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German Pages XVII, 238 [246] Year 2020
Jean L. Saliba
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr Bewerten, gestalten, verhandeln: Leitfaden für den sicheren Umgang mit Verträgen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Jean L. Saliba
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr Bewerten, gestalten, verhandeln: Leitfaden für den sicheren Umgang mit Verträgen
Jean L. Saliba Köln, Deutschland
ISBN 978-3-658-31030-1 ISBN 978-3-658-31031-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Vivien Bender Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort
Der Begriff des „Vertrages“ ist auf Nachfrage jedermann etwas Selbstverständliches – Verträge sind in Entstehung, Fortentwicklung und Überwachung vermeintlich begriffen und begegnen grundsätzlich keinen Bedenken. Bei näherem Hinsehen ist dies leider oft nicht der Fall. Verträge werden mangels ausreichenden Wissens, aus irrigen Selbstverständnissen heraus und letztlich (besonders in Unternehmen) mangels ausreichender Bearbeitungszeit oft sehr nachlässig behandelt. Die vorliegende Darstellung soll insgesamt drei Zwecken dienen. Sie juristisch nicht ausgebildeten Mitarbeitern in Unternehmen als Leitfaden dienen. Das Buch soll sie für die Phasen „im Leben“ eines Vertrages sensibilisieren, in denen sich Konfliktmomente und Potenziale ergeben können. Das kann bereits vor dem originären Vertragsschluss, während dessen und aber auch noch danach der Fall sein. Daher wird in dieser Darstellung auf das Verhalten vor, bei und nach Vertragsschluss eingegangen. Es soll ein Grundverständnis für gewisse Wertungen im Vertragsrecht vermittelt werden, die eine Strahlkraft auf das gesamte beabsichtigte Vertragswerk haben können. Unerlässlich ist es dabei die Funktion des Vertragsschlusses zu veranschaulichen. Gerade für juristisch nicht ausgebildete Mitarbeiter in Unternehmen ist es wichtig, ein Grundverständnis für das Zustandekommen von Verträgen zu entwickeln. Eine zentrale Rolle „im Leben“ von Verträgen spielt das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses regelmäßig anzuwendende Recht kann die Vertragsschließenden darin beschränken Verträge so zu gestalten wie es ihnen beliebt. Während das geplante Hauptgeschäft und entsprechend der „eigentliche Vertrag“ sehr genau im Fokus der Mitarbeiter stehen, ist erfahrungsgemäß unklar, welche zusätzlichen Verträge möglich und teilweise auch auf dem Weg zum Hauptvertrag erforderlich sind. In diesem Bereich bestehen oftmals noch größere Unsicherheiten und Unkenntnis als dies ohnehin schon im Vertragsrecht der Fall ist. Dies führt regelmäßig zum „Liegenlassen“ von Chancen, die einem das optimale Gestalten von Verträgen durchaus bieten kann. Außerdem wird dem Leser aufgezeigt, welche grundsätzlichen Vertragstypen das deutsche Recht vorhält und wo die Unterschiede dieser Vertragstypen bestehen. Die zwischen den einzelnen Vertragstypen bestehenden Divergenzen gilt es dann in
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Vorwort
Kombination mit dem Allgemeinen Vertragsrecht bei (Haupt-)Vertragsschluss zu berücksichtigen. Mit diesem Werk sollen aber auch juristisch ausgebildete Mitarbeiter erreicht werden. Ihren Werdegängen ist nahezu unabhängig von der Organisation, für die sie tätig sind, inhärent, dass sie sich im Laufe ihres Berufslebens zu Experten entwickeln. Je weiter man sich von der Universität entfernt, desto herausfordernder ist es das für das Vertragsrecht so wichtige Grundlagenwissen zu konservieren. Dieses Buch kann dabei helfen das im unternehmerischen Rechtsverkehr Wesentliche auf wenigen Seiten zu repetieren. Außerdem soll dem Unternehmensjuristen der Blick für das erleichtert werden, was den Nichtjuristen im Zusammenhang mit Verträgen beschäftigt. Als Fachmann oder Fachfrau obliegt einem die Bürde, über den Schatten der eigenen Fähigkeiten zu springen und sich der Bedürfnisse Fachfremder anzunehmen. Nur so kann Sicherheit im Umgang mit Verträgen vermittelt werden. Dabei sehen sich Juristen unabhängig vom zu fachlichen Blick der Schwierigkeit ausgesetzt, die Mitarbeiter kommunikativ entsprechend zu erreichen. Lediglich mit einer aus dem Gesetz kopierten Bleiwüste funktioniert das erfahrungsgemäß schlecht. Mitarbeiter goutieren es hingegen, wenn man sich aus diesem optisch anspruchslosen Trott löst und stattdessen Inhalte grafisch anspruchsvoll vermittelt. Hierbei soll das im letzten Teil des Werkes abgebildete Slide-Deck behilflich sein, indem es als Anreiz und Vorschlag dafür dient, wie man eine Schulung im Vertragsrecht in Powerpoint umsetzen kann. Die Präsentation beinhaltet für den Leser darüber hinaus Fälle, wie sie einem im unternehmerischen Geschäftsverkehr begegnen können. Rechtskenntnisse allein begründen noch nicht das am Ende gewünschte vertragliche Ergebnis. Dies gilt im besonderen Maße für Verträge, die verhandelt werden müssen. Verhandlungen können Mitarbeitern in Unternehmen, auf verschiedenste Weise begegnen. Grundkenntnisse auch in diesem Bereich sollten dem mit Verträgen befassten Mitarbeiter in einem Unternehmen deshalb geläufig sein. Da die Kunst des Verhandelns auch in der juristischen Ausbildung kaum eine Rolle spielt, ist der Teil des Buches, welcher sich mit Vertragsverhandlungen befasst, für beide Lesergruppen, Juristen wie Nichtjuristen von hoher Relevanz. Wenn dieses Buch es schafft sich gedanklich bei mit Verträgen befassten Mitarbeitern als Hinweisgeber und Leitfaden im Umgang mit Verträgen zu verankern, dann hätte es sein Ziel erreicht. Köln März 2020
Jean L. Saliba
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Zur grundsätzlichen Bedeutung von Verträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Umgang mit Verträgen in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Vertragsrecht im unternehmerischen Alltag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.4 Der richtige Fokus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2
Zum Umgang mit diesem Buch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Teil I Vertragsrecht 3
Einführung in das Vertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.1 Recht der Schuldverhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.2 Vertragliche Schuldverhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.3 Begriff des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3.4 Grundprinzipien des (Privat-)Vertragsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.4.1 Grundsatz der Privatautonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.4.1.1 Ausprägungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.4.1.2 Vertragsfreiheit im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.4.1.2.1 Abschlussfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.4.1.2.2 Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.4.1.2.3 Einschränkungen der Vertragsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.4.2 Prinzip der Vertragsbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.4.3 Treu und Glauben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
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Inhaltsverzeichnis
Allgemeines Vertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.1 Der Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.1.1 Die Willenserklärungen im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.1.1.1 Äußerer Tatbestand einer Willenserklärung . . . . . . . 27 4.1.1.2 Innerer Tatbestand einer Willenserklärung. . . . . . . . 27 4.1.2 Auslegung einer Willenserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.1.2.1 Natürliche Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1.2.2 Normative Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.1.3 Abgabe einer Willenserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.1.4 Zugang einer Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1.5 Schweigen, Kaufmännisches Bestätigungsschreiben . . . . . . . . 33 4.1.6 Die Auftragsbestätigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.1.7 Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.1.7.1 Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht: Sogenannte Vollmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.1.7.2 Gesetzliche Vertretungsmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.1.7.3 Vertretungsmacht kraft Rechtsschein. . . . . . . . . . . . 36 4.1.7.3.1 Duldungsvollmacht. . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.1.7.3.2 Anscheinsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.2.1 Zum Begriff Allgemeiner Geschäftsbedingungen. . . . . . . . . . . 38 4.2.1.1 Abgrenzung zur Individualabrede und Vorrang . . . . 40 4.2.1.2 Im unternehmerischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . 41 4.2.1.3 Einbeziehung auf anderen Wegen. . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.1.4 Keine Einbeziehung bei überraschenden Klauseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.2 Klauselverbote nach dem Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.2.1 Inhaltskontrolle nach § 309 BGB. . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.2.2 Inhaltskontrolle nach § 308 BGB. . . . . . . . . . . . . . . 45 4.2.2.3 Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2.3 Konfliktmoment kollidierender Geschäftsbedingungen. . . . . . . 47 4.2.3.1 Verwendung einer Abwehrklausel. . . . . . . . . . . . . . . 48 4.2.3.2 Verwendung einer Ausschließlichkeitsklausel . . . . . 48 4.2.3.3 Zum Prinzip der Kongruenzgeltung. . . . . . . . . . . . . 48 4.2.4 Sonderfall: Eigentumsvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.2.4.1 Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.2.4.2 Differenzierung nach Art des Eigentumsvorbehalts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.2.4.2.1 Der einfache Eigentumsvorbehalt. . . . . 49 4.2.4.2.2 Der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . 50
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4.2.4.2.3
Schuldrechtliche und dingliche Verpflichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2.4.2.4 Konsequenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2.5 Rechtsfolgen unwirksamer Geschäftsbedingungen. . . . . . . . . . 51 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5
Spezifisches Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.1 Optionen u. Konfliktmomente vor (Haupt-) Vertragsschluss. . . . . . . . . . 53 5.1.1 Vorvertragliche Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.1.1.1 Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.1.1.2 Aufklärungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5.1.2 Gestaltungsoptionen vor Hauptvertragsschluss. . . . . . . . . . . . . 56 5.1.2.1 Absichtserklärung (LoI/Letter of Intent). . . . . . . . . . 56 5.1.2.1.1 Erscheinungsformen. . . . . . . . . . . . . . . 57 5.1.2.1.2 Abgrenzungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . 57 5.1.2.1.3 Wesentliche Absichten . . . . . . . . . . . . . 58 5.1.2.1.4 Weitere Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . 58 5.1.2.1.5 Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.1.2.1.6 Abwerben von Mitarbeitern . . . . . . . . . 59 5.1.2.1.7 Zeitliche Geltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.1.2.1.8 Anwendbares Recht u. Gerichtsstandklausel. . . . . . . . . . . . . . . 59 5.1.2.1.9 Haftungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.1.2.2 Punktation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.1.2.3 (originärer) Vorvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.1.2.3.1 Abgrenzungsfragen und Wesen. . . . . . . 61 5.1.2.3.2 Mögliche Anwendungsbereiche für einen Vorvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . 62 5.1.2.4 Geheimhaltungsvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5.1.2.4.1 Erscheinungsformen. . . . . . . . . . . . . . . 63 5.1.2.4.2 Abgrenzungsfragen und gesetzliche Regelungen. . . . . . . . . . . . . 64 5.1.2.4.3 Vertrauliche Informationen. . . . . . . . . . 64 5.1.2.4.4 Ausnahmetatbestände. . . . . . . . . . . . . . 65 5.1.2.4.5 Weitergabe von Informationen. . . . . . . 65 5.1.2.4.6 Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.1.2.4.7 Schadenersatzpauschale . . . . . . . . . . . . 66 5.1.2.4.8 Dauer der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . 66 5.1.2.4.9 Wesentliche Änderungen durch das Geschäftsgeheimnisgesetz . . . . . . . 67
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5.2
Der Hauptvertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.2.1 Der Hauptvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.2.1.1 Vertragsarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5.2.1.2 Abgrenzungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.2.1.3 Mögliche Elemente eines Hauptvertrags . . . . . . . . . 73 5.2.1.3.1 Hauptleistungspflichten. . . . . . . . . . . . . 73 5.2.1.3.2 Sonstige Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5.2.1.3.3 Sonderfall: Abnahme. . . . . . . . . . . . . . . 76 5.2.1.3.4 Vertragslaufzeit & Kündigung . . . . . . . 76 5.2.1.3.5 Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 5.2.1.3.6 Anwendbares Recht, Gerichtsstand . . . 78 5.2.1.4 Gewährleistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.1.4.1 Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.1.4.2 Sach- und Rechtsmängel. . . . . . . . . . . . 80 5.2.1.4.3 Erhebliche, nicht erhebliche Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.1.4.4 Weitere Abgrenzungen von Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.1.4.5 Rechtsbehelfe im Rahmen der Gewährleistung. . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.1.4.6 Geltendmachung der Gewährleistung/Verjährung. . . . . . . . . . 82 5.2.1.4.7 Ausschluss der Gewährleistung . . . . . . 83 5.3 Incoterms® 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.3.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.3.2 Regelungsbereiche von Incoterms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.3.3 Incoterms® im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.4 Nach Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Teil II Exkurs: Vertragsmanagement 6
Gesteuerter Umgang mit Verträgen in Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6.1 Grundsätzliches zum Vertragsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6.2 Der Mehrwert für ein Unternehmen: Pflichten, Chancen und Nutzen beim gesteuerten Umgang mit Verträgen. . . . . . . . . . . . . . . 98 6.2.1 Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.2.2 Unmittelbarer Nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 6.2.3 Chancen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
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XI
Systematisierung des Vertragswesens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.1 Bestandteile eines Vertragsmanagement-Systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.1.1 Standardvertragsvorlagenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.1.2 Life-Cycle-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.1.3 Auffangplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 7.1.4 Organisationsbereiche im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 7.2 Vertragsverhandlungen als Teil des Life-Cycle-Managements. . . . . . . . 108 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Teil III Die Vertragsverhandlung 8
Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.1 Mündliche vs. schriftliche Vertragsverhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.1.1 Bedeutungsschwere mündlicher Verhandlungen. . . . . . . . . . . . 114 8.1.2 Mündliche Verhandlungen als Schlusspunkt. . . . . . . . . . . . . . . 114 8.1.3 Zeit als pressierender Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.2 Gang der nachfolgenden Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.3 Begrifflichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
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Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.1 Informationsgewinnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.2 Verhandlungspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 9.2.1 Anzahl der Teilnehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 9.2.2 Auswahl der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 9.2.3 Kulturelle Besonderheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 9.3 Strategien, Taktiken, Techniken und Stilelemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.4 Rechtliche Maßgaben für Vertragsverhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 9.4.1 Vorstufe: lockere geschäftliche Kontakte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 9.4.2 Abbruch von Vertragsverhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 9.4.3 Verzögerung von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
10 Schriftliche Vertragsverhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10.1 Mythen um schriftliche Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10.1.1 „tut mir leid, aber das ist nicht verhandelbar“. . . . . . . . . . . . . . 132 10.1.2 „das lohnt sich nicht“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 10.1.3 „schriftlich ist was ganz Anderes als mündlich“. . . . . . . . . . . . 133
XII
Inhaltsverzeichnis
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 10.2.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 10.2.2 Phasen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 10.2.2.1 Vorbereitende Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 10.2.2.2 Vertragsentwurf und interne Abstimmung . . . . . . . . 136 10.2.2.3 Hypothetische Akzeptanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 10.2.2.4 Versand an die Gegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 10.2.2.5 Gegenentwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 10.2.2.6 Erneute Übersendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.2.2.7 Vorbereitung mündlicher Verhandlungen. . . . . . . . . 139 10.2.2.8 Unterzeichnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.3 Besonderheiten im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen. . . . . . 140 10.3.1 Kommentierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.3.1.1 Autor und Adressat eines Kommentars. . . . . . . . . . . 141 10.3.1.2 Interne/Externe Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 10.3.2 Änderungs- oder Change-Track-Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 10.3.2.1 Generelle Kenntlichmachung von Änderungen . . . . 143 10.3.2.2 Begründung von Änderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 11 Mündliche Vertragsverhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 11.1 Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 11.1.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 11.1.2 Phasen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 11.1.2.1 Schriftliche Vorphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11.1.2.2 Vorbereitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11.1.2.2.1 Organisatorisches . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11.1.2.2.2 Inhaltliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 11.1.2.3 Begrüßung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 11.1.2.4 Einstieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 11.1.2.5 Hauptphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 11.1.2.6 Verständigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11.1.2.7 Ausstieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.1.2.8 Verabschiedung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.1.2.9 Nachverhandlung als so genannte „unechte Phase“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.2 Verhandeln nach dem Harvard-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.2.1 Prinzip 1: Trennung von persönlichen Beziehungen und Sachfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.2.1.1 Vorstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.2.1.2 Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 11.2.1.3 Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Inhaltsverzeichnis
XIII
11.2.2 Prinzip 2: Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.2.2.1 Konzentration auf Interessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.2.2.2 Erforschung und Austausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.2.3 Prinzip 3: Entwicklung von Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11.2.3.1 Herangehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11.2.3.2 Mehrung von vorteilhaften Wahlmöglichkeiten für beide Seiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11.2.4 Prinzip 4: Bestehen auf neutrale Beurteilungskriterien. . . . . . . 159 11.2.4.1 Das Argument für die Anwendung objektiver Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 11.2.4.2 Objektive Kriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 11.2.4.3 Verhandeln mithilfe objektiver Kriterien . . . . . . . . . 160 11.2.5 Beste Alternative zur Verhandlungsübereinkunft. . . . . . . . . . . . 160 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Teil IV Umgang mit Verträgen trainieren 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 12.1 Erläuternde Hinweise zum Umgang mit dem Schulungsmaterial. . . . . . 165 12.2 Das Schulungs-Slide-Deck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 12.2.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 12.2.1.1 Schuldverhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 12.2.1.2 Begriff des Vertragsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 12.2.1.3 Grundwertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 12.2.2 Allgemeines Vertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 12.2.2.1 Der Vertragsabschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 12.2.2.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . 201 12.2.3 Spezifisches Vertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 12.2.3.1 Optionen und Konflikte vor Vertragsschluss. . . . . . . 213 12.2.3.2 Der Hauptvertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 12.2.3.3 Nach Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 12.2.3.4 Exkurs: Vertragsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz ADV Auftragsdatenverarbeitungsvertrag AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AMWHV Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung Art. Artikel B2B Business to Business B2C Business to Consumer BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BtMG Betäubungsmittelgesetz BVerfGE Bundesverfassungsgerichtsentscheidung CA Confidentiality Agreement CDA Confidentiality Disclosure Agreement DHG Dienstherrengenehmigung EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EnWG Energiewirtschaftsgesetz etc. et cetera f. folgende ff. Fortfolgende GeschGehG Geschäftsgeheimnisgesetz GG Grundgesetz GHV Geheimhaltungsvertrag GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung HGB Handelsgesetzbuch HoA Heads of Agreement i. V. m. In Verbindung mit IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht KG Kommanditgesellschaft XV
XVI
LG Landgericht LOI Letter of Intent NDA Non-Disclosure Agreement o. ä. oder ähnlich OGH Oberster Gerichtshof OLG Oberlandesgericht PBefG Personenbeförderungsgesetz PflVG Pflichtversicherungsgesetz RG Reichsgericht RGZ Reichsgerichtszeitung Rn. Randnummer S. Seite SDEA Safety Data Exchange Agreement SOP Standard Operating Procedure StGB Strafgesetzbuch TS Term Sheet u. a. unter anderem Urt. Urteil UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VAV Verantwortungsabgrenzungsvertrag vgl. Vergleiche vs. versus ZPO Zivilprozessordnung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. 5.11 Abb. 5.12 Abb. 5.13 Abb. 5.14 Abb. 5.15 Abb. 5.16 Abb. 5.17 Abb. 5.18 Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 10.1 Abb. 10.2
Vertragsrecht im Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Grundwertungen des Vertragsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Verhältnis Grundwertungen zu übrigen Größen des Vertragsrechts. . . . 20 Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . 25 Kollidierende Geschäftsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Vor Hauptvertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Zusammenfassung zur Absichtserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Zusammenfassung zum Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Zusammenfassung zum Geheimhaltungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Bei Hauptvertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Incoterms®2020 – Ab Werk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Incoterms®2020 – Frei Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Incoterms®2020 – Frachtfrei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Incoterms®2020 – Frachtfrei versichert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Incoterms®2020 – Geliefert benannter Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Incoterms®2020 – Geliefert benannter Ort, entladen. . . . . . . . . . . . . . . 88 Incoterms®2020 – Geliefert verzollt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Incoterms®2020 – Frei Längsseite Schiff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Incoterms®2020 – Frei an Bord. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Incoterms®2020 – Kosten und Fracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Incoterms®2020 – Kosten, Versicherung, Fracht. . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Nach Hauptvertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Phasen des Vertragsschlusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Vertragsmanagement nach 3-Säulen-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abstimmungskreisläufe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Anonymisierter Kommentar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Anonymisierung von Word-Dateien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
XVII
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Einführung
Verträge spielen im Alltag nahezu jeder Organisationeinheit in Unternehmen eine gewichtige Rolle. Der Umgang mit Verträgen ist für viele Mitarbeiter in Unternehmen, gleich welcher Ausbildung, daher ein zwangsläufiger Bestandteil im Arbeitsalltag. Es steht letztlich nicht im Belieben der Wirtschaftsakteure und ihrer Mitarbeiter, ob sie mit Verträgen konfrontiert werden. Es ist vielmehr eine denklogische Konsequenz. Die richtige Frage im Zusammenhang mit Verträgen und Mitarbeitern in Unternehmen lautet: Wie schaffe ich es, dass sie möglichst sicher und gewinnbringend Umgang mit Verträgen haben?
1.1 Zur grundsätzlichen Bedeutung von Verträgen Verträge üben gesellschaftlich einen immensen Einfluss auf das Leben von jedermann aus. Ohne Verträge lässt sich heute weder im Privat- noch im Geschäftsleben ein reibungsloser Alltag bewältigen. Trotz mehrerer hundert Jahre Vertragsrecht auf dieser Welt, sind Verträge in ihren Wirkungen nicht derart erforscht, als dass Forschungen keine neuen Erkenntnisse mehr liefern könnten. 2016 erhielten Oliver Hart und Bengt Holmström für die Theorie optimaler Verträge (VertragstheorieVertragstheorie) den Wirtschaftsnobelpreis. Die Kontrakttheoretiker sorgten mit ihren jüngsten Erkenntnissen auf diesem Gebiet dafür, dass Verträge realistischer formuliert werden können (Schmidt 2016, S. 926 ff.).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_1
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2
1 Einführung
1.2 Umgang mit Verträgen in Unternehmen Kaum eine Beziehung kann so temporeich und gleichzeitig so schwerwiegend sein wie die zwischen Unternehmen. Unternehmen streben ob der hohen Geschwindigkeit im unternehmerischen Alltag nach dem größtmöglichen Maß an Sicherheit und Profitabilität. Gesellschafter, Geschäftsführer und leitende Angestellte sind dabei unbedingt auf Mitarbeiter angewiesen, die mit der Geschwindigkeit des unternehmerischen Geschäftsverkehrs Schritt halten, ohne dabei zu große Risiken für die Organisation einzugehen. Gleichzeitig sollen aber auch die größtmöglichen Potenziale erkannt und ausgeschöpft werden (Saliba 2019a, S. 9 f.). Führt man sich die Vielfalt der in Unternehmen anfallenden Verträge vor Augen, wird deutlich, dass es die Vielfalt selbst ist, die die Schaffung allgemeingültiger Regeln für den Umgang Verträgen erheblich erschwert. Und obgleich viele Wirtschaftsakteure ihren Blick nicht auf diesen Umstand richten, ändert dies nichts an der Bedeutung der Verträge für sie. Verträge bilden die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen für Beziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern. Dort wo es das Gesetz erlaubt, können günstige Abweichungen vom Gesetz für die jeweilige Partei formuliert werden. Die wesentlichsten wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Geschäftsbeziehung sollten in Verträgen beschrieben werden, wenn die Gelegenheit dazu besteht.
1.3 Vertragsrecht im unternehmerischen Alltag Unternehmen schließen schon jedes Mal dann Verträge, wenn sie sich in einen Leistungsaustausch mit Dritten begeben. Ohne einen solchen Austausch von Waren und/oder Dienstleistungen kann es bis auf wenige Ausnahmen nicht zu essenziellen betriebswirtschaftlichen Effekten in einer Organisation kommen. Folglich sind Verträge die Basis für das betriebswirtschaftliche und rechtliche Handeln in allen Organisationseinheiten eines Unternehmens. Sie bilden die Grundlage für alle Geschäftsprozesse und den damit verbundenen Geschäftsbeziehungen mit potentiellen Vertragspartnern. Grundlage meint in diesem Zusammenhang nicht nur Orientierung, weil die niedergelegten Inhalte aus dem Gedächtnis heraus nicht mehr nachvollziehbar wären. Grundlage meint auch die Schaffung einer rechtlichen Verbindlichkeit zwischen den Parteien (Bohnstedt 2018, S. 3), ohne die es kein verlässliches Geschäft geben kann. Rechtliche Verbindlichkeit bringt praktisch jedoch nicht unbedingt ein reibungsloses Geschäft mit sich. Leistungsstörungen (dazu: Medicus 2007, Rn. 205 ff.) sind im unternehmerischen Geschäftsverkehr vielmehr an der Tagesordnung. Verträge schaffen nicht nur eine organisatorische Grundlage und eine Verbindlichkeit zwischen den Parteien, sondern sind auch Grundlage für gezielte Kompensationen im Falle eintretender Leistungsstörungen (Renner 2007, S. 22 f.).
Literatur
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1.4 Der richtige Fokus So bedeutungsschwer die Notwenigkeit von Verträgen auch sein mag. Alle anfallenden Verträge wird man nicht in den Griff bekommen. Und das muss man auch nicht. Ein Kunststück ist mit dieser Erkenntnis noch nicht gelungen. Die eigentliche Herausforderung ist es herauszubekommen, worauf man sich fokussieren sollte, wenn man sich dem Thema Verträge widmet. Was ist ein Muss, was wäre lediglich „schön zu haben“? Nicht jeder Vertrag hat das Potenzial betriebswirtschaftliche Abläufe derart positiv oder negativ zu affektieren, als man sich ihm intensiv annehmen müsste. Allgemeingültige Regeln können aufgrund der Verschiedenheit von Branchen kaum aufgestellt werden. Dennoch ist es möglich sich an essenziellen Kriterien zu orientieren. Verträge, die Grundlage für signifikante Kompensationszahlungen und damit die Basis eines Claimmanagements sein können (Saliba 2019b, S. 186 f.), sonstige Verträge von signifikanter monetärer oder regulatorischer Bedeutung sollten in jedem Fall in den Blick genommen werden.
Literatur Bohnstedt, Jan. 2018. Vertragsrecht im Einkauf – Erfolgsfaktor im Supply Chain Risk Management (SCRM). Wiesbaden: Springer Gabler. Medicus, Dieter. 2007. Bürgerliches Recht – Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 21. Auflage. Köln/Berlin/München: Carl Heimanns Verlag. Renner, Helmut in Hartmann, Horst (Hrsg.). 2007. Vertragsrecht im Einkauf – Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform. Gernsbach: Deutscher Betriebswirte-Verlag. Saliba, Jean L. 2019a. Vertragsmanagement – Grundlagen zum gesteuerten Umgang mit Verträgen in Unternehmen. Wiesbaden: Springer Gabler. Saliba, Jean L. 2019b. Legal Departments als Profit Center Chancen für Unternehmen durch Vertrags- und Claimmanagement Legal Revolution, S. 186–191. Schmidt, Klaus M. 2016. Vertragstheorie: Ökonomie-Nobelpreis 2016 für Oliver Hart und Bengt Holmström. Wirtschaftsdienst 96, S. 926–931.
2
Zum Umgang mit diesem Buch
Das vorliegende Werk orientiert sich an vertraglichen Fragestellungen, die in Unternehmen branchenunabhängig häufig zutage treten. In diesem Buch geht es darum in der Praxis Relevantes, in verständlicher Sprache und gebotener Kürze zu thematisieren. Daher wurde in dieser Darstellung besonders Wert daraufgelegt, dass die Erläuterungen weder durch ein Übermaß an Literaturverweisen noch endlos lange Schachtelsätze geprägt sind. Ebenso wenig wird der Leser über Gebühr mit vertraglichen Aspekten konfrontiert, die zu Klärung ohnehin an die interne Rechtsabteilung oder externe Dienstleister (beispielsweise Rechtsanwälte) adressiert würden. Von Literaturhinweisen und Hinweisen auf Rechtsprechung wurde in der vorliegenden Darstellung gleichwohl nicht vollständig Abstand genommen. Denn das vorliegende Werk richtet sich sowohl an juristisch nicht ausgebildete Mitarbeiter in Unternehmen als auch an Juristen jedweder Fachrichtung, die Früher oder Später in den Hafen der fachlichen Spezialisierung einlaufen und sich damit regelmäßig zwei Herausforderungen gegenübersehen. Das eigene Grundlagenwissen ist aufzufrischen, während dies in mundgerechter Weise Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens nahezubringen ist, die keine juristische Ausbildung genossen haben. Mit der Lektüre dieses Werkes kann der Horizont des Mitarbeiters in einem Unternehmen, der Umgang mit Verträgen hat, sicherlich erweitert werden; eine Routine und Sicherheit im Umgang mit Verträgen verspricht sich jedoch dann einzustellen, wenn das Wissen im Wege der Übung und Wiederholung eine Einprägung erfährt. Daher ist das vorliegende Werk inhaltlich um ein Slide-Deck zum Vertragsrecht ergänzt worden. Es soll sowohl Nichtjuristen zur Vertiefung dienen, als auch Juristen in Rechtsabteilungen, die damit betraut sind ihre nicht-juristischen Kollegen im Vertragsrecht zu schulen.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_2
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2 Zum Umgang mit diesem Buch
Die nachstehende Darstellung ergänzt den theoretischen Stoff an entsprechenden Stellen um breitere praktische Beispiele, indem es auf Fälle aus dem Slide-Deck verweist (vgl. Teil IV „Umgang mit Verträgen trainieren“). Derartige Verweise sind mit einem farblichen Hintergrund deutlich vom übrigen Text abgesetzt und enthalten einen entsprechenden Verweis auf die Fundstelle in diesem Buch.
Teil I Vertragsrecht
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Einführung in das Vertragsrecht
Der vorliegenden Darstellung wird die Klärung des Begriffs des Vertragsrechts vorangestellt. Um ein solides Grundverständnis von der Materie zu entwickeln, sollte sich gerade der juristische Laie auf das folgende gedankliche Aufräumen einlassen. Denn oft wird schon nach kurzer Zeit des Lesens klar, dass eine grundlegende Fehlvorstellung über das herrscht, was gemeinhin unter einem Vertrag gar dem Vertragsrecht verstanden werden sollte. Dieses Kapitel befasst sich Schritt für Schritt mit kaskadierend dargestellten Begrifflichkeiten, die eine Einordnung des Begriffs des Vertragsrechts erleichtern (vgl. Abb. 3.1 „Vertragsrecht im Kontext“).
Abb. 3.1 Vertragsrecht im Kontext. (Quelle: Eigene Darstellung)
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3 Einführung in das Vertragsrecht
3.1 Recht der Schuldverhältnisse Das Vertragsrecht ist in keinem eigens dafür vorgesehenen Gesetz geregelt. Vielmehr setzt es sich aus unterschiedlichen rechtlichen Aspekten zusammen, die es bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Vertragsrechts zu berücksichtigen gilt. Verträge und damit auch das Vertragsrecht gliedern sich in das Recht der sogenannten Schuldverhältnisse ein. Klarer wird dies, wenn man das Gesetz bemüht. § 241 Absatz 1 BGB hält eine klare Beschreibung dessen vor, was aus einem Schuldverhältnis resultiert. Danach ist der Gläubiger kraft Schuldverhältnisses berechtigt von dem Schuldner eine Leistung zu fordern (zur Unterscheidung zwischen Schuldverhältnissen im engeren beziehungsweise weiteren Sinne: Brox und Walker 2006a, S. 9). Eine Leistung kann aber nicht nur aus einem Vertrag gefordert werden. Vielmehr kommt es darauf an, welche Leistung begehrt wird. Geht es etwa darum Schadenersatz zu verlangen, weil man „zu Unrecht“ eine körperliche Verletzung erlitten hat, benötigt man keinen Vertrag, um an das unter Umständen zustehende Geld zu gelangen. Dafür gibt es Anspruchsgrundlagen im Gesetz. Beispiel
Hausmeister H fährt in hohem Tempo über das Unternehmensgelände, um zeitig zu einem Fußballspiel zu gelangen. Aus Unachtsamkeit kollidiert er dabei mit Mitarbeiterin M aus der Marketingabteilung. Diese stürzt und ihr teures Kostüm nimmt dabei Schaden. Für die deshalb erforderlich werdende Reparatur des Kostüms muss M insgesamt 300 € aufwenden. Einen Anspruch auf Ersatz der 300 € könnte M gegenüber H aus § 823 BGB haben. ◄ § 823 BGB – Schadenersatzpflicht (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. Wegen des zuvor beschriebenen Vorfalls zwischen H und M und weil § 823 BGB M einen Anspruch unter diesen Umständen zubilligt, stehen H und M in einem gesetzlichen (hier: deliktischen) Schuldverhältnis zueinander.
3.2 Vertragliche Schuldverhältnisse
11
Es bleibt festzuhalten, dass ein Gläubiger berechtigt sein kann vom Schuldner eine Leistung zu fordern, ohne dass dies (im Gegensatz zum Vertrag) von einer Vereinbarung abhängig wäre. Unter den Oberbegriff „Schuldverhältnisse“ gesellen sich neben die „gesetzlichen Schuldverhältnisse“ die „rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse“. Ebenda ist das hier besprochene Vertragsrecht anzusiedeln. Zur Klarstellung sei auch hier das Gesetz bemüht. Aus § 311 BGB ergibt sich, dass zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich ist, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. § 311 BGB – Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse (1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder 3. ähnliche geschäftliche Kontakte. (3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Es kann festgehalten werden, dass sowohl durch Gesetz als auch durch Rechtsgeschäft (der Vertrag ist ein solches) ein so genanntes Schuldverhältnis zustande kommen kann. Das „Schuldverhältnis“ kann somit als Oberbegriff angesehen werden, unter dem sich, wenn auch noch nicht das gesamte Vertragsrecht, zumindest aber schon mal Verträge einsortieren lassen.
3.2 Vertragliche Schuldverhältnisse Der Terminus „Vertragliche Schuldverhältnisse“ sollte im Lichte der vorstehenden Ausführungen keine große Verwirrung mehr stiften. Im nächsten Schritt sollen daher in Unternehmen regelmäßig eingegangene vertragliche Schuldverhältnisse vorgestellt werden.
12
3 Einführung in das Vertragsrecht
Das BGB regelt die wichtigsten vertraglichen Schuldverhältnisse in Form von einzelnen Vertragstypen (vgl. dazu: Brox und Walker 2006b, S. 1 ff.), namentlich (hierbei handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung der im BGB geregelten Verträge): • • • •
Kaufvertrag, §§ 433 ff. BGB Darlehensvertrag, §§ 688 ff. BGB Mietvertrag, §§ 535 ff. BGB Werkvertrag, §§ 631 ff. BGB
Sie unterscheiden sich vor allem durch den sogenannten Vertragsgegenstand, also das, was die eine Partei der anderen Partei aus dem eingegangen Schuldverhältnis schuldet (dazu im Einzelnen: Richter 2013, S. 56). Exemplarisch sei nachstehend die sehr häufig einschlägige und daher in Unternehmen relevante Regelung zum Kaufvertrag aufgezeigt. § 433 BGB – Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
3.3 Begriff des Vertragsrechts Der Begriff des Vertragsrechts ist umfassender zu verstehen als der der vertraglichen Schuldverhältnisse. Das Vertragsrecht erfasst auch die allgemeinen Regeln des BGB, die für sämtliche Verträge anwendbar sind (Rehbinder 1974, S. 266). Während sich beispielsweise § 433 BGB in Bezug auf das Zustandekommen eines Kaufvertrags ausschweigt, kann den allgemeinen Regeln des BGB sehr wohl entnommen werden, wie etwaige Willenserklärungen ausgestaltet sein müssen, damit der Vertrag wirksam geschlossen wurde (dazu sogleich unter Abschn. 4.1 „Der Vertragsschluss“). Als zentrale Elemente zählen zum allgemeinen Vertragsrecht außerdem die Regelungen aus dem BGB betreffend das Vertretungsrecht (Medicus 2007, S. 76 ff.) und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Abschn. 4.2 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“) (zur Funktion von AGB im Vertragsverhältnis: Junker und Kamanabrou 2007, Rn. 121 f.). Zum weiten Begriff des Vertragsrechts gehört denklogisch die Klärung der Frage wie mit „in der Entwicklung befindlichen“ oder in der Verhandlung „stecken gebliebenen“
3.4 Grundprinzipien des (Privat-)Vertragsrechts
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Verträgen umzugehen ist. Gerade im unternehmerischen Geschäftsverkehr gelangen oftmals Verträge nicht über die Anbahnungsphase hinaus. Gleichwohl entstehen in dieser Phase und bis zur endgültigen Trennung der Parteien bereits Rechte und Pflichten derselben. Diese so genannten vertragsähnlichen Schuldverhältnisse spielen in der Phase vor dem (Haupt-)Vertragsschluss eine zentrale Rolle und werden daher ebenfalls von der vorliegenden Darstellung als Teil des Vertragsrechts erfasst (vgl. Abschn. 5.1 „Optionen und Konfliktmomente vor (Haupt-)Vertragsschluss“).
