Vier urchristliche Parteien und ihre Vereinigung zur Apostolischen Kirche I [Reprint 2021 ed.] 9783112545843, 9783112545836


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German Pages 416 [422] Year 1962

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Vier urchristliche Parteien und ihre Vereinigung zur Apostolischen Kirche I [Reprint 2021 ed.]
 9783112545843, 9783112545836

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN S C H R I F T E N D E R S E K T I O N FÜR

ZU

BERLIN

ALTERTUMSWISSENSCHAFT

24

VIER U R C H R I S T L I C H E PARTEIEN UND IHRE V E R E I N I G U N G ZUR APOSTOLISCHEN K I R C H E I VON

WILHELM HARTKE

A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L I N 1961

Wilhelm Hartke ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktoren dieses Bandes: Hans-Ulrich Delius und Christa Samberger Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1961 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/95/61 Satz, Druck und Einband: Druckhaus ..Maxim Gorki**, Altenburg Printed in Germany Bestellnummer: 2067/24/1 • ES 1 M • Verkaufspreis für beide Bände: DU 1 3 8 , -

In ehrfürchtigem Gedenken an CHRISTOPH BLUMHARDT und in dankbarer Erinnerung

an meine Lehrer

ERWIN ROHDE UND KUNO FISCHER, U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, H. DIELS UND A.v. HARNACK, H. USENER UND F. BÜCHELER gebe ich diese Arbeit nun zum Druck. Sie hat mich im Anschluß an meine theologische Dissertation seit 1917 immer neben meinem H a u p t beruf beschäftigt; sie hat mich sogar im Zuchthaus Bautzen in den J a h r e n 1943 bis 1945 wenigstens an den Sonntagen erfrischen dürfen dank der heimlichen Sympathie des aus der Brüdergemeine hervorgegangenen, leider inzwischen verstorbenen Abteilungsleiters K r u p p a und der Anteilnahme des Zuchthauspfarrers Lange. Der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin verdanke ich die Möglichkeit der Drucklegung und Herrn Dr. Hans-Ulrich Delius die Redaktion des Werkes. Bei der Korrektur haben die wiss. Assistentin Fräulein Christa Samberger und Herr stud. phil. Diethard Nickel mit hingebender Arbeit, und von Seiten des Verlages hat Frau Annemarie Hübner m i t ihrer technischen Erfahrung mir wertvolle Hilfe geleistet. Berlin-Johannisthal, im J a h r e 1961

Wilhelm H a r t k e

Inhaltsverzeichnis Band I

Abkürzungsverzeichnis

XIV

Erstes Buch: Johannes und die Synoptiker Erster Teil: Die Schriften des Johannes

I. Die drei literarischen Schichten Z, V und H des JohannesEvangeliums. Text und Kommentar

3

Z, V und H ßind nach Theologie und Sprachgebrauch deutlich verschieden. V hat den Z nur durch Zufügungen verändert, ebenso H den Z und V.

II. Die Grundschrift Z und ihr Verfasser

129

I h r erster Satz ist in J o h 1,6 e r h a l t e n ; sie liegt v o n 1,19 bis 12,37 z u g r u n d e ; ihr Schluß war 20,30 —31a. Z ist im J . 43/44 v o m Apostel Johannes diktiert u n d von J o h a n n e s Marcus in J e r u s a l e m geschrieben worden. N a c h r i c h t e n bei Epiphanios, im Muratorianura, in einigen A r g u m e n t a u n d in der Corderius-Catene, die auf P a p i a s zurückgehen. Z bietet zwölf „Zeichen des Messias J e s u s " u n d setzt den Ur-Mc voraus.

III. V oder das Ur-Johannes-Evangelium und sein Verfasser. . . . 143 Derjenige, der Z bearbeitet u n d u m die Darstellung des Leidens, Sterbens u n d der Auferstehung sowie u m den Prolog v e r m e h r t h a t , ist Johannes Marcus. Dieser ist „der J ü n g e r , den J e s u s lieb h a t t e , " u n d der Alte v o n Ephesos; seine Mutter ist Maria Magdalena. Chronologie der J a h r e 33 — 64.

IV. Die zwei literarischen Schichten V und H in den Johannesbriefen 168 H ist der Herausgeber des E v u n d der Briefe.

V. Die eigentümlichen Wörter und Ausdrücke der drei Schichten . 189 VI. Die Persönlichkeit des Herausgebers des Corpus Johanneum . . 1 9 5 H h a t die Apokalypse „des J o h a n n e s " v e r f a ß t . Der Herausgeber der J o h - S c h r i f t e n u n d Verfasser der Apokalypse ist Judas Barsabbas, Sohn der „ a n d e r n " Maria, Bruder des J o s e p h B a r n a b a s u n d des J a k o b u s des Kleinen, V e t t e r des J o h a n n e s Marcus u n d zugleich naher Verwandter J e s u . E r f ü h r t sich J o h 14,22 selbst m i t N a m e n ein, ist von seinem F r e u n d e Lukas als J u d a s J a c o b i in die Apostelverzeichnisse a u f g e n o m m e n worden, ist identisch m i t J u d a s J a c o b i , d e m Verfasser des J u d a s b r i e f e s ; er h a t auch in die A p o k zwei A n d e u t u n g e n auf seine Person hineingebracht. Ausgegangen von J e r u s a l e m , h a t er in D a m a s k u s ge-

VI

Inhaltsverzeichnis arbeitet, in Antiochia eingegriffen u n d sich später in Phrygien ein Wirkungsz e n t r u m geschaffen. E r ist Täuferschüler gewesen u n d im Grunde immer geblieben. E r ist der leidenschaftliche Feind u n d Verfolger des P a u l u s . D a s Corpus J o h a n n e u m ist nachweislich im J . 92, während der domitianischen Verfolgung herausgegeben.

VII. Die johanneische Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs 223 Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes Einleitung: Beziehung zwischen V (Ur-Joh-Ev) und Mc I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

257 260

E s sind zwei Schichten des Mc zu unterscheiden, ein Ur-Mc, geschrieben im J . 43 von J o h a n n e s Marcus im A u f t r a g e des P e t r u s . Der Ur-Mc ist die eine H a u p t q u e l l e f ü r den Ur-Lc. Der Ur-Mc wurde u m 70 redigiert z u m RMc durch einen PhilipposSchüler.

II. Das Verhältnis des Mc zu Mt

278

HMc ist die eine Hauptquelle für Mt.

III. Das Verhältnis des Lc zu Mt

278

Es sind zwei Schichten des Lc zu unterscheiden, ein Ur-Lc, im J. 48 kombiniert aus Ur-Mc und Q. Der Ur-Lc ist die zweite Hauptquelle des Mt. Der redigierte RLc wurde als letztes E v ca. 95 ediert.

IV. Feststellung der Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt 290 Klärung der angeblichen Widersprüche zwischen Ur-Mc und Ur-Joh.

V. Zusammenfassung der literarhistorischen Ergebnisse a) Probe am Mc-Schluß und an der Überlieferung der Erscheinungen des Auferstandenen b) Bestätigung der erschlossenen Jahreszahlen durch die auf Papias zurückzuführenden Subscriptionen c) Das Stemma der neutestamentlichen Überlieferung über Jesus

345 345 365 369

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh 369 VII. Q — ein zu Lebzeiten Jesu geführtes Tagebuch

371

Die latente chronologische Ordnung dieses Tagebuches stimmt mit der offenen Ordnung des Ur-Joh überein.

VIII. Die Einstimmigkeit des Gesamtaufrisses der drei letzten Jahre Jesu bei Ur-Joh und Q mit Ur-Mc 381 Synopse dieser drei Urschriften. Vergleich m i t dem Testimonium F l a v i a n u m .

Inhaltsverzeichnis

VII

Band II Zweites Buch: Die Entstehung des Neuen Testamentes Erster Teil: Die Entstehung der una sancta catholica et apostólica ecclesia und eines Kanons heiliger Schriften dieser Kirche in der Zeit Domitians Einleitung: Übersicht über die Geschichte des Urchristentums bis zur Zeit Domitians 405 A. Die Entstehung der katholischen Kirche

423

I. Die erste Phase: Der Kampf zwischen den Paulinern und den Deuterojohanneern um die Herrschaft in Ephesos 423 K a m p f des zur Verkirchlichung neigenden Pauliners Silas noch im N a m e n des Paulus gegen zwei F r o n t e n , die von Phrygien her in Ephesos eindringende G r u p p e des Deuterojohanneers J u d a s B a r s a b b a s u n d die interne Gruppe der radikalisierten, „neoterischen" Altpauliner. D o k u m e n t dieses K a m p f e s ist die Katholische Paulus-Ausgabe des Silas, welche die Pastoralbriefe, Zusätze z u m Kolosserbrief, die Bearbeitung des Laodikenerbriefes zum heutigen Epheserbrief u n d einige Zusätze zu den übrigen Paulusbriefen brachte, u m den echten P a u l u s zu katholisieren. Zugleich m i t der Katholischen Paulus-Ausgabe erschienen m i t ironischer Tendenz das redigierte Lc-Ev (RLc) u n d die Apostelgeschichte des Lukas. Dieser f ü h r t e damals die Philippiner, wurde Mitarbeiter des Silas, s t a n d aber zugleich in n a h e r Verbindung m i t J u d a s Barsabbas.

II. Die zweite Phase: Die petrinische Bewegung

444

Die Agitation der Kephasleute. Das Erscheinen des Mt-Ev von Antiochia her als Exponent der Einheitsbestrebungen unter der Parole „Petrus lind die Apostel".

III. Die dritte Phase: Die Gründung der Einen, katholischen und apostolischen Kirche in Kleinasien 447 a) Dokumente dieser Bestrebungen 1. Der erste Petrusbrief

447 447

Sein Verfasser ist Silas.

2. Der Judasbrief

452

Judas Barsabbas hat den Kern verfaßt, Silas ihn bearbeitet.

3. Der zweite Petrusbrief

458

Der alte Lukas hat ihn verfaßt und auch seinerseits den Judasbrief verarbeitet. Planvolles Zusammenarbeiten von Silas und Lukas.

b) Die Führer und die Parole Silas als F ü h r e r der zur katholischen Einigung bereiten Pauliner u n d L u k a s als F ü h r e r der Philippiner b e m ü h e n sich, m i t der Parole „ P e t r u s u n d P a u l u s " den n a c h d e m Ausscheiden des J u d a s B a r s a b b a s zur Verständigung bereiten Teil der J u d a s l e u t e heranzuziehen u n d m i t den antiochenischen P e t r u s l e u t e n k o n f o r m zu gehen.

462

VIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Silas und Lukas

469

a) Zusammenarbeit an Petr und Jud und gegenseitige sprachliche Beeinflussung 469 b) Die ß-Rezension

469

Sie ist vollzogen von Silas, hauptsächlich an den Schriften des Lukas = Lucius Cirinensis, qui manet usque adhuc (/¡-Zusatz zu Apg 13,1). Die Nachrichten über Lukas.

c) Die neoterischen Pauliner als gemeinsame Gegner von Silas und Lukas 482 d) Gemeinsamkeit der grundlegenden Anschauungen bei Silas und Lukas 482 1. Die Christologie

482

Der Versuch, den Titel „Sohn Gottes" zu verdrängen.

2. Die Lehre von der Parusie

487

Die Abkehr von der Hoffnung Jesu auf Gottes Herrschaft auf Erden und als Folge die Abschwächung des Protestes gegen die Teufelsherrschaft des Mammon in „allen Heichen der Welt".

3. Die Lehre vom Volk Gottes

502

Gestaltung des Kirchenbegriffs unter dem Einfluß der jüdischen Kreiskirchenidee.

a) Der Sinn des Aposteldekrets als negative Definition der Kirche 503 ß) Die positive Definition der Ordnungen der Kirche . . 5 1 3 B. Die Entstehung eines Kanons heiliger Schriften der Katholischen Kirche 516 I. Das Neue Testament von Ephesos

516

E s ist zusammengefügt aus den von vier christlichen Gruppen in Antiochia u n d Kleinasien (den Petrinern, den Philippinern, den J u d a s l e u t e n u n d dem Silas-Flügel der Pauliner) bisher b e n u t z t e n heiligen Schriften.

II. Nichtzugehörigkeit des Hebräerbriefes und des Jakobusbriefes

. 518

H e b r ist v e r f a ß t von J o s e p h J u s t u s B a r n a b a s , J a k von J a k o b u s d e m Kleinen; diese beiden sind die Brüder des J u d a s Barsabbas. Entstehungszeit, Adressaten u n d Tendenz dieser Briefe. Sie waren noch nicht geschrieben, als das Neue Testam e n t von Ephesos zusammengestellt wurde.

III. Das Neue Testament von Ephesos, nach Umfang und Ordnung erhalten im Catalogus Mommsenianus 526 IV. Die von Silas besorgte ^-Rezension — der Text des Neuen Testamentes von Ephesos 527 T e x t f o r m u n d Bücherreihen als objektive Kriterien der Kanonforschung. Ü b e r die Perikope der Ehebrecherin.

Inhaltsverzeichnis

IX

Zweiter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Kleinasien Einleitung : Die Vorstufen des Neuen Testamentes von Ephesos . . . 535 Sie sind zu erschließen a u s der Ordnung des Catal. Mommsenianus, Markion u n d Ignatios.

A. Die Entwicklung des Kanons bis zum Neuen Testament von Ephesos 543 I. Die Stufen der Entwicklung a) Die Urschriften über Jesus

543 543

Die Logia, zu Lebzeiten Jesu entstanden, Ur-Mc, im Jahre 43, die Grundschrift des Joh-Ev = Z, im Jahre 44 entstanden.

b) Kontaminierungen der Urschriften über Jesus

544

Ur-Lc 1 , 48 a u s Ur-Mc u n d Logia = Q k o n t a m i n i e r t , bald n a c h 70 z u m TJr-Lc s weiterentwickelt. Ur-Mc bald n a c h 70 kombiniert m i t Philippos-Erinnerungen u n d Stücken aus Ur-Lc a z u m RMc. E r "wurde d a s Evangelium der Philippiner. Mt in Antiochia zur Zeit Domitians aus RMc u n d Ur-Lc z kombiniert. E r wurde das Evangelium der Petriner.

c) „Der Herr" und „der Apostel" Paulus

546

Ein zweiteiliger Kanon, bestehend aus Ur-Lc s und der Altpaulinischen Sammlung echter Briefe des Paulus.

d) Der Herr und der Apostel Johannes

547

Ein dreiteiliger Kanon der Deuterojohanneer, bestehend aus Joh-Ev, den Joh-Briefen, beide bearbeitet von H, und der Apokalypse, verfaßt von H .

e) Erstes Eingehen des Deuteropauliners Silas und des Philippiners Lukas auf die Einigungsbestrebungen 548 Die Devise i s t : Der H e r r u n d die Apostel, besonders P e t r u s , J o h a n n e s , Philippos, vorwiegend noch P a u l u s . E s e n t s t e h t ein dreiteiliger K a n o n , bestehend aus R L c , der Katholischen Paulus-Ausgabe u n d der Apostelgeschichte, in Kleinasien.

f) Das Neue Testament von Ephesos

557

E s umfaßt alle Schriften des heutigen Neuen Testamentes, außer Hebräer und Jakobusbrief, und ist geschaffen von Silas und Lukas mit dem Text der jÖ-Revision während der domitianischen Verfolgung.

II. Der vom Synedrion von Jabne festgestellte Kanon des Alten Testamentes als Vorbild des kurz danach festgestellten Neuen Testamentes von Ephesos 559 III. Entwicklung, Art und Begründung der Autorität eines Schriftenkanons im Christentum 561 IV. Beziehungen zwischen der fertigen Großkirche und der Sekte von Qumran 572 V. Der Erfolg der katholischen Bewegung

574

X

Inhaltsverzeichnis

a) Die Führer und die wichtigsten Mitarbeiter

574

F ü h r e r sind Silas u n d L u k a s .

b) Die synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern . 576 c) Der Kanon des Neuen Testamentes von Ephesos im Evangelium der Wahrheit und im Evangelium nach Thomas . . 580 d) Die Gegner

581

1. Die Altpauliner

582

Von ihnen ausgegangen ist Markion; dessenVersuch, auf dem F u n d a m e n t e der echten Paulusbriefe eine reformierte Kirche zu errichten.

2. Die häretischen Ebioniten

583

B. Die Weiterentwicklung des Neuen Testamentes von Ephesos zur Kleinasiatischen Bibel 585 I. Die im Kanon des Epiphanios vorliegende Kleinasiatische Bibel . 585 H e b r u n d J a k sind aufgenommen. Dieser K a n o n ist d e m U m f a n g e nach schon gleich, der Ordnung nach noch verschieden vom heutigen Neuen T e s t a m e n t . E r h a t die F r o n t gegen die Markioniten als weiterentwickelte Âltpauliner u n d gegen die Montanisten ala weiterentwickelte J u d a s l e u t e . Dieser K a n o n ist auf kleinasiatischen Synoden beschlossen worden.

II. Der durchschlagende Erfolg der Kleinasiatischen Bibel und ihre Bezeugung 592 Dritter Teil: Die Entwicklung des Kanons in Rom Einleitung: Die Entwicklung des Ordo der Paulusbriefe von Timotheos bis Tatianos 599 Die Rezipierte Reihe ist die erste offizielle Reihe der römischen Großkirche. Die Reihe des catalogus Sinaiticus. Die sogenannten markionitischen Prologe gehören zur Paulus-Ausgabe des T a t i a n o s ; ihre richtig geordnete Reihe s t i m m t m i t der des Catalogus Sinaiticus überein.

A. Die Entwicklung des Kanons in Rom bis zum Ende der Graecitas unter Papst Zephyrinos 612 I. Die Stufen der Entwicklung Vorbemerkung: UrStadium in Rom bis zur Zeit Justins

612 . . .

Die erste Stufe

.612 616

Markion h a t die kanonische Geltung der Paulusbriefe in R o m eingeführt. Der zweiteilige K a n o n Markions (verfälschtes Lc-Ev, 10 verfälschte Paulusbriefe).

Die zweite Stufe R e a k t i o n der Großkirche R o m s gegen Markion, g e f ü h r t von P a p s t Aniketos (die vier getrennten E v v in der Rezipierten Reihe, die 10 von Markion a n e r k a n n t e n Briefe, d. h . 9 Gemeindebriefe u n d der Philemonbrief, in kirchlicher F o r m ) . W i r k u n g auf Theophilos von Antiochia.

616

Inhaltsverzeichnis Die dritte Stufe

XI 622

Der dreiteilige K a n o n des Tatianos (Diatessaron, Apg, die Paulus-Ausgabe des Tatianos, umfassend 9 Gemeindebriefe, Titusbrief, Philemonbrief).

Die vierte Stufe

623

Der E r g ä n z t e Dreiteilige K a n o n der Großkirche (4 E v v in der Rezipierten Reihe, Apg, alle 13 Paulusbriefe, die Pastoralbriefe also sanktifiziert, in der Reihe des Tatianos), eingeführt d u r c h den E r s t e n Synodalbeschluß u n t e r P a p s t Victor in dessen ersten J a h r e n . Dieses wichtige S t a d i u m wird w x g e n a n n t . W i r k u n g auf Syrien.

Genauere Untersuchung der Ausgabe wx a) Der zweisprachige Text von wx

626 626

Die lateinische Übersetzung war interlinear geschrieben.

b) Die Ausstattung von w1( insbesondere die Prologe

629

Die sogenannten monarchianischen Prologe zu den E v v u n d Apg sind nicht monarchianisch-häretisch u n d nicht einheitlich. Die Grundlage der fälschlich so genannten „ m o n a r c h i a n i s c h e n " Prologe w a r der von Victor f ü r Wj verfaßte Prolog zu den n a c h der Rezipierten R e i h e geordneten E v v u n d Apg. Der Prolog ist v o n Hippolytos bearbeitet worden.

c) Die Theologie Victors nach den ursprünglichen Prologen . . 635 D a s Verhältnis Hippolyts zu Victor. Auseinandersetzung m i t de B r u y n e .

d) Zusammenfassung

639

Zur Ausgabe w x gehörten der von Victor v e r f a ß t e Prolog zu den E v v u n d der von Victor ergänzte Tatian-Prolog zu den Paulusbriefen. Die Ausgabe w , entspricht nach U m f a n g , Divisio u n d Ordo genau dem Catalogus Sinaiticus (ohne H e b r ) .

Die fünfte Stufe

640

Neue Unklarheit e n t s t e h t infolge des A u f k o m m e n s der enthusiastischen Bewegung, die, von Phrygien ausgegangen, d u r c h Theophilos von Antiochia u n d im Westen d u r c h Eirenaios gefördert wurde u n d die Vorläuferin des Montanismus in R o m wurde. Victor geht auf sie ein, wie der t r a c t a t u s de aleatoribus zeigt, jedoch m i t Vorsicht. Die P n e u m a t o m a c h e n b e k ä m p f e n sie. Der Bestätigungsbeschluß, d. h. der im ersten Teil des Muratorianum e n t h a l t e n e (zweite) Synodalbeschluß aus der Zeit Victors bestätigt ausdrücklich als kanonisch n u r den E r g ä n z t e n Dreiteiligen K a n o n , öffnet aber d u r c h Zitierung den K a n o n für alle Johannes-Schriften. E s e n t s t e h t der Geöffnete Dreiteilige K a n o n (w 2 v ) in der F o r m : E v v (in der Reihe Mt-Mc-Lc-Joh) —Apok—3 Joh—Apg—13 Pls. Dieser K a n o n ist f a ß b a r a n d e m Vorfahr der Codices D .

Die sechste Stufe

646

Diese Stufe war eine Leistung des Hippolytos in R o m : Die Ausgabe w 2 v der f ü n f t e n Stufe erscheint als w 2 H in vornehmer A u f m a c h u n g in zwei K o l u m n e n per cola et c o m m a t a m i t d e n bearbeiteten Prologen: die E v v plus Apg — erhalten im Codex D e a ; die Paulusbriefe — erhalten im Codex D p . Beziehung zur H e x a p l a des Origenes.

Die siebente Stufe Der aus der Bearbeitung der sogenannten monarchianischen Prologe zu erschließende canon ordinatus des Hippolytos, d . h . die E i n f ü h r u n g der Kleinasiatischen Bibel in R o m , jedoch ohne H e b r , m u ß von Hippolytos schon länger gefordert worden sein. E r h a t sie für seine Sondergemeinde realisiert. Dies wird in der Inschrift auf der bald nach 222 gesetzten S t a t u e des Hippolytos e r w ä h n t .

649

XII

Inhaltsverzeichnis

Die achte Stufe

653

Der Montanismus, begünstigt durch die neue Verfolgung unter Septimius Severus, hat eben die Anerkennung durch Papst Zephyrinos erlangt, da stimmt der kleinasiatische Confessor Fraxeas diesen am. Das Amendement, enthalten im zweiten Teil des Muratorianum (beschlossen auf einer dritten Synode in Kanonsachen), macht Front gegen den Montanismus und beurteilt den Kanon der Kleinasiatischen Bibel nach dem schon von Victor im Bestätigungsbeschluß angewandten Maßstabe: Schriften, die keine Briefe sind, müssen apostolisch autorisiert, Briefe müssen apostolisch und „katholisch" sein, entsprechend einem Grundsatze des römischen Hechts. Kaiser Septimius Severus und Papst Victor sind beide Afrikaner. Nachwirkung der drei römischen Synodalbeschlüsse.

I I . Geschichte des Ordo der Evangelien

664

I I I . System und Geschichte der symbolischen Gestalten der vier Evangelien und der Initialexegese 668 Beides stammt von Tatianos. Erklärimg des Wortes Diatessaron.

I V . Geschichte des Ordo der Paulusbriefe

674

B. Kampf und Sieg der Latinitas im Westen bis zur Entstehung der Vulgata 680 Vorbemerkung: Das Aufkommen der lateinischen Kirchensprache in Rom und in Afrika 680 I. Die mit dem griechischen Text verbundene lateinische Übersetzung in Wj und w 2 682 II. Die beiden getrennten lateinischen Übersetzungen im Stadium w 3 685 a) Die freie Übersetzung w 3 K und ihre Bezeugung

685

b) Die Übersetzung w 3 N und ihre Bezeugung

686

c) Der Kanon w 3 K der römischen Großkirche

687

Er umfaßt die ganze Kleinasiatische Bibel einschl. Hebr und darüber hinaus Hermas, Acta Pauli, Apoc. Petri, liegt vor im Catalogus Claromontanus. Dieser zeigt durch Abstreichungen, daß er mit dem canon ordinatus wa des Hippolytos verglichen worden ist. w 3 K ist unter Papst Callistus bald nach 217 entstanden.

d) Der Kanon w 3 N des Novatianus

690

Er umfaßt die ganze Kleinasiatische Bibel einschl. Hebr und nichts darüber hinaus, führt die inzwischen in Caesarea geschaffene Synthese des TJmfangs der Kleinasiatischen Bibel mit den Ordnungsmomenten des Aniketos vom J. 154 in Rom ein (Divisio: Evv-Apg-Pls; Ordo: Rezipierte Reihen). w s N ist um 251 herausgegeben.

I I I . Die ganze Geschichte des Kanons, aufgezeigt an der Überlieferung des Schlusses des Römerbriefes 693

Inhaltsverzeichnis

XIII

IV. Zur Geschichte des Textes in Rom

696

V. Die Frühgeschichte der D-Codices — ein Kompendium der Kanongeschichte 699 VI. Stellungnahme zum gegenwärtigen Stande der Tatian-Forschung 702 VII. Die Entstehung der Vulgata aus der Übersetzung Novatians w 3 N a) Vergleich des Umfangs, der Reihen und der Aufmachung von w3Kundw3N b) Mischungen zwischen beiden Übersetzungen c) Die Vulgata des Hieronymus

709 710 712 713

Sie ist entstanden, als Rom das Zentrum der Altnikäner war und die Novatianer wieder starken Einfluß hatten.

VIII. Das Stemma der Praevulgata-Codices mit illustrierenden Beispielen Zusatz 1: Der Papyrus Bodmer I I Zusatz 2: Die Chester-Beatty-Papyri Zusatz 3: Wichtige, seit Markion kritische Stellen der Paulusbriefe

714 723 724 726

Vierter Teil: Die Synthese der Kleinasiatischen Bibel mit den Ordnungsmomenten des Aniketos-Kanons und der Sieg des Urtextes über den Rezensierten Text I. Der Kanon in Syrien

733

II. Der Kanon in Ägypten

734

I I I . Die Zusammenarbeit Roms mit Alexandria und Caesarea . . . 736 IV. Athanasios V. Die Methode der Herstellung des unrezensierten Urtextes

737 . . 739

VI. Die Geschichte des neutestamentlichen Kanons in einem Schema (siehe Ausschlagtabelle)

Anhang I: Maria Magdalena und die andere Maria

745

Die Familie des Johannes Marcus und die des Judas Barsabbas. Johannes war der Sohn der Maria Magdalena, die nach Ephesos ausgewandert, dort gestorben und in der Siebenschläfergrotte beigesetzt worden ist. Judas war der Sohn der „andern" Maria, Vetter des Johannes Marcus, aber auch mit Jesus nahe verwandt.

Anhang II: Die Berichte über das Herrenmahl

761

Abkürzungsverzeichnis

AT B

Altes Testament W. Bauer, Das Johannes-Evangelium, Handbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. H. Lietzmann, Bd. 6, 3. Aufl. 1933

Bu

Hs

R. Bultmann, Johannes-Evangelium, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, begründet von H. A.W. Meyer, Bd. 2, 10. Aufl. 1941 Handschrift

LA NKZ NT

Lesart Neue kirchliche Zeitschrift Neues Testament

ThR Theologische Bundschau ThStKr Theologische Studien und Kritiken ThW

Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Kittel

TU

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, hrsg. v. der Kommission für spätantike Religionsgeschichte an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin H. Windisch, Die Katholischen Briefe, Handbuch zum Neuen Testament, hrsg v. H. Lietzmann, Bd. 15, 2. Aufl. 1930

W ZKG ZNW

Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft

I. Die drei literarischen Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

Nachdem ich als junger Mensch an Christoph Blumhardt erlebt habe, daß ein Gefolgsmann Jesu heutzutage entschiedener Sozialist nicht nur sein kann, sondern sein muß, möchte ich jetzt mit philologischer Methode zeigen, daß auch nach der ältesten Schicht der neutestamentlichen Schriften der Sturz der Teufelsherrschaft des Mammon und die Aufrichtung des Reiches der grenzenlosen göttlichen Liebe auf Erden das Herzstück des Wortes und Werkes Jesu gewesen ist. Wer die Entstehung des Neuen Testaments und damit das Urchristentum verstehen will, muß das schwierigste Einzelproblem, die Entstehung des Johannes-Evangeliums, anpacken und eingehend behandeln. Ich unterscheide erstens eine sehr alte Grundschrift, welche „Zeichen" des Messias Jesus zusammengestellt hat, und nenne sie Z. Für diese Grundschrift sind mir im Jahre 1922 die Augen geöffnet worden durch einen Aufsatz von A. Faure 1 ). Ihr erster Satz ist in J o h 1,6 erhalten; sie liegt von 1, 19 bis 12,42 zugrunde; ihr Schluß war 2 0 , 3 0 . 3 1 a ; zweitens die erste Bearbeitung dieser Grundschrift Z, verbunden mit der Vorfügung eines um 1,6 herum gedichteten Prologs und der Zufügung einer von 13,1 bis 20,31 reichenden Darstellung des Abschiedes von den Jüngern, des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu; diese Bearbeitung und Ergänzung der Grundschrift Z ist geschehen durch den Verfasser des „Ur-JohannesEvangeliums"; ich nenne ihn V; Ur-Joh ist nicht veröffentlicht worden; drittens eine starke Bearbeitung des Ur-Joh durch den Herausgeber des jetzigen Joh-Evangeliums; ich nenne ihn H. Die Bearbeitung durch H hat den ganzen Ur-Joh kommentiert und ihm das sogenannte Nachtragskapitel zugefügt. — In den Joh-Briefen finden wir nur die Stimmen V und H, in der Apokalypse nur H. Im Joh-Ev sollen also an den ersten zwölf Kapiteln drei, an den folgenden, außer dem wieder dreistimmigen Schlußwort 20,30—31, zweiStimmen unterschieden werden, „und jedermann erwartet sich ein Fest" — der Willkür. Jedoch drängte sich mir sehr früh das Vorurteil auf, daß V den *) Die at. Zitate im 4. Ev und die Quellenscheidungshypothese, ZNW 21, 1922, 99 ff. 1*

4

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

Text des Z und daß H den Text des V grundsätzlich nur durch Vor-, Einund Zufügungen verändert haben. Ich mußte mir also die Aufgabe stellen, die Stimmen so zu scheiden, daß einmal ein ungestörter Textzusammenhang, eine geschlossene Theologie und eine bestimmte Sprache für Z, zum anderen ebenso für V eine geschlossene Theologie und eine bestimmte Sprache, von c. 13 an auch ein geschlossener Zusammenhang und in den ersten 12 Kapiteln die Anlässe zu den Zusätzen des V, endlich eine geschlossene Theologie und charakteristische Sprache des H sowie die Anlässe zu den reichlichen Zusätzen des H herauskämen. Die Methode der Untersuchung mußte eine dialektische sein, und sie erforderte zunächst eine möglichst genaue Erfassung aller wirklichen Unstimmigkeiten in den Gedanken und der Darstellung des Evangeliums sowie eine möglichst weitgehende Untersuchung des Wortschatzes und Stiles. Bald von einem gedanklichen Anstoß ausgehend, suchte und fand ich stilistische Eigenheiten in dessen Umgebung, bald von auffallenden stilistischen Erscheinungen her Bruchstellen des Textes und inhaltliche Verschiedenheiten. Alle Einzelheiten mußten sich zur sprachlichen und gedanklichen Ganzheit der literarischen Leistung einer Persönlichkeit zwanglos zusammenschließen, und wenn sich, wie in unserem Falle, drei verschiedene Leistungen ergaben, so mußten hinter diesen Texten drei Persönlichkeiten erscheinen, jede in Gedanken und Sprache deutlich zu unterscheiden. Die an diese Aufgabe gewendete, nicht geringe Arbeit hat sich gelohnt. Die in die Zeit der domitianischen Verfolgung zu datierende Schicht H ist stilistisch und gedanklich eindeutig bestimmbar und sauber abzuheben. Unter dieser Übermalung kommt der unversehrte Glanz des Berichtes eines Jüngers Jesu zutage, der in jungen Jahren Jesu besonders nahegestanden hat und der in der ersten Hälfte seines Berichtes die Schrift eines der bedeutendsten Apostel Jesu aus dem Jahre 43 verwendet und vollständig erhalten hat. Durch die Übermalung aber ist das Joh-Ev zu einer im Sinne Goethes „apokryphen" Schrift geworden, und über solche schreibt er einmal folgendes: „Wichtig wäre es, das hierüber historisch schon Bekannte nochmals zusammenzufassen und zu zeigen, daß gerade jene apokryphen Schriften, mit denen die Gemeinden schon die ersten Jahrhunderte unserer Ära überschwemmt wurden und woran unser Kanon noch jetzt leidet, die eigentliche Ursache sind, warum das Christentum in keinem Momente der politischen und der Kirchengeschichte in seiner ganzen Schönheit und Reinheit hervortreten konnte." 1 ) Goethe, Maximen und Reflexionen, Schriften der Goethe-Gesellschaft 21, hrsg. v. M. Hecker, Weimar 1907, 181 Nr. 822.

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

Der

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Prolog

in ursprünglicher Gestalt I

a) 1. ' E v àgxfj

°

Aóyog, xal 6 Aóyog

TjV ngòg ròv

&eóv, xal &eòg tfv 6

b) 2. ovrog

Aóyog.

rjv èv &Q%fj nqòg ròv &eóv 3. nàvra òi' avrov èyévero, xal %QÌg avrov

c) 4. fjv rò (xaTOexo äv&gojnog — änearaXfiEvog TZOQCL &eov — fjv ovofia avrqj 'loxiwrjg s t a m m t aus der Grundschrift Z, deren erster Satz er war. U m diesen Satz herum hat V die ganze erste Strophe gedichtet. Durch die Dreigliedrigkeit dieses vorgegebenen Satzes ist die Dreigliedrigkeit der ganzen Strophe hervorgrufen worden. I n der Strophe I I herrscht Viergliedrigkeit, wie denn Paarigkeit in der hebräischen Hymnodik das Normale ist.

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

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Daß der oben zitierte Satz aus Z stammt, wird durch folgende Indizien bewiesen: Einmal sind die Worte durch absolut prosaischen Stil charakterisiert und verraten jn ¿yhero av&Qumog und rjv övoßa avrä> (so D, W, lat) alttestamentlichen Stil, der dem Prolog sonst fremd ist. Das stellt auch Bultmann in seinem kritisch-exegetischen Kommentar (hier mit Bu zitiert) fest. Die beiden genannten Ausdrücke sind im Joh-Ev auch nur bei Z belegt. Wir werden sehen, daß alttestamentliche Redeweise in prosaischem Stile gerade für Z charakteristisch ist. Zum andern hat man in 6 „nun aber stark den Eindruck, als ob der Prolog nicht ein Kunstwerk aus einem Guß wäre"; dann aber möchte man glauben, daß der Evangelist sich hier eine Vorlage nutzbar gemacht hat", urteilt W. Bauer 2 ) zur Stelle (künftig hier mit B zitiert). Jedoch anders als die sechs in den Anmerkungen zum Texte bezeichneten Stücke läßt sich Vers 6 nicht aus der Dichtung entfernen, ohne daß der Aufbau des Gedichtes zusammenstürzte. Der Vers 6, den V, der Dichter des Prologs, vorfand, enthielt drei Aussagen über das Wesen des Täufers Johannes. Der Dichter ließ sich dadurch anregen, drei Aussagen über das Wesen Jesu dagegenzustellen, wenn auch erst am Schlüsse der zweiten Strophe völlig klar wird, daß Jesus gemeint ist: Über den Täufer I eybero av&Qümog I I änEoraXßevog naQa &EOV I I I ovo/ia avrä) (seil. äv&Qomoj) 'ImawrjQ Der Täufer ist ein von Gott gesandter Mensch, eine geschichtliche Erscheinung „auf Zeit" vgl. 5 35. Der Täufer ist gekommen zum Zeugnis für das Licht der Menschen, damit alle zum Glauben kämen. Weder im Prolog noch sonst bei V bezeugt der Täufer, daß Jesus das Licht sei.

