eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses zur bloßen Beschaffung von Verdachtsgründen (einen reinen „Erkundungsbeweis“) zu vermeiden. Ein sachlicher Zusammenhang besteht (nur) insoweit, als die dem Bankgeheimnis unterliegenden Tat-
__________ 9 § 116 StPO konkretisiert einerseits die Verpflichtungen der Bank, andererseits die der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. 10 OGH v. 10.2.1987 – 11 Os 171/86.
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sachen Aufschluss über Tat- und Schuldfrage im anhängigen Verfahren geben können. Der geforderte persönliche Zusammenhang liegt vor allem vor, wenn der Verdächtige zugleich der berechtigte Bankkunde, also der Geheimnisherr ist. Das Vorliegen eines sachlichen Zusammenhangs ist aber in jedem Fall zu prüfen! Die Feststellung eines persönlichen Zusammenhangs ist prinzipiell auch im Rahmen einer Ermittlung gegen unbekannte Täter möglich11. bb) Eingeleitetes Strafverfahren Durch eine inländische Verwaltungsbehörde: Zu beachten ist, dass im Bereich des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens nur „eingeleitete“ Finanzstrafverfahren geeignet sind, das Bankgeheimnis gegenüber den Finanzstrafbehörden zu durchbrechen. Das Bankgeheimnis wird nicht zur Beschaffung von Unterlagen im Vorerhebungsstadium aufgehoben12. Wegen der normativen Wirkung (Durchbrechung des Bankgeheimnisses) hat die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, mit Bescheid zu erfolgen13. Ein solcher Einleitungsbescheid setzt voraus, dass schon zuvor – also ohne Durchbrechung des Bankgeheimnisses – ausreichende Verdachtsgründe im Hinblick auf ein vorsätzlich begangenes Finanzvergehen gegen den Verdächtigen vorliegen. Der Einleitungsbescheid entfaltet erst mit wirksamer Zustellung Rechtswirkungen. Vor Stellung eines Auskunftsersuchens an die Bank ist daher die bescheidmäßige Einleitung des Finanzstrafverfahrens erforderlich. Im Auskunftsersuchen an die Bank ist ausdrücklich auf die bescheidmäßige Verfahrenseinleitung hinzuweisen14. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Einleitungsbescheid hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, d. h. das Bankgeheimnis bleibt durchbrochen, auch wenn der Beschuldigte einen Antrag auf aufschiebende Wirkung stellt, und zwar so lange bis die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuerkannt wird. Durch ein inländisches Gericht: Gem § 38 Abs. 2 Z 1 BWG liegt ein eingeleitetes gerichtliches Strafverfahren vor, wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird15. Mit Erlassung des § 145a StPO a. F. (§§ 109 Z 3, 116 StPO n. F.) wurde dieser Zeit-
__________ 11 Schütz, Die Aufhebung des Bankgeheimnisses auf Grund eines ausländischen Rechtshilfeersuchens in Strafsachen, JBl 1996, 502. 12 ErlRV 884 BlgNR 14. GP 50; ErlRV 289 BlgNR 21. GP 5. 13 VfGH v. 9.6.1988 – B 92/88; VwGH v. 5.4.1989 – 88/13/0021. 14 Erlass des BMF v. 13.10.1988 – FS-130/9-III/9/88. 15 JAB 289 BlgNR 21. GP 5.
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punkt konkretisiert durch Erlassung eines diesbezüglichen Beschlusses des Untersuchungsrichters. Auch nach der am 1.1.2008 in Kraft getretenen StPO-Reform ist weiterhin ein gesonderter Beschluss gem §§ 109Z 3, 116 StPO erforderlich, der von der Staatsanwaltschaft – nach gerichtlicher Bewilligung – verfügt wird. Mit diesem Beschluss wird gegenüber dem Kreditinstitut angeordnet, dass das Bankgeheimnis gegenüber einer bestimmten Person auf Grund eines strafrechtlichen Verdachts aufgehoben ist. Gegen diesen Beschluss kann binnen 14 Tagen das Rechtsmittel der Beschwerde an das OLG erhoben werden. Bankgeheimnisdurchbrechung durch ausländische Rechtshilfeersuchen: Eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist auch auf Grund von Rechtshilfeersuchen aus dem Ausland möglich, wenn das im Ausland begonnene Strafverfahren einem eingeleiteten Strafverfahren im Inland i. S. d. § 38 Abs. 2 Z 1 BWG entspricht16. Nach der einschlägigen Rechsprechung17 ist ein derartiger Rechtsvergleich zwischen dem eingeleiteten Strafverfahren im Ausland und jenem im Inland nicht mehr explizit erforderlich, da anstelle der Prüfungskompetenz der Staatsanwaltschaft bzw des Ermittlungsrichters im inländischen Verfahren zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses – im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtshilfe – dem Rechtshilfegericht eine ähnliche Prüfungskompetenz betreffend dem ausländischen Strafverfahren zukommt. Das die Rechtshilfe bewilligende und leistende inländische Gericht ist als Strafgericht i. S. d. § 38 Abs. 2 Z 1 BWG anzusehen. Voraussetzung einer Rechtshilfe von österreichischen Behörden/Gerichten ist stets das Bestehen einer vertraglichen (bilateralen, multilateralen) Verpflichtung und ein konkretes Rechtshilfeersuchen. Spontanauskünfte (ohne Ersuchen) sind im Wege der EG-Amtshilfe zulässig (§ 2 Abs. 2 EG-AHG); die dadurch erlangten Informationen sind auch in einem Strafverfahren verwertbar. In der VfGH-Entscheidung vom 20.3.1986, B 410/85 werden die Voraussetzungen für ein rechtmäßiges Rechtshilfeersuchen beschrieben: – das Rechtshilfeersuchen muss ein konkretes Verlangen stellen; – der österreichischen Finanzstrafbehörde/dem Gericht müssen jene Informationen zur Verfügung gestellt werden, auf Grund derer zuverlässig beurteilt werden kann, ob im Ausland tatsächlich ein Verfahren läuft, das einem Strafverfahren i. S. d. § 38 Abs. 2 Z 1 BWG entspricht, wobei sichergestellt sein muss, dass das im Ausland eingeleitete Ermittlungsverfahren einem „eingeleiteten“ Strafverfahren entspricht; demgegenüber vertritt der OGH, dass die „Vergleichbarkeit“ nicht mehr explizit zu prüfen ist; – die erbetenen Maßnahmen müssen im Zusammenhang mit dem im Ausland geführten Verfahren stehen.
__________ 16 OGH v. 9.3.1995 – 15 Os 126, 127/94, JBl 1996, 532. 17 OGH v. 19.4.1995 – 13 Os 34/95, JBl 1996, 535.
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Rechtshilfeersuchen durch eine ausländische Verwaltungsbehörde: Im Hinblick auf die obigen Voraussetzungen ist insb auf die Einleitung des ausländischen (Steuer)Strafverfahrens besonderes Augenmerk zu legen. Wegen der normativen Wirkung (Durchbrechung des Bankgeheimnisses) hat die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, mit Bescheid zu erfolgen18. Ein solcher Einleitungsbescheid setzt voraus, dass schon zuvor – also ohne Durchbrechung des Bankgeheimnisses – ausreichende Verdachtsgründe im Hinblick auf ein vorsätzlich begangenes Finanzvergehen gegen den Verdächtigen vorliegen. Voraussetzung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist das Vorliegen eines eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahrens bzw eines eingeleiteten Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzvergehen mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten. Auf die Frage der mangelnden Einleitung eines deutschen Steuerstrafverfahrens durch einen Einleitungsvermerk wird unter Punkt II.1. eingegangen. Rechtshilfeersuchen durch ein ausländisches Gericht: Wie oben bereits dargestellt, ist im gerichtlichen Strafverfahren zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses ein Beschluss gem §§ 109 Z 3, 116 StPO erforderlich. Auch im Fall eines Rechtshilfeersuchens durch ein ausländisches Strafgericht hat das inländische Rechtshilfegericht einen Beschluss gem §§ 109 Z 3, 116 StPO zu fassen, um gegenüber dem Kreditinstitut das Bankgeheimnis in einer bestimmten causa aufzuheben. Gegen diesen Beschluss steht wiederum das Rechtsmittel der Beschwerde an das OLG binnen 14 Tagen zu. 3. Österreichische Spezifika bezüglich Kontoauskunft/Kontoöffnung/ Kontoüberwachung a) Kontoauskunft Mit einem Auskunftsersuchen zu Bankkonten (Kontoauskunft) wird Auskunft darüber erbeten, ob eine verdächtige Person eine Geschäftsverbindung mit dem Kredit- oder Finanzinstitut unterhält oder über eine solche verfügungsberechtigt ist; mittels Kontoauskunft kann lediglich die Bekanntgabe „äußerer“ Daten (Name, Anschrift, Ablichtung eines Lichtbildausweises oder des Unterschriftenblattes) begehrt werden, die keinen Rückschluss auf Umfang und Inhalt der Geschäftsverbindung erlauben19. Allerdings setzt die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren nach § 38 Abs. 2 Z 1 BWG weiterhin eine zwischen dem offen zu legenden Bankkonto und dem Beschuldigten bestehende Verbindung voraus, die den Verdacht zu begründen vermag,
__________
18 VfGH v. 9.6.1988 – B 92/88, ÖBA 1988/4; VwGH v. 5.4.1989 – WBl 1989, 214. 19 Einführungserlass zum StRÄG 2002, JABl 2002/38, 189.
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diese Person habe sich (auch) die aus dieser speziellen Verbindung erwachsende Verfügungsmöglichkeit bei Begehung der Straftat zunutze gemacht. Österreich hat von der Möglichkeit gem Art. 1 Abs. 5 bzw. Art. 2 Abs. 4 Prot EU-EHÜ Gebrauch gemacht, die Erledigung von Kontoauskunfts- und Kontoöffnungsersuchen von denselben Bedingungen abhängig zu machen, die für Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme gelten20. Nach Aufhebung des Bankgeheimnisses wird das Kreditinstitut verpflichtet, Auskunft über Geschäftsverbindungen zu geben, deren Inhaber die verdächtige Person ist, für die die verdächtige Person bevollmächtigt ist oder aus der sie wirtschaftlich berechtigt ist21. Kontoauskünfte über dritte – also nicht verdächtige – Personen22 sind nicht zulässig23. Österreich hat sich gegen die Errichtung eines zentralen Kontenregisters entschieden. Zur Erfüllung der Verpflichtungen gem. Art. 1 Prot EU-RHÜ wurde seitens des Bundesministeriums für Justiz mit der Wirtschaftskammer Österreich vereinbart, dass die zentralen Verbände des Banken- und Sparkassensektors die Anfrage des ersuchten inländischen Gerichts, ob bestimmte Personen als Konteninhaber aufscheinen, an ihre jeweiligen Mitgliedsinstitute weiterleiten, wobei ausschließlich die positiven Rückmeldungen von den einzelnen Finanzinstituten direkt dem zuständigen Gericht übermittelt werden24. Dieses Auskunftsersuchen zu Bankkonten darf nur im Fall eines eingeleiteten Strafverfahrens25 zur Anwendung kommen; es ist jedoch darauf zu achten, dass mit dieser Maßnahme bloße Erkundungsbeweise („fishing expeditions“) vermieden werden. Das Ersuchen sollte gem Art. 1 Abs. 4 Prot EU-RHÜ möglichst auf bestimmte Banken und/oder Konten begrenzt sein. Der ersuchende Mitgliedstaat hat insbesondere darzulegen, warum diese Informationen „wahrscheinlich von wesentlichem Wert für die Aufklärung einer Straftat“ sind, wobei es den nationalen Behörden nicht gestattet ist, diese Wertung des ersuchenden Mitgliedstaates in Zweifel zu ziehen. Der Kontoauskunftsbeschluss hat auch den Tatverdacht zu begründen, da es ohne eine derartige Begründung an den erforderlichen Anhaltspunkten fehlt, warum die aus den Ermittlungen erwarteten Informationen zur Aufklärung einer Straftat beitragen könnten. Eine Kontoauskunft darf nur erteilt werden, wenn diese auch erforderlich ist. Bei Fehlen eines spezifischen Ermittlungsansatzes, der eine Verbindung nach Österreich aufzeigt, ist eine Kontoauskunft für die Ermittlungen nicht erfor-
__________ 20 21 22 23
Zum Spannungsfeld Bankgeheimnis und Kontoöffnung vgl. Punkt II.2. Flora in WK-StPO § 145a Rz. 39. Flora, Bankgeheimnis, 77. Zum begrenzten Anwendungsbereich der Kontoauskunft im österreichischen Finanzstrafrecht vgl. Punkt II.1. 24 Vgl. Erlass v. 1.6.2005 betreffend Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU v. 29.5.2000 und Protokoll v. 16.10. 2001 zu diesem Übereinkommen; Ratifikation durch Österreich, JABl 4/2005. 25 Eine Anwendung im Abgabenverfahren (Amtshilfe) ist daher mangels strafrechtlicher Ermittlungen unzulässig.
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derlich; es ist somit nicht ersichtlich, warum diese Auskunft zur Aufklärung der Straftat beitragen sollte26. Die ausländischen Strafverfolgungsbehörden haben somit im Rechtshilfeersuchen anzugeben, warum eine verdächtige Person in Österreich über Konten verfügen soll und warum die erbetenen Auskünfte für die Aufklärung der Straftat von wesentlichem Wert sind. Rechtshilfeersuchen, die zu diesen Punkten nicht Stellung nehmen, sind abzulehnen27. Die Frage, welche Hinweise für die Erforderlichkeit der Ermittlungen bereits ausreichend sind, muss erst die Rechtsprechung beantworten. Abschließend ist daher festzuhalten, dass zur Verhinderung von „fishing expeditions“ größeres Augenmerk auf die Erforderlichkeit der Ermittlungen („wahrscheinlich von wesentlichem Wert“) im Rechtshilfeersuchen zu legen sein. Darüber hinaus steht die individuelle Begründungspflicht des Art. 1 Abs. 4 Prot EU-RHÜ (Ergebnisse wahrscheinlich von wesentlichem Wert für die Aufklärung sowie Begründung, warum angenommen wird, dass Konten in Österreich geführt werden) einer Abwicklung von Kontoauskünften im Wege von Massenverfahren entgegen28. b) Kontoöffnung und Kontoüberwachung Im Gegensatz zur Kontoauskunft, wo lediglich Auskunft darüber erbeten wird, ob eine verdächtige Person eine Geschäftsverbindung mit dem Kredit- oder Finanzinstitut unterhält oder über eine solche verfügungsberechtigt ist und dadurch lediglich die Bekanntgabe „äußerer“ Daten (Name, Anschrift, Ablichtung eines Lichtbildausweises oder des Unterschriftenblattes) begehrt wird, die keinen Rückschluss auf Umfang und Inhalt der Geschäftsverbindung erlauben29, können mittels Kontoöffnung und Kontoüberwachung auch „innere Daten“ der zugrunde liegenden Kontoverbindung erlangt werden. Durch die Kontoöffnung erhalten die Strafverfolgungsbehörden Informationen über sämtliche Transaktionen, die über die geöffnete Geschäftsverbindung in einem vergangenen Zeitraum getätigt wurden. Wenn das Kreditinstitut die verlangten Unterlagen herausgegeben hat, dann ist die Ermittlungsmaßnahme beendet. Die Kontoüberwachung wird dagegen für einen zukünftigen Zeitraum angeordnet. Das Kreditinstitut muss die Ermittlungsbehörden über alle Transaktionen, die während des Überwachungszeitraumes im Rahmen der überwachten Geschäftsverbindung abgewickelt werden, informieren. Kontoauskunft und Kontoüberwachung sind zulässig, wenn ein Zusammenhang mit dem eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren besteht. Dabei muss
__________ 26 Flora in WK-StPO § 145a Rz. 88. 27 Flora in WK-StPO § 145a Rz. 84. 28 Ferner sind auch die umfassenden Begründungspflichten gem § 116 Abs. 3 Z 4 StPO (Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit) zu berücksichtigen. 29 Einführungserlass zum StRÄG 2002, JABl 2002/38, 189.
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entweder der Verdacht gegeben sein, dass die zu öffnende oder zu überwachende Geschäftsverbindung für die Begehung der Straftat benützt wurde oder möglicherweise noch benützt wird oder dass die Geschäftsverbindung der Transaktion von Vermögensvorteilen dient, die durch die Begehung oder für die Begehung eines Verbrechen erlangt oder empfangen wurden oder dass die Geschäftsverbindung der Transaktion von Vermögensvorteilen dient, die in der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung stehen oder der Terrorismusfinanzierung dienen sollen (§ 116 Abs. 2 StPO)30. Voraussetzung für eine Kontoöffnung oder Kontoüberwachung ist das Vorliegen eines Verdachts betreffend einer Tat, zu deren Begehung die zu öffnende oder zu überwachende Geschäftsverbindung benützt wurde bzw in der Zukunft benützt werden soll. Der Tatverdacht muss sich dabei gegen den Kontoinhaber selbst oder gegen eine andere Person, die das Konto benützen kann, richten. Der Tatverdacht muss in der Anordnung begründet werden. Der Tathergang ist dort ausführlich zu schildern und darauf aufbauend ist darzulegen, warum eine Person verdächtig ist. Ohne einen Tatverdacht, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindung zur zu öffnenden Geschäftsverbindung begründet, fehlt es an den Anhaltspunkten für die Feststellung des geforderten Zusammenhanges31. Ein hinreichender Tatverdacht besteht in jenen Fällen, in denen die den Ermittlungsorganen vorliegenden Anhaltspunkte die Annahme einer Straftat erheblich wahrscheinlich machen. Das bloße Vorliegen einer Vermutung rechtfertigt eine Kontoöffnung nicht. So lange den Ermittlungsbehörden keine konkreten Tatsachen vorliegen, die einen Tatverdacht erheblich wahrscheinlich machen, ist eine Kontoöffnung unzulässig32. Besteht kein hinreichender Tatverdacht, dann dürfen keine Erkundigungen mittels Bankerhebungen eingeholt werden. Das Bankgeheimnis darf nicht zur bloßen Verdachtsfindung durchbrochen werden; liegt kein Tatverdacht vor, der einen Zusammenhang mit der zu öffnenden Geschäftsverbindung begründet, fehlt es an der Erforderlichkeit33 der Ermittlungen34.
II. Ausgewählte Einzelfälle 1. Keine Kontoauskunft im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Die Durchführung eines Auskunftsersuchens zu Bankkonten ist gem Art. 1 Prot EU-RHÜ von besonderen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 3 Prot EURHÜ abhängig. Danach ist eine Kontoauskunft zulässig, falls
__________ 30 31 32 33 34
Flora in WK-StPO § 145a Rz. 56. Flora in WK-StPO § 145a Rz. 57. Flora in WK-StPO § 145a Rz. 58. Fuchs, ÖJZ 1990, 548; Flora in WK-StPO § 145a Rz. 90 ff. Zum erforderlichen Zusammenhang im Fall der Kontoöffnung s. auch Punkt II.3.
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– im ersuchten Mitgliedstaat eine Strafobergrenze von zumindest 2 Jahren vorgesehen ist oder – diese Straftat im Europol-Übereinkommen oder – im EU-Finanzschutzübereinkommen vorgesehen ist. Im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren kann gem § 15 Abs. 3 FinStrG eine Freiheitsstrafe von höchstens 3 Monaten verhängt werden, womit die erforderliche Strafrahmenobergrenze von mindestens 2 Jahren nicht erreicht ist. Ebenso wenig kommt das Europol-Übereinkommen35 in Betracht, da keine derartige Straftat darin vorgesehen ist. Grundsätzlich in Betracht käme das Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EG, da dort der Tatbestand des Betruges zu Lasten der EG aufscheint. Nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften36 kommen als „einnahmenseitige Handlungen“ gem Art. 1 Abs. 1 lit b „Abschöpfungen auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik sowie zum einen Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker und zum anderen Zölle auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten [in Betracht]. Sie umfassen nicht die Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen MWSt.-Satzes ergeben, da die Mehrwertsteuer nicht zu den Eigenmitteln gehört, die unmittelbar für die Gemeinschaften erhoben werden.“ Dieses Ergebnis wird auch durch die Erläuternden Bemerkungen37 zur Ratifizierung des Übereinkommens zum Schutz der finanziellen Interessen der EG bekräftigt. Danach sind die „in Art. 1 Abs. 1 lit. b des Übereinkommens definierten „einnahmenseitigen Handlungen“ zur Gänze in den Tatbeständen des § 35 Abs. 1 bis 3 FinStrG [i. d. R. Schmuggel] erfasst.“ Abschließend kann daher festgehalten werden, dass die Kontoauskunft gem Art. 1 Prot EU-RHÜ im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren nur für Schmuggeldelikte – wenn überhaupt, dann nur in Einzelfällen – auch bei einem strafbestimmenden Wertbetrag unter 37.500 Euro in Betracht kommt; eine Anwendung im Bereich der Abgabenhinterziehung scheitert an den Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 Prot EU-RHÜ38.
__________ 35 Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 d) des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen), ABl 1995 C 316/2. 36 ABl 1997 C 191/1; vgl. ebenso Plückhahn, Finanzstrafrecht 1996–2002, 931 [933]; Zeder, Finanzstrafrecht 1996–2002, 942 [954]; ders. in Mayer, Kommentar zum EUund EGVertrag, Art. 280 Rz. 9. 37 ErlRV 1553 BlgNR 20. GP 16. 38 Umfassend Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht³, Rz. 2387 ff.
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2. Keine Durchbrechung des österreichischen Bankgeheimnisses durch ein mittels Einleitungsvermerk eingeleitetes deutsches Steuerstrafverfahren a) Das VwGH-Erkenntnis vom 26.7.2006, 2004/14/0022 Auch im Fall ausländischer Steuerstrafverfahren ist ein Verfahren nach st Rsp von VfGH und VwGH nur dann „eingeleitet“, wenn die Verfahrenseinleitung mittels gesondert anfechtbaren Bescheids erfolgte. Dies ist – nach Auffassung des VwGH – offensichtlich bei deutschen Steuerstrafverfahren nicht der Fall, welche von den Finanzbehörden mittels Einleitungsvermerk gem § 397 dAO eingeleitet wurden. Mittels Einleitungsvermerk ist das Verfahren eingeleitet, sobald eine Maßnahme getroffen ist, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Gem § 397 Abs. 3 dAO kann mit der Verständigung des Beschuldigten so lange zugewartet werden, bis er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist, auch wenn eine andere Strafverfolgungsbehörde das Verfahren eingeleitet hat39. Eine gesonderte Bekämpfung dieser Verfahrenseinleitung mittels Einleitungsvermerk ist nicht vorgesehen. Somit entspricht eine Verfahrenseinleitung mittels Einleitungsvermerk gem § 397 Abs. 1 dAO nicht den Anforderungen eines eingeleiteten Strafverfahrens i. S. d. § 38 Abs. 2 Z 1 BWG, da die Verfahrenseinleitung nicht gesondert bekämpfbar ist, u. U. dem Beschuldigten nicht einmal bekannt ist. Abschließend bleibt jedoch festzuhalten, dass dieses Erkenntnis40 auf Grundlage des Rechtshilfevertrages 1954 zwischen Österreich und Deutschland ergangen ist; es bleibt daher abzuwarten, ob sich durch das Inkrafttreten des Protokolls zum EU-Rechtshilfeübereinkommen in Strafsachen (Prot EU-RHÜ) eine Änderung ergeben wird. Diese Frage soll im Folgenden näher untersucht werden. b) Mögliche Änderung der rechtlichen Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EU-RHÜ aa) Argumente für eine geänderte rechtliche Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EU-RHÜ Für das Erfordernis einer Änderung dieser Rechtsprechung wird von Dannecker41 vertreten, dass insb Art. 7 Prot EU-RHÜ das Erfordernis normiert, dass das Bankgeheimnis zwischen den Mitgliedstaaten der EU nunmehr wohl endgültig aufgegeben ist und damit einem Auskunftsersuchen nicht mehr mit Erfolg entgegengehalten werden kann. Art. 7 Prot EU-RHÜ sieht vor, dass ein Bankgeheimnis nicht zur Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit in Bezug auf ein Rechtshilfeersuchen herangezogen werden darf. Nach Auffassung von
__________
39 Wannemacher, Handbuch Steuerstrafrecht, Rz. 3773. 40 VwGH v. 26.7.2006 – 2004/14/0022. 41 Dannecker, Rechts- und Amtshilfe in der EG – aktuelle Entwicklungen in Leitner (Hrsg), Finanzstrafrecht 2006, 49 (65 f.).
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Dannecker soll dem Wort „jeglicher“ kein eigener Bedeutungsgehalt zukommen, da es ansonsten in der Hand jedes einzelnen EU-Mitgliedstaates liegen würde, durch die gesetzliche Verankerung eines Bankgeheimnisses die erforderliche Kooperation im beliebigen Einzelfall zu verneinen. Ferner würden erhebliche Abgrenzungsprobleme entstehen, wann im Einzelfall „jegliche“ Zusammenarbeit und wann nur Teilbereiche der Zusammenarbeit abgelehnt werden. Ferner wird zur Stärkung dieses Standpunktes angeführt, dass Art. 11 Prot EURHÜ ausdrücklich die Möglichkeit von nationalen Vorbehalten ausschließt, sofern sie nicht gem Art. 9 Abs. 2 Prot EU RHÜ42 ausdrücklich für zulässig erklärt wurden. Dadurch solle deutlich werden, dass die Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe gerade nicht von nationalen Vorgaben abhängig ist. bb) Argumente gegen eine geänderte rechtliche Beurteilung durch das Inkrafttreten des Prot EU-RHÜ Eingangs ist festzuhalten, dass Art. 7 Prot EU-RHÜ lediglich ein Verbot der Verweigerung „jeglicher“ Rechtshilfe unter Berufung auf das Bankgeheimnis verbietet. § 38 BWG ordnet zwar den grundsätzlichen Schutz der diesbezüglichen Daten an, doch sieht bereits § 38 Abs. 2 BWG einen umfangreichen Katalog an Fakten vor, welche zur einer Aufhebung des Bankgeheimnisses führen. Zu erwähnen ist etwa der Durchbrechungsgrund des eingeleiteten gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen (Finanz)Strafverfahrens43. Ferner sieht der Erläuternde Bericht44 zu Art. 7 Prot EU-RHÜ vor, dass „die Mitgliedstaaten Formalitäten und Verfahren anwenden [können], die nach ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.“ Darüber hinaus ist anzuführen, dass Art. 1 Abs. 5 bzw Art. 2 Abs. 4 Prot EURHÜ expressis verbis vorsehen, dass „die Mitgliedstaaten […] die Erledigung eines Ersuchens nach diesem Artikel von denselben Bedingungen abhängig machen [können], die für Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme gelten.“ Es bedarf somit keines Rückgriffs auf Art. 11 Prot EU-RHÜ, sondern das Gemeinschaftsrecht selbst schafft die Möglichkeit der Anwendung bestimmter nationaler Rechtsvorschriften im Zuge einer Kontoauskunft/Kontoöffnung/Kontoüberwachung durch die Zulässigkeit der Abgabe einer Erklärung gem Art. 1 Abs. 5 bzw Art. 2 Abs. 4 Prot EU-RHÜ. Von dieser Möglichkeit hat Österreich anlässlich der Ratifikation des Prot EURHÜ durch BGBl. III 2005/66 Gebrauch gemacht und folgende Erklärung abgegeben: „Österreich erklärt gem. Art. 1 Abs. 5, dass es die Erledigung von Er-
__________ 42 Hierbei handelt es sich um Vorbehalte bezüglich politischer Straftaten, welche in diesem Zusammenhang jedoch nicht einschlägig sind. 43 Eine Durchbrechung bei Letzterem kommt nur im Fall eines vorsätzlichen Finanzvergehens mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit in Betracht. 44 Erläuternder Bericht über das Protokoll zum Übereinkommen von 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Vom Rat am 14.10.2002 genehmigt), ABl 2002 C 257/1.
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suchen nach Art. 1 von den selben Bedingungen abhängig macht, die für Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme gelten. Österreich erklärt gem. Art. 2 Abs. 4, dass es die Erledigung von Ersuchen nach Art. 2 von den selben Bedingungen abhängig macht, die für Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme gelten.“ Durch die Abgabe dieser Erklärungen wurde zum einen der Bezug zur Erklärung Österreichs zu Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen45 hergestellt, wonach Rechtshilfeersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen mit dem österreichischen Recht vereinbar sein müssen. Zum anderen ergibt sich im Zusammenhang mit der „kleinen“ Rechtshilfe aus § 58 ARHG, dass Rechtshilfe grundsätzlich nach den im Inland geltenden Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren zu leisten ist46. Dieser Grundsatz findet auch explizit auf Ebene des Europarechts Anwendung, indem Art. 4 EU-RHÜ allgemein normiert, dass grundsätzlich für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen die Förmlichkeiten und Verfahren des ersuchten Mitgliedstaates zur Geltung kommen, sofern nicht darüber hinaus vom ersuchenden Mitgliedstaat ausdrücklich verlangte Formvorschriften und Verfahren einzuhalten sind47. Daraus ergibt sich insgesamt, dass auch Ersuchen nach Art. 1 und 2 des Protokolls EU-RHÜ nur nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen der österreichischen StPO48 zu entsprechen ist. Konkret wurde damit § 116 StPO als Teil des ersten Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO, der die Überschrift „Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunftsersuchen zu Bankkonten“ trägt, den Auskunftsersuchen zu Bankkonten bzw Bankgeschäften nach Art. 1 bzw 2 des Protokolls EU-RHÜ vorangestellt49. Es kann daher festgehalten werden, dass Österreich die Entsprechung von ausländischen Rechtshilfeersuchen zulässigerweise von der Erfüllung der innerstaatlichen Voraussetzungen zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses abhängig machen darf50. Dies bedeutet, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses weiterhin zu beachten sind. Das Rechtshilfeersuchen hat sowohl Angaben zum Tatverdacht als auch zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu enthalten. Das sich daraus ergebende individuelle Begrün-
__________
45 BGBl. 1969/41 idgF. 46 Nur im Fall eines Ersuchens um Einhaltung abweichender ausländischer Vorschriften könnte gem. § 58 Abs. 2 ARHG davon abgewichen werden. 47 Vgl. Erläuternder Bericht über das Protokoll zum Übereinkommen von 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl C 257/1 (7). 48 Gleiches gilt mutatis mutandis auch im Anwendungsbereich des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens. 49 Umfassend Huber/Sautner, Jüngste Entwicklungen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der EU und ihre Auswirkungen auf das österreichische Bankgeheimnis, JSt 2006, 77; Flora, Die Auskunft zu Bankkonten nach dem Protokoll zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU, ÖBA 2006, 738. 50 Flora, Die Auskunft zu Bankkonten nach dem Protokoll zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU, ÖBA 2006, 738.
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Das österreichische Bankgeheimnis im deutschen Steuerstrafverfahren
dungserfordernis steht damit einer Durchführung von Kontoauskünften im Massenverfahren entgegen. 3. Keine Kontoöffnung bei Kunden eines Bordellbetriebes Ein jüngst ergangenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes51 erschwert pauschale Ermittlungen bei Kreditkartenunternehmungen. Im Zuge einer Außenprüfung bei einem Bordellbetrieb wurde ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, da der Verdacht bestand, dass der Inhaber des Bordellbetriebs Einnahmen nicht vollständig erklärte. Die Bezahlung der Leistungen im gegenständlichen Betrieb erfolgte sowohl in bar als auch mittels Kreditkarte. Daraufhin wurde an mehrere Kreditkartenunternehmen eine Kontoöffnungsverfügung mit der Aufforderung gerichtet, Namen, Adressen und Geburtsdaten der Karteninhaber bekanntzugeben, da deren Einvernahme als Zeugen erforderlich sei. Ein Kreditkartenunternehmen verweigerte die Herausgabe der Daten, was eine Zwangsstrafe durch das Finanzamt zur Folge hatte. Die Zwangsstrafe wurde im Instanzenzug bekämpft. Letztlich erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass die Verhängung dieser Zwangsstrafe gesetzwidrig war. Als Begründung führte der VwGH aus, dass die Identität der Kreditkarteninhaber durch das Bankgeheimnis geschützt sei, da kein konkreter und unmittelbarer Zusammenhang mit dem konkreten Strafverfahren vorliegt, da die Kreditkarteninhaber als Kunden des Bordellbetriebs nicht der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig sind. Darüber hinaus steht der konkrete Tatverdacht gegen den Inhaber des Bordellbetriebs in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Karteninhabern. Es kann daher festgehalten werden, dass eine Bekanntgabe der von der Finanzbehörde gewünschten Daten grundsätzlich nur vom Konto des Tatverdächtigen und nicht auch vom Konto des Kunden des Tatverdächtigen erlangt werden kann. Nur in Ausnahmefällen und unter spezifischen Voraussetzungen kann ausnahmsweise auch bei nicht tatverdächtigen Personen (unbeteiligten Dritten) eine Kontoöffnung vorgenommen werden. Falls die Wahlmöglichkeit besteht, über die Geschäftsverbindung des Verdächtigen oder eines Dritten Auskunft zu verlangen, ist aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zwingend zuerst die Öffnung der Geschäftsverbindung des Verdächtigen zu wählen. Allein der Umstand, dass die Kontoöffnung der tatverdächtigen Person ein Rechtshilfeersuchen erfordert, berechtigt nicht zur Kontoöffnung – bei Vorliegen der spezifischen Voraussetzungen – bei einem unbeteiligten Dritten. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist stets jene Eingriffsmaßnahme zu wählen, die den geringsten Grundrechtseingriff darstellt.
__________ 51 VwGH v. 18.10.2007 – 2007/15/0120.
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Roman Leitner
III. Fazit Die in der ausländischen Literatur teilweise vertretene Auffassung, Österreich sei ein sicherer Hafen für Gelder jedweder Herkunft, ist nicht zutreffend. Österreich durchbricht das Bankgeheimnis im Besonderen auch bei Rechtshilfeersuchen, welche die entsprechenden nationalen Voraussetzungen erfüllen. Eine wichtige Voraussetzung ist das Vorliegen eines eingeleiteten Strafverfahrens. Auf Grund eines einschlägigen Erkenntnisses des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes liegen bei einer Einleitung eines deutschen Steuerstrafverfahrens mittels Einleitungsvermerk die Voraussetzungen der Durchbrechung des Bankgeheimnisses – mangels ordnungsgemäßer Einleitung des Strafverfahrens mittels eines schriftlichen Bescheides, welcher im Rechtsmittelweg selbständig bekämpfbar sein muss – nicht vor. Daran hat letztlich auch das seit 2.2.2006 zwischen Österreich und Deutschland zur Anwendung gelangende Protokoll zum EU-Rechtshilfeübereinkommen nichts geändert, da dieses Protokoll bei den einzelnen Ermittlungsmaßnahmen selbst expressis verbis für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsieht, eine diesbezügliche Erklärung abzugeben, wonach es den Mitgliedstaaten freisteht, dass diese die Erledigung von Kontoauskunfts- und Kontoöffnungsersuchen von den selben Bedingungen abhängig zu machen, als diese auch für Durchsuchung und Beschlagnahme gelten. Österreich hat anlässlich der Ratifikation des Prot EURHÜ eine diesbezügliche Erklärung abgegeben, weshalb die ausländischen Rechthilfeersuchen nur in jenen Fällen durchgeführt werden, in denen die innerstaatlichen Voraussetzungen – wie etwa eingeleitetes Verfahren, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit – gegeben sind. Die Durchbrechung des österreichischen Bankgeheimnisses setzt somit voraus, dass dem Rechtshilfeersuchen zumindest Angaben zu Tatverdacht, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu entnehmen sind. Diese Erfordernisse stehen einer Durchführung von Kontoauskünften im Massenverfahren (fishing expeditions) entgegen.
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Reichweite und Grenzen der steuerlichen Erklärungspflicht im Steuerstrafrecht Inhaltsübersicht I. Einführung II. Meinungsspektrum 1. Frühere Ansicht 2. Literaturstimmen 3. Die Rechtsprechung des BGH III. Einordnung der BGH-Rechtsprechung
IV. Klarstellung der Auffassung der Rechtsprechung 1. Die abweichende Entscheidung des FG München 2. Verprobung des Ergebnisses 3. Beispiel Nichtanwendungserlass 4. Bedeutung für die Reichweite der Berichtigungspflicht aus § 153 AO V. Zusammenfassung
I. Einführung Steuerhinterziehung begeht, wer über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. So beschreibt der Tatbestand das Handlungsunrecht des § 370 AO. Entscheidend ist also nicht die rechtliche Bewertung, sondern die dieser zugrunde liegende Tatsachenbasis. Auf den ersten Blick erscheint diese Beschreibung der Tathandlung klar. Wenn der Steuerpflichtige eine andere Rechtsauffassung als die Finanzverwaltung vertritt, muss er nur all diejenigen Umstände mitteilen, die für die Besteuerung erheblich sein können, um einem strafrechtlichen Vorwurf zu entgehen. Das ist immer dann einfach, wenn die tatsächlichen Umstände zwingend eine Steuerrechtsfolge auslösen. Wer Zinseinkünfte aus einem festverzinslichen Wertpapier erzielt hat, kann kaum einwenden, die Steuerbarkeit sei zu bezweifeln. Schwieriger wird es, wenn der Steuerpflichtige den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge gerade vermeiden will. Daran gibt es grundsätzlich nichts zu bemängeln, wie BVerfG und BFH in der Vergangenheit schon mehrfach judizierten1. Es steht dem Steuerpflichtigen frei, eine für ihn günstige Gestaltung zu wählen, die der Steuervermeidung dient. Wie schwierig die Umsetzung dieser Vorgabe ist, zeigt aber die Praxis. Will z. B. der Arbeitgeber einer Gruppe von Arbeitnehmern ein Jahr nach dem Verkauf seines Unternehmens eine „Belohnung“ zuwenden, so kann dies als nachträglicher Lohn oder als Schenkung zu beurteilen sein. Kann der Arbeitgeber eine Lohnversteuerung dadurch vermeiden, dass er dem Begünstigten-
__________ 1 BVerfGE 9, 237; BFH, BFHE 137, 433; BStBl. II 1996, 158 und BStBl. II 1996, 214, st. Rspr.
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kreis zunächst ein Darlehen gewährt, auf dessen Rückzahlung später verzichtet wird? Noch schwieriger ist die Frage, wie weit die Erklärungspflichten reichen, in folgendem Beispiel zu beantworten: Das Unternehmen A erwägt im Jahr 1999 einen Börsengang. Um Leistungsträger zu binden, gewährt A diesen Aktien. Als Kaufpreis wird ein Wert festgesetzt, der auf einer Unternehmensbewertung basiert. Unmittelbar nach dem Börsengang verzehnfacht sich der Wert der Aktien. Muss dieser Sachverhalt (und wenn ja: von wem und in welcher Form?) in der Steuererklärung niedergelegt werden? Oder wie ist es, wenn ein Konzern mehrmals jährlich Weiterbildungsveranstaltungen für seine Mitarbeiter durchführt, die neben einem fachlichen Teil auch eine Bewirtung vorsehen? Müssen alle Belege über entstandene Aufwendungen bei Abgabe der Steuererklärung eingereicht werden, auch wenn es mehrere hundert sind – nur um sicherzugehen, dass in der Bewirtung nicht eine verdeckte Lohnzuwendung liegt? Das Risiko Steuerhinterziehung ist daher bei Abgabe einer Steuererklärung allgegenwärtig und sollte aus verschiedenen Gründen vermieden werden. Hierzu gehören einmal Ermittlungen, die wegen ihrer Medienwirksamkeit den wirtschaftlichen Interessen eines jeden Unternehmers zuwider laufen. Das gilt unabhängig davon, ob das Verfahren nicht doch Jahre später mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt wird. Darüber hinaus drohen schwerwiegende Strafen. Der BGH hat sich jüngst zu der Strafzumessung bei Steuerhinterziehung geäußert und feste Grenzen eingezogen2. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass bei einer Hinterziehung von mehr als 1 Mio. Euro eine Freiheitsstrafe droht, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird. Wer daher Risikovorsorge betreiben will, muss nicht nur im Blick haben, eine Verurteilung zu vermeiden. Er muss in der Darlegung der steuerrechtlichen Tatsachen so sorgsam arbeiten, dass noch nicht einmal eine Sachlage besteht, die einen strafrechtlichen Anfangsverdacht rechtfertigt. Ein solcher Anfangsverdacht ist aber schon anzunehmen, wenn es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt3. Diese nicht besonders hohe Hürde ist schnell erreicht. Wenn der Steuerpflichtige bewusst eine steuerliche Gestaltung gewählt hat, die der Steuervermeidung dient, ist schon eine „gefährliche Nähe“ erreicht, die der oben erwähnten Definition des strafrechtlichen Anfangsverdachts nahe kommt. Es entsteht also ein natürlicher Zielkonflikt zwischen legaler Steuervermeidung und strafbarer Steuerhinterziehung. Es kommt deshalb entscheidend darauf an, auf der objektiven Seite des Tatbestandes der Steuerhinterziehung eine klare Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten zu finden. Dies ist auch deswegen erforderlich, weil eine Abgrenzung von strafbarem zu straflosem Verhalten auf der subjektiven Seite noch schwerer fällt. Bei der Steuerhinterziehung ist dolus eventualis als
__________ 2 Vgl. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, Rz. 34, 37, 39, 42; abzurufen unter www. bundesgerichtshof.de. 3 Meyer-Goßner, § 152 Rz. 4.
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schwächste Vorsatzform ausreichend. Auf der intellektuellen Seite dieser Vorsatzform ist das Für-Möglich-Halten des Eintretens des strafrechtlichen Erfolges erforderlich. Auf der voluntativen Seite reicht das billigende „Inkaufnehmen“ dieses Erfolges. Bei einer steuervermeidenden Gestaltung sind diese beiden Elemente ebenfalls gegeben, beziehen sich aber auf das legale Ziel des Steuerpflichtigen. Der Befund zeigt, dass die entscheidende Abgrenzung anhand des Merkmals der steuerlich erheblichen Tatsachen vorzunehmen ist. Aber auch fiskalisch betrachtet ist der Vorwurf der Steuerhinterziehung für den Steuerpflichtigen einschneidend. Die Festsetzungsverjährung von 1 bzw. 4 Jahren verlängert sich bei der (vorsätzlichen) Steuerhinterziehung auf 10 Jahre, § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Der Steuerpflichtige bzw. Dritte, die sich an der Tat beteiligt haben, kommt bzw. kommen als Haftungsschuldner in Betracht, § 71 AO. Weitere Folge sind Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. In der Praxis ist erkennbar, dass die Vorwürfe der Steuerhinterziehung in der Betriebsprüfung eine bedeutende Rolle spielen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Der Prüfer will dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt gem. §§ 258, 258a StGB entgehen, neigt daher zu einer weiten Auslegung des Anfangsverdachts und verfährt nach § 10 BpO4. Da die Beurteilung dieser strafrechtlichen Vorfrage schwierig ist und nicht zum Alltagsgeschäft des Prüfers gehört, wird – auch aus einer gewissen Verunsicherung heraus – im Zweifel die Strafsachenstelle eingeschaltet. Eine frühzeitige Einleitung des Strafverfahrens vermeidet ferner spätere Diskussionen um die Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse. Zuletzt mag eine Rolle spielen, dass die Einleitung eines Strafverfahrens auch verlockend erscheint: Der Druck, der dann auf dem Steuerpflichtigen lastet, wird ihn eher zu einer großzügigen fiskalischen Lösung veranlassen, wenn der strafrechtliche Vorwurf und die in diesem Zusammenhang zu führenden Ermittlungen sich abkürzen lassen.
II. Meinungsspektrum 1. Frühere Ansicht Die ältere Literatur und Rechtsprechung waren der Ansicht, eine Steuerhinterziehung begehe auch, wer seinen Angaben unzutreffende Rechtsansichten zugrunde lege5. Dies wurde damit begründet, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung den Empfängerhorizont des Finanzamts darstelle. Auf diesen habe sich der Erklärende einzustellen und insbesondere ausdrücklich darauf hinzuweisen, wenn er eine abweichende Rechtsansicht zugrunde zu legen beabsichtige6.
__________ 4 Nach § 10 BpO muss der Außenprüfer den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit an die zur Verfolgung der Tat zuständige Stelle melden. 5 RGSt 68, 234; Lohmeyer GA 1972, 306 f.; 1973, 103 (106). 6 Danzer, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des steuerlichen Beraters, 1983, 67.
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2. Literaturstimmen Nach der mittlerweile überwiegenden Ansicht in der Literatur kann der Steuerpflichtige ohne Bindung an die höchstrichterliche Rechtsprechung oder die Richtlinien der Finanzverwaltung jede Rechtsansicht vertreten, soweit sie nur vertretbar ist, ohne dass er hierauf besonders hinweisen muss7. 3. Die Rechtsprechung des BGH Der BGH hat grundlegend in seiner Entscheidung vom 10.11.1999 zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen. Der Entscheidung lag ein umsatzsteuerlicher Sachverhalt (sog. „Timesharing“-Modell) zugrunde. Die Angeklagten wollten Vorsteuererstattungen im Zusammenhang mit der Errichtung bzw. Vermietung von Ferienwohnungen geltend machen. Zu diesem Zweck holten die Angeklagten ein Rechtsgutachten ein. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die begehrte Vorsteuererstattung aus Rechtsgründen nicht erlangt werden könne. In jedem Fall wurde den Angeklagten empfohlen, eine verbindliche Auskunft bei der Finanzbehörde einzuholen, um Rechtsklarheit zu erlangen. Diesem Rat folgten die Angeklagten nicht, sondern gaben entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen ab, mit welchen sie (zu Unrecht) Vorsteuern geltend machten. Auf die unmittelbar nach Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung erfolgte Nachfrage der Finanzbehörde wurde der Sachverhalt von den Angeklagten unrichtig vorgetragen. Der BGH führte dazu wie folgt aus: „Der Umfang der für den Steuerpflichtigen bestehenden Mitteilungspflichten ergibt sich insofern unmittelbar aus dem Gesetz. Es steht dem Steuerpflichtigen nicht etwa frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im Übrigen nach Maßgabe einer nicht offengelegten, ersichtlich strittigen eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können. Nach AO § 90 Abs. 1 S. 2 haben die Beteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. Es besteht zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht8. […] In einem derartigen Fall kann es ausreichend sein, die abweichende
__________
7 Kohlmann, § 370 AO Rz. 236; Hanßen, Diss. Kiel 1984, S. 150 ff.; ders., GA 1985, 582; Meilicke, BB 1984, 1885 ff.; Dörn, wistra 1992, 241 (245); ebenso OLG Düsseldorf v. 2.2.1989 – 3 Ws 953/88, Stbg. 1991, 521. 8 BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203 (205); krit. Anmerkung bei Bilsdorfer, PStR 2000, 150; vgl. auch BGH v. 5.11.1994 – 5 StR 237/94, wistra 1995, 69: „Hatte der Angeklagte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bisherigen ‚Abrechnungspraxis für die Umsatzsteuerverkürzungen‘ bekommen, und führte er sie – im Hinblick auf erhebliche wirtschaftliche Nachteile und umfangreiche Steuernachzahlungen bei einer abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung – weiter fort, ohne gegenüber dem Finanzamt die Zweifel offenzulegen und sachkundigen Rat einzuholen, so handelte er mit bedingtem Vorsatz, und ist für die Annahme eines Irrtums kein Raum.“
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Reichweite und Grenzen der stl. Erklärungspflicht im Steuerstrafrecht Rechtsauffassung mitzuteilen, wenn deren Schilderung die erforderliche Tatsachenmitteilung enthält9.“
Nach Ansicht des BGH muss also der Sachverhalt umfassend mitgeteilt werden, wenn dessen rechtliche Relevanz zumindest objektiv zweifelhaft ist. Dies soll insbesondere der Fall sein, wenn die vom Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen (1.) von der Rechtsprechung, (2.) von Richtlinien der Finanzverwaltung oder (3.) der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. Der BGH verortet die Frage der abweichenden Rechtsauffassung am Merkmal der „unvollständigen Angaben“ i. S. d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Denn nach dem BGH macht der Steuerpflichtige jedenfalls dann keine unrichtigen Angaben i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen10. Hingegen gelangt § 370 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AO nach Ansicht des BGH zur Anwendung11, wenn die Offenbarungspflicht aus § 90 Abs. 1 Satz 2 AO bei objektiv zweifelhafter Rechtslage nicht erfüllt wird12. Ein späteres Urteil des BGH aus dem Jahr 2000 liegt auf derselben Linie. Im entschiedenen Fall hatte sich der Angeklagte, dem Anlagebetrug und Steuerhinterziehung durch unterlassene Angabe der betrügerisch erlangten Renditen vorgeworfen wurde, darauf berufen, einen Zeitungsartikel gelesen zu haben, in dem von einem Beschluss des BFH berichtet wurde, wonach scheinbare Gewinne von betrogenen Anlegern nicht versteuert werden müssten. In dem Artikel wurde zugleich darauf hingewiesen, dass die Finanzämter von der Steuerpflicht derartiger Renditen ausgingen. In einem solchen Fall divergierender Rechtsauffassungen treffe den Steuerpflichtigen eine Offenbarungspflicht aus § 90 Abs. 1 Satz 2 AO13.
III. Einordnung der BGH-Rechtsprechung Die Würdigung der BGH-Rechtsprechung lässt erkennen, dass die älteren Auffassungen, die neben der Schilderung der Tatsachen auch den Hinweis auf ein Abweichen von der Auffassung der Finanzverwaltung fordern, überholt sind. Der BGH führt in dem Leitsatz seiner Entscheidung aus, dass es dem Steuer-
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BGH, NStZ 2000, 203 (204). BGHSt 37, 266 (284); BGH, NStZ 2000, 203 (204). BGH, NStZ 2000, 203 (204). So versteht auch Kohlmann bei § 370 AO Rz. 237 die Rechtsprechung des BGH. Problematisch an diesem Verständnis ist, dass der BGH für richtige Angaben i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 verlangt, dass der Steuerpflichtige die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt. Damit werden aber die Grenzen zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen aufgelöst. 13 Vgl. BGH v. 23.2.2000 – 5 StR 570/99, NStZ 2000, 320 (321) unter Berufung auf die Entscheidung des BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203 = wistra 2000, 137.
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pflichtigen freistehe, offen oder verdeckt eine für ihn günstige Rechtsauffassung zu vertreten, sofern er die steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig vortrage und es dem Finanzamt dadurch ermögliche, die Steuer unter abweichender Rechtsauffassung zutreffend festzusetzen. Dies bedeutet also, dass der Steuerpflichtige einen strafrechtlichen Anfangsverdacht sicher ausschließen kann, wenn er die steuerlich erheblichen Tatsachen in seiner Steuererklärung offenlegt. Eine andere Frage ist, ob eine Offenbarung der Tatsachenbasis erforderlich ist, wenn der Steuerpflichtige von einer Auffassung der Finanzverwaltung abweicht. Bedauerlicherweise wird die BGH-Rechtsprechung in der Praxis an diesem Punkt missverstanden14. Nicht zutreffend ist die These, dass der BGH eine Offenbarung der Tatsachenbasis immer dann fordert, wenn die Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. Die genauere Analyse der Entscheidungen zeigt, dass die entschiedenen Fälle steuerlich eindeutig zu beurteilen waren. In dem „Timesharing“-Fall liegt der Hinterziehungsvorwurf aus mehreren Gründen nahe. Den Angeklagten war auf Grund eines Rechtsgutachtens einer beauftragten Anwaltskanzlei bewusst, dass die begehrte Rechtsfolge nicht erlangt werden konnte. Eine rechtliche Begründung, warum die Rechtsauffassung der Angeklagten vertretbar gewesen sein soll, lag nicht vor. Es war daher nicht ersichtlich, mit welcher Rechtsbegründung der Vorsteuererstattungsanspruch zu gewähren gewesen sein sollte. Der Rat der Anwaltskanzlei, eine verbindliche Auskunft einzuholen, wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. Darüber hinaus hatten die Angeklagten sogar auf Nachfrage der Finanzverwaltung falsche Sachverhaltsangaben vorgetragen. Der Fall liegt also sehr speziell, ist aber eindeutig zu beurteilen: Steuerrechtlich war die Auffassung der Angeklagten unter keinem Gesichtspunkt haltbar. Die Steuerpflichtigen konnten die von ihnen gewählte Rechtsauffassung weder durch Sachargumente noch durch andere Stimmen in der Literatur stützen. Genau genommen war die rechtlich Beurteilung der Steuerpflichtigen daher nicht zweifelhaft: Sie war eindeutig falsch! Hinzu kommt, dass das wahrheitswidrige Vortragen auf die Nachfrage der Finanzbehörde als eigenständiges Handlungsunrecht hätte gewertet werden können. Den Sachverhalt wahrheitswidrig zu schildern bedeutet, falsche Angaben i. S. v. § 370 AO zu machen. In der zweiten Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2000 liegt der Fall nicht anders. Der Angeklagte berief sich auf eine für ihn günstige Rechtsauffassung, die er einem Zeitungsbeitrag entnommen haben wollte. Der Zeitungsbeitrag erschien aber erst zu einem Zeitpunkt, als die steuerlichen Erklärungspflichten schon abgelaufen waren. Es lag daher ohnehin nahe, dass es sich bei dem Vortrag des Angeklagten um eine Schutzbehauptung handelte. Aber wenn er sich schon auf diesen Zeitungsbeitrag berufen wollte, musste sich der Angeklagte vorhalten lassen, dass die Berichterstattung mit seinem eigenen Fall
__________ 14 Theisen, AO-StB 2008, 136 (137).
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nicht übereingestimmt hatte. Der Angeklagte musste sich nicht nur wegen Steuerhinterziehung verantworten, sondern war auch einem Betrugsvorwurf ausgesetzt. Er hatte Dritte zu einem vorgetäuschten Handel mit Bankgarantien angeworben, erzielte aber auch selbst tatsächlich Renditen, die er nicht versteuerte. Der Zeitungsbeitrag, der zu seiner Entlastung beitragen sollte, problematisierte, ob die betrogenen Anleger – also die durch den Angeklagten Geschädigten – ihrerseits die Scheingewinne zu versteuern hatten. Dies traf auf den Angeklagten ohnehin nicht zu. Es ging daher nicht im eigentlichen Sinne um die Frage einer abweichenden Rechtsansicht, sondern um den behaupteten Irrtum des Angeklagten, dieser BFH-Beschluss treffe auch auf ihn zu. Auch in diesem Fall gab es keine Rechtsauffassung, die die Sichtweise des Täters deckte. Den Entscheidungen des BGH aus den Jahren 1999 und 2000 lagen also Sachverhalte zugrunde, die nicht rechtlich zweifelhaft waren. Sie waren eindeutig zu Lasten der Steuerpflichtigen zu entscheiden. Da die Angeklagten keine Argumente für die von ihnen jeweils vertretene Rechtsansicht vortragen konnten, erscheint die gewählte steuerliche Würdigung eher willkürlich als vertretbar. Dass in einem solchen Fall den Steuerpflichtigen immer eine Offenbarungspflicht trifft, liegt auf der Hand. Oder anders formuliert: Der Steuerpflichtige kann jede erdenkliche Auffassung vertreten – sei sie auch noch so abwegig – er macht jedenfalls dann keine „unrichtigen Angaben“ i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er die Tatsachen offenbart. Was der BGH nicht sagen wollte: Wann eine Offenbarungspflicht besteht hat der BGH klargestellt und in den Leitsatz der Entscheidung aufgenommen. Er hat aber gerade nicht ausgeführt, dass dies auch gilt, wenn sich der Steuerpflichtige auf eine vertretbare Rechtsauffassung stützen kann. Die Ausführungen des BGH, dass eine Offenbarungspflicht jedenfalls dann bestehe, wenn der Steuerpflichtige von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht, bezieht sich nur auf den Fall, dass der Steuerpflichtige von allen denkbaren Auffassungen abweicht. Dieser Begründungsansatz, den der BGH im „Timesharing“-Fall gewählt hat, ist auch ohne jede Einschränkung zutreffend. Er ist aber nicht verallgemeinerungsfähig. Dass der Senat dies nicht beabsichtigte, wird auch dadurch deutlich, dass entsprechende Hinweise im Leitsatz der Entscheidung fehlen. Ferner hat der Senat in der Entscheidung selbst darauf hingewiesen, dass es dem Steuerpflichtigen freistehe, jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen. Denn er macht jedenfalls dann keine „unrichtigen Angaben“ i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen15.