3.4 Grundprinzipien des (Privat-)Vertragsrechts Verträge werden häufig sehr (oftmals auch zu) kurzgehalten. Die Verfasser versuchen, so viele Informationen wie möglich in kurze Sätze zu fassen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass wichtige Aspekte gänzlich unterschlagen werden und wertvolle Informationen verloren gehen. Aus diesem Grund wird es dann erforderlich, dass Dritte – gemeint sind hier die Gerichte – den Sinngehalt eben jener knapp gefassten Verträge unter Zuhilfenahme von Auslegungsmethoden und Rechtsgrundsätzen des Vertragsrechts ergründen. Dabei helfen ihnen verschiedene Grundsätze (es handelt sich im Folgenden nicht um keine abschließende Aufzählung von Auslegungsmethoden).
3.4.1 Grundsatz der Privatautonomie Ein zentraler Grundsatz des Vertragsrechts ist derjenige der Privatautonomie. Jeder (geschäftsfähige) Mensch hat das Recht, seine Rechtsverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten (Zöllner 1976, S. 233). Mit anderen Worten formuliert heißt das, die Partei(en) bestimmt(en) selbst was sie regeln möchte(n) (Medicus 2007, Rn. 122). Dieser Grundsatz ist als Teil der Allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschützt (BVerfGE 89, 214). Art. 2 Absatz 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als ‚Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben‘. Gleichwohl sind der Privatautonomie Grenzen gesetzt. Insoweit bedarf sie rechtlicher Ausgestaltung. Einerseits geschieht dies durch zahlreiche Gesetze, welche Restriktionen mit durchschlagender Wirkung für die Vertragsgestaltung vorhalten. Andererseits würde der Grundsatz der Privatautonomie ausgehöhlt, stünde er wegen der gesetzgeberischen Ausgestaltung am Ende doch wieder im Belieben des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber ist bei der gebotenen Ausgestaltung vielmehr an die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Grundrechte gebunden. Er muss der Selbst bestimmung des Einzelnen im Rechtsleben einen angemessenen Betätigungsraum eröffnen. Klarer wird dies, schaut man sich einzelne Ausprägungen der Privatautonomie näher an.
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3 Einführung in das Vertragsrecht
3.4.1.1 Ausprägungen Der auf Art. 2 Absatz 1 GG zurückzuführende Grundsatz der Privatautonomie hat durch mannigfaltige Rechtsprechung verschiedener Instanzen und Gerichte unterschiedliche Ausprägungen erfahren. So existiert die Privatautonomie in etlichen Unterarten. Eigentumsfreiheit und Testierfreiheit sind prominente Ausprägungen der Privatautonomie. Diese Ausprägungen der Privatautonomie lassen sich an konkreten Stellen im Gesetz nachvollziehen. So bestimmt § 903 S. 1 BGB, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung darauf ausschließen kann. Die Testierfreiheit kann anhand von § 1937 BGB gut nachgezeichnet werden. Danach kann der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen. Im Wortlaut dieser Normen wird deutlich, was die Privatautonomie gewährt: Handlungsspielraum – das Recht selbst zu bestimmen und zu gestalten (Brox 2005, Rn. 25). Eben diese „Idee“ gilt es im Vertragsrecht gleichermaßen zu berücksichtigen. Dort lautet die Unterspielart der Privatautonomie: Vertragsfreiheit (vgl. auch Larenz und Wolf 2004, S. 2). Zwar wird die Vertragsfreiheit nicht ausdrücklich in Art. 2 GG erwähnt, jedoch ist die Verortung der Vertragsfreiheit dort allgemein anerkannt (ähnlich: Wendland 2019, S. 30). 3.4.1.2 Vertragsfreiheit im Einzelnen Im Rahmen der vorliegenden Darstellung soll näher auf die für das Vertragsrecht relevante Vertragsfreiheit eingegangen werden. An dieser Stelle soll nicht unterschlagen werden, dass es der Idee des Buches zuwiderliefe, alle nur denkbaren Ausprägungen zu erläutern. Neben den hier erläuterten Erscheinungsformen der Vertragsfreiheit, finden weitere Varianten der Vertragsfreiheit an anderen Stellen Anklang (vgl. Abschn. 4.1.1 „Die Willenserklärungen im Einzelnen“). Die Betrachtung der Vertragsfreiheit soll auf zwei für den Pragmatiker wesentlich Elemente konzentriert werden: Die Abschlussfreiheit („ob“ man einen Vertrag schließen möchte) und die Gestaltungsfreiheit („wie“ man einen Vertrag schließen möchte). 3.4.1.2.1 Abschlussfreiheit Der Grundsatz der Abschlussfreiheit besagt dabei, dass grundsätzlich niemand gezwungen werden kann einen Vertrag mit jemand Bestimmtem zu schließen. Unter Verbrauchern tauchen diesbezüglich wiederkehrend Missverständnisse auf. Dass ein Drogeriemarkt, ein Kaufhaus oder ein Supermarkt etwa verpflichtet ist dem Kunden Ware zu verkaufen, nur, weil er sich diese aus dem Regal nimmt und damit an die Kasse begibt, stimmt nicht. Die Auslage von Waren in Regalen, Schaufenstern und sonstigen Auslagekörben stellt regelmäßig die Einladung des Anbieters dar, ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abzugeben (so genannten „invitatio ad offerendum“). Dies geschieht in der Regel durch schlüssiges Verhalten, nämlich durch die Vorlage der
3.4 Grundprinzipien des (Privat-)Vertragsrechts
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Ware an der Kasse. Sodann nimmt das Personal als Vertreter für den Geschäftsinhaber dieses Angebot dadurch an, dass es den Preis für die entsprechende Ware verlangt. Die Abschlussfreiheit umfasst also nicht nur Recht frei zu entscheiden ob, sondern auch an wen man sich vertraglich binden will (Wendland 2019, S. 86). Diese Abschlussfreiheit kommt im unternehmerischen Geschäftsverkehr gleichermaßen zum Tragen. Nur ausnahmsweise steht es nicht im Belieben des Individuums oder der Individuen einen Vertrag abzuschließen. Wenn eine Partei verpflichtet ist, mit einer anderen Partei einen Vertrag zu schließen, nennt man das Kontrahierungszwang. Ein solcher Kontrahierungszwang besteht etwa im Bereich der Versicherungen. Wer eine Versicherung betreibt kann sich grundsätzlich nicht nach Belieben auswählen, ob und mit wem er einen Vertrag schließt. Mit folgender Vorschrift sei ein Beispiel gegeben: § 5 PflVG (1) Die Versicherung kann nur bei einem im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen genommen werden. (2) Die im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, den in § 1 genannten Personen nach den gesetzlichen Vorschriften Versicherung gegen Haftpflicht zu gewähren. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn das zu versichernde Risiko nach § 57 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 Halbsatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes im Inland belegen ist. (3) Der Antrag auf Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages für Zweiräder, Personen- und Kombinationskraftwagen bis zu 1 t Nutzlast gilt zu den für den Geschäftsbetrieb des Versicherungsunternehmens maßgebenden Grundsätzen und zum allgemeinen Unternehmenstarif als angenommen, wenn der Versicherer ihn nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen vom Eingang des Antrags an schriftlich ablehnt oder wegen einer nachweisbaren höheren Gefahr ein vom allgemeinen Unternehmenstarif abweichendes schriftliches Angebot unterbreitet. Durch die Absendung der Ablehnungserklärung oder des Angebots wird die Frist gewahrt. Satz 1 gilt nicht für die Versicherung von Taxen, Personenmietwagen und Selbstfahrervermietfahrzeugen. (4) Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn sachliche oder örtliche Beschränkungen im Geschäftsplan des Versicherungsunternehmens dem Abschluss des Vertrags entgegenstehen oder wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherungsunternehmen versichert war und das Versicherungsunternehmen 1. den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat, 2. vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder wegen Nichtzahlung der ersten Prämie zurückgetreten ist oder 3. den Versicherungsvertrag wegen Prämienverzugs oder nach Eintritt eines Versicherungsfalls gekündigt hat. […]
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3.4.1.2.2 Gestaltungsfreiheit Die Vertragsfreiheit umfasst außerdem die sogenannte Gestaltungsfreiheit, also das Recht den Inhalt von Verträgen zu bestimmen (auch als Inhaltsfreiheit bezeichnet: Busche 1999, S. 67). Vielen ist nicht bekannt, dass zahlreiche Regelungen des BGB dispositiv sind. Das heißt viele der im BGB stehenden Regelungen können durch eine im Vertrag anderslautende Regelung abbedungen oder geändert werden. Die Regeln des BGB kommen im Falle der dort stehenden dispositiven Regelungen nur dann zur Anwendung, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Die Regeln des BGB haben dann also noch die Funktion der Lückenfüllung der von den Parteien geschlossenen Verträge. Dies kann für Viele einen Erkenntnisgewinn darstellen. Es besteht nämlich ein weit verbreiteter Irrtum dahin gehend, Verträge folgten inhaltlich einer bestimmten Form oder sonstigen inhaltlichen Gestaltungsvorgaben. Dies ist in der Regel jedoch gerade nicht der Fall. Dem Verfasser des Vertrages, mithin den vertragsschließenden Parteien steht es frei, welche Nummerierung oder Schriftart sie wählen oder in welcher Reihenfolge sie auf Aspekte der Geschäftsbeziehung eingehen möchten. Auch in diesem Teil besteht eine Ausnahme. Nämlich dann, wenn es sich um so genanntes zwingendes Vertragsrecht handelt („ius cogens“), das grundsätzlich nicht abdingbar ist. Im für den Verwender etwaiger Regelungen besten Fall, sieht das Gesetz die Nicht-Abdingbarkeit solcher Regelungen ausdrücklich vor. Prominentes Beispiel dafür ist das Verhältnis Unternehmer-Verbraucher § 475 Absatz 1 BGB. § 475 BGB – Anwendbare Vorschriften (1) Ist eine Zeit für die nach § 433 zu erbringenden Leistungen weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger diese Leistungen abweichend von § 271 Absatz 1 nur unverzüglich verlangen. Der Unternehmer muss die Sache in diesem Fall spätestens 30 Tage nach Vertragsschluss übergeben. Die Vertragsparteien können die Leistungen sofort bewirken. […] Case Study 1: Gestaltungsfreiheit
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Was drauf steht, ist auch drin“ (siehe Abschn. 12.2.1.3 „Grundwertungen“). 3.4.1.2.3 Einschränkungen der Vertragsfreiheit Neben den bereits genannten Beispielen gibt es zahlreiche weitere Einschränkungen der Vertragsfreiheit. So kann sich ein Kontrahierungszwang außerdem aus dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG), dort § 22, dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und den §§ 242, 826 BGB ergeben.
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Für die Gestaltungsfreiheit ergibt sich eine sehr wichtige Einschränkung aus den Vorschriften zum AGB-Recht, namentlich den §§ 305 ff. BGB. So sieht beispielsweise § 309 (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit) Nr. 3 BGB vor: Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Auf das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird im Verlauf der Darstellung noch näher eingegangen (vgl. Abschn. 4.2 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“). Insoweit ist die Gestaltungsfreiheit also eingeschränkt. Gleiches gilt für die inhaltliche Gestaltung eines Vertrages, der sich gegen ein gesetzliches Verbot richtet. Dem schiebt § 134 BGB einen Riegel vor. Dieser bestimmt, dass ein Vertrag nichtig ist, soweit er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Beispiel
Der pharmazeutische Unternehmer A unterhält einen Werksverkauf. An die Mitarbeiter gibt er dort regelmäßig im Werk hergestellte Waren zu moderaten Preisen ab. Unter anderem gibt A dort das Präparat „Power Amp“ an B ab, der sich durch entsprechenden Konsum deutlich besser auf die Arbeit konzentrieren kann. Die Tabletten dieses Präparats enthalten Amphetamin. Am Ende haben beide das Gefühl vom Geschäft zu profitieren. Um ganz sicher zu gehen, dass die Sache „wasserdicht“ ist, schließen sie unter Zuhilfenahme der gut geschulten Rechtsabteilung einen vierzig Seiten langen Vertrag, in dem die Hintergründe zum Geschäft und die Vorteile ganz klar geschildert werden. ◄ Trotz dieser durch die Parteien gezeigten Gründlichkeit, könnte der Vertrag gemäß § 134 BGB unwirksam sein. Dieser sieht vor, dass Rechtsgeschäfte nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen dürfen. Ein solches könnte sich aus § 29 Absatz 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ergeben. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft. A hat mit B einen Vertrag über Tabletten geschlossen, die Amphetamin enthalten. In diesem verpflichtet er sich zur Übergabe nach Zahlung (= Handel). Amphetamin ist ein dem Betäubungsmittelgesetz unterfallender Zusatzstoff nach § 1 I BtMG in Verbindung mit Anlage III. Ein Verstoß gegen das BtMG ist gegeben. Der Vertrag ist wegen dieses Verstoßes nach § 134 BGB nichtig.
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3.4.2 Prinzip der Vertragsbindung Das Prinzip der Vertragsbindung besagt, dass Verträge grundsätzlich eingehalten werden müssen („pacta sunt servanda“). Dies spiegelt exemplarisch § 145 BGB wider, der die grundsätzliche Bindung an einen Antrag (= Angebot) vorschreibt. Beispiel
A plant die Markteinführung eines innovativen Produktes und möchte den perfekten Zeitpunkt erwischen. Zu diesem Zweck bemüht er ein Marktforschungsinstitut. Es soll herausfinden, wann dieser günstige Moment wohl sein würde. A geht auf Nummer sicher und holt sich Angebote von zwei Instituten ein. Diese verweisen A darauf, sie hätten auch noch andere Kunden und reagieren nur zögerlich. Als das erste Angebot eintrifft kann A seiner Ungeduld kaum noch Einhalt gebieten. Er greift zu und bestellt sich die Daten beim Institut Y. Noch ehe Y die gewünschten Daten liefert, erhält A das Angebot des Instituts Z. Das Angebot ist deutlich günstiger. A bestellt bei Z. Er wendet sich gleichzeitig an Y. Er fühle sich nicht mehr an seine Bestellung gebunden. Er habe da etwas Besseres gefunden. Daher mache er den Vertrag rückgängig. ◄ Zwischen A und Y könnte ein Vertrag zustande gekommen sein, an den A auch weiterhin gebunden sein könnte. Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme zustande (§§ 145, 147 BGB). A und Y haben sich über die wesentlichen Punkte des Rechtsgeschäfts geeinigt (u. a. Preis und Gegenstand). A ist grundsätzlich an den Vertrag gebunden und muss diesen einhalten. Dem steht nicht entgegen, dass A nun ein besseres Angebot von Z erhalten hat. Ein besseres Angebot berechtigt für sich genommen nicht sich vom Vertrag zu lösen. Das Gesetz sieht vielmehr vor, dass bestimmt Umstände hinzutreten müssen, um ein solches Recht zu aktivieren, welches letztlich das wichtige Prinzip der Vertragsbindung durchbricht. Dies könnte etwa im Wege einer Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB, eines Rücktritts i. S. v. § 346 BGB oder eines Widerrufs gemäß § 355 BGB geschehen. Im aufgezeigten Fall ist keines dieser Rechte anwendbar. A bleibt auch weiterhin an seine Willenserklärung gebunden. Der Vertrag bleibt damit wirksam. Y hat gegenüber A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die zu liefernden Daten. Abb. 3.2 (vgl. „Grundwertungen des Vertragsrechts“) fasst die vorstehend ausgeführten Grundwertungen zusammen, welche wesentlichen Einfluss auf ein vertragliches Schuldverhältnis haben können.
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Abb. 3.2 Grundwertungen des Vertragsrechts. (Quelle: Eigene Darstellung)
3.4.3 Treu und Glauben Ein weiterer, für das Verständnis von Verträgen wichtiger Baustein ist der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB (diesen Grundsatz sogar als „obersten Grundsatz für das Recht der Schuldverhältnisse“ bezeichnend: Mugele 1961, S. 55). Aus ihm hat sich der allgemeine Grundsatz entwickelt, dass jeder in Ausübung seiner Rechte und in Erfüllung seiner Pflichten auf die berechtigten Interessen anderer Rücksicht zu nehmen hat. Bei § 242 BGB handelt es sich offensichtlich nicht um eine Norm, die diese Botschaft auf den ersten Blick offenbart. Dies ist auf ihren Charakter als so genannte abstrakte Generalklausel zurückzuführen. § 242 BGB – Leistung nach Treu und Glauben Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Sie bedarf daher der gesetzlichen Konkretisierung. Ein prominentes Beispiel für die Konkretisierung von § 242 BGB ist das in § 226 BGB normierte Schikaneverbot. § 226 BGB – Schikaneverbot Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Über die konkreten gesetzlichen Normierungen hinaus hat sich im Laufe der Zeit in Rechtsprechung und Literatur eine nahezu unüberschaubare Breite an Fallgruppen zum Grundsatz von Treu und Glauben herausgebildet.
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3 Einführung in das Vertragsrecht Beispiel
Unternehmer A beauftragt die Marketingagentur M mit der Erstellung eines umfangreichen Konzeptes zur Einführung eines neuen Produktes am Markt. Nach ordnungsgemäßer Übergabe aller relevanten Materialien gehen sowohl A als auch M in den wohl verdienten Urlaub. Im Anschluss an den Urlaub verschwitzt M sich an A zu wenden, um die finanziellen Aspekte der Zusammenarbeit abzuwickeln. Es vergeht ein langer Zeitraum. Kurz bevor der Anspruch verjährt, fällt M ein mit A noch eine offene Rechnung zu haben. M wendet sich an A und erinnert ihn an die offene Rechnung. A reagiert hierauf sehr freundlich. Er teilt M jedoch mit, dass er sich noch mal rückversichern wolle, welche Bankverbindung denn die richtige sei. Wenig später möchte A sich rückversichern, wie hoch der genaue Betrag denn sei. So vergehen Wochen. Schließlich meldet sich A und teilt M mit, dass sich aus seiner Sicht die Angelegenheit mittlerweile erledigt habe. Die Forderung von M sei nämlich mittlerweile verjährt. ◄ Dem Kalender zufolge ist A im Recht. Die Forderung ist tatsächlich verjährt. Jedoch verstößt A mit seinem Verhalten gegen § 242 BGB, genau genommen gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). A signalisierte M die Rechnung begleichen zu wollen. Daher erhob M keine Klage gegen A auf Zahlung des Kaufpreises, wodurch die Verjährung gehemmt worden wäre. Die Zeit verzögernden Fragen des A haben letztlich zur Verjährung geführt. A kann sich daher nicht auf Verjährung berufen. Auf eine weitere gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben, den AGB-Vorschriften nach den §§ 305 ff. (so ausdrücklich: RegE zum AGBG, BT Drucks. 7/3919, S. 14), wird später näher eingegangen (vgl. Abschn. 4.2 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“). In welchem (gedachten mathematischen) Verhältnis Grundwertungen zu anderen, das Vertragsrecht prägenden Faktoren stehen, zeigt Abb. 3.3 (vgl. Abb. 3.3„Verhältnis Grundwertungen zu übrigen Größen des Vertragsrechts“).
Grundwertungen
Vertragsgestaltung = Grundwertungen
(
Vertragliche Vereinbarung AGB Prüfungsmaßstab
+
Gesetzeslage
Aktuelle Rechtsprechung
)
Abb. 3.3 Verhältnis Grundwertungen zu übrigen Größen des Vertragsrechts. (Quelle: Eigene Darstellung)
Literatur
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Literatur Brox, Hans. 2005. Allgemeiner Teil des BGB, 29. Auflage. Köln/Berlin/München: Carl Heimanns Verlag. Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich. 2006a. Allgemeines Schuldrecht, 31. Auflage. München: C.H.Beck. Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich. 2006b. Besonderes Schuldrecht, 31. Auflage. München: C.H.Beck. Busche, Jan. 1999. Privatautonomie und Kontrahierungszwang. Tübingen: Mohr Siebeck. Junker, Abbo/Kamanabrou, Sudabeh. 2007. Vertragsgestaltung – ein Studienbuch, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Larenz, Karl/Wolf, Manfred. 2004. Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 9. Auflage. München: C.H.Beck. Medicus, Dieter. 2007. Bürgerliches Recht – Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 21. Auflage. Köln/Berlin/München: Carl Heimanns Verlag. Mugele, Karl. 1961. Vertragsrecht – Praktische Erläuterungen zu den wichtigsten schuldrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen und des Handelsrechts, 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Rehbinder, Eckard. 1974. Die Rolle der Vertragsgestaltung im zivilrechtlichen Lehrsystem, Archiv für die civilistische Praxis, S. 265–312. Richter, Thomas. 2013. Vertragsrecht – Grundlagen des Wirtschaftsrechts, 2. Auflage. München: Vahlen. Wendland, Matthias. 2019. Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit – Subjektive und objektive Gestaltungskräfte im Privatrecht am Beispiel der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Tübingen: Mohr Siebeck. Zöllner, Wolfgang. 1976. Privatautonomie und Arbeitsverhältnis: Bemerkungen zu Parität und Richtigkeitsgewähr beim Arbeitsvertrag, Archiv für die civilistische Praxis, S. 221–246.
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Allgemeines Vertragsrecht
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr schließen die Beteiligten eine Vielzahl unterschiedlicher Verträge. Einige Vertragsarten wurden bereits angedeutet. Es bestünde die Möglichkeit, sämtliche auch nur denkbaren Verträge dezidiert voneinander abzugrenzen. Der Übersichtlichkeit und dem Grundverständnis ist dies jedoch nicht dienlich. Deshalb konzentrieren sich die nachstehenden Ausführungen auf einige grundsätzliche Typen von Verträgen. Ein Grundverständnis von Kauf-, Werk- und Dienstleistungsverträgen kann im unternehmerischen Geschäft sehr hilfreich sein. Nicht selten gelangt man zu dem Ergebnis, dass sich die avisierte Vertragsbeziehung auf typischerweise einen dieser Verträge konzentriert. Und gleichwohl kommt es ebenfalls häufig vor, dass sich die angestrebte Beziehung zu keiner der genannten Vertragsarten eindeutig zuordnen lässt. Dabei kann schon die Namensgebung verwirrend sein. Sie ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, weshalb derselbe Vertragstyp manchmal gänzlich unterschiedlich bezeichnet in Erscheinung tritt (Während Unternehmen A eine Bezeichnung X pflegt, kann B eine Bezeichnung Y pflegen, während beide ein und denselben Vertragstyp bezeichnen wollen). Ein weiterer Grund liegt in der Vielfalt der ausgetauschten Leistungen. Je vielfältiger eine Geschäftsbeziehung ausgestaltet ist, desto häufiger stößt man auf die so genannten typengemischten Verträge. Auf diese wird an entsprechenden Stellen näher eingegangen. Im Rahmen des besonderen Teils soll daher nach der Darstellung von Grundvertragsarten auf ausgewählte besondere Verträge eingegangen werden.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_4
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4.1 Der Vertragsabschluss Dem Abschluss soeben beschriebener Verträge, ganz gleich, ob es sich um Grundvertragsarten, typengemischte oder andere besondere Verträge handelt, soll das allgemeine Vertragsrecht vorangestellt werden. Mathematisch ausgedrückt, muss es vor die Klammer gezogen werden, da es sich auf sämtliche Komponenten der in der Klammer stehenden Rechenoperation auswirkt. Juristisch betrachtet ist es ganz gleich, ob man plant, einen oder vier Verträge zu schließen, direkt oder indirekt Vertragspartei sein will, einen Kauf- oder einen Werkvertrag bezweckt und dann aber ein typengemischter Vertrag dabei herauskommt. Wenn die abgegebenen Willenserklärungen für die geplante vertragliche Beziehung vollständig ins Leere gehen, spielen vorstehende Erwägungen selten eine Rolle. Denn dann kommt u. U. gar kein Vertrag zustande. Obwohl eingangs bereits erwähnt, sei wegen der immensen Wichtigkeit hier wiederholt, Verträge kommen durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme zustande, vgl. §§ 145, 147 Absatz 1 S. 1 BGB (Friedrich und Thüsing 2019, Rn. 32) (bereits hier sei angemerkt, dass das Gesetz den Begriff des Angebots dort nicht ausdrücklich verwendet, wo man ihn gern verortet hätte – in den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB); dort ist unter § 145 BGB vielmehr vom „Antrag“ die Rede; die Begriffe „Angebot“ und „Antrag“ werden üblicherweise und daher auch hier synonym verwendet). Weniger dem Zufall, sondern der Systematik des wohl bekanntesten zivilrechtlichen Gesetzes der Republik geschuldet ist der Umstand, dass die Normen zum Vertragsschluss so weit vorn im BGB angesiedelt sind. Die vorliegende Darstellung orientiert sich an eben jenem Aufbau, den der Gesetzgeber gewählt hat. Die Vorschriften zum Vertragsschluss sind auch aus Sicht des Gesetzgebers vor die Klammer gezogen und finden sich deshalb weit vorn im BGB. Ebenso ist auch dieser Abschnitt des Gesetzes beschrieben. Wir bewegen uns im so genannten „Allgemeinen Teil“. Der Allgemeine Teil des BGB besteht nicht nur aus Normen zu Willenserklärungen. Vielmehr befinden sich dort alle allgemeinen und daher sich auf jedwede Form von zivilrechtlichem Vertrag auswirkenden Vorschriften. Zurück zu den Willenserklärungen, die erforderlich sind, um einen Vertrag zustande zu bringen. Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Je mehr Bestandteile dieser Definition vorliegen, je mehr Voraussetzungen also erfüllt sind, desto wahrscheinlicher ist ein wirksamer Vertragsschluss (vgl. Abb. 4.1 „Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss“). Spätestens jetzt könnte auffallen, dass die gebetsmühlenartig wiederholte Definition nicht von „schriftlich“ spricht. Für einen Vertrag werden weder Stift noch Papier noch sonstige Hardware benötigt. Leider kommt es nur zu oft vor, dass auch im
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Abb. 4.1 Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss. (Quelle: Eigene Darstellung)
u nternehmerischen Geschäftsverkehr erfahrene Mitarbeiter vom völlig verfehlten Grundsatz ausgehen, „ohne etwas Schriftliches, habe ich keinen Vertrag“. Wir befinden uns noch immer im Allgemeinen Teil des BGB und daher findet sich auch zu dieser Thematik wenigstens eine Norm weit vorn im BGB. § 126 BGB – Schriftform (1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. (3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. (4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt. Für ein besseres Verständnis sollte man das Lesen der Norm nach dem sechsten Wort einstellen. Denn dann hat man den hier entscheidenden Teil bereits wahrgenommen: „Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben […]“. § 126 Absatz 1 BGB ist daher so zu lesen, dass es grundsätzlich keine Form gibt, an der sich Willenserklärungen (damit auch Verträge) messen lassen müssen. Nur ausnahmsweise, wenn das Gesetz eine Form vorschreibt, gilt etwas Anderes. Dieser Grundsatz der Formfreiheit, eröffnet daher den Weg zu telefonisch, per Fax, E-Mail, Brieftaube oder auch per App geschlossenen
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erträgen. Die Abwicklung von Rechtsgeschäften soll den Parteien dadurch auf mögV lichst unkomplizierte möglich sein (Heinrich 2000, S. 61). Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmen vor. Etwa dann, wenn ein Verbraucher im Spiel ist. Diese sind wegen der Laiensphäre, in der sie sich regelmäßig bewegen, im Verhältnis zu einem Unternehmer besonders schutzbedürftig. Der Gesetzgeber sieht daher beispielsweise bei Verbraucherdarlehensverträgen vor, dass diese schriftlich abzuschließen sind, § 492 BGB.
4.1.1 Die Willenserklärungen im Einzelnen Wir können festhalten, dass ein Vertrag durch zwei Willenserklärungen zustande kommt und diese nicht schriftlich ausgestaltet sein müssen. Der Erläuterung bedarf jedoch noch die, – wie zu zeigen sein wird – wichtige Frage, ob und wie Willenserklärungen konkret ausgestaltet sein müssen, damit sie wirksam sind. Beispiel
A ist zufällig bei derselben Weinversteigerung wie der Geschäftsführer G. Gerade wird ein horrend teurer Wein versteigert, an dem A jedoch gar kein Interesse hat. Er will also gar nicht auf den Wein bieten. A erblickt G und grüßt ihn ganz euphorisch, indem er einen Arm in die Höhe hebt. Der Auktionator begreift das Aufzeigen des A als ein Gebot. Schließlich erhält A den Zuschlag für den Wein. ◄ A ist grundsätzlich verpflichtet den Wein zu zahlen. Ein solches Ergebnis bedarf der näheren Betrachtung und unter Umständen der Korrektur. Durch das Beispiel soll verdeutlicht werden, dass Willenserklärungen in gewisser Weise ausgestaltet sein müssen, wenn sie wirksam sein sollen (zum Ergebnis vgl. Abschn. 4.1.2.2 „Normative Auslegung“). Schon an dieser Stelle der vorliegenden Darstellung wird deutlich, wie diffizil das Zustandekommen eines Vertrages sein kann, lange bevor es an die Details, den eigentlichen Inhalt eines Vertrages geht. Man ist gut beraten eine dahin gehende Sensibilität zu entwickeln und sich ebendies im Rahmen des täglichen Handelns im unternehmerischen Geschäftsverkehr ins Bewusstsein zu rufen. Grundsätzlich meint Willenserklärung die Äußerung einer auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichteten Willens (Medicus 2007, Rn. 130). Das obige Beispiel zeigt, dass es einen Unterschied zwischen dem objektiv sichtbaren Verhalten und dem innerlich Gewollten geben kann. Bei Willenserklärungen spricht man daher davon, dass sie sich aus einem inneren und einem äußeren Tatbestand zusammensetzen.
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4.1.1.1 Äußerer Tatbestand einer Willenserklärung Der äußere Tatbestand einer Willenserklärung wird am objektiven Empfängerhorizont gemessen. Um den Tatbestand einer Erklärung zu erfüllen, muss sich das Verhalten des Erklärenden für einen Dritten als Willenserklärung nach vorstehender Definition darstellen. 4.1.1.2 Innerer Tatbestand einer Willenserklärung Der innere Tatbestand einer Willenserklärung setzt sich aus drei Elementen zusammen, die, wie zu zeigen sein wird, je nach Gestaltung des Einzelfalles von immenser Wichtigkeit sein können. Er besteht aus dem Handlungswillen, dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäftswillen (BGH, NJW 1987, 2014 ff.). Von besonderer Bedeutung ist der Handlungswille. Dies zeigt sich insbesondere an § 105 Absatz 2 BGB. Danach ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. Beispiel
Der unerkannt geisteskranke G, der für A arbeitet, bestellt bei V im Namen des A 1000 Tonnen Bulkware für die Produktion. A weigert sich den Kaufpreis zu zahlen. ◄ Einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hätte V nur dann, wenn der Vertrag wirksam zustande gekommen wäre. Dies setzt zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme voraus. Die Willenserklärungen müssten auch wirksam sein. Unterstellt es liegt ein wirksames Angebot des V vor. Dies konnte vom G zumindest nicht wirksam angenommen werden. § 105 Absatz 2 BGB steht entgegen, da G geisteskrank ist. Auch § 105a BGB hilft dem V nicht weiter. Danach wäre das Geschäft unter Umständen wirksam, wenn es sich um eines des täglichen Lebens handelt und es mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann. Ohne auf weitere Kriterien einzugehen kann schon gesagt werden, dass dies im geschilderten Fall nicht so ist. Ein 1000-Tonnen-Einkauf ist kein Geschäft des täglichen Lebens. Die Willenserklärung ist nichtig. Ein Vertrag zwischen A (vertreten durch G) und V ist nicht zustande gekommen. Unter dem Erklärungsbewusstsein versteht man das Bewusstsein, irgendetwas rechtlich Erhebliches zu tun (BGHZ 91, 324 ff.; Isay 1899, S. 25; BGH NJW 1984, 2279 ff.; BGHZ 21, 102, 106). Außerdem setzt der innere Tatbestand einer Willenserklärung einen sogenannten Rechtsbindungswillen voraus. Dies meint das Bewusstsein zum Setzen einer konkreten Rechtsfolge, sich also rechtlich binden zu wollen. Der Rechtsbindungswille einer Person ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, wie sie sich insbesondere der anderen potentiellen Vertragspartei darstellen. Die Haltung des Bundesgerichtshofs, der vereinzelt den Rechtsbindungswillen und das Erklärungsbewusstsein gleichsetzt, ist wenigstens zweifelhaft (BGHZ 91, 324).
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4 Allgemeines Vertragsrecht Beispiel
Kunde K ist erkältet und besucht eine Apotheke. Da kommt es ihm besonders gut gelegen, dass Apotheker A die Nasensprays besonders günstig ausgezeichnet hat. Statt der üblichen € 4,79 lautet der Preis € 0,47. K begibt sich mit der Ware zur Kasse und erhebt Anspruch darauf, das Geschäft zum ausgezeichneten Preis abzuschließen und damit das Spray zu erwerben. ◄ Auch zur Wirksamkeit dieses Kaufvertrages bedarf es zweier wirksamer Willenserklärungen. In der Auslage der Ware, ausgezeichnet zu einem bestimmten Preis ist jedoch kein verbindliches Angebot des A zu sehen. Vielmehr handelt es sich um die Fallgruppe der oben bereits dargestellten „invitatio ad offerendum“ (BGH NJW 2004, 3699). A lädt zur Abgabe eines Angebots ein. Er gibt mit der Auslage der Ware selbst aber noch kein Angebot ab. A fehlt der Rechtsbindungswille. Gleiches gilt für Angebote in Schaufenstern und Katalogen. Case Study 2: Rechtsbindungswille
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Mal sehen, wer günstiger ist“ (siehe Abschn. 12.2.2.1 „Der Vertragsabschluss“).
Der Bundesgerichtshof hat dazu in einer verhältnismäßig jungen Entscheidung ausgeführt: Ein Antrag auf Abschluss eines Vertrages (§ 145 BGB) liegt nur dann vor, wenn die Erklärung – aus der Sicht des Adressaten – mit dem Willen zur rechtlichen Bindung abgegeben wird. Dagegen ist eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gegeben, wenn eine rechtsgeschäftliche Bindung erkennbar noch nicht gewollt ist, sich der Erklärende einen Vertragsabschluss also noch vorbehält (NJW 2009, 1337; RGZ 133, 388, 391; NJW 2005, 3567). Case Study 3: Formfreiheit
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Ein Vertrag muss doch schriftlich sein“ (siehe Abschn. 12.2.2.1 „Der Vertragsabschluss“).
4.1.2 Auslegung einer Willenserklärung Die bisherigen Schilderungen haben wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass beim Vorliegen aller Voraussetzungen, Willenserklärungen hinreichend ausgestaltet sind. Häufiger als man vermutet, häufig sind sie derart mehrdeutig, dass sie der Auslegung bedürfen.
4.1 Der Vertragsabschluss
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Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Vertrag, der die Willenserklärung abbildet, Formulierungs- oder Rechtschreibfehler enthält. So kann es sein, dass das geschriebene Wort tatsächlich anders interpretiert werden kann, als es von dem oder sogar den Vertragsschließenden bezweckt oder gemeint war. Jeder noch so geringe Interpretationsspielraum kann den Weg zur Auslegung ebnen. Am Gesetz orientiert soll deshalb an dieser Stelle auf die zwei grundlegenden Arten der Auslegung von Willenserklärungen eingegangen werden.
