Vier urchristliche Parteien und ihre Vereinigung zur apostolischen Kirche, I [Reprint 2022 ed.] 9783112640647


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Vier urchristliche Parteien und ihre Vereinigung zur apostolischen Kirche, I [Reprint 2022 ed.]
 9783112640647

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D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU

BERLIN

S C H R I F T E N D E R S E K T I O N FÜR A L T E R T U M S W I S S E N S C H A F T 24

VIER U R C H R I S T L I C H E PARTEIEN UND IHRE V E R E I N I G U N G ZUR APOSTOLISCHEN K I R C H E I VON

WILHELM

HARTKE

AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1961

Wilhelm H a r t k e ist Mitglied der Sektion f ü r Altertumswissenschaft

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktoren dieses Bandes: Hans-Ulrich Delius und Christa Samberger

Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1961 by Akademie-Verlag G m b H , Berlin Lizenznummer: 202 • 100/95/61 Satz, Druck und E i n b a n d : Druckbaus „Maxim Gorki**, Altenburg Printed in Germany Beatellnummer: 2067/24/1 • E S 7 M • Verkaufspreis für beide B ä n d e : DM 138,—

In ehrfürchtigem Gedenken an CHRISTOPH BLUMHARDT und in dankbarer Erinnerung an meine Lehrer ERWIN ROHDE UND KUNO FISCHER, U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, H. DIELS UND A.v. HARNACK, H. USENER UND F. BÜCHELER gebe ich diese Arbeit nun zum Druck. Sie hat mich im Anschluß an meine theologische Dissertation seit 1917 immer neben meinem Hauptberuf beschäftigt; sie hat mich sogar im Zuchthaus Bautzen in den Jahren 1943 bis 1945 wenigstens an den Sonntagen erfrischen dürfen dank der heimlichen Sympathie des aus der Brüdergemeine

hervorgegangenen,

leider inzwischen verstorbenen Abteilungsleiters Kruppa und der Anteilnahme des Zuchthauspfarrers Lange. Der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin verdanke ich die Möglichkeit der Drucklegung und Herrn Dr. Hans-Ulrich Delius die Redaktion des Werkes. Bei der Korrektur haben die wiss. Assistentin Fräulein Christa Samberger und Herr stud.phil. Diethard Nickel mit hingebender Arbeit, und von Seiten des Verlages hat Frau Annemarie Hübner mit ihrer technischen Erfahrung mir wertvolle Hilfe geleistet. Berlin-Johannisthal, im Jahre 1961

Wilhelm Hartke

Inhaltsverzeichnis Band I Abkürzungsverzeichnis

XIV

Erstes Buch: Johannes und die Synoptiker Erster Teil: Die Schriften des Johannes I. Die drei literarischen Schichten Z, V und H des JohannesEvangeliums. Text und Kommentar

3

Z, V und H sind nach Theologie und Sprachgebrauch deutlich verschieden. V hat den Z nur durch Zufügungen verändert, ebenso H den Z und V.

II. Die Grundschrift Z und ihr Verfasser

129

I h r erster Satz ist in J o h 1,6 e r h a l t e n ; sie liegt v o n 1,19 bis 12,37 z u g r u n d e ; ihr Schluß w a r 20,30 — 31a. Z ist im J . 43/44 v o m Apostel Johannes diktiert u n d v o n J o h a n n e s Marcus in J e r u s a l e m geschrieben worden. Nachrichten bei Epiphanios, im Muratorianum, in einigen A r g u m e n t a u n d in der Corderius-Catene, die auf P a p i a s zurückgehen. Z bietet zwölf „Zeichen des Messias J e s u s " u n d setzt den Ur-Mc v o r a u s .

III. V oder das Ur-Johannes-Evangelium und sein Verfasser . . . .

143

Derjenige, der Z bearbeitet u n d u m die Darstellung des Leidens, Sterbens u n d der Auferstehung sowie u m den Prolog v e r m e h r t h a t , ist Johannes Marcus. Dieser ist „ d e r J ü n g e r , den J e s u s lieb h a t t e , " u n d der Alte v o n E p h e s o s ; seine Mutter ist Maria Magdalena. Chronologie der J a h r e 33 — 64.

IV. Die zwei literarischen Schichten V u n d H in den Johannesbriefen 168 H ist der Herausgeber des E v u n d der Briefe.

V. Die eigentümlichen Wörter und Ausdrücke der drei Schichten . 189 VI. Die Persönlichkeit des Herausgebers des Corpus Johanneum . . 195 H h a t die Apokalypse „des J o h a n n e s " v e r f a ß t . D e r Herausgeber der J o h - S c h r i f t e n u n d Verfasser der Apokalypse ist Judas Barsabbas, Sohn der „ a n d e r n " Maria, B r u d e r des J o s e p h B a r n a b a s u n d des J a k o b u s des Kleinen, V e t t e r des J o h a n n e s Marcus u n d zugleich n a h e r Verwandter J e s u . E r f ü h r t sich J o h 14,22 selbst m i t N a m e n ein, ist von seinem F r e u n d e L u k a s als J u d a s J a c o b i in die Apostelverzeichnisse a u f g e n o m m e n worden, ist identisch m i t J u d a s J a c o b i , d e m Verfasser des J u d a s b r i e f e s ; er h a t auch in die A p o k zwei A n d e u t u n g e n auf seine Person hineingebracht. Ausgegangen v o n J e r u s a l e m , h a t er in D a m a s k u s ge-

VI

Inhaltsverzeichnis a r b e i t e t , in Antiochia eingegriffen u n d sich s p ä t e r in Phrygien ein Wirkungsz e n t r u m gesohaffen. E r ist Täuferschüler gewesen u n d im Grunde immer geblieb e n . E r ist der leidenschaftliche F e i n d u n d Verfolger des P a u l u s . D a s Corpus J o h a n n e u m ist nachweislich im J . 92, während der domitianischen Verfolgung herausgegeben.

VII. Die johanneische Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs 223 Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes Einleitung: Beziehung zwischen V (Ur-Joh-Ev) und Mc I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

257 260

E s sind zwei Schichten des Mo zu unterscheiden, ein Ur-Mo, geschrieben im J . 43 v o n J o h a n n e s Marcus im A u f t r a g e des P e t r u s . Der Ur-Mo ist die eine H a u p t q u e l l e f ü r d e n U r - L c . Der Ur-Mc w u r d e u m 70 redigiert z u m RMc durch einen PhilipposSohüler.

II. Das Verhältnis des Mc zu Mt

278

RMc ist die eine Hauptquelle für Mt.

III. Das Verhältnis des Lc zu Mt

278

E s Bind zwei Schichten des Lc zu unterscheiden, ein Ur-Lc, im J. 48 kombiniert aus Ur-Mc und Q. Der Ur-Lc ist die zweite Hauptquelle des Mt. Der redigierte RLo wurde als letztes E v ca. 95 ediert.

IV. Feststellung der Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt 290 Klärung der angeblichen Widersprüche zwischen Ur-Mo und Ur-Joh.

V. Zusammenfassung der literarhistorischen Ergebnisse a) Probe am Mc-Schluß und an der Überlieferung der Erscheinungen des Auferstandenen b) Bestätigung der erschlossenen Jahreszahlen durch die auf Papias zurückzuführenden Subscriptionen c) Das Stemma der neutestamentlichen Überlieferung über Jesus

345 345 365 369

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh 369 VII. Q — ein zu Lebzeiten Jesu geführtes Tagebuch

371

Die latente chronologische Ordnung dieses Tagebuches stimmt mit der offenen Ordnung des Ur-Joh überein.

VIII. Die Einstimmigkeit des Gesamtaufrisses der drei letzten Jahre Jesu bei Ur-Joh und Q mit Ur-Mc 381 Synopse dieser drei Urschriften. Vergleich m i t d e m Testimonium F l a v i a n u m .

Inhaltsverzeichnis

VII

Band II Zweites Buch : Die Entstehung des Neuen Testamentes Erster Teil: Die Entstehung der una sanata cattolica et apostolica ecclesia und eines Kanons heiliger Schriften dieser Kirche in der Zeit Domitians Einleitung: Übersicht über die Geschichte des Urchristentums bis zur Zeit Domitians 405 A. Die Entstehung der katholischen Kirche

423

I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen den Paulinern und den Deuterojohanneern um die Herrschaft in Ephesos 423 K a m p f des zur Verkirchlichung neigenden Pauliners Silas noch im N a m e n des P a u l u s gegen zwei F r o n t e n , die von Phrygien her in Ephesos eindringende Gruppe des Deuterojohanneers J u d a s B a r s a b b a s u n d die interne Gruppe der radikalisierten, „neoterischen" Altpauliner. D o k u m e n t dieses K a m p f e s ist die Katholische Paulus-Ausgabe des Silas, welche die Pastoralbriefe, Zusätze z u m Kolosserbrief, die Bearbeitung des Laodikenerbriefes z u m heutigen Epheserbrief u n d einige Zusätze zu d e n übrigen Paulusbriefen brachte, u m den echten P a u l u s zu katholisieren. Zugleich m i t der Katholischen Paulus-Ausgabe erschienen m i t ironischer Tendenz das redigierte L c - E v (RLc) u n d die Apostelgeschichte des L u k a s . Dieser f ü h r t e damals die Philippiner, wurde Mitarbeiter des Silas, s t a n d aber zugleich in n a h e r Verbindung m i t J u d a s B a r s a b b a s .

II. Die zweite Phase: Die petrinische Bewegung

444

Die Agitation der Kephasleute. Das Erscheinen des Mt-Ev von Antiochia her als Exponent der Einheitsbestrebungen unter der Parole „Petrus und die Apostel".

III. Die dritte Phase: Die Gründimg der Einen, katholischen und apostolischen Kirche in Kiemasien 447 a) Dokumente dieser Bestrebungen 1. Der erste Petrusbrief

447 447

Sein Verfasser ist Silas.

2. Der Judasbrief

452

Judas Barsabbas hat den Kern verfaßt, Silas ihn bearbeitet.