__________ 15 BGH, Urt. v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203 (204).
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Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frage, ob eine Offenbarungspflicht auch dann besteht, wenn der Steuerpflichtige für möglich hält, dass die Finanzverwaltung eine andere Auffassung vertritt, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.
IV. Klarstellung der Auffassung der Rechtsprechung Im Rahmen eines Vortrages anlässlich des Steuerberatertages in Hamburg hatte sich die (heute ehemalige) Vorsitzende Richterin des 5. Senates zu der Entscheidung aus dem Jahr 1999 klarstellend geäußert. Die Aussage, dass eine Offenbarungspflicht für solche Sachverhaltselemente bestehe, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft sei, solle nicht so gemeint sein, dass man jeden Buchungs- oder Bilanzierungsvorgang, der nicht mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in den Richtlinien übereinstimme, bei dem man sich dafür aber etwa auf die BFH-Rechtsprechung oder andere seriöse Quellen berufen könne, erläutern müsse. Unzutreffende Rechtsansichten seien keine Täuschung i. S. d. § 370 AO, solange sie sich im Rahmen des Vertretbaren hielten. Dies sei nicht der Fall, wenn man von allen gängigen Rechtsauffassungen abweiche und dies nicht gegenüber der Finanzverwaltung kenntlich mache. Auch die Berufung auf interessante Außenseitermeinungen, die im ernst zu nehmenden Schrifttum zuvor keine Anerkennung fanden, helfe dann nicht weiter16. 1. Die abweichende Entscheidung des FG München Das FG München hat im Jahr 2007 in einem Beschluss das Urteil des BGH aus dem Jahr 1999 aufgegriffen und fast formelartig umgesetzt17. Der Fall lag aber anders als in den beiden Entscheidungen des BGH. Der Steuerpflichtige hatte in seiner Steuererklärung nicht angegeben, dass er Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung von Anteilen gem. § 17 EStG erzielt hatte. Steuerrechtlich war klärungsbedürftig, wie der geänderte § 17 Abs. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 anzuwenden war, wenn zwischenzeitlich die Anteile veräußert wurden. Fraglich war, ob das retrospektive Tatbestandsmerkmal „wesentliche Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre“ verfassungskonform teleologisch zu reduzieren war18. War der Steuerpflichtige die letzten fünf Jahre vor der Veräußerung nämlich nicht wesentlich beteiligt, so war der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig. Bei einer verfassungskonformen Reduktion wäre das Merkmal für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Zeitraum jeweils geltenden Beteiligungs-
__________ 16 Harms, Stbg. 2005, 12 (14); kritisch zur Auslegung des Urteils aus dem Jahr 1999 durch Harms: Theisen, AO-StB 2008, 136 (137): „Denn dass ein Unterschied besteht zwischen einer Offenbarungspflicht bei rechtlich zweifelhaften Gestaltungen, oder nur bei Gestaltungen, bei denen von allen gängigen Rechtsauffassungen abgewichen wird, steht außer Frage.“ 17 FG München v. 16.8.2007 – 13 V 1918/07, BeckRS 2007, 26024137. 18 So FG BW v. 19.3.2002 – 1 K 63/00, EFG 2002, 701 m. w. N.
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grenze zu bestimmen gewesen. Die Bestimmung hätte einerseits nach der alten Beteiligungsgrenze von 25 % für die nicht wesentliche Beteiligung, andererseits auch nach der neuen 10 %-Grenze für die vorhergehenden fünf Jahre erfolgen können. Diese Rechtsfrage war umstritten und ist erst im Jahr 2005 so durch den BFH entschieden worden, dass § 17 EStG keine unzulässige Rückwirkung darstelle, mithin nicht teleologisch zu reduzieren sei, folglich eine Steuerpflicht bestehe19. Der Steuerpflichtige des Verfahrens vor dem FG München hatte sich im Jahr 2002, als er seine Steuererklärung abgegeben hatte, auf die Entscheidung des FG Baden-Württemberg20 berufen und daher in dem Steuererklärungsvordruck keinen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn erklärt. Das FG München erblickt hierin ein steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten: „…Es besteht nämlich zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie im Streitfall – die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung – wie im Streitfall in R 140 Abs. 2 Satz 2 EStR 2001 (vgl. auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 20. Aufl. 2001, § 17 Rz. 71 m. w. N. und § 17 Rz. 37) – oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht (BGH, Urteil vom 10.11.1999 5 StR 221/99, HFR 2000, 676).“
Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden von dem BGH entschiedenen Fällen und der Entscheidung des FG München ist, dass die von dem Steuerpflichtigen vertretbare Auffassung durch mehrere Finanzgerichte gestützt war21. Sie war also nicht im Sinne des BGH „rechtlich zweifelhaft“. Denn rechtlich zweifelhaft waren die Auffassung dort, weil nicht ersichtlich war, wie das von den Steuerpflichtigen jeweils gewünschte Ergebnis überhaupt zu begründen gewesen wäre. Die Rechtsansicht des Beschuldigten im Verfahren beim BGH war daher eigentlich nicht „zweifelhaft“, sondern schlicht falsch. Vor diesem Hintergrund kann der Entscheidung des FG München nicht zugestimmt werden. Die Auffassung des Steuerpflichtigen war vertretbar, und daher hatte er keine steuerlich erheblichen Angaben unterlassen. 2. Verprobung des Ergebnisses Es ist im Ergebnis auch sachgerecht, eine Erklärungspflicht nicht zu fordern, wenn der Steuerpflichtige eine vertretbare Rechtsauffassung zugrunde legt. Dafür sprechen folgende Gründe: Der Steuerpflichtige ist nicht zur Subsumtion verpflichtet. Täuschungen über Rechtsauffassungen sind insoweit irrelevant, als das Merkmal „Tatsache“ eine Rechtsauffassung nicht umfasst; verkürzte Angaben, die (verdeckt) sowohl
__________ 19 BFH v. 1.3.2005 – VIII R 25/02, BFHE 209, 275 m. w. N. 20 FG BW v. 19.3.2002 – 1 K 63/00, EFG 2002, 701. 21 Auch ist beim BVerfG unter dem Az.: 2 BvR 748/05 noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig gegen die Entscheidung des BFH v. 1.3.2005 – VIII R 25/02, BFHE 209, 275, so dass selbst 2009 rechtlich noch nicht eine abschließende Klärung vorliegt.
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Tatsachenbehauptungen als auch Rechtsauffassungen enthalten würden, können daher hinsichtlich der letztgenannten keine Angaben über Tatsachen sein22. Nur diese Ansicht löst die Spannung zwischen dem eindeutigen Wortlaut des § 370 Abs. 1 AO („steuerlich erhebliche Tatsachen“) und der Rechtswirklichkeit auf. Die Finanzverwaltung hat von der durch § 150 Abs. 1 AO eingeräumten Möglichkeit, die Steuererklärungsformulare zu gestalten, Gebrauch gemacht, so dass der weitaus überwiegende Teil der zu beantwortenden Fragen vom Steuerpflichtigen umfangreiche Steuerrechtskenntnisse sowie die Ermittlung von Subsumtionsergebnissen verlangt23. Wegen der Wortlautbindung des Strafrechts (Art. 103 Abs. 2 GG) und des Wortlauts von § 370 AO („Tatsache“) wird man deshalb solche Erklärungen, die auf vertretbaren, wenn auch unzutreffenden Rechtsansichten beruhen, nicht als Täuschung über Tatsachen i. S. d. § 370 Abs. 1 AO ansehen dürfen. Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt, dass die Blankettnorm des § 370 AO nur die Verletzung von steuergesetzlichen Erklärungs- und Mitteilungspflichten sanktioniert. Die Steuergesetze sagen aber nichts darüber aus, welche Tatsachen bei richtiger Rechtsauffassung steuerlich erheblich sind und welche Rechtsauffassung bei der Beurteilung der steuerlichen Erheblichkeit zu berücksichtigen ist. Damit fehlt bei dem verdeckten Zugrundelegen einer vertretbaren Rechtsauffassung bereits ein tatbestandsmäßiges Verhalten i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO24. Die Finanzverwaltung hat es selbst in der Hand, den Erklärungsvordruck anzupassen oder begehrte Informationen einzufordern. Es ist z. B. denkbar, dass der Steuerpflichtige verpflichtet wird, zu bestimmten Steuersachverhalten ausführlichere Angaben zu machen. Hätte in dem Fall des FG München im Vordruck die Verpflichtung bestanden, nicht nur steuerpflichtige, sondern alle Veräußerungsgewinne einzutragen, hätte die Finanzverwaltung den Steuerfall aufgreifen können. Es spricht daher Vieles dafür, die Unwahrheit bzw. Unvollständigkeit einer Erklärung strikt anhand des Erklärungsvordrucks zu bewerten. So erzielt man eine sinnvolle und gut praktizierbare Einschränkung des objektiven Tatbestandes. Es muss also nur der Erklärungsvordruck unter Zugrundelegung einer vertretbaren Rechtsanwendung des Steuerpflichtigen wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. Denn Adressat der (Steuer-)Gesetze sind nicht die Finanzverwaltung oder die steuer- und rechtsberatenden Berufe, sondern der einzelne Steuerbürger selbst25. Dass der Steuerpflichtige alle reinen (also von rechtlichen Be-
__________ 22 Krieger, Täuschung über Rechtsauffassungen im Steuerstrafrecht, Frankfurt, 1987, S. 106. 23 Joecks in Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO Rz. 124 f., 127. 24 Kohlmann, § 370 AO Rz. 236. 25 Vgl. den Vorlagebeschluss des BFH zum BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG wegen Verletzung des Gebots der Normklarheit BFH v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167 = DStR 2006, 2019 (2023): „1. Der von einer Vorschrift des EStG „Betroffene“ (vgl. z. B. BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92, a. a. O.; v. 19.3.2003 – 2 BvL 9–12/98,
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wertungen freien) Tatsachen, die das Erklärungsdokument von ihm verlangt, wahrheitsgemäß beantworten muss, wird nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Beschränkt man so den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, so bedeutet dies nicht, dass der Finanzbehörde nicht mehr alle zur Besteuerung notwendigen Tatsachen zur Verfügung stehen bzw. nicht in Erfahrung gebracht werden können. Den Steuerpflichtigen treffen weiterhin Mitwirkungspflichten nach § 90 AO. Sollten also Umstände nachträglich bekannt werden, ist die Finanzverwaltung nicht gehindert, Bescheide zu ändern. Deswegen bieten die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und die Betriebsprüfung nach §§ 193 ff. AO Instrumente, die eine hinreichende Informationsversorgung der Finanzverwaltung sicherstellen. Würde man hingegen die Offenbarung des gesamten Sachverhalts bei lediglich objektiv strittiger Rechtslage verlangen, so würde dies dazu führen, dass die Finanzverwaltung neben dem Erklärungsvordruck seitenweise Sachverhaltsausführungen auswerten müsste26. Dazu ist sie nicht in der Lage. In einigen Veranlagungsbezirken sind von einem Beamten bei gewerblichen Einkünften etwa 2000, bei Arbeitnehmereinkünften sogar 6000 Steuerakten zu bearbeiten. Dies bedeutet bestenfalls eine summarische Prüfung der Erklärung. Würden alle Steuerpflichtigen bei rechtlich zweifelhaften Sachverhalten Anlagen zur Steuererklärung fertigen, käme die Veranlagungspraxis zum Erliegen. Soweit im Veranlagungsverfahren nicht alle steuerrelevante Sachverhalte gewürdigt werden können, ist dies für die Durchsetzung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung nicht schädlich. Die Finanzverwaltung kann durch eine anschließende Betriebsprüfung unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen eine Vollprüfung durchführen. 3. Beispiel Nichtanwendungserlass Auch folgendes Beispiel mag verdeutlichen, warum der Streit über die Rechtsauffassung dem Strafrecht entzogen ist: Ein für den Steuerpflichtigen günstiges Urteil des BFH wird von der Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass belegt. Sollte der Steuerpflichtige auch in diesem Fall offenbarungspflichtig sein, so könnte am Ende der Steuerpflichtige wegen Steuerhinterziehung bestraft werden, obwohl er die höchstrichterliche Rechtsprechung auf seiner Seite hätte. Bei der hier vertretenen Auslegung des § 370 AO unter Rückgriff auf die amtlichen Erklärungsvordrucke ergeben sich keine Probleme. Bei Erklärung auf
__________ a. a. O.; v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04; BVerfGE 113, 348, BeckRS 2005, 28075; und v. 12.4.2005 – 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, BeckRS 2005, 25520) ist der Steuerpflichtige, nicht sein Steuerberater (Hey, a. a. O., S. 559 ff.). Es reicht nicht aus, dass sich die Rechtsfolgen einer Norm allenfalls Experten erschließen.“ Vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, § 150 Rz. 13. 26 Theisen, AO-StB 2008, 136 (138).
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der Grundlage einer Ansicht, die der BFH – als seriöse Quelle27 – vertritt, kann von einer unrichtigen Angabe i. S. d. § 370 AO keine Rede sein, mag auch die Finanzverwaltung, dokumentiert durch den Nichtanwendungserlass, anderer Rechtsansicht sein. Denn wenn schon ein Richterkollegium des BFH nach Ansicht der Finanzverwaltung „falsch“ liegt, so kann der einzelne Steuerbürger/ -laie bei Berufung auf eben diese Auslegung nicht nach § 370 AO bestraft werden. Will die Finanzverwaltung dennoch die Fälle erfasst wissen, muss der Erklärungsvordruck darauf ausgelegt werden. 4. Bedeutung für die Reichweite der Berichtigungspflicht aus § 153 AO Wenn der Steuerpflichtige unvorsätzlich28 unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht hat, muss er dies grundsätzlich gem. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO unverzüglich anzeigen und berichtigen. Die Erfüllung dieser Pflicht ist gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbewehrt. Fraglich erscheint, ob eine Steuererklärung unrichtig oder unvollständig wird i. S. d. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn sich die Rechtsansichten der Verwaltung – dokumentiert in den Richtlinien oder der regelmäßigen Verwaltungspraxis –, des herrschenden Schrifttums oder der Rechtsprechung im Vergleich zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung ändern. Allerdings wird eine Erklärung nicht dadurch unrichtig, dass sich nach Abgabe der Erklärung die einschlägige Rechtsprechung wandelt oder einschlägige Verwaltungsvorschriften geändert werden (s. auch § 176 AO). Die Rechtsprechung muss nicht der Steuerpflichtige kennen und anwenden, sondern das Finanzamt29. Strafrechtliche Risiken aus § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erwachsen somit nicht. Das gilt auch für den Fall, dass der Steuerpflichtige schon bei Abgabe der Steuererklärung auf Schilderung eines Sachverhaltes verzichtet hat, weil eine abweichende Auffassung der Finanzverwaltung nicht vorlag und er sich im Einklang mit dem Steuerschrifttum befunden hat. Wird später ein BMF-Schreiben verfasst, das zu einem anderen Ergebnis kommt, ist der Steuerpflichtige nicht aus § 153 AO zur Korrektur verpflichtet. Anders mag dies zu beurteilen sein, wenn der Steuerpflichtige z. B. ein neues noch nicht kommentiertes Steuergesetz falsch anwendet. Erkennt er später, dass seine Auffassung weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung vertreten wird, trifft ihn eine Korrekturpflicht. Die Grundsätze der positiven Erklärungspflicht werden somit spiegelbildlich auf § 153 AO angewendet.
__________ 27 So für den BFH ausdrücklich Harms, Stbg 2005, 12 (14). 28 Tipke in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 11. 29 FG Berlin v. 11.3.1998, EFG 1998, 1166, Rz. 98; Schwarz, § 153 AO Rz. 11; Tipke in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 8; Cöster in Pahlke/Koenig, § 153 AO Rz. 15.
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V. Zusammenfassung Die Reichweite der Erklärungspflichten i. S. v. § 370 AO verlangt, dass steuerlich erhebliche Tatsachen offenbart werden. Streitig ist die Frage, wie weit diese Erklärungspflichten reichen. Hierzu werden verschiedene Auffassungen vertreten. Eine genaue Analyse der BGH-Rechtsprechung zeigt, dass eine Erklärungspflicht immer besteht, wenn die Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen „rechtlich zweifelhaft“ ist. Rechtlich zweifelhaft bedeutet jedoch etwas völlig anderes als „rechtlich vertretbar“. Aus den unterschiedlichen Auslegungen dieser Begrifflichkeit resultieren die bisherigen Missverständnisse. „Rechtlich zweifelhaft“ i. S. d. BGH-Rechtsprechung bedeutet, dass nicht ersichtlich ist, wie der Steuerpflichtige seine Rechtsauffassung überhaupt begründen will. Man sollte für solche Rechtsansichten eher den Begriff „rechtlich abwegig“ oder „rechtlich kaum vertretbar“ verwenden. Rechtlich vertretbar hingegen bedeutet, dass der Steuerpflichtige sich auf das Meinungsbild in der Literatur oder der Rechtsprechung oder auch auf eine vereinzelte Finanzamtsauffassung berufen kann. In solchen Fallgruppen trifft ihn keine Offenbarungspflicht. Sollen solche Fälle schon im Veranlagungsverfahren steuerlich entsprechend den Wünschen der Finanzverwaltung erfasst werden, ist es die Aufgabe der Finanzverwaltung, die Erklärungsvordrucke entsprechend anzupassen und ggf. auch auf die Schilderung reiner Sachverhaltsangaben auszuweiten.
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Herausforderung – aktuelle politische und andere Erwartungen an das Steuerstrafrecht Inhaltsübersicht I. Aufrüstung II. Empörung III. Fortsetzung des Rechts mit anderen Mitteln 1. Der BND – Botentätigkeit oder Amtshilfe?
2. Verwertungsverbot? 3. Die Folgen a) Vereitelte richterliche Kontrolle? b) Das Geständnis – Beweis oder Selbstanzeige IV. Koopression
I. Aufrüstung Der dramatische Bailout, mit dem die öffentlichen Haushalte derzeit Wirtschaftsunternehmen vor dem selbstverschuldeten Kollaps und Sparer vor Verlusten bewahren, kündigt eine Wende an. In einem grandiosen Szenario erleben die verängstigten Bürger den Staat nicht mehr als alles verschlingende Hydra, sondern ganz im Gegenteil als den rettenden Helden an ihrer Seite. Aus den Medienberichten lernen wir täglich neu: Die unvorstellbaren Milliardensummen, um die es geht, sind unsere gegenwärtigen und künftigen Steuern. Als Folge müssen die in der Krise koordiniert handelnden Staaten einen massiv wachsenden Finanzbedarf decken. Um dies politisch zu rechtfertigen, werden sie international enger im Kampf gegen Hinterziehungen zusammenwirken und gemeinsam Druck gegen Fiskaloasen ausüben. Rücksichten auf Sonderwünsche einzelner europäischer Staaten (Belgien, Luxemburg, Österreich) wird es nicht mehr geben, schon gar nicht im Falle der Schweiz oder von Liechtenstein. Das harte amerikanische Vorgehen gegen UBS1 war nur der Anfang2. Finanzkrise und Steueroasen gelten als „zwei Übel, die sich wechselweise verstärken.“3 Hedgefonds, die sich „mit Milliardenvermögen auf Badeinseln
__________
1 SPIEGEL 25/2008. Inzwischen hat die schweizerische Bank sich gezwungen gesehen, ihr Vorstandsmitglied Raoul Weil zu suspendieren, da dieser in den USA der Beihilfe zur Steuerhinterziehung amerikanischer Kunden („Verschwörung zum Betrug der USA“) angeklagt ist (FAZ und SZ 14.11.2008). 2 Schon jetzt meinen 57 Prozent der Schweizer, dass das eidgenössische Bankgeheimnis aufgehoben werden sollte (Kenso Umfrage, Wirtschaftswoche 15.9.2008). Bei einer Konferenz zu den Folgen der Finanzkrise haben 17 europäische Länder gefordert, die „schwarze Liste der Steueroasen“ zu ergänzen. Die französische Regierung verlangt, darin auch Belgien, Luxemburg, Österreich und die Schweiz aufzunehmen (Handelsblatt 21.10.2008). Selbst Luxemburgs Premierminister Juncker ist von Frankreich als Chef einer „Steuerfluchtburg“ hart angegriffen worden (SZ 23.10.2008). 3 SZ 22.10.2008.
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verstecken“, geraten aus beiden Gründen in den Fokus4. Der G-20-Gipfel hat beschlossen, Steueroasen („blinde Flecken“) auszutrocknen5. Mitbürger, die ihr Geld im Ausland vor dem Fiskus sicher glauben, sollten die veränderte Lage bedenken6 und mit ausgeweiteter internationaler Amts- sowie Rechtshilfe rechnen. Die wichtigsten der namhaft gemachten Fluchtburgen werden ihre Tore alsbald weit öffnen müssen7. In Deutschland ist die öffentliche Meinung ohnehin immer noch aufgewühlt durch den LiechtensteinKomplex. Wer dem helfenden Staat die nötigen Gelder mit strafbaren Methoden verweigert, findet sich in der Feindesrolle. Der Satz, mit dem der Präsident eines Bundesverbandes der Wirtschaft am 1.3.2008 zitiert worden ist, wirkt wie ein Programm: „Wer Steuern hinterzieht, gehört nicht mehr dazu!“8 Dieses Verdikt läuft auf eine Ausgrenzung hinaus, die selbst dem an schwere Kriminalität gewöhnten Kernstrafrecht fremd wäre. Aus Sicht der Politik gefährdet die „Raffgier“ auch des Steuerhinterziehers die soziale Marktwirtschaft und damit unser wirtschaftliches Fundament9. Die normativen Rahmenbedingungen für ein härteres Steuerstrafrecht sind soeben geschaffen worden. Dass in diesem Zusammenhang der unselige Verbrechenstatbestand des § 370a AO aufgehoben wurde, darf nicht als Abrüstung missverstanden werden10. Er war längst auf einen Erinnerungswert abgeschrieben und galt allgemein als nicht praktikabel. Der BGH hatte sich geweigert, ihn anzuwenden11. An seiner Stelle wurde der Katalog besonders schwerer Fälle des § 370 AO ausgeweitet. Dies könnte sich als scharfes Schwert erweisen. Die aktuellen Neuregelungen eröffnen weite Spielräume;
__________ 4 SZ 22.10.2008. 5 WamS 16.11.2008. 6 Die LGT-Group, Liechtenstein, hat bereits beschlossen, sich einen Verhaltenskodex zu geben und nicht mehr „gezielt“ Gelder von Steuerflüchtlingen anzuwerben (SZ 12.11.2008). 7 Liechtenstein hat am 27.6.2008 den Beitritt zum Schengen- und Dublin-Abkommen ratifiziert und mit der EU ein Betrugsbekämpfungsabkommen abgeschlossen. Danach soll im Bereich der indirekten Steuern bei Steuerbetrug umfassend Rechtshilfe geleistet werden; auch bei den direkten Steuern kommt unter diesen Voraussetzungen Kooperation in Betracht. Dazu G. Heine, Der Fall Liechtenstein, insbesondere Fragen der Beweisverwertung vor völkerrechtlichem Hintergrund, auf dem Prüfstand des Strafrechts, FS Roland von Bühren, 2009 (zzt. der Fertigstellung des Manuskripts noch nicht veröffentlicht, hier zitiert S. 16 f.). Der Weg für diese Entwicklung wird durch ein soeben paraphiertes Abkommen mit den USA bereitet, das umfassende Informationsgewährung vorsieht und zum Abfluss von Geldanlagen geführt hat (SZ 10.11.2008). 8 SZ 1./2.3.2008. Inzwischen ist bereits ein wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen „Tax and Corporate Governance“ hergestellt worden: so der Titel einer Untersuchung von W. Schön, Springer, Berlin 2008. 9 So der Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller, Vertrauenskrise der sozialen Marktwirtschaft – Herausforderung für Wirtschaft und Politik, ZRP 2008, 221 (222). 10 Ges. v. 31.12.2007, BGBl. I 2007, 3198; dazu W. Buse/D. Bohnert, Steuerstrafrechtliche Änderungen zur Bekämpfung des Umsatz- und Verbrauchsteuerbetrugs, NJW 2008, 618. 11 M. Harms, § 370a AO – Optimierung des steuerstrafrechtlichen Sanktionensystems oder gesetzgeberischer Fehlgriff?, FS Kohlmann, Köln 2003, 413.
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sie stellen es in das Belieben der Strafjustiz, von ihnen Gebrauch zu machen oder nicht. Daraus ergeben sich neue Abhängigkeiten, weil die Beschuldigten versuchen müssen, sich mit Behörden und Gerichten zu arrangieren, um exzessive Sanktionen zu vermeiden. Nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO wird bei dem bis auf zehn Jahre ausgedehnten Strafrahmen fortan nur noch die Verkürzung von Steuern „in großem Ausmaß“ vorausgesetzt; das bislang kumulativ erforderliche Merkmal „grober Eigennutz“ braucht nicht mehr vorzuliegen. Man sollte diese nur scheinbar kleine Korrektur nicht unterschätzen. Sie betrifft insbesondere Organe und Mitarbeiter von Unternehmen. Der Angestellte einer börsennotierten Aktiengesellschaft, der die Verantwortung dafür trägt, dass eine nützliche Abgabe i. H. v. 200.000 Euro trotz des bekannten Abzugsverbots als Aufwand verbucht wird, hat fremdnützig gehandelt. Er wird jetzt aber, weil allein das Ausmaß des steuerlichen Schadens entscheidet, mit dem angehobenen Strafrahmen konfrontiert, der an seinem oberen Ende bis zu zehn Jahren reicht. Ob es dazu kommt, ist verhandelbar, weil der unbestimmte Begriff des benannten „Regelfalls“ für Staatsanwälte und Richter mit der freien Option verbunden bleibt, die scharfe Vorschrift anzuwenden oder darauf zu verzichten. Dies wird Geständnisse und Kooperation fördern, um den Folgen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zu entgehen und damit einige zusätzliche Jahre Freiheitsstrafe einzusparen. Ähnliche Spielräume ergeben sich auch aus einer weiteren Neuregelung. § 370 Abs. 3 AO hat mit Nr. 5 die bandenmäßige Verkürzung von Umsatz- oder Verbrauchsteuern in den Regelkatalog der besonders schweren Fälle aufgenommen. Für eine Bande genügen bekanntlich drei Köpfe12. Das Schrifttum wimmelt von gedachten Beispielen, bei denen Angehörige und ein Steuerberater zur Bande werden13. Ob die Verschärfung auf andere Steuerarten erstreckt werden kann, wird zumindest, wenn auch kritisch, diskutiert14. Der neue Gesetzeswortlaut lässt es zu, die bandenmäßige Verkürzung bereits bei kleinem Ausmaß der Verkürzung als besonders schweren Fall zu bestrafen15. Gewerbliche Hinterziehungen, hier ist Umsatzsteuer fast immer ein Thema, sind ohne das Zusammenwirken mehrerer Personen kaum denkbar. Wenn man diese als Bande qualifiziert, springen die Tarife nach oben. Das (freiwillige) EUFrühwarnsystem zum Mehrwertsteuerbetrug („Eurofisc“) wird die Strafverfolgung auf diesem Feld ohnehin international intensivieren16.
__________ 12 BGHSt 46, 321; dazu Kohlmann (Schauf), Steuerstrafrecht, Köln 2008, Rz. 1123 ff. zu § 370 AO. 13 Kohlmann (Schauf) wie vor Rz. 1127 (Familie? BGH, NStZ 2007, 339); zur bloßen Mitunterzeichnung von Ehepartnern BGH, wistra 2008, 310 (313); BFH, wistra 2002, 353; OLG Karlsruhe, wistra 2008, 35. 14 Dazu Kohlmann (Schauf) wie vor Rz. 1126.2. 15 Dazu Kohlmann (Schauf) wie vor Rz. 1126.4; die Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird dazu beitragen, dass strafrechtliche Spielräume genutzt werden (dazu Bericht des Bundesrechnungshofs über die Organisation und Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, BT-Drucks. 16/7727 und die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Faktion DIE LINKE, BT-Drucks. 16/8156). 16 Zu Eurofisc FAZ 14.10.2008.
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Sprengkraft birgt außerdem der ergänzte Geldwäschetatbestand des § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 b) StGB17. Er macht die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung allgemein, also ohne ausdrückliche Beschränkung auf Umsatzoder Verbrauchsteuern und ohne großes Ausmaß als Voraussetzung18, zur Geldwäsche-Vortat. Zwar besteht die typische Steuerhinterziehung (nur) aus ersparten Aufwendungen. Darauf nimmt das Gesetz ausdrücklich Bezug (§ 261 Abs. 1 S. 2 StGB). Der Streit darüber bereichert die Kommentarliteratur19. Doch werden zumindest die Täter, die Schwarzgeld in höheren Summen generieren, von den Folgen der Neuregelung getroffen. Je größer unversteuerte Zuwächse sind, desto wahrscheinlicher kommt es zu einschlägigen GeldwäscheVerdachtsanzeigen der Kreditinstitute. Darauf zielt der erweiterte Tatbestand ab. Auch werden wir erleben, dass zukünftig die internationale Amts- und Rechtshilfe bei der allgemein verpönten Geldwäsche funktional Lücken schließen wird, die dort im Falle von Fiskaldelikten heute noch bestehen20. Politische Widerstände dagegen werden abnehmen; dies gehört zu den Konsequenzen des Bailout21. Neu ist seit dem 1.1.2008 ferner die Befugnis, bei Verdacht auf gewerbs- oder bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchsteuern die Überwachung der Telekommunikation anzuordnen und damit erstmals den praktischen Weg zu einer sprudelnden Quelle beweiskräftiger Erkenntnisse zu erschließen (§ 100a Abs. 2 Nr. 2 a) StPO)22. Die Verkürzung von Umsatzsteuer spielt bei vielen Verfahren eine Rolle; eine Bagatellschwelle sieht auch diese Neuregelung nicht vor23. Werden im Zuge der Überwachung Erkenntnisse wegen anderer in engem Zusammenhang mit den Anlasstaten verkürzter
__________ 17 Ges. v. 31.12.2007, BGBl. I 2007, 3198. Zu den streitigen strafrechtlichen Auslegungsfragen M. Wulf, Telefonüberwachung und Geldwäsche im Steuerstrafrecht, wistra 2008, 321 ff.; R. Spatscheck, Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO n. F. und Geldwäschestrafbarkeit, Steueranwaltsmagazin 2008, 82 ff. 18 Dazu kritisch Kohlmann (Schauf), a. a. O., Rz. 1197.3. 19 Kohlmann (Schauf), a. a. O., Rz. 1192 ff. Nach BGH, wistra 1999, 103 müssen die geldwerten Vorteile noch im Vermögen des Täters vorhanden sein; auf Sachidentität soll es aber nicht ankommen. 20 Operation Athena, die soeben ohne konkreten Anlass vorgenommene koordinierte Geldwäsche-Fahndung der EU-Behörden an den Außengrenzen der Union und an den Grenzen der Mitgliedstaaten vom September 2008 (FAZ 22.9.2008), belegt die Bedeutung dieses Instruments. Nach der Wirtschaftswoche vom 22.9.2008 wurden insgesamt 3.000 Fahnder eingesetzt. Das Abkommen über die Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft, ihrer Mitgliedstaaten und der Schweiz vom 26.10.2004 (Gesetz vom 19.3.2008, BGBl. II 2008, 182) ist am 27.3.2008 in Kraft getreten. Es sieht Informationsaustausch u. a. bei Steuerbetrug und Geldwäsche vor. 21 Was möglicherweise niemand bedacht hat: Die Neuregelung zur Geldwäsche lässt das Rückführen unversteuerter Auslandsvermögen nach Deutschland zu einer komplexen juristischen Übung werden. Ob und inwieweit in diesem Zusammenhang Anderkonten beratender Berufe verwendet werden dürfen, bedarf im Einzelfall genauer Abklärung. 22 Dazu näher Kohlmann (Schauf), a. a. O., Rz. 1612 ff. 23 Dazu Kohlmann (Schauf), a. a. O., Rz. 1612.
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Steuern gewonnen, dürften diese ebenfalls verwertbar sein24. Zudem sind Zufallserkenntnisse ein erlaubter Ansatz für weitere Ermittlungen25. Das staatliche Interesse an solchen Überwachungsmaßnahmen wird wachsen, denn der Gesetzgeber hat die bislang gesperrte steuerliche Verwertung der auf solchem Wege (rechtmäßig) gewonnenen Beweise nunmehr zugelassen (§ 393 Abs. 3 S. 2 AO n. F.26). Wir müssen daher mit einer schnellen Zunahme einschlägiger Überwachungen rechnen, die in der Welt des Steuerstrafrechts bislang selten vorkamen. Das stellt vor allem die Steuerberater auf die Probe. Werden Gespräche mit ihnen aufgezeichnet, entfällt bekanntlich das Erhebungs- und Verwertungsverbot des § 160a Abs. 1 StPO27. Damit aber nicht genug – die in Schwung geratene Gesetzgebungsmaschine läuft munter weiter. Bisher belief sich die strafrechtliche Verjährungsfrist bei § 370 AO, ähnlich wie bei Betrug, Untreue und Erpressung, auf fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Das Jahressteuergesetz 2009 wollte sie verdoppeln28 und den Tatbestand insoweit wie die schwerkriminelle Bandenhehlerei einordnen. Die Regierungskoalition hat sich darauf geeinigt, die Verdoppelung auf den Katalog besonders schwerer Regelfälle des § 370 Abs. 3 AO zu begrenzen29. Da im Vorhinein kaum abgeschätzt werden kann, ob diese Voraussetzung im Einzelfall erfüllt ist, werden erhebliche Unschärfen auftreten. Wegen des verzögerten Anlaufzeitpunkts (§ 78a StGB) können Ermittlungen, insbesondere Durchsuchungen, auf der Grundlage dieser Regelung ohne weiteres dreizehn oder vierzehn Jahre und damit über die Aufbewahrungsfristen hinaus zurückreichen. Hauptverhandlungen geraten zu geschichtlichen Expeditionen; sie werden sich unter Umständen auf mehr als zwei Jahrzehnte erstrecken30. Vereinfachungen durch Teileinstellungen nach § 154 StPO dürften nur um den Preis einer Absprache mit Unterwerfung zu haben sein. Im Übrigen wird es künftig auch strafrechtlich und insbesondere bei Selbstanzeigen, um keine Risiken einzugehen, auf die Nachentrichtung der verkürzten Steuern für alle zehn Jahre ankommen. Eine besonders wichtige Auswirkung der Neuregelung besteht schließlich darin, dass einmalige steuerstrafrechtliche Sündenfälle, wie es sie immer mal wieder gibt, z. B. bei großem Ausmaß der Hinterziehung noch mehr als zehn Jahre später aufgegriffen werden können.
__________ 24 Bei einheitlicher prozessualer Tat (§ 264 StPO): BGHSt 26, 298 (303); BGH, wistra 1998, 269; Wulf wie vor S. 325 f.; BT-Drucks. 16/5846, 66. Darüber hinaus ist die Verwertung erlangter Zufallsfunde in § 477 Abs. 2 S. 2 StPO geregelt. 25 BGHSt 34, 362. 26 Ges. v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Nach deutscher Rechtslage scheiterte die steuerliche Verwertung am BFH, BFH/NV 2004, 807 sowie BFH, BStBl. II 2001, 464 (467). Ob die steuerliche Verwertung über die Steuern hinaus zulässig sein wird, deren Hinterziehung Gegenstand der TKÜ war, erscheint vorerst unklar. 27 Ges. v. 31.12.2007 BGBl. I 2007, 3198. 28 Dazu C. Wegner, PStR 2008, 125; T. Schaefer, Geplante Verfolgungsverjährung bei Steuerstraftaten, NJW-Spezial 2008, 408. 29 FAZ 13.11.2008. Wenn die Meldung zutrifft, handelt es sich insoweit um eine problematische Modifizierung des § 78 Abs. 4 StGB. 30 § 78b Abs. 4 StGB.
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II. Empörung Nicht nur die neuen normativen Rahmenbedingungen fordern die Praxis des Steuerstrafrechts heraus. Auch die vorherrschende Empörung wird eine solche Entwicklung begünstigen. Mutmaßliche Steuerhinterzieher sind, so jedenfalls seit dem denkwürdigen Tag der vom Frühstücksfernsehen live begleiteten Kölner Durchsuchung vom 14.2.2008, dem Zorn und der Verachtung preisgegeben. Sie gehören, um das eingangs zitierte Wort aufzugreifen, nicht mehr dazu31. Selbst hohe Richter empfinden zumindest Wiederholungstäter als „unverfroren“32. Die seitdem anhaltende Erregung ist mit dem Fall Z. wie ein Sturm über uns hereingebrochen. An einiges davon muss man erinnern, weil es darauf ankommt, die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Strafjustiz im Blick zu halten. Die ZEIT hatte damals, noch ahnungslos, aber prophetisch, mit der Schlagzeile aufgemacht: „Ihr da oben, wir hier unten.“ Sie nahm in der dann folgenden Ausgabe33 auf die Durchsuchung Z. Bezug und kommentierte, dass die in einem Paralleluniversum, das Wort klang verdächtig nach Parallelgesellschaft, lebende Elite „mit der Gesellschaft gebrochen hat.“ Die FAZ hatte schon am Tag zuvor34 gefragt, ob es sich bei dem Liechtenstein-Fall um einen „Verrat der Eliten“ handele. Der SPIEGEL gab bald darauf35 die Antwort: „Die Elite ist dabei, sich vom Rest der Gesellschaft abzukoppeln.“ Er beobachtete „Symptome einer Zwei-Klassengesellschaft“ und den Versuch der Privilegierten, „sich aus der Solidargemeinschaft zu verabschieden.“ In der Politik fielen, gemünzt auf die Liechtenstein-Beschuldigten, die Worte „asozial“ und „Abschaum“. Damit wurden Affekte erkennbar, die von der Sozialpsychologie warnend beschrieben werden. Es handelt sich, wenn die Emotionen durch spektakuläre Taten ausgelöst werden, um eine Eskalation der Erwartungen an das Strafrecht. Eine der durchbrechenden Gemütsbewegungen kann man als Prügelknaben-Affekt bezeichnen. Er hängt mit der Frustration darüber zusammen, dass nur wenige der vielen vermuteten Täter ertappt werden, und gebraucht die Unglücklichen, derer man habhaft wird, als Objekt der Triebabfuhr. Noch gefährlicher ist der Sündenbock-Affekt. Mit ihm reguliert die im Blick auf sich
__________ 31 Eine strengere Betrachtung von Steuerkriminalität kommt auch darin zum Ausdruck, dass mit dem Entwurf zur Reform der Insolvenzordnung (§ 290 InsO-E) rechtskräftige Verurteilungen der Schuldner wegen einer Steuerstraftat ab einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen oder bei Freiheitsstrafen geeignet sein sollen, die Restschuldbefreiung zu versagen. Im Gesetzgebungsverfahren zum MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) hatte der Bundesrat mit Stellungnahme v. 6.7.2007 (BR-Drucks. 354/07, 11) versucht, Verurteilungen wegen einer Steuerstraftat als Ausschlussgrund bei der Bestellung von Geschäftsführern zu behandeln. 32 BGH 1 StR 382/08 = BeckRS 2008, 18845 = NJW Spezial 2008, 632. 33 Am 21.2.2008. 34 FAZ 20.2.2008. 35 SPIEGEL 17/2008.
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selbst frustrierte Gesellschaft ein unbefriedigtes Strafbedürfnis auf dem Rücken der aufgefallenen Täter. Richter und Staatsanwälte bleiben davon keineswegs unberührt. Weil solche Affekte unbewusst wirken, fordern sie die Beratung in besonderem Maße heraus. Wer im Steuerstrafrecht pathetisch oder moralisch reagieren will, sollte sich aber den Fall Z. genau ansehen. Der dort Beschuldigte ist durch den Zugriff in seinem Köln-Marienburger Haus überrascht worden. Seine Lage schien ausweglos. Die möglicherweise Tausende jedoch, die – wie er – Kunden der LGT in Vaduz waren, konnten nach dieser Lektion in aller Ruhe den Fernsehapparat ausschalten, vom Frühstückstisch aufstehen, ihren Berater anrufen und, solange ihnen von einem Abgleich ihrer Steuerakte mit den Bochumer Dateien nichts bekannt war, eine unbestritten wirksame Selbstanzeige veranlassen. Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO waren sie daran nur gehindert, wenn sie von einer vorausgegangenen Überprüfung ihrer Steuererklärung wussten oder damit rechnen mussten36. Worin also unterscheidet sich der Fall Z. von denen seiner angeblich 4.526 gespeicherten Tatkollegen? Z. hatte Pech. Alle anderen genossen das Glück der öffentlich ausgestrahlten Warnung und des noch zurückgestellten Zugriffs; nach beherzter und schneller Selbstanzeige sowie Zahlung müssten sie, sollte die Staatsanwaltschaft dennoch Anklage erheben, freigesprochen werden. Diese Art von Gerechtigkeit mahnt zur Zurückhaltung. Solange § 371 AO gilt, schützt der Straftatbestand der Steuerhinterziehung keine materielle Gerechtigkeit, sondern das sehr disponible Interesse des Staates an seinen Kassen. Danach kann bis zu den Grenzsituationen, die als normative Sperren des § 371 Abs. 2 AO geregelt sind, Strafe gegen Steuergeld eingetauscht werden. Und wem das zu subtil gedacht ist, der sollte das jüngste unserer Amnestiegesetze, es datiert vom 23.12.200337, zur Hand nehmen. Dort reichte es sogar aus, einen geringen, ja einen symbolischen Teil des verkürzten Steueranspruchs nachzuentrichten, um volle Straffreiheit zu erlangen. Aus Sicht der herrschenden Meinung dazu, welches Rechtsgut § 370 AO schützen soll, wäre es deshalb verfehlt, Gemeinsinn und Gleichheit der Lasten-
__________ 36 Dazu K. Randt/J. Schauf, Selbstanzeige und Liechtenstein-Affaire – Ist der Weg in die Straflosigkeit noch möglich, oder sind die Taten schon entdeckt?, DStR 2008, 489; R. Schwedhelm, StBg 2008, 294. Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass die Rostocker Behörden, denen Kopien aus dem Bereich der LBB in Vaduz vorliegen, inzwischen einen Anfangsverdacht bejahen wollen, noch bevor die Unterlagen mit Steuerakten der Betroffenen abgeglichen worden sind. Dabei wird der objektive Begriff der Tatentdeckung verkannt, der rechtlich zu verstehen und „die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses“ voraussetzt (BGH, wistra 1983, 197): Diese Wahrscheinlichkeit kann auf der Grundlage von Informationen über Kapitalanlagen, bei denen nicht auf Steuerakten zurückgegriffen wird, wohl kaum angenommen werden. Der Fall LBB, in dem es 966 Einzelkomplexe geben soll, die an örtlich zuständige Staatsanwaltschaften abgegeben worden sind (SZ 25.9.2008), wird im vorliegenden Beitrag nicht behandelt. 37 StraBEG v. 23.12.2003 BGBl. I, 2928 und vorher das Steuerreformgesetz 1990 v. 25.7.1988. Das BVerfG (Az.: 2 BvL 14/05) hat am 25.2.2008 die Vorlage des FG Köln zur Zinsbesteuerung und zum StraBEG als unzulässig verworfen.
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verteilung zu beschwören38. Im Lichte des § 371 AO und der zurückliegenden Amnestieprojekte empfiehlt sich bescheidene Nüchternheit. Danach geht es, ohne Beschönigung ausgedrückt, ums Geld; in der gehobenen Sprache der Juristen ist vom staatlichen Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Eingang der Steuern die Rede39. Die Strafe stellt sich, wenn man Selbstanzeige und Amnestiegesetze bedenkt, als der Preis dafür dar, dass der betroffene Bürger zu hoch gepokert hat. Oder anders ausgedrückt: Steuerpflichtige, die meinten, von den Regelungen des § 371 AO und von den Amnestieangeboten keinen Gebrauch machen zu sollen, müssen die damit verbundenen Folgen tragen. Es besteht aber keine normative Rechtfertigung, sie zum Prügelknaben oder Sündenbock zu machen. Nicht dass dies falsch verstanden wird! Diese Betrachtung vollzieht die herrschende Interpretation des geltenden Rechts nach, die das Übel eher vergrößert hat, als es zu bekämpfen. Auf dieser Grundlage sind wir weit davon entfernt, die Strafwürdigkeit der Steuerhinterziehung mit der Schädigung eines an zivile Tugenden appellierenden Rechtsguts zu erklären. Solange sich daran nichts ändert, muss der auf Strafe abzielenden Emotionalität des öffentlichen Diskurses im Falle Liechtenstein ein nüchterner und realistischer Befund entgegengehalten werden. An den dort Ertappten kann mit gutem Gewissen nicht exemplarisch verfahren werden. Vielmehr legen die gesetzlichen Strukturen einen kalkulierenden Umgang der Bürger mit dem Entdeckungsrisiko nahe. § 371 AO begünstigt (oder, je nach dem Empfängerhorizont, empfiehlt sogar) ein opportunistisches Fehlverständnis der Steuerpflicht. Diese Rechtslage, deren Fortbestand im Blick auf die aktuellen Ereignisse politisch unsicher wird40, ist das Gegenteil dessen, was das BVerfG schon in seinem Urteil vom 27.6.1991 für notwendig gehalten hat. Wie dort zu lesen ist, beziehen Steuern ihre Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenverteilung41. Deshalb sind die Gesetze so abzufassen, dass die Bereitschaft zur Steuerehrlichkeit „abgestützt“ wird. In der Vergangenheit bis tief in die Neunziger Jahre gehörte aber über weite Strecken mehr Energie dazu, den Versuchungen zu widerstehen, als aufgebracht werden musste, um ihnen nachzugeben und die inkriminierten Taten zu begehen. Das war die Zeit, in der eine breite Straße nach Liechtenstein führte. Ohne den in der
__________ 38 Kohlmann (Schauf), a. a. O. Fn. 12, Rz. 35 ff., 37 zu § 370 AO m. Nachweisen aus der Rechtsprechung; ders., Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung, in: Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht, DStJG Köln 1983, S. 5 ff. (19 f.); dagegen d. Verf., Die Hinterziehung ungerechter Steuern, FS Tipke Köln 1995, S. 475; StraFo 1997, 65, Steuergerechtigkeit als Thema der Strafverteidigung, PStR 1999, 255; NStZ 2000, 538. 39 Dazu Kohlmann, a. a. O. Fn. 12, Rz. 35 ff., 37 zu § 370 AO m. Nachweisen. 40 Kritisch zu § 371 AO M. Kemper, Die Selbstanzeige nach § 371 AO – Eine verfehlte „Brücke zur Steuerehrlichkeit“?, ZRP 2008, 105. Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes, ZRP 2008, 221 (222), hat zur Prüfung aufgefordert, „ob am Institut der strafbefreienden Selbstanzeige festgehalten wird.“ Er bezeichnet dies bei einer Millionensumme als nicht hinnehmbar. 41 BVerfGE 84, 239 = NJW 1991, 2129; diese Rspr. setzte sich mit dem Urteil des BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, NJW 2004, 1022 im Fall Tipke fort.
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Überschrift des Gesetzestextes angerufenen „Schutz von Bankkunden“, den § 30a AO durch reduzierte Kontrolle über lange Strecken der jüngeren Zeitgeschichte aufrechterhalten hat, hätte es zur großen Masse der Anlagen in Vaduz überhaupt nicht kommen können. Noch die EU-Richtlinie des Jahres 2005 erspart es Luxemburg, Österreich sowie Belgien (als Folge gibt es ähnliche Abkommen u. a. mit der Schweiz, Liechtenstein; Monaco, San Marino und Andorra), die anonym an den Wohnsitzstaat des Kunden (zu drei Vierteln) abzuführende kompensierende Steuer auf Zinsen zu erheben, wenn das verlagerte Kapitalvermögen von einer Juristischen Person gehalten wird. Die davon ausgehenden Lenkungseffekte sind offenkundig42.
