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German Pages 630 [414] Year 1962
DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN S C H R I F T E N D E R S E K T I O N FÜR
ZU
BERLIN
ALTERTUMSWISSENSCHAFT
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VIER URCHRISTLICHE PARTEIEN UND IHRE VEREINIGUNG ZUR APOSTOLISCHEN KIRCHE II VON
WILHELM
HARTKE
A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L I N 1961
Wilhelm Hartke ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft
Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktoren dieses Bandes: Hans-Ulrich Delius und Christa Samberger Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8 , Leipziger Str. 3—4 Copyright 1961 by Akademie -Verlag GmbH, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/97/62 Satz, Druck und Einband: Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg Printed in Germany Bestellnummer: 2067/24/11 • ES 7 M • Verkaufspreis für beide Bände: DM 1 3 8 , -
ZWEITES BUCH
D I E ENTSTEHUNG DES NEUEN TESTAMENTES
ERSTER TEIL
Die Entstehung der una sancta cattolica et apostòlica ecclesia und eines Kanons heiliger Schriften dieser Kirche in der Zeit Domitians
Einleitung: Übersicht über die Geschichte des Urchristentums bis zur Zeit Domitians
Jesus war, wenn auch „nach dem Fleische" ein anerkannter Jude, doch, jedenfalls seit er ins Licht der Geschichte tritt, „nach dem Geiste" nicht mehr Jude und — Gott sei Dank — noch nicht „Christ". E r war „der Mensch, wie Gott ihn wollte und schuf", „der Mensch für den Mitmenschen" (K. Barth). Das Früheste, was wir zuverlässig über ihn wissen, ist, daß Jesus Verbindung mit dem Täufer Johannes und seiner Sekte gesucht hat, die zu derselben levitisch-priesterlichen Opposition gegen das offizielle Judentum gehört hat, die in den neu am Toten Meer gefundenen Texten zu Worte gekommen ist. Das hier geltende Dogma der Prädestination und der Vernichtung der Nicht-Erwählten am „Tage der Rache" und die entsprechende erste Vorschrift des Sektenkanons, „zu lieben alle, die Gott erwählt hat, und zu hassen alle, die Er verworfen hat", konnte Jesus nicht annehmen; er fühlte sich verpflichtet und berufen, als der Knecht und das Lamm Gottes, die Leiden und Schmerzen der Menschen auf sich zu nehmen, die Menschen grenzenlos zu lieben und ihnen durch Tat und Wort das Licht der Erkenntnis zu bringen, daß Gott selbst die grenzenlose Liebe und in Ihm keine Finsternis ist. Gerade in der Taufe durch Johannes war Jesu die Gewißheit geschenkt worden, daß er nicht nur der Knecht, sondern der geliebte Sohn Gottes sei und die grenzenlose Liebe Gottes allen Menschen zu erweisen habe. So mußte er sich vom Täufer und von den Wüstenleuten trennen, ohne sie aufzugeben. Mit dem offiziellen Judentum des Tempels hatte er erst recht keine Gemeinschaft außer der des Erbarmens. So stand er gleichsam in der Luft, aber gehalten von seinem himmlischen Vater. „Die K r a f t Gottes" (Mc 12,24) hat er in sich als gegenwärtig erlebt und nichts als Gottes Werk der grenzenlosen Liebe zu allen Menschen getan. In dieser Liebe und ihren Wirkungen ist die Herrschaft Gottes auf Erden schon da. Jesus hat klar gesehen, daß Gottes Sieg in der Menschheit noch aussteht, und er hat deshalb die Bitte, daß Gottes Name geheiligt werde, Gottes Reich komme und Gottes Wille geschehe auf Erden wie im Himmel, zu seinem und seiner Jünger Hauptgebet gemacht. Jesus hat sich in diesem Sinne als den Menschensohn, die Zukunft Gottes auf Erden bezeichnet. E r hat auch sehr konkret die wichtigsten Grundlinien der künftigen Gesell26*
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
schaftsordnung des Reiches Gottes auf Erden und ihren Unterschied von der bisherigen, unter der Herrschaft des Mammon in Sünde und Elend stehenden gezeichnet, besonders Mc 10,23ff. 42—44 und im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg 1 ). Wenn Jesus sich den Menschensohn nannte, so verstand er sich als Repräsentant des Volkes Gottes, des letzten Reiches der Heiligen des Höchsten (Dan 7). Auch in der Auswahl der Zwölf lag der Blick Jesu auf der Endgestalt des Volkes Gottes, wobei die alte Verfassung Israels als Typus diente. Die Aussendung der Zwölf (Mc6,7ff.) war zwar nur eine örtlich und zeitlich begrenzte, sachlich, nicht persönlich bedingte Bevollmächtigung 2 ), die mit der Rückkehr zu Jesus erlosch, aber die Zwölf blieben, wenn auch nicht die einzigen Jünger, so doch der innerste Kreis um Jesus, wie sie es schon vor der Aussendung gewesen waren. Als einer von den Zwölf den Meister verraten hatte, stiftete dieser in der Nacht vor seinem Tode die Gemeinschaft der Zwölf neu. Jetzt waren es nicht mehr die einst Ausgewählten und auch einmal Ausgesandten, sondern die Treuen, zu denen die treugebliebenen Elf gehörten, deren Zwölfter aber Johannes Marcus, der geliebte Jünger, war 3 ). Diesen neu bestimmten Zwölf gab Jesus laut Ur-Joh 17,18 den Sendungsbefehl an die Welt in der Erwartung, daß sie in den unvermeidlichen Leiden sich weiter bewähren würden, und mit der Verheißung, daß sie in seinem Namen das Volk Gottes „ausrichten" würden (Lc 22,30). Wenige Stunden später, als der Hirte geschlagen wurde, zerstoben auch sie wie eine führerlose Herde. Der Auferstandene hat die verlorenen Schäflein gesucht, gefunden und auf seine Schultern gesetzt mit Freude. Durch die Wirkung des den Jüngern wieder lebendig und mächtig gewordenen Jesus wurde die Gemeinschaft endgültig wiederhergestellt. Die erste Christengemeinschaft entstand in Jerusalem, im Hause des Johannes Marcus und der Maria Magdalena, in demselben Räume, in dem Jesus das letzte Mahl gefeiert hatte, am Abend des 4. April 33, am Vorabend eines Ersten Wochentages, d. h. Sonntages. Es hatten sich „die Jünger" (Joh 20,19—21 V), die einen Freundeskreis um Maria Magdalena und deren Sohn Johannes Marcus bildeten, wahrscheinlich in Jerusalem und nächster Umgebung wohnende Menschen, in deren Hause versammelt. Diese erste Gemeinschaft wurde dadurch konstituiert, daß sie die Gegenwart des auferstandenen Herrn in ihrer Mitte erlebte und sich bewußt wurde, von ihm gesandt zu sein (Joh 20,21 V). An dem Abend der Woche, an dem sie dies erlebt hatte, kam sie immer wieder zusammen, und so schuf sie den christlichen Sonntag. Wenn wir weiter nichts von dieser Gemeinschaft wüßten, dürften wir getrost schließen, daß diese Jerusalemer Freunde Jesu durch
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Vgl. S. 288.
) Rengstorf, 'AnóazoXog, ThW I. 427.
') Vgl. S. 152.
Einleitung: Übersicht über die Geschichte des Urchristentums
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Jesus — sicherlich ohne restlichen Haß — aus dem Judentum, befreit worden waren. Dafür bürgt auch alles, was wir sonst von Maria Magdalena und Johannes Marcus, dem geliebten Jünger und späteren Alten von Ephesos, dem Verfasser V des Ur-Joh-Ev und der echten Kerne der Joh-Briefe, also von den wichtigsten Mitgliedern dieser Gemeinschaft, wissen. Sie war sich bewußt, wie Jesus selbst die Sendung an die Welt zu haben; sie erwartete von der vollen Offenbarung des Herrn die Vollendung ihrer gegenwärtigen Existenz (1. Joh3,2), aber sie existierte in der Gegenwart des Herrn. Diese Jerusalemer Gemeinschaft war die erste, einfach in dem Sinne, daß sie zuerst berufen worden war; von Organisation ist bei ihr keine Rede. Petrus war am frühen Morgen des Samstags, nachdem Maria Magdalena ihm ihr Erlebnis am Grabe mitgeteilt hatte, zusammen mit den übrigen zehn galiläischen Jüngern stracks zum Karmel zurückgeeilt, um dort das Reich zu „sehen", elg ro ÖQOQ, OV ¿rdfaro amolg O 'Iijoovg. Dort hat er „ I h n " als den himmlischen Herrn geschaut. Aber die von Petrus gegründete galiläische Gemeinde ist von anderer Art als die erste, die Jerusalemer Gemeinschaft. Daß diese schon konstituiert war, mögen die Galiläer anfangs nicht gewußt haben; sie werden geglaubt haben, die erste Gemeinde zu sein, aber sie wollten auch die erste sein, und sie wollten eine Gemeinde im alttestamentlichen Sinne sein. So bekommt das Moment der Erstheit bei ihnen die eigentümliche Wertung eines, wenn auch hochgesinnten, so doch selbstsüchtigen Ehrgeizes, vor dem Jesus schon zu Lebzeiten seine galiläischen Jünger öfter hatte warnen müssen, und so bringen diese Galiläer von vornherein ihre jüdische Tradition als mitbestimmend in ihr Verhältnis zum Auferstandenen mit hinein. Sie wollten in Beziehung zur Christenheit die führende Gemeinde und in Beziehung zum jüdischen Bundesvolke die vorzügliche Gemeinde sein. Das erste Moment zeigt sich darin, daß Petrus in dem im Jahre 43 nach seinem Diktat in Jerusalem geschriebenen und von ihm autorisierten Ur-Mc die Jerusalemer Christen-Gemeinschaft und deren Erlebnis des Auferstandenen nicht beachtet, vielmehr nur sein eigenes Erlebnis erwähnt, das zweite Moment darin, daß diese Gemeinde unter den überkommenen jüdischen Bezeichnungen den feierlichen Namen der Ekklesia bevorzugt und dadurch zum Ausdruck bringt, daß sie sich als das neue und wahre Gottesvolk der Gottesstadt fühlt, wie es übrigens schon der Täufer Johannes durch das Bundeszeichen seiner Taufe zur Vergebung der Sünden hatte bereiten wollen und noch früher der Sektenkanon und die Damaskusschrift. Dazu kam ein drittes Moment, das Petrus nicht vorausgesehen hatte: Dieser galiläischen Gemeinde schloß sich fast sofort die Familie Jesu an, die zu Lebzeiten Jesu nichts weniger als Verständnis für ihn gezeigt hatte, aber nach einer Nachricht des sehr alten Nazarener-Ev 1 ) J
) Hier. adv. Pel. III 2.
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Erster Teil: Entstehung der una saneta catholica et apostolica ecclesia
zum Täufer gegangen war. Zuerst wird Jakobus den Anschluß an die galiläische Jesus-Christus-Gemeinde gefunden haben, dann die Mutter und die übrigen Brüder, und damit machte sich menschlicher Familiensinn, die semitische Kalifatsidee geltend. Die galiläische Gemeinde muß von Anfang an die Eschatologie, die Erwartung der Zukunft und Wiederkunft Jesu als Messias oder Menschensohn in Kraft und Herrlichkeit am wichtigsten genommen haben. Sie hat gegenüber dem Jerusalemer Kreise um Johannes Marcus und Maria Magdalena, der betonte, daß Jesus der Offenbarer war und im Geiste seinen Freunden gegenwärtig ist, den andern Pol der Verkündigung Jesu betont, daß er das Reich Gottes auf die Erde bringen wird. Diese galiläischen Christen fühlen sich 1 ) als „die Apostel", d. h. auf Lebenszeit berufenen und bevollmächtigten Sendboten „des Kommenden"; sie haben das Christentum von vornherein als die Erfüllung und Vollendung der Täuferbewegung (Apgl,5) verstanden und den mit Pneuma und Feuer taufenden Kommenden, das heißt nun: den als Messias oder Menschensohn in Kraft wiederkommenden Jesus verkündigt. Da konnte die täufergläubige Familie Jesu mitmachen. Die galiläische Gemeinde zog bald nach dem Todespassah nach Jerusalem und blieb dort, angeblich auf Befehl des Auferstandenen (Apgl,4), in der auf die ältere Henochliteratur gestützten Erwartung, daß das neue Jerusalem sich am Orte des alten offenbaren müsse, und in der Hoffnung, daß dies in Kürze geschehen werde. Das erinnert doch stark an die Auszüge in die Wüste, zu denen mancher falsche Prophet oder Messias seine exaltierten Anhänger bewogen hat. In das Gottesreich sich zur letzten Stunde retten zu lassen, ermahnten diese Christen ihre Volksgenossen. Die Erscheinung des Auferstandenen vor den 500 Brüdern (1. Kor 15), das Gegenstück zur Bundeserneuerung am Pfingstfeste Apg 2, bezeichnet den Augenblick, wo in Jerusalem die Verkündigung dieser Apostel einschlug. Die Mitglieder der Ekklesia der Gottesstadt nannten sich „die Heiligen" oder auch „die Armen"; das ist das alte „Ebionim". Sie waren wirklich arm, waren es meist immer gewesen und erst recht geworden, als sie alles aufgaben, um in Jerusalem das Reich Gottes zu verkündigen und zu erwarten; ja, sie wollten arm sein. Nur wo man die Herrschaft Gottes auf Erden ersehnt, erlebt man innerlich den Anfang der Freiheit vom Mammon. So kamen diese Christen auf den Gedanken, „alles gemein haben" zu wollen. Der Gedanke war richtig, die Ausführung unter der gegebenen wirtschaftlichen Situation in der gewählten Form unmöglich; da hatte es der Essäer-Orden schon seit langem viel geschickter gemacht. Der Auszug und die Art der Existenz in Jerusalem, mochten sie auch als vom Pneuma diktiert erscheinen, waren menschliche Eigenwilligkeit. Den Sonntag haben die Galiläer von der Jerusalemer Gemeinschaft
Vgl. S. 356.
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übernommen. Als Dank dafür, daß der Menschensohn gekommen ist und das Leben und die Erkenntnis geschenkt hat, daß er als der Erhöhte im Geiste gegenwärtig ist und daß er kommen wird, sein Volk in sein Reich zu versammeln, feierten die frühesten Christen Jerusalems die Eucharistie; ihre Form ist aus der Ur-Didache noch zu erschließen. Die von Jakobus geführte Gruppe der galiläischen Christen in Jerusalem war von vornherein einem pneumatischen Ebionitismus geneigt. Schon M. Albertz 1 ) hat gesehen, daß Apg l,13f. drei Gruppen genannt werden, die Frauen, die Elf und die Familie Jesu. Unter den Frauen verstehe ich die Jerusalemer Gemeinschaft um Maria Magdalena und deren Sohn Johannes Marcus; ihnen gegenüber bilden die Elf und die Familie Jesu, d. h. die Galiläer, zunächst eine gewisse Einheit. Zwischen diesen beiden Polen entstanden Spannungen, die sich darin zeigen, daß, als noch im Todesjahre Jesu 33 eine Ersatzwahl für den Verräter Judas vorgenommen wurde, zwei Kandidaten aufgestellt wurden, Barnabas, der Verwandte Jesu und des Johannes Marcus, aus dem Kreise der Ur-Jerusalemer, und Matthias, einer der Siebzig2), wohl Galiläer. Der zweite wurde nach der Darstellung der Apg von den Elf erlöst. Es ist zu beachten, daß Johannes Marcus selbst nicht aufgestellt wurde. Aber unter der Anziehungskraft der Gruppe um Maria Magdalena und Johannes Marcus, die den Geist Jesu am lebendigsten bewahrte und innerlich vom Judentum befreit war, mußte es zu Abspaltungen von der galiläischen Gruppe kommen. Der Zwölfbote Matthaios, der zu Lebzeiten Jesu die Logia in Tagebuchform niedergeschrieben hatte, wird immer dicht zu Johannes Marcus gestanden haben, weil er dieselbe Unvoreingenommenheit und Treue der Berichterstattung über den wirklichen Jesus und im wesentlichen dasselbe Verständnis der Person und des Werkes Jesu aufweist wie Johannes. Es schieden sich erstens die hellenistische, von den Sieben betreute Gruppe, deren Führer Stephanos war und der sich der Zwölfbote mit dem griechischen Namen, Philippos aus Bethsaida, zugesellte. Diese Hellenisten verkündeten stark polemisch das Neue, das Jesus gebracht hatte, die durch die alleinige Bindung an den Heiligen Geist (Apg 7,51) gewonnene Freiheit vom Judentum, von Tempel, Gesetz und dem Bunde der Beschneidung. Diese Gruppe wurde von den wachsamen Gegnern Jesu, von Hannas und dem Herodeer Agrippa I. zersprengt, Stephanos getötet. Es unterschieden sich bald unter den Galiläern zweitens Petrus und drittens die „Donnerssöhne", die Zebedaiden Johannes und Jakobus, auch Andreas, des Petrus Bruder, von denen u m den Herrenbruder Jakobus durch deutliche Freiheit von jüdischen Vorurteilen, durch ihren Eifer um Mission und ihr Interesse für die Griechen. J) Zur Formgeschichte der Auferstehungsberichte, ZNW 21, 1922, 259ff. 2 ) Euseb. I 12,3.
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
Wir wissen jetzt, daß der Zebedaide Johannes auf Veranlassung des Andreas die Missionsschrift Z, die Grundschrift des Joh-Ev, das „Buch der Epiphanien des Messias Jesus", dem jungen Johannes Marcus zu griechischer Niederschrift diktiert hat. Dabei blieb der Zebedaide dem galiläischen eschatologischen Standpunkte nahe, während Petrus der hellenistischen heilsgeschichtlichen Auffassung beigetreten ist. Als Paulus nach seiner Bekehrung im Jahre 34 nach Jerusalem kam, besprach er sich dort mit Petrus und dem Herrenbruder Jakobus, d. h. mit den Führern der beiden Gruppen der Galiläer1). Wie Petrus über die Familie Jesu gedacht hat, zeigt er eindeutig durch die Erhaltung des Berichtes Mc 3,20ff., 31 ff.; der Zwölf böte Johannes äußert sich ebenso klar in Joh 7,5. Im Jahre des Apostelkonvents 41 finden wir in Gal 2,9 drei Säulen in Jerusalem, Jakobus, jetzt schon an erster Stelle genannt, Petrus und Johannes, unter dem hier der Zebedaide zu verstehen ist 2 ), der neben Petrus eigene Bedeutung suchte. Im Jahre 44 wurden die beiden Zebedaiden getötet, Petrus verhaftet. Als dieser befreit wurde, begab er sich zum Hause der Maria (seil. Magdalena) und ihres Sohnes Johannes Marcus, wo viele zum Gebet versammelt waren, und diese Gemeinschaft wird Apg 12,17 klar von „Jakobus und den Brüdern", sogar örtlich, unterschieden. Petrus und Johannes Marcus verließen Jerusalem, offenbar weil sie beide gleich bedroht, d. h. in ihrer Auffassung des Christentums einander nähergekommen waren. Jakobus behielt allein das Feld, weil er den Juden tragbar erschien. Er wird damals seine Gemeinde unter Presbytern organisiert haben; nach der Tradition waren es zwölf, bei den jüdischen Synagogen in der Regel sieben. Die Zwölf boten treten nicht mehr auf; nach dem Tode der Zebedaiden und der Abreise des Petrus hat keine Nachwahl stattgefunden; die Zwölf wurden als „die, welche von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes geworden sind" (Lc 1,2), gegen Ende des 1. Jhs. zu einer ideellen Größe. Der Herrenbruder Jakobus war persönlich wohl nichts anderes als ein frommer Jude, der doch versuchte, zugleich christlicher Bruder zu sein. Von der Täuferbewegung hatte er die entscheidenden Eindrücke erfahren. *) Den Petrus hat Paulus 14 Tage hindurch „kennengelernt", den Jakobus hat er nur „gesehen" nach Gal l,18f. Mit diesem mußte er sich versöhnen, wenn Jakobus, was durchaus wahrscheinlich ist, zu den laut Apg 9,1 verfolgten Jüngern des Herrn gehört hat, wohl gar in einem von Paulus angestifteten Tumult, bei dem Blut geflossen ist, von den Tempelstufen hinabgeworfen worden ist, was in Recogn. 1,70 vielleicht nach alten ebionitischen Acta apostolorum berichtet wird und historisch richtig sein kann. H. J. Schoeps trennt davon die Szene der Ermordung des Jakobus im Jahre 63. Lukas kann den Angriff auf Jakobus verschwiegen haben; daß er an dessen Stelle den Stephanos vorgeschoben habe und dieser überhaupt nicht eine historische Gestalt sei, wie Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, Tübingen 1949, 417. 440ff. es vorschlägt, kann ich nicht annehmen. 2 ) Vgl. dazu S. 133.
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Er vertrat mit besonderer Inbrunst die Hoffnung, daß der nun zur Rechten Gottes erhöhte Jesus in Kürze sich als der Menschensohn in K r a f t erweisen und das Reich nach Jerusalem niederbringen werde. Aber mit derselben Inbrunst erstrebte er das jüdische Ideal des armen, asketisch lebenden Gerechten, so daß er auch bei den religiösen Juden in hohem Ansehen stand; er und seine Gemeinde wollten gesetzestreue Juden sein und bleiben. Als die auf den Kommenden Wartenden fühlten sie keinen Drang, über ihre Volksgenossen hinaus selbst Mission zu treiben. Bis zur Parusie „betet der Gerechte für sein Volk". Aber neben Jakobus und den von ihm eingesetzten und zu ihm haltenden Presbytern (Apg 21,18ff.), die immerhin Gott danken für das von Paulus Geleistete, wenn sie ihn auch zu einem Verhalten drängen, das seine Gesetzestreue beweise, stehen andere Gläubiggewordene, die alle Eiferer um das Gesetz Moses' sind, zur Zeit der letzten Anwesenheit des Paulus in Jerusalem neben den Brüdern, die ihn gern aufnahmen, schon die weit überwiegende Mehrheit der Gemeinde. Ich stimme W.Förster 1 ) zu, daß diese Gruppe schon vor dem Apostelkonvent (des Jahres 41) bestandenhat. Aber wenn Förster vermutet, es seien Pharisäer, und zwar Schriftgelehrte gewesen, so bin ich durch die Erkenntnis der Bedeutung des Judas Barsahbas, der sicher mit dieser Gruppe in nächster Verbindung steht, auf eine andere Erklärung gewiesen worden. Judas Barsabbas war Levit, gnostischer Pneumatiker und Apokalyptiker. Nun hat besonders E. Stauffer 2 ) öfter betont, daß priesterlich-levitische Kreise Träger der Opposition gegen die herrschenden Kreise in Jerusalem waren, die in den „Wüstentexten" zu Worte kommt. Ich vermute deshalb, daß diese judaistische Gruppe aus der niederen, der levitischen Priesterschaft Jerusalems stammt und vielleicht von Judas Barsabbas gewonnen worden ist, der in der von ihm allein verfaßten Apokalypse und in den von ihm als Bearbeiter und Herausgeber den echten Kernen des Joh-Ev und der Joh-Briefe zugefügten, von mir sogenannten H-Stücken seine geistige Verwandtschaft mit den „Wüstentexten" und der ganzen von E. Stauffer so bezeichneten „Priestertradition" beweist. Lukas berichtet ja in Apg 6,7, daß eine große Menge von Priestern sich dem Glauben angeschlossen habe, eine Bemerkung, die bisher wenig beachtet oder falsch auf Sadduzäer gedeutet worden ist. Sehr beachtlich ist doch der Zeitpunkt, an dem Lukas das Gläubigwerden einer großen Menge aus der Priesterschaft berichtet: gleich nach dem yoyyvafiog TÖJV *EV.rjvitjTÖw IIQOQ rovg 'EßoaiovQ (Apg 6,1), der zur Abtrennung der hellenistischen Gruppe von der hebräischen geführt hat. Da wir in Judas Barsabbas den fanatischen Vertreter der Speisegesetze erkannt haben, so wird es doch höchst wahrscheinlich, daß Judas schon der Treiber bei dem Konx 2
) Die öoxovvreg in Gal 2, ZNW 36, 1937, 286ff.
) Probleme der Priestertradition, ThLZ 81, 1956, 135ff.
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
flikt mit den Hellenisten gewesen ist und durch die Abdrängung der Hellenisten erreicht, also auch wohl bezweckt hat, daß nun eine Menge von Leviten, seinen Standes- und Gesinnungsgenossen, in die Jerusalemer Gemeinde einströmte und der pneumatisch-apokalyptische Geist nun hier eine immer stärker werdende Macht wurde, die nicht nur die Hellenisten, sondern bald auch den Paulus leidenschaftlich bekämpfte, den Johannes Marcus und Petrus aus Jerusalem verdrängte. Diese levitischen gnostischpneumatisch-apokalyptischen Judaisten sind die diabolischen Yerderber des Evangeliums Jesu von der grenzenlosen Liebe Gottes zu allen Menschen. Sehr wichtig war diesen Leviten um Judas, „zu verzehnten das Volk nach dem Gesetz" (Hebr 7,5), d . h . Geld zu nehmen für ihren Dienst in der Gemeinde. Der Geist des Jakobus und seiner Presbyter spricht aus dem Aposteldekret und wohl auch aus der „Ältesten Schrift" der Vorgeschichten des Lc 1 ), der Geist der levitischen, pneumatischen Judaisten aus der synoptischen Apokalypse und den Prophetensprüchen Lc 11,49—51; 12,35—48. Apokalyptiker waren jene wie diese, jene aber mit quietistischer Stimmung, diese mit einem unheimlichen Aktivismus. Aus jenen ist der Ebionitismus hervorgegangen. Nach dem Tode des Stephanos nahmen die Hellenisten die Mission unter den Nichtjuden auf, in Phönikien, Kypros und Antiochia. In Samaria, Caesarea und Umgebung arbeitete Philippos, das Reich Gottes und Jesus als den geweissagten Gottesknecht und Messias verkündend, nach ihm Petrus mit Johannes Marcus. In Antiochia entstand ein zweiter, sehr lebendiger Mittelpunkt des Christentums. Barnabas ging nach Antiochia, laut der guten Quelle Apg 11,22 f. im Auftrage der Jerusalemer Gemeinde. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die damals von dem Herrenbruder Jakobus geführte Urgemeinde, obwohl sie die Mission unter den Nichtjuden nicht betrieben hatte, jetzt doch das Recht beanspruchte, die neu gegründeten Gemeinden zu beaufsichtigen, und sie als ihre Ableger betrachtete. Immerhin war es ein Barnabas, der sich „bis Antiochia" senden ließ, und er blieb in Antiochia. Inzwischen hatte Paulus, der unmittelbar vom Auferstandenen Berufene, seine selbständige Mission in seiner Heimat begonnen. E r wurde von Barnabas nach Antiochia geholt. In Antiochia war schon vor dem Eintreffen des Paulus der Kirchenbegriff der Hellenisten zur Herrschaft gekommen; das zeigt die Geschichte der Eucharistie 2 ). Die Christenschaft wurde als der Neue Bund verstanden, der auf dem Todesopfer Jesu beruhe. Damit wurde erstens die Christenschaft zum ersten Male zu einem eigenen, eigenartigen, definierten, von allen anderen Religions-
2
Vgl. S. 340. ) Vgl. Anhang, S. 762.
Einleitung: Übersicht über die Geschichte des Urchristentums
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gemeinschaften unterscheidbaren Wesen, und der erste Schritt zur Organisation war getan. Damit wurde zweitens dieses nunmehr schon christliche Kirche zu nennende organisierte Wesen besonders dem Judentum der Zeit entgegengestellt, aber auch die Gefahr heraufbeschworen, daß sie der irdischen Organisation des Alten Bundes grundsätzlich gleichgestellt und damit an die Stelle des Reiches Gottes, das gegenüber aller säkularen Organisation das ganz andere ist, gesetzt wurde. „In dieser Zeit", sagt J . Weiß, „wird sich der sprachliche Vorgang vollzogen haben, daß ,Christus' als Titel und Würdename zurücktrat und zum Eigennamen wurde. Das ist wenigstens die Voraussetzung für die Tatsache, die Apg 11,26 berichtet, daß in Antiochia die Jünger zum ersten Male Christianer genannt worden seien, nämlich von der Bevölkerung. Hierbei dachte man Christus als eine Art Parteihaupt . . . Es ist nichts als der populäre Widerschein der Tatsache, daß die Jünger sich nach ihrem Herrn nannten . . . der Correlatbegriff dazu ist eben der Name Kyrios. In dem starken Hervortreten dieses Namens vor dem Messiastitel kündet sich nun auch eine sehr bemerkenswerte Verschiebung gegenüber der Urgemeinde an. Mit dem Zurücktreten des nationalen Moments trat auch das eschatologische ein wenig aus der vordersten Stellung zurück. Das Verhältnis zu dem erhöhten Kyrios behielt natürlich seine eschatologische Perspektive, aber für die Heidenchristen war doch hiermit eine neue Qegenwartsreligion gegeben. Der himmlische Herr war immer da und bot alles, was man brauchte, schon jetzt in reichster Fülle an." Was man vor allem zu brauchen glaubte, war nicht mehr das Reich Gottes auf Erden, sondern die Vergebung der Sünden und die Sicherheit, im letzten Gericht zu bestehen, damit einem die private Seligkeit gesichert sei; das Elend „dieser Welt" erklärte man für unabänderlich. I n dieser Welt galt es, sich einzurichten. Jesus hatte Ur-Mc 2,21 ff. davor gewarnt, seinen neuen Geist mit dem alten Wesen zu vermischen. Mit der Zurückstellung der Hoffnung auf das Reich Gottes auf Erden verfielen die Antiochener der Versuchung, den neuen Wein in alte Schläuche zu füllen und die Formen des Alten Bundes nutzbar zu machen für den Neuen Bund. Dadurch erniedrigten sie Jesus, den Schöpfer eines neuen Lebens, zu einem Religionsstifter. Wenn die in Antiochia sich konsolidierende christliche Gemeinde des Neuen Bundes sich heilig nannte, so hat diese Heiligkeit nicht mehr, wie für die Jerusalemer Gemeinde des Herrenbruders Jakobus, eschatologischen Sinn, bedeutet sie nicht mehr die Absonderung von diesem Äon f ü r den kommenden, sondern sie ist zur Heiligkeit im pharisäischen Sinne, zur Absonderung von der Welt im Leben hier auf Erden geworden. Die christlichen Gemeinden wurden geschlossene Vereinigungen, grundsätzlich dasselbe wie „die Vereinigung frommer J u d e n " = awaycoyrj r&v
J. Weiß, Das Urchristentum, 1917, 127.
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'Aaidaiwv, als welche die Pharisäer in 1. Makk 2,42 zuerst auftreten, n u r daß der Ausdruck owaycDyrj sehr selten, meist dafür exxhrjoia verwendet wird. J e t z t wurde das Herrenmahl, das in Jerusalem eschatologischen Sinn hatte und eixcbv rov ¡jieXXovxot; war, zu einer Feier der Stiftung des Neuen Bundes durch das Todesopfer Jesu, zu einer Bundesfeier ähnlich den gemeinsamen Mahlzeiten am Freitagabend, wie sie die pharisäische Chaburah und jüdische Sekten hielten. Die Christen des Neuen Bundes in Antiochia trieben also Organisation, Mission und — viel Theologie, natürlich nach rabbinischer Methode, gelegentlich gewiß vom Synkretismus beeinflußt. Sie hatten sich ja auch mit dem J u d e n t u m und dem AT auseinanderzusetzen. So lehrten und erzogen sie wesentlich durch das Wort das heilige Gottesvolk, gaben sie „wie ein treuer und kluger Haushalter der Dienerschaft zu rechter Zeit ihre Brotration" (Ur-Lc 2 12,42). Den Nomismus des Jakobus hatten sie abgelehnt, aber auch den antinomistischen Radikalismus eines Stephanos gaben sie auf. Sie fanden das Gebot Gottes auch im AT und „verstanden, was man dort las", als erfüllt durch Jesus, wie es von Philippos Apg 8,30 berichtet wird. Die „Überlieferung der Menschen" (RMc 7,8) lehnte man ab. Der Verzicht der Antiochener auf die Beschneidung und die Zulassung des nicht koscher geschlachteten Fleisches, dieser letzte Rest der kultischen Freiheit der Jerusalemer Hellenisten, erregten den Widerspruch der hebräischen Christen in Jerusalem. Diese entsandten Boten, welche die Beschneidung forderten. Diese Forderung wurde abgelehnt. I m Jahre 41 kam es zum Apostelkonvent, der wohl dank der persönlich versöhnlichen Haltung des Jakobus den Verzicht auf die Beschneidung, wie er bei den Proselyten üblich war, sanktionierte und den Frieden zwischen jüdisch u n d nichtjüdisch lebenden Christen durch die Teilung der Missionsgebiete zu erreichen suchte, statt wie Paulus im Geiste, d. h. in der Freiheit des Glaubens, in der Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes und in dienender Liebe. Als um der jüdischen Speisegesetze willen die gemeinsame feierliche Mahlzeit der Eucharistie in Frage gestellt wurde, legte das Jerusalemer Presbyterium unter Jakobus die Last des koscheren Essens allen Christen in Syrien und Kilikien auf. Die Antiochener wollten es nicht zu einem Bruche mit Jerusalem kommen lassen und gingen darauf ein, Paulus wurde dadurch aus dem Antiochener Kreise hinausgedrängt. Der von Johannes Marcus im J a h r e 43 in Jerusalem nach den Lehrvorträgen des Petrus niedergeschriebene Ur-Mc sprach den ursprünglichen Standpunkt der gemäßigten Hellenisten und des Petrus aus. Der im Jahre 48 geschriebene Ur-Lc! h a t die aramäisch in den Logia niedergelegte, inzwischen aber auch schon ins Griechische übersetzte Tradition des Matthaios und den Ur-Mc zum Zwecke der Mission handlich verbunden.