Über Jesus I ev aQxfj fjv o Aoyog I I xai o Aoyog rjv ngog rov fieöv I I I xai &eogtfv6 Aoyog In Jesus ist Fleisch geworden der ewige Gott-Logos, der die Schöpfung des Kosmos vermittelt hat. Der in Jesus Fleisch gewordene GottLogos ist selbst das Licht der Menschen, das mit der Finsternis kämpft in der Vergangenheit und in der Gegenwart. rjv TO g 4 bedeutet also: Er war das Licht; vgl. rjv 18 13 und To g xrjg £ fiov ¿Qxo/tevog 1 15.27 und ö äva>&ev (ex rov ovgavov) ¿oyo/isvog 3 31, alles Stellen aus dem H-Bereich, aber auch mit o tov xai 6 fp> xai o eQxöiievog Apok 14. Es scheint doch, daß H diesen Zusatz gemacht hat, weil er an dem praesentisch-indikativischen und universalen qjcori^ei ndvra äv&Q0>7i0v Anstoß nahm, d. h. den V nicht verstanden hatte, der sagen will, daß das Licht jedem Menschen leuchtet, also „der Offenbarer ist ohne Rücksicht darauf, ob und wie weit die Menschen sich seiner Offenbarung erschließen" (Bu 32). Es ist kein Wunder, daß ein solcher nachträglicher Zusatz zu einem Gedichte dessen Konstruktion stört und den Kommentatoren Verlegenheit bereitet: eQxo/ievov zu fjv zu ziehen, ist unmöglich (vgl. Bu); zöge man es aber zu ndvra äv&Qomov, so wäre es in dem sonst so gedankenschweren Prologe so nichtssagend, daß man schon wie Bu das äv&Qomov streichen müßte. Wir ziehen es zu o und nehmen an, daß H so versteht bzw. verstanden werden will: Der Täufer hatte nur den Auftrag, von dem echten, göttlichen Licht zu zeugen, das ja da war, und von ihm zu bezeugen, daß es jeden Menschen ins Licht stellen wird (Präsens f ü r F u t u r u m o f t bei H, z. B. 7 27.30), wenn es in die Welt kommen wird. Ich wiederhole, daß dies nicht die Meinung des V, sondern die J

2

) Vgl. die Betonung der Wahrheit in den Wüstentexten.

Hartke, Bd. I

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Erster Teil: Die Schriften des Johannes

des HrZusatzes ist, der das, was V auf die Gegenwart bezieht, in apokalyptische Zukunft transponiert. Wie in 3 31 von dem ö ävcoftev iQxöfievog, so gleitet dem H auch bei der Bearbeitung des Prologs der Gedanke von 9 ¿Qxö/ievov elg rov xoa/iov zu dem 332 folgenden xai ovöeig Aa/ißdvsi, was er 10 in dem Ausdrucke xal o xoa/xog avzov ovx eyvco zufügt. Der Ausdruck gehört dem H 1 ). Bei V war in 9-10a nur vom allgemeinen „natürlichen" Logos-Licht die Rede; der menschgewordene Logos erscheint bei V erst 14. H hat schon durch die beiden Zusätze äXrj&ivdv und EQ%O/J,EVOV elg rov xöofiov aus dem natürlichen Logos den historischen Jesus gemacht; das bestätigt er durch den Zusatz 10 „und die Welt erkannte ihn nicht". Erst durch diesen weit vorausgreifenden Zusatz wird nun auch unklar, daß V in nf. von der HeilsofFenbarung an Israel hat reden wollen. — Durch den Zusatz 10 verrät H, wie er über „die Welt" denkt, und das auszusprechen hat er sich nicht entgehen lassen, wo zum ersten und im ursprünglichen Prologe einzigen Male vom x6a/j,og die Rede war. V sieht im xöo/iog die Schöpfung Gottes durch den Logos und ist überzeugt, daß dieser Schöpfung das Licht des Logos leuchtet. Nur für H ist der xöofiog die axoria und der Gegensatz zum Lichte; f ü r V ist die Welt der G e g e n s t a n d des das Heil bringenden Lichtes und geht der Kampf zwischen Licht und Finsternis u m den Kosmos, d. h. die Menschenwelt. Nach V ist der Sohn von Gott aus Liebe zur Welt gesandt, um die Welt zu retten; nach H ist er gekommen, um „diese Welt" zu richten und zu vernichten. Jetzt steht beides im Joh-Ev, weil H seine Vorlage nur durch Zusätze in seinem Sinn verbessert, — und die Kommentatoren, die den Text des Joh-Ev nicht in Schichten, sondern auf gleichem Niveau sehen, setzen sich die nicht zu lösende Aufgabe, beides miteinander in Einklang zu bringen. 12 övo[ia bezieht sich bei V auf Gott, auf Jesus nur in Verbindung mit maxeveiv elg oder Dativ, iv, svexa, diä dv.' Irjaov ist immer H. 13 Die Schwierigkeit dieses Verses ist von Zahn 2 ) dargelegt worden, der sich ähnlich wie Harnack 3 ) für die LA bei b, Irlat (Ju, Tert, z. T. D* a), d. h. die LA der ßRezension entscheidet, den Vers jedoch als an seiner jetzigen Stelle ursprünglich ansieht. Harnack vertritt die Auffassung, daß 13 sehr früh, „noch im johanneischen Kreise", an den Rand des Textes geschrieben sein müsse, und zwar zu dem Satz 14 xai o Adyog ffdgf eyevero. Ich schließe mich Harnack an und behaupte, daß die Glossierung und die falsche und flüchtige Einschiebung der Glosse durch den Herausgeber H geschehen ist, von dem Gleiches geschehen ist in 1. Joh llb. 2 (vgl. S. 168) und öfter. Mit Zahn kann ich also sagen, daß 13 an seiner jetzigen Stelle ursprünglich ist, denn das Joh-Ev ist nur in der von H gegebenen Form veröffentlicht worden. Diese ursprüngliche Form hat sich in der ß- Rezension erhalten. Natürlich mußte die durch die flüchtige Einschiebung verursachte Inkonzinnität der Stelle den scharfsichtigen alexandrinischen Kritikern auffallen, die denn auch bei der philologischen Edition des Grundtextes des Sinaiticus und Vaticanus den heute üblichen Text (vorgefügtes ol und Umsetzung von ¿yewri&ri in den Plural) geschaffen haben. Beziehen wir 13 in der j?-Form wieder auf 14, so vertritt H hier die Jungfrauengeburt

J

) Vgl. unter yiyvojaxetv und xoafiog S. 193. ) Joh. Komm., siehe Kommentar zum NT, hrsg. v. Th. Zahn, 4, 5. 6. Auflage 1921, zur Stelle. 3 ) Zur Textkritik und Christologie der Schriften des Johannes, Sitzungsberichte d. Preuß. Akad. d. Wiss. 1915, 534ff. 2

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

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des Logos. Daß wohl H , aber nicht V auf diesen Gedanken eingehen konnte, zeigt sich gerade in der verschiedenen Auffassung der aàgi in 14 V und 13 H . V kann 14 ruhig erklären, daß der Logos oàgl; geworden sei. V weiß, daß die Welt, zu der auch der natürliche Mensch gehört, von Gott geschaffen, die Menschheit aber in die Finsternis geraten ist. V vermag die Tatsache, daß Jesus der Sohn Josephs von Nazareth ist, in allerdings ganz unjüdischer Weise mit seiner Überzeugung, d a ß Jesus der menschgewordene Logos ist, zusammenzudenken. Der Logos wohnt nach V im Leibe Jesu wie in der axrjvrj1) oder wie in einem Tempel (114 mit 2 22). Dagegen in 13 liegt (trotz Bultmann zur Stelle) ein Widerspruch zum Gedanken der Offenbarung in der Schöpfung vor. H rechnet auch die Geschlechtlichkeit zu „dieser Welt" und stellt sie in Gegensatz zu der göttlichen Sphäre, ganz im Sinne des spätantiken Dualismus, nur daß der Ausdruck qmaig fehlt. Nach dem jetzigen Texte ist nicht nur Jesus, wie es die ursprüngliche Glosse meinte, sondern sind alle Gläubigen nicht auf natürliche Weise, sondern „aus Gott", nämlich auf eine unverstehbare Weise auch als physische Wesen aus Wasser und Geist (3 5f) gezeugt, ovx ai/xdzwv ovdè ix &EÄRJFIA.TOI; aagxòg ovSè ix •deXri/iarog àvògòg zeigt den f ü r viele Zusätze des H charakteristischen Dreier-Rhythmus, vgl. 20 „und er bekannte und leugnete nicht und bekannte", dreimal das Rätselwort 115.30 und 261., drei Fragen in 1 20-25 wie noch in c. 21; dreifache Bezeichnung des Kommenden in 126f., des Ortes in 1 28; auf weitere Beispiele wird hingewiesen werden 2 ). 14b-17 jiWjQrjs wie nÄrjQovv, wofür V refeiovv sagt, und nW/Qwfia nur bei H. TtXrjQrjg ist wohl an das regierende o Aóyog angeschlossen zu denken, wie ja auch ÌQ%ófievov eìg ròv xóofiov in 1 9 sich über ndvra är&gamov hinweg auf o bezieht. — xgdCeiv ist die Rede des Apokalyptikers und Propheten und kommt nur bei H vor. Das plötzliche Auftreten und Verschwinden des Täufers wird mit Recht f ü r ein Symptom der Bearbeitung gehalten. 15 weist voraus auf 27; mit fast demselben Wortlaut weist 30 auf 27 zurück. H liebt solche Vor- und Rückverv;eisungen: So Vorweisung 112 auf 12 3 (Salbung;) Rückverweisung 12 lb auf c. 11 (Lazaros, vgl. 12 9) 446 auf 2 lff. (Zeichen von Kana) 11 37 auf c. 9 (Blindenheilung) 3 26 auf 1 26 (Wort d. Täufers) 1814 auf 11 49 (W. d. Kaiphas) 19 39 auf 3 l (Nikodemos) 21 20 auf 13 23 (Frage d. gel. Jüngers) 18 9 u n d 6 39 u n d 18 32 auf 3 14 (Erfüllung von Jesusworten) 6 65 auf 637, 824 auf 821, 1140 auf 11 4, 13ll auf 13 10, 1333 auf 7 33, 14 28 auf 1431, 1520 auf 1316, 1615 auf 1614 (Wiederholung von Jesusworten). Dergleichen ist ein sicheres Indiz für H. Die Rückverweisung 7 50 Z stammt aus 19 39, ist unsicher nach Text und Stellung und im besten Codex t? nicht vorhanden. — I4b-17 gehört in den Bereich des Prologs, nicht zur historischen Darstellung. Das Zeugnis des Täufers gilt daher f ü r die Gegenwart des H. Von ihr aus ist das oüTOS f p 15 zu verstehen; in der historischen Darstellung 39 muß natürlich das Präsens stehen. — ngwrog wird in dem apokalyptisch-rätselhaften Spruch doch nicht einfach gleich Tioóregót; fiov sein, sondern „etwas ganz Eigenartiges meinen" (B); höchstens in der Form wird es von ómoco fiov und SfMQoo&ev ftov beeinflußt sein. Das HQOJTOQ möchte man in diesem Zusammenhange verstehen nach Apok 117 2 8

J

) Nach Zahn = Stiftshütte. ) „Die Dreiteilung ist ja auch charakteristisch für den Aufbau johanneischer Reden" sagt J. Schneider, Zur Frage der Komposition von Joh 6, 27—58. In Memoriam E. Lohmeyer, Stuttgart 1951, 133. 2

2*

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E r s t e r Teil: Die S c h r i f t e n des J o h a n n e s

2213, wo J e s u s als „ d e r E r s t e u n d der L e t z t e " a u f t r i t t . Dieses W o r t h a t also in d e n Präexistenzaussagen des Prologs seine Voraussetzung (B). Das yéyovev widerspricht d e m V, bei d e m der Logos i m A n f a n g war. Auch der Verfasser der Apokalypse, zwischen d e m u n d H sich i m m e r m e h r Beziehungen herausstellen werden, n e n n t seinen „ E r s t e n u n d L e t z t e n " in 3 14 auch „ d e n A n f a n g der Schöpfung G o t t e s " . Das 7T(KÖT0s ftov b e d e u t e t aber auch „ m e i n H e r r " (vgl. Apg 28 7 ev M c j ü a i j ^ ¿ v TU v o j a u x a i o i 7tpoaf]

33b, entsprechend. J e s u Wissen gegenüber dem Nichtwissen der andern wie 7 28 814.55 H . 88-49 a. c Wie anders, wortkarg, aber reich an Andeutungen ist der Stil des Z im Vergleich zu dem aufdringlichen u n d dabei unklaren Stil des Predigers H ! B u l t m a n n charakterisiert den Stil des Erzählers Z, wenn er S. 69f. sagt: „Scheinbar Gleichgültiges wird erzählt; das Wesentliche verbirgt sich dahinter . . . aber es wäre ein grobes Mißverständnis zu meinen, d a ß a m Äußerlichen wirkliches Interesse h a f t e . " Offenbar h a t Z persönlich die geistige Größe J e s u und das geistige Geschehen u m J e s u erlebt; er möchte das darstellen, aber er vermag es nicht. U n k l a r ist er deshalb nicht; in allem, was Z darzustellen vermag, ist er klar, nur d a ß er als ganz naiver Erzähler nicht immer bedenkt, daß seine Leser nicht „dabei gewesen s i n d " . I n 40f. liegt eine absichtlich versteckte H i n d e u t u n g auf den Verfasser vor, worüber erst auf S. 133 zu handeln ist. D a ß nach ^IXinnm/ in 43 6 'Irjoovg gesagt wird, obwohl er auch im vorhergehenden Satze S u b j e k t ist, soll gerade der K l a r h e i t dienen.

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Erster Teil : Die Schriften des Johannes

7rpö TOÜ o £ &iXi7i7tov t p t o v i j a a i ö v T a U7t6 xi]v o u x i j v e t S o v a e . 4 9 anexpid-Y) a u T t ö Na8"avaV)X' p a ß ß i , AV el 6 vlog TOV &BOV, O U el o r ß a a i X e ü s rTOÜ r ' I a p a T q X . 50 ¿TCxpiib) 'IYJCOÜ? xai SITCV auxcö • 8xt EITOV CTOI, 8xi SISOVCTSr u7toxaxto -rij" ra[X7)v r äfri)v rXeY(d r u(iiv, o^eu^e TOV r oöpavov avecpyoxa xal TOU? r äyyeXoui; xou 0-eoü r avaßaivovra5 8è ¿yeiSaccTO o r àpxiTpixXivo? o u v ijX&ev e i ? xi)v r r a X i X a i a v , ¿Si2;avxo a u x ö v o i r a X i X a i o i , 7 t d v x a ¿ t o p a x o x e ? , a ¿TCoiiqaev e v r ' I c p o r r r CToX\I}J.oi? ¿v x i j ¿ o p x f j . xat, a u r o i y a p 9jXftov eic, TTJV sopT/)v. ist in der Tat vom Standpunkt der späteren Missionsarbeit gesprochen (Bu 147). Das äXXoi — V/IE lg läßt durchblicken, daß ein Christ der zweiten Generation zur dritten spricht. Das Wort eig TOV xonov avrwv ELAEXRJXV&ATE enthält vielleicht eine Anspielung auf die notorische Tätigkeit von Täuferschülern in Samaria 1 ) und damit auf die eigene täuferische Vergangenheit des H, die uns schon oft begegnet ist; vielleicht aber kommt hier wie öfter ein persönlicher Ärger des H über gewisse Zwölfboten zum Ausdruck 2 ). 39 b. 41b E.Schwartz und E.Hirsch weisen auf das nachhinkende TWV Sa/iaQiT(öv hin; auch ötä TOV Xöyov ist Indiz f ü r H. Durch den Zusatz 42 eXsyov yäo xxX will V begründen, warum die Samaritaner zum Glauben an Jesus, einen Juden, gekommen sind: sie haben in ihm den AEORRJQ TOV xöopov erkannt (diese Formel hier und 1. Joh 414 nur bei V). Gerade die Verbindung mit Alt-Israel ohne Bindung an das J u d e n t u m hat ofFenbar die Samaritaner sowohl für die Täuferbewegung als auch f ü r die christliche Mission, aber für eine halbschlächtige doketische Christologie aufgeschlossen gemacht. Im „Weltheiland" ist einer der wichtigsten Glaubenssätze des V beschlossen. Die Welt, d. h. die Menschenwelt als Ganzes, spielt f ü r Z noch nicht, f ü r H nicht mehr die Rolle, die sie bei V hat. Mit dem Begriffe des Weltheilands überwindet V einerseits den Begriff des Messias und Königs von Israel, den Z vertritt, andererseits allen Prädestinationsglauben, zu welchem H neigt; zugleich protestiert V damit gegen den Regenten-Kultus und vielleicht auch noch gegen den Kult des Asklepios und anderer rettender Götter und Heroen. H, der Feind des Judentums, benutzt die Gelegenheit, um durch Erweiterungen in 4lf., die sich durch ihre Sprache k u n d t u n (TE, avrol ydg), seine echt rabbinische Abneigung gegen die in der Verkündigung sich betätigenden Frauen zu zeigen; in der Sektenschrift werden sie überhaupt nicht erwähnt. 43.45 a leiteten bei Z die Erzählung des sechsten Zeichens, der Heilung des Sohnes des ßaoiXixog, ein; es ist zugleich das zweite Zeichen, das Jesus in K a n a t a t , aber dieses Mal eXd-mv ex zfjg 'Iovöaiag, wie Z bei seinem bekannten Interesse f ü r genaue Angaben des Ortes und der Zeit ausdrücklich klarstellt; das erstemal nämlich war ') Lohmever, Urchristentum I, 26 und 38. 2 ) Vgl. S.209.

E r s t e r Teil: Die Schriften des J o h a n n e s

44

4 6 T H X 9 , e v o ö v J i d X i v e i s x i ) v K a v a T?js T a X i X a i a g , onou e7roiv)CTEv T6 öStop oivov. r f j v r 8 £ rTi7tou rT7)v r [xapTi>piav rXa[i.ßavco, aXXa r raÜTa r Xsya), Iva vjueig aoy&fjxe. 35 exelT vog tfv o Xvxvoq 6 xai6/ievog xai r r xrjv fiagr r r r xvgiav [isi£a> xov 'Imavvov. ra yäg ^egya, a räeda>xev fioi o r r r r r 7tarrfg, Iva xeÄeuboa> avra, avxä r a egya, ä TCOICÖ, FIagxvgel negl ¿fiov, oxi o narr)g ¡xe aneaxaXxev. 37 x a l r 6 r7re(x el[x>. o apTO? T/jt; 7rei.vaa7) xai o tuctteucov zlc, eue ou ¡ay] Sujr/jcrsi 7r7roTe. 36 ¿XX' eITCOV ujj.iv, ¿ t l xai ¿topdxaxE x a i ou u i a T e u e x e . 37 r7iav, r o rSiSMCTivr[xoi r 6 r7ra-c7)p, r

Diese Erzählung lag dem V vor. Er will die Frage der Menge 30b Z verständlich machen und schließt aus ihr, daß vorher Jesus davon gesprochen haben müsse, daß die Menschen glauben sollen, dieses Wort Jesu werde wiederum die Antwort gewesen sein auf eine Frage der Menschen, was sie denn tun sollten. V sagt, nicht die Werke Gottes, sondern das eine Werk, den einen Gottesdienst des Glaubens sollen sie leisten — ganz wie Paulus. Hinter 30b Z erläutert er die Frage der Menge nach dem Zeichen und läßt sie gerade um das bitten, was sie bekommen haben: Brot aus dem Himmel, damit die Antwort Jesu 36b Z „Ihr habt gesehen und ihr glaubet nicht" verständlicher werde. Die in 28b-30a. c.31 gegebene Erläuterung des V ist sinngemäß. Brot aus dem Himmel — das ist Offenbarung Gottes, von der die Menschen geistig leben können, aber hic et nunc! V hat also wie in der Geschichte von Kana selbst eine Deutung des Zeichens gegeben, aber man muß wieder feststellen, daß V vor dem Eigentlich-Eschatologischen, das bei dem Erlebnis der Speisung eine Rolle gespielt haben muß, ausgewichen ist. — In einem weiteren Zusätze hinter 36b Z, d. h. in 45 a. 46 will V es nicht bei dem ov maxeveze 36b und dem bei Z unmittelbar folgenden Satz 66 bewenden lassen: Er läßt Jesus sich an dem Jeremias-Wort, das mit der für V charakteristischen Formel eingeführt wird, aufschwingen zu der Hoffnung, daß Gott es trotz aller Enttäuschungen seiner Verkünder schaffen wird. Der Sinn allen Mißerfolges kann nur der Antrieb sein, weiter den Willen Gottes zu tun und den Erfolg der Arbeit Gott anheimzustellen — der befreiende Gedanke für jeden, der auf das Reich Gottes hinarbeiten möchte! „Einmal werden alle von Gott gelehrt sein" (das ist wahrhaft im Sinne dessen gesagt, der „der Heiland der Welt" sein wollte), freilich nicht unmittelbar! Unmittelbare Beziehung zu Gott hat nur der Offenbarer, vgl. 118 V. Wenn 46 bei V vor 66 steht, so sagt V also in 46, warum nach seiner Ansicht die Vielen sich zurückgezogen haben. Nach Z waren sie weggegangen,

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums r7rpöi

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J e s u s h a t zuerst zu seinen B r ü d e r n gesagt: „ G e h e t i h r h i n a u f z u m F e s t e , ich gehe nicht (so die ursprüngliche L e s a r t , wieder erhalten bei N, D, al, l a t , syr) auf dieses F e s t , denn mein xaigòg ist noch n i c h t e r f ü l l t . " D a n n ( h a t n i c h t J e s u s seinen Willen geändert, sondern) ist J e s u Wille g e ä n d e r t worden. Diese E r k l ä r u n g k a n n m a n n u r d a n n „ k o m i s c h " finden, w e n n m a n v o m Jesusbilde des H ausgeht, f ü r d e n allerdings J e s u H a n d e l n u n d R e d e n in d e m Sinne v o n G o t t d e t e r m i n i e r t ist, d a ß G o t t selbst nicht m e h r frei ist, sondern einer ei/^aQfiÉvrj u n t e r s t e h t , wie in d e n S c h r i f t e n der „ P r i e s t e r t r a d i t i o n " . Gewiß b e s t i m m t G o t t J e s u H a n d e l n u n d R e d e n , a b e r G o t t ist ein lebendiger G o t t , der seine Befehle f ü r „ d i e jeweilige S i t u a t i o n " gibt, u n d diese schafft G o t t wenigstens in der Menschenwelt n a c h seinem eigenen Willen n i c h t allein; wohl h a t G o t t d a s Ziel aller geschichtlichen S i t u a t i o n e n v o r a u s b e s t i m m t , n ä m l i c h das Reich Gottes auf E r d e n wie im Himmel, u n d wohl ist G o t t in jeder geschichtlichen S i t u a t i o n dabei u n d d a r ü b e r u n d d e m n a h e , d e r auf i h n t r a u t ; a b e r was u n t e r d e n Menschen geschieht, ist nach J e s u s — vorläufig! — wesentlich v o m T e u f e l bes t i m m t (nach H schicksalhaft u n d f ü r immer). E s g i b t eben n i c h t „ d a s johanneische J e s u s b i l d " , sondern es g i b t drei johanneische Jesusbilder, d a s v o n Z, v o n V u n d v o n H , u n d es g i b t zwei johanneische A u f f a s s u n g e n v o n „ D e t e r m i n a t i o n " des Menschen d u r c h G o t t . Die von Z u n d V e r l a u b t sehr wohl, d a ß J e s u s z u n ä c h s t „ v o m Geiste gehindert w a r " , auf dieses F e s t zu gehen, d a n n a b e r d e n Geistesbefehl bek o m m t , „ n i c h t öffentlich, sondern im V e r b o r g e n e n " hinzugehen, u n d schließlich den Befehl, sein L i c h t n i c h t m e h r u n t e r den Scheffel zu stellen, sondern auf e b e n diesem F e s t h e r v o r z u t r e t e n . H sieht in d e m o è/tòg xaipòq 8 Z, bei d e m d e r T o n auf xaiQÒg liegt, die Gelegenheit zu einer seiner beliebten A n t i t h e s e n , i n d e m er è/tòg b e t o n t , d e n Begriff xaioijq ins Menschliche h i n u n t e r z i e h t , die B e g r ü n d u n g 8 in 6 v o r w e g n i m m t u n d d u r c h 30 v e r d r e i f a c h t , wo d a s sonst bei H übliche toga s t e h t . ó xatgòg TiETcXrjQOizai so n u r noch Me 115, vgl. Lc 21 24. D a s U r t e i l ü b e r die W e l t in 7 ist das b e k a n n t e des H . 11-12.14-16 a. 21 b. 22 a. c. 28-24 N a c h d e m Z die S t i m m u n g in Galilaea ebenso k u r z wie klar gezeichnet h a t , leitet er die D a r s t e l l u n g des folgenden Zeichens m i t einer Schilderung d e r S t i m m u n g in J e r u s a l e m ein. E s g i b t d o r t zwei L a g e r : Die einen (/lèv hier einmalig bei H) — n a c h 49 „ d i e verfluchte Masse, die d a s Gesetz nicht k e n n t " — sagen: E r ist g u t . Die a n d e r n — es sind die m a m m o n i s t i s c h e n H o c h p r i e s t e r u n d die P h a r i s ä e r , d. h. die o r t h o d o x e n p a t r i o t i s c h e n K l e i n b ü r g e r —

60

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

1 4 " H S * ) 8k ty)q eopTY)5 r [xeaouair).ei. Tropsusaöat xai StSacrxEtv tou? r"EXX7)vai;; 36 ti? ecttiv r o r X6yox söpv)CTETE, x a i ro7too ret[xi. rEyc!>, r ü[j.ELv;

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wiesen und damit den Unglauben der J u d e n in deren Verantwortung geschoben. H kennt in 26ff.keinen freien Unglauben oder Glauben u n d die daraus fließende Verantwortlichkeit der Menschen. H stellt wieder fest, daß die J u d e n nicht glauben, weil sie nicht glauben können u n d nicht glauben sollen, denn sie gehören nicht zu J e s u Schafen. H läßt Jesus „ a n die Allegorie vom Hirten u n d von den Schafen anknüpfen, u n b e k ü m m e r t d a r u m , d a ß er sie vor 2 Monaten u n d vor einem anderen Publikum gesprochen h a t " (B). Die Erwählung verbürgt das ewige Leben; keiner kann die Erwählten aus Jesu H a n d reißen, denn J e s u H a n d ist Gottes H a n d , u n d Gott ist der Allermächtigste; wenn Gott gibt, k a n n niemand rauben. D a m i t h a t H wieder den Anschluß erreicht. Wir lesen also og (gg. N) dedwy.ev fioi, jidviow fiei^oav (mit N) dem Sinne nach gleichD. 35b. 86 a V verwendet o Aoyog ohne A t t r i b u t ; ich lese deshalb o Aoyog eyevero rov &£ov wie D und rechne den Zusatz des H von rov fteov an. Nach V h a t der Vater den Sohn nicht „geheiligt", d. h. magisch vor Befleckung durch die Welt gesichert, sondern der Sohn ist treu geblieben. Die Worte 35b. 36a sind grammatisch unausgeglichen; rj yoaipfj k o m m t nur bei H vor. 40-42 zeigt wieder die Genauigkeit in Orts- und Zeitangaben des Z: neoav rov 'loQÖavov entspricht 1 28 u n d ist der frühere (ngöregov N) Taufplatz, vor Ainon 3 23, das westlich vom J o r d a n , nach Furrer dicht bei Jerusalem lag. Lc 3 3 = Q fjA&ev eig näaav rijv negixcogov rov 'IOQödvov, das H i r s c h f ü r falsch erklärt, wird dadurch bestätigt. Jesus h a t noch freundliche Beziehung zur Täufersekte, die selbst mit den Wüstenleuten von En-Feshcha verwandt ist. M Frühgesch. d. Ev. I I , 1941, 34.

76

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

1 1 1 f T H v r 8 £ r T i $ a a & e v & v , A a ^ a p o < ; a n d r B i r ] 0 , a v i a q , e x vy)q x o b Tij^ M a p i a q x a l M a p & a ^ Ttj^ ¿ S e X t p f j ^ aÜTrjig. 2 ^v Se M a p i a 7) aXsit|)a(Ta rTov r xüpiov [xüpw y.at Ixjxa^afTa tou? 7r68a? aüfoü toci«; r8-pii;lv aÜT%, o a8eXVTai

2 0 f j o ö v M a p f r a s f j x o u a e v , ö t i *I*]auTtjr

Mapia

t ö v 'Iyjooüv*

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x u p i s , ei

exa-9-£^exo.

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(B) d e r M a r t h a

hervorgerufenen

Hintersinn h a b e n u n d in der

Weise

27 d e u t e n . N a c h Z i s t d a s B e k e n n t n i s d e r M a r t h a

„Ich

h a b e d e n Glauben, d a ß d u der Messias b i s t " J e s u entgegengebracht, aber v o n i h m nicht beantwortet worden; nach H

hat Jesus das Bekenntnis hervorgerufen.

den zwei wörtlich gleichen V e r t r a u e n s k u n d g e b u n g e n

k o m m t d i e k o n t r a s t i e r e n d e i m M u n d e d e r J u d e n 37 a l s d r i t t e . 33b-37 D a s

/tevoc; ev eavTiö

Zu

d e r S c h w e s t e r n 2 l b u n d 32b

sfißot/:icb-

i n 38 Z g i b t H A n l a ß , d i e s t a r k e n A f f e k t e d e r m e n s c h l i c h e n S e i t e d e s

M e n s c h e n s o h n e s z u m A u s d r u c k z u b r i n g e n , v g l . z u 4 6; v o n s e i n e r e i g e n e n

Theo-

sophie d r o h t e n o c h m e h r die doketische G e f a h r als v o n der Logos-Licht-Theologie des V. Weil H das Verb

epßgifiäo&ai

s e l b s t 33b v e r w e n d e t h a t , m u ß e r 38

ndXiv

ein-

s c h i e b e n , w i e 1 35 1 3 1 2 u . ö . D i e E ü c k v e r w e i s u n g 37 i s t H , v g l . z u 115. D i e F r a g e 34 u n d die A n t w o r t (ohne

y.vQie)

gehören der Sprache u n d des Z u s a m m e n h a n g s

wegen

z u Z . 41 b-48 e b e n f a l l s e i n e a f F e k t v o l l e A u s m a l u n g z u r S t e i g e r u n g d e s e n t s c h e i d e n d e n

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

79

4 5 I I o X X o l o u v ¿ x TÖJV ' I o u S a i c o v o i ¿ X & ö v x e s 7tpö^ x r j v M a p i a v XOCl 0'€OtCTOt(X€VOl? ä ¿KOlKjOEV) e n i a x e u c r a v elo; 3 5 elnev ovv avzolg o 'Irjaovg• I n /IIXQÖV %Q6VOV ro r r r r r *g iv v/ilv iaxiv. neqmarelxe, ecog To v enl TO axfj&oc, ist durch 21 20 f ü r H gesichert; V sagt dvaxeißevog iv TW xohtc). XVQIE nur bei H . Wo N und D übereinstimmen, liegt m. E. der U r t e x t vor. Petrus winkt, natürlich ohne Worte, dem geliebten Jünger, seinen Tischnachbar Jesus zu fragen, wer den Verrat beabsichtigte. Diese zwischen vier

92

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

sariv, am. ßdymg ofiv TO ^yw/iiov didcooiv 'Iovda Zipiwvog 'IOXCLQUOTOV. 27 xai ¡xetix t o tote eiaijX&sv ei? exeivov o r a a r a v a ? . keyei ovv avrw o 'Irjoovg' o noielg, r noirjoov Tdxiov• 28 rTovro de rovöeig eyva> x&v ävaxei/ievwv, r nqög rt elnev avrü>. 29 Tiveg yäg eöoxovv, ejtei rö yXcoaaöxo/iov el%ev 'Iovöag, ort Aeyei avrw 'Irjaovgäyögaaov, wv XQeiav EXOFIEV eig TTJV eogTrjv, fj r o t ? nra>xoig Iva TI öto. 3 0 Xaßwv oßv TÖ ry)tü/niov exelvog H-rjX&ev sv&vg. tfv de vv£. 3 1 "OTB oiv {)-p&>7rou, x a i 6

r 'Irjoovg• vüv sSo^aCTS-Y) r ö -roü r avr r ESo^a(r97j ev auxco" 32 x a i 6 So^acrei a u T o v ev

e^fjX&ev, r

keyei

Personen schwebende Sprechsituation ist im Joh-Ev so einzigartig kompliziert, daß man sich nicht wundern darf, wenn hier einmal indirekte Bede mit dem obliquen Optativ verwendet wird; sie ist in B u. a. ziemlich plump in direkte Bede umgesetzt worden. D hat zur Klärung ovrog zugesetzt, das B und andere in ovrwg umgewandelt haben. Das Subjekt fehlt bei Myei, obwohl es wechselt, wie 19 5 und 1. Joh5l6. Jesus t u t , was nach jüdischer Sitte der Hausherr zu t u n pflegte, um Gäste auszuzeichnen. Daß Jesus auf solche Weise den Verräter habe kennzeichnen oder gar verfluchen 1 ) wollen, muß ich ablehnen. Jesus hat, indem er mit J u d a s das Brot teilte, aus grenzenloser Liebe zum letztenmal versucht, J u d a s zu gewinnen. Die Art, wie dieser darauf reagierte, mußte ihn kennzeichnen. Sie hat ihn tatsächlich als Verräter gekennzeichnet. Auf jenes vergebliche Angebot des eigenen Brotes ließ Jesus das „Abendmahl" folgen. 27 a Mit dem fisrä TÖ ywjiiov nimmt H das Xaßdtv TO yxo/iiov seiner Vorlage 30 vorweg. elarjX&ev o aazaväg stimmt wörtlich zu Lc 22 3 (ohne Par), d. h. der Redaktor des Lc h a t es aus dem fertigen Joh, wie vieles andere, übernommen; der heutige Lc ist das jüngste Ev. Nach H h a t t e der Teufel in 2 erst sich selbst „in den Kopf gesetzt" (E. Schwartz), daß J u d a s den Herrn verraten sollte, aber eingefahren in den J u d a s ist er erst (betontes TOTE!), als dieser das Brot vom Herrn angenommen hatte; da spricht die sakramentale Anschauung de? H mit. 27t>-80 E s folgt bei V noch eine Äußerung Jesu zu dem Verräter, von der aber V mit denselben Worten wie 1216 und die Synoptiker korrigierend sagt, die Jünger hätten den Vorgang erst nachträglich verstanden. Einige hatten das Wort Jesu an J u d a s als Aufforderung, einzukaufen zum Feste, verstanden — ein Beweis, daß das „Herrenmahl" kein Passahmahl war. Jesu Äußerung ist scharf: „Was du (tust, d. h.) vorbereitest, das führe aus — schnell!" 2) — mit anderen Worten: Laß uns allein! Die wenigen Stunden, die Jesu noch bleiben, muß er seinen Treuen widmen. V berichtet ebenso kurz wie erschütternd den Weggang des Verräters hinein in die Finsternis: XEXQITUI. Die Abschiedsworte Jesu h a t der Verräter also nicht mehr gehört. 33 a. c-85 Was Jesus 12 35 V zu der ihn begleitenden Menge gesagt hat, eröffnet er jetzt seinen „Kindern" (Texvia nur hier im Ev, 7mal im 1. J o h von H nachgeahmt); wie das I n ¡IIXQOV Xßdvov von 12 35 V in 7 33 H , so ist das in /IIXQOV von hier in 1419 H und das fUXQÖV 7mal in c. 16 von H nachgeahmt. Nach V gibt Jesus nur eine ivroXrj, nämlich diese: äyanäre äXM)Xovg\ Dieser Ausdruck wird bezeichnenderweise nicht ein einziges *) E. Stauffer, a. a. O. 167. ) Vgl. in ähnlicher Situation Soph. Oed. rex 430 ovyl &äaaov;

2

I. Die drei lit. Schichten Z, V und H des Johannes-Evangeliums

93

eaurS, r xal reüS-ü, in dem drei technische ibiai; eigrjfiéva vorkommen. Der Vorgang war vom Verfasser des Ur-Mc (und daher den Synoptikern) noch nicht erwähnt. 34 b-37 ist unzweifelhaft H. Aus der Wunde des Stiches fließen Blut u n d Wasser, welche hier — jedenfalls zunächst — nicht die Eucharistie und die Taufe Jesus, 107. ) Das Problem des hellen. Christentums innerhalb d. Jerusalemer Urgemeinde, ZNW 38, 1939, 47 ff. 2