III. Fortsetzung des Rechts mit anderen Mitteln 1. Der BND – Botentätigkeit oder Amtshilfe? Eine besondere Herausforderung betrifft das im Verhältnis von Staat und Steuerpflichtigen einzuhaltende Verfahren. Die damit verbundene aktuelle Problematik wird den Revisionsgerichten möglicherweise vorenthalten bleiben. Auch das kann man verallgemeinern, denn es gibt eine Entwicklung dahin, selbst rechtlich komplexe Anklagen durch Einigung oder Unterwerfung auf der Ebene der Tatrichter endgültig zu erledigen. Bei der hier interessierenden Frage geht es um die Rolle des BND, der im Fall der LGT Dateien beschaffte, die sich ein Mitarbeiter des Finanzinstituts über 4.527 Personen elektronisch angeeignet hatte. Von der Antwort hängt es ab, in welche Richtung sich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger weiterentwickeln könnte. Der BND hat – nach Presseberichten und informellen Auskünften aus Justizkreisen – mit seinem Informanten über Qualitätsproben des rechtswidrig heruntergeladenen Materials, über den aus dem deutschen Haushalt zu leistenden Kaufpreis, über eine neue Personenidentität und über die Ansiedlung im entlegenen Ausland verhandelt. Als die Überprüfung abgeschlossen und die Bedingungen festgelegt sowie erfüllt waren, konnte der Geheimdienst der Wuppertaler Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft Bochum (als Behörden seiner Wahl?) die Dateien auf mehreren DVDs übertragen43. Die dadurch
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42 Die EU-Kommission hat inzwischen vorgeschlagen, die Richtlinie auf Zinsen zu erstrecken, die von zwischengeschalteten Stiftungen und Treuhandfonds bezogen werden (SZ 14.11.2008). Die Regelung soll sich künftig auch auf Dividenden beziehen (FAZ 14.11.2008). Diese Änderung setzt innerhalb der EU Einstimmigkeit und bei den übrigen Staaten Einvernehmen voraus. 43 Zu den dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen (die hier nur zum Teil behandelt werden): d. Verf., Liechtenstein, Fragen und Antworten, PStR 2008, 84; U. Sieber, Ermittlungen in Sachen Liechtenstein, Fragen und erste Antworten, NJW 2008, 881; ders., Der Fall Liechtenstein, FAZ 31.3.2008; K. Lüderssen, Ein Fall von Steuerstaatsnotstand?, FAZ 21.2.2008; ders., Aus Unrecht entsteht kein Recht, NZZ 14.3.2008; Reinhard Müller, Eine Frucht des verbotenen Baumes, FAZ 19.2.2008; J. Jahn, Gestohlene Steuerdateien sind ein wackliges Beweismittel, FAZ 9.4.2008; Ch. Kirchner, Steueranspruch und Moral, FAZ 12.4.2008. D. Holenstein, Schweiz: Sind gestohlene Daten eine tragfähige Basis für ein Rechtshilfe- bzw. Amthilfeersuchen?, PStR 2008,90; D. Durst, Aspekte der Verteidigung in Sachen Liechten-
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aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragen sind komplex. Zu ihnen hat sich zuletzt G. Heine geäußert44. Sie werden hier ausgeklammert. An dieser Stelle interessiert in erster Linie, ob sich die Nutzung geheimdienstlicher Quellen nach innerstaatlichem Recht zum Instrument steuerrechtlicher Informationsbeschaffung entwickeln könnte. Auch der BND nimmt seine Aufgaben nach gesetzlichen Regeln wahr. Sie gewähren ihm die Befugnis zur „heimlichen Beschaffung von Informationen“ (§ 3 BND-Gesetz)45. Dabei darf er „geheimdienstliche Mittel“ anwenden (§ 3 BND-Gesetz i. V. m. § 8 Abs. 2 BVerfSch-Gesetz)46. Das sprengt die grundrechtsbezogenen Grenzen, die staatlichen Behörden mit Eingriffsbefugnissen und damit im Steuer- und Strafrecht gesetzt sind. Deshalb ist dem BND nur die besondere Aufgabe der „Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland“ übertragen. Diese Erkenntnisse müssen, und darauf kommt es hier entscheidend an, „von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ sein (§ 1 Abs. 2 BND-Gesetz). Soweit der Geheimdienst ausnahmsweise auch zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten herangezogen wird, muss er die Bedingungen beachten, die ihm das Urteil des BVerfG vom 14.7.1999 auferlegt47. Danach sind dem BND solche Aktivitäten nur zum Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter erlaubt, deren Verletzung schwere Schäden für den äußeren und inneren Frieden und für die Rechtsgüter Einzelner zur Folge hätte. Geldfälschung z. B., so das BVerfG, fällt hierunter, wenn sie die Währungsstabilität der Bundesrepublik in einem Maße beeinträchtigt, das den anderen normierten Großgefahren gleichkommt. Dabei handelt es sich insbesondere um Landesverrat, terroristische Vereinigungen, Mord und Totschlag, soweit diese geeignet sind, den Bestand oder die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik in Mitleidenschaft zu ziehen. Selbst im Falle von Zufallsfunden des BND, um die es im vorliegenden Fall angesichts des planmäßigen Vorgehens gerade nicht gegangen ist,
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stein, PStR 2008, 134; G. Trüg/J. Habetha, Die Liechtenstein Steueraffaire“ – Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten?, NJW 2008, 887; Göres/Kleinert, Die Liechtensteinische Finanzaffaire – steuer- und steuerstrafrechtliche Konsequenzen, NJW 2008, 1353; B. Schünemann, Die Liechtenstein-Steueraffäre als Menetekel des Rechtsstaats, NStZ 2008, 305; G. Trüg/J. Habetha, Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung, NStZ Nr. 9/2008; M. Flöthmann, Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel, Steueranwaltsmagazin 2008, 63; J. Wagner, Die „LiechtensteinAffäre“, Steueranwaltsmagazin 2008, 101; I. Bruns, Liechtenstein ohne das Beweisverwertungsverbot, StraFo 2008, 189; Stahl/Demuth, Strafrechtliches Verwertungsverbot bei Verletzung des Steuergeheimnisses, DStR 2008, 600; M. Betzinger/ M. Rutemöller, Zwischenruf – Grenzen der Rechtsstaatlichkeit, ZRP 2008, 95; M. Soiné, Aufklärung der organisierten Kriminalität – (k)eine Aufgabe für Nachrichtendienste?, ZRP 2008, 108. G. Heine, a. a. O., Fn. 7. BND-G v. 20.12.1990 BGBl. I, 2979 i. d. F. des Gesetzes v. 5.1.2007 BGBl. I, 2; zur Rolle des BND: K. Nehm, Das nachrichtendienstliche Trennungsgebot und die neue Sicherheitsarchitektur, NJW 2004, 3289. BVerfSch-G v. 20.12.1990, BGBl. I 1990, 2954 (2970) i. d. F. des Gesetzes v. 23.11. 2007, BGBl. I 2007, 2590. NJW 2000, 55.
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hat das BVerfG schwere inländische Straftaten vorausgesetzt. Wie der insoweit unveränderte Überwachungskatalog des § 100a StPO zeigt, bleibt die Hinterziehung von Einkommen-, Körperschaft- oder Erbschaftsteuer außen vor. Die den öffentlichen Darstellungen zu entnehmenden fiskalischen Aktivitäten des BND sollen sich, so berichtet der SPIEGEL, seit dem Herbst 2006 und also über eineinhalb Jahre hingezogen haben48. Diese Mitteilungen beschreiben keine Botenrolle. Vielmehr haben sich die vom SPIEGEL in der Titelgeschichte vom 18.2.2008 als „Jäger“ bezeichneten Bochumer Staatsanwälte und Wuppertaler Steuerfahnder der sog. Schlapphüte als Geschäftsbesorger bedient. Wie der SPIEGEL erfahren hat, ist „Hand in Hand“ zusammengearbeitet worden; der BND habe „als eine Art Erfüllungsgehilfe der Finanzer“ fungiert49. Das durch solche Synergieeffekte besonders wirksame Vorgehen richtete sich, wiederum mit der martialischen Terminologie des SPIEGEL, gegen den „Staatsfeind Steuersünder.“ Zur Grenzsituation passt das Zitat des Blattes, das von einem Düsseldorfer Politiker stammen soll: Mit der Staatsanwaltschaft Bochum, so wörtlich, „kann man einen Krieg gewinnen.“ Den hat hier weder die Staatsanwaltschaft noch der BND allein geführt. Heißt dies, dass der BND im Wege der Amtshilfe in Anspruch genommen worden ist, wie es während der ersten Wochen nach der Kölner Durchsuchung den Medien zugeflüstert wurde? Die AO erteilt dazu eine klare Auskunft. Nach § 114 beurteilt sich die Zulässigkeit der (Ermittlungs-)Maßnahme, die durch Amtshilfe vorgenommen werden soll, jeweils nach dem für die ersuchende Finanzbehörde geltenden Recht. Diese trägt mit ihren normativen Strukturen die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und kann daher ihre exekutiven Kompetenzen nicht durch geheimdienstliche Amtshilfe erweitern. Das folgt spiegelbildlich für die Staatsanwaltschaft auch aus § 9 Abs. 2 und 3 des BND-Gesetzes sowie aus §§ 19 ff. des Bundesverfassungsschutz-Gesetzes. Dort wird die Übermittlung personenbezogener Informationen an deutsche Behörden auf enumerierte Großgefahren begrenzt, um die es hier nicht gegangen ist. Aus diesen Gründen gab es auch weder eine Pflicht noch das Recht des BND, die Strafjustiz wunschgemäß nach § 116 AO über akquirierte Anhaltspunkte für Steuerdelikte zu unterrichten. Die auf solche Informationen abzielenden Behörden und der Geheimdienst können keine neue Begrifflichkeit kreieren, um sich ihrer und der für den BND geltenden normativen Schranken zu entledigen. Die mit dieser neuen Herausforderung verbundenen Fragen werden im Folgenden aufgeworfen, ohne die besonderen Aspekte zu diskutieren, die sich bereits deshalb ergeben, weil die Entwendung und Nutzung der Daten strafbar und völkerrechtswidrig gewesen sein könnten50.
__________ 48 SPIEGEL 18.2.2008. 49 SPIEGEL wie vor. 50 Auch insoweit wird auf die Untersuchung G. Heines (a. a. O. Fn. 7) Bezug genommen, die diesen Fragen mit besonderer Vertiefung nachgeht.
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2. Verwertungsverbot? Muss man innovativ argumentieren, wenn aus der geheimdienstlichen Geschäftsbesorgung ein straf- und steuerrechtliches Beweisverwertungsverbot abgeleitet werden soll? Das BVerfG hat in seiner schon erwähnten Entscheidung des Jahres 199951 Informationen, die der BND sammelt und beschafft, nüchtern als „Daten, die er erhoben hat“, bezeichnet. Es hat festgestellt, dass solche Daten nicht für Zwecke zugänglich gemacht werden dürfen, die keinen geheimdienstlichen Methodeneinsatz rechtfertigen konnten52. Dies trifft den Punkt, weil weder das Steuerstrafrecht noch das Steuerrecht geheimdienstliche Instrumente kennen. In diesem Zusammenhang hat die aktuelle Diskussion auch eine noch sehr junge Entscheidung des BVerfG (vom 27.2.2008) zum Thema der OnlineDurchsuchungen übersehen53. Dort ging es (u. a.) um die Verfassungsbeschwerde eines Bürgers, die ein Landesgesetz (NRW) betraf. Es hatte dem Verfassungsschutz erlaubt, heimlich Auskünfte etwa über Geldanlagen einzuholen. Das BVerfG bezeichnete ein solches Vorgehen als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, nämlich in dessen Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Intensität des Eingriffs, so heißt es dort, werde durch dessen Heimlichkeit noch verstärkt. Bestand hatte diese Regelung nur deshalb, weil es um die Abwendung schwerwiegender in die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes gehörender (z. B. terroristischer) Gefahren ging. Aber gerade dies unterscheidet sie von unserem Fall54. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat das BVerfG an sein berühmtes Urteil vom 15.12.198355 erinnert. Dort lautet einer der Kernsätze56: „Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt. Schon angesichts der Gefahren der automatischen Datenverarbeitung ist ein – amtshilfefester – Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe und Verwertungsverbot erforderlich.“ Deutlicher kann die Rechtslage, die Amtshilfe ausschließt und ein Verwertungsverbot anordnet, nicht beschrieben werden. Das G-10-Gesetz57, dessen § 7 die Übermittlung von Daten aus der geheimdienstlichen Überwachung der Telekommunikation durch den BND regelt, bindet folglich die Weitergabe an sehr enggefasste und hier nicht vorliegende Anlasstaten58 (Beispiel: Bildung
__________ 51 52 53 54
55 56 57 58
BVerfGE 100, 313 = NJW 2000, 55. Wie vor S. 65. BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07, NJW 2008, 822. Im Übrigen hat diese Entscheidung das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme entwickelt und deren heimliche Infiltration nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut als zulässig bezeichnet. BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419. A. a. O. S. 422. In der letzten Fassung v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3198. § 7 Abs. 4.
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terroristischer Vereinigungen). In Abs. 5 wird für einen Fall der Übermittlung solcher Daten durch eine übergreifende Weitergabe vorgeschrieben: „… eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig.“ 3. Die Folgen a) Vereitelte richterliche Kontrolle? Es hängt von der Verteidigung ab, ob die damit verbundene Herausforderung in Verfahrensstrategien umgesetzt wird. Was dies bedeutet, kann man an einem gedachten Fall erproben, den es bislang möglicherweise so nicht gegeben hat. Angenommen, die Ermittlungsbehörden verfügen nur über die vom BND aus Liechtenstein beschafften Dateien. Auf dieser Grundlage hat der Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss erlassen. Dessen Vollzug verläuft ohne Befund, wie es hier dem Vernehmen nach oft gewesen sein soll. Der fiktive Beschuldigte, in dieser Konstellation bei guter Gesundheit und klarem Kopf, schweigt. Dann muss wegen des Verwertungsverbots eingestellt werden (§ 170 Abs. 2 StPO). In der Hauptverhandlung wäre freizusprechen. Wie verhält es sich aber, wenn der reale Beschuldigte schon während oder nach der Durchsuchung umfassend Auskunft erteilt und alle Informationen vorlegt, die zur Nachversteuerung einschließlich der Zahlung der verkürzten Steuern führen? Aus Sicht der Strafjustiz würde das Verwertungsverbot verspielt: Das Geständnis tritt an die Stelle der unverwertbaren Liechtenstein-Dateien59. Mit einer höchstrichterlich anerkannten Fort- oder Fernwirkung des Verwertungsverbots, die auch das Geständnis kontaminieren würde, darf unter solchen Bedingungen nicht gerechnet werden. Dass der Beschuldigte verurteilt würde, beruht in diesem Fall auf seinen eigenen Angaben, mit denen das vom BND beigebrachte Material bestätigt und somit juristisch desinfiziert wird. b) Das Geständnis – Beweis oder Selbstanzeige Im Steuerstrafrecht wird ein solcher Eigenbeitrag des betroffenen Bürgers hoch gewichtet. Normalerweise führt er als Selbstanzeige, wenn die verkürzten Steuern gezahlt werden, zur Strafaufhebung (§ 371 AO). Dem steht im vorliegenden Fall – zumindest auf einen ersten Blick – die Durchsuchung im Wege. Damit nämlich sind die Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen und ist prima facie die bekannte erste Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO eingetreten. Ganz so einfach verhält es sich damit aber nicht. Vielmehr hängt das Ergebnis zunächst davon ab, ob dem Richter, der den Durchsuchungsbeschluss erlassen hat, die Hintergründe der BND-Aktivitäten aus den Akten offengelegt worden sind. Vermitteln diese darüber keinen Aufschluss und wird die Rolle des Geheimdienstes, wie seinerzeit gegenüber der Öffentlichkeit, als diejenige eines
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59 Kritisch hierzu jedoch G. Heine, a a. O. Fn. 7, S. 13 ff.: Er fordert eine Belehrung, dass die CD-ROM nicht strafprozessual verwertet werden darf, wenn das nachfolgende Geständnis verwertbar sein soll (S. 14).
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rechtmäßig eingesetzten Boten oder als zulässige Amtshilfe dargestellt, dann hat der Richter die ihm nach Art. 13 Abs. 2 GG obliegende eigenverantwortliche Prüfung des Verdachtsmaterials nicht vornehmen können. In einem solchen Fall wurde ihm der Defekt, der die tatsächliche Grundlage des Verwertungsverbots ist, durch die Ermittlungsbehörden verheimlicht. Mit Worten ausgedrückt, die sonst von Staatsanwälten verwendet werden: Bei einer derartigen Konstellation haben die Verfolger den Ermittlungsrichter kraft ihres überlegenen Wissens gesteuert, weil sie ihn daran hinderten, den Durchsuchungsantrag zurückzuweisen. Ein solcher Sachverhalt wird an dieser Stelle nicht behauptet, sondern als sich aufdrängende Hypothese eingeführt. Sollte er vorgelegen haben, löst dies weitreichende Konsequenzen aus. Zwar dienen auch Erkenntnisse, die einem Verwertungsverbot unterliegen, als zulässiger Ermittlungsansatz60. Man braucht aber nicht an dem Erfurter Deutschen Juristentag teilgenommen zu haben61, um die damit verbundene fundamentale Einschränkung zu formulieren. Sie springt dem Leser schon aus dem Karlsruher Kommentar des Jahres 2003 entgegen62. Danach dürfen „Maßnahmen, die Eingriffscharakter haben“, und das sind Durchsuchungsbeschlüsse, nicht auf unverwertbare Erkenntnisse gestützt werden. Von dieser Rechtslage war hier bei den LGT-Dateien auszugehen. Haben die Behörden dies gegenüber dem Ermittlungsrichter vernebelt, ist die richterliche Kontrolle vereitelt worden. Sie lief leer, weil dessen notwendige eigenverantwortliche Prüfung nicht stattfinden konnte63. Die maßgebende „Beschlussherrschaft“ wäre dann bei den Verfolgungsbehörden verblieben, der Richtervorbehalt ausgehebelt. In der Sache handelt es sich um die gleiche Fragestellung wie im Falle BGHSt 51, 28564. Nach diesem Urteil vom 18.4.200765
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60 BGHSt 34, 362; Meyer-Goßner, StPO, 31. Aufl., München 2008, Rz. 4 zu § 152 StPO. 61 Dort hat die zuständige Abteilung – nach einem Bericht der SZ vom 27./28.9.2008 – beschlossen, dass die durch Verwertungsverbot gesperrten Beweise zwar als Ermittlungsansatz genutzt werden können, „keinesfalls“ aber als Begründung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen. Über die Beschlüsse des 67. Juristentages auch NJWSpezial 2008, 698. 62 KK StPO, 5. Aufl., München 2003: Schoreit Rz. 32 zu § 152 StPO; so auch KK StPO, 6. Aufl., München 2008: Schoreit Rz. 32 zu § 152 StPO. 63 Vgl. dazu K. Chiolek-Krepold, Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen, München 2000, Rz. 54 S. 26; K. Müller/Ch. Trurnit, Eilzuständigkeiten der Staatsanwaltschaft und des Polizeivollzugsdienstes in der StPO, StraFo 2008, 144. 64 Zuvor schon OLG Hamm v. 19.10.2006, wistra 2008, 75. In dieser Entscheidung hat das OLG Hamm ausgeschlossen, dass über die rechtswidrigen Funde bei der Durchsuchung im Hinblick auf das Schweigen des Beschuldigten eine (rechtmäßige) Überführung zu erwarten sei, und im gegebenen Fall als Revisionsgericht freigesprochen. Das BVerfG hat durch Beschluss v. 12.4.2005 – 2 BVR 1027/02, NJW 2005, 1917 bei „schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen … ein Verwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung von Datenträgern und darauf vorhandener Daten“ als „geboten“ bezeichnet; dazu auch BVerfG NJW 2006, 2684. 65 Dazu C. Roxin, Zum Beweisverwertungsverbot bei bewusster Missachtung des Richtervorbehalts nach § 105 I 1 StPO, NStZ 2007, 616; Wohlers, Die Nichtbeachtung des Richtervorbehalts, StV 2008, 434; zu den Anforderungen an die richterliche Prüfung zuletzt LG Rostock, StraFo 2008, 377.
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führt die „bewusste Missachtung oder gleichgewichtig die grobe Verkennung des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts“ dazu, dass die Früchte der Durchsuchung ihrerseits unverwertbar sind66. Dieses Prinzip bedeutet im Kern: Bei der rechtlichen Beurteilung ist die auf diesem Weg ermöglichte unstatthafte Durchsuchung hinwegzudenken. Damit entfiele unter den genannten Voraussetzungen die Sperrwirkung, die durch das Erscheinen der Amtsträger entstanden sein könnte. Auch die Entdeckung der Tat als allgemeine zweite Sperre für Selbstanzeigen (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) scheidet aus. Diese erfordert bekanntlich eine Beweislage, durch welche „die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses“ begründet wird67. Daran jedoch fehlt es, wenn alle der Strafjustiz zur Verfügung stehenden bisherigen Funde forensisch unverwertbar sind. Was bleibt, ist die offene Frage, ob die dritte Sperre gilt, nämlich die mit der Durchsuchung konkludent einhergehende Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 b) AO). Da die zugelassene Verwendung der unverwertbaren Erkenntnisse als Ermittlungsansatz Grundrechtseingriffe nicht rechtfertigen kann, erlauben solche Früchte keine Durchsuchung, sondern lediglich das schlichte Forschen nach weiteren Beweisen, die verwertbar wären. Aus diesem Grund besteht das eingeleitete und bemakelte Verfahren vorerst aus nichts anderem als der Hoffnung, neue und als solche verwertbare Beweismittel zu finden. Außerhalb der LGT-Dateien und ohne Durchsuchung waren in den typischen Liechtenstein-Fällen weitere Beweismittel nicht vorstellbar. Deshalb kamen (verwertbar) allein Geständnisse in Betracht, die allerdings als spontane und freiwillige Erklärungen zur Sache nicht erwartet werden konnten. Da die Sperren des § 371 AO Rechtsbegriffe sind, müssen sie ausgelegt werden68. Haben die Ermittlungsbehörden das Verfahren nur als Folge eines geheimdienstlichen Einsatzes einleiten können, zielt es auf den späteren Austausch unverwertbarer Beweismittel gegen ein verwertbares Geständnis des von der rechtswidrigen Durchsuchung überraschten Beschuldigten ab. Solange dieser Austausch nicht stattgefunden hat, belastet der rechtliche Makel das
__________ 66 Zur aktuellen Diskussion von Verwertungsverboten: C. Prittwitz, Richtervorbehalt, Beweisverwertungsverbot und Widerspruchslösung bei Blutentnahmen, StV 2008, 486; BVerfG v. 28.7.2008 – 2 BvR 784/08, NJW 2008, 3053 zum Verwertungsverbot als rechtsstaatlichem Mindeststandard (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) unter Hinweis auf die Rspr., wonach Verwertungsverbote von der Art des Verbotes und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen abhängen, zugleich mit dem ausdrücklichen Hinweis: „Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen …“. 67 BGH, wistra 1983, 197. 68 Der BGH hat sich in seinem Beschluss vom 16.6.2005 (NJW 2005, 2723) bereits damit befasst, ob die Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung dazu zwingt, das Erscheinen des Prüfers (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 a) AO) zu negieren. Er hat dies zumindest für den Fall bejaht, dass die Prüfungsanordnung an besonders schwerwiegenden offenkundigen Fehlern leidet (§ 125 AO). Eine ähnliche Konsequenz drängt sich bei der hier abgehandelten Konstellation für Durchsuchungen auf.
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Verfahren überhaupt, weil der von den Behörden als „Beifang“ bezeichnete Datenbestand die geplante Ausbeute eines nachrichtendienstlichen Fischzuges war, nicht aber Zufallsfund. Dem Verfahren fehlt deshalb die Qualität, die den von § 371 Abs. 2 Nr. 1 b) AO gemeinten „normalen“ und rechtmäßig organisierten Ermittlungen innewohnt. Dies spricht rechtlich dafür, eine Offenbarung des Betroffenen, der bei dieser Konstellation überhaupt erstmals verwertbare Beweise liefert, wie eine Selbstanzeige zu behandeln. Daraus ergibt sich die folgende Konsequenz: Beschuldigte, die unter den hier angenommenen Umständen die zur Besteuerung und zur Überführung nötigen Tatsachen preisgegeben haben, konnten noch in den Genuss persönlicher Strafaufhebung kommen. Wer trotzdem eine Verurteilung akzeptiert, handelt bewusst oder unbewusst auf eigene Gefahr, weil er davon absieht, die verfassungsrechtlich verwurzelte Rechtslage geltend zu machen. Man darf gespannt darauf sein, ob sich ein Betroffener findet, der mutig genug ist, diese Rechtsauffassung forensisch auszutragen und sich einer Unterwerfung zu verweigern.
IV. Koopression Anhaltspunkte, die im Liechtenstein-Komplex auf besondere gerichtliche Härte hindeuten, gibt es bislang nicht69. Darf daraus geschlossen werden, dass nicht zu befürchten ist, die Strafjustiz könnte unter dem Eindruck öffentlicher Empörung zu exzessiven Sanktionen greifen? Einer der LGT-Kunden musste sich am 18.7.2008 vor dem LG Bochum verantworten. Er hat sich nicht bemüht, das Verfahren streitig durchzuführen, um einen Freispruch zu erwirken. In der Tat ist er mit einem nur leicht blau schattierten Auge davongekommen. Seine und damit die erste einschlägige Hauptverhandlung überhaupt dauerte nur 23 Minuten70. Dann wurde der Angeklagte von der Staatsanwältin zwar als „gierig“ bezeichnet und in die Klasse der „Sozialschädlinge“ eingeordnet. Aber weil er gestanden hatte, zwischen 2001 und 2006 über Stiftungen 7.626.860 Euro Einkommensteuern und 419.478 Euro Soli hinterzogen zu haben, blieb der Antrag hinter diesen Wertungen zurück und verurteilte ihn die Strafkammer, wie von der Staatsanwaltschaft für richtig gehalten, zu einer Freiheitsstrafe von nur zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde71. Dieses Ergebnis war umso erstaunlicher, als der Angeklagte nach dem Urteil bis zur Hauptverhandlung auf den offenen Betrag insgesamt nur 4,7 Mio. Euro an das zuständige Finanzamt nachgeleistet hatte.
__________ 69 Die Bochumer Ermittlungsbehörden haben mitgeteilt, dass bislang zehn Verfahren mit Hinterziehungssummen zwischen 100.000 Euro und 1,2 Mio. Euro nach § 153a StPO eingestellt worden seien (Handelsblatt 10.11.2008). 70 Leyendecker, SZ 19./20.7.2008; der Bericht teilt das Aktenzeichen 6 KLs 350 Js 1/08 mit. 71 Laut FAZ vom 19.7.2008 wurde als Bewährungsauflage eine Zahlung von 7,5 Mio. Euro bestimmt.
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Das außergewöhnliche Ergebnis des Verfahrens erklärt sich aus der Unterwerfung. Es wird vor allem erkennbar, wenn man die in der Berechnung der Gesamtstrafe maßgebende Einsatzstrafe von einem Jahr und einem Monat betrachtet, die für 2002 verhängt worden ist. Ihr lag, wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt, eine Einkommensteuerhinterziehung von 2.325.827 Euro zzgl. Soli 127.920,48 Euro zugrunde. Für 2002 hatte die ursprüngliche Erklärung des Angeklagten eine Einkommensteuer von 471.377 Euro betragen, also nicht einmal ein Fünftel dessen, was geschuldet war. Angesichts dieser Relationen bleibt die Milde des Bochumer Urteils in der steuerstrafrechtlichen Judikatur ohne Präjudiz. Von der Forderung Peter Müllers, „den vorgegebenen gesetzlichen Strafrahmen auszuschöpfen“, ist die verhängte Sanktion weit entfernt72. Den Angeklagten hat der großzügige Ausgang seiner Sache nicht überrascht. Er war hochzufrieden, nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an und ließ durch seinen Verteidiger das Ergebnis als „uneingeschränkt akzeptabel“ loben73. Nur der Journalist Leyendecker zeigte sich uneinsichtig. Er überschrieb seinen Kommentar mit dem Satz „Wenig Strafe für viel Hinterziehung.“74 Wie kam es zu dem (scheinbar) milden Urteil? Offenkundig war der rechtskräftige Ausgang abgesprochen. Da die Verfolger ihre mühsam erlangten LGTDateien zuvor monatelang öffentlich als „Pharaonengräber“ bezeichnet hatten, wird das Ergebnis wohl kaum darauf beruhen, dass der Angeklagte auch aus ihrer Sicht schon deshalb, weil es darin an geeigneten Hinweisen fehlte, ohne sein Geständnis hätte freigesprochen werden müssen. Vermutlich hat die Strafjustiz ein ganz besonderes Entgegenkommen anderer Art honoriert. Es dürfte darin bestanden haben, dass dieser Liechtenstein-Anleger bereits früh auf rechtliche Vorteile des öffentlich erörterten Verwertungsverbots verzichtet und angedeutet hatte, keine Revision einzulegen. Im gegebenen Fall war die Durchsuchung völlig ohne Ergebnis verlaufen. Das Urteil stützt sich in seiner schriftlichen Fassung ausschließlich auf die danach beigeschafften Informationen des Angeklagten und von diesem übergebenen Unterlagen, ohne § 371 AO in Betracht zu ziehen. Die LGT-Dateien und der BND werden in den Gründen nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Das eindrucksvolle Ergebnis beruht mithin auf opportunistischen Erwägungen. Dazu gehört das Signal an andere Beschuldigte in ähnlicher Lage, denen verdeutlicht wird, was ihnen oberhalb der hier ausgeschöpften Bewährungsgrenze von zwei Jahren blühen könnte, falls sie sich einem Konsens verweigern und ihre Sache durchfechten wollen. Wie es sich im Streit verhält, das zeigt ein anderer Beispielsfall. Kurz vor dem in Bochum ergangenen Urteil musste sich ein mittelständischer Unternehmer vor der Strafkammer eines niedersächsischen Landgerichts verantworten. Sein
__________ 72 Peter Müller, a. a. O., Fn. 9, S. 222. 73 FAZ 19.7.2008. 74 SZ 19./20.7.2008. Inzwischen hat die StA Bochum, so die BZ v. 1.10.2008, mitgeteilt, bei weiteren Beschuldigten des Liechtenstein-Komplexes werde das Verfahren nach § 153a StPO gegen Geldauflagen von insgesamt 6,7 Mio. Euro eingestellt. In diesem Zusammenhang hat sie einen Beschuldigten erwähnt, der bereits 3,5 Mio. Euro Steuern nachgezahlt habe. Ermittelt werde noch gegen 770 Personen.
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Verfahren gehörte nicht zum Liechtenstein-Komplex. Es hatte bereits 1999 begonnen und sich hingeschleppt, denn der Beschuldigte war bis zuletzt allen Vorwürfen entgegengetreten. Dies hatte auch die allseits sachlich geführte Hauptverhandlung geprägt, die über viele Monate andauerte und am 8.5.2008 durch ein streitiges Urteil zu Ende ging. Bei der Anklage handelte es sich um eine klassische Punktesache. Hier wurden für die Jahre 1994 bis 1998 Steuerhinterziehungen von insgesamt weniger als zehn Prozent des Bochumer Falls, nämlich von 437.000 Euro, festgestellt. Im Jahre 2008 lagen die angeklagten Taten deutlich mehr als acht Jahre zurück. Die kontroversen Steuern waren, so das Urteil wörtlich, „vollständig ausgeglichen.“ Dieser Angeklagte hat sich nicht unterworfen und nicht verständigt. Sein Urteil hat ihn deshalb (insoweit ebenfalls abweichend vom Hergang in Bochum) überrascht. Hier verhängte die Strafkammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zzgl. einer auf § 41 StGB gestützten Geldstrafe von 180 Tagessätzen. Der Sorge, wie es dem Unternehmen während des Vollzugs ergehen werde, begegneten die Richter mit dem kühlen Hinweis, der Angeklagte könne sich im Betrieb vertreten lassen. Wie aber kommt es, dass die beiden nahezu gleichzeitig abgeschlossenen Verfahren so unterschiedlich ausgegangen sind – die kleine und alte Sache übermäßig hart, die große und neue außergewöhnlich mild? Eben das war die Liechtenstein-Lektion: Alles ist möglich, im Guten wie im Schlechten75. Und für alles gibt es einen Preis. Er wird entweder vorher als Verzicht auf Verteidigung ausgehandelt oder aber nachher dadurch bezahlt, dass besonders harte Sanktionen in Kauf zu nehmen sind. Eine Strafjustiz, deren Akteure darauf mit Achselzucken reagieren, verachtet die ihr gestellte Aufgabe. Darin liegt die größte Herausforderung des realexistierenden forensischen Steuerstrafrechts: Es darf keinen Lernprozess geben, wonach wir uns an alles gewöhnen! Gerichte müssen der eine Teil staatlicher Gewalt (Art. 1 Abs. 2 GG) bleiben, bei dem es nicht auf einen Preis ankommt. Rechtslagen, deren Anrufung dem Bürger durch (vermeintliche) Milde abgekauft, von deren Geltendmachung er durch Drohung abgehalten oder für deren Geltendmachung er durch Härte bestraft wird, sind nur noch Kulisse. Vor ihr geht es um das routinierte Wechselspiel von Kooperation und Pression, das einen eigenen Namen verdient – Koopression. Die Spielräume des materiellen Rechts und deren unkontrollierte Nutzung sind der Treibstoff, von dem Koopression lebt. Verfahren, die so ablaufen, oft übrigens routinemäßig, fügen der Strafjustiz einen Schaden zu, der mehr ins Gewicht fällt als die mit ihrer Hilfe eingenommenen Steuern. Davor sind die Gerichte zu schützen. Dem Bürger verlangt die Auseinandersetzung, wie sich am Streit über den Einsatz des BND zeigt, Mut und
__________ 75 Der BGH hat sich im Beschluss v. 20.3.2008, NJW 2008, 2451 (2453) „nicht zuletzt in Steuerstrafsachen“ gegen „unangemessen niedrige Strafen“ ausgesprochen. Der Präsident des DStV hat in einem Interview mit dem TAGESSPIEGEL v. 19.2.2008 kritisch bemerkt, manchmal habe man das Gefühl, nur bei dem kleinen Bürger werde bei Straftaten das Gesetz in aller Härte angewandt.
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Vertrauen ab – ohne Mut und Vertrauen gibt es keinen Kampf ums Recht. Vertrauen ist nur möglich, wenn von den Richtern erwartet werden darf, dass sie neuen Fragestellungen richterlich nachgehen, anstatt mit taktischer Perspektive auf eine schnelle Unterwerfung des Beschuldigten abzuzielen. Nur so wird sich das anspruchsvolle Steuerstrafrecht auf hohem Niveau weiterentwickeln können und nicht zu einer Veranstaltung verderben, bei der es darum geht, mit doppelter Ware – Steuern und Strafen – je nach dem Verhalten des Angeklagten drohend oder lockend zu handeln. Möglicherweise erklärt sich das aufsehenerregende Revisionsurteil des BGH vom 2.12.200876 mit einem besonderen Unbehagen an der Bochumer Praxis. Die Karlsruher Pressemitteilung spricht ausdrücklich von einer „Grundsatzentscheidung zur Strafhöhe bei Steuerhinterziehung“77. Wenn es um eine Hinterziehung in Millionenhöhe geht, soll danach fortan eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe „nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht“ gezogen werden dürfen. Dies verhindert die nach Auffassung des BGH exzessive Belohnung von Kooperation. Es fordert aber am anderen Ende heraus – noch mehr nämlich kommt es darauf an, der Poenalisierung einer kontradiktorischen Verteidigung revisionsrechtlich entgegenzutreten.
__________ 76 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08. 77 Nr. 221/2008.
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Aufsteigende Kredite nach MoMiG Inhaltsübersicht I. Einführung II. Anlass und Entstehungsgeschichte der Neuregelung 1. Vermeintliche Gefährdung des Cash-Pooling durch das „November“-Urteil des BGH 2. Vom Referentenentwurf zur endgültigen Fassung der §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3 AktG III. Rechtslage im Vertragskonzern 1. Neudefinition der Reichweite des Konzernprivilegs 2. Fortbestehende Schranken des Weisungsrechts
3. „Isolierter“ Gewinnabführungsvertrag 4. Zwischenergebnis IV. Rechtslage im „faktischen“ Konzern und bei der unverbundenen Gesellschaft 1. Reichweite der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG 2. Stichtagsbezogener Ansatz der Neuregelung 3. Weitergehende Verhaltenspflichten V. Fazit
I. Einführung Das am 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG1 hat das Recht der Konzernfinanzierung in doppelter Hinsicht reformiert. Es hat zum einen, im Wesentlichen einem von Ulrich Huber und dem Verfasser vorgelegten Vorschlag folgend2, das von der Rechtsprechung im Wege der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG geschaffene, partiell in §§ 32a, 32b GmbHG, §§ 129a, 172a HGB, §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG geregelte und nur mit Vorbehalten
__________ 1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026; s. ferner RegE, BT-Drucks. 16/6140 = BR-Drucks. 354/07, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23; Stellungnahme des Bundesrates vom 6.7.2007 und Gegenäußerung der Bundesregierung vom 5.9.2007, BT-Drucks. 16/6140; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 18.6.2008, BT-Drucks. 16/9737 (dazu Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 ff.); zu dem im Februar 2006 vorgelegten Referentenentwurf s. Noack DB 2006, 1475; Seibert, ZIP 2006, 1157 ff.; Schäfer, DStR 2006, 2085 ff.; Einführung und umfassende Dokumentation des Gesetzgebungsverfahrens mit Abdruck aller Texte bei Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008; guter Überblick auch bei Kindler, NJW 2008, 3249 ff. 2 Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; dies. in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, S. 370 ff. – Bereits zuvor für „Abschaffung“ der „Rechtsprechungsregeln“ und Verzicht auf das Krisenmerkmal Röhricht, ZIP 2005, 505 (512); s. sodann Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); für Verzicht auf die „Rechtsprechungsregeln“ unter Beibehaltung des Krisenmerkmals Fastrich, FS Zöllner, Bd. 1, 1998, S. 143 (158); T. Bezzenberger, FS G. Bezzenberger, 2000, S. 23 (45 f.); Grunewald/Noack GmbHR 2005, 189 (194); s. ferner Cahn AG 2005, 217 (218 ff.).
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auch für die AG geltende3 Recht der „kapitalersetzenden“ Gesellschafterdarlehen4 auf eine rein insolvenz- und anfechtungsrechtliche, für sämtliche Kapitalgesellschaften und atypische Personengesellschaften gleichermaßen geltende Grundlage gestellt5. Es hat zum anderen – und nur davon soll im Folgenden die Rede sein – die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für den umgekehrten Vorgang, nämlich die Finanzierung des Gesellschafters durch die Gesellschaft, nicht unerheblich modifiziert, dies freilich nicht im Sinne einer konzeptionellen Neuordnung (oder Preisgabe) des Rechts der Kapitalerhaltung insgesamt, sondern auf der Grundlage der als solcher unverändert fortbestehenden Grundsätze der §§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 1 AktG und damit auf vermeintlich systemimmanente Art und Weise6. Den §§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 1 AktG ist nämlich jeweils ein neuer Satz hinzugefügt worden, dem zufolge das Auszahlungsverbot nicht gilt „bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter“ (so § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F.) bzw. „gegen den Aktionär“ (so § 57 Abs. 1 S. 3 AktG n. F.) gedeckt sind. Die Ausnahmevorschriften sind namentlich für die Konzernfinanzierung von herausragender Bedeutung. Dies wiederum mag die Hoffnung rechtfertigen, dass die Auslotung des Anwendungsbereichs der Neuregelung auf das Interesse des Jubilars stößt.
II. Anlass und Entstehungsgeschichte der Neuregelung 1. Vermeintliche Gefährdung des Cash-Pooling durch das „November“-Urteil des BGH Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs sind die Neuregelungen „vor dem Hintergrund der Unsicherheit über die Zulässigkeit von Darlehen und anderen Leistungen mit Kreditcharakter durch die GmbH an Gesellschafter (upstream-loans) im Allgemeinen und der in Konzernen sehr verbreiteten Praxis des sog. Cash-Pooling im Besonderen“ erfolgt.“7 Und weiter: „Die Pra-
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3 Grundsätzlich für Erfordernis einer Beteiligung von rund 25 % BGHZ 90, 381 (390 ff.) = ZIP 1984, 572 = NJW 1984, 1893; BGH ZIP 2005, 1316 (1317 f.); so auch Hüffer, 8. Aufl. 2008, § 57 AktG Rz. 16 ff. 4 Grundlegend BGHZ 31, 258 (272 f.) = NJW 1960, 285; zur Fortgeltung der „Rechtsprechungsregeln“ s. sodann BGHZ 90, 370 (380) = ZIP 1984, 698 (700 f.) = NJW 1984, 1891; näher zum Ganzen und mit zahlreichen Nachw. Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2007, passim, insb. Rz. 7 ff.; Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Band 2, 2006, §§ 32a/b Rz. 23 ff., 206 ff.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a/b Rz. 77 ff. 5 Zu den konzeptionellen Grundlagen sowie zur Einzelausgestaltung s. Habersack ZIP 2007, 2145 ff.; Huber, FS für Priester, 2007, S. 259 ff.; ferner Hirte WM 2008, 1429 (1430 f.). 6 Flankiert wird die Reform der Kapitalerhaltungsgrundsätze durch die Neuregelungen über die verdeckte Sacheinlage und das Hin- und Herzahlen in § 19 Abs. 4, 5 GmbHG; dazu Ulmer, ZIP 2008, 45 ff. (RegE); Goette (Fn. 1) S. 9 ff. (endgültige Fassung des Gesetzes). 7 Begr. RegE, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23, S. 16 = Goette (Fn. 1) S. 258.
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xis des Cash-Pooling ist im Grundsatz ökonomisch sinnvoll und dient regelmäßig auch dem Interesse von Konzerntöchtern. Die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auf das Cash-Pooling kann abhängig von ihrer Interpretation international tätige Konzerne vor erhebliche praktische Schwierigkeiten stellen. Dies wurde u. a. in der Folge der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH II ZR 171/01 vom 24.11.2003) deutlich. Es entstand erhebliche Rechtsunsicherheit für die Praxis.“ Daran trifft zu, dass der II. Zivilsenat des BGH in dem „November“-Urteil in dem Austausch liquider Haftungsmasse gegen eine zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Forderung – mithin namentlich in der Gewährung eines Darlehens – eine Verschlechterung der Vermögenslage der Gesellschaft und der Befriedigungsaussichten der Gläubiger und damit eine nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG unzulässige Auszahlung erblickt hat8. Die mit dieser Rechtsprechung verbundene Einschränkung der im Rahmen des § 30 GmbHG grundsätzlich maßgebenden „bilanziellen Betrachtungsweise“ stand, was im „November“-Urteil nicht in aller Deutlichkeit herausgestellt worden war, durchaus im Einklang mit tradierten Grundsätzen des Kapitalerhaltungsrechts, wenn man sie nur in dem Sinne verstand, dass entweder bereits vor Hingabe des Darlehens eine Unterbilanz bestanden hatte oder eine solche durch die Darlehensvergabe deshalb entstanden war, weil der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft nicht vollwertig war und deshalb nicht in Höhe des Nennwerts aktiviert werden konnte9. Dass nämlich im Stadium der Unterbilanz die bilanzielle Betrachtungsweise einzuschränken und es der Gesellschaft beispielsweise nicht gestattet ist, stille Reserven an die Gesellschafter auszukehren, entsprach schon seit langer Zeit herrschender Lehre10. Vor diesem Hintergrund ist es deshalb schief, wenn es in der Amtlichen Begründung heißt, mit § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG kehre das Gesetz „zur bilanziellen Betrachtungsweise zurück, die bis zum November 2003 problemlos anerkannt war.“11 „Problemlos anerkannt“ war, dass die bilanzielle Betrachtungsweise im Stadium der Unterbilanz keine Geltung beansprucht, und das „Revolutionäre“ des „November“-Urteils bestand allein darin, die Abkehr von der bilanziellen Betrachtungsweise auch beim Tausch von Liquidität gegen ein Rückzahlungsversprechen zur Anwendung zu bringen. Unter der Prämisse, dass das „November“-Urteil allein im Stadium der Unterbilanz eingreift, war denn auch das von der Praxis zunächst befürchtete „Ende“ des Cash-Pooling jedenfalls für das GmbH-Recht nicht ernsthaft zu befürch-
__________ 8 BGHZ 157, 72 = NJW 2004, 1111; s. ferner BGHZ 81, 311 (320 f.) = NJW 1982, 286; sodann OLG München, BB 2006, 286 mit Anm. Habersack/Schürnbrand; grundlegend Stimpel, Festschrift 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 335 (346 ff.); Schön, ZHR 159 (1995), 351 (359 ff.). 9 In diesem Sinne namentlich Goette, ZIP 2005, 1481 (1484); Altmeppen, ZIP 2006, 1025 (1030 ff.); Hentzen, ZGR 2004, 480 (488 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (819 ff.); ders. in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, im Erscheinen, unter III.1.c); Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288 f.; a. A. Engert, BB 2005, 1951 (1955). 10 Grundlegend Stimpel (Fn. 8), S. 335, 340 ff.; ferner Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 30 Rz. 22; Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 43 ff. 11 Begr. RegE, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23, S. 17; Goette (Fn. 1) S. 259.
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ten. Für die abhängige AG war und ist die normative Ausgangslage zwar eine andere, untersagt doch § 57 Abs. 1 S. 1 AktG die Vermögensverlagerung auf den Aktionär unabhängig vom Vorliegen oder dem Eintritt einer Unterbilanz12. Doch waren dem Geltungsanspruch des „November“-Urteils richtiger Ansicht zufolge durch den Vorrang der §§ 311 ff. AktG Grenzen gesetzt, so dass auch eine AG grundsätzlich an einem Cash-Pooling teilnehmen konnte, ohne gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zu verstoßen13. Bedenkt man weiter, dass der II. Zivilsenat des BGH in seiner „LBO“-Entscheidung vom 18.6.2007 im Zusammenhang mit der dinglichen Besicherung einer Kaufpreisschuld des Gesellschafters durch die Gesellschaft eine deutliche Zurückhaltung gegenüber dem „November“-Urteil zum Ausdruck gebracht hatte14, so wird man die Neuregelungen in §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3 AktG, misst man sie allein an ihrem auf Sicherung des Cash-Pooling gerichteten Primärzweck, zwar als weitgehend überflüssig bezeichnen dürfen15. Einzuräumen ist indes, dass nunmehr das Cash-Pooling auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt ist, die es sogar der über eine Unterbilanz verfügenden GmbH erlaubt, ihre überschüssige Liquidität abzuführen. Zudem geht der Anwendungsbereich der neuen Vorschriften weit über Cash-Pooling-Sachverhalte hinaus, indem er sämtliche Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter umfasst. 2. Vom Referentenentwurf zur endgültigen Fassung der §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3 AktG Die schlussendlich verabschiedete Fassung der §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3 AktG weicht nicht unerheblich von der noch im Referentenentwurf vorgesehenen Fassung ab. Danach nämlich sollten die Auszahlungsverbote keine Anwendung finden auf Vorleistungen aufgrund eines Vertrags mit einem Gesellschafter, „wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt.“16 In der Begründung17 war zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Leistungen aus und im Rahmen der freien Rücklagen im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsregeln völlig unproblematisch sind. Derlei freies Vermögen darf die Gesellschaft an die Gesellschafter ausschütten; erst Recht darf sie es den Gesellschaftern darlehensweise überlassen. Bei Leistungen aus gebundenem Vermögen oder solchen, die trotz des Rückzahlungsanspruchs eine Unterbilanz herbeiführen, sollte nach dem Konzept des Referentenentwurfs – im Rahmen des Erfordernisses einer im Interesse der Gesellschaft liegenden Leistung – nicht nur, aber immerhin auf die Vollwertigkeit des Anspruchs auf die Gegen-
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12 Bayer in MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 Rz. 7 ff. mit weit. Nachw. 13 Näher Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 ff.; s. aber auch BGH, NJW 2008, 1583 Tz. 28, wo die Frage des Vorrangs des § 311 AktG gegenüber § 57 AktG offenbleibt. 14 BGH, ZIP 2007, 1705 Tz. 23 ff. 15 Vgl. bereits Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288 f. 16 Text mit Begründung bei Goette (Fn. 1) S. 254 f., 356 f.; näher dazu Mülbert, WM 2006, 1977 (1982 f.); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2088 f.). 17 Abdruck bei Goette (Fn. 1) S. 255.
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leistung oder auf Rückzahlung des Darlehens abgestellt werden18. Dieses „Interesse-Indiz“ ist sodann im Regierungsentwurf in den Rang einer gesetzlichen Voraussetzung der Unanwendbarkeit der Zahlungsverbote der §§ 30 Abs. 1 GmbHG, 57 Abs. 1 AktG erhoben worden. Zugleich hatte der Regierungsentwurf eine weitere Ausnahme für den Vertragskonzern vorgesehen; danach nämlich sollten die Zahlungsverbote unanwendbar sein „bei Leistungen, die zwischen den Vertragsteilen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 AktG) erfolgen.“ Auf Empfehlung des Rechtsausschusses ist dieser Ausnahmetatbestand schließlich von dem Erfordernis einer Leistung „zwischen den Vertragsteilen“ befreit und ganz allgemein auf Leistungen, „die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 AktG) erfolgen,“ ausgeweitet worden. Denn, so die Begründung des Rechtsausschusses19, oft gehe es um Leistungen an Dritte auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens oder an Unternehmen, die mit dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen in Geschäftsverbindungen stehen; die neue Formulierung stelle sicher, dass auch solche Leistungen vom Auszahlungsverbot freigestellt sind. Erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses ist darüber hinaus der Wortlaut des § 291 Abs. 3 AktG an denjenigen der §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3 AktG angepasst und in § 71a Abs. 1 AktG eine entsprechende Ausnahmebestimmung aufgenommen worden20. In der Folge suspendieren §§ 57 Abs. 1 S. 3, 71a Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG durchweg bereits „bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags“ von den Auszahlungsverboten der §§ 57 AktG, 30 GmbHG und von dem Unterstützungsverbot des § 71a AktG.
III. Rechtslage im Vertragskonzern 1. Neudefinition der Reichweite des Konzernprivilegs Der auf das Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags abstellende Ausnahmetatbestand hat – zumindest seinem Wortlaut nach – eine nicht unerhebliche Abweichung von der Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG zur Folge. In der bis zum 1.11.2008 geltenden Fassung des § 291 Abs. 3 AktG galten nämlich Leistungen der Gesellschaft „auf Grund eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags“ nicht als Verstoß gegen §§ 57, 58 und 60 AktG. Für das GmbH-Gesetz hingegen, das bis heute keine Regelung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags enthält, entsprach es der zu Recht ganz herrschenden Meinung, dass § 291 Abs. 3 AktG analog anzuwenden war, mithin Leistungen der Gesellschaft „auf Grund eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags“ nicht als Verstoß gegen
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18 Die Begründung (Abdruck bei Goette (Fn. 1) S. 256) führt darüber hinaus als „Interesse-Indizien“ an, dass der Kredit einem Drittvergleich standhält, die Stundung im Rahmen kaufmännisch üblicher Zahlungsziele liegt, die Kreditgewährung kurzfristig kündbar ist, Vorkehrungen zur frühzeitigen Erkennbarkeit einer Verschlechterung der Bonität des Schuldners getroffen sind. 19 BT-Drucks. 16/9737, 98 = Goette (Fn. 1) S. 261. 20 BT-Drucks. 16/9737, 98, 102 = Goette (Fn. 1) S. 358 f. (385).
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§ 30 Abs. 1 GmbHG galten21. Sowohl für die vertraglich konzernierte AG als auch für die vertraglich konzernierte GmbH galt damit, dass nur, aber immerhin die unternehmensvertragsgemäßen Leistungen vom jeweiligen Auszahlungsverbot befreit waren22. Im Falle eines Gewinnabführungsvertrags war dies die vertraglich geschuldete Abführung des Bilanzgewinns; hierbei waren die Begrenzungen durch §§ 300 Nr. 1, 301 AktG zu beachten. Im Falle eines Beherrschungsvertrags waren nach § 291 Abs. 3 AktG a. F. hingegen Vermögensverlagerungen auf das herrschende Unternehmen auf Grund einer rechtmäßigen Weisung gem. § 308 AktG privilegiert. Insoweit kam es zwar selbstredend nicht darauf an, dass die Vermögenszuwendung unmittelbar zugunsten des anderen Vertragsteils erfolgte. Nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG war und ist vielmehr entscheidend, dass die Zuwendung den Belangen des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns dient, was auch dann der Fall ist, wenn das herrschende Unternehmen oder der Konzern durch Leistung an einen Dritten mittelbar begünstigt werden23. So gesehen war das noch im Regierungsentwurf vorgesehene Erfordernis einer Leistung „zwischen den Vertragsteilen“ in der Tat verfehlt. Als nicht sonderlich geglückt darf hingegen die nunmehr Gesetz gewordene Suspendierung sämtlicher Leistungen von den Auszahlungsverboten des Aktien- und GmbH-Rechts bezeichnet werden24. Sie hat zur Folge, dass bei Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags nicht nur der nach Maßgabe der §§ 300 Nr. 1, 301 AktG abzuführende Bilanzgewinn, sondern auch jeder unterjährig erfolgende Vermögenstransfer privilegiert wird und bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags das Erfordernis einer (rechtmäßigen) Weisung und damit die Vorkehrungen des § 308 Abs. 2 und 3 AktG entfallen25. Dabei bleibt indes unberücksichtigt, dass sowohl der Beherrschungsvertrag als auch der Gewinnabführungsvertrag organisationsrechtliche Elemente enthalten und gleichsam satzungsändernden Charakter haben, indem sie die Verfassung der abhängigen Gesellschaft abweichend von dem aktienrechtlichen Normalstatut gestalten26. Erst dieser Organisationscharakter legt es nahe, die Auszahlungsverbote außer Kraft zu setzen. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass das herrschende Unternehmen nach § 302 AktG ohnehin der Verlustausgleichspflicht unterliegt und es deshalb „unter dem Strich“ keinen Unterschied mache, ob im Falle eines Beherrschungsvertrags der nachteiligen Vermögens-
__________ 21 Vgl. BGHZ 168, 285 Tz. 8 ff.; s. ferner Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 86 mit umf. Nachw., auch zu abw. Stimmen. 22 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 291 Rz. 36; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 291 Rz. 74; im Zusammenhang mit dem RegE MoMiG Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1295 f.); Pentz, ZIP 2006, 781 (786); Möller, Konzern 2008, 1 (3 f.). 23 Emmerich (Fn. 22) § 308 Rz. 49. 24 Krit. auch Altmeppen in MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2009, § 291 Rz. 228 ff.; Pentz, DB Status:Recht 2007, 239 (240); befürwortend hingegen Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1296). 25 Vgl. Altmeppen, Pentz, jew., a. a. O., (vorige Fn.). 26 BGHZ 103, 1 (4 f.); BGHZ 116, 37 (43); Emmerich (Fn. 22) § 291 Rz. 25 f.; Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 200 ff.