3. Der zweite Petrusbrief

458

Der alte Lukas hat ihn verfaßt und auch seinerseits den Judasbrief verarbeitet. Planvolles Zusammenarbeiten von Silas und Lukas.

b) Die Führer und die Parole Silas als F ü h r e r der zur katholischen Einigung bereiten P a u l i n e r u n d L u k a s als F ü h r e r der Philippiner b e m ü h e n sich, m i t der Parole „ P e t r u s u n d P a u l u s " d e n n a c h d e m Ausscheiden des J u d a s B a r s a b b a s zur Verständigung bereiten Teil der J u d a s l e u t e heranzuziehen u n d m i t den antiochenischen Petrusleuten k o n f o r m zu gehen.

462

VIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Silas und Lukas .

469

a) Zusammenarbeit an Petr und Jud und gegenseitige sprachliche Beeinflussung 469 b) Die ^-Rezension

469

Sie ist vollzogen von Silas, hauptsächlich an den Schriften des Lukas = Lucius Cirinensis, qui manet usque adhuc (¿3-Zusatz zu Apg 13,1). Die Nachrichten über Lukas.

c) Die neoterischen Pauliner als gemeinsame Gegner von Silas und Lukas 482 d) Gemeinsamkeit der grundlegenden Anschauungen bei Silas und Lukas 482 1. Die Christologie

482

Der Versuch, den Titel ,,Sohn Gottes" zu verdrängen.

2. Die Lehre von der Parusie

487

Die Abkehr von der Hoffnung Jesu auf Gottes Herrschaft auf Erden und als Folge die Abschwächung des Protestes gegen die Teufelsherrschaft des Mammon in „allen Reichen der Welt'*.

3. Die Lehre vom Volk Gottes

502

Gestaltung des Kirchenbegriffs unter dem Einfluß der jüdischen Kreiskirchenidee.

a) Der Sinn des Aposteldekrets als negative Definition der Kirche 503 ß) Die positive Definition der Ordnungen der Kirche . . 513 B. Die Entstehung eines Kanons heiliger Schriften der Katholischen Kirche 516 I. Das Neue Testament von Ephesos

516

E s ist zusammengefügt aus den v o n vier christlichen Gruppen in Antiochia u n d Kleinasien (den Petrinern, den Philippinern, den J u d a s l e u t e n u n d dem Silas-Flügel der Pauliner) bisher b e n u t z t e n heiligen Schriften.

II. Nichtzugehörigkeit des Hebräerbriefes und des Jakobusbriefes

. 518

H e b r ist v e r f a ß t von J o s e p h J u s t u s B a r n a b a s , J a k von J a k o b u s d e m Kleinen; diese beiden sind die Brüder des J u d a s Barsabbas. Entstehungszeit, Adressaten u n d Tendenz dieser Briefe. Sie waren noch nicht geschrieben, als das Neue Testam e n t von Ephesos zusammengestellt w u r d e .

III. Das Neue Testament von Ephesos, nach Umfang und Ordnung erhalten im Catalogus Mommsenianus 526 IV. Die von Silas besorgte mentes von Ephesos

Rezension — der Text des Neuen Testa-

T e x t f o r m u n d Bücherreihen als objektive Kriterien der Kanonforschung. Ü b e r die Perikope der Ehebrecherin.

527

Inhaltsverzeichnis

IX

Zweiter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Kleinasien Einleitung : Die Vorstufen des Neuen Testamentes von Ephesos . . . 535 Sie sind zu erschließen a u s der Ordnung deB Catal. Mommaenianua, Markion u n d Ignatios.

A. Die Entwicklung des Kanons bis zum Neuen Testament von Ephesos 543 I. Die Stufen der Entwicklung a) Die Urschriften über Jesus

543 543

Die Logia, zu Lebzeiten Jesu entstanden, Ur-Mo, im Jahre 43, die Grundschrift des Joh-Ev = Z, im Jahre 44 entstanden.

b) Kontaminierungen der Urschriften über Jesus

544

U r - L c l t 48 a u s TJr-Mo u n d Logia = Q kontaminiert, bald n a c h 70 z u m Ur-Lc weiterentwickelt. Ur-Mc bald nach 70 kombiniert m i t Philippos-Erinnerun gen u n d Stücken a u s U r - L c , z u m RMc. E r w u r d e d a s E v a n g e l i u m der Philip piner. Mt in Antiochia zur Zeit Domitians a u s RMc u n d U r - L c , kombiniert E r w u r d e das Evangelium der Petriner.

c) ,,Der Herr" und „der Apostel" Paulus

546

Ein zweiteiliger Kanon, bestehend aus Ur-Lc, und der Altpaulinischen Sammlung echter Briefe des Paulus.

d) Der Herr und der Apostel Johannes

547

Ein dreiteiliger Kanon der Deuterojohanneer, bestehend aus Joh-Ev, den Joh-Briefen, beide bearbeitet von H, und der Apokalypse, verfaßt von H .

e) Erstes Eingehen des Deuteropauliners Silas und des Philippiners Lukas auf die Einigungsbestrebungen 548 Die Devise i s t : Der H e r r u n d die Apostel, besonders P e t r u s , J o h a n n e s , Philippos, vorwiegend noch P a u l u s . E s e n t s t e h t ein dreiteiliger K a n o n , bestehend a u s R L c , der Katholischen Paulus-Ausgabe u n d der Apostelgeschichte, in KleinaBien.

f) Das Neue Testament von Ephesos

557

Es umfaßt alle Schriften des heutigen Neuen Testamentes, außer Hebräer und Jakobusbrief, und ist geschaffen von Silas und Lukas mit dem Text der /¡•Revision während der domitianischen Verfolgung.

II. Der vom Synedrion von Jabne festgestellte Kanon des Alten Testamentes als Vorbild des kurz danach festgestellten Neuen Testamentes von Ephesos 559 III. Entwicklung, Art und Begründung der Autorität eines Schriftenkanons im Christentum 561 IV. Beziehungen zwischen der fertigen Großkirche und der Sekte von Qumran 572 V. Der Erfolg der katholischen Bewegung

574

X

Inhaltsverzeichnis

a) Die Führer und die wichtigsten Mitarbeiter

574

F ü h r e r sind Silas u n d L u k a s .

b) Die synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern . 576 c) Der Kanon des Neuen Testamentes von Ephesos im Evangelium der Wahrheit und im Evangelium nach Thomas . . 580 d) Die Gegner

581

1. Die Altpauliner

582

Von ihnen ausgegangen ist Markion; dessen Versuch, auf d e m F u n d a m e n t e der echten Paulusbriefe eine reformierte Kirche zu errichten.

2. Die häretischen Ebioniten

583

B. Die Weiterentwicklung des Neuen Testamentes von Ephesos zur Kleinasiatischen Bibel 585 I. Die im Kanon des Epiphanios vorliegende Kiemasiatische Bibel . 585 H e b r u n d J a k sind aufgenommen. Dieser K a n o n ist d e m U m f a n g e n a c h schon gleich, der O r d n u n g nach noch verschieden v o m heutigen N e u e n T e s t a m e n t . E r h a t die F r o n t gegen die Markioniten als weiterentwickelte Altpauliner u n d gegen die Montanisten als weiterentwickelte J u d a s l e u t e . Dieser K a n o n ist auf kleinasiatischen Synoden beschlossen worden.

II. Der durchschlagende Erfolg der Kleinasiatischen Bibel und ihre Bezeugung 592 Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom Einleitung: Die Entwicklung des Ordo der Paulusbriefe von Timotheos bis Tatianos 599 Die Rezipierte Reihe ist die erste offizielle Reihe der römischen Großkirche. Die Reihe des catalogus Sinaiticus. Die sogenannten markionitischen Prologe gehören zur Paulus-Ausgabe des T a t i a n o s ; ihre richtig geordnete Reihe s t i m m t m i t der des Catalogus Sinaiticus überein.

A. Die Entwicklung des Kanons in Rom bis zum Ende der Graecitas unter Papst Zephyrinos 612 I. Die Stufen der Entwicklung Vorbemerkung: UrStadium in Rom bis zur Zeit Justins

612 . . . .612

Die erste Stufe

616

Markion h a t die kanonische Geltung der Paulusbriefe in R o m eingeführt. Der zweiteilige K a n o n Markions (verfälschtes L c - E v , 10 verfälschte Paulusbriefe).

Die zweite Stufe R e a k t i o n der Großkirche R o m s gegen Markion, g e f ü h r t v o n P a p s t Aniketos (die vier getrennten E v v in der Rezipierten Reihe, die 10 von Markion a n e r k a n n t e n Briefe, d . h . 9 Gemeindebriefe u n d der Philemonbrief, in kirchlicher F o r m ) . W i r k u n g auf Theophilos v o n Antiochia.

616

Inhaltsverzeichnis

Die dritte Stufe

XI

622

Der dreiteilige K a n o n des Tatianos (Diatessaron, Apg, die Paulus-Ausgabe des T a t i a n o s , umfassend 9 Gemeindebriefe, Titusbrief, Philemonbrief).

Die vierte Stufe

623

Der E r g ä n z t e Dreiteilige K a n o n der Großkirche (4 E v v in der Rezipierten Reihe, Apg, alle 13 Paulusbriefe, die Pastoralbriefe also sanktifiziert, in der Reihe des Tatianos), eingeführt d u r c h den Ersten Synodalbeschluß u n t e r P a p s t Victor in dessen ersten J a h r e n . Dieses wichtige S t a d i u m wird w , g e n a n n t . W i r k u n g auf Syrien.

Genauere Untersuchung der Ausgabe a) Der zweisprachige Text von

626 626

Die lateinische Übersetzung war interlinear geschrieben.

b) Die Ausstattung von w lt insbesondere die Prologe

629

Die sogenannten monarchianischen Prologe zu den E v v u n d Apg sind nicht monarchianisch-häretisch u n d nicht einheitlich. Die Grundlage der fälschlich so g e n a n n t e n „ m o n a r c h i a n i s c h e n " Prologe w a r der v o n Victor f ü r w 1 verfaßte Prolog zu d e n n a c h der Rezipierten R e i h e geordneten E v v u n d Apg. Der Prolog ist v o n Hippolytort bearbeitet worden.

c) Die Theologie Victors nach den ursprünglichen Prologen . . 635 D a s Verhältnis Hippolyts zu Victor. Auseinandersetzung m i t de B r u y n e .

d) Zusammenfassung

639

Zur Ausgabe gehörten der von Victor v e r f a ß t e Prolog zu den E w u n d der von Victor ergänzte Tatian-Prolog zu den Paulusbriefen. Die Ausgabe w t entspricht nach U m f a n g , Divisio u n d Ordo genau d e m Catalogus Sinaiticus (ohne H e b r ) .