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Der Jude Paulus ist dem Menschen Jesus begegnet. Jesus muß als ein, wenn auch in seiner Zeit lebender, so doch von keiner Vergangenheit belasteter, ganz auf die von Gott verheißene Zukunft ausgerichteter, an Leib und Seele urgesunder, der Außenwelt mit Vertrauen, Liebe und Hoffnung entgegenkommender, aber mit klarem Blick sie durchschauender, ihr nie verfallender, innerlich sicher von Gott geführter und darum in allen menschlichen Beziehungen freier, original schauender und denkender Mensch erscheinen, der nie seine eigene Ehre sucht und doch jeden unweigerlich zur Entscheidung zwingt, ob er ihn als den Herrn seines Lebens anerkennen oder ihn hassen und fürchten will und muß. Paulus ist Jude, „Hebräer aus Hebräern" (Phil 3,5), in Tarsos geboren (Apg22,3), von Geburt römischer Bürger (Apg 22,28). Nach Hieronymus stammt die Familie aus Gischala im nördlichen Galilaea1). Apg 13,7f. scheint mir anzudeuten, daß Paulus nicht nur durch dasselbe Cognomen, sondern auch durch persönliche Beziehungen mit L. Sergius Paulus verbunden war, der Prokonsul der Provinz Cilicia war, zu der die Insel Cypern gehörte. Es fällt auf, daß Paulus damals von Cypern, wo er den Prokonsul getroffen hatte, nach Antiochia in Pisidien gereist ist, wo der Sohn des Prokonsuls, „ L . Sergius L. F. Paullus Filius", lebte2). Während der ganzen ersten Missionsreise bewegt sich Paulus im Amtsbereich des Prokonsuls. Das pisidische Antiochia ist von Augustus zu einer römischen Veteranenkolonie gemacht und mit dem Namen Caesarea geehrt worden. Diese Kolonie gehörte zur Tribus Sergia. Die gens des Sergius Paulus ist zu unterscheiden von der patrizischen gens, zu der z. B. Catilina gehörte. Die Sergii Pauli haben wahrscheinlich bei der Koloniegründung in Antiochia Pisid. durch Augustus das römische Bürgerrecht erhalten und sind zum ersten Male in der Person des Prokonsuls zum senatorischen Range emporgestiegen. Wie lassen sich die Daten betr. Paulus und dessen Familie mit den Daten betr. Sergius Paulus und dessen gens in Beziehung setzen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Der Vater (oder schon der Großvater) kann Freigelassener eines vornehmen Römers gewesen sein oder sich als freier Mann um römische Interessen verdient gemacht und die Würde eines Civis Romanus ehrenhalber erhalten haben, sagt H. Lietzmann3). Die Nachricht des Hieronymus, daß die Familie infolge der Kriegsstürme von Gischala nach Tarsos gekommen sei, spricht für die erste Deutung. Aber welche Kriegsstürme sind gemeint? Die Eroberung Jerusalems durch Pompeius im Jahre 63 v. Chr. oder die Kämpfe, die P. Quinctilius Varus im Jahre 4 v. Chr. *) Hieronymus, Komm, zu Philemon 23 und Viri ill. 5. Art. Sergius, Paulys Real-Encyclopädie d. klass. Altertumswiss., bearb. v. G. Wissowa, 2. Reihe, 2. Band, 1923, 1714ff.; zitiert nach E. Jacquier, Rev. bibl. X I I I , 1916, 246. 3 ) Gesch. d. alten Kirche I, 1932. 102. 2)
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(13 J a h r e vor seinem Tode im Teutoburger Walde) besonders in Galilaea zu bestehen hatte? Ich nehme an, daß Varus im Jahre 4 v. Chr. den Vater des Apostels Paulus in Gischala gefangengenommen und an die gens der Sergii Pauli in Antiochia Pisid. als Sklaven überwiesen hat. Der Vater h a t sich bald freigekauft und als Freigelassener den römischen Bürgernamen seines Patronus, also L. Sergius Paulus, angenommen oder — und das war die Regel — seinen alten Namen Saulos als Cognomen beibehalten. Der Vater ist nach Tarsos übergesiedelt; dort wurde ihm frühestens im J a h r e 3 v. Chr. der Sohn geboren. War der Vater ein libertus, so war der Apostel (wie der Dichter Horatius) libertino patre natus. Der Freigelassene blieb im obsequium und in der reverentia, aber auch im Schutze seines Patrons. Man könnte gut verstehen, daß unser Apostel Paulus als jüdischer Apostat, der gefährlichen Verfolgungen ausgesetzt war, das Clientelverhältnis zur hochangesehenen und mächtigen Familie des L. Sergius Paulus gepflegt und durch Auswechselung des Cognomens sogar betont hat. Diese Auswechselung wird stattgefunden haben, als der Apostel dem Patron seiner Familie in Cypern begegnete und dieser „verständige" Mann sich damit einverstanden erklärte. Die Apostelgeschichte berichtet also richtig. Als Jesus auftrat, war Paulus etwas über 30 Jahre alt. Gegenüber Jesus erscheint Paulus als körperlich zweifellos krank und in seine Umwelt höchst kompliziert verflochten. Die hellenistische Kultur h a t er kennengelernt, aber studiert hat er in Jerusalem, und er tritt zunächst auf als fanatischer Jude, der „die objektiv verzweifelte Situation des Menschen" bis zu subjektiver Verzweiflung durchlebt hat, ist er doch in seinem ehrgeizigen Eifer u m die Erfüllung des jüdischen Gesetzes mitschuldig an einem Menschenmorde geworden. Aber in seinem Damaskus-Erlebnis ist er durch einen Gnadenerweis, ein reines Geschenk Gottes, von seiner Vergangenheit befreit worden und hat sich nun einem neuen Herrn verpflichtet, in dem er das echte Leben gefunden hat und dem er nun aus Dankbarkeit hingebenden Gehorsam leistet. Die Stimme dieses neuen Herrn beherrscht seitdem die Mitte seiner Seele, aber am Rande klingen noch consonantes voces des alten Wesens; der neue Mensch ringt immerfort mit dem alten Adam. Zu schaffen macht ihm sein leidenschaftliches Temperament und vor allem rä nokkä ygafifiara (Apg 26,24): Paulus muß zuviel theologisch denken und sprechen. Aus seiner Rabbinerzeit klingen noch nach und in der Abwehr gegen das angreifende J u d e n t u m werden verstärkt die Gedanken, daß das Rechtbekommen vor Gott im Gericht, die dixaioovvr/, wenn auch als Gabe Gottes an den Glaubenden, doch als Bedingung des Heilsempfangs bestehen bleiben müsse, — daß die Allgemeinheit der Sünde, des im NurMenschlichen verhafteten oder sich bewußt im eigenmächtigen Wandel u n d in der Ablehnung Gottes verhärtenden Verhaltens, nicht nur ein jedem
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ehrlichen Menschen sich aufdrängendes Erfahrungsurteil sei, sondern in der von Adam kommenden Erbsünde begründet sei 1 ), — daß das mosaische Gesetz eine ewige Willensoffenbarung Gottes sei, von der nur der Tod befreie, — die Fragen, el na&f]rdg 6 Xniaroq (Apg 26,23), ob das Leiden Jesu (statt einfach als ayänrj elq reXog) als Stellvertretung, als Loskauf, als Sühne zu verstehen sei, — ob Gott (nicht nur den Gehorsam bis zum Tode am Kreuze, sondern) das Kreuz und diese Stellvertretung selbst gewollt habe — mit einem Worte: die unglückselige jüdische Lehre vom Zorne Gottes gegen die Menschheit, die Lehre, daß nicht die gottfeindlich gewordene Menschheit mit Gott 2 ), sondern der rachsüchtige Gott versöhnt und in einen barmherzigen Gott geändert werden müsse. Jesus kennt den Zorn Gottes gegen die Teufelei, verkündet aber und betätigt selbst die grenzenlose Liebe Gottes zu allen Menschen, besonders den elenden und sündigen. Bei dem echten Paulus 3 ) gibt es ebensowenig wie bei Jesus eine praedestinatio gemina, aber einmal hat sich Paulus gerade durch die an Jesus gelernte grenzenlose Liebe zu seinem irrenden Volke bewegen lassen, außer der persönlichen Verantwortung und Schuld der Menschen doch das Von-GottGewirktsein des allerdings nur vorläufigen Unglaubens zuzulassen. Wenn er gelegentlich auch den Glauben als von Gott gewirkt hinstellt, so spricht Paulus nur aus, was jeder Christ erlebt, daß er nämlich, obwohl er sich des Entscheidungs- und Gehorsamscharakters des Glaubens bewußt bleibt, doch dafür zu danken hat, daß er überhaupt glauben, hoffen und lieben kann und darf. — Aus dem synkretistischen Dualismus h a t Paulus die Auffassung des Fleisches als die den Menschen an das „Natürliche" bindende Macht, die ihrem Wesen nach Gott feind ist. Das h a t der Antijudaist Paulus scheinbar gemein mit seinem schärfsten Gegner, dem Judaisten J u d a s Barsabbas, aber dieser bekämpft nur die Leiblichkeit und bleibt der Sklave seines Selbst. Was ist f ü r Paulus tatsächlich das Gottfeindliche, Böse? Doch dies, daß die Menschen selbst wie Gott sein wollen, „nach dem Gesetz", d. h. nach einer selbstgesetzten Ideologie, leben und durch dieses Gesetzes Werke eine eigene Richtigkeit suchen. Sie sollten vielmehr so, wie Kinder ihrem guten Vater vertrauen, auf den in der Geschichte offenbarten Logos und den in der Gegenwart sich offenbarenden Geist horchen und ihm gehorchen und nach I r r t u m und Sündenfall sich in Demut von der Gnade Gottes wieder aus- und aufrichten lassen. Daß wirklich „alles Fleisch", d. h. alle Menschen, jenem ursündigen Triebe, Gott gleich sein zu wollen, unterliegen, hat niemand im Urchristentum so klar gesehen wie Paulus. Daß Gott als die das All umfassende personale Einheit „der ganz andere", aber eben deshalb f ü r die Menschen „die Liebe", der Vater ist, sagt uns schlichter 1
) Formulierungen öfter nach Bultmann, ThdNT. ) 2. Kor 5,18ff. s ) Vgl. S. 438. 2
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
und klarer als Paulus der von Jesus geliebte Jünger Johannes Marcus. — Der Geist ist für Paulus „der Geist des Sohnes Gottes, den Gott in unsere Herzen gesandt h a t " (Gal 4,4ff.), das von Gott geschenkte Selbst des neuen Menschen, das Subjekt des neuen Lebens, der Vorbote der neuen Schöpfung 1 ). Die neue Schöpfung erfaßt auch die Leiblichkeit des Menschen. Paulus kennt eine Leiblichkeit des erhöhten Herrn, die das Vorbild ist für die zukünftige Leiblichkeit der Christen 2 ). Jesus hatte die Auferstehung von den Toten und das Reich Gottes „auf Erden wie im Himmel" auseinander gehalten: Bei jener hören die menschlichen Lebensbedingungen auf (Mc 12,25), in diesem wird Gottes Name geheiligt und geschieht Gottes Wille unter den menschlich-irdischen Lebensbedingungen wie im Himmel, wo „Jesus Christus Herr ist zur Ehre Gottes des Vaters". Paulus dagegen schaut eine pneumatische Leiblichkeit, gleich für die Gestorbenen und die in diesem Leben von der nur als Katastrophe gedachten Parusie Überraschten, also nicht mehr eine eigene Linie, die den Menschen vom irdischen Leben „mit Christus" durch „Tod zum Vater gehen" läßt, und eine andere Linie, die von der gottfeindlichen Menschheit zur gottinnigen Menschheit führt. Paulus dagegen nähert sich der supranaturalistischen Auffassung des Gottesreiches und des Geistes und kommt so zur Abwertung „dieser Welt" und „des Fleisches". — Jesus hat den Anfang des Gottesreiches in seiner Sendung, in seinem Wort und Werk gegen Sünde und Elend gesehen. Paulus sieht diesen Anbruch in der Auferweckung des Christus, aber, „damit er als Erster aus der Auferstehung der Toten Licht verkünde dem Volke und den Heiden", mußte er den Kreuzestod auf sich nehmen (Apg 26,23). Daß Tod und Auferstehung im Grunde das einzige sei, was für Paulus an der Person und dem Schicksal Jesu wichtig ist, daß „die Lebensführung und das Wirken Jesu, seine Persönlichkeit, sein Charakterbild keine Rolle spielt, sowenig wie seine Verkündigung" 3 ), kann ich nicht annehmen. Paulus zitiert die von Johannes Marcus im Ur-Joh in den Mittelpunkt gestellte xaivrj evTohfj-. aycmäre
dAA^Atw?4); n e b e n d e r g r e n z e n l o s e n L i e b e w i r d er
doch auch die unüberwindliche Hoffnung auf den endlichen Sieg der Liebe und des Lichts von Jesus haben, und der Glaube ist für Paulus das Fundament des Lebens. Wenn er nicht durch das, was er über Jesus gehört hat, aber sehr wohl auch von Jesus selbst gehört haben und an Jesus hat sehen können, im Tiefsten berührt worden wäre, hätte er Phil 2,5ff.; 2. Kor 8,9; Rom 15,1—15 nicht von Jesus sagen, ihn nicht für den Christus, d. h. den Messias, ja für den präexistenten Gottessohn erklären können, und nur weil er Jesus vor seinem Gewissen so hoch stellen mußte, konnte ihm auch das ») ) ») «) 2
E. Stauffer, ThdNT, 1941, 145. O. Michel, Der Christus des Paulus, ZNW 32, 1933, 6ff. R. Bultmann, ThdNT, 293. 1. Kor 13; Rom 13,8; 1. Thess 4,9; vgl. Gal 5,13; Phil 2 , 1 - 4 .
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Kreuz zum axavdakov werden und ihn an der Gerechtigkeit und Liebe Gottes fast verzweifeln lassen, bis ihm offenbart wurde, daß gerade die eig reAo? (Joh-Ev 13,1), bis in den Verbrechertod bewiesene Liebe und Hoffnung Jesu das entscheidende Heilsgeschehen, das höchste Geschenk der Gnade Gottes ist. Durch deren Empfang wird Paulus von seinem bis zu mörderischem Fanatismus pervertierten Streben, sein Selbst zu gewinnen — ind e m er es g e r a d e v e r l i e r t —, erlöst, u m es i n d e r dixaioavvt]
rov &eov als
Geschenk zu empfangen. Bultmann 1 ) fragt selbst mit Recht: „Setzt der Glaube an die Heilsbedeutung des Todes nicht einen vorhergehenden Glauben an Jesus als den menschgewordenen Gottessohn voraus?" Eben dieser Glaube aber setzt wieder ein Wissen um die Lebensführung und das Wirken Jesu, seine Persönlichkeit, sein Charakterbild voraus. Auch dem Paulus sind seine vielen Sünden vergeben, weil er viel geliebt hat. Seitdem weiß er auch, daß Jesus Christus als Geist in ihm, Paulus, lebt und er im Geiste des Christus. Paulus ist in aller Bescheidenheit, aber auch mit Dank und Stolz gewiß, „den Geist Gottes zu haben" (1. Kor 7,40). Er weiß aber auch, daß er „Diener und Zeuge" dieses Geistes bleiben und allen dienen und der ganzen Welt den Geist bezeugen soll. Durchaus verschieden ist der Geist bei Paulus von dem Pneuma der apokalyptischen Schwärmerei eines Judas Barsabbas, bei der das menschliche Ich sich durch Krampf und Rausch übersteigert. Von Paulus kann man doch nicht sagen, daß er „Führer" sein wollte 2 ). Wenn er einmal in einem Augenblicke höchster und verständlicher Erregung über die sein ganzes Werk und seine Verkündigung in Frage stellende Propaganda der Judasleute das Anathema geschleudert hat, so ist sein allzu menschliches Temperament, sein alter Adam mit ihm durchgegangen. Er unterlag auch nicht „dem Gesetz alles geschichtlichen Lebens, daß eine Bewegung, sobald sie zum Siege kommt, sich neu aufkommenden Richtungen gegenüber konservativ verhält". Mit einem Johannes Marcus hat er sich nachweislich, mit Barnabas hat er sich wahrscheinlich gut verstanden, obwohl beide andere Wege gingen. Paulus war zeitlebens in Bewegung, wie sein Herr ein lebendiger Herr ist. E r war einer der konsequentesten Neuerer der Geschichte und bewußt konservativ nur da, wo es galt, dem Herrn Christus treu zu bleiben, der selbst die ungeheuerste Neuerung, nämlich die Gottesherrschaft anstelle der Teufelsherrschaft in und zugunsten der ganzen Menschheit wollte. W. Mundle zeigt, daß Paulus schon lieber spricht vom Heraustreten aus der Welt des natürlichen Lebens, aus der Sphäre, in der allein es auch den Gegensatz von Heiden und Juden gibt, und dem Hereintreten in die Überwirklichkeit des „Leibes Christi", in dem Christus nicht nur das Haupt, sondern das Ganze ist, untereinander aber sind wir Glieder (Rom 12,5).
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a. a. O. 295. ) Gegen W. Mundle, Zur Auslegung von Gal 2,17.18, ZNW 23, 1924, 152ff. Hartke, Bd. II
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Erster Teil: Entstehimg der una sancta catholioa et apostolica ecclesia
Paulus hat immer die Einigkeit mit der Urgemeinde gesucht. Er trat ein in die antiochenische Gemeinde und übernahm von dort die Idee des durch das Bundes- und Sühneopfer Jesu gestifteten Neuen Bundes, die darauf gegründete Eucharistie in der Form der Bundesfeier, die sie in Antiochia erhalten hatte, die schon von der Jakobus-Gemeinde im Anschluß an die Johannes-Taufe ausgebildete Tauffeier, den Weissagungsbeweis und wohl noch manche andere dort geprägte Form der Sitte, des Denkens und der Sprache. Ein neues Gesetz ließ er sich nicht auferlegen — außer der antiochenischen Form der Eucharistie, und die hat er als Gesetz empfunden, aber wesentlich doch als Verpflichtung, den Opfertod des Herrn zu verkünden. Die Eucharistie ist bei Paulus noch viva vox, keine Mysterienhandlung. Der Urgemeinde hat er die ihr gebührende Ehre erwiesen, besondere Befugnisse ihr und ihren Beauftragten nicht zuerkannt. Die schon klerikale Anmaßung der Jerusalemer, die sich auf ihre autoritativen Personen, die Erwählung ihres Volkes und ihres Ortes viel zugute taten, hat er abgelehnt. Er anerkennt nur charismatische Dienste an der Gemeinde, keinerlei Herrschaft von Menschen über die Gemeinde. Jede Gemeinde ist eine Erscheinungsform, eine Stätte der Gesamtkirche des Geistes Christi. Das Bild des Paulus ist, wie wir sehen werden, getrübt durch Übermalung und Zusätze, die ein ihm sehr wenig kongenialer, zeitweiliger Gehilfe zu verantworten hat. Paulus selbst gehört ganz dicht zu Jesus. Der Diadoche des Paulus war Timotheos in Ephesos. Johannes Marcus, der fast gleichzeitig mit Timotheos sich in Ephesos niedergelassen und dort wie dieser bis in die domitianische Verfolgung hinein gelebt hat, dient mit unablässiger Mahnung zu Glauben und Liebe der Gemeinschaft, in der der Sohn und der Vater Gott als gegenwärtig erlebt wird, der Gemeinschaft der Söhne des Lichts, der freien Freunde Jesu, die tun, was er ihnen aufträgt, nämlich einander lieben — der Gemeinschaft, die einmal die ganze Menschenwelt umfassen wird, denn Jesus ist der Retter der Welt. So verschieden die Theologie des Johannes Marcus von der des Paulus ist, der von rabbinischen und auch von synkretistischen Gedanken viel beeinflußt ist, so steht doch die Auffassung des Johannes von der Christologie, ferner die vom Geiste Jesu, der im Christen und in dem der Christ ist, der des Paulus sehr nahe. Johannes hat keine Rechtfertigungslehre, lehnt alles Rabbinische und Synkretistische, besonders alles Sakramentale, auch die pessimistische Einschätzung des Fleisches und dieser Welt ab; er hat nicht die in unermüdlichen Reisen sich betätigende Missionsmethode des Paulus, wie er auch nicht die leidenschaftliche, oft aggressive Art des Paulus hat. „Bei Paulus liegt der Akzent auf der Wortoffenbarung. Das Wort des Evangeliums ist es, das im Menschen den Glauben hervorruft. Darum geht das Glauben aus dem Hören hervor. Das Hören des Glaubens vollendet sich im Gehorsam des Glaubens, in der Unterwerfung
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der menschlichen Selbstherrlichkeit unter die alleinige Herrlichkeit Gottes. Johannes legt den Ton auf die Tatoffenbarung. Hier ist nicht so sehr Hören und Glauben, als vielmehr Schauen und Glauben die grundlegende Korrelation. Johannes verbindet Glauben und Leben direkt, ohne das Mittelglied der Gerechtigkeit." 1 ) Johannes betont wie Paulus den gegenwärtigen Besitz der Offenbarungswirklichkeit, jedoch bei Johannes, d. h. im UrJoh-Ev und im echten Kern der Briefe, muß man schon nach Äußerungen suchen, die beweisen, daß auch er die vollendete Offenbarung Jesu erwartet. Johannes Mc war jedenfalls der treueste Jünger Jesu. Ähnlichkeit und Verschiedenheit dieser Auffassung des Urchristentums von der von E. Lohmeyer 2 ) entwickelten wird klar sein. Lohmeyer hat recht mit der Deutung des Erlebnisses des Petrus und mit der Behauptung, daß Galilaea die christliche Eschatologie festgehalten habe, d. h. die Verkündigung Jesu, daß das Reich Gottes, wie es im Himmel ist und in Jesus mitten unter uns getreten ist, so auch auf Erden einmal zum Siege kommen wird. Lohmeyer hat auch richtig gefühlt, daß in Jerusalem ein anderer Geist geherrscht hat, aber er hat als dessen Träger nicht den Kreis um Johannes Marcus und Maria Magdalena, sondern die Elf um Petrus angesehen und das Wesen dieses Jerusalemer Geistes anders gesehen. Die Definierung des Unterschiedes zwischen Galiläa und Jerusalem als Menschensohn-Kyrios-Glaube gegen Christos-Glaube macht Lohmeyer selbst Schwierigkeiten. Gerade die Galiläer, die Elf und Jakobus, haben gegen den Willen Jesu den ChristosGlauben eingeführt, und gerade die Jerusalemer um Johannes Marcus haben, ganz im Sinne Jesu, den Christos-Glauben abgelehnt, natürlich nicht die Reich-Gottes-Hoffnung. In Jerusalem herrschten in den 50er Jahren des 1. Jhs. nach Chr. die galiläischen Ebioniten unter Jakobus und über diese bald die judaistischen Zeloten (Apg 21,20). Petrus führte in Antiochia. Barnabas und Johannes Marcus, anfangs seine Mitarbeiter, sind später ihre eigenen Wege gegangen. Zwischen Paulus und den Jerusalemer Judaisten entstand eine starke Spannung. Der Führer dieser Judaisten, der Levit Judas Barsabbas, ein naher Verwandter Jesu, Vetter des Johannes Marcus, Bruder des Barnabas, aber ganz anderer Art, neurotischer Fanatiker von Natur, der ein Täuferschüler gewesen und im Grunde immer geblieben war, der schon in den Jahren 40 und 48 gegen Paulus in Antiochia aufgetreten war, hat im Namen der Urgemeinde Paulus mit glühendem Hasse verfolgt, sich an seine Spuren geheftet und schließlich sich in Kolossai und in dem ihm zusagenden Phrygien ein Zentrum geschaffen, von dem aus er den deterministischen, nomistischen und apokalyptischen, dazu noch synkretistisch versetzten *) Stauffer, ThdNT 149 f. ) Galilaea und Jerusalem, 1936.
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Geist der levitischen Priestertradition vertrat und die Herrschaft über die Kirche erstrebte. Das Christentum von Caesarea und Antiochia war früh nach Rom gelangt, aber auch der aggressive Ebionitismus des Judas trieb seine Agitatoren bald nach Rom, bereitete dem Paulus viel Sorge und in der Gefangenschaft den Tod 1 ). Seit dem Beginne des jüdischen Krieges 66 strömte eine Menge palästinischer Christen zu den Gemeinden draußen, besonders in Kleinasien. Sie brachten Jerusalemer Tradition, manche wertvolle, aber keineswegs lauter richtige, über die Passion Jesu mit; sie brachten auch ihre apokalyptische, nomistische Einstellung mit und ihre Konkurrenz mit der Täuferbewegung, von der sie selbst stark beeinflußt waren. Diese Emigranten verstärkten den aggressiven Flügel des Judas Barsabbas und machten den Paulinern je länger desto schwerer zu schaffen. — Die Philippiner, die wohl schon in den 50er Jahren ihren Sitz von Caesarea nach Hierapolis im synkretistischen Phrygien verlegt hatten, und Lukas, der im benachbarten Bithynien arbeitete und nach dem Tode des Philippos sich den Philippinern immer mehr näherte und schließlich ihr Führer wurde, gingen auf die neue pneumatisch-ebionitische Bewegung ein 2 ); Lukas hat im Ur-Lc a die Stellung der Christen zum Täufer erklärt, mancherlei Tradition über die Passion Jesu, insbesondere die sogenannte synoptische Apokalypse eingearbeitet und durch eine Verschiebung der Chronologie der Leidenswoche ermöglicht, daß jüdische und nichtjüdische Christen ein christliches Passah als Jahresfeier der Stiftung des Neuen Bundes feiern konnten. Die Philippiner zeigen in dem bald nach 70 von ihnen, vielleicht von Aristion redigierten Mc-Ev ihre Aufgeschlossenheit für pneumatisches Wesen, übernehmen vieles aus dem Ur-Lc 2 , namentlich das Passah, lehnen aber den Rückschritt zur Unterscheidung von reinen und unreinen Speisen damals noch ab. Sie spielen schon mit dem Gedanken der Jungfrauengeburt 3 ). Die pneumatischebionitische Bewegung hat auch in Antiochia auf das dort entstandene Mt-Ev gewirkt. Den stärksten Auftrieb hat sie sicher den Judasleuten in Phrygien gegeben. Die treuen Zeugen des Gottesgeistes in Jesus, ein Johannes Marcus und Timotheos, der echte Sohn des Paulus, bekamen einen schweren Stand. Johannes Marcus hat das phrygische Unheil kommen sehen und in seiner stillen Art sein Verständnis der Offenbarung dagegen gestellt, auch gegen die Verfälschungen der Geschichte Jesu protestiert. Die Pauliner haben leidenschaftlich gegen Judas angekämpft, aber wo man mit menschlicher Leidenschaft kämpft, nimmt man immer vom Gegner an und gerät selbst in Einseitigkeit. x
) Vgl. S. 215. ) Vgl. S. 318. ) Hierüber handelt E. Stauffer klar und mutig, ThdNT, Anm. 379 und Anm. 382.
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I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen Paulinern und Deuterojohaimeern
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A. DIE ENTSTEHUNG DER KATHOLISCHEN KIRCHE
I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen den Paulinern und den Deuterojohanneern um die Herrschaft in Ephesos Über den Kampf des Paulus mit den Christusleuten hinter Judas Barsabbas ist oben ausführlich gehandelt worden 1 ). Der Kampf ging nach dem Märtyrertode des Paulus weiter, vor allem um die Führung in Ephesos, das nach der Zerstörung Jerusalems zum geistigen Vorort des Christentums geworden war. Der Kampf erreichte seinen Höhepunkt in der domitianischen Verfolgung, die vielleicht schon Ende der 80er Jahre mit der scharfen Einforderung des fiscus Judaicus einsetzte und gegen das Ende der Regierung Domitians, etwa 90—96, sich gegen die dem römischen Staate, weil dem Kaiserkulte feindliche Religion und Mission der Juden und der in dieser Hinsicht den Juden gleichgestellten Christen mit aller Gewalt wandte. Wir können noch erkennen, daß Judas Barsabbas im Anfange dieser Verfolgung nach Ephesos übergegriffen hat, als von den beiden Männern, die ihm bis dahin dort widerstanden hatten, der eine, der Alte Johannes Marcus, im höchsten Alter nach den Leiden einer Deportation still verlosch, der andere, Timotheos, der echte geistige Sohn des Paulus, in Haft saß. Wir können das erkennen aus dem Briefe des Judas an den Engel von Ephesos, Apok 2,2—7. Dieser Brief handelt von der Entwicklung der Gemeinde in der letzten Zeit, d. h. in den Anfängen der Verfolgung, und ist natürlich vom Standpunkte des Judas aus geschrieben und zu deuten. Judas hat damals, sicher begünstigt vom Pathos der Ereignisse, in der Gemeinde von Ephesos großen Erfolg gehabt. Das muß die Gelegenheit gewesen sein, in der die Judasleute sich der schriftlichen Hinterlassenschaft des Alten Johannes Marcus bemächtigten; Judas hat sie dann an seinem phrygischen Sitze, wahrscheinlich in Kolossai, offenbar in Eile, bearbeitet und zusammen mit der von ihm allein verfaßten und ad hoc überarbeiteten Apokalypse zu einem dreigliederigen Corpus maßgeblicher Schriften gestaltet. Die Freunde des Alten Johannes standen selbst in Debatten über „Glaube" und „Liebe", auch in persönlichen Spannungen mit den neoterischen Paulinern, und wenigstens ein Teil von ihnen muß sich bereit gefunden haben, in den Judasleuten Bundesgenossen zu sehen 2 ). Judas kann in jenem Briefe an den Engel von Ephesos 1
) S. 212.
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) Vgl. das über Demetrios und Gaius S. 188 Gesagte.
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
die Gemeinde loben, daß sie sich in der Verfolgung bewährt hat, daß sie Böse nicht ertragen kann und geprüft hat, die sich Apostel nennen und sind es nicht, und sie als Lügner erfunden hat — angespielt wird auf die Kämpfe mit den Paulinern. Aber Judas ist laut Apok 2,4 mit dem neuesten Zustande der Gemeinde nicht mehr zufrieden, da sie die erste Liebe verlassen habe. Zwar die Werke der „Nikolaiten" haßt sie, wie Judas selbst — gemeint sind die radikalen, neoterischen Pauliner 1 ). Aber die Judasleute beherrschen offenbar die Gemeinde nicht mehr; ihnen muß Halt geboten worden sein, sicher infolge des Widerstandes des damaligen Führers der Gemeinde. Das war nach dem Abtreten des Timotheos und des Johannes Marcus, so behaupte ich, Silas, den ich hinter der Bezeichnung „Haus des Onesiphoros" erkenne 2 ): „was er geleistet hat in Ephesos, weißt du besser" (2. Tim 1, 18; 4, 19). Diesen Silas glaube ich in der Diss. als Verfasser der „Katholischen Pls-Ausgabe" ausgemacht zu haben, die außer einigen Zusätzen zu den echten Briefen den Laodikenerbrief des Pls zum heutigen Epheserbriefe stark verändert und erweitert hat und anstelle von drei kurzen echten Billets die von Silas selbst verfaßten drei Pastoralbrief e ( = Past) herausgebracht hat. Die Parteigänger des Judas sind von außen hereingekommen. Die erwähnten Nikolaiten als radikalisierte Pauliner werden aber innere Gegner sein. Daher müssen wir vermuten, daß der Leiter des Presbyteriums und der Gemeinde, also Silas, einen Kampf gegen zwei Fronten zu führen hatte und daß der Paulinismus in dieser Gemeinde in sich gespalten war, in eine radikalisierte Richtung, die vom echten Paulus nach links abgewichen war, und in die Richtung des Silas. Schon ein flüchtiger Blick über die Past zeigt, was nach den Gesetzen der natürlichen Psychologie zu erwarten war, daß Silas vom echten Paulinismus nach rechts abgewichen war. Daß das ephesische Presbyterium gegen zwei Fronten zu kämpfen hatte, wird auch von Lukas in Apg 20,29ff. angedeutet: „Ich weiß", läßt er Paulus dort zu den Presbytern von
!) Die Nikolaiten haben zum Stammvater doch wohl den NixoXaog TtQoaijXvrog 'Avzio%£vg von Apg 6,5, einen der Sieben. Wie kommt dieser zu der Ehre, von Judas Barsabbas so gehaßt zu werden? Warum bringt Judas gerade mit Nikolaos die viel späteren paulinischen Neoteriker zusammen, die er doch unmittelbar mit dem Diadochen des Paulus, mit Timotheos verbunden wußte? Wenn man weiß, was unten bewiesen wird, daß Timotheos der Verfasser der „antiochenischen Quelle" der Apg ist, in der Apg 6,5 steht, dann muß auffallen, daß er nur den Nikolaos so ausführlich charakterisiert, als Proselyten und Antiochener. Hat Timotheos zu diesem eine persönliche Beziehung gehabt? Ist er etwa durch Nikolaos Christ geworden? Dann wäre der geistliche Stammbaum der Neoteriker klar und der Haß des Judas verständlich. Nach Eirenaios I 26,3 und Hippolytos Ref. VII 35,3 NixoXaoQ äöicupftoQiav ßiov re xai ßgcaaecoq edidaaxev. 2 ) Vgl. hierzu meine Dissertation: Die Sammlung und die ältesten Ausgaben der Paulusbriefe, Diss. theol. Bonn 1917.
I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen Paulinern und Deuterojohanneern
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Ephesos sagen, „daß fiera vrp> äcpi^iv ¡uov (zu verstehen ist gemäß v. 24: im TO TSQFIA rov doö/uov /uov, also: nach meinem Tode) von außen hereinkommen werden zu euch reißende Wölfe . . . und aus euch selbst auferstehen werden Männer, die Verkehrtes reden." Sehen wir uns nun die Pastoralbriefe genauer an! Läßt sich auch aus ihnen erkennen, daß Silas gegen zwei Fronten kämpft, gegen die Judasleute und gegen radikalisierte neoterische Pauliner? Wo steht Silas selbst, und wie steht er zum echten Paulus? Ich kann wie M. Dibelius 1 ) sagen: Ketzerbekämpfung ist das treibende Motiv für die Abfassung der Past; um der Ketzerbekämpfung willen werden Anweisungen zur Kirchenordnung gegeben. Aber wenn auch die Past ein „apologetisches Vademecum für alle möglichen antignostischen Kämpfe" sein sollen, so doch sicher nur für die damals in Kleinasien möglichen. Es muß doch auffallen, daß im II. Tim zweimal verschiedene Führer erwähnt werden, 1,15 Phygelos und Hermogenes, dagegen 2,18 Hymenaios und Philetos. Hymenaios erscheint auch I. Tim 1,20; statt Philetos wird dort Alexander genannt. Sollte dieser identisch sein mit dem Epheser von Apg 19,33, der dort eine zum mindesten undurchsichtige Rolle zwischen Paulus und den Juden spielt? Etwa auch mit dem „Schmied Alexander" des echten Brieffragmentes II. Tim 4,14, der dann als Agent des Judas den Paulus bis nach Rom verfolgt haben müßte? Verfolgen wir das in dem offenbar zusammenhängenden Stück II. Tim 2,14—18 einleitende öiafiaQTvQeo&ai und die übrigen dort vorkommenden Wörter aaxoye.lv, ävargensiv, Xoyo[ia%elv, Äoyofia%ia, xevoipwvia, äcreßeia, weiter die anderswo in örtlicher und gedanklicher Verbindung mit diesen auftretenden Wörter fiv&oi, 'Iovdalxög, negiro/j/q, ysveakoyia, [laraioXoyia, vofiodiddaxalog, vöfiog, vo/uixog, evroXal äv&Qconow, xa&aoog, fiiaivsiv, ßXaaiprjfisiv, ßXaarprjfiia, (p&ovog, sQig, awnoramoi, nXovrog, nhjvrelv, jtAovoiog, xegdog sowie die Gedanken, die im Bereiche dieser Wörter vorkommen, so ergibt sich erstens, daß alle diese Wort- und Gedankenbereiche antijudaistische Tendenz haben, und zweitens, daß der ganze Titusbrief, ferner I . T i m 1,3—2,8 und 4,1—4,7 und 5,21 bis Ende sowie II. Tim 2,14—2,21 und 4,1—4,8 (Ende) diese antijudaistische Spitze haben und einen scharf aggressiven Ton zeigen. Dagegen in I . T i m 2,9—3,16 und 4,8—5,20 sowie in II. Tim 1,1—2,13 und 2,22—3,17 handelt es sich um innergemeindliche, innerpaulinische Gegner, um paulinische Neoteriker, die als „betrogene Betrüger" (II. Tim 3,13) mit mildem Ernste daran erinnert werden, daß sie sich an die (tatsächlich von Silas neu eingerichteten) Ordnungen der Gemeinde zu halten und gewisse Extravaganzen zu unterlassen haben. Die Gemeindeordnung wird natürlich nicht nur gegen die Neoteriker (N), sondern auch gegen die Judaisten (J) geltend gemacht. Wir wollen nun aus allen drei PastoralDie Pastoralbriefe, Handbuch z. NT, hrsg. v. H. Lietzmann, 13, 2. Aufl. 1931.
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
briefen (abgekürzt I, II, T) ein genaueres Bild der beiden Gegner zusammenstellen: Die Judaisten: Ihre Führer sind Hymenaios und Philetos oder Alexander. Sie sind von der Wahrheit abgekommen, werden immer tiefer in die Gottlosigkeit hineinkommen; ihre Lehre wird wie ein Krebsgeschwür um sich greifen; sie zerstören den Glauben mancher Christen (II 2,16—18). Sie sind rücksichtslos zurechtzuweisen (T 1,13), als sektiererische Menschen von der Gemeinde abzuweisen (T 3,10); Paulus hat sie schon dem Satan übergeben (11,20). Gegen Paulus persönlich erheben sie schwerste Vorwürfe; Silas gibt zu, daß Paulus ein Lästerer, Verfolger und gewalttätiger Bekämpfer Jesu und der christlichen Gemeinde gewesen sei, aber er ist ein geretteter Sünder (11,13) und von Gott und Christus berufener Apostel und der Lehrer der Völker (12,7). Die J sind Leute aus der Beschneidung (T 1,10); sie hängen jüdischen Fabeln und Geboten von Menschen an (T 1,14) — das sind ebionitische Begriffe; so lehren sie denn auch, nicht alles sei rein (T 1,15) und lehnen den Wein ab (I 5,23); sie treiben törichte Untersuchungen und endlose Fabeleien über Genealogien (T3,8; I 1,4); was darunter zu verstehen ist, kann man aus dem Sektenkanon IV16 lernen: „Darin besteht die Genealogie aller Menschenkinder: Durch die Zugehörigkeit zu ihren Gruppierungen bekommen sie Anteil an all ihren jeweiligen Engelscharen gemäß ihren Geschlechtern; auf ihren Wegen werden sie gehen, und alle Werke ihres Tuns geschehen nach ihren Gruppierungen entsprechend dem Anteil eines jeden, ob klein oder groß, für alle Zeiten der Äonen." Die J kommen mit den ävTi&eaeii; Tfjg ipevöcovvfiov yvtoOECüg (I 6,20); diese hatte ich mit den bei dem H des Joh, also Judas Barsabbas beliebten Antithesen zusammengebracht, bevor ich durch Schoeps und Cullmann gelernt habe, daß die ebionitische Syzygienlehre gemeint sein wird, die auch schon den Judas beeinflußt haben kann. Die J treiben ferner Streitereien .und gesetzliche Kontroversen (T 3,9); sie wollen Gesetzeslehrer sein und wissen nicht, was sie sagen (11,7). Ihre Untersuchungen gehen auf eine Engellehre und Engelchristologie, nach welcher Christus nur „einer von den Erzengeln, aber deren größter" gewesen sei1); gegen diese ist die Betonung des einen Mittlers (I 2,5) und des Triumphes über die Engelmächte (I 3,16) gerichtet. Gott behaupten sie zu kennen 2 ), verleugnen ihn aber mit ihren Werken, frevelhaft wie sie sind, und zu keiner guten Tat brauchbar (T 1,16). Die Stelle I 6,15ff. „der König der Könige und Herr der Herren, der da wohnt im unzugänglichen Lichte, den kein Mensch gesehen hat, noch zu sehen vermag", geht genau gegen die kapitale Stelle der Apokalypse 19,16 des Judas Barsabbas und gegen dessen angebliche Visionen, wie auch das
*) H. J. Schoeps, Theol. u. Gesch. d. Judenchristentums, Tübingen 1949, 462 f. 2 ) Vgl. den Stil des H Joh.
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Attribut „unsichtbar" für Gott in 11,17. Die J vertreten den Gedanken, daß der Erwählte des ewigen Lebens gewiß sein kann, für ihn also Auferstehung zum Gericht nicht in Betracht komme, vielmehr ävaaraaiv rjärj yeyovevcu (II 2,18). Das ist die Lehre von der praedestinatio gemina; Silas bekämpft sie nicht grundsätzlich, läßt vielmehr als von Gott gelegten Grund das Siegel bestehen: Der Herr hat die Seinen erkannt (II 2,19); es gibt Gefäße zu ehrenvoller Bestimmung und zu unehrenvollem Gebrauch. Aber als Seelsorger bringt er auch ein anderes Bibelwort: „Es halte sich von der Ungerechtigkeit jeder fern, der den Namen des Herrn bekennt", und erklärt er es sogar für möglich, daß einer ein Gefäß zu ehrenvoller Bestimmung wird, wenn „er sich von jenen Leuten rein erhält" (112,19—21); erst das Jüngste Gericht bringt die Entscheidung (114,1); „Gott, unser Erretter, will, daß alle Menschen gerettet werden" (12,4). Die J mißachten wie alle Ebioniten und auch der H des Johannes die Soteriologie (T 2,14). Die Judaisten hetzen die Sklaven auf (I 6,1; T 2,9) und verwerfen das Königtum um der Theokratie willen1). Die Judaisten bedürfen daher der Mahnung, den Behörden Untertan zu sein (T 3,1), für alle Menschen, den Kaiser und alle Obrigkeiten zu beten, auf daß „wir ein stilles und ruhiges Leben führen können" (I 2,2). Die J sind Pneumatiker, wenigstens diejenigen, mit denen Silas zu tun hat; sie wenden sich irreführenden Geistern und Lehren, die von Dämonen stammen, zu (14,1). Wir wissen aus der Apok des Judas Barsabbas, daß diese judaistischen Pneumatiker die Ehe und gewisse Speisen verbieten (I 4,3). In der Ablehnung der Pneumatik und Askese ist Silas urchristlicher Ebionit geblieben. Daher warnt er auch vor den Heichen und denen, die reich werden wollen (I 6,17). Man betont heute, daß Ebionitismus ein Zweig der „Priestertradition" ist. Die Neoteriker werden geführt von Phygelos und Hermogenes. Sie haben sich von Paulus abgewendet, „alle, die in der Asia sind" (II 1,15), aber „das Haus des Onesiphoros" — ich verstehe nach I I 4,19 (ß-Text)2) darunter Silas — hat die Gemeinde von Ephesos leidlich wieder in Ordnung gebracht. Timotheos soll rag vscorsQixäg ¿Tii&vjuiagfliehenund nach Gerechtigkeit, Glauben (aber nicht nur Glauben, sondern auch), Liebe und Frieden trachten (II 2,22) und dabei nicht schüchtern sein. Die N müssen daran erinnert werden, daß sie sich in die neue hierarchische Ordnung zu fügen haben (14,11 bis 5,20; 112,1—13) und daß sie das Alte Testament zu achten haben, denn „jede von Gott eingegebene Schrift ist zur Belehrung heilsam", hat das auch schon von den Vorfahren her erwiesen (II 1,3—5; 3,15—17). Die N sollen „die gesunde Lehre" beachten, die Glauben und Liebe !) Schoeps, a. a. 0 . 242ff. 2 ) Vgl. S. 475.