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verlagerung eine (rechtmäßige) Weisung zugrunde liege oder nicht und im Falle eines Gewinnabführungsvertrags der Gewinn durch unterjährige verdeckte Verlagerungen geschmälert oder am Ende des Geschäftsjahres unversehrt abgeführt werde27. Hierbei bliebe unbedacht, dass die beherrschungsvertraglichen Eingriffsbefugnisse des herrschenden Unternehmens, die ihre Legitimation überhaupt erst durch die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG erhalten, nur nach Maßgabe des § 308 AktG bestehen und die Freistellung allein der Abführung des förmlich festgestellten Bilanzgewinns durch das zur Gewinnabführung verpflichtete Unternehmen für Transparenz der Verhältnisse sorgen soll. Indem nun §§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zum Anlass für eine generelle Suspendierung des Auszahlungsverbots im Verhältnis zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen machen, ignorieren sie diese konzernverfassungsrechtlichen Zusammenhänge. Es kommt hinzu, dass sich bereits die alte Fassung des § 291 Abs. 3 AktG dem von Teilen des Schrifttums erhobenen Vorwurf ausgesetzt sah, sie sei mit Art. 15 der Kapitalrichtlinie28 unvereinbar29. Die Frage nach der Berechtigung dieses Vorwurfs bedarf nun keiner Erörterung mehr30. Nicht von der Hand weisen lässt sich freilich, dass schon die in Bezug auf § 291 Abs. 3 AktG a. F. angemeldeten Zweifel infolge der Neufassung und Ausweitung des Konzernprivilegs neuen Auftrieb erhalten. Denn die Vereinbarkeit des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG mit Art. 15 der Kapitalrichtlinie – deren Anwendbarkeit auf Konzernverhältnisse unterstellt – dürfte noch schwerer fallen, wenn man die Privilegierung des Vermögenstransfers zwischen abhängiger Gesellschaft und herrschendem Unternehmen ihres organisationsrechtlichen Fundamentes beraubt und nicht auf die vertragstypischen Leistungen beschränkt. Nachdem allerdings die Unvereinbarkeit der §§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG mit Art. 15 der Kapitalrichtlinie keineswegs gewiss ist und zudem eine gegebenenfalls gebotene gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung – etwa im Sinne einer Beschränkung des Privilegs auf vertragskonforme Leistungen – angesichts des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Neuregelungen ihrerseits problematisch wäre, muss einstweilen auch für das Aktienrecht31 von der nunmehr Gesetz gewordenen Fassung der Privilegierung des Vertragskonzerns und damit von der Geltung des Konzernprivilegs für jeglichen – unmittelbaren oder
__________ 27 In diesem Sinne aber Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1296). 28 Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976, ABl. Nr. L 26/1; zuletzt geändert durch Richtlinie vom 6.9.2006, ABl. Nr. L 264/32. 29 So etwa Meilicke, DB 2001, 2385 f.; Mülbert, FS für Lutter, 2000, S. 535, 543 ff., 550 ff.; Nienhaus, Kapitalschutz in der Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, 2002, S. 13 ff., 98 ff., 109 ff., 139 ff. 30 An der Vereinbarkeit zweifelnd Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 6 Rz. 41; für Vereinbarkeit mit Art. 15 der Kapitalrichtlinie hingegen Schön, FS für Kropff, 1997, S. 285 (298 f.); Veil (Fn. 26) S. 164 ff.; wohl auch Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rz. 343. 31 Die GmbH unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der Kapitalrichtlinie, so dass insoweit keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Kapitalerhaltung bestehen.
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mittelbaren – Vermögenstransfer von der vertraglich konzernierten AG auf das herrschende Unternehmen ausgegangen werden. 2. Fortbestehende Schranken des Weisungsrechts Unter Geltung des § 291 Abs. 3 AktG a. F. entsprach es verbreiteter und zutreffender Ansicht, dass Leistungen, die die Lebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft bedrohen, nicht zu privilegieren und somit verboten waren; denn in diesem Fall fehlt es an der in § 291 Abs. 3 AktG a. F. vorausgesetzten rechtmäßigen Weisung32. Von Bedeutung war diese Begrenzung sowohl des Weisungsrechts als auch der damit unmittelbar zusammenhängenden Suspendierung des § 57 AktG namentlich im Zusammenhang mit die Liquidität übermäßig einschränkenden Cash-Pooling-Systemen33. Hieran hat sich unter Geltung der §§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG n. F. im Ergebnis nichts Wesentliches geändert34. Obgleich nämlich die genannten Vorschriften nicht mehr voraussetzen, dass die Vermögensverlagerung ihrer Grundlage in einer rechtmäßigen Weisung findet, lässt sich ihnen nicht entnehmen, dass der Kreis der nach § 308 AktG erlaubten Weisungen ausgeweitet worden ist; entfallen ist vielmehr allein der innere Zusammenhang zwischen § 308 AktG einerseits und §§ 57, 291 Abs. 3 AktG andererseits. Hat es somit auch unter Geltung des MoMiG dabei zu bewenden, dass existenzgefährdende Weisungen rechtswidrig sind, so geht mit der Befolgung einer solchen Weisung zwar nicht mehr ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG einher. Wohl aber handelt der Vorstand der abhängigen Gesellschaft pflichtwidrig, wenn er sich auf eine rechtswidrige Weisung einlässt und diese befolgt; Folge des pflichtwidrigen Verhaltens ist die Haftung gegenüber der abhängigen Gesellschaft nach § 310 Abs. 1 AktG, deren wichtigster Anwendungsfall gerade in der Befolgung unverbindlicher, weil rechtswidriger Weisungen besteht35. Nach § 310 Abs. 2 AktG kann sich der Vorstand auch nicht darauf berufen, dass der – typischerweise vom herrschenden Unternehmen dominierte – Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. Der Aufsichtsrat unterliegt vielmehr seinerseits der Haftung nach § 310 Abs. 1 AktG, und zwar nicht nur dann, wenn er die Befolgung der rechtswidrigen Weisung ausdrücklich gebilligt hat. Unberührt bleiben im Übrigen die Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner Organwalter (§ 309 AktG), ferner das Kündigungsrecht der abhängigen Gesellschaft aus § 297 Abs. 1 S. 1, 2 AktG wegen Nichterfüllbarkeit der Verlustausgleichspflicht und die damit einher gehende Pflicht des Vorstands der abhängigen Gesell-
__________ 32 Vgl. Emmerich (Fn. 22) § 308 Rz. 64 f.; Zeidler in Michalski, GmbHG, 2002, Systematische Darstellung 4 Rz. 96 ff.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (690); Vetter (Fn. 9), unter IV.1.; allg. Hüffer (Fn. 22), § 308 Rz. 19; grundsätzlich gegen das Verbot existenzgefährdender Weisungen Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rz. 50. 33 Vgl. Emmerich, Zeidler, Habersack/Schürnbrand, jew., a. a. O., (vorige Fn.). 34 Wie hier auch Altmeppen in MünchKomm/AktG (Fn. 24), § 291 Rz. 229b; Bormann/ Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37, 47. 35 Emmerich (Fn. 22), § 310 Rz. 7 f. (9); zur Unanwendbarkeit des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG s. Emmerich, § 308 Rz. 19.
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schaft, die Solvenz und Liquidität des herrschenden Unternehmens fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls – unter Androhung der Kündigung – auf Besicherung des Anspruchs auf Verlustausgleich zu bestehen36. Bei Lichte betrachtet hat das MoMiG deshalb im Falle einer die Existenz der abhängigen Aktiengesellschaft gefährdenden oder aus anderen Gründen rechtswidrigen Weisung zwar das Zahlungsverbot des § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG außer Kraft gesetzt, das Innenrecht und damit insbesondere die Verhaltenspflichten der Organwalter indes unberührt gelassen. Für die abhängige GmbH gilt Entsprechendes37. Bei ihr wird man zwar nicht mehr davon ausgehen können, dass der Anspruch auf Verlustausgleich bei Beurteilung der Vereinbarkeit der begehrten Auszahlung mit § 30 Abs. 1 GmbHG als Aktivposten zu führen und deshalb vom Geschäftsführer schon insoweit auf seine Werthaltigkeit zu überprüfen ist38; denn nunmehr ist § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG durch Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags gänzlich außer Kraft gesetzt. Auch bei der GmbH bleiben indes die über § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG hinausgehenden Verhaltenspflichten des Geschäftsführers unberührt. 3. „Isolierter“ Gewinnabführungsvertrag Nach §§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG ist nunmehr auch im Falle eines „isolierten“ Gewinnabführungsvertrags jeder unterjährig erfolgende Vermögenstransfer dem Anwendungsbereich der Auszahlungsverbote entzogen. Nach wie vor soll es allerdings bei der in § 316 AktG vorgesehenen Geltung der §§ 311, 317 AktG bewenden. Dies macht freilich noch weniger Sinn als vor Inkrafttreten des MoMiG39. Zu bedenken ist nämlich, dass § 311 AktG vor Inkrafttreten des MoMiG das Auszahlungsverbot des § 57 AktG verdrängt hatte40. Die Außerkraftsetzung des § 57 AktG durch das MoMiG kann nun nicht ohne Rückwirkungen auf § 311 AktG bleiben, nachdem §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, soweit sie durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückzahlungsansprüche gedeckte Leistungen privilegieren, bei Lichte betrachtet im Wesentlichen dasjenige verallgemeinern, was bislang nach § 311 AktG nur Abhängigkeitsverhältnissen vorbehalten war41. Mit der gänzlichen Unanwendbarkeit des § 57 AktG im Fall eines „isolierten“ Gewinnabführungsvertrags ist die nach wie vor in § 316 AktG angeordnete Fortgeltung des § 311 AktG ohne systematisches Fundament. De lege lata wird man den Wertungswiderspruch zwar hinzunehmen
__________ 36 Vgl. – mit Unterschieden im Detail – Vetter (Fn. 9), unter IV.2.; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37, 47; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (690 f.); Altmeppen in MünchKomm/AktG (Fn. 24), § 291 Rz. 228a, § 302 Rz. 38. 37 Näher Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37, 47 f. 38 Dazu für § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 86. 39 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG s. bereits Cahn/Simon, Konzern 2003, 1, 17 ff. (20); Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 22), § 316 Rz. 10. 40 Vgl. die Nachw. in Fn. 13. 41 S. dazu noch unter IV.
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haben; der Gesetzgeber sollte indes § 316 AktG bei nächster sich bietender Gelegenheit an die Neuausrichtung des Konzernprivilegs anpassen. Auch im Anwendungsbereich des § 316 AktG bewendet es im Übrigen bei der Pflicht der Organwalter der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft, die Solvenz und Liquidität des herrschenden Unternehmens fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls – unter Androhung der Kündigung – auf Besicherung des Anspruchs auf Verlustausgleich zu bestehen42. 4. Zwischenergebnis Die Folgen der Umgestaltung des Konzernprivilegs des § 291 Abs. 3 AktG durch das MoMiG sind nicht allzu gravierend. Zwar kommt es für die Außerkraftsetzung des § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags nicht mehr auf das Vorliegen einer (rechtmäßigen) Weisung des herrschenden Unternehmens an43. Auch wird im Falle eines „isolierten“ Gewinnabführungsvertrags Gläubigerschutz auch im Zusammenhang mit unterjährigen Vermögensverlagerungen auf das herrschende Unternehmen nicht mehr durch § 57 AktG, sondern durch die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG sowie durch §§ 311, 317 AktG (deren Fortgeltung allerdings im Widerspruch zur Neukonzeption des Konzernprivilegs steht) besorgt. Unberührt bleiben indes die Sorgfaltspflichten der Organwalter im Allgemeinen und die Pflicht der Organwalter der abhängigen Gesellschaft, die Solvenz und Liquidität des herrschenden Unternehmens fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls – unter Androhung der Kündigung – auf Besicherung des Anspruchs auf Verlustausgleich zu bestehen, im Besonderen.
IV. Rechtslage im „faktischen“ Konzern und bei der unverbundenen Gesellschaft 1. Reichweite der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG Soweit §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär bzw. Gesellschafter gedeckt sind, und damit insbesondere die Vergabe von Darlehen, die Kreditierung durch Stundung der Gegenleistung, aber auch die Stellung von Sicherheiten für Verbindlichkeiten des Gesellschafters44 vom Anwendungsbereich der allgemeinen Auszahlungsverbote ausnehmen,
__________ 42 Vgl. die Nachw. in Fn. 36. 43 Dazu im Einzelnen unter 2. a). – Der nunmehr gleichfalls von §§ 57 Abs. 1 S. 3, 291 Abs. 3 AktG erfasste Fall einer gänzlich weisungsunabhängigen Vermögensverlagerung dürfte angesichts der Weite des Weisungsbegriffs des § 308 Abs. 1 AktG theoretischer Natur sein. 44 S. dazu noch unter IV. 2.; näher Vetter (Fn. 9), unter III.4.; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801 (804 f.); Gehrlein, Konzern 2007, 771 (785); Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37 (49); zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG s. BGHZ 173, 1; Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 52 ff.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 ff.
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schließen sie es allein aus, eine verbotene Auszahlung schon deshalb anzunehmen, weil Liquidität gegen ein Leistungsversprechen des Gesellschafters „getauscht“ und damit von der Gesellschaft das Risiko der Uneinbringlichkeit der von ihr erworbenen Forderung übernommen wird45. Nach wie vor ist es der AG generell und der GmbHG im Stadium der Unterbilanz untersagt, Vermögen an ihre Mitglieder auszukehren, und ungeachtet der – insoweit überhaupt nicht einschlägigen – Neuregelung in §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG hat es insoweit bei einer betont nicht-bilanziellen Betrachtungsweise zu bewenden46, weshalb die Abgabe von Gesellschaftsvermögen zu einem unter dem tatsächlichen Wert liegenden Buchwert ebenso verboten ist wie die Abgabe werthaltiger, aber bilanziell nicht erfasster Gegenstände. Die Materialien sehen dieses Verbot in dem „Deckungsgebot“ der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG zum Ausdruck gebracht47. Doch ergibt es sich bei Lichte betrachtet bereits aus §§ 57 Abs. 1 S. 1 AktG, 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, die durch das MoMiG nur insoweit eine Einschränkung erfahren haben, als sie keinen Liquiditätsschutz mehr begründen. Der Verzicht auf jeglichen Liquiditätsschutz steht zwar in einem gewissen Wertungswiderspruch zu den gleichfalls durch das MoMiG eingefügten besonderen Auszahlungsverboten der §§ 92 Abs. 2 S. 3 AktG, 64 S. 3 GmbHG, 130a Abs. 1 S. 3 HGB, ist indes geltendes Recht. Es ist deshalb nicht angängig, an das Merkmal der „Vollwertigkeit“ höhere Anforderungen zu stellen, als sie sich aus dem Bilanzrecht ergeben48. Erlaubt es das Bilanzrecht, den Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch auch ohne Stellung von Sicherheiten zum Nennwert zu aktivieren, so gebieten auch §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG nicht die Besicherung des Anspruchs. Für das Aktienrecht folgt aus § 57 Abs. 1 S. 1 und 3 AktG, dass die AG überhaupt nur leisten darf, wenn der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch vollwertig ist. Bei der GmbH hingegen ist zu unterscheiden49: Befindet sich die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung außerhalb der Unterbilanz, so darf sie auch gegen einen nicht vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch leisten, sofern nur eine Forderung aktiviert werden kann, die den Eintritt der Unterbilanz ausschließt. Bei Bestehen einer Unterbilanz schon im Zeitpunkt der Leistung durch die Gesellschaft gilt hingegen auch für die GmbH, dass nur gegen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch geleistet werden darf. Anders als § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG bestehen §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG allerdings nicht darauf, dass der Anspruch der Gesellschaft jederzeit fällig ist oder fällig gestellt werden kann. Bei hinausgeschobener Fälligkeit bedarf es freilich einer angemessenen Ver-
__________ 45 Zur damit verbundenen „Rückkehr“ zur bilanziellen Betrachtungsweise s. bereits unter II.1. 46 Vgl. dazu bereits unter II. 1., ferner Vetter (Fn. 9), unter III.1.3.d). 47 Begr. RegE, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23, S. 16 = Goette (Fn. 1), S. 259. 48 Wie hier auch Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801 (804); eingehend zum Vollwertigkeitstest Vetter (Fn. 9), unter III.3.a); strenger hingegen Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37, 43 f., 48. 49 Insoweit zutr. Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, Oktober-Sonderheft S. 37, 48.
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zinsung, soll eine Diskontierung der Forderung und damit fehlende Vollwertigkeit vermieden werden50. 2. Stichtagsbezogener Ansatz der Neuregelung Im Rahmen der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG ist eine stichtagsbezogene Betrachtung anzustellen. Maßgebend ist allein, ob der Rückgewähr- oder Gegenleistungsanspruch im Zeitpunkt der Vorleistung durch die Gesellschaft vollwertig ist51. Abzustellen ist insoweit nicht auf den Abschluss des Darlehens- oder Liefervertrags, sondern auf die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflicht zur Auszahlung der Darlehensvaluta oder zur Lieferung der Sache52; dem entspricht es, dass erst in diesem Zeitpunkt das Geschäft bilanziell erfasst wird und der Vollwertigkeitstest durchgeführt werden kann. Anders verhält es sich allein in Fällen, in denen der Gesellschafter mittelbar durch Leistung an einen Dritten begünstigt wird, wie dies bei Besicherung der Verbindlichkeit des Gesellschafters durch die Gesellschaft der Fall ist. Da der Sicherungsnehmer grundsätzlich nicht an das Kapitalerhaltungsgebot gebunden ist53, kann von ihm Erfüllung des Sicherungsversprechens auch dann verlangt werden, wenn die Bestellung der Sicherheit zu Lasten gebundenen Vermögens ginge; der Vorbehalt der Vereinbarkeit der Erfüllung mit den Kapitalerhaltungsregeln, der ganz allgemein Leistungsversprechen der Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern kennzeichnet, besteht mit anderen Worten dem Dritten gegenüber nicht. Unter Geltung des alten Rechts war deshalb die Gesellschaft nicht erst gehalten, mit Erfüllung der Sicherungsabrede (d. h. mit Bestellung der Sicherheit) vom Gesellschafter nach § 62 AktG, § 31 GmbHG Befreiung und damit Ablösung der gesicherten Schuld oder Stellung einer Ersatzsicherheit zu verlangen. Mit Blick auf die Grundsätze des „November“Urteils war vielmehr bereits in der Begründung der Verpflichtung gegenüber dem außenstehenden Dritten eine Auszahlung an den Gesellschafter zu erblicken, sobald feststand, dass diese Verpflichtung nur unter Rückgriff auf gebundenes Vermögen erfüllt werden konnte; bei der Gewährung einer schuldrechtlichen Sicherheit galt Entsprechendes mit Abgabe des Einstandsversprechens54. Nach Inkrafttreten des MoMiG ist der mangelnden Bindung des Dritten an die Kapitalerhaltungsregeln dadurch Rechnung zu tragen, dass bereits bei Übernahme der Pflicht zur Stellung der Sicherheit zu prüfen ist, ob der Gesellschaft ein vollwertiger Befreiungs- oder Erstattungsanspruch gegen den begünstigten Gesellschafter zusteht55; danach eintretende Entwicklungen sind
__________ 50 Vetter (Fn. 9), unter III.3.e); Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801 (804). 51 Begr. RegE, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23, S. 16 = Goette (Fn. 1), S. 259. 52 Vgl. für § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG RGZ 133, 393; BGH, NJW 2003, 3629 (3631); Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 55; speziell für §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG Vetter (Fn. 9), unter IV.3.c). 53 BGHZ 138, 291 (298 f.); Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 98 f. mit weit. Nachw. 54 Näher Ulmer/Habersack (Fn. 4), § 30 Rz. 99. 55 Insoweit a. A. Vetter (Fn. 9), unter III.4.c).
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im Zusammenhang mit den gläubigerschützenden Auszahlungsverboten irrelevant56. 3. Weitergehende Verhaltenspflichten Unabhängig von der zuletzt aufgeworfenen Frage nach dem für die Ermittlung der Vollwertigkeit maßgebenden Zeitpunkt steht fest, dass nach dem Stichtag erfolgende Abwertungen die Zulässigkeit der Leistung der Gesellschaft sub specie der gläubigerschützenden Vorschriften der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG nicht mehr in Frage stellen57. Wie im Vertragskonzern58 obliegt es allerdings den Organwaltern der Gesellschaft, die Solvenz und Liquidität des Aktionärs oder Gesellschafters fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls – unter Androhung der Kündigung – auf Besicherung des Anspruchs der Gesellschaft zu bestehen59. In dieser Solvenz- und Liquiditätsprüfung erschöpfen sich die Pflichten allerdings nicht: Im Falle einer abhängigen AG sind die §§ 311 ff. AktG einschlägig. Die Frage, ob Maßnahmen der Konzernfinanzierung nachteiligen Charakter haben, war vor Inkrafttreten des MoMiG vor dem Hintergrund zu sehen, dass §§ 57, 62 AktG – und mit ihnen § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG – durch § 311 AktG verdrängt wurden und es dem herrschenden Unternehmen somit gestattet war, offene und verdeckte Vermögensverlagerungen nach Maßgabe des § 311 Abs. 2 AktG auszugleichen60. Die Hingabe eines ungesicherten Darlehens und die Bestellung einer Sicherheit durch die abhängige AG waren deshalb, auch soweit sie einer unverbundenen AG nach § 57 AktG in der bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden Fassung verboten waren61, auch dann nicht per se nachteilig, wenn sie auf Veranlassung und zugunsten des herrschenden Unternehmens erfolgten62. Der Zulässigkeit des gestreckten – und zudem rein schuldrechtlichen – Nachteilsausgleichs nach § 311 Abs. 2 AktG war vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass an die Stelle des abstrakten Vermögens- und Liquiditätsschutzes nach § 57 AktG a. F. eine konkrete, auf die Umstände des Einzelfalles abstellende Betrachtungsweise zu treten hatte63. Die Neuregelung in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG hat diese konzernrechtliche Lage stabilisiert und letzt-
__________ 56 57 58 59 60 61
Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801 (805). Begr. RegE, ZIP 2007, Beil. zu Heft 23, S. 16 = Goette (Fn. 1), S. 259. Dazu unter III. 2., 3. Vgl. Nachw. in Fn. 56, ferner Vetter (Fn. 9), unter III.3.c). Vgl. die Nachw. in Fn. 13. OLG Hamm, ZIP 1995, 1263 (1270); Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 (146 f.); Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (690 ff.); Hentzen, ZGR 2005, 480 (506 ff.). 62 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (692 ff.); Hentzen, ZGR 2005, 480 (509 f.); Kerber, ZGR 2005, 437 (446 f.); Reidenbach, WM 2004, 1421 (1427); Wessels, ZIP 2004, 793 (796); Vetter in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 311 Rz. 56 mit weit. Nachw.; a. A. Hüffer, AG 2004, 416 (417 ff.); im Ergebnis auch Schön, ZHR 159 (1995), 351 (372). 63 Näher Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (693 f.); ebenso Schmidt/Lutter/ Vetter (Fn. 61), § 311 Rz. 56; Reidenbach, WM 2004, 1421 (1427 f.); Wessels, ZIP 2004, 793 (796).
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lich sogar zu einem allgemeinen Prinzip erhoben; die Vorschrift bestimmt nunmehr in allgemeiner Weise, was zutreffender Ansicht zufolge für die abhängige AG (und nur für sie) schon bislang galt. Namentlich die Einbindung der abhängigen Gesellschaft in ein Cash-Pooling war denn auch vor Inkrafttreten des MoMiG keineswegs per se nachteilig64; erst Recht gilt dies nach neuem Recht. Die mit dem Cash-Pooling verbundene Unterordnung unter die konzernweite Liquiditätssteuerung durfte und darf freilich die abhängige Gesellschaft nicht mit den auf die Betreibergesellschaft durchschlagenden Liquiditätsproblemen anderer Konzerngesellschaften belasten; vielmehr muss und sichergestellt sein, dass die abhängige Gesellschaft über die von ihr benötigte (und ihr zustehende)65 Liquidität verfügt66. Zudem sind die der abhängigen Gesellschaft gebührenden Mittel angemessen zu verzinsen und die mit der Zentralisierung verbundenen Synergieeffekte in sachgerechter Weise an die abhängige Gesellschaft weiterzureichen67. Auch darf die abhängige Gesellschaft nicht restlos von eigenen Bankverbindungen und Kreditlinien abgeschnitten werden68. Für die abhängige GmbH beanspruchen die aus § 311 AktG herzuleitenden Pflichten im Grundsatz entsprechende Geltung. Zwar finden §§ 311 ff. AktG auf die abhängige GmbH bekanntlich keine analoge Anwendung69. Vor dem Hintergrund, dass dem Nachteilsbegriff des § 311 AktG letztlich eine Sorgfaltspflichtverletzung des Organwalters immanent ist70, handelt allerdings auch der GmbH-Geschäftsführer der GmbH sorgfaltswidrig i. S. d. § 43 Abs. 1 GmbHG, wenn er sich auf Veranlassungen einlässt, die im Falle einer abhängigen AG nachteiligen Charakter i. S. d. § 311 Abs. 1 AktG hätten. Vorbehaltlich der §§ 43 Abs. 3 S. 3, 64 S. 1 und 3 GmbHG gilt freilich anderes, wenn der Geschäftsführer auf Weisung der Gesellschafterversammlung handelt.
V. Fazit Das MoMiG hat zwar die Anforderungen an die Zulässigkeit der Vergabe von Krediten an Gesellschafter im Allgemeinen und der Teilnahme an einem kon-
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64 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (692 f.); Hüffer, AG 2004, 416 ff.; Reidenbach, WM 2004, 1421 (1427); für die GmbH BGHZ 149, 10 (17 ff.) = DStR 2001, 1853 mit Anm. Goette („Scharz/Weiß-Lösungen … verwirft der Senat); s. ferner BGH, ZIP 2004, 1200 (1206). 65 Einen darüber hinausgehende Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Sicherung ausreichender Liquidität der abhängigen Gesellschaft besteht allerdings nicht, s. Emmerich (Fn. 22), § 302 Rz. 41; Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2007, § 69 Rz. 65; a. A. Jula/ Breitbarth, AG 1997, 256 (262). 66 Hommelhoff/Kleindiek in Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, § 21 Rz. 20; Krieger (Fn. 64), § 69 Rz. 65. 67 Habersack (Fn. 39), § 311 Rz. 49; Wiedemann/Fleischer in Lutter/Scheffler/Schneider (Fn. 65), § 29 Rz. 27 f.; dies. JZ 2000, 159 (161); a. A. Schmidt/Lutter/Vetter (Fn. 62), § 311 Rz. 63; KölnKomm/Koppensteiner (Fn. 32), § 311 Rz. 45. 68 So zu Recht die in Fn. 65 Genannten. 69 BGHZ 65, 15 (18); BGHZ 95, 330 (340); BGHZ 149, 10 (16). 70 Vgl. BGHZ 141, 79 (84); ferner Habersack (Fn. 39), § 311 Rz. 40.
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Aufsteigende Kredite nach MoMiG
zernweiten Cash-Pooling im Besonderen nicht unerheblich gelockert, freilich nur sub specie der Vorschriften der §§ 57 AktG, 30 GmbHG betreffend die Vermögensbindung der AG und die Kapitalerhaltung der GmbH. Unberührt geblieben ist die Pflicht der Organwalter der abhängigen Gesellschaft, die Solvenz und Liquidität des herrschenden Unternehmens fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls – unter Androhung der Kündigung – auf Besicherung des Anspruchs der Gesellschaft auf Verlustausgleich (so im Vertragskonzern) oder auf Rückführung des Kredits (so im einfachen Konzern und bei der unverbundenen Gesellschaft) zu bestehen; beim Cash-Pooling kommen weitere Pflichten hinzu. Die Sorgfaltspflichten der Organwalter gehen damit über die Verhaltensanforderungen, wie sie durch die – stichtagsbezogenen – Vorschriften der §§ 57 Abs. 1 S. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG begründet werden, deutlich hinaus. Die Erfüllbarkeit dieser Pflichten ist nur gewährleistet, wenn sich die Mitglieder des geschäftsführenden Organs der den Kredit ausreichenden Gesellschaft die erforderlichen Informations- und Kündigungsrechte gegenüber den kreditierten Gesellschaftern vorbehalten71. Unterbleibt entsprechende vertragliche Vorsorge, so begehen die Geschäftsleiter schon hierdurch eine Sorgfaltspflichtverletzung, die sie zum Ersatz des durch den Ausfall des Kredits verursachten Schadens verpflichtet.
__________ 71 Vgl. Goette (Fn. 1), Einführung Rz. 24; s. ferner Vetter (Fn. 9), unter III.3.a), c).
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Corporate Governance in Deutschland – der große Sprung Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die Entwicklung 1. Der Aufsichtsrat alter Prägung 2. Die Kritik der Wissenschaft III. Die Reaktionen von Gesetzgebung und Rechtsprechung 1. Gesetzgebung
2. Die Rechtsprechung 3. Ergebnis IV. Der Corporate Governance Kodex von 2002 1. Die Entstehung des Kodex 2. Der Inhalt 3. Weitere Entwicklungen V. Summa
I. Einleitung Corporate Governance, also die Voraussetzungen und Regeln sorgfältiger, wertorientierter und getreuer Führung und Überwachung großer und insbesondere börsennotierter Unternehmen ist heute weltweit in aller Munde1. Aber es gibt große Unterschiede im Inhalt dieser Diskussion. Das hängt mit den unterschiedlichen Unternehmensverfassungen auf der Welt zusammen: weit überwiegend gilt die sog. monistische Verfassung mit nur einem Verwaltungsorgan, dem Board of Directors, dem Conseil d’Administration oder Verwaltungsrat. Dieses eine Verwaltungsorgan ist für alle Entscheidungen im Unternehmen nach innen und nach außen zuständig. Natürlich darf der Board Aufgaben an Direktoren delegieren2; für die wesentlichen Entscheidungen aber bleibt er zuständig und verantwortlich3. Dieses System hat eine große Schwäche: niemand kontrolliert den Board. Das hat nach schweren wirtschaftlichen Unglücken in den USA (Enron, WorldCom) dazu geführt, dass ein zunächst vom Board zur Erleichterung seiner Aufgaben eingesetztes Committee, das Audit Committee, vom US-Gesetzgeber inzwischen als verpflichtend festgelegt und hinsichtlich seiner personellen Zusammensetzung und seiner Aufgaben, insbesondere der Bilanzkontrolle immer stärker reguliert worden ist4. In
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1 Die Veröffentlichungen auf diesem Gebiet sind völlig unüberschaubar; vgl. daher nur Hopt/Kandar/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, Oxford 1998 und Hommelhoff/Hopt/von Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. Stuttgart 2009. 2 So ausdrücklich die deutschen Regeln für die SE, §§ 40 ff. SEAG und das schweizerische Recht in Art. 716 Abs. 2 OR. 3 So ausdrücklich Art. 716a Abs. 1 OR; vgl. Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., 2004, § 13 nos. 287 ff. und Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 30. 4 Vgl. Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Frankfurt 2006, Rn. 599 ff.
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einem solchen System stellen sich naturgemäß andere Fragen als im sog. dualistischen System (Two-Tier-System) von Vorstand und Aufsichtsrat, das in Deutschland, aber auch in vielen osteuropäischen Ländern wie etwa Polen gilt. In diesem dualen System geht es vor allem um das Zusammenspiel dieser beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat. Und hier haben sich in Deutschland in den vergangenen nur zehn Jahren ganz starke Veränderungen ergeben, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Corporate Governance deutscher Unternehmen geführt haben. Davon soll hier die Rede sein.
II. Die Entwicklung 1. Der Aufsichtsrat alter Prägung Der deutsche Aufsichtsrat war über ein Jahrhundert hinweg geprägt von den vierteljährlichen Berichten des Vorstands über die Vergangenheit der jeweils letzten drei Monate, § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 AktG. Gegenstand der Kontrolle war mithin die Vergangenheit. Viel wichtiger aber als diese ex-postKontrolle war das durch die Aufsichtsräte geschaffene Netzwerk über die gesamte deutsche Industrie hin. Die Zahl der Personen, die Aufsichtsräte waren, war überschaubar, da die meisten Personen in mehreren Aufsichtsräten saßen5 und viele Vorstände Mitglieder in den Aufsichtsräten „befreundeter“ Unternehmen waren. Man traf sich daher aller Orten, sorgte für Vernetzung und war Teil der großen Deutschland-AG. Darüber hinaus verzichteten die Aufsichtsräte auf viele ihrer Einflussmöglichkeiten: Von der Möglichkeit, Entscheidungen des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden, wurde kein Gebrauch gemacht6. Und bei Neuwahlen von Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten überließ man das Vorschlagsrecht dem Vorstand. Die Aufforderung, einem Aufsichtsrat beizutreten, war ein Ritterschlag, der viel mit Reputation und Netzwerk und wenig mit speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen zu tun hatte. Und da es der Vorstand war, der die Wiederwahl von Aufsichtsrats-Mitgliedern vorschlug, wollte man sich sein Wohlwollen nicht mit Fragen oder gar mit Widersprüchen verscherzen. 2. Die Kritik der Wissenschaft Die Wissenschaft hat früh erkannt, dass dieses System den Anforderungen und dem Tempo einer modernen Wirtschaft nicht mehr gewachsen war7. Von ihr stammt die Forderung nach einer „begleitenden Kontrolle“ des Vorstands bei der Leitung der Gesellschaft8; darüber hinaus forderte sie die Kontrolle nicht nur der Gesellschaft, sondern des Konzerns mit seinen oft vielen hundert Ge-
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5 Der berühmte frühere Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank AG, Hermann Josef Abs war vor dem AktG 1965 Mitglied in mehr als 30 Aufsichtsräten. 6 Ulmer, Die Anpassung der Satzungen von Aktiengesellschaften an das MitbestG von 1976, München 1980. 7 Vgl. Lutter, ZHR 159 (1995), 287 ff. 8 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2. Aufl. 1989, Rn. 14; 3. Aufl. 1993, Rn. 30; 5. Aufl. 2008, Rn. 94 mit allen Nachw.
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sellschaften im In- und Ausland9. Und die Wissenschaft mahnte den Aufsichtsrat, von seiner Möglichkeit, wichtige Entscheidungen an seine Zustimmung zu binden, auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Und sie forderte den Gesetzgeber auf, die gesetzlichen Regeln zum Aufsichtsrat an die Erfordernisse einer modernen Corporate Governance anzupassen.
III. Die Reaktionen von Gesetzgebung und Rechtsprechung 1. Gesetzgebung Selten folgt der Gesetzgeber den Vorschlägen der Wissenschaft. Hier war es der Fall: In drei großen Gesetzen hat er die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats ausgeweitet und modernisiert. (1) In dem ersten dieser Gesetze, dem KonTraG10, hat er die Unternehmensplanung zur gemeinsamen Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat erhoben und den Vorstand zum regelmäßigen Bericht an den Aufsichtsrat verpflichtet, ob und inwieweit die Planziele erreicht wurden, § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG. (2) Seither hat auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied das Recht, zusätzliche Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat zu verlangen, § 90 Abs. 3 S. 2 AktG. Damit wurde der These der Wissenschaft entsprochen, dass auch der Aufsichtsrat für seine umfassende Information selbst verantwortlich ist11. (3) Schon lange war in der Wissenschaft die Forderung erhoben worden, der Vorstand müsse ein System entwickeln und etablieren, das es ihm erlaubt, die wirtschaftlichen Risiken der Gesellschaft zu erkennen und zu kontrollieren. Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat den Vorstand zur Einrichtung eines Risiko-Überwachungssystems verpflichtet, § 91 Abs. 2 AktG. Aufsichtsrat12 und Abschlussprüfer13 aber sind verpflichtet, die Einrichtung dieses Systems und seine Funktionsfähigkeit zu überwachen. (4) Bislang war es der Vorstand, welcher der Hauptversammlung Vorschläge zur Wahl des Abschlussprüfers und des Konzern-Abschlussprüfers unterbreitete. Das hat naturgemäß zu einer „Nähe“ zwischen dem Vorstand und dem seine Bilanz kontrollierenden Abschlussprüfer geführt. Der Gesetzgeber des KonTraG hat daher dem Vorstand diese Bezugnis entzogen und sie auf den Aufsichtsrat übertragen: dieser macht jetzt der Hauptversammlung den Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers und Konzern-Abschlussprüfers und schließt mit diesen nach ihrer Wahl durch die Hauptversammlung auch den Prüf-Vertrag, §§ 111 Abs. 2 Satz 3, 124 Abs. 3 Satz 1 AktG.
__________ 9 Lutter, Der Aufsichtsrat im Konzern, AG 2006, 517 ff. 10 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4. 1998, BGBl. I 1998, 786 ff. 11 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 383; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 378. 12 Lutter/Krieger, a. a. O. (Fn. 8), Rn. 80 ff. 13 §§ 317 Abs. 4 und 321 Abs. 4 HGB.
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(5) Und letztlich hat der Gesetzgeber des KonTraG den Aufsichtsrat verpflichtet, der Hauptversammlung darüber zu berichten, ob und welche Ausschüsse mit welchen Aufgaben er gebildet hat, § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG. Da niemand vor der Öffentlichkeit als schwach und inaktiv erscheinen will, hat diese „Anregernorm“14 tatsächlich ihre Aufgabe erfüllt: die Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften bilden heute in der Regel etwa drei Ausschüsse und intensivieren so ihre Arbeit nachdrücklich. (6) In seinem zweiten großen Reformgesetz hat der Gesetzgeber im TransPuG15 den Aufsichtsrat verpflichtet, zustimmungspflichtige Geschäfte festzulegen, um auf diese Weise eine begleitende Kontrolle über die wesentlichen Entscheidungen des Vorstands sicherzustellen, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Das Gesetz sagt also nicht – und damit im Gegensatz etwa zum niederländischen und österreichischen Gesetz – welche Entscheidungen zustimmungspflichtig sein sollen; das überlässt er der Verantwortung des Aufsichtsrats. Er sagt nur, dass überhaupt Zustimmungspflichten festgelegt werden müssen. (7) In seinem dritten großen Gesetz, dem UMAG16, hat der Gesetzgeber schließlich die berühmte Business Judgment Rule17 in das Gesetz aufgenommen, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Damit steht heute fest, dass Aufsichtsräte und Vorstände das unternehmerische Risiko von Fehlentscheidungen nicht tragen, vorausgesetzt sie haben die fragliche Entscheidung sorgfältig vorbereitet und sind dabei keine übergroßen Risiken eingegangen18. 2. Die Rechtsprechung Auch die Rechtsprechung hat an dieser Entwicklung einer modernen Corporate Governance mitgewirkt. (1) In einem berühmten Urteil vom 25.3.1991 hat der BGH19 den Aufsichtsrat verpflichtet, den Vorstand laufend zu beraten und sich mit ihm über die anstehenden Entscheidungen auseinanderzusetzen. Auf diese Art und Weise wird der Aufsichtsrat frühzeitig in unternehmerische Entwicklungen und wesentliche unternehmerische Entscheidungen eingebunden. (2) Nach § 171 Abs. 2 AktG hat der Aufsichtsrat jährlich der Hauptversammlung über seine Tätigkeit zu berichten20. Dieser Bericht des Aufsichtsrats war über Jahrzehnte hin nahezu inhaltsleer und umfasste selten mehr als eine Druckseite. Die Rechtsprechung hat hier erneut eingegriffen, hat solche Be-
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14 Die Formulierung stammt von Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249 ff. 15 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v. 19.7.2002, BGBl. I, 2681 ff. 16 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I, 2802 ff. 17 Merkt/Göthel (oben Fn. 4) Rn. 827 ff.; Lutter, ZIP 2007, 841 ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001, passim. 18 Näher dazu Lutter, ZIP 2007, 841 (844). 19 BGHZ 114, 127 (130). 20 Näher dazu Lutter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, AG 2008, 1 ff.
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richte für unzulänglich erklärt und auf einer eingehenden Berichterstattung bestanden21. Diese Rechtsprechung war ausgesprochen erfolgreich und hat dazu geführt, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung heute auf alle wesentlichen Entscheidungen des abgelaufenen Geschäftsjahrs eingeht und diese begründet. 3. Ergebnis Insgesamt handelt es sich also um ein geradezu staunenswertes Programm in nur 10 Jahren. Selten hat das Wechselspiel zwischen Wissenschaft, Rechtsprechung und Gesetzgebung so gut funktioniert wie bei der Stärkung des Aufsichtsrats, seiner Funktion und seiner Arbeitsweise. Die Rahmenbedingungen für den Aufsichtsrat, seine Rechte und Pflichten und seine Arbeitsbedingungen haben sich zwischen dem KonTraG von 1998 und heute ganz wesentlich verbessert. Dabei ist es erkennbares Ziel all dieser Maßnahmen, den Aufsichtsrat zum kompetenten Gesprächspartner und sachverständigen Kontrolleur des Vorstands zu machen, ihn, wie man so treffend sagt, auf Augenhöhe mit dem Vorstand zu bringen.
IV. Der Corporate Governance Kodex von 2002 1. Die Entstehung des Kodex Viele der soeben erwähnten Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers gehen auch auf Vorschläge einer Regierungskommission „Corporate Governance“ zurück22. Diese Kommission hatte der damalige Bundeskanzler Schröder persönlich einberufen, nachdem die Insolvenz der Baugesellschaft Holzmann AG zu großen Unruhen in Wirtschaft und Gesellschaft geführt hatte. Diese Kommission hat u. a. vorgeschlagen, einen Kodex guter Unternehmensführung zu entwickeln. Auch darauf ist die Regierung eingegangen, hat eine neue Kommission berufen und mit der Ausarbeitung eines solchen Kodex beauftragt. Das ist geschehen und seit Juni 2002 gibt es den „Deutscher Corporate Governance Kodex“23. Aber nicht nur das. Regierung und Parlament haben auch einen neuen § 161 AktG verabschiedet. Diese neue Vorschrift verpflichtet alle Aktiengesellschaften, deren Aktien oder – so heute – Schuldverschreibungen an der Börse gehandelt werden, einmal jährlich öffentlich zu erklären, ob sie die Regeln des Kodex beachten oder nicht, und wenn sie einzelne dieser Regeln nicht beachten, öffentlich zu begründen, weshalb sie das nicht tun. Dieses in Großbritannien erfundene System von „comply or explain“24 ist also in Deutschland im Jahre 2002 übernommen worden. Das System war ungewöhn-
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21 OLG Stuttgart v. 15.3.2006, AG 2006, 379 und LG München I v. 23.8.2007, AG 2008, 133. 22 Siehe Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungs-Kommission Corporate Governance, Köln 2001. 23 Verfügbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/1.html. 24 Näher dazu Kirschbaum, Entsprechenserklärungen zum Englischen Combined Code und zum Deutschen Corporate Governance Kodex, Köln 2006.
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lich erfolgreich und hat dazu geführt, dass die rund 900 deutschen BörsenGesellschaften die Regeln des Kodex heute zu nahezu 90 % befolgen25. 2. Der Inhalt a) Der Kodex erfüllt zwei Aufgaben: er informiert vor allem den ausländischen Anleger über das deutsche gesetzliche System der Leitung und Kontrolle von Aktiengesellschaften. So sagt etwa Ziff. 4.1 „Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung.“
und referiert damit nur § 76 AktG. In ähnlicher Weise sagt Ziff. 5.1.1 „Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, den Vorstand bei der Leitung des Unternehmens regelmäßig zu beraten und zu überwachen.“
und referiert damit § 111 Abs. 1 AktG sowie die bereits zitierte Entscheidung des BGH vom 25.3.199126 über die Pflicht des Aufsichtsrats zur Beratung des Vorstands und mit dem Vorstand. Der Kodex sagt aber auch in Ziff. 3.1 „Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen.“
Das steht so nicht im Gesetz und auch in keinem Urteil der Gerichte. Aber es ist das einhellige und unbestrittene Verständnis der Wissenschaft von der Pflicht der beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat zur Kooperation, zum Miteinander und nicht gegeneinander27. In ähnlicher Weise sagt Ziff. 3.4 „Die ausreichende Informationsversorgung des Aufsichtsrats ist gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat.“
Die Pflicht des Vorstands, den Aufsichtsrat umfassend zu informieren, steht im Gesetz, § 90 AktG. Von der Pflicht des Aufsichtsrats, sich auch seinerseits aktiv um die erforderlichen Informationen zu kümmern, steht nichts im Gesetz. Wiederum referiert der Kodex hier die übereinstimmende Meinung der Wissenschaft vom Inhalt des bestehenden, wenn auch nicht geschriebenen Rechts28. In dieser seiner Aufgabe zur Information referiert der Kodex also das geltende und zwingende Recht der deutschen Corporate Governance. b) Sehr viel wichtiger als diese Wiedergabe von Gesetz und Recht sind die 80 Empfehlungen des Kodex29. Sie sind nicht geltendes Recht, sondern gehen über dieses hinaus mit dem Ziel, das geltende Recht flexibel zu ergänzen und zu verbessern. Diese 80 Empfehlungen sind es, die die betroffenen Börsen-Gesell-
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25 Vgl. v. Werder/Talaulicar in Cromme (Hrsg.), Corporate Governance Report 2008, Stuttgart 2008, S. 117 ff. 26 BGHZ 114, 127. 27 Vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 351. 28 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 100. 29 Zusammengestellt bei Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder, a. a. O., S. 367 ff.
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schaften einhalten sollen, aber nicht einhalten müssen: Die Gesellschaften sind frei, Empfehlungen des Kodex abzulehnen, müssen dann aber durch ihren Vorstand und ihren Aufsichtsrat öffentlich erläutern, warum sie diese oder jene Empfehlung des Kodex nicht einhalten. c) Das deutsche Aktiengesetz regelt die Rechte und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat in insgesamt 41 Vorschriften (Paragraphen). Das ist eine ziemlich eingehende und dichte Regelung. Mit welchen Fragen kann sich dann der Kodex in 80 Empfehlungen noch beschäftigen? (1) Trotz dieser 41 Vorschriften finden sich im Aktiengesetz Lücken. So enthält das Gesetz z. B. keinerlei Regeln zur Lösung von Interessenkonflikten von Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats30. Insbesondere Aufsichtsräte unterliegen häufig solchen Interessenkonflikten; denn die Tätigkeit eines Aufsichtsrates ist kein Fulltime-Job. Aufsichtsräte sind in ihrem Hauptberuf Bankiers, Vorstände anderer Gesellschaften, Rechtsanwälte etc. Wenn nun der Aufsichtsrat vom Vorstand gefragt wird, ob die Gesellschaft einen Kredit bei der Bank X oder der Bank Y aufnehmen soll, das Aufsichtsrats-Mitglied A aber Vorstand der X-Bank ist, wie soll, wie muss es sich in dieser Situation verhalten31? Dieser Konflikt kann naturgemäß nur dadurch gelöst werden, dass A an der betreffenden Beratung und Entscheidung des Aufsichtsrats nicht mitwirkt. Der Kodex sagt dazu in Ziff. 5.3.3, dass der Aufsichtsrat über diesen Konflikt der Hauptversammlung zu berichten und darzulegen habe, wie der Konflikt gelöst wurde, hier also durch die Abstinenz, die Nicht-Mitwirkung von A an der betreffenden Entscheidung. (2) In anderen Fällen enthält das Gesetz nur eine sehr allgemeine Aussage. So sagt etwa § 87 AktG, das Gehalt des Vorstands solle „angemessen“ sein. Nun weiß aber niemand genau, was „angemessen“ ist – auch der Kodex nicht. Aber er kann Einzelfragen regeln. So soll etwa nach Ziff. 4.2.3 die Vergütung der Vorstandsmitglieder aus fixen und variablen Bestandteilen bestehen. Und nach Abs. 4 der gleichen Ziffer soll schon beim Abschluss solcher Vorstandsverträge festgelegt werden, dass bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsmitglieds nicht mehr als zwei Jahresgehälter als Abfindung gezahlt werden (sog. Abfindungs-Cap). (3) Bei anderen Empfehlungen geht es eher um Einzelfragen. So sagt der Kodex etwa in Ziff. 3.8 Abs. 2 „Schließt die Gesellschaft für Vorstand und Aufsichtsrat eine D+O-Versicherung ab, so soll ein angemessener Selbstbehalt vereinbart werden.“
Der Kodex referiert zunächst einmal, dass der Abschluss einer solchen Versicherung gegen das Haftungsrisiko von Organmitgliedern auf Kosten der Gesellschaft nach allgemeiner Meinung32 rechtlich zulässig ist. Dann aber mischt
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30 Vgl. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 894 ff. 31 Näher dazu Lutter, ZHR 145 (1981), 224 ff. sowie Lutter, FS Priester, 2007, S. 417 ff. und Lutter, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 ff. 32 Ulmer, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 451 ff.; Lutter/Krieger, a. a. O., Rn. 1024 ff.
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er sich in ein Detail dieser Verträge ein und verlangt, dass das jeweilige Organmitglied weiterhin am Risiko beteiligt wird, es einen Teil des Risikos selbst tragen soll („angemessener Selbstbehalt“). Hintergrund dieser Empfehlung ist folgende Überlegung: Verletzen Vorstands- oder Aufsichtsrats-Mitglieder fahrlässig ihre Pflichten, so haften sie für den Schaden, den die Gesellschaft dadurch erleidet, § 93 Abs. 2 AktG. Kompensation des Schadens der Gesellschaft ist der eine Zweck dieser Norm; und ob diese Kompensation durch das betreffende Organmitglied oder durch die Versicherung erfolgt, ist für die Gesellschaft eher gleichgültig: im Gegenteil, die Versicherung hat im Zweifel die tieferen Taschen. Die Norm hat aber mit ihrer Drohung der Haftung auch den Zweck, die Vorstände und Aufsichtsräte zu sorgfältiger Amtsführung anzuhalten33. Diese Motivation zur Sorgfalt aber würde beseitigt, wenn die Versicherung 100 % des Schadens trägt. 3. Weitere Entwicklungen Im Übrigen hat der Kodex das Verdienst, drei wichtige Entwicklungen angestoßen zu haben: (1) Schon 2004 hat er die Offenlegung der Vorstandsgehälter empfohlen. Diese Empfehlung war unerhört umstritten und ein Drittel der Börsen-Gesellschaften sind ihr nicht gefolgt. Deswegen ist hier der Gesetzgeber eingeschritten und hat die Offenlegung ab dem Jahre 2006 gesetzlich vorgeschrieben34. (2) Schon von Anfang an hat der Kodex die Einrichtung eines Audit Committee empfohlen35. Dieser Empfehlung folgen heute praktisch alle Börsen-Gesellschaften. Dennoch schreibt die Änderungs-Richtlinie zur 8. Richtlinie jetzt europaweit die Bildung eines Audit Committee für Börsen-Gesellschaften von Rechts wegen vor36. Der deutsche Gesetzgeber wird dem im geplanten BilMoG37 in Kürze folgen. (3) Und schließlich mischt sich der Kodex in die Frage der personellen Zusammensetzung des Audit Committee ein und empfiehlt, dass mindestens eines seiner Mitglieder Kenntnisse und Erfahrungen in Rechnungslegung und Bilanzierung hat38. Der Kodex ist mithin der Erste, der den Gedanken verwirklicht, dass es nicht nur auf die Reputation der Aufsichtsrats-Mitglieder ankommt, sondern vor allem auf deren fachliche Kenntnis39.
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33 Ulmer, a. a. O.; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rn. 521; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungs-Kommission Corporate Governance, 2001, Rn. 75. 34 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) v. 3.8.2005, BGBl. I, 2267 ff. 35 Ziff. 5.3.2. 36 Art. 41 der Richtlinie 2006/43/EG vom 17.5.2006, ABl. 2006 L 157, S. 87 ff. 37 § 324 HGB nach dem Regierungs-Entwurf eines Bilanzrechts-Modernisierungs-Gesetzes (BilMoG): http://www.bmj.bund.de/files/-/3152/RegE%20BilMoG.pdf. 38 Ziff. 5.3.2. 39 Dazu eingehend Lutter, ZIP 2003, 417 ff. und Lutter, StudZR 2008, 203 ff. sowie § 100 Abs. 5 AktG im Entwurf des BilMoG.
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Auch diesen Gedanken hat jetzt die erwähnte Änderungs-Richtlinie vom 17.5.200640 übernommen und so wird auch diese Anforderung in Kürze im deutschen Gesetzblatt stehen41.
V. Summa 1. Hält man sich die deutsche Gesetzgebung der vergangenen 10 Jahre vor Augen, so hat sie eine ganz wesentliche Verbesserung der deutschen Corporate Governance für Börsen-Gesellschaften bewirkt: der Aufsichtsrat ist vom reinen ex-post-Kontrolleur des Vorstands zum Mit-Unternehmer geworden42, zum Mit-Verantwortlichen bei der Führung des Unternehmens und des Konzerns. Und er hat darüber in seinem Bericht an die Hauptversammlung dieser gegenüber öffentlich Rechenschaft zu legen43. Der Anleger kann also heute durchaus erkennen, ob der Aufsichtsrat einer Gesellschaft seine wesentlichen Aufgaben korrekt und engagiert erfüllt. 2. Die Tendenz zu engagierter Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zum Wohl der Gesellschaft wird unterstützt durch den Kodex, der diese Zusammenarbeit fordert und fördert. Und mit seinen Empfehlungen motiviert er Vorstand und Aufsichtsrat zu engagierter und wertorientierter Arbeit für das Unternehmen. 3. Man könnte also zufrieden und beruhigt in die Zukunft schauen. Gewiss. Aber all die vielen und wichtigen Verbesserungen der deutschen Corporate Governance stehen zunächst einmal nur auf dem Papier. Ob und wie sie realisiert werden aber entscheiden Menschen. Viele Aufsichtsräte sind heute noch geprägt von der alten ex-post-Kontrolle. Und viele Aufsichtsräte werden heute noch entsprechend ihrer Reputation und ihrer Stellung in Wirtschaft und Gesellschaft gewählt und weniger im Hinblick auf ihr fachliches Können. Und schließlich sind die Aufgaben der heutigen Corporate Governance in vier Aufsichtsrats-Sitzungen pro Jahr – wie sie das Gesetz in § 110 Abs. 3 AktG als Minimum vorschreibt – schlicht nicht zu erfüllen. Hier werden die nächsten 10 Jahre noch gebraucht, um Norm und Realität voll miteinander in Einklang zu bringen: – Die Prägung der Aufsichtsräte durch das alte System verliert sich mit der Zeit. – Auch die Personen werden sich ändern. Der Kodex empfiehlt jetzt in seiner Ziff. 5.3.3 die Einrichtung eines Nominierungs-Ausschusses. Dieser aber kann seine Aufgabe verantwortlich nur erfüllen, wenn er bedenkt, welches fachliche Können im Aufsichtsrat versammelt sein sollte.