4.1.2.1 Natürliche Auslegung Die natürliche Auslegung verfolgt das Ziel der Feststellung des wirklichen Willens des Erklärenden und orientiert sich dabei an § 133 BGB. § 133 BGB – Auslegung einer Willenserklärung Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Bei der natürlichen Auslegung wird Rücksicht auf die Interessen des Erklärenden genommen. Nicht auf jene des Erklärungsempfängers. Es herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass diese Methode der Auslegung grundsätzlich dann eine Rolle spielt, wenn es sich um eine nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die ausgelegt werden muss (Beispielsweise Testament i. S. v. § 2247 BGB). Von nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist dann die Rede, wenn niemand zwingend von der Willenserklärung Kenntnis nehmen muss. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr wird in der Regel jedoch mehr als eine Person tätig. Die,eisten Erklärungen sind empfangsbedürftig. Die natürliche Auslegung hilft da grundsätzlich nicht weiter. Jedoch gibt es eine Ausnahme. Und zwar besteht diese dann, wenn der Erklärungsempfänger nicht schutzwürdig ist. Beispiel
A kauft bei B Marktdaten ein. Es soll sich um Marktdaten der Sorte „R2D2“ handeln. A bestellt bei B jedoch Marktdaten der Sorte „C3PO“. B erkennt die Abweichung (weiß also was A eigentlich sagen wollte), schreibt dies im Vertrag so fest, jedoch in dem Bewusstsein, dass es sich dabei um Marktdaten der Sorte „R2D2“ handeln muss. A und B haben sich in diesem Fall wirksam über die „R2D2“-Marktdaten geeinigt. Eine gemeinsame, falsche Bezeichnung schadet nicht („falsa demonstratio non nocet“ – eine fehlerhafte Bezeichnung schadet nicht) (Reichgericht – Haakjöringsköd, RGZ 99, 147– 149). Der Erklärungsempfänger ist in diesem Fall nicht schutzwürdig, weil er trotz der vom Willen des A abweichenden Erklärung richtig erkannt hat, was A wollte. ◄
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4 Allgemeines Vertragsrecht Beispiel
A bezweckt den Erwerb einer Tablettenpresse von B zum Preis von € 3.000.000.-. B ist aus unerfindlichen Gründen bester Laune und ruft dem A zu, er würde ihm die Maschine auch so überlassen. A hat gehörige Zweifel daran, ob dies von B auch so gemeint war. Er fragt nicht weiter nach. Er sieht davon ab sich das ganze schriftlich geben zu lassen und will das Gerät schnell bei sich haben. Er nimmt B also beim Wort und will die Presse beim B abholen lassen. Dieser verweigert die Herausgabe. Das Ganze wäre ein Scherz gewesen. Zu Recht. Denn der Erklärungsempfänger ist auch dann nicht schutzwürdig, wenn er zwar nicht erkennt, ob die Erklärung (hier des B) tatsächlich ernst gemeint war, dies aber bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt (hier: nochmals nachfragen oder sich dies schriftlich geben lassen) hätte erkennen müssen. Aus der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme folgt im geschilderten Fall für B, dass er die Erklärung auszulegen hat. ◄
4.1.2.2 Normative Auslegung Orientiert an § 157 BGB spricht man bei dieser Auslegungsmethode von der normativen Auslegung. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind die Interessen des Empfängers als besonders schutzwürdig einzustufen. Zur Ermittlung des Inhalts der Willenserklärung sind alle für den Adressaten erkennbaren Umstände heranzuziehen. Weil aber die Berücksichtigung nur des Empfängerhorizonts für den Empfänger der Willenserklärung zu günstig und für den Erklärenden zu ungünstig wäre (der Empfänger hätte nämlich mangels Interesse nie auf den wirklichen Willen des Erklärenden Rücksicht zu nehmen), erfährt diese Betrachtung eine Korrektur – durch das normative Element. Dieses besagt, dass die Umstände bei der Auslegung nicht herangezogen werden dürfen, die dem Erklärenden nicht bekannt sein mussten. Man spricht auch von der Zurechenbarkeit des Erklärungsinhalts. Für unseren eingangs bereits geschilderten Weinversteigerungsfall (vgl. Abschn. 4.1.1 „Die Willenserklärungen im Einzelnen“) bedeutet dies, dass dem die Hand hebenden Besucher bei einer Weinversteigerung bei der Auslegung seiner Willenserklärung der Umstand zugerechnet wird, er befinde sich bei einer Weinversteigerung und wisse davon. Vom Vorliegen einer Willenserklärung kann daher ausgegangen werden. Der Bundesgerichtshof schreibt in seiner Entscheidung dazu: „Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGHZ 91, 320, 324).“
4.1 Der Vertragsabschluss
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4.1.3 Abgabe einer Willenserklärung Beispiel
Mitarbeiter M aus der Marketingabteilung plant eine neue Maßnahme. Zu diesem Zweck bedient er sich wie üblich Leistungen von Marketingagenturen. Er erstellt einen entsprechenden Agenturvertrag. Mit der Agentur ist er sich grundsätzlich einig, muss jedoch die finale Freigabe seiner Vorgesetzten abwarten. Mit seinen Plänen leicht in Verzug, bereitet M alles so weit vor, dass es im Falle der Freigabe schnell gehen kann. Er druckt den Vertrag in zweifacher Ausfertigung an, unterschreibt diesen und legt ihn sich zum Versand bereit. Leider kommt es nicht zur Freigabe der geplanten Maßnahme. Die eifrige Assistenz des M weiß von alledem nichts und kommt ihrer Arbeit wie gewohnt nach. Sie tütet den bereits unterzeichneten Vertrag sorgfältig ein und verschickt diesen an die Agentur. Diese geht nach Erhalt des Vertrags davon aus, dass der Vertrag wirksam zustande gekommen ist. ◄ § 130 Absatz 1 BGB stellt klar, dass eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie ihm zugeht. Voraussetzung nach § 130 Absatz 1 BGB ist jedenfalls, dass eine Abgabe durch den Erklärenden erfolgt. Erforderlich ist eine willentliche Entäußerung einer Erklärung in den Rechtsverkehr (Medicus 2007, S. 46). Die Erklärung muss erkennbar und endgültig gewollt sein. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn der Erklärende seinerseits alles Erforderliche getan hat, um die Erklärung „auf den Weg zu bringen“. Im zuvor geschilderten Fall des versehentlich versendeten Vertrags, ist die Willenserklärung schon nicht wirksam. Eine schriftliche Willenserklärung wird ohne Abgabe durch ihren Ersteller in Richtung des Erklärungsempfängers nicht wirksam. Es handelt sich um eine so genannte abhanden gekommene Willenserklärung, die lediglich den Schein einer Willenserklärung erzeugt und daher als nicht existent anzusehen ist (BGH NJW 1979, 2032, 2033). Obwohl die Lösung um die aufgeworfene Problematik der so genannten abhanden gekommenen Willenserklärung nicht unumstritten ist (Flume 2012, § 14 Ziff. 2, 23; Larenz und Wolf 1997, § 26 Rn. 5), besteht wenigstens im Ergebnis Einigkeit. Trotzdem ist das Verhalten des M nicht ganz folgenlos: Sollte der Vertragsschluss durch das Unternehmen des M endgültig abgelehnt werden, hat die Agentur gegen das Unternehmen des M einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Die Agentur kann die im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages entstandenen Vermögensnachteile ersetzt verlangen.
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4 Allgemeines Vertragsrecht
4.1.4 Zugang einer Willenserklärung Eine Willenserklärung ist im Sinne von § 130 Absatz 1 S. 1 BGB dann zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei gewöhnlichem Lauf der Dinge mit deren Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Beispiel
Wie bereits aufgezeigt, kommt ein Vertrag durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Angenommen, die Parteien haben sich darauf verständigt, dass die Willenserklärung unbedingt in Schriftform vorliegen muss, anderenfalls soll sie als nicht abgegeben angesehen werden. A gibt seine Willenserklärung gegenüber B schriftlich ab, indem er sie in einem Briefumschlag in dessen Briefkasten deponiert. B hingegen fasst seine Willenserklärung in Schriftform ab und bringt sie mittels einer Flaschenpost auf dem Rhein auf den Weg in der Hoffnung, diese würde den A erreichen. ◄ Während die Willenserklärung des A gegenüber B im Sinne des § 130 Absatz 1 S. 1 BGB als abgegeben gilt, weil sie in dessen Machtbereich gelangt ist (= Postkasten) und bei gewöhnlichem Lauf der Dinge mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann (etwa tägliches Hineinschauen durch B), ist indes die Willenserklärung des B an A nicht zugegangen. Weder handelt es sich beim Rhein um den Machtbereich des A noch kann beim gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einer Kenntnisnahme durch A gerechnet werden. Vielmehr hängt es vom Zufall ab, ob A die Flaschenpost des B jemals wird in Empfang nehmen können. Ein Vertrag zwischen A und B ist folglich nicht zustande gekommen. Die Praxis begegnet oft der Herausforderung, dass der Zugang einer Willenserklärung nicht nachgewiesen werden kann, weil tatsächlich kein Zugang erfolgte. Möglich ist es, dass der Zugang nicht erfolgte, weil er verhindert wurde. Im Rahmen einer etwaigen Zugangsverhinderung kann zwischen arglistiger und fahrlässiger Zugangsverhinderung unterschieden werden. In beiden Fällen läuft es nach mittlerweile herrschender Auffassung (BGHZ 67, 271) darauf hinaus, dass die Willenserklärung als zugegangen gewertet werden kann. Besonders für den potentiellen Empfänger im unternehmerischen Geschäftsverkehr bedeutet das: Wer aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehung mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen muss, der hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, dass ihn diese auch erreichen (BGHZ 137, 205 ff.). Case Study 4: Zeitige Annahme
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Wie lange denn noch“ (siehe Abschn. 12.2.2.1 „Der Vertragsabschluss“).
4.1 Der Vertragsabschluss
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4.1.5 Schweigen, Kaufmännisches Bestätigungsschreiben Bisher wurde vorausgesetzt, dass die Willenserklärungen, die zum Vertragsschluss führen, in bestimmter Art und Weise zum Ausdruck gebracht wurden. Dies ist grundsätzlich auch erforderlich. Schweigen hingegen ist grundsätzlich rechtlich nicht erheblich und stellt keine Willenserklärung dar. Ausnahmen von diesem Grundsatz können kraft Parteivereinbarung oder kraft Gesetzes vorgesehen sein. Eine solche Ausnahme zu dem oben beschriebenen Grundsatz ist, dass Schweigen eine Zustimmung oder Ablehnung bedeuten kann. Die aus dem Handelsgesetzbuch beziehungsweise dem Bürgerlichen Gesetzbuch exemplarisch aufgezeigten Ausnahmen sind nachfolgend entsprechend hervorgehoben. Ausnahme im HGB § 377 HGB (Untersuchungs- und Rügepflicht) (1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. (3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt. (4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige. (5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen. Ausnahme im BGB § 108 BGB Vertragsschluss ohne Einwilligung (1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von
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4 Allgemeines Vertragsrecht
zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. (3) Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters. Einen Sonderfall stellt das so genannte Kaufmännische Bestätigungsschreiben (Friedrich and Thüsing 2019, S. 40 ff.) dar. Ein Schweigen hierauf führt grundsätzlich dazu, dass der avisierte Vertrag mit dem Inhalt des Kaufmännischen Bestätigungsschreibens zustande kommt. Damit ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben seine Wirkung entfalten kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: a) Erklärungsempfänger Kaufmann (Ob Kaufmann oder im Umfange wie ein Kaufmann am Geschäftsleben teilnehmen auch schon genügt, ist umstritten) b) Absender Kaufmann (Es gilt das zur Kaufmannseigenschaft beim Absender Gesagte.) c) Aus Sicht des Absenders liegt bereits ein Vertragsschluss vor d) Unverzügliche Bestätigung (also unmittelbar nach finalen Vertragsverhandlungen) e) Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers f) Gutgläubigkeit des Absenders (bzgl. Vertragsinhalt) Case Study 5: Schweigen als Willenserklärung
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Ich habe doch gar nicht zugestimmt“ (siehe Abschn. 12.2.2.1 „Der Vertragsabschluss“).
4.1.6 Die Auftragsbestätigung In Abgrenzung zum Kaufmännischen Bestätigungsschreiben wird bei der reinen Auftragsbestätigung lediglich auf ein Angebot Bezug genommen. Der Absender geht mithin nicht von einem Vertragsschluss aus. Vielmehr ist nach seiner Vorstellung ein weiterer Zwischenschritt erforderlich. Nämlich die Annahme des Angebots. Mit seiner dann erteilten Auftragsbestätigung bringt er seinen Willen zum Ausdruck, das ihm gemachte Angebot annehmen zu wollen. Der Vertrag kommt regelmäßig erst dadurch zustande (Oetker 2019, § 346 Rn. 38). Dies bedeutet zugleich, dass die Bestätigung keine Abweichungen enthält. Ist das der Fall, nimmt sie nicht mehr auf das ursprünglich gemachte konkrete Angebot Bezug. „Mit einer Auftragsbestätigung nimmt der Kaufmann ein ihm gemachtes Angebot (‘Auftrag’) an und macht dadurch in der Regel den Vertrag perfekt. Weicht die Auftragsbestätigung vom Angebot ab, gilt dies als Ablehnung und neuer Antrag. […] Das Schweigen auf eine Auftragsbestätigung führt insbesondere nicht dazu, dass ein Auftrag mit dem Inhalt,
4.1 Der Vertragsabschluss
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wie er bestätigt wird, nun als erteilt gilt. […] Ein “kaufmännisches Bestätigungsschreiben” im Rechtssinne setzt voraus, dass aus der Sicht des Bestätigenden bereits ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, den er nun bestätigen will. […] Das Bestätigungsschreiben ist also in der Regel bloße Beweisurkunde. […] Schweigen auf das Bestätigungsschreiben gilt […] als Zustimmung (OLG Schleswig, Urt. v. 18.03.2004 – 11 U 137/02).“
4.1.7 Stellvertretung Nochmal: Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme zustande. Das Zustandekommen eines Vertrags setzt nicht voraus, dass die Willenserklärungen auch durch die aus dem Vertrag Begünstigten beziehungsweise Belasteten selbst abgegeben wird. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist es sogar der Regelfall, dass Willenserklärungen (regelmäßig im Rahmen von Vertragsschlüssen) nicht durch die geschäftsführenden Organe selbst abgegeben werden. Vielmehr handeln Mitarbeiter des Unternehmens im Auftrag oder in Vertretung des Unternehmens (beziehungsweise seiner Organe) (zur genauen Ausgestaltung der einzelnen Fälle vgl. nachfolgende Ausführungen). § 164 BGB zeigt unter anderem die Wirkung einer Willenserklärung auf, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt. Sie wirkt danach unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. Gleichzeitig zeigt § 164 Absatz 1 BGB die Voraussetzungen auf, die für eine wirksame Vertretung erforderlich sind: a) Eigene Willenserklärung b) Im fremden Namen c) Mit Vertretungsmacht Es muss sich um eine eigene Willenserklärung handeln. In Abgrenzung zur Botenschaft ist dies dann der Fall, wenn ein eigener Wille derlei gebildet wird, dass der Willensbildung und Entscheidungsfindung (Medicus 2007, Rn. 77) ein gewisser Beurteilungsspielraum zugrunde lag. Der Bote hingegen überbringt lediglich eine fremde Willenserklärung, ohne einen eigenen Beurteilungsspielraum nutzen zu dürfen. Einen Grenzfall stellt der Vertreter mit gebundener Marschrichtung dar. Dieser lässt sich bestenfalls an einem Kaufhausangestellten veranschaulichen. Kaufhausangestellte sind gehalten mit jedem Kunden zu kontrahieren. Insoweit sind sie eng an den Willen des geschäftsführenden Organs gebunden. Gleichwohl handelt es sich rechtlich im Ergebnis um einen Fall der Stellvertretung, da sie trotz klarer Vorgaben einen maximalen Entscheidungsspielraum haben.
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4 Allgemeines Vertragsrecht
Die Willenserklärung muss in fremdem Namen erfolgen. Dies hat der Vertreter offenzulegen. Bei der Abgabe von Willenserklärungen im Rahmen von Vertragsschlüssen geschieht dies regelmäßig durch die Kenntlichmachung „i. A.“ oder „i. V.“, aber auch durch die (Begleit-)Umstände bei Vertragsschluss als solche. Denn gemäß § 164 Absatz 1 S. 2 BGB macht es keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll (Erklärung kommt auf Briefpapier des Vertretenen daher, etc.). Wird eine Willenserklärung telefonisch zum Zwecke des Vertragsschlusses für ein Unternehmen abgegeben, kann sie naturgemäß nicht wie oben beschrieben gekennzeichnet werden. Deshalb ergibt sich aus den begleitenden Umständen, dass der entsprechende Vertrag im Namen des Unternehmens geschlossen werden soll (jemand meldet sich mit Unternehmensnamen, Telefonnummer des anrufenden Unternehmens wird angezeigt oder auch offensichtlich mangelndes Eigeninteresse des Anrufenden an eigenem Vertragsschluss). Um wirksam Willenserklärungen für einen anderen abgeben zu können, muss der Vertreter mit einer entsprechenden Vertretungsmacht ausgestattet sein. Vertretungsmacht ist die Rechtsmacht, den Vertretenen durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln unmittelbar zu berechtigen und zu verpflichten. Die Vertretungsmacht kann aus unterschiedlichen Grundlagen abgeleitet werden. Zu unterscheiden sind rechtsgeschäftliche und gesetzliche Arten der Vertretungsmacht.
4.1.7.1 Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht: Sogenannte Vollmacht Die Vollmacht ist die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (vgl. Wortlaut § 164 Absatz 2 S. 1 BGB). Die Erteilung der Vollmacht ist grundsätzlich formlos möglich. Ausnahmen sind teilweise gesetzlich geregelt, spielen im unternehmerischen Geschäftsverkehr jedoch eine eher untergeordnete Rolle. 4.1.7.2 Gesetzliche Vertretungsmacht Eine Vertretungsmacht kann sich aber auch aus dem Gesetz ergeben. Der gesonderten Einräumung bedarf es nicht. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr spielen dabei die Fälle der Vertretungsmacht kraft organschaftlicher Stellung eine wichtige Rolle. Die gesetzlich geregelten und im unternehmerischen Geschäftsverkehr gleichzeitig wichtigsten sind aus nachfolgender Aufstellung ersichtlich (vgl. Tab. 4.1 „Gesetzliche Regelungen zur organschaftlichen Stellvertretung“). 4.1.7.3 Vertretungsmacht kraft Rechtsschein Entgegen der teilweise vertretenen Ansicht, eine Vertretungsmacht könne sich nicht aus einem Rechtsschein heraus ergeben, orientiert sich die ganz weit verbreitete und von der Rechtsprechung gestützte gegenteilige Auffassung maßgeblich sogar an gesetzlichen Vorschriften.
4.1 Der Vertragsabschluss
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Tab. 4.1 Gesetzliche Regelungen zur organschaftlichen Vertretung #
Gesellschaftsform
Vertretung durch
Gesetzliche Regelung
1
Aktiengesellschaft (AG)
Vorstand
§ 78 AktG
2
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Geschäftsführer
§ 35 GmbHG
3
Kommanditgesellschaft (KG)
Komplementäre
§§ 161 Abs. 2, 125 HGB
4
Offene Handelsgesellschaft (OHG)
Gesellschafter
§ 125 HGB
5
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Gesellschafter
§§ 714, 709 BGB
So regelt § 170 BGB, dass die einem Dritten gegenüber kund getane Vollmacht für beispielsweise einen Angestellten, diesem gegenüber so lange in Kraft bleibt, bis ihm (dem Dritten) das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird. Ist also von einem Unternehmer einem ganz bestimmten Geschäftspartner gegenüber mitgeteilt worden, dass ein bestimmter Mitarbeiter des Unternehmers zu gewissen Handlungen (Abgabe von Willenserklärungen) ermächtigt ist, so gilt dies bis auf Widerruf. Wird die Vollmacht gegenüber dem Mitarbeiter widerrufen, dies dem Geschäftspartner aber nicht mitgeteilt, so besteht beim Geschäftspartner der Rechtsschein, der Mitarbeiter wäre nach wie vor ermächtigt. Vom Mitarbeiter dann abgegebene Willenserklärungen wirken nach wie vor für und gegen den Unternehmer. Ist die Vollmacht gegenüber dem Geschäftspartner beispielsweise schriftlich mitgeteilt worden, sind die §§ 171 ff. BGB zu beachten. Es greifen dann auch für den Widerruf besondere Formvorschriften. 4.1.7.3.1 Duldungsvollmacht Sonderfälle der Anscheinsvollmacht bilden die so genannten Duldungs- und die Anscheinsvollmacht. Die Duldungsvollmacht zeichnet sich dadurch aus, dass der Handelnde wie ein Vertreter auftritt, der Vertretene dies weiß, der Vertretene gleichwohl nichts unternimmt (obwohl er könnte) und der Geschäftspartner gleichzeitig darauf vertraut, dass eine Vollmacht erteilt wurde. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr kommt dies sogar relativ häufig vor. Unterschreibt der Mitarbeiter des Unternehmers einen Vertrag, ohne hierzu ausdrücklich ermächtigt worden zu sein und gestattet der Unternehmer (beispielsweise vertreten durch ein geschäftsführendes Organ, s. o.) dies beispielsweise indem er ebenfalls unterschreibt, liegt der Fall einer Duldungsvollmacht vor, wenn der Vertragspartner auf das Vorliegen einer entsprechenden Berechtigung vertraut hat. 4.1.7.3.2 Anscheinsvollmacht In Abgrenzung zur Duldungsvollmacht zeichnet sich die Anscheinsvollmacht dadurch aus, dass der vertretene Unternehmer vom Handeln des Mitarbeiters nichts weiß, aber etwas hätte wissen müssen.
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4 Allgemeines Vertragsrecht
In beiden Fällen – sowohl bei der Duldungs- als auch bei der Anscheinsvollmacht – wirken die durch den Mitarbeiter abgegebenen Willenserklärungen für und gegen den Unternehmer/das Unternehmen. Natürlich hat der Unternehmer auch in den angesprochenen Fällen der Rechtsscheinvollmacht die Möglichkeit, die Vollmachten anzufechten. Ob dies jedoch zum Erfolg führt, bleibt den Umständen des Einzelfalles vorbehalten.
4.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen Der unternehmerische Geschäftsverkehr ist stärker von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geprägt, als dies den vertragsschließenden Beteiligten häufig bewusst ist (zur Geltung von AGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr vgl. Baumbach und Hopt 2016, S. 1794). Dies geht vorwiegend auf das zu weit verbreitete Verständnis zurück, AGB hätten ein bestimmtes Aussehen oder einen bestimmten Namen und seien deshalb schon äußerlich klar als Geschäftsbedingungen auszumachen. Wie noch zu zeigen sein wird, ist dies sogar regelmäßig gerade nicht der Fall. Allgemeine Geschäftsbedingungen haben gleichwohl einen typischen Anwendungsbereich. Sie ermöglichen den Vertragsparteien nämlich sich vom Gesetzeswortlaut zu lösen und individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Verwenders zugeschnittene Bedingungen vorzuformulieren und zur Grundlage einer Geschäftsbeziehung zu machen. Neben der angesprochenen individuellen Gestaltbarkeit, lassen sich die Ersparnis von viel Arbeit, Einheitlichkeit, Rechtssicherheit und damit Risikominimierung (Richter 2013, S. 335; Stangl 2016, S. 20) als Vorteile der Verwendung von Geschäftsbedingungswerken ausmachen (ähnlich: Graf von Westphalen 2016, S. 1). Der Unternehmer erspart es sich stets Verträge individuell gestalten oder neu aufsetzen zu müssen, soweit die Inhalte derselben wiederkehrend sind. Wiederkehrende Klauseln, wie etwa solche zur Haftung oder zum Gerichtsstand müssen nicht stets gelesen und geprüft werden. Als Geschäftsbedingung können sie mit gleich hohem Maß an Rechtssicherheit in die Geschäftsbeziehung einbezogen werden.
4.2.1 Zum Begriff Allgemeiner Geschäftsbedingungen Wie bereits angesprochen, lassen sich Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht an Ihrem Erscheinungsbild (etwa Kleingedrucktes) oder ihrer Bezeichnung (beispielsweise als Verkaufsbedingungen) eindeutig identifizieren. Es ist daher im Ergebnis und für den noch aufzuzeigenden Prüfungsmaßstab gleichgültig, ob „AGB draufsteht, solange AGB drin ist“. Deutlicher wird diese zunächst eigenartig anmutende Einordnung, wenn man das Gesetz konsultiert. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dort ausdrücklich definiert.
4.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen
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§ 305 Abs. 1 BGB Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbeziehungen in den Vertrag (1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. […] Vertragsbedingungen Dem Wortlaut des Gesetzes nach müssen Vertragsbedingungen vorliegen. Der Begriff der Vertragsbedingungen wird sehr weit verstanden. Letztlich sind alle Vereinbarungen umfasst, die Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien begründen sollen und gleichzeitig den Vertragsinhalt ausmachen. Dies trifft auf nahezu jede Regelung in einem Vertrag zu, soweit sie denn keine Individualvereinbarung ist (dazu gleich unter Abschn. 4.2.1.1 „Abgrenzung zur Individualabrede und Vorrang“). Mithin ist eine Standardvertragsvorlage im Zweifelsfall rechtlich betrachtet nichts anderes als ein AGB-Werk. Dies ist sogar der Regelfall und nur ausnahmsweise nicht so zu beurteilen. Vorformuliert Die Bedingungen müssen vorformuliert sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert werden. Der Rechtsprechung zufolge genügt sogar das Abspeichern im Kopf des Verwenders (BGH NJW 1988, 410; BGH NJW 2001, 2635). Einer schriftlichen oder sonstigen Fixierung bedarf es aber nicht zwingend, wenn die mehrfache Verwendungsabsicht bestanden hat (BGH NJW, 1988, 410). Nicht erforderlich ist es, dass der Verwender die Vertragsbedingungen selbst vorformuliert hat. Es genügt, wenn Bedingungen verwendet werden, die von einem Wirtschafts- oder Interessenverband entworfen worden sind und entsprechend vertrieben werden (Münchener Kommentar 2019, § 305 Rn. 14). Ohne Einfluss auf die Einordnung eines Textes als AGB ist es, ob es sich um einen vollständigen Vertragstext handelt oder nur eine Passage aus einem Vertrag. Ein einzelner Satz aus einem Einzelnen ganzheitlich ausgehandelten Vertrag kann als AGB eingeordnet werden, wenn die Voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind. Klauseln mit ausfüllungsbedürftigen Platzhaltern (etwa graue Hinterlegungen, eckige Klammern, entsprechende Inhaltssteuerungselemente oder sonstige Leerräumen) sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie unselbständige Ergänzungen, wie etwa die Einfügung von Namen oder des Vertragsobjektes betreffen (BGH NJW 1998, 2815).
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Stammt die Ergänzung im Text vom Vertragspartner unterscheidet die Rechtsprechung bei noch auszufüllenden Lücken danach, ob durch die Ergänzung der wesentliche Inhalt der Klausel bestimmt wird (sodann handelt es sich um eine Individualvereinbarung) oder es sich lediglich um eine unselbständige Ergänzung der Klausel handelt (es verbleibt in diesem Fall bei der Wertung der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung). Gestellt Bedingungen sind gestellt, wenn sie auf Initiative einer Partei (Oder ihres Abschlussgehilfen) in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden (BGH NJW 2010, 1131; BGH, NJW-RR 2014, 937). Schon der Wunsch einer Partei, von ihr benannte Vertragsbedingungen zu verwenden, ist dabei grundsätzlich ausreichend. Demgegenüber ergibt sich aus § 305 Absatz 1 S. 3 BGB, dass AGB nicht vorliegen, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Am Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen fehlt es hingegen, wenn deren Einbeziehung sich als Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird (BGH NJW 2010, 1131). Erforderlich hierfür ist aber, dass diese Vertragspartei in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (Graf von Westphalen 2014, S. 9 f.). Dazu reicht es aber nicht aus, Vertragsbedingungen ausschließlich mit der Bitte „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ hierzu mitzuteilen an die Gegenseite weiterzuleiten. Denn dadurch werde allenfalls eine gewisse Verhandlungsbereitschaft signalisiert, nicht jedoch eine tatsächliche Gelegenheit für die Gegenseite eröffnet, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH NJW 2016, 1230 ff.).
4.2.1.1 Abgrenzung zur Individualabrede und Vorrang Die einleitende Darstellung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unverzichtbares Grundwissen, wenn es um die Vertragsgestaltung geht. Ohne die Kenntnis von grundlegenden Begrifflichkeiten ist eine effiziente Vertragsgestaltung kaum möglich. Wie dargestellt, legt das deutsche Rechtssystem den Grundsatz der Privatautonomie zugrunde (vgl. Abschn. 3.4.1 „Grundsatz der Privatautonomie“). Die Parteien sind frei darin Vereinbarungen gleich welcher Art zu treffen, solange sie sich in den Grenzen des Zulässigen bewegen (vgl. Abschn. 3.4.1.2.3 „Einschränkungen der Vertragsfreiheit“). Individualabreden genießen (daher) nach § 305 BGB Vorrang. Im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegt eine Individualvereinbarung vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (§ 305 Absatz 2 BGB). Ein Aushandeln setzt voraus, dass der Verwender den von ihm vorformulierten beziehungsweise genutzten Text ernsthaft zur Disposition gestellt hat und dem anderen
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Vertragspartner eine reale Gestaltungsfreiheit der Klausel zur Wahrung eigener Rechte eingeräumt hat. In jüngerer Rechtsprechung geht der Bundesgerichtshof sogar soweit, dass die Möglichkeit des Vertragspartners zur Einflussnahme auf den Vertragstext, selbst dann, wenn ein ausdrückliches Angebot zur Korrektur oder Äußerung von Wünschen damit verbunden ist, und dieser hierauf eingeht, nicht genügt, um als Individualvereinbarung zu gelten (BGH, NZBau 2016, 213; BGH, NJW 2013, 856). Prominente Stimmen sagen: „Der BGH überdrehe die Schraube.“ Um den Prüfungsmaßstab des AGB-Rechts zu verlassen, sei vielmehr erforderlich, dass die die Klausel in die Verhandlung einbringende Partei schon Alternativformulierungen liefere, aus denen die jeweils andere Partei eine wähle (Maier-Reimer 2017, S. 1 ff.). Diese Auffassung des Bundesgerichtshofs ist sehr streng, wenn auch beachtlich. Vermutlich wird dies in der Praxis nicht Schule machen können, als das Angebot alternativer Formulierungen einen immensen und insgesamt nicht mehr praktikablen Mehraufwand für die Parteien bedeutete. Die Vereinbarkeit der derzeitigen Haltung des Bundesgerichtshofs mit seinen früheren Entscheidungen ist schwierig. Ob er bei dieser Linie bleibt, muss abgewartet werden. Hierzu gab es in der Vergangenheit durchaus auch gegenläufige Rechtsprechung (BGH NJW 1985, 57).
4.2.1.2 Im unternehmerischen Geschäftsverkehr Die Einbeziehung von AGB in eine Geschäftsbeziehung ist in § 305 Absatz 2 BGB geregelt. § 305 Abs. 1 BGB Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbeziehungen in den Vertrag (1) […] (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss 1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2. er der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. Eine Korrektur erfährt der unternehmerische Geschäftsverkehr diesbezüglich jedoch durch § 310 Absatz 1 S. 1 BGB. Danach finden § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1,
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2 bis 8 und § 309 keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Das hohe Schutzniveau, welches sich aus 305 Absatz 2 für Verbraucher ergibt, gilt zwischen Unternehmern zwar nicht (Emmerich 1972, S. 365). Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass AGB automatisch Eingang in eine etwaige Rechtsbeziehung zwischen Unternehmern finden. Es bedarf auch dort einer rechtzeitigen Einbeziehung der eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag. Es bedarf im Regelfall keiner Vorlage oder Übergabe der AGB. Kaufleute sind im Geschäftsverkehr regelmäßig erfahren und daher wird gefordert, dass sie den Sachverhalt selbständig erforschen, der für die einzugehende Geschäftsbeziehung maßgeblich ist. Dazu zählt es gemeinhin auch Geschäftsbedingungen des Vertragspartners aktiv einzufordern (Wolf et al. 2013, § 305 Rn. 131). In diese Gelegenheit muss der potentiell Fordernde jedoch auch versetzt werden können. Aufseiten des Verwenders ist es daher unerlässlich, dass er deutlich auf die Geltung seiner Geschäftsbedingungen hinweist und eine zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit verschafft. Vorsicht ist geboten, wenn es um mehr als eine Vertragsbeziehung geht. AGB werden stets für die konkrete vertragliche Beziehung zum Einsatz gebracht und wirken nicht einfach fort. Vielmehr sind AGB in jeder neuen vertraglichen Beziehung auch erneut einzubeziehen.
4.2.1.3 Einbeziehung auf anderen Wegen Besonderheiten stellen sich bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Kaufmännischem Bestätigungsschreiben (vgl. Abschn. 4.1.5 „Schweigen, Kaufmännisches Bestätigungsschreiben“) und Auftragsbestätigung (vgl. Abschn. 4.1.6 „Die Auftragsbestätigung“). Bein einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben wird man einen klaren Hinweis auf die „nun doch“ gewünschte Einbeziehung fordern müssen (Stangl 2016, S. 40 f.). Denn der Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens darf nicht wesentlich vom Vereinbarten abweichen. Derartige Abweichungen sind nur dann wirksam, wenn diese im Nachgang vom Vertragspartner auch akzeptiert werden. Das Gegenteil dürfte regelmäßig der Fall sein. Ganz ähnlich verhält es sich mit einer Auftragsbestätigung. Verweist die Auftragsbestätigung erstmalig auf die Geschäftsbedingungen des Bestätigenden, stellt dies keine vorbehaltlose Annahmeerklärung des Bestätigungsempfängers dar. Das ursprüngliche Angebot des Vertragspartners gilt insoweit als abgeändert und bedarf der Annahme des ursprünglich Antragenden. Durch bloßes Schweigen ist dies nicht möglich. Der Vertrag kann aber dann durch schlüssiges Verhalten zustande kommen, indem der Vertragspartner etwa gelieferte Ware vorbehaltlos annimmt, wenn der Liefernde gleichzeitig ausdrücklich unter Verweis auf seine AGB liefert (BGH NJW-RR 2000, 1154).
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4.2.1.4 Keine Einbeziehung bei überraschenden Klauseln Einen Sonderfall und damit der eigentlichen Wirksamkeitsprüfung vorgelagert, stellen überraschende Klauseln dar. Gemäß § 305 c BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nämlich gar nicht erst Vertragsbestandteil. Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zulasten des Verwenders. Der Vertragspartner soll darauf vertrauen dürfen, dass eine Klausel nicht allzu weit von den bei Rechtsgeschäften gleicher Art üblichen und zu erwartenden Bedingungen abweicht (BGH NJW-RR, 2004, 780; BGH NJW-RR 2004, 1397). Bemerkenswert ist, dass eine Klausel, die inhaltlich sogar angemessen ist, dennoch als unwirksam eingestuft werden kann, wenn sie für den Vertragspartner gleichzeitig überraschend ist. Natürlich ist dabei nicht das subjektive Empfinden des Vertragspartners zugrunde zu legen. Vielmehr muss objektiv erkennbar werden, dass der Vertragspartner vernünftigerweise nicht mit einer entsprechenden Klausel hätte rechnen dürfen und sich deshalb „überrumpelt“ fühlen durfte (BGH NJW-RR 2004, 780; BGH NJW-RR 2004, 1397).
4.2.2 Klauselverbote nach dem Gesetz Die nach vorstehend Gesagtem folgende Wirksamkeitsprüfung von Geschäftsbedingungen orientiert sich an den §§ 307 bis 309 BGB. Diese Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind ebenso lang wie informativ. Die Vorschriften werden im Folgenden bewusst in „umgekehrter Reihenfolge“ dargestellt. Tatsächlich handelt es sich dabei um diejenige Reihenfolge, in der man nach dem Gesetz die Klauseln prüfen würde. Der Grund ist darin zu sehen, dass § 309 BGB speziellere Fälle regelt als § 308 BGB. § 308 BGB wiederum spezieller ist als § 307 BGB. Ist also eine Klausel schon nach § 309 BGB unwirksam, erübrigt sich eine Prüfung nach § 307 BGB. Eine Auswirkung ergibt sich dabei auch mit Blick auf den Prüfungsmaßstab. Denn während § 308 BGB eine Wertungsmöglichkeit zulässt (vgl. Titel der Vorschrift), handelt es sich bei Klauseln im Sinne von § 309 BGB stets um unwirksame Klauseln („Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit“). Klauseln im Sinne von § 308 BGB können also unter Umständen noch wirksam sein. Ist jedoch eine Klausel schon nach § 309 BGB unwirksam, kann nicht § 308 herangezogen werden.
4.2.2.1 Inhaltskontrolle nach § 309 BGB Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, gibt es zahlreiche Bestimmungen, die im Lichte des § 309 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind.
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Kurzfristige Preiserhöhungen Dies gilt beispielsweise für eine Bestimmung, die eine Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden. Aufrechnungsverbot Ebenfalls nach § 309 BGB als unwirksam einzustufen ist eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Mahnung, Fristsetzung Gleiches gilt für eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen. Vertragsstrafe Besonderer Erwähnung, weil häufig vorkommend, bedarf § 309 Nr. 6 BGB. Danach ist eine Bestimmung unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, grobes Verschulden Ebenso ist § 309 Nr. 7 BGB ein sehr häufiger Unwirksamkeitsgrund bei verwendeten Vertragsklauseln. Unwirksam ist danach ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen. Ferner unwirksam ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen. Beschränkung auf Nacherfüllung Unwirksam ist auch eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten.
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Gleiches gilt, wenn für eine Klausel, durch die der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach § 309 Nr. 8 b ff. BGB zulässige Frist. Beweislast Unwirksam ist nach § 309 BGB auch eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt.
4.2.2.2 Inhaltskontrolle nach § 308 BGB Fällt die überprüfte Klausel nicht in den Regelungsbereich von § 309 BGB, so ist zu prüfen, ob eine Klausel nach § 308 BGB vorliegt. Annahme- und Leistungsfrist In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine Bestimmung unwirksam eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält. Zahlungsfrist Gleiches gilt für eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält. Ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist. Gleiches gilt, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht. Überprüfungs- und Annahmefrist Nicht wirksam vereinbart werden kann eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist; Nachfrist Eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält, kann nicht wirksam als AGB in eine Geschäftsbeziehung einbezogen werden.