122

E r s t e r Teil: Die Schriften dea J o h a n n e s

38 Merä de ravxa ^gmzrjaev xöv Tlikäxov 'Icoarjtp o äno 'Aqifiav &alag &v jia&rjzrjg zov 'Irjcrov, xexgvfifievog de r v zov xvgiov köyow öirjyrjaeiq1). Daß Papias den Aristion zu den Alten rechnet, wird niemand bezweifeln; es wird durch armenische Überlieferung, die aus Papias schöpft, bestätigt 2 ). Zweitens ist zu fragen, ob das Urteil, das „der Presbyter" über das Mc-Ev fällt, überhaupt „ungünstig" genannt werden darf. Nach dem Gewährsmann hat Marcus „als Dolmetsch des Petrus alles, was er erinnerte, genau niedergeschrieben, jedoch nicht in (historischer) Ordnung das, was vom Herrn gesagt oder getan war. Denn (Marcus) hatte weder gehört den Herrn, noch war er ihm gefolgt" (Bezug auf rj keyßevTa rj nQax&evxa), „später aber, wie ich sagte, dem Petrus". Dessen Lehrvorträge hat Marcus, wie er sie erinnerte, niedergeschrieben; von dem, was er dabei gehört, wollte er nichts auslassen oder verfälschen; „also hat Marcus in nichts gefehlt". — Das ist eine objektive und richtige Feststellung eines Tatbestandes: Verglichen mit dem Joh-Ev, das „in geschichtlicher Ordnung" geschrieben ist, zeigt das Mc-Ev eine andere Art, aber Marcus ist nicht verantwortlich, denn er war bei Abfassung des Mc-Ev nicht frei, sondern von Petrus abhängig. Es wird kein Zufall sein, daß Eusebios aus Papias in diesem Zusammenhang außer über das Mc-Ev gerade über die Logia des Matthaios Literaturgeschichte überliefert hat. Der Ur-Mc des Johannes Mc war ja mit den Logia des Matthaios, wie ich noch genauer zeigen muß, im U r - L c - E v eng verbunden, beide waren nicht nur für sich, sondern auch in dieser Verbindung bekannt geworden. Sie waren außer der von Papias ja auch besprochenen Grundschrift des Joh-Ev die ägxela, d. h. die Grundberichte von ursprünglicher Zuverlässigkeit. Das Gespräch mit Aristion oder dem Mittelsmann zwischen beiden wird den Übergang von der „lebenden Stimme" zur schriftlichen Überlieferung behandelt haben. Aristion wird sich dabei auch über die Schrift geäußert haben, mit der der Ur-Mc verbunden worden war. Soviel darf man sagen, daß der Presbyter (Aristion) dadurch, daß er das Mc-Ev mit dem Joh-Ev vergleicht, einen gewissen Zusammenhang zwischen beiden hergestellt hat. Aber wenn wir auch behaupten dürfen, daß das, was der Gewährsmann dem Papias über die Person des Marcus und das Mc-Ev erzählt hat, durchaus zu dem paßt, was wir über Johannes Marcus und die Rolle ausgemacht haben, die er bei der Entstehung des Mc-Ev und des Ur-Joh-Ev gespielt hat, und wenn auch höchstwahrscheinlich Marcus mit Johannes Marcus von Papias identifiziert worden ist, so ist uns doch kein W o r t des Papias erhalten, aus dem man sicher schließen dürfte, Papias habe den Verfasser des Mc-Ev mit dem Lieblingsjünger und Alten von Ephesos gleichgesetzt. Eusebios h. e. I I I 39, 14. Th. Zahn, Forschungen z. Gesch. d. ntl. Kanons u. der altkirchl. Lit. V I , 1881 ff., 128 f. 2)

166

Erster Teil : Die Schriften des Johannes

Aber vielleicht gibt es doch noch einen versteckten Hinweis darauf, daß Papias den Johannes Marcus wenigstens mit dem Lieblingsjünger identifiziert hat. Das Muratorianum sagt über den Verfasser des MarcusEvangeliums in der einzigen erhaltenen, der letzten Zeile folgendes: quibus tarnen interfuit, et ita posuit. Ich nehme nichts als ausgefallen an und verstehe die erhaltene Zeile so: Die Reden und Taten Jesu hat Marcus nicht miterlebt, denn er ist nicht Jünger des Herrn gewesen wie Petrus; „was er jedoch miterlebt hat, das hat er auch so hingestellt" (nämlich Leiden, Tod und Auferstehung). Der Verfasser des Muratorianum wird gewußt haben, daß der Verfasser des Mc-Ev Johannes Marcus gewesen ist und an den Ereignissen der Passionstage persönlich teilgenommen und dies in der Episode des fliehenden Jünglings Mc 14,51 angedeutet hat. Woher sollte das Muratorianum dies wissen, wenn nicht, etwa durch Vermittlung des Eirenaios, von Papias! Das zweite Evangelium hat ohne Zweifel schon z. Z. des Papias nur den lateinischen Namen des Johannes Marcus getragen. Ich hoffe, im Zusammenhang damit die Auffassung des Papias unten weiter aufklären zu können, bemerke aber schon hier, daß die Pls-Briefe immer (Kol 4,10; Phm 24), die Apg einmal (15,39) nur Marcus sagen neben zweimal nur Johannes

(13,5.13)

u n d 3 m a l 'Iwawrjv

rov (em)xaXovfievov

(ejuxhr)&evra)

(12,12.25; 15,37). Auch l . P e t r 5,13 verwendet nur den lateinischen Namen ebenso wie der mit Papias und der kleinasiatischen Tradition eng verbundene Eirenaios, außer einmal in I I I 14,1 nach der Apg. Daß aber die Lokaltradition von Ephesos und Umgebung den Johannes Marcus auch einfach Marcus genannt hat, dafür hat Zahn bei der Besprechung der Nachrichten über das hospitiolum des Johannes einen Beleg gebracht 1 ). M&QXOV

Exkurs: W. Bauer 2 ) bestreitet eine Auffassung wie die unsrige und will die Kritik des Papias an Mo und Mt in der Auseinandersetzung mit Häretikern und den von diesen empfohlenen E v v (Lc und Joh) begründen. So kann das nicht richtig sein, denn dann müßte Papias die Ordnung, die er bei Mc vermißt, einem Häretiker-Ev, eben dem J o h - E v zugesprochen haben, das er angeblich bekämpfen will. Aber Bauer hat richtig gesehen, daß „es nicht kirchliche Kreise waren, in denen man das J o h - E v zuerst als kanonischen Ausdruck eigener religiöser Überzeugung anerkannt hat". Herausgegeben wurde es tatsächlich von H für seine pneumatisch-apokalyptische Sekte. Freilich, organisierte Kirche gab es, wie in diesem Buche gezeigt werden soll, in Kleinasien überhaupt erst seit dem Durchdringen der petrinischen oder katholischen Bewegung z. Z. Domitians. Solche Kirche entstand, indem die Führer von vier verschiedenen Richtungen mit ursprünglich je einem E v ihre E v v gegenseitig anerkannten, also auch das Joh-Ev. Papias ist Zeuge dafür, daß noch Jahrzehnte *) Th. Zahn, Acta Joannis, Acta apost. apocrypha P. 2,1, Erlangen 1880, C L X X I . Rechtgläubigkeit und Ketzerei, a. a. O. 187 if. 207.

2)

1

III. V oder das Ur-Johannes-Evangelium und sein Verfasser

167

nach Domitian Theologen, die den Sinn und Wert der katholischen Idee erkannt hatten, gegen einseitige Schätzung eines Evangeliums und für die Gleichberechtigung aller eintreten mußten. Papias war Bischof von Hierapolis, wo das Zentrum der Philippiner gewesen war, die lange das Mc-Ev als allein gültiges gehabt hatten 1 ). Hierapolis aber liegt in Phrygien, und diese Landschaft wird sich uns als die Heimat des Joh-Ev in seiner fertigen Gestalt, zugleich als die Heimat der Joh-Apokalypse ergeben. Papias mußte zwischen dem Mc-Ev und dem Joh-Ev, das er selbst schon am höchsten von den vier schätzte, ausgleichen; „er wendet sich in versöhnendem Sinne an einseitige, bedingungslose Freunde des 4. Ev, die von den Synoptikern nichts wissen wollten" 2 ); das waren die Montanisten und die Gnostiker des 2. Jhs. x 2

) Vgl. S. 544. ) J. Leipoldt, Gesch. d. ntl. Kanons I, 1907, 146.

168

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

IV. Die zwei literarischen Schichten V und H in den Johannesbriefen Der erste Brief (I)

1 1 "O fjV an ägxfjs, o dxrjxöafiev, o ¿(ogaxa/iev rolg ¿(f&aX/ioig rjfimv, o e&eaadfie&a xai ai ^ e t p e ? fj/jiSiv e,rpr}Ää&aA.fiovg ävco; algeiv and \ airelv (sonst nur 49 Z um Wasser) | *aid>v | *alda>iog immer mit fair; | *äxoAov&eiv im übertr. S. (nach 812 V) | *dxoveiv Passiv nur 9 32 und Apok 3mal (sonst im N T 6mal u. 1 Zitat) nagä rov &eov, Gott, r. q>a)vriv &eov, Jesu Aoyog, gtj/uara, ipmvfj, ihn, seine Gegner. Gott hört (9 31 Z). Der Sohn Gottes

hört uns. Nichts davon bei V | dkeltpeiv \ fj dkrj&eia eanv ev; avrrj fj älffteia; ro nvevfia ist, ich bin fj äfoj&eia; aXfj&eiav kakelv, Xeyeiv. Vgl. noieiv \ o &eog dhyd-fjg eanv \ *aAtjdtvog; mit xgtoig im NT nur 816, Apok 2mal. | äklä bei Z: V: H = 1:1:6; äXX' eycb | äXXog iarlv 6 mit Partz. | ekeyov (ehiov) ngog äkhfjXovg (Z sagt fier' äXÄfjÄoiv) | äpagrdveiv, äfiagria nicht bei V, 4mal bei Z (514 9 2 . 3 . 3 4 ) , 30mal bei H. Der Christ sündigt nicht. * äfiagria ngog ftävarov u. ä. s/etv ä/x., dtpisvai rag äfi., algeiv rag äfi. \ äfifp> äfirp> Myto vfiiv 25mal nur im Ev., in Apok äfirjv und 6 'Afirjv \ *ävaßaiveiv zum Himmel | *ävaaraatg \ av&gionoxrovog \ ävtordvai ev rfj eaxarr] fjfi-, ix vexgöjv, absolut (sonst nur 11 31 Z = erhob sich) | ävofila | avri-/j)ioroq \ ävwftev | a, yewäv, E^EOYEA&ai, elvai, bes. o OJV ix; ex rov öiaßöXov, novrjgov, zov xöofiov (zovrov), zfjg yfjg, ZÖJV xdzm, ovx ¿1 rjfiixn> — ix rov &eov, nazQog, zfjg äXrjfteiag (V personifiziert bei elvai ex n u r äydnrj u n d öidaxfj; gerade diese nicht bei H . f j ßaaiXeia rj e/ifj ovx eaziv ivzev&ev 18 57 V. V sagt von J e s u s 6 46 6 tbv Jiaoä zov &eov (wie Z 9 16.33), h a t nicht yevväa&ai, ¿¡egxea&ai ex) | *exßdXXeiv ¿fa> | xäxeivog \ ixXeyea&ai \ *exnogevea&ai \ *eXey%eiv JIEQI (sonst n u r J u d 15 u n d Lc 3 19) | eXxveiv \ "EXXrjveg \ ro efidv, rä ifiä; eigfjvrj, % zeitlich r ä u m ü c h (12 37 Z u n d I 319 V = coram) | ifupavi^eiv | *ev: e%eiv 'Qojfjv, eigfjvrjv, ßXiiptv ev; ev avzqj fcoij fjv | *evroXai im P l u r . ; m i t rrjQelv \ ¿¡¡¿Qyea&ai ex, dato, nagä fteov (r. nazoog) v o n J e s u s ; eig zov xöa/iov v o n Irrlehrern | *enavco navzcav eariv | *£m-dvfiia vgl. J u d 16.18 | *eoyov vgl. u. V | egxea&ai ngog v o m geistigen K o m m e n ; rä egxofieva; an efiavzov ovx ¿XfjXv&a; o egxöfievog s. u. xoafiog, aägt; | egcozäv negl = b i t t e n f ü r | eaxdzr] fj/iega, o'toa \ *izoifid'QEiv zonov n u r 14 2.3 Apok 12 6 | ev&vg A d v . | exeiv zov narega, z. vlöv, z. narega xal z. vlov, zov nagdxXrjZOV, vgl. daifiöviov; eyßiv EV eavzcö; exeiv m i t Inf (sonst als stereotyper Briefschluß I I u. I I I V) [ *£fjv i m übern a t ü r l . S. | zeiv zrjv öö£av \ Qo)rj i m ü b e r n a t ü r l . u. eschatol. S.; £u)rj rjv, t,cofjv exeiv iv | t,0)07i0ieiv | 'HXiag \ *tjfiega eschatol.: ev exeivrj r f j f j . Vgl. rj/iega u. V u n d eaxdzr] | *&dvarog, ngög ftdvarov \ prj *ftav/j,a£ere \ *&av/iaardg \ *&eXr)fia-, noielv, ov ro epov äXXa ro zov ne/Mpavzög fie \ &eög vfiüyv, fiov \ *&EQIQEIV \ *$Xly>ig | *&gi% | *'Irjaovg Xgiazög \ iXaa/mg negl zä>v d/uagziwv fj/xöjv \ Iva: fteXeiv Iva (sonst n u r Lc 6 31 = Q > M t u n d RMc 6 25 10 35). Das definierende Iva nach ovzog u. ä. 6 50 1 7 3 I I 6, ev zovzcp Iva 15 8 I 417 (im N T vergleichbar n u r Lc 1 43) ( N o r m a l ist Iva bei V n a c h avzrj . . . f j evroXr} 1512 I 3 23 4 21 I I 6, n a c h äyyeXia — evzoXfj I 3 11, nach zi nomfiev u n d egyov 6 29) | 'lovdag ohne Zi/Mjvog 12 4 14 22 | lyßvg | xa&arji'Qeiv \ *xadaQog \ *xa$et,ea$ai = sitzen | *xal — xal \ *eäv (ei) f i f j — xal \ *xai ovdelg \ *xai zig (ri) \ *xag7iog \ *xaraßaiveiv v o m H i m m e l | xXda/j,a \ *xXe7izrjg \ *xoiXia \ *xomäv \ *xöa/xog: *o egxöfievog eig r. xöa/iov; 6 xoaßog ovzog; ex z. xöofiov elvai; XaXeiv eig z. x., ev zqj x. (aber zoj xöoficp 18 20 V); dfiagria rov x.; rä, ro, o ev rä> x. v o m Widergöttlichen, Antichrist; itXitpiq ev zw x., o x. ovx eyvco, paaei, o äoy_mv zov x. zovrov, vgl. o aaraväg; oXog oxoafiog. Vgl. dvvaa&at H u n d xoafiog V | *xgdt,eiv \ *xgiaiv noielv 5 27, sonst n u r J u d 15; f/fiega zfjg xgiaecog I 417 vgl. &ga zfjg xg. Apok 14 7 | *xvgiog als Titel u n d Anrede f ü r d. lebenden J . (bei V nur 2018.20 f ü r den auferstandenen); f ü r gewöhnliche Menschen | TTJV

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Hartke, Bd. I

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Erster Teil: Die Schriften des J o h a n n e s

*XaXetv ix; *fisxä \ XaXiä \ *Xa/ißdvsiv a l s A u s d r u c k d e s G l ä u b i g w e r d e n s r a grjfiaxa, S/J,E ( n a c h 112 avrov V), v g l . fiagrvgia; X. To nvsvfia, *S6£av \ *Xaog | *iv XevxoZg \ Xsysiv m i t A k k . s t a t t JIEQL (9 19 Z) \ XrjOTrjg \ Xtzga \ *X6yoq i s t i m m e r H , v g l . Aoyog b e i V | Xvneio&ai | */iaxdQtog \ fiEfiagxvQrjxsv G o t t ü b e r d e n S o h n u . ä . *¡xaQTVQelv m i t D a t . d e r P e r s o n ; icogaxa xal fiEfiaQXvgrixa | * ¡lagxvgia, f j ¡lagxvgEi TIEQI; XafißdvEiv xrjv fi. naga; olda u . ä . , ort rj fi. dXrj&ijg eoziv \ firj av fieiCwv slxov; fiei&va xovxmv egya; fiei'Qova zavxrjg äyanrjC, ovdslg sxEl "Lva- A n d e r e V e r g l e i c h e m i t ¡ueiCcav 13 16 15 20 14 28 I 4 4 5 9 ( e i n m a l : G o t t g r ö ß e r a l s u n s e r H e r z I 3 20 V) | ¡IEXEI TIEQL \ *FI£XXsiv i n d e t e r m i n i s t i s c h e m S. | fibeiv im m . A k k . , P. a b s o l u t = n i c h t v e r g e h e n . V g l . xoivwvla u . V | 6 NIPFAG (naxrjg) * u e r ' E/HOV BOTiv | fisraßalvEiv EX X. &avaxov DG r . £CARJV \ fiixgov xal \ *fiicrsZv ( I 2 9.11 ¡x. TOV äösXcpov V ) | *jxia&6v (daio)Xafißdv£iv | */NVR]FIOVEV£IV \ fiovfj \ fxovoc. d-Eog \ *fivgov *vai xvgie \ veaviaxog \ *vixäv, vixrj ü b e r d e n , d i e B ö s e n , d i e W e l t | *O m i t N o m . = V o k . | *ÖÖRJY£iv | *OÖOG (1 23 Z Z i t a t ) O&oviov \ olxog (217 V Z i t a t ) | *6fioiu>S, bei dipagiov \ *6[ioXoyelv \ 6/J.ov | * ovojxaxi J e s u | O ÖNIAW ¡iov igxoßevog \ onov EI/ii eycb (eycu vndym) \ 6 icogaxtbg i f i i iwgaxev TOV naxega 149, ä h n l i c h 12 35 14 7, i n 5 37 I 3 6 a l s m ö g l i c h g e d a c h t , I I I l l ( d a g e g e n ogäv, {teäoßai ßsov f ü r M e n s c h e n v e r n e i n t v o n V 118 1 4 1 2 | *öaa, oaov, a u c h 2 m a l J u d (oaa 10 41Z, oaoi 112 V) | ort k a u s a l , 2 m a l i n e i n e m S a t z e 1 16 14 28 | ov xa&DJG | OVÖETWJ \ ovx SOTIV EJIT] dXXd TOV 7I£FIY>avx6g FXE \ *ovgavog, n u r Sing, a u ß e r A p o k 1212 Z i t a t (6 31 V Z i t a t ) | OUTE — YJIL | otfxcog ~ ~ o h n e w e i t e r e s 4 6 (13 25) | naiölov | näg n a c h g e s t e l l t | *näv O ÖEÖCOXEV ftot O naxr/g u . ä . v g l . 17 24 | Iva näg (näv) /IT) \ *näg ov \ näg ö mOTevcov; ü b e r h a u p t näg O (näv r o ) m i t P a r t z . P r a e s . | ndvxa olöev u . ä . | nivroxt \ naQdxXrjxog | TIOLQOXVTIXEIV \ nagoi/IIA \ naQQrjoiav EXETV \ *7iEfinEiv, O Tiifixpag ¡-iE Tzaxr/Q \ TieQiaaevetv \ *maxig I 5 4 | *maxög g l ä u b i g 2 0 27 *ÄMaxog u n g l ä u b i g 2 0 27. Vgl. maxeveiv u . V | NX^GR/G \ Xrjgovv; Iva O Xoyog (R/ ygatpfj) nXrjgcofrfj | nXoidgiov \ *nveeiv \ *nvEiißa; nv. xal dXrf&eia-, nv. xrjg ÄXRJ&elag, xfjg nXdvrjg; TO NVEVFIA iaxiv r o ( s o n s t n u r 19 30 V Jtagedcoxsv nv. = A t e m ) | NÖ&EV v g l . eldevat | *7ioi£iv xrjv ÄXRJ&Eiav, ötxaioovvrjv, äfiagriav, axp' ¿avrov u . ä . OVÖEV; Jioielv Iva 1137 A p o k 4 m a l | *7toifiaiveiv 2 1 1 6 noißrjv \ *novi}gog \ *7iogvela 8 41 = B e z i e h u n g z u e i n e m NVEVFIA äxa&aQXOv, s o n s t n u r i n A p o k | nglv \ ngo xov yevEO&ai XJyco vfilv, Iva TIIOXEVrjxe, öxav yhwjxai 1319 1429, ä h n l i c h 16 4 | *ngooxweiv, Jigoaxvvrjxrjg \ ngoqrrjxeveiv \ ngmxög ¡iov, tifi&v \ nwg i m l e b h a f t e n S t i l b e s . d e r D i s p u t a t i o n : ncög dvvaxai (9 16 Z), ncög Xeyei u . ä . , nü>g maxevexs, ä h n l i c h I 317 ( N i c h t b e i V , w o h l b e i Z 4 9 7 1 5 910. 15.19.21.26) | gijfia | *OOQ£ als n a t ü r l i c h e s (114 V), igxöfievog iv aagxi 1 4 2 I I 7 ; als s a k r a m e n t a l e s 651-56, als s ü n d i g e s 1 13 3 6 6 63 8 15 1 2 16; näaa oag£ 17 2 | *o-eftaivEiv, noicp ftavdxw xxX \ oxavöaXi£siv | axXr/gdg v o n e. R e d e 6 60 J u d 15 | oxogni£eiv u n d StaaxogmCsiv \ axoxog ( d a g e g e n oxoxta b e i V) | aog, ARJ, aov \ anEigsiv | ATTIGFIA 'Aßgaäfi \ axijxsiv | ovpq>£geiv Iva \ *owayEiv \ iv *awaywyfj diddoxeiv | AVVEGXEODAI \ *arpgayilEiv | O%IQEIV \ xavxa EITIEV (XÄ grjfiaxa eXdXrjoev iv . . .) diddaxcov m i t O r t s a n g a b e n | xavxa Xiyo), XaXcö u . ä . vfilv, ygdrpoj u . ä . ( I 5 13 V). V g l . xavxa u . V | XAXIOV | XE ] TEXVIOV (13 33 V) | *XEXEIV | *xr}QElv XOV Xoyov; OEOV; xrjgElv EX n u r 17 15 u n d A p o k 3 10. V g l . ivxoXai H u n d xrjgElv iv V | TißEgtäg | r t ovv | rißäv \ xöxs ovv \ xovxo 6e EXsysv, EITIEV | *xgi%siv | xgdiyEiv \ {iöcog xai al/j,a | o *viog xov (ivdgomov; 5 27 o h n e d o p p e l t e n A r t i k e l w i e A p o k 113 1414 n a c h D a n . 7 | *vndy£iv a u s d i e s e m L e b e n , v o n J e s u s ges a g t ; e b e n s o nogevEa&ai, d i e s a b e r u n t e r E i n f l u ß v o n V 1412.28 > 14 2. 3 H u n d 16 28 > 16 7; rmlgxEa&at 16 7, avaßaivsiv 2 0 1 7 (bei V vndyEiv n u r 12 35 = 1 2 1 1 i m a l l t ä g l . S. | tpavEgovv v o n J e s u s u n d s e i n e r 33 pc). Da der Herausgeber aber nun einmal anders geschrieben hat, so hat er nicht sagen wollen, daß das Bezeugte und das Geschriebene identisch sind (dann hätte er avrà statt ravra gesagt), sondern das rovrcw und das ravra können sich nicht decken — mit

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Erster Teil: Die Schriften des Johannes

andern Worten: Der H hat dadurch, daß er hier einmal von der ausnahmslos durchgeführten Regel 1 ), zwei einander folgenden Partizipien nur einen Artikel zu geben, abwich, eben das sagen wollen, was sich uns ergeben hat. Ich könnte das Ergebnis meiner Untersuchung nicht prägnanter aussprechen als m i t d e n W o r t e n , die H f o r m u l i e r t h a t : o /xagrvQÖjv neql Tovrmv xai o

yndtpag zavra — das ist der geliebte Jünger und der Alte von Ephesos, und der ist Johannes Marcus, wie wir behaupten. Aber in Joh 21 wird auch, und nur hier wird der Dritte, der Zebedaide, namentlich erwähnt, für den, d. h. nach dessen Diktat, Johannes Marcus den Grundstock des Ev geschrieben hat. Der Herausgeber hat gewußt, daß eine Schrift des Zebedaiden in dem Evangelium steckt. Wenn der H hier und nur in diesem Kapitel, das so voll von persönlichen, geschichtlichen und literargeschichtlichen Andeutungen ist, den Apostel Johannes erwähnt, so hat er das nicht etwa aus unausweichlichem Zwange getan: Gegenüber der Darstellung des Petrus-Ev läßt er den Andreas aus, und die Zebedaiden werden in Joh 21 weiter nicht erwähnt. Unser H hat sie hier und nur hier um deren willen erwähnt, die ebenso wie H wußten, daß eine Schrift des Zebedaiden Johannes in diesem Evangelium steckt. In J o h 21 liegt also die volle Wahrheit über die Entstehung des Joh-Ev für den Wissenden zum mindesten angedeutet vor. Jedoch hat der Herausgeber H die — leider sehr große — Bedeutung seiner Arbeit an dem Buche nur zu bescheiden in dem o ida/nsv zum Ausdruck gebracht. Dafür hatte er seine triftigen Gründe. Er hat gewollt, daß seine Mitarbeit anonym bliebe, und er hat das — fast — erreicht. Es gingen Gerüchte um in Kleinasien, daß das Joh-Ev von einem Judaisten geschrieben sei. Wir werden unten 2 ) sehen, daß schon zur Zeit des Ignatios in paulinischen Kreisen der Asia Mißtrauen gegen Evangelien bestand, die neu aufgetaucht waren und die aQ%ela, die Urschriften, verdrängen wollten, und wie Ignatios sich dabei besonders um die Durchsetzung des Joh-Ev bemüht. Überliefert ist ferner, daß die „Aloger" im 2. J h . aus allgemeinen und sogar historischen Erwägungen 3 ) behauptet haben, die Apokalypse und das auf den Namen des Johannes gehende Evangelium seien von einem Judaisten, angeblich Kerinthos (Epiph. haer. 28) verfaßt worden; derartiges ist keinem andern der vier passiert. Die Meinung der kleinasiatischen Aloger haben die römischen Pneumatomachen aufgegriffen. Zugrunde liegt dieser mißtrauischen Kritik eine dunkle Kunde von der Tatsache, daß der wirklich judaistisch gesinnte Judas Barsabbas die Joh-Schriften überarbeitet und die Apokalypse verfaßt hat. Auch in den schon besprochenen, auf Leukios und Papias zurückgehenden Nachrichten und dem Briefe des Vgl. A. Schlatter, Der Evangelist Joh., 1930, zu Joh 21,6. ) S. 539. 3 ) J. Leipoldt, Gesch. d. ntl. Kanons I, 1907, 44. 2

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

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Polykarpos schimmert noch durch, daß Pneumatiker wenigstens bei der endlichen Herausgabe des Joh-Ev beteiligt waren. Des weiteren hat der Herausgeber des Ev mit seinem Schlußkapitel den Anlaß zu der Diskussion gegeben, wer der geliebte Jünger, der sehr alt gewordene Zeuge und Schreiber des E v sei; wenn man auch Namen und Heimat: Johannes von Ephesos wußte, so war doch unklar, ob dieser Johannes ein Apostel oder nur ein Jünger ex discipulis war. Man kann, wie gesagt, die von uns ausgemachte Entstehungsgeschichte des Ev im 21. Kapitel wiederfinden, aber man muß in der Tat fragen: ' Warum nennt der Herausgeber den geliebten Jünger nicht mit Namen, da er doch nun einmal, wie das o ygayiag v. 24 beweist, Literaturgeschichte geben will, und da er ferner behauptet, daß der geliebte Jünger O /¿OQTVQWV neqi rovrojv sei? Bei einem Gewährsmanne sind doch sonst gerade die genauen Personalien von entscheidender Wichtigkeit. Man könnte antworten, daß jeder damals „den geliebten Jünger" kannte. Indessen ist mir wohl verständlich, daß jemand, sich selbst meinend, in Joh 13,23 zur Erklärung des vorausgehenden ävaxei/ievog ¿v TOJ XOLNOJ TOV 'Irjoov und 19,26 vor einem Worte persönlicher Liebe Jesu ov fjyana (o 'Irjoovi;) in sein noch dazu unveröffentlichtes Buch geschrieben hat, wie der Verf. des veröffentlichten Ur-Mc sich für denselben Zeitabschnitt, noch zurückhaltender, in dem anonymen jungen Mann 14,51, in dem xegd/xiov vöriTog ( = aramäisch marqa) 14,13 und nach meiner Lesung in dem ry MaydaXrjvr] Maola rj 'Imawa Lc 24,10 = Ur-Mc 15,40 in den Text gebracht hat. Joh 18,15 nennt derselbe sich nur aAAo? fia&rjTrjs und begründet wieder nur sachlich, warum er in den Hof des Hochpriesters hinein konnte. Mir ist nicht wahrscheinlich, daß derjenige, der sich durchweg in dem, was er geschrieben, so taktvoll zeigt und von sich selbst nur zweimal in Situationen, in denen Jesus ihm wirklich besondere Liebe bewiesen, eben dies ausgesagt hat, sich selbst öffentlich „den Jünger, den Jesus liebte" genannt und dadurch verursacht haben sollte, daß diese Bezeichnung, die dann den Sinn des bevorzugten Jüngers annehmen mußte, vor Erscheinen des JohEv auch von andern auf ihn angewendet wurde. Genannt hat er sich übrigens, wie wir wissen, o nQeaßvxeQog. Als H den Ur-Joh mit eigenen Zusätzen herausgab, mußte er den Zeugen definieren, und er mußte mit Lesern rechnen, die nicht wußten und doch wissen wollten, wer der geliebte Jünger war. Man kann nun darauf hinweisen, daß der H ihn durch die Rückverweisung auf 13,23 näher bestimmt habe. Wer um 92 noch wußte, daß das letzte Mahl im Hause des Johannes Marcus stattgefunden hatte, konnte unter dem Jünger, der den Platz neben dem geehrtesten Gast inne hatte, den Johannes Marcus verstehen; aber wie das damals schon verbreitete Mt-Ev zeigt, hatte sich schon die Meinung gebildet, daß nur die zwölf 15

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Erster Teil: Die Schriften des Johannes

Apostel an dem Mahle teilgenommen hätten, und es stand frei, den geliebten Jünger nur unter diesen zu suchen und den Zeugen und Schreiber Johannes in dem Zebedaiden Johannes zu finden. Wenn wirklich dieser der geliebte Jünger war, so hinderte nichts und war durchaus zu erwarten, daß der H im Nachtragskapitel die Identität ganz klar stellte, nachdem er in v. 2 schon die im Ev sonst nicht genannten Zebedaiden eingeführt hatte. Wurde aber der geliebte Jünger auch im v. 20 noch ohne Namen und ohne ausdrückliche Beziehung auf die vorher erwähnten Zebedaiden eingeführt, so hat H zwar die Möglichkeit eröffnet, den geliebten Jünger auf den Zebedaiden Johannes zu deuten, welche Deutung später allgemein angenommen worden ist, aber der Schluß drängt sich auf, daß er außerdem auch die Möglichkeit einer anderen Deutung, nämlich auf Johannes Marcus hat offenhalten wollen — oder müssen, mit andern Worten: daß H als erster den Zebedaiden Johannes an die Stelle des Johannes Marcus geschoben hat, sich aber bewußt gewesen ist, daß er das nur mit Vorsicht tun konnte. Über den Ausdruck „und andere aus seinen Jüngern zwei" in J o h 21,2 ist viel gerätselt worden. Nach unserer Methode können wir feststellen, 1. daß die genannte Stelle zum Bereich des Herausgebers H gehört und zu den Geschichten über Erscheinungen des Auferstandenen; 2. daß H die bis zur Herausgabe der Johannesschriften erschienenen Evangelienschriften, d. h. Mt und dessen beide Quellen, RMc und Ur-Lc 2 , benutzt hat. Wir werden also unter den Erscheinungsberichten der genannten Vorlagen des HJoh suchen, ob wir eine Szene finden, in der „die Jünger" von J o h 2 1 , l und „andere aus seinen Jüngern zwei", wie J o h 21,2, ebenfalls zusammen auftreten. Eine solche Szene gibt es in RMc 16,12ff., entfaltet in RLc24,33: „Und sie" (die zwei von v. 13ff.) „kehrten in derselben Stunde zurück nach Jerusalem und fanden versammelt die Elf und die mit ihnen." Einer von diesen zwei heißt Lc 24,18 Kleopas, der andere fällt durch seine Anonymität auf. Nun haben wir im Anhang I gezeigt, daß Judas Barsabbas, der Herausgeber des Joh und Verfasser des c. 21, der Enkel des Kl(e)opas, des Oheims Jesu, war. Der Schluß liegt nahe, daß mit dem einen bei Lukas anonymen Manne Judas Barsabbas und mit den beiden anonymen Männern in HJoh Kl(e)opas und Judas gemeint sind. Wir haben gesehen 1 ), daß Lukas seinen Freund in den Kreis der zwölf Apostel eingeschoben hat, ferner, daß Judas Barsabbas in Joh 14,22 sich selbst in die Teilnehmer am letzten Mahle eingeschmuggelt hat, und wir haben dargelegt, daß Lukas und Judas sich geistig sehr nahe gekommen waren. Ich muß schließen, daß Judas in Joh 21, lf. sich selbst anonym in den Kreis S. 204.