__________ 40 Oben Fn. 36. 41 Oben Fn. 37. 42 Lutter, Der Aufsichtsrat: Kontrolleur oder Mit-Unternehmer?, in Sadowski (Hrsg.) Entrepreneurial Spirits (FS Horst Albach), Wiesbaden 2001, S. 225 ff. 43 Oben Fn. 20.
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– Die – nur – vier Sitzungen des Aufsichtsrats pro Jahr werden sich am längsten erhalten. Dafür aber gibt es heute in allen Börsen-Gesellschaften zwei bis drei Ausschüsse: von Gesetzes wegen das Audit Committee, nach dem Kodex den Nominierungsausschuss, daneben in aller Regel das sog. Präsidium mit der Aufgabe, die Vorstandsverträge zu schließen und die Vergütung der Vorstandsmitglieder festzulegen. Zählt man deren Beratungen und Zusammenkünfte hinzu, so sieht das Bild des zeitlichen Engagements der deutschen Aufsichtsräte besser aus.
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Haftung der Geschäftsführung von Stiftung und Verein Untersuchung, Durchsetzung, Vorbeugung
Inhaltsübersicht I. Problemstellung: Haftung wie im Unternehmen? II. AG 1. Untersuchungspflicht 2. Durchsetzungspflicht? III. GmbH 1. Untersuchungspflicht 2. Durchsetzungspflicht IV. Personengesellschaft 1. Untersuchungspflicht 2. Durchsetzungspflicht
V. Verein 1. Untersuchungspflicht 2. Durchsetzungspflicht VI. Stiftung 1. Untersuchungspflicht 2. Durchsetzungspflicht VII. Zusammenfassung: Prüfung, Durchsetzung, Vorbeugung 1. Prüfung und Geltendmachung 2. Vorbeugung a) Whistle Blowing b) Revision, Prüfungsgesellschaft
I. Problemstellung: Haftung wie im Unternehmen? Sind die Grundsätze über Untersuchung und Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Gesellschaften auf Stiftung und Verein übertragbar?1 Müssen oder sollen Stiftungen und Vereine ähnlich wie Unternehmen sog. „Whistleblowing-Systeme“2 einrichten, mit deren Hilfe z. B. Mitarbeiter Fehlverhalten ihrer Kollegen melden können? In Betracht kommen Untersuchungs- und Aufklärungspflichten und die Pflicht, etwaige Ansprüche des Unternehmens durchzusetzen, verbunden mit der Frage nach einem Ermessen der Geschäftsleitung. Nachfolgend werden erst AG, GmbH und Personengesellschaften und sodann Verein und Stiftung behandelt.
II. AG 1. Untersuchungspflicht a) Die Untersuchungspflicht des Aufsichtsrats ist seit der ARAG-Entscheidung des BGH3 anerkannt. Danach hat der Aufsichtsrat, bei evtl. Rechtsverstößen des Vorstands, das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu prüfen. Diese Verpflichtung ergibt sich
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1 BGH, NJW 1997, 1926; Kiethe, BB 2003, 537. 2 von Zimmermann, WM 2007, 1060 ff. 3 BGH, NJW 1997, 1926.
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zum einen aus § 111 Abs. 1 AktG, der die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand festlegt und auch abgeschlossene Geschäftsführungsvorgänge erfasst, und zum anderen aus § 112 AktG, der die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat regelt4. Zu der Frage nach dem erforderlichen Verdachtsgrad gilt: Jedenfalls wenn die Pflichtverletzung des Vorstands dem Aufsichtsrat unmittelbar erkennbar wird, besteht eine Pflicht zur Untersuchung5. Gleiches gilt für den Fall, dass Tatsachen vorliegen, die den dringenden Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch pflichtwidriges Vorstandshandeln ein Schaden entstanden ist6. Ausreichend für eine Untersuchungspflicht ist aber auch schon ein sog. Anfangsverdacht. Dieser setzt das Bestehen von hinreichenden Verdachtsgründen voraus, die es nach allgemeinen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung in – das Unternehmen betreffende – strafbare Handlungen verwickelt sind7. Es besteht nach der ARAG-Entscheidung des BGH eine Verpflichtung des Aufsichtsrats, das Bestehen von Ansprüchen der AG gegen den Vorstand zu prüfen. Ermessen ist dabei nicht gegeben. Es gibt auch keine Einschätzungsprärogative des Aufsichtsrats, mit eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfbarkeit hinsichtlich der Prüfung von Bestehen und Durchsetzbarkeit eines Anspruchs. b) Ähnliches gilt für den Vorstand, wenn ein Rechtsverstoß von Aufsichtsratsmitgliedern oder Mitarbeitern in Rede steht. Hinweisen auf Gesetzesverstöße durch Unternehmensangehörige muss der Vorstand unverzüglich nachgehen und sofort eingreifen8. Maßgeblich für eine Überprüfungspflicht ist das Vorhandensein greifbarer Anhaltspunkte für einen Gesetzesverstoß. Dann hat die Überprüfung umfassend und gründlich zu erfolgen. Gegen weitere Gesetzesverstöße sind Vorkehrungen zu treffen9. 2. Durchsetzungspflicht? a) Die ARAG-Entscheidung des BGH statuiert eine Verpflichtung des Aufsichtsrats, einen Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand eigenverantwortlich gerichtlich durchzusetzen, sofern die Erfolgsaussichten einer Klage positiv zu bewerten sind und eine Klage im Unternehmensinteresse liegt10. Der Aufsichtsrat hat aufgrund einer sorgfältigen und sachgerecht durchzuführenden Risikoanalyse abzuschätzen, ob und in welchem Umfang die gerichtliche Geltendmachung zu einem Ausgleich des entstandenen Schadens führt11. Ein unternehmerisches Ermessen besteht bei der Entscheidung über die Geltend-
__________ 4 BGH, NJW 1997, 1926; MüKo, AktG, § 93 Rz. 90; Horn, ZIP 1997, 1129 (1136). 5 Kölner Komm/Mertens, § 111 Rz. 31; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 238. 6 Heermann, AG 1998, 201 (20). 7 Brandi, ZIP 2000, 173 (175). 8 BGH GmbHR 1985, 143; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 8 Rz. 35. 9 Fleischer, § 8 Rz. 35. 10 BGH, NJW 1997, 1926; MüKo, AktG, § 116 Rz. 16. 11 BGH, NJW 1997, 1926.
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machung nicht12. Eine Nichtgeltendmachung ist nur dann pflichtgemäß, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den Schaden ersatzlos hinzunehmen13. b) Die Durchsetzung von Ansprüchen des Unternehmens gegen den Aufsichtsrat gehört aufgrund der Vertretungsregelung des § 78 Abs. 1 AktG zur Zuständigkeit des Vorstands14. Umstritten ist, ob man die in der ARAG-Entscheidung für den Aufsichtsrat entwickelten Grundsätze auf den Vorstand übertragen, mithin eine Verpflichtung des Vorstands annehmen kann, Ansprüche des Unternehmens gegen den Aufsichtsrat wegen Rechtsverstoßes geltend zu machen. Teilweise werden die vom BGH für den Aufsichtsrat entwickelten Maßgaben auch auf den Vorstand angewendet. Dies hätte zur Folge, dass die Vorstandsmitglieder verpflichtet wären, eine Prozessrisikoanalyse hinsichtlich des Bestehens und der Durchsetzbarkeit der Ansprüche durchzuführen15 und Ansprüche der Gesellschaft gegen Aufsichtsratsmitglieder durchzusetzen, sofern nicht überwiegende Interessen des Unternehmens entgegenstehen16. Der Vorstand ist kein allgemeines Aufsichtsorgan wie der Aufsichtsrat17. Die Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft begründet der BGH gerade mit der Funktion des Aufsichtsrats als Kontrollorgan des Vorstands. Außerdem betont er, dass die unternehmerische Handlungsfreiheit Teil und notwendiges Gegenstück der dem Vorstand und nicht dem Aufsichtsrat obliegenden Führungsaufgabe ist18. Teilweise werden deshalb die von der Rechtsprechung für den Aufsichtsrat entwickelten Maßstäbe nicht inhaltsgleich für den Vorstand übernommen und Verpflichtungen des Vorstands, Ansprüche der Gesellschaft gegen den Aufsichtsrat durchzusetzen, abgelehnt19. Aber die pflichtgemäße Ermessensausübung des Vorstands muss sich grundsätzlich am Unternehmensinteresse orientieren20. Damit ergibt sich eine Annäherung beider Ansichten insoweit, als dass jedenfalls aus Gründen des überwiegenden Unternehmensinteresses von einer Durchsetzung jedenfalls abgesehen werden kann. Fraglich ist, ob diese Erwägungen auch bei möglicher eigener Betroffenheit von Vorstandsmitgliedern Bestand haben. Zu bedenken ist, dass der Vorstand allein zur Begründung der Haftung des Aufsichtsrats wegen mangelnder Überwachung einen durch eine eigene Pflichtverletzung entstandenen Schaden der Gesellschaft darlegen müsste21. Dies führt häufig dazu, dass Ersatzansprüche
__________ 12 BGH, NJW 1997, 1926 (1928); MüKo, AktG/Semler, § 116 Rz. 20; Raiser, NJW 1996, 552; Thümmel, DB 1997, 1117. 13 BGH, NJW 1997, 1926 (1928). 14 Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (147). 15 Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rz. 70. 16 MünchHdb AG/Wiesner, § 25 Rz. 7; für eine grundsätzliche Verpflichtung zur Geltendmachung auch Trescher, DB 1995, 661; Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (147). 17 Hopt in Großkomm/AktG, § 93 Rz. 95. 18 BGH, NJW 1997, 1926 (1928). 19 Hopt in Großkomm/AktG, § 93 Rz. 95. 20 MünchAnwHdb AktR, § 22 Rz. 17. 21 Trescher, DB 1995, 661; Götz, AG 1997, 219 (221).
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des Unternehmens nicht geltend gemacht werden, um zu verhindern, dass eigenes Fehlverhalten zu Tage tritt22. Eine Selbstaufopferung des betroffenen Vorstandsmitglieds kann jedenfalls nicht verlangt werden. Eine Haftung des Vorstands wegen unterlassener Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft muss daher umso eher ausscheiden, je begründeter die Sorge ist, dadurch selbst in die Haftung genommen zu werden23. Schließlich stellt sich noch die Frage nach der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von derartigen Vorstandsentscheidungen. Diese ist von der Frage des Ermessens zu trennen. Grundsätzlich steht dem Vorstand bei unternehmerischen Entscheidungen ein weiter Beurteilungsspielraum zu24. Dabei lehnt sich der BGH an die aus dem US-amerikanischen Recht stammende Business Judgement Rule an. Danach ist eine unternehmerische Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle entzogen, wenn kein eigenes relevantes Interesse des Managers an der Entscheidung bestand, er sich zur Vorbereitung der Entscheidung hinreichend informiert hat und nachvollziehbar nach seiner Überzeugung im besten Interesse des Unternehmens gehandelt hat25. Nach diesen Grundsätzen stünde dem Vorstand bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft ein Beurteilungsspielraum zu. Dies ist aber abzulehnen, da es sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Aufsichtsrat oder Dritte nicht um eine unternehmerische Prognoseentscheidung im Sinne der Business Judgement Rule handelt. Der Sachverhalt, aus dem der Schadensersatzanspruch folgt, ist bereits abgeschlossen26. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit der Entscheidung erscheint damit vorzugswürdig. Ein nach oben Gesagtem eventuell bestehendes Ermessen des Vorstands bleibt davon unberührt27.
III. GmbH 1. Untersuchungspflicht Zu der Frage einer Untersuchungspflicht des Geschäftsführers bei möglichen Rechtsverstößen im Unternehmen beschäftigt sich schon 1991 eine Entscheidung des OLG Koblenz mit rechtswidrigen Entnahmen aus der Gesellschaftskasse. Danach hat der Geschäftsführer bei Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit von Entnahmen aus der Gesellschaftskasse diese zu untersuchen und gegebenenfalls ein weiteres rechtswidriges Verhalten zu verhindern28. Das entspricht der obigen BGH-Meinung.
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Linnerz, NZG 2004, 307 (308). Kölner Komm Akt/Mertens, § 93 Rz. 51. BGH, NJW 1997, 1926; Henze, BB 2001, 53 (59). Meyke, Rz. 55; MünchKomm/Hefermehl/Spindler, § 93 Rz. 33. Schneider, DB 2005, 707 (711). Schneider, DB 2005, 707 (712); a. A. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2067) unternehmerische Entscheidung ist Ermessensentscheidung. 28 OLG Koblenz, ZIP 1991, 870 (871).
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2. Durchsetzungspflicht Die Kompetenz des Geschäftsführers zur Durchsetzung von Ansprüchen des Unternehmens, die sich gegen die Geschäftsführung selbst oder Gesellschafter richten und sich aus der Gründung oder Geschäftsführung ergeben, beschränkt § 46 Nr. 8 GmbHG29. Nach dieser Vorschrift gehört es nämlich zum Aufgabenkreis der Gesellschafter, derartige Ersatzansprüche geltend zu machen30. Erforderlich ist ein Gesellschafterbeschluss. Die Regelung beruht auf der Überlegung, dass es der Gesellschafterversammlung als dem obersten Gesellschaftsorgan vorbehalten bleibt, ob eine Belangung des Betroffenen erfolgen und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse trotz der für Ansehen und Kredit der Gesellschaft möglicherweise abträglichen Wirkung in Kauf genommen werden soll31. Erfasst sind in erweiternder Auslegung auch Ansprüche, die der Gesellschaft gegen Aufsichtsratsmitglieder32, ehemalige Geschäftsführer oder ehemalige Gesellschafter zustehen33. Die Gesellschaftermehrheit kann treuwidrig handeln, wenn sie die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs, dessen Vorliegen plausibel oder wahrscheinlich und für die Gesellschaft sinnvoll ist, ohne ausreichenden sachlichen Grund ablehnt34. Eine andere Frage ist, ob Gesellschafter, die z. B. ihrerseits Gesellschaft oder aus anderen Gründen zur Interessenwahrung verpflichtet sind, deshalb in der Gesellschafterversammlung für eine Aufklärung und Durchsetzung von Ansprüchen stimmen und weiteren Schäden vorbeugen müssen. Das wird oft zu bejahen sein. Hat der Geschäftsführer Ansprüche gegen Personen, die nicht Gesellschafter sind, geltend zu machen? Im Umkehrschluss zu § 46 Nr. 8 GmbHG ist eine entsprechende Kompetenz des Geschäftsführers zu bejahen35. Auch hat der Geschäftsführer Ansprüche, die nicht unter § 46 Nr. 8 GmbHG fallen – d. h. Ansprüche, die der Sicherung der Kapitalgrundlagen der Gesellschaft dienen – geltend zu machen36. Es besteht eine Verpflichtung des Geschäftsführers zur Durchsetzung solcher Ansprüche, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint37. Ein Verzicht auf die Geltendmachung ist dementsprechend möglich, wenn der Geschäftsführer bei pflichtgemäßer Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die mit einer Geltendmachung verbundenen Kosten und Belastungen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren Nutzen stehen38.
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GmbHG Großkomm/Hüffer, § 46 Rz. 90. vgl. dazu BGH, NZG 2004, 962 (964); BGH, NJW 1975, 977. BGH, NZG 2004, 964. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rz. 38a. GmbHG Großkomm/Hüffer, § 46 Rz. 93. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rz. 27. Zieglmeier, ZGR 2007, 144,148. GmbHG Großkomm/Hüffer, § 46 Rz. 95; für den Fall eines Freistellungsanspruches der Gesellschaft BGH, NJW 1992, 1166; Meyke, Rz. 112. 37 Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (72); Hachenburg/Mertens, Großkomm. zum GmbHG, § 43 Rz. 26. 38 Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (72).
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IV. Personengesellschaft 1. Untersuchungspflicht Die geschäftsführenden Gesellschafter haben die Mitarbeiter der Gesellschaft zu überwachen39. Es bestehen Kontroll- und Informationsrechte zugunsten aller Gesellschafter (§ 118 HGB; für Kommanditisten § 166 HGB). Voraussetzung ist der Verdacht, dass die Geschäftsführung die Gesellschaft durch unzweckmäßige oder pflichtwidrige Handlungen geschädigt hat. Es besteht jedoch nur ein Kontrollrecht40. Zur Verpflichtung aus anderen Gründen s. vorstehend in III.2. 2. Durchsetzungspflicht Es ist Aufgabe der Geschäftsführung, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen einen oder mehrere Geschäftsführer geltend zu machen41. Gleiches gilt für Schadensersatzansprüche gegen Gesellschafter, die keine Geschäftsführerstellung haben42. Gemäß § 116 HGB ist aber zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich. Dies ist bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen einen Geschäftsführer der Fall. Der Betroffene ist dabei von der Stimmabgabe ausgeschlossen. Möglich ist auch die Geltendmachung des Anspruchs durch einen einzelnen Gesellschafter ohne vorausgegangenen Gesellschafterbeschluss im Wege der actio pro socio. Stehen Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Gesellschafter- oder Geschäftsführerpflichten in Frage, so erfüllen diese jedenfalls die vorauszusetzende Eigenschaft als Sozialanspruch43. Die actio pro socio als ein bloßes Hilfsrecht greift nur dann, wenn die geschäfts- und vertretungsberechtigten Gesellschafter den Anspruch der Gesellschaft nicht geltend machen können oder trotz eines entsprechenden Begehrens der Gesellschaft nicht geltend machen wollen44. Im Grundsatz besteht für die geschäftsführenden Gesellschafter bei der Entscheidung über die Geltendmachung des Anspruchs nur die Pflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung im Gesellschaftsinteresse. Sie haben bei der Beschlussfassung mitzuwirken, nicht jedoch positiv abzustimmen. Etwas anderes gilt nur in Fällen offensichtlicher Begründetheit des Anspruchs und erheblichen Schadens für die Gesellschaft45. In einem solchen Fall kommt es zu einer Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer Zustimmungspflicht46.
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Ebenroth/Boujong/Joost, § 114 Rz. 35. MünchKomm/Grunewald, § 166 Rz. 30. MünchKomm/Rawert, § 114 Rz. 66. MünchKomm/Schmidt, § 105 Rz. 193. Palandt/Sprau, § 705 Rz. 29. MünchKomm/Schmidt, § 105 Rz. 201; a. A. Ebenroth/Boujong/Joost, § 114 Rz. 43. MünchKomm/Rawert, § 114 Rz. 67. MünchKomm/Jickeli, § 116 Rz. 41.
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Haftung der Geschäftsführung von Stiftung und Verein
V. Verein 1. Untersuchungspflicht a) Wie dargestellt, begründet der BGH die Untersuchungspflicht des Aufsichtsrats in der ARAG-Entscheidung u. a. damit, dass der Aufsichtsrat den Vorstand zu überwachen hat (§ 111 Abs. 1 AktG). In einem Verein ist es Aufgabe der Mitgliederversammlung als oberstem Organ des Vereins, den Vorstand zu überwachen47. Aus dieser Überlegung heraus ist es denkbar, die vom BGH für den Aufsichtsrat aufgestellten Grundsätze auch auf die Mitgliederversammlung zu übertragen, dieser mithin eine Untersuchungspflicht aufzuerlegen, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht für einen Rechtsverstoß des Vorstandes besteht. Im Vergleich zur Personengesellschaft48 stehen die „gewöhnlichen“ Mitglieder aber eher Kommanditisten nahe, haben also ein Kontrollrecht, keine Kontrollpflicht. Anderes kann für Mitglieder mit besonderen Aufgaben gelten. Aber auch z. B. Rechnungsprüfer haben eben nur die Rechnung, nicht allgemein die Geschäftsführung zu prüfen, wenn ihr Amt oder die Mitgliederversammlung ihnen keine weitergehende Funktion zuweist. b) Existiert ein mehrgliedriger Vorstand, so trifft jedes Vorstandsmitglied kraft seiner Allzuständigkeit die Pflicht, die ordnungsgemäße Geschäftsführung der anderen Vorstandsmitglieder zu überwachen und bei Anhaltspunkten für einen Verstoß einzugreifen49. Insoweit gilt also eine hohe Untersuchungspflicht ohne Ermessen. 2. Durchsetzungspflicht Grundsätzlich werden Ansprüche des Vereins durch den Vereinsvorstand als Vertretungsorgan des Vereins (§ 26 Abs. 2 BGB) durchgesetzt. Problematisch ist dies aber, wenn die Haftung eines Vorstandsmitglieds selbst in Frage steht. In einem solchen Fall besteht für die Mitgliederversammlung als oberstem Organ des Vereins die Möglichkeit, eine Weisung (§§ 27 Abs. 3, 665 BGB) an die nicht betroffenen Vorstandsmitglieder zu erteilen, den Anspruch geltend zu machen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass sich bei Körperschaften die Willensbildung in der Mitgliederversammlung vollzieht und der Vorstand das ausführende Organ ist50. Möglich ist ein solches Vorgehen jedoch nur dann, wenn der Verein ohne das zu verklagende Vorstandsmitglied vertreten werden kann. Anderenfalls kommt in Anlehnung an § 46 Nr. 8 GmbHG die Bestellung eines Vertreters für die Geltendmachung des Anspruchs in Betracht51. Die Geltendmachung eines Anspruchs des Vereins gegen den Vorstand durch ein einzelnes Vereinsmitglied ist hingegen nicht möglich. Denkbar ist lediglich eine positive Beschlussfeststellungsklage des einzelnen Mitglieds, falls sich die
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Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 405. Vgl. § 54 S. 1 BGB zur Anwendung von GbR-Recht auf Vereine. Stöber, Rz. 287a. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 3 Rz. 2. Grunewald, ZIP 1989, 962 (964).
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Mitgliederversammlung rechtswidrig weigert, den Anspruch durchzusetzen. Eine solche Klage beinhaltet die Anfechtung des ablehnenden Beschlusses und die Feststellung, dass ein positiver Beschluss gefasst ist, da die ablehnenden Stimmen nicht gezählt werden dürfen52. Grundsätzlich liegt die Geltendmachung von Ansprüchen des Vereins gegen den Vorstand im Ermessen der Mitgliederversammlung. Insbesondere bei zweifelhaften Ansprüchen ist bei der Entscheidung über die Durchsetzung an das für den Verein bestehende Kostenrisiko zu denken. Gerade wenn der durchzusetzende Haftungsbetrag gering ist, kann von einer Geltendmachung des Anspruchs mit Blick auf ein unbelastetes Verhältnis zwischen Verein und Vorstand oder andere gegenläufige Interessen abgesehen werden53. Eventuell besteht sogar eine Pflicht, die Durchsetzung zu unterlassen (wie bei einer Ermessensreduzierung auf Null).
VI. Stiftung Anders als oben besprochen stellt sich die rechtliche Situation bei der Stiftung dar. Das liegt zum einen daran, dass die Stiftung keine Körperschaft oder Personengesellschaft, sondern eine reine Verwaltungsinstitution ist54. Zum anderen unterliegt die Stiftung zur Überwachung der laufenden Geschäftstätigkeit und Durchsetzung des „ewigen“ Stifterwillens der staatlichen Stiftungsaufsicht55. 1. Untersuchungspflicht Nach Gesetz ist für eine Stiftung nur eine einstufige Organstruktur mit dem Vorstand als Vertretungs- und Verwaltungsorgan erforderlich (§ 86 i. V. m. § 26 BGB)56. Häufig kommt jedoch auch die mehrgliedrige Organstruktur vor57. Insbesondere besteht die Möglichkeit, eine stiftungsinterne Kontrolle einzurichten, welche die Kontrolle des Vorstands durch die Stiftungsaufsicht ersetzt58 oder ergänzt. Insoweit ist das Obige zum Aufsichtsrat nach Maßgabe der satzungsmäßigen Aufgaben ggf. Zuweisung übertragbar. Andernfalls ist es (nur) Aufgabe der Stiftungsaufsicht, bei begründetem Verdacht59 das Bestehen von Schadensersatzansprüchen zu klären60. Eine Kontrolle durch Mitglieder wie bei Körperschaften findet bei der Stiftung hingegen nicht statt; als reine Verwaltungsinstitution kennt die Stiftung keine Mitglieder61. Auf Begünstigte ist die Untersuchungspflicht nicht übertragbar. Jedoch könnte ein Untersuchungsrecht bejaht werden, jedenfalls bei Begünstigten mit Rechtsanspruch. Ist der
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Grunewald, ZIP 1989, 962 (966). Grunewald, ZIP 1989, 962 (966). Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 21 Rz. 4. Seifart/v. Campenhausen/Hof, § 11 Rz. 1 a. E, Rz. 5. Graf Strachwitz/Mercker, Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 779. Graf Strachwitz/Mercker, 780. Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rz. 56, § 11 Rz. 30. Seifart/v. Campenhausen, § 11 Rz. 208. Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, § 7 Rz. 73. Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rz. 44; § 1 Rz. 7.
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Haftung der Geschäftsführung von Stiftung und Verein
Rechtsanspruch einzelner, wie meist, ausgeschlossen, kommt immerhin ein Untersuchungsrecht aller (möglichen) Begünstigten in Betracht. Zumindest muss die Stiftungsaufsicht ihre Prüfungsanregung (ohne Ermessen) beachten. 2. Durchsetzungspflicht Ersatzansprüche der Stiftung gegen den Stiftungsvorstand hat grundsätzlich der Vorstand selbst geltend zu machen, sofern dazu nach den Stiftungsgesetzen der Länder nicht die Stiftungsaufsicht berufen ist. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, hat die Stiftungsaufsicht die betroffenen Vorstandsmitglieder abzuberufen und neue Vorstandsmitglieder zu bestellen, wobei diese anzuweisen sind, die Ansprüche der Stiftung gegen den abberufenen Vorstand durchzusetzen62. Möglich ist auch die Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Stiftungsaufsicht zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs oder die Geltendmachung des Anspruchs durch die Stiftungsaufsicht selbst63. Letzteres kommt vor allem dann in Frage, wenn das zuständige Organ die Geltendmachung des Anspruchs verweigert64. Die Entscheidung über die Durchsetzung des Anspruchs steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, wenn der Ersatzanspruch zweifelhaft ist65. Denkbar ist es schließlich auch, ein geschaffenes Kontrollorgan in der Satzung mit einem entsprechenden Klagerecht auszustatten66.
VII. Zusammenfassung: Prüfung, Durchsetzung, Vorbeugung 1. Prüfung und Geltendmachung Es ist grundsätzlich Sache der Geschäftsleitung, Rechtsverstöße in dem jeweiligen Unternehmen zu untersuchen und Ansprüche des Unternehmens geltend zu machen. Seit der ARAG-Entscheidung des BGH gelten zumindest für den Aufsichtsrat festumrissene Maßstäbe, die bei begründeten Verdachtsmomenten ein konkretes Tätigwerden verlangen. Denkbar ist es, diese Maßstäbe auch auf die Überwachungsorgane anderer Körperschaften – so z. B. die Mitgliederversammlung des Vereins – und auf die Tätigkeit des Vorstands zu übertragen. Eine Sonderstellung nimmt insoweit die Stiftung nach §§ 80 ff. BGB ein, da diese keine Körperschaft ist und der staatlichen Stiftungsaufsicht unterliegt. Übergreifend hat in allen Rechtsformen bei der Entscheidung über die Durchsetzung der Ansprüche eine Orientierung am Gesamtwohl zu erfolgen. Bei eigener Betroffenheit der zur Geltendmachung der Ersatzansprüche berufenen Stelle ist nach alternativen Lösungen für die Durchsetzung der Ansprüche zu suchen. Eine Selbstüberführung oder -beschuldigung des betroffenen Geschäftsführungsmitglieds kann wohl nicht verlangt werden.
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Graf Strachwitz/Mercker, Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 822. Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, § 7 Rz. 72. Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, § 11 Rz. 205. Seifart/v. Campenhausen, § 11 Rz. 207. Graf Strachwitz/Mercker, 822.
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2. Vorbeugung a) Whistle Blowing Mitarbeiter, Kunden oder Dritte können mit oder ohne Namensnennung durch Information einer vom Unternehmen eingesetzten Vertrauensperson (Ombudsmann) helfen, Verstöße aufzudecken. Wegen des Potentials für Denunziationen sind vielfältige Vorkehrungen geboten und üblich; intern wie extern. Die Einrichtung von Whistleblowing-Organisationen ist eine Art vorweggenommene Prüfung, Untersuchung und zugleich Vorbeugung. Bedeutet dies, dass dazu Gesellschaften und (übertragen) Stiftungen und Vereine verpflichtet sind, und das ohne Ermessen? Die unbeanstandete Existenz vieler Gesellschaften und Unternehmen ohne Whistleblowing-Systeme legt es nahe, diese Frage zu verneinen. Immerhin, je größer und unübersichtlicher das Unternehmen ist, desto mehr bedarf es der Begründung, wenn z. B. ein Aufsichtsrat es unterlässt, Vorkehrungen wie Whistleblowing zu treffen. Es mag also einen Beurteilungsspielraum geben, ob die Verhältnisse so gefahrenträchtig oder unübersichtlich sind, dass eine Vorkehrung wie ein Whistleblowing-System oder ein sog. Ombudsmann o. Ä. erforderlich oder zweckmäßig ist. Diese Beurteilung ganz zu unterlassen, ist im Zweifelsfall pflichtwidrig. Die Beurteilung anzustellen, aber Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu verneinen, ist rechtmäßig möglich. Gerade bei großen Vereinen mag es nahe liegen, eine Pflicht zur Vornahme einer Beurteilung zu bejahen, unabhängig von der Möglichkeit, dass die Beurteilung im Einzelfall nachvollziehbar die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Vorkehrungen verneint. b) Revision, Prüfungsgesellschaft Whistleblowing und Ombudsmann sind eine Art von Vorkehrungen im Vorfeld. Die Befassung mit der Problematik und ggf. die Einrichtung z. B. einer Revision oder eines Prüfungsausschusses oder eines Rechnungsprüfers erscheint zumindest ab einer gewissen Komplexität von Verein und Stiftung geboten. Das Gebot geht nicht an die Mitglieder oder Begünstigten (und erst recht nicht an den oder die Stifter), aber sehr wohl an den Vorstand, ein Kuratorium oder ein ähnliches Organ, es sei denn, es hätte gar keine Kontrollfunktion. Hat ein Organ eine solche Funktion, ist es auch zu Vorkehrungen verpflichtet, die Untersuchungen überhaupt erst ermöglichen, wenn Untersuchungen (abstrakt) geboten erscheinen.
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Abhängigkeitsbericht bei isoliertem Verlustdeckungsvertrag? Inhaltsübersicht I. Thema II. Grundlagen 1. Abhängigkeitsbericht 2. Die Vorschrift des § 316 AktG 3. Isolierte Verlustübernahmeverträge III. Analoge Anwendung des § 316 AktG 1. Ausgangspunkt
2. Zwei Schutzsysteme 3. Schutz der außenstehenden Aktionäre 4. Gläubigerschutz 5. Registerprüfung und Publizität IV. Ergebnisthesen
I. Thema Reine Verlustdeckungsverträge mit einer abhängigen Aktiengesellschaft mögen nicht eben häufig sein, wird dem anderen Vertragsteil im Gegensatz zum Gewinnabführungsvertrag daher nur der schlechte Tropfen des Verlustes, nicht aber auch der gute des Gewinns zuteil. Sie kommen aber vor, nicht zuletzt in einer Krisensituation der abhängigen Gesellschaft1. Hier geht es um die Frage, ob bei Bestehen eines derartigen Vertrages die aus § 312 AktG resultierende Pflicht entfällt, einen Abhängigkeitsbericht zu erstatten. Die Vorschrift des § 316 AktG sieht das bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages vor. Ihr Wortlaut beschränkt sich auf diesen Vertragstyp. Sie könnte indes analog auf den reinen Verlustübernahmevertrag anwendbar sein. Das Interesse des herrschenden Unternehmens an einer solchen Freistellung von der Berichtspflicht liegt auf der Hand: Die Erstattung des Berichts erfordert je nach Lage des Falles erheblichen internen Aufwand, seine Prüfung verursacht darüber hinaus externe Kosten. Die Diskussion über die Anwendbarkeit von § 316 AktG beim isolierten Verlustdeckungsvertrag reicht bis in die erste Zeit nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 zurück. Damals wurde die Frage von einigen Autoren zumindest für den Fall bejaht, dass bei der abhängigen Gesellschaft keine außenstehenden Aktionäre vorhanden sind2. Dieser Standpunkt hat aber in der Folgezeit keine Anhänger gefunden. Heute geht die allgemeine Ansicht vielmehr dahin, die
__________ 1 Dazu Karsten Schmidt, FS W. Werner, 1984, S. 777. 2 Bachmayr, BB1967,135,137 ff.; W. Werner, NB (Neue Betriebswirtschaft) 4/1967, 2 (17 f.);, Rasch, Deutsches Konzernrecht, 5. Aufl. 1974, S. 143 f.
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Freistellungsvorschrift des § 316 AktG komme beim reinen Verlustübernahmevertrag generell nicht zum Zuge3. Anfragen aus der Praxis geben jedoch Veranlassung, die herrschende Auffassung noch einmal kritisch zu überdenken. Wenn die dazu nachfolgend angestellten Überlegungen Harald Schaumburg gewidmet werden, dann geschieht das, weil er in seiner umfangreichen und anspruchsvollen Tätigkeit im Zusammenhang mit Konzernsachverhalten nicht nur steuerrechtlichen Problemen in großem Umfange konfrontiert ist, sondern stets auch die gesellschaftsrechtlichen Implikationen im Blick behält.
II. Grundlagen 1. Abhängigkeitsbericht Ist eine Aktiengesellschaft von einem anderen Unternehmen abhängig, ohne dass ein Beherrschungsvertrag besteht, hat ihr Vorstand innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Geschäftsjahres einen schriftlichen Bericht über die Beziehung der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen (§ 312 AktG). Dieser sog. Abhängigkeitsbericht muss stets vom Aufsichtsrat geprüft werden (§ 314 AktG), bei einer prüfungspflichtigen Gesellschaft auch durch den Abschlussprüfer (§ 313 AktG). Der Abhängigkeitsbericht ist als zentrales Instrument zur Gewährleistung des Schutzsystems der §§ 311, 317, 318 AktG gedacht. Danach darf das herrschende Unternehmen seinen Einfluss auf die Gesellschaft nicht dazu benutzen, diese zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen. Anderes gilt nur, wenn die Nachteile ausgeglichen werden (§ 311 Abs. 1 AktG). Bei Verstößen haben das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter, gegebenenfalls auch die Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§§ 317, 318 AktG). Der Bericht soll sicherstellen, dass Aktionäre und Gläubiger die notwendigen Informationen über nicht ausgeglichene Nachteile erhalten, damit sie ihre Ansprüche geltend machen können4. Dementsprechend hat er alle während des vergangenen Geschäftsjahres vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen mit dem herrschenden Unternehmen oder ihm verbundenen Unternehmen aufzuführen. Bei den Rechtsgeschäften sind Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahme sowie deren Vor- und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben (§ 312 Abs. 1 Sätze 2, 3 AktG).
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3 Altmeppen in MünchKomm/AktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rz. 162 f.; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 316 Rz. 3; Haesen, Der Abhängigkeitsbericht im faktischen Konzern, 1970, S. 62 ff.; Hüffer, 8. Aufl. 2008, § 316 AktG Rz. 2; Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2004, § 316 Rz. 4; Krieger in MünchHdB-GesR Bd. 4-AG, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 3; Kropff in MünchKomm/AktG, 2. Aufl. 2000, § 316 Rz. 7; H.-F. Müller in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 316 Rz. 3; J. Vetter in Karsten Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 316 Rz. 3. 4 Begr. § 312 AktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 411.
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Am Schluss des Berichts hat der Vorstand zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die ihm in dem Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhielt und dadurch, dass die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, nicht benachteiligt wurde (§ 312 Abs. 3 Satz 1 AktG). Diese Erklärung soll den Vorstand zu einer eindeutigen und zusammenfassenden persönlichen Bewertung der im Abhängigkeitsbericht mitgeteilten Tatsachen zwingen5. Die Pflicht zu ihrer Abgabe soll eine ständige Mahnung an den Vorstand sein, die Interessen seiner Gesellschaft auch gegenüber einem herrschenden Unternehmen zu wahren. Sie soll es ihm erleichtern, einem unangemessenen Verlangen des herrschenden Unternehmens nicht nachzukommen6. Über den praktischen Wert des Abhängigkeitsberichts gehen die Ansichten auseinander. Beanstandet wird insbesondere seine eingeschränkte Publizität7. Eine Veröffentlichung findet nämlich nicht statt8. Publik wird nur die Schlusserklärung des Vorstands nach § 312 AktG. Sie muss in den Lagebericht (§§ 274 Abs. 1, 289 HGB) aufgenommen werden. Der Gesetzgeber hat diese Einschränkungen seinerzeit gesehen, aber gemeint, der Bericht müsse vertraulich bleiben können, weil sonst nicht mit der erforderlichen Offenheit über Geschäfte berichtet würde, deren Bekanntwerden geeignet sei, der Gesellschaft einen Nachteil zuzufügen9 Sogar in einem Prozess, in dem außenstehende Aktionäre oder Gläubiger der Gesellschaft Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen gem. § 317 AktG geltend machen, braucht der Abhängigkeitsbericht nicht vorgelegt zu werden10. Anders sieht es freilich für den Insolvenzverwalter aus. Ihm wird das Recht zugebilligt, über den Bericht zu verfügen11. Trotz solcher Begrenzung seiner Publizität ist der Abhängigkeitsbericht wichtig, insbesondere wegen der ihm eignenden präventiven Wirkung. Die Pflicht, ihn aufzustellen, wird den Vorstand dazu bewegen, nachteilige Maßnahmen zu unterlassen oder auszugleichen. Insofern ist der Abhängigkeitsbericht ein bedeutsames Argument bei Diskussionen des Vorstandes mit den Vertretern der Obergesellschaft, auf entsprechende Maßnahmen zu verzichten12. Diese Vor-
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5 Habersack, (Fn. 3), § 312 Rz. 41. 6 Kropff, (Fn. 4), S. 412. 7 Auflistung der Einwände bei Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991, S. 278 m. w. N. 8 Unstr. OLG Frankfurt v. 6.1.2003, AG 2003, 335 (336); aus dem Schrifttum nur Hüffer, (Fn. 3), § 312 Rz. 38. 9 Begr. § 312 AktG, Kropff, (Fn. 4), S. 411. 10 OLG Düsseldorf v. 11.4.1988, AG 1988, 275 (277); Hüffer, (Fn. 3), § 312 Rz. 38; Schiessl, ZGR 1998, 871 (873); dazu krit. Bachmann, NZG 2001, 961 (970) Fn. 162. 11 Kropff, (Fn. 3), § 312 Fn. 11; H.-F. Müller, (Fn. 3), § 312 Rz. 2. 12 So das Fazit der empirischen Studie von Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295 (313), Kritik dagegen bei J. Götz, AG 2000, 498 (499 f.), der meint, auch ohne die Berichtspflicht des § 312 AktG müsse der Vorstand einen Nachteilsausgleich und eventuellen Schadensersatzanspruch gegenüber dem herrschenden Unternehmen geltend machen und letzteren in der Bilanz aktivieren. Ob er das getan habe, unterliege der Kontrolle durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Bericht notwendig detaillierter ausfallen muss als die bloße
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feldwirkung trägt zur Erreichung des Normzwecks durchaus und entscheidend bei. Der Abhängigkeitsbericht ist auch hinsichtlich seiner Durchsetzung und der Rechtsfolgen von Mängeln keineswegs ein zahnloser Tiger. Seine Aufstellung kann nach § 407 AktG mittels Zwangsgeld erwirkt werden13. Gläubiger und Aktionäre haben zwar keinen klagbaren Anspruch auf seine Erstellung. Aktionäre können aber die Festsetzung eines Zwangsgelds anregen und bei Ablehnung durch das Registergericht Beschwerde und weitere Beschwerde einlegen. In der Befugnis, nach § 315 Abs. 1 AktG die Bestellung eines Sonderprüfers zu beantragen, liegt nämlich ein beeinträchtigtes Recht i. S. d. § 20 Abs. 1 FGG14. Wird ein Abhängigkeitsbericht überhaupt nicht aufgestellt oder entspricht er nicht den Anforderungen des § 312 AktG, macht sich der Vorstand schadenersatzpflichtig (§ 318 Abs. 1 AktG). Der Abschlussprüfer hat nicht nur seinen Vermerk nach § 313 Abs. 3 AktG, sondern auch sein Testat für den Jahresabschluss, das den Lagebericht umfasst (§ 322 Abs. 6 HGB), einzuschränken oder zu versagen15. Der Aufsichtsrat muss in seinem Bericht gem. § 171 Abs. 2 AktG auf die Mangelhaftigkeit hinweisen. Darüber hinaus können Fehler oder Mängel des Abhängigkeitsberichts es rechtfertigen, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern oder einen Entlastungsbeschluss anzufechten16. Schließlich steht den Aktionären unter den Voraussetzungen des § 315 AktG das Recht zu, die Bestellung von Sonderprüfern zu verlangen. 2. Die Vorschrift des § 316 AktG Ein Abhängigkeitsbericht ist jedoch nicht zu erstellen, wenn zwischen der Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Diesenfalls gelten – wie es in § 316 AktG heißt – die den Abhängigkeitsbericht und seine Behandlung regelnden Vorschriften der §§ 312–315 AktG nicht. Die §§ 311, 317 und 318 AktG bleiben demnach anwendbar. Ob ihre Aufrechterhaltung, insbesondere des § 318 AktG, sinnvoll erscheint, ist streitig17, hier aber nicht zu behandeln. Die Ratio legis des § 316 AktG wird darin gesehen, dass bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages die Schutzvorschriften der §§ 300 ff. AktG zu-
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Aktivierung eines Anspruchs; ähnlich Bachmann, NZG 2001, 961 (970): Die Drohung mit der Aufnahme in den Bericht wirke überzeugender als die Aktivierung von Ansprüchen. Für eine präventive Wirkung auch Mertens, FS Claussen, 1997, 297 (300). BGH v. 17.3.1997, BGHZ 135, 107 (109 f.) = AG 1997, 374 – VW/Niedersachsen; im Schrifttum h. M., vgl. die Nachw. b. H.-F. Müller, (Fn. 3) § 312 Rz. 20 Fn. 36. BGHZ 135, 107 (109 f.). Die Regelung des § 20 FGG wird sich künftig in § 59 FamFG (BGBl. I 2008, 2586) wiederfinden lassen. Statt vieler J. Vetter, (Fn. 3), § 312 Rz. 24 m. zahlr. Nachw. BGH v. 4.3.1974, BGHZ 62, 193 (194 f.); a. A. OLG München v. 10.4.2002, AG 2003, 452 (453): Ermessen der Hauptversammlung. Verneinend Koppensteiner, (Fn. 3), § 316 Rz. 1; bejahend Kropff, (Fn. 4) § 316 Rz. 4 f.; eingehend Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1 (17 ff.).
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gunsten der abhängigen Gesellschaft, ihrer außenstehenden Aktionäre und ihrer Gläubiger Anwendung finden18. Die kumulative Anwendung der Regeln über den faktischen Konzern sei deshalb sinnlos und funktionswidrig19. Seinem klaren Wortlaut nach attribuiert § 316 AktG die Freistellungswirkung von der Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts nur einem bestehenden, also in das Handelsregister eingetragenen Gewinnabführungsvertrag. Für andere Unternehmensverträge des § 292 AktG, wie die Gewinngemeinschaft oder den Teilgewinnabführungsvertrag, gelten die Vorschriften dagegen nicht. Das entspricht allgemeiner Ansicht20. Immer noch diskussionswürdig erscheint jedoch, ob bzw. inwieweit eine analoge Anwendung auf isolierte Verlustübernahmeverträge in Betracht kommt. 3. Isolierte Verlustübernahmeverträge Reine Verlustübernahmeverträge oder Verlustdeckungszusagen21 sind gesetzlich nicht geregelt. Auf dem Boden der Vertragsfreiheit steht ihrer Zulässigkeit aber nichts entgegen. Ebenso könnte das herrschende Unternehmen eine Bürgschaftserklärung für die Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft abgeben22. Mangels gesetzlicher Regelung gibt es freilich auch keine zwingenden Anforderungen an ihre Inhalte. Die Vertragspraxis ist deshalb in ihrer Ausgestaltung frei. Vertragskern ist naturgemäß die Verpflichtung des anderen Vertragsteils, die Verluste der abhängigen Gesellschaft zu übernehmen. Im Hinblick auf die Eignung eines derartigen Vertrages zur Befreiung vom Abhängigkeitsbericht wird man allerdings zunächst einmal verlangen müssen, dass er wenigstens den Inhalt des § 302 AktG aufweist. Das herrschende Unternehmen muss sich in dem Vertrag also verpflichten, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Um die Solennität der vertraglichen Bindung zu gewährleisten, ist ferner zu fordern, dass für die Beendigung des Vertrages die Regeln der §§ 296, 297 AktG vereinbart werden. Solche Verträge können und werden privatschriftlich geschlossen. Einer notariellen Beurkundung nach § 518 Abs. 1 BGB bedarf es nicht23. Es handelt sich nicht um schenkweise eingegangene Verpflichtungen. Die Verlustdeckungszusage wird vom herrschenden Unternehmen vielmehr in seiner Eigenschaft
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Begr. § 316 AktG, Kropff, (Fn. 4) S. 418; Hüffer, (Fn. 3), § 316 Rz. 1. Koppensteiner, (Fn. 3), § 316 Rz. 1. Etwa Hüffer, (Fn. 3), § 316 Rz. 2; H.-F. Müller, (Fn. 3), § 316 Rz. 3. So die Bezeichnung bei Karsten Schmidt, (Fn. 1), S. 777 ff. Eine solche Verlustdeckungszusage war im Falle OLG Celle v. 7.9.1983, AG 1984, 266 – Pelikan abgegeben worden. 22 Wie W. Werner, NB 1967, 2 (17) zutreffend bemerkt hat. 23 So schon Karsten Schmidt, (Fn. 1), S. 777 (783 ff.).
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als Gesellschafter der begünstigten Gesellschaft im Hinblick auf seine Mitgliedschaft, also causa societatis abgegeben24. Zu klären bleibt noch, inwieweit auf den Abschluss solcher Verträge die Regeln des Unternehmensvertrages Anwendung finden. Dies würde voraussetzen, dass Verlustübernahmeverträge unter den § 292 AktG rechnen. Das ist jedoch nach zumindest ganz überwiegender Ansicht nicht der Fall25. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich ein numerus clausus der Unternehmensverträge ins Spiel gebracht26. Ob es ihn gibt, braucht hier nicht erörtert zu werden27. Der Verlustübernahmevertrag ist jedenfalls kein solcher. Auch eine Lücke im System der Unternehmensverträge28 ist insoweit nicht erkennbar. Das bedeutet: Ein – mit qualifizierter Mehrheit gefasster – Beschluss der Aktionäre auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ist nicht erforderlich. Anders könnte es auf der Ebene des herrschenden Unternehmens aussehen, da deren Gesellschafter durch die Verlustübernahme belastet werden. Denkbar wäre deshalb, ihre Zustimmung gem. § 293 Abs. 2 AktG zu verlangen. Tragender Grund dieser Vorschrift ist nämlich das erhöhte Risiko, das die Obergesellschaft mit der Verlusttragungspflicht übernimmt29. Gleichwohl kommt § 293 Abs. 2 AktG nicht zum Zuge, da es sich eben beim isolierten Verlustübernahmevertrag weder um einen Beherrschungs- noch um einen Gewinnabführungsvertrag handelt. Auf solche Verträge ist die Norm aber beschränkt. Auf Seiten der herrschenden Unternehmung ließe sich ferner bei einem außergewöhnlichem Risiko aus dem Vertrag an die Grundsätze der HolzmüllerRechtsprechung des BGH30 denken. Nicht zuletzt im Hinblick auf seine Gelatine-Entscheidungen31 und die nachfolgende Judikatur32 werden aber auch sie
__________ 24 Insoweit ist auf ein neueres Urteil des BGH v. 8.5.2006, ZIP 2006, 1199 – Boris Becker/Sportgate hinzuweisen. In ihm ging es um eine privatschriftliche Erklärung Beckers, Verluste der Gesellschaft bis zu einer Höhe von 1,5 Mio. Euro zu übernehmen. Der BGH hat sie als wirksam angesehen, da sie causa societatis abgeben worden sei und eine solche causa die Anwendung der Schenkungsregeln ausschließe. 25 OLG Celle (Fn. 21), AG 1984, 266 (268); Altmeppen, (Fn. 3), § 292 Rz. 73; Hüffer, (Fn. 3), § 291 Rz. 28; Kropff, (Fn. 4), § 316 Rz. 7; abw. Koppensteiner, (Fn. 3), § 292 Rz. 68, der im Verlustübernahmevertrag einen Teilgewinnabführungsvertrag sehen will. 26 Etwa W. Werner, NB 1967, 2 (17). 27 Bejahend etwa Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, S. 303; ablehnend Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rz. 7. 28 Wie sie Bachmayr, BB 1967,135 (138) angenommen hat. 29 So BGH v. 24.10.1988, BGHZ 105, 324 (335) – Supermarkt; Hüffer, (Fn. 3), § 293 Rz. 17; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 293 Rz. 37; beide mit Nachweisen auch zu Gegenstimmen; eingehend Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Verbindung, 1994, S. 125 ff., der die Verlustausgleichspflicht – überzeugend – als ausschlaggebend ansieht. 30 Vgl. dazu etwa die Darstellung bei Habersack, (Fn. 3) Vor § 311 Rz. 33 ff. 31 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384; II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001. 32 BGH v. 20.11.2006, DStR 2007, 586 = ZIP 2007, 24 m. Anm. v. Falkenhausen – Stuttgarter Hofbräu.
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nicht zum Zuge kommen33, da es an der nunmehr für erforderlich gehaltenen Mediatisierungswirkung34 der Maßnahme fehlt.
III. Analoge Anwendung des § 316 AktG 1. Ausgangspunkt Geht man davon aus, dass die Verlustübernahmepflicht des § 302 AktG und damit die Erhaltung des Status quo der abhängigen Gesellschaft das entscheidende Schutzmoment bei Vorliegen eines Unternehmensvertrages darstellt, und zwar sowohl beim Beherrschungs- als auch beim Gewinnsabführungsvertrag, ließe sich spontan denken, der isolierte Verlustübernahmevertrag sei für die abhängige Gesellschaft sowie deren Gesellschafter und Gläubiger mindestens gleichwertig, ja sogar dem Gewinnabführungsvertrag überlegen, da er die Gesellschaft zwar von Verlusten freistellt, ihr aber die Gewinne belässt35. Unter unserem Gesichtswinkel könnte man also mit einem „erst recht“-Argument zu dem Ergebnis kommen, mache schon der Gewinnabführungsvertrag den Abhängigkeitsbericht überflüssig, müsse das um so mehr für den „besseren“ reinen Verlustübernahmevertrag gelten. So einfach liegen die Dinge aber nicht. Selbst wenn der konkrete Verlustübernahmevertrag – wie hier gefordert – den Inhalt des § 302 AktG voll übernimmt und auch hinsichtlich seiner Beendigung den Unternehmensverträgen gleichgestellt wird, ist zu bedenken: Es geht bei der Freistellung von der Berichtspflicht in § 316 AktG nicht allein um den Verlustausgleich. Die Instrumente der §§ 300 ff. AktG reichen vielmehr darüber hinaus. Sie bieten weitere Sicherungen zugunsten der außenstehenden Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger. 2. Zwei Schutzsysteme Entsprechend seiner Unterscheidung zwischen Vertragskonzernen einerseits und bloßen Abhängigkeitsverhältnissen bzw. faktischen Konzernen andererseits sieht das Aktiengesetz zwei unterschiedliche Schutzsysteme zugunsten der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft vor: Im Vertragskonzern gelten die §§ 300–307 AktG, im faktischen Konzern die §§ 311–318 AktG. Im Vertragskonzern, der auf die Einbindung der abhängigen Gesellschaft durch einen Beherrschungsvertrag abgestellt ist, wird den außenstehenden Aktio-
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33 Ebenso Krieger, (Fn. 3), § 72 Rz. 3. 34 Dazu Goette, AG 2006, 522 (527). 35 Bachmayr, BB 1967, 135 (138) hat gemeint, der reine Verlustübernahmevertrag bringe der abhängigen Gesellschaft „ausschließlich Vorteile“. Ähnlich hat es W. Werner, NB 1967, 2 (17) gesehen, der einen solchen Vertrag nicht unter die für die Gesellschaft „gefährlichen Verträge“ rechnen wollte. Auch Koppensteiner, (Fn. 3), § 291 Rz. 80 spricht davon, dass der Vertrag die Interessen der Gesellschaft und der an ihr Interessierten „nur begünstigt“.