Die fünfte Stufe

640

Neue Unklarheit e n t s t e h t infolge des A u f k o m m e n s der enthusiastischen Bewegung, die, von Phrygien ausgegangen, d u r c h Theophilos von Antiochia u n d im W e s t e n d u r c h Eirenaios gefördert wurde u n d die Vorläuferin des Montanismus in R o m wurde. Victor geht auf sie ein, wie der t r a c t a t u s de aleatoribuB zeigt, jedoch m i t Vorsicht. Die P n e u m a t o m a c h e n b e k ä m p f e n sie. Der Bestätigungsbeschluß, d . h . der im ersten Teil des Muratorianum e n t h a l t e n e (zweite) Synodalbeschluß aus der Zeit Victors bestätigt ausdrücklich als kanonisch n u r den E r g ä n z t e n Dreiteiligen K a n o n , öffnet aber d u r c h Zitierung den K a n o n f ü r alle J o h a n n e s - S c h r i f t e n . E s e n t s t e h t der Geöffnete Dreiteilige K a n o n (w 2 v ) in der F o r m : E v v (in der R e i h e Mt-Mc-Lc-Joh) — Apok— 3 J o h —Apg—13 Pls. Dieser K a n o n ist f a ß b a r a n d e m V o r f a h r der Codices D .

Die sechste Stufe

646

Diese Stufe war eine Leistung des Hippolytos in R o m : Die Ausgabe w , v der f ü n f t e n S t u f e erscheint als w a H in vornehmer A u f m a c h u n g in zwei K o l u m n e n per cola et c o m m a t a m i t den bearbeiteten Prologen: die E v v plus Apg — erhalten im Codex D t f i ; die Paulusbriefe — erhalten im Codex D p . Beziehung zur H e x a p l a des Origenes.

Die siebente Stufe Der a u s der Bearbeitung der sogenannten monarchianischen Prologe zu erschließende canon ordinatus des Hippolytos, d . h . die E i n f ü h r u n g der Kleinasiatischen Bibel in R o m , jedoch ohne H e b r , m u ß v o n Hippolytos schon länger gef o r d e r t worden sein. E r h a t sie für seine Sondergemeinde realisiert. Dies wird in der I n s c h r i f t auf der bald nach 222 gesetzten S t a t u e des Hippolytos e r w ä h n t .

649

Inhaltsverzeichnis

XII Die achte Stufe

653

Der Montanismus, begünstigt durch die neue Verfolgung unter Septimius Severus, hat eben die Anerkennung durch Papst Zephyrinos erlangt, da stimmt der kleinasiatische Confessor Praxeas diesen um. Das Amendement, enthalten im zweiten Teil des Muratorianum (beschlossen auf einer dritten Synode in Kanon* Sachen), macht Front gegen den Montanismus und beurteilt den Kanon der Kleinasiatischen Bibel nach dem schon von Victor im Bestätigungsbesohluß angewandten Maßstabo: Schriften, die keine Briefe sind, müssen apostolisch autorisiert, Briefe müssen apostolisch und „katholisch" sein, entsprechend einem Grundsatze des römischen Rechts. Kaiser Septimius Severus und Papst Victor sind beide Afrikaner. Nachwirkung der drei römischen Synodalbeschlüsse.

II. Geschichte des Ordo der Evangelien

664

III. System und Geschichte der symbolischen Gestalten der vier Evangelien und der Initialexegese 668 Beides stammt von Tatianos. Erklärung des Wortes Diatessaron.

IV. Geschichte des Ordo der Paulusbriefe

674

B. Kampf und Sieg der Latinitas im Westen bis zur Entstehung der Vulgata 680 Vorbemerkung: Das Aufkommen der lateinischen Kirchensprache in Rom und in Afrika 680 I. Die mit dem griechischen Text verbundene lateinische Übersetzung in Wj und w2 682 II. Die beiden getrennten lateinischen Übersetzungen im Stadium ws a) Die freie Übersetzung w 3 K und ihre Bezeugung b) Die Übersetzung w s N und ihre Bezeugung c) Der Kanon w s K der römischen Großkirche

685 685 686 687

Er umfaßt die ganze Kleinasiatische Bibel einschl. Hebr und darüber hinaus Hermas, Acta Pauli, Apoc. Petri, liegt vor im Catalogus Claromontanus. Dieser zeigt durch Abstreichungen, daß er mit dem canon ordinatus w, des Hippolytos verglichen worden ist. w, K ist unter Papst Callistus bald nach 217 entstanden.

d) Der Kanon w 3 N des Novatianus

690

Er umfaßt die ganze Kleinasiatische Bibel einschl. Hebr und nichts darüber hinaus, führt die inzwischen in Caesarea geschaffene Synthese des Umfangs der Kleinasiatischen Bibel mit den Ordnungsmomenten des Aniketos vom J . 154 in Rom ein (Divisio: Ew-Apg-Pls; Ordo: Rezipierte Reihen). w 3 N ist um 251 herausgegeben.

III. Die ganze Geschichte des Kanons, aufgezeigt an der Überlieferung des Schlusses des Römerbriefes 693

Inhaltsverzeichnis

XIII

IV. Zur Geschichte des Textes in Rom

696

V. Die Frühgeschichte der D-Codices — ein Kompendium der Kanongeschichte 699 VI. Stellungnahme zum gegenwärtigen Stande der Tatian-Forschung 702 VII. Die Entstehung der Vulgata aus der Übersetzung Novatians w a N a) Vergleich des Umfangs, der Reihen und der Aufmachung von W 3 k und W 3 n b) Mischungen zwischen beiden Übersetzungen c) Die Vulgata des Hieronymus

709 710 712 713

Sie ist entstanden, als Rom das Zentrum der Altnikäner war und die Novatianer wieder starken Einfluß hatten.

VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit illustrierenden Beispielen Zusatz 1: Der Papyrus Bodmer I I Zusatz 2: Die Chester-Beatty-Papyri Zusatz 3: Wichtige, seit Markion kritische Stellen der Paulusbriefe

714 723 724 726

Vierter Teil: Die Synthese der Kleinasiatischen Bibel mit den Ordnungsmomenten des Aniketos-Kanons und der Sieg des Urtextes über den Rezensierten Text I. Der Kanon in Syrien

733

I I . Der Kanon in Ägypten

734

I I I . Die Zusammenarbeit Roms mit Alexandria und Caesarea . . . 736 IV. Athanasios V. Die Methode der Herstellung des unrezensierten Urtextes

737 . . 739

VI. Die Geschichte des neutestamentlichen Kanons in einem Schema (siehe Ausschlagtabelle)

Anhang I: Maria Magdalena und die andere Maria

745

Die Familie des Johannes Marcus und die des Judas Barsabbas. Johannes war der Sohn der Maria Magdalena, die nach Ephesos ausgewandert, dort gestorben und in der Siebenschläfergrotte beigesetzt worden ist. Judas war der Sohn der „andern" Maria, Vetter des Johannes Marcus, aber auch mit Jesus nahe verwandt.

Anhang II: Die Berichte über das Herrenmahl

761

Abkürzungsverzeichnis

AT

Altes Testament

B

Hs

W. Bauer, Das Johannes-Evangelium, Handbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. H. Lietzmann, Bd. 6, 3. Aufl. 1933 R. Bultmann, Johannes-Evangelium, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, begründet von H. A. W. Meyer, Bd. 2, 10. Aufl. 1941 Handschrift

LA NKZ NT

Lesart Neue kirchliche Zeitschrift Neues Testament

Bu

ThR Theologische Rundschau ThStKr Theologische Studien und Kritiken ThW

Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Kittel

TU

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, hrsg. v. der Kommission für spätantike Religionsgeschichte an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin H. Windisch, Die Katholischen Briefe, Handbuch zum Neuen Testament, hrsg v. H. Lietzmann, Bd. 15, 2. Aufl. 1930

W ZKG ZNW

Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft

I. Die drei literarischen Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

Nachdem ich als junger Mensch an Christoph Blumhardt erlebt habe, daß ein Gefolgsmann Jesu heutzutage entschiedener Sozialist nicht nur sein kann, sondern sein muß, möchte ich jetzt mit philologischer Methode zeigen, daß auch nach der ältesten Schicht der neutestamentlichen Schriften der Sturz der Teufelsherrschaft des Mammon und die Aufrichtung des Reiches der grenzenlosen göttlichen Liebe auf Erden das Herzstück des Wortes und Werkes Jesu gewesen ist. Wer die Entstehung des Neuen Testaments und damit das Urchristentum verstehen will, muß das schwierigste Einzelproblem, die Entstehung des Johannes-Evangeliums, anpacken und eingehend behandeln. Ich unterscheide erstens eine sehr alte Grundschrift, welche „Zeichen" des Messias Jesus zusammengestellt hat, und nenne sie Z. Für diese Grundschrift sind mir im Jahre 1922 die Augen geöffnet worden durch einen Aufsatz von A. Faure 1 ). Ihr erster Satz ist in J o h 1,6 erhalten; sie liegt von 1, 19 bis 12, 42 zugrunde; ihr Schluß war 20, 30. 31a; zweitens die erste Bearbeitung dieser Grundschrift Z, verbunden mit der Vorfügung eines um 1,6 herum gedichteten Prologs und der Zufügung einer von 13,1 bis 20,31 reichenden Darstellung des Abschiedes von den Jüngern, des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu; diese Bearbeitung und Ergänzung der Grundschrift Z ist geschehen durch den Verfasser des „Ur-JohannesEvangeliums"; ich nenne ihn V; Ur-Joh ist nicht veröffentlicht worden; drittens eine starke Bearbeitung des Ur-Joh durch den Herausgeber des jetzigen Joh-Evangeliums; ich nenne ihn H. Die Bearbeitung durch H hat den ganzen Ur-Joh kommentiert und ihm das sogenannte Nachtragskapitel zugefügt. — In den Joh-Briefen finden wir nur die Stimmen V und H, in der Apokalypse nur H. Im Joh-Ev sollen also an den ersten zwölf Kapiteln drei, an den folgenden, außer dem wieder dreistimmigen Schlußwort 20,30—31, zweiStimmen unterschieden werden, „und jedermann erwartet sich ein F e s t " — der Willkür. Jedoch drängte sich mir sehr früh das Vorurteil auf, daß V den