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

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der Teilnehmer der entscheidenden Erscheinung in Galilaea einzudrängen bemüht hat. Um 92 1 ) waren Petrus und die Zebedaiden sicher tot; von Thomas und Nathanael wissen wir es nicht; Johannes Marcus war ebenfalls verschieden. Blicken wir zurück auf den Einschub des H 20,2—10, so fällt auf, daß dort Petrus und „der andere Jünger" verbunden sind. In 21,20—23, dem Abschnitt, der die Höhe orakelhafter, man kann auch sagen: apokalyptischer Zweideutigkeit des ganzen Kapitels bedeutet, finden wir wieder Petrus und den geliebten Jünger, den Alten (Johannes von Ephesos) zusammen- und gegenübergestellt. Der Alte von Ephesos ist hier ohne Zweifel gemeint, wobei aber die Frage offen bleibt, ob — wie in der später herrschend gewordenen Tradition — der Zebedaide Johannes oder ein anderer Johannes (nach unserer Deutung: Johannes Marcus) verstanden worden ist. Es muß auffallen, daß der Märtyrertod des Zebedaiden Johannes nicht erwähnt wird, obwohl H aus den Synoptikern wußte, daß dieser Tod beiden Zebedaiden von Jesus in Mc 10,39 vorausgesagt worden war (wie H es 21,18f. von Petrus behauptet), und H aus der Gemeindetradition wissen konnte, daß beide Zebedaiden die Voraussage Jesu an sich ebenso verwirklicht erfahren haben wie Petrus die apokryphe Voraussage Jesu von Joh 21,18f. Nach Joh 21,21 soll Jesus gegenüber Petrus in bezug auf den Alten von Ephesos, den geliebten Jünger, gesagt haben: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht's dich an!", also den späten Tod des Alten, der kein Märtyrertod gewesen ist, gerechtfertigt haben. Durch solche Erörterungen soll meines Erachtens der späte Tod des „Alten" Johannes (d. h. des Johannes Marcus) an die Stelle des frühen Märtyrertodes des Zebedaiden Johannes geschoben und die Einsetzung des Zebedaiden an die Stelle des Johannes Marcus weiter gesichert werden. Daneben besteht die zweite Möglichkeit, alles so zu verstehen, wie es wirklich gewesen ist. H schafft dieses Zwielicht dadurch, daß er den Märtyrertod der Zebedaiden verschweigt und den geliebten Jünger nicht klar definiert, d. h. entweder klar mit dem Zebedaiden verbindet oder klar von ihm unterscheidet. Erreicht hat H jedenfalls, daß der frühe Märtyrertod des Zebedaiden Johannes fast vergessen und der Presbyter Johannes von Ephesos fast einstimmig mit dem Zebedaiden identifiziert wurde. Die stärkste Anweisung, den geliebten Jünger von v. 20 auf den Zebedaiden zu beziehen, gibt H dadurch, daß er die zwischen Jesus, Petrus und ihm spielende Szene mit der Erscheinung vor „Petrus, dann den anderen Jüngern" in Galilaea verbindet, mit der Johannes Marcus nichts zu tun hat. Aber festgelegt werden kann H nicht darauf, und das will er auch nicht. Zur Jahreszahl 92 vgl. S. 235. 15*

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Erster Teil: Die Schriften des Johannes

Der Herausgeber Judas Barsabbas war als Apokalyptiker in der Aufziehung solcher Zweideutigkeit, in der Herstellung solchen Zwielichts geübt. Das c. 21 ist nicht der einzige Fall, vgl. zu Joh 16,16ff. Wir haben öfter angedeutet, daß Judas Barsabbas aufs engste mit Lukas zusammengearbeitet hat. 1. Judas verschweigt den frühen Märtyrertod des Zebedaiden Johannes. Lukas verschweigt ihn ebenfalls in Apg 12,2 und beseitigt die Ur-McParallele zu Mc 10,35—40 (Mt), die doch Voraussetzung für den Ärger der übrigen Jünger über den Ehrgeiz der Zebedaiden Mc 10,41 ff. (Mt) ist. Die Erzählung über den Ehrgeiz — nicht der Zebedaiden, sondern — der Jünger versetzt RLc ohne Angabe des Anlasses nach 22,24—27. 2. Judas legt laut Joh 14,22 und vielleicht auch 21,2.24 Gewicht darauf, als Jünger, ja Apostel zu gelten. Lukas schiebt einen 'Iovdag 'Iaxwßov in seinen Apostelkatalog 6,16 ein, anstelle des Thaddaios des Ur-Mc als den wahren Apostel der Syrer, und erwähnt ihn auch Apg 9,11 als frühesten Missionar in Damaskus 1 ). Nachdem Lukas den Judas Barsabbas unter die „Apostel" aufgenommen hat, kann wiederum Judas bei der Bearbeitung der Apok die zwölf Apostel auf den Grundsteinen der Mauer des neuen Jerusalem verzeichnet sein lassen Apok 21,14. 'Iovdai; 'laxojßov entspricht dem Adressanten des Judasbriefes. 3. Judas will als Verwandter Jesu geachtet werden, der er tatsächlich war. Lukas erzählt die Geschichte von den Emmausjüngern, nennt dabei den einen, Klopas, der der Großvater des Judas war; den andern läßt er unbenannt. Warum läßt Lukas den zweiten Jünger unbenannt? Die spätere Tradition hat in diesem den Simeon 2) Sohn des Klopas und Onkel des Judas gesehen, ihm aber gelegentlich den Nebennamen Judas gegeben. Wollte Lukas selbst die Deutung auf Judas nahelegen? 4. Judas legte größtes Gewicht auf die Durchsetzung der beiden Verbote d e s noQVEvaai xai eidcoXö&vTa %Q6VW zovxca h a b e n stehen lassen. Die A n s e t z u n g e n Holls auf einer v o n i h m selbst erst gelegten Grundlage sind unmöglich. I c h bleibe bei Salom u n d denen, die a n n e h m e n , d a ß E p i p h a n i o s die beiden D a t i e r u n g e n unbesehen a u s Hippolytos ü b e r n o m m e n h a t . Aber wie sind sie zu deuten? yQnvoQ k o m m t in beiden D a t i e r u n g e n je zweimal vor u n d b e d e u t e t je einmal „ Z e i t p u n k t " u n d je einmal „ Z e i t d a u e r " . D a s vvv . . . ev reo Y/iovo) TOVTO) b e d e u t e t den Z e i t p u n k t des Erscheinens der o b e n g e n a n n t e n , auf der Ostertafel von 222 e r w ä h n t e n Schrift des H i p p o l y t o s gegen die „ L e u g n e r der A p o k a l y p s e " u n d des J o h - E v ; m i t fisrä XQOVOV giß (112) eztöv k o m m t m a n also auf (222 minus 112 = ) 110, u n d zwar eine gewisse Zeit vor 110, d a die b e t r . Schrift des H i p p o l y t o s eine gewisse Zeit vor 222 erschienen sein m u ß . Sie s t e h t n a c h vier zerstörten Zeilen auf der d r i t t e n von i m ganzen zehn Zeilen. D e m fiexa yonvov giß ixmv als Angabe einer Zeitdauer e n t s p r i c h t in der zweiten D a t i e r u n g fiezä zov XQOVOV za>v ajioaxöAwv; der A n g a b e des Z e i t p u n k t e s e n t s p r i c h t hier dg ?jv XQÖVOC, /XEZä zfjv zov aoixrjQog ävdXrjxpiv eni 93 ezsaiv. Weil Hippolytos in der zweiten D a t i e r u n g das fisxä schon v e r w e n d e t h a t t e , ersetzte er es bei der Angabe der J a h r e d u r c h das gleichbedeutende i n i m i t D a t i v . Zu übersetzen ist also: „Welches war der Z e i t p u n k t : 93 J a h r e nach der avaA.r]yiig des H e i l a n d e s . " Zu diesem Z e i t p u n k t e eanovdaos ro äyiov nvEV/ia amoxafajyxu rj/j.iv, d. h. zu diesem Z e i t p u n k t e ist die Apokalypse des J o h a n n e s erschienen m i t der Weissagung der m o n t a n i s t i s c h e n Ketzerei in T h y a t e i r a . Aber in d e m W o r t e AvaXTjyng liegen noch erhebliche Schwierigkeiten. I c h h a b e gezeigt 2 ), d a ß H i p p o l y t o s v o n der yeveaig Xniaxov ausgeht u n d diese auf d e n 25. X I I . 2 v. Chr. gesetzt h a t . E r rechnet i m m e r n a c h der G e b u r t in Bethleem, nie n a c h der H i m m e l f a h r t . x ) E p i p h a n i u s , A n c o r a t u s u. P a n a r i o n 1.2.3, Die griech.-christl. Schriftsteller d. ersten drei J a h r h u n d e r t e 25.31.37, hrsg. v. K . Holl, 1 9 1 5 - 1 9 3 3 . 2 ) W . H a r t k e , Ü b e r J a h r e s p u n k t e u n d F e s t e , insbesondere das W e i h n a c h t s f e s t . D e u t s c h e A k a d e m i e der Wissenschaften zu Berlin, S c h r i f t e n der Sektion f ü r Altert u m s w i s s e n s c h a f t 6, 1956.

V I I . Die joh. F r a g e u n d die kirchliche T r a d i t i o n bis gegen E n d e des 2. J h s .

235

W ü r d e n wir von der H i m m e l f a h r t her, die nach H i p p o l y t o s i m J a h r e 29 s t a t t g e f u n d e n h a t , rechnen, so k ä m e n wir m i t 29 plus „ n a c h 9 3 " auf d a s J a h r 122 n. Chr.; d a s wäre zu s p ä t f ü r die Apok J o h . E . Schwartz weiß d e n n a u c h m i t 122 n i c h t s Rechtes anzufangen1). Auch wenn wir von 122 die 112 J a h r e weiterzählen, die H i p p o l y t o s selbst bis z u m Erscheinen seiner Widerlegung des K r i t i k e r s der Apokalypse, d. h. des Gaius, r e c h n e t , k o m m e n wir ins Unmögliche, n ä m l i c h auf das J a h r 234. Diese Widerlegung fällt, wie gesagt, eine gewisse Zeit vor 222, u n d die „ K a p i t e l gegen G a i u s " sind laut Z a h n u n d H a r n a c k , wenn a u c h n a c h der A b h a n d l u n g f ü r die johanneischen S c h r i f t e n , so doch u n t e r Z e p h y r i n v e r f a ß t . Auch die Zeit des Gaius p a ß t n i c h t zum J a h r e 234, d e n n nach Eusebios h . e . 1 1 2 5 , 6 u n d V I 2 0 , 3 h a t der Dialog des Gaius m i t d e m kleinasiatischen M o n t a n i s t e n Proklos u n t e r Zephyrinos (etwa 199 bis 217) s t a t t g e f u n d e n , u n d schon Eirenaios h a t den Gaius b e k ä m p f t in haer. I I I 11,9, welches B u c h z. Z. des Bischofs E l e u t h e r o s (175 bis 189) geschrieben ist. P h o t i o s cod. 4 8 p a ß t dazu, verwechselt aber wohl Gaius m i t H i p p o l y t o s . Die Lesart ävähjxpit; ist also unmöglich dem Hippolytos, der Quelle des E p i p h a n i o s , zuzuschreiben. Schon P e t a v i u s h a t in seiner Ausgabe des E p i p h a n i o s yevvrjoiv eingesetzt; ich m u ß a n n e h m e n , d a ß H i p p o l y t o s ysveaiv geschrieben u n d d a ß E p i p h a n i o s hier g e ä n d e r t h a t . D a ß E p i p h a n i o s a n d e m aus H i p p o l y t o s g e s c h ö p f t e n T e x t e a u s seiner eigenen k o n f u s e n Weisheit Ä n d e r u n g e n v o r g e n o m m e n h a t , beweist schon der auf unser Z i t a t folgende S a t z OJV (seil, der montanistischen P r o p h e t i n n e n ) rj nmiri] ov MXrj&e ro nvev/IA ro ayiov, äAAct nQosd-iamas 7iQOg iv rü> OTO/MITI rov äyiov 'Iwdwov TiQo xoifirjaecog avrov 7iQoq>t]TEVcavrog sv XQOVOIQ KXavdiov KaiöaQoq ävmrarm OTE EIS ri]v ndz/iov vfjaov VNFJOXEV, über den wir oben 2 ) g e h a n d e l t h a b e n . Diesen U n sinn h a t E p i p h a n i o s noch einmal aufgetischt in 51,12. N a c h Z a h n h a t er diese D a t i e r u n g aus Leukios Charinos, der selbst sie aus d e m von i h m m i ß v e r s t a n d e n e n P a p i a s h a t . P a p i a s h a t wirklich „ n a c h der H i m m e l f a h r t " seine literargeschichtlichen Angaben berechnet 3 ). H i p p o l y t o s m u ß aus Eirenaios-Papias g e w u ß t h a b e n , d a ß die Apok u n t e r D o m i t i a n erschienen war 4 ). D a s Ergebnis unserer U n t e r s u c h u n g ist also folgendes: H i p p o l y t o s h a t t e yeveaiv g e s c h r i e b e n , E p i p h a n i o s h a t d a f ü r auf G r u n d s e i n e r a u s d e r t r ü b e n Q u e l l e L e u k i o s g e s c h ö p f t e n W e i s h e i t äväbppiv e i n g e s e t z t . Nach Hippolytos ist die Apokalypse und sind die mit ihr zugleich in der heutigen, bearbeides Johannes im teten Gestalt herausgegebenen Briefe und das Evangelium Jahre 92 n. Chr. erschienen. 112 Jahre d a n a c h h a t H i p p o l y t o s seine Widerlegung der Leugner der A p o k a l y p s e u n d des J o h - E v , m i t andern Worten: des Alogers Gaius geschrieben, also i m J a h r e 204, u n d das s t i m m t zur Ostertafel. Glücklicherweise hat Epiphanios diese beiden h ö c h s t wertvollen D a t i e r u n g e n gedankenlos übernommen, nur aus Leukios a n einer S t e l l e „ v e r b e s s e r t " u n d a n einer a n d e r n „ v e r m e h r t " . Z a h n , R e i n a c h u n d !) ) 3 ) 4 ) a

E . Schwartz, a. a. O. 39. Vgl. S. 134. Vgl. S. 365. Vgl. S. 242.

236

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

mit Bedenken Harnack stimmen einer Ansetzung auf 93 n. Chr. zu; wir müssen aber einrechnen, daß Hippolytos die yéveait; Jesu auf den 25. X I I . 2 v. Chr. gesetzt hat und kommen deshalb auf das Jahr 92 für die Abfassung der Apokalypse und die Herausgabe des Corpus Johanneum. Das

älteste

handschriftliche

Zeugnis

f ü r die E x i s t e n z d e s J o h - E v

ist

das in Mittelägypten im ersten Viertel des 2. Jhs. geschriebene Blatt eines Papyrus-Codex mit Joh 18,31-33 und 37-38, Pap. Ryland GK 457, das C. H. Roberts 1935 bekanntgemacht hat 1 ). Auch das „Unknown Gospel", dessen Fragmente H. Idris Bell und T. C. Skeat 1935 herausgegeben haben 2 ), zeigt, daß das Joh-Ev bald nach 100 in Ägypten bekannt gewesen ist; dafür entscheidet sich R. Bultmann. Aus der Zeit um 200 stammt der neue Papyrus Bodmer II 3 ). Die Gruppe der apokalyptischen Jerusalemer und Deuterojohanneer in Phrygien war eine Größe, die Beachtung forderte und von den Männern, die gegen Ende des l . J h s . in der petrinisch-katholischen Bewegung die rechtgläubige Einheitskirche schaffen wollten, auch beachtlich und geeignet genug befunden wurde, daß sie sich mühten, diese Gruppe trotz der angedeuteten Schwierigkeiten, die sie machte, in die Bewegung einzubeziehen. Ich kann erst im 2. Buche schildern, wie diese Bewegung zur Gestaltung eines Kanons heiliger Schriften drängte, und zeigen, daß der eine der beiden Redaktoren ein bekannter kirchlicher Pauliner, der andere ein den Philippinern nahestehender bekannter Verfasser neutestamentlicher Schriften war. Hier kann soviel gesagt werden, ohne die bisher anerkannten Grenzen der Erkenntnis zu überschreiten: Es ist ziemlich allgemein angenommen, daß die Bezeichnung der vier Berichte über Jesus als TÖ evayyéliov xaxá gleichzeitig mit dem Vier-Evangelien-Kanon entstanden ist. Ich werde auch, zumal nach dem neuen Funde des auf das erste Drittel des 2. Jhs. zu datierenden Papyrus von C. H. Roberts mit einem Stücke eines Codex des Joh-Ev, kaum mehr auf starken Widerspruch stoßen, wenn ich behaupte, daß dieser Evv-Kanon im letzten Jahrzehnt des 1. Jhs., bald nach der Herausgabe des Joh-Ev in Ephesos zusammengestellt worden ist. Den Redaktoren der ersten, alle rechtgläubigen Richtungen zusammenfassenden Sammlung von Schriften lag daran, für sie apostolische Autorität geltend zu machen. Wie sollten diese Männer das Joh-Ev nicht als Ev des Apostels Johannes ausgeben, wo sie das sogar mit einigem Rechte konnten! Dann mußte es denselben Redaktoren naheliegen, das andere mit Johannes 1

) C. H. Roberts, An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library, Manchester 1935. 2 ) H. J. Bell-T. C. Skeat, Fragments of an Unknown Gospel and Other Early Christian Papyri, London 1935. 8 ) Papyrus Bodmer II. Evangile de Jean, chap. 1—14, publié par Victor Martin, Bibl. Bodmeriana 1956.

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

237

Marcus in Beziehung stehende Ev nicht xaxa 'Iwdvvrjv, sondern xaxa M&QXOV zu nennen. Sie haben darunter natürlich noch den Johannes Marcus verstanden, denselben, von dem sie wußten, daß er auch am Evangelium xaxa 'Icoävvrjv beteiligt war. Trotzdem hat man in Ephesos noch bis zum Ende des 2. Jhs. gewußt, daß Johannes, der Alte von Ephesos, „der Verfasser" des Joh-Ev, nicht einer der zwölf Apostel gewesen ist. Dafür ist Zeuge der Bischof von Ephesos, Polykrates, in seinem aus dem letzten Jahrzehnt des 2. Jhs. stammenden Schreiben an den Bischof Victor von Rom. Man muß sich ernsthaft die Frage vorlegen, warum der Bischof von Ephesos zur Deckung seines Standpunktes in der Frage des Ostertermins an erster Stelle v ¡usv ro nqmxov nvevfia eyeVETo aäq^ (also Präexistenz, aber noch keine Logoslehre) 9,5, das jiaQaxXrjTOQ 6,9, „der Vater der Wahrheit" 3,1, der Anklang an Joh 17,3 in 3,1 lassen doch wohl schließen, daß dem Verfasser das Joh-Ev bekannt war. Für ihn sind Autorität laut 14,2 r\ yQaspi} (d. h. das AT) xai eri rä ßißXLa (d. h. alle kanonischen Evangelien) xai oi änoaroXoi. Er hat wahrscheinlich eine Evangelienharmonie benutzt und ist selbst vom Ägypterevangelium benutzt worden 1 ). Theophilos von Antiochia unterscheidet um 180 in ad Autol. I I I 12 das Gesetz, die Propheten und „die Evangelisten" und sagt, daß alle Geistträger in einem Geiste geredet haben. Danach ist I I 22 zu verstehen: „Daher lehren uns die Heiligen Schriften und alle Geistträger, von denen einer, Johannes, sagt: (es folgt Joh 1,1)." Dies ist das älteste Evangelienzitat, bei dem der Evangelist, also Johannes, namentlich angeführt wird 2 ). Theophilos begründet hier, soweit uns bekannt, ebenfalls als erster die Logoslehre ausdrücklich aus dem Joh-Ev. Er ist einer der stärksten Förderer der Anerkennung und Höchstschätzung des Joh-Ev in der allgemeinen Kirche gewesen und hat besonders stark auf Eirenaios gewirkt. In Kleinasien, aber nicht in Ephesos, hat um 160 bis 170 Leukios die Johannes-Akten geschrieben. Der Johannes dieses Romans ist der Apostel x l

) Vgl. S. 579. ) J. Leipoldt, Gesch. d. ntl. Kanons I, 1907, 127, Anm. 2.

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

247

Johannes von Ephesos. Wir haben erschlossen 1 ), daßLeukios überPapias hinaus schon alle johanneischen Schriften dem Apostel zugeschrieben, aber doch noch wie Papias von dem Tode des Apostels unter Claudius gewußt hat. Ich sehe nun eine Linie von dem in Phrygien wirkenden Herausgeber des Corpus Johanneum, dem Pneumatiker und Apokalyptiker Judas Barsabbas, über den Chiliasten Papias, Bischof des phrygischen Hierapolis, auf Leukios und zu der enthusiastischen Bewegung verlaufen, die in Phrygien sich schon länger innerhalb der Kirche bemerkbar gemacht hatte, bevor sie im Montanismus Formen annahm, denen die Kirche widersprechen mußte. Leukios scheint Anklang bei den Montanisten gefunden zu haben 2 ). Sicher haben diese das Joh-Ev am höchsten geschätzt; daß sie den Apostel für den Verfasser der Joh-Schriften angesehen haben, ergibt sich aus der nach E . Schwartz 3 ) auch von ihnen vertretenen Chronologie TOV äyiov 'Iwäwov JIQO xoijUr/aeajQ avrov 7igo(prjjevaavzog ev %govotg KXavdiov KaiaaQoq avmrärm, ors elg rfv ITarfiov vfjaov vnfjq^sv (Epiph. haer. 51,33). Die oben gezeichnete Linie läßt sich nun von der enthusiastischen Bewegung Phrygiens einerseits auf Bischof Theophilos von Antiochia und von diesem weiter auf Eirenaios ziehen, andererseits weiter verfolgen zu den griechisch sprechenden Gemeinden Südgalliens. Auch hier fand sie, sofern sie in kirchlich erträglichen Grenzen blieb, durchaus freundliches Entgegenkommen und gelangte von Lyon, besonders durch Eirenaios, nach Rom. In Kleinasien wurde die enthusiastische Bewegung sehr bald energisch bekämpft, bezeichnenderweise auch von Apollinarios, dem Freunde des Joh-Ev. Im Westen aber hat dieselbe Bewegung, eben weil sie kirchliche Männer vom Range eines Eirenaios für sich gewonnen hatte, starken Einfluß auf die Kirche gehabt, einen Einfluß, der in seiner ganzen Wirkung noch nicht erkannt zu sein scheint. Von seiner Bedeutung für die Entwicklung des römischen Kanons wird im 2. Buche dieser Arbeit die Rede sein. In unserem Zusammenhange behaupte ich, daß auf dem angedeuteten Wege die von Judas Barsabbas angelegte Verfälschung der historischen Wahrheit betr. die Person des Johannes von Ephesos, nämlich die Verdrängung der Nachricht vom frühen Tode des Apostels und damit die Gleichsetzung des Apostels Johannes mit dem geliebten Jünger und Alten von Ephesos, Johannes Marcus, in die Kirche eingedrungen ist. Eirenaios hängt stark von der kleinasiatischen Tradition, ausdrücklich auch von Papias ab, zeigt in Adv. haer. 124,4 eine ähnliche Auffassung der Kreuzigung wie die Johannes-Akten des Leukios und steht, wie gesagt, in der enthusiastischen Bewegung, welche die Joh-Schriften bevorzugte, als einer S. 135. ) N. Bonwetsoh, Gesch. d. Montanismus, Erlangen 1881, 83. 3 ) Über den Tod der Söhne Zebedaei, Abhandlungen d. Kgl. Gesellschaft d. Wissenschaften zu Göttingen, Phil.-hist. Klasse, Neue Folge 7,5, 1904, 29.33. 2

248

Erster Teil: Die Schriften des Johannes

ihrer Führer im Westen; er ist auch ein Hauptvertreter der Logostheologie, Er schätzt das Joh-Ev als das zwar jüngste und die Synoptiker ergänzende, aber wie Ignatios, Papias, Theophilos doch als das an Wert und Würde erste, „da es das Wirkende, Führende, Königliche an Jesus charakterisiert". Er nennt zum ersten Male Ephesos als Ort der Abfassung; aus der Behauptung der Aloger, daß Kerinthos der Verfasser des 4. E v und der übrigen Joh-Schriften sei (Epiph. haer. LI 3), kann man nicht mit Sicherheit diesen Schluß ziehen 1 ). Eirenaios nennt den Johannes oft ohne jedes Epitheton, oft mit 6 FIA&RJRRJI; TOV xvotov. Einmal, I 2,9, nennt er den Verfasser des 4 . E v o anoazoXog-, 1122,5 sagt er: Quidam autem eorum (seil, seniorum) non solum Johannem sed et alios apostolos viderunt, und ebenso i m B r i e f e a n V i c t o r bei E u s . h . e . V 2 4 , 1 6 are ¡iexa 'Icoavvov TOV ¡xa&r]Tov

TOV xvgiov r/juiüv xal TWV Xommv anoarokojv2). Aus der Verwendung der Bezeichnung o änoaToXog für Johannes ist immerhin noch nicht mit Sicherheit zu folgern, daß Eirenaios ihn zu den Zwölfboten gerechnet hat, da er I I 21,1 die Zwölf und die Siebzig unter omnes apostolos zusammenfaßt. Also nicht aus der Bezeichnung als Apostel an sich darf man folgern, daß Eir. den langlebigen Jünger des Herrn, den Lehrer der Apostelschüler der Asia, den Verfasser der Joh-Schriften, den Johannes von Ephesos für den Zwölf boten und Zebedaiden gehalten hat, sondern daraus, daß er diese Bezeichnung gegen Victor geltend macht. Victor hatte sich, soviel wir aus dem Briefe des Polykrates in Sachen des Osterstreites erschließen können, als erster für seine Autorität auf die in Rom befindlichen Gräber der christlichen Heroen Petrus und Paulus berufen. Die Zwölf und der vom Auferstandenen berufene Paulus gelten im Muratorianum als apostoli, und nur diese apostoli gelten als Autorität der Tradition. Wichtiger als die Bezeichnung mit apostolus ist auch die Tatsache, daß Eirenaios I I I 12,1.5—15 seinen Johannes mit dem identifiziert, von welchem die Apg als von einem hervorragenden Apostel erzählt. Eirenaios hat den Zwölfboten Johannes mit dem Lieblingsjünger und Alten von Ephesos, die Papias noch, richtig auseinander gehalten hatte, identifiziert. I I I 12,15 hat er übrigens auch den Zebedaiden Jakobus mit dem Herrenbruder vertauscht. Papias mußte die beiden Johannes auseinander halten, weil er ja wußte, daß der Apostel früh gestorben war. Eirenaios muß, wenn er sie gleichsetzt, die Nachricht vom frühen Märtyrertode des Zebedaiden für unglaubwürdig gehalten haben und konnte sich dafür auf die Apg des Lukas berufen, die dieses Wissen verschwiegen hatte. Ich fihde die Identifikation zwar nicht ausdrücklich, aber doch unverkennbar ausgesprochen auch in der „entscheidenden" Stelle I I I 1,1 bei Eus. V 8 , 4 : inena 'Iwawr7? o FIA&RJTR]g TOV !) Th. Zahn, Forschungen z. Gesch. d. ntl. Kanons VI, 1881 ff., 181, Anm. 1. 2 ) Th. Zahn, a. a. O. VI, 75, Anm. 1.

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

249

xvgiov, o xal im ro crtfj&og avrov avaneawv, xal avrög ¿¡¡edcoxev rö evayyefoov, sv 'Erpiaio rfjg 'Aaiag diarqißmv. Nach dem Wortlaute sagt die Stelle weiter nichts, als daß der geliebte Jünger Johannes auch seinerseits das Evangelium herausgegeben habe, während seines Aufenthaltes in Ephesos; aber das avrög etjedojxev setzt diesen Johannes gegen das Paar MarcusLukas, die ausdrücklich als Apostelschüler bezeichnet werden, in Parallele zu Matthaios (e£rjveyxev), und der war ohne Zweifel ein Zwölfbote. Das xal avrög e^eömxev sollte vielleicht auch ein Beitrag sein zu der Diskussion, wer das E v herausgegeben habe, d. h. aber: ein Protest gegen die Aloger und gegen Papias. Zur Begründung dieses Standpunktes muß dem Eirenaios auch das Zitat aus Papias über die Abfassung der Apokalypse durch Johannes gegen Ende der Regierung des Domitianus (Eus. I I I 18,3) dienen 1 ). NachW. v. Loewenich 2 ) ist Eirenaios es gewesen, der die kirchliche Exegese des Joh-Ev begründet hat. Er hat vor allem den Prolog den Gnostikern entrissen (wenn ihm darin nicht schon Theophilos von Antiochia vorangegangen ist). An dem Durchbruch der Leidenschaft, mit der Eir. die geschichtliche Deutung des Prologes gegen die spekulative fordert, merkt man, wie lange und schwer die Kirche darunter gelitten hatte, daß sie mit dem Joh-Ev gegenüber den Ketzern nichts Rechtes hatte anfangen können — merkt man aber auch, daß für Eirenaios das Joh-Ev schon zum Kanon gehörte. Das Muratorianum ist wie Eirenaios an die Tradition gebunden, wenn es in der Überschrift sagt: Quartum evangelium Johannis ex discipulis; es folgt aber darin dem Eir., daß es ganz klar den Apostel meint mit dem Ausdruck non solum visorem et auditorem, sed et scriptorem omnium mirabilium per ordinem. Wenn das Murat diesen Johannes, der die Apokalypse verfaßt hat, prodecessor und Vorbild des Paulus nennt, so bleibt es hinter Eirenaios zurück und nimmt, wie viel später Epiphanios, d. h. ihre gemeinsame Quelle Leukios, noch an, daß die Apok unterClaudius entstanden sei 3 ). Den Marcus wird das Murat ebenso wie Eirenaios und schon dessen Gewährsmann Papias von Johannes, dem geliebten Jünger und Alten von Ephesos, getrennt haben. Das Murat hat, wie gezeigt, dank seinen unmittelbaren Beziehungen zu Kleinasien noch eine dunkle Kunde von der Urschrift des Apostels Johannes. Vor Eirenaios und dem Muratorianum muß das Joh-Ev in der römischen Großkirche wenig gegolten haben. Clemens und Hermas zeigen keine sichere Einwirkung der Joh-Schriften. Dagegen haben die anatolischen und römischen Valentinianer sich sofort auf das Joh-Ev gestürzt, an!) Vgl. oben S. 242. ) Das Joh-Verständnis im 2. Jh., Beih. zur ZNW 13, Gießen 1932, 120. 3 ) Vgl. S. 135. 2

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Erster Teil : Die Schriften des Johannes

gezogen durch den ihnen verwandten Geist seines Herausgebers, und wie Ptolemaios und Herakleon, der zum E v Hypomnemata geschrieben hat, den Evangelisten natürlich gern für den Apostel Johannes erklärt. Die Valentinianer haben der römischen Großkirche viel zu schaffen gemacht. Daraus erklärt sich die Einstellung des Justinos zum Joh-Ev. Dieser war in Samaria geboren und hatte etwa 130/135 unter dem kirchlichen Einfluß Kleinasiens gestanden. Dial. 81 sagt er von dem Apokalyptiker: ävrjg ng, qj ovofia 'Icodvvrjg,

elg rwv anoaröXtav

rov

Xgiarov,

ev anoxalmps.i

ennocprj-

Tsvaev. Daraus ist mit Sicherheit nur zu folgern, daß er die Apok sehr hoch geschätzt hat, insofern er ihren Verfasser, den er wohl wie das Buch selbst in Kleinasien heimisch gedacht hat, mit dem Kreise der von Christus unmittelbar ausgegangenen Missionare in Verbindung gebracht hat; denn das bedeutet bei ihm oi äjiöaxoXor, dieser Begriff ist bei ihm nicht klar auf die Zwölfboten begrenzt, er kann Christus selbst den Apostolos Gottes nennen u n d nennt die i h m v o r l i e g e n d e n E w m e i s t rä vnofivr\(iaxa

Einmal, Dial. 103, unterscheidet er ä rprjui exeivoig

7tagaxoXov&rjadvrojv

avvrerax'&ai

VJLO TOJV

rä>v änoaxoXcov.

änoaröXojv

avrov xal

TÖ>V

und zitiert dort L c und M t . M a n

kann mit Zahn 1 ) folgern, daß Justinos „mehrere solche, welche von Aposteln, und mehrere solche, welche von Apostelschülern verfaßt waren", meine, mithin den Johannes als Apostel rechne. Justinos kennt das Joh-Ev sicher (vgl. Dial. 88,7; 123,9; Apol I 61,4), zitiert es freilich nie ganz klar. Aber da er den philosophischen Logosbegriff energisch vertreten hat, muß ihm das Joh-Ev sogar besonders sympathisch gewesen sein, zumal er die Fleischwerdung des Logos in Jesus aus keiner Philosophie, sondern nur aus Joh 1,14 geschöpft haben kann, wie v. Loewenich mit Recht betont. Justins zwiespältige Stellung zum Joh-Ev erklärt sich ähnlich wie bei Ignatios: Wie dieser trotz stärkster innerer Sympathie für den Geist des Joh-Ev doch wegen der altpaulinischen Gegner des Joh-Ev in Kleinasien, vielleicht auch wegen der Anhänger des Mt-Ev in seinem eigenen Antiochia sich einer offenen Zitierung des Joh-Ev enthält, so hat Justinos sich gegenüber dem von ihm im Stillen am höchsten geschätzten Joh-Ev zurückgehalten, weil damals die Führung der römischen Gemeinde in schwerem Kampfe einerseits mit den Valentinianern lag, die sich gerade auf dieses E v stützten, anderseits mit Juden und Judenchristen, die dem Joh-Ev vorwarfen, es trübe den reinen Monotheismus durch seine Logoslehre. Der Schüler Justins, der Syrer Tatianos, der starke Sympathie für Valentinos bekundet hat, verarbeitet das Joh-Ev in sein Diatessaron, entnimmt ihm sogar den Rahmen dafür. Aber in TIQOQ "EXXrjvag zitiert er auch nur den Prolog. Über das Argumentum im Reginensis ist oben gehandelt worden 2 ).

x) 2)

Grundriß der Gesch. d. ntl. Kanons, 2. Aufl. 1904, 33. S. 136.

VII. Die joh. Frage und die kirchliche Tradition bis gegen Ende des 2. Jhs.

251

„Selbstverständlich folgten die Montanisten des Abendlandes ihren Glaubensgenossen in Asien" 1 ). Das gilt von Proklos und Tertullianus. Die Opposition der Pneumatomachen (Aloger) gegen das E v und die ganze in der Kirche bestehende Unsicherheit wird wesentlich durch die Arbeit des Eirenaios und seiner Schüler allmählich überwunden. I m Muratorianum ist das Joh-Ev anerkannt. Die Stellung Roms zu den übrigen johanneischen Schriften ist nicht so einfach auszusprechen und soll im 2. Buche behandelt werden. Besonders u m die Apok ist im Anfang des 3. Jhs. in R o m noch gekämpft worden, aber gerade in Rom und durch R o m ist sie f ü r den Kanon durchgesetzt worden. Wie war die Frühgeschichte der johanneischen Literatur in Südsyrien und Ägypten? Die ebionitische Literatur benutzt das johanneische Schriftt u m nicht. Der Didache ist es nicht vertraut; diese Schrift ist m . E . in Caesarea entstanden und wenig später als das Corpus Johanneum abgeschlossen worden. Ebenfalls in Caesarea ist m. E. bald nach 117 der Barnabasbrief entstanden; auch er zeigt keine sichere Einwirkung des Corpus. I n Caesarea ist endlich, etwa ein Menschenalter nach dem Barnabasbrief, die Epistula apostolorum herausgegeben worden, in der Begriffe und Berichte des J o h - E v eine große Rolle spielen; Johannes ist sogar der Führer des Apostelkollegiums. Auch das u m die Mitte des 2. Jhs. entstandene Petrus-Evangelium der syrischen Doketen benutzt das Joh-Ev. I n Ägypten ist das Joh-Ev, wie der Roberts-Papyrus beweist, bereits 20 bis 30 J a h r e nach seiner Edition gelesen worden. Aus der Zeit bald nach 200, vielleicht aus dem Kreise der alexandrinischen Katechetenschule, s t a m m t der wichtige neue Papyrus Bodmer I I 2 ) . Clemens Alexandrinus um 200 naoridoaiv TCOV ävexa&ev noeaßvTsQOjv TS&eirat, TÖV ¡ISVTOL 'Icoavvrjv eo%aTov avvidovra, ort r a ocofiaTixä ¿v Tolg evayyeXioig öedrjÄmrai, iiQorQcmsvra vmb TCÖV yvcogi/xcov, Tivevfiari §eov) und der des Eirenaios (eaxarov)< Q6Q, avXXaßelv — verhaften, fieg/naivea&ai, ¡laaxiyovv, (>anioixa, ßäXÄeiv xXrjQov, anöyyoq, o£og; das gleichlautende inei TiagaaxevTj rjv muß auffallen.

Aber wenn Johannes Marcus im Mc und im Ur-Joh dieselben Ereignisse dargestellt hat, dann darf er sich hüben und drüben jedenfalls nicht in wesentlichen Punkten widersprechen. Und gerade das wird behauptet, daß der Aufriß der ganzen öffentlichen Wirksamkeit Jesu, insbesondere die Passionsgeschichte bei Mc, der johanneischen Darstellung unausgleichbar widerspreche, und zwar nicht nur in Einzelheiten, sondern vor allem in der Chronologie. Mit dieser Behauptung haben wir uns auseinanderzusetzen. Vorab ist jedoch mit philologischer Methode die Frage zu beantworten, ob und wie von dem Mc-Ev der heutigen Form ein Ur-Mc zu unterscheiden ist, der dann von Johannes Marcus niedergeschrieben wäre. Wir werden jene Behauptung und diese Frage miteinander behandeln. Es sollte selbstverständlich sein, daß die Jünger Jesu Nachrichten über ihn haben sammeln und nicht zerstreuen wollen. Sie haben auch den Sinn der Geschichte und besonders die Worte Jesu so getreu wiedergeben wollen, wie sie konnten. Dabei ist aus psychologischen Gründen anzunehmen, daß zuerst die schwerer behaltbaren Worte niedergeschrieben worden sind. Worte und Geschichten konnte man treu wiedergeben, auch wenn man sie nicht verstand. Als die Jünger aber sich selbst ein Urteil über die Persönlichkeit Jesu bilden wollten, statt einfach dem Erlebten treu zu bleiben, da machte sich sofort ihre natürlich-menschliche, d. h. jüdische, Art geltend. Sie erklärten noch zu Jesu Lebzeiten Jesus gegen dessen eigenen Willen für den Messias; es war das Höchste, was sie auszusagen wußten. Die menschliche Gebundenheit in Eigenwillen und Selbstherrlichkeit machte sich stärker geltend, als man nicht mehr unter der Erziehung des auf Erden gegenwärtigen Jesus stand, der in allem Menschlichen völlig frei war, weil er ganz in Gott gebunden war und in diesem Sinne auch auf seine Jünger gewirkt hatte. Als dann weiter die pneumatisch-apokalyptische Bewegung aufkam, wurde die menschliche Selbstherrlichkeit weiter gefährlich gesteigert, denn das Pneuma der urehristlichen Literatur ist außer bei Paulus nur eine rauschhaft-gesteigerte Form des menschlichen Ich. Aber die Pneumatiker sind doch noch Individualisten, wenn sie auch geneigt sind, ihre Auffassung für 17*

260

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

andere zum Gesetz zu machen. Viel gefährlicher wurde die menschliche Selbstherrlichkeit, als die ebionitisch-petrinische, vom Mt-Ev getragene Bewegung mit ihrer mächtigen jüdischen Tradition und genossenschaftlichen Organisation aufkam. So hat denn aus der Überlieferung über Jesus Mt von ihm für „falsche Perikopen" angesehene Berichte ausgelassen, die seiner Tendenz unbequem waren; aber auch Mt steht unter dem durchgehenden natürlichen Gesetz des Anwachsens des Traditionsstoffes mit fortschreitender Zeit. Man kann also drei methodische Gesetze für die Kritik der synoptischen Tradition aufstellen: 1. Im allgemeinen deutet Sondergut auf eine spätere Stufe der Tradition. 2. Jedoch muß man auch mit Auslassung bei Späteren rechnen, darf das aber nur dann, wenn sie aus einer auch sonst bemerkbaren Tendenz wahrscheinlich gemacht werden kann. 3. J e später die Zeit, desto geringer der Gehalt der Tradition an geschichtlicher Treue, desto größer die Tendenz zur Ausflucht vor der einzigen Forderung Jesu: „Rindlein, liebet einander!" zu billigen Surrogaten.