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Rücktrittsvorbehalt AGB-rechtlich nicht möglich ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders von AGB, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht im Wege des Rücktritts zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse. Änderungsvorbehalt § 308 Nr. 4 BGB betrifft den sogenannten Änderungsvorbehalt. Die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist, ist unwirksam. Abwicklung von Verträgen Als vom Gesetz für unwirksam erachtet wird auch eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann.
4.2.2.3 Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Den Abschluss der dreigliedrigen inhaltlichen Prüfung von Geschäftsbedingungen bildet die Prüfung des § 307 BGB. Diese Vorschrift ist vom Gesetzgeber sehr allgemein gehalten und bildet gewissermaßen einen Auffangtatbestand. Was nicht von den §§ 308, 309 BGB erfasst wird kann noch immer nach § 307 BGB als unwirksam eingestuft werden. Deutlich wird dies schon bei dem sehr weit gefassten Absatz 1 der Norm. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Ohne Erklärung durch den Gesetzgeber bleibt zunächst, was mit den „Geboten von Treu und Glauben“ gemeint sein könnte. Diese unbestimmte, ausfüllungsbedürftige Formulierung ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen obergerichtlicher Rechtsprechung gewesen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit § 242 BGB – dort taucht die Formulierung ebenfalls auf. Die Auflistung der im Rahmen dieser Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen allein würde schon den Umfang der vorliegenden Darstellung sprengen. Deshalb soll auf Details nicht näher eingegangen werden. Dieser Hinweis verdeutlicht lediglich, was sich hinter einer scheinbar „harmlosen“ Vorschrift verbergen kann. Auch die Formulierung „unangemessene Benachteiligung“ ist so gewählt worden, dass die Gerichte sie im Rahmen von Einzelfallentscheidungen mit Leben füllen können. Exemplarisch hat der Gesetzgeber einige Beispiele genannt. Er stellt klar, dass
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eine unangemessene und damit unwirksame Regelung vorliegen kann, wenn sie unklar beziehungsweise verständlich ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel auch dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Case Study 6: Prüfungsmaßstab AGB-Recht
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „das sind doch keine AGB“ (siehe Abschn. 12.2.2.2 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“).
4.2.3 Konfliktmoment kollidierender Geschäftsbedingungen Verwendet jede Vertragspartei ihre eigenen, mit der anderen Vertragspartei kollidierenden AGB, so gilt nach heute überwiegend vertretener Auffassung nicht mehr das sogenannte Prinzip des letzten Wortes (Wolf et al. 2013,§ 305 S. 142). Entgegen der Auslegungsregel des § 154 Absatz 1 BGB gilt der Vertrag trotz kollidierender AGB als geschlossen, wobei die AGB Vertragsinhalt werden, soweit sie sich nicht widersprechen, während im Übrigen das dispositive Recht, also die Gesetzeslage gilt (zur „Theorie des letzten Wortes“: Richter 2013, S. 356). Man spricht vom sogenannten Prinzip der Kongruenzgeltung (vgl. dazu Abb. 4.2 „Kollidierende Geschäftsbedingungen“). Im Übrigen richten sich die Folgen danach, ob die beiderseitigen AGB eine Abwehrklausel, das heißt die fremden AGB werden nicht anerkannt, oder eine Ausschließlichkeitsklausel enthalten, das heißt der Vertrag soll nur mit den eigenen AGB geschlossen werden (Rieger und Friedrich 1987, S. 125).
Abb. 4.2 Kollidierende Geschäftsbedingungen. (Quelle: Eigene Darstellung)
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4.2.3.1 Verwendung einer Abwehrklausel Enthalten die AGB des Anbieters eine Abwehrklausel (beispielsweise: „Fremde AGBs gelten nur, soweit wir der Geltung zugestimmt haben.“), so gilt dies als vorweggenommener Widerspruch mit denselben Folgen wie beim Widerspruch des Anbieters. Wird der Vertrag dennoch abgewickelt, so ist entgegen § 154 Absatz 1 BGB der Vertrag ohne Einigung über die AGB, jedoch mit Geltung der inhaltlich kongruenten (sich nicht widersprechenden) AGB zustande gekommen (BGH NJW, 1982, 1749; NJW-RR 1986, 984; NJW-RR 2001, 484). 4.2.3.2 Verwendung einer Ausschließlichkeitsklausel Enthalten die AGB des Anbieters eine Ausschließlichkeitsklausel (beispielsweise: „Unsere AGB gelten ausschließlich.“), so gilt das zur Verwendung einer Abwehrklausel Gesagte entsprechend. In der Regel verwenden beide Seiten eine Ausschließlichkeitsklausel. Losgelöst vom Verwenden einer Abwehrklausel gilt, dass bei Abwicklung des Vertrags im Falle der beiderseitigen Verwendung einer Ausschließlichkeitsklausel, die Durchführung des Vertrags als stillschweigender Verzicht auf die Ausschließlichkeitsklausel gewertet wird. Der Vertrag kommt unter Geltung des Kongruenzprinzips zustande (OLG Köln BB 1980, 1237; BGH NJW-RR 2001, 484). 4.2.3.3 Zum Prinzip der Kongruenzgeltung Das Kongruenzprinzip bedeutet: Ist der Vertrag entgegen § 154 Absatz 1 BGB ohne Einigung über die AGB einer Partei zustande gekommen, gilt nicht ausschließlich dispositives Recht (BGH NJW 1985, 1838 (1839); OLG Köln BB 1980, 1237). Dem Parteiwillen wird dadurch Rechnung getragen, dass die AGB gelten, soweit sie inhaltlich übereinstimmen. Nur im Übrigen gilt die Gesetzeslage. Dies wird nur selten anders beurteilt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die AGB des Vertragspartners Vertragsbestandteil werden, unabhängig davon, ob sie wirksam sind oder nicht. Die Wirksamkeit der jeweiligen Regelung bleibt auch dann noch Grundvoraussetzung (zum Prinzip der Kongruenzgeltung, auch Konsens-Dissens-Prinzip genannt vgl. Lenz 2019, S. 330 f.). Case Study 7: Kollidierende Geschäftsbedingungen
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Ich habe meine doch zuerst geschickt“ (siehe Abschn. 12.2.2.2 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“).
4.2.4 Sonderfall: Eigentumsvorbehalt Einen gewichtigen Punkt bildet der vom Veräußerer im Rahmen von Handelsbeziehungen regelmäßig bezweckte Eigentumsvorbehalt. Beim Eigentumsvorbehalt geht es dem Verkäufer darum das Eigentum an den von ihm veräußerten (und meistens
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auch übergebenen) Waren noch für eine gewisse Zeit zu behalten. In den meisten Fällen möchte der Verkäufer den endgültigen Eigentumsübergang an den Waren von der Bezahlung selbiger abhängig machen. Das Eigentum soll also erst dann übergehen, wenn die Waren bezahlt werden. Eine AGB-rechtliche und in der Praxis relevante Thematik ergibt sich dann, wenn der Käufer über seine AGB Gegenteiliges zum Ausdruck bringt, nämlich, dass das Eigentum bereits vor Bezahlung an ihn übergehen soll.
4.2.4.1 Grundsätzliches Unter Berücksichtigung des Prinzips der Kongruenzgeltung könnte man davon ausgehen, dass im Falle sich widersprechender Eigentumsvorbehaltsklauseln, die gesetzliche Lage Anwendung finden müsste. Dies würde dazu führen, dass man als Verkäufer die gelieferte Ware unbedingt – das heißt ohne Eigentumsvorbehalt – übereignet. Denn das Gesetz sieht im Grundfall keinen bedingten Eigentumserwerb vor. Vielmehr handelt es sich bei diesem Konstrukt um eine besondere Rechtsfigur. Und gleichwohl entspricht diese (zu pauschale) Annahme nicht der deutschen Rechtslage. 4.2.4.2 Differenzierung nach Art des Eigentumsvorbehalts Nicht jede Form des Eigentumsvorbehalts findet im Konfliktfalle gleichermaßen Berücksichtigung. 4.2.4.2.1 Der einfache Eigentumsvorbehalt Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum gelten die allgemeinen Rechtssätze zur Einbeziehung kollidierender AGB dann nicht uneingeschränkt, wenn die Verkaufsbedingungen einen einfachen Eigentumsvorbehalt enthalten (Palandt 2017, § 305 S. 55; Münchener Kommentar 2019, § 305 S. 118; Klaus Peter. 2004, S. 415 ff.). Beispiel einer verwendeten Eigentumsvorbehaltsklausel „Bis zur völligen Bezahlung unserer sämtlichen Forderungen aus dem Geschäftsverkehr mit dem Besteller bleibt die Ware unser Eigentum. Sie darf nur im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr weiterverkauft, nicht aber an Dritte verpfändet oder zur Sicherung übereignet werden. Die beim Weiterverkauf unserer Ware gegen Dritte entstehenden Forderungen werden bereits hiermit zur Sicherheit für unsere vorstehend bezeichneten Ansprüche aus der Geschäftsverbindung in voller Höhe im Voraus an uns abgetreten. Die Abtretung wird hiermit angenommen. Der Besteller ist berechtigt, diese Forderungen selbst einzuziehen. Übersteigt der Wert der Sicherungen unsere Forderungen nicht nur vorübergehend um mehr als 10 %, so sind wir auf Verlangen des Bestellers zur Rückerstattung von Sicherheiten unserer Wahl in der unsere Forderungen übersteigenden Höhe verpflichtet. Zugriffe Dritter auf die Eigentumsware oder auf die sicherungshalber abgetretenen Kaufpreisforderungen, insbesondere Pfändungen, sind uns unverzüglich auf dem schnellsten Wege mitzuteilen. Gerät der Besteller in Zahlungsverzug oder verstößt er gegen die vorliegenden Verkaufsbedingungen, so sind wir jederzeit berechtigt, die in unserem Eigentum stehende Ware zurückzuholen und die sicherungshalber abgetretenen Forderungen einzuziehen. Der Besteller ist verpflichtet, uns unverzüglich Auskunft über seine Schuldner und die Höhe der jeweiligen abgetretenen Forderungen zu geben.“ ◄
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Die verwendete Klausel stellt keinen einfachen Eigentumsvorbehalt dar. Soweit das Eigentum an der gelieferten Ware erst dann übergehen soll, wenn sämtliche Forderungen aus der Geschäftsbeziehung getilgt sind, im Übrigen der Verkauf der Ware unter Abtretung der dadurch entstehenden Forderungen gestattet wird, handelt es sich um eine Kombination aus einem erweiterten und einem verlängerten Eigentumsvorbehalt. 4.2.4.2.2 Der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt Die Kombination aus erweitertem und verlängertem Eigentumsvorbehalt ist im unternehmerischen Geschäftsverkehr unbedenklich (BGH NJW 1985, 1836, 1837; BGH NJW 1987, 487, 488). Für den verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt gilt, dass allgemein bei Vorliegen einer qualifizierten, aber nicht ausdrücklich gegen einen Eigentumsvorbehalt gerichteten Abwehrklausel in den AGB des Käufers keine Einbeziehung d(ies)es Eigentumsvorbehalts erfolgt (BGH NJW 1985, 1838; Köster 2000, S. 22 f.). Erfolgt keine Einbeziehung des Eigentumsvorbehalts, dann wird auch die mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt verbundene Ermächtigung zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware nicht Vertragsinhalt (BGH NJW-RR 1986, 1378, 1379). Zwar liegt in dem verwendeten Ausschluss des Eigentumsvorbehalts ein starkes Abweichen von der gesetzlichen Regelung, wenn der Käufer nicht gleichzeitig den Kaufpreis (Zug-um-Zug) zahlen möchte (BGH NJW 1981, 280, 281). Insoweit geht man in einem ersten Schritt von der Unwirksamkeit solcher Ausschlussklauseln aus. Jedoch wird ein solcher Ausschluss als nicht unangemessen eingestuft, wenn der Käufer von einer Vielzahl von Lieferanten Waren bezieht, deren besondere Lagerung wegen des damit verbundenen Aufwands nicht verlangt werden kann, so etwa bei Warenhäusern und Supermärkten (BGH NJW 1981, 280, 281). So liegen die Umstände bei etwa der Handelskette EDEKA (EDEKA-AGB, 2014). Die rein schuldrechtliche (in der Regel Kaufvertrag, unter Umständen + Rahmenvertrag) Betrachtung der Sachlage führt zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer EDEKA zur unbedingten Übereignung verpflichtet ist. 4.2.4.2.3 Schuldrechtliche und dingliche Verpflichtung Die Frage, ob der Verkäufer schuldrechtlich zur Verschaffung unbedingten Eigentums verpflichtet ist, muss streng von der Frage getrennt werden, ob die (dingliche) Übereignung bedingt oder unbedingt erfolgt. Zu beachten ist nämlich, dass die Antwort auf die Frage nach der Wirksamkeit der Vorbehaltsausschlussklausel nicht notwendig identisch ist mit Antwort auf die Frage, ob der Eigentumserwerb bedingt oder unbedingt stattfindet. Selbst dann, wenn ein Anspruch auf unbedingte Übereignung entsteht, erwirbt der Käufer nur aufschiebend bedingtes Eigentum, wenn ihm spätestens im Zeitpunkt der dinglichen Einigung (regelmäßig bei Übergabe) die Kenntnisnahme von der Eigentumsvorbehaltsklausel in den AGB des Verkäufers zumutbar war (Wolf et al. 2013, Klauseln (E) Rn. E 20).
Literatur
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4.2.4.2.4 Konsequenz Die strikte Trennung zwischen Vertrag (Verpflichtung) und Übergabe (Übereignung) im deutschen Rechtssystem hat zur Konsequenz, dass der Käufer im Falle einer wirksamen Abwehrklausel einerseits einen schuldrechtlichen Anspruch auf unbedingte Übereignung erlangt. Dinglich verhält es sich andererseits so, dass der Käufer lediglich aufschiebend bedingtes Eigentum erwirbt (BGH NJW-RR 1986, 1378, 1379), denn es ist für ihn erkennbar, dass der Verkäufer zu einer Übertragung des unbedingten Eigentums nicht bereit ist (Wolf et al. 2013, Klauseln (E) Rn. E 52). Diese Konsequenz zieht im Ergebnis auch der Markenverband in seiner 2014 ausgegebenen Kommentierung in Bezug auf die AGB der EDEKA-Gruppe: „Eigentumsvorbehalt Die Klausel in Absatz 2 enthält eine Abwehrklausel für einen erweiterten Eigentumsvorbehalt sowie eines Kontokorrentvorbehalts. Dies ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässiger Regelungsinhalt. Im Anwendungsfall ist für die Auswirkungen einer solchen Abwehrklausel bei widersprechender AGB je nach Einzelfall zu differenzieren. Der Verkäufer behält bei kollidierenden AGB das Eigentum auch dann, wenn der Käufer, der den EV kannte, eine entsprechende Abwehrklausel hatte; sogar dann, wenn die Abwehrklausel Vertragsinhalt geworden ist, da es hier gleichwohl an einem Übereignungswillen fehlt.“
4.2.5 Rechtsfolgen unwirksamer Geschäftsbedingungen Für die Unwirksamkeit von Geschäftsbedingungen gilt sinngemäß und erst Recht das, was für den Fall kollidierender AGB gilt (vgl. Abschn. 4.2.3.3 „Zum Prinzip der Kongruenzgeltung“). Es gilt im Ergebnis das dispositive Recht, mithin die gesetzlichen Vorschriften. Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen jedoch wirksam (vgl. § 306 BGB). Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn ein Festhalten am Vertrag im Übrigen unzumutbar wäre. Etwa weil die im Vertrag nunmehr unwirksame Klausel im Falle ihrer Wirksamkeit eine Exklusivität für die Vertragspartner bedeutet hätte und das Geschäft nur dann für den einen Vertragspartner wirtschaftlich überhaupt sinnvoll und möglicherweise auch erst machbar gewesen wäre (Münchener Kommentar 2019, § 306 Rn. 44).
Literatur Berger, Klaus Peter. 2004. Einbeziehung von AGB in B2B-Verträge, Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht, S. 415–422. Baumbach, Adolf/Hopt, Klaus J. 2016. Handelsgesetzbuch – mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), Kommentar, 37. Auflage. München: C.H. Beck. Emmerich, Volker. 1972. Die Problematik der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Juristische Schulung, S. 361–369.
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Spezifisches Vertragsrecht
In den vorangegangenen Kapiteln wurde das Zustandekommen von Verträgen behandelt. Zudem wurden grundsätzliche Erwägungen zum Vertragsrecht angestellt. Beides ist von essenzieller Bedeutung und der Betrachtung eines bestimmten Vertrages vorzuschalten, als der potentiell Vertragsschließende wissen sollte, mit welcher Handlung man sich möglicherweise schon vertraglich binden würde. Dies gilt für den Hauptvertrag, aber auch für die dem Hauptvertrag vorgeschalteten Vertragsverhältnisse (vgl. Abschn. 5.1.2 „Gestaltungsoptionen vor Hauptvertragsschluss“).
5.1 Optionen u. Konfliktmomente vor (Haupt-) Vertragsschluss Obwohl ebenfalls vor die Klammer gezogen, weil auch diese Erwägungen grundsätzlich auf alle Verträge zutreffen, soll aber wegen der zeitlichen Nähe zum allerersten Vertragsschluss aufgezeigt werden, welche Optionen, Rechte und Pflichten schon vor dem Abschluss eines (Haupt-)Vertrags bestehen können. Im Vorfeld wurde bereits aufgezeigt, dass, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, ein Vertrag zwischen den Parteien erforderlich ist, wenn ein Schuldverhältnis durch Rechtsgeschäft begründet werden soll. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für Schuldverhältnisbegründungen durch Rechtsgeschäft. Schuldverhältnisse können auch durch das Gesetz begründet werden (vgl. Abschn. 3.1 „Recht der Schuldverhältnisse“). Das Gesetz sieht in § 311 Absatz 2 BGB vor, dass ein Schuldverhältnis auch (schon) dann entsteht, wenn Vertragsverhandlungen aufgenommen werden, ein Vertrag angebahnt wird oder bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten. Der Grund für diese noch gar nicht so alte Regelung (BGH NJW 79, 1983) liegt in dem Umstand begründet, dass auch schon vor Abschluss eines Vertrages die „Gewährung von in Anspruch genommenem Vertrauen“ © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_5
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im Mittelpunkt stehen kann. Schlicht gesprochen bewirkt auch eine Vertragsverhandlung unter Umständen schon, dass eine Partei sich auf das Gut-Zureden, die vielen Gesten und losen Versprechen der jeweils anderen Partei verlässt. Häufiger als man meint, werden auf Basis eines solchen Vertrauens Investitionen getätigt, die, gäbe es das Gesetz in dieser Form nicht, unter Umständen keine Kompensation fänden, scheiterten die Vertragsverhandlungen.
5.1.1 Vorvertragliche Pflichten Das Zustandekommen eines Schuldverhältnisses hängt nicht immer vom Willen des sich dann im Schuldverhältnis befindlichen Individuums ab. Auch gesetzliche Schuldverhältnisse können gewichtige Rechte und Pflichten begründen. Dies gilt erst recht dann, wenn die Parteien ohnehin (sogar willentlich) planen sich in ein (vertragliches) Schuldverhältnis zu begeben. In dieser Vorstufe, gewissermaßen auf dem Weg zu einem Schuldverhältnis, werden ebenfalls bereits Rechte und Pflichten der Parteien begründet. In besonderem Maße gilt dies für Vertragsverhandlungen. Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht die Verpflichtung der Verhandelnden, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen (Palandt 2017, § 311 Rn. 11). Eine Verpflichtung zum Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen kann auch dann entstehen, wenn ein Teil dem anderen Teil unrichtige Informationen gegeben hat (Schipper 2007, S. 734; Budde 2005, S. 2181; Kiene 2006, S. 2007). Neben der Wahrheitspflicht besteht aus einer Pflicht zur Rücksichtnahme heraus auch eine Aufklärungspflicht (Palandt 2017, § 241 Rn. 7), sprich die Pflicht, den potentiellen Vertragspartner unaufgefordert über wesentliche oder auch entscheidungserhebliche Umstände zu informieren (Schipper 2007, S. 734). Eine Haftung in diesem Bereich ist dann möglich, wenn Umstände verschwiegen werden und die andere Seite nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung eine Aufklärung erwarten durfte (Palandt 2017, § 311 Rn. 40). Auf die bei Vertragsverhältnissen bestehenden Wahrheits- und Aufklärungspflichten soll nachstehend näher eingegangen werden.
5.1.1.1 Wahrheitspflicht In einer prominenten wie wegweisenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg wurde eine Schadensersatzpflicht wegen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht bejaht (OLG Nürnberg, BB 1956, 352). Im besagten Fall war einem Handelsvertreter bei Abschluss eines Handelsvertretervertrags zugesichert worden, dass „ein guter Kundenstamm…bereits vorhanden“ sei. Zudem wurde zugesichert, dass der Handelsvertreter als alleiniger Vertreter des Unternehmers in diesem Gebiet arbeiten solle. Tatsächlich wollte der Unternehmer aber von Anfang an zwei Vertreter im gleichen Gebiet nebeneinander arbeiten lassen. Die später übergebene Kundenliste mit 13 Namen erwies sich bis auf einen Kunden als wertlos (OLG Nürnberg, BB 1956, 352). Nach der Entscheidung des
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OLG Nürnberg muss der Interessent vor Vertragsschluss abschätzen können, ob sich seine Tätigkeit lohnen wird (OLG Nürnberg, BB 1956, 352). Ganz allgemein lässt sich sagen, dass ein Unternehmer sich schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er für den Vertragsschluss bedeutsame unrichtige Angaben macht. Preist der Unternehmer die Vertretung uneingeschränkt positiv an, obgleich bereits mehrere Handelsvertreter für ihn tätig sind, die keinen nennenswerten Gewinn erzielen, so dürfte auch darin ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht zu sehen sein (Schipper 2007, S. 734).
5.1.1.2 Aufklärungspflichten Wie vorstehend aufgezeigt, dürfen gewisse Tatsachen nicht verschwiegen werden. Nach einer Entscheidung des OLG München sind während der Vertragsverhandlungen die Umstände ungefragt zu offenbaren, die für die Entscheidung des Handelsvertreters, den Vertrag abzuschließen, erkennbar von Bedeutung sind (OLG München, 8 U 2207/87). Von Bedeutung können etwa sein, besondere Arbeitsbedingungen sein, nicht ohne Weiteres erkennbare Risiken der Vertretung (Baumbach und Hopt 2016, S. 411), geplante Umstellungen im Sortiment, bei der Werbung oder bei der Preisgestaltung, der mögliche Verlust eines wichtigen Kunden (Schipper 2007, S. 734), Veräußerung des Betriebs oder von Betriebsteilen in naher Zukunft oder einen für die Vertretung relevanten Lizenzvertrag nicht zu verlängern. Selbstverständlich sind nicht alle Informationen, über die man potentiell aufklären könnte, in gleicher Weise zu gewichten. Daher kann man faustformelartig wohl festhalten: Je größer die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Konsequenzen und je durchschlagender etwaige potentielle Auswirkungen, desto eher hat der Unternehmer den Verhandlungspartner zu informieren. Das Oberlandesgericht München entschied im Bereich des Franchise-Rechts, dass ein Unternehmer nicht verpflichtet sei, auf die allgemeinen Marktverhältnisse und die daraus resultierenden Risiken hinzuweisen, wenn der Interessent sich hierüber mit angemessenem Aufwand informieren kann (OLG München, 5 U 2180/00). Danach ist es Sache jeder Partei selbst, sich entsprechend zu informieren. Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn im Einzelfall besondere und zusätzliche Umstände hinzukommen, die allein der einen Partei bekannt sind. Die Obliegenheit, sich selbst über Chancen und Risiken zu informieren, kann als eine generelle Einbruchstelle, mithin als Korrektiv zu vorvertraglichen Pflichten bezeichnet werden. Vorvertraglich Pflichten können nicht so weit reichen, dass dem potentiellen Vertragspartner Offensichtliches präsentiert oder gar eigene vorvertragliche Pflichten abgenommen werden. Ist dies im Ergebnis eine Frage der Wertung, so kommt es im Rahmen der Bewertung dann auf die Schutzwürdigkeit der sich Gegenüberstehenden an. So kann ein Kriterium die Anfangsinvestition sein, die der potentielle Vertragspartner bereits getätigt hat, weil das daraus resultierende Risiko zu berücksichtigen ist. Eine abschließende Aufzählung von Kriterien, die in die Bewertung zur Abschätzung vorvertraglicher Pflichten eingestellt werden können, ist weder möglich noch sinnvoll. Eine sorgfältige Prüfung am Einzelfall ist unumgänglich.
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Abb. 5.1 Vor Hauptvertragsschluss. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die folgende Abbildung (vgl. Abb. 5.1 „Vor Hauptvertragsschluss“) zeigt die hier beschriebenen vorvertraglichen Pflichten und zeigt überblicksartig auf, welche Verträge vor Abschluss eines Hauptvertrags häufig relevant werden.
5.1.2 Gestaltungsoptionen vor Hauptvertragsschluss Der Abschluss eines (Haupt-)Vertrags steht je nach Geschäftsbeziehung und Ausgestaltung am Ende eines längeren Prozesses. Während dieses Prozesses vollziehen sich sukzessive weitere Prozesse. Neben einem etappenweisen Meinungsbildungsprozess aufgrund von zu gewinnenden Informationen, entwickelt sich in oft gleichlaufender Intensität und in Abhängigkeit zum Informationsgewinn der Entschluss ein Geschäft mit dem Gegenüber einzugehen. Diese sehr unterschiedlichen Entwicklungsstränge, die zum Hauptvertrag hinleiten, halten bereits viele rechtliche Fragestellungen und Besonderheiten vor, die vertraglich untermauert werden können, teilweise auch untermauert werden sollten.
5.1.2.1 Absichtserklärung (LoI/Letter of Intent) Eine Absichtserklärung steht regelmäßig dann zur Disposition, wenn die Parteien absehen können, dass sie einen (in der Regel komplexen) Vertragsabschluss nicht werden zeitig herbeiführen können. Wann der Vertragsabschluss zeitig ist, bemisst sich nach den Vorstellungen der Parteien. Etwa kann die Markteinführung eines Produktes oder der Übergang eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils eine Art „Dead-Line“
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bestimmen. Eine Absichtserklärung eignet in einem solchen Fall, um den Verhandlungsstand zur geplanten Geschäftsbeziehung festzuhalten und sich unter Umständen auch schon auf bestimmte Konditionen zu verständigen. Mit dem Geschäft kann schon gewissermaßen gestartet werden, ohne dass diesem das dezidierte Papier eines Vertrags zugrunde liegt. 5.1.2.1.1 Erscheinungsformen Auch eine Absichtserklärung ist bereits eine originäre Vereinbarung. Sie ist in der Regel knappgehalten. Und ohne Präjudiz für ihre endgültige rechtliche Einordnung (Kösters 1999, S. 623 f.) lässt sich sagen, auch bei ihr handelt es sich um einen Vertrag. Ebenso wie andere Verträge unterliegt auch die Absichtserklärung der Vertragsfreiheit. Wie auch bei anderen Verträgen sind die Parteien grundsätzlich frei darin, wie sie das Papier bezeichnen möchten, auf dem die Tinte später trocknet. Die Parteien den Vertrag sogar so betiteln, als handelte es sich um keinen. Sie könnten als Titel wählen: „dies ist kein Vertrag“ – solange Einigkeit darüber besteht, dass er doch einer ist (Weber 1994, S. 533). Wegen dieses Ausflusses der Vertragsfreiheit und mangels anderweitiger Vorgaben kommt die Absichtserklärung terminologisch in vielen Formen vor. Etwa als Letter of Intent (obwohl der Inhalt in deutscher Sprache abgefasst wird). Gleiches gilt für die Bezeichnungen Memorandum of Understanding, Heads of Agreement oder Term Sheet. Ist Letzteres neben dem Letter of Intent die wohl bekannteste Erscheinungsform beziehungsweise Bezeichnung, ist allen gemein, dass sie weitestgehend dem amerikanischen Recht entlehnt sind. Um den Rahmen dieser Darstellung nicht zu sprengen, sei lediglich der Vollständigkeit halber noch auf einen oft kolportierten Oberbegriff, die Vorfeldvereinbarung (Hertel 1983, S. 1824) oder auch preliminary agreement (Martin 2002, S. 199) hingewiesen. 5.1.2.1.2 Abgrenzungsfragen Während der Letter of Intent anfänglich vorwiegend im Bereich der Unternehmenstransaktionen vorkam, findet er heute auch in diversen anderen Bereichen seinen Platz und Anwendung. Demgegenüber gelangt das Term Sheet auch heute noch regelmäßig im Bereich der Venture Capital und Private Equity Investments oder etwa bei Kapitalmarkttransaktionen am häufigsten zum Einsatz (Renner und Lunzer 2012, S. 6). Wie die Bezeichnung selbst schon aussagt, legt ein Memorandum of Understanding vornehmlich das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien über die wesentlichen Vertragsinhalte fest. Verglichen mit einem Memorandum of Understanding kann ein Letter of Intent gegenständlich darauf reduziert sein, einzig noch Vertragsinhalte bestimmen zu wollen, ohne sich schon auf gewisse Aspekte geeinigt zu haben (Schäfer und Ott 2012, S. 321). Im internationalen Umfeld kann wegen einer möglicherweise unterschiedlichen Lesart vom Titel des Absichtspapiers nur davon abgeraten werden, schlichtweg einen Titel zu verwenden, der einem gerade en vogue erscheint. Prominente Autoren weisen indes zurecht darauf hin, dass man (als Anwalt) damit rechnen muss, dass einzelne Begriffe von Leuten verwendet werden, die nicht wissen, womit sie umgehen (Heussen 2014,
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S. 9; Hochedlinger 2003, S. 465). Der Letter of Intent, welcher seinen Ursprung im angloamerikanischen Recht hat, ist daher behutsam einzusetzen (mit ausdrücklich Warnung vor Eigenkreationen: Bohnstedt 2018, S. 39). Besonders diffizil gestaltet es sich, wenn unternehmensintern, weil unsauber abgestimmt, bereits vollendete Tatsachen über eine Absichtserklärung geschaffen werden sollen. Hat man sich (scheinbar) schon über gewisse Punkte geeinigt, kann es im Einzelfall sehr schwer werden, die manchmal unverbindlich gewollte Absichtserklärung von einem aufschiebend bedingten Vertrag abzugrenzen (OGH 19.12.1990, 1 Ob 689/90). 5.1.2.1.3 Wesentliche Absichten Ganz gleich, ob im Ergebnis eine weiche oder eine harte Form einer Absichtserklärung bezweckt wird (Heussen 2014, S. 13), empfiehlt es sich konkret festzuhalten, welchen Punkten verbindliche und welchen lediglich unverbindliche Wirkung zugesprochen werden soll (Martin 2002, S. 199). Die zentralste Funktion einer Absichtserklärung ist es, zunächst wesentliche Aspekte des derzeitigen Verhandlungsstands und der weitergehenden Verhandlungen festzulegen. Da die Absichtserklärung gesetzlich nicht weiter geregelt ist, sollte – wie eingangs schon erwähnt – im Besonderen der Fokus auf die Verbindlichkeit etwaiger enthaltener Regelungen gerichtet werden. Es ist zu hinterfragen und zu regeln, was die Parteien mit der Absichtserklärung genau bezwecken (Kofler et al. 2002, S. 351 ff.). Ist etwa der Abschluss eines Hauptvertrags über den LOI nicht gewollt, sollte auch dies festgehalten werden (OGH, 07.12.1995, 2 Ob 72, 1127/94). Ist absehbar, dass die Verhandlungen noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen können, kann es hilfreich oder sogar ratsam sein, konkrete Verhandlungstermine festzulegen (Hochedlinger 2003, S. 467). Manchmal wird abseits des geplanten Fortschritts auch schon der mögliche, für beide Parteien möglichst schadlose Ausstieg aus den Verhandlungen ins Auge gefasst. So können einzelne Bedingungen festgelegt werden, bei deren Eintritt ein sofortiger Abbruch (zum Abbruch von Vertragsverhandlungen vgl. Münchener Kommentar 2019, § 311 Rn. 176 ff.) der Verhandlungen möglich ist, ohne sich dadurch schadenersatzpflichtig zu machen (Heussen 2014, S. 64). Für den das größere Risiko eingehenden Verhandlungspartner ist es demgegenüber aber auch nicht unüblich, eine Abstandszahlung für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlungen zu vereinbaren. 5.1.2.1.4 Weitere Vorgehensweise Neben den vorstehend angesprochenen sinnvollerweise zu vereinbarenden Fixterminen steht zu bedenken, inwieweit auch die übrige weitere Vorgehensweise festgelegt werden sollte (Hertel 1983, S. 1824). Diese nicht nur bei umfangreicheren Unternehmenstransaktionen übliche Vorgehensweise, kann die Phase der Vertragsanbahnung auch überleben und schließlich in ein Steering-Committee verlagert werden. Ratsam ist das beim komplexen Kooperationen, die einen hohen Abstimmungsbedarf nach sich ziehen.
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5.1.2.1.5 Geheimhaltung Im Rahmen der Vertragsanbahnung bietet es sich an, sich auf Verschwiegenheit betreffend den Inhalt des angedachten Vertrags zu verständigen. Hier gilt es Besonderheiten zu beachten. Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit bereits eine dezidierte Geheimhaltungsvereinbarung abgeschlossen wurde, auf die verwiesen werden könnte. Eine solche Vereinbarung ist in der Regel deutlich breiter gefasst, als dies eine Klausel im Rahmen einer Absichtserklärung sein würde. Darüber hinaus können, ohne die Regelungen der inkorporierten Geheimhaltungsvereinbarung zu konterkarieren, spezielle Fälle geregelt werden. Während in einer allgemein gehaltenen Geheimhaltungsvereinbarung der Informationsaustausch im Mittelpunkt steht, werden im Rahmen fortschreitender Vertragsverhandlungen zunehmend sensiblere Informationen offengelegt. Offenzulegende Unterlagen können etwa Vollmachten aus dem Verhandlungsteam sein, soweit sich die Vertretungsmacht nicht aus dem Handelsregister ergibt (Hochedlinger 2003, S. 467). Sodann kann es in einer eng vernetzten Branche angezeigt sein die Tatsache selbst für geheimhaltungsbedürftig zu deklarieren, dass verhandelt wird (Kösters 1999, S. 624). 5.1.2.1.6 Abwerben von Mitarbeitern Manchmal wird übersehen, grade beim Offenlegen von Innovationen oder Produktweiterentwicklungen, die zum Erwerb stehen, dass an den Verhandlungen Personen beteiligt sind, die einen ganz gehörigen Teil des Know-Hows in ihrem Kopf tragen – mithin neben den offen gelegten Unterlagen ebenfalls in den Fokus zu nehmen sind. Besonders im Rahmen einer in-house Due Diligence kann es vorkommen, dass der potentielle Erwerber eines Unternehmens- oder eines Unternehmensteils, eines Produktes oder sonstiger zu erwerbender Leistungen bestimmte im Zusammenhang mit dem potentiellen Erwerbsgegenstand stehende Mitarbeiter kennenlernt. Gegen eine leichtfertige Abwerbung von solchen Mitarbeitern kann man sich ebenfalls über eine entsprechende Regelung schützen (Kösters 1999, S. 623). 5.1.2.1.7 Zeitliche Geltung Hinsichtlich der Klauseln, die verbindlichen Charakters sein sollen, kann beispielsweise deren zeitliche Geltung geregelt werden (Kösters 1999, S. 623). Davon ist die Geltungsdauer der Absichtserklärung zu unterscheiden. 5.1.2.1.8 Anwendbares Recht u. Gerichtsstandklausel Wegen der Vielseitigkeit der in der Praxis verwendeten, unklaren Absichtserklärungen und der Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen im Konfliktfall und in Ermangelung eines einheitlichen Rechtsrahmens (insbesondere in grenzüberschreitenden Fragen), sollte das auf die Absichtserklärung anwendbare Recht (Merkt 1995, S. 533) von den vertragsschließenden Parteien ebenso vereinbart werden (Kösters 1999, S. 623) wie der damit eng verknüpfte Gerichtsstand.