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fordert (II 1,13), denn auch sie treiben spitzfindige Untersuchungen und Wortgezänk (I 6,4). Den Leiden, die allen Christen bestimmt sind, weichen sie aus (II 3,10ff.). Als Griechen treiben sie Gymnastik, wovor zu warnen ist (I 4,8). Die N erscheinen überhaupt als „Fortschrittler" (I 4,15; I I 3,9) oder, wie J u d a s Barsabbas sie in 2. J o h 9 nennt: nQodyovrsg xal jurj /.isvovreg ev r f j didaxfj rov Xoiarov. Wie die ägyptischen Schwarzkünstler Jannes u n d Jambres, die auch in der Damaskusschrift 7,18 und in der rabbinischen Überlieferung eine Rolle spielen, den Moses (113,8), so glauben sie, ihren Meister Paulus überbieten zu können; sie sind hochfahrend gegen die Älteren und alle (I 5,1). Bezeichnend ist, daß sie in die Häuser schleichen u n d mit ihren Reden „belastete" Frauen bestricken, die immerfort zu lernen begehren und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (II 3,6; 15,15); sie halten also an der urchristlichen und urpaulinischen Gleichberechtigung der Frau fest, was dem Silas im Einvernehmen mit allen ebionitischen Richtungen ein Greuel ist (12, 11). I n den Versen 1 3 , 16, die sehr ähnlich den Oden Salomos drei Gegensatzpaare aufstellen, zeigt der Verfasser, wie eine rechte Syzygienlehre aussieht. Wenn er betont, daß ,,Er offenbart wurde im Fleisch, beglaubigt im Geiste", so will der Verfasser vielleicht zugleich vor dem Doketismus warnen, der von der Gegenseite den paulinischen Neoterikern vorgeworfen wurde. Auch Doketismus ist Dualismus und insofern Gnosis. Silas k ä m p f t gegen Gnosis links u n d Gnosis rechts, „für die gesunden Aussprüche unseres Herrn Jesus Christus". Wir erfahren noch mehr über diese Neoteriker paulinischer H e r k u n f t aus der Polemik des J u d a s Barsabbas gegen sie, besonders in den Joh-Briefen 1 ). E r wirft ihnen vor, daß sie Jesus nicht als den Messias, nicht als den im Fleische gekommenen und daß sie ihn nicht als den Sohn des Schöpfergottes des AT bekennen. Sie sind also Antijudaisten, Doketen und Dualisten. Alles dies vereint findet sich wieder bei Markion, der ja notorisch von Paulus ausgegangen ist. Der paulinische Neoterismus befindet sich gegen Ende des 1. Jhs., also auf dem Wege von Paulus zu Markion. Wenn als der Hauptgegner des „Johannes", d. h. des J u d a s Barsabbas, in der Legende Kerinthos und im 3. J o h Diotrephes erscheint, so hätten wir in ihnen und in Phygelos und Hermogenes Vertreter des Überganges vom Paulinismus zum Markionitismus zu sehen. Ich finde zu wenig beachtet, wie ähnlich die Anschauungen des Kerinthos denen Markions tatsächlich sind. Epiphanios haer. 28 berichtet über Kerinthos, daß er folgendes gelehrt habe: Der Christus (richtiger: Jesus) sei aus Maria und dem Samen Josephs entstanden. Die Welt sei von Engeln geschaffen worden. Das Gesetz und die Propheten seien ebenfalls von Engeln Vgl. S. 169, 187.
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ausgegangen. Der das Gesetz gegeben habe, gehöre zu den Engeln, die die Welt gemacht hätten. In den aus dem Samen Josephs und aus Maria erzeugten Jesus sei von dem oberen Gotte der Christus herabgekommen, das heiße: der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, im Jordan, und derselbe habe ihm und durch ihn den Späteren den unbekannten Vater offenbart. Nachdem dadurch in ihn die Kraft von oben eingetreten sei, habe er Zeichen und Wunder getan. Nachdem er gelitten, sei das von oben Gekommene v o n Jesus weg wieder aufwärts entflogen. Der Jesus habe gelitten und sei auferweckt worden, der von oben gekommene Christus sei ana&f\g aufgeflogen. Derjenige, der das Gesetz gegeben habe, sei nicht gut. — Für Gaius (ca. 210) war Kerinthos schon Apokalyptiker und Judaist geworden 1 ). Auch was Epiphanios weiter über ihn behauptet, daß er Judaist gewesen, das Mt-Ev zum Teil benutzt, den Paulus abgelehnt habe, zeigt nur, daß Epiphanios den Eirenaios mißverstanden hat, der sich adv. haer. I 26,2 als Quelle der oben angeführten Nachrichten des Epiphanios erweist 2 ). Als Vorläufer Kerinths gilt bei Eirenaios 3 ) Nikolaos, der Stifter der Nikolaiten der Apok, unter denen wir die paulinischen Neoteriker verstehen. Dieselben meint Ignatios 4 ); beide Gruppen meint Polykarpos ad Phil. 7: nag yag, dg äv /¡itj oßoXoyfj 'Ir/oovv Xgiarov ev aagxl ikqhy&svai, ävxixQtoxog iaxiv, xai dg äv ¡xr\ ofiokoyfj TO juagxvgtov xov aravgov, ex xov ScaßoAov eaxiv xai Sg äv fie&odevrj xä Xöyia xov XVQLOV Jtgoq rag 'Mag IM&vfiiag (vergleiche 2. Tim 2,22) xai Xeyr\ /uijre aväaxaaiv (ib. 2,18) jUijre xgiaiv, ovrog ngcoxöxoxög eaxiv xov aaxavä (dieses Wort hat Polykarpos auch gegen Markion geschleudert). — Daß Markion J
) Eusebios, Hist. eccl. I I I 28. ) Merkwürdig sind doch folgende Nachrichten des Epiphanios: Laut haer. 30,24 soll (nicht Kerinthos, wie Eirenaios I I I 3,4 erzählt, sondern) „Ebion" mit Johannes von Ephesos das Rencontre im Bade gehabt haben. Laut Epiphanios h. 28,3 (Philastr. c. 36) soll Kerinthos der Anstifter der ebionitischen Bewegung in Jerusalem gewesen sein (was wir S. 219 von Judas Barsabbas vermutet haben). Nach Epiph. h. 51,4, Eirenaios I I I 11,7, Hieronymus v. ill. 9 war das Joh-Ev gegen die Irrlehre des Kerinthos (und des Ebion) gerichtet (wir haben erschlossen, daß Johannes Marcus, der Verfasser des Ur-Joh und Alte von Ephesos, in scharfem geistigem Gegensatze gegen Judas Barsabbas gestanden hat). Laut Epiph. h. 51,3 haben die kleinasiatischen Aloger behauptet, das Joh-Ev sei von Kerinthos gefälscht worden, Phüastrius c. 60 sagt dasselbe wenigstens von der Apok (wir haben die Abfassung der Apok durch Judas Barsabbas, den Vertreter einer eigenartigen judenchristlichen Richtung festgestellt). Nach unserer Untersuchung hat es in der dritten christlichen Generation scharfe Kämpfe zwischen den paulinischen Neoterikern, zu denen Kerinthos gehörte, und den radikalen Ebioniten, deren Führer Judas Barsabbas war, und von Seiten der sich organisierenden Kirche gegen diese beiden Extreme gegeben. Die Späteren scheinen Kerinthos zum Prügelknaben für die Extremisten beider Pole gemacht zu haben. Die radikalen Ebioniten gehören zur „sektiererisch-jüdischen Gnosis", die Markioniten zur „synkretistischen Gnosis". 3 ) Advers. haer. I I I 11,1. 4 ) Vgl. S. 244. 2
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in seiner pontischen Heimat Gesinnungsgenossen gehabt hat, wenn er auch aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde, zeigt der oben besprochene Satz aus dem Argumentum Regin. 1 ): Is vero scripta ad eum pertulerat a fratribus missus, qui in Ponto fuerunt. — Ein unmittelbarer Vorgänger Markions 2 ) war Kerdon, der sogar schon vor ihm ein bibaaxakelov in Rom hatte und unter Bischof Hyginos, in den ersten Jahren des Kaisers Antoninus Pius (ab 138), dort eingewandert war. Wie Eirenaios weiter berichtet (127,1), lehrte Kerdon, der vom Gesetze und den Propheten verkündete Gott sei nicht der Vater unseres Herrn Jesus Christus; TOV fiev yäo yvmqi&a&ai, TOV de äyvöna slvat xal TOV FISV Öixaiov, TOV de äya&ov vndgxeiv. Markion steht also am Ende einer Linie, die von dem Hellenisten Nikolaos zu Timotheos, weiter zu Phygelos und Hermogenes, den Führern der paulinischen Neoteriker in den Past und den Joh-Briefen, zu Kerinthos, zu den vom Ignatios Vermahnten, zu den Häretikern in Philippi, den fratres im Pontus, zu Kerdon führt. Aus den von Judas Barsabbas, Hymenaios und Phile tos geführten judaistischen Pneumatikern hat sich der Montanismus entwickelt. Als Verfasser der Pastoralbriefe haben wir Silas ermittelt, der sich denn auch, worauf diese Generation schon Wert legte, selbst 2. Tim 1,16; 4,19 (/3-Text!) unter dem „Hause des Onesiphoros" und 2. Tim 2,2 in den Text *) S. 136. 2 ) Harnack in seinem Marcion, Texte und Untersuchungen 45, 2. Aufl. 1924, Beilage II, erklärt den Eirenaios für unglaubwürdig, denn, was da Eirenaios sage, genüge, u m Markion nahezu die Originalität zu nehmen, da dann die bewegende Seele der Auffassung Markions vom Christentum, der Gegensatz von Gerechtigkeit und Güte, schon Kerdons Lehre bestimmt habe und M. einfach sein Diadoche gewesen sei. Um die Unglaubwürdigkeit des Eirenaios zu beweisen, versucht Harnack, aus Pseudo-Tertullianus, Epiphanios, Filastrius zu zeigen, daß Hippolytos in seinem Syntagma neben Eirenaios eine zweite Quelle benutzt habe, die über Kerdon besser Bescheid wisse als Eirenaios. Auf eine zweite Quelle weise die bei Eir. fehlende Angabe, daß Kerdon aus Syrien stamme; aber das ist einfach ein Mißverständnis der auch von Harnack als unerheblich bezeichneten Angabe des Eirenaios: KÉQSCOV SÉ TIG ÒJIÒ rdw TISQÌ TÒV Sifiiova ras àffoofiàc, Aaßwv xal imòrjfiì^AAQ èv r f j 'Pój/IRJ durch Epiphanios (und Filastrius). Diese beiden lassen bei Kerdon auch nur den gnostischen Gegensatz des guten und des bösen, also nicht den markionitischen des guten und des gerechten Gottes erkennen. Aber Ps-Tert. sagt doch: unum bonum et alterum saevum, und mit dem saevus ist der despotische Hüter der Gerechtigkeit gemeint. I n Philos. V I I stimmt Hippolytos denn auch über Kerdons Lehre genau mit Eir. überein, nicht, wie Harnack will, „wider besseres Wissen", sondern weil er über Kerdon sein Wissen von seinem Lehrer Eirenaios hat. Unsicher ist nur, woher Ps-Tert. es hat, daß schon Kerdon solum evangelium Lucae nec tarnen totum recipit; apostoli Pauli neque omnes neque totas epistulas sumit; acta apostolorum et apocalypsim quasi falsa reicit. Auch nach unserer Auffassung haben schon die Altpauliner nur den Ur-Lc und die Timotheos-Sammlung der echten Paulina gelesen, vgl. S. 646.
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hineinbringt 1 ), u m sein Verdienst bei der Bekämpfung besonders der innerpaulinischen Gegner nicht unter den Scheffel zu stellen. Beiden Gruppen der Gegner, den judaistischen Pneumatikern und den neopaulinischen Gnostikern, stellt Silas in den Pastoralbriefen seine nach beiden Seiten hin (114,5) als nüchtern betonte „gesunde Lehre" entgegen, an der trotz Beibehaltung paulinischer Formeln vom echten Paulinismus wenig mehr zu spüren ist, das Christentum vielmehr als Übung in „guten Werken", nämlich den allgemein anerkannten griechischen Kardinaltugenden 2 ), die Gemeinschaft im Geiste aber als die Bruderschaft christlicher, vernünftiger, nützlicher (14,8; 6,6) Staatsbürger erscheint, die allem Enthusiastischen aus dem Wege geht, nur „ein stilles und ruhiges Leben" führen möchte (I 2,2) und in positiver Einstellung zumStaate und zur Gesellschaftsordnung der Zeit das „gute Gewissen" christlicher Bürgerlichkeit erstrebt, wo der Kaiser den Staat und die Gesellschaft, der Hausvater die Frau, die J u g e n d und die Sklaven, wie der Bischof mit dem Presbyterium die Gemeinde in Ordnung hält. Silas redet darum wohl von ungeheucheltem Glauben u n d Liebe aus reinem Herzen (11,5.14), aber nicht mehr von der Hoffnung auf den Umsturz der Teufelsherrschaft und die Aufrichtung der Herrschaft Gottes auf Erden wie im Himmel, sondern nur noch von der durch Jesus garantierten Hoffnung auf die private Seligkeit des ewigen Lebens (Tit 1,2; 2,13; 3,7), über die im „Jüngsten Gericht" entschieden wird, durch Praedestination eigentlich schon entschieden ist. Zu diesem Ideal christlicher Bürgerlichkeit soll der Christ heilsam erzogen werden durch die Gnade (Tit 2,12), durch rite berufene Geistliche, durch die Ordnung einer Gesamtkirche und durch die „inspirierte Schrift" (II 3,16). Zum ersten Male wird auch ein Jesuswort (Lc 10,7) als „Schrift" bezeichnet (15,18), um die Bezahlung der Geistlichen zu begründen — eine folgenschwere Konzession an den Leviten J u d a s Barsabbas. I n den Past herrscht wesentlich derselbe Geist wie in dem gleichzeitigen 1. Clemensbriefe und den Petrusbriefen. H a ß bei den Judasleuten, Gnostizismus bei den paulinischen Neoterikern u n d Verharmlosung bei den katholisierenden Paulinern u m Silas — das war das Schicksal, das der Theologie des Paulus schon in der ersten Generation nach ihm widerfuhr. Silas h a t bei der Gestaltung der „Katholischen Paulusausgabe" zweitens dem einst von Paulus an eine nicht von ihm begründete Gemeinde gegen J u d a s gerichteten Kolosserbriefe fünf Zusätze eingefügt: 1,12—20; 25 8 eanv bis 27 e&veatv; 2,9—10.19; 3,18—4,1 und in 4,11 xal 'Irjoovg o Xeyofievog 'IOVOTOQ3). Sie zeigen das Bemühen des Silas, die Judasleute „mit !) Vgl. über 1. Petr 5,12 S. 450. ) Außer der Tapferkeit, vgl. M. Dibelius, a. a. O. zu Tit 2,12. 3 ) Vgl. zu diesem Zusatz Anhang, S. 753, ausführlicher über alle Zusätze S. 493.
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Milde zurechtzuweisen und aus der Schlinge des Teufels zur Nüchternheit zurückzubringen". Paulus sagt immer wie Jesus ßaaileia TOV &eov, Silas in 1,13 ßaaikeia TOV viov, und dieses ist gleich der Kirche, unterschieden von der Gottesherrschaft, die erst nach dem Endgericht in Wirksamkeit tritt. In 1,12 heißt sie xÄrjQog TWV ayimv iv xä> rpojzi1). Schon C.H.Dodd 2 ) hatte die Übereinstimmung dieser in Kol 1,13; l . K o r 15,23ff. und Rom 2,12ff. ausgesprochenen Gedanken mit dem Mt-Ev bemerkt, aber sie gehen nicht auf die allerälteste Zeit zurück, sondern sind eben in der Epoche entstanden, als der Verfasser des Mt in Antiochia und Silas nebst andern in der Asia die kirchliche Organisation durchsetzten, d. h. im letzten Jahrzehnt des 1. Jhs. Damit hängt zusammen das Bemühen des Silas, durch Zusätze zum echten Paulus die anstößige Engellehre der Judasleute dem verkirchlichten Paulinismus anzupassen, indem auch die kosmischen Geister als „Leib" dem „Haupte" Christus seit der Schöpfung untergeordnet gedacht werden. Der echte Paulus kennt nur e^ovaia als „persönliche Freiheit und Vollmacht"; er anerkennt nicht den Plural als kosmische Mächte. Wie diese, so haben sich auch die verschiedenen Geister der Ekklesia dem Haupte Christus unterzuordnen. Für den echten Paulus ist Christus der „Leib", und erst, als man anfing, die Kirche zu organisieren, den Gemeinden Häupter zu setzen, gab man Christus rfj ¿xx^rjaia zum Haupte. Vorbild war die jüdische Ordnung3). Kol 3,18—4,1 gibt Silas im Stile der Past ethische Richtlinien im Sinne der kirchlich-christlich begründeten, in Wirklichkeit zeitgebundenen bürgerlichen Gesellschaftsordnung, vgl. Eph 6,5; l . P e t r 2 , 1 8 ; 1. Tim 6,1; Tit 2, 9f., alles Äußerungen desselben Silas über die Stellung und Haltung der Sklaven, die ihrem Herrn Untertan bleiben müssen, wie die Frau dem Eheherrn, die Gemeinden ihren Vorstehern, die Gesamtkirche dem Christus und — dem Kaiser 4 ); dagegen ist Judas geradezu revolutionär zu nennen. Auch die Essener erkannten die Sklaverei nicht an. Silas hat drittens den jetzt sogenannten Epheserbrief hergestellt. Zugrunde hegt diesem der von Paulus gleichzeitig mit Kol geschriebene Laodikenerbrief, von dessen Existenz noch Markion vermöge seiner Beziehungen zu den Altpaulinern Kunde gehabt hat. Auch die Gemeinde von Laodikeia war dem Paulus persönlich unbekannt, daher der — zumal bei einem Epheserbriefe ganz unmögliche — unpersönliche Ton. Auch der Laodikenerbrief war gegen Judas und dessen Anhänger gerichtet ge1)
Vgl. 1. Petr 5,3 und dreimal in Apg sowie in den Wüstentexten. Matthew and Paul, 1947. 3 ) Zum Beispiel Tos. Taan. 2,5: Nach dem Kopf (Gamaliel II) richtet sich der Leib (die Gemeinde). 4 ) Vgl. S. 492 zu Rom 1 3 , 1 - 7 . 2)
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wesen. Bei der Bearbeitung benutzt Silas 1 ) zum Eingang das Präskript des Briefchens an Silas und die übrigen, dem Paulus treugebliebenen Epheser, während er dieses Briefchen selbst als heutiges K a p 16,1—23 mit dem Römerbriefe verband, hinter dem es in der Exzeptenrolle des Timotheos und der danach herausgegebenen „altpaulinischen Sammlung" von Briefen und Briefchen des Paulus stand. Infolge der Benutzung des Präskripts fiel das echte Präskript des Laod und damit die Erwähnung des Timotheos als Mitverfasser weg, der im echten Laod ebenso wie im gleichzeitigen Kol erwähnt gewesen sein muß. Silas hat gewußt, daß der Name dieses intransigenten Gegners der Judasleute nicht mehr über dem Briefe stehen konnte, der unter der Bearbeitung durch Silas zu einer Palinodie des ursprünglichen Briefes werden sollte. Zugleich erhielt der Brief die neue Form eines „katholischen" Briefes an die treuen Heiligen, die derselbe Silas auch dem 1. Kor durch Zufügung von 1,2 b und dem Rom durch Weglassung der Ortsangabe in 1,7, also dem ersten und dem letzten der von ihm geschaffenen Reihe der Katholischen Pls-Ausgabe, gegeben hat; den neuen Eph stellte er hinter Kor 2 ). Ich bin überzeugt, daß mindestens der Anfang und der Schluß des ursprünglichen echten Laod aus dem heutigen Eph noch herauszuschälen sind. Zum echten Bestände rechne ich Eph 1,3.13—14a de äma/xhio); xgävoi auhvioi-, /IOVCO fteqj; nur hier TCQOiprjnxög. yoarpai i m P l u r a l . Vgl. „ G e h e i m n i s " in d e n H y m n e n v o n E n - P e s h c h a .
Wir haben im Vorstehenden nicht „fliegende Blätter aufgewirbelt, die sich an verschiedenen Stellen des NT verwunderliche Ruheplätze aufgesucht haben sollen"1), sondern eine bestimmte Persönlichkeit in bestimmter kirchenpolitischer Situation, nämlich Silas, aufgewiesen, der ursprünglich jerusalemischer Judenchrist gewesen, dann eine Zeitlang dem Paulus gefolgt, aber schließlich zu seiner ersten Liebe zurückgekehrt ist und in diesem letzten Stadium eine vermehrte und verbesserte Ausgabe des Corpus der Paulusbriefe geschaffen und herausgegeben hat, in der er das, „was der ge*) H . L i e t z m a n n , a. a. O. zu 2. K o r 7,1.
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liebte Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit — leider manches schwer verständlich — geschrieben h a t " (2.Petr 3,15f.), vor Verdrehungen schützen wollte und dabei selbst verdreht hat. Wenn wir die aufgewiesenen Verballhornungen im ganzen überschauen — wir werden später ausführlich darauf zurückkommen —, so fällt auch ein klärendes Licht auf das Verhalten des Paulus und des Silas zum Alten Testament. Freilich hat Paulus „nach A r t der Rabbinen einzelne Worte des AT ohne Rücksicht auf ihren ursprünglichen Zusammenhang, weil er ihren Wortlaut gerade in seinem Zusammenhange verwerten kann" (Lietzmann), zitiert, aber die allegorische, typologische, haggadische Interpretation hat Paulus als Christ noch nicht; sie ist erst in der Generation seiner Schüler aufgenommen und von Silas in den Text eingeschoben, vgl. zu 1. Kor 9,9; 10, lff.6.11; 15,44bff.; 2.Kor3,12—16; Gal 4,21—31; Rom 9,7—13. áXXr¡yoQeiv nur einmal bei Silas; rvnoq bedeutet beim echten Pls nur das gut oder schlecht wirkende Beispiel. Silas zeigt deutliche Beziehung zur Frömmigkeit der Priestertradition. Interessant ist auch zu beobachten, wie verschieden die Art ist, in der der Glossator Silas und Paulus selbst sich ausdrücklich auf die Autorität Jesu berufen. Silas t u t das 1. Kor 14,37, um den Frauen in der Gemeindeversammlung den Mund zu verbieten. Er unterfängt sich, hier zu sagen: „Wenn jemand ein Prophet oder ein Geistbegabter zu sein glaubt" (diese sind offenbar mit den Frauen verbündet), „so muß er erkennen, daß, was ich schreibe, XVQÍOV EOTIV evrofoj". Ein solches Gebot des Herrn ist durch unsere vier Evv nicht zu bestätigen. Der Myog XVQÍOV, auf den sich der Glossator in l . T h e s s 4 , 1 5 beruft, um sein zweites Hauptanliegen, seine apokalyptischen Phantasien, zu sichern, kann sich allenfalls auf die synoptische Apokalypse berufen, die m. E. erst nach 70 in die synoptischen E v v eingedrungen ist. Dem Glossator schreiben wir auch die „Anspielung" Rom 13,9 auf RMc 12,28ff. Mt zu, wo im Unterschied zum ursprünglichen Text in Lc 10,25f. das zitierte Wort als Jesuswort erscheint. Um die Authentizität eines Jesuswortes zu beweisen, hat Paulus sonst nie Substantiva wie „Gebot" und „Wort" des Herrn verwendet, sondern Verben, meist im Aorist. Für den echten Pls bleiben also übrig 1. Kor 7,10 „ich verkünde — nicht ich, sondern der Herr" mit Zitat von Lc 16,18 = Q, ferner I. Kor 9,14 „der Herr hat verordnet" mit L c l 0 , 7 = Q , endlich l . K o r I I , 2 3 „ich habe vom Herrn her übernommen" mit dem Bericht über das Herrenmahl. Als „Anspielungen" auf Herrenworte notiert H. Lietzmann 1 ) noch 1. Kor 4,12, am nächsten verwandt mit Lc 6,28 = Q, und l . K o r 13,2 = Mt 17,20 = Q. Es ergibt sich also, daß Paulus entweder noch, Q selbst oder Q im Rahmen des Ur-Lc benutzt hat — und nur im l.Kor. Wie wurden die Bücher des NT heilige Schrift, Kl. Sehr. II, Berlin 19S8, 20.
I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen Paulinern und Deuterojohanneern
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Ob Silas bei der Bearbeitung des Corpus Paulinum auch etwas getilgt hat, läßt sich nur selten erkennen. Getilgt hat er £v 'Pcußj] Rom 1,7, um dem letzten Gemeindebriefe der von ihm geschaffenen Reihe ebenso wie dem ersten, dem 1. Kor, die katholische Adresse zu geben. Getilgt hat er in 2. Kor 8,18.22f. die Namen der Brüder. Es standen dort Aristarchos, der Vertrauensmann der Gemeinden bei der Geldsammlung für Jerusalem, und Gaius Duberius (Apg20,4D), d . h . aus dem makedonischen Stamme der Doberier, die beide auch in Apg 19,29 (rdlov xal 'AoiaTagyov Maxeöovag — so gegen m. Diss. die richtige Lesung) vorkommen und hier verhaftet werden. Diese beiden waren wohl in Ephesos und der Asia wegen der von ihnen getätigten Einsammlung der Kollekte für die Christen in Jerusalem den Juden aufgefallen, die in der Kollekte eine Konkurrenz für die Tempelsteuer sahen, und die Juden scheinen die Epheser aufgewiegelt und die Verhaftung der beiden veranlaßt zu haben. Aristarchos ist seit der 3. Reise neben Timotheos anstelle des Silas der ständige Begleiter des Paulus. Die Tilgung dieses Namens durch Silas, der die des andern nach sich ziehen mußte, läßt persönliche Schwierigkeiten ahnen, die auf der 3. Reise zwischen Paulus und Silas enstanden sind; ihr besonders nahes Verhältnis hat nur von 48 bis 54 gedauert. Auch 2. Kor 12,18 wird Silas rov adeÄcpöv statt 'ÄQiaraqxov eingesetzt haben. Aus der starken Veränderung des Umfanges und der nicht geringen des Textes des echten, von Timotheos gesammelten Brief-Corpus durch Silas ist zu schließen, 1. daß Timotheos zur Zeit der Entstehung der Katholischen Pls-Ausgabe nicht mehr frei oder nicht mehr in Ephesos anwesend oder sogar tot war. Ich vermute nach 13,23 des m. E. von Barnabas verfaßten Hebräerbriefes in Verbindung mit l.Tim.6,13f., daß Timotheos zu jener Zeit verhaftet und seine und seines Freundes Barnabas Absicht schon bekannt gewesen ist, von Ephesos nach Rom überzusiedeln; 2. daß die Sammlung der echten Briefe des Pls nur einem engen Kreise von theologisch gebildeten, ernst paulinisch gesinnten Freunden und Schülern des Timotheos bekannt geworden ist. Tatsächlich zeigt die Apg keine Spur der Bekanntschaft mit den Pls-Briefen und liegt eine Bezeugung der Timotheos-Sammlung nur bei Polykarpos von Smyrna vor 1 ) und sichere Kenntnis nur noch bei Markion 2 ). Die Polemik des fast gleichzeitigen Jakobusbriefes 3 ) beweist, daß auch die Gegner wohl die Schlagworte der Pauliner, aber nicht oder nur oberflächlich den Text der echten Paulusbriefe gekannt haben; 3. daß die Pls-Briefe erst in der katholischen Überarbeitung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, Vgl. meine theol. Diss., 56f. und unten S. 600. ) Vgl. S. 537. s ) Vgl. S. 522. 2
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
als Silas, der sich noch als Pauliner fühlte, die Lehre des Paulus — allerdings mit aufgesetzten Lichtern eigener Gedanken — gegen die neoterischen Altpauliner zu stellen für nötig befand, die Paulus für sich geltend machten, ohne ihn wirklich zu kennen; das steht ja deutlich 2. Petr 3,16: „was die Ungebildeten und Ungefestigten verdrehen zu ihrem eigenen Verderben". M. D i b e l i u s h a t in den Past nahe Beziehungen zur Apg bemerkt. H. Windisch 2 ) faßt sie einmal so zusammen: „Die Past treffen mit der Apg zusammen in der Christologie, in der Betonung des guten Gewissens, der guten Werke, der svaeßeia, weiter in einem Biblizismus, der mit Ablehnung der jüdischen Theologie verbunden ist, der Auffassung des Christentums als entschränktes Judentum, alles in allem in der theologischen Verwandtschaft der beiderseitigen Paulusgestalten." Ich habe ferner in meiner Diss. erschlossen, daß zugleich mit der Katholischen Paulus-Ausgabe des Silas das redigierte Lc-Ev (also die heutige Form) und die Apg des Lukas erschienen sind. Auf die enge Zusammenarbeit des Lukas mit Silas können wir jedoch erst später eingehen. Wir müssen zunächst die großen kirchenpolitischen Strömungen verstehen, die in der Asia gegen Ende des 1. Jhs. zu bemerken sind. Der Zweck des vorstehenden Abschnitts war, zu zeigen, daß damals innerhalb des Paulinismus, ausgehend von dessen rechtem Flügel, eine starke katholisierende Tendenz aufgekommen ist, die den neoterischen Flügel scharf zurückdrängte, aber auch nicht geneigt war, den unter der Führung des Judas Barsabbas sehr aggressiven Judaisten wesentliche Konzessionen zu machen.
I I . Die zweite Phase: Die petrinische Bewegung Es wurde gesagt, daß Silas, der mehrere Jahre neben Timotheos der nächste Mitarbeiter des Paulus gewesen war, vom Standpunkte des reinen Paulinismus sich entfernt und dem Judas Barsabbas Konzessionen gemacht, sich also dem Standpunkte wieder genähert hat, den er im Jahre 48 laut Apg 15 zusammen mit Judas Barsabbas vertreten hatte. Silas wollte 48 dasselbe, was er in den 90er Jahren wollte und was er inzwischen seinen Lehrer Paulus hatte erstreben sehen, die Einigkeit der Christen. Er wagte aber nach 90 nicht mehr, wie Paulus, die Einheit vom Geiste zu erwarten, sondern er kehrte nach 90 zu dem Versuche von 48 zurück, die Einheit durch menschliche Maßregeln selbst zu schaffen, nämlich durch die Ein-
2
a. a. O. zu I 1,13; 2,1; 6,11; II 1,5; 4,17. ) Zur Christologie der Pastoralbriefe, ZNW 34, 1935, 232.
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als Silas, der sich noch als Pauliner fühlte, die Lehre des Paulus — allerdings mit aufgesetzten Lichtern eigener Gedanken — gegen die neoterischen Altpauliner zu stellen für nötig befand, die Paulus für sich geltend machten, ohne ihn wirklich zu kennen; das steht ja deutlich 2. Petr 3,16: „was die Ungebildeten und Ungefestigten verdrehen zu ihrem eigenen Verderben". M. D i b e l i u s h a t in den Past nahe Beziehungen zur Apg bemerkt. H. Windisch 2 ) faßt sie einmal so zusammen: „Die Past treffen mit der Apg zusammen in der Christologie, in der Betonung des guten Gewissens, der guten Werke, der svaeßeia, weiter in einem Biblizismus, der mit Ablehnung der jüdischen Theologie verbunden ist, der Auffassung des Christentums als entschränktes Judentum, alles in allem in der theologischen Verwandtschaft der beiderseitigen Paulusgestalten." Ich habe ferner in meiner Diss. erschlossen, daß zugleich mit der Katholischen Paulus-Ausgabe des Silas das redigierte Lc-Ev (also die heutige Form) und die Apg des Lukas erschienen sind. Auf die enge Zusammenarbeit des Lukas mit Silas können wir jedoch erst später eingehen. Wir müssen zunächst die großen kirchenpolitischen Strömungen verstehen, die in der Asia gegen Ende des 1. Jhs. zu bemerken sind. Der Zweck des vorstehenden Abschnitts war, zu zeigen, daß damals innerhalb des Paulinismus, ausgehend von dessen rechtem Flügel, eine starke katholisierende Tendenz aufgekommen ist, die den neoterischen Flügel scharf zurückdrängte, aber auch nicht geneigt war, den unter der Führung des Judas Barsabbas sehr aggressiven Judaisten wesentliche Konzessionen zu machen.
I I . Die zweite Phase: Die petrinische Bewegung Es wurde gesagt, daß Silas, der mehrere Jahre neben Timotheos der nächste Mitarbeiter des Paulus gewesen war, vom Standpunkte des reinen Paulinismus sich entfernt und dem Judas Barsabbas Konzessionen gemacht, sich also dem Standpunkte wieder genähert hat, den er im Jahre 48 laut Apg 15 zusammen mit Judas Barsabbas vertreten hatte. Silas wollte 48 dasselbe, was er in den 90er Jahren wollte und was er inzwischen seinen Lehrer Paulus hatte erstreben sehen, die Einigkeit der Christen. Er wagte aber nach 90 nicht mehr, wie Paulus, die Einheit vom Geiste zu erwarten, sondern er kehrte nach 90 zu dem Versuche von 48 zurück, die Einheit durch menschliche Maßregeln selbst zu schaffen, nämlich durch die Ein-
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a. a. O. zu I 1,13; 2,1; 6,11; II 1,5; 4,17. ) Zur Christologie der Pastoralbriefe, ZNW 34, 1935, 232.
II. Die zweite Phase: Die petrinische Bewegung
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richtung einer sichtbaren Kirche. Diese suchte er mit den zur Verkirchlichung geneigten Paulinern durch die Katholische Paulus-Ausgabe im Bunde mit Lukas, der die Philippiner hinter sich hatte, in der Mitte zwischen den Judasleuten ( = Christusleuten = Deuterojohanneern) und den z. T. radikalisierten Altpaulinern zu erbauen, die unter sich den schärfsten Gegensatz bildeten; aber Silas arbeitete mit seiner Katholischen PlsAusgabe noch im Namen des Paulus. Solange Silas selbst noch in diesem Namen die Einigung suchte, das hieß: die Unterordnung der Judasleute, dieser „zuchtlosen" (Tit 1,10), „sektiererischen" (Tit 3,10) Menschen unter den Namen des Paulus forderte, kam er mit ihnen nicht weiter, weil diese in Paulus ihren gehaßten Gegner, sogar den Antichristen gesehen hatten und in den Altpaulinern, zumal den Neoterikern, immer noch sahen. Inzwischen hatte aber eine Bewegung auch Kleinasien ergriffen, die versprach, die Synthese in einem höchst angesehenen und doch im Kampfe zwischen Deuterojohanneern und Paulinern neutralen Namen zu ermöglichen. Diese für Kleinasien neue Parole war: Petrus und die Apostel! Die petrinische Bewegung war schon in den Kephasleuten von Korinth dem Paulus begegnet und hatte sicher in Rom starken Rückhalt. Ihr eindrucksvoller Exponent wurde gerade im Anfange der domitianischen Verfolgung das Matthaios-Evangelium. Es ist in Kleinasien bekannt geworden, bevor Judas Barsabbas sich an die Bearbeitung des Ur-Joh zum heutigen Joh-Ev machte, denn er hat es dabei benutzt. Lukas hat es noch nicht gekannt, als er den Ur-Lc 2 zum heutigen Lc-Ev redigierte, aber Judas hat auch erst den Ur-Lc 2 , noch nicht das heutige Lc-Ev gekannt, und das heutige Joh-Ev ist bei der Redaktion des Lc-Ev (RLc) benutzt worden. Judas hat sich bewogen gefühlt, zu den Ansprüchen der petrinischen Bewegung im Nachtrage Kap. 21 Stellung zu nehmen, nachdem vor kurzem der Alte Johannes gestorben war. Ich schließe mich denen an, die das Mt-Ev in Antiochia entstanden sein lassen. In Antiochia wird jemand das fertige Mc-Ev und den Ur-Lc 2 , der außer dem Ur-Mc die Logia des Matthaios enthielt, d. h. die beiden im griechischen Orient verbreitetsten Berichte über Jesus, vereinigt, für die Bedürfnisse der Lehre neu disponiert, an manchen Stellen verändert, um eigenartiges Sondergut vermehrt, vieles, was nicht zur Tendenz der petrinischen Bewegung paßte, ausgelassen und das Ganze in einen Geist getaucht haben, der sowohl von den beiden Urschriften der Synoptiker, Q und Ur-Mc, wie vom Ur-Joh, wie von Paulus, also vom echten Geiste Jesu fühlbar absteht. Der Verfasser war ein geborener Jude, wahrscheinlich Palästinenser, mit schriftgelehrter Bildung, der mit ganzer Seele am Gesetz seiner Väter hing und mit Entrüstung die Lehrer bekämpfte, welche einzelne Gebote des Gesetzes auflösten (5,19) oder gar die Gesetzlosigkeit zum Prinzip erhoben (7,23; 13,41); er drängte gerade auf das Tun des Gesetzes und eine „bessere Gerechtigkeit". Aber er hatte er-
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
kannt, daß die Juden durch die Verwerfung Jesu allen Anspruch auf das Heil verscherzt hatten. Den Verleumdungen und dem Unglauben der Juden gegenüber verteidigt das Mt-Ev Jesu Sendung, insbesondere seine Messiaswürde als die Erfüllung des AT. Die Kehrseite dieser Verwerfung der Juden ist die erfolgreiche Heidenmission, die Jesus selbst als Auferstandener befohlen habe. Man kann sagen, daß Mt ein der Priestertradition nahestehendes Christentum vertritt. Ein interessantes Problem liegt darin, daß Eusebios Mt 28,19f., wo allein im NT die trinitarische Taufformel vorkommt, meist (17mal) ohne Taufbefehl und trinitarische Taufformel anführt; nur an 3 Stellen findet sich bei ihm der übliche Text. Das andere früheste Zeugnis der trinitarischen Taufformel ist Didache c. 7 (neben der älteren Formel eig ovofia xvniov in 9,3). Die Didache ist m. E. während der domitianischen Verfolgung in Caesarea abgeschlossen worden. Ich vermute, daß Mt 28,19f. u r s p r ü n g l i c h g e l a u t e t h a t : fiaih}TEvaaxE
Jidvra xä e&vrj, didacfxovreg
avxovg
rrjgelv XTX, und daß Eusebios noch diesen Wortlaut gelesen hat. Ein in Caesarea umlaufendes Exemplar des Mt ist entsprechend der in Caesarea entwickelten Taufsitte geändert worden, und ein solches caesareanisches Exemplar hat dem Silas und seinem Mitarbeiter Lukas, der als Philippiner ja Verbindung mit Caesarea hatte, vorgelegen und ist durch die von diesen beiden inaugurierte katholische Bewegung allmählich durchgesetzt worden. Das Mt-Ev zeigt selbst durch die Harmonisierung des philippinischen RMc mit dem Ur-Lc 2 , das seinerseits schon den Ur-Mc und Q harmonisiert hatte, daß es das Einheitsevangelium für die ganze, einheitliche Kirche sein will, deren Haupt Petrus sein soll. Petrus ist ihm laut 16,18 der Fels, auf dem Jesus seine Kirche erbauen wird. „Petrus und die Apostel" führen die Schlüssel des Himmels und der Kirche. Nur im Kataloge des Mt 10,2 heißt Petrus TIQMTOQ der Zwölf. Die Stellung des Petrus war in Antiochia stark. Wir hatten Grund anzunehmen, daß Petrus dort etwa 44—48 neben Paulus, Barnabas, Johannes Marcus, weiterhin allein gearbeitet hat. Die Pseudo-Clementinen, wohl schon deren in Syrien beheimatete Grundschrift, die KRJQVY/xaxa IJETQOV, erzählen davon. Laut Apg 15 ist das Aposteldekret, das wohl von Petrus, nicht von Paulus anerkannt wurde, in Antiochia eingeführt worden. Der Antiochener Ignatios hat die häufigsten Berührungen mit dem Mt-Ev. Auch das PetrusEv stammt wohl aus dem griechischen Syrien, ebenso wie die PetrusApokalypse. Die ps-clementinischen Rekognitionen X 71 wollen wissen, daß ein Theophilos in der ingens basilica, die er der Gemeinde geschenkt habe, eine cathedra Petri errichtet habe. Seit Origenes gilt Petrus als der Begründer des antiochenischen Bistums. Alles deutet darauf hin, daß Petrus seit 44 Antiochia als Missionszentrum und Wohnsitz gehabt hat, von dem aus er, auch mit seiner Frau (1. Kor 9,5), Reisen unternommen hat. Ich glaube nicht, daß Petrus zu Lebzeiten des
III. Die dritte Phase: Die Gründung der apostolischen Kirche in Kleinasien
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Paulus sich in dessen Missionsgebiet begeben hat, u m dort zu arbeiten. Wohl haben von Petrus beeinflußte Christen seine Anschauung z. B. in Korinth vertreten und sich von der paulinischen Gemeinde abgesondert. Nach der bei Makarios Magnes erhaltenen Äußerung des neuplatonischen Christengegners Porphyrios 1 ) ist Petrus, nachdem er nur wenige Monate die Schafe geweidet hatte, gekreuzigt worden, was vielleicht auch 2. P e t r 1,14 andeutet. Jede andere Deutung als die traditionelle auf R o m und die neronische Verfolgung ist gezwungen. Nach dem Tode des Paulus im J a h r e 58 war der Vertrag zwischen Petrus und Paulus, von dem Gal 2,7 berichtet, erloschen, und Petrus konnte seine Arbeit von Antiochia nach Rom verlegen. Dort ist er dann bald zum Martyrium gekommen. Hinweise auf sein Martyrium in Rom sehe ich in 1. Petr 5,1, und Hebr 13,6—8 2 ). I n R o m muß Petrus z. Z. Hadrians auch bei den Nichtchristen so bekannt gewesen sein, daß der Historiker Phlegon, dessen Olympiaden oder Chronica nach Script, hist. Aug. v. Hadr. c. 16 Hadriani esse dicuntur, laut Origenes c. Celsum I I 14 „das Vorauswissen gewisser künftiger Ereignisse", die eingetroffen seien, dem Petrus zuerkannt h a t ; gemeint ist wohl die Synoptische Apokalypse.