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nären ein Konzerneingangsschutz in Gestalt der §§ 304, 305 gewährt, die eine Pflicht zur Festlegung von Ausgleich und Abfindung vorsehen. Dem Schutz der Gläubiger dienen die §§ 300–303 AktG. Sie zielen in §§ 300–302 auf eine bilanzielle Bestandserhaltung der Gesellschaft und schaffen mit § 303 AktG einen gewissen Konzernausgangsschutz. Ein anderes Konzept verfolgt der Gesetzgeber in §§ 311–318 AktG für den Fall bloßer Abhängigkeit bzw. den vertragslosen Konzern. Im Gegensatz zu § 308 AktG, der dem herrschenden Unternehmen auch nachteilige Weisungen gestattet, werden solche von § 311 AktG ausdrücklich verboten, soweit nicht ein Ausgleich stattfindet. Verstöße führen zu Schadensersatzpflichten. Instrument zur Sicherung entsprechender Ansprüche ist der Abhängigkeitsbericht gem. § 312 AktG. Der hier im Mittelpunkt stehende § 316 AktG schafft quasi eine Verbindung zwischen beiden Schutzsystemen, indem er bei Vorhandensein eines Gewinnabführungsvertrages auf das Instrument des Abhängigkeitsberichts verzichtet, weil das Eingreifen der §§ 300–307 AktG gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein isolierter Verlustübernahmevertrag geeignet ist, den Abhängigkeitsbericht in gleicher Weise verzichtbar zu machen, wie dies der Gewinnabführungsvertrag vermag. Dabei ist zwischen dem Schutz der außenstehenden Aktionäre und dem der Gesellschaftsgläubiger zu differenzieren. 3. Schutz der außenstehenden Aktionäre Aus ihrer Sicht gewährleistet der Gewinnabführungsvertrag jedenfalls dreierlei, nämlich eine Mitwirkung bei seinem Zustandekommen, bestimmte Vertragsinhalte und die Möglichkeit, ihre Einhaltung gerichtlich überprüfen zu lassen. Zunächst zu den zwingenden Inhalten des Gewinnabführungsvertrages: Gemäß § 304 AktG muss er einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen. Diese Ausgleichszahlung muss mindestens die jährliche Zahlung des Betrages ausmachen, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten verteilt werden könnte. Ein Vertrag, der überhaupt keinen Ausgleich enthält, ist nichtig. Diese Regelung soll die Interessen der außenstehenden Aktionäre wahren, da wegen des Gewinnabführungsvertrages ausschüttbare Gewinne nicht mehr anfallen. Ferner bestimmt § 305 AktG, dass ein Gewinnabführungsvertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten muss, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben, die anschließend näher definiert wird. Hiermit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gesellschaft für einen Außenstehenden mit Abschluss des Gewinnabführungsvertrages zur 1334
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Rentnergesellschaft wird, während der Aktionär zuvor an Chancen und Risiken einer eigenwirtschaftlich tätigen Gesellschaft beteiligt war36. Nun ließe sich einwenden, des Schutzes aus §§ 304,305 AktG bedürfe es beim reinen Verlustübernahmevertrag nicht, denn er stelle die Gesellschaft lediglich vom Verlustrisiko frei, ohne ihr die Gewinnchancen zu nehmen. Hinzu komme, dass bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages die Bestimmungen der §§ 311, 317, 318 AktG ja bestehen bleiben, nachteilige, den Gewinn der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigende Maßnahmen also unzulässig seien. Beides ist vorderhand richtig. Bei Fehlen eines Abhängigkeitsberichts kann aber nicht hinreichend kontrolliert werden, ob solche schädigenden Maßnahmen tatsächlich unterblieben sind. Vor allem aber entfällt seine oben37 beschriebene Vorfeldfunktion. Es könnte also passieren, dass das herrschende Unternehmen die abhängige Aktiengesellschaft ganz bewusst unter Vermeidung von Verlusten, aber auch ohne Gewinnerzielung, quasi an der „Null-Linie“ steuert. Die außenstehenden Aktionäre wären dann aber sowohl um ihren Ausgleich als auch um die Möglichkeit gebracht, per Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Ein weiteres wichtiges Moment bildet die Mitwirkung der Aktionäre bei Abschluss des Gewinnabführungsvertrages. Nach § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG wird ein Unternehmensvertrag, und damit auch ein Gewinnabführungsvertrag nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. Der Beschluss bedarf zwar einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Trotzdem dürfte die Stimmkraft der außenstehenden Aktionäre vielfach nicht ausreichen, den Vertragsschluss zu verhindern. Sie können den Beschluss aber anfechten, freilich nicht, weil nach ihrer Meinung Ausgleich und Abfindung zu knapp ausgefallen sind. Insoweit bleibt ihnen jedoch die Einleitung eines Spruchverfahrens. Das alles gilt nicht für den isolierten Verlustübernahmevertrag. Er bedarf – wie vorstehend dargelegt38 – nicht der Zustimmung der Hauptversammlung auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft. Es entfallen mithin die daraus resultierenden Abwehr- und Kontrollmöglichkeiten. Der hier für entscheidend gehaltene Schutz der außenstehenden Aktionäre lässt sich auch nicht dadurch erreichen, dass man entsprechende Verpflichtungen zur Gewährung von Ausgleich und Abfindung in den Verlustübernahmevertrag mit aufnimmt39. Eine solche vertragliche Pflicht würde der gesetzlichen nicht gleichstehen, da es nicht möglich ist, die Zuständigkeit des Gerichts nach dem SpruchG herbeizuführen40. Die gerichtliche Überprüfbarkeit des Ausgleichs bzw. der Abfindung stellt aber ein essentielles Schutzinstrument für die außenstehenden Aktionäre dar. Insofern liegt es anders als bei der
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Vgl. dazu Begr. § 305 AktG, Kropff, (Fn. 4), S. 397. Unter II.1. Oben II.3. Wie dies W. Werner, NB 1967, 2 (17) überlegt hat. Koppensteiner, (Fn. 3), § 291 Rz. 80; tendenziell schon W. Werner, NB 1967, 2 (18).
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nachfolgend vorzuschlagenden Aufnahme einer Verpflichtung gem. § 303 AktG in den Verlustübernahmevertrag41. Demgemäß lässt sich festhalten, dass die außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft beim isolierten Verlustübernahmevertrag wegen Fehlens der vorbeschriebenen Sicherungen entgegen überschlägiger Annahme42 doch schlechter gestellt sind als beim Gewinnabführungsvertrag. Unter ihrem Blickwinkel kann deshalb eine analoge Anwendung des § 316 AktG nicht befürwortet werden. Daraus folgt aber zugleich auch, dass bei Fehlen außenstehender Aktionäre, also im Fall eines isolierten Verlustübernahmevertrages mit der hundertprozentigen Tochtergesellschaft, unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes einem Verzicht auf den Abhängigkeitsbericht analog § 316 AktG Bedenken nicht entgegenstehen43. 4. Gläubigerschutz Die Position der Gläubiger unterscheidet sich zunächst einmal insofern wesentlich von derjenigen der außenstehenden Aktionäre, als sie – im Gegensatz zu diesen – am Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nicht beteiligt sind. Ihre fehlende Mitwirkung an einem Verlustübernahmevertrag macht also einen besonderen Schutz nicht erforderlich. Die Gläubiger sind damit allein auf den gesetzlichen Schutz als Folge des Gewinnabführungsvertrages verwiesen. Dieser gestaltet sich wie folgt: Es beginnt mit § 300 AktG, der die Zuführungen zur gesetzlichen Rücklage bei der abhängigen Gesellschaft regelt. Er sieht Modifikationen gegenüber § 150 AktG vor und verkürzt die Dauer der Rücklagendotierung durch eine Fünfjahresfrist44. In § 301 AktG geht es um den Höchstbetrag der Gewinnabführung. Das betrifft unser Thema nicht. Auch die im Grunde zentrale Vorschrift des Gläubigerschutzes in § 302 AktG brauchen wir nicht näher zu betrachten, da die darin geregelte Verlustausgleichspflicht als vertraglich übernommen vorausgesetzt wird. Es bleibt der § 303 AktG, der eine Sicherheitsleistung zugunsten der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft bei Beendigung des Unternehmensvertrages verlangt. Mit ihr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Lebensfähigkeit der Gesellschaft nach dem Ende des Unternehmensvertrages möglicherweise gefährdet ist45.
__________ 41 Dazu sogleich unter III.4. 42 Vgl. oben Fn. 35. 43 Ebenso W. Werner, NB 1967, 2 (17 f.); Rasch, (Fn. 2), S. 143 f.; Biedenkopf/Koppensteiner, KölnerKommAKtG, 1. Aufl. 19, § 316 Rn. 3; de lege ferenda auch J. Götz, AG 2000, 498 (499, 503). 44 Eine Gegenüberstellung von § 150 AktG und § 300 AktG liefert Veit, DB 1974, 1245 ff. und kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 300 Nr. 1 AktG keine Erleichterung, unter bestimmten Umständen eine Verschärfung gegenüber den allgemeinen Vorschriften bedeutet. 45 Begr. § 303 AktG, Kropff, (Fn. 4), S. 393.
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Abhängigkeitsbericht bei isoliertem Verlustdeckungsvertrag?
Alle genannten Bestimmungen finden keine Anwendung, wenn ein Unternehmensvertrag nicht besteht. Für die §§ 304, 305 AktG wurde vorstehend festgestellt: Kommen sie wegen Fehlens eines Gewinnabführungsvertrages nicht zum Zuge, ist eine Kompensation durch den Abhängigkeitsbericht geboten. Gilt dies auch für die §§ 300 und 303 AktG? Betrachtet man den Stellenwert der gläubigerschützenden §§ 300, 303 AktG darauf, ob ihr Fehlen im vertragslosen Konzern durch einen Abhängigkeitsbericht ausgeglichen werden muss, so zeigt sich: Die verschärfte Rücklagendotierungspflicht des § 300 AktG ist zunächst einmal Ausfluss fehlenden (beim Gewinnabführungsvertrag) bzw. eingeschränkten Gewinns (beim Teilgewinnabführungsvertrag). Wenn auch der Beherrschungsvertrag einbezogen ist, trägt dies dem § 308 AktG Rechnung, wonach das herrschende Unternehmen nachteilige Weisungen erteilen darf. Das ist aufgrund des § 311 AktG gerade nicht der Fall. Was die Bestimmung des § 303 AktG angeht, ist ihre Bedeutung für die von ihr betroffenen Gläubiger gewiss größer, da sie deren Position gegebenenfalls deutlich verbessern kann. Sie hat also insoweit eine erheblich größere Schlagkraft. Bemerkenswert ist ferner, dass § 303 AktG auch beim bloßen Gewinnabführungsvertrag gilt, also – jedenfalls nicht ausschließlich – mit § 308 AktG korrespondiert. Geht man jedoch davon aus, dass die Vorschrift eine durch den vorangegangenen Unternehmensvertrag eingeschränkte Lebensfähigkeit der Gesellschaft ausgleichen soll, trifft man wieder auf das Verbot nachteiliger Weisungen in § 311 AktG. Seine Einhaltung soll – wie dargelegt – durch den Abhängigkeitsbericht gewährleistet werden. Muss also das Fehlen dieser beiden Schutzvorschriften durch einen Abhängigkeitsbericht kompensiert werden? Seiner Aufstellung war oben eine präventive Bedeutung beigemessen worden46. Schon im Vorfeld entfalte die Berichtspflicht positive Wirkungen zugunsten der abhängigen Gesellschaft. Das ist aus Gläubigersicht nicht anders. Es mag zwar sein, dass die §§ 300, 303 AktG, insbesondere § 300 AktG für die Gläubiger nicht dasselbe Gewicht haben wie §§ 304, 305 AktG für die außenstehenden Aktionäre, so dass man sich auf den Standpunkt stellen könnte, angesichts der durch den Verlustübernahmevertrag gegebenen zentralen Absicherung der Gläubiger sei es nicht gerechtfertigt, dem herrschenden Unternehmen die aufwendige Berichtspflicht aufzuerlegen. Das ist jedoch abzulehnen. Der Konzernausgangsschutz des § 303 AktG erscheint vielmehr so bedeutsam, dass sein Nichteingreifen bei Fehlen eines Gewinnabführungsvertrages eine Ersatzsicherung durch den Abhängigkeitsbericht notwendig macht. Anders sieht es allerdings aus, wenn der Verlustübernahmevertrag um die Verpflichtungen aus §§ 300,303 AktG ergänzt wird. Das herrschende Unternehmen kann sich verpflichten, aufgrund seiner Herrschaftsmacht für eine
__________ 46 Unter II.1.
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Rücklagendotierung gem. § 300 AktG bei der abhängigen Gesellschaft Sorge zu tragen. Ferner könnte es im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) die Verpflichtung übernehmen, die Gläubiger bei Beendigung des Abhängigkeitsverhältnisses – mit dem ja auch die Pflicht zur Erstattung eines Abhängigkeitsbericht endet47 – Sicherheit zu leisten48. Da bei § 303 AktG – anders als bei §§ 304, 305 AktG – eine gerichtliche Überprüfung nicht vorgesehen ist, erscheint hier die vertragliche Verpflichtung als vollwertiger Ersatz der gesetzlichen. Ein solchermaßen „aufgerüsteter“ Verlustübernahmevertrag erfüllt alle Kautelen der §§ 300–303 AktG und erscheint deshalb unter dem Blickwinkel der Gläubigersicherung geeignet, den Abhängigkeitsbericht zu ersetzen. 5. Registerprüfung und Publizität Die beiden entscheidenden Argumente gegen eine analoge Anwendbarkeit des § 316 AktG auf den isolierten Verlustübernahmevertrag sind bewusst an den Schluss gestellt worden. Sie lauten: Da – erstens – eine Eintragung in das Handelsregister nicht in Betracht komme, finde eine registergerichtliche Überprüfung dieser Verträge nicht statt. Ferner sei – zweitens – nicht gewährleistet, dass die Gläubiger von der Verlustübernahmepflicht und der Befreiung von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts Kenntnis nehmen könnten49. Was zunächst das Fehlen der registergerichtlichen Prüfung angeht, ist zu bedenken: Die Registerprüfung bei Unternehmensverträgen setzt sich aus einer formellen und einer materiellen Kontrolle zusammen50. Erstere ist registerbedingt und betrifft etwa die Zuständigkeit des Gerichts, die Form der Anmeldung oder die Vollständigkeit der beizufügenden Schriftstücke. Letztere zielt insbesondere darauf, ob die für die Wirksamkeit vorausgesetzten Zustimmungsbeschlüsse gefasst sind. Hinzu kommt eine inhaltliche Kontrolle dahin, ob der Vertrag die vom Gesetz verlangten Bestandteile enthält, insbesondere die aufgrund von § 304 AktG geforderte Festsetzung eines Ausgleichs. Insoweit ist freilich festzuhalten: Für den Registerrichter kommt es nur darauf an, ob überhaupt ein Ausgleich vorgesehen ist, nicht dagegen, ob dessen Höhe in Ordnung. geht. Darüber hat allein das Spruchverfahren zu befinden (§ 304 Abs. 3 Satz 3 AktG). All das ist bei einem Verlustübernahmevertrag nicht zu besorgen. Formelle Anforderungen an ihn sind außer der Schriftform nicht zu stellen. Deren Ein-
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47 Geschieht das im laufenden Geschäftsjahr, ist über den Rumpfzeitraum zu berichten; vgl. nur Habersack, (Fn. 3), § 312 Rz. 11. 48 Wie die frühen Verfechter einer analogen Anwendung von § 316 AktG auf die isolierten Verlustübernahmevertrag dies auch vorgeschlagen haben: Bachmayr, BB 1967, 135 (138); W. Werner, NB 1967, 2 (17). 49 Habersack, (Fn. 3), § 316 Rz. 3; Koppensteiner, (Fn. 3), § 316 Rz. 4.; Kropff, (Fn. 4), § 316 Rz. 7. 50 Hüffer, (Fn. 3), § 294 Rz. 11.
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Abhängigkeitsbericht bei isoliertem Verlustdeckungsvertrag?
haltung setzt aber bereits die sogleich anzusprechende Offenlegung der Erklärung voraus. Der Inhalt des Vertrages ergibt sich aus § 302 AktG sowie den §§ 300, 303 AktG, falls der Vertrag sie einbezieht. Für eine Registerprüfung im Interesse des Gläubigerschutzes erscheint daher beim Verlustübernahmevertrag keine sinnvolle Funktion. Gegenüber dem zweiten Argument, also der fehlenden Publizität, hat jetzt Bruno Kropff auf den § 264 Abs. 3 HGB hingewiesen. Nach dieser Vorschrift braucht eine Gesellschaft nicht nach den Vorschriften für Kapitalgesellschaften Rechnung zu legen, ihre Rechnungslegung prüfen zu lassen und offenzulegen, wenn sie in einen Konzernabschluss der Muttergesellschaft einbezogen ist und – kumulativ – die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Alle Gesellschafter des Tochterunternehmens müssen der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt haben (Nr. 1). Das Mutterunternehmen muss zur Verlustübernahme nach § 302 AktG verpflichtet sein oder eine solche Verpflichtung freiwillig übernommen und diese Erklärung nach § 325 HGB offengelegt haben (Nr. 2). Die Befreiung des Tochterunternehmens muss im Konzernabschluss angegeben und zusätzlich im elektronischen Bundesanzeiger für das Tochterunternehmen mitgeteilt worden sein (Nr. 4). Wenn das Gesetz den Schutz der Gläubiger aufgrund einer solchen Erklärung nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB als so weitgehend gewahrt ansehe, dass ihnen kein Jahresabschluss mehr offengelegt werden müsse, brauche in ihrem Interesse – so heißt es bei Kropff – wohl auch kein Abhängigkeitsbericht gefordert zu werden. Hinzu komme, dass dann mit Lagebericht und Anhang die Publizitätsträger nach § 312 Abs. 3 AktG fehlen. Ferner finde eine Prüfung nach § 313 AktG nicht statt und auch der Bericht des Aufsichtsrats müsse wegen der Unanwendbarkeit von § 325 HGB nicht mehr offengelegt werden51. Das ist überzeugend. Dieser Lösung lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Publizität über § 325 HGB sei derjenigen einer Handelsregistereintragung des Unternehmensvertrages nicht gleichwertig52. Beide bedienen sich unter Geltung des EHUG des gleichen Mediums, nämlich des Unternehmensregisters (§ 8b Abs. 2 Nr. 1, 4 HGB). Zu konstatieren ist deshalb: Aus einer Registerkontrolle lässt sich beim isolierten Verlustübernahmevertrag kein Verkehrsschutz gewinnen. Für seine Publizität können §§ 264 Abs. 3, 325 HGB sorgen.
__________ 51 Kropff, (Fn. 3) § 316 Rz. 7. 52 Wie Kropff, (Fn. 3), § 316 Rz. 7 dies – wenn auch bezogen auf die Registerprüfung – meint.
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IV. Ergebnisthesen Das Ergebnis der vorstehenden Überlegungen lässt sich in folgenden Thesen zusammenfassen: 1. Hat die abhängige Gesellschaft außenstehende Aktionäre, muss ihr Vorstand einen Abhängigkeitsbericht gem. § 312 AktG auch dann erstatten, wenn sich das herrschende Unternehmen vertraglich zu einer Verlustübernahme verpflichtet hat. Eine analoge Anwendung von § 316 AktG scheidet aus. 2. Bei einer 100 % igen Tochter kann der Bericht dagegen analog § 316 AktG entfallen, wenn die Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB erfüllt sind und mit dem herrschenden Unternehmen ein Vertrag besteht, der neben einer Verlustdeckung gem. § 302 AktG die Verpflichtungen aus § 300 (Rücklagendotierung) und § 303 (Sicherheitsleistung) enthält.
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Verschmelzung und Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung Rechtliche, steuerliche und bilanzielle Überlegungen zu §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG
Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Mitgliedschaftsperpetuierung, Anteilsgewährung und Kapitalerhöhung
4. Form der Verzichtserklärung 5. Rechtsfolge des Verzichts V. Umwandlungssteuerrechtliche Rahmenbedingungen
III. Rechtspolitische Ausgangslage: Schwesterverschmelzung
VI. Handelsbilanzielle Folgen
IV. Umwandlungsrechtliche Gestaltung 1. Systematik 2. Verzicht aller Anteilsinhaber 3. Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers
VII. Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung 1. Umwandlungsrechtliche Gestaltungen 2. Steuerrechtliche Folgen
I. Einleitung Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 25.4.20071 hat der Gesetzgeber in §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG n. F. die Möglichkeit geschaffen, Rechtsträger zu verschmelzen, ohne dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhalten. Gesetzliche Anpassungen oder Klarstellungen, wie eine solche Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung umwandlungssteuerrechtlich und handelsbilanziell zu behandeln ist, erfolgten nicht. Die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung ist für die Gestaltungspraxis insbesondere bei der Reorganisation von Konzernstrukturen von erheblicher Bedeutung. Gleichzeitig ist aber in der Anwendung der neuen Gestaltungsmöglichkeiten eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten. Diese geht nicht zuletzt auf Unsicherheiten bei den steuerlichen und bilanziellen Folgen einer solchen Verschmelzung zurück. Das hier zu behandelnde Thema ist damit geradezu ein Paradebeispiel für die von Harald Schaumburg nicht nur propagierte, sondern stets auch vorgelebte Maxime, dass sich Problemstellungen im Gesellschaftsrecht, Unternehmensteuerrecht und Bilanzrecht regelmäßig nur interdisziplinär und integriert analysieren und sachgerecht lösen lassen. Vor diesem Hintergrund sollen die nach-
__________ 1 BGBl. I 2007, 452.
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folgenden Überlegungen einen kleinen Beitrag zu dem vom Jubilar stets verfolgten Beratungsansatz liefern.
II. Mitgliedschaftsperpetuierung, Anteilsgewährung und Kapitalerhöhung Um Bedeutung und Reichweite der Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung nach §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG zutreffend einordnen zu können, ist es zunächst erforderlich, einige Begrifflichkeiten und systematische Zusammenhänge des Verschmelzungsrechts klarzustellen. Insbesondere in der rechtspolitischen Diskussion, die den Gesetzgeber schließlich veranlasst hat, die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung positiv-rechtlich zu normieren, herrscht hier teilweise babylonische Sprachverwirrung, die auch an den Inhalten nicht spurlos vorbeigeht. Grundsätzlich ist zwischen der Mitgliedschaftsperpetuierung, der Anteilsgewährungspflicht und der Kapitalerhöhungspflicht zu unterscheiden. Eines der in § 2 UmwG festgeschriebenen Wesensmerkmale der Verschmelzung ist die Mitgliedschaftsperpetuierung. Der übertragende Rechtsträger geht verschmelzungsbedingt unter (Auflösung ohne Abwicklung) und mit ihm auch die an diesem übertragenden Rechtsträger bestehenden Mitgliedschaften. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten für den Untergang ihrer Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger korrespondierende Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger („… gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber … der übertragenden Rechtsträger“). Diese Mitgliedschaftsperpetuierung ist Regelungsgegenstand des Verschmelzungsvertrages (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 UmwG) und findet ihre technische Umsetzung in § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG. Die Mitgliedschaftsperpetuierung ist ein rechtsformneutrales Wesensmerkmal der Verschmelzung, das insbesondere unabhängig von der Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers ist. Bei übernehmenden Rechtsträgern in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, der Personenhandelsgesellschaft/Partnerschaftsgesellschaft und der eingetragenen Genossenschaft sind den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers Mitgliedschaftsrechte in Form von Anteilen zu gewähren; bei übernehmenden Rechtsträgern anderer Rechtformen (hierzu § 3 UmwG) sind entsprechende Mitgliedschaftsrechte zu gewähren. Die rechtsformneutrale Mitgliedschaftsperpetuierung kam im Diskussionsentwurf zum Umwandlungsgesetz2 noch deutlicher zum Ausdruck, da dort in § 2 noch von „Anteilen oder anderen Mitgliedschaftsrechten“ die Rede war. Von der Mitgliedschaftsperpetuierung kennt das Umwandlungsgesetz (bisher) nur zwei Ausnahmen. Wenn und soweit der übernehmende Rechtsträger am übertragenden Rechtsträger beteiligt ist, entfällt nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, 2. Hs., Alt. 1 UmwG die Mitgliedschaftsperpetuierung. Letztlich treten bei dem
__________ 2 Bundesanzeiger, Beilage Nr. 214a v. 15.11.1988.
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Verschmelzung und Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung
übernehmenden Rechtsträger an die Stelle der verschmelzungsbedingt untergehenden Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger die Vermögensgegenstände des übertragenden Rechtsträgers. Eine Mitgliedschaftsperpetuierung unterbleibt auch, wenn und soweit der übertragende Rechtsträger eigene Anteile innehat (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, 2. Hs., Alt. 2 UmwG). Weil der Verschmelzung eine rechtsformneutrale Mitgliedschaftsperpetuierung zugrunde liegt, ist es ungenau und missverständlich, in diesem Kontext von einer Anteilsgewährungspflicht zu sprechen3. Wenn die Mitgliedschaft an dem übernehmenden Rechtsträger durch einen Gesellschaftsanteil materialisiert ist, dient die Anteilsgewährung der technischen Umsetzung der Mitgliedschaftsperpetuierung4. Eine solche gedankliche Differenzierung zwischen Mitgliedschaftsperpetuierung und Anteilsgewährungspflicht ist zum klaren systematischen Verständnis des Verschmelzungsrechts, etwa zur systematischen Einordnung der §§ 54, 68 UmwG, unabdingbar5. Die Anteilsgewährungspflicht ist ihrerseits Grundlage für das Kapitalerhöhungsprinzip. Das Umwandlungsgesetz selbst enthält keine ausdrücklichen Regelungen dazu, aus welchen Quellen die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger stammen, die den Anteilsinhabern der übertragenden Rechtsträger zu gewähren sind. Es baut aber auf dem Grundsatz auf, dass für übernehmende Rechtsträger, deren Mitgliedschaftsrechte in Anteilen materialisiert sind (Kapitalgesellschaft, Personenhandelsgesellschaft/Partnerschaftsgesellschaft und eingetragene Genossenschaft) eine Kapitalmaßnahme zur Schaffung neuer Anteile stattfindet. Nicht zutreffend und eher verwirrend ist es, wenn in diesem Zusammenhang teilweise von einer Kapitalerhöhungspflicht oder einem Kapitalerhöhungsgebot gesprochen wird. Die verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung betrifft die Frage der Herkunft der Anteile, die im Rahmen der Anteilsgewährungspflicht auszugeben sind. Bei der Herkunft der zu gewährenden Anteile ist der übernehmende Rechtsträger aber grundsätzlich frei. Insbesondere kann er bei ihm vorhandene eigene Anteile verwenden (§§ 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwG), womit eine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung entfällt. In gleichem Umfang können auch von Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers Anteile für die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zur Verfügung gestellt werden6. Schließlich können die auszugebenden Anteile auch durch den übertragenden Rechtsträger selbst zur Verfügung gestellt werden, so im Rahmen der Mutter-Tochter-Verschmelzung (§§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Nr. 2, 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Nr. 2 UmwG). Eine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung unterbleibt auch in den Fällen, in denen eine Mitgliedschaftsperpetuierung und damit auch eine Anteilsgewährung ausgeschlossen sind, namentlich bei der Tochter-Mutter-Verschmelzung und bei eigenen Anteilen in der Hand des übertragenden Rechtsträgers (§§ 54
__________ 3 So aber die überwiegende Diktion etwa: Mayer in Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rz. 72; Schröer in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 5 Rz. 9. 4 Simon in KK-UmwG, 2009, § 2 Rz. 101 m. w. N. 5 Hierzu im Einzelnen: Simon/Nießen in KK-UmwG, § 54 Rz. 5 ff. 6 Hierzu im Einzelnen: Simon in KK-UmwG, § 2 Rz. 106 ff. m. w. N.
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Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, 2. Hs. UmwG). All dies zeigt, dass es im Verschmelzungsrecht keine Kapitalerhöhungspflicht oder auch nur ein Kapitalerhöhungsgebot gibt, sondern allenfalls von einem Kapitalerhöhungsprinzip gesprochen werden kann. Wenn und soweit eine Anteilsgewährung stattfindet, wird diese in der überwiegenden Zahl der Fälle durch eine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung und dadurch neu geschaffene Anteile gespeist.
III. Rechtspolitische Ausgangslage: Schwesterverschmelzung Bis zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes war in Literatur und Rechtsprechung höchst streitig, ob bei übernehmenden Rechtsträgern in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft eine verschmelzungsbedingte Anteilsgewährung unterbleiben konnte, wenn und soweit die Anteilsinhaber auf sie verzichteten, ob also die Anteilsgewährungspflicht dispositiv war. Diskutiert wurde dies insbesondere für die Verschmelzung 100 %iger Schwestergesellschaften, wenn mithin bei übertragendem und übernehmendem Rechtsträger Beteiligungsidentität herrschte. Während die Regierungsbegründung zum Umwandlungsgesetz 19947 die Anteilsgewährungspflicht auch in diesen Fällen für zwingend hielt, war das Bild in Rechtsprechung8 und Literatur9 uneinheitlich. Die Diskussion um die Verzichtbarkeit der Anteilsgewährung war stark beeinflusst von der Frage, ob es im Verschmelzungsrecht einen institutionellen Gläubigerschutz durch einen sog. Summengrundsatz gibt10. Dabei geht es um die Frage, ob bei Beteiligung von Kapitalgesellschaften eine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger so ausgestaltet sein muss, dass sie der Höhe nach mindestens das gezeichnete Kapital des untergehenden übertragenden Rechtsträgers umfasst. Da sich aber ein derart ausgestalteter institutioneller Gläubigerschutz dem deutschen Umwandlungsrecht nicht entnehmen lässt11, konnte dies auch nicht gegen eine Verzichtbarkeit der Anteilsgewährung ins Feld geführt werden. Zutreffend ist vielmehr,
__________ 7 RegBegr. bei Ganske, Umwandlungsrecht, 1995, S. 102. 8 Für eine Anteilsgewährungspflicht: KG, DB 1998, 2511; OLG Frankfurt, ZIP 1998, 1191; OLG Hamm, ZIP 2005, 662; BayObLG, DB 1998, 1558; für Verzichtbarkeit der Anteilsgewährung: LG München, BB 1998, 2331. 9 Für eine Anteilsgewährungspflicht: Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rz. 9; Mayer in Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rz. 41; für Verzichtbarkeit der Anteilsgewährung: Winter in Lutter, UmwG, § 54 Rz. 16; Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2005, § 54 Rz. 10; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 5. Aufl. 2009, § 54 Rz. 13. 10 Hierzu statt aller: Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 189 ff.; kritisch hierzu: Simon, Der Konzern 2004, 191 (192 ff.); Winter in Lutter, UmwG, § 54 Rz. 21 ff.; Ihrig, ZHR 160 (1996), 324 ff., jeweils m. w. N. zum Diskussionsstand. 11 Hierzu im Einzelnen die in Fn. 10 zitierte Literatur.
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dass die Anteilsgewährungspflicht als Ausfluss der Mitgliedschaftsperpetuierung ein Wesensmerkmal der Verschmelzung ist und deshalb nur unterbleiben kann, wenn und soweit dies im Umwandlungsgesetz angeordnet bzw. eröffnet ist12. Dies entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers. Er wollte mit §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG von der grundsätzlich nach § 2 UmwG bestehenden Anteilsgewährungspflicht eine Ausnahme ermöglichen, wenn alle Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers hierauf in notarieller Form verzichten13. Damit hat der Gesetzgeber erstmalig und konstitutiv14 die Möglichkeit eröffnet, auf eine Mitgliedschaftsperpetuierung in Form der Anteilsgewährung zu verzichten. Im Hinblick auf § 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG ist damit allerdings die Frage seiner Vereinbarkeit mit der Verschmelzungsrichtlinie aufgeworfen, die eine entsprechende Verzichtsmöglichkeit jedenfalls nicht ausdrücklich vorsieht15.
IV. Umwandlungsrechtliche Gestaltung Mit der Möglichkeit auf die Anteilsgewährung zu verzichten, eröffnen sich der Praxis vielfältige Gestaltungsoptionen. Insbesondere im Rahmen von Konzernstrukturen besteht nunmehr rechtssicher die Möglichkeit, Verschmelzungen auch unter Auflösung bestehender Beteiligungsstrukturen vorzunehmen. Ferner eröffnen §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG die Möglichkeit von sanierenden Verschmelzungen. Darüber hinaus ermöglicht ein Verzicht auf Anteilsgewährung auch auf zeitlicher Ebene eine erhöhte Flexibilität. Durch einen Verzicht auf Anteilsgewährung kann eine Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft ohne Kapitalerhöhung durchgeführt werden, auch wenn kein Fall von §§ 54 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 68 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 UmwG vorliegt. Zeitlicher und organisatorischer Aufwand im Hinblick auf die Prüfung der Kapitalaufbringung seitens des Registergerichts lässt sich damit verringern. 1. Systematik Mit den §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG lässt der Gesetzgeber den Verzicht auf die Anteilsgewährung nur bei übernehmenden Rechtsträgern in der Rechtsform der GmbH, der AG und der KGaA zu. Es ist aber nicht erkennbar, warum die Anteilsgewährung nur bei übernehmenden Rechtsträgern dieser Rechtsform disponibel sein soll, nicht aber bei den übrigen verschmelzungsfähigen Rechtsträgern (§ 3 UmwG), so etwa bei einer übernehmenden Perso-
__________ 12 Offener Heckschen, DNotZ 2007, 444 (450); die Frage der dogmatischen Bedeutung der Anteilsgewährungspflicht offen lassend Baßler, GmbHR, 2007, 1252 (1257). 13 BT-Drucks. 16/2919, 27. 14 Von einer klarstellenden Regelung ausgehend dagegen Reichert in Semler/Stengel, UmwG, § 54 Rz. 2 u. 19. 15 Vgl. dazu Heckschen, DB 2008, 1363 (1364) m. w. N.: Verzichtsmöglichkeit stehe im Einklang mit europäischen Vorgaben, da die Anteilsgewährung ersichtlich nur dem Schutz der Anteilseigner dient.
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nenhandelsgesellschaft16. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Neuregelung keine Reaktion auf einen angeblich zu eng gefassten institutionellen Gläubigerschutz im Verschmelzungsrecht war, sondern in Abweichung von dem Grundsatz der Anteilsgewährungspflicht erhöhten Gestaltungsspielraum schaffen wollte17. Systematisch zutreffend hätte der Gesetzgeber die Neuregelungen mithin in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1, 2. Hs. UmwG verorten sollen18. Dort hätte eine rechtsformneutrale Verzichtsmöglichkeit auf die Mitgliedschaftsperpetuierung (und nicht nur die Anteilsgewährung) geregelt werden müssen. 2. Verzicht aller Anteilsinhaber Für die Ausnahme von der Anteilsgewährungspflicht ist es erforderlich, dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auf eine Anteilsgewährung verzichten. Dies erfasst sowohl die stimmberechtigten, als auch die stimmrechtslosen Anteilsinhaber. Über den Wortlaut der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG hinaus kann auch der Verzicht Dritter erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Anteile der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers mit Rechten Dritter belastet sind. Andernfalls würde in einer solchen Konstellation die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UmwG ins Leere laufen. Danach bestehen Rechte Dritter an den Anteilen oder Mitgliedschaften der übertragenden Rechtsträger an den an ihre Stelle tretenden Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers fort. Da aber bei einem Verzicht der Anteilsinhaber keine neuen Anteile an die Stelle der ursprünglichen Anteile treten, würden auch die entsprechenden Rechte Dritter nicht fortbestehen. Vor diesem Hintergrund müssen im Falle belasteter Anteile über den Wortlaut der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG hinaus auch dinglich berechtigte Dritte dem Anteilsverzicht jeweils zustimmen. Nach dem Wortlaut der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG ist der Verzicht aller Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erforderlich. Ausweislich der Gesetzesbegründung19 hatte der Gesetzgeber dabei insbesondere den Fall der Schwesterverschmelzung vor Augen. In diesem Fall ist regelmäßig derselbe Rechtsträger alleiniger Inhaber der Anteile aller an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger. §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG erfassen aber nicht nur Schwesterverschmelzungen, sondern sind weiter formuliert und erstrecken sich auch auf die Verschmelzung nicht beteiligungsidentischer Rechtsträger. Insbesondere in diesen Konstellationen kann sich die Frage stellen, ob auf eine Anteilsgewährung auch nur teilweise ver-
__________ 16 Für die Anwendung der Vorschriften der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG auf Personenhandelsgesellschaften als Zielgesellschaft aufgrund eines „erstrecht“Schlusses Heckschen, DB 2008, 1363 (1367); vgl. auch Heckschen, DNotZ 2007, 444 (450). 17 Hierzu bereits oben III. 18 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 54 Rz. 13; Heckschen, DB 2008, 1363 (1367). 19 BT-Drucks. 16/2919, 13.
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zichtet werden kann. In Betracht kommt hier zum einen ein teilweiser Verzicht aller berechtigten Anteilsinhaber, zum anderen aber auch ein Verzicht nur einzelner Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Während ein teilweiser Verzicht aller berechtigten Anteilsinhaber schon nach allgemeinen Grundsätzen möglich ist, da die Wertäquivalenz zur Disposition der Anteilsinhaber steht20, stellt sich die Frage nach dem Verzicht nur einzelner Anteilsinhaber auf eine Gewährung von Anteilen am neuen Rechtsträger als Frage der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG dar. Relevant kann ein Verzicht einzelner Anteilsinhaber am übertragenden Rechtsträger beispielsweise sein, wenn eine übernehmende Gesellschaft zwar über eigene Anteile verfügt, diese jedoch nicht für sämtliche Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ausreichen und Teile der Anteilsinhaber auf Anteilsgewährung verzichten, um eine Kapitalerhöhung zu vermeiden. Ferner sind Konstellationen denkbar, in denen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers bereits am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sind und auf weitere Anteile verzichten und die übrigen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ein entsprechend geringeres Umtauschverhältnis in Kauf nehmen. Auf den ersten Blick („wenn alle Anteilsinhaber … verzichten“) scheint ein solcher teilweiser Verzicht auf Anteilsgewährung nicht möglich. So könnte auch der Verweis des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung auf die Verzichtsmöglichkeit bezüglich des Verschmelzungsberichts oder der Verschmelzungsprüfung verstanden werden21. Beide sind nur dann nicht erforderlich, wenn alle Anteilsinhaber auf eine Erstattung verzichten (§§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3 UmwG). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Recht auf einen Verschmelzungsbericht/eine Verschmelzungsprüfung und dem Recht auf Anteilsgewährung ein wesentlicher Unterschied besteht. Jeder Gesellschafter hat regelmäßig ein eigenes „subjektives Recht“ auf die Erstellung eines Verschmelzungsberichts und die Durchführung einer Verschmelzungsprüfung. Er würde daher in seinen ihm kraft Gesetzes zustehenden Rechten verletzt, wenn ein Verschmelzungsbericht nicht verfasst bzw. eine Verschmelzungsprüfung nicht erfolgen würde. Entsprechend kann auf einen solchen Bericht bzw. auf eine solche Prüfung nur dann verzichtet werden, wenn alle Anteilsinhaber hierauf verzichten. Bei der Gewährung von Anteilen liegt die Sachlage jedoch anders. Es besteht kein Recht eines einzelnen Anteilsinhabers darauf, dass auch sämtliche anderen Anteilsinhaber wertäquivalente Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhalten. Dies zeigt z. B. die Regelung des § 50 Abs. 2, nach der bei einer Beeinträchtigung von Rechten durch die Verschmelzung die Zustimmung des jeweils betroffenen Anteilsinhabers, nicht aber eine Einstimmigkeit bezüglich des Verschmelzungsbeschluss erforderlich ist. Vielmehr ist der einzelne Anteilsinhaber nur vor einer Beeinträchtigung seiner eigenen Rechtsposition über die kraft Gesetzes möglichen Eingriffe hinaus geschützt.
__________ 20 Grundlegend: Simon in KK-UmwG, § 2 Rz. 96 m. w. N. 21 BT-Drucks. 16/2919, 13.
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Vor diesem Hintergrund sind §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG teleologisch dahingehend zu verstehen, dass nur die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auf eine Anteilsgewährung verzichten müssen, für die keine Anteilsgewährung stattfindet22. Erfolgt teilweise eine Anteilsgewährung, müssen die hiervon begünstigten Anteilsinhaber also keinen Verzicht nach §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG erklären. Ein Verzicht sämtlicher Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger ist also (nur) erforderlich, wenn die Anteilsgewährung gänzlich unterbleiben soll, was freilich in der Gestaltungspraxis die überwiegende Fallgestaltung bilden dürfte. 3. Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG fordern nur die Zustimmung durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Sie fordern nicht die Zustimmung der Anteilsinhaber der übernehmenden GmbH/AG/KGa.A. Diese können jedoch insbesondere dann durch die Verschmelzung in ihrer Rechtsposition beeinträchtigt werden, wenn der übertragende Rechtsträger überschuldet ist (sanierende Verschmelzung)23. Gerade dies wird der Neuregelung als rechtspolitisch verfehlt entgegengehalten24. Bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung muss der Nominalbetrag der gewährten Anteile von den Vermögenswerten des übertragenden Rechtsträgers gedeckt sein, so dass eine Verschmelzung mit Kapitalerhöhung nur dann möglich ist, wenn ein positives Vermögen übergeht. Die Kapitalaufbringung wird im Rahmen der Eintragung der Kapitalerhöhung und der Verschmelzung seitens des Registerrichters auch geprüft, so dass insofern die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers – ungeachtet des Umtauschverhältnisses – vor wirtschaftlichen Schlechterstellungen geschützt sind. Kommt es jedoch zu keiner Kapitalerhöhung, entfällt nicht nur die diesbezügliche Registerkontrolle, sondern es kann im Rahmen der Verschmelzung negatives Vermögen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen25. So ist beispielsweise – sofern Gesichtspunkte der Kapitalerhaltung beim übernehmenden Rechtsträger nicht entgegenstehen26 – ein Debt-Push-Down-Merger umwandlungsrechtlich auch dann zulässig, wenn am übernehmenden Rechtsträger weitere Anteilsinhaber beteiligt sind27. Folge der Verschmelzung eines negativen Vermögens auf eine übernehmende GmbH/AG/KGaA ist, dass deren Wert und somit auch der Wert der von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile sinkt. Im Hinblick darauf, dass der Verschmelzungsbeschluss bei der übernehmenden Gesell-
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22 A. A. ohne detaillierte Diskussion wohl: Heckschen, DB 2008, 1363 (1366); Winter in Lutter, UmwG, 4. Aufl. 2009, § 54 Rz. 23. 23 Heckschen, DNotZ 2007, 444 (450). 24 Weiler, NZG 2008, 527 ff.; Mayer/Weiler, DB 2007, 1238 ff.; Stratz in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 54 Rz. 14. 25 Vgl. auch Wälzholz, GmbHStB 2007, 148 (149) mit dem Hinweis, dass nun auch die Verschmelzungsrichtung geändert werden kann. 26 Vgl. dazu auch Winter in Lutter, UmwG, § 54 Rz. 22; Simon in KK-UmwG, § 2 Rz. 151 ff. m. w. N. 27 Vgl. dazu Simon in KK-UmwG, § 2 Rz. 163.
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schaft auch in diesen Fällen (nur) einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedarf28, kann es insbesondere gegen den Willen von Minderheitsgesellschaftern zu einem Wertverlust kommen29. Sofern Anteilsinhaber der übernehmenden GmbH/AG/KGaA die mit einer solchen Verschmelzung verbundene Schlechterstellung nicht hinnehmen wollen, steht ihnen als materiell-rechtliches Instrument zur Verfolgung ihrer Interessen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zur Verfügung30. Aufgrund der Treuepflicht sind die Gesellschafter verpflichtet, sich bei der Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Befugnisse wie insbesondere der Ausübung des Stimmrechts zum einen an den Interessen der Gesellschaft und dem Gesellschaftszweck zu orientieren und zum anderen die mitgliedschaftlichen Interessen anderer Gesellschafter angemessen zu berücksichtigen. Werden die benachteiligten Anteilsinhaber bei der Beschlussfassung über die Zustimmung zur Verschmelzung auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers überstimmt, wird die positive Stimmabgabe der übrigen Anteilsinhaber oftmals gegen deren gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Dies dürfte nur dann nicht gelten, wenn die mit der Verschmelzung im Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Vorteile unter Berücksichtigung sämtlicher, auch mittelbarer Umstände die Nachteile überwiegen. Darüber hinaus sind auch – in Ausnahmefällen – Konstellationen denkbar, in denen trotz wirtschaftlicher Nachteile die Zustimmung zur Verschmelzung ausnahmsweise nicht treuwidrig ist, wenn anderweitige gewichtige Interessen für die Verschmelzung sprechen. Darüber hinaus kommt bei diesen Verschmelzungsfällen auch die Gewährung eines unzulässigen Sondervorteils in Betracht. Das Verbot der Gewährung eines unzulässigen Sondervorteils stellt eine Ausprägung der allgemein bestehenden Treuepflicht dar und ist berührt, wenn ein Gesellschafter mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter zu erlangen sucht. Ein solcher Sondervorteil kann im Rahmen einer Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung z. B. dann vorliegen, wenn aufgrund des übergehenden negativen Vermögens der übertragenden Gesellschaft die Minderheitsgesellschafter der übernehmenden GmbH/AG/KGaA zugunsten des Mehrheitsgesellschafters belastet werden. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Mehrheitsgesellschafter eine von ihm zu 100 % gehaltene weitere Gesellschaft, die ein negatives Vermögen aufweist, auf die übernehmende GmbH/AG/KGaA verschmilzt und den erforderlichen Zustimmungsbeschluss bei der übernehmenden Gesellschaft ausschließlich aufgrund der ihm zukommenden Stimmenmacht erreicht.
__________ 28 Heckschen, DNotZ 2007, 444 (450). 29 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 54 Rz. 12: Missbrauchsgefahr; Mayer in Widmann/Mayer, UmwG, § 54 Rz. 10.2. Eine Möglichkeit der Sicherheitsleistung entsprechend der Regelung des § 22 UmwG gibt es in dieser Konstellation nicht. 30 Simon in KK-UmwG, § 2 Rz. 164; Weiler, NZG 2008, 527.
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Diesem Ergebnis stehen auch §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG nicht entgegen. Diese sind nicht dahingehend zu verstehen, dass sie eine abschließende Regelung für den Fall des Anteilsverzichts darstellen. Vielmehr erlauben sie lediglich, von der Gewährung von Anteilen abzusehen, wollen aber nicht auch eine Möglichkeit eröffnen, in die Rechtsposition der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers einzugreifen. Die betroffenen Anteilsinhaber haben daher trotz §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG die Möglichkeit, gegen den entsprechenden Verschmelzungsbeschluss vorzugehen. Prozessuales Instrument zur Durchsetzung der Interessen der benachteiligten Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers ist die Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss31. Im Übrigen ist festzustellen, dass eine vergleichbare abstrakte Gefährdungslage zu Lasten der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers auch in anderen Verschmelzungskonstellationen besteht. Dies immer dann, wenn keine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung unter Anwendung der Kapitalaufbringungsgrundsätze stattfindet. So namentlich bei der Verschmelzung auf einen übernehmenden Rechtsträger, der nicht die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat und auch in den Fällen der Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft ohne Kapitalerhöhung wie sie in §§ 54 Abs. 1 S. 1, 2, 68 Abs. 1 S. 1, 2 UmwG enthalten sind. Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers sind in all diesen Verschmelzungskonstellationen vor einer Verwässerung ihrer Anteilsrechte ebenfalls (nur) nach Treuepflichtgesichtspunkten und dem Verbot zur Verfolgung von Sondervorteilen geschützt. Im Ergebnis bestehen deshalb gegen §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers keine durchgreifenden rechtspolitischen Bedenken32. 4. Form der Verzichtserklärung Die Verzichtserklärungen bedürfen gem. §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs., 68 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. UmwG der notariellen Beurkundung. Mit dieser Regelung knüpft das Gesetz an die formellen Erfordernisse beim Verzicht auf den Verschmelzungsbericht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 UmwG) bzw. die Verschmelzungsprüfung (§ 9 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 3 Satz 2 UmwG) an. Die Verzichtserklärung kann dabei auch im Rahmen des Verschmelzungsbeschlusses erteilt werden. Stimmt der Anteilsinhaber der Verschmelzung zu, die eine Anteilsgewährung an ihn nicht vorsieht, liegt hierin auch ein Verzicht auf die Anteilsgewährung. Einer darüber hinausgehenden separaten Verzichtserklärung bedarf es nicht33. Allerdings ist zu beachten, dass die Verzichtserklärung als Willenserklärung nach §§ 8 ff. BeurkG (Verhandlungsform) zu
__________ 31 Vgl. dazu Weiler, NZG 2008, 527 (530 ff.). 32 Einschränkend dagegen Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 54 Rz. 12 und 14. 33 Zweifelnd: Winter in Lutter, UmwG, § 54 Rz. 23: Zustimmung zum Verschmelzungsbeschluss nur ausreichend, wenn Verzichtswille anderweitig dokumentiert ist.
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beurkunden ist34; nur wenn der Verschmelzungsbeschluss auch in dieser Form und nicht (nur) als Beschlussprotokoll nach §§ 36, 37 BeurkG beurkundet ist, genügt dies den Formerfordernissen der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs., 68 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. UmwG. Sofern die Anteilsinhaber an der Beschlussfassung nicht teilnehmen bzw. nicht stimmberechtigt sind, bedarf es dagegen in jedem Fall einer separaten notariell beurkundeten Verzichtserklärung. Die Verzichtserklärungen sind der Handelsregisteranmeldung gem. § 17 Abs. 1 UmwG beizufügen35. Sofern für die Verzichtserklärung auch die Zustimmung Dritter erforderlich ist36, bedarf auch deren Zustimmung der notariellen Form und muss der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister beigefügt werden37. Teilweise wird gefordert38, dass im Falle eines Anteilsverzichts die Geschäftsführer analog § 16 Abs. 2 UmwG bei der Anmeldung erklären müssen, dass an dem Anteil eines auf die Anteilsgewährung verzichtenden Anteilsinhabers keine Rechte Dritter i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UmwG bestehen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Denn das UmwG kennt keinen Grundsatz, wonach in der Registeranmeldung auf alle bestehenden Formalia und Zustimmungserfordernisse (etwa solche nach § 13 Abs. 2 UmwG) hinzuweisen wäre. Nur wenn und soweit das UmwG Erklärungspflichten enthält (etwa § 52 Abs. 1 UmwG) muss die Registeranmeldung entsprechende Angaben enthalten. 5. Rechtsfolge des Verzichts Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG vor, darf die übernehmende Gesellschaft von der Gewährung von Anteilen absehen. Die übernehmende GmbH/AG/KGaA hat somit ein Wahlrecht, ob sie trotz des Verzichts Anteile gewährt oder nicht. Die Anteilsgewährung steht also im Ermessen der übernehmenden Gesellschaft. Allerdings ist das Umtauschverhältnis der Anteile und gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlungen im Verschmelzungsvertrag aufzunehmen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3), dem die Anteilsinhaberversammlungen zustimmen müssen. Letztlich liegt es also in der Hand der Anteilsinhaberversammlungen, über die Anteilsgewährung zu entscheiden. Minderheitsaktionäre können somit unter Umständen auch gegen ihren Willen Anteilsinhaber der neuen Gesellschaft werden, auch wenn sie sowohl auf eine Anteilsgewährung verzichtet, als auch gegen den entsprechenden Verschmelzungsbeschluss gestimmt haben. Sofern ein Fall des § 29 nicht vorliegt, bleibt den betroffenen Anteilsinhabern in diesen Fällen nur die Möglichkeit der Veräußerung der Anteile oder des Ausscheidens aus der Gesellschaft nach den dafür vorgesehenen Regelungen. Ein Anspruch auf eine „Nichtanteilsinhaberschaft“ besteht insofern nicht.
__________ 34 35 36 37 38
Wälzholz, GmbHStB 2007, 148 (149). Wälzholz, GmbHStB 2007, 148 (149). Vgl. dazu oben IV.2. Vgl. dazu Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, § 54 Rz. 10. Vgl. dazu Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, § 54 Rz. 10.
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V. Umwandlungssteuerrechtliche Rahmenbedingungen Während die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung im Umwandlungsrecht bereits seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussion war, fehlte eine entsprechende Auseinandersetzung im Umwandlungssteuerrecht. Auch der Gesetzgeber hat bei der Einführung der §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG keine umwandlungssteuerrechtlichen Vorkehrungen getroffen39. Für die steuerrechtlichen Folgen einer Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung ist zwischen der Gesellschaftsebene und der Gesellschafterebene zu differenzieren. Auf der Gesellschaftsebene (Übertragerin und Übernehmerin) geht es primär darum, ob die Verschmelzung mit Verzicht auf Anteilsgewährung unter Fortführung der stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern (Buchwertverknüpfung) vollzogen werden kann. Dies ist insbesondere davon abhängig, welche Rechtsform die Übertragerin hat. Auf Seiten der Übernehmerin fungiert jedenfalls im Anwendungsbereich der §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG ohnehin stets eine Körperschaft (GmbH, AG oder KGaA). Ist Übertragerin eine Personengesellschaft/Partnerschaftsgesellschaft, kommt eine Buchwertfortführung nicht in Betracht. Denn eine insoweit mögliche Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG setzt zwingend voraus, dass dem Einbringenden neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft gewährt werden. Eine Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung steht einer begünstigten Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG mithin entgegen40. Ist die Übertragerin hingegen eine Körperschaft (d. h. insbesondere eine Kapitalgesellschaft), sind für die Verschmelzung die §§ 11 bis 13 UmwStG maßgeblich41. Der Verzicht auf die Anteilsgewährung steht einer Buchwertfortführung dann nicht entgegen. Denn nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG ist es ausreichend, wenn die Übernehmerin eine Gegenleistung (hier Anteile) nicht gewährt42. Auf Ebene von Übertragerin und Übernehmerin kann die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung mithin auch buchwertverknüpft gestaltet werden, wenn die Übertragerin eine Körperschaft ist. Für die Anteilseignerebene ist in diesen Fällen § 13 UmwStG maßgeblich. Dieser ordnet an, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft als zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Körperschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (Abs. 1). Nach § 13 Abs. 2 S. 1 UmwStG kann unter weiteren – hier nicht näher zu betrachtenden – Voraussetzungen statt des gemeinen Wertes auch der Buchwert angesetzt werden; in diesem Falle treten die Anteile an der übernehmenden Körperschaft steuerlich an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft (§ 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Hierzu sind jüngst Zweifel artikuliert wor-
__________
39 Vgl. auch Haritz/von Wolff, GmbHR 2006, 340 (345). 40 Haritz/von Wolff, GmbHR 2006, 340 (345); Wälzholz, GmbHStB 2007, 148 (149); Heckschen, DB 2008, 1363 (1369). 41 Insoweit unklar Heckschen, DB 2008, 1363 (1369). 42 Pupeter/Schnittker, FR 2008, 160 (161); Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11 Rz. 139 a. E.