99 ff. 1«=

Die at. Zitate im 4. E v und die QueUenscheidungshypothese, ZNW 21, 1922,

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Erster Teil: Die Schriften des Johannes

Text des Z und daß H den Text des V grundsätzlich nur durch Vor-, Einund Zufügungen verändert haben. Ich mußte mir also die Aufgabe stellen, die Stimmen so zu scheiden, daß einmal ein ungestörter Textzusammenhang, eine geschlossene Theologie und eine bestimmte Sprache für Z, zum anderen ebenso für V eine geschlossene Theologie und eine bestimmte Sprache, von c. 13 an auch ein geschlossener Zusammenhang und in den ersten 12 Kapiteln die Anlässe zu den Zusätzen des V, endlich eine geschlossene Theologie und charakteristische Sprache des H sowie die Anlässe zu den reichlichen Zusätzen des H herauskämen. Die Methode der Untersuchung mußte eine dialektische sein, und sie erforderte zunächst eine möglichst genaue Erfassung aller wirklichen Unstimmigkeiten in den Gedanken und der Darstellung des Evangeliums sowie eine möglichst weitgehende Untersuchung des Wortschatzes und Stiles. Bald von einem gedanklichen Anstoß ausgehend, suchte und fand ich stilistische Eigenheiten in dessen Umgebung, bald von auffallenden stilistischen Erscheinungen her Bruchstellen des Textes und inhaltliche Verschiedenheiten. Alle Einzelheiten mußten sich zur sprachlichen und gedanklichen Ganzheit der literarischen Leistung einer Persönlichkeit zwanglos zusammenschließen, und wenn sich, wie in unserem Falle, drei verschiedene Leistungen ergaben, so mußten hinter diesen Texten drei Persönlichkeiten erscheinen, jede in Gedanken und Sprache deutlich zu unterscheiden. Die an diese Aufgabe gewendete, nicht geringe Arbeit hat sich gelohnt. Die in die Zeit der domitianischen Verfolgung zu datierende Schicht H ist stilistisch und gedanklich eindeutig bestimmbar und sauber abzuheben. Unter dieser Übermalung kommt der unversehrte Glanz des Berichtes eines Jüngers Jesu zutage, der in jungen Jahren Jesu besonders nahegestanden hat und der in der ersten Hälfte seines Berichtes die Schrift eines der bedeutendsten Apostel Jesu aus dem Jahre 43 verwendet und vollständig erhalten hat. Durch die Übermalung aber ist das Joh-Ev zu einer im Sinne Goethes „apokryphen" Schrift geworden, und über solche schreibt er einmal folgendes: „Wichtig wäre es, das hierüber historisch schon Bekannte nochmals zusammenzufassen und zu zeigen, daß gerade jene apokryphen Schriften, mit denen die Gemeinden schon die ersten Jahrhunderte unserer Ära überschwemmt wurden und woran unser Kanon noch jetzt leidet, die eigentliche Ursache sind, warum das Christentum in keinem Momente der politischen und der Kirchengeschichte in seiner ganzen Schönheit und Reinheit hervortreten konnte." 1 ) *) Goethe, Maximen und Reflexionen, Schriften der Goethe-Gesellschaft 21, hrsg. v. M. Hecker, Weimar 1907, 181 Nr. 822.

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Der Prolog in ursprünglicher Gestalt

a) 1. 'Ev àgxfj tfv 6

b) 2. oirog

Aóyog, xal ò Aóyog

fjv èv dgxfi 7 3. narra

1

nQÒg ròv &eóv, xal &eòg ijv ó

* ò v &eóv òi' avrov èyévero, xal

c) 4. fjv rò ? fiovoyevovg nagri nargög." fiovoyevijg, in J o h n u r bei V, ist v o n V in die S p r a c h e der Christen e i n g e f ü h r t worden. E r s t n a c h i h m h a b e n L c u n d H e b r d a s W o r t im Sinne der P r o f a n - G r ä z i t ä t , L X X u n d P r i e s t e r t r a d i t i o n (Test. R u b . 9 2) als „eingeboren, einzig" v e r w e n d e t , wobei der zweite J ) J ü d i s c h e A p o k a l y p t i k u n d hellenistischer S y n k r e t i s m u s im J o h - E v , d a r g e l e g t a n d e m Begriff „ L i c h t " , T h L Z 77, 1952, 673ff.

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Bestandteil des Wortes k a u m noch eine Bolle spielt. V verwendet es J o h 316.18 1. J o h 4 9 in diesem üblichen Sinne bei viog zov &eov, aber an den beiden übrigen Stellen 114.18, d. h. im Prologe, wo das W o r t mit allem Bedacht eingeführt wird, s t e h t es jedesmal ohne viog u n d in einer sonst nicht vorkommenden Verbindung: 14 fiovoyevrjg jiagä Jiargog und 18 fiovoyevrjg &eog (diese Lesart ist besser bezeugt, n ä m lich durch den ägyptischen T e x t u n d Eirenaios, was mehr Gewicht h a t als die Bezeugung durch Hippolytos, die Lateiner und die Griechen des 4. J h s . ; viog ist westlicher Text u n d die leichtere Lesart, vgl. 1 34, wo urspr. exAexrög durch viog ersetzt ist). I m Prolog ist dem zweiten Bestandteile — yevrjg besonderes, u n d zwar theologisches Gewicht gegeben. Gehen wir aus von 118: Hier besteht eine Spannung zwischen ewtQaxev u n d ¿¡rjyrjaaro. Gesehen h a t den Einen Gott „ j e n e r " nur, insofern er selbst Gott ist; kundgetan h a t jener den Einen Gott nur, insofern er fiovoyevrjg, als einziger „geworden", d. h. (in die Welt) gekommen, als Fleisch in die Erscheinung getreten ist u n d doch im Schöße des Vaters, in ständiger Gemeinschaft mit dem Vater bleibt. So ist denn auch in 1 14 das fiovoyevrjg nagä nargog zu entfalten als fiovog naQayevöfievog (vgl. H e b r 9 11) nagä nargog u n d es bedeutet auch hier „der Einzige, der vom Vater her geworden, d. h. in die Welt, in das Fleisch gekommen ist", fiovoyevrjg (fteog) nagä nargog in Periode D der zweiten Strophe des Prologs ist homolog zu äv&gamog djtearaXfievog naQa fteov in Periode d der ersten Strophe, fiovoyevrjg t r i t t deshalb zuerst in 14 auf, weil hier zuerst vom menschgewordenen Logos die Rede ist. Man k a n n sagen, daß fiovoyevrjg naga nargog das außerhalb des Prologs verwendete viog rov &eov vertritt, aber dieser Ausdruck k o m m t im Prologe noch nicht vor, weil sein Begriff hier erst erklärt werden soll. Dabei wäre es methodisch falsch anzunehmen, d a ß V die heute f ü r „richtig" geltende Etymologie, nämlich die Herk u n f t von yivog beachtet hätte; er h a t — yevrjg in Periode D mit dem in derselben Periode vorausgehenden xai 6 Adyog oäg£ eyevezo u n d mit dem homologen eyevero äv&Q(D7tog dmeazaXfievog der Periode d zusammengedacht. Hernach i m E v n e n n t V Jesus „den einzigen Sohn Gottes" (da h a t also viog den Begriffsinhalt des -yevrjg übernommen) — den Sohn Gottes als den einzigen Sohn Gottes u n t e r „den K i n d e r n Gottes" (12), als denjenigen, der selbst der sich offenbarende Gott ist, während die Kinder Gottes dies n u r sein können durch den Glauben an den sich offenbarenden Gott. „Sohn Gottes" ist und heißt bei V n u r Jesus; „Söhne", u n d zwar „des Licht e s " können die Christen werden (nur 12 36); „ K i n d e r Gottes werden" d u r f t e n nach V 1 12 die F r o m m e n des Alten Bundes u n d dürfen nach 1. J o h 3 lf die Christen. „ V a t e r " heißt G o t t bei V nur in bezug auf den geschichtlichen Jesus ausdrücklich u n d direkt, in bezug auf die Kinder Gottes implizit u n d über das Licht des Offenbarers Jesus. Daher t r i t t auch das o naxfjg zuerst 1 14 auf, zugleich mit dem menschgewordenen Logos u n d dem allein vom Vater her gekommenen (Sohn). Der Auferstandene heißt bei V „der H e r r " , vgl. zu 20 20. Jesus ist f ü r V einmal der ewige Logos, zum anderen der einzige vom Vater her erschienene Sohn Gottes im Fleische, d. h. in B a u m u n d Zeit, ferner der Herr, der in die Herrlichkeit, d. h. die Einheit m i t d e m Vater zurückgekehrt u n d zugleich in Zeit u n d Ewigkeit ist. Der Aöyog, der ngog röv &eov u n d fteoq war u n d durch den alles geworden ist, k o m m t im N T außer in unserm Prologe (l u n d 14) u n d dem auf ihm basierenden, eigenartigen u n d erst u n t e n zu besprechenden E v 10 35 noch an zwei Stellen des Corpus J o h a n n e u m vor, aber beide Male mit Attributen, nämlich in 1. J o h 1 1, wo