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc Mc und Lc sind aufs engste verwandt; das beweist die durchsichtige Übereinstimmung des Wortlautes und der Reihe der Perikopen. Mc hat aber in den vergleichbaren Strecken der Texte erheblich mehr. Ich verstehe, daß Lukas die peinliche Bemerkung Mc 3,20f., daß die Angehörigen Jesus festnehmen wollen, weil er außer sich geraten sei, bei der Umstellung und Umgestaltung von Ur-Mc 3,20—21; 31—35 zu Lc8,19f. unterdrückt hat, daß Lukas ferner den unerfreulichen Ehrgeiz der Zebedaiden von Mc 10,35ff. in der entsprechenden, aber umgestalteten und umgestellten Geschichte vom Streite über Vorrang und Ehrenplätze (Lc 22,24—27) ganz verschwiegen hat, während Mt ihn den Aposteln abnimmt und deren Mutter, „nur einer Frau", aufhalst. Ich verstehe aus der kirchlichen Einstellung des Lukas, daß er das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat Mc 4,26—29 wegläßt, das ja alle kirchliche „Arbeit" zu lähmen und die Parusie ad calendas Graecas zu verschieben scheint, während Mt es durch Umgestaltung zum Gleichnis vom Unkraut (d.h. den Ketzern) unter dem Weizen 13,24—30 kirchlich erträglich, ja sogar nutzbar macht. Ich verstehe, daß Lc den anonymen jungen Mann von Mc 14,51, der noch blieb, als die Elf flohen, gestrichen hat; es war Johannes Marcus, und Lc hat auch sonst seine Abneigung gegen diesen gezeigt. Lc kann Mc4,33f. (Methode der Gleichnisrede) gestrichen haben, weil es ihm Lc 8,10 zu widersprechen schien, oder einfach aus Redaktionsgründen. Da es offenbar mit der sogenannten Reinigung des Tempels bei den Synoptikern eine besondere Bewandtnis hat, so mag Lc

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

andere zum Gesetz zu machen. Viel gefährlicher wurde die menschliche Selbstherrlichkeit, als die ebionitisch-petrinische, vom Mt-Ev getragene Bewegung mit ihrer mächtigen jüdischen Tradition und genossenschaftlichen Organisation aufkam. So hat denn aus der Überlieferung über Jesus Mt von ihm für „falsche Perikopen" angesehene Berichte ausgelassen, die seiner Tendenz unbequem waren; aber auch Mt steht unter dem durchgehenden natürlichen Gesetz des Anwachsens des Traditionsstoffes mit fortschreitender Zeit. Man kann also drei methodische Gesetze für die Kritik der synoptischen Tradition aufstellen: 1. Im allgemeinen deutet Sondergut auf eine spätere Stufe der Tradition. 2. Jedoch muß man auch mit Auslassung bei Späteren rechnen, darf das aber nur dann, wenn sie aus einer auch sonst bemerkbaren Tendenz wahrscheinlich gemacht werden kann. 3. J e später die Zeit, desto geringer der Gehalt der Tradition an geschichtlicher Treue, desto größer die Tendenz zur Ausflucht vor der einzigen Forderung Jesu: „Rindlein, liebet einander!" zu billigen Surrogaten.

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc Mc und Lc sind aufs engste verwandt; das beweist die durchsichtige Übereinstimmung des Wortlautes und der Reihe der Perikopen. Mc hat aber in den vergleichbaren Strecken der Texte erheblich mehr. Ich verstehe, daß Lukas die peinliche Bemerkung Mc 3,20f., daß die Angehörigen Jesus festnehmen wollen, weil er außer sich geraten sei, bei der Umstellung und Umgestaltung von Ur-Mc 3,20—21; 31—35 zu Lc8,19f. unterdrückt hat, daß Lukas ferner den unerfreulichen Ehrgeiz der Zebedaiden von Mc 10,35ff. in der entsprechenden, aber umgestalteten und umgestellten Geschichte vom Streite über Vorrang und Ehrenplätze (Lc 22,24—27) ganz verschwiegen hat, während Mt ihn den Aposteln abnimmt und deren Mutter, „nur einer Frau", aufhalst. Ich verstehe aus der kirchlichen Einstellung des Lukas, daß er das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat Mc 4,26—29 wegläßt, das ja alle kirchliche „Arbeit" zu lähmen und die Parusie ad calendas Graecas zu verschieben scheint, während Mt es durch Umgestaltung zum Gleichnis vom Unkraut (d.h. den Ketzern) unter dem Weizen 13,24—30 kirchlich erträglich, ja sogar nutzbar macht. Ich verstehe, daß Lc den anonymen jungen Mann von Mc 14,51, der noch blieb, als die Elf flohen, gestrichen hat; es war Johannes Marcus, und Lc hat auch sonst seine Abneigung gegen diesen gezeigt. Lc kann Mc4,33f. (Methode der Gleichnisrede) gestrichen haben, weil es ihm Lc 8,10 zu widersprechen schien, oder einfach aus Redaktionsgründen. Da es offenbar mit der sogenannten Reinigung des Tempels bei den Synoptikern eine besondere Bewandtnis hat, so mag Lc

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

261

das Mc 14,57f.; 15,29f. Entsprechende durch et av el o ßaaihevg xwv 'Ioväaiow Lc 23,37, und er mag Mc 15,34 ekml ¿Amt xrk durch Lc 23,46 ersetzt haben. Über alle diese Punkte wird noch gehandelt werden. Aber mir hat noch niemand zureichend erklärt, warum Lc abgelehnt haben sollte die Schilderung des Täufers 1,5f., die Erörterung über den Vorläufer Elias 9,11 f., die Novelle vom Tode des Täufers 6,18ff., die Sprüche über Ärgernis 9,43ff., die Ausmalung des Ringens Jesu in Gethsemane 14,38bff., den geharzten Wein 15,23. Den ganzen Abschnitt 6,47—8,27 soll Lc ausgelassen haben, weil die von ihm benutzte Handschrift einen zufälligen Mangel aufwies, anderes, um nicht in Widerspruch zu anderen Vorlagen zu geraten, die man erst konstruieren muß. Nein, nicht Streichungen des Lc, sondern Zusätze eines Redaktors (R) des Ur-Mc, die Lc noch nicht gelesen hat, sind also (außer Ausdrucksbereicherungen aus dem AT wie 6,34; 8,37; 9,12; 10,6—8; 12,1; 13,14. 22.27; 14,18.34) das Zitat aus Maleachi in 1,2 (nur 1,3 „ist im Propheten Jesaja geschrieben"!); aus Jesaja c. 29 in 7,6; aus Sacharja c. 13 in 14,27; der Zusatz aus Jesaja c. 6 in 4,12; die Erweiterung des Psalmzitates 12,11 und des Jesaja-Zitates 11,17. Ferner, obwohl formell kein Zitat, ist Zusatz 11,10 „Gesegnet sei das kommende Reich unseres Vaters David"; warum sollte hier der Verfasser von Lc 1—2 den Namen Davids entfernt haben! Ist der Zusatz des Mc nicht Ersatz für 6 ßaaiXevg bei Lc = Ur-Mc, das durch Ur-Joh gedeckt ist? Weiter sind Zusätze jiä>g yeyQcunai em TOV viov rov äv&QioTiov 9, t2; ojg ysypanrai 7,6; xa&djg yeyQamai in' avrov 9,13; äW Iva nkrjQm&iöaiv ai yoacpai 14,49; dazu die Worte über den Tempel als Bethaus und Räuberhöhle 11,17. Der Redaktor hat den Weissagungsbeweis eigentlich erst ausgebaut im Mc. Oder sollte Lc diese Weissagungsbeweise aus ihm entfernt und so gegen den Strom der Zeit geschwommen haben? Die Stimmung, der Philippos Joh 1,45 Ausdruck verleiht mit den Worten „von dem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, den haben wir gefunden" (vgl. auch den Philippos von Apg8,26ff.) beginnt erst im Mc um sich zu greifen. Ziehen wir ab, was so dem Bearbeiter zufällt, so bleiben für Ur-Mc außer 1,3, dem Wort des Evangelisten auf den Wegbereiter, das nach Joh 1,23 Z der Täufer selbst für sich gefunden hat, ferner, dem Hymnus der Menge 11,9 an Zitaten aus dem AT die von Jesus behandelten Gebote und Gesetze 10,19; 12,19.29, die von ihm in Debatten verwendeten Bibelworte 12,26.36, das Wort Jesu vom Menschensohn 14,62, das Wort vom Stein, den die Bauleute verworfen haben 12,10 und die Feststellung 4,12, daß jene bei Gleichnissen nur Worte hören und Bilder sehen, aber keinen Sinn verstehen. Exkurs: Ich glaube übrigens nicht, daß bereits Ur-Mc die Ver stockungstheorie nach Jes6,9f. vertreten hat. Die Stelle Mc 4,11 lautet im Ur-Mc, den ich bei Lc

262

Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

erhalten finde: „Den andern aber ist es bei Gleichnissen gegeben (contigit), daß sie sehend sehen und nicht erblicken, hörend hören und nicht verstehen." RMc hat unter Umbau des Satzes aus dem konsekutiven Iva ein finales gemacht, anstelle von XOIQ ÖE Xomoig das ausschließende ixeivoig Se rotg efco gesetzt und den erst von ihm geschaffenen positiven Finalsatz durch den negativen pfptoxe emarQsyxomv xtX unterstrichen. RMc hat noch einmal 8,17, als Scheltrede gegen die Zwölf, vorwurfsvoll fragend, die Theorie von der von Gott beabsichtigten Verstockung aufgenommen, die Paulus eingeführt, aber nur als zeitweilig und als ein Erziehungsmittel verstanden hat. Lukas hat gewußt, daß Paulus diesen Gedanken gehegt hat, und läßt Apg 28,26 Paulus ihn verkünden. Im Ev 18,7 hat Lc den Gedanken der exöixrjoii; TÜJV sxXexTiöv wie sein Freund Judas Barsabbas. Mt läßt die Parallele zu RMc 8,17f., d.h. die Anwendung auf die Jünger, aus, folgt aber RMc 4,11 f. inMt 13, llbff., d. h. in der Anwendung auf die jüdischen Hörer, indem er steigert u. a. durch Änderung des finalen Iva in das kausale on und durch Zitierung des Jesaja-Spruches. Im Ur-Joh finden wir die Verstockungstheorie nicht, aber der Herausgeber Judas hat sie hineingebracht. Auch Silas-Silvanus hat sie in 1. Petr 2,8. Also das Triumvirat Judas-Lukas-Silas, das uns noch viel beschäftigen wird, hat diese Theorie in die Gemeinden Jesu eingeführt, und zwar aus der levitischen Priestertradition.

Die aus dem Text des Mc herauszulösenden Zusätze bieten zum Teil sehr gute Nachrichten, z. B. daß Zebedaios Tagelöhner gehabt habe 1,20. „Sehr konkrete Erinnerungen" 1 ) zeigen die Zusätze zur Geschichte vom Seesturme 4,35ff., die auf und an dem See von Gennesaret (der Name im Mc nur bei RMc 6,53) spielen. War der Redaktor hier zu Hause? „Die Angabe, daß auch noch andere Schiffe dabei waren, trägt für den Zusammenhang nichts aus und könnte auf wirkliche Tradition hinweisen" 2 ). Der R ( = Redaktor) führt Jesus immer wieder an diesen See (2,13; 3,7; 4,1), erwähnt das Gras an seinem Ufer 6,39 — diese auf einen ortskundigen und, wie wir sehen werden, für den Vorgang authentischen Zeugen zurückgehende Angabe kann darum als „ungewollte Kalenderangabe" für die Chronologie verwendet werden. R läßt Jesus gern vom Schiffe aus reden (3,9; 4,1). Der Name der Landschaft „Zehnstädte" steht nur bei RMc 5,20; 7,31. Besonders viel neue und gute Nachrichten bietet die sogenannte Mc-Mt-Strecke, die von Mc 6,45 bis 8,26 (mit einem Eingriff in 8,27) reicht. Die Geschichten des Einschubes beginnen bei Bethsaida und enden bei Bethsaida 8,22; der Wandel auf dem See und die Heilung des Blinden geschehen bei diesem Orte, die Speisung der 4000, die mit der der 5000 identisch ist, in der Nähe. In der benachbarten Dekapolis heilt Jesus auch den Taubstummen wie den Blinden durch Herstellung einer körperlichen Verbindung mittels der angefeuchteten Finger. „Alles Augenmerk gehört der Kur, die Jesus an dem Kranken vornimmt, und der allmählich sich einstellenden Genesung"; *) J.Weiß, Das Markusev., D. Schriften d. NT, hrsg. v. J.Weiß, 1, 4. Aufl. 1929, zu Mc 4,35 ff. 2 ) J. Wellhausen, Kommentar zu Mc, 2. Aufl. 1909, zu Mc 4,36.

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

263

von „religiösen Beziehungen, etwa vom Glauben des Kranken und der Macht Jesu, ist kein Wort gesagt"1). Ähnlich erzählt der Apostel Johannes in Z des Joh-Ev. Den Zulauf 6,53ff. erlebt Jesus und das Gespräch über die Reinigungsvorschriften hat er aber wieder auf der gegenüberliegenden Seite des Sees in der Ebene Gennesar. Von dort beginnt er nach R die Reise elg Ta ögia (nur beim R ) TVQOV (7,24) xal näfav el-ek&wv ex rcöv oglmv TVQOV (7,31) fjX&ev elg Brjaaaidäv — so die glänzende Konjektur Wellhausens über bsidon für öiä Eidmvog — jedenfalls in die Dekapolis zurück. Auf dieser Reise spielt die Geschichte von der „Hellenin" 7,26, die besonders „Hellenen" und solche, die sich der religiösen Interessen der Hellenen annahmen, interessieren mußte, wie wir das von dem ,,Hellenisten" Philippos wissen (Apg und Joh 12,21). Philippos stammt aus Bethsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus (Joh 1,44), ist nach Joh 1,45 und Apg 8,26ff. dafür bekannt, daß er den Weissagungsbeweis pflegt, und hat nach allen Berichten eine Rolle bei der Speisung der Menge gespielt. Diese ist in dem Einschube als Speisung der 4000 viel natürlicher erzählt, wie Wellhausen feststellte; sie braucht darum nicht, wie derselbe Forscher meinte, im Mc-Ev älter zu sein. Philippos kann das Erlebnis bei der Speisung als Höhepunkt seines Erlebens mit Jesus dargestellt haben, wie 6,52 und 8,17 zu verstehen sind. Er gehörte zu den „Sieben" von Apg 6,3 und zum Unterschiede von der Speisung der 5000, bei der 12 Körbe (xöipivoi) übrig blieben, werden bei der der 4000 sieben Brote gereicht und sieben Körbe (anvQideg sonst nur Apg 9,25, vielleicht kleinasiatisch) gesammelt. Jener Bericht stammt aus dem hebräischen Kreise der Zwölf, dieser aus dem der hellenistischen Sieben. Hier heißt die Wüste ¿grjfiia (Mc 8,4 b > Mt 15,33) wie sonst 2. Kor 11,26, Hebr 11,38, d.h. in Kleinasien. In dem Gespräch über die Reinigungsvorschriften ist dem Erzähler das wichtigste, daß Jesus „alle Speisen rein sprach" 7,19; dasselbe Thema wird Apg 10 behandelt, das zu der von Harnack festgestellten Philippos-Quelle der Apg gehört. Die Szene ist in Mc 8,27 Caesarea, wo Philippos eine Zeitlang gewohnt hat, das durch die Mission des Philippos in der ältesten Christenheit allbekannt war. Der ganze Abschnitt Mc 6,45—8,27 a ist eingeschoben vor dem Bericht über das von Petrus abgelegte Messiasbekenntnis. Der Philippos nahestehende Redaktor hat die Ortsbestimmung elg Tag xmfiag Kaiaageiag tfjg ilinnov

sicher aus gutem Wissen hineingebracht. Gemeint ist das Caesarea am Meer, der Wohnsitz des berühmten Evangelisten Philippos;

gemeint ist dieser Christ

Philippos, nicht der Tetrarch und nicht das Caesarea, das an den Jordanquellen lag, ursprünglich Panias, dann Caesarea Panias, unter Agrippa I I . Caesarea Neronias und am Ende wieder Panias hieß, heute Banijas heißt. Nirgends erhält dieses Caesarea den Beinamen „des Philippos", außer an

!) M. Dibelius, Jesus, 2. Aufl. 1949, 24.

264

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

unserer Stelle Mc 8,27 = Mt 16,13 und an vier, nicht allen Stellen des Josepos 1 ), wo eine christliche Hand nach dem mißverstandenen M c 8 , 2 7 i>iMnnov statt IJavedöa eingesetzt hat, wie j a im Josepos auch sonst christliche Bearbeitung nachgewiesen ist. Ant. X V I I I 2,1 und Bell. I I 9,1 heißt es richtig: ^ihnnog de IJavedda rfp> TIQOQ ralgjcrjyalg TOV 'Iogddvov xaraaxevdaag ovofid^Bi Kataagsiav. Josepos durfte gar nicht neben „Kaiserstadt" den Namen des längst vergangenen jüdischen Tetrarchen im Genetiv auctoris setzen; gleichlautende Städtenamen nach Gründern oder Patronen unterschied man allenfalls durch den Namen der Gegend (z. B . Libani) oder der Völkerschaft, in deren Gebiet die Stadt lag. Man kann für Römer schreiben: Abila Lysaniae, aber nicht Caesarea Philippi. Man kann auch sagen: Caesarea Stratonis wie Caesarea Panias, weil ITvQyoi; Urgarcovog wie ITaveag der alteingebürgerte Name des Ortes war; das Stratonis ist nicht Gen. auctoris, sondern verkürzte Apposition. Aber die Christen nannten unter sich nach rabbinischem Sprachgebrauch Kapernaum die idia nöhg Jesu und Bethsaida „die Stadt des Andreas und Petrus" (Joh 1,44); so hat der dem Philippos nahestehende Redaktor des Mc von Kaioageia fj i\innov gesprochen. Noch im Jahre 385 zeigte man dem Hieronymus in Caesarea das Häuschen des Philippos. — Der von dem R gewählte Ort des großen Einschubes ist richtig getroffen, denn die vom RMc gemeinte Reise „zu den Dörfern der Philipposstadt Caesarea" und die vom RMc nach seiner Philippos-Quelle so genannte Reise elg rä öoia TVQOV 7,24 sind ein und dieselbe. Jesus hat das stark antijüdisch gesinnte Gebiet von Tyros aufgesucht und sich in den Schlupfwinkeln des Karmel-Gebirges, das zu Tyros gehörte, aufgehalten. Der einsame Berg in Ur-Mc bei Lc 9,18.28.37, wo des Petrus Messiasbekenntnis und die erste Leidensverkündigung stattfand, wo Jesus verklärt wurde, wo Elias mit Moses erschien, die Stimme vom Himmel für die beteiligten Jünger dem im Exil sich aufhaltenden Jesus die Berufung der Taufe bestätigte: „Du bist mein Sohn, der geliebte, an dem ich Wohlgefallen habe" (Mc 9,2—13), wird der Karmel sein; der „heilige B e r g " von 2. Petr 1,18, auch der Harmagedon von Apok 16,16. Der Karmel ist der Berg des Elias, und um die Ehre, der Berg der Gesetzgebung zu sein, konkurrierte er mit dem Tabor 2 ). Von diesem heiligen Karmel-Berge aus begann die Wendung zur Heiligen Stadt. Die Auffassung von Q ist nicht, wie Erklärer sagen, daß Jesus durch Samarien, sondern, wie Lc selbst mit klaren Worten sagt, daß Jesus ÖI^QXSTO 8iä ¡ueaov Ea/iageiag xai TahXaiag 17,11. K a m Jesus von den Dörfern Caesareas am Meere, das ist aus dem Grenz-

E. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes im Zeitalter J. Christi, 4. Aufl. 1907—11, II, 205f. 2 ) G. Dalmann, Orte und Wege zu Jesu, Beitr. z. Förderung ehristl. Theol., Reihe 2, Bd. 1, 3. Aufl., Gütersloh 1924, 88, 102.

265

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

gebiete von Tyros, vom Eliasberge, dem Karmel, her, so konnte er seinen Weg nehmen nach Ur-Mc (naQEjtOQEvovro) diä vfjg

nach RMc (ndkiv

eüek&cov) eig Brja-

nach Q ev zä> nogevea&ai

Tahkaiag

9,30

aaidav 7,31 (Wellhausen)

'IegovaaArj/J.

(xal fjX&Ev)

eig Ka-

an den galiläischen See mitten in das Gebiet der Dekapolis 7,31

diä

(paQvaov/i 9,33

fieaov

xal rahXaiag

eig

ÖI^QXSTO

Ea/xageiag

17,11.

Die drei Quellen berichten also übereinstimmend. Vom Karmel zwischen Tyros und Caesarea am Meere her mußte Jesus, wenn er sowohl Samaria vermeiden, wie dem Herodes ausweichen wollte, zwischen S. und G. hindurch, d. h. der Grenze entlang, aber auf galiläischem Boden wandern, wenn er nach Kapernaum und Bethsaida, woher er gekommen war, zurück und dann durch das Jordantal weiter nach Jerusalem gehen wollte. Von Caesarea Panias aus wäre es ein unnötiger Umweg, wenn nicht im Hinblick auf Herodes ein unnötiges Wagnis gewesen, durch Galilaea zu reisen, und es müßte, wenn überhaupt das singulare diä fieaov „mitten hindurch" heißen kann, in jedem Falle bei Lc 17,11 diä fieaov FaXiXaiag xal Ea/iageiag heißen und nicht, wie tatsächlich, umgekehrt. Die Nachricht, daß Jesus sich damals im Auslande aufgehalten habe, bis er nach Jerusalem ging, paßt zu J o h 11,54 „Jesus wanderte nun nicht mehr frei unter den Juden, sondern ging von dort (d. h. von Bethanien) in das Land nahe der Einöde, nach einer Stadt Ephraim und blieb dort mit den J ü n g e r n " . Das ist der einzige Aufenthalt in der Fremde, von dem J o h berichtet, und auch nach J o h tritt Jesus danach seine letzte Reise an. Es ist eine höchst wertvolle Nachricht, kein Wunder, wenn sie im Mc-Ev auf Philippos zurückgeht. Mit ihrer Hilfe können wir denn auch das Ephraim des J o h nunmehr bestimmt identifizieren: Es ist das Chapharaim Isaschars von Jos 19,19, heute Chirbet el farrije, das abseits von großen Straßen im Karmel liegt, wo er zur Ebene von Jesreel abfällt. Der Karmel, im Sommer kahl und trocken, galt wegen seiner vielen Kalkhöhlen als beliebtes Versteck. — Der ß-Rezensent in D hat noch das Richtige gewußt 1 ). Lc setzt übrigens 15,4 ev Tfj eqrjfMa f ü r enl rä ontj Mt 18,12 = Q. Aber gerade mit den guten Nachrichten des Philippos hat der Redaktor eine scheinbar heillose Verwirrung angerichtet, indem er sie dem Ur-Mc, in dem dieselben Ereignisse berichtet waren, einfach zugefügt hat. Aus der folgenden Aufstellung ergibt sich: 1. daß Ur-Mc von der einzigen Speisung, der Abfahrt der Jünger und der Entlassung der Menge sofort zur einzigen Auslandsreise übergegangen ist, aber in dem, was er, besonders *) Vgl. S. 472.

266

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

Phil in ursprgl. Folge

Red. des Mc

Mc

6,33

6,32-33

Vorgänge

Joh (Z)

Ur-Mc

1. Überfahrt über den See. Joh: auf e. Berg. Mc: in öde Gegend. (RLc: nach Bethsaida?) Menge folgt. Rede über das Reich Gottes 2.iSpeisung. J: auf grasigem Platze 3. J: Rückzug Jesu auf d. Berg zu Fuß; Überfahrt der Jünger in der Dunkelheit nach Kapernaum, durch Sturm abgetrieben. Ur-Mc: Abfahrt d. Jünger auf Bethsaida; Entlassung der Menge. Rückzug Jesu auf den Berg. Phil: Entlassung der Menge; Abfahrt Jesu u. d. Jünger nach Dalmanutha (Mt: MAFAA AN-MArAAAA?) 4. Wandeln Jesu auf dem See u. Zusammentreffen mit den Jüngern 5. Zulauf. J: nach Kapernaum am See. Phil: nach Gennesar; (RMc) Rede vom Händewaschen (aus Ur-Lc)

6,1-3

6,32

6,4-13

6,34-44

8,1-8

6,34-44

6,14-18

6,45-46

8,9-10

6,45-46

6,19-21

6,47-52

6,47-52

6,47-52

6,22-24

6,53-56

6,53-56

6,53-56

7,1-23

7,1-23

über den Abgang Jesu, berichtet, zu Joh (Z) stimmt; 2. daß Philippos ( = Phil) die Vorgänge bei und nach der Speisung und anschließend die Auslandsreise wie Joh und Ur-Mc erzählt hat; 3. daß der philippinische Redaktor des Mc die von Phil erzählte Speisung für eine andere als die von Ur-Mc (und Joh) berichtete, d. h. für eine zweite, gehalten und zusammen mit der Zeichenforderung auf einen zweiten Aufenthalt am Nordufer des Sees angesetzt, aber auch eine zweite Auslandsreise Jesu, und zwar nach derselben Gegend wie nach der ersten Speisung angenommen hat. Die Perikopen vom Händewaschen und vom Sauerteig hat er aus seiner polemischen Einstellung gegen jüdische Engherzigkeit nach Anregungen aus Lc ll,38ff. = Q und 12,1 zugefügt, eine selbsterfundene Scheltrede gegen die blinden Juden und eine Erzählung von der Heilung eines Blinden bei Bethsaida angeschlossen. Die einzige Auslandsreise Jesu nach dem Karmelgebiet war im Ur-Mc, soweit aus Lc zu schließen ist, nur angedeutet durch xmä fiövag

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

Vorgänge

Joh (Z)

Ur-Mc

6. Jesu Reise ins Ausland. J : nach Ephraim am Karmel. Ur-Mc: auf einsamen Berg. Phil: in Dörfer v. Caesarea und d. Gebiet von Tyros

11,54

8,27 (bzw. Lc 9,18. 28)

7. Rückkehr zur Dekapolis, Heilung des Taubstummen (RMc) Umstellung von Nr. 2 (Speisung) aus Phil (RMc) Umstellung von Nr. 3 (Entlassung der Menge, Abfahrt Jesu und der Jünger) aus Phil (RMc) Zeichenforderung, das Jonaszeichen (aus Ur-L) (RMc) Vom Sauerteig (aus Ur-Lc) und Scheltrede gegen die geistig Blinden (RMc) Heilung des Blinden von Bethsaida (RMc) Verdoppelung von Nr. 6 (Reise ins Ausland) 1. Reise aus Phil (7,24ff.) 2. Reise aus Ur-Mc (8,27)

267

Phil in ursprgl. Folge

Red. des Mc

Mc

7,24-30

7 , 2 4 - 30

7 , 2 4 - 30

7,31-37

7 , 3 1 - 37

7 , 3 1 - 37

8,1- 8

8,1- 8

8,9- 11

8 , 9 - 11

8 , 1 1 - 13

8 , 1 1 - 13

8 , 1 4 - 21

8 , 1 4 - 21

8 , 2 2 - 26

8 , 2 2 - 26

8,27

8,27 weiter nach Ur-Mc

(Lc 9 , 1 8 ) u n d eig rö oqog (LC 9 , 2 8 . 3 7 ) ; d e r p h i l i p p i n i s c h e R e d a k t o r d e s M c h a t r i c h t i g in 8 , 2 7 elg rag xw/xag Kaiaageiag rrjg 0t?u7i7tov e i n g e s e t z t . Auf d e m

Wege zum Karmel und auf diesem Berge befinden sich Jesus und die Jünger b i s z u m A u f b r u c h n a c h J e r u s a l e m (Mc 8 , 2 7 = L c 9 , 1 8 — M c 9 , 3 0 ) .

Unsere Deutung der Überlieferung setzt das Vorliegen schriftlicher Nachrichten des Philippos in aramäischer Sprache voraus; daher der Fehler „Sidon" statt „Bethsaida" und das Mißverstehen von „Dalmanutha Magdala", was nach v. Edelsheim „in den Bezirk" = eig rä ögia Mayd. bedeutet, in 8,10 als Ortsname. Schon die Verschiedenheit des Wertes der um den galiläischen See und wesentlich in dem großen Einschube lokalisierten Nachrichten von den übrigen Zusätzen bringt auf die Vermutung, daß auf Philippos zurückgehende schriftliche, wahrscheinlich auch mündliche Nachrichten von einem mit Philippos in Verbindung stehenden Christen der

268

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

folgenden Generation nicht ohne eigene, für die geschichtliche Erfassung des Lebens Jesu weniger wertvolle Zutaten in den Ur-Mc hineingearbeitet worden sind. Diese Vermutung wird durch andere Beobachtungen bestätigt: Hätte Philippos selbst die von ihm erzählte Speisung der 4000 neben die der 5000 in den Text gebracht und das Wort von den 200 Denaren, das nach der deuterojohanneischen Tradition (Joh 6,7 H) Philippos gesprochen haben soll, dann gar noch in die Ur-Mc-Form eingestellt? Und Mc 8,14—21 verdankt, wie auch Wellhausen feststellt, seine Entstehung offenbar erst einem Autor, dem die zwei Speisungen schon schriftlich vorlagen (ßteneiv and nur R). Hätte Philippos ferner selbst seinen Namen so eingeführt, wie es 8,27 geschehen ist? Philippos und der philippinische Redaktor kommen nebeneinander zu Worte in 9,11 ff.: Mit Wellhausen muß ich den Vers 12a als Frage auffassen, und eine Spannung zwischen 11—12 und 13 anerkennen, l l f . bringt ganz in der Art des Philippos eine Auseinandersetzung mit dem AT, lehnt aber das vorhergehende Kommen des Elias ab, da der Menschensohn ja leiden müsse nach der Schrift, eine vorhergehende, durch den Elias redivivus zu bewirkende anoxaräa-caaic, nävrojv dazu aber nicht stimme; Vers 13 behauptet dagegen, daß Elias schon gekommen sei und auch der wiedergekommene Elias gelitten habe, „wie auf ihn geschrieben steht", ein Zitat aus der Apokalyptik wie Apok 11,3. Ich vermag das ebensowenig zusammenzudenken wie Mt, der v. 12 b umgestellt, die Deutung des Elias auf den Täufer aber „als ein Stück des Messiasbeweises zugunsten Jesu übernommen und in Mt l l , 1 4 f . noch unterstrichen hat", wenn auch mit dem frei lassenden el üelexs. Das Theologumenon, der Täufer sei der Elias redivivus, in Mc 9,13, das mit allä Myco vfilv eingeführt wird, ist vom Redaktor zugefügt, also auch das Maleachi-Zitat 1,2 b und die übrigen Zusätze zur Täufergeschichte 1,4b. 5b. 6, die ihn als Elias, d. h. Vorläufer des Messias erscheinen lassen, während der philippinische Redaktor des Mc die uns heute so geläufige Gleichung ebensowenig vollzogen hat wie das Joh-Ev, wo der Herausgeber H sie 1,21 durch den Täufer selbst ablehnen läßt, und wie Ur-Mc. Auch die Erwähnung des Elias unter dem Kreuze Mc 15,35.36 b und die Novelle vom Tode des Täufers 6,18ff. stammt vom RMc. Wertvolle Tradition, die RMc zugefügt hat, sind einige Namen: TÖV rov 'Alxpaiov zu Levi 2,14 1 ); ZaXwfir) 15,40; 16,1; TÖV narega ' Aleiavdgov xai 'Povtpov 15,21; o viog Tifiaiov Bagriualog

10,46; BoavrjQysg,ö earw vlol ßoov-

rfjg 3,17 2 ). RMc ist es, der die aramäischen Worte mit ihrer Übersetzung eingeführt hat, 5,41; 7,11.34; 10,46; 15,34; ähnlich 7,2; gaßßovvl (vgl.

Vgl. S. 150. ) W. Caspari, Hebr. Spruchquelle d. Mt. u. hellen.-phönikischer Schauplatz Jesu, ZNW 31, 1932, 209ff. deutet ßpovr-r/ = rgs als „lebhafte, geräuschvolle Zustimmung". 2

I. Das Verhältnis des Mc zu Lc

269

Joh!) 10,51 statt XVQIS; äßßä 14,36 neben nareg. Lc zeigt nicht grundsätzliche Abneigung gegen semitische Ausdrücke, aber er scheint sie doch einzuschränken, wie er auch die Latinismen des Ur-Mc eingeschränkt hat, und so ist es möglich, daß er das einmalige Hosanna des Einzugs durch einen auch 2,14 verwendeten Ausdruck ersetzt und roXya&ä 23,33 (wie re&arjjuavrj) neben der Übersetzung ausgelassen hat. Mit Gerasa 5,1 hat RMc wohl den Namen einer bekannten Stadt fälschlich für Gergesa (nach v. Edelsheim = 'ir 'eser = Zehnstadt) eingesetzt, eig rä ögia (rfj Hierapolis "RMc

UrjLc

S = Sondergut Mt

RLc

IV. Feststellung der Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt Zu einer Verfeinerung dieses Stammbaumes durch eine wichtige Beziehungslinie zwischen Ur-Lc und RMc werden wir durch Beobachtung der Überlieferungsgeschichte einzelner Perikopen gelangen; dabei werden wir auf *) Vgl. S. 334 unter bb. 2 ) S. 445.

290

Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

Anspruch kirchlicher Geltung auftretende Form des Denkens und Handelns durchzusetzen. Der später als Mt und unabhängig von ihm arbeitende Redaktor Lukas hat im RLc auch einige, aber erheblich weniger Perikopen gestrichen 1 ). — Über die Persönlichkeit des Verfassers des Mt und sein Werk wird weiter unten gehandelt 2 ). Wir sehen bei den Logia, beim Ur-Mc und dem diese beiden ineinanderschiebenden Ur-Lc, ferner bei der Z-Schrift des Apostels Johannes und dem Ur-Joh des Johannes Marcus, auch noch bei dem philippinischen RMc, also von Jesu Lebzeiten bis in die 70er Jahre ein respektvolles Sammeln der Erlebnisse, die die Jünger Jesu mit ihrem Herrn gehabt haben, dagegen in der Zeit Domitians, in der Zeit der aufkommenden Kreiskirche, d. h. bei Mt und RLc, ein respektloses Ändern und sogar Auslassen zahlreicher für die Kirche als untragbar angesehener Berichte, andererseits ein eigenmächtiges Wuchern von Geschichten und Reden, dieses am meisten beim H des Joh, der sich der Änderung und Auslassung so gut wie ganz enthält. Auch nach der Grenzziehung durch den Kanon der 4 Evv geht die Wucherung weiter, immer haltloser, in den sogenannten Apokryphen. Wir kommen also vorläufig zu folgendem Stemma der synoptischen Überlieferung, wie ich es übrigens schon 1917 in der Handschrift meiner Dissertation der Bonner Fakultät vorgelegt habe:

Trad. v. Ephesos

Ur-Mc. Trad. v> Hierapolis "RMc

UrjLc

S = Sondergut Mt

RLc

IV. Feststellung der Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt Zu einer Verfeinerung dieses Stammbaumes durch eine wichtige Beziehungslinie zwischen Ur-Lc und RMc werden wir durch Beobachtung der Überlieferungsgeschichte einzelner Perikopen gelangen; dabei werden wir auf *) Vgl. S. 334 unter bb. 2 ) S. 445.