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den, ob § 13 auf die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung anwendbar, oder nicht vielmehr eine Anteilsgewährung zwingend sei43. In der Sache geht es um die Frage, ob § 13 die Anschaffung oder zumindest den erstmaligen Zugang von Anteilen an der übernehmenden Körperschaft voraussetzt. § 13 Abs. 1 UmwStG enthält für die Anteile an der übertragenden Körperschaft eine Veräußerungsfiktion und für die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Körperschaft eine Anschaffungsfiktion, und zwar jeweils zum gemeinen Wert. Unabhängig davon, ob im Rahmen der Verschmelzung also Anteile abgegeben und erworben, getauscht oder sonstwie realisiert werden, wird für umwandlungssteuerrechtliche Zwecke ein Veräußerungsvorgang fingiert. Darüber hinaus erstreckt sich die Fiktionswirkung auch auf den Wertansatz (gemeiner Wert)44. Während diese von § 13 Abs. 1 angeordnete Fiktion die Rechtsfolgenseite betrifft, setzt sie auf der Tatbestandsseite u. a. voraus, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft treten. Dieses „An-die-Stelle-Treten“ ist im umwandlungssteuerrechtlichen Kontext weder zivilrechtlich noch handelsbilanziell im Sinne einer „Anschaffung“ (als derivativer Erwerb) zu verstehen; in diesem Sinne setzt § 13 Abs. 1 UmwStG auch keinen wie auch immer zu verstehenden Zugang der Anteile an der übernehmenden Körperschaft voraus. Vielmehr ist „An-die-Stelle-Treten“ i. S. d. § 13 Abs. 1 UmwStG wirtschaftlich zu verstehen. Entscheidend ist, ob und welche Anteile an der übernehmenden Körperschaft nach der Verschmelzung die Beteiligung des Anteilseigners an den auf die übernehmende Körperschaft übergegangenen Wirtschaftsgütern repräsentieren. Vergleichbar der Situation einer Verschmelzung mit nicht wertäquivalenter Anteilsgewährung45 oder auch der Abspaltung von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft46 ist allein entscheidend, dass der Anteilseigner Anteile an der übernehmenden Körperschaft hält, die nach der Verschmelzung (auch) seine Beteiligung an den übergegangenen Wirtschaftsgütern repräsentieren. Insoweit ist für das Tatbestandsmerkmal „An-ihre-StelleTreten“ eine rein wirtschaftliche Betrachtung maßgeblich. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Falle eines buchwertverknüpften Anteilstauschs (§ 13 Abs. 2 S. 1 UmwStG) in § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG bestimmt ist, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft steuerlich an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft treten. Pupeter/
__________ 43 Pupeter/Schnittker, FR 2008, 160 (161 ff.), die aber im Ergebnis eine Anteilsgewährung für die Anwendbarkeit von § 13 UmwStG nicht fordern. 44 Zur Funktionsweise des § 13 Abs. 1 statt aller: Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 13 Rz. 2 ff. 45 Dazu: Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 13 Rz. 47. 46 Hier wird regelmäßig die Beteiligung an der übertragenden Körperschaft nicht (teilweise) aufgegeben, sondern die im Rahmen der Anteilsgewährung gewährten Anteile an der übernehmenden Körperschaft treten neben die Anteile an der übertragenden Körperschaft; wirtschaftlich repräsentieren aber gleichwohl die Anteile an der übernehmenden Körperschaft die auf diese übergegangenen Wirtschaftsgüter, weshalb sie i. S. d. § 13 Abs. 1 UmwStG „an ihre Stelle treten“: Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 15 Rz. 91.
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Schnittker47 meinen, hieraus einen systematischen Widerspruch dergestalt zu erkennen, dass die Wendung „an ihre Stelle treten“ in § 13 Abs. 1 UmwStG die Tatbestandsseite und in § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG die Rechtsfolgenseite betreffen könnte. Dies beruht auf einem unzutreffenden Verständnis von § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG. Zwar verwendet der Gesetzgeber in § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG ebenfalls die Wendung „an ihre Stelle treten“, der Regelungsgehalt ist aber ein gänzlich anderer als in § 13 Abs. 1 UmwStG. Denn im Falle der buchwertverknüpften Verschmelzung (§ 13 Abs. 2 UmwStG) treten die Anteile an der übernehmenden Körperschaft nicht nur an die Stelle der Anteile der übertragenden Körperschaft, vielmehr springen auch alle übrigen steuerlichen Merkmale auf die Anteile an der übernehmenden Körperschaft über (sog. Fußstapfentheorie). Dies ist der Regelungsgehalt von § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG. In der Tat ist es mithin so und auch kein Widerspruch, dass die Wendung „an ihre Stelle treten“ in § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG die Rechtsfolgenseite (Rechtsnachfolge in steuerliche Merkmale) und in § 13 Abs. 1 UmwStG die Tatbestandsseite (Rechtsnachfolge in wirtschaftlicher Hinsicht) betrifft. Semantisch genau müsste § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG wie folgt formuliert sein: Die an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft tretenden Anteile an der übernehmenden Körperschaft treten auch steuerlich an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Als Fazit ist deshalb festzuhalten: Auch wenn es auf den ersten Blick verwirrend scheinen mag, ist die Verwendung der Begrifflichkeiten „an die Stelle treten“ in § 13 Abs. 1 UmwStG (Tatbestandsvoraussetzung) und § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG (Rechtsfolgenseite) systematisch und regelungstechnisch nicht zu beanstanden, weshalb es auch keinen ernstlichen Zweifel daran geben kann, dass § 13 UmwStG auf die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung Anwendung findet48. Alleinige Voraussetzung ist, dass der Anteilseigner überhaupt eine Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft hält, die im wirtschaftlichen Sinne an die Stelle der Beteiligung an der übertragenden Körperschaft treten kann. Dabei ist es aber unerheblich, ob die Beteiligung im Rahmen der Verschmelzung erworben oder bereits vorher bestanden hat. Dabei ist es ausreichend, wenn eine mittelbare Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft besteht, die wirtschaftlich an die Stelle der Beteiligung an der übertragenden Körperschaft tritt49. Der von § 13 Abs. 1 UmwStG angeordnete Tausch geht lediglich dann ins Leere, wenn der Anteilseigner überhaupt keine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft hält, die im wirtschaftlichen Sinne an die Stelle der Beteiligung an der übertragenden Körperschaft treten kann. In diesem Falle dürfte die Beteiligung an der übertragenden Körperschaft zum gemeinen Wert realisiert sein.
__________ 47 Pupeter/Schnittker, FR 2008, 160 (162). 48 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, § 13 Rz. 27; Trossen in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 13 Rz. 49; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 13 UmwStG, Rz. 41 f.; Haritz/von Wolff, GmbHR 2006, 340 (345). 49 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 13 UmwStG; Rz. 40.
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VI. Handelsbilanzielle Folgen Für handelsbilanzielle Zwecke stellt die Verschmelzung aus Sicht des übernehmenden Rechtsträgers stets einen Anschaffungsvorgang dar. Dementsprechend bestimmt auch § 24 UmwG, dass die erworbenen Vermögensgegenstände mit Anschaffungskosten anzusetzen sind. Dies gilt auch dann, wenn der übernehmende Rechtsträger selbst für die erworbenen Vermögensgegenstände nichts aufwendet, so etwa bei der Mutter-Tochter-Verschmelzung oder eben der Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung eine verdeckte Einlage darstelle50. Der auf die Anteilsgewährung verzichtende Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers kann, muss aber nicht, auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers sein. Die rechtliche und wirtschaftliche Begründung für den ausgesprochenen Verzicht muss also nicht in der Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger liegen; vielmehr ist durchaus denkbar, dass auf Ebene der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ein wirtschaftlicher Ausgleich erfolgt. Auf der Ebene der Bewertung kann der übernehmende Rechtsträger die auf ihn übergegangenen Vermögensgegenstände nach § 24 UmwG mit dem Buchwert aus der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers ansetzen. Insoweit ergeben sich aus der Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung keine Besonderheiten. Wählt der übernehmende Rechtsträger nicht die Buchwertverknüpfung, kann der übernehmende Rechtsträger die übernommenen Vermögensgegenstände mit dem Wert der mit übernommenen Schulden ansetzen. Denn insoweit hat er Aufwendungen bzw. wird er Aufwendungen tätigen. Die Verschmelzung ist dann aus Sicht des übernehmenden Rechtsträgers ergebnisneutral. Darüber hinaus lässt es die h. M. aufgrund der GoB auch zu, unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände mit den Kosten anzusetzen, die bei einem entgeltlichen Erwerb hätten aufgewendet werden müssen51. Diese Grundsätze finden auch auf die Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung Anwendung, mit der Folge, dass die übernommenen Vermögensgegenstände auch mit dem vorsichtig geschätzten Zeitwert angesetzt werden können52. Die Einbuchung der übergehenden Vermögensgegenstände auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers wird bei diesem regelmäßig positive oder negative Erfolgsauswirkungen haben (etwas anderes gilt regelmäßig nur bei Einbuchung mit dem Wert der übernommenen Schulden, s. oben). Solche positiven oder negativen Differenzbeträge sind über die Gewinn- und Verlustrechnung als Verschmelzungsgewinn oder Verschmelzungsverlust ergebniswirksam zu vereinnahmen. Eine Einstellung in die Kapitalrücklage ist hingegen nicht
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50 So aber: Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rz. 53; steuerlich kann dies anders zu beurteilen sein, z. B. Rödder in Rödder/Heilinghaus/v. Lishaut, UmwStG, § 12 Rz. 96. 51 Statt aller: Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2005, § 42 Rz. 359 ff.; Förschle/Taetzner in BeckBilanzkomm, 6. Aufl. 2006, § 272 HGB, Rz. 206. 52 So auch: Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rz. 54; für die Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung auch: Klingberg in Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kapitel I Rz. 166.
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möglich. Die Agio-Rücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB) steht schon mangels Kapitalerhöhung nicht zur Verfügung. Auch eine Zuzahlungsrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) kann insoweit nicht dotiert werden, weil es sich bei dem Unterschiedsbetrag schlicht um eine Wertedifferenz handelt. Dies wird schon daran deutlich, dass der Verzicht auf die Anteilsgewährung nicht durch die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers, sondern durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zu erklären ist. Dabei ist es zwar möglich, aber keineswegs erforderlich, dass die verzichtenden Anteilsinhaber auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers sind. Noch viel mehr als bei der Mutter-Tochter-Verschmelzung ist der Differenzbetrag deshalb erfolgswirksam zu vereinnahmen53. Aber selbst wenn man bei der Verschmelzung unter Verzicht auf Anteilsgewährung eine Dotierung der Zuzahlungsrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB für möglich halten wollte54, kann dies nur gelten, wenn und soweit die auf die Anteilsgewährung verzichtenden Anteilsinhaber auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers sind. Darüber hinaus wird den verzichtenden Anteilsinhabern dann ein Wahlrecht zustehen, zu bestimmen, dass die von ihnen herbeigeführte Wertedifferenz erfolgswirksam vereinnahmt werden soll55.
VII. Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung 1. Umwandlungsrechtliche Gestaltungen Über § 125 UmwG sind die §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG auch auf die Abspaltung und Aufspaltung anwendbar. Dementsprechend ist es möglich – insbesondere innerhalb von Konzernstrukturen – Ab- und Aufspaltungen auch unter Verzicht auf Anteilsgewährung zu gestalten. Dies unabhängig davon, ob der Spaltungsvorgang in der Beteiligungsstruktur horizontal, vertikal oder diagonal erfolgt. Da der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers nicht auch am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sein muss, ermöglicht dies jedenfalls unter umwandlungsrechtlichen Gesichtspunkten eine weitgehende Neuordnung von Vermögens- und Beteiligungsstrukturen. Nicht anwendbar sind die §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG auf die Ausgliederung. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 125 UmwG. In der Sache ist dies keineswegs rechtspolitisch verfehlt56, sondern im System des Spaltungsrechts zutreffend geregelt. Strukturell unterscheidet sich die Ausgliederung von der Abspaltung dadurch, dass die Anteile an dem übernehmen-
__________ 53 Zur Mutter-Tochter-Verschmelzung: Priester in Lutter, UmwG, § 24 Rz. 61; Müller in Kallmeyer, UmwG, § 24 Rz. 39; a. A. IDW HFA 2/1997, ergänzte Fassung 2000, Abschn. 32212, WPg 2000, 439. 54 So etwa Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 24 Rz. 55. 55 Zu diesem Wahlrecht bei vom Gesellschafter veranlassten Vermögensmehrungen: Adler/Düring/Schmaltz, § 272 HGB Rz. 137 m. w. N. 56 So aber: Mayer/Weiler, DB 2007, 1239; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 54 Rz. 13; Baßler, GmbHR 2007, 1252 (1257).
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den Rechtsträger nicht den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst zufließen (§ 123 Abs. 3 UmwG). Wollte man vor diesem Hintergrund nicht nur bei der Abspaltung, sondern auch bei der Ausgliederung einen Verzicht auf Anteilsgewährung zulassen, gäbe es keinen Unterschied mehr zwischen Abspaltung und Ausgliederung. Die Ausgliederung setzt deshalb anders als die Abspaltung zwingend und immer eine Anteilsgewährung voraus. 2. Steuerrechtliche Folgen Für steuerliche Zwecke ist bei der Spaltung unter Verzicht auf Anteilsgewährung zwischen einfachen und mehrstufigen Beteiligungsstrukturen zu unterscheiden. Wird in einer einfachen Beteiligungsstruktur von der Tochtergesellschaft T1 auf ihre 100 %ige Schwestergesellschaft T2 (alleiniger Gesellschafter jeweils M) Vermögen abgespalten, so sind uneingeschränkt die §§ 15, 11 bis 13 UmwStG anwendbar. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten, insbesondere sind auf Gesellschaftsebene § 11 Abs. 2 UmwStG und auf Anteilseignerebene § 13 UmwStG anwendbar (dazu oben IV.4.) Differenzierter stellt sich die Sachlage in einem mehrstufigen Beteiligungsverhältnis dar. Wird etwa im Beteiligungsstrang 1 von der Enkelgesellschaft E1 auf eine im Beteiligungsstrang 2 angesiedelte Gesellschaft Vermögen abgespalten, so ist auf Gesellschaftsebene eine Buchwertverknüpfung nach §§ 15, 11, 12 UmwStG nach wie vor möglich. Auf Anteilseignerebene (d. h. der Ebene der Tochtergesellschaft T1) greift aber eine Buchwertverknüpfung nach § 13 Abs. 2 UmwStG nicht ein, weil und soweit die Tochtergesellschaft T1 nicht bereits an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist (hierzu bereits oben D. IV.). Ist der Anteilseigner (T1) bereits an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt, steht insoweit einer Anwendung von § 13 Abs. 2 UmwStG nichts entgegen. Gleichwohl ist in dieser Konstellation festzuhalten, dass der Anteilseigner T1 auf die Anteilsgewährung am übernehmenden Rechtsträger regelmäßig nur mit Blick auf die Konzernverbundenheit verzichtet. In diesem Falle wird in dem Verzicht eine verdeckte Gewinnausschüttung der T1 an die gemeinsame Muttergesellschaft57 und eine verdeckte Einlage der gemeinsamen Muttergesellschaft in den übernehmenden Rechtsträger zu erblicken sein. Gegenstand dieser verdeckten Gewinnausschüttung/verdeckten Einlage sind wohl nicht die im Rahmen der Spaltung übergegangenen Wirtschaftsgüter, sondern die Anteile (oder eine Anwartschaft auf diese), die dem Anteilseigner bei wertäquivalenter Spaltung und ohne Verzicht auf Anteilsgewährung hätten gewährt werden müssen58.
__________ 57 Zum Verzicht auf die Anteilsgewährung als Verfügung: BFH v. 14.11.1984 – I R 50/80, BStBl. II 1985, 227. 58 Zweifelhaft könnte sein, ob § 8b KStG anwendbar ist. Vgl. BFH v. 23.1.2008 – I R 101/06, BStBl. II 2008, 719.
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Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg Veröffentlichungen in Büchern Umwandlung und Verschmelzung im Verkehrsteuerrecht, Berlin 1974. Investitionszulagen zur Konjunkturbelebung, Köln 1975. Abgabenordnung 1977, 1. Aufl. Köln 1976, 2. Aufl. Köln 1977 (zusammen mit Mittelsteiner). Mitwirkung an Kommentierung zu §§ 51–68 in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO (Grundkommentierung AO 1977), (zusammen mit Heide Schaumburg). Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext in Ruppe (Hrsg.), Gewinnrealisierung im Steuerrecht, Köln 1981, 247 ff. Brennpunkte der Außenprüfung, Bonn 1985. Außenprüfung, Steuerfahndung, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht in Beck’sches Steuerberater-Handbuch, München seit 1986, Steuerfahndung, Steuerstrafrecht- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht bis 2002; zuletzt 12. Aufl. München 2008. Sonstige Verträge, Steuerstrafverfahren in Steuerliches Vertrags- und Formularbuch, München seit 1989; zuletzt 6. Aufl. München 2008. Kommentar zur Joint-Venture-Verordnung (DDR), Düsseldorf 1990 (zusammen mit Flick; Veröffentlichung als Aufsatzserie im Handelsblatt). Grundsätze internationaler Einkünfteabgrenzung in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 1 ff. Forum der Internationalen Besteuerung (Mitherausgeber seit 1994). Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, Textausgabe mit Materialien und Erläuterungen, Köln 1994/95 (zusammen mit Rödder). Die Befreiungsmethode im deutschen Steuerrecht in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 269 ff. Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht in Lang, Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Klaus Tipke, Köln 1995, 125 ff. Steuerliche Besonderheiten der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften in Lutter, Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Köln 1995, 329 ff. Gewerbliche Tätigkeiten im Ausland in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 27 ff. Grundlagen des internationalen Umwandlungssteuerrechts in Schaumburg/ Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1997, 1 ff. Reorganisation nach Unternehmenskauf in Herzig, Steuerorientierte Umstrukturierung von Unternehmen, Stuttgart 1997, 111 ff. 1359
Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg
Der Zeuge im Ausland in Klein/Stihl/Wassermeyer, Unternehmen und Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 189 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Grenzüberschreitende Erbfälle, Harzburger Steuerprotokoll 1997, 147 ff. Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht seit 1997/1998 (zusammen mit Piltz, Rödder u. a.). Internationales Steuerrecht, 1. Aufl. Köln 1993, 2. Aufl. Köln 1998. Die Konzernfinanzierung im internationalen Steuerrecht in Lutter/Scheffler/ Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, Köln 1998, 1186 ff. (zusammen mit Jesse). Auslandssachverhalte in der Betriebsprüfung aus Beratersicht in Kuckhoff/ Schaumburg/Wassermeyer, Auslandssachverhalte in der Betriebsprüfung, Bonn 1998, 9 ff. Steuerrecht und steuerorientierte Gestaltungen im Konzern, Köln 1998 (Herausgeber). Gestaltungsmissbrauch bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, Herne/ Berlin 1999, 467 ff. Internationale Joint Ventures, Stuttgart 1999 (Herausgeber). Unternehmensbesteuerung für Personengesellschaften und Einzelunternehmen, in IDW, Zukunft der Unternehmensbesteuerung, Düsseldorf 1999, 74 ff. Die Unternehmenssteuerreform – Fort- oder Rückschritt? in Harzburger Steuerprotokoll 2000, 77 ff. Die KGaA, Recht und Steuern in der Praxis, Köln 2000 (zusammen mit Schulte). Grundsätze grenzüberschreitender Gewinnrealisierung in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, 1 ff. Zurechnung von Wirtschaftsgütern im nationalen sowie im Abkommensrecht in Jürgen Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im internationalen Steuerrecht, Köln 2000, 51 ff. Der Bezug von Dividenden aus dem Ausland (Streubesitz und Schachteldividenden) in Ege/Schaumburg/Wassermeyer, Internationales Steuerrecht, Bonn 2000, 13 ff. Unternehmensteuerreform 2001, München 2000 (zusammen mit Rödder). Internationales Umwandlungssteuerrecht in der Unternehmensteuerreform in Wassermeyer/Mayer/Rieger, Umwandlungen im Zivil- und Steuerrecht, FS Widmann, Bonn 2000, 505 ff. Steuerliche Aspekte gemeinnütziger Forschungsförderung, DVT, 31/2000, 18 ff. Wirtschaftsrechtliche und steuerrechtliche Fragen polyzentrischer und virtueller Unternehmen in Lutter/Scholz/Siegler, FS für Martin Pelzer, Köln 2001, 389 ff. (zusammen mit Schloßmacher). 1360
Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg
Besteuerung von Kapitalerträgen – Vollzugsdefizite und Vorgaben des Europäischen und Internationalen Steuerrechts in Iris Ebling, Besteuerung von Einkommen, Köln 2001, 225 ff. Der Betriebsvermögenstransfer bei Personenunternehmen in der Unternehmenssteuerreform in 51. Godesberger Steuerfachtagung, Sankt Augustin 2002, 7 ff. Mitwirkung von Betriebsprüfung und Staatsanwaltschaft bei nützlichen Abgaben, Steuerberater-Jahrbuch 2001/2002, Köln 2002, 239 ff. Steuerliche Gestaltungsziele in- und ausländischer Holdinggesellschaften in Schaumburg/Piltz, Holdinggesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2002, 1 ff. Das internationale Steuerrecht in der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts in Schaumburg/Wassermeyer/Lüdicke, Internationales Steuerrecht, Bonn 2002, ff. Internationale Organschaft in Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003, 419 ff. Steuerstrafrechtliche Grenzen internationaler Steuergestaltungen aus deutscher Sicht in Leitner/Dannecker, Finanzstrafrecht 2003, Wien 2004, 177. Unternehmenskauf im Steuerrecht, 1.–3. Auflage; zuletzt 3. Aufl. Stuttgart 2004 (Herausgeber). Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, Bonn 2004. Nichtanwendungserlasse, Nichtanwendungsgesetze und Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz in Brandt, Für eine bessere Steuerrechtskultur, Stuttgart 2004, 73 ff. Umzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005, 403 ff. Steuer und Europäische Gesellschaft, in Lutter/Hommelhoff, Die europäische Gesellschaft, Köln 2005, 319 ff. Der Wegzug von Unternehmen in Gocke/Gosch/Lang, FS für Franz Wassermeyer, München 2005, 411 ff. Die nationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht in Lutter, Holding-Handbuch, 1.–4. Aufl. (zusammen mit Jesse); zuletzt 4. Aufl. Köln 2004. Die internationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht in Lutter, HoldingHandbuch, 1.–4. Aufl. (zusammen mit Jesse); zuletzt 4. Aufl. Köln 2004. Unternehmensteuerreform 2008, München 2007 (zusammen mit Rödder). Handlungsbedarf vor internationalem Hintergrund in DIHK, Nachhaltige Steuerpolitik, Berlin 2008. Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht in Kirchhof/Nieskens, FS für Reiss, Köln 2008, 25 ff. Umwandlungssteuerrecht in Lutter, Umwandlungsgesetz, 1. und 2. Aufl., Einleitung B, Anhang § 122, Anhang § 151, Anhang § 173, Anhang 3 § 189, An1361
Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg
hang § 304 (seit der 3. Aufl. zusammen mit Schumacher); zuletzt 4. Aufl. Köln 2009.
Veröffentlichungen in Zeitschriften Die einkommensteuerliche Behandlung von Entschädigungen für Beeinträchtigungen am land- und forstwirtschaftlichen Grund und Boden, StBp. 1970, 63 f. Urteilsanmerkung, StRK R 5 § 35 b LStDV (1971). Die Bedeutung des Gewinnabführungsvertrages für die Einkommenszurechnung, StuW 1971, 123 ff. Unterliegt die übertragende Umwandlung der Börsenumsatzsteuer?, DVR 1973, 129 ff. Übertragende Umwandlung – ein steuerbarer Umsatz?, StuW 1973, 15 ff. Die Verschmelzung von Gesellschaften im Umsatzsteuerrecht, UStR 1974, 269 ff. Umsatzsteuer und Zivilrecht, NJW 1974, 1734 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Umsatzsteuer und Handelsbrauch, NJW 1975, 1261 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Buchbesprechung: Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz und Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar, StuW 1975, 87 ff. Buchbesprechung: Schad, Die Änderung der Rechtsform der Unternehmung, StuW 1975, 177 ff. Buchbesprechung: Locher/Meier/von Siebenthal, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, StuW 1976, 275. Zur Umsatzbesteuerung der Gesellschafter, GmbHR 1976, 140 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Buchbesprechung: Fischer/Warneke, Grundlagen der Internationalen Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, StuW 1979, 277. Wöchentliche Beiträge in Steuer-Telex, Köln 1974–1981. Monatliche Beiträge in Steuer-Training und Aktuelle Steuerinformation, Köln 1974–1982. Steuerfahndung – guter Rat tut not, DSWR 1991, 190 ff. Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte. Folgerungen für Gesetzgeber und Steuerpflichtige, GmbHR 1995, 613. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995, 211 ff. Das neue Umwandlungssteuergesetz, WiB 1995, 10 ff. (zusammen mit Rödder). 1362
Schriftenverzeichnis Harald Schaumburg
Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug, GmbHR 1996, 668. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug, GmbHR 1996, 414. Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996, 501 ff., 585 ff. Grenzüberschreitende Sachverhaltsaufklärung im finanzgerichtlichen Verfahren: Der Zeuge im Ausland, FR 1997, 749 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Die KGaA als Rechtsform für den Mittelstand?, DStZ 1998, 525 ff. Reform des finanzgerichtlichen Revisionsrechts, StuW 1999, 68 ff. Die Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht, Stbg. 1999, 97 ff., 156 ff. Reform den finanzgerichtlichen Revisionsrechts, BRAK-Mitteilungen 1999, 64. Podiumsdiskussion, Reform der Unternehmensteuer, WPg-Sonderausgabe 2, 2000, 78 ff. (u. a.). Article 26 of the OECD Model in Light of the Right to Informational SelfDetermination, BIFD 2000, 522 ff. (zusammen mit Schloßmacher). Das internationale Steuerrecht in der Unternehmenssteuerreform, RIW 2000, I. Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369 ff. Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161 ff. Der Datenzugriff und andere Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung, DStR 2002, 829 ff. Gewinnermittlung im Wandel, Stbg. 2004, 545 ff. Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306 ff. (zusammen mit Heide Schaumburg). Die Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Brasilien und ihre Konsequenzen nach nationalem deutschen Steuerrecht, IStR 2005, 794 ff. (zusammen mit Schulz). Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, 1129 ff. Meisterwerke – Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, StuW 2005, 90 ff. Steuergesetzgebung im Eiltempo, Stbg. 2005, M 1. Zuzug von Unternehmen, Der Konzern 2005, 147 ff. Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495 ff. Die Erbschaftsteuerreform, Status: Recht, 12/2006, 22 ff. Rezension, Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, StuW 2007, 91 ff. Erbschaftsteuerabkommen mit Österreich, Status: Recht 10/2007, 299. Übersteuert, in Legal Success 2007, 16. Zahlreiche Beiträge in Wirtschaftszeitungen. 1363
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Stichwortverzeichnis Verfasser: Frank Stephan Abfallproduktion 408 Abgabenverfahren – Beweisverwertungsverbot 1241 Abgeltungsteuer 62, 233 f., 336, 461 f. – Doppelbesteuerungsabkommen 910 – Kapitalgesellschaftsanteil 909 Abgeordneter – Aufwandspauschale 10 Abhängige Gesellschaft 1327 Abhängigkeitsbericht 1328 – Abschlussprüfer 1330 – Aufsichtsrat 1328 – Beschwerde 1330 – Freistellungswirkung 1331 – Gewinnabführungsvertrag 1330 – Gewinngemeinschaft 1331 – Gläubigerschutz 1336 – Insolvenzverwalter 1329 – Publizität 1329, 1338 – Registergericht 1330 – Registerprüfung 1338 – Schadensersatzpflicht 1330 – Sonderprüfer 1330 – Teilgewinnabführungsvertrag 1331 – Testat 1330 – Verlustdeckungszusage 1331 – Verlustübernahmevertrag 1333, 1338 – Zwangsgeld 1330 Abschaffung – Ehegattensplitting 5 – Pendlerpauschale 5 Abschaffungskosten 391 Abschirmwirkung 768, 774, 781, 783 f. Abschlussprüfer 1309 Abschmelzungsprinzip 1046
Abschreibungspotential 435 Abspaltung 1356 Abwehrrecht – grundrechtliches 621 Abzugsverbot – steuerliches 417 f., 461, 782, 409 ACT Group Litigation 785 Agio-Rücklage 1356 AIS-Tax-Audit 1231 Aktienderivat 213 Akzeptanz der Besteuerung 61 Allokation – Geschäftswert 600 Allphasen-Netto-Umsatzsteuersystem 1157 Alterseinkünfte 30 Altersvorsorge 30 Amnestie 1276 Amts- oder Rechtshilfe 151 f. Amtsermittlungsgrundsatz 118 Amtshilfe 159 f. – zwischenstaatliche 155 Amtspflichtverletzung 186 Amtstracht 117 Amurta 785 Anfechtungsklage – Verschmelzungsbeschluss 1350 Anhängigkeitsbericht – Abschlussprüfer 1328 Anhörungspflicht 159 Anlagevermögen 428 Anrechnungsbetriebsstätte 634, 818 Anrechnungsmethode 697, 700, 705, 708, 774 Anrechnungsverfahren 25, 802 Ansässigkeitsstaat 769 Anschaffungsgewinn 394, 401, 403 Anschaffungskosten 400 – Pensionsverpflichtung 393 – Schulden 393 1365
Stichwortverzeichnis
Anschaffungskostenminderung 225 Anschaffungsverlust 401 Anteilseigner – ausländischer 629 – Teileinkünfteverfahren 849 Anteilseignerwechsel 519 Anteilsgewährung 1177, 1342 Anteilsgewährungspflicht 1344 – Verzicht aller Anteilsinhaber 1346 Anteilsveräußerung – Gewinn 787 Antrag 116 f., 119 Antragsveranlagung 177 Äquivalenzprinzip 45, 47, 64, 627 Arbeitnehmerüberlassung – illegale 1237 Arbeitseinkommen 58 Arbeitsschutz 408 Arbeitszimmer – häusliches 17 AStG 37 Atypisch stille Beteiligung 452, 456 Audit Committee 1307, 1314 Aufsichtsrat 1298, 1308 – Ausschüsse 1310 – Berichtspflicht 1309 – Rechte und Pflichten 1309 – Untersuchungspflicht 1317 Aufstockungsbetrag 636 Aufwandsrückstellung 398 Ausgangslohnsumme 1008, 1014 Ausgleichsposten – steuerlicher 401, 477, 481, 818 Ausgleichszahlung 448 Ausgliederung 1356 Auskunft – automatische 160, 166 Auskunftsabkommen 37 Auskunftsersuchen – grenzüberschreitend 166 Auskunftsklausel 153 – große 154 f. – kleine 154 1366
Auskunftsverkehr – international 166 Auslandsbeziehung 161 Auslandsdividende 773 Auslandspersonengesellschaft – Anrechnungsmethode 335 – Freistellungsmethode 335 – Nicht-DBA-Staat 335 Auslandssachverhalt – EU 165 Auslandsverlust 255 f. Ausschlussfrist 177 Ausschüttung – Besteuerung 784, 789 Außengesellschaft 240 Aussetzung der Vollziehung 466 Ausübungsgeschäft 235 Auszahlungsverbot 1294 f. Avoir fiscal 777 Back-to-Back-Finanzierung 279 Bande 1271 Bankgeheimnis – Begriff 1240 – Beweismittel 1240 – Beweisverwertungsverbot 1240 – EU-Rechtshilfeübereinkommen 1254 – Kontoauskunft 1245 – österreichisches 1240 – Rechtshilfeersuchen 1244 – Schutz 1240 – Verletzung 1240 Barausgleich 223, 233 Barausgleichsverpflichtung 225 Bareinlage 1181 Bedarfswert 39 Befangenheit – Besorgnis 128 Beförderung 1153 Beförderungslieferung 1154 Begünstigungsvoraussetzung – dauernde Berufsunfähigkeit 430 Behaltensfrist 1018
Stichwortverzeichnis
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag 1292, 1295 Beitreibungshilfe 155 Belastungserfolg 1059 Belastungsgerechtigkeit 16 Belastungsneutralität 1168 Bemessungsgrundlage – körperschaftsteuerliche 791 Benford-Gesetz 1231 Beraterpersönlichkeit 93 Berichterstatter 112 Berichtigungspflicht 1266 Berufsausbildungskosten 28 f. Berufsausübung 7 Berufsausübungsfreiheit 26 Berufsfreiheit 172 Berufsgeheimnis 156 Berufspflichtverletzung 187 Beschluss 112 Beschränkte Haftung 288 Beschränkte Steuerpflicht s. Steuerpflicht, beschränkte Beschränkungsverbot 48 Bestechung 1228 Besteuerung – nachgelagerte 30 – Transparenz 301 Besteuerungsrecht – Anrechnungsbetriebsstätte 943 – Ausschluss 942 – Ausschluss (Aufzählung) 943 – Beschränkung 942 – Betriebsstättengewinn 774 – Dividenden 774, 821 – Lizenzen 821 – Verteilung 773 – Zinsen 821 Bestimmtheitsgebot 182 – Verlustuntergang 273 Beteiligung 588 – Ausschüttung 772 – Veräußerungsgewinn 772 – wesentliche 234 f. – Zuordnung 574
Beteiligungsaufwendung – Abzugsverbot 460 Beteiligungserträge – Ausland 24 Beteiligungsertragsbefreiung 460, 474 Beteiligungserwerb – schädlich 262 f., 268 Betriebsaufgabe 245, 247 – zeitlich gestreckte 427 Betriebsaufspaltung 493 – Betriebsverpachtung 499 – Grundstücksüberlassung 496 – mitunternehmerische 504, 507 – personelle Verflechtung 494 – umgekehrte 502 – unechte 494 Betriebsausgabe 5, 7, 407, 409 – Unangemessenheit 407 Betriebsausgabenabzugsverbot 462 Betriebserwerb 392, 400 Betriebskindergarten 409 Betriebsprüfungsarchiv 1231 Betriebsstätte 563, 588 – Geschäftswert 602 – ständiger Vertreter 975 – Ungleichbehandlung 777 Betriebsstättenbegriff 983 Betriebsstättenerlass 588 f., 597, 601, 608, 818, 945 Betriebsstättengewinn 769 – Dividendenertrag 633 Betriebsstättenprinzip 35 Betriebsstättenvermögen – inländisches 638 Betriebsübergabe – Entgeltlichkeit 389 Betriebsvermögen 39, 1013 – ausländisches 639 – Entlastung 1081 – Verschonung 1085 Betriebsvermögensbegünstigung 1028 – Sachleistungsanspruch 1033 Betriebsvermögensprivileg 1010 1367
Stichwortverzeichnis
Betriebsverpachtungsmodell – Belastungsvergleich 500 f. Beweis 117 Beweisaufnahme – fehlerhafte 127 Beweislast 407 Beweismittel 112 Beweisnähe 161 Beweisvorsorgepflicht 161 Bewertung – Vermögen 176, 179 Bewertungsabschlag 39, 1046 Bewertungsmaßstab 394 – Fremdvergleichsgrundsatz 716 – gemeiner Wert 716 – Teilwert 716 Bewertungsstichtag 1008 Bewirtungsaufwendungen 41 f. Bezugsrecht 231 Bilanzkontrolle 1307 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 756 Billiges Ermessen 113 Bindungswirkung 145 Binnenmarkt 33, 48, 153, 1164 Binnenmarktprinzip 773 BND 1277 Board of Directors 1307 Börsenumsatzsteuer 1173 Bouanich 789 Briefkastenfirma 36 Bruchteilseigentum 1215 Brühler Kommission 22, 24 Buchwertansatz 632, 636 Buchwertfortführung 510 Buchwertverknüpfung 1352, 1357 Bundesfinanzhof – Großer Senat 133 Bundesverfassungsgericht – Vorlage 171 Burda 789 Business and Society 405 Business Ethics 405 Business Judgement Rule 1320 1368
Cadbury Schweppes 35, 783 Cash Flow 70 Cash-Pooling 1304 CHI-Quadrat 1231 Clearingmitglieder 213 Clearingstelle 213 Common Consolidated Corporate Tax Base 759, 765 – Grundkonzeption 760 – Verwaltungsaspekte 761 Conseil d‘Administration 1307 Corporate Citizenship 405 f., 410 Corporate Foundation 406, 417 Corporate Giving 406 Corporate Governance 1307 Corporate Governance Kodex 1311 – Inhalt 1312 Corporate Social Responsibility 405, 421 – Betriebliche Veranlassung 410 – Personenunternehmen 418 Corporate Sustainability 405 Corporate Volunteering 406, 415 Darlehensforderung – Ausfall 466 DAX 808 DBA-Auskunftsklausel 157 DBA-Schachtelprivileg 742 DBA-Vollstreckungsklausel 157 Debt-Push-Down-Merger 1348 Deckungsgebot 1301 Deckungsverhältnis 1180 Demokratieprinzip 173, 698 Denkavit Internationaal 785 Derivat(e) 210, 232, 235 Devisentermingeschäft 211, 217 Dienste – Ausübung öffentlicher Funktionen 884 Differenzgeschäft 215 Digitale Außenprüfung 1230 Diskriminierung – umgekehrte 771
Stichwortverzeichnis
Diskriminierungsverbot 48, 785 Dispositionsschutz 148, 199 Dividende 231 Dividende, ausländische – Einlagenrückzahlung 954 Dividendenausgleichszahlung 234 Dividendeneinkünfte 639, 645 DIW 797 Doppelbelastung – Vermeidung 775 Doppelbesteuerung 167, 709 – Anrechnungsmethode 711 – Ansässigkeitsstaat 708 – Beseitigung 708 – Freistellungsmethode 711 – Vermeidung 709, 775 Doppelbesteuerungsabkommen 153, 716 – Europarecht 700 – Österreich 890 – Österreich Spanien 881 – völkerrechtliche Wirksamkeit 691 – völkerrechtlicher Vertrag 890 – Zustimmungsgesetz 891 Doppelstöckige Personengesellschaft 431, 439 Down-stream-merger 953, 1178 Dreiecksfälle – internationale 749 Dreieckskonstellation – nahe stehende Person 742 Drittstaat 32 f. Drohverlustrückstellung 487 f., 804 Duale Einkommensteuer s. Einkommensteuer, duale Durchsetzungspflicht – Mitgliederversammlung 1323 – Stiftungsaufsicht 1325 – Stiftungsvorstand 1325 Durchsuchung 1273 EBITDA – steuerliches 438
EG-AHiG 157 EG-Amtshilfe-Richtlinie 152, 154 ff., 160, 163 EG-Beitreibungsrichtlinie 157 EG-Jahresabschlussrichtlinie 372 Eigenhändler 971 – Funktion 972 – Gewährleistungspflicht 972 – Risiko 972 Eigenkapitalentgelt 778 Eigenkapitalersatzrecht 470 Eigenkapitalersetzendes Darlehen – Teilwertabschreibung 465 Eigentum – wirtschaftliches 228, 236 – zivilrechtliches 236 Eigentumsgarantie 26, 707 Eigentumsgrundsatz 624 Eigentumsschutz 172 Einbringungsgeborener Anteil 953 Einbringungsgewinn I 434 – nachträgliche Anschaffungskosten 434 Einfachheit 62 Eingliederung – Ausprägung 1196 – GmbH & Co. KG 1196 Einheitsbilanz 752 – Aufbrechen der 762 Einheitswert 38 Einkommenserzielung 6 Einkommensteuer – duale 19 Einkünfte – Aufteilung 885 – weiße 742 Einlage – verdeckte 1357 Einlagefiktion 632, 640 ff. Einstellungsbeschluss 112 Einstweilige Anordnung 157 Einzelabschluss – Abschottung 754 Einzelbewertung 716 1369
Stichwortverzeichnis
Einzelwirtschaftsgut 400, 403 EK 02 954 Elektronische Übermittlung – Steuererklärung 1231 Elektronische Verwaltung 1229 ELSTER 1229 Endverbraucher 1157 Entgelt 1179 – willentliches Verhalten 1178 Entnahme – Theorie finaler 580, 595 Entnahmen 322 Entstrickung 31, 560 f., 568, 588, 608 – Ausgleichsposten 945 – Betriebsstättenvorbehalt 947 – Doppelbesteuerungsabkommen 579 – Entnahmefiktion 814 – EU-Recht 584 – fiktiver Veräußerungsgewinn 577 – Geschäftswert 600 – Kapitalgesellschaftsanteil 950 – Sitzverlegung 569 – Steuersubstratsicherung 940 – Stundung 584 – Theorie der finalen Entnahme 577 – Veräußerungsfiktion 814 – Veräußerungsgewinnaufteilung 579 – Verschmelzung 947 – Verschmelzungsstichtag 592 Erbfall 148 Erblasser 1010 Erbrechtsgarantie 39 Erbschaft 38 Erbschaftsteuer 16, 38, 250, 315 – Abschaffung 56 f. – Abschmelzregelung 9 – Abschmelzungsmodell 1081 – Abschreibungsgesellschaft 1002 – Begünstigungsdifferenzierung 1078 – Behaltensfrist 1093, 1099 – Berliner Testament 1001 – Betriebsaufspaltung 1002 1370
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Bewertung 1091 Bewertung Grundvermögen 1092 Bewertungsfragen 1086 Ehevertrag 1000 Einkommensteueranrechnung 1101 – Erbfolgeregelung 1002 – Erbrechtsgarantie 1077 – Erbregelung 1001 – Erbvertrag 1000 – Fallbeileffekt 1095 – Freibetrag 1090 – Gesellschaftsvertrag 1000 – Gestaltungsmissbrauch 1017 – Gleichheitssatz 1058 – Grundvermögen 1091 – Lohnsummenerhalt 1099 – Negativerwerb 1059 – neue 19 – Oasenholding 1002 – Pflichtteilsanspruch 1001 – Rückfall, steuerpflichtiger 1001 – Schenkungsvertrag 1001 – schwarze Konten 1002 – Sonderbetriebsvermögen 1002 – Steuerklassen 1100 f. – Steuersatz 1090 – Testament 1001 – Umverteilung 1088 – Verfassungsrecht 1057, 1074, 1102 – Vergünstigung 5 – Verschonungsabschlag 1089 – Verschonungsregelung 1092 – Vorschenkung 1000 – Wegfall in Österreich 1088 – Wiesbadener Modell 1002 – Wohneigentum, selbstgenutzt 1100 Erbschaftsteueraufkommen 1087 Erbschaftsteuererklärung 190 Erbschaftsteuerliche Belastungsergebnisse 1066 – 25 %-Beteiligung Kapitalgesellschaft 1068
Stichwortverzeichnis
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85 % Verschonung 1070 100 % Verschonung 1070 Aktien 1068 Einbeziehung von Auslandsvermögen 1073 – Einlage Verwaltungsvermögen 1070 – Entnahme Verwaltungsvermögen 1070 – Erbschaftsteuerprogression 1073 – Erbschaftsteuerstundung 1073 – Familienheim 1067 – Festverzinsliche Wertpapiere 1066 – GmbH-Anteil 1068 – Kommanditanteil 1068 – Unternehmensfortführung 1072 – Unternehmensgründung 1072 – Unternehmensverkauf 1072 – Unternehmensverkauf innerhalb Behaltefrist 1071 – Vermietete Nicht-Wohnimmobilie 1067 – Vermietete Wohnimmobilie 1067 – Verschonungszwang 1071 Erbschaftsteuerreform 41, 1012, 1080 Erdrosselungssteuer 26 Erhebungsdefizit 179 Erklärungspflicht 1256 Erklärungsvordruck – Steuersachverhalt 1264 Erkundungsbeweis 1242, 1246 Erledigung der Hauptsache 111 Erledigungserklärung 117 Ermittlung 1273 Erörterungstermin 112, 114, 117 Ersatzsicherheit 1302 Erstattungsanspruch 610 f. – Gemeinschaftsrecht 611 Erstattungslimitation 616 – Begrenzungsnorm 622, 627 – Eigentumsgarantie 621 – Rechtsschutzgarantie 623 Erstattungszinsen 1016
Erstbedachter 1009 Ersterwerber 1014 Ertragsanteil 176 Ertragsteueraufwand 68 Erwerbergruppe – gleichgerichtete Interessen 265 Erwerberkreis 263 Erwerbsabzug 60 Erwerbsbesteuerung 1163 Erwerbsfiktion 632 Escape-Klausel 719 EuGH – Entscheidungen s. jeweils unter dem Namen der Beteiligten EU-Recht 14 – Kohärenz 585 – Konformität 814 Europäische Menschenrechtskonvention 705 Europatauglichkeit 627 Existenzminimum 26, 60, 170, 180 Exitmöglichkeit 468 – Drittvergleichstest 468 Fallbeilprinzip 1046 Familienangehörige 38 Familienlastenausgleich 176 Fiktion – grunderwerbsteuerliche 1108 – Rechtsgeschäft 1109 Fiktiver Grundstückserwerb – Anteilsvereinigung von Todes wegen 1123 – Anteilsvereinigung wegen Schenkung 1123 Finale Entnahmetheorie 814, 941, 943 Finanzderivat 216, 235 Finanzgericht 111 Finanzielle Eingliederung 449, 453 – Mehrheit der Stimmrechte 1197 – mittelbare 1197 Finanzinstrument – Fair-Value-Ansatz 763 1371
Stichwortverzeichnis
Finanzmarktkrise 276 Finanzministerkonferenz 1085 Finanzordnungswidrigkeit 1241 Finanzordnungswidrigkeitsverfahren 1242 Finanzstrafbehörde 1241 Finanzstrafverfahren 1241 – Beweisverwertungsverbot 1241 Finanztermingeschäft 211 Finanzunternehmen 473 f. Firmenwert 368, 399, 631 – Abschreibung 370 – Abschreibungsdauer 371 – Abschreibungstypisierung 374 – außerplanmäßige Abschreibung 370, 375 – Beteiligungskauf 370 – Bilanzierungsregeln 381 – derivativer 368 – Einheitstheorie 371, 379 – Einzelbewertung 377 – Folgebewertung 369 – Goodwill-impairment test 380 – IFRS 372 – originär 368 – planmäßige Abschreibung 379 – Vorsichtsprinzip 377 – Wertaufholung 376 – Zuschreibung 375 – Zuschreibungsverbot 377 FKPG 27 Flat tax 51, 58 Folgerichtigkeit 181, 185, 1062 Förderung – Altersversorgung 4 – Denkmalpflege 4 – Umweltschutz 4 Forderungsverzicht – betrieblicher 466 Formwechsel 1171 Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen 988 Forschungs- und Entwicklungskosten 776 1372
Fortbildung des Rechts 145 Freiberufler 91 Freibeträge 38 Freier Waren- und Dienstleistungsverkehr 1164 Freigabeklausel 1156 Freistellungsmethode 632, 697, 700, 707, 769, 774, 781, 784 Freistellungsverpflichtung 395 Freizügigkeit 33 Fremdkapitalentgelt 778 Fremdkapitalfinanzierung 794 Fremdkapitalzinsen 795 Fremdspendenvergleich 420 Fremdvergleich 542, 649 – hypothetischer 649, 651, 682, 719, 868 – Informationstransparenz 868 – konkreter 649, 682 – mit Transparenzfiktion 651 – Mittelwert 871 – OECD-Verrechnungspreisrichtlinie 872 – ohne Transparenzfunktion 651 – tatsächlicher 719 Fremdvergleichsgrundsatz – Definition 648 – Transparenzklausel 867 Führung 94 Fünftelregelung 173, 424 Funktion 720 – Function and activity 989 – Geschäftstätigkeit 674, 720 – gleichartige betriebliche Aufgaben 674 – OECD-Synonym 989 – org. Teil des Unternehmens 674 – Teilbetrieb 986 Funktionsverdoppelung 722 – Grundfall 728 Funktionsverlagerung 8, 54, 516, 541 f., 715 f., 793, 824, 906, 985 – Alternativgestaltung 992 – Bandbreite 864