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Tiegi rov Xöyov rijg £a>fjg eine Glosse des Herausgebers H ist 1 ), und in Apok 19 13, wo xai XEXFAJTai TO ovofia avtov o Xoyog zov fteov in offenbarem Widerspruch steht zu 12 e%iov ovofia yeyga/ifiivov S ovöeig olöev el /it) avxog und längst für einen Zusatz der Zweiten Hand erklärt worden ist 2 ). Beide Stellen sind also sekundär; primär ist der Logos im Prolog des Ev. Man darf daraus nicht folgern, daß der Prolog selbst gegenüber dem ganzen übrigen Ev sekundär sei. Ich sage: Der Prolog gehört der zweiten Schicht des Ev an. Ein jüdisch gebildeter, aber durch Jesus über das Judentum emporgehobener Mann, unser V, hat den Prolog um den ersten Satz der ersten Schicht herum gedichtet; der Herausgeber H hat, wie das ganze Ur-Joh-Ev des V, so auch den Prolog glossiert. Nichts zwingt anzunehmen, daß ein aramäisches Original zugrunde läge; der Prolog ist griechisch im Stile der zweiten Schicht gedacht und geschrieben. Woher hat V seinen Begriff des Logos? Es gibt darauf verschiedene Antworten: 1. Aus Genesis 1. „Schwerlich beginnt der Evangelist sein Ev mit dem Satz ev aQxfj f)v 6 Aoyog, ohne an das ev ägxfj von Gen i l und an das „Gott sprach" der Schöpfungsgeschichte von Gen 1 zu denken" sagt Bultmann 3 ), aber der Titel Logos geht nicht auf das AT zurück, wo — wie auch im Judentum — nie absolut von „dem Wort" geredet wird, sondern vom „Wort Gottes". Dieses aber bezeichnet nicht eine bestimmte Gestalt (sei es eine Person, sei es eine kosmische Potenz, eine „Hypostase"), sondern das jeweilige „Machtwirken Gottes". 2. „Vielmehr stammt die Gestalt des Aoyog", sagt ebendort Bultmann, „aus der Tradition einer kosmologischen Mythologie, die auch das Judentum und speziell Philon beeinflußt hat", also aus der „gnostischen Bewegung", die schon vorchristlich gewesen sein soll. Wie umstritten die „Standortbestimmung der Gnosis" noch immer ist, zeigt der Aufsatz von H. J . Schoeps 4 ), der das radikalste Urteil, das von H. Langerbeck im „Gnomon" 1954 5 ) gelegentlich einer Besprechung des obengenannten Buches von Bultmann gefällt wird, noch ausläßt: „Offenbar hat niemand, weder ein Christ noch ein Christengegner, in der gesamten Antike zu irgendeiner Zeit und an irgendeinem Orte etwas von einer „gnostischen Bewegung" als einem dritten neben Judentum und Christentum gewußt" (S. 503); es gebe keine wirklich treffende Parallele zu Joh 1 1; die Ode Sal. 7 s, die Mandäer—Ginza 112 l4ff. und etwa ein Anklang bei Ignatios, auf die Bultmann sich berufe, seien nicht älter als das Joh-Ev. Ich setze mich im folgenden mit dem Aufsatz von K . Schubert 6 ) auseinander, der behauptet, im neugefundenen Sektenkanon von En Feshcha, d. h. in sektiererisch-jüdischen Kreisen Palästinas und in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. liege schon Gnosis vor; ich möchte klar scheiden zwischen „jüdisch-griechischer Synthese im jüdischen Hellenismus", „sektiererisch-jüdischer Gnosis" und der „synkretistischen Gnosis". Vgl. S. 168. Vgl. S. 200. ») ThdNT* 416. 4 ) Zur Standortbestimmung der Gnosis, ThLZ 81, 1956, 413. 5 ) S. 497 f. •) Der gegenwärtige Stand der in Palästina neu gefundenen hebr. Handschriften 25. Der Sektenkanon von En Feshcha und die Anfänge der jüdischen Gnosis, ThLZ 78, 1953, 495. 2)

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Es gab eine Berührung alttestamentlicher Theologie mit hellenistischer Popularphilosophie, die im wesentlichen der stoischen Lehre entsprach, aber von platonischen und pythagoräischen Elementen durchsetzt war. Beeinflussung durch stoische Philosophie findet sich seit der Weisheitslehre des Jesus Sirach, d. h. der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. in Palästina und seit dem Pentateuchkommentar des Aristobulos um 150 v. Chr. in Ägypten. Dieser „unterschied den höchsten außerweltlichen Gott von der die Welt vollendenden und durchwaltenden göttlichen Kraft; die Weisheit Gottes, die vor Himmel und Erde erschaffen wurde, sah Aristobul im Lichte des ersten Schöpfungstages angedeutet". Der Höhepunkt dieser jüdisch-griechischen Synthese ist Philon; Gott denkt die (platonische) Ideenwelt, und diese ist mit der nach stoischer Lehre der Welt immanenten Vernunft identisch; dieser Logos wird mit dem Lichte des ersten Schöpfungstages und mit der Weisheit gleichgesetzt; die Natur ist kausal, der Mensch final determiniert; die Materie ist der Anlaß zum Sündigen der Menschen und die Sphäre für ihre Bewährung. Was unterscheidet die ebenfalls seit dem 2. J h . v. Chr. auftretende, im Sektenkanon bemerkbare „sektiererisch-jüdische Onosis" von jener jüdisch-griechischen Synthese im Hellenismus? Meines Erachtens dies eine, daß die sektiererisch-jüdische Gnosis die praedestinatio gemina in den Mittelpunkt stellt, d. h. die dualistische Determination der menschlichen Existenz entweder zum Guten und zum Paradiese oder zum Bösen und zur endlichen Vernichtung. Der Dualismus als Verhängnis in diesem Sinne ist das Prinzip der sektiererisch-jüdischen Gnosis. Josepos Ant. 13,5,9 spricht von einem essenischen Glauben an das Verhängnis. Laut des Sektenkanons sind das Licht und die Finsternis die von Gott geschaffene Ur-Syzygie; die auch 1. Tim 1 4 und Tit 3 9 erwähnten Genealogien zeigen, wie Recht und Unrecht, Gut und Böse bei den Menschen aus dieser Ur-Syzygie hervorgegangen sind: Gott schuf die Geister des Lichts und die Geister der Finsternis und gründete jegliches Werk. Gott schuf die Frommen und schuf die Gottlosen, denn die Menschen sind unweigerlich entweder von den guten oder von den bösen Geistern — Engeln bestimmt. Die Engel als Bringer wechselnden Schicksals sind gewiß eine altisraelitische Vorstellung, aber die Lehre, daß sie die Träger der praedestinatio gemina seien, ist sektiererisch; Paulus nennt sie Kol 2 8 „Philosophie und leeren Trug". Diese Erkenntnis ist denjenigen vorbehalten, die an der Sekte teilhaben und daraufhin behaupten, die Vollkommenen zu sein. Laut Josepos Bell. 2,8,7 haben die Essener die Namen der Engel geheim gehalten. Die Sektierer anerkennen wohl, daß „die Vollkommenheit des Wandels von Gottes Hand kommt" und daß die Auserwählten Mängel haben, aber sie sind überzeugt, daß Gott Mittel und Wege weiß, diese Mängel gnädig zuzudecken. Man betont gern, daß die Außenstehenden „von unten sind und dahin nicht gehen können, wohin der Erwählte geht" (vgl. Joh 8 22 u. ö.). „Das Wissen um die Weltfremdheit und die himmlische Herkunft des Selbst und um den Weg zur Erlösung aus dieser Welt — das ist die entscheidende Erkenntnis, die Gnosis" 1 ). Die ganze dritte Schicht des Joh-Ev, die hier dem, Herausgeber H zugeschrieben wird, ist in diesem Sinne sektiererisch-jüdische Onosis. Wenn H. J . Schoeps so stark den antignostischen Charakter des Judentums und Judenchristentums betont, so ist daran richtig, daß beide sowohl die hellenistisch*) Vgl. Bultmann, ThdNT 168.

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jüdische Synthese als auch den doch wohl von der persischen Lehre des Zarathustra beeinflußten ontologischen Dualismus abgelehnt haben, der behauptet, das Gute und das Böse seien gleich alt und gleich mächtig, während der Sektenkanon noch sagt, daß Gott beide, den Lichtfürsten und den Engel der Finsternis, geschaffen habe, seinen Monotheismus freilich durch die Syzygielehre und Angelologie erweicht, und zwar einen Dualismus vertritt, aber nur einen ethischen, nicht ontologischen, nämlich die praedestinatio gemina. Dieser Prädestinationsdualismus ist zu verstehen als Individualisierung der altisraelitischen Idee des von Gott erwählten Volkes und aufgekommen in hellenistischer Zeit, als ein Teil des jüdischen Volkes unter levitischpriesterlicher Führung in religiös-kultischen und politischen Gegensatz zur herrschenden Schicht geraten war. Dagegen ist der ontologische Dualismus, dieser „Ursprungsdualismus", der durch eine „Anfangssünde", d. h. einen urzeitlichen Bruch in der obersten Gottheit entstanden sein und den ganzen Kosmos in zahlreichen Abwandlungen durchziehen soll, in der Tat unjüdisch und synkretistisch. I n seiner relativ einfachsten Gestalt findet er sich nach der Darstellung von H. J.Schoeps bei dem in Apg 8 erwähnten Simon Magus aus Samaria, der deshalb von den Kirchenvätern uni sono als der Vater dieser synkretistischen Gnosis bezeichnet wird. Sie hat erst im 2. und 3. Jh. n. Chr. „in sehr unterschiedlichen und mit der Entwicklung an Kompliziertheit zunehmenden mythologischen Bildern" ihren Ausdruck gefunden und einen mächtigen Aufschwung genommen. Am wichtigsten wurde die alexandrinische Gnosis der Valentinianer in ihren verschiedenen Verzweigungen und die syrisch-orientalische Gnosis der Mandäer und Manichäer. In den Schriften des NT, das, wie gezeigt werden soll, bis zum Ende des 1. Jhs. abgeschlossen worden ist, spielt diese synkretistische Gnosis noch keine Rolle. Der Verfasser der zweiten Schicht des Joh-Ev, den wir V nennen, ist von der synkretistischen Gnosis nicht beeinflußt und lehnt die sektiererisch-jüdische Gnosis bewußt und entschieden ab, aber V sucht wenigstens im Prolog, wahrscheinlich auch sonst, den Anhängern der griechischen Philosophie ein Verständnis für Jesus zu eröffnen. Man sollte aber den Logos des Prologs nicht nur mit dem Logos Philons in Beziehung setzen, wohl gar von diesem ableiten, vielmehr beide in dem Rahmen des heute sogenannten mittleren Piatonismus sehen, der von der Mitte des 2. Jhs. v.Chr. bis gegen Ende des 2. Jhs. n.Chr. den Kampf gegen Skeptizismus und Materialismus, aber auch gegen die jüdische und die christliche Offenbarungsreligion führte, die ihm in Alexandria, dem griechischen Orient und in Rom entgegentrat. Gegen diesen Piatonismus reagiert der Jude Philon von Alexandria und — viel negativer — bald nach 150 Justinos in Rom, der selbst aus ihm hervorgegangen war. Die Methode des Kampfes der Mittelplatoniker gegen die Offenbarungsreligionen, besonders das Christentum, erkennen wir genau aus dem äXtj&rjg Aöyog des Kelsos, der um 180 aus guter Kenntnis Ägyptens und Syriens geschrieben hat. Nach C. Andresen 1 ) sind die wichtigsten Vorwürfe, die Kelsos gegen das Christentum richtet, diese: 1. Das Christentum hat schon wegen seines geringen Alters als Depravation des Griechentums zu gelten. 2. Es ist eine Welt ohne Logos, eine Welt, die dem griechischen Bildungsanspruch in nichts entgegenkommt. 3. Diese Unbildung ist eine Schuld, die darauf beruht, daß die Christen die durch die Lehrer der Vergangenheit Logos und Nomos, 1955, vgl. dazu H. Kraft, ThLZ 83, 1958, 333.