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5.1.2.1.9 Haftungsfragen Dass die Verhandlungspartner schon bei Kontaktaufnahme zu geschäftlichen Zwecken von Gesetzes wegen in ein beiderseitiges Schuldverhältnis eintreten, das sie zu gewissen Rechten bringt und zu gewissen Pflichten anhält, bedarf keiner erneuten Ausführung. Vorstehende Ausführungen in Bezug auf vorvertragliche Pflichten gelten hier entsprechend (vgl. Abschn. 5.1.1 „Vorvertragliche Pflichten“). Hingewiesen sei jedoch noch auf eine Besonderheit, ein Spannungsfeld, das der besonderen Erwähnung bedarf. Neben den bereits dargestellten Aufklärungs- und Informationspflichten besteht darüber hinaus keine Pflicht den Vertragspartner über ALLES aufzuklären. Und dennoch gibt es eine vorvertragliche Pflicht dergestalt, dass die Partner gehalten sind das Zustandekommen des Vertrags zu fördern und dem Partner keinen Schaden zuzufügen (Bebchuk und Ben-Shahar 2001, S. 423 ff.). Sind die monetären Konditionen sogar vertraglich geregelt (etwa die zuvor angesprochene Vertragsstrafe, Abstandszahlung etc.) ergibt sich die Haftung aus der Absichtserklärung selbst. Werden Geheimhaltungspflichten aus dem Vertrag verletzt, ergibt sich hieraus häufig eine Beweisproblematik (vgl. Abb. 5.2 „Zusammenfassung zur Absichtserklärung“). Es besteht regelmäßig die Schwierigkeit das Vorliegen eines konkreten Schadens und darüber hinaus die Ursächlichkeit zwischen Vertragsbruch und Schadenseintritt zu beweisen. Auch hier spielen die angesprochenen Vertragsstrafen eine zentrale Rolle, da nach diesen etwa der Nachweis einer konkreten Schadenshöhe entbehrlich ist (Weilinger 1989, S. 356).
Abb. 5.2 Zusammenfassung zur Absichtserklärung. (Quelle: Eigene Darstellung)
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5.1.2.2 Punktation Dem österreichischen Recht entlehnt, anderen Nationen aber nicht gänzlich fremd ist die sogenannte Punktation. Im österreichischen Gesetz ist die Punktation sogar ausdrücklich normiert. Dort heißt es: „Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden (Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind“ (vgl. § 885 ABGB). Gegenüber einem Vorvertrag kann mithin aus einem gemeinsam unterfertigten Aufsatz, der Rechte und Pflichten zum Inhalt hat, bereits geklagt werden, wie bei einem Hauptvertrag (Fritzsche 2006, S. 674 f.). Gelegentlich wird die Punktation (richtigerweise) als ein Instrument bezeichnet, mittels dessen Unternehmer ein Geschäft unter Dach und Fach bringen können, sobald sie eine wirtschaftliche Einigung erzielt haben, und mit dem sie eine Verzögerung des Abschlusses durch langwierige Verhandlungen vermeiden können (Renner und Lunzer 2012, S. 11). 5.1.2.3 (originärer) Vorvertrag Wegen der heute eher geringen Praxisrelevanz und des ohnehin eingeschränkten Anwendungsbereichs, soll vornehmlich der Vollständigkeit und Klarstellung halber nicht zu breit auf den Vorvertrag eingegangen werden. Der Vorvertrag hat keine im Gesetz normierte allgemeingültige Grundlage. Die Möglichkeit gleichwohl ein Papier zu verfassen und sich wirksam auf diese Tatsache wie den Inhalt berufen zu können, liegt wie so vieles im Bereich der Verträge in der Vertragsfreiheit begründet, die eingangs wegen ihrer grundlegenden Bedeutung eingehend beschrieben wurde (vgl. Abschn. 3.4.1.2 „Vertragsfreiheit im Einzelnen“). Unter einem Vorvertrag wird in Schrifttum und Rechtsprechung allgemein ein schuldrechtlicher Vertrag verstanden, durch den beide Teile (oder auch nur ein Teil) sich dazu verpflichten, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag, abzuschließen (NJW 1962, 1812; BGH, Urt. V. 8.6.1962, I ZR 6/61; Palandt 2017, Rn. 19 vor § 145; RGZ 86, 32; NJW 58, 1821). 5.1.2.3.1 Abgrenzungsfragen und Wesen Die Abgrenzung des Vorvertrags von einem Hauptvertrag gelingt am ehesten durch die kurze Schau auf das Wesen eines Hauptvertrags. Verträgen wohnt losgelöst von der Phase, in der sie geschlossen werden, inne, dass sie Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten zu regeln suchen. Schließt man den einen (Haupt-)Vertrag, hat dieser denklogisch die Aufgabe die geplante Rechtsbeziehung erschöpfend zu regeln, sodass der Hauptvertrag grundsätzlich keine Lücken in Bezug auf die geplante Rechtsbeziehung aufweist (Ritzinger 1990, S. 1201). Dass ein Vorvertrag lückenlos in Erscheinung tritt, ist demgegenüber untypisch und läuft fast dem ungeschriebenen Sinn und Zweck eines Vorvertrages zuwider. Häufiger, und das ist fast die Regel, ist der Vorvertrag, der mit Blick auf den späteren Hauptvertrag sogar teils gravierende Lücken aufweist, nicht komplett. Den Parteien geht es bei
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Abb. 5.3 Zusammenfassung zum Vorvertrag. (Quelle: Eigene Darstellung)
einem Vorvertrag aber häufig auch gar nicht um die Lückenlosigkeit, mehr denn um das Festlegen grundlegender Konditionen, damit das Geschäft gestartet werden kann. Investitionen bedürfen häufig einer gewissen Planungssicherheit und diese kann sich aus einem solchen Vorvertrag speisen. Für die Parteien etwa nicht so grundlegende Punkte und Klauseln sind in einem solchen Falle dem Hauptvertrag vorbehalten (Ritzinger 1990, S. 1207) (vgl. Abb. 5.3 „Zusammenfassung zum Vorvertrag“). 5.1.2.3.2 Mögliche Anwendungsbereiche für einen Vorvertrag Der Anwendungsbereich von Verträgen ist ebenso wenig definiert wie es gesetzliche Regelungen zu ihm gibt. Und gleichwohl lassen sich Bereiche ausmachen, in denen Vorverträge typischerweise geschlossen werden (Ritzinger 1990, S. 1201 ff.). Etwa werden Vorverträge im Bereich der Immobilien (BGH, NJW 1989, 166), im Gesellschaftsrecht (BGH, NJW-RR 1988, 288) oder im Miet- und Pachtrecht (BGH, NJW-RR 1988, 288) abgeschlossen. Diese Aufzählung ist weder abschließend noch zwingend. Vorverträge sind vielmehr in jedem Bereich denkbar und umsetzbar, in denen auch originäre Hauptverträge geschlossen werden.
5.1.2.4 Geheimhaltungsvereinbarung Nicht nur der europäische Markt entwickelt sich zunehmend von einer Industrie- zu einer Know-How-Gesellschaft. Denklogisch nimmt der Schutz von Know-How und Immaterialgüterrechten dabei eine immer wichtigere und größere Rolle ein. Durch die Digitalisierung werden permanent neue Möglichkeiten eröffnet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einfach von A nach B zu übermitteln. Entsprechend groß ist mittlerweile
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das Bedürfnis diesen für den Informationsgeber gefährlichen Entwicklungen zumindest rechtlich Einhalt zu gebieten (Auer-Reinsdorff und Conrad 2019, § 19 Rn. 12). Eine Geheimhaltungsvereinbarung ist ein Vertrag, mit dem Stillschweigen über ausgetauschte Informationen über einen gewissen Zeitraum vereinbart werden kann (vgl. Abb. 5.4 „Zusammenfassung zum Geheimhaltungsvertrag“). 5.1.2.4.1 Erscheinungsformen Für die Geheimhaltungsvereinbarung gilt das vorstehend zur Absichtserklärung in Bezug auf die grundsätzliche rechtliche Einordnung Gesagte (vgl. Abschn. 5.1.2.1.1 „Erscheinungsformen“). Auch bei der Geheimhaltungsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, der keinem Bezeichnungszwang unterliegt und der daher grundsätzlich jeden Namen tragen kann. Ähnlich wie die Absichtserklärung, kommt die Geheimhaltungsvereinbarung terminologisch in vielen Formen vor. So sind Bezeichnungen wie Geheimhaltungsvereinbarung oder -vertrag, CDA (Confidentiality Disclosure Agreement), CA (Confidentiality Agreement) oder NDA (Non-Disclosure Agreement) sehr gebräuchlich. Weitere Bezeichnungen sind etwa: Confidentiality oder Non-Disclosure Undertaking, Non-Disclosure and Solicitation Agreement. Auch diese Bezeichnungen stammen überwiegend aus dem angloamerikanischen Raum. Nachstehend wird die Bezeichnung Geheimhaltungsvereinbarung als Oberbegriff für all diese Erscheinungsformen verwendet.
Abb. 5.4 Zusammenfassung zum Geheimhaltungsvertrag. (Quelle: Eigene Darstellung)
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5.1.2.4.2 Abgrenzungsfragen und gesetzliche Regelungen Zum Schutz von Informationen bestehen aber auch gesetzliche Regelungen, die nachstehend inhaltlich nicht näher betrachtet, sondern lediglich genannt sein sollen (zu den gesetzlichen Regelungen: Söbbing 2010, S. 237). Zum einen besteht durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ein Schutz für personenbezogene Daten. Dieser ist jedoch nicht so umfassend, wie man dies mit einer Geheimhaltungsvereinbarung zu erreichen sucht. Darüber hinaus besteht nach § 17 UWG ein Schutz für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (Lettl 2004, R. 751) (zu den Neuerungen, die sich aus dem GeschGehG ergeben, vgl. Abschn. 5.1.2.4.9 „Wesentliche Änderungen durch das Geschäftsgeheimnisgesetz“). Während das UWG im Zusammenspiel mit dem BDSG grundsätzlich umfassenden Schutz bietet, ist die Rolle der Geheimhaltungsvereinbarung gleichwohl nicht zu unterschätzen. Denn die deutschen Rechtsgrundlagen werden in internationalen Beziehungen selten zielführend sein. Abgesehen davon, dass es schon nicht zeiteffizient sein dürfte den deutschen oder nichtdeutschen Vertragspartner über eben jenen vorhandenen Schutz umfassend aufzuklären, dürfte ein entsprechender Verweis bei der Nichtanwendbarkeit deutschen Rechts wohl ins Leere gehen. Es besteht mithin einzelfallbezogen sowohl ein praktisches als auch ein rechtliches Bedürfnis für den Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung. Nicht näher eingegangen werden soll nachstehend auf die Aspekte eines NDA zu den Themen Urheberrecht und Haftung für die Informationen. 5.1.2.4.3 Vertrauliche Informationen Bei der Betrachtung der möglichen Inhalte einer Geheimhaltungsvereinbarung konzentriert sich die nachstehende Darstellung auf zentrale Aspekte. Eine Differenzierung (Auer-Reinsdorff und Conrad 2019, § 19 Rn. 13) sei jedoch vorangestellt. Geheimhaltungsvereinbarungen sind in der Regel beidseitig verpflichtend. Dadurch unterliegen beide Vertragsparteien einer Geheimhaltungspflicht. Denkbar sind aber auch Vertraulichkeitsvereinbarungen, die einseitig ausgestaltet sind, weil lediglich eine der Parteien (zumindest scheinbar) maßgeblich geheimhaltungsbedürftige Informationen offenlegt. Einseitige Verpflichtungen sind vertraglich leichter zu gestalten, aber im Rahmen von Verhandlungen schwieriger durchzusetzen (Auer-Reinsdorff und Conrad 2019, § 19 Rn. 13). Besondere Aufmerksamkeit sollte der Definition von „vertrauliche Informationen“ zu Teil werden. Häufig finden sich Formulierungen in Geheimhaltungsvereinbarungen, die nur solche Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen, die auch als vertraulich gekennzeichnet sind. Mit einer solchen Vereinbarung läuft die die vertraulichen Informationen preisgebende Partei Gefahr, dass die Vertraulichkeitsvereinbarung einen Bereich von Know-how, der geheimhaltungsbedürftig wäre, nicht abdeckt. In der Praxis dürfte eine solche Kennzeichnungspflicht nämlich kaum umsetzbar sein und ist daher zumindest mit der latenten Gefahr behaftet, dass Informationen nicht unter den Anwendungsbereich der Vereinbarung fallen. Zum besseren Schutz von Informationen sollte deshalb dringend eine extensive Formulierung gewählt werden. Änderungen
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in diesem Bereich können sich durch das Geschäftsgeheimnisgesetz ergeben (vgl. Abschn. 5.1.2.4.9 „Wesentliche Änderungen durch das Geschäftsgeheimnisgesetz“). 5.1.2.4.4 Ausnahmetatbestände Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind kaum noch Vereinbarungen zu finden, die keinen Katalog von Ausnahmetatbeständen auflisten. Ein solcher ist auch erforderlich, vor allem mit Blick auf den aufgezeigten Prüfungsmaßstab des AGB-Rechts. Enthält die Geheimhaltungsvereinbarung einen solchen Katalog nicht, kann dies AGB-rechtlichen Bedenken begegnen, insofern, dass die Vereinbarung (oder auch eine entsprechende Klausel im Vertrag) als sittenwidrig oder als unangemessene Benachteiligung des Informationsgebers eingestuft wird. Von der Geheimhaltungspflicht können Informationen ausgenommen werden, die dem Informationsempfänger bereits vor Zugänglichmachung der Informationen durch den Informationsgeber oder vor Abschluss der Geheimhaltung bekannt waren; oder solche, die allgemein bekannt (offenkundig) sind; oder solche Informationen, die allgemein bekannt geworden sind, ohne dass die zur Geheimhaltung verpflichtete Partei einen Verstoß begangen hat; oder die im Rahmen von Ermittlungen an Behörden preiszugeben sind. 5.1.2.4.5 Weitergabe von Informationen Über einen Geheimhaltungsvertrag kann im Bedarfsfall geregelt werden, dass der Informationsempfänger die vertraulichen Informationen nur an solche Mitarbeiter weiterzugeben befugt ist, die vertraglich zu hinreichender Vertraulichkeit verpflichtet sind. Je nach Ausgestaltung kann in Geheimhaltungsvereinbarungen auch eine Gestattung erfolgen, dass auch eine Weitergabe an externe Berater erfolgen kann, sofern diese von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Ein Zustimmungsvorbehalt für die Weitergabe von Informationen an „Dritte“ – einschließlich verbundener Unternehmen – kann ebenfalls wirksam vereinbart werden. 5.1.2.4.6 Vertragsstrafen Orientiert an der Bedeutung der geheimhaltungsbedürftigen Informationen, werden in Geheimhaltungsvereinbarungen auch Vertragsstrafen für Pflichtverletzungen vereinbart, die die Geheimhaltungspflicht betreffen. In der Praxis lässt sich in der Regel nur schwer nachweisen, welcher konkrete Schaden durch die Verletzung einer Geheimhaltungspflicht entstanden ist. Hier liegt einerseits der Nachteil der Regelungen nach § 17 UWG, andererseits der Vorteil einer Vertragsstrafenregelung. Eine Vertragsstrafe stellt ein Versprechen des Schuldners dar, eine Strafe (in der Regel eine gewisse Geldsumme) für den Fall zu leisten, dass eine Verbindlichkeit nicht oder in nicht gehöriger Weise erfüllt wird (Vgl. §§ 340 Absatz 1, 341 Absatz 1 BGB). Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe wird in der Regel verschuldensunabhängig vereinbart. Vertragsstrafenregelungen gehen dabei meistens sogar soweit, dass
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sie unabhängig davon greifen, ob ein Schaden tatsächlich entstanden ist (NJW 1975, 163). Dies gilt nicht grenzenlos. Zwar kann im Rahmen einer richterlichen Billigkeitskontrolle die Vertragsstrafe, für den Fall, dass sie zu hoch angesetzt war, angemessen nach § 343 BGB herabgesetzt werden. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr gibt es eine derartige Privilegierung jedoch nicht. Eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, kann danach nicht aufgrund von § 343 BGB herabgesetzt werden (vgl. § 348 HGB). Die Rechtsprechung macht hiervon im Einzelfall eine Ausnahme. Etwa gibt es Grenzen für Vertragsstrafen, die in Geschäftsbedingungswerken (und damit auch in Standardverträgen) noch für zulässig erachtet werden. Eine Herabsetzung ist beispielsweise nach § 242 BGB möglich (BGH, NJW 1996, 1142). Dies kann auch im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB möglich sein (NJW-RR 2004, 1463). 5.1.2.4.7 Schadenersatzpauschale Statt einer Vertragsstrafe kann es vorkommen, dass eine Schadensersatzpauschale im Sinne von § 309 Nr. 5 BGB vereinbart wird. In Abgrenzung zur Vertragsstrafe handelt es sich dabei um eine Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung (pauschalierter Schadenersatz). Auch der pauschalierte Schadenersatz unterliegt Restriktionen, soweit er als vorformulierte Klausel Eingang in eine vertragliche Grundlage findet. Sodann bildet abermals das AGBRecht den Prüfungsmaßstab. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz, wenn die Pauschale den üblicherweise zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. 5.1.2.4.8 Dauer der Verpflichtung Regelmäßig wird die Dauer der Geheimhaltungsverpflichtung in einer entsprechenden Vereinbarung geregelt. Diese ist von zentraler Bedeutung, da sie für den Informationsempfänger ein hohes Risiko birgt. Der Verwender einer Geheimhaltungsvereinbarung wird in der Regel eine unbegrenzte Dauer für die Geheimhaltungsverpflichtung anstreben. In der Praxis sind jedoch Zeitspannen von 10 oder 5 Jahren üblich. Handelt es sich dabei um Wissen, dass unter Umständen auch auf anderem Wege (ebenfalls unter Eingehung einer entsprechenden Geheimhaltungsverpflichtung) erlangt werden könnte, läuft man Gefahr, sich mit Wissen zu kontaminieren. Das leichtfertige Unterzeichnen einer Geheimhaltungsvereinbarung, welche eine hohe oder eine sogar unbegrenzte Laufzeit vorsieht, sollte daher wohl überlegt sein. Aus Sicht des Informationsempfängers birgt die Geheimhaltungsvereinbarung, die gar keine Laufzeit enthält, Probleme. Das Gesetz trifft keinerlei Regelung zur Laufzeit der besagten Vereinbarung, weshalb ein Gericht im Wege der Auslegung (vgl. Abschn. 4.1.2
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„Auslegung einer Willenserklärung“) zu dem Schluss kommen kann, dass im Zweifel eine unbegrenzte Laufzeit gewollt gewesen sein könnte. 5.1.2.4.9 Wesentliche Änderungen durch das Geschäftsgeheimnisgesetz Geschäftsgeheimnisse können einen enormen wirtschaftlichen Wert haben. Kaum ein Unternehmen kommt ohne spezifische Kenntnisse, besonderes Know-How oder sonstige für ihr wirtschaftliches Fortkommen relevanten Daten aus. Dieser Grundgedanke kann nahezu auf alle Branchen übertragen werden (Köhler et al. 2020, GeschGehG vor § 1 Rn. 38). Gleichwohl existierte bisweilen keine Rechtsgrundlage, die der Bedeutung von Geschäftsgeheimnissen gerecht wurde, indem es entsprechenden Schutz forderte. Mit der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Know-How-Richtlinie) wurde ein europäisch einheitlicher Standard zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geschaffen. Mit Verzögerung wurde diese europäische Grundlage in nationales Recht umgesetzt. Seit dem 26.04.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft. Gegenüber dem bereits erwähnten Schutz für geheimhaltungsbedürftige Informationen über Rechtsgrundlagen wie das UWG (vgl. Abschn. 5.1.2.4.2 „Abgrenzungsfragen und gesetzliche Regelungen“), sieht das GeschGehG erstmals eine Definition von Geschäftsgeheimnissen vor. Diese findet sich in § 2 des GeschGehG. § 2 GeschGehG – Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Geschäftsgeheimnis eine Information a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungs maßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht; […] Nach bisheriger Rechtslage genügte der Wille zur Geheimhaltung (subjektiv). Das GeschGehG enthält insoweit eine wesentliche Änderung gegenüber der alten Rechtslage, wenn es objektiv feststellbare Kriterien fordert, denen man genügen muss, um in den Genuss des Geheimnisschutzes zu gelangen.
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Für reichlich Diskussionen sorgt dabei die Formulierung „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ (vgl. u. a. Maaßen 2019, S. 352; Kalbfus 2017, S. 391). Ein einheitliches Verständnis zu diesem Kriterium existiert bisweilen nicht. Die Formulierung legt jedoch nahe, dass die angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen aktiv ergriffen werden müssen. Das GeschGehG ruft den Inhaber des Unternehmens die Pflicht. Der durch das GeschGehG gewährte Schutz wird nur dem gewährt werden können, der entsprechende Bemühungen unternimmt seine Informationen auch geheim zu halten. Dies können faktische wie rechtliche Maßnahmen sein, deren Ergreifen im Zweifelsfall jedoch zu beweisen ist. Wann eine Maßnahme angemessen im Sinne des Gesetzes dürfte zudem eine Frage des Einzelfalls sein. Die Bezeichnung Forderung angemessener Maßnahmen weist ferner gleichzeitig darauf hin, dass kein Übermaß an Sicherheit angezeigt ist (ähnlich: Partsch und Rump 2020, S. 120). Das GeschGehG sieht zahlreiche Erlaubnistatbestände in Bezug auf den Umgang mit einem Geschäftsgeheimnis vor. So regelt § 3 („Erlaubte Handlungen“) unter anderem, dass Geschäftsgeheimnisse insbesondere durch eine eigenständige Entdeckung oder Schöpfung erlangt werden dürfen. Im Wege des Beobachtens, Untersuchens, Rückbauens oder Testens eines Produkts oder Gegenstands ist das Erlangen dann erlaubt, wenn das Produkt öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden, Untersuchenden, Rückbauenden oder Testenden befindet und dieser keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt. Auf diesem Wege wird das so genanntes „Reverse Engineering“ einbezogen, also die Lüftung von produktbezogenen Geschäftsgeheimnissen aus dem Produkt selbst. Diese Regelung soll diejenigen schützen, welche beispielsweise eigenständige Entdeckungen machen. Sie sollen nicht gleichzeitig fürchten müssen, dass die eigenständig gemachte Entdeckung als Geschäftsgeheimnis geschützt ist und damit eine Art Exklusivrecht darstellen könnte. Dies soll gerade verhindert werden. Freilich steht dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses jederzeit frei eine Berechtigung zum Umgang mit dem Geschäftsgeheimnis durch Rechtsgeschäft einzuräumen. Daher darf ein Geschäftsgeheimnis erlangt, genutzt oder offengelegt werden, wenn dies durch Gesetz, aufgrund eines Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft gestattet ist (vgl. § 3 Absatz 2 GeschGehG). Besondere Aufmerksamkeit könnte künftig dem zu Beginn von § 3 verwendeten Wort „insbesondere“ zu Teil werden. Die gewählte Formulierung lässt darauf schließen, dass die unter § 3 aufgeführten Handlungen nicht die einzigen Erlaubnistatbestände darstellen sollen. Vielmehr hält man sich hiermit zumindest den Weg offen, um durch die Rechtsprechung bereits zu entwickelnde oder noch zukünftig entwickelte Erlaubnisumstände in den Anwendungsbereich des GeschGehG einzubeziehen. Ebenfalls von grundlegender Bedeutung ist § 4 GeschGehG. Diese Vorschrift regelt so genannte verbotene Handlungen. Ein Verstoß gegen eines der dort genannten Verbote zieht in der Regel eine Sanktion nach dem GeschGehG nach sich.
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§ 4 GeschGehG – Handlungsverbote (1) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangt werden durch 1. unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, oder 2. jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheit entspricht. (2) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht nutzen oder offenlegen, wer 1. das Geschäftsgeheimnis durch eine eigene Handlung nach Absatz 1 a) Nummer 1 oder b) Nummer 2 erlangt hat, 2. gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt oder 3. gegen eine Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen. (3) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsgeheimnis über eine andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste, dass diese das Geschäftsgeheimnis entgegen Absatz 2 genutzt oder offengelegt hat. Das gilt insbesondere, wenn die Nutzung in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Lagerung für diese Zwecke von rechtsverletzenden Produkten besteht. Bei der Betrachtung einer Handlung im Lichte des § 4 GeschGehG sollte § 5 GeschGehG nicht vergessen werden, der Umstände erläutert, bei deren Vorliegen ein Verstoß gegen die in § 4 GeschGehG vorgesehenen Handlungsverbote nicht vorliegt. Ist § 5 GeschGehG einschlägig, gelangen die Folgen des GeschGehG gar nicht erst zur Anwendung. So regelt § 5 GeschGehG, dass die Erlangung, die Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen nicht unter § 4 GeschGehG fällt, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Ein berechtigtes Interesse ist nach § 5 GeschGehG insbesondere (aber nicht abschließend) zu bejahen, wenn Erlangung, Nutzung oder Offenlegung zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien geschieht. Ein berechtigtes Interesse ist auch dann gegeben, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens dient, wenn dies geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.
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Ob das GeschGehG ein probates Mittel sein wird, um den aus der Digitalisierung und Automatisierung resultierenden Konfliktmomenten vorzubeugen, wird sich erst noch zeigen müssen. Während nahezu alle Wirtschaftszweige potentielle Adressaten des GeschGehG sind, wird lediglich ein Teil Wirtschaftsakteure die neue Rechtsgrundlage im Sinne eines aktiven Sicherungsmechanismus versuchen zu leben. Alle anderen werden eine nicht unerheblich lange Zeit warten müssen, ehe sich für sie relevante Rechtsprechung ergibt. Denn schon vor Einführung des GeschGehG bestand für einen beträchtlichen Teil der Unternehmen am Markt kein Grund sich ernsthaft in Auseinandersetzungen über den Geheimnisschutz zu begeben. Denn der Geheimnisschutz ist ein Aspekt, der verhältnismäßig früh, nämlich zu Beginn einer Geschäftsbeziehung anfängt eine Rolle zu spielen. Die so oft geschlossenen Geheimhaltungsvereinbarungen, sind sie einmal verhandelt und abgeschlossen, sind ob ihrer Häufigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr selten Anlass für Auseinandersetzungen. Dies dürfte sich durch eine verschärfte Rechtsgrundlage für viele Wirtschaftszweige aller Voraussicht nach nicht ändern.
5.2 Der Hauptvertragsschluss Verträge sind wirtschaftlich sehr bedeutsam und das übliche Mittel zur rechtlichen Ordnung von Beziehungen zur einvernehmlichen Erreichung des dort verbrieften Zwecks. Die im Wirtschaftsleben am häufigsten aufkommende Form eines Vertrags ist der gegenseitige Vertrag, bei dem sich also Leistung und Gegenleistung in einem einheitlichen (Austausch-)Verhältnis gegenüberstehen. Je nach Leistung beziehungsweise Gegenleistung, gehen mit dem eingegangenen Vertragsverhältnis unterschiedliche Rechte und Pflichten einher. Gleichzeitig sei unterstrichen, dass die im Vorgriff auf einen Hauptvertrag entstandenen Rechte und Pflichten nicht einfach entfallen, sondern gegebenenfalls fortwirken. Sie ergänzen die sich dann aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis ergebenden spezifischen Rechte und Pflichten (vgl. Abb. 5.5 „Bei Hauptvertragsschluss“).
5.2.1 Der Hauptvertrag Welche Rechte und Pflichten mit dem Hauptvertrag von den Parteien verfolgt werden, hängt von der konkreten Vertragsart ab. Das bürgerliche Recht hält eine Vielzahl von Verträgen beziehungsweise Vertragsarten vor. Die wohl gängigsten Verträge sind solche des Schuldrechts. Explizit zu nennen sind dabei der Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB), der Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB), der Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) und der Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB). Es würde den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen, wenn auf die Besonderheiten jedweder Vertragsart eingegangen würde. Wegen der Vielzahl der in Unternehmen kursierenden Vertragsarten ist es nützlicher und für die Praxis in
5.2 Der Hauptvertragsschluss
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Abb. 5.5 Bei Hauptvertragsschluss. (Quelle: Eigene Darstellung)
Fachabteilungen von Unternehmen übersichtlicher, wenn losgelöst von konkreten Vertragsarten auf die Gemeinsamkeiten einleitend genannter Verträge eingegangen wird. Nachstehende Ausführungen werden dabei, wenn möglich auf typische zivilrechtliche Verträge zwischen zwei Parteien beschränkt.
5.2.1.1 Vertragsarten Im Mittelpunkt des Vertragsschlusses steht der Hauptleistungsgegenstand, der letztlich auch ausschlaggebend dafür ist, welcher Vertragsart das Rechtsgeschäft zugeordnet werden kann (Renner und Lunzer 2012, S. 37). Wird etwa der Rohstoff für ein zu produzierendes Arzneimittel erworben oder das fertig produzierte Medizinprodukt veräußert, so liegt grundsätzlich ein Kaufvertrag vor. Anders verhält es sich dagegen, wenn mit der bloßen Veräußerung des Medizinproduktes noch weitere Rechte und Pflichten verknüpft werden. Etwa das Recht zur Nutzung einer Marke oder die Einräumung eines Vertriebsrechts, weil das Produkt weiterveräußert werden soll. Sodann kann von einem reinen Kaufvertrag keine Rede mehr sein. Es besteht zwar zentral noch ein kaufvertragliches Element im Vertrag, die übrigen im Vertrag enthaltenen Aspekte, etwa die eines Lizenzvertrags, treten deshalb aber nicht in den Hintergrund und sind unter Umständen gesondert zu bewerten. Gänzlich anders ist ein Vertragsverhältnis einzuordnen, wenn es sich zwar um einen Erwerb beziehungsweise eine Veräußerung von Waren handelt, diese aber erst noch nach bestimmten Spezifikationen hergestellt werden sollen. Es handelt sich dann in der Regel um einen Werkvertrag. Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn es sich um die Lieferung
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herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen handelt. Dann findet in der Regel wieder das Kaufrecht Anwendung. Die gesetzlichen Regelungen zum Werkvertrag sehen vor, dass durch den Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Dies deutet schon an, dass die Einordnung im Einzelfall schwierig sein kann. Eine Sonderrolle nimmt der Dienstvertrag ein. Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet. Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. Auf die besondere Rolle des Dienstvertrags wird später eingegangen werden (Medicus 2007, Rn. 320 f.). Schwieriger noch wird es mit der klaren Einordnung, wenn es sich um mehr als zwei Vertragsarten handelt, die sich in einem Vertrag vereinen. Die Rechtswelt hat die so wichtige Frage nach dem dann anwendbaren Recht bis heute nicht abschließend geklärt (BGH NJW 2002, 1571; BGH NJW 1979,1288). Früher wurde noch der unter dem Namen bekannten Schwerpunkttheorie (Absorptionstheorie) die Auffassung vertreten, dass auf typengemischte Verträge das Recht der Hauptleistung anwendbar sei. Heute besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Vorschriften des Vertragstyps heranzuziehen sind, dessen Leistungen betroffen sind (Kombinationstheorie). Nur im Bedarfsfall und nicht mit anderem Ergebnis gelangt die Theorie der analogen Rechtsanwendung zur Anwendung. Die für die Praxis jedoch entscheidende Haltung der Rechtsprechung wendet überwiegend das Recht an, welchem der jeweils betroffene Vertragsteil zuzuordnen ist (Palandt 2017, Überbl. v. § 311 Rn. 24 ff.). Für den Bearbeiter eines Vertrags, ganz gleich ob Verwender oder Adressat, ist es im Ergebnis daher wichtig auch in diesem Bereich eine gewisse Grundsensibilität, eine Art Störgefühl durch ein gewisses Grundwissen zu entwickeln.
5.2.1.2 Abgrenzungsfragen Der Kaufvertrag kann zum Werkvertrag nach einem ganz spezifischen und leicht einzuprägenden Kriterium abgegrenzt werden: der schöpferischen Leistung. Diese ist prägend und verleiht dem Werkvertrag seinen individuellen Charakter (Münchener Kommentar 2019, § 631 Rn. 7). Denn beim Werkvertrag verpflichtet sich der Schuldner zur Herstellung eines Werkes, er schuldet einen konkreten Erfolg (etwa die Herstellung einer speziellen Maschine). Dagegen beschränkt sich der Kaufvertrag auf die Verschaffung der (bereits fertigen) Maschine. Kniffeliger gestaltet sich die Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag. Diese resultiert aus dem Umstand, dass in tatsächlicher Hinsicht die genannten Vertragsarten viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Gegenüber dem Werkvertrag ist der Schuldner beim Dienstvertrag nicht zur Herbeiführung eines konkreten Erfolges verpflichtet. Einfach gesprochen genügt das bloße Tätigwerden. Das Tätigwerden ist jedoch auch in einem
5.2 Der Hauptvertragsschluss
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Werkvertrag enthalten. Der Werkunternehmer wird auch dort tätig, so lange, bis das Werk fertig gestellt ist. Spannend ist die Abgrenzung bei Beraterverträgen. Hier ist beides möglich (Jauernig 2018, 2. B., Titel 8, UT 1 Rn. 18 ff.). Ob diese als Werk- oder Dienstvertrag einzuordnen sind, hängt auch hier letztlich vom konkreten Parteiwillen ab (NJW 1984, 2406; Jauernig 2018, 2. B., Titel 8, UT 1 Rn. 21a). Der Parteiwille manifestiert sich dabei regelmäßig in der konkreten vertraglichen Abrede. Gibt es keine ausdrückliche Vertragsabrede, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu würdigen (Jauernig 2018, 2. B., Titel 8, UT 1 Rn. 21a; BGH, WM 1972, 947). Ist dort ein konkretes Arbeitsergebnis vereinbart, so wird es sich in der Regel um einen Werkvertrag handeln. Vereinbaren die Parteien hingegen, dass „die Bemühung um die schnellere Erzielung einer Strategie“ Vertragszweck sein soll, so dürfte hierin kein Erfolg als geschuldet zu sehen sein, mithin ein Dienstvertrag vorliegen. Aber nur die Beschreibung eines Ziels ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass ein Werkvertrag vorliegt (Roth 2003, S. 371). Kommt etwa eine höhere Vergütung hinzu, kann dies als Umstand gewertet werden, der auf einen Werkvertrag hindeutet, beispielsweise wegen einer etwaigen Risikoübernahme (Jauernig 2018, 2. B., Titel 8, UT 1 Rn. 21a). Beispiel
Verträge über die Erbringung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen können Dienst- oder Werkverträge sein (Jauernig 2018, 2. B., Titel 8, UT 1 Rn. 21 f.). Ein bei einem Rechtsanwalt in Auftrag gegebenes Gutachten führt in der Regel zu einer Einordnung als Werkvertrag (BGH NJW 65, 106 f.; BGH NJW 06, 2472). Durch eine Agentur zu erstellende Werbung kann ebenso einen Werkvertrag darstellen (BGH NJW 84, 2406; Fikentscher, 1990, S. 34 f.). ◄
5.2.1.3 Mögliche Elemente eines Hauptvertrags Unter den Elementen einer konkreten Vertragsart sind diejenigen Punkte zu verstehen, über die eine Einigung der Parteien stattgefunden haben muss, damit die in den gesetzlichen Vorschriften dem Vertragstypus zugeordneten Rechte und Pflichten entstehen (Münchener Kommentar 2019, § 433 Rn. 7). Im Folgenden wird unabhängig von einer konkreten Vertragsart auf die wesentlichsten Vertragsinhalte und -klauseln eingegangen, die sich vornehmlich, aber nicht ausschließlich in Kauf-, Dienst- und Werkverträgen wiederfinden. 5.2.1.3.1 Hauptleistungspflichten Wie einleitend dargestellt (vgl. Abschn. 5.2.1.1 „Vertragsarten“) steht der Hauptleistungsgegenstand im Mittelpunkt des angestrebten Vertragsverhältnisses. Nicht nur um den Vertrag einem klaren Rechtsregime zu unterwerfen, sondern vor allem um dem Vertragspartner im Wege der Bestimmtheit und Klarheit ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu vermitteln und dadurch im Nachgang Diskussionen zu vermeiden, sollten
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die Hauptleistungspflichten, das worum es im Kern gehen soll, so präzise wie möglich in einem Vertrag beschrieben werden. 5.2.1.3.1.1 Leistung
Unter Leistung wird gemeinhin eine Zuwendung eines Vorteils verstanden, der typischerweise, aber nicht notwendig, einen Vermögenswert hat (Palandt 2017, § 241 Rn. 4). Nachstehend wird der klareren Darstellung halber bei „Leistung“ von nicht-monetären Leistungen ausgegangen, während „Gegenleistung“ hier den für die Leistung fälligen Geldbetrag meint. Welcher Vertragsgegenstand wiederum in einem Vertrag dezidiert zu beschreiben ist, hängt von der konkreten Vertragsart ab. Bei einem Kaufvertrag ist der Kaufgegenstand exakt zu beschreiben – dies kann beim Kauf einer Maschine die konkrete technische Beschreibung sein. Während, wie zuvor erwähnt (vgl. Abschn. 5.2.1.2 „Abgrenzungsfragen“), in einem Dienst- oder Werkvertrag, je nach Gestaltungswunsch der Parteien, die konkret zu erbringende Leistung des Beraters Vertragsgegenstand sein soll und diese deshalb nur eine abstrakte Beschreibung erfordert. Liegt ein typengemischter Vertrag vor, so sind unter Umständen mehrere vertragliche Gegenstände konkret zu beschreiben. Wird die vertragliche Hauptleistungspflicht nicht genau beschrieben, erschwert dies, wie noch zu zeigen sein wird, die Geltendmachung von Ansprüchen (beispielsweise Gewährleistungsansprüche). Ist die Leistung nicht hinreichend bestimmt und auch nicht bestimmbar, kann diese zu ungenaue Beschreibung des Leistungsgegenstands sogar zur Unwirksamkeit des vertraglichen Schuldverhältnisses führen (BGH 55, 250.). Dieser Grundsatz ist auch dann uneingeschränkt zu beachten, wenn bereits im Vorvertrag auf den Leistungsgegenstand Bezug genommen wird (RG 124, 83). 5.2.1.3.1.2 Gegenleistung
Nicht weniger herausfordernd und mit gesetzlichen Regelungen untermauert ist das „Erfordernis“ der Bestimmung der Gegenleistung in einem Vertrag. Ist der Umfang der für eine Leistung versprochenen Gegenleistung nämlich nicht bestimmt, so steht die Bestimmung im Zweifel demjenigen Teil zu, welcher die Gegenleistung zu fordern hat (§ 316 BGB). Haben die Parteien also die Gegenleistung nicht oder zu ungenau im Vertrag festgehalten, kann der Lieferant der Maschine, wenn im Vertrag lediglich der Preis vereinbart wurde, einen durch ihn bestimmten Betrag für den Aufbau der Maschine verlangen. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Für die Bestimmung einer solchen Leistung besteht kein Raum, wenn die Gegenleistung nach objektiven Beurteilungsmaßstäben festgelegt ist (Palandt 2017, § 315 Rn. 6). Bei Werkverträgen etwa wird die der Höhe nach vertraglich nicht festgelegte Vergütung taxmäßig bestimmt. Bei Fehlen einer taxmäßigen Vergütung wird die übliche Vergütung geschuldet – bei Werkverträgen vgl. § 632 Absatz 2 BGB (Palandt 2017, § 315 Rn. 6). Fehlt die übliche Vergütung, so gilt dann in letzter Konsequenz das einseitige Leistungsbestimmungsrecht (BGH NJW-RR 05, 762/65; NJW 06, 2472/73).