I I I . Die dritte Phase: Die Gründung der Einen, katholischen und apostolischen Kirche in Kleinasien a) Dokumente dieser Bestrebungen Aus der petrinischen Bewegung in Kleinasien sind die Petrusbriefe zu erklären, denen wir uns nunmehr zuwenden. 1. D e r e r s t e P e t r u s b r i e f E r wurde angeblich geschrieben aus Rom. Die Stelle 1,10—12 bedarf einer schärferen Interpretation. Die Verse 8 und 9 wenden sich ohne Zweifel an die lebende christliche Generation. ' AyaXhäo&e . . . xo/xi£6fievoi ro xeXoq rrjg niaremg, amrrjgiav y>v%(öv ist von H. Windisch 3 ) richtig übersetzt: „ I h r könnt jubeln, wenn ihr das Ziel eures Glaubens davontragt, die Errettung A. v. Harnack, Porphyrius, Gegen die Christen, 15 Bücher, Abhandlungen der Berliner Akademie d. Wiss., Phil. hist. Klasse, 1916, lff. K. Heussi, War Petrus in Rom? Gotha 1936, 60. Ich verweise nachdrücklich auf O. Cullmann, Petrus, Zürich 1952. 2 ) Vgl. S. 518. 3 ) Die kath. Briefe, Handbuch z. NT, hrsg. v. H. Lietzmann, 15, 2. Aufl., 1930, zur Stelle.
III. Die dritte Phase: Die Gründung der apostolischen Kirche in Kleinasien
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Paulus sich in dessen Missionsgebiet begeben hat, u m dort zu arbeiten. Wohl haben von Petrus beeinflußte Christen seine Anschauung z. B. in Korinth vertreten und sich von der paulinischen Gemeinde abgesondert. Nach der bei Makarios Magnes erhaltenen Äußerung des neuplatonischen Christengegners Porphyrios 1 ) ist Petrus, nachdem er nur wenige Monate die Schafe geweidet hatte, gekreuzigt worden, was vielleicht auch 2. P e t r 1,14 andeutet. Jede andere Deutung als die traditionelle auf R o m und die neronische Verfolgung ist gezwungen. Nach dem Tode des Paulus im J a h r e 58 war der Vertrag zwischen Petrus und Paulus, von dem Gal 2,7 berichtet, erloschen, und Petrus konnte seine Arbeit von Antiochia nach Rom verlegen. Dort ist er dann bald zum Martyrium gekommen. Hinweise auf sein Martyrium in Rom sehe ich in 1. Petr 5,1, und Hebr 13,6—8 2 ). I n R o m muß Petrus z. Z. Hadrians auch bei den Nichtchristen so bekannt gewesen sein, daß der Historiker Phlegon, dessen Olympiaden oder Chronica nach Script, hist. Aug. v. Hadr. c. 16 Hadriani esse dicuntur, laut Origenes c. Celsum I I 14 „das Vorauswissen gewisser künftiger Ereignisse", die eingetroffen seien, dem Petrus zuerkannt h a t ; gemeint ist wohl die Synoptische Apokalypse.
I I I . Die dritte Phase: Die Gründung der Einen, katholischen und apostolischen Kirche in Kleinasien a) Dokumente dieser Bestrebungen Aus der petrinischen Bewegung in Kleinasien sind die Petrusbriefe zu erklären, denen wir uns nunmehr zuwenden. 1. D e r e r s t e P e t r u s b r i e f E r wurde angeblich geschrieben aus Rom. Die Stelle 1,10—12 bedarf einer schärferen Interpretation. Die Verse 8 und 9 wenden sich ohne Zweifel an die lebende christliche Generation. ' AyaXhäo&e . . . xo/xi£6fievoi ro xeXoq rrjg niaremg, amrrjgiav y>v%(öv ist von H. Windisch 3 ) richtig übersetzt: „ I h r könnt jubeln, wenn ihr das Ziel eures Glaubens davontragt, die Errettung A. v. Harnack, Porphyrius, Gegen die Christen, 15 Bücher, Abhandlungen der Berliner Akademie d. Wiss., Phil. hist. Klasse, 1916, lff. K. Heussi, War Petrus in Rom? Gotha 1936, 60. Ich verweise nachdrücklich auf O. Cullmann, Petrus, Zürich 1952. 2 ) Vgl. S. 518. 3 ) Die kath. Briefe, Handbuch z. NT, hrsg. v. H. Lietzmann, 15, 2. Aufl., 1930, zur Stelle.
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
der Seelen." Vers 10 geht weiter: „Über dieses Heil (von dem ich soeben gesagt habe, daß es euch als Ziel bestimmt sei) haben gründlich gefragt und geforscht Propheten, die von der Gnade, welche für euch bestimmt ist, prophezeit haben, auf welche oder was für eine Zeitlage der in ihnen redende Geist Christi deutete, indem er ra eig Xoiaxdv jza&rj/j,ara xal Tag /Lierä raüra öo£ag im voraus bezeugte." ra eig Xgiarov nadrjfiara sind nicht xa Xoiaxov nadrifiaxa von 1. Petr 5,1; diese Stelle ist nach 4,13 und fiaqxvg ist in 5,1, wie immer in der Apok, in der seit der domitianischen Verfolgung aufgekommenen Bedeutung „Märtyrer" zu verstehen; sie ist die älteste Andeutung des Martyriums des Petrus in Rom,. Beide Stellen sollen die Leiden in der Nachfolge des Herrn einschließen, die Paulus 2. Kor 1,5—7, Phil 3,10 und Kol 1,24 meint, wenn er sagt, daß er teilhabe an den Leiden des Christus und an seinem Fleische das abtrage, was an den Leiden Christi noch fehle. Sicher ist 1. Petr 4,13 so gemeint: „Freut euch, je mehr ihr an Christi Leiden teilnehmen dürft!" — xä eig Xgiaxov naftr/fiaxa 1. Petr 1,11 bedeutet aber etwas anderes; es bedeutet die Leiden, die auf Christus, d. h. auf die Offenbarung Jesu Christi (1,7), Amführen, und zwar die angeredete christliche Generation unter bestimmten, eben vom Geiste des Christus den Propheten offenbarten Zeitumständen hinführen. Ähnlich wird fj eig v/iäg ^doi? 1,10 als Gegenstand der Prophetie genannt und v. 13 als „die Gnade, die an euch in der Offenbarung Jesu Christi ergeht" ((peQOjuevrjv vgl. 2. Petr 1,17) und die ein Gegenstand der Hoffnung ist. Die Offenbarung Jesu Christi wird dieser Generation die auf Christus hinführenden Leiden und die nachfolgenden Herrlichkeiten bringen. Das bezeugt in 1. Petr 1,10 ff. nicht Petrus, der doch als der Erste der zwölf Apostel und Inhaber der höchsten Vollmachten und Charismen erscheint, sondern das haben — angeblich zu Lebzeiten des Petrus — Propheten bezeugt. Diese sind dann nicht die alttestamentlichen Propheten, sondern christliehe Propheten der Gegenwart, wie v. 12 klar gesagt wird: „Was jetzt euch verkündigt ward" durch die prophetischen Missionare; deren Verkündigung ging die Forschung und dieser die Offenbarung voraus. Also diese christlichen Missionare, nQoyrjxevoavxeg egevv&vxeg haben geschrieben; ihre Schriften liegen vor. Es sind die christlichen Apokalyptiker, und der Verfasser des 1. Petr weist hier auf die christlichen Apokalypsen hin, die eben bekannt geworden sein und für gewisse christliche Kreise großen Wert gehabt haben müssen. Diese Offenbarungen sind als Dienst der christlichen Propheten an der jetzigen Christenschaft zu werten. Schon die Leiden, die diese verkünden, sind „auf Christus hin"; auf die Leiden folgen aber bestimmt die von denselben verkündigten Herrlichkeiten, und so sind diese Offenbarungen letztens eine Botschaft von frohen Dingen, eine Siegesbotschaft, ein Evangelium, mit dem die Apokalyptiker und die jetzige Christengeneration einen Gnadenvorzug sogar vor den Engeln haben. Auf
III. Die dritte Phase: Die Gründung der apostolischen Kirche in Kleinasien
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die christlichen Propheten paßt für diese Zeit ungezwungen die Aussage, daß „der in ihnen redende Geist" Christi Geist war, vgl. Apok 19,10 „das Zeugnis Jesu nämlich, das ist der Geist der Prophetie". Der Gedanke, daß der präexistente Christus auch schon den alttestamentlichen Propheten den Geist gesandt habe, ist nach Windisch 1 ) erst späteren Schriften geläufig. Auf die alttestamentlichen Propheten als Gesamtheit paßt sicher nicht, wohl aber ist es gerade das wesentliche Kennzeichen der Apokalyptik, daß sie „forscht (v. 11), auf welche oder was für eine Zeitlage" die Offenbarung Jesu Christi, das Ziel des Glaubens, das Heil der Seelen zu erwarten sei. „Darum", so folgt nun die Mahnung v. 13, „gürtet euch die Lenden eures Sinnes in vollkommener Nüchternheit und setzt eure Hoffnung auf die Gnade, die an euch in der Offenbarung Jesu Christi ergeht." Der Verfasser des 1. Petr begrüßt die soeben bekanntgewordenen Offenbarungen christlicher Propheten, wenn auch mit einer Mahnung zur Nüchternheit. Man denkt an dieselbe Mahnung in den Past. Zu diesen Offenbarungen christlicher Propheten gehört vor allem die „Offenbarung Jesu Christi" (Apok 1,1), die jetzt die „Offenbarung des Johannes" heißt und die der Verfasser des 1. Petr auch kennt. Nur der 1. Petr gebraucht, und zwar im Schlußgruße, den Decknamen Babylon wie die Joh-Apok für Rom. Es war das Wort des vergeltenden Hasses bei Juden und Judenchristen, die Rom die Vernichtung wünschten. Das darin zum Ausdruck kommende Urteil über die Reichshauptstadt mag der Verfasser des 1. Petr geteilt haben, aber das imperium und den imperator hat er anders, nämlich positiv beurteilt. Vielleicht in Beziehung gerade auf jene Einstellung der Propheten, die nicht auf den Verfasser der Joh-Apok beschränkt gewesen sein wird, mahnt der Verfasser des 1. Petr in 2,13 u. 17 zur Nüchternheit, nämlich zur Unterordnung unter den Kaiser und seine Statthalter: „Fürchtet Gott, ehret den Kaiser!" Einzelheiten, die 1. Petr mit der Apok in einzigartige Verbindung setzen, sind das Bild vom gereinigten Golde, das in der Apok dreimal (3,18; 21,18.21) und sonst im NT nur 1. Petr 1,7 vorkommt, ferner die Bezeichnung der Christen als „königliche Priesterschaft" u. ä. (Apok 1,6; 5,10; 20,6), sonst im NT nur 1. Petr 2,9, sowie die Doxologie „dem der Glanz und die Macht in alle Ewigkeit gebührt! Amen", die in genau dieser Form nur 1. Petr 4,11; 5,11 (tf, al) sowie Apok 1,6 und (vermehrt um „Preis und Ehre") 5,13 vorkommt. Die Schilderung der üppigen Frauen 1. Petr 3,3 findet sich ähnlich nur Apok 17,4 und 1. Tim 2,9ff., dessen nahe Verwandtschaft mit 1. Petr uns noch aufgehen wird.
Wenn der Verf. des 1. Petr die Apok gekannt und ihren Urheber unter den Propheten von l,10ff. mit gedacht hat, hat er dann unwillentlich durchblicken lassen, daß jene Apokalypse nicht von „Johannes", sondern J
) a. a. 0. zur Stelle.
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Erster Teil: Entstehung der una saneta catholica et apostolica ecclesia
von einem Propheten, vielleicht sogar, daß die ursprüngliche Apokalypse sich selbst von einer Prophetenschar herschrieb, wie ich in dem ersten Buche dieser Arbeit S. 198 zu erweisen gesucht habe? Es ist bemerkenswert, daß 1. Petr nicht nur zur Apok unverkennbare Beziehungen hat, sondern auch wiederholt mehrere von den Gedanken verwendet, die johanneisches Idiom waren; man kann doch nicht behaupten, daß zur Zeit der Entstehung des 1. Petr und des Corpus Johanneum, gegen Ende des 1. Jhs., das johanneische Idiom schon gemeinchristlich war. Solche Gedanken sind: X6yog (fön» xal) fievwv 1. Petr 1,23.25: nur Joh 5,38; 15,7; 1. Joh 2,14.24; nvsvfta t^ajojioiovv 3,18, ¿foiig &öaa 1,3, Xi&og £ 2,4 vgl. VÖCDQ £än>,
agrog £ä>v Joh 4,10; 6,51; (ärajyewäv von Gott gesagt 1,3.23: nur Joh; der für Joh wesentliche Gegensatz von Licht und Finsternis 2,9 (1. Petr gebraucht wie der Herausgeber des Joh-Ev und des 1. Joh statt des von Ur-Joh verwendeten oxozia das Wort axöxog); das Christusbild 2,21—24 meist nach dem Joh-Ev und Jes 53 gezeichnet, das Bild von der Herde und vom Hirten 2,25; 5,2ff. (außer atlichen Zitaten und je lmal Eph, Apg, Hebr, d. h. kleinasiatischer Literatur, nur Joh 5 mal außer c. 10), die Bezeichnung der Gemeinde als ¿xAexrfj 5,13; Joh-Briefe. Jesus als d/nvog jigoeyv(OOFJ,Evog TIQO xaxaßokfjg xoo/iov 1,19 verbindet mit Joh 1,29.36; 1. Petr 1,20 mit dem Prolog des Ev; äfivdg kommt sonst nur Apg 8,32 als Zitat aus Jes 53 und
als agviov Ev 21,15 und 29mal in der Apok vor; ov ovx löövreg aycmäze, eig Sv ägn firj ögwvreg, morevovreg de verbindet 1,8 mit Joh 20,29 und 1. Joh 4,20; /xfj raneivov%al = Menschen 2,14 nur Apg 2,41;
7,14; 27,37 (und 1. Petr lmal). äv&Qumov (puivrj 2,16 nur Apg 12,22. Idiag . . . avrcöv
3,3.16 nur Apg 1,19; 2,8; 24,23 (undTit 1,12). äv aeßofievmv xai 'EXX-qvmv TTXFJ&og noXv XTX. Damit betont Silas, daß er in Thessalonike selbst gelehrt, und zwar die Proselyten und Griechen gelehrt und — größeren Erfolg als Paulus bei den Juden gehabt hat 1 ). Und nun sehen wir auch, daß er an diesen beiden Stellen 15,34 und 17,4, an denen er besonders interessiert war, seinen längeren Namen ZeiÄeaq (Koine-Schreibung für XiXaLaq) einsetzt, den er auch 2. Tim 4,19 bei der ß- Rezension seiner Katholischen Pls-Ausgabe außer dem Namen seiner Mutter und seines Bruders zugefügt hat; man muß nur statt EIMAIAE lesen EIAAIAE. Apg 16,10 redet Silas sogar in erster Person: „Nach dem Erwachen erzählte er uns (d. h. dem Silas und dem Timotheos) den Traum, und wir merkten, daß Gott uns gerufen hatte." Silas beansprucht einen Anteil an der Deutung dieses weltbewegenden Traumes. Von der mit unverkennbarem Nachdruck durch Silas eingeführten 1. Person in Apg 16,10 aus verstehe ich das viel behandelte fjv de nolXi] ayakXiaaig- awearga/ipevcov de rjß&v 11,28. Es muß etwas Besonderes zu bedeuten haben, wenn hier in der Überlieferungslinie ß ganz vereinzelt, lange bevor das Gros der übrigen Beispiele einsetzt, die erste Person auftaucht. Es handelt sich in 11,28 und 16,10 um zwei Ereignisse von epochemachender Bedeutung f ü r die Entwicklung des Christentums, bei denen dabeigewesen zu sein Silas zeitlebens stolz gewesen sein wird. Das war einmal die Szene im Prophetenkreise von Antiochia. Silas, selbst Prophet (Apg 15,32) und Jerusalemer, gehörte also nach D, d . h . nach seinem eigenen Zeugnisse, mit Agabos 11,28 und mit Judas Barsabbas 2 ) zu den Propheten, die im Jahre 40, vor der Reise des Paulus und Barnabas 11,30 nach Jerusalem, von Jerusalem nach Antiochia kamen. Auch Paulus hat an dem großen pneumatischen Ereignis, das damals stattfand, teilgenommen, dem „Geistesjubel" (Apg 16,10), der „Offenbarung", deren sich Paulus 2. Kor 12,2 rühmt, derselben, die nach Gal 2,2 der Anstoß wurde zur Reise des Paulus, Barnabas und Titus zum Apostelkonvent und weiterhin zur Aufnahme der Griechenmission durch Paulus 3 ). — Das war zum anderen die folgenschwere Berufung des Paulus, Timotheos und Silas in den andern Weltteil, die ihnen Mut verlieh, das Evangelium durch Europa nach Rom zu tragen. Eben an diesen beiden Punkten nimmt Silas, ermuntert durch die aus den IIgd$eig IlavXov des Timotheos von Lukas stehengelassenen Beispiele der grammatischen ersten Person, sich die nach der ganzen Art, wie Silas die Schrift seines Freundes und Mitarbeiters Lukas behandelt hat, doch wohl begreifliche Freiheit, auch von sich in erster Person zu erzählen.
!) Vgl. dazu S. 439. ) Vgl. S. 155. 3 ) Vgl. S. 211. 2
IV. Silas und Lukas
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Wo Silas etwas wissen konnte, erfahren wir durch ß auch noch Wertvolles über die letzte Lebenszeit des Paulus. Er hat ja doch den Paulus in der römischen Gefangenschaft besucht, zu einer Zeit, wo man wirklich nach ihm suchen mußte, wo es etwas bedeutete, ihn gefunden zu haben. Daher das anovdaímg é£rfrr]oev xal SVQEV (2. Tim 1,17) 1 ). Es war die Zeit des Philipperbriefes und des Aovxäg écmv fiávog /IST' éfiov (2. Tim 4,11) oder noch etwas später, jedenfalls nach dem „unbehinderten Verkünden und Lehren" von Apg 28,31. Bei seinem Besuch in Rom 2 ) wird Silas auch erfahren haben, daß Paulus in der Gewalt des Stratopedarchen, d. h. des praefectus praetorio, und zunächst éfa> rf¡g TtaQe/ißoXrjg untergebracht war (Apg 28,16D). Der interessanteste Zusatz des Silas ist aber der zu Apg 13,1 f., wenn das Zitat dieser Stelle in der von Th. Zahn 3 ) neu herausgegebenen Schrift ,,prophetiae ex ómnibus libris collectae", die nach ihm von einem Afrikaner um 310 geschrieben ist, aus einem sehr alten ß-Text stammt, wovon ich mit Zahn überzeugt bin. Dort heißt es: et Lucius Cirinensis, qui manet usque adhuc, et Ticius conlectaneus etc. Titus wäre von Silas hinzugefügt worden. Da Paulus den Titus von Antiochia nach Jerusalem zum Apostelkonvent 41 mitgenommen hat, wird es stimmen, und Silas hat es gewußt, d a ß Titus auch zur Zeit von Apg 13,1 in Antiochia war, d. h. mit Paulus und Barnabas dorthin zurückgekehrt war. Zwischen Ticius und conlectaneus ist leider eine Zeile mit der lateinischen Entsprechung von Mavar¡v TS "HQÓÓOV rov TSTQaáQxov überschlagen worden. Viel wichtiger aber ist der Zusatz „qui manet usque adhuc", ,,der heute noch lebt" zu Lucius Cirinensis = Aovxiog ó KvQrjvalog. Ich sage mit anderen, daß dieser Aovxiog gleich Aovxäg ist, und ich behaupte, daß Silas hier seinen Freund und Mitarbeiter Lukas als noch lebend bezeichnet hat, als er an dessen Schriften die ß-Rezension vollzog! Der Name Lucas scheint mir wegen Luca bos (bei Naevius wohl im Bellum Poenicum; nach einem Kommentator bei Varro 1.1. V I I 3 9 ab Libycis stammende Bezeichnung für Elefant) und wegen Lukua (Eus. h. e. IV 2) oder Lukuas (Rufinus: Luca; Syr: Lukia), des Führers der rebellischen Juden, die sieh im Jahre 115 n. Chr. in Kyrene erhoben haben, ein in Kyrene einheimischer Name zu sein, der griechisch mit Aovxäg wiedergegeben und zu Lucius = Aovxiog latinisiert wurde. Eine andere Latinisierung ist Lucanus 4 ). Man darf nicht Aovxäg aus Aovxiog ableiten, aber Ramsay hat Vgl. meine Diss., 32. ) Ebenda, 41. 3 ) Ein Kompendium der bibl. Prophetie aus der afrikanischen Kirche um 305 bis 325, Gesch. Studien z. 70. Geburtstag von A. Hauck, 1916, 52ff. *) Th. Zahn, Das Ev. d. Lukas, Komm. z. NT, hrsg. v. Th. Zahn, 3, Leipzig-Erlangen 3. 4. Aufl. 1920, Exkurs I. 2
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Erster Teil: Entstehung der una sancta catholica et apostolica ecclesia
aus Inschriften des pisidischen Antiochia erwiesen 1 ), daß eins f ü r das andere eintreten kann. Der Name Lukas ist sehr selten, die meisten Belege stammen aus Nordafrika. Man sieht, daß das Attribut o Kvgrjvalog von Apg 13,1 die Gleichsetzung von Aovxiog und Aovxäg sehr begünstigt. Zu widersprechen scheint nur der Ausdruck des Eus. h. e. I I I 4,6 Aovxäg de ro JUEV yevog wv rmv ano 'AvTio%e(ag. Aber Eusebios zitiert hier das „Lucas Syrus natione Antiochensis" aus den sogenannten monarchianischen Prologen, deren entsprechendes Alter unten 2 ) erwiesen werden wird. Zur Zeit der Entstehung dieser Prologe und noch zur Zeit des Eusebios h a t man Lukas zwar noch mit Antiochia (vgl. Apg 13,1), aber nicht mehr mit Lukios von Kyrene zusammengebracht. Der Lukios von Kyrene steht Apg 13,1 unter lauter Juden. Bei der Seltenheit des Namens bei Männern in der nächsten Umgebung des Paulus möchte ich ebenso wie Deissmann 3 ) diesen Lukios in dem Lukios von Rom 16,21 wiedererkennen, wo er gleich hinter Timotheos erwähnt und ebenfalls J u d e ist. Dann hätte sich Lukas-Lukios Ende 54 in Korinth oder Thessalonich befunden, von wo R o m 16 nach Ephesos geschrieben worden ist; von seiner Mission in dieser Gegend weiß die Tradition. Von jetzt an heißt er nur noch Lukas. Muß man wirklich, wie manche meinen, den Aovxäg o largo; o äyaTtrjrog (Kol 4,14) von dem Lukios der beiden bisher behandelten Stellen deshalb trennen, weil Lukas nicht J u d e sein könne wegen 4,11 oi ovreg ex neQirofirjg ovroi ¡xövoi avvegyoi eig rrjv ßaaiXeiav rov &eov, olnveg eyevrj&rjoäv fioi nagrjyoQia? Das fiovoi steht nicht bei ix neQnofiijg, sondern bei avvegyoi; genau so, wie Rom 16,10 ein avyyevrjg nach Nichtjuden wieder auftritt, obwohl eine größere Anzahl f ü r Paulus besonders bedeutsamer J u d e n im Anfange des Briefchens erwähnt ist, kann Lukas Kol 4,14 J u d e sein, ohne daß dies erwähnt würde. 'Aand^erai vfiägAovxäg xrk kann ein Nachtrag von Grüßen sein. Nach Hieronymus 4 ) soll Lukas übrigens proselytus gewesen sein. Lukas ist zusammen mit Epaphras, Marcus, Aristarchos und Demas in Rom bei Paulus gewesen auch nach P h m 24; Lukas wird an letzter Stelle erwähnt mit Demas, wie Kol 4,14. Zum letzten Male wird Lukas erwähnt in der Nachricht Aovxäg ianv ¡xovog fiei' e/iov von Paulus in dem echten Brieffragment „an Timotheos nach der ersten Apologie" 2. Tim 4,9—18, das nicht lange nach Kol und P h m aus Rom geschrieben wurde. Gegen Ende seines Lebens h a t Lukas in Bithynien gewirkt. Diese Tradition halte ich f ü r älter als die andere, die Böotien einsetzt, weil ich die sogenannten monarchianischen Prologe f ü r älter halte als die von de Bruyne bevorzugten Argumenta. Lukas hat das W. M. Ramsay, Paulus in der Apostelgeschichte, Gütersloh 1898, 172. ) S. 630. s ) Licht v. Osten, 4. Aufl. 1923, 372ff. 4 ) Hieronymus, Quaest. Hebr. in Gen. ed. Lagarde, 64. 2
IV. Silas und Lukas
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Alter von 84 Jahren erreicht; diese Zahl ist besser bezeugt als 74 1 ). Nach der Rezension A des Dorotheus 2 ) ist Lukas in Ephesos gestorben. Das Muratorianum nennt Lukas quasi ut iuris studiosum, was gewöhnlich in „litteris", v o n E . Schwartz 3 ) in „itineris" verbessert und als primitive Übersetzung von r f j g oöov (vgl. Apg 9,2) ¡irjXmrrjv gedeutet wird. Wenn Lukas Jude oder Proselyt war, versteht man die sonst seltene Milde des Urteils über die Juden Ev 23,27—31.34 Apg 3,17; 13,27; 17,30; dann werden die Feststellungen Harnacks 4 ) hinsichtlich der Haltung des Lukas zum jüdischen Gesetz und Volk erst voll verständlich: Lukas steht dem Gesetz näher als Paulus; er, der die Schrecken des Gesetzes nie erfahren hat, steht pietätvoll vor der antiqua religio; das Evangelium beurteilt er zunächst als „Trost Israels"; es erfüllt die dem Volke Abrahams „nach dem Fleische" gegebenen Verheißungen; o Aao? (rov &eov) ist für Lukas ausschließlich das jüdische Volk; vor seinem Blicke steht in der Christenheit erstlich das jüdische Volk, das sind die frommen Israeliten, die Jesus als den Herrn anerkannt haben, zweitens die e&vrj, die Heiden, die hinzugerufen worden sind. Er weiß es sicher, daß die Nichtjuden als Christen vom Halten des Gesetzes befreit sind; er weiß, daß das jüdische Volk in seiner großen Mehrzahl dem Verstockungsgericht anheimgefallen ist; aber um so ehrwürdiger sind ihm christgläubige und dabei das Gesetz beobachtende Juden; sie sind das Volk, für das zunächst sich alle Verheißungen erfüllt haben und erfüllen und dessen observatio legis er bewundert. Wenn Lukas Jude, wenn er sogar, was wir 5 ) oben vermuteten, ehemaliger Johannes jünger war, wird uns seine Einstellung zu "Judas Barsabbas um so verständlicher. Auch Silas war Jude. Es ergibt sich also, daß Silas noch zu Lebzeiten des Lukas die ß-Rezensiori vollzogen hat und daß diese Rezension am stärksten die Schriften des Lukas, aber auch andere Schriften des NT betroffen hat. Das wäre dann neben erstens der Katholischen Paulus-Ausgabe und zweitens der später mit dem Eingehen auf die petrinische Bewegung erfolgten Abfassung des 1. Petrusbriefes und Bearbeitung des Judasbriefes der dritte wichtige Beitrag des Silas zum Schrifttum des NT. In welchem zeitlichen und sachlichen Verhältnis diese dritte Leistung zur zweiten steht, wird weiter unten behandelt werden. ZuVgl. J. Chapman, Notes on the Early History of the Vulgate Gospels, Oxford 1908, 255. 271; R. A. Lipsius, Acta apost. apocr. post C. Tischendorf, II 2, 365, Leipzig 1891—1903. 2 ) Lipsius, a. a. O. II 2, 357. 3 ) Über den Tod der Söhne Zebedaei, Abhandlungen der Kgl. Gesell, d. Wiss. zu Göttingen VII 5, 1904, 25. 4 ) A. v. Harnack, Die Apostelgeschichte, Beitr. z. Einleitung in das N T III, 1908, Exkurs IV. s ) S. 228.
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Erster Teil: Entstehung der una saneta catholica et apoatolica ecolesia
vor soll die enge Zusammenarbeit von Silas und Lukas, die sich in den Wirren der domitianischen Verfolgung herausgebildet hat, weiter erwiesen und der Gemeingeist der petrinischen Bewegung, in die beide sich hineingestellt und die sie beide für Kleinasien eigenartig geformt haben, ausführlicher dargestellt werden. c) Die neoterischen Pauliner als gemeinsame Gegner von Silas und Lukas Nicht nur ein gemeinsamer Sprachgebrauch, ja gewissermaßen ein gemeinsames Recht an den beiderseitigen Schriften ist bei Lukas und Silas festzustellen, sondern auch im Negativen wie im Positiven weitgehende Gemeinsamkeit der Anschauungen. Beide standen in gleicher Front gegen die beiden Gegner, die der Konsolidierung der una saneta catholica et apostolica ecclesia Schwierigkeiten machten. Dabei ist, wie gezeigt, zu erkennen, daß Silas und erst recht Lukas die Judasleute mit unverkennbarer Milde und weitestem Entgegenkommen behandeln. Wir hören nur Mahnungen zur Nüchternheit, zur Anerkennung der von den Aposteln, einschließlich des freilich bescheiden hintan gestellten und katholisch interpretierten Paulus, her stammenden Tradition, zur Einfügung in die Ordnungen der Gemeinde. Silas und Lukas kämpfen eigentlich nur gegen die radikalisierten, gnostisierenden, neoterischen Altpauliner. d) Gemeinsamkeit der grundlegenden Anschauungen bei Silas und Irnkam Silas und Lukas stellen diesen Gegnern ihre gemeinsame Anschauung entgegen, und zwar 1. ihre Lehre vom Christos Jesus, 2. ihre Lehre von der Parusie des Christos oder ihre Eschatologie und 3. ihre Lehre vom Volke Gottes. Diese Grundanschauungen waren aber der gesamten petrinischen Bewegung gemeinsam. 1. Die Christologie Es war noch nicht der Kairos, die christologische Frage zu klären, aber der Versuch dazu ist schon von den kleinasiatischen Förderern der petrinischen Bewegung gemacht worden. Es ist doch bedeutsam, daß der Titel O V'IOQ TOV &eov, wie Bousset feststellt1), in Past, 1. Petr, Jud — also bei Silas fehlt, daß er ferner in der Apg nur einmal 9,20, sicher absichtlich bei der Zusammenfassung der Predigt des Paulus, begegnet, sonst ebenso wie im 2. Petr — also in den selbständigen Schriften des Lukas fehlt, ferner im Jakobusbriefe und in der Apok (mit einer Ausnahme 2,18), endlich im 1. Clemensbriefe (36,4 ist Zitat aus Hebr) nicht vorhanden ist. Man kann W . Bousset, Kyrios Christos, 2. Aufl. 1921, 320 Anm. 1.
IV. Silas und Lukas
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es mit Händen greifen, daß die Männer, die in Kleinasien und R o m gemeinsam die rechtgläubige Kirche geschaffen haben, Silas, Lukas, J u d a s Barsabbas und sein ihm geistig nahestehender Bruder Jakobus 1 ) in Kleinasien und der römische Clemens sich verabredet haben, den doch in Q (Lc 10,22) und Ur-Mc (1,11; 9,7; 12,6ff.; Lc 22,70) sicher gegründeten, von Johannes Marcus im Ur-Joh und in den echten Briefstücken, von Paulus und von dem zu diesen stehenden Sabba-Sohne Joseph Barnabas (im Hebr) vertretenen Titel „der Sohn Gottes" zu verdrängen durch den Ghristos-Titel, den die galiläischen Zwölf gegen den Willen Jesu eingeführt hatten, also wieder auf den „guten alten Wein" (RLc5,39) der galiläischen Judenchristen zurückzugreifen und damit den Christosleuten entgegenzukommen. Diese Gründer der rechtgläubigen katholischen Kirche Kleinasiens haben die aus dem AT geschöpfte äv&QOJ7iog-xoioz6g-LiehTe erweitert durch Beziehung auf Jesus (äv&gamog %Qiaxog 'Ir\aovg 1. Tim 2,5 Silas) und durch Aufnahme des ebed Jahwe, des Mittlertodes und der Aufhebung dieses Todes durch die Wiedererweckung des Getöteten (daher in der Apg die besondere Form der nalg #eo{j-Christologie, wie es scheint, des Philippos und Petrus). Diese Lehre haben Silas u n d Lukas gegen das viog rov ßeov gestellt, das Paulus, Barnabas und Johannes Marcus vertraten und das jene in den von ihnen selbst bearbeiteten Urschriften als Selbstbezeugung J e s u vorfanden — ein Moment des Kampfes, den jene Kirchengründer gegen den noch lebenden Barnabas, den Verfasser des Hebr, und gegen die Nachfolger des Paulus, die sich nicht dem katholisierenden Silas anschließen wollten, geführt haben. Außer dem o '/oiaxbg haben sie o xvoiog und o viog xov äv&Qwnov zugelassen, außerdem das acoxrjQ. Das heißt aber: Sie haben die eschatologischen Titel allein anerkannt wissen wollen, nicht das o viog rov &eov, das in seiner hellenistischen Ausdeutung als &elog avrjQ und als präexistenter Gottessohn ihrer apokalyptisch-nomistischen Einstellung nicht entsprach. Die äv&Q det fie orj/ieQov xai avgtov xai T f j ¿Qxoftevrj (in N, D; B hat £%ofitvrj) wird ausgelassen in b, c, ff2, i, 1, r, also in w K , und ersetzt durch
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Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom — Sieg der Latinitas
abite in b, vadite in c, ite in ff 2 , r, das in 1 radiert und in i ausgelassen ist. Bezeichnend ist 1,28 der Engelsgruß (gratia) plena: er steht in vg, aur (also wN), in f, c, 1 (also Afra"), in r, ff 2 , a (also w kn ). a muß hier dem w K entfremdet sein, denn der Gruß steht nicht in d (/3-Text) und nicht in e (Afra), die beide sonst von w K beeinflußt sind; er steht ferner nicht in b und q (wkn). Ich verstehe so, daß w N den Gruß eingeführt und passim an Afra11 und w k n weitergegeben hat. Der Gruß steht weder im griechischen Text, sei es a oder ß, noch in der großkirchlichen Übersetzung w K , aber bei Tatianos. Also schließe ich, daß hier einmal Tatianos w N beeinflußt hat und von dort aus einen Teil von Afra11 und w k n l ).
Wir können n u n die auf S. 714 gegebene Skizze in Worten interpretieren, wie folgt: Die Entwicklung des zusammenhängenden lateinischen Textes geht aus von der interlinearen Übersetzung d* (zum /3-Text D), die der Afrikaner Victor auf dem römischen Bischofsstuhle im Stadium Wj mit Reihe b geschaffen hat. d* ist sofort die Grundlage der Vetus Afra geworden und immer die Grundlage der Afra geblieben, aber dem afrikanischen Idiom angepaßt worden. I n R o m ist die wörtliche Übersetzung d* in „caesareanischer" Manier, d. h. schon unter Berücksichtigung des seit ca. 200 im Westen aufkommenden a-Textes, in die freie, oft willkürliche Übersetzung w K (Hauptvertreter a und b) der Großkirche umgearbeitet und selbst von dieser beeinflußt worden. w K möchte ich dem Bischof Callistus zuschreiben. Nicht lange danach hat Novatianus den w N -Text geschaffen, der einerseits wieder auf d* zurückgeht, insbesondere die Reihe b der E w von dort übernommen hat, andererseits den ß-Text nach dem unrezensierten a-Text, wie er in N vorliegt, energisch korrigiert hat. w N hat dadurch die meisten Eigenwilligkeiten der ß- Rezension, aber auch die vielen Freiheiten u n d Ungenauigkeiten von w K beseitigt. E s h a t auch in Afrika eine novatianische Afra 11 gegeben, die Grundlage f ü r f, q, c und ff1. Offenbar ist ein großkirchlicher Afra k -Text an einen frühen und guten w N -Text angeglichen worden, weshalb einige Reste des Afra k -Textes in den genannten Codices erhalten geblieben sind, f scheint mir der führende Codex zu sein u n d q sowie c und ff1 beeinflußt zu haben, f hat die Reihe cc erhalten, die letztlich auf Hippolytos zurückgeht, aber wohl durch w K nach Afrika gebracht worden ist. c und 1 haben von w N her die Reihe b mitbekommen. Auch in R o m sind w K und w N miteinander verglichen und kombiniert worden, wobei das eine Mal jene großkirchliche Übersetzung mit ihrer Reihe cc überwog (w k n ), das andere Mal die novatianische Übersetzung mit ihrer altrömischen Reihe b (w nk ). w k n h a t auch die jüngere kirchliche Afra in c beeindruckt. Eine bedeutende geschichtliche Wirkung h a t die Textform des Codex f ausgeübt. Wie gesagt, ist f an einen frühen, guten w N -Codex angeglichen, daher gehen aur und vg so oft mit f zusammen, und daher ist ein f-Codex zur Zeit des Damasus und Hieronymus als Vertreter der inzwischen in Vgl. S. 707.
VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit Beispielen
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ihrem Werte erkannten novatianischen Übersetzung von Hieronymus seiner Vulgata zugrunde gelegt worden. Als Vertreter der offiziellen, großkirchlichen Übersetzung hat ihm, wie aus Hier. ep. X X I 4 zu schließen ist, ein Nachfahr von a vorgelegen. Ich muß bedauern, daß die eben erscheinende kostbare und auf jeden Fall sehr nützliche Ausgabe der „Itala" von Jülicher-Matzkow in der vorliegenden Form aufgemacht worden ist. Es kann sich nicht darum handeln, den Text „der Itala" und „der Afra" festzustellen, da es eine einzige Itala und eine einzige Afra nicht gegeben hat. Der Itala-Text Jülichers ist ein Produkt der Willkür und hat so nie existiert. Das war mir klar, bevor das Vorwort des 3. Bandes das ausdrücklich anerkannt hat. Es scheint mir nicht der Unterschied der behaupteten einen Itala und einen Afra wichtig zu sein, sondern der Gang der Textentwicklung von der primitiven, unpopulären Interlinearübersetzung d* über die Zweispaltenübersetzung von w 2 bis zu den revidierten, selbständig gewordenen lateinischen Übersetzungen, nämlich der römisch-großkirchlichen w K , der italischen novatianischen w N , der großkirchlichen Afra k und der novatianischen Afra11 und den Mischungen dieser vier Ströme. Die großkirchliche Übersetzung wK ist entstanden unter Bischof Callistus bald nach 217, als die römische Gemeinde Hippolytos und seinen Kreis griechisch sprechender, gebildeter Christen ausgeschieden hatte. Selbstbewußtsein und Leichtfertigkeit zeichnet den Bischof wie seine Übersetzung aus. E r bekämpfte Hippolytos und wurde eben deshalb von ihm beeinflußt. Die Übersetzung uF ist geschaffen worden von Novatianus und in seinen nach 251 sich absondernden Gemeinden weiter gepflegt worden, die sich gegenüber der Kirche Callists und seiner Nachfolger als die alte und wahre Gemeinde Christi fühlten. Novatianus übernahm den vollen Umfang der Kleinasiatischen Bibel, wie es für Caesarea, die führende Gemeinde des Heiligen Landes, schon alte und für Kleinasien noch ältere Tradition war, aber nichts darüber hinaus. Er ordnete die zwei ersten Gruppen nach den uralten Reihen des Aniketos, den Rest nach der Kleinasiatischen Bibel. Zeigt seine Schrift De trinitate noch große Freiheit des Textgebrauchs, so erinnert Diehl daran, daß auch Hieronymus die von ihm so leidenschaftlich geforderte einheitliche Textgestaltung der lateinischen Bibel in praxi keineswegs durchgeführt hat. Man darf annehmen, daß Novatianus erst nach De trinitate seine neue Übersetzung geschaffen hat, die, ebenso wie Origenes bis ca. 240, den a-Text zugrunde legte und „so treu wie möglich und so lateinisch wie nötig" sein wollte. Wie und mehr als Victor und Hippolytos zeigt Novatianus Einfluß von Tatianos. Dieser gehörte zu denen, von denen deotoyenai o Xgiarog (Eus. h. e. V 28,4), von denen das römische Weltreich als das Reich des Antichrists beurteilt wurde, wie von Hippolytos und Novatianus. Alle drei hielten auf Wahrhaftigkeit der Lebensführung,
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Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom — Sieg der Latinitas
Ernst und Entscheidung und haben darüber auch das Schisma nicht gescheut. Die Novatianer haben nach 325 und um 383 auf die Großkirche stark gewirkt. Hippolytos galt dem Damasus als Novatianer, der am Ende fertur catholicam dixisse fidem sequerentur ut omnes, ebenso dem Prudentius. Hieronymus hat in der Zeit des Damasus gelebt, als Rom wieder das Zentrum der Altnicäner war und man die Novatianer wieder sehr als Bundesgenossen schätzte. Wie die Geschichte des Römerbrief-Schlusses zeigt, haben Damasus und Rufinus selbst den Novatianus-Text benutzt. So ist auch Hieronymus von ihm ausgegangen. E. Biekel1) urteilt über die Vulgata: „Ein meisterhafter Philologe hat hier seines Amtes gewaltet, der drei Sprachen technisch und wissenschaftlich beherrschte. Trotz aller Richtung auf treue Wiedergabe des Urtextes aber hat in dieser Bibelübersetzung nicht mit Ängstlichkeit ein kleiner Geist sein Handwerk ausgeübt, der Wort von Wort überträgt. Ein gottbegnadeter Künstler ist hier am Werke gewesen, der den Satz der Vorlage in einem Augenblicke erfaßt, von der Brechung des Lichtes der Gedanken durch die Sprache zu ihrem Urquell im Fluge zurückschaut und treffsicher von dort aus die Strahlen zu anderer Brechung im Bilderschatz der neuen Sprache entsendet . . . Das Kirchenlatein ist in der Vulgata . . . zu einem Organ zwischenvölkischer Verständigung von unermeßlicher Geschmeidigkeit geworden. Der Mönch von Bethlehem, der diese Leistung vollbracht hat, ist der gelesenste Schriftsteller der Erde geworden." Bickel hat die Leistung fein und treffend gewürdigt, aber wir müssen sagen: Hieronymus war, wie auf allen Gebieten seines Schafifens, so auch in der Vulgata, nur der fleißige, gelehrige — und den Erfolg einheimsende Schüler. Der meisterhafte Philologe und gottbegnadete Künstler, der das Kirchenlatein der gewaltigen Kulturbedeutung geschaffen hat, war der später verketzerte Novatianus. Schon dieser hat die Eigenart des w-Textes beseitigen wollen, indem er sich dem ägyptischen Texte grundsätzlich anpaßte. Aber sein Text blieb ein Mischtext, weil er immer noch von einer Form des (ß w)-Textes ausging. Solche Mischtexte sind seit dem Aufkommen der vergleichenden Philologie in der Kirche, d. h. seit Tatianos, Victor, Hippolytos, Origenes bis hin zum I-H-K-Texte v. Sodens, immer wieder geschaffen worden. Cum grano salis hat Vogels recht, wenn er sagt, der vg-Text sei besser, echter, älter als der der Altlateiner. Das ist er, weil er mehr a-Gut aufgenommen und als Übersetzung treu hat sein wollen. Aber er ist und bleibt ein Mischtext, prinzipiell dasselbe wie die Koine. Ist diese nicht überhaupt als Weiterentwicklung des Novatianus-Textes zu verstehen? Kenyon 2 ), der allerdings nicht Novatianus, sondern Hieronymus x 2
) Geschichte der römischen Literatur, 259. ) a. a. O. 129.
VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit Beispielen
723
für den Vater der Vulgata hält, sagt doch, der Vulgata-Text beruhe im wesentlichen auf einer „späten Form der Vetus Latina, d. h. einem Texte, der bereits dem Textus Receptus angeglichen war", und vorher stellt er das erste Auftauchen des Koine-Textes bei Chrysostomos fest1), der ein echter Gesinnungsgenosse des Novatianus gewesen ist und auch das von Novatianus durchgesetzte Weihnachtsfest in den Osten übernommen hat. Vogels hat davor gewarnt, die Bedeutung von Cod N und B in den E w gegenüber der Vulgata zu überschätzen2). Ich habe mich davon überzeugen müssen, daß Vogels hinsichtlich des Vaticanus durchaus recht hat, und auf den Vaticanus legen die meisten Theologen fälschlich das größte Gewicht. Ich schreibe die Grundlage der Vulgata dem Novatianus zu und halte den Vaticanus für gleichaltrig mit Novatianus. Aber für den Sinaiticus trifft das Urteil Vogels meines Erachtens nicht zu, immer abgesehen von den gleichen Verderbnissen. Der Vaticanus ist stark beeinflußt von der großkirchlichen Übersetzung, die noch viele Elemente des /?-Textes und manches von Markion in sich barg. Novatianus hat seiner Übersetzung grundsätzlich den unrezensierten a-Text, der ziemlich rein im Sinaiticus vorliegt, zugrunde gelegt, und deshalb ist eben der Vulgata-Text besser als der von B. Wir müssen den Weg des Novatianus zu Ende gehen und den Text von allen Ingredienzien des w-Textes und der Rezension gründlich reinigen. Zusatz 1: Der Papyrus
Bodmer II
Der im Jahre 1956 von Victor Martin veröffentlichte Papyrus enthält auf 108 hervorragend erhaltenen Seiten fast lückenlos Kap. 1—14,26 des Johannesevangeliums und ist nach dem Urteil des Papyrologen „um 200" geschrieben. Nach dem Vorgang von K. Aland habe ich diesen Papyrus ausführlich besprochen3) und gebe hier nur die Ergebnisse wieder: Der Schreiber von p66 hat zwei Vorlagen wirklich vor sich liegen gehabt: erstens den Archetypus des in Alexandria entstandenen Codex W, der eine Mischung aus Urtext und /3-Text (Kenyon nennt ihn ¿-Text) war, zweitens den eines anderen Mischtextes, der aus Rom importiert war und den autoritativen römischen Text präsentierte, nämlich die zur Zeit Zephyrins und Callists auf Grund von Dd entstandene großkirchliche, ziemlich freie lateinische Übersetzung dx. Unser Schreiber kopierte recht mechanisch den Codex W, setzte sich aber dabei ständig mit dem römischen Text auseinander und !) Ebenda, 128. 2) H. Vogels, Vulgatastudien. Die Evang. der Vulgata, untersucht auf ihre lateinische und griechische Vorlage, Neutestamentl. Abhandlungen, hrsg. v. Meinertz, 14, 2 - 3 , 1928, 78. s ) Forschungen und Fortschritte, 1958, 122 ff. 46 Hartke.Bd.II
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Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom — Sieg der Latinitas
erlaubte sich wie alle Schreiber jener Zeit viel Eigenwilligkeiten. Wir haben ein beständiges Schweben zu und von W, dem griechischen alexandrinischen Text, und zu und von dx, dem ins Lateinische übersetzten römischen Text, beobachtet; der Schreiber übernahm und strich wieder, bald von hier, bald von dort; so kamen wohl alle sogenannten caesareanischen Texte zustande. Bei dieser Methode des Abschreibens von zwei verschiedenen Vorlagen zuzüglich der noch ungehemmten Eigenwilligkeiten ist es zu der „außerordentlich großen Zahl von Auslassungen und Schreib versehen" gekommen, von denen Aland spricht. Der Schreiber hat dann aber das Geschriebene „außerordentlich sorgfältig" überarbeitet. Man möchte vermuten, daß der Bischof von Alexandria ihn inzwischen zur Ordnung gerufen hat. Zu dieser Überarbeitung benutzte er den gerade damals wohl im offiziellen Auftrage des Bischofs revidierten Urtext B, der freilich selbst von der römischen Textentwicklung spürbar beeinflußt ist, aber auch von Codex W, von dem B die Texteinteilung übernommen hat. Zusatz 2: Die
Chester-Beatty-Papyri
In dem andern wichtigen Papyrus-Fund der letzten Zeit, den ChesterBeatty-Papyri, haben wir an neutestamentlichen Schriften erstens Stücke der 4 E w und der Apg in einem Codex, genannt p45, aus der ersten Hälfte des 3. Jhs.; zweitens einen Codex der Pls-Briefe, genannt p46, aus derselben Zeit; drittens einen Codex der Apokalypse, genannt p47, der etwas jünger sein soll als die beiden vorher genannten. Es können andere neutestamentliche Schriften, die mit den erhaltenen früher verbunden waren, verloren sein, doch sprechen verschiedene Gründe dagegen: 1. Die gleichalten p48 -f- p46 entsprechen nach Umfang und Divisio (Ew-Apg-Pls) genau dem Aniketos-Kanon des Jahres 154. 2. Ganz klar auf diesen weist das Fehlen der Pastoralbriefe in p46. Wir haben beobachtet1), daß zur Zeit der Entstehung der Reihe 7 von w K , d. h. zur Zeit Callists, der Aniketos-Kanon (Pls ohne Past) noch fortwirkte. 3. Auch der Rom-Schluß weist, wie ersichtlich2), in die Zeit von w K , als die Aniketos-Tradition weitergebildet wurde. Rom 16,1—23 (einschl. 20b) ist zugefügt, wie in Rom zuerst geschehen in w K . 4. Die Evv sind in p45 nach der Reihe cc geordnet, die von Hippolytos in der Zephyiinos-Zeit unter dem Einfluß der Kleinasiatischen Bibel geschaffen und in die Übersetzung w K des Callistus übernommen wurde. 5. p45 steht hinsichtlich der größeren Varianten im allgemeinen auf Seiten des a-Textes, kann aber nicht als Glied dieser Familie bewertet x
) S. 674. ) S. 693.
2
VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit Beispielen
725
werden. In der Apg hatte D p , also Hippolytos in w2, noch den jS-Text befolgt, während die großkirchliehe Übersetzung wK des Callistus nach dem a-Text korrigiert hat. p 45 wendet sich ebenfalls entschieden dem a-Text zu. — p46 des Corpus Paulinum gehört nach G.Zuntz1) mit dem Vaticanus B , der origenistischenHs 1739, mit Clemens Alexandrinus und koptischen Übersetzungen zu einer bestimmten Zeugengruppe, die ich aber nicht protoalexandrinisch, sondern römisch-alexandrinisch nennen würde. — In der Apokalypse p47 liegt gleichfalls ein gemischter Text vor. Die Cheater-BeattyPapyri gehören zu den Vertretern des sogenannten caesareanischen Textes; sie wie p 66 sind jetzt dessen älteste Vertreter und beweisen, daß solche Mischungen bereits vor dem Tode des Origenes geschehen sind. Überall, wo a-Text und /S-Text nebeneinander existierten, vor allem in Ägypten, aber seit etwa 200 auch in Rom und seit 230 in Caesarea, mußte sich solche Mischung nahelegen. So hat sich eine Reihe von Momenten ergeben, welche die Entstehung der Chester-Beatty-Papyri in die Zeit der Entstehung der großkirchlichen Übersetzung wK, d. h. des Callistus, also auf ca. 217 verweisen. 6. Die Einschiebung des Hebr spricht für Wirkung der Kleinasiatischen Bibel, weil anfangs nur sie den Hebr für einen Pls-Brief erklärt hat. Die Einschiebung an so hervorragender Stelle findet sich sonst nur im Catalogus Sinaiticus, auch hier nachträglich eingeführt, und in der Hs 1977 des Theophylakt-Kommentars 2 ). 7. Man darf nicht übersehen, daß das wichtige Moment der CallistAusgabe wK, die Annahme der erweiterten Kleinasiatischen Bibel, in den Chester-Beatty-Papyri noch nicht vorliegt, sofern wir annehmen dürfen, daß die Katholischen Briefe nicht verloren sind; aber wo die Past gefehlt haben, da werden die Kath nicht vorhanden gewesen sein. Der Dreiteilige Kanon (4 Evv-Apg-Pls) stammt zwar aus Rom, ist aber von Antiochia angenommen und, gerade vermehrt um die Apok, viel länger als in Rom festgehalten worden. 8. Nach Antiochia oder Syrien im allgemeinen weist nun die in p48 vorliegende Reihe der Pls-Briefe, die von uns die römisch-antiochenische Reihe 8 genannte: Röm-Hebr-Kor-Eph-Gal-Phil-Kol-Thess-Phm. Sie entspricht im ganzen der Aniketosreihe 4, jedoch die Folge Kor-Eph-Gal weicht ab und ist nur aus einer Änderung der Aniketos-Reihe nach der Kleinasiatischen Bibel (Silas-Reihe 2) zu erklären, in der allein sonst die Folge Kor-Eph vorliegt. Die Reihe 8 von p48 hegt fast unverändert bei Theodoros von Mopsuestia®), dem geistigen Haupte der jüngeren antioThe Text of the Epistles, Oxford 1953. ) E. Nestle, Einführung, hrsg. v. Dobschütz, 10. 3 ) Vgl. S. 607.
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Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom — Sieg der Latinitas
chenischen Schule, zusammen mit einem Dreiteiligen Kanon vor, und auch die übrigen Spuren der Reihe 8 lassen sich am besten als über Antiochia verbreitet verstehen. Ich nehme also an, daß die ägyptische Gemeinde, der die Chester-BeattyPapyri als Heilige Schrift gedient haben, aus griechischen, von Syrien her nach Ägypten eingewanderten Christen bestanden hat und daß die Papyri aus der Zeit stammen, als im Verfolg der neuen Kirchenpolitik Victors besonders Callistus Beziehungen zu Syrien angeknüpft hatte. p45—47 s j n c l meines Erachtens über Syrien nach Ägypten gekommen, p66 direkt von Rom. Die kirchenpolitische Situation ist dieselbe, nämlich die Zeit des ersten mächtigen Ausgreifens der römischen Großkirche, das Victor eingeleitet hatte und das von einer militärisch-politischen Aktivität der römischen Kaiser begleitet war. Zusatz 3: Wichtige, seit Markion kritische Stellen der Paulusbriefe Ich verweise auf H.J.Vogels 1 ) und möchte hier selbst ein wichtiges Problem der E w behandeln, die Überlieferung des Vaterunser: Lc 11,2—4 unterscheidet sich erheblich von Mt 6,9—13. Die Bitte ,,es geschehe Dein Wille wie im Himmel auch auf Erden" fehlt bei Lc in B, al, sy8C, vg el , Markion, Origenes und wird wegen der üblichen Überschätzung des Vaticanus gestrichen; sie steht aber in C, ($) D, 0 , pm, vg s und in allen Praevulgata-Codices. Nur in a, den ich für einen Hauptvertreter der freien, großkirchlichen Übersetzung w K halte, fehlt „in caelo et in terra". w K ist, wie gezeigt 2 ), von Markion beeinflußt und B wieder von w K . Warum fehlt diese Bitte gerade und nur im Lc? Ich vermute, daß Markion, der das Vaterunser notorisch stark bearbeitet hat, der die Bitte um das Kommen des Reiches spiritualisiert hat zur Bitte um das Kommen des Heiligen Geistes und um unsere Reinigung durch den Geist, als erster die inhaltlich gleichbedeutende Bitte um das Geschehen des Willens Gottes wie im Himmel auch auf Erden gestrichen hat und daß dieser Markionitismus über die großkirchliche Übersetzung auf den Vaticanus gewirkt hat. Anders ist es mit der letzten Bitte „sondern erlöse uns von dem Bösen", die bei N und B, al, vg, sy 9 , Markion, Origenes fehlt, während sie in D, C, 0 , S, sy° und der ganzen Praevulgata vorhanden ist, also aus der ß- Rezension stammt (in a ist leider hier eine Lücke). Genauso ist die Überlieferung der Worte „unser, der in den Himmeln". Mir scheint, daß beides Zusätze aus der Gemeindeliturgie sind; Mt hat weiter die Doxologie zugefügt; auffällig ist doch auch die durch „sondern" hergestellte Verbindung der letzten Bitte *) Der Einfluß Marcions und Tatians auf Text und Kanon des NT, Synoptische Studien, München 1953. s ) S. 689.
VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit Beispielen
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mit der vorhergehenden: „und laß uns nicht hineinfallen (gib uns nicht preis) in Versuchung"; das klingt wie eine Responsion der Gemeinde. Dasselbe falsche Vertrauen auf den Vatieanus hat bewirkt, daß die Echtheit des Kreuzeswortes Jesu „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun", Lc 23,34, bezweifelt worden ist. Es fehlt aber nur bei B, D (erste Hand), W, 0 , pc, a, sy s , sa. Das bedeutet, daß die römischen Großkirchler des 3. Jhs., ein Callistus undDionysius, nicht haben glauben können, daß Jesus seinen Mördern vergeben könne, wie sie auch nicht an das Kommen des Reiches Gottes auf die Erde geglaubt haben. Als weitere Probe auf die Richtigkeit der Ergebnisse der bisherigen Untersuchung habe ich 5 Stellen der Pls-Briefe aufgespart, die viel diskutiert und von Harnack als durch Markion verursachte Textverderbnisse beurteilt worden sind. 1. Rom 1,7 u. 15 : Die Tilgung des év 'Pw/ty in v. 7 durch Gg, d, Fuld, Orpt, Ambrstr (?), Aug, sowie in v. 15 durch Gg sollte den Brief ins Katholische erheben. Das ist von Silas in der Dreiteiligen Katholischen Ausgabe geschehen1), als er auch dem ersten Briefe seiner Reihe 2, dem Kor, die katholische Adresse gab. Orígenes ist der Silas-Ausgabe z. T. gefolgt, wie im Falle des év 'Etpéocp. Das év 'Péftr¡ hat natürlich im römischen Urtexte gestanden; daher hat es Markion. Victor hat nach dem reinen Silas-Texte seines, eirenaiischen Musterexemplars das év 'P(áfir¡ weggelassen; daher fehlt es in d und Gg. Es muß in Rom in D im Stadium w 2 H von Hippolytos und dessen Mitarbeiter auf Grund des römischen Urtextes wiederhergestellt worden sein und steht in der vg des Novatianus. Wegen Fuld, Ambrstr (?) und Aug muß es in wK weiter gefehlt haben. 2. Eph 1,12): Das év'Etpéocp fehlt bei p46, B*, «*, Orígenes (1739 u.Zitat in Catene CramerVI 102), bei Min. 424, Markion, Tertullian, Basileios; Hieronymus scheint zu schwanken. Das év 'Etpéocp hat in der Dreiteiligen Katholischen Ausgabe des Silas, in welcher dieser Brief in der aus dem echten Laodikenerbrief umgearbeiteten Gestalt zuerst aufgetreten ist, gefehlt, da der Brief wie Kor und Rom als katholischer Brief erscheinen sollte. Auch in Ägypten las man den Pls in der Silasform; daher fehlt die Ortsangabe év 'Etpeacp in N und B. Markion hat den Brief als Laodikenerbrief anerkannt, den er aus Kol 4,16 erschloß; er konnte diesen Schluß mit der Tatsache stützen, daß die Ortsbestimmung vor dem Erscheinen des NT von Ephesos gefehlt hatte und erst mit der /^-Rezension aufgetreten war. ,,Da Tertullian dem Markion nicht den Vorwurf der Textfälschung macht, muß das Fehlen auch im Abendlande vertreten gewesen sein" — ich vermute: schon in der Ausgabe des Aniketos, jedenfalls in der bilinguen Aus») S. 557. 2 ) S. 433.
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Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom — Sieg der Latinitas
gäbe Victors w1( die Tertullianus las. Von Aniketos her fehlt ev 'Eq>eoq> in p46. Origenes hat mit dem in Ägypten herrschenden a-Texte, der auch der Text der Dreiteiligen Katholischen Ausgabe des Silas war und in Rom gelesen wurde, gegen ß entschieden. Basileios geht wohl mit Origenes. Schon W 2 h hat die Ortsangabe nach dem ß-Texte der Kleinasiatischen Bibel eingefügt, nach ihm w K und w N ; daher ist die Auslassung so selten. 3. Gal 2,5: Das olg ovde fehlt bei Dd, Irenaeus lat., Tertullian, Victorin, Ambrstr, Pelagius. Es stand im Urtext und noch in der Katholischen PlsAusgabe.des Silas, die dieser noch vom paulinischen Standpunkte aus gefertigt hat. Die Worte werden von Silas bei der ß- Rezension des N T von Ephesos gestrichen sein, da Silas jetzt aus Rücksicht auf die Petriner entsprechend der Darstellung des Lukas in der Apg auch in Gal den Paulus nachgeben lassen wollte. Weil die Worte im ß-Texte fehlen, las Eirenaios sie nicht. Markion hat noch den Urtext gekannt und ovde, nicht olg ovde, wieder eingesetzt. Markions Gegner Aniketos und Polykarpos müssen beide Worte gelesen haben, denn von Aniketos wird sie p46 haben. Dann folgt, daß Aniketos und Polykarpos den Dreiteiligen Kanon des Silas befolgt haben, wie wir vermuteten 1 ). Tatianos ist von Markion beeinflußt, denn von jenem werden Ephraem und syr das bloße ovde haben. Aber als Victor nach einem eirenaiischen Musterexemplar mit reinerem ß-Texte seine Ausgabe w t schuf, übernahm er die Streichung der beiden Worte. Daher macht Tertullianus, der w x las, dem Markion die Einsetzung des ovde ausdrücklich zum Vorwurf. Auch W 2 h hatte die Streichung, wie D bezeugt. w K ist oft w 2 H gefolgt, daher fehlen die Worte bei Victorinus, Ambrstr, Pelagius. Aber w N muß in Rom den Urtext, der mit der Kath. Pls-Ausgabe des Silas auch in Ägypten und Caesarea sich erhalten hatte, wiederhergestellt haben. Daher ist die Streichung in der Vetus Latina außer Dd nicht vorhanden. 4. Gal 2,9: Die Voranstellung des Petrus findet sich bei D, G, F, Fuld, got, Markion, Tert., Orig. lat., Greg. v. Nyssa, Hier., Ambrstr, Victorin, Theodrt. Die Voranstellung zugleich mit der Auslassung von oi doxoüvreg orvXoi elvai, xoivmviag und des Barnabas ist meines Erachtens durch Markion geschehen, der Petrus als den in erster Linie sich dem Paulus verpflichtenden hinstellen wollte. Die Römer und Freunde der Römer haben hier den „Primat" des Petrus gesehen und gern angenommen. Codex A hat den Petrus weggelassen. 5. Gal 2,1: Die bei Markion durch die Auslassung der 1. Jerusalem-Reise Gall,18ff. veranlaßte Omission von näfov begegnet auch bei Iren, lat., Ambrstr, boh, Chrysostomos. Wegen der Zeugen scheint es, daß älteste kirchliche Hss Roms das ndfav zunächst ausgelassen haben und daß w K , !) S. 617.
V n i . Das Stemma der Praevulgata-Codices mit Beispielen
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wieder v o n Markion beeinflußt, dasselbe getan hat. Aber das ndXiv m u ß sehr früh an den R a n d geschrieben sein, denn D , G, F , got, aeth haben es hinter äveßrjv eingesetzt. Es folgen wichtige ^-Änderungen, die sieh gegen die Pia-Ausgabe des Dreiteiligen Kanons nicht haben durchsetzen können, aber sporadisch erhalten sind-. Zu Apg 4,35 BaQOaßßäg statt BaQvaßäg Hss 181 und 460. Zu Apg 13,1 (Lucius, Cirinensis) qui manet usque adhuc in keiner Hs mehr. Zu 2. Tim 4,19 AixTgav rfjv yvvaixa avrov xai EIMAIAN (hes SIAAIAN, d. i. Silas) xai Zijvcova rovg viovg avzov Hss 181 und 460. Zu Tit 1,9 fern öiaxovog Hs 460. Die Stellung dieser beiden Hss in der Geschichte der ß- Rezension wäre unter unseren Gesichtspunkten neu zu untersuchen.
I. Der Kanon in Syrien
Nach der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem war Antiochia Hauptort des hellenistischen Christentums. Damals kursierten dort der Ur-Mc und die Logia. Das erste Einheitsevangelium, der Ur-Lc, ist nach unserer Auffassung im Jahre 48 in Antiochia entstanden. Seit 48 wurde Antiochia als Residenz des Petrus das Zentrum der Einheitstendenz; Paulus, Barnabas, Johannes Marcus, auch Timotheos, Silas und Lukas waren weggegangen. Nachdem der philippinische Redaktor den Ur-Mc zum RMc und Lukas den Ur-Lcj zum Ur-Lc 2 weiterentwickelt hatten, wurden diese beiden Schriften unter Zufügungen und Auslassungen von den Führern der auch nach dem Tode des Petrus aktiven petrinischen Bewegung in Antiochia während der domitianischen Verfolgung zum Mt-Ev kombiniert, das hier zum Unterschied von der kirchenpolitisch duldsameren Haltung Kleinasiens und Roms allein Geltung beanspruchte. Zur Zeit des Ignatios ist in Antiochia das NT von Ephesos mit seinem ß-Text bekannt geworden, in seinem Rahmen als maßgeblicher Bericht über Jesus „das Evangelium", das viergestaltige, nach den Verfassern differenzierte, mit der Reihe a. Daher liegt diese auch dem Origenes bekannte Reihe in der Praefatio des Evv-Kommentars „des Theophilos" vor 1 ) und im syr c . Der aus Rom kommende Tatianos hat sein Diatessaron, wieder ein Einheitsevangelium, dazu seine Pls-Ausgabe und die Apg als von ihm anerkannten und von der Kirche anzuerkennenden Kanon mitgebracht. Seitdem gibt es in Syrien den Dreiteiligen Kanon wie in Rom. Theophilos, der etwa 160—180 Bischof von Antiochia war, scheint sich ebenfalls in Evangelienharmonie betätigt zu haben, von der vielleicht Spuren im 2. Clem und anderen zu Syrien in Beziehung stehenden Schriften vorliegen 2 ), aber gegen Tatianos und im Bunde mit der Großkirche Roms hat er doch die getrennten Evangelien behauptet; er hat die Apg anerkannt und die Pls-Briefe, sogar mit Einschluß der Past, außerdem pneumatische Schriften, insbesondere die JohApok. Theophilos hat starken Einfluß auf den Westen gehabt. Der Ergänzte Dreiteilige Kanon Victors in der Ausgabe wx stimmt genau zu dem
Vgl. S. 665. ») Vgl. S. 579.
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Vierter Teil: Synthese der Kleinasiat. Bibel mit der röm. Anordnung
nach Syrien gehörigen Catalogus Sinaiticus. Als im Laufe des 3. Jhs. Rom immer mehr zur Kleinasiatischen Bibel überging, blieb Syrien beim Dreiteiligen Kanon.
II. Der Kanon in Ägypten Die Tatsache, daß Christen Ägyptens den a-Text, d. h. den Ur-Text der Schriften, bewahrt haben, soweit von einem solchen im Gegensatz zur ß- Rezension des Silas gesprochen werden kann, beweist erstens, daß die ägyptischen Christen mit denen von Ephesos in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. in lebhaftem Verkehr gestanden haben. Das C. H. Roberts-Frägment des Joh-Ev 18,31—33 und 37—38, Bruchstücke eines Codex, stammt aus der 1. Hälfte des 2. Jhs. und aus Ägypten; gleichen Alters ist der Egerton-Papyrus, der Zitate aus Joh, den Synoptikern und einem apokryphen Ev zusammenstellt. Solcher Verkehr auf dem uralten Verkehrswege ist an sich wahrscheinlich und aus Schriften, die in Ephesos entständen sind, längst erschlossen worden. Wir hören aus sicheren und unsicheren Nachrichten von Persönlichkeiten des 1. Jhs., die zu beiden Gemeinden Beziehungen hatten. Die Tatsache, daß der ß-Text sich in Ägypten nicht so wie in Kleinasien, Rom und Syrien durchgesetzt hat, macht es zweitens wahrscheinlich, daß die ägyptische Christenschaft von der petrinischkatholischen Bewegung, die im letzten Jahrzehnt des 1. Jhs. von Antiochia ausging und schnell Kleinasien und über Ephesos auch Rom erfaßte, also von der Entwicklung der frühkatholischen Kirche wenig oder gar nicht betroffen worden ist. W. Bauer und H. Lietzmann sind denn auch der Überzeugung, daß in Ägypten das Christentum länger (Lietzmann sagt 1 ): in gnostischen Formen — ich schlage vor, zu sagen:) in vorkirchlichen Formen bestanden hat wie im Pontos und wohl in allen Gebieten, zu denen es vor der Entstehung des NT von Ephesos vorgedrungen ist, und daß ein katholisches Christentum sich in Ägypten erst nach langem und hartem Kampfe gegen die Gnosis durchgesetzt hat. Rom hat dabei entscheidende Hilfe geleistet. Die vorkirchliche, d. h. von dem judenchristlichen, letztlich hebräischen Moment unbeeinflußte Haltung der ägyptischen Christenschaft hat einerseits der Gnosis freie Bahn gegeben, andererseits die „Weite des Gesichtskreises" (Lietzmann) erlaubt und die Verbindung mit der in Alexandria heimischen griechischen Wissenschaft ermöglicht, die uns in Ägypten entgegentritt. Sie erklärt die merkwürdige Selbständigkeit der Pfarrgemeinden, die späte Entwicklung des Episkopats und anderes. Man sollte aber nicht übersehen, daß Alexandria erst und gerade unter *) H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche II 284.
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Vierter Teil: Synthese der Kleinasiat. Bibel mit der röm. Anordnung
nach Syrien gehörigen Catalogus Sinaiticus. Als im Laufe des 3. Jhs. Rom immer mehr zur Kleinasiatischen Bibel überging, blieb Syrien beim Dreiteiligen Kanon.
II. Der Kanon in Ägypten Die Tatsache, daß Christen Ägyptens den a-Text, d. h. den Ur-Text der Schriften, bewahrt haben, soweit von einem solchen im Gegensatz zur ß- Rezension des Silas gesprochen werden kann, beweist erstens, daß die ägyptischen Christen mit denen von Ephesos in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. in lebhaftem Verkehr gestanden haben. Das C. H. Roberts-Frägment des Joh-Ev 18,31—33 und 37—38, Bruchstücke eines Codex, stammt aus der 1. Hälfte des 2. Jhs. und aus Ägypten; gleichen Alters ist der Egerton-Papyrus, der Zitate aus Joh, den Synoptikern und einem apokryphen Ev zusammenstellt. Solcher Verkehr auf dem uralten Verkehrswege ist an sich wahrscheinlich und aus Schriften, die in Ephesos entständen sind, längst erschlossen worden. Wir hören aus sicheren und unsicheren Nachrichten von Persönlichkeiten des 1. Jhs., die zu beiden Gemeinden Beziehungen hatten. Die Tatsache, daß der ß-Text sich in Ägypten nicht so wie in Kleinasien, Rom und Syrien durchgesetzt hat, macht es zweitens wahrscheinlich, daß die ägyptische Christenschaft von der petrinischkatholischen Bewegung, die im letzten Jahrzehnt des 1. Jhs. von Antiochia ausging und schnell Kleinasien und über Ephesos auch Rom erfaßte, also von der Entwicklung der frühkatholischen Kirche wenig oder gar nicht betroffen worden ist. W. Bauer und H. Lietzmann sind denn auch der Überzeugung, daß in Ägypten das Christentum länger (Lietzmann sagt 1 ): in gnostischen Formen — ich schlage vor, zu sagen:) in vorkirchlichen Formen bestanden hat wie im Pontos und wohl in allen Gebieten, zu denen es vor der Entstehung des NT von Ephesos vorgedrungen ist, und daß ein katholisches Christentum sich in Ägypten erst nach langem und hartem Kampfe gegen die Gnosis durchgesetzt hat. Rom hat dabei entscheidende Hilfe geleistet. Die vorkirchliche, d. h. von dem judenchristlichen, letztlich hebräischen Moment unbeeinflußte Haltung der ägyptischen Christenschaft hat einerseits der Gnosis freie Bahn gegeben, andererseits die „Weite des Gesichtskreises" (Lietzmann) erlaubt und die Verbindung mit der in Alexandria heimischen griechischen Wissenschaft ermöglicht, die uns in Ägypten entgegentritt. Sie erklärt die merkwürdige Selbständigkeit der Pfarrgemeinden, die späte Entwicklung des Episkopats und anderes. Man sollte aber nicht übersehen, daß Alexandria erst und gerade unter *) H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche II 284.
II. Der Kanon in Ägypten
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Septimius Severus eine städtische Selbstverwaltung erhielt1). Etwa wie in Ägypten noch gegen Ende des 2. Jhs., so sah es in Ephesos und den vorderen Gemeinden Kleinasiens aus, bevor die petrinisch-katholische Bewegung dort einsetzte. Man empfindet wieder die Parallele mit der Entwicklung des Judentums, das sich ebenfalls in Ägypten freier gehalten hat als da, wo es unter dem überwiegenden Einflüsse der von den hebräischen Juden getragenen kreiskirchlichen Tendenz stand. Das ist der Unterschied zwischen Rom und Ägypten: In Rom war das, was der römische Clemens in Zusammenarbeit mit den Kleinasiaten an Verkirchlichung hatte durchsetzen können, gegenüber dem religiösen Individualismus nicht durchgehalten worden; zuerst Aniketos, dann Victor zogen die Zügel wieder an. In Ägypten suchte man erst zur Zeit Victors Fühlung mit dem erstarkenden Katholizismus. Der Alexandriner Clemens, der vielleicht in Athen geboren ist, Lehrer in Hellas, Unteritalien und dem Orient gehört und sich schließlich dem Einfluß des aus Sizilien stammenden Pantainos unterstellt hat, ging schon vom Kanon der Kleinasiatischen Bibel aus und vertrat eine „in bewußt -katholischem Sinne christliche Gnosis" (Lietzmann). Clemens will Pneumatiker sein, „dem der Geist die Erkenntnis göttlicher Geheimnisse zeigt und der durch den Buchstaben des Schriftwortes zum tieferen Sinn durchdringt". Clemens beweist seine Lehre aus dem Alten und dem Neuen Testament; er hat selbst einen Kommentar zu den Katholischen Briefen geschrieben; er zitiert aber auch das , .Hebräerevangelium''. In Ägypten lief das Ägypterevangelium um. Clemens selbst verwischt „absichtlich die Grenze zwischen hellenischem und biblischem Schrifttum". So bildete im Osten der Kanon Alexandrias (die Kleinasiatische Bibel ohne feste Grenze) den Gegenpol zu Antiochia mit seinem Dreiteiligen Kanon nach altrömischem Vorbild. Origenes wollte hinsichtlich des Kanons Ordnung schaffen und suchte nach einem überindividuellen, für alle gültigen, objektiven Maßstab. Nach seinem Übergang in die Gemeinde von Caesarea erkannte er praktisch die dort, abgesehen von Schwankungen bei der Apok, geltende Kleinasiatische Bibel an. Als Gelehrter blieb er Alexandriner, versuchte aber den Stand der Schätzung der einzelnen, im Gebrauch befindlichen Schriften nach der wissenschaftlichen Methode der Statistik festzulegen, wobei natürlich seine persönliche Art ein relativistisches Moment eintrug. In seinem Sinne fragten Eusebios und dessen Schule, welche Schriften seit ältester Zeit und in der ganzen Christenheit anerkannt würden. Aber was sollte maßgebend sein, das Urteil von Gemeinden oder das der Schriftsteller? Urteile von Gemeinden aus vergangener Zeit waren schwer zu erlangen; Urteile von Schriftstellern standen aus sehr verschiedenen Zeiten zur Verfügung, l
) Alföldi, Römische Kaiserzeit, Historia mundi IV, Bern 1956, 293.
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waren aber immer subjektiv. Kombination von beiden mußte ein schiefes Bild geben. Unsicher war die Methode, und zu sehr verschiedenen Urteilen mußte sie führen. Ein nach solchem Maßstabe geschaffener Kanon blieb eine fließende Größe, konnte anwachsen, aber auch wieder kleiner werden. Ein nach statistischer Methode festgestelltes Neues Testament hatte gegenüber dem mit einem Schlage aufgetretenen, von der Kirche einer großen und geistig bedeutenden Landschaft beschlossenen und getragenen „Neuen Testament von Ephesos" und der „Kleinasiatischen Bibel" den schweren Nachteil, daß es eine sehr verschieden berechnete Summe von philologischen, mehr oder weniger subjektiven Werturteilen war. Zumeist an der Apok und den Katholischen Briefen zeigte sich das Schwanken der Gelehrten: Die Apok wurde von den Theologen Alexandrias und Caesareas abgelehnt; von den Katholischen Briefen blieben nur der 1. Joh-Brief und der 1. Petrus-Brief, dazu der Jakobusbrief als ganz unbedenklich bestehen, einfach deshalb, weil sie um ihrer Bedeutung willen am meisten gelesen wurden. Im ganzen wurde durch die Kritik der Gelehrten das Chaos nur größer. Man sollte sich abgewöhnen, von einem Dreibriefkanon (1. Petr, Jak, 1. Joh) zu sprechen und zu behaupten, daß Kirchenväter, welche nur diese drei katholischen Briefe benutzen, auch nur diese drei kennen. Wer benutzt denn in der heutigen kirchlichen Praxis den 2. oder 3. Joh, 2. Petr und Judas! Jeder kennt sie wohl. Lietzmann sagt selbst 1 ): „Wir besitzen keine einzige Bibelhandschrift, die nur drei katholische Briefe enthielte." Er gibt auch ein klärendes Beispiel an die Hand 2 ): „Um 380 stellt Gregor vonNazianz, der in der Praxis den Dreibriefkanon benutzt, ein Kanonverzeichnis auf, das alle sieben Briefe nennt."