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u n d der Gegenwart redende Stimme des Logos nicht hören wollen. Eben gegen diese Vorwürfe hat Justinos das Christentum verteidigt; sie müssen aber auch schon mindestens im letzten Jahrhundert v. Chr. gegen das Judentum erhoben worden sein, denn gegen sie kämpft Philon. Dann ist es möglich, daß die Mittelplatoniker um die Zeit, als der Prolog entstand, in Ephesos, der zweitgrößten Stadt und dem Kulturzentrum des griechischen Ostens, dieselben Vorwürfe gegen das Christentum erhoben haben. Ich meine, der Prolog des Joh-Ev setzt sich gerade mit diesen drei Punkten auseinander: Jesus ist der fleischgewordene Logos, der im Anfang war und Gott war. Dieser Logos war und ist das Licht aller Menschen. Nicht die Freunde Jesu, sondern die in den Menschen herrschende Finsternis hat das Licht abgelehnt. Der Logos ist in besonderer Weise zu seinem Volk gekommen, zu den Juden, aber auch sie haben sich mit der Schuld beladen, nicht auf ihn zu hören. Diese Verteidigung ist sehr vornehm; sie behauptet nicht wie Philon, daß die griechische Weisheit eine Depravation der alttestamentlichen sei; sie erkennt an, daß der Logos jeden Menschen erleuchtet, behauptet aber, daß Griechen und Juden depraviert seien durch den Ungehorsam gegenüber dem Logos. Der Prolog gibt auch der Tradition, auf die der Piatonismus damals so großes Gewicht legte, ihr Recht, würde es aber ablehnen, daß der Consensus der Tradition die Wahrheit dessen beweise, was überliefert ist. Der Prolog deutet und würdigt den Weg der Tradition vom Ziel, von der Vollendung der Offenbarung her. Wir wollen nicht behaupten, daß die Auseinandersetzung mit der mittelplatonischen Zeitphilosophie der Hauptzweck oder auch nur ein eigenständiger Nebenzweck des Prologs sei. Wie eingangs gesagt, ist V zur Dichtung des Prologs überhaupt angeregt worden durch den ersten Satz der vor ihm liegenden Grundschrift Z. Wie die Einführung der Logosidee und die Erwähnung des Täufers Johannes aufeinander zu beziehen sind, können wir erst im Schlußwort zum Prologe darstellen. Darf man mit Bultmann 1 ) als die Meinung des Joh-Prologs aussprechen, „daß Jesus als der Offenbarer Gottes nichts offenbare, als daß er der Offenbarer Gottes sei", daß also der Erlöser eine kosmische Gestalt und die Erlösung im Grunde ein kosmischer Vorgang und die Identität der rpvaiQ zwischen dem Erlöser und den Erlösten die Voraussetzung der Erlösung sei? Man darf sich nicht durch die Hypothese, daß der Prolog ein aus aramäischer Quelle entlehnter „gnostischer" Hymnus sei, verleiten lassen, alles, was V sonst über den Offenbarer und die Offenbarung sagt, außer Acht zu lassen. V füllt doch den Inhalt der Offenbarung in Jesus durch zwei wichtige Verkündigungen: Gott ist die grenzenlose Liebe (bes. 1. J o h 4 16) und Gott ist das siegend in die Finsternis vordringende Licht, und Finsternis ist in ihm keine (bes. 1. Joh 1 5), Jesus aber erweist sich durch Tat und Wort als das Licht der Welt und als die Liebe bis zur Vollendung (Ev 9 5 13 l). Das haben die dafür empfänglichen Menschen als etwas so Außerordentliches empfunden, daß sie deshalb und nur deshalb Jesus als die vollendete Offenbarung Gottes verstanden, und das gilt noch heute. Wenn Bultmann a. a. O. 403 schreibt: „Daß in Jesus Gott selbst begegnet, und zwar gerade in Jesus als einem Menschen, an dem nichts Außerordentliches wahrnehmbar ist als seine kühne Behauptung, daß in ihm Gott begegne — darin liegt die Paradoxie des Offenbarungsglaubens", so hat Jesus selbst z. B. Joh 10 36fl. V nicht !) ThdNT 418.

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für solche „kühne Behauptung", sondern für seine die Liebe Gottes offenbarenden Werke Glauben gefordert. Bei der Untersuchung der Sprache des Joh-Ev und der Joh-Briefe hat sich mir ergeben, daß V nur o Aöyog im Sinne des Prologs verwendet (1 1.14 und 10 35, wo el ¿xeivovg elnev üeovg, nqog ovg 6 Aoyog iyevero einmalig ist und dem Gedanken 1 11 slg rä idia tfA&ev entspricht, während das iyivexo in 1 14 vorkommt), daß dagegen Aöyog im üblichen Sinne als gesprochenes, geschriebenes, gehörtes, zu glaubendes, in den Menschen bleibendes, von ihnen zu haltendes Wort, sei es Jesu, sei es Gottes, nur bei H vorkommt. V, bei dem Jesus nicht Worte spricht, sondern — nach den Propheten, zu denen „das Wort gekommen ist" — selbst das inkarnierte Wort ist, hat es also bewußt vermieden, Myog im üblichen Sinne zu verwenden; das wie vieles andere zeugt von seinem völlig sicheren religiösen Takt. Nur H konnte einerseits in Apok 19 13b den von ihm aus dem Prolog des V übernommenen, hochheiligen Namen o Aoyog rov öeov nennen und diesen Ausdruck auch sonst abgeschliffen gebrauchen und andererseits in 1. Joh 3 18, einem seiner Zusätze, schreiben: ¡xi\ ayanwfiEV Xoyq>, cUA' iv egyip xai afai&eiq.. — In dem „wir" 14 gibt sich V als Augenzeuge wie in 1. Joh 11; an 14 schließt 18 glatt an. Beachten wir auch, daß V kurz und klar sagt, kein Mensch habe Gott je gesehen. Von Gesichten, wie sie der Apokalyptiker „Johannes" geschaut zu haben behauptet, hat V nichts wissen wollen. Jener Einzigartige, in dem der Logos, der im Anfang bei "Gott und Gott war, Fleisch geworden ist, hat Gott gesehen und offenbart. Die Menschen, auch der berichtende V, haben nur die So£a des einzigartigen Sohnes Gottes, des Logos, gesehen, der Fleisch geworden ist. Ist V gegen apokalyptische Hybris, so ist er doch auch gegen Doketismus. So£a steht bei V 1 14 17 5.22 und. bedeutet hier die Herrlichkeit, die der Sohn durch die Einigkeit mit dem Vater hat und den Menschen vermittelt, wenn diese sich in die Einigkeit einbeziehen lassen. 86£a bei H bedeutet 2 11 11 40 12 41 17 24 die absolute Majestät und Wundermacht Gottes, die auch der Sohn gelegentlich zu Lebzeiten, endgültig bei der Parusie, offenbart, sonst bei H und einmal bei Z die Ehre Gottes und der Menschen. Jene 66£a ist also nach V gegenwärtiger Besitz der Christen. Aber allzu selbstverständlich ist bei V der Logos das Licht der Menschen, scheint das Licht und leuchtet es jedem Menschen. Gewiß weiß V mit Jesus, daß in der Welt der Menschen noch die Finsternis um ihre Herrschaft über die Welt der Menschen kämpft und den Offenbarer des Lichts verfolgt und zu überwältigen sucht. Wir hören: Die Finsternis hat das Licht nicht überwältigt — aber hat denn das Licht die Finsternis überwältigt, ist denn der Sieg, den Jesus errungen hat, auf Erden gesichert? V sagt an manchen Stellen des Ev und der Briefe, daß die Gotteswerke des Lichts offenbart werden sollen, daß einmal alle von Gott gelehrt sein (6 45) und die frei machende Wahrheit erkennen (8 32) werden, daß Jesus der Retter der Welt ist (4 42 1. J o h 414), einmal sogar, daß Jesus — offenbar als Sieger auf Erden — seine Jünger wiedersehen wird (16 22) und 1. Joh 3 2 ganz deutlich, daß „wir, die wir jetzt Kinder Gottes sind, noch viel mehr, nämlich Ihm ähnlich werden sollen, wenn wir Ihn sehen werden, wie E r ist". V teilt offenbar die Zuversicht Jesu, daß Gottes Wille einmal wie im Himmel, also auch auf Erden geschehen wird. Aber wir hören bei V nicht den Gebets-Imperativ Jesu: Dein Reich, d. h. Dein Sieg über die Finsternis komme! sondern „eine neue Botschaft" im Indikativ des Präsens 1. J o h 2 8: „Die