IV. Einwirkimg des Ur-Lc auf RMe und durch diesen auf Mt

291

das Verhältnis der Ur-Mc-Überlieferung zu der des Ur-Joh besonders achten. Erst durch die Hinzufügung der Verbindungslinie von Ur-Lc zu RMc läßt sich ein klarer Durchblick durch das synoptische Problem gewinnen. a) R M c h a t a u s U r - L c e i n i g e Q - S t ü c k e u n d z. T. w e i t e r g e b i l d e t .

entnommen

1. Mc 1,2—3. 4b. 5b. 6—8: Verkündigung und Lebensweise des Täufers. Ur-Lc wollte Q und Ur-Mc vereinigen. Das mußte Schwierigkeiten machen bei Stücken, die in beiden Quellen vertreten waren, z. B. beim Anfang. Q hat m. E. so begonnen: eyevero gfj/ua &eov enl 'Iwdwrjv TÖV Za^aqLov vlov ev TFJ sQrifim xal fjAfiev eis näaav vrjv negi^mgov TOV 'IOQÖAVOV xrjovaaow ßdiTiTiOfia ¡usTavoiag elg äqteaiv äfiagrimv ( = Lc 3,2b—3). Aber wie hat der Anfang des Ur-Mc gelautet? Bestimmt nicht so, wie heute der Anfang des RMc. Das Maleachi-Zitat Mc v. 2 b hat RMc aus Ur-Lc 7,27 = Q, wo es ohne Quellenangabe steht — der Grund, warum es in v. 2 b dem Jesaja zugerechnet ist. Das xr/gvaacov ßanxio/ia jueravolas eis ätpeaiv a/iagzimv v. 4 b hat RMc aus Ur-Lc 3,3 übernommen — der Grund, warum Mc v. 4 jetzt stilistisch gestört ist (eyevero o .... xal), während Lc v. 2b—3 in Ordnung geht; auch der Vergleichssatz mit ojg v. 4 schließt sich sinnvoll und stilistisch tadellos an (über v. 5—6 sprechen wir unten). Der xa#a>?-Satz Mc v. 2—3 paßt dagegen nicht zu v. 4. Also hat RMc die Verse 2—3 und 4 b aus Ur-Lc angenommen, der Anfang aber des Ur-Mc hat gelautet: eyevero 'Icoawrjs o ßamßcov ev rf/ ¿gijfiqj xal e^enogevero ngös avrov näaa f j 'Iovdaia %d>ga . . . ndvreg ( = Mc v. 4a. 5a). Sowohl Q wie Ur-Mc haben mit eyevero begonnen. Lc v. 5—6 sind erst von RLc zur Vervollständigung des Zitates aus Deuterojesaja 40 zugefügt; deshalb finden sich diese nicht bei den beiden anderen. Mit v. 7 a denkt Ur-Lc an Ur-Mc v. 5 a e^enogevero. Es folgen Lc3,7b—9 aus Q; unmittelbar an Lc v. 9 schließt (wie bei Mt) Lc v. 16b iyo) fiev vdaxi ßami^to- egxerai de bis v. 17. Die Standespredigt Lc 3,10—14 und die Überleitung Lc 3,15—16a stammen von RLc, sind daher ohne Parallelen; ebenso der Abschluß Lc 3,18. Die Standespredigt hat RLc zusammen mit der Geburtslegende über den Täufer aus der Täufertradition erhalten. Mc 1,6 ist von RMc nach at-lichen Schilderungen des alten Prophetentums gebildet und eingeschoben; Mt hat es aus RMc, seiner ersten Quelle, nach v. 4 übernommen. Mt hat aus seiner zweiten Quelle, Ur-Lc, 3,7—9 nach Mt 3,7—10 übernommen, v. 10b in 7,19 wiederholt. Wie ist aber das Vorkommen von Lc 3,16b—17 bei Mc und Mt zu beurteilen? Wir sagten schon, daß v. 16b unmittelbar an v. 9 anschließt. Der Gegensatz zur Wassertaufe des Johannes ist in diesem Zusammenhange die Feuertaufe, d. h. die Gerichtstaufe, des stärkeren Kommenden. Nur von dieser ist 19*

292

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

auch in Lc v. 17 die Rede. Also wird in der Quelle Q für Lc v. 16 nur ev nvgi gestanden haben. Außer Lc 3,16b steht itvevfia äyiov mit Parallele bei RMc und Mt nur noch Lc 12,1G1), WO die Überlieferungsbeziehungen dieselben sind wie bei Lc 3,16 b; sonst immer ohne Parallelen. Der Ausdruck Tcvevfiazi äyico xal ist also von Lukas im Ur-Lc zugefügt; Mt hat es übernommen samt nvgi, RMc ohne dieses. RMc hat auch den Gegensatz eyu> fiev vöan ßwvti£a> — Igysrai de o iayvooTSQÖQ fiov durch Umstellung und Änderung des Tempus verwischt; er hat nur dieses Wort ausgewählt, weil ihm nur an diesem Hinweise auf den stärkeren Kommenden als Einleitung zur Taufe lag. Alles deutet darauf hin, daß RMc dieses Wort aus Ur-Lc entnommen hat. Mt h a t mit dem unverkürzten Ur-Lc-Text gearbeitet. — Es bleibt noch Mc 1,5b zu besprechen: ev TÖ> 'logddvr] nora/NÜ s£o[io2.oyovßevoi rag äfianriat; avx&v. Der Jordan als Taufplatz des Johannes wird bei Lc nur in der sicher von Lukas gestalteten Einleitung zur Versuchung 4,1 erwähnt (nXriQr] TOV aravoov. 10. Le 19,45—48: Die Tempelreinigung, historisch richtiger: der Angriff gegen die Mammonisten, gehört nach Ur-Joh in den Anfang des Auftretens Jesu 2 ). Hier fordert Jesus in der anschließenden Auseinandersetzung mit „den J u d e n " dazu auf, den Tempel abzuschaffen, und verspricht, sofort ein geistiges Gotteshaus aufzurichten. Bei den Synoptikern ist wirklich von einer Reinigung des Tempels die Rede, nur von dieser. Lc hat in der Geschichte der Tempelreinigung selbst zwar einen Wortlaut, der unzweifelhaft mit dem des Mc und des Mt nahe verwandt ist, aber außer der Einleitung einen sehr verschiedenen, viel kürzeren Text als Mc Mt, und er hat das Ereignis wie Mt unmittelbar hinter dem Einzüge. Mc hat zwischen Einzug und Tempelreinigung die Perikope vom enttäuschenden Feigenbaum, und er hat Mc 14,57 f. (wie Mt26,61, aber jetzt ohne Lc-Parallele) das (nach Ur-Joh, nicht etwa Mc Mt selbst!) im Anschluß an den Angriff auf die Mammonisten gesprochene Wort Jesu „Löset diesen Tempel auf usw." eine Rolle bei der Verurteilung und (Mc 15,29f. Mt) bei der Verhöhnung Jesu spielen lassen. Ich erkläre so: Petrus hat die Geschichte von dem Angriffe Jesu auf die Mammonisten im Tempel im Sinne des Ur-Joh gekannt und selbst angehört, daß Jesu Wort gegen den Tempel einer der Anlässe des Hasses der Gegner, besonders der Hannas-Gruppe, gegen Jesus gewesen ist. Petrus hat das im Ur-Mc c. 14 und 15 berichtet, ohne den Angriff Jesu auf die Mammonisten im Tempel selbst zu erzählen. Der Grund, warum Petrus von dem Angriff selbst nichts zu berichten hat, ist die auch sonst im Ur-Mc zu beobachtende Tendenz, den anfänglichen Zusammenhang Jesu mit der Bewegung des Täufers vergessen zu machen. Ur-Lc fand im Ur-Mc nur die beiden Andeutungen Mc 14,57f. und 15,29f. vor und er») S. 479. ) Vgl. S. 30ff.

2

316

Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

setzte beide durch Lc 19,45f., einen sehr verkürzten Bericht über die „Tempelreinigung", in dem nur die positive Einstellung Jesu zum Tempel als Bethaus zum Ausdruck kam, die für Lukas peinliche Gewaltanwendung aber ausgelassen war. Diesen Bericht fand Lukas in seiner andern Vorlage Q; er mußte ihn aber nicht nur verändern, sondern auch zeitlich umstellen. RMc hat die Perikope aus Ur-Lc 2 übernommen und aus der ephesischen Ur-Joh-Tradition, zu der er Beziehung hatte, ergänzt 1 ). Mt folgt seinen beiden Quellen, d. h. in der Stellung dem Ur-Lc 2 , im Wortlaut z. T. auch dem RMc. Wahrscheinlich Mt hat auf HJoh in J o h 2 , 1 6 gewirkt. RLc als letzter hat die Einleitung 19,39—44 vorgesetzt, die deshalb auf keinen der Synoptiker mehr gewirkt hat. Die von Lukas vertretene Auffassung des Tempels als Bethaus entspricht der der oppositionellen Priestertradition. Die Behauptung, daß Jesus „diesen Ort auflösen und die Sitten des Moses ändern werde", schreibt Lukas in Apg 6,13ff. lieber dem Stephanos als Jesu selbst zu. l l . L c 2 0 , 1 — 8 : Die Vollmachtsfrage. Sie gehört bei Lc mit der Tempelreinigung zusammen und ist höchst merkwürdig. Eine Abordnung des Synedrions fragt Jesus, „in welcher Vollmacht er dies tue, oder wer ihm diese Vollmacht gegeben habe". Gemeint kann nur sein die Vollmacht zu seinem Auftreten im Tempel. Jesus antwortet auf die fallenstellerische Frage mit der Gegenfrage nach der Vollmacht des (toten) Täufers zu seiner Taufe. Die Juden antworten: „Wir wissen es nicht." Darauf Jesus: „Dann sage ich euch auch nicht, in welcher Vollmacht ich dies tue." Nach der Meinung des Lc sollen die Juden deshalb die ausweichende Antwort gegeben haben, weil noch damals, als die Jesus-Bewegung auf ihrem Höhepunkt war, einmal das Volk überzeugt war, daß Johannes ein Prophet gewesen, und zum anderen sie fürchteten, das Volk würde sie steinigen, wenn sie die göttliche Berufung des Täufers und den göttlichen Sinn der Taufbewegung leugneten. Das erste mag stimmen, aber das Volk hatte sich doch nicht gerührt, als der Täufer verhaftet, nicht einmal, als er getötet wurde, obwohl es die Tötung laut Josepos mißbilligt hatte. Die Taufbewegung hatte ihren Höhepunkt schon überschritten, als und infolge davon, daß Jesus die ersten Erfolge hatte (Joh 3,26; 4,1). Also war sie bestimmt z. Z. des letzten Passahs Jesu innenpolitisch nicht mehr zu fürchten. Aber gefährlich gewesen war sie für die Hierarchen, nämlich in der Zeit des schnellen und mächtigen Auftriebs der Taufbewegung. In diese Zeit gehört die Geschichte von der Vollmachtsfrage, und sie gehört mit dem Angriff auf die Mammonisten zusammen in die erste Zeit des Auftretens Jesu. Wie zu Joh 2,13ff. gesagt, stand Jesus damals noch in der Taufbewegung und fühlte in sich die in dieser sich offenbarende e^ovaia Gottes, war er auch für die Hierarchie von der Taufbewegung Vgl. S. 277.

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

317

noch nicht zu unterscheiden. Nachdem Jesus das Wort Lc 7,28 gesprochen hatte und kurz vor seinem Tode hat er sich mit dem Täufer nicht mehr in einer Front fühlen können. Also auch Lc hat die Nachricht bewahrt, daß Jesus sich selbst bei der bei ihm einzig dastehenden Gewalttat des Anfangs noch in einem gewissen Zusammenhang mit der Taufbewegung gewußt hat. Wir haben das früher 1 ) so verstanden, daß Jesus sich zwar schon als „den Kommenden", aber noch im Sinne der Weissagung des Wassertäufers als den „mit Feuer" Taufenden gewußt und deshalb Gewalt gegen die Mammonisten im Tempel angewandt und das Wort vom Neubau eines Tempels echter Abrahamskinder gesprochen hat. Jesus hat auch danach noch eine Zeitlang getauft, aber nie mehr Gewalt angewandt und hernach auch nicht mehr getauft. Ur-Lc bestätigt uns, daß Jesus sich für sein Auftreten im Tempel auf den letzten Propheten, den großen Täufer, berufen hat. Da Ur-Mc, wenigstens klar, nur von einem Aufenthalte Jesu in Jerusalem sprach und Ur-Lcj den Rahmen des Ur-Mc benutzen wollte, konnte Ur-Loj die Geschichten von der Tempelreinigung und der Vollmachtsfrage, die in Q erzählt gewesen sein werden, wenn er Wert auf sie legte, nur am jetzigen Orte bringen. Besonders durch die Verschiebung dieser Geschichten an diese Stelle hat Ur-Lc die Einjahr-Theorie durchgesetzt. Die wissenschaftliche Begründung erschloß er aus Thallos. Lukas hat das ¿viavTÖg xvgiov SEXTOQ laut RLc 4,19 in J e s 6 1 , 2 (LXX) geweissagt gefunden. Durch die zwei zuletzt behandelten Umstellungen hat Lukas das Verhältnis Jesu zum Täufer in das von ihm gewünschte Licht setzen und an die Einjahr-Theorie anpassen wollen. Daß ihm diese auch einerseits durch den Mangel eines objektiv historischen Interesses bei Ur-Mc und RMc, andererseits durch die nur latent chronologische Struktur von Q nahegelegt bzw. erleichtert wurde, und wie die Zusammenfügung der beiden Quellen technisch durchgeführt worden ist, werden wir unten sehen 2 ). Ur-Joh = V verwendet efivr)ad"r]aav ot fia&T]Ta.i 2,17.22 beim ersten öffentlichen Heraustreten Jesu, dem Angriff auf die Mammonisten, und 12,16 beim letzten, dem Einzüge. Auf Tempelreinigung und Einzug weist V also auffallend hin. Will Ur-Joh auch dadurch den Ur-Lc, der diese falsch verbunden hatte, korrigieren'1. 12. Es folgt noch ein Beispiel dafür, wie Ur-Lc 2 mit Umstellung gearbeitet hat: Lc 6,19; 7,1. Ur-Lc hat von 6,20 an den ersten großen Block von Q in den Ur-Mc eingeschoben, nämlich die Jüngerlehre (Bergpredigt), aber er hat die Jüngerlehre trotz des Wortlauts von 6,20 = Q zu einer Rede an das Volk gemacht. Es ist für das Verständnis Jesu sehr wichtig festzustellen, daß er seine letzten und tiefsten Zukunftsgedanken zunächst einem kleinen Kreise, noch nicht der Masse offenbart hat. Die zweite

2

S. 31. ) S. 377ff.

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Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

Generation hat den Esoterismus des Erziehers nicht mehr verstanden; daher auch die Frage des Petrus bei Ur-Lc 2 12,41. Zu demselben Zwecke hat Ur-Lc 2 nicht nur Mc 3,7—12 hinter Mc 3,13—19, sondern auch Mc 3,IIb—12 als Lc4,41 zu der ähnlichen Situation Mcl,34 = L c 4 , 4 0 umgestellt, denn unmittelbar vor der Rede an das Volk durfte Jesus es nicht bedrohen, es solle ihn nicht offenbar machen. Die Fiktion, daß die Jüngerlehre an das ganze Volk gerichtet gewesen sei, führt Ur-Lc 2 in 7,1 weiter durch. Da dieser Vers im Ur-Lc 2 stand, hat Mt ihn nach 7,28 übernommen und 5,1 entsprechend geformt. In Lc 7,1 hat Lukas aber auch die von ihm fälschlich erschlossene Notiz gebracht, daß Jesus damals nach Kapernaum hineingegangen sei, die Szene mit dem Hauptmann also in dieser Stadt gespielt habe. Mit Lc 7,1 entfällt der Widerspruch von Q zu der Darstellung des Ur-Joh 1 ). 13. Der Eindruck, daß der Redaktor des Ur-Mc-Ev, der etwa gleichzeitig mit dem Lukas des Ur-Lc 2 in der aufgeregten Zeit der Katastrophe Jerusalems, d. h. um 70 geschrieben hat, stark von Lukas beeinflußt ist, wird bestätigt, wenn wir die Überlieferung der apokalyptischen Stücke bei den Synoptikern ins Auge fassen. a) Le21: Die große Apokalypse. Ur-Joh hegt eine herrliche Zukunftshoffnung: Jesus — der Heiland der Welt! „Es ist noch nicht offenbart, was wir sein werden. Wir wissen, daß, wenn es sich offenbart, wir ihm ähnlich sein werden." Aber Jesus redet bei Ur-Joh keine Apokalypsen. — Lc hat (außer dem „Trost in Verfolgungen" c. 12) zwei Eschatologien, die Jesus gesprochen haben soll, die erste in 17,20—37. Diese ist die einzige in Q und ganz im Geiste des Ur-Joh. Wichtig ist festzustellen, daß auch diese Rede von den letzten Dingen in die letzte Zeit, das Ende der letzten Reise Jesu gesetzt ist: Den Pharisäern gegenüber lehnt Jesus die von diesen gestellte Frage: Wann kommt das Reich Gottes? und damit die ganze bei ihnen übliche Apokalyptik der äußeren Zeichen ab. Das Reich Gottes kommt überhaupt nicht, sondern ist da — erzog v/xmv — „innerhalb eurer" — das heißt: in eurem Bereich. Noch ist der Teufel der Herr der Weltreiche und ihrer Herrlichkeit: der Teufel, der Gegner Gottes, ist der Mammon. In Jesus ist die ganze Kraft Gottes bewußt und offenbar geworden, und seitdem ist sie am Werke, die Welt zum Reiche Gottes zu verändern. Jesus hat auf Erden eine Gemeinschaft gegründet, die dieses Ziel nie aus dem Auge verlieren und auf den Willen des lebendigen Gottes horchen und ihm gehorchen sollte, um dem Ziele der Herrschaft Gottes auf Erden näher zu kommen. Diese wird eine sehr reale sein und gerade die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnungen, auf die der Mammon sich stützt, ändern. Die Reich-GottesS. 44.

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

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Hoffnung nimmt die noch bestehende Herrschaft der Teufelei auf Erden bitter ernst und ist mehr als die Sorge um die private Seligkeit hienieden mit Vertröstung auf ein besseres Jenseits nach diesem Jammertal, obwohl sie das für uns in unserer Übergangszeit auch ist; der Jesusgeist ist „der Retter der Welt"; er wird die ganze Menschheit in die Herrlichkeit der Einheit mit Gott hineinbringen und sie vom Bösen, von der Sünde und von allem Elend erlösen, die von der Teufelei und nicht von Gott kommen. Den Jüngern erklärt Jesus, wie die Apokalyptik sich aus der Sehnsucht gefährdeter Menschengeschlechter nach dem Hervortreten des Menschensohnes versteht (v. 22). Aber dieser erscheint nicht „in der Wüste", d. h. bei den Räubern, die sich um einen Pseudomessias scharen, oder bei den Qumran-Sektierern der „Kriegsrolle" noch „in den Schatzkammern", d. h. bei den Kapitalisten (Mt 24,26 = Q). Der Menschensohn erscheint wie ein die Gewitterspannung der Welt lösender und das Dunkel der Welt von oben her erleuchtender Blitz am Nachthimmel (v. 24). Der v. 25 ist durch Mt nicht gedeckt und stört den Zusammenhang, in dem von „dem Tage des Menschensohnes" die Rede ist; der v. 25 ist späterer Zusatz. Weiterhin spricht Jesus von dem Leichtsinn der Menschen, die dahin leben wie die Menschen vor der Sintflut (v. 26f.; RLc hat v. 28.29.32, angeregt von v. 31 b, zugefügt). Für die gottwidrige Welt ist die Offenbarung des Menschensohnes die Katastrophe wie damals (v. 30). Da heißt es, nicht am erworbenen Leben zu hängen, sondern das neue zu gewinnen (v. 33b). Der Strich der Entscheidung wird quer durch alle natürlichen Lebensgemeinschaften gezogen werden (v. 34f.). „Und sie sagen: Wo, Herr? — Er aber sprach zu ihnen: Wo der Kadaver ist, da werden sich die Geier versammeln" — eine ungeheuer tiefe Wahrheit! Zusammenbruch des sündigen und elenden Menschenwesens an seiner eigenen Teufelei ist nach dem echten Jesus der Anlaß der Parusie des Menschensohnes, d. h. des Reiches Gottes. Der Q-Text in Lc c. 17 ist überarbeitet worden. Zu Ur-Lc 2 hat das gehört, was Mt übernommen hat, also Mt 24,26—28. 37—41, dazu der von Mt nach seiner Art versetzte Vers 10,39. Es ergibt sich, daß Jesus gegen Ende seines Lebens nicht nur vom Kommen des Reiches Gottes, sondern auch von der Parusie des Menschensohnes gesprochen hat, der „kommt in seiner und des Vaters und der heiligen Engel Herrlichkeit" (Lc 9,26; bei Mc und Mt ist von „seiner" Herrlichkeit nicht die Rede). Wir müssen doch wohl unterscheiden zwischen dem Menschensohn, der das Wesen Jesu und des Reiches Gottes ausmacht, und der räumlich und zeitlich begrenzten Erscheinung des Menschensohnes in dem auf Erden lebenden Jesus. — Zweitens hat Lc die Apokalypse 21,5—36. In dieser wird nun totaliter aliter als in c. 17 gedacht, aber die Frage 21,7 erinnert im Ausdruck gleich an 17,20. Auch Lc c. 21 beginnt die Antwort 8a mit der Warnung vor Verführern wie 17,21—23, deutet dann aber (v. 9.17) im Stile der von Jesus überwundenen Apo-

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

kalyptik auf Kriege und schreckliche Naturereignisse, denen Verfolgungen vorausgehen durch Juden, ßaaikelg xai rjye/iövsQ, Verfolgungen, die Gelegenheit zum Bekenntnis geben, aber auch zum Tode führen. (Vers 18 = Apg 27,34 paßt hier gar nicht und muß RLc sein). Das Verhältnis von Lc 21, 12—16 zu 12,11 f. 53 wird später geklärt, Vers 21 b (im Ur-Lc wie Mc 13,15f. = Mt lautend) wiederholt 17,31. Auf den in der Apokalypse einzigen materialen Befehl an „die in Judaea", auf die Berge zu fliehen (v. 21), folgte ursprünglich der Weheruf über die Schwangeren, die die Flucht mitmachen müssen. Die Mt-Parallele 24,20 „Betet, daß eure Flucht nicht im Winter oder an einem Sabbat geschehe" hat m. E. im ursprünglichen Text gestanden; „eine am Sabbat flüchtende Christengemeinde wäre ja in Palästina kenntlich wie ein bunter Hund gewesen", meint E. Hirsch, aber die Jerusalemer Judenchristen hielten selbst streng den Sabbat. Zum Ur-Lc gehört haben ferner Mc 13,19 (es wird die schlimmste Not sein seit der Schöpfung) und Mc v. 20 (die gnädige Verkürzung der Leidensfrist, ein bekannter Zug der Eschatologie); beide Verse hat auch Mt erhalten. Dann wurde im Ur-Lc mit den bei Mt 24,29 erhaltenen Worten die Parusie des Menschensohnes geschildert, die sich durch ungeheure Naturereignisse ankündigt und in der Vereinigung der Erwählten unter Führung der Engel vollendet; Mc v. 27 = Mt gehörte also zum Ur-Lc. Die Eschatologie bei Q hatte dagegen in Lc 17,24 nur die als Gleichnis gemeinten Worte äaneg r) aargaTtf/ xtX. Es folgt Lc 21,29—32 das Gleichnis vom Feigenbaum, eine Parallele zu Lc 12,54 = Q. Die Erörterung über das Wann der Parusie in 21,32 zitiert Lc 16,17 = Q, und zwar in dessen urspünglichem, eschatologischen Sinn. Mc 13,32 = Mt wird Ur-Lc sein, wie unten gezeigt wird. Der Schluß der Apokalypse mit seinen zur Verwendung in der Predigt und zu Nachahmungen verlockenden Ermahnungen zur Wachsamkeit hat eine besondere Geschichte gehabt, die zusammen mit dem Verhältnis von Lc 21 zu Lc 12 unten behandelt werden soll. Hier sei zunächst der ursprüngliche Wortlaut des Schlusses der Apokalypse ausgemacht. Der Schluß bei Lc 21,34—36 ist nur eine Paraphrase zu ßXenere (= nQoae%ere eavTolg Lc), ayQvnvelre

(=

aygvTtvelre Lc) xai nQOOEV%e(r&E (in N deöfisvoi

bei Lc) Mc v. 33 a. Es fällt auf, daß nachher bei Mc dreimal ygrjyoQelv steht, das in Mc 14,34.37.38 RMc ist, also auch hier RMc sein wird. Wenn man das yQrjyogslv mit seinem Anhang ausklammert, bleibt für den ursprünglichen Schluß der Apok bei Mc nur v. 33 a ßXeTiere, ayQVTivelre xai ?igoaevXecrde (siehe Apparat), das dem Kern des Lc-Schlusses entspricht. Mcv. 33b bis 34 findet sich in Lc 19,12ff., das dort in Q gestanden hat und mit besserem Wortlaut in Mt 25,14ff. überliefert ist. Mc v. 35—36 findet sich wieder in Lc 12,40.38, in einem Kapitel, das, wie sich zeigen wird, in dem Kreis der Apokalyptiker entstanden und erst im Ur-Lc 2 in den Q-Bereich eingeschoben worden ist. RMc hat folglich den ursprünglichen kurzen Schluß

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

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der syn. Apokalypse ßXeners, äyovTtvelte xai ngoaevxea&e, wie so manches andere, aus Ur-Lc 2 erweitert. I m ganzen kann man nun behaupten, daß die Apokalypse Lc c. 21 aus der Eschatologie von Lc c. 17 = Q und anderen echten Jesusworten, sogar in der Gedankenfolge von Lc c. 17, ferner aus Zitaten des AT und aus Momenten der zeitgenössischen Apokalyptik zusammengearbeitet ist. Das ist nicht die Art Jesu. Aber diese Apokalypse findet sich bei allen Synoptikern. H a t sie also im Ur-Mc gestanden? Nein, denn m a n kann, wie in den vorher behandelten Fällen, annehmen, daß sie (mit einer Einleitung Lc 21,5—7) im Ur-Lc 2 zugefügt, aus ihm zu RMc, aus beiden zu Mt gekommen ist. RMc hat außer dem Schlüsse die Einleitung erweitert und 13,21 bis 23 (eine Wiederholung von v. 5f., aus Lc 17,23 = Q) und 13,33b—37 (aus Ur-Lc 19,12f. = Q und Ur-Lc 12,34ff. = Q) zugesetzt. RMc will die apokalyptische Unruhe dämpfen, die Energie der eschatologischen Stimmung auf den Kampf gegen die Irrlehrer (v. 22) und auf sittliche Wachsamkeit (v. 34—37) richten; die Knechte des verreisten Herrn, insbesondere der Türhüter, d. h. die führenden Männer in den Gemeinden, haben die besondere Aufgabe zu wachen. RMc steht in dem Konkurrenzkampf der christlichen Propheten, aber für bevorstehende oder gar hereingebrochene neue Verfolgung apokalyptischen Ausmaßes spricht bei ihm nichts. Die Übernahme der Apokalypse durch RMc wird in der Zeit nach 70, aber vor der domitianischen Verfolgung geschehen sein. Das wird bewiesen durch die wichtige Änderung in Mc 13,14. Anstelle des xvxXovfievrjv VND OTQUTOTtedmv 'IeQovaaXrj/i und des rjyyixev tj ¿Qi^ficoaig avrfjg, das sich unten als entscheidende Zeitbestimmung für die ursprüngliche Apokalypse des UrLc ergeben wird, hat RMc ro ßdsXvy/jia rfjg ¿grjfimaecog EARRJXÖRA ÖJIOV ov dei eingesetzt. Die Form des RMc ist schon als Zitat aus Daniel und durch den Zusatz „Der Leser merke auf!" verdächtig. Es ist von vornherein wahrscheinlicher, daß ein profaner Ausdruck durch ein Danielwort, als daß umgekehrt eine einmal gefundene Weissagung durch einen profanen Ausdruck ersetzt worden wäre. Vor allem bezieht sich der Ausdruck ro ßdehvyjua ¿arrjxora auf einen konsolidierten Zustand, der erst seit 70 mit der Einlagerung der 10. Legion in der unbewohnbar gemachten H a u p t s t a d t eingetreten ist, und meint nicht mehr ein erst sich näherndes, sondern ein schon eingetretenes Sakrilegium. Mt benutzt wie immer den fertigen Mc und den Ur-Lc 2 . E r versetzt Mc 13,9—12 — genauer gesagt: die dem entsprechenden Verse des Ur-Lc — als Dublette zur Aussendungsrede, die er ebenfalls aus RMc und Ur-Lc 2 gemischt hat, ad vocem iv fisam Avxcov nach Mt 10,17—23, so daß oder vielmehr damit bei ihm nur noch von Verfolgung durch die Heiden, d. h. Domitian, die Rede ist; daher der Zusatz s&vcöv 24,9. Statt der entfernten Verse fügt er v. 10—12 ein, die ebenfalls die inneren und äußeren Schwierig21 Hartke, Bd.I

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Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

keiten in der Zeit Domitians zur Voraussetzung haben. Ich erinnere an Mt 17,24£f. betr. die Tempelsteuer 1 ). Das Wort „Ihr werdet nicht mit den Städten Israels fertig werden, bis der Menschensohn k o m m t " Mt 10,23 wird von vielen für ein Jesuswort gehalten, das Lukas aus Q gestrichen habe. Mir ist dieses Wort verdächtig, weil es in enger Verbindung mit solchen Worten steht, die Mt notorisch aus der nicht von Jesus stammenden Ur-Lc-Apokalypse entnommen hat, d . h . mit Mt 10,17—22, parallel zu Mc 13,9—13. Darauf folgt bei allen Synoptikern „die Bedrängnis in J u d a e a " . Ich halte es für wahrscheinlich, daß Mt 10,23 hinter Mt 24,13 ( = Mt 10,22) in der Apokalypse des Ur-Lc gestanden hat, von RMc und RLc als unerfüllte Weissagung gestrichen, von Mt aber in 24,14 durch die Mission in der Ökumene ersetzt worden ist; RMc hatte schon vorher diesen Gedanken angenommen und in 13,10 untergebracht, wo Ur-Lc v. 13 das sig /¿aQvvQiov hatte. Mt 10,5f. dagegen, wo Jesus zu seinen Lebzeiten den Jüngern für eine bestimmte, einmalige Aussendung nur die einfache Aufgabe der Verkündigung unter den J u d e n allein stellt, halte ich für Ur-Lc = Q 2 ). RLc hat auch dieses Wort gestrichen. Die laut Apg 8 früh einsetzende Mission in Samaria beweist, daß die Jünger ein Verbot Jesu nicht gekannt haben. Ich schließe aus Mt 10,5 und aus der Tatsache, daß Jesus selbst Samariter und Heiden nie abgewiesen hat, wenn er mit ihnen zusammengeführt wurde, gerade dies, daß Jesus selbst als der Gottessohn und der Menschensohn sich bewußt war, von Gott an die Menschheit gesandt zu sein, wie Ur-Joh es auch darstellt. Jesus hat sich aber durch dies Bewußtsein einer kosmischen Sendung nicht verleiten lassen, ins Uferlose zu arbeiten — eine Gefahr, der Paulus nicht entgangen ist. Jesus hat sein Arbeitsfeld bewußt beschränkt. Danach ist das Wort an die Syrophönikerin Mc7,27 zu verstehen. Aber Mt 15,24, wonach Jesus nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt sein will, bildet zusammen mit dem Missionsbefehl des Auferstandenen eine geschlossene Theorie, durch die Mt den judaistischen und den universalistischen Standpunkt miteinander ausgleichen wollte. Lc21,17 = Mc 13,13 steht infolge jener Textverschiebung jetzt zweimal bei Mt, nämlich 24,9 und 10,22. Anschließend betont Mt in 24,10—12 die Gefahr der Pseudopropheten, von denen in v. 24—25 ( = Mc 13,21—23; v. 21 aus Ur-Lc 17,23 = Q) noch einmal die Rede sein wird. Mt hat aber diese Ur-Lc-Stelle nachgeschlagen und fügt deshalb v. 26—28 zu. Der „Parusie des Menschensohnes" setzt er das Zeichen des Menschensohnes am Himmel zu, als welches auch sonst in syrischen Schriften das Kreuz erscheint, v. 30 und die große Posaune v. 31. Endlich verlängert er den Schluß durch einen Vergleich mit der Sintflut

!) Zu 24,30 f. vgl. S. 307. 2 ) Vgl. S. 336.