III. Die Zusammenarbeit Roms mit Alexandria und Caesarea Mit Caesarea hat Rom uralte Beziehungen: es hat vielleicht von dorther das Christentum erhalten. Wahrscheinlich hat Bischof Soter das SonntagsOsterfest aus Caesarea übernommen. Ich bin überzeugt, daß Didache, Barnabasbrief und Epistula apostolorum in Caesarea entstanden sind. Die Didache wird in Hermas zitiert, der Barn, von Justinos, dem geborenen Südsyrer. Die Didache geht aus von RMc und Ur-Lc und beeinflußt selbst die Gestaltung des syrischen Mt-Ev3). Der Barn, ist wahrscheinlich von einer !) H. Lietzmann, Kleine Schriften I I 194. 2 ) Ebenda, 90. 3 ) Vgl. S. 578.
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waren aber immer subjektiv. Kombination von beiden mußte ein schiefes Bild geben. Unsicher war die Methode, und zu sehr verschiedenen Urteilen mußte sie führen. Ein nach solchem Maßstabe geschaffener Kanon blieb eine fließende Größe, konnte anwachsen, aber auch wieder kleiner werden. Ein nach statistischer Methode festgestelltes Neues Testament hatte gegenüber dem mit einem Schlage aufgetretenen, von der Kirche einer großen und geistig bedeutenden Landschaft beschlossenen und getragenen „Neuen Testament von Ephesos" und der „Kleinasiatischen Bibel" den schweren Nachteil, daß es eine sehr verschieden berechnete Summe von philologischen, mehr oder weniger subjektiven Werturteilen war. Zumeist an der Apok und den Katholischen Briefen zeigte sich das Schwanken der Gelehrten: Die Apok wurde von den Theologen Alexandrias und Caesareas abgelehnt; von den Katholischen Briefen blieben nur der 1. Joh-Brief und der 1. Petrus-Brief, dazu der Jakobusbrief als ganz unbedenklich bestehen, einfach deshalb, weil sie um ihrer Bedeutung willen am meisten gelesen wurden. Im ganzen wurde durch die Kritik der Gelehrten das Chaos nur größer. Man sollte sich abgewöhnen, von einem Dreibriefkanon (1. Petr, Jak, 1. Joh) zu sprechen und zu behaupten, daß Kirchenväter, welche nur diese drei katholischen Briefe benutzen, auch nur diese drei kennen. Wer benutzt denn in der heutigen kirchlichen Praxis den 2. oder 3. Joh, 2. Petr und Judas! Jeder kennt sie wohl. Lietzmann sagt selbst 1 ): „Wir besitzen keine einzige Bibelhandschrift, die nur drei katholische Briefe enthielte." Er gibt auch ein klärendes Beispiel an die Hand 2 ): „Um 380 stellt Gregor vonNazianz, der in der Praxis den Dreibriefkanon benutzt, ein Kanonverzeichnis auf, das alle sieben Briefe nennt."
III. Die Zusammenarbeit Roms mit Alexandria und Caesarea Mit Caesarea hat Rom uralte Beziehungen: es hat vielleicht von dorther das Christentum erhalten. Wahrscheinlich hat Bischof Soter das SonntagsOsterfest aus Caesarea übernommen. Ich bin überzeugt, daß Didache, Barnabasbrief und Epistula apostolorum in Caesarea entstanden sind. Die Didache wird in Hermas zitiert, der Barn, von Justinos, dem geborenen Südsyrer. Die Didache geht aus von RMc und Ur-Lc und beeinflußt selbst die Gestaltung des syrischen Mt-Ev3). Der Barn, ist wahrscheinlich von einer !) H. Lietzmann, Kleine Schriften I I 194. 2 ) Ebenda, 90. 3 ) Vgl. S. 578.
IV. Athanasios
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Evangelienharmonie, vielleicht der des Theophilos von Antiochia, abhängig und setzt den Paulinismus voraus. In der Epist. apost. läßt sich klar der Einfluß des NT von Ephesos und der Männer um Silas und Lukas erweisen. Die Kleinasiatische Bibel mit ihrem /9-Texte mußte schon längere Zeit in der Gemeinde von Caesarea geherrscht haben, wenn die seit 230 dort arbeitende Theologenschule ihren aus Alexandria mitgebrachten Kritizismus hinsichtlich des Kanons unter die Tradition der Gemeinde beugte und wenn sie dem ß-Texte entgegenkam. Origenes bringt beimZitieren oft die Reihe MtLc-Mc, d.h. die Reihe c der Kleinasiatischen Bibel 1 ); die Kath hat noch Eusebios h. e. III 25,3f. in deren Divisio, d. h. Kath vor Apok, und in deren Ordo. Der Bruch Victors mit Ephesos und seine Hinwendung zu Caesarea, Palästina und Ägypten hat in der Entwicklung des Kanons und des Textes Epoche gemacht. Er leitet die Verstärkung des kirchenpolitischen Interesses Roms an Syrien "und Ägypten mit dem Ziele der Herstellung der Einheitskirche mit einheitlichem Kanon und den Übergang von dem bisher in der ganzen Kirche mit Ausnahme Ägyptens herrschenden /?-Texte des NT v. Ephesos zum Ur- oder a-Texte ein. In der Zeit der römischen Bischöfe Victor, Zephyrinos und Callistus, welche die ägyptische Kirche organisieren halfen, kam der in Rom bisher herrschende ß-Text nach Ägypten und mischte sich dort mit dem a-Texte; das beweisen die neuen Funde des Papyrus Bodmer II und der Chester-Beatty-Papyri aus dem ersten Viertel des 3. Jhs. Umgekehrt merken wir Einfluß des a-Textes in Rom in den lateinischen Übersetzungen des Callistus und besonders des Novatianus. Die gelehrten Theologen von Alexandria und Caesarea haben zunächst den in Ägypten kursierenden a-Text festgestellt und damit den Archetypus des Sinaiticus geschaffen. Später entstand der Archetypus des Vaticanus, der doch manche Konzessionen an den Text der römischen Großkirche zeigt. Novatianus hat sich trotz des Schwankens des Origenes für den a-Text entschieden, den Origenes selbst bis etwa 240 benutzt hat. Novatianus hat auch die Synthese zwischen dem Umfang der in Caesarea herrschenden Kleinasiatischen Bibel und den römischen Ordnungsmomenten eingeleitet und damit dem Athanasios vorgearbeitet, der sie dann durchgesetzt hat.
IV. Athanasios Athanasios war ein Freund des Epiphanios von Zypern, kannte gewiß auch die Arbeiten des Hippolytos und hatte an den immer treu homousianisch gebliebenen Novatianern die zuverlässigsten Verbündeten. Alle J
) E. Nestle - v. Dobschütz, a. a. 0. 9 Anm. 3.
IV. Athanasios
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Evangelienharmonie, vielleicht der des Theophilos von Antiochia, abhängig und setzt den Paulinismus voraus. In der Epist. apost. läßt sich klar der Einfluß des NT von Ephesos und der Männer um Silas und Lukas erweisen. Die Kleinasiatische Bibel mit ihrem /9-Texte mußte schon längere Zeit in der Gemeinde von Caesarea geherrscht haben, wenn die seit 230 dort arbeitende Theologenschule ihren aus Alexandria mitgebrachten Kritizismus hinsichtlich des Kanons unter die Tradition der Gemeinde beugte und wenn sie dem ß-Texte entgegenkam. Origenes bringt beimZitieren oft die Reihe MtLc-Mc, d.h. die Reihe c der Kleinasiatischen Bibel 1 ); die Kath hat noch Eusebios h. e. III 25,3f. in deren Divisio, d. h. Kath vor Apok, und in deren Ordo. Der Bruch Victors mit Ephesos und seine Hinwendung zu Caesarea, Palästina und Ägypten hat in der Entwicklung des Kanons und des Textes Epoche gemacht. Er leitet die Verstärkung des kirchenpolitischen Interesses Roms an Syrien "und Ägypten mit dem Ziele der Herstellung der Einheitskirche mit einheitlichem Kanon und den Übergang von dem bisher in der ganzen Kirche mit Ausnahme Ägyptens herrschenden /?-Texte des NT v. Ephesos zum Ur- oder a-Texte ein. In der Zeit der römischen Bischöfe Victor, Zephyrinos und Callistus, welche die ägyptische Kirche organisieren halfen, kam der in Rom bisher herrschende ß-Text nach Ägypten und mischte sich dort mit dem a-Texte; das beweisen die neuen Funde des Papyrus Bodmer II und der Chester-Beatty-Papyri aus dem ersten Viertel des 3. Jhs. Umgekehrt merken wir Einfluß des a-Textes in Rom in den lateinischen Übersetzungen des Callistus und besonders des Novatianus. Die gelehrten Theologen von Alexandria und Caesarea haben zunächst den in Ägypten kursierenden a-Text festgestellt und damit den Archetypus des Sinaiticus geschaffen. Später entstand der Archetypus des Vaticanus, der doch manche Konzessionen an den Text der römischen Großkirche zeigt. Novatianus hat sich trotz des Schwankens des Origenes für den a-Text entschieden, den Origenes selbst bis etwa 240 benutzt hat. Novatianus hat auch die Synthese zwischen dem Umfang der in Caesarea herrschenden Kleinasiatischen Bibel und den römischen Ordnungsmomenten eingeleitet und damit dem Athanasios vorgearbeitet, der sie dann durchgesetzt hat.
IV. Athanasios Athanasios war ein Freund des Epiphanios von Zypern, kannte gewiß auch die Arbeiten des Hippolytos und hatte an den immer treu homousianisch gebliebenen Novatianern die zuverlässigsten Verbündeten. Alle J
) E. Nestle - v. Dobschütz, a. a. 0. 9 Anm. 3.
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Vierter Teil: Synthese der Kleinasiat. Bibel mit der röm. Anordnung
Genannten stimmten im Umfang des Bibelkanons mit dem Gebrauche des Heiligen Landes überein. Athanasios benutzte die Gelegenheit des Osterfestbriefes von 367, um in der Bücherfolge sich klar zu entscheiden. Er übernahm den Kanon des Novatianus für die ganze bekennende Kirche seiner Zeit. Athanasios hat gegen den Kanon des Epiphanios, den 'wir für den ursprünglichen Kanon der Kleinasiatischen Bibel halten 1 ), die Kath vor Pls gestellt. Wir haben oben gesehen2), wie Hippolytos zu dieser Divisio gekommen ist und daß Origenes in hom. in Jos. VII1, übrigens auch in hom. Gen. XIII 1—2, und Novatianus sie übernommen haben. Dieselbe Stellung von Kath vor Pls liegt in der von Cassiodorus überlieferten, oben behandelten und von uns den Novatianern zugeschriebenen Divisio „secundum antiquam translationem" vor 3 ). Auch Kyrillos von Jerusalem in Catech. IV 33 f. hat sie in den vierziger Jahren des 4. Jhs. Die Apok •wird verschieden behandelt: Hippolytos, Origenes und Damasus haben sie zwischen Kath und Apg, Kyrillos hat sie abgelehnt; Athanasios wollte nicht auf sie verzichten, da er sich sonst mit dem Westen und mit Kleinasien in Widerspruch gesetzt hätte. Die Divisio des Novatianus und Athanasios liegt noch heute vor in der v. Sodenschen Bibelausgabe: Evv-Apg-Kath-Pls-Apok. (Der Ordo der Kath und des Pls sowie die Behandlung des Hebr als Pls-Brief weicht bei Athanasios ab von Novatianus und stimmt zur Kleinasiatischen Bibel.) Hielt man sich in allem an die Kleinasiatische Bibel und nahm nur die Stellung der Apg von Rom an, so ergaben sich Divisio und Ordo des Gregor von Nazianz: Evv-Apg-Pls-Kath-Apok (im metrischen Katalog ohne Apok, auf die Gregor sich aber P. G. XXXVI 469 beruft) und des Amphilochios von Ikonion (der aber die Bedenken des Eusebios gegen die Apok teilt). Die Reihe Gregors wird heute zum Beispiel im NT Graece von Nestle verwendet. — Der Bibelkanon von Karthago des Jahres 397 hat die Divisio wie der Kappadokier, den Ordo der Kath aber wie Hippolytos, Callistus und Novatianus, also abweichend von der seit der Kleinasiatischen Bibel feststehenden Ordnung des Athanasios und Gregors. Athanasios hat den „alexandrinischen" Text, d. h. den a-Text „der beiden großen Unzialen N und B, von denen B in besonderem Maße als Musterexemplar dieser Familie angesehen wird" (Kenyon). Gregor von Nazianz hat den Koine-Text, der erst bei Chrysostomos aufzutauchen beginnt und in der Kirche von Konstantinopel die Vorherrschaft erlangt hat. Vgl. S. 585. ) Vgl. S. 688. 3 ) S. 692. 2
V. Die Methode der Herstellung des unrezensierten Urtextes
739
V. Die Methode der Herstellung des unrezensierten Urtextes Wollen wir den Ur-Text — und wir brauchen den Ur-Text — so müssen wir es endlich radikal aufgeben, aus dem a-Text, dem /?-Text, der SilasRezension, den verschiedenen Arten des römischen w-Textes, den bunten Textmischungen, die wir caesareanisch nennen, einen Einheitstext herstellen zu wollen, bei dem vorausgesetzt wird, daß der Wertunterschied der verschiedenen Handschriften nur von dem verschiedenen Grade der Verderbnis abhängt, der alle handschriftliche Überlieferung unterliegt. Wer für alle Schriften des NT von solcher Voraussetzung her einen Einheitstext ausrechnen will, sieht die Tatsachen der Überlieferung gleichsam nur zweidimensional, wie nur mit einem Auge. Aus den Resultaten unserer Untersuchung ergibt sich eine historische Tiefenschichtung von den Urschriften bis zu den heute noch geltenden Endstadien. Obenauf liegen Hebr und J a k , die erst mit der Kleinasiatischen Bibel in den sichernden Textverband eingetreten sind; nur an Hand einiger Zitate wird man näher zur Entstehungszeit dieser beiden Schriften, d.h. in das letzte Jahrzehnt des 1. Jhs., vordringen können. — Die veneratio antiquitatis derjenigen, die die Kleinasiatische Bibel beschlossen haben, ermöglicht uns, mit großer Sicherheit auch zur nächst tieferen Schicht, zum NT von Ephesos, vorzudringen, d. h. zu den Urtexten der Petrusbriefe und des Judasbriefes, die erst mit dem NT von Ephesos aufgetreten sind. Aber für alle übrigen Schriften hat das NT von Ephesos die verwirrende ß-Rezension gebracht. Diese Rezension hat die Schriftengruppe der Deuterojohanneer (Joh-Ev, Joh-Briefe, Apok), das Mc-Ev der Philippiner und vor allen das Mt-Ev der Petriner immerhin mit Respekt behandelt. Jedoch hat der Urheber der ß- Rezension, Silas, die Schriften seines Mitarbeiters Lukas, das Lc-Ev und die Apg, die auch schon dem vorhergehenden, ebenfalls von Silas und Lukas herausgegebenen Dreiteiligen katholisch-paulinischen Kanon angehört hatten, stark verändert und an Mt, gelegentlieh auch umgekehrt angeglichen, den von ihm selbst zu diesem Kanon beigesteuerten dritten Teil, die Katholische PaulusAusgabe, dagegen sehr wenig. Glücklicherweise ist der Dreiteilige Kanon des Silas und Lukas, d. h. das Ev und die Apg des Lukas in dem von der ß- Rezension noch nicht betroffenen Zustande und das Corpus Paulinum, früh und schnell verbreitet worden. Bei der Besprechung kritischer Stellen der Pls-Briefe 1 ) fanden wir den Dreiteiligen Kanon mit seinem a-Texte ohne Einwirkung der ß-Rezension in der ganzen christlichen Welt bekannt; am besten erhalten ist er in Ägypten. Ebenso sind auch Mt, Mc und das *) S. 726. 47
Hartke, Bd. I I
740
Vierter Teil: Synthese der Kleinasiat. Bibel mit der röm. Anordnung
Corpus Johanneum im Vor-/?-Zustande verbreitet gewesen und in Ägypten erhalten geblieben. Es ist also möglich und nötig, bei diesen, insbesondere den Lukasschriften, die Änderungen der ß- Rezension rückgängig zu machen. Die für den Dreiteiligen Kanon geschaffene Katholische Pls-Ausgabe des Silas hat einerseits die Timotheos-Ausgabe der echten Briefe wie ausgelöscht, abgesehen von den Spuren im Römerbriefe, andererseits, wie gesagt, weder bei der Rezension des NT von Ephesos, noch bei der Feststellung der Kiemasiatischen Bibel erhebliche Änderungen erfahren. Daher können wir merkwürdigerweise, wie bei den jüngsten Schriften des NT, nämlich Hebr, J a k und 2 Petr und Jud, auch bei den Pls-Briefen tatsächlich die Methode des Einheitstextes anwenden, wobei wir uns bewußt bleiben müssen, daß wir, abgesehen vom Röm, nur bis zum „katholischen" Text des Silas zurückdringen können. Ich bin überzeugt, daß Silas nicht nur aus dem echten Laodikenerbriefe den später sogenannten Epheserbrief umgestaltet und die Pastoralbriefe so gut wie ganz neu geschaffen, sondern auch eine erhebliche Anzahl von noch zu erkennenden Zusätzen zum Texte der echten Briefe zur Verkirchlichung — das bedeutet aber: zur Verdunklung der begnadeten Persönlichkeit des Paulus — zugefügt hat. Überhaupt gilt, daß man hinter die dritte Schicht, in der der Dreiteilige Kanon des Silas und Lukas, ferner Mt und Mc und das Corpus Johanneum, kurz: die Schriften der vier urchristlichen Gruppen noch unverbunden nebeneinander stehen, nur mit innerer Kritik weiterkommen kann. Mit dieser ist es aber möglich, bis auf die Grundschrift des Joh-Ev (von uns Z genannt) vom Jahre 44, den Ur-Mc vom Jahre 43 und die zu Lebzeiten Jesu nachgeschriebenen Logia des Apostels Matthaios vorzudringen, auch die echten Paulusbriefe, wie sie einst Timotheos gesammelt hatte, einigermaßen sicher wiederherzustellen. Lange Bemühungen um den Text des Joh-Ev und der Joh-Briefe haben mich zu der Überzeugung gebracht, daß hier der weitaus beste Vertreter des a-Textes der Codex Sinaiticus ist. Der a-Text hat der ß-Rezension zugrunde gelegen. Wo also N und D übereinstimmen, ist der Ur-Text gesichert; wo sie auseinandergehen, ist der Ur-Text grundsätzlich bei N zu suchen. Auch der Vaticanus B geht vom a-Text aus wie N; aber in B ist dem a etwas vom römischen Text beigemischt worden, der ¿3-Bestandteile mitbrachte. N ist sehr sorgfältig geschrieben, aber er weist natürlich einige Schreib- und Hörfehler, auch schon Parallelenwirkung auf, hat einige alte Randglossen in den Text genommen und läßt gelegentlich auch ein stilistisches und sachliches Besserwissenwollen einfließen. Wichtig sind die Papyri des 2. und 3. Jhs., soweit sie den unrezensierten a-Text und nicht den ß-Text oder, wie p 45 und p66, den „caesareanischen" Mischtext vertreten; das sind m. E. für Joh p 6 , p 22 und p 52 . Die Umstellung des ndhv Joh 18,33 durch p 82 B D gegenüber N deutet auf eine uralte Randglosse eines a-Textes, ebenso
V. Die Methode der Herateilung des unrezensierten Urtextes
741
die Umstellung des b> rä óvófiari jnov, das wie im folgenden Verse zu aixr\22 arjrs gehört, in Joh 16,23 durch p D 0 S. Nicht nur die Papyri, auch D brauchen ja nicht vom Archetypus des N abgeschrieben zu sein, sondern können verschiedene Abschriften des Urtextes voraussetzen. D, d. h. die /^-Rezension, ist sehr selten für sich allein Urtext, m. E. nur in Joh 10,35 (Stellung von 6 Aóyog syévero TOV &eov), in Joh 20,23 (atpscovTM gestützt durch A al) und in Joh 1,13 (qui non . . . natus est gestützt durch Tertullianus, Iren, lat, syr c , b), vgl. unten. Mit diesen so bewerteten Zeugen ist der Urtext des Joh-Ev und der JohBriefe, wie er etwa um 200 in Ägypten aussah, herzustellen. Der ganze Wust der übrigen Hss hilft nicht zum Urtext, sondern hat nur Bedeutung für die Geschichte der Rezensionen. Ich vertrete also den Standpunkt, daß die Herstellung des neutestamentlichen Textes nicht ,,das schwerste Problem darstellt, das überhaupt der rezensierenden Philologie gestellt ist" 1 ), sondern, vom technisch-philologischen Standpunkt aus gesehen, ein durchaus geläufiges Problem, sobald man erst die Entstehung des N T durchschaut hat. Mit dieser Einstellung zum Problem habe ich die in dieser Arbeit gegebenen Texte des Joh-Ev und der Joh-Briefe gestaltet; welche Lesarten des IS abzulehnen sind und weshalb, habe ich im folgenden zusammengestellt, bin dabei aber nicht über den Nestle-Text hinausgegangen: a) Lese- und
Hörfehler
1,27 - o N*B vor ómoco. 19,39 EAJFMA s * B W für MITMA. 12,32 I1ANTA ¡S*D st IIANTAC vor EAKYCÜ. I 2,28 EXQMEN OW st CXQMEN. 1 2 , 1 3 To N (novtjQÒv), I 5,1 TÒ N (yeyewtj/xévov), I 5 , 2 0 TÒ N* (àXrj&ivùv) st ròv. I I 12 É/CO N M * st ÈXOIV. 1 8 , 1 KEÖQOV S * D W st KESQWV. 5 , 2 5 . 2 8 ; 1 0 , 1 6 àxoéoaoiv st àxovaovaiv. 7 , 2 9 avrà) H0 st avrov. 1 4 , 1 7 i%0fj.cn> n K st E^CU/iev, ebenso 1 5 , 2 0 yivaxrxofiev 14,15 TrjQrjarjxe N st -ere. 5 , 2 0 davfiaQertE n L st -rjrs. 8,56 eidfj NB*A st tSr/. 7,42 ov%ì NDK st ov% rj; I 3,1 vftäg st tjfiäg. Verwechselung von tenuis und media 4,11 exeivtj N* st ywrj. 8 , 4 1 ovx iyevvrjfie&a N*L st ov ycyEwrjfiEda. Endlich 5 , 3 9 egawäre st ¿Qcwäre. b) Willkürliche
Fehler
1. Beeinflussung
durch Parallelen
und griechischen
Sprachgebrauch
5 , 1 + jJ vor éoQTrj XG ft wie sonst immer. 10,38 maxevere n A E G © nach v. 37. 13,26 ßwpoj 1? st ßdrpag nach imòóaco (in p 66 richtig). 15,16 Iva ausgelassen N*. 17,2 (avzvj) vxai in Lc 7,47 in der vg wiedergegeben durch das Präsens oder Futurum; die Grundlage der Vulgata aber schreibe ich Novatianus zu. Das Futurum und — etwas verhüllter — das futurisch zu verstehende Präsens verweist die Reuigen auf die Zukunft, was nach Lietzmann der Einstellung Novatians und Cyprians im Jahre 250 entspricht6). Es sieht doch so aus, als habe die Bußlehre dieser beiden jedenfalls den Codex N beeinflußt. Aber bleiben wir zunächst beim Sinaiticus! Als a-Text hat er nicht das sv 'Ecpeacp Eph 1,1 und nicht die /¿oi%aAi?-Perikope, die erst im /3-Text der Kleinasiatischen Bibel auftauchen, aber er hat die Divisio der Kleinasiatischen Bibel Ew-Pls-ApgKath-Apok 6 ) und bietet andererseits den Ordo der Evv in der Rezipierten Reihe b und den ordo des Pls in der Rezipierten Reihe 4 des Aniketos, ) ) 3) 4) 6) •) x
2
Kenyon, a. a. O. 132. Ebenda, 81. Ebenda, 130. T. C. Skeat, The Daily Telegraph, Biblica 19, Rom 1938. H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche, I I 257. Vgl. S. 585.
744
Vierter Teil: Synthese der Kleinasiat. Bibel mit der röm. Anordnving
die in Rom von Tatianos bis Callistus zurückgedrängt und erst von Novatianus wieder in Kraft gesetzt worden sind. Auch diese Mischung weist auf die Situation, die wir für Rom und die Zeit des Hippolytos, Callistus und Novatianus und deren nahe Beziehungen zu Caesarea und Origenes ausgemacht haben. Origenes hat bis ca. 2 4 0 d e n a-Text benutzt, nach 240 den sogenannten caesareanischen Mischtext. Wenn wir den „Ahn" des heutigen Sinaiticus in Caesarea entstanden denken, muß er in dem Jahrzehnt 230 bis 240 entstanden sein. Novatianus, nicht erst Hieronymus, hat den Text der Vulgata entschieden auf a eingestellt. Ich halte den in Caesarea geschriebenen „Ahn" des Sinaiticus für den Text, den Novatianus, als er den Grund zu seinen theologischen Arbeiten legte, zwischen 230 und 240 von seinem Gesinnungsgenossen Origenes aus Caesarea sich besorgt, abgeschrieben und seiner Übersetzung zugrunde gelegt hat. Das Verhältnis des Vaticanus zum Sinaiticus ist keineswegs mit Sicherheit so zu deuten, daß B direkt verwandt mit N sei. N und B sind zeitlich verschiedene Etappen der Entwicklung des a-Textes, und zwar ist B spätere Etappe, insofern B „in gar nicht wenigen Fällen der westlichen Gruppe folgt" 2 ), nicht nur in den Paulusbriefen, sondern durchweg. Nun habe ich in meiner Arbeit „Über Jahrespunkte und Feste, insbesondere das Weihnachtsfest" zu zeigen versucht, daß nach dem Vorgang Hippolyts Novatianus das Weihnachtsfest als charakteristischen Ausdruck seiner dogmatischen und sozialen Überzeugung für seine Sondergemeinde eingeführt hat, daß aber die ihn bekämpfenden großkirchlichen Führer, Dionysios von Alexandria und Dionysius von Rom, das Fest des 6. Januar dagegengestellt haben. Beide Gruppen wollten ein Geburtsfest, die Großkirche wollte die Initiative des Ketzers übertrumpfen. Analog denke ich mir die Vorgänge bei der Einführung des a-Textes in Rom: Novatianus hatte wieder die Initiative gehabt und den Sinaiticus aus Caesarea geholt; Dionysius, der großkirchliche Bischof, besorgte sich, vielleicht durch seinen alexandrinischen Namensvetter, der den Novatianus ebenso haßte wie der Römer, den Vorfahren des Vaticanus. Dieser war vielleicht nicht einmal viel jünger als der Sinaiticus, nur eben etwas anders, und diese andere Art war weniger rein a, stärker römisch. Nunmehr können wir das Gesamtergebnis unserer Untersuchung zusammenfassen . Kenyon, a. a. O. 112. ) Ebenda, 129.
2
a) Der Kanon in J 1 Die Urschriften
Logia Ur-Mc Z + Ur-Joh 14 Pls Reihe 1 Die echten Br., gesammelt v. Timotheos:9 Gem.-Br. und 5 pers. Briefchen
Zweiteiliger Kanon der Altpauliner
Ur-Lc2 (Ur-Mc + Logia) 14 Pls 1 Die echten Briefe
2
Dreiteiliger Ü der Silas und
RLc 13 Pls 2 Katholisc Ausgabe
(3 Kor zu 2 zu verbunden; 3 Apg
a-Text
nan in Kleinasien 3
4
Das Neue Testament von Ephesos
Die Kleinasiatische Bibel
Evv a Mt Mc Jo Lc
Evv c Mt Le Mc Jo
13 Pis 2 Katholische Ausgabe
13 Pis 2 Katholische Ausgabe
2 iliger Kanon as und Lukas
Reihe
RLc
13 Pis 2 acholische Ausgabe
zu 2 zusammengefaßt; Laod zuEph; Rom 16 mit Rom 1 — 15 iden; 3 pers. Briefchen zu Past; Glossen zu den echten Briefen) —
Apg — — — — — —
a-Text
—
Apg —
Apok 3 Jo 2 Petr Jud —
/S-Text
Hebr (Pls-Br.) Apg Jak —
2 Petr 3 Jo Jud Apok /?-Text
VI. Die Geschichte des neutestament]
b) Der Kanon % 1
2
Zweiteiliger Dreiteiliger K. Markions K. Aniketos 154
(Lc) (10 Pls) Reihe 3
Evv Reihe b Mt Mc Lc Jo Apg 10 Pls 4
3
4
5
Dreiteiliger K. Tatians
Ergänzter Dreiteiliger K. Victors Zweispr. interlin. Ausgabe 1. Synodalbeschluß Wj Evv b Mt Mc Lc Jo Apg 13 Pls 5
Für d. Jol Schriften geöffneter Dreiteilig« K. Victor
Diatessaron Apg 11 Pls 5
2. Synoda beschlu£ w2V Evv b Mt Mc Lc Jo — — —
Apok
3 Jo Apg 13 Pls 5(2) Entstehung des „westlichen" Textes durch Wucherung aus ß und Einfluß von Markion
/J-Text korrigiert nach Lateinischer c
mentlichen Kanons in einem Schema
Kanon in Rom 5 ir d. Johchriften eöffneter -eiteiliger . Victors Synodaleschluß w2V Ett b Mt Mc Lc Jo
6
7
8
9
Ausgabe d. K . w2 durch Hippolytos per c. et c.
Canon ordinatus d. Hippolytos
Amendement z. K. 5 durch Zephyrinos
Großkirchliche lat. Übersetzung d. CaUistus nach 217 1. und 2. Stadium
3. Synodalbeschluß
W2H
Evv cc Mt Jo Lc Mc
W
Evv cc Mt Jo Lc Mc
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Apok —
Apok —
—
—
—
—
3 Jo
3 Jo —
—
Apg 13 Pis 5(2)
—
Apg 13 Pls 6
—
2 Petr Jak Jud 3 Jo —
Apok Apg 13 Pis 6
— —
bb Mt Jo Mc Lc
3
K
Ew
—
cc Mt Jo Lc Mc —
13 Pls 7 Hebr —
—
2 Petr Jak 3 Jo Jud Barn — Apok Apg
—
—
—
—
— —
Jud 2 Jo — —
—
Sap. Sal. Apok
—
—
—
; nach Eirenaios-Text. ischer d-Text
Evv b Mt Mc Lc Jo Apg 13 Pls 5(2)
Ap. Petri (Hermas)
— — — —
Hermas Act. Pauli Ap. Petri dj-Text. Freie Übsg.
Steigender Einfluß der Kleinasiat. Bibel u. des a-Textes
c) Die von Novatianus und den Nicänem vollzogene Synthese d des Aniketos vi
Lat. Übersetzung Novations w 3 N
Athanasios Osterfestbrief 367
Ew b Apg
Eyy b Apg
Reihe
Jak 2 Petr 3 Jo Jud 13 Pls Reihe 6, bald 4 Barn ( = Hebr) Apok
Jak 2 Petr 3 Jo Jud 13 Pls 4 + Hebr Apok
Grundsätzlich ägyptischer Text Grundlage der Vulgata Treue Übersetzung
Ägyptischer Text
Divisio: Apg wie Aniketos; auf Apg folgt Kath wie in Kleinasiat. Bibel. Ordo: E w wie Aniketos, Pls wie Hippolytos, Kath wahrscheinlich wie Kleinasiat. Bibel.
Die Divisio u. der Ordo der E w wie Novatianer, Ordo des Pls und der Kath wie Kleinasiat. Bibel. Hebr zu Pls.
Di AI Or Pls Re
nthese des Inhaltes der Kleinasiatischen Bibel und der Ordnung iketos von Rom
er do rie zu
3
4
Damasus-Synode in Rom 382
Gregor v. Nazianz
Evv b
Evv b Apg 13 Pls 4 + Hebr
—
13 Pls 8b + Hebr Apok Apg 2 Petr Jak 3 Jo Jud
—
1
Divisio: Pls wie Callistus; Apok-Apg wie Callistus. Ordo: Evv wie Aniketos, Pls mit antiochenischer Reihe, Kath wie Callistus.
— —
Jak 2 Petr 3 Jo Jud
(Apok) Koine-Text
Divisio: Apg wie Aniketos (Athanasios). Pls-Ordo wie Aniketos (Athanasios). Sonst Divisio und Ordo wie Kleinasiat. Bibel.
Anhang I Maria Magdalena und die andere Maria Wer davon überzeugt ist, daß den drei synoptischen Evangelien höchst wertvolle Nachrichten zugrundeliegen, wird daran Anstoß nehmen, daß als Zeugen des leeren Grabes Mt 28,1 zwei Frauen, die beide Maria heißen, dagegen Mc 16,1 und Lc 24,10 drei Frauen genannt werden und daß Mc und Lc in dem Namen der nach den beiden Marien dritten Frau nicht übereinstimmen: Lc nennt sie Joanna, Mc Salome. Die zwei Marien, die laut Mt 28,1 „kamen, um nach dem Grabe zu sehen", werden schon Mc 15,47 = Mt 27,61, und zwar als die einzigen Zeugen der Bestattung Jesu genannt. Noch früher, in Mc 15,40 = Mt 27,56 treten unter (vielen) Frauen, die von ferne zusahen, die Jesu in Galilaea gefolgt waren und ihm gedient hatten, wieder drei Frauen mit Namen als Zeugen der Kreuzigung auf, und zwar außer den beiden Marien bei Mc wieder die Salome, bei Mt dieses eine Mal „die Mutter der Söhne des Zebedaios". Lc nennt als Zeugen der Kreuzigung und der Bestattung keine mit Namen. Man weiß, wie wichtig die Christenheit von Anfang an die Frage genommen hat, wem die Priorität des Glaubens an die Auferstehung Jesu zukomme. Man findet sich schwer damit ab, daß Mt und Lc je einen Namen hinzugefügt; man wird nicht gern zugeben, daß Mt einen gestrichen hätte, und das Johannes-Evangelium hat gar nur die eine Maria Magdalena als Zeugin dafür, daß „der Stein aus dem Grabe gehoben". a) Ich möchte die Verschiedenheit der Überlieferung erklären und einsetzen bei Lc 24,10. Die Stelle lautet jetzt in ihrem Zusammenhang von v. 8 an: „Da erinnerten sie (d. h. laut 23,55: die Frauen, die mit Jesus aus Galilaea gekommen waren) sich seiner Worte, kehrten vom Grabe zurück und berichteten dies alles den elf Jüngern und allen übrigen. Es waren dies aber die Magdalena Maria und Joanna und Maria, die (Mutter) des Jakobus, und die andern mit ihnen sagten dies zu den Aposteln". Griechisch lautet der Namensatz ijoav öä JJ Mayöahjvr) Maqia xat 'Imdwa xai Maqla rj
'laxwßov. Die Überlieferung der Namen ist einheitlich; D, W, al, syr s c haben fjoav öi gestrichen; D, pc, latt haben die Wortfolge JJ Maydah}vrj Maqia, die nur hier im NT vorkommt, in die sonst elfmal vorliegende Maoia jJ Maydabjvrj verändert. Mit dem Namen 'Io(iog) Maria Magdalena, die „Führerin der Jüngerinnen", sei nach dem Tode der Mutter Jesu nach Ephesos „zu dem geliebten Jünger" ausgewandert und habe dort nach Folterung und Zeugnisablegung den apostolischen Lauf vollendet, „da sie sich nicht habe trennen wollen von dem jungfräulichen Manne und Evangelisten Johannes" (Migne 86,2 col. 3276). — Gregor von Tours (538—593) berichtet mirac. 1,1 de gloria mart. c. 30 (Migne 71 col. 731) nach einigen Legenden, die den Apostel, Evangelisten und Lieblingsjünger Johannes betreffen, über Ephesos: in ea urbe Maria Magdalena quiescit, nullum super se tegumen habens = in dieser Stadt ruht Maria Magdalena, die über sich keine Decke hat. — Nach dem Synaxarium Constant. zum 22. Juli (p. 843,36ff. Del.) ist Maria Magdalena in Ephesos bei dem Eingange der Grotte der sieben Jünglinge bestattet worden. — Die SiebenschläferGrotte und an deren Eingange ein offenbar hervorragend geehrtes Grab sind gefunden worden; der Leiter der Ausgrabung J. Keil 2 ) erkennt in diesem Grabe das der Maria Magdalena. Kaiser Leo der Weise (886—911) hat laut Zonaras XVI 13,11 in der von ihm erbauten Lazaros-Kirche „den aus Cypern geholten heiligen Leib des Lazaros, aber auch den der Magdalena Maria" deponiert. Cedrenus, den Zonaras kennt, berichtet p. 599 darüber hinaus, daß der Kaiser „den Leib der Schwester des Lazaros, der Maria Magdalena, aus Ephesos geholt habe". Nun könnte man darauf hinweisen, daß der Bischof Polykrates von Ephesos im letzten Jahrzehnt des zweiten Jhs. in seinem Briefe an Bischof Victor von Rom (bei Eus. h.e. I I I 31,3 und V 24,2) Maria Magdalena nicht unter den großen Lichtern erwähnt, die in der Asia und besonders in Ephesos ruhen. Aber E. Schwartz stellt im Apparat zu h.e. I I I 31,3 seiner Ausgabe fest, daß „die Stelle verdorben, daß sie lückenhaft" sei. Es gibt ein bisher nicht beachtetes Zeugnis für die Beziehung der Maria von Bethanien, die m. E. der Maria Magdalena gleichzusetzen ist, zu Ephesos bei einem Schriftsteller, der 80 Jahre vor Polykrates aus enger Verbundenheit mit der ephesinischen Tradition geschrieben hat 3 ), bei Ignatios in dessen Brief an die Epheser 17,1: Außer der Geburt, Taufe und Kreuzigung erwähnt Ignatios in allen seinen Briefen nur einen geschichtlichen Vorgang aus dem Leben Jesu, und diesen Vorgang erwähnt er nur in seinem Epheserbriefe: Es ist die Salbung Jesu durch Maria (Magdalena) von Bethanien. Über Spuren derselben auf Ephesos bezogenen Tradition bei Paulus siehe S. 754. Es sei noch erwähnt, daß in der Apost. Kirchenordnung c. 26 Johannes daran erinnert, daß Maria und Martha beim letzten Mahle von der eucharistischen Handlung ausgeschlossen seien. Da scheint sich doch eine Erinnerung daran erhalten zu haben, daß Maria von Bethanien Beziehung zum Hause des letzten Mahles gehabt hat. 2 ») Ephesos, Münster 1931. ) Forsch, in Ephesos IV 2,31. ) Vgl. v. d. Goltz, Ignatius v. Antiochien, T U X I I 3, 1894, 163ff.