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Indes gilt die Vertragsfreiheit nicht uneingeschränkt. Gemäß § 138 (v. a. Absatz 2) BGB ist insbesondere ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Jedweder Vertrag, welcher auf einen Leistungsaustausch gerichtet ist, kann im Lichte des § 138 BGB nichtig sein (BGH NJW 82, 2767; BGH 106, 271). Zentral ist dabei das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses. Auffällig ist ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in der Regel, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt (Palandt 2017, § 138 Rn. 67). Wenn die Vereinbarung im Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist sie nach § 134 BGB nichtig. So ist bei der Ausgestaltung von Sponsoringverträgen darauf zu achten, dass §§ 299 a, b StGB die Vorteilsnahme unter Strafe stellt und deshalb als mitentscheidendes Kriterium die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung (= dann in der Regel kein strafrechtlich relevanter Vorteil) in den Blick zu nehmen ist. Dann/Scholz führen zutreffend aus, dass der Vorteilsbegriff alle Zuwendungen erfasse, auf die der Täter keinen Anspruch habe und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessern würden. Darunter falle auch der Abschluss eines Vertrags, bei dem sich Leistung und Gegenleistung (scheinbar) angemessen gegenüberstehen (Dann und Scholz 2016, S. 2077). Der Bezug zum Strafrecht zeigt, welcher Fokus in Bezug auf Leistung und Gegenleistung in einem Vertrag zu legen ist. 5.2.1.3.2 Sonstige Pflichten Neben den beschriebenen Hauptleistungspflichten bestehen zwischen den Parteien sogenannte Nebenleistungspflichten. Diese wiederum lassen sich in selbständige und unselbständige Nebenleistungspflichten unterteilen. Selbständige Nebenleistungspflichten sind besonders dadurch geprägt, dass sie für die Vertragsschließenden von zentralem Interesse sind. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Nebenleistungspflicht ein Teil der Gegenleistung zugeordnet werden kann (Palandt 2017, § 241 Rn. 5). Etwa kann beim Kauf einer Maschine, die beim Käufer betrieben werden soll, auch dann deren Lieferung und ein Funktionstest erwartet werden, wenn dies vertraglich nicht vereinbart ist. Unselbständige Nebenleistungspflichten sind solche Pflichten, die die Erfüllung der Hauptleistungspflicht mit sich bringen – so ist im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs zu erwarten, dass die Anlieferung der Maschine auf geeigneten Paletten erfolgt, damit sie in der Produktionshalle überhaupt verschoben und aufgestellt werden kann. Von den Nebenleistungspflichten können sonstige (allgemeine) Nebenpflichten unterschieden werden. Von unselbständigen Nebenpflichten kann mit Verweis auf § 241 Absatz 2 BGB gesprochen werden bei beispielsweise Rücksichtnahme oder Schutzpflichten. Solche Pflichten sind auf die Beachtung der Interessen des anderen Vertragsteils gerichtet und können nicht selbständig eingeklagt werden. Etwa kann nicht aus dem
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Vertragsverhältnis darauf geklagt werden, dass der Monteur einer Maschine es unterlässt rechtsradikale Parolen beim Aufbau der Maschine von sich zu geben – einen Anspruch auf den dadurch entstandenen Schaden kann man unter Umständen ersetzt verlangen (etwa weil man den Monteur hinauswirft und für Ersatz sorgen muss, weil man sonst mit der geplanten Jahresproduktion in Verzug gerät). Selbständige Nebenpflichten dagegen sind selbständig einklagbare Pflichten aus einem Rechtsverhältnis. Sie sind nicht unmittelbar auf die Hauptleistung bezogen, weil sie nicht im eigentlichen Austausch von Leistung und Gegenleistung stehen. Beispielsweise kann auf Auskunft darüber geklagt werden, wer einen Konstruktionsfehler an einer Maschine verursacht hat, wenn die Information für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen erforderlich ist. Als sonstige Pflichten können sich speziell im Umgang mit Verträgen beziehungsweise beim Vertragsmanagement Nebenpflichten ergeben (Ritter 2016, S. 60 ff.). Vor dem Hintergrund, dass sich diese auch in der Phase nach Vertragsschluss stellen, soll dieser Themenkomplex später behandelt werden (vgl. Abschn. 5.4 „Nach Vertragsschluss“). 5.2.1.3.3 Sonderfall: Abnahme Der Begriff der Abnahme bezeichnet unter körperlicher Entgegennahme beziehungsweise Besitzübertragung, die billigende Erklärung, dass das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäß sei (NJW 93, 1974). Mit anderen Worten meint Abnahme eine Erklärung, dass das vertraglich Geschuldete im Lichte des vertraglich Verabredeten in Ordnung ist. Es gibt verschiedene Arten der Abnahme. Lediglich die rechtsgeschäftliche Abnahme bringt rechtserhebliche Rechtsfolgen mit sich bringt (Kupczyk 2012, S. 3354). Die Abnahme spielt sowohl im Werk- als auch im Kaufvertrag eine nicht unwesentliche Rolle. Denn bei beiden Verträgen wird eine durch den Empfänger zu kontrollierende beziehungsweise abzunehmende Arbeit in Form eines Kaufgegenstands (beim Kaufvertrag) oder eines Werkes (beim Werkvertrag) geschuldet. Bei einem Werkvertrag im Sinne von § 631 BGB begründet die durchgeführte Abnahme der Werkleistung beispielsweise die Pflicht zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Preises. Vor Abnahme des Werkes oder des Kaufgegenstands tritt eine Fälligkeit nicht ein. Natürlich kann das den Besteller des Werkes nicht endlos davor schützen und von der Pflicht fernhalten den für das Werk vereinbarten Preis zu entrichten. Wegen der aufgezeigten entscheidenden Wirkungen einer Abnahme, ist sie, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, auch vorzunehmen. Es handelt sich um eine Hauptpflicht des Bestellers (Palandt 2017, § 640 Rn. 8). Sind Abnahmefähigkeit und Abnahmereife des Werkes gegeben, ist das Werk vom Besteller abzunehmen. Erfolgt die Abnahme trotz dieser Voraussetzungen nicht, greift § 640 Absatz 1 S. 3 BGB. Danach wird einer Abnahme als erfolgt fingiert, wenn der Besteller das Werk nicht abnimmt, obwohl ihm eine Frist dazu gesetzt wurde. 5.2.1.3.4 Vertragslaufzeit & Kündigung Nicht jeder Vertrag hat eine Vertragslaufzeit zum Gegenstand. Die Vereinbarung einer solchen macht nur dort Sinn, wo (unter Umständen wiederkehrend) Leistungen über eine
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gewisse Zeit erbracht werden sollen. Für diesen Zeitraum, in dem dann die Leistungen erbracht werden, kann eine Vertragsdauer vereinbart werden. Dies kann unter anderem bei Dienstleistungs-, Kooperations- und Werkverträgen der Fall sein (sogenannte Dauerschuldverhältnisse). Beim einmaligen Erwerb einer Sache hingegen machte eine Laufzeit keinen Sinn, da der Vertrag mit abgeschlossenem Erwerbsvorgang als beendet angesehen wird. Die Parteien sind grundsätzlich frei darin, welche Laufzeit sie vereinbaren. Nur selten stoßen bestimmte Vereinbarungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr inhaltlich an ihre Grenzen. So ist etwa die Vereinbarung einer stillschweigenden Vertragsverlängerung um drei oder fünf Jahre zwar mit § 309 Nr. 9 b) BGB unvereinbar. Denn danach ist die Vereinbarung einer stillschweigenden Vertragsverlängerung um mehr als ein Jahr unzulässig. Wie aufgezeigt ist jedoch auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (NJW 2007, 3774). Gerichtlich würde dies im Rahmen einer Abwägung der Interessen der Parteien geschehen. Ergebnis kann danach durchaus sein, dass die Interessen der einen Partei an einer (wesentlich) kürzeren Verlängerungszeit die Interessen der anderen Partei an einer möglichst langen Bindung nicht überwiegen. Ausschlaggebender Grund kann die Besonderheit einer Branche sein. Das OLG Frankfurt gestand beispielsweise einer Nachrichtenagentur wegen Investitionen um 60 Mio. € in eine konkrete Geschäftsbeziehung eine mehrjährige stillschweigende Vertragsverlängerung zu (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.10.2011, Az. 6 U 267/10). Soweit sich die Parteien darüber einig sind, dass sie sich für eine gewisse Zeit binden wollen, erzeugen sie ein Spannungsverhältnis. Dies besteht darin, dass die Zusammenarbeit einerseits für eine gewisse Zeit laufen soll, andererseits jedoch weiterhin die Möglichkeit bestehen soll, sich unter gewissen Voraussetzungen vom Vertrag zu lösen. Unter welchen Voraussetzungen dies konkret möglich ist, machen die Parteien ganz überwiegend davon abhängig, ob ein befristetes oder unbefristetes Schuldverhältnis eingegangen wird. Wenn die Parteien sich auf eine Laufzeit von 3 Jahren einigen, werden sie keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vorsehen. Regelmäßig behalten sich die Parteien jedoch vor, den Vertrag unabhängig von der Laufzeit außerordentlich aus besonderem Grund kündigen zu können. Eine außerordentliche Kündigung ist ohne die Einhaltung einer Frist möglich und kann etwa auf den Umstand gestützt werden, der vertraglich vorgesehen ist. Häufig sehen Verträge die konkret drohende oder eintretende Insolvenz, eine schwerwiegende Vertragsverletzung oder einen sogenannten Kontrollwechsel (Häufig auch in deutschen Verträgen als „Change of Control“ – Klausel bezeichnet) als besondere Gründe vor. Es ist ratsam im Vertrag davon zu sprechen, dass es sich insbesondere, aber nicht abschließend um Gründe handelt, die zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen. So wird auch für den Vertragspartner transparent, dass man sich die Tür offen hält eine Kündigung auf weitere Gründe stützen zu können. Eine allgemeine Formulierung für einen besonderen Umstand sieht das Gesetz in § 314 Absatz 1 S. 2 BGB vor. Dort heißt es: Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn
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5 Spezifisches Vertragsrecht
dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. 5.2.1.3.5 Geheimhaltung In Bezug auf die Geheimhaltung in einem Hauptvertrag kann grundsätzlich auf vorstehende Ausführungen zur Geheimhaltungsvereinbarung verwiesen werden (vgl. Abschn. 5.1.2.1.5 „Geheimhaltung“). Ausdrücklich empfohlen werden kann sogar, die optimalerweise im Vorfeld zu einer Geschäftsbeziehung bereits geschlossene Vereinbarung per Verweis in den Hauptvertrag einzubeziehen. Dies hat den Vorteil, dass man sich auf eine deutlich detaillierter gefasste Geheimhaltungsvereinbarung stützen kann, während in Verträgen „lediglich“ Geheimhaltungsklauseln verwendet werden. Unüblich dagegen wäre es in epischer Breite jedweden Inhalt aus einer Geheimhaltungsvereinbarung in einen Hauptvertrag aufzunehmen. 5.2.1.3.6 Anwendbares Recht, Gerichtsstand Ist ein Rechtsstreit unvermeidbar, kann die Frage, nach welchem Recht ein Vertrag beziehungsweise ein Sachverhalt zu beurteilen ist, von zentraler Bedeutung sein (wie soll beurteilt werden). Verträge sollten daher eine sogenannte Rechtswahlklausel beinhalten. Hiermit einher geht eine entsprechende Gerichtsstandklausel (wo beziehungsweise durch wen soll beurteilt werden). 5.2.1.3.6.1 Rechtswahl
Wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit (vgl. Abschn. 3.4.1.2 „Vertragsfreiheit im Einzelnen“) steht es den Parteien grundsätzlich frei das maßgebliche Recht zu wählen. Meistens sind auch Rechtswahlklauseln daher Gegenstand schriftlicher Vertragsverhandlungen. Wählen die Parteien bewusst kein Recht oder vergessen sie es, eine solche Klausel zu vereinbaren, sind sie aber gleichzeitig beide in Deutschland ansässig, kommt deutsches Recht zur Anwendung. Ist eine der Parteien im Ausland ansässig, bestimmen europäische Vorschriften das anzuwendende Recht (etwa das EGBGB beziehungsweise IPRG). 5.2.1.3.6.2 Internationale Verweisungen, UN-Kaufrecht
Bei Kauf- und bestimmten Werkverträgen ist die Anwendung des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht) zu beachten. Die Regeln des UN-Kaufrechts basieren auf einem Übereinkommen der Vereinten Nationen, welches von bisher 77 Staaten ratifiziert wurde. Das UN-Kaufrecht kommt bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen (Waren) zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien in verschiedenen Staaten ansässig sind und die Staaten das UN-Kaufrecht ratifiziert haben (Renner und Lunzer 2012, S. 69). Den Parteien steht es frei, die Anwendung des UN-Kaufrechts auszuschließen. Dies ist in der Praxis sogar regelmäßig der Fall. Weil
5.2 Der Hauptvertragsschluss
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dies häufig passiert, ist die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts daher ohne große Relevanz. Folgende Gründe sprechen für den Ausschluss des UN-Kaufrechts:
Das UN-Kaufrecht beruht auf dem angloamerikanischen Kaufrecht; enthaltene Elemente sind dem deutschen Rechtssystem teils völlig fremd
Das UN-Kaufrecht schafft zwar den Spagat eines Kompromisses zwischen vielen Vertragsstaaten; zieht deshalb aber auch zahlreiche Regelungslücken nach sich; vieles ist nicht geregelt (beispielsweise: der wichtige Bereich der Stellvertretung, Willensmängel etc.)
Es gibt kaum Orientierungspunkte aus Rechtsprechung und Literatur zum UN-Kaufrecht, weil sich deutsche beziehungsweise europäische Gerichtsbarkeiten kaum mit diesem Recht befasst haben; von zahlreichen Gerichtsentscheidungen und entsprechender Fachliteratur lebt jedoch gerade die Qualität des deutschen Rechts
5.2.1.3.6.3 Gerichtsstand, Schiedsgerichtsbarkeit
Die individualvertragliche Freiheit unter Unternehmern (B2B) verglichen mit den Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern (B2C) ist hoch. Nach § 29c Absatz 1 S. 2, 40 Absatz 2 S. 1 Nr. 2 ZPO ist es unzulässig, für Klagen gegen Verbraucher einen ausschließlichen Gerichtsstand im Ausland zu vereinbaren oder lediglich Unternehmern das Recht einzuräumen, Verbraucher an jedem anderen zuständigen Gericht zu verklagen, beispielsweise am eigenen Geschäftssitz (Richter 2014, S. 328). Ferner ist es im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht möglich ergänzende Beschränkungen der zuständigkeitsbegründenden Wirkung von Vereinbarungen über den Erfüllungsort in § 29 Absatz 2 ZPO zu vereinbaren (Richter 2014, S. 328). Anders ist es im Bereich B2B: Gerichtsstandvereinbarungen sind dann beispielsweise wirksam, wenn daran ausschließlich Kaufleute beteiligt sind. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass diese Vorschriften gleichwohl nicht abschließend sind und auch hier Raum für eine AGB-Kontrolle eröffnet ist. Aufgrund der zahlreichen spezialgesetzlichen Einschränkungen stellt sich die Frage der Einbeziehung vorformulierter Gerichtsstandklauseln und ihrer Kontrolle am Maßstab der AGB-Vorschriften vornehmlich in Individualprozessen zwischen Unternehmern. Gemäß § 310 Absatz 1 BGB findet dann lediglich § 305c BGB uneingeschränkt, § 305 Absatz 2 BGB dagegen nur bei Privatgeschäften des kaufmännischen Kunden Anwendung. Entgegen teilweise ergangener Rechtsprechung werden kaufmännische Vertragspartner durch solche Klauseln nicht überrascht, wenn beide Parteien denselben allgemeinen Gerichtsstand haben, die vereinbarte Zuständigkeit aber davon abweicht. Vielmehr ist dies sogar üblich und ein klassischer Ausweichweg, wenn eine Einigung auf einen der anderen beiden Gerichtsstände nicht möglich erscheint (Münchener Kommentar 2019, § 307 S. 251). Wie eingangs erwähnt, sind vorformulierte Klauseln der Auslegung zugänglich. Bei der Auslegung von Gerichtsstandklauseln nach § 305c Absatz 2 BGB im Prozess ist bei
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Zweifeln gegen den Verwender zu entscheiden. Dies wird bei allen Klauseln bedeutsam, die ein unklares Wahlrecht begründen, die vereinbarte Gerichtsstände nicht in bestimmbarer Weise bezeichnen, die die geregelten Zuständigkeitsarten im Dunkeln lassen oder den Kreis der erfassten Rechtsstreitigkeiten nicht genau definieren (Münchener Kommentar 2019, § 307 S. 251). Im Ergebnis lässt sich also wenig überraschend festhalten, dass Gerichtsstandklauseln zwischen Unternehmern grundsätzlich zulässig sind (zumindest im innerdeutschen Verkehr), den Vertragspartner aber unter gewissen Umständen unangemessen benachteiligen können (Schneider 2011, S. 2440 ff.). Lischek/ Mahnken greifen die Kontroverse zwischen Berger (Berger 2006, S. 2149) und Graf von Westphalen (Graf von Westphalen 2007, S. 149 ff.) auf (Lischek und Mahnken 2007, S. 158). Im Ergebnis gelangen Sie wie Berger zum Schluss, dass die Rechtsprechung des BGH zur Anwendung des AGB-Rechts auf Verträge zwischen Unternehmen weder praxis- noch interessengerecht ist und bei unveränderter Fortsetzung dazu führen wird, dass deutsche Unternehmen bei internationalen Sachverhalten zunehmend die Wahl eines ausländischen Rechts bevorzugen werden (Lischek und Mahnken 2007, S. 158).
5.2.1.4 Gewährleistung Bei der Erfüllung von vertraglichen Schuldverhältnissen kommt es vor, dass Leistungen nicht so erbracht werden, wie sie vertraglich geschuldet sind. In diesem Fall spricht man von sogenannten Leistungsstörungen. 5.2.1.4.1 Grundsätzliches Der Austausch von Leistung und Gegenleistung kann durch unterschiedliche Ursachen eine Unterbrechung erfahren. So kann das vertraglich Geschuldete dann nicht mehr erbracht werden, wenn es nicht mehr vorhanden ist, weil es etwa nicht mehr oder nicht mehr brauchbar existiert. Dem Schuldner einer Sache wäre es unmöglich, die geschuldete Sache zu leisten, wenn diese irreparabel beschädigt ist (man spricht dann von Unmöglichkeit). Die Reibungslosigkeit des Austauschs von Leistung und Gegenleistung ist auch dann nicht gegeben, wenn die bestellte Maschine nicht zum geplanten Produktionsstart eingesetzt werden kann, weil sie viel zu spät geliefert wird. Der Schuldner gerät dann in Verzug, wenn eine bestimmte Lieferfrist vereinbart wurde. Sodann spielt es im Rahmen solcher Leistungsstörungen eine grundlegende Rolle, ob die Störung vom Leistungsschuldner zu vertreten ist, er sie mithin verschuldet hat. Die Rechtsfolgen sind bei den beschriebenen Formen der Nichtleistung andere als im Falle der nicht gehörigen, schlechten Leistung. Im Falle der Schlechtleistung liegt ein Fall von Gewährleistung vor. Gewährleistung ist – anders beschrieben – die Haftung für eine mangelhafte Leistung. Wer sich zur Erbringung einer Leistung verpflichtet, hat im Falle der Mangelhaftigkeit derselben stets dafür einzustehen. 5.2.1.4.2 Sach- und Rechtsmängel Gemäß § 433 Absatz 1 BGB ist der Verkäufer einer Sache durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu
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verschaffen. In ganz ähnlicher Weise ist das für das Werkvertragsrecht geregelt. Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet. Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, §§ 631, 633 BGB. 5.2.1.4.3 Erhebliche, nicht erhebliche Mängel Was ein Mangel ist, wird vom Gesetz nicht positiv definiert. In Rechtstheorie und Praxis besteht jedoch Einigkeit darüber, dass ein Mangel dann vorliegt, wenn der geschuldete Vertragsgegenstand bei Gefahrübergang (zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Verträgen mit internationalem Bezug vgl. Abschn. 5.3 „Incoterms 2020®“) nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn die Leistung in ihrer Ist-Beschaffenheit von ihrer Soll-Beschaffenheit zum Nachteil des Käufers abweicht (BGH NJW 2006, 435). Eine Abweichung kann sich in qualitativer, in quantitativer oder rechtlicher Hinsicht ergeben. Das Gesetz unterscheidet Sach- und Rechtsmängel. Zwischen dem Kaufvertragsrecht und dem Werkvertragsrecht bestehen dabei kaum Unterschiede. Bei einem Kaufvertrag ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die Abgrenzung dieser Fälle voneinander und damit die Einordnung von Mängeln ist nicht immer einfach. Zu der Das Gesetz unterscheidet Sach- und Rechtsmängel. Zwischen dem Kaufvertragsrecht und dem Werkvertragsrecht bestehen dabei kaum Unterschiede. Bei einem Kaufvertrag ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die Abgrenzung dieser Fälle voneinander und damit die Einordnung von Mängeln ist nicht immer einfach. Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers im Sinne des Produkthaftungsgesetzes oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste. Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden. Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert. Vom Sachmangel ist der Rechtsmangel
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5 Spezifisches Vertragsrecht
abzugrenzen. Sowohl im Werk- als auch im Kaufvertragsrecht liegt ein Rechtsmangel jedenfalls dann nicht vor, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. 5.2.1.4.4 Weitere Abgrenzungen von Mängeln Es lassen sich mannigfaltige Differenzierungen im Zusammenhang mit Mängeln vornehmen. Nur des besseren Überblicks halber sei erwähnt, dass das Vorliegen eines lediglich geringfügigen Mangels und damit einer unerheblichen Pflichtverletzung in Bezug auf das Schuldverhältnis, die Geltendmachung gewisser Gewährleistungsrechte beschränken kann. Etwa kann der Rücktritt von einem Vertrag dann ausgeschlossen sein, vgl. § 323 Absatz 5 BGB. Bei einem behebbaren Mangel ist von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 Absatz 5 S. 2 BGB jedenfalls in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt (BGH, Urt. V. 28.05.2014 – Az. VIII ZR 94/13). Ist eine Gattungssache Gegenstand des Vertrags – beispielsweise eine aus Serienproduktion stammende Spritzguss-Anlage und eine aus der Vielzahl der Spritzguss-Anlagen weist Mängel auf, so sind solche Mängel stets in Bezug auf die Lieferung des Kaufgegenstandes behebbar, im Zweifel durch den Austausch der Sache selbst. Im Gegensatz dazu kann eine einzigartige Sache im Falle der Mangelhaftigkeit einen nicht behebbaren Mangel aufweisen. Ein ganz bestimmtes Auto aus dem Fuhrpark eines Unternehmers, auf das man sich vertraglich geeinigt hat, weist einen nicht behebbaren Mangel auf, wenn es auf dem Hof des Unternehmers einen Schaden erleidet, dessen Behebung unvernünftig wäre – ein sogenannter Totalschaden. 5.2.1.4.5 Rechtsbehelfe im Rahmen der Gewährleistung Dem Käufer einer Sache können im Kaufvertragsrecht im Falle der mangelhaften Leistung diverse Ansprüche zustehen. Das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen ist im Einzelfall zu prüfen. Neben der Geltendmachung eines Anspruchs auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1, 439 BGB) besteht die Möglichkeit des Rücktritts (§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Absatz 5 BGB), der Minderung (§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 441 BGB), des Schadenersatzes (§ 437 Nr. 3, 280, 281, 440, 283, 311a BGB) und des Ersatzes vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3, 440, 280, 283, 311a, 284 BGB). 5.2.1.4.6 Geltendmachung der Gewährleistung/Verjährung Gewährleistungsansprüche sind innerhalb bestimmter Fristen geltend zu machen. Welche Gewährleistungsfrist gilt, ist im Einzelfall zu prüfen und bestimmt sich auch hier wieder danach, welche Form von Vertrag vorliegt und welches Recht am Ende darauf anwendbar ist. Innerhalb des jeweils anwendbaren Rechts kommt es wiederum darauf an, was Gegenstand des Vertrags ist und welche Art von Mangel vorliegt. Im Rahmen eines Kaufs regelt § 437 BGB die Frist, innerhalb derer entsprechende Ansprüche geltend zu machen sind. Ansprüche verjähren in 30 Jahren, wenn der Mangel
5.2 Der Hauptvertragsschluss
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in einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht. Hingegen verjähren Ansprüche in fünf Jahren bei einem Bauwerk und bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat. Im Übrigen verjähren Ansprüche im Rahmen eines Kaufs in zwei Jahren. Im Rahmen des Werkvertragsrechts verjähren Ansprüche in zwei Jahren bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht. Im Übrigen verjähren Ansprüche im Werkvertragsrecht in der regelmäßigen Verjährungsfrist. Diese beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Der Fristlauf beginnt in der Regel mit der physischen Übergabe der Sache oder der Ablieferung der Ware. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur soweit die Mängel erkennbar sind. Bei nicht erkennbaren Mängeln kann das nicht gelten (vgl. auch Abschn. 5.2.1.4.7 „Ausschluss der Gewährleistung“). 5.2.1.4.7 Ausschluss der Gewährleistung Die Gewährleistung kann auf vielfältige Weise ausgeschlossen sein. Zunächst kommt ein vertraglicher Ausschluss in Betracht. Die §§ 309 Nr. 7, b, 307 BGB sind zu beachten. Neben der vertraglichen Möglichkeit, die Gewährleistung auszuschließen, kann ein Fall des Ausschlusses der Gewährleistung qua Gesetz vorliegen. Einen solchen gesetzlichen Fall stellt § 442 BGB dar. Gemäß § 442 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Ebenfalls ein auf Kenntnis zurückzuführender Ausschluss ist für das Werkvertragsrecht vorgesehen. Dies hängt mit dem bereits beschriebenen „Sonderfall“ Abnahme zusammen (vgl. Abschn. 5.2.1.3.3 „Sonderfall: Abnahme“). Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. Zu beachten ist hierbei, dass diese Vorschrift auch für den Fall der fiktiven Abnahme gilt. Ein im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht zu unterschätzender gesetzlicher Fall, nach dem die Gewährleistung ausgeschlossen sein kann, stellt § 377 HGB dar. Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Zeigt sich später ein solcher
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung erfolgen; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt. Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen. Von diesen gesetzlichen Regelungen kann lediglich in begrenztem Umfang abgewichen werden. Case Study 8: typengemischter Vertrag, AGB, Gesetzeslage
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Ich muss gar nichts“ (siehe Abschn. 12.2.3.2 „Der Hauptvertragsschluss“).
5.3 Incoterms® 2020 Insbesondere bei (Handels-)Vertragsverhältnissen mit internationalem Bezug gelangen regelmäßig die sogenannten Incoterms® (International Commercial Terms) zum Einsatz. Bei den Incoterms® handelt es sich um standardisierte und international anerkannte Regelungen zum Leistungsort. Sie enthalten im Wesentlichen Aussagen zum Gefahrübergang und zur Kostentragung.
5.3.1 Bedeutung Sie werden seit 1936 von der Internationalen Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce Paris, ICC) als „Internationale Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln“ herausgegeben (Baumbach und Hopt 2016, S. 1807). Incoterms® werden dabei regelmäßig durch die Nennung der für sie gängigen Abkürzungen in Form von drei Buchstaben (beispielsweise EXW) in vertraglichen Abreden formuliert. Die Abrede darüber, dass diese Bedingungen zur Bestimmung des Leistungsorts gelten sollen, wird durch das vertraglich vereinbarte anwendbare Recht nicht berührt. Incoterms® können den Parteien eines Vertrags eine standardisierte Abwicklung im internationalen wie nationalen Geschäftsverkehr erleichtern. Über Incoterms® können maßgeblich die Risiko- und Kostenverteilung zwischen den Vertragsparteien festgelegt werden. Ihre Verwendung bietet den Vertragsschließenden die Möglichkeit klarer Regelungen bei einem einheitlichen Verständnis. Auf diesem Wege kann potentiellen Konflikten bei der Auslegung von Verträgen und hieraus möglicherweise resultierenden Auseinandersetzungen besser vorgebeugt werden. Die Incoterms® regeln damit für vertragliche Schuldverhältnisse wesentliche Bereiche. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mittels der Incoterms®
5.3 Incoterms® 2020
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nicht auch alle anderen rechtlichen Herausforderungen geregelt werden, die sich im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse ergeben können.
5.3.2 Regelungsbereiche von Incoterms Der primäre Zweck von Incoterms® liegt in der Regelung folgender Bereiche: • • • •
Zeitpunkt des Gefahrübergangs/Umfang der Gefahrtragung Reichweite der Kostentragung Verpflichtung zur Risikoabsicherung Aufgabenzuweisung (vgl. auch nachstehend: Nebenfunktionen)
Die Incoterms® erfüllen neben ihren primären Funktionen noch weitere: • Verpflichtung zur Einholung und/oder Erstellung von für den Transport erforderlichen Dokumenten • Gegenseitige Informationspflichten • Vornahme von Verpackung • Wareneingangsprüfung
5.3.3 Incoterms® im Einzelnen Die seit dem 01.01.2020 geltende Version der Incoterms, welche die Incoterms in der Version von 2010 ablösen, enthalten einige Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion. Nachstehend wird ein Überblick über die wesentlichen Regelungen gegeben. Die Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion sind entsprechend hervorgehoben. Um einen vollständigen Überblick über die Incoterms® zu geben, sind auch diejenigen dargestellt, bei denen sich keine Änderungen ergeben haben.
Verkäufer stellt die Ware an seinem Geschäftssitz zur Abholung bereit (Abb. 5.6).
Verkäufer stellt die Ware an seinem Geschäftssitz durch Verladung an den vom Käufer benannten Frachtführer bereit. Die Verladung kann auch an einem anderen Ort erfolgen.
NEU Der Transport kann durch eigene Verkehrsmittel vorgenommen werden.
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Abb. 5.6 Incoterms®2020 – Ab Werk. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.7 Incoterms®2020 – Frei Frachtführer. (Quelle: Eigene Darstellung)
NEU Es kann ein Bordkonnossement ausgestellt werden, das dem Käufer vom Verkäufer übergeben wird (Abb. 5.7).
Dem Verkäufer obliegt die Organisation des Transports zum Bestimmungsort. Er trägt die sich daraus ergebenden Frachtkosten. Die Ware gilt als geliefert, wenn sie dem ersten Frachtführer übergeben wurde (Abb. 5.8).
NEU Der Verkäufer liefert die Ware durch Übergabe an den von ihm benannten Frachtführer. Der Verkäufer verpflichtet sich: • Zur Übernahme der Frachtkosten (bis Bestimmungsort) • Zum Abschluss eines Transportversicherungsvertrags mit adäquatem Deckungsschutz (Abb. 5.9).
Der Verkäufer liefert die Ware und stellt sie entladebereit am Bestimmungsort zur Verfügung.
5.3 Incoterms® 2020
Abb. 5.8 Incoterms®2020 – Frachtfrei. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.9 Incoterms®2020 – Frachtfrei versichert. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.10 Incoterms®2020 – Geliefert benannter Ort. (Quelle: Eigene Darstellung)
NEU Der Transport kann durch eigene Verkehrsmittel vorgenommen werden (Abb. 5.10).
NEU Die Klausel DPU ersetzt die Klausel DAT Incoterms®2010.
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Abb. 5.11 Incoterms®2020 – Geliefert benannter Ort, entladen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.12 Incoterms®2020 – Geliefert verzollt. (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Verkäufer liefert und entlädt die Ware am Bestimmungsort (Abb. 5.11).
Der Verkäufer liefert die verzollte Ware und stellt sie entladebereit am Bestimmungsort zur Verfügung.
NEU Der Transport kann durch eigene Verkehrsmittel vorgenommen werden (Abb. 5.12).
Der Verkäufer stellt die Ware längsseits des Schiffs im Verschiffungshafen zur Abholung bereit (Abb. 5.13).
Der Verkäufer stellt die Ware im Verschiffungshafen an Bord des Schiffes bereit (Abb. 5.14).
Dem Verkäufer obliegt die Verladung an Bord des Schiffs und der Transport zum Bestimmungshafen. Er trägt die sich daraus ergebenden Fracht- und Beförderungskosten (Abb. 5.15).
5.3 Incoterms® 2020
Abb. 5.13 Incoterms®2020 – Frei Längsseite Schiff. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.14 Incoterms®2020 – Frei an Bord. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.15 Incoterms®2020 – Kosten und Fracht. (Quelle: Eigene Darstellung)
Dem Verkäufer obliegt die Verladung an Bord des Schiffs und der Transport zum Bestimmungshafen. Er trägt die sich daraus ergebenden Fracht- und Beförderungskosten. Zusätzlich schließt er zugunsten des Käufers eine Transportversicherung ab (Abb. 5.16).
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Abb. 5.16 Incoterms®2020 – Kosten, Versicherung, Fracht. (Quelle: Eigene Darstellung)
5.4 Nach Vertragsschluss Auf Anhieb will sich nicht recht erschließen, welche Optionen und Risiken sich den Parteien nach Vertragsschluss stellen beziehungsweise weiteres Handeln erfordern. Nach Vertragsende können in rechtlicher Hinsicht Pflichten für die jeweiligen Vertragsparteien existieren. Auch nach Ende einer Geschäftsbeziehung ist selbige durch die bis dahin verbundenen Parteien nicht zu gefährden (vgl. Abb. 5.17 „Nach Hauptvertragsschluss“). In der Praxis sehr häufig vorkommend ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Die eigentliche Geschäftsbeziehung ist längst beendet, während sich das Interesse einer der ehemals vertraglich verbunden Parteien noch immer darauf richtet, im Markt von etwa einem wichtigen Wissensträger nicht behindert zu werden.
Abb. 5.17 Nach Hauptvertragsschluss. (Quelle: Eigene Darstellung)
5.4 Nach Vertragsschluss
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Case Study 9: Rahmenvertrag, originärer Vertrag
Für ein besseres Verständnis und um das Vertragsrecht zu trainieren, lesen Sie den Fall „Verträge kann man gar nicht genug haben“ (siehe Abschn. 12.2.3.3 „Nach Hauptvertragsschluss“).