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

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nach Lc c. 17 = Q und durch Gleichnisse über den verreisten Herrn nach Ur-Lc c. 12 und c. 19 = Q und gibt ein Gleichnis vom Weltgericht aus eigenem Schatz zu. Ich wiederhole: Mt steht in der Zeit Domitians. RLc als letzter hat, wie den ganzen Ur-Lc, so auch die Apokalypse überarbeitet, z. B. 21,12—16a; 1 8 - 1 9 (v. 18 aus Lc 12,7 = Q geholt, schon für Paulus Apg 27,34 zitiert); 25— 26a. In v. 28 hat KLc für Mc v. 27 = Mt, d. h. für die von Sach 2,6 und Dt 30,4 vorgedachte Versammlung der Erwählten, mit bewußter Spiritualisierung die Apolytrosis eingesetzt und in v. 36 den Gerichtsgedanken anklingen lassen. Mc v. 32, d. h. dessen Entsprechung im Ur-Lc, hat RLc in geschickt geänderter Passung in die gleichzeitig mit dem redigierten Lc erscheinende Apg 1,7 versetzt, um das im Ur-Lc noch behauptete Nichtwissen des Sohnes um den Zeitpunkt der Parusie stillschweigend zu korrigieren. Den Schluß ßtenere, äygv7ivelre xal nQoaevxea&e hat RLc paraphrasiert in Erinnerung an 17,26f. und mit Gedanken und Worten, die er auch sonst bei seiner Redaktion verwendet hat. RLc hat die Zerstörung Jerusalems und des Tempels erlebt. Daher hat er die Weissagung ex eventu 19,38—44 vor die Geschichte von der Tempelreinigung und in die Apokalypse den Vers 21,24 mit Einzelheiten über die Katastrophe von 70 und den Zustand nach 70 eingesetzt, welche Stücke eben deshalb bei Mc Mt keine Parallele haben. Eben an dieser Stelle hat RLc das Wort von der Verkürzung der Tage (Mt v. 22 = Mc), den bekannten Zug der Eschatologie, gestrichen. Entsprechend mußte RLc aus Mt v. 29 = Mc „gleich nach der Drangsal jener Tage", das an v. 22 anschließt, weglassen. Mt v. 17f. = Mc = Ur-Lc hat RLc zu v. 21b umgearbeitet, wo klar vom Auszuge der Christen aus Jerusalem die Rede, avrfjg und amr/v aber jetzt in seiner grammatischen Beziehung unklar ist. In demselben Zusammenhange hat RLc das Gebet von Mt v. 20, aus dem der Philippiner RMc schon das firjöe aaßßaxm beseitigt hatte, ganz weggelassen — ich nehme an: weil die Flucht tatsächlich nicht im Winter stattgefunden hatte. Aus seiner geschichtlichen Erfahrung hat RLc den Mc v. 19 = Mt entsprechenden Wortlaut des Ur-Lc gemildert und wohl auch das ovnco und aq%rj wMvwv ravra Mc v. 7f. = Mt durch anderes ersetzt. Die Form des RLc hat die Gegenwartsgrenze zwischen erlebter Vergangenheit und phantasierter Zukunft hinter v. 24, wo ein längeres Niedergetretensein Jerusalems vorausgesetzt wird. Lukas hat das E v redigiert und zugleich die vorher verfaßte Apg ediert unter Domitian, also etwa um dieselbe Zeit, wie Mt geschrieben worden ist. Aber in welche Zeit gehört die ursprüngliche Apokalypse, und wann ist sie mit einer Einleitung in den Ur-Lc eingeführt worden? Lc schreibt 21,20 oxav de lörjxe xvxAovfievr/v vno orgaTcmedojv 'IegovoaÄiifi, T6TE yvwre, ort rjyyixev r] EGRJFIWAN; amfjg. Man muß das xvxAov/j,evr/v scharf fassen: „Wenn ihr erkennt, daß die Umzingelung der Stadt im Werke ist". 21*

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

Das war von Christen, die dem nationalen Fanatismus der Juden nicht verfallen waren, schon vorauszusehen, als die Kriegsgefahr akut wurde. Die Apokalyptiker pflegen von einer erlebten Vergangenheit in eine gefürchtete oder erhoffte Zukunft hinein zu phantasieren. Erlebt ist im Ur-Lc, wenn man von den Änderungen des RLc in 21b—24 absieht, alles bis einschließlich xvxXovfievrjv 'IegovaaXi]/u. V o n U r - L c bei Mc v . 17 = M t a n be-

ginnen die reinen Voraussagungen. Dazwischen steht der einzige materiale Befehl der ganzen Apokalypse, Lc v. 21a = Mc v. 15f. = Mt. Hier ist der Höhepunkt der ursprünglichen Apokalypse. Hier und in dem vorhergehenden Lc v. 20 offenbart sich ihr geschichtlicher Standpunkt. Es ist derselbe, von dem Josepos bell. VI 5,3 spricht: „Auf solche Art ließ sich damals das unglückliche Volk von seinen Verführern und falschen Gottesgesandten gängeln, während es andererseits die Erscheinungen, welche die kommende Verödung (rrjv /ueV.ovaav ¿gr/uwoiv) prophezeiten, nicht beachtete . . . So erschien einmal ein Komet"; weiter geschahen TZQO Tfjg änoaraaemg xal rov nooQ TOV nöls/iov

xivri/uazog a n d e r e P r o d i g i e n ( R L c h a t sie i n v . 11 zu-

gesetzt). Nach Westberg handelt es sich um die Erscheinung des Halleyschen Kometen 6 6 „ g e r a d e vor dem Aufstande". Eins der weiterhin von Josepos beschriebenen Prodigien ist folgendes: xara de rrjv iogirp, fj nevvrjxooTr] xaÄeTrai, VVXTCOQ ol lege ig TtageÄ&ovTeg elg ro eväov iegov, waneg avroig e&og ngog rag P.eirovgytag, ngmrov fiev xivrjoewg avxiXaßea&ai xal xtvnov, fierä de ravra tpcovfjg ä&göag• /isxaßaivofiev (vi ¡ueraßairafiev) ¿VTev&ev. Sollte

dieser Erzählung keine bloße Halluzination, sondern ein tatsächlicher Vorgang zugrunde liegen, so ist man versucht, an den Auszug der Christen zu denken, die damals nach Pella in hellenistisches Gebiet gingen. Man kann eine Stütze für diese Deutung darin finden, daß für dieses Prodigium die Zeit um Pfingsten angegeben wird. Pfingsten ist schon Apg 2 das Fest des Pneuma für die Christen, nach Tert. Bapt. 19 und Ep. apost. 17 die Zeit der Wiederkunft des Herrn. 'Hvixa -yäg rj/neXXev rj noXig alioxecsdai vnö TOJV 'Pcofiaimv xal egr/ixovaftai, ngoexgrj/iaTia&rjaav VJIO äyysAov sagt Epiphanios d e m e n s . 15; sie zogen a u s xard riva %or}audv rolg avrö&i doxifioig öi

rnio-

xaMipecog öo&ei>Ta ngö rov nolifiov berichtet Eusebios h. e. 1115,3 oder Xgiarov 7iog änoör][imv gehandelt, wie bei Mt, und so hat RMc, wie oben gesagt, es für Mc 13,33 b bis 34 verwertet. Das Gleichnis schloß in Q an die Geschichte von Zakchaios an, es paßt gut in das kapitalistische Milieu des Oberzöllners. Das Gl. hat an sich nichts Eschatologisches, sondern handelt von einem Hausherren, der vor einer längeren Reise Talente an seine Knechte austeilt, damit sie mit diesen arbeiten; es will zeigen, wie man mit den von Gott verliehenen Talenten arbeiten soll. Aber Lukas, der Förderer des pneumatischapokalyptischen Wesens im Christentum, hat den nebensächlichen Zug des Verreisens wichtig genommen und nun dem ganzen Gleichnis die Zuspitzung auf den König gegeben, der ausgezogen ist, ein Reich einzunehmen. Dabei mag die Erinnerung an das mitgewirkt haben, was Lukas über die Romreise des Archelaos und die nachfolgende, ihn ablehnende Gesandtschaft des Volkes bei Josepos gelesen hatte. — Das Gleichnis ist mit Lc v. 26 abgeschlossen. Das „schlachtet sie" v. 27 entspricht dem Ur-Lc 2 12,46 und schiebt wieder Jesu blutgierige Rachegelüste zu. Der echte Jesus hat niemals der vergebenden Liebe Gottes einen Grenzpfahl gesetzt. Er hat freilich sein Volk, das sich prädestiniert dünkte, in Lc 13,24—30 = Q gewarnt, es könne auch ausgeschlossen werden, d. h. sich selbst ausschließen, während Heiden aus aller Welt mit den Erzvätern und allen Propheten Israels sich im Reiche Gottes zu Tische setzen würden, denn „es sind Letzte, die Erste sein werden, und Erste, die Letzte sein werden" — aber immer doch noch Letzte einer und derselben Reihe, die auch noch hineinkommen können, wenn sie wollen, — und die vielleicht am Ende wollen müssen, weil ihr Ich-Wille einem inneren Drucke nicht mehr trotzen kann. (5) Wir können Jesus noch von einer weiteren apokalyptischen und deterministischen Rachephantasie entlasten, nämlich von Lc 11,49—51 = Mt 23,34—36 (nicht bei Mc). Diese Stelle ist nur scheinbar Q. Jesus hat bei Q von Lc 11,42 an drei Wehe gegen die Pharisäer und drei Wehe gegen die VO/MXOI, d.h. die Schriftgelehrten gesprochen. Das dritte Wehe gegen die vopixoi Lc 11,52 if. steht jetzt aber von den übrigen getrennt durch v. 49—51, die wie ein Schluß aussehen, in Wahrheit ein Einschiebsel sind. In v. 49 sind christliche Propheten und Apostel gemeint, die aus „der Weisheit Gottes",

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

d. h. dem Pneuma reden. Nicht Jesus hat eine vorchristliche Apokalypse zitiert, die dann verloren sein müßte, und in diese gar noch die OJIÖOTOXOI eingeschmuggelt, sondern Ur-Lc 2 hat diesen Prophetenspruch ebenso wie die synoptische Apokalypse Jesu untergeschoben; nur hat RMc diesen apokalyptischen Spruch aus Ur-Lc 2 nicht übernommen. Wahrscheinlich stammt dieser Spruch aus demselben Kreise wie die syn. Apok. Der Prophetenspruch läßt sich nämlich fast aufs Jahr datieren: Die Zerstörung Jerusalems 70 ist noch nicht geschehen, aber die Ermordung ZayanLov viov Baoa%iov (so Mt nach Ur-Lc; RLc hat viov BaQa%iov ausgelassen durch Homoioteleuton) zwischen Tempel und Altar ist schon geschehen, nach Josepos Bell. IV 5,4 durch die Zeloten im Jahre 67/68. Unser Prophetenspruch ist also bald nach 67 unter dem frischen Eindruck dieser Untat (nicht aus der Lektüre des Bellum), bald nach der syn. Apok., wahrscheinlich unter den nach Pella ausgewanderten Judenchristen entstanden. Bei den Märtyrern, deren Tod v. 49 erwähnt und deterministisch gedeutet wird, ist an den Herrenbruder Jakobus gedacht 1 ). Wir wissen nun, daß, wo von unvergebbarer, von ewiger Sünde, Todsünde, ewiger Strafe die Rede ist, wo ferner der Liebe Gottes irgend ein Grenzpfahl, zwischen Gott und einem Menschen oder zwischen angeblich Erwählten und Nichterwählten eine Kluft gesetzt wird, nicht der göttliche Logos, sondern der erbgeschichtlich in Sünde und Schuld verstrickte und sich auch schon wieder von Jesus emanzipierende Mensch der zweiten und dritten christlichen Generation redet. So haben manche auch Lc 16,26 beanstandet und auch andere Gründe dafür ins Feld geführt, daß dieses Wort von der großen Kluft nicht von Jesus stammen könne. Aber der Vers sitzt fest, in seinem Zusammenhange. Es wird auch nur — und zwar mit der liebevollen Anrede rsxvov — gesagt, daß die festgelegte große Kluft zwischen Himmel und Hades nicht durch das Wollen des Menschen zu überwinden ist. Exkurs:

Auslassung

von Ur-Mc-Text

durch

Ur-Lc

Mc 14,51 f. ist die Perikope, in der der Schreiber Johannes Marcus selbst sich als den hineingebracht hat, der Jesu bis zuletzt gefolgt sei. Lukas könnte in diesem besonderen Falle schon bei der Herstellung des Ur-Lcj im Jahre 48 die Verse Mc 14,51 f. herausgeschnitten haben, weil es damals zu jenem in Apg 15,39 von Lukas berichteten nago^va/xdi zwischen Barnabas und Paulus gekommen war, der forderte, „daß man Johannes Marcus nicht mitnehmen solle, da er doch von Pamphylien ab sie im Stich gelassen habe und nicht mit ihnen mitgegangen sei zur Arbeit". Das JTAVREG 50 bezieht sich auf die Jünger und ist kein Indiz dafür, daß 51 f. v o m Redaktor stamme 2 ).

*) Über Sacharja urteilt anders H. J. Schoeps, Aus frühchristl. Zeit, Tübingen 1950, 138 ff. 2 ) Gegen W. Bussmann, Synopt. Studien I, Halle 1925, 198.

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

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c) D e r R e d a k t o r d e s Lc (RLc), d. h. L u k a s im A l t e r , hat den Ur-Lc stark verändert. aa) RLc hat am Ur-Lc umgestaltet und umgestellt, natürlich ohne Wirkung auf Mc und Mt, da RLc die späteste Stufe der synoptischen Überlieferung darstellt. Wir geben hier nur noch einige charakteristische Beispiele, verzichten auf Vollständigkeit und wiederholen nicht früher Gesagtes. 1. Lc4,16—30: Der Mißerfolg Jesu in Nazareth, den Ur-Mc treu berichtet hatte, war allen Späteren unfaßbar. „Während bei Mc und Mt die Nazarethaner Jesus verwerfen, verwirft bei Lc Jesus die Nazarethaner" 1 ). RLc stellt dabei die Perikope um und verbindet sie mit dem „Thema der Verkündigung" Ur-Mc 1,14b—15. Dadurch, daß er nur das arjfxeqov mnlr\gcoTai der Jesaja-Weissagung bringt, bestätigt er, daß zu Ur-Mc nur das nenhrjQanai o xcagog xal r/yyixev r) ßaaiXeia rov •deov v. 15a gehört hat. Lukas hat im RLc das Gleichnis vom Arzt v. 23 und die Drohung des Überganges des Heiles zu den Heiden v. 25ff. zugefügt. Selbständig haben auch RMc und Mt den Mißerfolg Jesu etwas mildern wollen durch die Zusätze Mc 6,5 bzw. Mt 13,58. 2. Lc 5,1—11: Mit Ur-Joh stimmen Mc 1,16—20 = Mt darin überein, daß Petrus und Andreas zu den ersten Jüngern Jesu gehörten. In der offenen Erwähnung des Zebedaiden bei Mc Mt hat man mit Recht einen Grund gefunden, den bei Joh anonymen zweiten Jünger (1,40) für einen der Zebedaiden zu halten. Es läge ein Widerspruch zwischen Mc Mt und Joh vor, wenn man das von jenen geschilderte Zusammentreffen der vier Jünger mit Jesus für das erste halten müßte. Aber Petrus hat im Ur-Mc von der gemeinsam mit Jesus beim Täufer verlebten Zeit wohl absichtlich geschwiegen und Mc 1,16 ff. den Beginn seiner und der andern dauernden Gefolgschaft in der Arbeit mit Jesus bezeichnen wollen, genau wie im Falle des Levi-Matthaios-Nathanael Mc 2,13ff. Die Perikope RLc 5,1 ff. läßt den Ur-Mc-Kern noch durchblicken, hat aber die Geschichte versetzt und mit der vom wunderbaren Fischzug verbunden, die offenbar mit Joh 21 verwandt ist. Ich sehe hier RLc unter dem Einflüsse des Herausgebers des Joh-Ev, seines uns wohlbekannten Freundes Judas Barsabbas. 3. Lc 8,19—21: Die Stücke Mc 3,20—21 und 3 1 - 3 5 haben im Ur-Mc zusammen als Perikope „Blutsverwandte und Geistesverwandte" hinter der Berufung der Zwölf gestanden. Die Einstellung Jesu zu seiner Familie ist bei Ur-Joh dieselbe wie im Ur-Mc. RMc hat 3,20—21 an seiner Stelle belassen, aber nach dem Worte „Sie sagten, er sei außer sich geraten" mit K. L. Schmidt, Der Rahmen der Gesch. Jesu, 1919, 40.

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

3,22—30 die Geschichte von den Schriftgelehrten eingeschoben, die etwas Ähnliches von Jesus behauptet hatten, daß er den Beelzebul habe. Diese Geschichte hat RMc aus Ur-Lc = Q J ). RLc und Mt haben die Verse Mc 3,20 bis 21, die gar nicht zu ihren Geburtsgeschichten paßten, beseitigt. Den zweiten Teil der Ur-Mc-Perikope hat RLc versetzt hinter „Sprüche über den rechten Gebrauch der Parabeln" Lc 8,19—21, von andern „Aufmunterung zum Verständnis" betitelt, wo er einen harmlosen Abschluß bildet. Der Wortlaut ist aber bei Lc theologisch geklärt, insofern von den Hörern, auf die Jesus Mc 3,34 hinweist, doch nicht ohne weiteres gilt, daß sie Gottes Willen tun 2 ). Im Ur-Lcj hat die ganze Ur-Mc-Perikope noch an ihrem ursprünglichen Platze gestanden; deshalb hat ja Ur-Lc vor ihr die Nahtstelle zwischen dem Q-Stück 6,20—8,3 und einem Ur-Mc-Stück angesetzt: Die dienenden Frauen Lc 8,1—3 mit den dort erwähnten Zwölf paßten glänzend vor die im Ur-Mc 3,20—21 plus 31—55 als einzige Verwandte anerkannten Geistesverwandten, womit nicht gesagt ist, daß historisch die Naht richtig gelegt ist 3 ). 4. Lc 10,1—20: Die Aussendung der Siebzig und Lc 6,12—16: Die Berufung der Zwölf. Ur-Mc hat die Berufung der Zwölf, Ur-Mc und Q haben die Aussendung der Zwölf gehabt. Die in Q erhaltene Rede bei der Aussendung der Zwölf liegt in Lc 10,2—16 vor, aber durch v. 1 unter Mißbrauch von 9,52 zu einer Aussendung der Siebzig umgearbeitet; v. 17—20 steckt voll jüdischer Pneumatik. Erst RLc hat die Fiktion der Siebzig eingeführt, um den doppelten Bericht über die Aussendung zu motivieren und um zu ermöglichen, daß auch andere als die Zwölf als von Jesus berufene änoaroXoi für die 70 Völker der Erde (Gen. 10) gelten konnten. Der doppelte Bericht hatte sich im Ur-Lcj bei dessen konservativer Methode der Quellenverbindung erhalten. Hätte schon Ur-Lc 2 die Fiktion der Siebzig eingeführt, so hätte Mt die beiden Aussendungsreden nicht in dem von ihm konstruierten Abschnitt 9,18—11,30 zusammengearbeitet. „Aber auch bei Lc selbst gilt die Rekapitulation von 10,4, nämlich 22,35, als an die Zwölf gerichtet" 4 ). Auch Mt hat an der doppelten Aussendungsrede seiner Quelle Ur-Lc 2 Anstoß genommen und deshalb kombiniert. Da nun aber die Fiktion der Siebzig schon in Lc 6,13 vorbereitet wird, so folgt, daß RLc auch die Berufung der Zwölf bearbeitet hat: a) Die Berufung ist, abweichend von Ur-Mc Mt, vor den „Zulauf" geschoben, ß) Infolgedessen mußte RLc den Rückzug auf den Berg Ur-Mc 3,13 anders motivieren, und er t a t das auf seine Weise in Lc 6,12. y) Wieder infolge davon ist in Lc 6,13 ein Anakoluth entVgl. S. 292. ) R. Bultmann, Geschichte der synopt. Tradition, 2. Aufl. 1931, 29. ) Weiteres über Nahtstellen s. S. 389. 4 ) E. Klostermann, Das Lukas-Ev, Handbuch z. NT, hrsg. v. H. Lietzmann, 5, 2. Aufl. 1929, zur Stelle. 2

3

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standen. RLc hat Mc3,14 b—15 zur Aussendung L c 9 , 2 versetzt, so daß läa&ai nun dort neben 9,1 zum zweiten Male auftritt. Die Hand des RLc erkennt man in der Berufungsgeschichte auch daran sicher, daß er auf Grund seiner später entstandenen, oben 1 ) nachgewiesenen Beziehungen zu Judas Barsabbas den Thaddaios des Apostelkatalogs durch den Judas Jacobi ersetzt, wie er es auch in der gleichzeitig mit dem RLc-Ev herausgegebenen Apg getan hat, und ferner daran, daß er die Bezeichnung änoOTOXOI einführt 2 ). — Auch der philippinische RMc hat am Apostelkatalog eine charakteristische Änderung vollzogen, indem er Mc 3,16 den Andreas von seinem Bruder Petrus weg zu Philippos stellt: diese beiden Apostel mit griechischem Namen müssen einander nahegestanden haben; wir haben oben 3 ) gesehen, daß der Philippiner RMc sich bemüht hat, das Ansehen des Andreas zu heben; im Joh-Ev tritt er neben Philippos öfter gemeinsam auf; Legende und Geschichte wissen von gemeinsamer Arbeitsstätte der beiden und gemeinsamem Schicksal ihrer Reliquien. Es ist wahrscheinlich, daß der philippinische Redaktor des Mc auch die wertvolle Nachricht Mc 3,17 über das Boanerges für die beiden seit RMc mit Andreas und Philippos zusammenstehenden Zebedaiden zugefügt hat. Der ursprüngliche Jüngerkatalog des Ur-Mc ist also im Mt 10,2b—4 erhalten. I n der Begründung des Beinamens Petrus stimmt Mt 10,2 eher zu Joh 1,42 = Z als zu Mt 16,16ff. — RMc hat in der Aussendungsrede die Begrenzung des Auftrags der Zwölf gestrichen, die nur Mt 10,5 b—6 bewahrt, die dieser also noch im Ur-Lc aus Ur-Mc gelesen haben und die erst RLc beseitigt haben muß; RLc hat auch das in Mt 10,8 erhaltene Wort Jesu dcogeav ¿laßere, öuioeäv bore gestrichen, da eine organisierte Kirche Geld braucht. RMc hat ferner für die Missionare seiner Zeit Stab und Sandalen zulassen wollen und dabei Mc 6,8—9 a in indirekte Rede umgearbeitet. Mt hat, wie gesagt, die beiden Aussendungsreden, die Ur-Lc a noch nebeneinander und beide auf die Zwölf bezogen hatte, zusammengearbeitet und in dem von ihm konstruierten Abschnitt 9,18—11,30 untergebracht. Der Schluß Mt 10,17—39 dient dem Mt wie alle seine großen Reden dazu, große Stücke des Ur-Lc, besonders aus dessen eschatologischen Reden unterzubringen: v. 17—23 stammt aus der sogenannten synoptischen Apokalypse 4 ). Mt 10,24—25 steht bei Lc 6,40 = Q im richtigen Zusammenhang und Sinne. 10,26—33.34 bis 36 stammt aus Lc c. 12 = Q; 10,37—38 aus Lc c. 14 = Q, 10,39 aus Lc c. 17 = Q. Dagegen ist 10,40—42 aus RMc konstruiert, und zwar ist v. 40 eine Wiederholung vonMc 9,37 Par, während v. 42 das von RMc 9,41 zugefügte Schlußwort der Perikope vom fremden Exorzisten verwendet, J

) ) 3 ) 4 ) 2

S. 204. Vgl. S. 356. Vgl. S. 275. Zu 10,23 vgl. S. 321.

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

die Mt im übrigen wegen ihrer unkirchlichen Weitherzigkeit für unbrauchbar befunden hatte. Ur-Mc hat also 3,13 ff. richtig erzählt, wie Jesus zu der Zeit, als der Zulauf der Massen aus dem Drange nach Heilung körperlicher Gebrechen überhand nahm, abseits auf einem Berge den engeren Kreis der Zwölf gebildet hat. Ur-Mc setzt stillschweigend voraus, daß Jesus sie zuerst bei sich erzogen hat; Q berichtet die Jüngerlehre, die Bergpredigt. Ur-Mc erzählt dann 6,6ff., wie Jesus die Zwölf einmal mit einem begrenzten Auftrage ausgesandt hat, um seine Arbeit in Galilaea fortzusetzen, während er selbst auf kurze Zeit um das Purim-Fest nach Bethanien und Jerusalem ging 1 ). Mt hat das verdorben, indem er die Zwölf berufen und sogleich ausgesandt werden läßt. Q spricht nicht klar von den Zwölf. Die dritte der Urschriften, Z des Joh-Ev, hat ihre Berufung jedenfalls nicht f ü r ein so wichtiges „Zeichen des Messias Jesus" gehalten, daß er sie besonders erwähnt hätte; aber er erzählt zwölf Zeichen, und bis zum Muratorianum hat man gewußt, daß er das mit Rücksicht auf die Zwölfzahl der Jünger so gefügt habe; die Zwölfzahl hat ohne Zweifel auch eschatologische Bedeutung gehabt. H des J o h hat die Zwölf in das E v und in die Apok, immerhin sparsam, eingeführt. Da nach dem 1. Sabbatkonflikt Mc2,23ff. eine Verwarnung und nach dem 2. Sabbatkonflikt Mc 3,lff. ein Anklagebeschluß gegen Jesus erhoben war und Jesus daraufhin laut M c 3 , 7 „zum Meere hin" sich zurückzog, unter diesem Meere aber nicht etwa der See von Gennesaret, sondern das Westmeer verstanden sein muß, dazu auch der Zulauf aus Tyros und Sidon Mc 3,8 paßt, so nehme ich an, daß Jesus damals zum ersten Male die Verstecke des Karmel aufgesucht und die zwölf von ihm ausgewählten Jünger dorthin mitgenommen und sie dort in die Lehre genommen hat. Der Berg von Mc 3,13 ist also der Karmel. Zum Karmel hat er sich dann wieder nach dem Todesbeschlusse des Synedrion J o h 11,54 2 ) zurückgezogen, u m von dort den Todes weg anzutreten. Zum Karmel ist Petrus mit den Zehn am Tage nach dem Tode Jesu geeilt 3 ). 5. Lc 22,24—27: Der Streit über Vorrang und Ehrenplätze hat nach Ur-Mc 10,35ff. und Mt bereits auf der Reise nach Jerusalem stattgefunden, und das ist wahrscheinlicher. RLc hat nur die den Streit entscheidenden Worte Jesu unter Weglassung der Namen der Zebedaiden hinter die Stiftung des Herrenmahles versetzt, unter dem Einfluß der Perikope vom Dienen (Fußwaschung) bei Joh. Also hat schon RLc in J o h 13,2 statt des richtigen demvov yivofievov das yevo/uevov des Codex D u. A gelesen 4 ). Vgl. zu Joh 5,1 und die Synopse S. 391. ) Vgl. S. 79. 3 ) Vgl. S. 347. 4 ) Über den Zeitpunkt und den Urheber der ß-Redaktion vgl. S. 469 ff. 2

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt

333

6. Lc 22,21—23: Nach dem Vorhergehenden ist es höchst wahrscheinlich, daß die Vorhersagung des Verrates von RLc von dem richtigen, bei Ur-Mc (in Mc und Mt erhalten) klar am Anfange des Mahles, bei Ur-Joh jedenfalls am Anfange der Tischgespräche bestimmten Platze weg hinter die Stiftung des Herrenmahles verlegt worden ist, da R L c das Herrenmahl an den Anfang der Mahlzeit verlegt 1 ) und durch die Voraussage des Verrates nicht gestört wissen will. Das avvCrjTstv v. 23 zeigt, daß RLc von dem inzwischen herausgegebenen J o h - E v 13,22f. beeinflußt ist, und dieses avvCrjTslv schien ihm die beste Einleitung zu dem eyevsro de xai cpO.oveixta v. 24. Die Sprache von v. 21—23 ist die des alten Lukas, d . h . der Apg (rj-¿elo. . . fiex* ¿fiov, d)Qia/Ltevov, xo rig, [xeXXow Ttodaaeiv). Auch nach A. Schlatter 2 ) ist die Darstellung der Synoptiker von Johannes (wir sagen: Marcus) richtiggestellt worden; sie stand also schon im Ur-Lc 2 und Ur-Mc. 7. Lc 22,31—34: Die Vorhersagung der Verleugnung des Petrus: Johannes Marcus hat diese Geschichte im Ur-Joh gewiß mit Absicht nicht wiederholt; der Herausgeber des J o h hat sie 13,36ff. hineingebracht, aber gemildert durch die Voraussage des inzwischen erfolgten Märtyrertodes des Petrus. Die Geschichte stand im Ur-Lc und allen Synoptikern; H des J o h hat sie nach den Synoptikern, soweit diese ihm bereits vorlagen (d. h. Mt, RMc, Ur-Lc 2 ) selbständig, insbesondere kürzer geformt und anders, nämlich unter die Abschiedsreden vor dem Aufbruch, gestellt. Wenn diese Stellung und das Wort J o h 13,38 mit Lc übereinstimmt und emarpeipac; v. 32 auf J o h c. 21 anspielt, so hat RLc sich, wie auch sonst oft, von H J o h beeinflussen lassen und darüber Stelle und Wortlaut des Ur-Mc, die im Ur-Lc noch vorgelegen haben werden, geändert und in 22,36 die Beschaffung der Schwerter hinzugefügt. 8. Lc 23,25: Die von Ur-Mc und Ur-Joh berichtete Geißelung Jesu vor der Kreuzigung durch die römischen Soldaten Mc 15,15ff. = Mt hat R L c diesen abgenommen. RLc betont, daß Pilatus dem Willen der J u d e n nachgegeben, aber selbst nur die Absicht gehabt habe, Jesus körperlich zu züchtigen und dann freizulassen 23,16 u. 22; RLc hat dabei nicht bedacht, was er 18,33 geschrieben hatte 3 )! 9. Lc 24,12: Der Lauf des Petrus zum Grabe fehlt nur bei Tatianos, D und einigen Lateinern, ist aber als echter Bestandteil des RLc anzusehen. Dieser hat den Vers, wie vieles andere, aus HJoh, und zwar fast wörtlich, übernommen. Bezeichnend ist, daß er dabei wieder einmal Johannes Marcus, „den anderen J ü n g e r " von J o h 20,3, streicht 4 ), obwohl er 24,24 von TLVEQ spricht, die zum Grabe gekommen seien. !) 2 ) 3 ) 4 )

Vgl. Anhang II. Der Evangelist Joh., 1930, zu 13,28. Zu Joh 19,1 und zur Perikope „Verspottung des Judenkönigs" vgl. S. 336. Vgl. S. 125.

334

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

bb) RLc hat aus Ur-Lc2 gestrichen an Perikopen und charakteristischen Einzelworten 1. Mc 2,27: Das großartig freie Wort Jesu, der Sabbat sei um des Menschen willen geworden, ist von Mt, vom /?-Rezensenten 1 ) und von RLc gestrichen worden. 2. Mc 4,26—29. 33—34: Streichung des Gleichnisses von der selbstwachsenden Saat, das im Ur-Mc als Ergänzung zum Gl. vom Sämanne stand. Mt zeigt durch seine Umbiegung (13,24ff.; 36ff.), daß dieses im Ur-Lc 2 noch erhaltene Gleichnis Jesu den Kampf gegen die Ketzer und für den Aufbau der rechtgläubigen Kirche behinderte. Mit dem Gl. hat RLc auch das Schlußwort Mc 4,33—34 gestrichen. 3. Mc 8,32—33: Die scharfe Zurückweisung des Petrus undMc 10,35—40 dieses Ehrgeizes der Zebedaiden sind gestrichen 2 ). 4. Mc 10,1—9: Die gesunde Auffassung Jesu vom Sinne der Polarität der Geschlechter, d. h. der Ehe, die von Gott gewollt ist und darum von Menschen nicht geschieden werden darf, hat RLc gestrichen. Lukas erzählt dafür von der Jungfrauengeburt und verlangt, daß man sein Weib hasse (vgl. Lc 14,26 mit dem echten Jesusworte Mt 10,37, wo, wie in v. 35f., einfach selbstverständlich ist, daß Mann und Weib nicht zu entzweien sind). 5. Mc 12,24: Das Wort von den Schriften und der Kraft Gottes als Quellen der Erkenntnis ist von RLc beiseite gelassen worden, als er das Wort Jesu vom verschiedenen Sein der Lebenden und der Gestorbenen ausführlich umarbeitete zu einem Worte über die Verschiedenheit dieses und jenes Äons 3 ) entsprechend seiner Umdeutung des Reiches Gottes in das Jenseits nach dem Tode. 6. Mc 14,28: Die Verheißung, daß Jesus nach seiner Auferstehung die Jünger nach Galilaea führen werde, mußte RLc hier wieMc 16,7 streichen bzw. umarbeiten, weil er alle Erscheinungen nach Jerusalem zusammenlegen wollte 4 ). Sobald Jesus gesehen hat, daß er sterben müsse, hat er auch gewußt, daß der Tod der ihm gewissen Verheißung des Reiches Gottes für die Erde und seinem eigenen Geisteswirken kein Ende setzen würde (Lc 22,29). 7. Mc 14,57—58.60-61; 15,29—30: Über die Streichung der Worte gegen den Tempel durch RLc vgl. oben S. 315a. 8. Mc 15,34—37: Das letzte Wort Jesu amKreuze, die Tränkung und das Verscheiden Jesu. Nach Ur-Joh 19,28—30 (ohne elöwg ort rjdrj navra rerekearai, elnsv xereXearai xai) hat Jesus gesagt: Mich dürstet! Nachdem man ihm zu Vgl. S. 476. ) Über den Grund vgl. S. 332. 3 ) Vgl. zu 10,30 S. 294. 4 ) Vgl. dazu S. 354. 2

IV. Einwirkung des Ur-Lc auf RMc und durch diesen auf Mt '

335

trinken gereicht, ist er, das H a u p t senkend, verschieden. — Ich habe lange geglaubt, das Wort ¿Ami eXon Xa/xä aaßayßavi sei eine Erfindung des RMc, aber F . Heller 1 ) wird recht haben, wenn er schreibt: „Jesu Gebetsanrede in Gethsemane ,Abba' und sein Angstschrei am Kreuze ,Eloi' wurde von der Urgemeinde in so sklavischer Treue überliefert, daß sie selbst der griechische Evangelienübersetzer im semitischen Wortlaut wiedergibt", und W. Stärk 2 ), wenn er schreibt: „Der Herr hat sich, dieses Gebet auf den Lippen, in der dunkelsten Stunde seines Erdenlebens an Gottes Vaterherz geworfen . . . E s für unhistorisch zu erklären ist unüberlegt, weil ja seine Entstehung innerhalb der die evangelische Geschichte als Geschichte des erhöhten Christus überliefernden Urgemeinde psychologisch ganz unmöglich ist . . . Man habe nur den ganzen 22. Psalm vor Augen, dann weiß man, was der Herr hat sagen wollen, als er ihn zu beten begann." Das kann man mit unserer Auffassung der Überlieferung auch begründen. Wenn man bedenkt, daß der Urheber der ß-Rezension — es ist, wie sich noch herausstellen wird, Silas, der Freund des Lukas — f ü r iyxaxefonE bedeutet, daß die Erscheinung bei Petrus bzw. Jakobus einsetzte „und d a n n " die Umgebung erfaßte; das unbetonte eha reiht nicht selbständige Fakten nebeneinander, sondern gibt die zusammengehörigen Momente eines Ablaufes. Die erste Erscheinung vor „Petrus und dann den Zwölf" ist, wie gesagt, dieselbe, die der Ur-Mc, d. h. Petrus in seinen Lehrvorträgen, als einzige berichtet hat, unten Erscheinung I I I genannt. Die zweite, die vor den mehr als 500 Brüdern auf einmal, identifiziere auch ich mit dem Pfingsterlebnis Apg 2,4—4,31, das die Verkündigung der Jünger in Jerusalem anregte, unten Erscheinung V genannt. Hier steht nicht eha, sondern mit vollem Bedacht ¿ SC " . ,fii (O N 60 §0 | §3 «2 'S o ® n ."sä ßg < 00 N o^ Sg fi Ö ^

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Jg erzählt IV (Ersch. auf dem Ölberge, Verheißung des Geistes, Sendungsbefehl, Himmelfahrt), ferner V die Ausgießung des Geistes zu Pfingsten {nach 40tägigem Verkehr mit den Jüngern) und VI die Ersch. vor Paulus. — Paulus in 1. Kor 15 erzählt die Erscheinungen III, V, IV, VI, nicht I und nicht II.

Zu allen Auferstehungsberichten muß ich mit W. Schweitzer, der selbst auf 0 . Cullmann1) verweist, sagen: „Es ist dabei deutlich, daß das Osterereignis zuerst als Erhöhung, d. h. göttliche Rechtfertigung (1. Tim 3,16), als Einsetzung in eine Würdestellung vor Gott, nicht wesentlich als Auferstehung im Sinne der Überwindung des Todes verstanden war" 2 ). b) Bestätigung

der erschlossenen zurückzuführenden

Jahreszahlen

durch die auf

Papias

Subscriptionen

Mancher kritische Leser meiner Lösungsvorschläge zur johanneischen und zur synoptischen Frage wird, wenn ihm bestimmte Jahreszahlen genannt wurden, gedacht haben, daß man soviel nicht mehr wissen könne. Es ist hier behauptet worden, daß die Logia des Matthaios zu Jesu Lebzeiten niedergeschrieben seien; das muß und wird noch begründet werden. Johannes Marcus soll den Ur-Mc, d. h. die erste Fassung der Lehrvorträge des Petrus, im Jahre 43 und die Missionsschrift des Apostels Johannes über die „Zeichen des Messias Jesus" im Jahre 44 griechisch niedergeschrieben haben. Es ist vermutet worden, daß derselbe die Logia des Matthaios um ihrer Bedeutung willen vielleicht noch vor 43 übersetzt habe. Lukas soll den Ur-Mc und die Logia sehr konservativ noch in den 40er Jahren zum Zwecke der Mission im Ur-Lcj handlich vereinigt, bald nach 70 zum Ur-Lc2 bereichert und diesen während der domitianischen Verfolgung zum heutigen Lc-Ev redigiert haben, das zusammen mit der Apg herausgegeben und einem hochangesehenen Theophilos gewidmet war. In diesem sehe ich den in den Clement. Recogn. X 71 erwähnten Theophilos von Antiochia, wie noch gezeigt werden wird 3 ). Wie aber, wenn man das alles noch im 2. Jh. gewußt

hat?

Ich bitte die folgenden, bisher nicht beachteten, meines Erachtens aber höchst beachtenswerten Subskriptionen des Athos-Codex 1051 zu prüfen: reXog TOV xarä Max&alov evayyeMov yQacpsvxog AN avxov eßgatdi diaMxxcp FIExä XQovovg oxrw xrjg XQIOXOV ävahrjipeajg xal ¿v 'IegoaoXvfioig exdo&evxog xal sQfirjvev&evrog vnö 'Iwävvov. — ¿ygatpr/ xo xarä Mäoxov evayyehov fitxa XQovovg i Rfjg XQIOTOV avalrjipea>q — To xarä Aovxäv evayyefaov ¿isdo&RJ fierä XQÖvovg le xfjg XQIOTOV ävakrjipemg, ¿¿jeöo&r] de Jtgog ßeötpiAov a.Q%iejiioxonov 'AvTio%eiag, itQog ov xal ai Tlod^sig. — eynärprj xo xara 'Icodvvrjv evayyehov 1

) Die ersten christlichen Glaubensbekenntnisse, 2. Aufl. 1949. ) ZNW 1959, 202. 3 ) S. 550.