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Finsternis vergeht, und das Licht scheint schon". V sagt dort: „Das ist wahr bei Ihm und bei euch!" „Bisher sehen wir noch nicht, daß ihm alles unterworfen ist" (Hebr 2 8), und jene Botschaft im Präsens ist in der Tat, soweit sie uns betrifft, „neu", wie V selbst schreibt, von Jesus aber nicht gedeckt. V spricht im Prolog nicht und sonst sehr selten von der Zukunft: er sagt ¿•&eaadfie&a und e^rjy^aaxo; er scheint über der Herrlichkeit der Einigkeit mit Jesus und Gott, in der das Reich Gottes wirklich schon da ist, den Ernst der Lage in der Menschenwelt zu übersehen, und er spricht daher kaum von der notwendigen Hoffnung auf die Vollendung des Reiches Gottes auf Erden wie im Himmel. Diese Hoffnung der Liebe auf den Sieg Gottes in der Menschenwelt festzuhalten, wenn man nicht aus ihr flüchtet, sondern wie Jesus mitten in ihrem finstersten Elend lebt, das ist das Allerschwerste für den Menschen, und daß Jesus sie angesichts seines Todes festgehalten und laut Lc 22 28ff. an seine Jünger weitergegeben hat, ist das Allergrößte, die „Liebe bis zur Vollendung" Joh 13 l, an ihm. Die Finsternis vergeht, und das Licht des Heils der Menschenwelt geht auf — sicher, weil Gott es in und durch Jesus verheißen hat, aber nicht mit der Naturnotwendigkeit des Wechsels von der Nacht zum Tage. V scheint die Dämonie, die Teufelei in der Menschenwelt, die Notwendigkeit des Kämpfens gegen sie und des Leidens an ihr, die Jesus klar gesehen hat, zu übersehen. Die Christen bedürfen der eschatologischen Hoffnung und des nur aus der Hoffnung auf die Verheißung Gottes und dem Wirken des lebendigen Gottes quellenden Mutes, zumal, wenn man aus Glauben und Liebe das Ziel so weit steckt, wie V es ganz im Sinne Jesu tut und wie es ja auch im Inkarnationsgedanken angelegt ist, daß der fleischgewordene Logos der „Retter der Welt" sein will. Es wird sich zeigen, daß „das Licht", dieser für V zentrale Begriff, immer als die an das Sein in der Welt und das Wirken „am Tage" gebundene Offenbarung verstanden ist; das „Wandeln im Lichte" ist die Gemeinschaft mit dem Sohne Gottes und durch den Sohn mit dem Vater Gott. Darum muß man den Ausdruck „eschatologische Existenz" für ro g ablehnen. Offenbarung ist nicht gleich Eschatologie; Offenbarung transzendiert gleichsam vertikal von Gott zu den Menschen, Eschatologie gleichsam horizontal von der Gegenwart zur Zukunft der Menschheit, aber für den schweren Weg in die Zukunft schenkt die Offenbarung die Klarheit und die Kräfte der Liebe und der Hoffnung. Der Ausdruck „echatologische Existenz" darf nicht die moderne Ausflucht vor der „alten, naiven", der „realistischen" Eschatologie, d. h. Lehre von den letzten Dingen sein, denn das wäre Ausflucht vor der von Jesus geforderten, weil zuvor geschenkten Hoffnung auf das Reich Gottes auf Erden, das als zukünftige Vollendung des in Jesus gegebenen und unter Christen gegenwärtigen Anfangs nicht ernst genug genommen werden kann. Aber diese Hoffnung kann leicht in Schwärmerei und Apokalyptik ausarten, und sie ist in der Zeit der Entstehung des Joh-Ev dahin ausgeartet, wie gezeigt werden soll. Es erhebt sich die Frage, ob V aus Sorge vor solcher Ausartung die Zukunftshoffnung zurückgestellt hat. Damit hängt natürlich die Christologie des V zusammen. Legt V den Ton auf die gegenwärtige Offenbarung, so muß ihm der historische Jesus und dessen Einigkeit mit Gott wesentlich sein: Es ist die Christologie des Logos und Sohnes Gottes, des Lichtes. Dagegen legt H fast das ganze Gewicht auf den Sieg des Christus in der Zukunft; ihm muß daher der eschatologische Jesus, der nach seiner Auffassung mit der Gewalt der himmlischen Heerscharen siegt, wichtiger werden als der historische Jesus, der nur durch Liebe überwunden

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hat: Es ist die Vorstellung des H vom Menschensohne, der kommen wird zum Siege über den Teufel und zum messianischen Gericht und dann den Erwählten, die im Glauben an den Menschensohn, in den Sakramenten und im Pneuma schon das Leben haben, Sieg und ewiges Leben, den Nichterwählten aber und „dieser Welt" ewigen Tod bringen wird. Das ist wirklich Eschatologie, und H hat recht, daß er die Hoffnung auf den Sieg Gottes wieder auf den ersten Plan gestellt hat — wenn nicht gegen V selbst, so gegen gefährliche Folgerungen, die aus den Gedanken des V gezogen wurden. Aber H hat nun wieder nicht recht und widerspricht klaren Worten Jesu und insbesondere dem Vaterunser, wenn er unter dem Einfluß des jüdischen Erwählungsbewußtseins den bleibenden Zorn Gottes (3 36) und die daraus folgende praedestinatio gemina lehrt und unter der Einwirkung der levitisch-priesterlichen Sektenfrömmigkeit seiner Zeit den Sieg Gottes über die Finsternis nicht „auf Erden" erhofft, sondern „diese Welt", die bestehende Physis, nicht als Gottes-, sondern als Teufelswerk ansieht, verachtet und der Vernichtung preisgibt. V kennt nicht den Gegensatz zwischen Gott und der Physis; darum kann der Logos auf natürliche Weise Fleisch werden. V kennt auch nicht den absoluten Gegensatz zwischen Gott und dem Menschen oder einem Teil der Menschen, sondern nur den zwischen Gott, der das Licht und die Liebe ist, und der „Finsternis", der Macht des Widerstandes und Widerstreites gegen Gott. Durch Ungehorsam gegen Gott, den Schöpfer und Vater, sind die Menschen in die Finsternis gerateii; wenn sie sich vom Lichte richten, d. h. ausrichten lassen und Glaubensgehorsam üben, können sie wieder Gottes Kinder werden, und das beweisen sie dadurch, daß sie alle Mitmenschen in einem tätigen Gemeinschaftsleben lieben, wie der fleischgewordene Logos geliebt hat (13 34). Daß der von den Zusätzen der dritten Hand H gereinigte Prolog von V selbst gedichtet, nicht etwa irgendeiner Quelle entnommen ist, wird außer durch den geschlossenen, geistvoll organischen Bau auch dadurch bewiesen, daß Wortschatz und Stil durchaus mit den übrigen, dem V zuzuschreibenden Stücken des Ev und der Briefe übereinstimmen, ausgenommen natürlich den Satz 6, den V in seiner Vorlage Z vorgefunden und über den er eben den Prolog gedichtet hat. Wie aus dem Verzeichnis S. 190 zu ersehen ist, gehören dem eigentümlichen Wortschatz des V die Konstruktionen xm6k — ovòév, s, axorla, tpalveiv, xaTahx/ißdveiv, ol ìòioi, nimeveiv eis TÒ ovo/ia avrov, &eòv OVÒEÌQ IMQAXE» nómoze, xófoiog und /¿ovoycvrji; an. Es ist nun zu zeigen, daß die aus dem Prologe ausgeschiedenen Stücke dem Herausgeber H gehören. 4 ioriv — so lesen wir mit & D, it, sy c . Es sei hier grundsätzlich bemerkt, daß der Nestle-Text einen Philologen nicht befriedigen kann. Es wird im Joh öfter festzustellen sein, daß N und D, d. h. der noch unrezensierte ägyptische Text und der /3-Text (von Kenyon Tog fwv bedeutet aber auch „mein Herr" (vgl. Apg 28 7 6 JiQÖirog zfjg vr/aov und Joh 1518 ort è/uè TIQÜJXOV (V/HCJV) ßEßIARJXEV, d. h. mich als „euren Ersten", aber zugleich als „euren Herrn", denn es wird 20 interpretiert: „Nicht ist ein Knecht größer als sein Herr"; vgl. Mc 1044). Das JIQWTÓV fiov vertritt in 116 also den Satz 27: „dem ich nicht würdig bin, die Schuhriemen zu lösen". Der Herr ist aber endlich auch der Reiche; zur Erläuterung des tiqwtóq fwv kann also H in 116 fortfahren: „denn aus seiner Fülle, d. h. seinem Reichtum haben wir alle genommen, Gnadenerweise um Gnadenerweise". In „wir alle" spricht H für seine Gemeinde genauso ungeniert durch den Mund des Täufers, wie 3 ll durch den Mund Jesu, o slnov ist H, vgl. unter Xéyeiv S. 193. Zwei kausale ori Sätze aufeinander wie in 16 auch noch 14 28 H (gegen Hirsch). 'Irjoovg XQIOTÒQ als Doppelname im Ev nur noch 17 3 bei H ; dagegen hat V Xgcarog im Ev ebenso vermieden wie „Menschensohn" und überhaupt jeden ausgesprochen eschatologischen Titel für Jesus. Das Wort xagig kommt in den Joh-Schriften außer hier nur noch in den Grüßen von 2. Joh und Apok vor. Die Gegenüberstellung von Gesetz („durch Moses gegeben" nur bei H) und Gnade 17 meint nicht den paulinischen Gegensatz, sondern die ebionitische Steigerung: Prophet Moses — wahrer Prophet Christus, vgl. Himmelsbrot des Moses — wahres Himmelsbrot Jesu Joh 6 32; man muß an den (neuen) Bund der Gnade denken, dessen Mitglieder bereit sind, der Wahrheit Gottes gemäß, d. h. in rechter Gesinnung zu leben, von dem Sektenkanon I redet. H scheint von den Wüstenleuten aus- und über sie hinausgegangen zu sein. Die Begriffe: Der Kommende, Vorrang des Früheren, Geburt von oben im Gegensatz zu blutmäßiger Abstammung von Abraham, Reichtum der eschatologischen Existenz, Antithese gegen das offizielle Judentum, vor allem die praedestinatio gemina, stammen aus der sektiererisch-jüdischen Gnosis und sind von E. Lohmeyer in seiner Untersuchung über Johannes den Täufer 1 ) beim Täufer aufgewiesen worden. H geht insofern über die sektiererische Opposition hinaus, als er, nachdem nun einmal der Täufer durch den Lauf der Ereignisse als nur vorläufiger Zeuge vom Licht erwiesen ist, in dem Christos Jesus das wirkliche Licht sieht und von seiner Wiederkunft seinen Sieg und „den Tag der Rache" erwartet. Dagegen f ü r V ist das &eòv è^rjyrjaazo der Erfolg, also auch der Sinn der Fleischwerdung. Vergleichen wir die einfach konstatierenden Worte des V in 7 mit 15 und dessen apokalyptischer Zweideutigkeit und aufgeregtem Tone, so wird klar, daß für V der Täufer ein historisch gewordenes, durch den inkarnierten Logos überholtes und überwundenes Factum ist, f ü r H aber ein noch gegenwärtiges Problem, mit dem er nicht nur gegen Angriffe von außen — etwa den für Ephesos bezeugten Täuferjüngern —, sondern noch vielmehr in sich selbst zu ringen hat. Schon Lohmeyer hat a. a. O. 119 geschrieben: „Wie denn auch wahrscheinlich ist, daß der vierte Evangelist in der Tradition dieser Johannes-Schüler steht, wenn er nicht selbst ein Johannes-Schüler war." Man darf behaupten: Der Herausgeber des Joh-Ev, *) Das Urchristentum I, Göttingen 1932.