Stichwortverzeichnis
– – – – – – – – – –
Einzelwirtschaftsgut 718 Entrepreneurmodell 857 EU-Recht 864 Fremdvergleichsgrundsatz 866 Fremdvergleichspreis 545 Funktionsverdoppelung 991 Gesamtbewertung 543 Geschäftschancen 718 Grundfall 725 hypothetischer Fremdvergleich 545 – Informationstransparenz 864 – Kapitalverkehrsfreiheit 865 – Kommissionärmodell 857 – Mittelwert 865 – Niederlassungsfreiheit 865 – Normenklarheit 858 – OECD-Verrechnungspreisrichtlinie 866 – Preisanpassungsklausel 908, 993 – Transferpaket 544, 862, 907, 991 – Treaty override 866 – Überlassungsfall 669 – unbestimmter Rechtsbegriff 673, 721 – Vereinbarkeit mit DBA 866 – Verkaufsfall 669 – Verstoß Leistungsfähigkeitsprinzip 862 – Vierfachbewertung 865 Funktionsverlagerungsbesteuerung 647, 665, 683, 985 – Einschränkung 730 – Verstoß gegen Fremdvergleichsgrundsatz 732, 543, 666, 715, 720, 858, 987 – Parlamentsvorbehalt 988 – Wesentlichkeitsgrundsatz 988 Fusionsrichtlinie 35, 768, 791, 940 Fußstapfentheorie 1354 Futures 212, 233 Gebietshoheit 151 Gefährdungsschaden 1236
Gegenfinanzierungsmaßnahme 795 Gegenleistung 1179 Gegenleistungsanspruch 1300, 1302 Geldvermächtnis 1010 Geldwäsche 1227, 1272 Gemeinnützigkeit 107 f. – Steuerbegünstigung 99 Gemeinnützigkeitslobby 418 Gemeinnützigkeitsrecht 96 f., 102 Generationenkonflikt 999 Genuine link 696 Gerichtsbescheid 113 Gesamthandsprinzip 240 Gesamthandsvermögen 240, 246, 248, 453 Gesamtplanrechtsprechung 267, 426, 430, 432 Gesamtsteuerbelastung 808 Geschäftliche Oberleitung 588, 593 Geschäfts- und Berufsgeheimnis 158 Geschäftsführender Gesellschafter – Untersuchungspflicht 1322 Geschäftsführer – Durchsetzungspflicht Haftungsanspruch 1321 – Untersuchungspflicht 1320 Geschäftsgeheimnis 156 Geschäftsleitung 588, 593 – Ort 592 Geschäftsveräußerung 1169, 1214 – Einzelübertragung 1186 – Steuerbarkeit 1186 – Umstrukturierung 1186 Geschäftsveräußerung im Ganzen 1174 – Fortsetzung des Unternehmens 1184 – MwStSystRL 1173 Geschäftsverteilungsplan 120 Geschäftswert 368 – negativer 399 – s. auch Firmenwert Geschenke 417 1373
Stichwortverzeichnis
Gesellschaft, stille s. stille Gesellschaft Gesellschafterbeschluss – Haftung 1321 Gesellschafterdarlehen 345, 460 – Befreiende Schuldübernahme 475 – Beteiligungsabzugsverbot 463 – Doppelstöckige Personengesellschaft 351 – Drittvergleichstest 471 – Exitmöglichkeit 467 – Gewerbesteueranrechnung 364 – kapitalersetzend 1292 – Kleinbeteiligungsprivileg 471 – MoMiG 470 – personelle Ausweitung Abzugsverbot 467 – qualifiziertes 466, 476 – Qualifizierungserfordernis 467 – Realteilung 363 – sachliche Ausweitung Abzugsverbot 467 – Sanierungsprivileg 471 – Sicherheiten 466 – Sonderbetriebsvermögen 351 – Teilwertabschreibung 463, 466 – Überführung 360, 360 – Übertragung qualifizierter Einheiten 362 – Umwandlung 359 – Veräußerung Mitunternehmeranteil 362 – Verzinslichkeit 352 – Zinsschranke 365 Gesellschafterdarlehenskonto – Abgrenzung 348 Gesellschafterfremdfinanzierung 15, 63, 279, 282, 778, 897 Gesellschafterrechte 1028 Gesellschaftrecht – Gewährung 1177 Gesellschaftsanteil – echte Nießbrauchslösung 1038 1374
Gesellschaftsform – europäische 940 Gesellschaftsverlegung – Gesellschaftsauflösung 946 – Sofortbesteuerung 946 Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform 173 Gesetzgeber – weitreichender Entscheidungsspielraum 1062 Gesetzgebung – rechtsprechungsbrechende 472 Gesetzliche Lücke 145 Gesetzmäßigkeitsprinzip 242 Gestaltungsmissbrauch 14 f. Gestaltungsprinzip 9 Geständnis – Beweis 1281 – Selbstanzeige 1281 Gewährung von Gesellschaftsanteilen 1219 – Entgelt 1178 Gewerbesteuer 6, 20, 64 – Anrechnung 320, 322, 429, 495, 638 – Betriebsausgabe 322 – Hinzurechnungen 26, 494, 793 – Schuldner 429 – Verlustvortrag 439 Gewerbeverlust – Vortrag 439 Gewerblicher Grundstückshändler 428 Gewinn – laufender 425 Gewinn- und Verlustrechnung 76 Gewinnabführung – handelsrechtliche 478 Gewinnabführungsverbindlichkeit 478 Gewinnabführungsvertrag 450 f., 478, 1327 – angemessener Ausgleich 1334
Stichwortverzeichnis
– isolierter 1299 – Konzernausgangsschutz 1334 f. Gewinnausschüttung 769 – fiktive 636 – inkongruente 449 – verdeckte s. verdeckte Gewinnausschüttung Gewinnminderung – divergierende Rechtssysteme 745 – fehlende Steuerfestsetzung 746 Gewinnpotential 659, 722 Gewinnpotentialberechnung – Reingewinnbegriff 682 Gewinnrealisierung – fiktiv 32 Gewinnverteilung 346 Gewohnheitsrecht 133 ff., 137, 144, 148 – internationales 696 Gießkannenprinzip 420 Gläserner Steuerbürger 1231 Gläubigerschutz 470, 1300 Gleichgerichtete Interessen 266 Gleichheitsgrundsatz 11, 29, 38 ff., 176, 1062 Gleichmäßigkeit der Besteuerung 96, 172, 175 Globalisierung 4 GoB 394, 758 Goodwill 588 – s. auch Firmenwert, Geschäftswert G-REIT 957 Großer Senat des BFH 133 Grundbesitz 38 f. Grunderwerbsteuer – Anteilsübergang Schenkung 1145 – Anteilsvereinigung 1117 – Anwachsung 1129 – Befreiung 1119 – Befreiung, personenbezogen 1121 f. – Bemessungsgrundlage 1145 – Besitzwechselsteuer 1113 – Erwerb von Todes wegen 1145 – fiktiver Grundstückserwerb 1146
– fingierte Grundstücksübertragung 1145 – mehrfacher Erwerb 1145 – mittelbar eigene Anteile 1143 – Nichterhebung 1131 – partielle Nichterhebung 1130 – RL 69/335/EWG 1111 – Rückerwerb 1146 – Sperrfrist 1130 f. – tatsächlicher Grundstückserwerb 1146 – wechselseitige Beteiligungen 1141 – wechselseitige Beteiligungen bei Kapitalgesellschaften 1141 – wechselseitige Beteiligungen bei Personengesellschaften 1144 Grunderwerbsteuerbefreiung – Anteilsvereinigung Personengesellschaft 1137 – fiktiver Grundstückserwerb 1123 – personenbezogen 1125 Grunderwerbsteuergesetz – Steuerschuldnerschaft 1114 Grunderwerbsteuerschuld – Organkreis 1115 Grundfreibetrag 26 f. Grundfreiheiten 48 Grundsatz der Folgerichtigkeit 12 Grundstückserwerb – Rückgängigmachung 1118 – tatsächlicher 1116 Grundstücksverwertung – wirtschaftlich 1110 Haftung 240 – Stiftung 1317 – Verein 1317 Haftungsanspruch – Durchsetzungspflicht 1323 Halbabzugsverbot 461 Halbeinkünfteverfahren 24 f., 229, 425, 460, 743, 802 Handelsbilanz – Informationsgehalt 753 1375
Stichwortverzeichnis
Handlungsfreiheit 26 Hauptsacheerledigung 119 Hauptversammlung 1310 Haushaltsinteresse 622 Hedgefonds 232 Hedging 214 Hinausverschmelzung 588, 590 – grenzüberschreitende 608 Hinzurechnung – Finanzierungsanteile 495 – Firmenwert 495 – gewerbesteuerliche 494 Hinzurechnungen 26, 494 Hinzurechnungsbesteuerung 15, 35 f., 467 – britische 783 Höchstpreis 659 Hoheitsgebiet 696 Home State Taxation 759 Honorar – Streitwert 1000 Humanressourcenmanagement 408 IDEA 1231 Ideeler Bereich 107 IFRS 68, 758 Immaterielles Wirtschaftsgut 218 Inboundfall 633, 799 Informationelle Selbstbestimmung 159, 1280 Informationsaustausch – internationaler 152 Informationshilfeverweigerung 157 Informationshilfeverweigerungsrecht 156 Informationsstand – fremdvergleichskonform 659 Inländerdiskriminierung 771 Innengesellschaft 240, 246, 248, 457 Innenleistung – Nichtsteuerbarkeit 1212 Innergemeinschaftlicher Erwerb 1153 Innergemeinschaftliche Lieferung 1148 1376
Innergemeinschaftliches Verbringen 1148 – Registrierungspflicht 1156 Insolvenz 460 Insolvenzrecht 470 Interdisziplinarität 91 Internationalität 92 Intransparenzprinzip 288 Investition 1181 Investitionsabzugsbetrag 506 Investmentgesetz 211 Isolierende Betrachtungsweise 233 IW 797 Jahressteuergesetz 1996 Jahressteuergesetz 1997 Jahressteuergesetz 2007 Jahressteuergesetz 2008 Jahressteuergesetz 2009 Jubiläumsrückstellung
27, 39 40 42, 175, 741 37 442 176, 804
Kapitalanlage 1181 Kapitaleinkommen 58 Kapitalerhaltung 1293, 1305 Kapitalerhaltungsregel 1294 Kapitalerhöhung 1342, 1345 Kapitalerhöhungsgebot 1344 Kapitalerhöhungspflicht 1344 Kapitalerhöhungsprinzip 1344 – Anteilsgewährungspflicht 1343 Kapitalertragsteuer 636, 638, 802 – Anrechnung 643 Kapitalexportneutralität 773 Kapitalgesellschaft 239 – rechtliche Identität 521 – Stimmrechtsbindungsvertrag 1048 – Stimmrechtsverbot 1048 – Trennungsprinzip 541, 849 – wirtschaftliche Identität 523 Kapitalgesellschaftsanteil 1013 – fiktiver Veräußerungsgewinn 842 – Sitzverlegung 948 – Teileinkünfteverfahren 842 Kapitalimportneutralität 773
Stichwortverzeichnis
Kapitalkonto 346 Kapitalrichtlinie 1297 Kapitalverkehrsfreiheit 33, 635, 772 Kapitalvermögen 38, 176, 239, 242 Kassamarkt 212 Kasseneinnahmen 1231 Kaufoption – Kauf 219 – Verkauf 222 Kinderfreibetrag 176 Kindergeld 176 Klagerücknahme 111, 117 KMU 406 Kohärenz 48, 771 – des Steuersystems 33 Kollegialität 94 Kommanditgesellschaft 246 Kommissionär 971, 973 – Funktion 972 – Risiko 972 Kommittent 973 Kommunale Unternehmensteuer 64 Konsum 6 Kontoauskunft – verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren 1248 Kontoöffnung 1247 Kontoöffnungsanordnung 1242 Kontoüberwachung 1247 Kontrollrecht 1028 Konzernbilanzrichtlinie 373 Konzernfinanzierung 1291 Konzernklausel 261 Konzernprivileg 1295, 1297 – Umgestaltung 1300 Konzernsteuerquote 77 Konzernüberschuss 68, 70 Konzernverbundenheit 1357 Körperschaft – öffentlich-rechtliche 882 Körperschaftsteueranrechnung 24 Körperschaftsteueranrechnungsguthaben 777
Körperschaftsteueranrechnungsverfahren 789 Körperschaftsteueraufkommen 796 Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage – konsolidierte 768 Körperschaftsteuerguthaben 25, 802, 954 Körperschaftsteueroption 320 Korrespondenzpinzip – materielles 744 – internationales 741 Kosten 120 Kostenaufschlagsmethode 544 Kostenbeschluss 112 Krankenversicherung 177, 180 Kreditderivat 210, 213 Kriminalitätsbekämpfung 1227 Kundenstamm 601 Land- und forstwirtschaftliches Vermögen 1013 Lasteyrie du Saillant 31, 787 Latente Steuern 70 Laufender Gewinn 425 Lebensführung 7, 417 – private 17 Legalitätsprinzip 1237 Leibrente 176 Leistung 1179 Leistung gegen Entgelt – Spaltung 1185 – Verschmelzung 1185 Leistungsaustausch – mangelnde Gegenleistung 1167 – mangelnder 1186 Leistungsaustauschverhältnis – Ladeschein 1154 Leistungsfähigkeitsprinzip 8, 11, 13, 33, 45 ff., 50 ff., 55, 58, 60, 64, 197, 285, 465, 1062 – Verlustuntergang 273 Leistungsgegenstand – einheitlicher 1176 1377
Stichwortverzeichnis
Lenkungsziel 1063 Leverage-Effekt 281 Lex posterior 8, 892 Lex specialis 8, 15, 892 Lieferung – Definition 1149 – gebrochene Beförderung 1161 – gebrochene Versendung 1161 – konkretes Leistungsaustauschverhältnis 1153 – Ort 1148 f. – Reihengeschäft 1160 – Transportvorgang 1159 – Verfügungsmacht 1150 – Zeitfunktion 1150 – Zeitpunkt 1148 f. – Zwei-Personen-Verhältnis 1160 Limitation-of-benefit-Klausel 702 Limited 913 – Ausschüttungssperre 921 – Beginn Steuerpflicht 930 – Bestandsvergleich 931 – Besteuerung 930 – Besteuerung Gesellschafter 934 – Besteuerung Restgesellschaft 932 – Certificate of incorporation 917 – Companies Act 916 – Companies House 920 – Direktoren 918 f. – Dividende 921 – Durchgriffshaftung 922 – Einlagebewertung 921 – Einlageverpflichtung 921 – Eintragungsvoraussetzung 921 – Ende Steuerpflicht 932 – Gesellschaftsvertrag 917 – Gewerbeanmeldung 914 – Gewerbeschein 914 – Gründung 916 – Gründungskosten 913 – Haftung 921 – Haftung der Organe 922 – Haftungskapital 913 – Haftungsrisiko 914 1378
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Handelsregistereintrag 914 Handelsregistereintragung 917 Insolvenzrecht 924 Insolvenzstraftat 918 Kammerzugehörigkeit 914 Kapitalertragsteuer 935 Liquidationsbesteuerung 932 Liquidator 927 Löschung 921 Memorandum of association 917 Mitbestimmungsrecht 914 Nachfolgegesellschaft 928, 935 Niederlassungsfreiheit 915 Publizitätspflichten 920 Publizitätsverpflichtung 919 Rechnungslegungsverpflichtung 919 – regelmäßige Pflichten 919 – Registrierungsantrag 917 – Restgesellschaft 926 – Schadensersatzanspruch 929 – Scheinselbständigkeit 914 – Sekretär 919 – Selbstkontrahierungsverbot 918 – Sitztheorie 916 – Treue- und Sorgfaltspflichten 923 – unbeschränkte Steuerpflicht 930 f. – verdeckte Gewinnausschüttung 934, 936 – Verwaltungssitz 915 – Vollstreckung 924 – Zuständigkeit 936 – Zustellung 936 – Zwangsabwicklung 921 – Zwangslöschung 925 – Zweigniederlassung 917 Liquidation 246 Liquidität 1304 Liquiditätsbelastung 1005 Liquiditätsprüfung 1303 Liquiditätsschutz 1301 Lohnsumme 1014 Lohnsummenkontrolle 1018 Lohnsummentest 9
Stichwortverzeichnis
Lohnveredler 1162 Lohnzuschläge 17 Long Call 219 Long Put 220 Manninen 24 Mantelkauf 249, 255 f., 258, 516 – anteiliger Verlustuntergang 528 – Erbauseinandersetzung 525 – Erbfall 525 – Erwerberkreis 526 – Fünfjahreszeitraum 528 – Gesetzesvereinfachung 537 – Gleichheitssatz 531 – Grundsatz der Personengleichheit 523 – Konzernklausel 525 – Leistungsfähigkeitsprinzip 531 – Mindestbesteuerung 533 – Missbrauchsbekämpfung 536 – mittelbarer Erwerb 527 – nämlicher Anteil 526 – objektives Nettoprinzip 531, 535 – Rechtsprechung 520 – Sanierungsklausel 530 – schädlicher Erwerb 524 – Steuererhöhung 537 – Trennungsprinzip 532 – Unternehmeridentität 535 – Verfassungswidrigkeit 530 – Verlust nach Anteilserwerb 529 – Vollständiger Verlustuntergang 528 – Wirtschaftliche Identität 533 Mantelkaufrechtsprechung 520 Marks & Spencer 255, 770, 781 Markt- und Gewinnpotential 675 Markteinkommenstheorie 229 Marktkonformität 658 Maßgeblichkeit 402, 752 – Erosion 753 – umgekehrte 752, 757 Maßgeblichkeitsgrundsatz 393, 478, 751, 758
Mehr- und Minderabführung 479 – organschaftlich 480 – vororganschaftlich 480 Mehrfacher Grundstückserwerb – Bemessungsgrundlage 1125 Mehrmütterorganschaft 453, 457 Mehrwertsteuerbetrug 1271 Mehrwertsteuersystemrichtlinie 41 f. Mehrwertsteuer-ZusammenarbeitsVO 155 Meilicke 24 Menschenrechtskonvention, europäische s. europäische Menschenrechtskonvention Methodenartikel 742, 774 Mindestbesteuerung 173, 254 Mindestpreis 659 Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten 267 Mitgliederversammlung – Untersuchungspflicht 1323 Mitgliedschaftsperpetuierung 1342, 1345 Mitgliedschaftsrecht 1177 Mittelbare Erwerbe 260 f. Mittelfehlverwendung 99, 107 Mittelverwendung 102, 105 f. Mitunternehmer 242 Mitunternehmeranteil 324, 424 ff. Mitunternehmerinitiative 243, 249, 1028 Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung – Umwandlung 512 – Unternehmensteuerreform 2008 511 Mitunternehmerrisiko 1028 Mitunternehmerschaft 175, 239, 243, 247 ff., 251, 447, 1028 Mitunternehmerstellung – freies Widerrufsrecht 1031 Mitunternehmerteilanteil 438 – Nachversteuerung 441 1379
Stichwortverzeichnis
– Schenkungsteuer 430 – unentgeltliche Übertragung 430 Mitwirkungsbereitschaft 1230 Mitwirkungspflicht 123, 165 – erhöht 1226 – erweitert 161 – Verletzung 1232 Mündliche Verhandlung 111 f., 116 ff., 122, 131 – Ladung 121 – Verzicht 114, 130 – Wiedereröffnung 129 Mündlichkeitsgrundsatz – Verletzung 124 Mutter-/Tochterrichtlinie 462, 768, 773, 775, 785, 791 „N“ EuGH-Urteil 787 Nacherbschaft 1016 Nachfolgeklausel – qualifizierte 841 Nachgelagerte Besteuerung 30 Nachsteuer 440 Nachvermächtnis 1016 Nahe stehende Person 264 Nämlicher Anteil 268 Nettoprinzip 29, 53, 60 f. – objektives 8, 17, 20, 63, 178, 285, 782, 795 – subjektives 177 f., 202 – Verlustuntergang 273 – Verstoß 5 Nichtanwendungserlass 146, 186 Nichtanwendungsgesetz 146 Nichtbesteuerung – Verhinderung 697 Nichterhebung Grunderwerbsteuer – Mittelbarer Anteilsübergang bei vermittelnden Kapitalgesellschaften 1134 – Verlängerung Beteiligungskette durch Zwischenschaltung Personengesellschaft 1139 Nichtzulassungsbeschwerde 193 1380
Niederlassungsfreiheit 31 f., 33, 35 f., 635, 772, 783 – Cartesio 816 – De Lasteyrie du Saillant 940 – EU-Betriebsstätte 813 Niedrigsteuergebiet 232 Nießbrauch 229, 1026 – Laufender entnahmefähiger Gewinn 1043 – Mitbestimmungsrechte 1038 – Mitunternehmerinitiative 1038, 1041 – Mitunternehmerrisiko 1038, 1041 – Mitunternehmerstellung Beschenkter 1040 – Mitunternehmerstellung Schenker 1040 – Quotennießbrauch 1039 – Substanzerträge 1043 – Teilhaberechte 1038 Nießbraucher – Stimmrecht 1043 Normenklarheit 173 Nottestament 1053 Nutzenprinzip 48 ff., 52 f., 54, 64 Nutzungsentstrickung 944 Oberlandesgericht – Beschwerde 1242 Oberleitung – geschäftliche 588, 593 Oberpersonengesellschaft – Mitunternehmeranteil 431 Oberpersonengesellschaftsanteil – Verkauf 438 OECD 49 OECD-Musterabkommen 154, 235, 237, 774 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 716, 733 Offenbarungspflicht 1261 Offene Rücklagen – fiktive Vollausschüttung 849
Stichwortverzeichnis
Öffentlichkeit 120 – Verfahren 127 Ökonomische Effizienz 62 Option 213 – American Style 213 – Bermuda Style 213 – Call 213, 234 – European Style 213 – Glattstellung 233 – Put 213 Optionsmöglichkeit 1215 Optionsprämie 233 Optionsrecht 217 f., 233, 235 f. Ordnungswidrigkeit 1233 Organgesellschaft 250, 446, 457 – Eingliederung 1195 – finanzielle Eingliederung 452 – juristische Person 1192 – Übertragungsgewinn 490 – Umwandlung 478 – Unternehmereigenschaft 1190, 1212 Organisatorische Eingliederung – Beherrschungsvertrag 1206 – Berichtspflicht der Geschäftsführung 1204 – Buchführung Organgesellschaft 1204 – Fernsprechanschluss 1204 – geschäftsführungsähnliche leitende Position 1204 – Geschäftsführungsordnung 1212 – Geschäftssitz 1204 – Gesellschafterbeschluss 1204 – Gesellschafterversammlung 1204 – Innen- und Außenverhältnis 1205 – personelle Verflechtung 1203 – personelle Verflechtung beim Organträger 1207 – Postschließfächer 1204 – Sequester 1203 – vorläufiger Insolvenzverwalter 1203
– Willensbildung 1212 – Zustimmungsvorbehalte 1204 Organkreis 1212 – Innen- und Außenumsatz 1209 – Innenleistung 1191, 1212 – rechtsformneutrale Besteuerung 1193 Organschaft 250, 256, 259, 292, 446 – Anzahlung 1210 – Ausgleichsposten 482 – Beginn 1208 – Einlagenrückgewähr 484 – Ende 1208 – finanzielle Eingliederung 1189, 1197 – GmbH & Co. KG 1196 – Mehr- und Minderabführungen 477 – Mehrmütterorganschaft 1208 – Mehrwertsteuerrechtliche Gruppenbesteuerung 1190 – organisatorische Eingliederung 1189, 1202 – Rechtsformneutralität 1191 – Wahlrecht 1194 – Wechselseitige Beziehungen 1196 – wirtschaftliche Eingliederung 1189, 1200 Organträger 250, 446 – Mitunternehmerschaft 452 – stille Beteiligung 450 – stille Teilhabe 449 – Unternehmereigenschaft 1190, 1212 Organwalter – Sorgfaltspflicht 1300 Österreich 256 OTC 212, 214 Outboundfall 633, 799 Pacta sunt servanda 693, 695, 697 Parlamentsvorbehalt 173, 697 Passiver Ausgleichsposten 398 Passivierungsbeschränkungen 393 1381
Stichwortverzeichnis
Passivierungsverbot 394, 399 Patente 588 Pendlerpauschale 13, 17, 171, 177, 180, 204 f. Pension 29 Pensionsrückstellung 396, 631 Personengesellschaft 239 – Auslandsgewinne 329 – doppelstöckig 323 – Transparenzprinzip 849 – Veräußerungsgewinn 333 – Veräußerungsverlust 333 – Zinsen 330 – zwischengeschaltet 471 Personengesellschaftsanteil – Verkauf 424 Personengesellschaftsbeteiligung 425 Personenidentifikationsnummer 1230 Persönlichkeitsrecht 708 Pflichtteilsanspruch 1010 Planungssicherheit 62 Poolklausel 1046 Poolvereinbarung 1046 – Betriebsvermögen Vorbesitzzeit 1053 – einheitliche Stimmrechtsausübung 1049 – Einheitlichkeit 1049 – Konfusion 1053 – konzernrechtliche Konsequenzen 1056 – Kündigung 1054 – Kündigungsklausel 1047 – Mitbestimmungsgesetz 1056 – Nachsteuerperiode 1050 – Pfandrecht 1050 – Pönalisierungsklausel 1047 – Stimmbindung 1048 – Syndikatsvertrag 1048 – tatsächliche Anteilspoolung 1055 – Verlustvortrag 1055 – Verpfändung von Anteilen 1050 1382
– Vertragsstrafenversprechen 1047 – Verwaltungsvermögenstest 1052 – von Todes wegen 1053 – WpHG 1056 – WpÜG 1056 Poolvertrag 1045 Porsche SE 225 Präjudiz 146 Preisbildung 654 Primärrecht 33 Prinzipien 7 – Optimierungsgebote 6 Prinzipienkollision – scheinbare 9 f. Prinzipiennachrang 9 Private Lebensführung 409, 418 Private Lebenssphäre 29 Privatstiftung – Destinatärkreis 1023 Professionalität 91 Progression 27 Protokoll 116 f., 128 Prozessökonomie 113 Prozessstoff 116, 118 Prozessverschleppung 122 Prüf- und Analyseprogramm 1231 Qualität – der Beratung durch einen Partner von FGS 91 Quellenbesteuerungsrecht 785 Quellenprinzip 152 Quellenstaat 774 – Zinsen 775 Quellensteuer 709, 769 – Anrechnung 337, 742 Quellentheorie 778 Realisationsprinzip 33, 394, 795 Realisationsthese 397 f. Realteilung 245 ff. Rechnungslegungsgrundsätze 803 Rechnungslegungsstandards 68 Rechnungswesen 76
Stichwortverzeichnis
Rechtliches Gehör 112, 118, 123 – Verletzung 124 Rechtsberatung 90 Rechtsberatungsunternehmen 88 Rechtsbeugung 186 Rechtsformneutralität 6, 22, 63, 64, 290, 294, 296 f., 320, 770 – Unternehmensbesteuerung 295 Rechtsgrundtheorie 610 Rechtshilfe s. Amts- oder Rechtshilfe Rechtskontinuität 142, 149 Rechtspflege 184 Rechtsprechungsänderung 133, 138 Rechtsschutz 625 Rechtsschutzgarantie 624 Rechtssicherheit 137, 139 Rechtsstaatlichkeit 172 – formelle 699 – materielle 699 Rechtsstaatsprinzip 116, 138, 141, 172, 199, 710 Rechtsträgerbesteuerung 290 f., 296, 298 – Erbschaftsteuer 292 Rechtsüberzeugung 136 Reisekosten 42 REIT 957 REIT, ausländischer – Abgeltungsteuer 963 – Anrechnungsmethode 964 – Betriebsvermögen 963 – Doppelbesteuerungsabkommen 961 – Erscheinungsform 959 – Ertragsbesteuerung 958, 963 – Gewerbesteuerpflicht 964 – Hinzurechnungsbesteuerung 967 – Investmentsteuergesetz 960 – Kapitalgesellschaft als Anteilseigner 963 – Kategorisierung 961 – OECD-Musterabkommen 961 – REIT-Gesetz 960
– Statuswechsel 966 – Veräußerungsgewinn 965 – Veräußerungsverlust 965 – Zwischeneinkünfte 968 Rente – gesetzliche 29 Ressourcenverbrauch 408 Richterbank 120 Richterrecht 144 Risikomanagement-System 1230 Risiko-Überwachungssystem 1309 RMS-Betriebsprüfung 1231 Robe 117 Rückgewähranspruch 1300, 1302 Rücklagenkonto 347 Rückwirkung 134, 173 f. – echte 140 – unechte 140 Rückwirkungsfiktion 489 Rückwirkungsverbot 472, 1235 Rügerecht 124 – Verlust 123 Rügeverzicht 123 Ruhegehalt – Kassenstaat 879 – OECD-Musterabkommen 879 – Österreichischer Verwaltungsgerichtshof 880 Sachaufklärungsmaßnahme 151 Sachaufklärungspflicht – Verletzung 123, 126 Sacheinlage 1181 – Definitivbelastung 1182 Sachgesamtheit 390 Sachwertabfindung 245, 248 Sanierungsverpflichtung 396 Schachtelermäßigung 291 Schachtelprivileg – gewerbesteuerliches 638 Schadensersatz – Prüfungsgesellschaft 1326 – Revision 1326 – Whistle Blowing 1326 1383
Stichwortverzeichnis
Schadensersatzanspruch 186 – Durchsetzungspflicht 1318, 1322 – Geltendmachung 1325 – Pflichtverletzung 1318 – Prüfung 1325 – Stiftungsaufsicht 1324 – Vorstandsmitglieder 1317 Schadensgefahr 157 Schenkung 38 – atypische Unterbeteiligung 1034 f. – Bereicherung 1027 – Mitunternehmerinitiative 1031 – Nießbrauchsvorbehalt 1030, 1036 – schulrechtliche Anwartschaft 1027 – Steuerentstehung 1026 – Treuhandverhältnis 1030 – typische Unterbeteiligung 1035 – Unterbeteiligung 1030 – Vorbehalt des Widerrufs 1030 – Vorbehaltsnießbrauch 1037 – wirtschaftliche Betrachtungsweise 1027 Schenkung Gesellschaftsanteil – Treuhandverhältnis 1032 – Vollschenkung 1030 Schenkung unter Vorbehalt 1026 Schenkungsteuer 250 Schlussbilanz – steuerliche 631 Schmiergeld 1226 Schmuggel 1241 Schrankenwirkung 731 Schulden – private 390 Schuldenabzug 1060 Schuldzinsen – nicht abziehbar 437 Schutz des Eigentums 172 Schutz von Ehe und Familie 39 Schwarzarbeit 1227 Schwesterverschmelzung 1344 SE – Abkommensberechtigung 567 1384
– aufgeschobene Besteuerung 566 – Ausschüttung 566 – Gesellschafterbesteuerung 567 – inländische Einkünfte 563 – Organschaft 564 – Sitzverlegung 559, 562, 813 – Verlustvortrag 564 – Verschmelzung 813 – Zinsvortrag 564 Selbstanzeige 1283 SEStEG 32, 561, 630, 939 – Fusionsrichtlinie 813 Short Call 222 Short Put 223 Sicherungsabrede 1302 Sicherungsmittel – Stand-alone-Betrachtung 468 Sitzverlegung 560 – Besteuerung 583 – Fusionsrichtlinie 561 – Liquidationsbesteuerung 948 – Mutter-Tochter-Richtlinie 561 – Satzungs- und Verwaltungssitz 815 – Sofortbesteuerung 560 Sofortbesteuerung 34 – Milderung 817 Sollertragsteuer 55 Solvenzprüfung 1303 Sonderausgaben – Altersvorsorgeaufwendungen 30 – Berufsausbildung 28 Sonderausschüttung 802 Sonderbetriebsvermögen 509 – Erbfall 841 Sonderbilanz 324 Sondersteuersatz 322 Sondervergütung – Ansässigkeitsstaat 709 Sondervorteil – unzulässiger 1349 Sorgfaltspflichtverletzung 1305 Souveränität 696 Sozialstaat 15
Stichwortverzeichnis
Sozialstaatsprinzip 26, 172 Sozialzwecknorm 96 Spaltung – Verzicht auf Anteilsgewährung 1341 Spekulationsfrist 174 Spekulationsgeschäft 214 Spekulationsgewinne 178 Spende 408, 416 Spendenabzug 4, 17, 103 ff., 419 f. Spendenhaftung 107 Sperrbetrag 790 Spiegelbildmethode 432 Spitzensteuersatz 323 Sponsoring 416 Sponsoringaufwendungen 411 Sponsoringerlass 415, 417 Sponsoringzahlung – Schenkungsteuer 418 Spontanauskunft 159 f., 166 Staatenwettbewerb 49 Stammhaus 588, 597, 633 – Zentralfunktion 589, 594, 596, 606, 608 Stand-Still-Klausel 42 Steuerabteilung 75 – Eigenständigkeit 76 – Führungs- und Steuerungsmechanismen 78 – Zentralisierung 77 Steueraufschub 818 Steuerbarkeit – Einbringung Vermögensgegenstände in Personengesellschaft 1216 – Vorweggenommene Erbfolge 1215 Steuerbegünstigung 106 f. Steuerberater 184 Steuerberatung 65 f. – extern 83 – im Konzern 71 – Organisation 74 Steuerberatungskosten 202 f.
Steuerbereinigungsgesetz 1999 173, 180 Steuerbescheid – Bestandskraft 611 Steuerbilanzwert 39 Steuerdeklarationsberatung 188, 192 Steuerdurchsetzungsberatung 188 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 41, 43, 174, 215 Steuerentstehungszeitpunkt 1008 – Ausnahmen 1008 Steuererklärungspflicht 188 Steuerfahndung 1277 Steuergeheimnis – international 158 Steuergerechtigkeit 62, 185, 198 – Grundsatz 1062 Steuergestaltungsberatung 188, 196 Steuerhinterziehung 187, 1228, 1255 – grober Eigennutz 1234 – Nichtanwendungserlass 1265 – Strafzumessung 1256 – unrichtige Angaben 1259 – unterlassene Angaben 1259 – unzutreffende Rechtsansicht 1257 – vorsätzliche 1233 Steuerliche Gewinnermittlung – Objektivierung 755 Steuerliche Rechnungslegung – Optimierung 70 Steuerliches Einlagekonto 483 Steuerneutralität 754, 940 Steueroase 1270 Steuerpflicht – beschränkte 232, 234 ff., 638, 706, 708 – unbeschränkte 706 Steuerpflichtiger – Erbe 840 – Erblasser 840 Steuerplanung 73 Steuerpolitik 71, 95, 205 Steuerposition – Optimierung 69 1385
Stichwortverzeichnis
Steuerprogression 46 Steuerrechtsordnung 205 Steuerrechtssicherheit 185 Steuerrechtswissenschaft 95 Steuersatz – ermäßigter 424 Steuersatzsenkung 319 Steuerschuld – Gesamtrechtsnachfolger 841 – Nachlassverbindlichkeit 841 Steuersouveränität 627 Steuerstrafrecht 1238 Steuersubstrat 5, 53 f., 632, 716, 774, 797 Steuersubstratverlagerung 776, 799, 804, 810 Steuerüberleitungsrechnung 807 Steuervereinfachung 3, 200, 1081 Steuerverfahrensrecht – Gemeinschaftsrecht 613 Steuervergünstigungsabbaugesetz 453 Steuerverhaftungsbedingung – Verletzung 634 Steuerverkürzung 160 Steuervermeidung 1255 f. Steuervollzug 61 Steuerwert 39, 1059 Steuerwettbewerb 49 – Verschärfung 791 Steuerwiderstand 61 Steuerzentriertheit – der Rechtsberatung 88 Stiftung 417 Stiftungsaufsicht – staatliche 1324 Stille Gesellschaft 241, 445 f., 457 – atypische 239, 243, 249, 251 – typische 239 Stille Reserven – Aufdeckung 426 – Sofortbesteuerung 33 Stillhalter 213, 233 Stillhalterprämie 234 1386
Stimmrecht 259, 1028 Strafrahmen 1271 Strafsteuersystem 101 Straftat 1237 Strafvereitelung im Amt 1228, 1257 Strafverfolgungsverjährung 1234 – Verlängerung 1235 Strafzahlung 107 Streitstand 114 Strohfirma 36 Stufentheorie 392 Stuttgarter Verfahren 1059 Subsidiaritätsprinzip 159 ff. Subsidiaritätsvorbehalt 164 Substanzbesteuerung 26, 276 Substanzschutz 33 Subsumtion – prinzipiengeleitet 9 Swap-Geschäft 233 Tafelgeschäft 235 Tarifbegrenzung 175, 179 Tarifbegünstigung 430, 441 Tarifentlastung 53 f. Tatbestand – Verlesung in der mündlichen Verhandlung 116 Tatsachen – steuerlich erhebliche 192 Tatsächliche Verständigung 1232 Tauschgeschäft 236 Tauschgrundsätze 226 Tax Accounting/Reporting 72 Tax Risk Management 72 Teileinkünfteverfahren 229, 231, 236, 336, 425, 433, 461, 513, 496, 638, 643, 786 Teilfunktionsverlagerung 543 Teilwertabschreibung – ausschüttungsbedingt 789 Telefonüberwachung 1234 Telekommunikationsüberwachung 1272
Stichwortverzeichnis
Termingeschäft 211, 214 ff., 233 ff. – bedingt 213 – Total Return Swap 227 – unbedingt 212 Terminsaufhebung – erheblicher Grund 121 Terminsverlegung – Ablehnung 122, 126 – Antrag 122 Territorialität – formelle 151, 161, 167 – materielle 151 Territorialitätsprinzip 47, 152, 163 f., 780, 783, 787 f. Testamentsphobie 998 Testamentsvollstrecker 1002 Theorie der finalen Entnahme 580, 595 Thesaurierung – Besteuerung 782 Thesaurierungsbegünstigung 319, 321 f., 357, 440, 443, 493, 498 – Aufgabegewinn 334 – ausländische Betriebsstättengewinne 332 – ausländische Direktinvestitionen 328 – Auslandsdividenden 336 – Auslandsgewinne 331 – beschränkte Steuerpflicht 339 – Dividende 337 – Doppelbegünstigung 323 – Einlage 325 – Entnahme 325 – Lock-in Effekt 331, 333, 326 – Nachversteuerung 322, 327, 441 – Nachversteuerungsbetrag 325 f. – nicht entnommener Gewinn 324 – Progressionsvorbehalt 334 – Sonderbetriebsvermögen 325 – Steuerbilanzgewinn 325 – Steuerermäßigung ausl. Einkünfte 335 – steuerpflichtiger Gewinn 325
– Veräußerungsgewinn 323, 334, 338 – Veräußerungsverlust 339 – Verlustverrechnung 328 – Zwischenholding 338 Thesaurierungsbelastung 325, 794 Thesaurierungsbesteuerung 425 Tochtergesellschaft 36 – Ungleichbehandlung 777 Total Return Swap 227, 233 Transferpaket 543, 719, 722 – Basiszinssatz 876 – Bewertung 724, 873 – direkte Wertermittlung 548 – Discounted-Cashflow-Verfahren 548 – Diskontierungsfaktor 553 – Einigungsbereich 546 – Ertragswertverfahren 548 – Escape-Klausel 545 – fiktiver Veräußerungsgewinn 824 – Funktion als Ganzes 666 – Funktionsgewinn 550 – Funktionsverlagerungsverordnung 873 – Gesamtbetrachtung 556 – Gewinnpotenzial 546 – hypothetischer Fremdvergleich 723 – indirekte Wertermittlung 547 – Kapitalisierungszeitraum 552 – Planrechnung 546 – Reingewinn nach Steuern 875 – Risikoaufschlag 876 – Steuerberücksichtigung 550 – Tätigkeitsgewinn 874 – Übergang Geschäftswert 869 – Übersicht 667 Transferpaketansatz 665, 716 Transformationstheorie 692 Transparente GmbH – ausländische GmbH 315 – einfache Transparenz 315 – internationale Aspekte 313 1387
Stichwortverzeichnis
– Quellensteuer 314 – Rückoption Intransparenz 314 – Veräußerungsgewinn 314 Transparenz 62, 305, 320 – Betriebsaufspaltung 309 – Gewerbesteueranrechnung 308 – nicht abzugsfähige Betriebsausgaben 306 – Schachtelerträge 307 – Sonderbetriebsvermögen 309 – Thesaurierungsrücklage 306 – Veräußerungsgewinn 308 Transparenz der Verhältnisse 1297 Transparenzebene – übergeordnete 657 Transparenzfiktion 656, 660, 664 Transparenzfunktion 683 Transparenzprinzip 288, 522, 784 Treaty Override 687, 695, 702 f., 705, 708 ff., 737, 746, 851, 890, 892 – Begriff 689 – Doppelbesteuerng 708 – Doppel-Nichtbesteuerung 711 – Europarecht 896 – Grundrechte 714 – Keinmalbesteuerung 893 – Missbrauchsverhinderung 893 – Rechtsstaatsgebot 895 – Sicherstellung Besteuerungssubstrat 893 – Verfassungsrecht 894 – Völkerrecht 894 – Völkerrechtsfreundlichkeit 895 – Völkerrechtswidrigkeit 714 Trennungsprinzip 240, 521 f., 784 – Durchbrechung 770 Treu und Glauben 191 Treuepflicht – gesellschaftsrechtliche 1349 Treugeber – Aussonderungsrecht 1035 – Insolvenz 1035 Treuhänder – Insolvenz 1035 1388
Treuhandverhältnis 1026 Typische Unterbeteiligung – Bereicherung 1036 Überentnahme 437 – Personengesellschaftskonzern 353 Überführung 814 – Entstrickungstatbestand 816 – EU-Betriebsstätte 817 – Steuerpflicht 817 Übergangsregelung 174 Übermaßverbot 106 Übernahmegewinn 637 – beschränkte Steuerpflicht 639 Übernahmeverlust 254 – Verrechnung 643 Übernehmende Körperschaft – Anschaffungsfiktion 1353 Überraschungsentscheidung 131 Übertragende Körperschaft – Veräußerungsfiktion 1353 Übertragungsgewinn 260, 634 – europarechtliche Bedenken 634 Übertragungsstichtag – steuerlicher 631 Umsatz – Leistungsaustauschverhältnis 1151 Umsatzbesteuerung – Endverbraucher 1168 Umsatzsteuer 6, 51, 1147 – Aufspaltung zur Auflösung 1183 – Besteuerungsoption 1192 – Formwechsel 1185 – Organschaft 1189 – rechtsformneutral 1170 – Spaltung 1183 – steuerliche Neutralität 1192 – Vermögensübertragung 1185 Umsatzsteuer-Binnenmarkt 1164 Umsatzsteuerkarussellgeschäft – Kettengeschäft 1237 Umsatzsteuerrecht – europäische Richtlinienvorgaben 1167
Stichwortverzeichnis
– Harmonisierung 1167 Umstrukturierung – grenzüberschreitende 599 Umstrukturierungsmaßnahme 408 Umwandlung – Formwechsel 1171 – grenzüberschreitend 940 – Kapital- in Personengesellschaft 849 – Kapitalgesellschaft 629 – nicht steuerbarer Umsatz 1167 – Spaltung 1171 – Übernahmegewinn 482 – Vermögensübertragung 1171 – Verschmelzung 1171 Umwandlungsbeschluss 1176 Umwandlungssteuergesetz – Maßgeblichkeitsgrundsatz 952 Umwandlungsstichtag 608 Umweltbetriebsprüfung 408 Umweltmanagement 408 Umweltverschmutzung 408 Umzugskosten 42 Unabhängiger Finanzsenat – Beschwerde 1242 Unbeschränkte Steuerpflicht s. Steuerpflicht, unbeschränkte Unterbeteiligung 228, 236, 446, 1026 – Insolvenzfall 1035 Unterbilanz 1293 – Rückzahlungsanspruch 1294 Unterhaltsverpflichtung 177 Unternehmensbegünstigung nach Wahl im bisher geltenden ErbStRecht 1060 Unternehmensbewertungsgrundsätze – IDW 863 Unternehmenskauf – Bruttobetrachtung 389 – Nettobetrachtung 389 Unternehmenskontinuität 1005 Unternehmensnachfolge 1005, 1025 Unternehmensteuerreform 1080
Unternehmensteuerreformgesetz 2008 24, 26, 53, 62, 234, 256, 277, 493, 496, 542, 647, 715, 793, 795, 889, 986 Unternehmensübergang – Erbfall 1169 Unternehmensumstrukturierung – nicht steuerbarer Umsatz 1173 – umsatzsteuerliche Rechtsfolgen 1168 Unternehmensvermögen – Bruchteilsgemeinschaft 1217 Unternehmenswert 68, 75 Unternehmeridentität 257, 522 Unternehmernachfolge 997 Unternehmerprobleme 998 Unternehmertestament 1007 Unterstützungsverbot 1295 Untersuchungspflicht – Stiftungsaufsicht 1324 Up-stream-merger 1178 – Bemessungsgrundlage 1127 Urteil 112 Urteilsformel 117 US-GAAP 68 Valutaverhältnis 1180 Venture Capital Fonds 266 Veranlagungswahlrecht 786 Veranlassungsprinzip 407 Verantwortlichkeit 91 Veräußerungsfiktion – Geschäftsbeziehung 824 Veräußerungsgeschäft – privates 233 Veräußerungsgewinn 229, 425, 462 – Begünstigter 428 – Besteuerung 790 – Gewerbesteuerpflicht 429 – Siebenjahreszeitraum 434 – Teileinkünfteverfahren 953 Veräußerungsgewinnbesteuerung – fiktive 560 1389
Stichwortverzeichnis
Veräußerungsgewinne 645 – aus Anteilen 235 Veräußerungskosten 842 Veräußerungspreis – gemeiner Wert 842 Veräußerungsverlust 466 Verbrauch 1179 Verbrauchsteuertatbestand 51 f. Verbringen – rechtsgeschäftsloses 1162 Verdeckte Einlage 1357 Verdeckte Gewinnausschüttung 420, 741, 1357 – fehlende Einkommensminderung 745 Verfahrensmangel 123 f. Verfassungsbeschwerde 194 Verfassungskonforme Interpretation 712 Verfassungsrecht – erbschaftsteuerliche Begünstigung 1075 – erbschaftsteuerliche Bewertung 1074 – Gemeinwohlgründe 1076 Verhaftungsbedingung 632 Verhältnismäßigkeit 34, 159, 621, 624, 707, 1062 – gemeinschaftsrechtliche 164 Verkaufsoption – Kauf 220 – Verkauf 223 Verkehrswert 16, 38 f., 1084 – einheitlich 40 Verkündung – Urteil 117 Verlagerung – Ausland 5 Verlust – verrechenbarer 439 Verlust der Gemeinnützigkeit 106 Verlustabzug 254 f., 258 f., 268, 442 – gewerbesteuerrechtlich 175 – Vererblichkeit 133 f., 136, 143, 148 1390
Verlustabzugsbeschränkung 260, 270, 515, 519 Verlustausgleich – Anspruch 478 Verlustausgleichsbeschränkung 48 Verlustausgleichspflicht 1297 – Nichterfüllbarkeit 1298 Verlustberücksichtigung 15, 253 Verlustdeckungsvertrag 1327 Verlustgesellschaft 261 Verlustnutzung 253, 257 Verlustrücktrag 254, 268 Verlustübernahmevertrag – Abwehr- und Kontrollmöglichkeit 1335 Verlustuntergang 257, 261 – Organschaft 270 – Umfang und Zeitpunkt 267 – Vermeidung 271 Verlustvernichtung 443, 522 Verlustverrechnung 237, 255, 781 Verlustverrechnungskonto 347 Verlustvortrag 249, 253 f., 260, 265, 436 Verlustvortragshandel 518 Vermächtnis 1020 – Auflagen 1023 – aufschiebend bedingt 1014, 1019 – Potestativbedingung 1021 – sonstige Regelungen 1023 – Testamentsvollstreckung 1023 Vermächtnisanfall – Befristung 1022 Vermächtnisgegenstand – Veränderbarkeit 1018 Vermächtnisnehmer 1015, 1020 Vermittlungsausschuss 180 Vermögensbildung 6, 101 ff., 107, 1305 Vermögensgegenstand 400 – Anschaffungskosten 1355 – Zeitwert 1355 Vermögensteuer 56, 171, 1058
Stichwortverzeichnis
Vermögensübertragung – Nichtsteuerbarkeit 1221 Vermögensverlagerung – offene 1303 – verdeckte 1303 Vermögensverlust 1236 Verpächterwahlrecht 509 Verrechnungspreis 541 f., 544, 647, 780, 795, 974 – interner 809 – marktkonformer 657 Verrechnungspreisbildung 651, 890 – Bandbreite 862 – Fremdvergleichsgrundsatz 903 – Höchstpreis 862 – hypothetischer Fremdvergleich 862, 906 – Informationstransparenz 904 – konkreter Fremdvergleich 905 – Mindestpreis 862 – OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 905 Verrechnungspreismethode 719 Verschaffungsvermächtnis 1012 Verschmelzung 591, 1174, 1345 – Anschaffungsvorgang 1355 – Gesamtrechtsnachfolge 1175 – Leistungsaustausch 1172 – nicht steuerbarer Umsatz 1167 – Organisationsstruktur 592 – sanierende 1348 – verdeckte Einlage 1355 – Verlustvortrag 953 – Verzicht auf Anteilsgewährung 1341, 1355 Verschmelzungsbericht 1347 – Verzicht 1350 Verschmelzungsgewinn 486 Verschmelzungsprüfung 1347 – Verzicht 1350 Verschmelzungsrichtlinie 940 Verschmelzungsstichtag 594 Verschonungsabschlag 1006, 1046 – Bedingungseintritt 1015
– Bewertungsstichtag 1015 Verschonungsvoraussetzungen 1011 Versendung – gemischte 1162 Versendungslieferung 1154 Verstrickung 951 Verteilungsgerechtigkeit – zwischenstaatliche 773 Vertrag – Dauerschuldcharakter 228 Vertragsbruch 699 Vertragsgesetz 699, 703 Vertrauensschutz 133 f., 137, 139, 141, 145, 147, 149, 173 f., 182 Vertreter – abhängiger 979 – Abhängigkeitsformen 980 – Abkommensrechtlich 978 – Definition 974 – ständiger 983 Vertretertätigkeit – Definition 977 Vertriebseinheit – ständiger Vertreter 972 Verwaltungsabkommen – Völkerrechtlich 160 Verwaltungsrat 1307 Verwaltungsvermögen 1008 – Begünstigungssperrfrist 1018 Verwerfungsmonopol 42 Verwertungsverbot 1280, 1282 Verzicht auf Anteilsgewährung 1345 – Verschmelzung 1352 Verzichtserklärung 1350 – Handelsregisteranmeldung 1351 – Rechte Dritter 1351 Vierte EG-Bilanzrichtlinie 754 Völkerrecht – Vertragsänderung 693 – Vertragskündigung 693 Völkerrechtlicher Vertrag – Bindungswirkung 693 – Vorrang 695 1391
Stichwortverzeichnis
Völkerrechtsfreundlichkeit 698, 700, 705, 710 Völkerrechtssubjekt 694 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 796 f., 805, 809 Vollstreckungshilfe 157 Vollwertigkeitstest 1302 Vollzugsdefizit 62, 167 Vorerbschaft 1016 Vorgelagerte Besteuerung 30 Vorlagebeschluss 172 Vorstandsgehälter – Offenlegung 1314 Vorsteuerabzug 6, 41 f., 1179 – Beteiligung 1221 – Beteiligungsaufwand 1218 – Nichtgewährung 1169 Vorsteuerberichtigung 1215 Vorvermächtnis 1016 Vorweggenommene Erbfolge 509, 1025 Vorzugsaktien 259 Votum 114 Wahlrecht – handelsrechtlich 757 Waren- und Dienstleistungsverkehr – freier 1164 Wechsel zur Intransparenz 312 – Gewinnrücklagen bei Rückoption 312 – Liquidation bei Rückoption 312 – Verluste des Gesellschafters bei Rückoption 313 Wechsel zur Transparenz 310 – Begrenzung des Optionsrechts 311 – Gewinnrücklage 310 – Optionalität 310 – Regelstatut 310 – Verluste 311 Wegzugsbesteuerung 15, 31, 48, 778, 787, 949 – Abfindung 848 – Administrierbarkeit 827 1392
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Amtshilfeabkommen 844 Amtshilferichtlinie 827 Anteilsübergang 839 Anteilsübertragung von Todes wegen 839 Anzeige- und Meldepflicht 949 Ausgleichsposten 827 Ausgleichspostenmethode 833 beschränkte Steuerpflicht 819 Beteiligungsbesitz 821 Beteiligungsentstrickung 837 Betriebsstättenvorbehalt 820, 825 De Lasteyrie du Saillant 836 Doppelbesteuerung 846 Entnahmefiktion 830 Entstrickung 819 Erb- und Schenkungsfall 835, 846 f. Erbfall 949 Erbschaft ausschlagen 848 EU-Primärrecht 826 Europarechtswidrigkeit 828 EU-Sekündärrecht 826 fiktiver Veräußerungsgewinn 838 finale Entnahmetheorie 820, 826, 828 f., 833 Fünfjahreszeitraum 843 Fusionsrichtlinie 819 grenzüberschreitender Schenkungsfall 836 internationaler Erb- und Schenkungsfall 836 Kapitalgesellschaftsanteile 837 Leistungsfähigkeitsprinzip 845 Liquidationsbesteuerung 819 Mehrfachbesteuerung 846 Milderung 847 Mindestbesteuerung 822 Mittelzufluss 845 nachlaufendes Besteuerungsrecht 831 Niederlassungsfreiheit 825, 833, 836 passiver Ausgleichsposten 825
Stichwortverzeichnis
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Pensionsrückstellung 822 Personengesellschaft 848 Realisationsprinzip 845 Realisationszeitpunkt 829 Realisierung (Außenumsatz) 830 Rückkehrtatbestände 843 Rückverstrickung 852 Schenkung 839, 949 SEStEG 836 Sofortbesteuerung 824 Steuermindereinnahmen 827 stille Reserven 832 Stundung 32, 844, 949 Überführung 829, 833 Überführungszeitpunkt 829 ungemilderte Sofortbesteuerung 833 – Veräußerungsfiktion 830, 832 – Verhältnismäßigkeitsprüfung 827 – Verlustverrechnung 821 – Verlustvortrag 819, 821 – Vermeidung 847 – Vertragsverletzungsverfahren 827 – Zinsvortrag 820 Weiße Einkünfte 742 Weisungsrecht 1298 Welteinkommen 161, 707 Welteinkommensprinzip 152, 154, 706, 708, 775, 781 Werbungskosten 7 Werkstorprinzip 181 Wertaufholungsgebot 804 Wertaufholungsgewinn 642 Wertpapierpensionsgeschäft 227 Wesentliche Beteiligung 234 f. Wesentliche Betriebsgrundlage 425 f., 494, 509 – langfristige Überlassung 1214 Wettbewerbsfähigkeit 6 Widerrufsvorbehalt 1026 Widerspruchsfreiheit 185 Widerspruchsrecht 1028 Wiener Vertragsrechtskonvention 696 f.
Willkürverbot 707, 1062 Wirtschaftliche Eingliederung 1212 – Einwirkungsmöglichkeit 1201 – Leistungserbringung Organträger 1201 Wirtschaftsgut – Betriebsgrundstücke 574 – Einbringung 1219 – Finanzmittel 576 – Goodwill 576 – immaterielles 576, 631, 633 – materielles 573 – Zuordnung 560, 573 Wissenschaftlichkeit 92 Wohnsitzstaat 237 Wohnungsdurchsuchung 1283 Zahlungsverbot 1299 Zeitreihengesetz 1231 Zentralfunktion – Stammhaus 821 Zentralfunktionsgrundsatz 599 Zeuge 115 ZEW 798 Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie 768, 775, 791 Zinsabzugsverbot 63 Zinsaufwand 5 Zinsertragsteuer-Richtlinie 153 Zinspflicht 1156 Zinsschranke 8, 54, 63, 275 ff., 443, 475, 516, 793, 890, 897 – abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote 901 – Anpassungsbedarf 285 – DBA-Unvereinbarkeit 899 – Eigenkapitalanteil 280 – Eigenkapitalquote 898 – Escape-Klausel 278, 284, 901 – fehlende Konzernzugehörigkeit 898 – Finanzmarktkrise 283 – Freigrenze 278, 898 – Grundfreiheiten 902 1393
Stichwortverzeichnis
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IFRS-Abschluss 282 Konzernklausel 278 Organschaft 284 Quellenbesteuerung 898 Rekapitalisierungen 281 Rückausnahme 279 Umwandlungen 285 Vendor Note 281 verdeckte Diskriminierung 900 wirtschaftliche Doppelbesteuerung 898 f. – Zins- und Linzenzrichtlinie 900 – Zinsvortrag 280 Zinsvortrag 434, 436, 438, 442 Zumwinkel 1274 Zuordnung – Beteiligungen 821 – Firmenwert 821
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– immaterielle Wirtschaftsgüter 821 – Wirtschaftsgut 820 Zurechnungskonflikt 778 Zusammenhang – enger zeitlicher 427 Zustellung – Urteil 117 Zustellung der Entscheidung – Antrag 121 Zustimmungspflichten 1310 Zuzahlungsrücklage 1356 Zweckbetrieb 99 Zwei-Ebenen-Besteuerung 768 f. Zweitbedachter 1009 Zweiterwerber 1014 Zweivertragstheorie 218, 225 f., 235 f., 217 Zwischenwertansatz 632