2

366

Zweiter Teil : Die Synoptiker und Johannes

la XQOVOVQ T'FJS XQIOTOV ävalrjf eox; inl AopLEzidvov. Der Codex 1416 geht auf dieselbe Quelle zurück, hat aber die Zahl 32 bei Joh statt 11. Diese beiden Codices sind keineswegs die einzigen Zeugen, wie eine Durchsicht der Subskriptionen in der Ausgabe von Tischendorf zeigt. Setzt man den Tod Jesu in das J a h r 33 1 ), so ist nach diesen Subskriptionen erstens die „hebräisch geschriebene" Schrift des Matthaios, d. h. die Logia, im Jahre 41, dem Jahre des Apostelkonvents, unmittelbar vor dem Auszuge zu der 1. Missionsreise in Jerusalem von Johannes — natürlich Johannes Marcus, nicht dem Fischer-Apostel — übersetzt worden, zweitens das Mc-Ev — ich sage: der Ur-Mc — im Jahre 43 geschrieben worden, drittens das Joh-Ev — ich sage: die Urschrift Z — des Apostels Johannes im Jahre 44 geschrieben worden — ich behaupte: von Johannes Marcus. Eben diese Jahreszahlen habe ich aus rein kritischen und historischen Erwägungen gefolgert, lange bevor ich diese Subskriptionen gefunden hatte. Viertens das Lc-Ev ist nach ihrer Rechnung im Jahre 48 herausgegeben worden — natürlich der Ur-Lc^ Das wäre nach meiner Chronologie 2) das Jahr, in dem das bis dahin friedliche Zusammenwirken der führenden Männer in Antiochia infolge des Streites zwischen Paulus und Petrus auseinanderbrach und einerseits Paulus mit Silas, andererseits Barnabas mit Johannes Marcus auf Mission auszogen. Lukas der Kyrenäer 3 ) befand sich damals in Antiochia. Es ist leicht verständlich, daß damals Lukas die beiden wichtigsten Missionsschriften handlich vereinigt hat. I n der Subskription steht, daß Lukas das E v und die Apg dem „Erzbischof" Theophilos von Antiochia gewidmet habe. Woher weiß der Urheber der Subskriptionen das alles? Das kann er nur aus Papias haben, auf den eßgatdi biakbixw und ig/urjvevdevTog betr. Mt und eni Aofieriavov betr. Joh hinweisen. Aber dies letzte paßt nicht zu fierä ia%Qovovg = 44 n. Chr. und auch nicht zu fitxä Xß xQovovg = 65 n. Chr. Wir haben gefunden, daß im Jahre 44 die Urschrift Z des Apostels Johannes über „die Zeichen des Messias Jesus" verfaßt und unter Domitianus das heutige Joh-Ev, also HJoh, herausgegeben worden ist. Wie oben gesagt 4 ), paßt die Jahreszahl 65 zu der Nachricht des (Papias-) Eirenaios, daß Johannes Marcus nach dem Tode des Petrus sein Evangelium geschrieben habe. Die Verfasser der beiden Stämme der Subskriptionen werden die von Papias nach dem genauen Sachkenner Aristion gegebenen drei Daten der drei Etappen der Entstehung des Joh-Ev aus dem Gesichtswinkel der späteren Traditionen angesehen, darum nicht voll verstanden und nur zwei Daten, und zwar verschiedene verwendet haben, aber sie müssen alle drei bei Papias zu lesen gewesen sein; 44 ist die Urschrift Z entstanden, von 65 an

FIEZÄ

*) 2) Vgl. S. 158. ) Darüber ausführlicher S. 479. 4 ) S. 163. 3

V. Zusammenfassung der literarhistorischen Ergebnisse

367

(nach dem Tode des Petrus in der neronischen Verfolgung) das Ur-Joh-Ev des Johannes Marcus, „unter Domitian" 92 HJoh, d. h. das heutige Joh-Ev. Wenn Eusebios im Chronikon die Abfassung des Mt-Ev in das Jahr 41 setzt, so wird er eine richtige Angabe des Papias nur mißverstanden haben, der nach Obigem von der Übersetzung der Logia des Matthaios gesprochen haben wird. E. Schwartz 1 ) stellt als Philologe fest, daß Papias über erhebliche rhetorische Kunstmittel verfügte und keineswegs „bloße Einfalt" war, wie Eusebios behauptete. Ich kann nur staunen, wie weitgehend er seine im Proömium ausgesprochene Absicht, „das Wahre" zu erkunden und zu lehren, durchgeführt hat. Wir haben hier in der antiken Literaturgeschichte einen der wenigen „besonderen Fälle", wo „über literarische Produkte eine von den Selbstzeugnissen dieser Produkte unabhängige Überlieferung" 2 ) existiert, leider existiert hat. Was haben wir mit Papias verloren! Dem Urheber der Subskriptionen ist es zu danken, daß er, obwohl er die Errungenschaften des Eusebios für die Ausstattung seines Codex sich zunutze gemacht hat, doch dem pseudogelehrten Verdammungsurteil des Eusebios über Papias nicht gefolgt ist, sondern diesen gelesen und verwertet hat. So hat er Nachrichten gebracht, die aller damals geläufigen Meinung widersprachen, die aber richtig sind, wenn man die Deutung dieser Nachrichten, die der Subskriptor allerdings nach Eusebios gegeben hat, abzieht. Ich sehe in der Entwicklung der Evangelien drei Etappen und setze diese alle, wie erst im Zweiten Buche dieser Arbeit abschließend gezeigt werden kann, in das erste Jahrhundert: 1. Die Zeit von 41 bis 48, die Zeit der Trennung der hellenistischen Kirche von der Urgemeinde, die Zeit des Apostelkonvents, der 1. und 2. Reise des Paulus; 2. die Zeit des jüdischen Krieges 66—70 und bald danach; 3. die Zeit der domitianischen Verfolgung etwa 92—96. Zeiten des Druckes sind für die Christenheit immer die fruchtbarsten. Ein ebenso sachkundiger, wie interessierter Leser und gerechter Kritiker der vorliegenden Arbeit hat mir kürzlich einen Einwand erhoben, auf den ich an dieser Stelle eingehen möchte: „Wie seltsam ist z. B. die zweimal verhinderte Ausgabe des Joh-Ev oder die dreimalige Ausgabe des Lc-Ev durch Lukas selbst, unter schließlicher Entfernung früher aufgenommenen Materials!" Nach meiner Darstellung hat übrigens Lukas nur in geringem Umfange früher Angenommenes beseitigt 3 ). Für einen Philologen sind Zurückhaltung von Manuskripten und neue Ausgaben nichts Seltsames, *) Über den Tod der Söhne Zebedaei, Abh. d. Kgl. Gesell, d. Wiss. zu Göttingen, NF VII 5, 1904, 9 u. 13. 2 ) Ebenda S. 22. 3 ) S. 334.

368

Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes Das Stemma

der neutestamentlichen

Überlieferung

Beginn der Griechenmission 41 43

2 Ur-Mc des Apostels Petrus, geschr. von Johannes Marcus 3. Z (Die Zeichen d. Messias Jesus) des Apostels Johannes, geschr. v. Johannes Marcus 4. Ur-Lc! des Lukas (Einjahrtheorie)

43

II ca. 65—70 nach dem Tod des Petrus, z. Z. der Auflösung der Urgqmeinde während der Katastrophe Jerusalems

III ca. 92—96 in d. Verfolgung durch Domitianus

Jesus

1. Entstehung der aramäischen Logia (Q) des Apostels Matthaios Griech. Übersetzung der Logia durch Johannes Marcus

Zu Lebzeiten Jesu 3 0 - 3 3

44

über

Mündliche Tradition d. Johannes Mcu.d. Maria Magdalena in Ephesos

\

Schriftliche and mündliche Tradition d. Philippos in Hierapolis

Synopt. Apokalypse u. mündliche jerusalemische Tradition bes. über die letzten Tage Jesu

5. Ur-LCj des Lukas. 3,1 — 2 a nach Thallos

\

6/RMc Redaktor Philippiner, / vieil. Aristion / (Einjahrtheorie)^ 7. Ur-Joh = V des Johannes Mc (Pro teste Ur-Lc.

Sonder. Sondergut 8. Mt aus Antiochia (viele Auslassungen)



10. RLc-" des^Lukas Parteien:

Johanneer

Philip Kathopiner liken

Altpauliner

Petriner

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh

369

was E. Bickel 1 ) zeigt. Ich selbst kann es sehr gut nachfühlen, daß es verschiedene Gründe f ü r Zurückhaltung gibt, erschütternde Ereignisse, wirtschaftliche und politische Umstände, die Alleinherrschaft bestimmter Ansichten, auch Methoden, persönliche Scheu, wie sie Epiphanios haer. 51,12 2 ) gerade dem Johannes zuschreibt und doch nicht frei erfunden haben wird. Die antike Philologie hat dafür das Beispiel des Vergil und der Aeneis. Zweite Auflagen sind sicher nachgewiesen bei Lactantius, Ausonius, Yergils Georgica 4. Buch, bei der Chronik des Hieronymus, der Kirchengeschichte des Eusebios. „Textgeschichtliche Untersuchungen über den Kommentar des sogenannten Ambrosiaster zu den Paulusbriefen gipfeln in der Annahme dreier sämtlich vom Verfasser selbst verfaßten Ausgaben" 3 ). Vor allem bei den E v v rechnen doch die meisten mit sehr von einander abweichenden Redaktionen vorliegender äqyßla, d. h. Urschriften. I n einem Vortrag an der Berliner Akademie 1955 hat K u h n gezeigt, daß man bei der Sektenschrift und dem Henochbuche nicht von festen Büchern sprechen kann, sondern nur von Traditionsliteratur einer Gemeinschaft mit bestimmter, aber keineswegs feststehender Gedanken- und Ausdruckswelt; solche Schriften wachsen wie Bäume mit Jahresringen. c) Das Stemma, der neutestamentlichen Überlieferung über Jesus (siehe Schema S. 368) Am Ende der 1. Epoche sind drei Urschriften im Umlauf: Q (verfaßt von Matthaios, übersetzt von Johannes Marcus), Ur-Mc und Z (geschrieben von Johannes Marcus), ferner U r - L ^ ( = Ur-Mc plus Q). I n der 2. Epoche erscheinen RMc und Ur-Lcj in neuer Auflage und wird Z zum Ur-Joh erweitert, aber nicht ediert. In der 3. Epoche erscheinen die Petriner mit Mt, erscheint das Joh-Ev in der Bearbeitung des J u d a s Barsabbas und wird zuletzt der Ur-Lc 2 zum RLc redigiert und zusammen mit der Apg herausgegeben.

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh Wir können nun unsere Hauptfrage von S. 259 beantworten: K a n n derselbe Johannes Marcus, o fiaQTvgiov TIEQI TOVTCOV xal o ygdyjag xavra, der 1 ) Geschichte der römischen Literatur, Bibl. d. klass. Altertumswiss. 8, Heidelberg 1937, 35ff. 2 ) Vgl. S. 134. 3 ) C. Weyman, Bespr. v. A. Souter, The Earliest Latin Commentaries on the Epistles of St. Paul, Oxford 1924, Philolog. Wochenschrift 48, 1928, 526.

24

Hartke, Bd. I.

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh

369

was E. Bickel 1 ) zeigt. Ich selbst kann es sehr gut nachfühlen, daß es verschiedene Gründe f ü r Zurückhaltung gibt, erschütternde Ereignisse, wirtschaftliche und politische Umstände, die Alleinherrschaft bestimmter Ansichten, auch Methoden, persönliche Scheu, wie sie Epiphanios haer. 51,12 2 ) gerade dem Johannes zuschreibt und doch nicht frei erfunden haben wird. Die antike Philologie hat dafür das Beispiel des Vergil und der Aeneis. Zweite Auflagen sind sicher nachgewiesen bei Lactantius, Ausonius, Yergils Georgica 4. Buch, bei der Chronik des Hieronymus, der Kirchengeschichte des Eusebios. „Textgeschichtliche Untersuchungen über den Kommentar des sogenannten Ambrosiaster zu den Paulusbriefen gipfeln in der Annahme dreier sämtlich vom Verfasser selbst verfaßten Ausgaben" 3 ). Vor allem bei den E v v rechnen doch die meisten mit sehr von einander abweichenden Redaktionen vorliegender äqyßla, d. h. Urschriften. I n einem Vortrag an der Berliner Akademie 1955 hat K u h n gezeigt, daß man bei der Sektenschrift und dem Henochbuche nicht von festen Büchern sprechen kann, sondern nur von Traditionsliteratur einer Gemeinschaft mit bestimmter, aber keineswegs feststehender Gedanken- und Ausdruckswelt; solche Schriften wachsen wie Bäume mit Jahresringen. c) Das Stemma, der neutestamentlichen Überlieferung über Jesus (siehe Schema S. 368) Am Ende der 1. Epoche sind drei Urschriften im Umlauf: Q (verfaßt von Matthaios, übersetzt von Johannes Marcus), Ur-Mc und Z (geschrieben von Johannes Marcus), ferner U r - L ^ ( = Ur-Mc plus Q). I n der 2. Epoche erscheinen RMc und Ur-Lcj in neuer Auflage und wird Z zum Ur-Joh erweitert, aber nicht ediert. In der 3. Epoche erscheinen die Petriner mit Mt, erscheint das Joh-Ev in der Bearbeitung des J u d a s Barsabbas und wird zuletzt der Ur-Lc 2 zum RLc redigiert und zusammen mit der Apg herausgegeben.

VI. Johannes Marcus — Schreiber des Ur-Mc und Verfasser des Ur-Joh Wir können nun unsere Hauptfrage von S. 259 beantworten: K a n n derselbe Johannes Marcus, o fiaQTvgiov TIEQI TOVTCOV xal o ygdyjag xavra, der 1 ) Geschichte der römischen Literatur, Bibl. d. klass. Altertumswiss. 8, Heidelberg 1937, 35ff. 2 ) Vgl. S. 134. 3 ) C. Weyman, Bespr. v. A. Souter, The Earliest Latin Commentaries on the Epistles of St. Paul, Oxford 1924, Philolog. Wochenschrift 48, 1928, 526.

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Hartke, Bd. I.

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Zweiter Teil: Die Synoptiker und Johannes

Schreiber des Ur-Joh und des Ur-Mc gewesen sein? Johannes Marcus hat im Ur-Joh die Voraussage der Verleugnung des Petrus ausgelassen und wohl die Fußwaschung erwähnt, aber nicht noch einmal die Austeilung des Bechers berichtet; er hat das Ringen Jesu und das Schlafen der Jünger in Gethsemane nicht noch einmal erzählen wollen. Er hat das Zurückprallen und Übereinanderfallen der Häscher vor der Hoheit Jesu, er hat die Rolle des Hannas betont und seine eigene Zeugenschaft, deutlicher als im Ur-Mc. Er hat Verhör und Verhandlung von der formellen Gerichtssitzung klar geschieden und beides ausführlicher gestaltet, die Barabbas-Szene, die Mondfinsternis, das Beten des 22. Psalms und den Todesschrei, das Bekenntnis des Centurio und den Spott der Vorübergehenden jedoch nicht wiederholt. Er hat den Protest der Hochpriester gegen den Titulus und ferner die Tötung der Mitgekreuzigten, sowie den Lanzenstich in das Herz des toten Jesus, die Szene zwischen Jesus, dem geliebten Jünger und der Mutter Maria, endlich das Wort „Mich dürstet" dem auch im Ur-Mc berichteten Tränkungsvorgang zugefügt. Darüber, ob wirklich Ur-Mc von der Anwesenheit des Johannes Marcus unter dem Kreuze nichts weiß und daß die Maria unter dem Kreuze die Mutter des Marcus, Maria Magdalena ist, handle ich im Anhang I; oben wurde gezeigt 1 ), daß nach dem Ur-Mc die Magdalena noch allein zum Grabe gekommen ist. Ohne Zweifel liegt in der Darstellung des Erlebnisses der Maria Magdalena am offenen Grabe und in dem Bericht von der Erscheinung vor den Freunden in Jerusalem ein unüberwindlicher Widerspruch zwischen dem Ur-Joh und dem Ur-Mc vor, aber im Ur-Mc hat Johannes Marcus geschrieben, was Petrus „diktiert" hat. In seiner nach dem Tode des Petrus verfaßten selbständigen Darstellung hat Johannes Marcus seiner Mutter zurückgegeben, was man ihr hatte nehmen wollen, daß sie nämlich zuerst und damals allein den Gekreuzigten als lebendig wirkend erlebt hatte, und für seine in Jerusalem gebliebene Gruppe hat Johannes Marcus in Anspruch genommen, neben den nach Galilaea gewanderten Elf selbständig und mindestens gleichzeitig dasselbe Erlebnis gehabt zu haben. Gegenüber Lukas, der nicht Zeuge der Ereignisse gewesen war und „am Schreibtische", seine Ur-Mc-Quelle mißverstehend, die Einjahrtheorie eingeführt hatte, hat Johannes Marcus zu der andern, ihm vom Zebedaiden Johannes diktierten Schrift gegriffen, die klarer als der Ur-Mc Jesus nicht ein Jahr, sondern von 29—33 öffentlich wirken ließ. Die ganze Darstellung des Ur-Joh-Ev will also bewußt richtig stellen und ergänzen, was entstellt oder noch nicht berichtet worden war. ») S. 362.

VII. Q — ein zu Lebzeiten Jesu geführtes Tagebuch

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VII. Q — ein zu Lebzeiten Jesu geführtes Tagebuch Die Behandlung der in Einzelheiten vorliegenden Widersprüche zwischen Joh und den Synoptikern mußte uns zur Darstellung einer eigenen Lösung des synoptischen Problems führen. Die damit gewonnene Möglichkeit, die beiden synoptischen Grundschriften wiederherzustellen, erlaubt es nunmehr, auch die Frage zu behandeln, wie der Gesamtaufriß des öffentlichen Lebens Jesu bei Ur-Joh, der also nach unserer Auffassung die Missionsschrift des Apostels Johannes über die zwölf Zeichen des Messias Jesus mit Zusätzen des Johannes Marcus und deren Fortsetzung durch die Geschichte der letzten Tage bis zum Erleben des Auferstandenen in eigener Darstellung des Johannes Marcus enthält, sich verträgt mit dem Gesamtaufriß bei Ur-Mc und mit dem bei Q. Es wird sich empfehlen, mit dem zweiten zu beginnen. Wenn wir von der Tradition ausgehen, daß eine Sammlung von Logia von dem Apostel Matthaios stammt, und wenn dieser dem Zöllner Levi von Lc 5,27 Mc gleichzusetzen ist, dann ist erstens in Q mindestens zur Hauptsache eine Sammlung von Logia, d. h. Aussprüchen Jesu, zu erwarten. I n der Tat finden wir in dem nach unseren Grundsätzen auszumachenden Bestände von Q nur wenige Erzählungsstücke. „Die Bezeichnungen Redenquelle und Erzählungsquelle charakterisieren die beiden synoptischen Quellen richtig nach dem jeweils vorwiegenden Stoff" 1 ). Daß Worte und erst recht Reden, bei denen der genaue Wortlaut wichtig ist, schwerer zu behalten sind als Werke und der Gesamteindruck einer Persönlichkeit, sollte selbstverständlich sein; ebenso selbstverständlich, daß man das schwerer zu Behaltende zuerst aufgeschrieben hat. Genau dasselbe habe ich bei Freunden Chr. Blumhardts gefunden; andere und ich selbst, wir haben uns zuerst über Reden und Gespräche Blumhardts Stichworte oder kleinere Zusammenhänge niedergeschrieben und bei späteren Besuchen neue derartige Notizen den früheren zugefügt, wobei der inhaltlichen Unordnung doch eine latente chronologische Ordnung zugrunde lag und liegt, eben die zeitliche Ordnung im Nacheinander des Hörens und Niederschreibens. So bin ich aus eigener Lebenserfahrung gerade angesichts der inhaltlichen Unordnung der, wie von den meisten anerkannt wird, älteren Überlieferung der Logia bei Lc zu der Vermutung gekommen, daß die Logia zu Lebzeiten Jesu von einem, Hörer, von dem Jünger Matthaios, als Notizen in Stichworten und kleineren Zusammenhängen so nacheinander P. Feine, Einleitung in das NT, neubearb. v. J. Behm, 9. Aufl. Leipzig 1950, 38. 24*

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aufgeschrieben worden sind, wie er sie gekört hat. Diese Vermutung wird zur Gewißheit, wenn die damit vorausgesetzte latente chronologische Ordnung der Logia durch Vergleich mit einer offenen chronologischen Ordnung des öffentlichen Lebens Jesu, nämlich der johanneischen, aufgewiesen und als richtig erwiesen werden kann. Der Zöllner Matthaios hat sich sehr früh Jesu angeschlossen, und „Schreiben war sein Lebensberuf". Daraus ergäbe sich dann für die Logia das günstige Vorurteil, daß diese Niederschriften sehr zuverlässig sein müssen, sofern nicht die Eigenwilligkeit der späteren Verarbeiter dieser Quellenschrift — mehr stilistische des Lukas, mehr tendenziöse des Verfassers des Mt-Ev — sich an ihnen versündigt hat. Aus der Art der Niederschrift ergäbe sich dann aber auch die Mahnung, keine Zusammenhänge zu erpressen, wo sie sich nicht ungezwungen ergeben. Oft kann ein einzelnes Stichwort von Matthaios festgehalten und dieses um eine beliebige Zeit jünger als die vorhergehende, gleichfalls kurze oder auch längere Notiz und ebenso um eine behebige Zeit älter als die folgende Notiz sein. Alle Niederschriften aber hat Matthaios gemacht, weil sie ihm persönlich „um seiner Seelen Seligkeit willen" wichtig erschienen. Freilich hat ein Mensch, der von einer göttlichen Offenbarung getroffen wird, den Drang, sie an andere, dafür offene Menschen weiterzugeben, aber die Meinung, die Logia seien „für die Mission" niedergeschrieben worden, scheint mir von solchen ausgeklügelt zu sein, die selbst nie etwas Ähnliches wie Matthaios erlebt haben. Noch drei Vorbemerkungen: Aus der Erwähnung des Zacharias, Sohnes des Barachias, in Mt 23,35 kann kein Indiz gegen meine frühe Ansetzung der Logia entnommen werden; Lc 11,49—51 ist oben als christlicher Prophetenspruch aus derZeit von 68/70 erklärt worden1), den Ur-Lc2 aufgenommen und an Mt weitergegeben hat. Zweitens soll an einer wichtigen Stelle gezeigt werden, wie stilistische und tendenziöse Eigenwilligkeit der Späteren sich an der Niederschrift der Logia durch Matthaios versündigt haben: Beides verschlingt sich in der Überlieferung der schwierigen Verse Lc 16,16: Mt 11,12—13; Lc 16,17: Mt 5,18; Lc 16,18: Mt 5,32. Lc muß in v. 16 den Wortlaut von Q erhalten haben; dafür spricht insbesondere das passivische svayyeU^erai, das bei Lc nur 16,16 und 7,22, d. h. in Q vorkommt, während er selbst 23mal das Medium verwendet. Q sagt, daß Gesetz und Propheten „bis Johannes" einschließlich galten, seitdem aber das Reich Gottes da ist und verwirklicht wird; Mt rechnet hier wie öfter den Täufer mit in den Anfang des Reiches Gottes ein, versteht „bis Johannes" ausschließlich. Umgekehrt paßt zu Lc v. 16 der folgende Vers nur in der Fassung von Mt 5,18, wo richtig gesagt ist, daß die Verheißungen des Alten Bundes einschließlich des Täufers S. 327.

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nicht unerfüllt bleiben werden; eher könne Himmel und Erde vergehen. Also muß der alte Lukas, der vom Reiche Gottes weniger als von der Kirche wissen wollte, diesen Vers auf den ewigen Bestand des Gesetzes umgedeutet und auf die in v. 18 gegebene Bestimmung über Ehescheidung bezogen haben. Diese aber hat in Q mit dem Vorhergehenden keine innere Verbindung gehabt und ist die Antwort Jesu auf die Frage gewesen: Darf ein Mensch sich von seinem Weibe scheiden und wieder heiraten? Diese Antwort hatte Matthaios sich notiert. RLc hat da einen Zusammenhang erpressen wollen. Mt hat das Wort für sich belassen und hat es, stark erweitert, zu einem besonderen Punkte der nova lex seiner Bergpredigt gemacht. Der Sinn des echten, aber nur aus Lc und Mt zu kombinierenden Jesuswortes, das Lc v. 16—17 zugrunde liegt, ist: Die bisherige Offenbarung ist mit dem Täufer zu Ende; seitdem wird die Königsbotschaft, daß Gott die Herrschaft angetreten hat, verkündigt, und jeder (der sich von dieser Botschaft anrufen läßt) drängt sich dazu. Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte (meine Verheißung, daß das Reich Gottes kommt) werden nicht vergehen, nicht ein J o t a noch ein Strichelchen, bis alles geschehen ist. Bei Mt merken wir am Fehlen der Q-Parallele, daß Mt Jesus zum Nomisten gemacht hat; bei Lc 16,17 merken wir am anderen Wortlaut der Mt-Parallele, daß RLc dasselbe getan hat; den ursprünglichen eschatologischen Sinn und Wortlaut (oi de Xoyoi fiov) zeigt seine früheste Zitierung in der syn. Apokalypse Lc 21,33 aus Q. Drittens zeigt Lc 11,14—28, wie Bruchstücke eines Gespräches mit Ausfall von Zwischengedanken zwischen v. 23 und 24 und einer zusammenhanglosen Interjektion 27 f. aussehen und daß man bei einem Tagebuche wie Q aus Brüchen im Zusammenhang nicht auf verschiedene Vorlagen schließen darf. Nunmehr wenden wir uns zu der uns obliegenden Aufgabe zu beweisen, daß die Logia eine latente Chronologie haben, und zwar mittels des Vergleiches mit der offenen Chronologie des Johannes. Zunächst müssen Anfang und Ende der Aufzeichnung der Logia zeitlich festgelegt werden. Daß Lc 22,28—30, das Vermächtnis (dia§rjxrj) des Reiches an die Jünger, das passendste Schlußwort darstellt, ist schon gesagt 1 ). Wenn man Mc 2,14 „und Jesus sagt zu Levi: Folge mir! und er stand auf und folgte ihm" scharf faßt, würde dies den Zeitpunkt für den Anfang der Niederschrift des Matthaios laut Ur-Mc bedeuten. Da aber die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum (Lc 7,2—10) vonQ, d. h. von Levi-Matthaios, berichtet ist und diese Geschichte dem zweiten Zeichen in Kana Joh 4,46ff. entspricht, müßte der Beginn der Verbindung Jesu mit Levi zeitlich vor dieser an-

!) S. 279.

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gesetzt werden. Wenn wir in der Bemerkung zu Joh21 1 ) den Nathanael richtig mit Matthaios identifiziert haben, dann stammte dieser aus Kana, dann wäre er aber schon zu der Zeit mit Jesus in die erste und entscheidende Berührung gekommen, als Jesus noch dem Kreise des Täufers nahestand, und dann wäre Mc 2,14 nur der Beginn der dauernden Gefolgschaft gemeint, die sich doch kaum mit der Fortführung seines Zöllnerberufes vertragen haben kann. Dann würde sich auch aufs beste erklären, daß LeviMatthaios-Nathanael seiner Sammlung von Worten Jesu eine Einleitung vorausgeschickt hat, in der er einige charakteristische Worte des Täufers dem Gedächtnis erhalten hat, eben jene von L c und Mt (nach Ur-Mc) gemeinsam überlieferten L c 3,7—9.16b—17; als Eingangswort haben wir L c 3,2b (¿yevero gfjfia &eov) — 3 erkannt. Dann würde derselbe Vertraute die Darstellung der Abkehr von Zauberei und jüdischer Messias-Idee von Jesus selbst erfahren haben, die als Bericht von den „Versuchungen Jesu" bei Lc 4,1—13 und Mt 4,1—11 vorliegt. Einen viel kürzeren, aber selbständigen Bericht bietet Ur-Mc 1,12—13. Mt hat aus RMc den v. 11 übernommen und mit dem irgendwie in seiner andern Quelle, dem Ur-Lc 2 , vorliegenden Q-Bericht verbunden. I n L c v . 1 (nAr/Qr/q nvtvjxmoc,

äyiov,

und v. 13 (ovvxeMoag, &XQi xaigov) macht sich die Hand des alten Lukas des R L c und der Apg bemerkbar. Lc hat die Versuchung zur Weltherrschaft an zweiter Stelle, Mt an letzter. Ist nun die Mt-Folge Ur-Lc 2 und die jetzige Lc-Folge R L c , oder ist Lc v. 1 b—12 Ur-Lc und hat Mt verändert? Mir geben folgende Erwägungen den Ausschlag: Wenn Mt die jetzige Lc-Folge, wo in der letzten Versuchung der Satan auf die dienenden Engel hinweist, im Ur-Lc 2 vor sich gehabt hätte, und wenn Mt aus RMc die Erwähnung eben der dienenden Engel aufnehmen wollte, hätte er dann die Reihenfolge verändert? Diese ist bei Mt sehr geistvoll: Sie führt von der zweimaligen (v. 3 und v. 6) Versuchung, die Gottessohnschaft zu Zauberei zu mißbrauchen, zur schwersten Versuchung, nämlich zu der, die Gottessohnschaft aufzugeben und dem Teufel als Gewaltherrscher der Welt zu dienen. Dem alten Lukas traue ich schon zu, daß er die noch im Ur-Lc 2 vorliegende, im Mt erhaltene Reihe umgestellt hat, weil er in dem nun bei ihm letzten Worte Jesu: „Du sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen" unter dem „Herrn deinen G o t t " Jesus verstanden und in dem ganzen Worte das Verbot des Herrn an den Teufel gesehen hat, die Versuchungen fortzusetzen. Daß R l i c den v. 12 so verstanden hat, beweist er eben durch den oben behandelten Zusatz v. 13. Also Mt hat wieder einmal Q treuer bewahrt und nur aus seiner zweiten Quelle einen Zusatz gemacht. vnearQEipev)

Aber es bliebe dabei: Die Mehrzahl der Logia stammt aus der Zeit nach der Berufung des Matthaios zu dauernder Gefolgschaft als Schüler. Das erste, !) S. 150.

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was dieser sich seitdem aufgeschrieben hat, ist dann der Konspekt der Jüngerlehre (Bergpredigt) 1 ), und das allererste Wort ist: „Selig seid ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes!" Der Täufer lebt noch laut Lc 7,18 = Q, wie auch Ur-Joh und Ur-Mc bezeugen. Wie gesagt, entspricht der Angriff auf die Mammonisten im Tempel mit den folgenden Debatten dem Bericht von J o h 2,13ff. über den ersten Aufenthalt Jesu in Jerusalem. J o h 5,1 erzählt dann den zweiten Aufenthalt Jesu in Jerusalem an „dem Feste der Juden", wahrscheinlich Purim. J o h hat 7 , 1 0 die dritte Reise zum Laubhüttenfest nach Jerusalem, 11,7 die vierte 1

) Die, Jüngerlehre aus Q zeigt bei Lc ihre ursprüngliche rhythmische Ordnung: A. Vier Seligpreisungen 6,20—23a mit Abschluß 23b und Vier Wehe 24—26a mit Abschluß 26 b. B. Das Gebot der Liebe 27—35 in zweifacher Darstellung, jede in vier Punkten geordnet: 27—31 und 32—35. (Statt Lc 27f. liegt der ursprüngliche Wortlaut in Mt 5,44, statt L c 2 9 b in Mt 5,40f., statt Lc 30 in Mt 5,42, statt Lc 3 5 b - 3 6 in Mt 5,45 u. 48 vor; öe£iäv vor aiayöva hat RLc gestrichen. I. Liebet eure Feinde! Mt 44 (Lc 27a—28b) I. Wenn ihr liebt, die euch lieben, a) in der persönlichen Gesinnung; was ist das bei euch Erweis von b) im Gebete für sie. Güte! Lc 32 II. Handelt gütig! Lc 29a Mt 40—41 II. Wenn ihr gütig handelt gegen die, die euch gütig behandeln, a) durch Geduld gegen den, der euch persönlich Gewalt antut; was ist das bei euch Erweis von b) durch Schenken gegen den, der euch Güte! Lc 33 eures Besitzes berauben will. III. Helfet! Mt 42 III. Wenn ihr leiht, von denen ihr a) Gib dem, der dich bittet! wiederzubekommen hofft, was ist b) Leihe dem, der leihen will! das bei euch Erweis von Güte! Lc 34 IV. Die positive goldene Regel Lc 31 IV. Positive Wiederholung und Verheißung Lc 35 a Mt 45.48. C. Das Gebot der Barmherzigkeit, verbunden mit dem Verbot des Richtens Ursprünglicher Wortlaut liegt bei Mt7,l—2 vor. RLc hat 37b unlogisch erweitert und 38 zugefügt, weil er das Wort vom Maß auf das Geben bezogen hat. Zwischen 38 und 39 und zwischen 39 und 40 sind überleitende Gedanken leicht zu ergänzen, an erster Stelle etwa der: Richten darf nur ein Ausrichten und Hinführen des Nächsten auf das Gute sein; aber dazu muß man selbst sehend sein; ein Blinder kann einen Blinden nicht auf das Gute richten. I n 40 stellt Jesus sich selbst hin als den, der „richten" könnte, es aber nicht t u t ; die Jünger müßten erst selbst ganz vollendet sein — und würden dann auch nicht mehr verurteilend richten. D. Das Gleichnis vom Baum und seinen Früchten (Lc 43—45 Schluß). Es kommt auf das Tun an! Lc 46—49, wieder bei Mt in ursprünglicher Fassung. Dieser Konspekt stellt die Entfaltung der einzigen ivxoXr) dar, die Jesus gegeben hat: Liebet einander! So sah der Katechismus Jesu aus; ich gestehe, er ist mir lieber als alle späteren.

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Reise nach Judaea, den kurzen Abstecher nach Bethanien (nicht Jerusalem), •und 12,1 die fünfte und letzte Reise zum Todespassah. Lassen sich die vier Reisen von der zweiten bis zur fünften auch in Q aufzeigen? a) L c 9 , 5 1 befindet sich Jesus auf dem Wege nach Jerusalem durch Samaria. Indessen scheint er diesen Vorstoß nach und durch Samaria damals aufgegeben zu haben, denn die Aussendung der Jünger Lc 10,1—24 haben "wir wegen der Weherufe über Chorazin, Bethsaida und Kapernaum v. 13—15 in Galilaea anzusetzen. Aber Lc 10,38—42 befindet sich Jesus allein in dem Dorfe der Maria und Martha, d . h . in Bethanien bei Jerusalem 1 ). Durch Vergleich der Berichte von Q, Ur-Joh und Ur-Mc können wir nun auch den Grund erkennen, warum Jesus die Zwölf bevollmächtigt u n d ausgesandt h a t : Sie sollten die Arbeit in Galilaea fortsetzen, während Jesus allein sich zu den Freunden nach Bethanien begab und am Purimfeste kurz nach Jerusalem ging. Man wolle immer schon die Synopse S. 390 ff. vergleichen. b) Die Zeichenforderung der Menge Lc l l , 2 9 f f . ist mit der von J o h 6,30 und RMc 8,11 ff. erzählten gleichzusetzen; sie hat am galiläischen See nach dem gemeinsamen Mahle der Menge stattgefunden. Lc 11,47 werden die Gräber der Propheten erwähnt. 11,51 „zwischen Altar und Tempelhaus" ist ein Zusatz des Ur-Lc 2 2 ); 13,1—5 ist RLc; beides ist daher nicht zu verwerten, aber 13,10 lehrt Jesus „in einer der Synagogen", also in einer großen Stadt. c) Lc 13,22 ist wieder von einer Reise nach Jerusalem die Rede, aber der Name lautet hier 'IegoaöXvfia, während Q immer 'Isgovcrak^/u. sagt (9,51.53; 13,33.34; 17,11; 19,11). Die Verse 1 3 , 2 2 - 2 3 gehören wegen öianogevea&ai (4mal Lc, davon einmal Apg, immer RLc; und einmal Pls) und wegen ol aoj^ö/ievot (je einmal Lc-Ev u. Apg; zweimal Pls) zum RLc. 13,31 ff. befindet sich Jesus im Machtbereich des Antipas; 33 ist nur von der Notwendigkeit, abzureisen, die Rede, aber 'IegovaaXtjfi wird erwähnt, und 34 wird 'IegovcraArj/i eindringlich angeredet. Ich lese übrigens die Verse 13,32f. nach Ausscheidung des für R L c sprechenden reksiovfiai (nur dreimal RLc, sonst nicht bei d. Synopt.) folgendermaßen: idov ¿xßdkhw dai/iovia xal läaeiQ anoxeXü) ar/juegov xal avgiov xal r f j rgirtj r/fiega öet /ue nogevea&ai, STI OVX ¿vde%£Tai noocp^TRJV änoXiadai E£co 'Iegoveahjfi. Dieser Q-Text hat wieder einen vernünftigen Sinn. d) Nach langer Pause heißt es Lc 17,11 wieder klar: „Und es geschah, als er nach Jerusalem reiste, zog er zwischen Samaria und Galilaea durch." Es ist die letzte Reise. 18,10ff. spielt im Tempel; 19,1 befindet Jesus sich in Jericho; 19,11 steht die uralte, f ü r einen späteren Redaktor unmögliche 1 a

) Über die spätere Einführung der Siebzig vgl. S. 330. ) Vgl. dazu S. 265.

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Notiz: dia rö eyyvg elvai 'IegovaaXrjfi avrov xal öoxelv avrovg, ort nagaxQfj/xa [leXXei rj ßaoiXda rov &eov ävacpaivea&ai. Man kann getrost behaupten, daß die Zahl der Reisen, die Matthaios berichtet hat, in den Logia, zu den von der Quellenschrift Z des Ur-Joh erwähnten stimmt. Nun macht aber schon Lc 9,51 den Eindruck, als ob die letzte Reise gemeint sei, und eben dieser Umstand h a t offenbar bisher den Fortschritt der Erkenntnis verbaut. Jener Eindruck wird jedoch nur durch die Eingangsworte erweckt: eyevexo de EV T