Nach dem (Haupt-)Vertragsschluss gewinnt außerdem an Gewicht, worauf im Rahmen der vorlegenden Darstellung bisweilen nicht eingegangen wurde – das Vertragsmanagement. Vertragsmanagement ist ein vielseitig genutztes Werkzeug zur Verwaltung von Vertragswerken. Gleichwohl besteht noch keine Einigung darüber, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Am Markt angebotene Software-Tools, die das Management unterstützt, beziehungsweise teilweise überhaupt erst ermöglicht, unterscheiden sich sehr stark voneinander. Ebenso gehen die Definitionsansätze in der Literatur teilweise weit auseinander. Auf den größten gemeinsamen Nenner aller Definitionsansätze reduziert meint Vertragsmanagement organisatorische und/oder kontrollierende und/oder dokumentarische Tätigkeiten im Rahmen des Vertragslebenszyklus. Vertragsmanagement erschöpft sich nicht in einer einzelnen Handlung. Vielmehr ist darunter ein Bündel an Tätigkeiten zu verstehen. Diese reichen von der Vertragsplanung, über die Vertragsprüfung und Risikoerfassung und -bewertung, die Vertragsüberwachung bis hin zur Vertragsdokumentation beziehungsweise -archivierung. Der Vertragslebenszyklus reicht dabei von der vorvertraglichen Phase über die Vertragsdurchführung bis hin zur Vertragsbeendigung. Weil sowohl in tatsächlicher als auch in zeitlicher Hinsicht nahezu alle Tätigkeiten erfasst werden, kann Vertragsmanagement als organisatorische, kontrollierende und dokumentierende Tätigkeit, die der Festlegung und Umsetzung der Verträge und ihrer Vertragsziele dient umrissen werden (Ritter 2016, S. 40). Dies umfasst als Oberbegriffe die Organisation, Kontrolle und Dokumentation des Vertrages und hat so den Vorteil, sämtliche von Rechtsprechung und Literatur genannten Handlungen subsumieren zu können (Ritter 2016, S. 23 ff.). Vertragsmanagementsysteme sollten nicht nur aus unternehmensinternen oder rein ökonomischen Gründen genutzt werden. Vereinzelt existieren Normen, die den Einsatz eines organisierten Managements verlangen, um konkrete Vertragsrisiken zu minimieren. Indirekt ergibt sich dies etwa für die Zusammenarbeit mit im Gesundheitswesen beschäftigten Personen. Werden Kooperationen eingegangen, ergibt sich die Pflicht zum Vorhalten „sauberer“ Vertragsgrundlagen aus strafrechtlichen Regelungen (Vgl. §§ 299 a, b StGB). Das Vorhalten entsprechender Verträge, die inhaltlich ausgewogen, transparent und ordentlich dokumentiert sind, bedingt ein entsprechendes Vertragsmanagementsystem. Um den genannten gesetzlichen Anforderungen qualitativ gerecht zu werden, müssen drei wesentliche Bereiche durch ein solches System abgedeckt werden.
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5 Spezifisches Vertragsrecht
Neben einer ordnungsgemäßen Standard-Vertragsvorlagenverwaltung (soweit man mit Standardverträgen arbeitet) sind das bereits angesprochene Life-Cycle-Management und letztlich auch eine vernünftige Auffangplanung erforderlich. Neben dem Abfedern der exemplarisch angesprochenen Risiken, bietet sich über ein flächendeckendes Vertragsmanagement die Möglichkeit viel Potenzial zu heben. Gemeint ist die gesamte Bandbreite an Möglichkeiten, welche sich um geschlossene Verträge ranken: Vom sicheren Fristenmanagement (durch zeitige Kündigung werden beispielsweise Kosten vermieden) bis hin zur Risikobewertung (Verträge veralteten Inhalts können nachgebessert werden). Ab einer gewissen Zahl von laufenden Vertragsverhältnissen, wird es kaum noch gelingen alle vertragsbrüchigen Lieferanten zu identifizieren. Ein durch eine Software gestütztes System kann bei entsprechender Pflege hieran erinnern. Details zur Handhabe eines solchen Systems, inklusive entsprechender Anweisungen an Mitarbeiter (für gewöhnlich einer SOP o.ä. vorbehalten), sollten in einer Art Benutzerhandbuch festgehalten werden. Wiederkehrende Schulungen in diesen Bereichen sind empfehlenswert. Der vertragliche Werdegang einer Geschäftsbeziehung, welcher bei der Schaffung eines Vertragsmanagement-Systems Berücksichtigung finden sollte, kann zusammenfassend wie folgt dargestellt werden (Abb. 5.18 „Phasen des Vertragsschlusses“):
Abb. 5.18 Phasen des Vertragsschlusses. (Quelle: Eigene Darstellung)
Literatur
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Teil II Exkurs: Vertragsmanagement
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Gesteuerter Umgang mit Verträgen in Unternehmen
Die ordnungsgemäße Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und das Ausschöpfen vertraglicher Potenziale erfordert neben einer adäquaten inhaltlichen Gestaltung der Verträge auch eine gehörige Organisation des Umgangs mit Verträgen (zum Umgang mit Verträgen durch Syndikusrechtsanwälte in Maschinenbauunternehmen vgl. Lenz 2019, S. 91 f.). Die Organisation wird ihrerseits nur dann gelingen, wenn man ein ganzheitliches Bild der für die Organisation erforderlichen Elemente vor Augen hat (nachstehendes Kapitel orientiert an: Saliba 2019a, S. 1 ff.).
6.1 Grundsätzliches zum Vertragsmanagement Wird der Umgang mit Verträgen entsprechend organisiert, bieten sie mit Blick auf alle sich aus ihnen ergebenden Chancen und Risiken entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Wer keinen bewussten Umgang mit Verträgen pflegt, der nutzt diese Möglichkeiten gegebenenfalls nicht. Dabei genügt nicht jede Art von Umgang mit Verträgen, um in den Genuss ihrer Potenziale zu gelangen. Beim Vertragsmanagement geht es um den geplanten und geordneten Umgang mit Verträgen, um alle sich aus ihnen und im Umgang mit ihnen ergebenden Aspekte gewinnbringend für das Unternehmen nutzen zu können (Vertragsmanagement teilweise als eine Phase vor Vertragsabschluss bezeichnend: Richter 2013, S. 61). Die Ordnung des Umgangs mit Verträgen und damit korrespondierend die Einführung eines Vertragsmanagement-Systems sollte im juristisch-ökonomischen Interesse einer jeden Wirtschaftsunternehmung liegen, ganz gleich wie trivial sich Verträge präsentieren mögen.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_6
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6 Gesteuerter Umgang mit Verträgen in Unternehmen
6.2 Der Mehrwert für ein Unternehmen: Pflichten, Chancen und Nutzen beim gesteuerten Umgang mit Verträgen Ausgehend von dem Umstand, dass jeder irgendwie geartete Umgang mit Verträgen, Vertragsdokumenten und den Vertragsverhältnissen eine Form von Vertragsmanagement darstellt (weites Verständnis) (zu einem einschränkenden Verständnis von „Vertragsmanagement“ vgl. Wannewetsch 2013, S. 229), ist das Erfordernis einer entsprechenden (Neu-)Ausrichtung als Management-System zu hinterfragen. Wer ein Vertragsmanagement-System einzuführen plant, wird früher oder später ohnehin nach dem Erfordernis einer solchen Maßnahme gefragt werden. Vertragsverhältnisse stellen mehr als nur die Basis wirtschaftlichen Handelns mit potentiellen und aktiven Geschäftspartnern dar. Der systematisierte und geordnete Umgang mit Verträgen bietet einen Mehrwert für die unmittelbar betroffene organisatorische Einheit und damit für das Unternehmen als solches. Die mit der Ordnung des Vertragswesens betrauten Projektleiter überschlagen sich argumentativ gerne, wenn sie versuchen das Vorhaben zu rechtfertigen. Kernargumente lassen sich ohne Weiteres strukturieren und nachvollziehbar darstellen. Nachstehend werden die Gründe für die Schaffung eines geordneten Umgangs mit Verträgen in drei Abschnitten aufgezeigt.
6.2.1 Pflichten Eine sehr häufige Fehlvorstellung im Zusammenhang mit förderbaren Potenzialen für Unternehmen ist, dass sich selbige von vornherein in einem monetären Wert offenbaren müssten. Soweit es sich um nicht-kaufmännische Aspekte handelt, müssen Mehrwerte jedoch regelmäßig erst monetarisiert werden. Dies gelingt in den meisten Fällen auch. Es verbleiben aber auch Aspekte, für die es keinen spürbaren „return on invest“ gibt. Die sogenannten „cost of doing business“ können sich beispielsweise dadurch erhöhen, dass der Gesetzgeber regulatorische Anforderungen verschärft oder neu einführt. Die Erfüllung dieser Anforderungen zieht in der Regel keinen spürbaren Ertrag nach sich, sondern kostet scheinbar einfach nur Aufwand und damit letztlich Geld. Pflichten zum Vorhalten eines Vertragsmanagement-Systems können dabei aus unterschiedlichsten Bereichen abgeleitet werden: vertragliche Regelungen, gesetzliche Vorgaben, Rechtsprechung (Heinrich et al. 2014, S. 306). Immer häufiger finden sich in Verträgen Regelungen zum Vorhalten von Compliance-Management-Systemen. Geschäftspartner fordern dies bei Abschluss eines Vertrags vom Gegenüber, weil sie selbst von Gesetzes wegen dazu angehalten sind, sich selbst einer Vereinigung anschließen, die sich dies zum Zwecke der Prävention auferlegt hat oder dies aufgrund interner Bestimmungen so wollen (beispielsweise einem Code of Conduct). Compliance-Management-Systeme folgen dabei im Kern der ISO 19600 (ergänzend DIN ISO 14001, ONR 192050 und IDW PS 980) als dem größten
6.2 Der Mehrwert für ein Unternehmen: Pflichten, Chancen und Nutzen …
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gemeinsamen Nenner. Die Bewertung von Risiken steht dabei im Mittelpunkt. Um (vertragliche) Risiken bewerten zu können, müssen diese erfasst und auswertbar gemacht werden. Man halte sich vor Augen wie dies in Bezug auf Vertragsverhältnisse und aus Verträgen resultierende Risiken aussähe, wenn man nicht weiß, wo im Unternehmen in welcher Anzahl Verträge anfallen, wie diese inhaltlich ausgestaltet sind und ob alle aus dem Vertrag betroffenen Organisationseinheiten bei deren Verhandlung eingebunden wurden. Das Erfordernis zum Vorhalten eines Compliance-Management-Systems berührt daher zwangsläufig auch Vertragsverhältnisse. Die Pflicht mit Verträgen geordnet umzugehen, kann sich jedoch auch aus etwaiger Rechtsprechung ergeben. So hat der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit (BGH, Urt. v. 09.05.2017, 1 StR 265/16.) das Vorhandensein eines effizienten Compliance-Management-Systems als bußgeldmindernd berücksichtigt. Von einem effizient arbeitenden Compliance-Management-System wird nicht die Rede sein, wenn der Inhaber eines Unternehmens den Überblick über Vertragsverhältnisse nicht hat. Die Pflicht zur Erfassung und Auswertung von (auch vertraglichen) Risiken ist zur Überraschung Vieler jedoch nicht neu. Schon das Reichsgericht verpflichtete Vorstände darauf, sich aktiv Informationen über Risikofaktoren durch ein Meldesystem selbst zu beschaffen, auch wenn die Risikofaktoren versteckt und nicht offensichtlich sind (Organisationspflicht) (Rack 2013, mit Verweis auf: RG, 14.12.1911 – VI 75/11, RGZ 78, 107). Unter gewissen Voraussetzungen können sogar Nebenpflicht beim Vertragsmanagement bestehen (Ritter 2016, S. 89 ff.). Die Pflicht zum Vorhalten eines entsprechenden Management-Systems kann sich aber auch direkt aus rechtlichen Regelungen ergeben. Solche existieren beispielsweise für die pharmazeutische Industrie. So sieht § 9 Absatz 1 der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft – AMWHV) (ergänzend: Art. 12 der Richtlinie (EU) 2017/1572; Leitfaden zur Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel, Kap. 7, „Herstellung und Prüfung im Lohnauftrag“) vor: § 9 Abs. 1 AMWHV Für jede Tätigkeit im Auftrag, insbesondere die Herstellung, Prüfung und das Inverkehrbringen oder jeden damit verbundenen Vorgang, der im Auftrag ausgeführt wird, muss ein schriftlicher Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehen. In dem Vertrag müssen die Verantwortlichkeiten jeder Seite klar festgelegt und insbesondere die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis in den Fällen des § 3 Abs. 2 oder der Guten fachlichen Praxis in den Fällen des § 3 Abs. 3 geregelt sein. Die sich aus dieser Regelung ergebende Pflicht zum Abschluss eines Vertrags zieht nach sich, dass der Abschluss selbst, die Ausgestaltung und die Aktualität des Vertrags überwacht werden. Die konkrete Ausgestaltung mal außen vor – dies kann nur durch Vertragsmanagement geschehen.
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6 Gesteuerter Umgang mit Verträgen in Unternehmen
Lässt sich der Mehrwert der Bedienung dieser Pflichten auch nicht immer in einem unmittelbaren monetären Mehrwert artikulieren, so besteht er gleichwohl in Form von Treue gegenüber Regeln aus Verträgen, dem Gesetz, internen oder externen Richtlinien oder der Rechtsprechung und damit der Vermeidung von Kosten durch regelwidriges Verhalten (beispielsweise geltend gemachter Schadenersatz durch den Vertragspartner oder Bußgelder).
6.2.2 Unmittelbarer Nutzen Deutlicher noch treten Mehrwerte zutage, wenn sie der Kategorie des unmittelbaren Nutzens unterfallen. Der systematische Umgang mit Vertragsverhältnissen vermeidet insbesondere unnötigen zeitlichen Aufwand. Schon die (Teil-)Zentralisierung (je nach gewähltem Modell) der Vertragsverwaltung gewährleistet einen reibungsloseren und damit deutlich schnelleren Umgang mit Verträgen. Zugriffszeiten werden verkürzt und der sonst vorhandene Rechercheaufwand vermieden (etwa durch Telefonate, Meta-Suchen auf Laufwerken oder zeitfressenden Meetings zur „Klärung der aktuellen vertraglichen Situation“). Zeitlicher Aufwand wird ferner durch uneinheitliche Kommunikation verursacht. Dies meint insbesondere Mailings mit mehreren Adressaten, uneinheitlich benannten Vertragsdateien/Annexen, ohne Vorgabe eines iterativen Bearbeitungsprozesses. Prozessuale Vorgaben in diesem Bereich ziehen aufgrund der Masse an Verträgen, wie sie in Unternehmen vorkommen, regelmäßig massive Zeitersparnisse nach sich. Ein weiterer unmittelbarer Nutzen, der sich aus der bewusst (teil-)zentralisierten Verwaltung von Vertragsverhältnissen ergibt, ist die Informationstransparenz (Kähler 2014, S. 175). Das Wissen um das Vorhandensein von Vertragsverhältnissen sollte nicht dem Zufall überlassen sein. Ohne eine adäquate Organisation ist dies jedoch der Fall. Für gewöhnlich werden unnötig viele Verträge mit identischen Geschäftspartnern abgeschlossen, weil man nichts von einem bereits existierenden Rahmenvertragsverhältnis wusste, auf das man hätte aufsetzen können.
6.2.3 Chancen Bleiben wir bei dem eben erwähnten Beispiel: Aufgrund einer zumindest teilzentralen Organisation ergibt sich eine gewisse Informationstransparenz. Dies kann Konsequenzen haben. Es ergibt sich für etwaige Preisverhandlungen mit dem Vertragspartner ein neues Verhandlungsgefüge. Denn selbstverständlich lassen sich Preise auf ein anderes Niveau steuern, wenn die Dimension der abgenommenen Leistungen um ein Vielfaches höher ist. Eine Garantie gibt es dafür nicht. Daher handelt es sich nicht um einen unmittelbaren Nutzen. Um eine Chance für nutzbare Synergien jedoch allemal.
Literatur
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Das Vertragswesen ist typischerweise in Rechtsabteilungen angesiedelt. Diese sind ohne spezifische Zielsetzung in der Regel als kostenverursachende Einheiten anzusehen (Gärtner 2018, S. 72). Die mit der Digitalisierung entstehenden Möglichkeiten sorgen mittlerweile für gegenläufige Trends und versetzen Rechtsabteilungen in die Lage auch als Profitcenter zu agieren (Gärtner 2018, S. 80 ff.). Durch die Einführung eines Vertragsmanagements werden vertragliche Anspruchsgrundlagen gebündelt. Diese neu gewonnene (zentrale) Informationsbasis ermöglicht es, hierauf referenzierend im Konflikt- oder Schadensfall Ansprüche (Claims) (Brauweiler 2015, S. 3) geltend zu machen (zur Geltendmachung von Kartellschäden: Lenz 2019, S. 54). Das Aufsetzen eines entsprechenden Claimmanagements würde die hier gewonnenen Informationen voraussetzen (Saliba 2019b, S. 186). Die bislang angestellten Überlegungen betreffen noch nicht die Digitalisierung des geplanten Vertragsmanagement-Systems. Auch, wenn dieser Schritt von vornherein erwogen werden sollte. Kommt es zur Digitalisierung, macht es Sinn eine weitere Chance ins Licht zu rücken – die digitale Flexibilität (Saliba 2018, S. 197 f.). Gut geplant und umgesetzt sollte ein angeschafftes Tool sich nicht im Bereich der Verträge erschöpfen. Eng mit dem Bereich der Verträge verzahnte Gebiete oder auch ganze Teilbereiche der Rechtsabteilung sollten modular berücksichtigt werden. Ob man die Chance dann auch ergreift, weitere rechtliche Teilbereiche zu digitalisieren, dürfte insbesondere vom Einfluss abhängen, den andere Fachabteilungen als Interaktionspartner auf die Rechtsabteilung haben (zur strategischen Ausrichtung der Rechtsabteilung aufgrund solcher Einflüsse vgl. Falta 2017, S. 390).
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6 Gesteuerter Umgang mit Verträgen in Unternehmen
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Systematisierung des Vertragswesens
Das Vertragswesen zu systematisieren heißt, nicht nur gute Gründe für seine Systematisierung vorzuhalten. Es bedeutet vor allem eine Vorstellung von der Struktur zu gewinnen, die man dem Vertragswesen geben möchte. Leider wird häufig der Ansatz gewählt andere danach zu fragen, was für die eigene Organisation das richtige wäre. Ganz gleich, ob es sich dabei um Berater handelt oder Software-Provider. Sie alle wissen es kaum besser als die Mitarbeiter eines Unternehmens und beginnen mit kostenintensiven Bestandsaufnahmen. Abgesehen davon, dass ein externer Rat in Sachen Bestandsaufnahme nicht nötig ist, handelt es sich bei der Vorgehensweise um eine gleichwohl sinnvolle Vorgehensweise. Denn die teilweise Neustrukturierung der Rechtsabteilung erfordert Wissen um die Ausrichtung des Unternehmens. Ohne Kenntnis von der Unternehmensstrategie (dazu: Rall und Birgit 2003, S. 11 f.) wird es schon schwer zu bestimmen, welche Bestandteile für das Vertragswesen wichtig werden könnten. Eine passende Lösung für alle denkbaren Organisationen gibt es nicht. Der vorliegend skizzierte Ansatz kann jedoch als weitestgehend branchenunabhängig angesehen werden und bringt auch gegenüber stark divergierenden Strategien eine große Flexibilität mit sich.
7.1 Bestandteile eines Vertragsmanagement-Systems Der sichere und effiziente Umgang mit Verträgen erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der Lebensphasen, die ein Vertrag unter Einbeziehung der unmittelbar davor und danach liegender Zeitpunkte durchlaufen kann (nachstehendes Kapitel orientiert an: Saliba 2019, S. 1 ff.).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_7
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7 Systematisierung des Vertragswesens
7.1.1 Standardvertragsvorlagenverwaltung Standardvertragsvorlagen sind Ausdruck des Umstands, dass es auch ein „Leben vor dem Leben“ eines Vertrags gibt (anders in Bezug auf Versicherungsverträge Lenz 2019, S. 380). Ehe ein Vertrag zur geplanten Verhandlung initiiert wird, muss er als Vorlage erstellt werden (Standardverträge ebenfalls dem Vertragsmanagement zuordnend: Lenz 2019, S. 92 f.). Dabei kann dahinstehen, ob sich der mögliche Vertragspartner oder das eigene Haus der Erstellung annimmt – Verträge werden jedenfalls regelmäßig nicht von Grund auf neu erstellt. Standardverträge wollen in einer bestimmten Weise inhaltlich wie formell abgestimmt, zentral verwaltet und bei Bedarf aktualisiert werden. Je nach Unternehmen, je nach Branche und je nach strategischer Ausrichtung der Rechtsabteilung (Falta 2017, S. 390) in diesem Gebiet hält man eine nicht unerhebliche Zahl von Verträgen vor. Folgende Fragen sollten beantwortet werden, wenn die Vorlagen einem zentralen System zugeführt werden sollen: • Wie verschafft man sich einen Überblick über die Anzahl der Verträge, ihre Titel und weil der Titel lediglich indizielle Aussagekraft hat, die wesentlichen Inhalte? • Wer entscheidet wann über welche formellen und inhaltlichen Änderungen und wie wird das nachgehalten? Wegen des bereits angesprochenen AGB-Prüfungsmaßstabs, der in der Regel auch im „b to b“-Bereich Anwendung findet (vgl. Abschn. 4.2.1.2 „im unternehmerischen Geschäftsverkehr“), dürfte diese rechtlich-gestalterische Herausforderung eine originäre Aufgabe der Rechtsabteilung sein, sodass dieser Teil des Vertragsmanagements dort angesiedelt sein sollte. • Sind die Verträge modular ausgestaltet – sprich, wirkt sich die Änderung einer Vorlage auch auf einige oder alle anderen Vorlagen aus? Das könnte bei verallgemeinerungsfähigen Passagen wie den Schlussbestimmungen der Fall sein. • Wie finden strategische Erwägungen der Rechtsabteilung Eingang in die Vorlagen? Gibt es wegen eines laufenden Change-Prozesses beispielsweise eine hohe Update-Frequenz, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuhalten, sich stets nach einem aktuellen Template zu erkundigen, ehe Sie ein neues Vertragsverhältnis eingehen? • Wie wird der bereits angesprochene erste Abstimmungskreislauf praktisch umgesetzt? Gibt es Meetings, in denen die Templates gemeinsam mit Fachabteilungen überarbeitet werden oder finden die Anpassungen über vorhandene (gegebenenfalls digitale) Kollaborations-Werkzeuge statt? Die Betrachtung und Beantwortung dieser Fragestellungen und der Transfer in eine Struktur, stellen die erste von drei elementaren Säulen des hier beschriebenen Vertragsmanagement-Systems dar. Noch lange bevor also ein Vertrag seinem Life-Cycle zugeführt wird und damit beginnt zu leben, werden nach dem hier beschriebenen Modell die ersten wichtigen Voraussetzungen einer effizienten Vertragsverwaltung geschaffen.
7.1 Bestandteile eines Vertragsmanagement-Systems
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7.1.2 Life-Cycle-Management Ist ein Vertrag nach vorstehenden Maßgaben erstellt, kann er in Aktion treten, indem er über den Initiierungsprozess aus der Standardvertragsvorlagenverwaltung dem eigentlichen „Life-Cycle“ zugeführt wird. „Life-Cycle“ eines Vertrags lässt sich chronologisch wie folgt beschreiben: I. Anpassung der Vertragsvorlage/initiale interne Abstimmung über Änderungen (int. Verhandlung) II. Übermittlung an Vertragspartner/Rückübermittlung vom Vertragspartner (in der Regel per Email)/erneute Abstimmung zwischen beteiligten Abteilungen III. Mehrfache Wiederholung von „II.“, bis ein unterschriftsreifes Vertragsexemplar vorliegt IV. Vertragserfüllung V. Überwachung (Controlling) Aus den geschaffenen vertraglichen Grundlagen ergeben sich mithin Rechte und Pflichten für beide Seiten. Es liegt auf der Hand, dass sich bei der Vielzahl der geschlossenen Verträge nicht jeder Mitarbeiter jeder nur erdenklichen Pflicht und jedes nur erdenklichen Rechts aus einem Vertrag fortwährend bewusst ist. Rechte und Pflichten gehen in der Regel auch mit vertraglich vereinbarten oder gesetzlich vorgesehenen Fristen einher. Beispiel
Aus einem gemischten Gewerbemietvertrag können sich mehrere Laufzeiten ergeben. Dies können sein: • Laufzeit des Vertrags • Zeitliche Beschränkung der Berechtigung zur Nutzung eines Gebäudeteils • Zeitliche Beschränkung der Nutzung von Dienstleistungen in einem Gebäude • Mietpreisbindungsphase • Fristen betreffend Mitteilungspflichten (etwa vor Kündigung, vor Preisverhandlungsverlangen) ◄ Wie will man diese Fristen einhalten, wenn es kein System im Hause gibt, das einen an eben jene Fristen erinnert? Auf welche Weise behält man den Überblick über mehrere aktive Vertragsverhältnisse mit eben solchen Fristen? Dieser Bedarf verlangt nach einem weiteren wichtigen Baustein im Rahmen des „Life-Cycle-Managements“: das Vertragscontrolling (siehe auch: Richter 2013, S. 113). Mit voranschreitender Digitalisierung wächst die Zahl der Überwachungsund Sensibilisierungsmöglichkeiten rund um Verträge. Seien es sichere M öglichkeiten
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7 Systematisierung des Vertragswesens
der Speicherung und effiziente Möglichkeiten der Recherche (etwa durch „Optical Character Recognition“), (teil- oder voll-)automatisierte Fristenkontrolle, Mitarbeiter-Trainings oder flächendeckende Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb der Belegschaft. All diese Aspekte sollten in einem effizienten VertragsmanagementSystem Berücksichtigung finden. Software-Tools würden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenig Sinn machen, wenn sie nicht auch vom qualitativ stark anwachsenden Datenbestand profitierten, indem sie adäquate Recherchemöglichkeiten erhielten. Auch gut verhandelte Fristen zögen die Gefahr der Säumnis nach sich, wenn sie nicht eingehalten würden. Rechtlich aufwendig gestaltete Vorlagen ergäben nur eingeschränkt Sinn, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Inhalte gar nicht verstünden oder nicht wüssten, worauf sie sich konzentrieren sollten, wenn mal die Vorlage des potentiellen Vertragspartners Verhandlungsgrundlage sein soll. Die Einführung eines Vertragsmanagement-Systems verkäme zu einem ansehnlichen Zeitvertreib. Vom Erfolg ganz zu schweigen. Er bliebe fraglich, würde man die Nutzung des Vertragsmanagement-Systems nicht zu einer Verpflichtung erklären.
7.1.3 Auffangplanung Fehler im Umgang mit Verträgen sind dennoch kaum vermeidbar. Die dritte Säule des Vertragsmanagement-Systems befasst sich daher nicht abermals mit der Frage, wie Fehler von vornherein vermieden werden können (vgl. Abschn. 7.1.1 „Standardvertrag svorlagenverwaltung“) oder wie der aktive Umgang mit Verträgen aussehen sollte (vgl. Abschn. 7.1.2 „Life-Cycle-Management“). Es geht um die sogenannte reaktive Auffangplanung. Der systematische Umgang mit Verträgen sollte auch den „nicht-optimalen“ Zustand berücksichtigen. Was tun, wenn komplexe Vertragsverhältnisse zutage treten, die eine Fülle an Fehlern offenbaren? Wie kann Unterlagenvollständigkeit auf schnellstem Wege gewährleistet werden? Eines dürfte im Falle eines Konfliktes nicht von Interesse sein – epische Rechtsgutachten, die dann in die jeweiligen Fachbereiche kommuniziert werden. Selbst, wenn die Sprache der Juristen dort verstanden und die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden, zeitaufwendig und damit wenig pragmatisch bleibt ein solches Vorgehen dennoch. Selbst einfache Fragestellungen können eine heftige Komplexität der Antworten verursachen. Beispiel
Die für ein Vertragsverhältnis zuständige Mitarbeiterin stellt sich die Frage, ob ein Vertrag kündbar ist. Die etwas unklare Regelung aus dem Vertrag, die diese Frage beantworten könnte, wird an die Rechtsabteilung adressiert. Diese muss feststellen,
7.1 Bestandteile eines Vertragsmanagement-Systems
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dass die Kündigung des angesprochenen Vertrags möglich ist, wenn zuvor zwei andere Verträge gekündigt werden. Alle drei Verträge verweisen mit komplizierten Klauseln aufeinander und bedingen sich gegenseitig. Um diese Frage letztlich zu beantworten, wären nunmehr drei Kurzgutachten wenig brauchbar. Es macht Sinn, an dieser Stelle mit Übersichten zu arbeiten. Das Ergebnis ließe sich praxisgerecht schnell kommunizieren, wenn solche Übersichten, in die man die nötigen Informationen einarbeiten könnte, bereits vorhanden wären. ◄
7.1.4 Organisationsbereiche im Überblick Aus den beschriebenen Bereichen lässt sich ein ganzheitliches Modell für ein Vertragsmanagement-System ableiten (vgl. Abb. 7.1 „Vertragsmanagement nach 3-Säulen-Modell“). Losgelöst von Branche und Unternehmensgröße kann das Modell eine Fülle von Fragestellungen aufgreifen, die einer Beantwortung bedürfen. Das „Ob“ der einzelnen Elemente steht folglich nicht infrage. Das „Wie“, also die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Bausteine, ist hingegen konkreten Gegebenheiten in der Organisation vielen Details abhängig und bedarf einer sorgfältigen Betrachtung des Unternehmens, welches plant ein derartiges System einzuführen, der Branche, in der es tätig ist und der Vertragsverhältnisse, die es für gewöhnlich eingeht.
Abb. 7.1 Vertragsmanagement nach 3-Säulen-Modell. (Quelle: Eigene Darstellung)
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7 Systematisierung des Vertragswesens
7.2 Vertragsverhandlungen als Teil des Life-Cycle Managements Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen Abstimmungsprozesse rund um Verträge. Dabei können insgesamt drei Abstimmungskreisläufe unterschieden werden, die prozessual ineinandergreifen (vgl. Abb. 7.2 „Abstimmungskreisläufe“): • Standardvertragsvorlagen • Interne Abstimmung • Externe Abstimmung (= schriftliche Vertragsverhandlung) Selbst dann, wenn es eine zentralisierte Standardvertragsvorlagenverwaltung geben soll, die in der Rechtsabteilung angesiedelt ist, dürften in Abhängigkeit zur Branche einige Vorlagen derart stark regulierte Bereiche betreffen, dass zu erwägen ist, jemanden aus der zuständigen Fachabteilung einzubinden, um die Inhalte der Vorlage entsprechend abzustimmen. Denn die Fachabteilung wird der Hauptverwender der Vorlage sein. Je nach Verhandlungsgeschick (Wolf et al. 2013, Einl. Rn. 3) und/oder Marktmacht (vgl. Junker und Kamanabrou 2007, S. 20) kann es einem Unternehmen passieren, dass man auch mit fremden Verträgen Vorlieb nehmen muss. Fremde Vertragsvorlagen, auch wenn sie das Gleiche regeln wollen, können völlig anders gestaltet sein als die Verträge, die man im eigenen Hause vorhält. So kann es geschehen, dass die eben erwähnten Qualitätsvereinbarungen in anderen Häusern nicht in einer separaten Vorlage vorhanden sind, sondern mit anderen Vereinbarungen vermengt werden. Die Vermengung von sonst separat geschlossenen Verträgen verändert auch das Abstimmungsprocedere. Je mehr vertragliche Grundlagen vermengt werden, desto mehr Fachabteilungen
Abb. 7.2 Abstimmungskreisläufe. (Quelle: Eigene Darstellung)
Literatur
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wären in einem solchen Fall vermutlich einzubinden. Zwar kann die Frage danach, welche Abteilung bei welchem Vertragstitel einzubinden ist, nicht pauschal im Voraus beantwortet werden. Organisatorisch sollte dies jedoch Berücksichtigung finden. Ein Vertragsmanagement-System derlei zu gestalten, dass bei Qualitätsverträgen nur die Abteilung Quality Management einzubinden ist, wäre schlichtweg riskant. Sicherer ist der Lösungsansatz, der ein Procedere für die typischen Konstellationen vorsieht, ohne sich prozessual darauf zu versteifen. Sprich, es muss jetzt und auch dann, wenn das System digitalisiert werden sollte, möglich bleiben, weitere Fachabteilungen einzubinden, weil die Situation es erfordert. Etwa weil sich umfangreiche kaufmännische oder lizenzrechtliche Anforderungen in einem gemischten Vertrag wiederfinden. Ist der Vertrag intern soweit abgestimmt, steht er vor seiner Übermittlung an den Vertragspartner. Die anstehende Kommunikation ist nicht zu unterschätzen. In der Praxis finden Vertragsverhandlungen zumeist schriftlich statt. Es klingt lapidar, jedoch sollte bei mehreren beteiligten Fachabteilungen feststehen, wer aus dem eigenen Hause zu welchem Zeitpunkt mit dem Vertragspartner in Kontakt tritt. Ist das nicht geregelt, verschenkt man unnötig Zeit bei der Suche nach einem Verantwortlichen („single point of contact“/„contract owner“/„process owner“) oder schlimmer noch, es werden durch mehrere Beteiligte Verträge auf einem uneinheitlichen (internen) Verhandlungsstand an den Vertragspartner geschickt (vgl. Abschn. 10.2.2.2 „Vertragsentwurf und interne Abstimmung“). Den Punkt der konkreten Planung abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Verträge, und das meint vor allem deren Inhalte, sind nicht von vornherein und in jedem Fall berechenbar. So gut man sich organisatorisch ausrichtet, sollte ein Element dabei niemals fehlen: Mitarbeitertraining. Die Sensibilisierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in grundsätzlichen (materiell-rechtlichen) Vertragsfragen ist für das Heben von Potenzialen in diesem Bereich und damit für den Erfolg einer Vertragsverhandlung von grundlegender Bedeutung. Dieser Punkt ist im hier beschriebenen Modell dem Bereich „Controlling“ zugeordnet (vgl. Teil IV „Umgang mit Verträgen trainieren“).
Literatur Falta, Roman. 2017. Strategieentwicklung für General Counsels, in: Falta, Roman/Dueblin, Christian (Hrsg.), Praxishandbuch Legal Operations Management. Berlin-Heidelberg: Springer Verlag. Junker, Abbo/Kamanabrou, Sudabeh. 2007. Vertragsgestaltung – ein Studienbuch, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Lenz, Tobias. 2019. Die Rechtsabteilung – Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen, 3. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Rall, Wilhelm/König, Birgit. 2003. Aktuelle Herausforderungen an das strategische Management, in: Hungenberg, Harald/Meffert, Jürgen (Hrsg.), Handbuch Strategisches Management. München: Springer Gabler.
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7 Systematisierung des Vertragswesens
Richter, Thomas. 2013. Vertragsrecht – Grundlagen des Wirtschaftsrechts, 2. Auflage. München: Vahlen. Saliba, Jean L. 2019. Vertragsmanagement – Grundlagen zum gesteuerten Umgang mit Verträgen in Unternehmen. Wiesbaden: Springer Gabler. Wolf, Manfred/Lindacher, Walter/Pfeiffer, Thomas. 2013. AGB-Recht, Kommentar, 6. Auflage. München: C.H.Beck.
Teil III Die Vertragsverhandlung
8
Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen
Verhandlungen erlangen gemeinhin eine immer größer werdende Bedeutung (dazu: Hasler-Dierauer 2007, S. 5). Dies trifft auch auf Vertragsverhandlungen zu. Denn eine Vorstellung von dem zu haben, was (für einen günstig) in Verträgen abgebildet werden kann und abgebildet werden sollte, bedeutet nicht gleichzeitig, dass man dies auch schafft einvernehmlich mit dem Vertragspartner durchzusetzen. Eine für die Vertragsgestaltung bedeutsame Herausforderung ist die Vertragsverhandlung. Dabei können unabhängig von Branche, Vertragsgegenstand und Umfang eines Vertrags allgemeingültige Aspekte benannt werden. Denn Vertragsverhandlungen, auch wenn sie sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, ähneln sich in vielen Punkten (zur Ähnlichkeit von Strategie und Taktik: Mayer und Kroiß 2018, Rn. 1). Im Ergebnis geht es stets darum die Erwartungen der verhandelnden Parteien einem zufriedenstellenden Ergebnis für beide Seiten zuzuführen (Mayer und Kroiß 2018, Rn. 2). Mithin kann gesagt werden: Verhandeln ist ein miteinander kommunizieren von zwei oder mehreren Parteien, wobei jede Verhandlungspartei ein bestimmtes Ergebnis erreichen will. Der Abschluss einer Verhandlung beinhaltet einen Interessenausgleich (Mayer und Kroiß 2018, Rn. 6). Die Auseinandersetzung mit der Definition legt nah, dass eine erfolgreiche Verhandlungsführung einerseits von Strategien, Taktiken und Techniken lebt, andererseits aber auch, wie noch gezeigt werden wird, ein gehöriges Maß an Sozialkompetenz erfordert.