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unser H, ist Johannes-Schüler gewesen und es geblieben, auch nachdem er in die Jesus-Gemeinde eingetreten war. Mit ihm ist innerhalb der christlichen Gemeinde eine Richtung aufgenommen, in der Abschätzung „dieser Welt", die des Teufels ist, praedestinatio gemina, Engellehre, Apokalyptik des drohenden Bndgerichts, überhaupt pneumatisches Wesen, Kritik am offiziellen Judentum, Offenheit f ü r synkretistische Ideen und eine persönliche Hochschätzung des Täufers verbunden waren. Das ist noch nicht Gnosis im Sinne von östlicher Spekulation, Mythenmischung und Mysterien, aber eine Weiterbildung der „jüdischen Gnosis", verwandt — wie allgemein anerkannt ist — mit dem Gedanken des Sektenkanons und der Damaskusschrift oder, wie E. StaufFer1) es allgemeiner faßt, der in die Wüste gegangenen, rechtsradikalen, aaronitischen, priesterlich-levitischen Opposition, zu der auch der Täuferkreis gehörte. Der aus dem Täuferkreise hervorgegangene und ihm innerlich verhaftet gebliebene Herausgeber H hat, wie natürlich noch zu beweisen ist, die Apokalypse geschrieben und nach dem Tode des V das Joh-Ev und die Joh-Briefe als Herausgeber stark in seinem Sinne bearbeitet, aber V hat schon zu seinen Lebzeiten sich dieser Geistesrichtung entgegengestellt und sich im Prolog des Ev mit ihr auseinandergesetzt. V stellt hier klar, was Jesus nun einmal grundsätzlich und wesentlich vom Judentum und besonders von der levitischen Opposition unterscheidet. Es ist dies, daß Jesus die praedestinatio gemina, d. h. die absolute Scheidung der Menschen in die von Gott zur Seligkeit erwählten und die dem Teufel Belial gehörenden und zur Vernichtung bestimmten radikal ablehnt und, wie die ganze Schöpfung, so auch die ganze Menschheit für Gott beansprucht. Dies wollte V durch den Prolog in einer auch für griechische Leser unzweideutigen Weise dadurch zum Ausdruck bringen, daß er den universalen Logosgedanken aus der Zeitphilosophie übernahm, wobei ihm der Anklang an die Genesis nur recht sein konnte, und diese universale Logosidee dem Dualismus des Täufers entgegenstellt. V bleibt vornehm im Geist und in der Form, weist Jesus und dem Täufer jedem sein Recht zu: Der Täufer ist die bedeutendste Erscheinung der Vergangenheit, Jesus gehört die Zukunft. Nach der Interpretation des Prologs haben wir von der V-Schicht und von der H-Schicht doch wohl schon Vorstellungen gewonnen, die soweit klar sind, daß wir mit ihnen weiterarbeiten können. Wir haben auch erkannt, daß V zeitlich dem H vorausliegt, aber der Z-Schicht nachfolgt. Von dieser Z-Schicht haben wir erst einen Satz, offenbar den einleitenden Satz, kennengelernt, dessen Stil an die Einleitungen der Hypomnemoneumata erinnert 2 ). Probleme der Priestertradition, ThLZ 81, 1956, 135ff. ) Im folgenden griechischen Text bezeichnet ein Häkchen (T) die für die betreffende Schicht charakteristischen Worte und Ausdrücke. 2

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ets? rYap reY£vü)axev, r r i ev toj avO-p Myco an durchweg unverkennbar. H stellt zunächst mit .Hilfe seiner Technik des Mißverständnisses fest, daß das Lehrertum Israels auf die entscheidende Frage keine Antwort geben kann (Bu). Dann bringt er seine und seiner Gesinnungsgenossen (1. Pers. Plur. in 11, aber Jesu in den Mund gelegt) Lehre von der „Zeugung von oben her", die H mit dem Taufbericht des Nazaräer-Ev gemeinsam hat 1 ). Das ist nicht das „Werden wie die Kinder" Mt 18 3 Par, gerade weil es bei H „nicht das Entweder-Oder der Wahl, sondern das des Schicksals ist" (Bu): „Was gezeugt ist aus dem Fleische, ist Fleisch, und was gezeugt ist aus dem Pneuma, ist Pneuma; wundere dich nicht, daß ich gesagt habe: ihr müßt gezeugt sein worden von oben her. Das Pneuma weht, wo es will." Wohlmeinende Lateiner haben in 5 aus dem yewrfdfj, d. h. der einmaligen, schicksalhaften Zeugung ein ävayEWtj&fj gemacht, d. h. die Möglichkeit einer Wiedergeburt. Für H ist alles determiniert: „Wenn einer nicht gezeugt worden ist aus Wasser und Pneuma, kann er nicht in das Reich Gottes hineinkommen." Das Wasser kann nicht von der Taufe verstanden sein, sondern muß im Gegensatz zu der sarkischen Zeugung al/mrmv (vgl. 1 13) mit H. J . Schoeps 2 ) im ebionitischen Sinne als Ursprungselement der Schöpfung, das von Gott zur Wiedergeburt der Menschheit verordnet ist, gedeutet werden; es ist ein ursemitischer Gedanke. H sagt laut N* u. a. in 5 einmal ßaoiXeia rwv ovoavoiv (Einfluß des Mt); es ist die Herrschaft der Erwählten, die nach H durch den Aufstieg Jesu in den Himmel sich vorbereitet. Wenn H Jesus durch eäv einoj 12 versprechen läßt, von diesen sjiovgdvia Offenbarung zu geben, so verspricht H selbst hier, wie hernach noch mehrere Male, seine eigene ajtoxaÄvxfiq 'Irjaov Xniarov, fjv edcaxev avrw o fteoQ öei£m roiq !) Vgl. Hennecke, NT1. Apok, 3. Auflage, 107. ) Theologie und Geschichte des Judenchristentums, Tübingen 1949, 205ff.

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öovXoig avrov, die schon fertig vorliegt, und verrät dabei die Besorgnis, ob man ihr glauben wird. Diese Apokalypse kann erst der erteilen, „der zum Himmel aufgestiegen ist" (das ävaßißrjxev wird von H in 13 dem lebenden Jesus in den Mund gelegt!); der Menschensohn muß aber überhaupt erst erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben habe. (In 13 will H nicht etwa die Himmelfahrt des Elias und des Henoch bestreiten, sondern er denkt in der Bewußtseinsenge des Fanatikers, wie 8 33 „wir sind nie jemandes Knechte gewesen".) In 14 ist angedeutet, daß die Erhöhung, d. h. der Aufstieg zum Himmel zur Rechten des Vaters über den Kreuzestod geschieht; das Kreuz ist für H das Gleichnis (12 32) und das Mittel der Erhöhung, die Juden sind dabei laut 8 28 die Handlanger. Z hat, wie wir sehen werden, überhaupt nicht vom Tode und Kreuze gesprochen; für V ist das Kreuz Jesu „die Liebe bis zur Vollendung" (13 1), der höchste Beweis der Liebe Jesu und Gottes zur Welt, wie Gott ja auch aus Liebe zur Welt seinen eingeborenen Sohn gesandt hat (3 16). Von einer Sendung Jesu zugunsten der Welt, „dieser Welt", willH nichts wissen, kann er nichts wissen wollen. Für H ist diese Welt ja des Teufels; in Ausweitung des jüdisch-judenchristlichen Gedankens der Erwählung beachtet er nur die beschränkte Zahl der Erwählten, der „von oben her Erzeugten", die in diese Welt gebannt sind, bis sie aus ihr erlöst werden zu dem ihnen gebührenden „ewigen Leben" im Reiche Gottes. Die Sendung Jesu gilt darum nach H nicht der Welt, sondern den Erwählten, die vorläufig nur die Glaubenden sein können; Gott hat nach H seinen Sohn gesandt, „damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe" (16b). Die in die Welt gebannten, der Welt fremden Erwählten zu stärken und zu bewahren, „mußte" der der Welt fremde Menschensohn eine Zeitlang in diese Welt kommen; um die Erwählten loszukaufen, „mußte" er geschlachtet werden; um sie endgültig zu erlösen, „mußte" der Menschensohn aus dieser Welt wieder erhöht werden, um am Ende mit der Gewalt der Engel zu kommen und adiese Welt mitsamt den nichterwählten „Erdbewohnern" zu vernichten. Das Set in 14 ist der Ausdruck des Determinismus des Apokalyptikers, dem die Geschichte der Ablauf eines fest geschriebenen Weltdramas, „der Dichtung eines Gottes" ist. Wenn H in der Sendung Jesu die Absicht Gottes sieht, die Erwählten in dieser Welt der Unreinheit und Sünde zu bewahren, so kann H gelegentlich auch von der die Sünde aufhebenden K r a f t des Lammes und der reinigenden Wirkung seines Blutes sprechen, aber solche Gedanken stammen aus der theologia crucis, die sich mit der Auffassung des V wohl verträgt, aber dem H innerlich fremd ist. — In l9b-2la will H den Sinn des Wortes xgiaig bei V nicht verstehen und wendet den Begriff in bewußtem Gegensatz zu V entschieden in die Bedeutung „Gericht". „Die Menschen" in 19 sind die Erdbewohner der Apok; sie ziehen die Finsternis (H sagt hier und 1. Joh 1 6, wo er den f ü r V charakteristischen Gegensatz von Licht-Finsternis einmal weiterspielt, ax6rog statt axorla V) dem Lichte vor; sie t u n das Böse und kommen nicht zum Lichte (bei V kommt das Licht 19a). 21b mußten wir seiner Sprache wegen dem V zuschreiben und mit 19a verbinden, so daß avrov als TOV