3
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A n h a n g I : Maria Magdalena u n d die andere Maria
Merkwürdig ist, d a ß in der Pistis Sophia 1 ) Maria Magdalena als die b e d e u t e n d s t e der J ü n g e r i n n e n , b e d e u t e n d e r als Salome, M a r t h a u n d die M u t t e r J e s u , u n d J o h a n n e s als der F ü h r e r der J ü n g e r , die d o r t a u f t r e t e n , erscheint. „ M a r i a Magdalena u n d J o h a n n e s der jungfräuliche werden ü b e r r a g e n alle meine J ü n g e r . " Ü b e r genealogische u n d lokale Beziehungen der beiden ist d o r t n i c h t s gesagt, a b e r i h r e Zus a m m e n s t e l l u n g u n d die h e r v o r r a g e n d e B e d e u t u n g des Philippos, der die Gespräche niederschreiben d a r f , u n d anderes l ä ß t v e r m u t e n , d a ß sehr alte T r a d i t i o n e n a u s gnostischen Kreisen Kleinasiens, die irgendwie m i t Ephesos u n d d e m d o r t i g e n Kreise u m J o h a n n e s Marcus u n d dessen M u t t e r sowie m i t Hierapolis u n d der G r u p p e des Philippos z u s a m m e n h ä n g e n , die K o n z e p t i o n dieses Stückes der Pistis Sophia beeinflußt h a b e n . Maria Magdalena = M a r i a m n e spielt a u c h sonst in der gnostischen L i t e r a t u r eine große Rolle. b) E s m u ß n u n die F r a g e n a c h „ d e r a n d e r e n M a r i a " gestellt werden. Sie h e i ß t Mc 15,40 r\ 'Iaxo'jßov rov fiixgov xai 'Ioiofjrog firjrrjQ = die M u t t e r des Kleinen J a k o b u s u n d des Joses, Mc 15,47 n u r rj 'Icoafjrog. D a der Ur-Mc sehr f r ü h auf G r u n d v o n Überlieferungen des P e t r u s v o n d e m J e r u s a l e m e r J o h a n n e s Marcus niedergeschrieben w o r d e n ist, h a l t e ich d e n a n diesen Stellen als allgemein b e k a n n t vorausgesetzten J o s e s = J o s e p h m i t T h . Z a h n 2 ) f ü r identisch m i t d e m J o s e p h , d e n Apg 1,23 „ d e n s o g e n a n n t e n B a r s a b b a s , der I u s t u s z u b e n a n n t w u r d e , " n e n n t . D a n n k e n n e n wir a u ß e r d e m „ K l e i n e n J a k o b u s " wohl noch einen d r i t t e n S o h n dieser Maria, d e n J u d a s B a r s a b b a s v o n Apg 15,22. Diesem J u d a s B a r s a b b a s , der Apg 15,32 „ P r o p h e t " g e n a n n t wird, schreibe ich d e n J u d a s - B r i e f oder wenigstens dessen K e r n zu, diese leidenschaftliche Geisterunterscheidung (didxqiaig Tivevfiaxmv 1. K o r 12,10), deren Verfasser sich selbst „ J u d a s , B r u d e r des J a k o b u s " n e n n t . Die syrische S u b s k r i p t i o n des J u d a s b r i e f e s in der P e s c h i t a weiß, d a ß J u d a s B r u d e r des J a k o b u s u n d des J o s e s sei. W e n i g s t e n s allen geschichtlichen N a c h r i c h t e n , welche aus der s o g e n a n n t e n ßRezension der n e u t e s t a m e n t l i c h e n Schriften s t a m m e n , k o m m e ich m i t A c h t u n g entgegen, d a ich glaube nachgewiesen zu h a b e n , d a ß sie schon i m letzten J a h r z e h n t des 1. J h s . v o n einem a l t e n Christen u n d zeitweiligen M i t a r b e i t e r des P a u l u s i n Ephesos, n ä m l i c h Silas, vollzogen w o r d e n ist. I c h k a n n deshalb n i c h t d a r a n vorbeigehen, d a ß D, 1831, drei lateinische H a n d s c h r i f t e n u n d die äthiopische Ü b e r setzung zu Apg 1,23 B a r n a b a s s t a t t B a r s a b b a s lesen. Dieselbe L e s a r t findet sich i n d e r syrischen Ü b e r s e t z u n g zu E u s . h. e. I I I 39,9 u n d d e m folgenden Z i t a t v o n A p g 1,23, in der armenischen A f t e r ü b e r s e t z u n g u n d i n d i r e k t in Clement, recogn. I 6 0 3 ) . Übrigens ist u m g e k e h r t B a r n a b a s Apg 4 , 3 6 v o n d e n H s s 181, der l a u t v. Soden n ä c h s t D besten Vertreterin des /S-Typs, u n d 460 in B a r s a b b a s v e r ä n d e r t w o r d e n . D e n 'Iwarjtp rov xakov/xsvov Baqaaßß&v, og inexÄrj&ri 'Iovarog Apg 1,23 d ü r f t e m a n d a n n d e m 'Iworjtp o emxbj&elg Baovaßäg Apg 4 , 3 6 gleichsetzen. D a s P a t r o n y m i k o n Banoaßäg (so n a c h S c h l a t t e r 4 ) die richtige Schreibung) w ä r e in das H y p o k o r i s t i k o n Bagvaßäg = vlog TtagaxArjOEing ( = S o h n des Trostes) v e r ä n d e r t worden, l a u t A p g 4 , 3 6 „ v o n Seiten der A p o s t e l " . D setzt f ü r OJIO richtig VNO TOW äjioozokcov ein, vgl. 1
) Vgl. C. S c h m i d t , Gnostische S c h r i f t e n in koptischer Sprache, T U V I I I 1—2, 1892, 451ff. a ) F o r s c h u n g e n z. Gesch. d. ntl. K a n o n s V I , 1881ff., 348ff. 8 ) Vgl. Z a h n , Forsch., V I 163 A n m . 2. 4 ) Beitr. z. F ö r d e r u n g ehr. Theol. 1898, 33 A n m . 2.
Anhang I : Maria Magdalena und die andere Maria
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die beiden Lesarten zu Lc 8,29. Wie Petrus und die Zebedaiden von Jesus, so hat Joseph (Joses), Sohn eines Saba (Sabba), von den Aposteln eine Charakterbezeichnung bekommen, die bei diesem aus seinem Patronymikon abgeleitet war; er hat sich aber auch, wie das oft vorkam, in der Diaspora einen lateinischen Namen, nämlich Iustus, d. h. der Fromme, zugelegt. E r hatte in Cypern gewohnt, wo er später laut Apg 15,39 zusammen mit seinem Vetter (Kol 4,10) Johannes Marcus auch missioniert hat; er war aber laut Apg 4 , 3 6 und 1,23, wenn wir hier die Lesart der ß-Rezension verwerten, früh zu Ansehen in der Jerusalemer Urgemeinde gelangt; aus Apg 4,36 kann, aber muß man nicht folgern, daß er in Jerusalem begütert war. War Johannes Marcus laut Kol 4,10 der Vetter (dveyiiog) dieses Joseph Barsabbas Barnabas, so auch des „Kleinen" Jakobus und des Judas Barsabbas, und Maria Magdalena, die Mutter des Johannes Marcus, und „die andere Maria", die Mutter der drei Sabba-Söhne, waren Schwestern oder Schwägerinnen: Die andere Maria
Maria Magdalena
V
V
Sabba 1. Joseph Barsabbas gen. Barnabas Iustus
2. Jakobus der Kleine
• 3. Judas Barsabbas
x I Johannes Marcus
J e t z t können wir den alten, störenden Fehler der Überlieferung des oben zitierten Kol 4 , 1 0 verbessern: in xal 'Irjaovg o Xeyöfievog 'Iovorog (Jesus, der Iustus genannt wird) ist das 'Irjoovg verschrieben für 'Imar/Q und das Ganze eine uralte Glosse zu dem unmittelbar vorangehenden Bagvaßä, zugesetzt von jemandem, der noch Bescheid wußte und darauf hinweisen wollte, daß Barnabas ein Nebenname für „Joses mit dem Beinamen Iustus" sei. Da Iustus nun aber laut Apg 1,23 der Beiname für Joseph Barsabbas ist, finden wir hier zugleich eine Bestätigung dafür, daß Barnabas gleich Barsabbas ist, und wir werden der Schwierigkeit enthoben, daß in Kol 4 , 1 0 ein Unbekannter als Mitarbeiter auftritt, der in dem gleichzeitigen und sonst gleichlautenden Namensregister des Philemonbriefes nicht erwähnt wird. Von einem Iustus genannt Barsabbas berichtet Papias, der Bischof von Hierapolis, bei Eus. h. e. I I I 3 9 , 8 f. nach Überlieferungen der Philippostöchter, die zuletzt in Hierapolis gelebt haben; auf dieselbe Geschichte spielt Mc 16,18 an. I n der Historia Josephi 2 1 ) findet sich „der Niederschlag einer alten Tradition, wonach der Joseph Apg 1,23 mit einem in den Evangelien genannten Joseph identisch i s t " 2 ) . I n den Paulusakten, beim Martyrium des Paulus, wird von einem Barsabbas Iustus Platypous als einem der christlich gesinnten Großen des Nero phantasiert. Von einem Aufenthalt des Barnabas in R o m wissen auch die Petrusakten und, richtig verstanden, schon der Hebräerbrief. Auch die Recognitionen lassen Clemens und Barnabas in Rom zusammentreffen, wohin dieser schon zu Jesu Lebzeiten das Evangelium gebracht haben soll. Von allen drei Söhnen der „andern" Maria haben wir meines Erachtens schriftliche Denkmäler im NT erhalten: I n Barnabas sehe ich entsprechend einer alten, an mehreren Stellen hervortretenden Tradition den Verfasser des im Hebräerbriefe vorliegenden Aoyos nagaxkrjascaQ x) 2)
Tischendorf, 123. Zahn, a. a. O. 349.
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Anhang I : Maria Magdalena und die andere Maria
(Trostrede), vgl. Hebr 13,22, der von Ephesos, wo Barnabas damals sich nur vorübergehend aufgehalten hat, nach Rom, wo die Stätte seines Wirkens war, gerichtet ist 1 ). — Den „Kleinen" Jakobus, den Bruder des Barnabas, halte ich für den Verfasser des mit dem Hebräerbriefe fast gleichzeitigen, hinsichtlich der Situation merkwürdig gleichen, geistig aber sehr verschiedenen Jakobusbriefes a ). Über Judas Barsabbas ist genug gehandelt worden in diesem Buche. — Hinweisen möchte ich auf E. Stauffer 3 ), der mitteilt, daß auf Jerusalemer Ossuarien der Zeit vor 70 n. Chr., die von E. J . Sukenik für christlich erklärt werden, die Namen Simeon Barsabas und Mirjam, Tochter des Simeon, vorkommen. Die „andere" Maria ist also die Tante des Johannes Marcus, weil ihre Söhne, die drei Barsabbas-Söhne Joseph, Jakobus und Judas, die im Osten, besonders in Kleinasien viel bedeuteten, die Vettern des Johannes Marcus sind. Daß die „andere" Maria „die Schwester seiner Mutter", d. h. der Maria Magdalena ist, werden wir unten noch auf anderem Wege zeigen. Es bleiben noch zwei weitere interessante Stellen zu besprechen: Epiphanios haer. 78,13,2 versichert, auch „Maria, die Mutter des Rufus" habe unter dem Kreuz gestanden. Dazu bemerkt Th. Zahn 4 ): „Der Meister der Konfusion hat der namenlosen Mutter des Rufus Röln 16,13 den Namen Maria aus Rom 16,6 zugelegt. Aber woher kam ihm der Einfall, die eine oder die andere Frau aus Rom 16 den Frauen am Kreuz beizugesellen? Er wird doch wohl in einer seiner Quellen gelesen haben, daß eine der in der Umgebung des Kreuzes gestandenen Marien die in Rom 16,6 genannte sei." Ich halte Rom 16 für ein nach Ephesos gerichtetes Schreiben, und nach dem Ergebnis der vorstehenden Untersuchung haben nur Maria Magdalena und Maria, die Mutter der Sabba-Söhne, unter dem Kreuz gestanden. Welche von diesen beiden wäre dann Rom 16,6 gemeint? Die Maria hier wird nach den Mitgründern der korinthischen Gemeinde Prisca und Aquila, die sich offenbar um die Rettung des Paulus aus Lebensgefahr großes Verdienst erworben haben, und nach „dem Erstling Asiens für Christus" Epainetos, also an hervorragender Stelle erwähnt und mit den Worten gelobt: rjzig noAAa exoniaaev slg (ich halte die Lesung TjfJ.äg, nicht v/mg für richtig, weil in der ganzen langen Grußliste nur Pronomina der 1. und 3. Person vorkommen). Also „Maria hat viel für uns geleistet". Wenn man bedenkt, daß hinter Maria zwei Menschen aufgezählt werden, „die auch vor Paulus Christen geworden sind", so kann man dasselbe von der Maria vermuten und das exonlaasv (vgl. Mc 14,9 ¿Jtolrjoev) auf die erste Zeit der Jerusalemer Gemeinde mitbeziehen und in Rom 16,6 wie in Mc 14,9 die Maria Magdalena verstehen. Diese müßte dann schon im Jahre 54 in Ephesos gelebt, das judenchristlich gewordene Jerusalem schon frühzeitig verlassen haben. Nun steht 2. Kor 2,14f. die merkwürdige und in den Briefen des Paulus einzige Rede von XQIOZOV EVCOÖIA (Duft Christi) und von der die ganze Welt füllenden DER/IFI trjg yvaurecog aörov (Duft seiner Erkenntnis). Es ist nicht, wie Phil 4,18 und Eph 5,2, vom Opfer die Rede. Man wird an Joh 12,3 erinnert, und an Ignatios Eph 17,1 f., J
) ) 3 ) 4 ) 2
Vgl. S. 518. Vgl. S. 522. Theol. u. Lit., 1952, 56. Forsch., VI 348.
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wo dieselben Gedanken klar mit der Salbung Jesu durch Maria Magdalena in Verbindung gebracht werden. Das Joh-Ev ist in Kleinasien herausgegeben worden, und von Ignatios wird die Salbung nur im Epheserbriefe erwähnt. Also könnte diese Deutung der Salbung und damit die besondere Bedeutung derselben schon dem Paulus, und zwar während seines langen Aufenthaltes in Ephesos nahegetreten sein. Paulus hat aber 2. Kor 2 unmittelbar nach seiner Abkehr von Ephesos und ganz kurz vor Rom 16 geschrieben. Man darf also annehmen, daß in Rom 16,6 Maria Magdalena gemeint ist und daß diese treu zu Paulus gehalten hat und daß sie bereits vor 54 von Jerusalem nach Ephesos gezogen ist, wie die — vielleicht mit den nach ihr erwähnten Andronikos und Junias. Es ist nämlich zu beachten, daß ein Andronikos in den Johannes-Akten dem Johannes sehr nahestand und nach Th. Zahn 1 ) das hospitiolum des Johannes mit dem Hause des Andronikos und der späteren Marienkirche gleichzusetzen ist, die zur Zeit des Reisenden Th. Smith von den Griechen der Umgegend Marcus-Kirche genannt wurde. Die „ H ü t t e des Johannes" ist nach Zahn die alte, von Justinian niedergerissene Johanneskirche und galt als die Grabstätte des Johannes. Andronikos und Junias heißen Rom 16 „Apostel" und sind vor Paulus „in Christus" gewesen; sie werden also zur galiläischen Urgemeinde in Jerusalem gehört, aber den Übergang zum Ebionitismus nicht mitgemacht haben; dagegen sprechen in etwa auch ihre nichthebräischen Namen. c) Wir kommen noch weiter, wenn wir jetzt versuchen, die johanneische Tradition über die Zeugen der Kreuzigung mit der synoptischen in Einklang zu bringen. Ich muß das ja versuchen, weil ich den Schreiber des Ur-Mc und den Verfasser des UrJoh für ein und dieselbe Person halte. Joh 19,25—27 hat mit Recht schwere Bedenken erregt: i . Die Anwesenheit der Mutter Jesu unter dem Kreuze wird von den Synoptikern nicht erwähnt. 2. Die Mutter Jesu erscheint erst wieder nach der Passion und Auferstehung Jesu in der Apostelgeschichte des Lukas 1,14, aber zusammen mit den Brüdern Jesu, nicht als zu einer fremden Familie gehörig. 3. I m UrMc waren, wie gezeigt, ursprünglich zwei Frauen als Zeugen der Kreuzigung genannt; im Joh-Ev sind es vier, wenigstens auf den ersten Blick. 4. Hier fehlen bei „seine Mutter und die Schwester seiner Mutter" anscheinend die Namen und bei den folgenden Namen „Maria die des Klopas und Maria Magdalena" weitere Beziehungen, etwa die zu „seiner Mutter". 5. Höchst auffallend ist, daß der von Jesus geliebte Jünger, der Joh 19,26 als dabeistehend vorausgesetzt wird, in der v. 25 gegebenen Aufzählung nicht genannt ist. 6. Die übliche Deutung der Worte yvvai, löe 6 viög aov (Frau, siehe dein Sohn!) und iöe rj /irjtriQ aov (siehe, deine Mutter!) ist gar nicht selbstverständlich. Es steht nicht da: Dieser (d. h. der geliebte Jünger) soll von nun an dein Sohn sein und diese von nun an deine Mutter! Jesus redet auch nicht seine Mutter an, sondern eine Frau: yvvai. Hier unter dem Kreuze ist doch die Situation eine andere als Joh 2,3, wo Jesus seine allzu sehr wegen des Fehlens des Weins besorgte Mutter zurückweisen muß mit den Worten: xl e/uoi xai aol, yvvai,, deren Sinn ist: Was willst du von mir, Frau! In Joh 19,26 weist Jesus eine Frau hin auf den, der ihr Sohn ist, und den gehebten Jünger auf die, die seine Mutter ist, vgl. Mc 3,34: lös rj firjrtjQ fiov usw.
1
48
) Acta Johannis, CLXXI. Hartke, Bd. II
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Ich versuche folgende Lösung der vielfachen Schwierigkeiten, als der vordringlichsten die Herstellung der Einigkeit in Zahl und Namen der Zeugen der Kreuzigung zwischen Ur-Mc und Ur-Joh, die ich demselben Schreiber bzw. Verfasser zuweise. Die Einigkeit ist hergestellt, wenn es gelingt, die Maqia f j 'Iaxwßov rov /UXQOV xai 'Iaiaijtog firjtrig von Ur-Mc 15,40 mit der Maqia rov Kkmnä von Ur-Joh 19,25 zu identifizieren. Johannes Marcus bezeichnet mit derartigem, aus einem Artikel mit dem Genetiv eines Namens bestehendem Attribut immer das Kind-Vater- oder Kind-Mutter-Verhältnis, d. h. meist den Vater oder die Mutter, selten das Kind, aber sonst nichts. Wenn Klopas der Vater der betr. Maria ist, dann steht nichts mehr im Wege, diese „Maria, die Tochter des Klopas" mit „der andern Maria", Frau des Sabba und Mutter der Sabba-Söhne, gleichzusetzen. In den Namen ist die Übereinstimmung zwischen Ur-Mc und Ur-Joh hergestellt. Wie ist es mit der Anzahl der Zeuginnen? Im Ur-Mc werden zwei Frauen als Zeuginnen der Kreuzigung genannt, im UrJoh sind es anscheinend vier. Wenn wir, was doch naheliegt, in Joh 19,25 unter den vorausgehenden Worten „seine Mutter und die Schwester seiner Mutter" nicht zwei besondere, sondern die beiden anschließend mit Namen genannten Frauen verstehen, so handelt es sich nur noch um zwei Frauen auch im Ur-Joh, und es ergibt sich, daß wir oben richtig Maria Magdalena und die „andere" Maria, die Frau des Sabba und Mutter der Sabba-Söhne und, wie wir aus Ur-Joh gelernt haben, Tochter des Klopas, für Schwestern erklärt haben. Aber es ergeben sich nun neue Probleme. Schwierig scheint erstens, daß zwei Schwestern Maria geheißen haben müssen. Jedoch „die zweimalige Anwendung desselben Namens für Geschwister begegnet uns in hellenistischer Zeit sehr häufig" 1 ). Der Zusatz „Tochter des Klopas" bei der zuerst genannten Maria deutet außerdem an, daß die als zweite genannte Maria Magdalena, obwohl sie als Schwester der andern Maria erwiesen ist, doch nicht die Tochter des Klopas ist, daß Maria Magdalena mithin von ihrer Mutter in die Ehe mit Klopas eingebracht worden ist. Die in der Ehe mit Klopas geborene Maria wurde „die andere" genannt, die in der vorhergehenden Ehe geborene Maria dagegen „die von Magdala", vielleicht nach dem Orte Magdala am See Gennesar, der Stätte ihrer Geburt. Von der gemeinsamen Großmutter her sind Johannes Marcus, Sohn der Maria Magdalena, und Joseph Iustus Barsabbas Barnabas, Sohn der andern Maria, der Tochter des Klopas, Vettern. Barnabas war nach Apg 4,36 Levit; dann waren es auch seine Brüder, was für das Verständnis des Judas Barsabbas, des Apokalyptikers und Bearbeiters der von seinem Vetter Johannes Marcus hinterlassenen Manuskripte, aber auch für die Deutung der im Hebräerbriefe des Barnabas und im Briefe des Jakobus nachgewiesenen Anklänge an die „levitische Priestertradition" wichtig ist. Sabba, der Vater der drei Söhne und Gatte der „andern Maria", wird also Levit gewesen sein. Von Johannes Marcus wird in den sogenannten monarchianischen Prologen Priestertum behauptet: dieses müßte von dem unbekannten Vater des Johannes Marcus sich herschreiben. Sehr schwierig ist zweitens, daß bei unserer Deutung von Joh 19,25 unter tj /x^rrjQ avrov (seine Mutter) nicht die Mutter Jesu, sondern die Mutter des Johannes Marcus verstanden werden muß, dieser Johannes Marcus aber weder in der Aufzählung der !) Pauly-Wissowa, R E Suppl. 2, 159.
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„beim Kreuze Stehenden" in Joh 19,25 noch vorher erwähnt wird. Jedoch hinterher, in v. 26 und v. 35 wird „der Jünger, den Jesus lieb hatte" — das ist Johannes Marcus — als anwesend und zum Zeugnis befugt genannt! Die Aufzählung kann nicht vollständig sein. Johannes Marcus ist nachweislich zweimal, in den von Mc 14,51 f. und von Joh 18,15 berichteten Ereignissen, von Lukas „gestrichen" und auch sonst (vgl. Apg 13,13) unfreundlich behandelt worden. Ich habe S. 228 gezeigt, daß Lukas mit Judas Barsabbas, dem Herausgeber des Corpus Johanneum, intim zusammengearbeitet hat und wie beide es darauf angelegt haben, den Anteil des Johannes Marcus am jetzigen Johannes-Evangelium zu verdunkeln und statt seiner den vor fünfzig Jahren im fernen Jerusalem ermordeten Apostel Johannes, den Sohn des Zebedaios und der Salome, als Verfasser des ganzen Joh-Ev in heutiger Gestalt erscheinen zu lassen, zu dem der Apostel wirklich die in den Kapiteln 1 — 12 und dem Schlußwort 20,30—31a noch durchscheinende Schrift von den „Zeichen des Messias Jesus" als ersten Keim geliefert hat. Lukas hat zu diesem Zwecke sogar den frühen Märtyrertod des Apostels Johannes neben dem des andern Zebedaiden in Apg 12,2 „gestrichen", und der Herausgeber Judas Barsabbas hat das absichtlich zwielichtige Kapitel 21 des Joh-Ev geschrieben. Man könnte also daran denken, daß dieser Herausgeber eine ursprünglich im Texte von 19,25 gegebene Erwähnung des Johannes Marcus beseitigt hätte, aber die folgenden Erwähnungen in v. 26 und 35 müßte er dann haben bestehen lassen. Ich nehme lieber an, daß versehentlich hinter elorrixeioav de IIAPA TQI CTAYPQI TOY IHCOY die gleich lange Zeile (je 22 Buchstaben) O MA&HTHC ON HFAIIA O IHCOYO ausgelassen worden ist, weil das Auge von IHCOY auf IHCOYC abgeglitten war. Der Text geht weiter Tj ¡xrßrjQ avzov xai ij äöeXtpfj rfjg ¡¿rjTQog avTov (seil, rov /na&rjrov), Magla ij rov KXwJtä xai Magia rj MaydaXrjvij. 'Itjoovt; ovv ISdbv vf)v fir)TEQa xai rov fia&t]Trp> TtaQearäira, Sv •fjyana, Myei r f j ¡j.r\TQi yvvai, ide o vioq aov. elra Xiyei rät na&rjxfj: löe rj ftifarjQ oov. Deutsch hätte der Text gelautet: Es standen aber bei dem Kreuze Jesu der Jünger, den Jesus liebte, seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die (Tochter) des Klopas, und Maria Magdalena. Als nun Jesus die Mutter und den Jünger dabeistehen sah, den er liebte, spricht er zur Mutter: Frau, das ist dein Sohn! Dann sagt er zu dem Jünger: Das ist deine Mutter! Johannes Marcus, der ja selbst der geliebte Jünger und der Sohn der Maria Magdalena ist und der Joh 19,25—27 selbst geschrieben, hat an die (vom Herausgeber ausgelassenen) Worte „der Jünger, den Jesus liebte" zunächst „seine Mutter" und dann „die Schwester seiner Mutter" angeschlossen, auf die zweite zunächst deren Eigennamen und dann den Eigennamen seiner Mutter folgen lassen, von der er auch sofort weitererzählt. — Von der Mutter Jesu ist nunmehr im Joh-Ev ebensowenig die Rede in der Passionsgeschichte wie bei den Synoptikern. Man behauptet, das merkwürdige Einschiebsel L c 2 , 3 5 „auch deine (d.h. der Maria, Mutter Jesu) eigene Seele wird ein Schwert durchdringen" setze die Anwesenheit der Mutter Jesu unter dem Kreuze voraus. Das würde der eigenen Darstellung des Lukas und der der Synoptiker widersprechen. Lc 2,34 f. besagt, daß die Sendung Jesu, gewiß am meisten sein Kreuzestod, als „Zeichen, dem widersprochen wird", jeden, auch seine Mutter, vor die Entscheidung für oder gegen Jesus stellen wird. Diese Deutung paßt zu allen Nachrichten der biblischen Schriften, die sich 48*
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auf die Einstellung der Mutter und Brüder zu Jesus während seines Wirkens und nach seinem Tode beziehen. Aber wie ist nun die berühmte Szene Joh 19,26 f. zu verstehen, wenn die Mutter Jesu nicht an ihr beteiligt war? Ich erinnere an die Anstöße, welche die bisherige Auffassung erregt hat, und verstehe jetzt, daß Jesus vom Kreuze herab die Mutter Maria Magdalena mit ihrem Sohne Johannes Marcus versöhnt hat. Über dem Leben der Magdalena lastet ein schweres Geheimnis. Von ihr „waren sieben Dämonen ausgefahren" Lc 8,2; sie war in der Stadt, d . h . in Jerusalem, als Sünderin bekannt Lc 7,36fiF.; aber Jesus hatte ihr Vergebung und Erlösung gegeben: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!" (Joh 7,53fF.). Sie war die erste und treueste Jüngerin geworden und hatte ihm ihre überströmende Dankbarkeit durch die Salbung seiner Füße erwiesen. Soweit sie Jesus und den Jüngern auf der Wanderung durch Galilaea nicht diente, wohnte sie bei ihren Geschwistern in Bethanien, nicht bei ihrem Sohne in Jerusalem, in dem Hause neben dem des Hochpriesters. Johannes Marcus wurde der Jünger, den Jesus lieb hatte, aber er hatte es bisher nicht über sich gebracht, seine Mutter zu sich in sein Haus zurückzunehmen. Das hat der Gekreuzigte als letztes Liebeswerk durch den schlichten Hinweis, daß sie Mutter und Sohn seien, zuwege gebracht, als sie unter seinem Kreuze zusammentrafen. Sie sind von dieser Stunde an vereint gebüeben und haben nach langer gemeinsamer Arbeit für das Reich Gottes auf Erden, nach den damit verbundenen Kämpfen und Leiden ihr Leben in Ephesos beschlossen, Johannes Marcus als „der Presbyter" . Den in Joh 7,53—8,11 vorliegenden Bericht über die von Jesus der in flagranti ertappten Ehebrecherin Maria Magdalena erwiesene Güte hat bekanntlich nur die ß-Rezension (Codex D mit Anhang) gerettet; es wäre „den Gerechten" fast gelungen, diesen Erweis grenzenloser Güte Jesu als Zuviel des Guten zu tilgen. Die Rezension hat noch eine Tat der Menschenliebe Jesu, die nichts weniger als „natürlich" ist, dem Gedächtnis erhalten, eine zweite Tat der Liebe, die er unter den Qualen am Kreuze getan, getreu seinem in Lc 12,10 ( = Mt 12,32) überlieferten Wort: „Jedem, der ein Wort gegen den Sohn des Menschen sagt, wird vergeben werden." Nach Lc 23,39ff. im a-Text „verhöhnte einer von den gekreuzigten Übeltätern ihn: Bist du nicht der Messias? Rette dich und uns! Antwortete der andere ihm vorwurfsvoll: Hast du gar keine Furcht vor Gott, da dich doch derselbe Urteilsspruch getroffen hat? Und zwar uns mit Recht: denn wir empfangen den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann fuhr er fort: Jesus, denke an mich, wenn du in deine Königsherrschaft kommst! Da sagte Jesus zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein!" Das Verhalten Jesu laut a-Text ist ohne Zweifel nach allem natürlichen Empfinden und sogar nach dem Kanon utriusque iuris einwandfrei, aber nach dem Codex D der ß-Rezension hat Jesus avrü> rät emnXrjüaovxi — das heißt: „gerade dem (ihn) scheltenden" gesagt: „Sei getrost! Heute wirst du mit mir im Paradiese sein!" Der Gerechte bedurfte des Arztes nicht, und Jesus wußte, daß die Menschen boshaft werden aus Angst. Aber es bleibt zwischen Ur-Mc und Ur-Joh die nicht zu übersehende Differenz, daß im Ur-Mc in der Geschichte von der Kreuzigung Johannes Marcus überhaupt nicht erwähnt wird. Um das zu verstehen, muß man sich in die Lage versetzen, in
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der Johannes Marcus sich befand, als er, der junge Mann, die Lehrvorträge des angesehensten und auch einigermaßen anspruchsvollen Führers der zwölf Jünger, des Petrus, niederschrieb und dabei „für eins Sorge trug, nichts von dem auszulassen, was er gehört, oder etwas dabei zu entstellen" (Papias). Petrus hat berichtet, daß er mit dem verhafteten Jesus noch im Hofe des Hochpriesters gewesen sei, und ehrlich bekannt, daß er Jesus verleugnet habe; er hat auch, aber ohne den Namen zu nennen, erwähnt, „ein einzelner junger Mann" — es war Johannes Marcus — habe Jesus bis zur Gefangennahme begleitet und sei erst unter dem Zugriff der Häscher geflohen. Petrus hat aber nicht über die Lippen bringen können, daß er selbst nach der Verleugnung geflohen war. E r hat auch nicht mehr erwähnt, daß Johannes Marcus mit ihm im Hofe des Hochpriesters gewesen sei; es muß ihm hinterher sehr schmerzlich gewesen sein, daß der junge Mann, und nicht mehr er selbst am Kreuze gestanden hat. Nach allem, was wir von der bescheidenen und liebevollen Art des Johannes Marcus wissen, hat dieser den Petrus wahrscheinlich schonen wollen, wenn er nach dem von uns wiederhergestellten Texte von Ur-Mc 15,40 sich nur an dieser Stelle und nur als den Sohn seiner Mutter klar mit Namen nannte. An dieser Stelle heißt es: „Es waren aber auch Frauen da, die von weitem zuschauten," unter denen seine Mutter und deren Schwester. Der Wortlaut scheint mir gerade anzudeuten, daß auch — mindestens — ein Mann von den treuen Freunden dabei war. Zwischen den Zeilen steht es auch im Ur-Mc, daß Johannes Marcus bei dem Kreuze gestanden hat. Bescheidenheit und Rücksicht auf den „diktierenden" Petrus erlaubten ihm nicht, mehr zu sagen. Es gab also eine „Tochter des Klopas" namens Maria. „Der (bekannte) Klopas" wird der von Hegesippos bezeugte Bruder des Joseph, des Vaters Jesu, sein 1 ). Die Tradition weiß auch von einem Sohne des Klopas, namens Simon oder Simeon. Auch dieser war also wahrscheinlich ein Halbbruder der Maria Magdalena. Hier ist zu erwähnen die von L. Rost 2 ) mitgeteilte Notiz aus dem der Risala des Abd elMesich al-Kindi vorgesetzten Briefe eines Muhammedaners über die „Frohbotschaft des Marcus, des Sohnes der Schwester des als Petrus bekannten Simon". Diese Notiz steht unter anderer guter und alter Tradition. Könnte die Deutung auf Simon Petrus nicht jung und könnte hier nicht aus syrischer Tradition erhalten sein, daß Marcus der Sohn der Maria Magdalena, der Halbschwester eines Simon war? Man könnte an den „Pharisäer" Simon von Lc 7,36ff. (nach Mc 14,3 „der Aussätzige") denken, in dessen Haus Magdalena gekommen war, Jesus zu salben. Simeon, der Sohn des Klopas und Vetter Jesu, war nach Hegesippos bei Eus. h. e. IV 22,4 der zweite Bischof von Jerusalem, der Nachfolger des Jakobus, Bruders Jesu. Zahn 3 ) identifiziert diesen Klopas wohl richtig mit dem einen der Emmausjünger, Kleopas, von Lc 24,18. Den andern, bei Lc ungenannten, nennt Origenes öfter Simon. „ E s ist kaum zu umgehen, daß dieser Simon der Sohn des Klopas und zweite Bischof von Jerusalem ist" (Zahn), der noch lebte, als Lukas sein Evangelium in heutiger Form herausgab. Es ist ersichtlich, daß jüdischer Familiensinn und die semitische Kalifatsidee auch in der Urgemeinde eine Rolle gespielt haben. ' x) Vgl. Th. Zahn, Forsch., VI 235. 238. 239. a ) Zur Geschichte d. Kanons bei den Nestorianern, ZNW 27, 1928, 103 ff. s ) Forsch., VI 350.
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Die nahe Verwandtschaft der Zebedaiden mit Jesus, die mit Zahn 1 ) von manchen angenommen wird und besonders die Szene Mc 10,35ff. gut erklären würde, ist mit unserer Deutung der Erwähnung der Salome in den Synoptikern durchaus vereinbar. Auch die Herstellung einer Verwandtschaft zwischen der Mutter des Täufers Johannes, der Elisabet „aus den Töchtern Arons", und Maria, der Mutter Jesu, die sich auf Lc 1,36 stützen kann, scheint mir durchaus vertretbar und würde wahrscheinlich machen, daß auch die Mutter Jesu priesterlichen Geschlechts war. Die Stammtafel der für die ersten christlichen Gemeinden und Generationen so bedeutsamen Familie, abgesehen von den Zebedaios-Söhnen, ist dann folgende: Mattath I Jakob Zacharias (Priester) V Elisabet . . . („Tochter Arons") i 1 Johannes der Täufer
Joseph V 1. („Tochter Arons") i 1 Jesus Jakobus Johannes Judas Simeon Schwestern
') Forsch., VI 341.
Klopas V I in 2. Ehe
dieselbe Frau —
x V I in 1. Ehe
Simeon. (2. Bischof in Jerusalem)
Maria Lazaros. Martha. Maria „die Magdalena andere" V X V Sabba (Priester) (Levit) 1
Joseph Iustus Barsabbas gen. Barnabas
Jakobus der Kleine
Judas Barsabbas
Marcus
A n h a n g II Die Berichte über das
Herrenmahl1)
Eine Generalprobe der hier vorgetragenen Lösung der johanneischen und der synoptischen Frage soll an den Berichten über das Herrenmahl gegeben werden. a) Der älteste Bericht über die Entstehung des „Herrenmahles", wie es zuerst in 1. Kor 11,20 genannt ist, muß nach unserer Lösung der synoptischen Frage derjenige sein, den der Zwölfböte Matthaios in seinen Logia, und zwar gemäß seiner Gewohnheit unmittelbar nach dem Ereignis, niedergeschrieben hat. Wie oben 2 ) gesagt, bildete dieser Bericht den höchst wirkungsvollen Schluß der Logia. Er ist erhalten in Lc 22,15 — 18 und 28—30. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Ur-Lc hat wie immer, so auch hier die Logia mit dem Ur-Mc kombiniert und den Ur-Mc-Bericht über die Stiftung des Herrenmahles Lc v. 19—20, die Parallele zu Mc 14, 22—25 und Mt 26, 26—29, in den der Logia eingeschoben. RLc hat, wie schon gezeigt 3 ), den Streit über Vorrang und Ehrenplätze Ur-Mc 10,35ff. (Mt) von diesem seinem richtigen Platze unter dem Einflüsse der Ur-Joh-Perikope vom Dienen (Fußwaschung) vor das Ur-Lc-Wort v. 28—30 vom Essen und Trinken der Jünger am Tische des Herrn verschoben. Lc 22,24—27 schildert den Streit der Jünger darüber, wer unter ihnen der Größte sei. Als Einleitung zu diesem Streite benutzt RLc nun das ovCt]T£iv der Jünger, wer unter ihnen der Kleinste und Gemeinste, nämlich der Verräter sein könne, wovon Ur-Mc 14,19 berichtete. RLc verschob also auch die Vorhersagung des Verrats von ihrem richtigen Platze vor der Stiftung des Herrenmahles, wie es bei Mc ( = Ur-Mc) und Mt noch vorliegt und dem Joh-Bericht entspricht, nach Lc 22,21—23. Damit erreichte RLc, daß nach der Erwähnung des Platznehmens v. 14 nun v. 15 = Q das Eingangswort der Szene der Eucharistie wurde, wozu es auch sehr geeignet erscheinen konnte, und daß überhaupt der Eindruck entsteht, die Eucharistie habe zu Beginn der gemeinsamen Mahlzeit gestanden. Darüber unten mehr. Der alte Lukas mußte dafür in Kauf nehmen, daß der Verräter an der Stiftung des Herrenmahles teilgenommen habe und daß der Aufbruch Jesu und seiner Freunde nicht unmittelbar nach der Eucharistie, sondern erst nach der Ausscheidung des Verräters erfolgt sei. — Also Ur-Lc, d. h. Q, setzt erst wieder mit 1 ) Der jüngste mir zugängliche Forschungsbericht, Das Herrenmahl im NT, von E. Schweizer, ThLZ 79,1954, 577fiF., zeigt sehr instruktiv, wie die Forschung noch wirbelt, wie mehrere Ansätze in die von mir eingeschlagene Richtung weisen, aber auch, wie nötig es ist, durch literarhistorische Kritik der Quellenschriften einen klaren Ausgangspunkt zu finden. 2 ) S. 279. 3 ) S. 332.
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v. 28—30 ein, und diese Verse schließen unmittelbar an v. 18; sie sind durch Bezeugung bei Mt für Q gesichert; Mt hat sie, entsprechend geändert, nach 19,28 versetzt ad vocem äxoXovdiqaavxei;. Mt wollte offenbar — anders als Lukas — die lapidaren Stiftungsworte für sich allein wirken lassen. Der Bericht der Logia lautet: „ U n d er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah (d. h. das diesjährige Passah) mit euch zu essen, bevor ich leide. Denn ich sage euch, ich werde es nicht mehr essen, bis die Vollendung gekommen ist im Reiche Gottes. Und er nahm einen Kelch, hielt das Dankgebet und sprach: Nehmt den und teilt ihn unter euch. Denn ich sage euch, ich werde von nun an nicht von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist. 28 Ihr aber seid die, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Anfechtungen. Und ich verordne (vermache) euch, wie mir mein Vater es verordnet hat — das Reich, daß ihr essen und trinken sollt an meinem Tische in meinem Reiche und auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels regieren." Gehen wir aus von der Handlung: Jesus läßt sich einen Becher Weines geben und diesen Becher bei seinen treugebliebenen Freunden herumgehen, ohne selbst von ihm zu trinken; dabei spricht er die vorstehenden Worte. Die Ausscheidung des Verräters muß vorher erfolgt sein, wahrscheinlich nach Beendigung der eigentlichen Mahlzeit. Daher kann Jesus j a auch so bestimmt sagen, daß er binnen 24 Stunden „leiden" wird. Mit den Anwesenden fühlt Jesus sich in Vertrauen und Liebe einig. Aber es müssen trotz der Ausscheidung des Verräters zwölf Anwesende außer Jesus sein, denn sonst hätte Jesus nicht gerade bei dieser einen Gelegenheit von ihnen mit Beziehung auf die zwölf Stämme Israels gesprochen. Wir haben oben 1 ) gesehen, daß der Hausherr, der junge Johannes Marcus, der auch an des Herrn Brust lag, als der Zwölfte zu rechnen ist. I n dem ersten Satze des Berichtes zeigt Jesus, wie verbunden er mit der religiösen Sitte seines Volkes war, wie gern er am folgenden Abend das Passah mit seinen Freunden gegessen hätte 2 ). Aber das aktuelle Mahl war kein Passahmahl und auch kein Sabbat-Eingangs-(Qiddusch)-Mahl, das es nach J . Jeremias 8 ) nie gegeben hat, überhaupt kein Ritus, sondern freie Anwendung einer rituellen Form durch den Herrn des Mahles. E s war, äußerlich gesehen, ein Mahl, wie es Jesus täglich mit seinen Jüngern gehalten hatte. Und doch war es ein Mahl von einzigartiger Feierlichkeit, denn Jesus wußte, es werde das letzte mit seinen Freunden sein 4 ). Mit der Verteilung des Bechers unter seine Freunde will Jesus sagen, was er nach Ur-Joh 15,12 gesagt hat: „Dies ist mein Gebot, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe". Damit stiftet Jesus die Gemeinschaft seiner Freunde neu, aber er eröffnet die Aussicht auf die Vollendung im Reiche Gottes, wenn dieses „auf Erden wie im Himmel" sein wird. 7thiQ(ü&fj verstehe ich wie (pavegoyd-fj I . J o h 3 , 2 : es kommt zur Vollendung — Offenbarung. Das ist Jesu das wichtigste Anliegen, die Hoffnung auf den Sieg nach allen Anfechtungen, auf die endlich eintretende l ) S. 152. ' ) I n dieser Erwähnung des Passah kann ich keinen „Rückblick auf die Erlösung in Ägypten", also auch kein Indiz für ein Passahmahl finden. ®) Die Abendmahlsworte Jesu, 2. Aufl. Zürich 1949. *) L c 22,16.18 als „Entsagungsgelübde" im Sinne von J . J e r e m i a s zu deuten, scheint mir nach der ganzen Situation unmöglich; vgl. K . G. Kuhn, Die Abendmahlsworte, ThLZ 75, 1950, 402.
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Herrschaft Gottes auf Erden wie im Himmel und auf seine eigene Auferstehung zu diesem Reiche als unüberwindlich zu erweisen und weiterzugeben an seine Treuen. Das Reich Gottes ist ihm vom ersten Tage seines Auftretens an über das Vaterunser bis zum Abschiede von seinen Jüngern, zu den Bekenntnissen vor dem Hochpriester und vor Pilatus und den Schlußworten des Ps. 22, die er ebenso wie die Anfangsworte am Kreuze gebetet haben wird, die höchste, ihm von seinem Vater Gott verordnete Gabe und Aufgabe. dtaTlfteoftat wird in den Evv nur an dieser Stelle, unter den letzten Worten Jesu verwendet. Im Hauptsatze ist Jesus Subjekt, erst im Vergleichungssatze Gott. Das aramäische Deckwort bedeutet nach Dalmann u. a.1) das unverbrüchlich Aufgerichtete, sowohl im Sinne der Verheißung oder des Eides, als auch einer Satzung. Gott macht kein Testament, aber wenn Jesus das Wort diart&e/im von sich und nur in der Abschiedsstunde gebraucht, so muß man verstehen: Ich übertrage euch das Reich Gottes als Gabe, Aufgabe und Verheißung; das ist mein letzter Wille, mein Testament. Ich kann als Herr über dieses Reich verordnen, wie und weil mein Vater es mir verordnet hat. Vgl. Joh 17,23: Ich in ihnen, wie du in mir. Kein Wort ist in den Logia überliefert vom Brechen des Brotes: aber natürlich hat Jesus zu Beginn der Mahlzeit das Brot gebrochen, wie es israelitische Sitte war. Die Mahlzeiten mit Jesus waren immer hohe Zeiten, die letzte zugleich aufs tiefste erschütternd und aufs höchste erhebend. Der Höhepunkt war ihr Schluß. Beim jüdischen Gastmahl wurde nach dem Mahle die Benediktion über den Wein gesprochen. Schon im Sektenkanon VI 21 ist dieser Segensbecher zu einem feierlichen „Trank der Menge" geworden, an dem die neuen Mitglieder der Sekte erst nach zwei Jahren teilnehmen dürfen. Es ist wahrscheinlich, daß Jesus diese Sitte der Sekte gekannt, es ist durchaus nicht nötig, anzunehmen, daß er gerade sie und nicht einfach die jüdische Benediktionssitte hat anwenden wollen, um seinen Freunden das Letzte zu sagen. Nicht die Sitte, nicht der Wein, nicht einmal die symbolische Verteilung des Bechers war wesentlich, sondern das Wort Jesu, das Gemeinschaft mit seinen Freunden über seinen Tod hinaus verhieß und die sieghafte Hoffnung auf die Vollendung dieser Gemeinschaft im Reiche Gottes aufpflanzte. Der Verfasser der Logia, der Augen- und Ohrenzeuge Matthaios, hat verstanden und als letztes niedergeschrieben, daß Jesus in seiner Abschiedsstunde seinen Freunden ein herrliches Vermächtnis hinterlassen hat, die Verheißung seiner Auferstehung und seiner Präsenz im Reiche Gottes, das in Jesus auf der Erde ist und auf die Erde kommt. Ur-Johannes stimmt durchaus zur Auffassung der Logia. Der Verfasser des UrJoh war ebenso Augen- und Ohrenzeuge gewesen wie der Zwölfbote Matthaios. UrJoh hat nicht das Abendmahl verschwiegen, gar als eine Arkandisziplin (J. Jeremias). Er hat in der Schilderung des letzten Gemeinschaftsmahles im Ur-Joh, die er erheblich später als den Ur-Mc und selbständig, nicht an die Lehrvorträge des Petrus gebunden, geschrieben hat, absichtlich alles Unwesentliche ausgelassen, aber dafür als ein Zeuge, der für den Geist ein Organ hatte, das Wesentliche betont wie Matthaios, diesen Geist nur viel eingehender dargestellt als der Verfasser der Logia, der immer nur die Spitzenworte aufbewahrt hat. Ur-Joh hat soeben aus dem Ver1
) Lohmeyer, Vom urchristlichen Abendmahl, Theol. Rundschau, N . F . 9, 1937, 168ff. 195ff. 273ff.
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laufe der Mahlzeit die erschütternde Szene geschildert, die Leonardo da Vinci gemalt hat. Dann nimmt Jesus von seinem Brot ein Stück, taucht es in die Schüssel, segnet es still mit seiner grenzenlosen Liebe und gibt es dem Judas. So pflegte der Hausherr einem besonders geehrten Gast innere Verbundenheit anzubieten und von ihm zu erbitten. Judas nimmt das Brot und geht hinaus in die Nacht. Nun wendet Jesus sich seinen in trauriger Verwirrung verstummten „Kindern" zu und bietet ihnen und erbittet von ihnen innere Verbundenheit. Man kann sich keine bessere Einleitung zur Verteilung des Bechers denken als die Worte Ur-Joh 15,5ff.: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wenn ihr bleibet in mir, werdet ihr meine Jünger werden. Bleibet in meiner Liebe. Das ist mein Gebot (die ivxoXrj xaivrj von 13,34), daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe." Danach, Ur-Joh 15,27, spricht Jesus das zu Lc v. 28 parallele Wort: „Ihr seid meine Zeugen, weil ihr von Anfang an bei mir seid", und wieder danach, Ur-Joh 16,22, das zu Lc v. 30 parallele: „Aber ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen." Über dem letzten Mahle aber, wie über der ganzen Passionsgeschichte, steht das wundervolle Wort: dyan^aag . . . eis *¿Aof fjyajirjaev des Johannes 13,1. Nach den Logia und dem Ur-Joh hat Jesus bei dem letzten gemeinsamen Mahle mit seinen Freunden eine feierliche Tat der Liebe getan, aber keine Feier gestiftet. Ein Testament ist gewiß eine feierliche, aber eine einmalige Handlung. Danach gilt es, mit den ererbten Talenten zu arbeiten. Am Abend des Tages der Hinrichtung Jesu das rituelle Passah zu feiern — danach wird den Freunden nicht zu Mute gewesen sein. Die einmal gewonnene Distanz zum jüdischen Ritus wurde durch die Feindschaft der Juden während des folgenden Jahres nur vergrößert. In derselben Zeit hatte sich die Sonderfeier des Sonntags schon eingebürgert. Der Entschluß, das jüdische Passah nicht mehr mitzufeiern, muß zu Ostern 34 gefaßt worden sein. Es lag aber dann — und eben damals nahe, die erinnernde Wiederholung des Herrenmahles, die als solche schon vorher geschehen sein kann, an die Stelle des Passahmahles zu setzen, woraus sich von selbst eine Angleichung an dieses ergab, und die Idee des Neuen Bundes zu konzipieren, was Lukas ja von Stephanos berichtet hat. b) Ur-Lc hat, wie gesagt, die Logia des Matthaios mit dem Ur-Mc des Johannes Marcus möglichst unverändert verbunden, aber Lukas hat bei der Redaktion des RLc, und der Philippiner hat bei der Redaktion des RMc am Berichte über das Herrenmahl geändert: 1. Oben 1 ) wurde gezeigt, daß schon Ur-Lc a die Stiftung der Eucharistie auf den Passahabend verschoben hat, daß aber die ursprüngliche Chronologie, die in dem von Johannes Marcus verfaßten Ur-Joh-Ev vorliegt und in dem von demselben geschriebenen Ur-Mc vorlag, in den heutigen Texten der Synoptiker noch durchschimmert. 2. Es ist klar, daß RMc und Mt zusammen eine besondere Überlieferungslinie gegenüber RLc darstellen. Die Verschiedenheit beider Linien rührt nach unserer Deutung des synoptischen Problems daher, daß der Ur-Lc einen gegenüber Q durchaus selbständigen Ur-Mc-Bericht mit dem Q-Bericht zusammengestellt und RLc an diesem kombinierten Texte auch noch geändert hat, daß dagegen der Ur-Mc-Bericht J
) S. 299.
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durch den Redaktor des Mc (RMc) u. a. durch Übernahme von Einzelheiten aus Ur-Lc 2 verändert und in diesem veränderten Zustande neben Ur-Lc 2 die Quelle des Mt geworden ist. Wir sind in der glücklichen Lage, in 1. Kor 11,23—26 einen im wesentlichen, nämlich in der Verbindung eines Brotaktes und eines Kelchaktes, gleichlaufenden dritten Bericht zu besitzen, der aus dem J a h r e 54 stammt, also zwar jünger als Ur-Mc, aber älter als Ur-Lc 2 , RLc, RMc und Mt ist. Die Frage ist, ob wir aus RMc (Mt), RLc und Pls den Ur-Mc-Text rekonstruieren können. Der Brotspruch lautet bei Paulus: rovrö fiov eanv ro a&frn ro vitig v/iwv. Dies meint dasselbe wie der Ausdruck des Lc ro vjieo v/iän> öidö/ievov, der der aramäischen Urform sogar nähersteht. RMc v. 22 (Mt) hat ro VTISQ V/IÄYV (öiSoftsvov) ersetzt durch laßere, d. h. er hat die erläuternden Worte durch eine erläuternde Handlung ersetzt. Pls und RLc entscheiden also gegen RMc, daß ro VJIEO vficöv (Siöo/isvov) Ur-Mc ist. Aramäisch unmöglich sei bei RMc (Mt) die Formel „mein Blut des Bundes", wo die Apposition „des Bundes" überhänge, sagt im Anschluß an J . Jeremias E. Schweizer 1 ). Aber A. Oepke 2 ) h a t gezeigt, daß man den Gedanken „mein Bundesblut" aramäisch durch „das Blut meines Bundes" h ä t t e ausdrücken können und daß solcher Semitismus z. B. Apok 3,10 rov Xoyov rrjg vno/iovrjq fiov vorliegt. Aber in RMc v. 24 steht nicht der Semitismus ro alfia rfjs dia&rjxrjg fiov, sondern gut griechisch fiov hinter alfia, u n d das spricht nicht f ü r aramäische Urform. Viel auffallender ist, daß bei RMc ebenso wie bei RLc Jesus den Becher gibt, aber bei RMo sagt: rovrö (Subjekt) lariv ro alftd ¡uov rrjg Sta&rjxrjg, dagegen bei RLc und Pls: rovro ro norrfQiov (Subjekt) rj xaivrj dia&rpcrj (Pls + eariv) ev rü> aifiari fiov (Pls iv rä> e/xqj aifiari). Bei Pls folgt nichts weiter, bei RLc aber folgen die Worte ro VTISQ VPWV ¿x/vwöftevov, die sich nur auf reo alfian beziehen können, aber grammatisch nicht daran angeglichen sind. Was bei RLc überhängt, ist also sekundär, aber doch nicht erst RLc, sondern schon Ur-Lc 2 , denn nur dann konnte es von RMc (Mt) übernommen werden; es ist noch nicht Ur-Mc, d. h. ursprünglicher Ritus, denn dann würde man es bei Pls finden. Ur-Lc 2 hat es offenbar in Analogie zum ursprünglichen ro VTISQ vfitöv öiööfiEvov des Brotspruches gebildet. RMc (Mt) h a t das ro vneQ vfi&v sx/vwoßevov, wie so vieles, aus Ur-Lc 2 übernommen und die hier vorhegende grammatische Unausgeglichenheit dadurch beseitigt, daß er ro al/ia anstelle von ro TiorrjQiov eingesetzt hat. Abgesehen davon, daß ro noriqoiov durch Paulus garantiert ist, erscheint es doch auch als näherliegend, daß Jesus das Deutewort an den Kelch angeschlossen hat, den er laut RMc v. 23 wie bei RLc u n d Pls sichtbar in der H a n d hielt, als daß er rovro auf den Wein bezogen hätte. Man sollte dann doch erwarten, daß er gesagt h ä t t e : ovrog 6 olvoq eoriv ro al/ia ro VTISQ VPUIYV ixyvrwofXEVov. Wieder entscheiden Pls und RLc gegen RMc, und als ursprünglich, d. h. als Ur-Mc, noch bei Ur-Lc 2 erhalten, erweist sich rovro ro norriQiov tj xaivrj diad-rjxri sv rü> e/nq) aifxaxi. Man muß es einfach als unmöglich bezeichnen, daß Jesus, der als J u d e zu J u d e n sprach, oder einer der Begründer des im Ur-Mc überlieferten Ritus, der, wenn nicht auf Jesus selbst, so doch auf die älteste christliche Gemeinde zurückgeht, von Bluttrinken gesprochen hätte. ThLZ 79, 1954, 580. ) K a n n die Auslegung der Abendmahlstexte des N T f ü r das Abendmahlsgespräch der Kirchen hilfreich sein? ThLZ 80, 1955, 134. a
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Nachdem wir so die ursprünglich im Ur-Mc, d. h. im Petruskreise und bei P a u l u s geltende Form des Brotaktes und des Kelchaktes festgestellt haben, erscheint die Symbolik der bei Ur-Mc und Pls aus zwei Akten bestehenden Eucharistie in einem neuen Lichte: Durch das Brechen und Austeilen des Brotes wird das einmalige Heilsopfer symbolisiert, das Jesus durch die Hingabe seines acö/M, d. h. seines Selbst, seiner Person, (aramäisch: guph) f ü r die andern bringt. Jesus „in seinem Blute", d. h. in seinem Sterben, ist selbst das Opfer, das, wie Exodus 24 es bei der Schließung des Alten Bundes geschehen läßt, bei der Schließung des Neuen Bundes „ i m Schauen Gottes" verzehrt wurde und das man immer wieder durch Vollzug derselben symbolischen Handlung „erinnern", d. h. vergegenwärtigen soll. Durch den blutigen Tod Jesu ist der Neue Bund zustande gekommen, aber symbolisiert wird der N e u e Bund durch den Einen Becher und das Trinken aller aus dem Einen Becher; getrunken wurde natürlich „von dem Gewächs des Weinstocks", d. h. von dem Wein, der in dem Kelche war, nicht vom Blute. Daran brauchten die J u d e n keinen Anstoßzu nehmen. E r s t später, als die Griechen unter den Christen überwogen, d. h. in der Heimat der Philippiner, in Caesarea und im phrygischen Hierapolis, und im kleinasiatischen Wirkungsbereich des J u d a s Barsabbas — Uterarisch gesehen, im RMc und von dorther im Mt, der in Antiochia entstanden ist, ferner im H der Johannesschriften, ist der Wein als Blut und das aw/ia als trag! gedeutet worden. H in J o h 6,52 ff. zeigt noch den Widerstand der jüdisch erzogenen Christen gegen diese neue Deutung. Nachdem ich aus der philologisch begründeten Auffassung des synoptischen Problems zu dieser Deutung gekommen war, las ich mit Freude, daß W. Marxsen 1 )schreibt, das Gleichnis Wein-Blut sei ursprünglich nicht aktuell, das zweite Deutewort ziele auf die öia&rjxrj ab. Bei Paulus war das immer schon zu lesen. 1. Kor 11,26 lautet: ¿adimg yäo iäv ia&LRJTE TOV äorov TOVTOV xai rö norrjoiov nivrjTE, rov DAVATOV rov XVQLOV xarayyeMere, ÄYNI ov etörj. Der Tod entspricht dem Brot, die verkündigende Gemeinde des Neuen Bundes denen, die den Kelch trinken. 3. I n 1. Kor 11,26 fällt der eschatologische Ausblick „bis er k o m m t " auf. Aber dieser Ausblick begrenzt nur den Bestand des Neuen Bundes und seiner Aufgabe, den Tod des Herrn zu verkündigen; er gehört nicht zum Abendmahlstext und spricht, wie der ganze Vers 26, nur einen Gedanken des Paulus aus. Ein entsprechendes Wort fehlt deshalb im Lc-Text, der sich zum dritten Male als dem Pls-Text am nächsten stehend erweist. Aber in RMc v. 25 (Mt) findet sich ein eschatologischer Ausblick, der jedoch erstens ganz anders lautet und zweitens zum Vorhergehenden gar n i c h t paßt. Die Freunde sollen nach v. 24 das Bundesblut trinken, aber in v. 25 redet Jesus davon, daß er selbst bis zum Erscheinen des Reiches Gottes keinen Wein mehr trinken werde. Soll dieses Wort etwa begründen, warum Jesus selbst von seinem Bundesblute nicht mittrinkt? In v. 25 ist aber vom Wein die Rede u n d nicht vom Blute, und Jesus will doch ebensowenig ein Mitglied des von ihm gestifteten irdischen Neuen Bundes sein wie Gott in Exodus 24 ein Mitglied des Alten Bundes. Da h i l f t wieder unsere Feststellung, daß RMc oft Stücke aus Ur-Lc 2 übernommen hat, u n d im Ur-Lc 2 stand und im RLc steht noch heute das von Q stammende Stück v. 15—18. Von dorther h a t RMc den v. 25 übernommen, weil auch er ein Abschiedswort J e s u Der Ursprung des Abendmahls, EvTh, 1953, 293—302.
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mit einem eschatologischen Ausblick für wünschenswert hielt. Vielleicht verdankt ^r auch das Ääßexe v. 22 dem Ur-Lc 2 v. 17. 4. Wie steht es mit der Anamnese? TOVTO 7ioieXxe eig rrjv ifirp> ävd/j.vt]aiv kommt bei RMc und Mt nicht vor, steht bei Lc einmal hinter dem Brotspruche, bei Pls zweimal, hinter dem Brotspruche und mit dem Zusätze öodxig eäv mvtjTE hinter dem Kelchspruche, bei Justinos einmal vor, bei Tatianos einmal hinter der ganzen Eucharistie. Das Verfahren Justins, der für Nichtchristen berichtete, und das Tatians, der sich für die Ordnung im Diatessaron über die Stellung und den Sinn der Anamnese Gedanken machen mußte, läßt schließen, daß sie die Anamnese nur einmal gelesen, aber auf die ganze Eucharistie bezogen haben, wie sie es bei Pls expressis verbis lesen konnten, und daß sowohl die einmalige Setzung bei Tatianos und bei Justinos als auch die doppelte Setzung bei Paulus persönlicher rationaler Erwägung zuzuschreiben ist, aber die difficilior lectio bei Lc den Vorzug verdient. Nach unserer Deutung unter Punkt 2 konnte nur der einmal in der Vergangenheit geschehene Opfertod Jesu „erinnert" werden; der durch das Trinken von Wein aus dem Einen Becher symbolisierte Neue Bund wurde nicht erinnert, sondern bestand real und wurde gelebt. Der philippinische Redaktor des Ur-Mc (RMc, Mt) hat die Aufforderung zur Anamnese wohl deshalb gestrichen, weil ihm als Griechen der hebräische Sinn kultischer Erinnerung fernlag und Erinnerung im griechischen Sinne ihm entsprechend dem fortgeschrittenen dogmatischen Verständnisse des Kreuzestodes als Sinn des Herrenmahles der Gemeinden nicht genügte. 5. Nunmehr können wir den Wortlaut des Berichtes über den aus Brotakt und Kelchakt bestehenden Typus I I des Herrenmahles, wie er im Ur-Mc vorgelegen hat, feststellen, wobei wir nur die Zugehörigkeit des ea&iövTtov avrwv (RMc v. 22 Mt) noch in der Schwebe lassen: „Und er nahm Brot, dankte, brach und gab ihnen mit den Worten: Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Dies t u t zu meinem Gedächtnis. Und den Kelch ebenso nach dem Essen mit den Worten: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute." 6. An welchem Zeitpunkte des gemeinsamen letzten Mahles Jesu mit seinen treugebliebenen Freunden ist die von Ur-Mc berichtete Stiftung des Herrenmahles vom Typus I I zu denken, am Anfange oder am Schlüsse oder am Anfange und amSchlusse? Der Satz xai ro norrjgiov (baavrmg fieta To demvijaai (Lc v. 20) wird gewöhnlich so verstanden, als ob Jesus das Brot zu Anfang der Mahlzeit und den Kelch nach der Mahlzeit genommen und ausgeteilt hätte. Zu verstehen ist vielmehr: Und den Kelch (nahm und verteilte er) ebenso nach dem Essen (wie das Brot). Mit andern Worten: Lukas läßt die ganze, aus zwei Akten bestehende Eucharistie des Typus I I ebenso nach der Mahlzeit geschehen sein, wie Q die Eucharistie des Typus I. Die Beweise sind folgende: a) Der Kelchakt wäre gerade nicht „ebenso" geschehen wie der Brotakt, wenn dieser vor, jener nach der Mahlzeit stattgefunden hätte. Es bestünde vielmehr der starke Gegensatz in der Zeitstellung, und Lukas, der griechisch schreiben wollte und konnte, hätte dann geschrieben fierä Se ro Semvfjaai axravrcog xai TO Tzozrjgiov. Paulus schreibt 1. Kor 11,25 woavtmg xai ro norrjQiov ¡lEia ro öemvrjaai — ebenso (nahm und verteilte er) auch den Becher nach dem Essen; der Ton liegt wie bei Lukas auf ro norriQiov, d. h. auf der Handlung mit dem Becher, dagegen steht ftezä ro demvijaai an der tonschwächsten Stelle des Satzes; ein Se war weder bei Paulus noch bei Lukas
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erforderlich, weil es sich um keinen Gegensatz, sondern nur u m eine Fortsetzung handelt. Daher schreibt Tatianos Apol. I 66,3 xai rd norrjniov ofiolwz Äaßavra xai £v%a.QiOTrjaavTa ehtelv. ß) Man darf doch den crcü/ia-Spruch nicht mit der jedes jüdische Mahl eröffnenden Benediktion über das Brot gleichsetzen; daß aber Ur-Mc und Pls, die Vertreter des Typus I I , Jesus vor Beginn der Eucharistie das Brot noch einmal haben segnen lassen, ist verständlich. Dafür, daß Ur-Mc den Brotakt nicht am Anfange der Mahlzeit gedacht hat, spricht Mc 14, 18 = Mt 26,21: sie hatten sich niedergelegt u n d waren am Essen, als der Verräter ausgeschieden wurde, was außerdem durch Ur-Joh bestätigt wird. Auch das wiederholte xai ea&iovxtov avrwv Mc 14,22 (Mt) wird Ur-Mc sein und bedeuten: als sie weiteraßen, geschah die Stiftung des Herrenmahles, wobei die Aoriste dieses Berichtes zugleich das Ende der Mahlzeit andeuten, das ausdrücklich in dem bei Lc vorhegenden ftszä ro öemvrjaai bezeichnet ist. Daß dieses aber nur ein Rudiment des ursprünglichen Textes ist und RLc tatsächlich im Gange der allgemeinen Entwicklung die Eucharistie am Anfange geschehen denkt, darüber kann erst unten gehandelt werden. y) Abgesehen davon, daß ich mir eine Trennung der beiden Akte der Eucharistie des Typus I I , die so innig zusammengehören wie das Bundesopfer und der Bundesschluß, durch die längere Zeit beanspruchende Mahlzeit mit den in der Tafelrunde Jesu sie begleitenden und, wie der Ur-Joh zeigt, vielseitigen und bedeutungsvollen Gesprächen nicht vorstellen kann, ist mir auch keine Eucharistie bekannt, die so verlaufen wäre. Es wird zwar behauptet, in 1. Kor l l , 2 0 f f . hege eine solche Rahmenfeier mit dem Brotakt am Anfang und dem Kelchakt am Ende einer wirklichen Mahlzeit vor. Aber ich meine, hier wird ein v aaßßdzcov gehalten werden, was auch Dekkers auf den Vorabend des Sonntags beziehen muß; ihre Verschiebung bis Mitternacht wird in v. 7 ausdrücklich damit begründet, daß Paulus die einleitende Rede in die Länge zog, weil er „morgen ausreisen sollte". Was bei Paulus wohl nur unter besonderen Umständen vorkam, wurde bei den Philippinern Regel. Der philippinische Redaktor des Mc hat, wie vieles andere 2 ), so auch das Kelchwort von Q, Lc 22,18, aus Ur-Lc a nach Mc 14,25 übernommen u n d zu seinem einzigen Kelche gestellt, so daß nun eine Spannung zwischen dem Sinne des Kelchwortes des Typus I I und dem des folgenden Kelchwortes von I entsteht. RMc will offenbar den antiochenischen Typ erhalten, aber aus der bekannten eklektisch-synthetischen Einstellung der Philippiner heraus den eschatologischen Ausblick, der in I das Wesentliche war, mit dem antiochenischen T y p verbinden, mit dem er nichts zu t u n h a t t e ; er dient dem RMc auch nur als Abschiedswort. RMc zeigt zweitens die Fortbildung des Sakramentalen, wie gesagt, in dem Zusatz „sie tranken alle daraus", aber auch in der Annahme der Angleichung an das Passah wenigstens hinsichtlich der zeitlichen Ansetzung, die laut S. 299 schon durch Ur-Lc 2 geschehen war. RMc ersetzt drittens das Symbol Kelch-Bund durch das Symbol Blut, d. h. er verdoppelt das Opfer-Symbol. RMc läßt viertens die Zeitangabe
2
Jaarboek voor Godsdienstwetenschappen VII, 1955. ) Vgl. S. 297.
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fierä ro demvijaai weg. Das letzte ist sehr wichtig, denn es bedeutet, daß RMc zwar wie alle auf Ur-Mc zurückgehenden Vertreter des antiochenischen Typs die Eucharistie geschlossen gehalten und von der Mahlzeit abgetrennt gedacht hat, sie aber zum Unterschiede von Ur-Lc = Ur-Mc vor die Mahlzeit setzt. Wenn der nach RMc schreibende und, wie öfter gezeigt, unter philippinischem Einfluß stehende alte Lukas bei der Herstellung des RLc die Voraussage des Verrates in 22,21—23 hinter die Stiftung des Herrenmahles versetzt und verschiedene Gespräche zugesetzt hat, so beweist er damit, daß er die Neuerung der Philippiner, d. h. die Voranstellung der Eucharistie vor die Mahlzeit, übernommen, aber wieder einmal nicht durchkorrigiert hat, wie das in v. 20 stehengebliebene fierä TO äemvfjoat beweist. Die Voranstellung der Eucharistie vor die Mahlzeit durch die Philippiner in Verbindung mit der ihnen oben 1 ) nachgewiesenen Verlegung der Auferstehung Jesu auf den Sonntagmorgen ist dann so zu deuten, daß die Philippiner, die im phrygischen Hierapolis ihren Mittelpunkt hatten, deren Gesinnungsgenosse Lukas im benachbarten Bithynien arbeitete, die aber auch mit ihrer Heimat Caesarea Verbindung hielten, die ursprünglich mit allen Vertretern des antiochenischen Typs am Vorabend des Sonntags in der Reihenfolge Mahlzeit-Eucharistie gehaltene Gemeindefeier mit der neuen Reihenfolge Eucharistie-Mahlzeit auf den „griechischen" Sonntag verlegt und dabei so geteilt haben, daß die Eucharistie mit einer Gebetsversammlung (JIQOOEvyrj), die der jüdischen Morgen-Tephilla entspricht, am Sonntagmorgen verbunden wurde und das Mahl als Agape nunmehr am Sonntagabend stattfand. Damit waren die Mißstände behoben, die sich aus der Verbindung des Kultopfers mit einer wirklichen Mahlzeit bei den doch noch sehr „im Fleische" lebenden Christen ergeben hatten, zumal seit die Zahl der Christen stark zunahm. Diese Verschiebung entsprach ferner der erkennbaren Einstellung der Philippiner, die einen christlichen Ersatz für alttestamentliche Sitten schaffen und dabei doch die Formen des Neuen Bundes deutlich von den jüdischen Formen absetzen wollten. Dies letzte wiederum gebot die geschichtliche Situation nach 70, also zu der Zeit, da die Philippiner den RMc schufen. Ihre Neuerung muß sich in Kleinasien rasch durchgesetzt haben, denn um 113 ist sie in Bithynien, wo Lukas selbst gearbeitet hatte, laut Plinius bereits alte Sitte, die ante lucem stattfindende Eucharistie dabei sacramentum genannt (nicht die Taufe, wie Lietzmann 2 ) will); Carmen dicere secum invicem geht auf den Dialog des Rituals, die Verpflichtung auf die Gebote meint die der Eucharistie jetzt vorausgehende Ermahnungsrede und die Exhomologese (Did. XIV). Auch die petrinischen, d. h. katholischen Antiochener des Mt-Ev haben die philippinische Neuerung übernommen und durch Weiterbildung des Sakramentalen (Verpflichtung zum Weingenuß) und des Liturgischen (dreifacher Imperativ) gesteigert. Das sollte sich bestätigen lassen an Ignatios, dem antiochenischen Bischof. In allen Briefen, außer dem privaten an Polykarpos, handelt Ignatios von der Eucharistie. Ist es Zufall, daß er in den Briefen nach Ephesos und Smyrna nur vom Brote spricht? In Trall., Rom. und Phil, werden beide Elemente genannt, immer in der Reihenfolge Brot (Fleisch, Speisen) — Trank (Blut, Kelch); dabei wird Trall. 8,1 das Fleisch des Herrn gleich Glaube, sein Blut gleich Liebe gesetzt, vgl. Rom. 7,5, wozu man Eph. !) S. 301. 2 ) Gesch. Studien, A. Hauck dargebr., Leipzig 1916, 34ff.
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14,1 verwerten kann. Daß Ignatios die von den Philippinern eingeführte und von Mt laut Auslassung des fierä ro Semvfjaat übernommene Verbindung der geschlossenen Eucharistie mit der Gebetsversammlung und ihre Trennung von der Agape befolgt, ergibt sich mir aus Smyrn. 6,2 in Verbindung mit 7,1: Dort ist von der Agape als Speisung von allerlei Bedürftigen die Rede, hier von evxaQiazia xal jiQoaevxrj. Aber Smyrn. c. 7 deutet wiederholt auch auf av^rjtovvrsQ und ßSQia/ioi in Sachen der beiden Eucharistie-Typen in Antiochia und mahnt, ngoae^eiv r& evayyeXim, ev $ t o na&oQ fi/xiv öeöijXwrai xal f j äväaxaaig rexeXsiojxat (vgl. rr/v £v%a.Qiaxiav adQxa elvai TOV amrfjQog xrjv vneq T&V AJXDQXWW na&ovaav fjv r f j XQTJAXOXRJXI RMc Mc 1,2-3. 4b. 5b. 6-8 291 3,16b—17 291 3,22-30 292 4,24b 293 4,30-32 293 7,1-23 293 9,47-50 293 10,10-12 294 10,30. 31 294 11,25 294 ll,llb-14. 20-24 295 12,28-34 295 14,3-9 295 14.25 297 315 Lc 19,45-48 20,1-8 316 Ur-Lct (Ur-Mc-Bereich) > RMc Mc 14,12-18 a 299 14,53-15,1 303 16,1-6 306 11,1-10 309 Lc 3,18-20 314 22,49-51 314 23.26 315 23.44 311 23.45 313 Apokalyptische Stücke im Ur-Lc„u. RLc Lc 21,8—36 (> RMc > Mt) 318 12,8-12 (RLc) 325 12,35-48 {RLc) 327 19,11 ß. (RLc) 327 11,49-51 (RLc) 327
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Register
Wichtige Änderungen des RLc am Ur-Lci 329 Lc 4,16-30 329 5,1-11 8,19-21 329 330 10,1-20 332 22,24-27 22,21-23 333 22,31-34 333 333 23,25 333 24,12 Streichung von Ur-Mc durch l Mc 14,51 f . 328 Streichung von Ur-Lc% (Ur-Mc) durch RLc 334 Mc 2,27 334 4,26-29. 33-34 334 8,32-33 334 10,1-9 334 14,28 334 14,57f. 60 f . 15, 29f. 334 15,34-37 Streichung von Ur-Lc2 (Q) durch RLc Mt 5,23 336 336 6,1-8. 16-18 336 10,5-6 20,1-15 337 21,28-32 337 21,10-11.14-16 337 21,43 337 23,16 ff. 337 Zusätze des RLc an geschichtlichen Perikopen: 337 1. Die Vorgeschichten Lc 1 u. 2 340 2. Jüngling zu Nain Lc 7, Uff. 308 3. Die Siebzig Lc 10 330 4. Zur Leidensgeschichte
338
an Reden und Gleichnissen: 339 Lc 13,1-5 14,7b—16a 11,5-8 16,1-12.14-15
Lc 17,7-10 a 18,1-9 14,28-32 Der Stammbaum Jesu 342 Der Marcus-Schluß 345 Die Erscheinungen des Auferstandenen 361 Mammon 30, 69, 285, 286, 318, 477, 487, 489 Maria Magdalena 151, 406, 745 Markion 428, 536, 582, 618, 695, 726 Markus-Ev, Ur-Mc, RMc 261, 266, 299, 465, 545 RMc vgl. unter Lukas-Ev Mc-Schluß 345 Matthaios 26, 150, 243, 284, 445, Matthaeus-Ev 281, 307, 432, 445, 564 Meliton 590, 593 Menschensohn 319, 405, 485 Messias 26, 87, 484, 498 Muratorianum 136, 249, 605, 623, 654, 660
398,
696, 291,
463 545,
641,
Neoteriker 169, 187, 427 Nikolaiten 424 Novatianer 690, 701, 737, 743 NT von Ephesos 516, 526, 535 Ordo der Evangelien (Reihen a, b, c) 664 Ordo der Paulusbriefe 599, 606, 674 Origenes 594; 647 (Hexapla), 650 Ostern in Phüippi 55 n. Chr. 358, 602 Papias 137, 164, 235, 239, 367 Papyrus Bodmer I I 723 Parusie 487; 490 (Enttäuschimg) Pastoralbriefe 424, 624, 640 Paulus 215; 415 (Beziehungen zur gens Sergia), 492, 556 ; 642 (angebliche spanische Reise) Paulusbriefe Glossierung durch Silas 434, 443, 557, 600, 603, 606
Register Petrinische Bewegung 444, 564 Führer und Parole 462 Petrus 407,438,446 Petruabriefe 447,458 Philippos und Philippiner 52, 86, 102, 237; 263 (Verhältnis zu Petrus), 276, 355, 422, 465, 507, 545, 554, 563 Philon 11,563 Phlegon 447 Piatonismus 12, 65, 519 Pneuma 16, 24, 35, 52, 62, 103, 107, 176, 182, 220, 273, 292, 324, 498 Polykarpos 176, 221, 528, 575, 577, 582, 617 Polykrates von Ephesos 237 Prädestination bei HJoh 11, 36 und passim bei Silas 438,440 Priestertradition vgl. Qumran-Texte Praevulgata 714 (Stemma) Prologe zu den E w („monarchianische") 630 Prologe zu den Paulusbriefen von Tatianos 609, 629 Q-Quelle vgL Logia Qumran-Texte 10, 17, 20, 36, 66, 84, 183, 217, 220, 282, 326, 406, 420, 422, 426, 439, 442, 456, 483, 499, 572 und öfter Reginensis, Argumentum 136 Reiche, die beiden 437 Reich-Gottes-Hoffnung 487 in den Bekenntnissen 501 Reine Speisen 276 Rolle und Codex 560 Rom 575, 612 Römerbrief-Schluß 693 Römische Ausgabe w t 626 Römische Ausgabe w2 646 Salbung in Bethanien 295 Sapientiae 588, 657 Schallanalyse 257, 584
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Schlag mit dem Schwerte 314 Scilitani 620 Sieben Briefe 197, 548 Silas 424, 430, 435, 440, 473, 475 ; 478 (Name), 496, 779 Silas und Lukas 469 Simon von Kyrene 315 Sohn Gottes 74 Staat, Stellung zum 441, 488, 492 Stammbaum Jesu 342 Streichungen a) durch Ur-Lcj 328 b) durch RLc 334 c) durch Mt 281, 289 Vgl. Syiopse 388 Subskriptionen der E w 365 Sünde 109, 177, 182, 274 Symbolische Gestalten der E w 668 Tatianos 542, 609, 623, 670, 702 Täufer-Schüler 20 Tempel 31, 489 Tempelreinigung 31, 315; 316 (Vollmachtsfrage) Teufel 68, 493 Thaddaios 204 Thallos 312, 314, 317, 341 Theophilos von Antiochia 1. bei Lukas 365, 446, 550 2. um 180 n. Chr. 246 Thessalonicherbriefe 438 Thomas 126,209 Thomas-Evangelium 210, 581 Timotheos 162, 475, 552, 600, 602 Tractatus de aleatoribus 640 Urschriften (ägxela) bei den Altpaulinern 539, 543 Urtext (Methode der Herstellung) 735 Varus, P. Quinctilius 415 Vaterunser 336, 578, 726 Verfassernamen 551, 561 Verstockungstheorie 87, 261, 287 Victor, römischer Bischof 624; 635 (Theologie), 661
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Register
Vorgeschichten des Lc c. 1 und 2 340 Vulgata 682 (ihre Deszendenz nach E. Diehl), 709, 713, 722 Weinberg-Gleichnis 288 Weissagungsbeweis 32 Welt 18 Weltheiland 43
Zephyrinos 660 Zerreißen des Tempelvorhangs Zwölf Zeichen in ZJoh 142 Apostel 330, 356, 398, 409
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