8.1 Mündliche vs. schriftliche Vertragsverhandlungen Während es auf Parteien, das in fällt, ist das für Wirtschaftsleben
der Hand liegt, dass das Ergebnis eines Gesprächs zwischen zwei einem Vertrag mündet, unter den Begriff der Vertragsverhandlung einen anderen Fall nicht ganz so klar. Den wenigsten Akteuren im ist wirklich bewusst, dass sie sich beim Austausch von Verträgen in
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_8
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8 Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen
Form von elektronischen Dokumenten (in der Regel Word-Dokumente im so genannten „Change-Track-Modus“/Nachverfolgbarkeit der Änderungen im Worddokument ist aktiviert) per E-Mail ebenfalls in Vertragsverhandlungen befinden (vgl. dazu grundsätzlich: Meins 1993, S. 15 ff.). In der einschlägigen juristischen wie interdisziplinären Literatur wird dieser Part häufig untergewichtet oder sogar gänzlich ausgespart. Manchmal werden die die Verhandlungen prägenden Kommunikationsmittel im Zusammenhang mit der Beweisbarkeit etwaiger Verhandlungsergebnisse thematisiert (so etwa: Bohnstedt 2018, S. 52 ff.). Einschlägige Theorien und Verhandlungskonzepte beschränken sich in der Regel jedoch auf die Verhandlungssituation, in der sich Personen einander gegenübersitzen. Der Grund hierfür kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden.
8.1.1 Bedeutungsschwere mündlicher Verhandlungen Verhandlungen unter gleichzeitiger Anwesenheit von Personen werden zwar deutlich seltener abgehalten als schriftliche Vertragsverhandlungen. Dafür geht es in mündlichen Vertragsverhandlungen regelmäßig um Bedeutendes für die Verhandlungspartner. Nur äußerst selten dürften mündliche Verhandlungen auch dann durchgeführt werden, wenn es inhaltlich um verhältnismäßig wenig geht. Und selbst in einem solchen Fall ginge es immerhin noch um das persönliche Aufeinandertreffen der Verhandlungspartner, was zwar weniger in der Sache, aber noch immer auf die geschäftliche Beziehung insgesamt einzahlt.
8.1.2 Mündliche Verhandlungen als Schlusspunkt Mündliche Verhandlungen folgen schriftlichen Verhandlungen regelmäßig nach. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr wird der berüchtigte Erstkontakt in den meisten Fällen schriftlich hergestellt. Und noch ehe in einer Sache dezidiert gesprochen wird, werden die Vorstellungen der Parteien schriftlich ausgetauscht. Dieses Vorspiel ändert in vielen Angelegenheiten jedoch nichts daran, dass irgendwann eine mündliche Verhandlung folgt. Haben die Parteien sich einmal zum Kern des Geschäfts vorgearbeitet, werden in den folgenden mündlichen Verhandlungen, je nach Verhandlungsstand, entweder wichtige letzte Details geklärt oder versucht divergierende Vorstellungen zu einer gemeinsamen Vorstellung zusammenzuführen. Mündliche Verhandlungen spielen also nicht nur in gewichtigen Themen eine große Rolle, sondern stellen oft auch einen logischen Schritt im Gesamtprozess der Verhandlung dar.
8.1.3 Zeit als pressierender Faktor Dass sich viele Abhandlungen auf mündliche Vertragsverhandlungen konzentrieren, dürfte auch im Grad der Herausforderung zu sehen sein. Während sich inhaltlich im Vergleich zu schriftlichen Vertragsverhandlungen kaum etwas verändert, in der Regel sogar
8.3 Begrifflichkeiten
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eher weniger Themen abzuhandeln sind, bereitet einem die persönliche Anwesenheit des Verhandlungspartners Stress. Es ist schlichtweg nicht möglich sich auf dem Weg zum Kaffeeautomaten eine Lösung zu überlegen, nochmal eine Nacht über eine Formulierung zu schlafen oder den Kollegen nebenan um Rat zu bitten. Es gleicht schon mal der Situation in einer mündlichen Prüfung, in der man mit konkreten Fragen konfrontiert und der Erwartungshaltung ausgesetzt ist unmittelbar und konkret zu antworten. Die Verfügbarkeit über das eigene Wissen spielt unter diesem zeitlichen Gesichtspunkt eine enorme Rolle. Diese besondere Drucksituation kann sich auf einen ganzen Tag erstrecken. Mündliche Verhandlungen werden daher im Vergleich zu schriftlichen Verhandlungen als die größere Herausforderung angesehen, welche es zu bewältigen gilt.
8.2 Gang der nachfolgenden Darstellung Dieses Buch liefert Antworten auf Fragen im Zusammenhang mit Verträgen, und zwar von der Idee bis zur Unterschrift. Dabei sollen so gut wie keine Schritte ausgespart werden. Dies trifft auch auf den Bereich der Vertragsverhandlungen zu. Die nachfolgenden Abschnitte orientieren sich an dem Werdegang eines Vertrags. Dessen Inhalt entwickelt sich in der Regel in einem Mix aus schriftlichen und mündlichen Vertragsverhandlungen. In den folgenden Abschnitten soll daher eine eingehende Betrachtung schriftlicher Vertragsverhandlungen nicht unterbleiben. Vielmehr sollen Bedeutung und Besonderheiten hervorgehoben und in einen Kontext zu mündlichen Vertragsverhandlungen gesetzt werden. Ehe auf die Besonderheiten schriftlicher beziehungsweise mündlicher Vertragsverhandlungen eingegangen wird, werden Begrifflichkeiten vorangestellt und anschließend Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen aufgezeigt. Sodann werden schriftliche wie auch mündliche Vertragsverhandlungen separat in den Blick genommen.
8.3 Begrifflichkeiten Bieten Vertragsverhandlungen keinen Raum für ausgiebige Recherchen, beispielsweise, weil sie mündlich stattfinden und eine rasche Reaktion gefordert wird (vgl. dazu bereits Abschn. 8.1.3 „Zeit als pressierender Faktor“), können unbekannte Begrifflichkeiten, insbesondere Abkürzungen und englische Ausdrücke, mit denen Verhandelnde um sich werfen, eine besondere Herausforderung bereiten. Neben einigen nicht-selbsterklärenden Abkürzungen, werden in diesem Abschnitt Begriffe erläutert, die Eingang in den Verhandlungsjargon gefunden haben (vgl. Tab. 8.1. „Verhandlungsjargon“). Ein Wissen um diese Begrifflichkeiten vermag nicht nur Souveränität im Rahmen der Verhandlung selbst zu bescheren, sondern auch eine (interne) Abstimmung im Vorfeld zu erleichtern und zu beschleunigen.
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8 Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen
Tab. 8.1 Verhandlungsjargon Ankerung
Ein aus der Verhandlungspsychologie stammender Effekt, welcher die subjektive Wertigkeit von Angeboten beschreibt. So können preisliche Angebote, welche einen nicht runden Betrag aufweisen (bspw. € 1,13 statt € 1.-) den Eindruck erwecken, dass sie auf eine genaue Kalkulation zurückgehen. Ferner schaffen „krumme“ Beträge eine Barriere, preisliche Verhandlungen in größeren preislichen Schritten zu vollziehen (vgl. Portner 2010, S. 22)
BAFO
(= best and final offer) Bezeichnet die heute auf vielen Handelsplattformen als „letzter Preis“ bezeichnete finale Offerte. Die ausdrückliche und bewusste Bezeichnung eines Angebots gegenüber dem Verhandlungspartner als finales Angebot, kann im Rahmen von Verhandlungen ein Stilmittel beziehungsweise Technik sein, um dem Verhandlungspartner Grenzen zu signalisieren oder dies auch nur vorzugeben. Letztlich versucht man damit den Verhandlungsrahmen einzuschränken
BATNA
(= best alternative to a negotiated agreement) Best mögliches Verhandlungsergebnis im Verhältnis zum ursprünglich angestrebten Verhandlungsziel. In zentralen Aspekten gilt es Im Vorfeld von Verhandlungen mehrere Alternativen auszuloten. Anderenfalls eine Relation nicht bestimmt werden kann. Bei nur einer ausgeloteten Alternative (die zwangsläufig gewählt würde im Falle der Nichteinigung) kann es sich nicht um die beste Alternative (zur Bedeutung von Verhandlungsalternativen vgl. Nash 1950, S. 155 ff.)
Big fish
Versuch der Einschüchterung des Verhandlungspartners durch Demonstration der eigenen Überlegenheit aufgrund von beispielsweise wirtschaftlicher Stärke oder Marktpräsenz. Dieses Stilmittel kann mit der Intention zum Einsatz gelangen beim Gegenüber Dankbarkeit für die Möglichkeit des Geschäftsabschlusses zu erzeugen
Bluff
Allgemeine Bezeichnung für Verhandlungsstile, die das Erreichen von Verhandlungszielen durch Täuschung ermöglichen sollen. Derartige Verhandlungsstile können grundlegenden Bedenken begegnen, wenn sie die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreiten
Calculated Delay
Versuch der Verzögerung im Rahmen von Verhandlungen, um durch den künstlich geschaffenen zeitlichen Engpass die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Kann der Vertragspartner aufgrund eines zu engen Zeitplans auf keinen alternativen Geschäftspartner zurückgreifen, wird durch die zeitliche Verknappung von Verhandlungen die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses zu günstigeren Konditionen für den Druck ausübenden Verhandlungspartner wahrscheinlicher
Call Girl
Verlangen nach Vorabzahlungen für Leistungen, die unter Umständen bereits mit der Hauptleistung abgegolten sind. Ein derartiges Verhalten kann rechtlichen Bedenken begegnen, wenn es sich dabei gleichzeitig um das Verlangen nach Bestechung handelt (Fortsetzung)
8.3 Begrifflichkeiten
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Tab. 8.1 (Fortsetzung) Cherry Picking
Die Auswahl mehrerer für einen selbst günstiger Aspekte aus unterschiedlichen (Angebots-) Varianten. Besonders bei Verhandlungen, in denen viele konditionelle Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, kommt es vor, dass eine Partei die für sie günstigen Konditionen im Rahmen eines Gegenvorschlags kombiniert
DAD
(= decide, announce, defend) Einflussreiche Entscheidungsträger werden in die eigentliche Verhandlung nicht einbezogen, um einen Geschäftsabschluss nicht zu gefährden. Den genannten Entscheidern wird eine ablehnende Haltung erschwert, indem man ihnen bereits erzielte Ergebnisse vorsetzt (ähnlich: Susskind 1985, S. 159)
DDD
(= dialogue, decide, deliver) Beschreibt die frühe Einbindung von Entscheidungsträgern in (in der Regel vorgelagerte) Verhandlungen, um spät aufkommendem Widerstand durch solche Entscheidungsträger zu entgehen. Stellt gegenläufigen Fall zum DAD dar
Debiasing
Herangehensweise, um (in der Regel) unbewussten Verzerrungen (sogenannte bias) beim Treffen von Entscheidungen zu begegnen. Die den Entscheidungen meistens vorgelagerten Verzerrungen können beispielsweise das Denk- oder Erinnerungsvermögen betreffen
Decoy Effect
Eine Technik, die zur Täuschung eingesetzt werden kann, um ein eigentlich schlechtes Angebot günstig aussehen zu lassen. Zur Vermeidung der Realisierung eines gegenüber dem unterbreiteten Angebot, günstigeren Angebots, wird die Wahrnehmung eines im Verhältnis zum unterbreiteten Angebot, noch schlechteren Angebots forciert. Hierdurch wird ein Vergleich der zwei schlechteren provoziert. Die Betrachtung eines dritten, besseren Angebots unterbleibt
EANT
(= ethically ambiguous negotiation tactics) Übergeordnete Bezeichnung für fragwürdige Verhandlungstechniken und -taktiken. Die diesem Bereich zuzuordnenden Vorgehensweisen begegnen häufig rechtlichen Bedenken, weil sie mit widerrechtlicher Täuschung oder Drohung einhergehen können
FOG
(= facts, opinions, guesses) Klassifizierung von Informationen auf Basis ihres Aussagegehalts. Die Einteilung von Informationen in Kategorien kann Entscheidungsprozesse und damit Reaktionsmöglichkeiten erleichtern
FOTE
(= fair, open, trustfull exchange) Eine Art auf Augenhöhe mit dem Verhandlungspartner zu verhandeln (gerecht, offen, vertrauensvoll) (geht zurück auf: Raiffa 1982, S. 1 ff.)
GTFT
(= generous tit for tat) Eine Verhandlungstechnik, die sich mit „leben und leben lassen“ beschreiben lässt. Die Erreichung des Verhandlungsziels wird dadurch begünstigt, dass gegenüber dem Verhandlungspartner Zugeständnisse gemacht werden
Halo (effect)
Verzerrung von Denk- und/oder Entscheidungsprozessen, die auf einen anlasslos positiven Eindruck vom Gegenüber zurückgehen. Dabei entsteht der Eindruck vom Gegenüber nur scheinbar in der konkreten (Verhandlungs-) Situation. Die leitenden Eindrücke sind in Wahrheit bereits vorhanden und mit positiven Emotionen verknüpft (vgl. Thorndike 1920, S. 25 ff.) (Fortsetzung)
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8 Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen
Tab. 8.1 (Fortsetzung) Last Gap
Ein letzter offener Verhandlungspunkt, der manchmal unter nur sehr erschwerten Bedingungen zu schließen ist. Dieser letzter Punkt kann von derart großer Bedeutung sein, dass die Verhandlung kurz vor Ende scheitern
Machiavellianism
Einstellung zu Verhandlungen, die das Erreichen von günstigen Verhandlungsergebnissen um jeden Preis beschreibt. Verhandelnde, die einen solchen Stil pflegen, sind dafür bekannt ihr Verhandlungsziel auch unter dem Einsatz von manipulativen Methoden zu erreichen (zur Kombination von Machiavellis Methodik mit der nach dem Harvard Verhandlungskonzept vgl. Heussen und Pischel 2014, Rn. 392 ff.)
MGA
(= mutual gains approach) Rationaler analytischer Verhandlungsansatz, der Verhandlungen einer prozessualen Betrachtung unterzieht und sie darüber in vier Phasen einteilt: a) Prepare b) Create Value c) Distribute Value d) Follow Through
PARETO
Konzept zur Optimierung einer Lösung mit dem Ziel, dass unter einer Vielzahl von Ansätzen und Lösungsmöglichkeiten, keine Kombination günstiger ist, als dass die eine Seite mindestens nicht schlechter dasteht, während wenigstens die andere Seite besser dasteht als zuvor (benannt nach Vilfredo Pareto)
Patina
Die Argumente, welche zur Ablehnung eines ursprünglich vorgebrachten Vorschlags führten, erfahren mit voranschreitender Zeit eine Art Abnutzung (Patina). Das erneuter Vorbringen mit zeitlicher Verzögerung kann durch diese „Patina“ zu einem anderen Verhandlungsergebnis führen
Profiling
Im Verhandlungskontext meint dies das Zusammentragen von Informationen über einzelne Verhandlungspartner oder die Gesamtheit eines Verhandlungsteams, um über den geschaffenen Informationsvorsprung einen Vorteil zu erlangen
Rule of pen
Bezeichnet die Erlangung von Vorteilen im Rahmen von Verhandlungen durch die Kontrolle dokumentarischer Aufgaben, wie Protokollführung, schriftliche Fixierung von Zwischenergebnissen, schriftliche Formulierung inhaltlich besprochener Klauseln etc. Die Vorteilserlangung wird mitunter auf die Einflussmöglichkeiten betreffend die konkreten Formulierungen zurückgeführt. Es liegt in der Natur einer Besprechung, dass nicht jedes textliche Detail erarbeitet wird. Der dann gemachte konkrete Vorschlag kann bereits mittels weniger Worte eine entscheidende Weichenstellung und damit einen enormen Vorteil bewirken
Safe Harbour
Unter mehreren möglichen Verhandlungsergebnissen wird die juristisch sicherste Variante angestrebt. Während dies bei ökonomisch beherrschbaren Risiken wirtschaftliche Einbußen nach sich ziehen kann, kann solch ein teilstrategischer Ansatz bei unbeherrschbaren ökonomischen Risiken sogar angezeigt sein (ähnlich: Jung und Krebs 2016, S. 337) (Fortsetzung)
Literatur
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Tab. 8.1 (Fortsetzung) Scrambled Eggs
Bewusster Verhandlungsansatz mit Ziel die Komplexität der Vertragsverhandlung zu erhöhen, indem prozessual (bewusstes Durcheinander schaffen) und/oder materiell (bewusste Vermengung mit weiteren Themen) starke Abweichungen zum vom Gegenüber Erwarteten eingeflochten werden. Die konterkarierte Erwartungshaltung des Verhandlungspartners kann in seiner Überforderung münden
STM
(= similar to me) Durch ähnliches oder kongruentes Verhalten verglichen zu dem Verhalten des Verhandlungspartners erzeugte Sympathie. Der geschaffene Ähnlichkeitseffekt zwischen den Verhandlungspartnern erzeugt eine positive Wahrnehmung. Eine solche Technik kann genutzt werden, um einzelne Verhandlungspositionen durchzusetzen oder auch eine Verhandlungssituation insgesamt positiv zu gestalten (vgl. Sears und Rowe 2003, S. 13 ff.)
TINA
(= there is no alternative) Stilmittel zum Unterbinden von Verhandlungen, indem ein Verhandlungsaspekt als alternativlos oder indiskutabel bezeichnet wird, ohne, dass dies auch gleichzeitig der Wahrheit entsprechen muss
Umbrella Issue
Vollständiger oder teilweiser Informationsmangel beim Verhandler, welcher ihm aufgrund übergeordneter, nicht zwingend bedeutenderer Angelegenheiten von seiner eigenen Organisation vorenthalten wird. Umbrella issues machen sich in Verhandlungen meistens dadurch bemerkbar, dass zu einer Fragestellung nicht Stellung bezogen werden kann („ich muss Rücksprache halten“). Andererseits kann dies jedoch vorgegeben werden, ohne, dass die der Wahrheit entspricht, um einen „calculated delay“ herbeizuführen
WE
Die „Wir-Rhetorik“ kann in Verhandlungen eingesetzt werden, um eine motivierende Atmosphäre erzeugen. Nicht die für die jeweilige Partei günstige Position wird betont. Vielmehr lässt man die Verhandlungsgegner emotional zu einer Partei verschmelzen, die (gemeinsam) etwas erreichen will
ZOPA (auch bezeichnet als bargaining range)
(= zone of possible agreement) Kann bezogen auf einen Verhandlungspartner dessen Einigungsmöglichkeiten beschreiben, während ZOPA mit Blick auf beide Parteien die Grenzen der gemeinsamen Einigung beschreibt. Die Grenzen innerhalb derer sich das ZOPA bewegt, werden durch die jeweiligen Mindestvorstellungen der Parteien bestimmt. Das Maximalziel einer Partei, wird in der Regel nicht über das Minimalziel der jeweils anderen Partei hinausreichen (vgl. Saner 1997, S. 41). Die Herausforderung besteht regelmäßig darin zu erkennen, welche Ziele sich der Verhandlungspartner gesteckt hat (vgl. Gulliver 1979, S. 108)
Literatur Bohnstedt, Jan. 2018. Vertragsrecht im Einkauf – Erfolgsfaktor im Supply Chain Risk Management (SCRM). Wiesbaden: Springer Gabler. Gulliver, Philip H. 1979. Disputes and Negotiation. A cross cultural perspecitve. New York: Academic Press.
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8 Grundsätzliches zu Vertragsverhandlungen
Hasler-Dierauer, Alexander. 2007. Verhandlungserfolg – Zyklische und phasenbedingte Einflüsse. Zürich. Heussen, Benno/Pischel, Gerhard (Hrsg.). 2014. Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Auflage. Köln: Schmidt. Jung, Stefanie/Krebs, Peter. 2016. Die Vertragsverhandlung – Taktische, strategische und rechtliche Elemente. Wiesbaden: Springer Gabler. Mayer, Hans-Jochem/Kroiß, Ludwig (Hrsg.). 2018. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 7. Auflage. Baden-Baden: Nomos. Meins, Jon. 1993. Die Vertragsverhandlung – Leitfaden zum Entwerfen, verhandeln und abschliessen von Verträgen, 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Nash, John F. 1950. The Bargaining Problem, Econometrica, Vol. 18, Issue 2, S. 155–162. Portner, Jutta. 2010. Besser verhandeln: das Trainingsbuch. Offenbach: GABAL Verlag. Raiffa, Howard. 1982. The Art and Science of Negotiation. Cambridge: Harvard University Press. Saner, Raymond. 1997. Verhandlungstechnik: Strategie, Taktik, Motivation, Verhalten, Delegationsführung. Bern: Paul Haupt. Sears, Greg J./Rowe, Patricia M. 2003. A personality-based similar-to-me effect in the employment interview: Conscientiousness, affect-versus competence-mediated interpretations, and the role of job relevance, Canadian Journal of Behavioural Science/Revue canadienne des sciences du comportement, Vol. 35 (1), S. 13–24. Susskind, Lawrence E. 1985. The Siting Puzzle – Balancing Economic and Environmental Gains and Losses, Environmental Impact Assessment Review, Vol. 5, S. 157–163. Thorndike, Edward L. 1920. A constant error in psychological ratings, Journal of Applied Psychology, S. 25–29.
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Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen
Schriftliche und mündliche Vertragsverhandlungen sind nicht unbedingt vergleichbar. Vielmehr folgen sie größtenteils jeweils eigenen Spielregeln. Dennoch gibt es verallgemeinerungsfähige Aspekte, die für beide Arten der Verhandlung gleichermaßen Geltung für sich beanspruchen können. Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten der Darstellung. Die nachfolgenden Abschnitte sollen weniger jedes denkbare Detail aufzeigen als vielmehr durch beispielhafte Darstellungen die prinzipielle Vergleichbarkeit von schriftlichen und mündlichen Vertragsverhandlungen verdeutlichen. Auf diesem Wege soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass viele einzig auf mündliche Verhandlungen kaprizierte Aspekte auch im Rahmen schriftlicher Verhandlungen bei entsprechender Anwendung hilfreich sein können.
9.1 Informationsgewinnung Insbesondere der Verlauf einer Verhandlung hängt stark davon ab, mit welchem Kenntnisstand man sich in sie hineinbegibt (ähnlich: Jung und Krebs 2016, S. 13). Kaum eine Darstellung in der einschlägigen Fachliteratur spart diesen Umstand aus (exemplarisch zur Strukturierung von Verhandlungen: Haft 2000, S. 77 ff.). Vielmehr geht jeder Form von Vertragsverhandlung, gleich ob mündlich oder schriftlich, die Vorbereitung voraus (exemplarisch: Richter 2013, S. 92). Im Zuge der Vorbereitung einer Verhandlung geht es insbesondere darum Ziele zu definieren (zu alternativen Zielen vgl. auch Renner und Lunzer 2012, S. 34), Grenzen auszuloten (vgl. zum ZOPA auch Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“) und eine Entscheidungsgrundlage vorzubereiten (zu Entscheidungskriterien vgl. Ponschab und Schweizer 1997, S. 215). Dies gilt sicherlich in besonderem Maße für mündliche Vertragsverhandlungen, als eine spontane Reaktion Wissen erfordert, das der jeweilige Verhandlungsführer unmittelbar parat hat. Hingegen © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_9
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9 Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher …
lässt sich bei schriftlichen Verhandlungen nochmal recherchieren, welche Reaktion die sinnvollste wäre. Zeitlich großzügigere Gegebenheiten im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen dürfen jedoch nicht über das Erfordernis der Informationsgewinnung als solcher hinwegtäuschen. Auch die sich beispielsweise in einem schriftlichen Vertrag zeigende Ausgangslage gilt es eingehend zu prüfen (ähnlich: Meins 1993, S. 12).
9.2 Verhandlungspartner Allgemeine Atmosphäre, inhaltlicher Fortschritt und schließlich der Erfolg einer Vertragsverhandlung werden besonders durch die an den Verhandlungen Teilnehmenden bestimmt. Die Teilnehmer einer Verhandlung können so unterschiedlich sein, wie die Menschen, die uns im unternehmerischen Geschäftsverkehr begegnen (zu unterschiedlichen Verhandlungstypen: Junker und Kamanabrou 2007, S. 25). Mit diesem Umstand sollte man sich im Vorfeld mündlicher wie schriftlicher Vertragsverhandlungen auseinandersetzen. Die Vorbereitung auf die nachstehend beschriebenen Umstände kann der zuvor beschriebenen Gemeinsamkeit mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen, der Informationsgewinnung zugeordnet werden (vgl. Abschn. 9.1 „Informationsgewinnung“) (so auch: Czernich et al. 2019, S. 23).
9.2.1 Anzahl der Teilnehmer Was hier als ein besonders wichtiger Aspekt dargestellt wird, wird in der Praxis oft relativ emotionslos hingenommen. Erfahrungsgemäß machen sich Organisatoren äußerst selten Gedanken über die konkrete Anzahl der Teilnehmer. Dies betrifft meistens beide Verhandlungspartner. Weder wird ernsthaft gezählt, wie viele Personen die andere Seite aufbietet, noch stellt man quantitative Überlegungen betreffend das eigene Verhandlungsteam an. Dabei zahlt die Konstellation, in der man verhandelt, enorm auf den Verhandlungsverlauf ein. Dies gilt sowohl für mündliche wie auch für schriftliche Verhandlungen. Im Rahmen schriftlicher Verhandlungen wird häufig eher intuitiv unter vier Augen verhandelt. Lästige Abteilungen holt man dann an den Tisch, wenn man bereits ein paar Runden verhandelt hat (vgl. hierzu auch Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“ – DAD und DDD). Das kann in bestimmten Fällen Sinn ergeben. Manchmal aber auch gefährlich sein (zur Einbindung von Rechtsabteilungen vgl. Lenz 2019, S. 96 f.). Beispiel
Der beim Vertragspartner erstarkte Eindruck, man habe sich auf U.S. amerikanisches als für den Vertrag anwendbares Recht geeinigt, lässt sich gegen Ende einer Verhandlung nur schwer wieder wettmachen. Und dieser erzeugte Eindruck wäre dann nicht nur nervig. Vielmehr hätte dieser Schein oder eine Korrektur in diesem Punkt
9.2 Verhandlungspartner
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am Ende einer Verhandlung auch massive rechtliche Implikationen. Denn bis zum Zeitpunkt des gewünschten Wechsels auf eine andere Rechtsordnung hat man sich in Punkto Vertragsgestaltung auf eine ganz andere Rechtsordnung verlassen. Der plötzliche Wechsel vom amerikanischen Recht auf das deutsche Recht kann zur Unwirksamkeit vieler Inhalte führen und umgekehrt. So ein Punkt sollte früh geklärt und fixiert werden und spricht eher für den Vorteil der frühen Einbindung einer Rechtsabteilung. ◄ Die Anzahl der Teilnehmer beeinflusst in mündlichen wie schriftlichen Verhandlungen auch die Dynamik einer Verhandlung. Es lässt sich faustformelartig formulieren, dass der positive Verhandlungsfortschritt in einem umgekehrten Verhältnis zur Anzahl der Teilnehmer steht (ebenso: Meins 1993, S. 43). Das dürfte nur in Ausnahmefällen ganz anders sein. Eine Verhandlungsdelegation also deshalb mit vielen Personen zu bestücken, weil alle bestellten Personen möglicherweise einen Beitrag leisten könnten, ist selten in guter Weise zielführend und daher nicht ratsam. Und dennoch soll hier Abstand davon genommen werden pauschal eine bestimmte Anzahl an Teilnehmern vorzuschlagen (so beispielsweise: Meins 1993, S. 43). Die optimale Besetzung bleibt eine Frage des Einzelfalls.
9.2.2 Auswahl der Teilnehmer Einer knapp besetzten Verhandlungsrunde muss es aber auch nicht zwingend an einem fachlich ausreichenden Informationsstand mangeln. Vielmehr gilt es einerseits den eingangs beschriebenen Punkt der Informationsgewinnung stärker zu beachten. Andererseits sollte man in der Auswahl der Teilnehmer sorgsamer zu sein. (für eine Teilnahme mehrerer bei M&A Transaktionen: Umnuss 2020, Kap. 12 Rn. 91). Die Teilnahme desjenigen, welcher den Kontakt hergestellt und die geschäftliche Beziehung aufgebaut hat oder kommunikativ pflegt, sollte außer Frage stehen. Es dürfte auf wenigstens eine der Parteien befremdlich wirken, wenn der bisher zentrale Kontakt nun jedweden Input vermissen ließe. Sei es im Rahmen schriftlicher oder auch im Rahmen mündlicher Verhandlungen. Sollte in Vorbereitung auf eine mündliche Verhandlung eine der Parteien mitteilen, welche Verhandlungsdelegation sie plant ins Rennen zu schicken, kann dieser mitgeteilten Zusammensetzung ein Bedarf entnommen werden. Ergibt sich daraus beispielsweise, dass ein Geschäftsführer, ein Rechtsanwalt und der Business Developer anwesend sein werden, macht es wenig Sinn und kann sogar riskant sein, mit einer personell-funktional völlig anderen Delegation die Verhandlung zu begehen (so auch: Renner und Lunzer 2012, S. 35). Bei schriftlichen Verhandlungen gilt dies gleichermaßen, liegt oftmals aber eher auf der Hand. Entdeckt man in einem Vertragsdokument den Kommentar einer bestimmten Fachabteilung, wird man das entsprechende Äquivalent aus dem eigenen Hause um entsprechenden Input bitten. Lässt sich wiederum aus Erfahrung absehen, dass der Beitrag einer bestimmten Fachabteilung
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zwingend sein wird, so macht Sinn diese nicht erst in einem fortgeschrittenen Verhandlungsstadium einzuschalten. In der Praxis wird die Vertragsverhandlung wiederkehrend für eine juristisch stark besetzte Aufgabenstellung gehalten, weshalb man rein vorsorglich Juristen zur Verhandlung einlädt. Vor der übereilten gar anlasslosen Beteiligung von Juristen soll an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt werden. Mitunter ist es für die Verhandlungsatmosphäre sogar schädlich, wenn ein oder sogar mehrere Juristen mit an den Tisch gesetzt werden, als müsste man, bildlich gesprochen die Scheidung diskutieren noch bevor man geheiratet hat. Plant man in einer ersten Verhandlungsrunde die prinzipielle Machbarkeit eines gemeinsamen geschäftlichen Vorhabens zu klären, den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken und die persönliche Bekanntschaft zu machen, sind Juristen regelmäßig überflüssig. Dies gilt vor allem dann, wenn die bereits bekannte Verhandlungsdelegation der Gegenseite keinen Juristen ausweist. Der umgekehrte Fall bildet wiederum eine Ausnahme. Bringt also die andere Seite in einem solchen frühen Termin bereits Juristen an den Tisch, sollte man nicht ohne erscheinen. Das gilt auch für schriftliche Verhandlungen, bei denen Kommentare von Juristen in einem Dokument ebenfalls durch Kommentare von Juristen beantwortet werden sollten.
9.2.3 Kulturelle Besonderheiten Beim Verhandeln mit Geschäftspartnern aus dem Ausland gebietet nicht nur der gute Ton, dass man sich mit besonderer Sorgfalt auf den Gegenüber einstellt. Verhandlungen erfordern schließlich Kommunikation (vgl. Eyer 2001, S. 31). Abgesehen davon, dass sich intensive Vorbereitungen ohnehin regelmäßig bezahlt machen (vgl. auch Renner und Lunzer 2012, S. 35), bergen Verhandlungen mit Ausländern gewisse Risiken. Neben sprachlichen Barrieren können kulturelle Unterschiede die Verhandlungsatmosphäre entscheidend beeinflussen (vgl. Meins 1993, S. 44). Stammen die Verhandlungspartner aus unterschiedlichen Kulturkreisen, tritt das sowohl bei schriftlichen wie auch bei mündlichen Vertragsverhandlungen zutage (ebenfalls auf „kulturelle“ Unterschiede abstellend, anders als in diesem Werk jedoch Menschen gleicher Nationalität bezeichnend: Söbbing 2015, S. 482). Das Temperament, welches die Menschen des jeweils anderen Kulturkreises prägen kann, sollte einem ebenso ein Begriff sein wie gewisse Gepflogenheiten, die sie an den Tag legen können (grundlegend zu Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern: Rischar 1982, S. 1 ff.). Asiaten werden regelmäßig ein gänzlich anderes Verhalten bei Verhandlungen an den Tag legen, als dies bei Amerikanern der Fall ist. Zwar können kompetitive, kooperative und individualistische Verhandlungstypen (vgl. dazu Gottwald und Haft 1993, S. 34) in allen Kulturkreisen vorkommen, jedoch können die kulturellen Unterschiede der (insbesondere mündlichen) Verhandlung eine besondere Note verleihen (vergleiche zu Verhandlungstypen außerdem: Junker und Kamanabrou 2007, S. 25).
9.3 Strategien, Taktiken, Techniken und Stilelemente
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Dass Amerikaner von Natur aus extrem starke Verhandlungspartner zu sein scheinen, ist grundsätzlich das Resultat jahrelanger Ausbildung. In den USA werden Kenntnisse über Vertragsverhandlungen nicht nur in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften gelehrt (Jung und Krebs 2016, V). Ein Grund dafür ist in dem gänzlich anders geprägten Rechtssystem der USA zu sehen, das fundierte Kenntnisse erfordert. Verträge spielen in den USA eine deutlich größere Rolle als hierzulande. Das Anglo-Amerikanische Rechtssystem greift weniger auf Gesetze zurück und rückt das zwischen Parteien Besprochene viel Stärker in den Mittelpunkt. Verträge werden in den Vereinigten Staaten als eine Art Leitfaden für die Geschäftsbeziehung begriffen. Auf den grundlegend stärker geschulten amerikanischen Verhandlungspartner sollte man gefasst sein. Aus spezifisch kulturellen Gegebenheiten können sich auch organisatorische Besonderheiten ergeben, die es zu berücksichtigen gilt. Bei Verhandlungen mit russischen Geschäftspartnern ist neben allgemeinen kulturellen Gegebenheiten (vgl. dazu Detzel 2006, S. 71) unbedingt die Verhandlungsdelegation im Hinblick auf ihre Zusammensetzung zu überprüfen. Nicht selten werden europäische Verhandler vom Umstand überrascht, dass die aus Russland stammende Seite über keine originäre Verhandlungsbefugnis verfügt. Sodann handelt es sich möglicherweise nur um einen allgemeinen geschäftlichen Interessenaustausch und keine wirkliche Verhandlung. Gewichtige Entscheidungen sind regelmäßig Führungsebenen, bspw. einem Generaldirektor vorbehalten (Yoosefi und Thomas 2003, S. 30 ff.). Je ferner die Kultur des Verhandlungspartners der eigenen ist und je größer gleichzeitig die Bedeutung der Verhandlung für die eigene Organisation ist, desto mehr Aufwand kann das im Rahmen der Vorbereitung rechtfertigen. Die chinesische Kultur weist erhebliche Unterschiede im Vergleich zur deutschen Kultur auf. Nicht alle sind unmittelbar sichtbar (zu Besonderheiten im chinesischen Denken: Micholka-Metsch und Metsch 2015, S. 61 ff.). Gewisse Verhaltensweisen können aber auch (für Unvorbereitete sehr überraschend) sichtlich zutage treten. Man sollte es nicht als respektlose Geste verstehen, wenn inmitten einer Verhandlung von vereinzelten Teilnehmern zum kurzen Schlaf (Powernapping) übergegangen wird. Ohne Kenntnis um diese hin und wieder vorkommende Besonderheit, wirkt es befremdlich wenn der Gegenüber den Kopf auf den Tisch legt, um sich zu erholen. Ein fundiertes Wissen um die kulturellen Eigenheiten, die der Verhandlungspartner nicht zwingend mitbringen muss, aber stets kann, wenn er aus einem anderen Kulturkreis stammt, kann helfen kommunikative Unebenheiten (vgl. auch Schulz von Thun 1985, S. 51) zu vermeiden.
9.3 Strategien, Taktiken, Techniken und Stilelemente Vielen Menschen bereiten die Begriffe Strategie, Taktik und Technik beziehungsweise Stil Schwierigkeiten, nicht nur im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen. Daher soll im Rahmen dieser Darstellung auf diese Begriffe noch näher eingegangen werden.
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9 Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher …
Bedeutung und Einordnung dieser Begriffe werden eingehend in Kap. 11 (vgl. dort Abschn. 11.1.2.5 „Hauptphase“) behandelt. Losgelöst von Inhalt und Verhältnis dieser Begriffskategorien zueinander soll hier jedoch bereits beispielhaft anhand ausgewählter und in Kap. 8 (vgl. Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“) dargestellter Begrifflichkeiten verdeutlicht werden, dass bestimmte Herangehensweisen sowohl in schriftlichen als auch in mündlichen Vertragsverhandlungen gleichermaßen relevant sein können. Fairness
Der unternehmerische Geschäftsverkehr lebt letztlich davon, dass emsige Geschäftsleute nach einer für sie günstigen Gelegenheit suchen. Hierbei sind sie egelmäßig auf ihren Vorteil bedacht. Hin und wieder kommt es jedoch auch vor, dass man im Rahmen von Verhandlungen mit einem strategisch anderen Ansinnen konfrontiert wird. Motiviert durch die • Aussicht auf ein beständiges Geschäft, • Gelegenheit eines Markteintritts oder • Möglichkeit sich im Rahmen einer gut laufenden Geschäftsbeziehung zu revanchieren nehmen Vertragsverhandlungen auch einen fairen Verlauf. Das kann im Rahmen mündlicher wie schriftlicher Verhandlungen durch bereitwillig gegenseitiges Nachgeben zum Ausdruck kommen (zum multilateralen Rollentausch vgl. Wendland 2019, S. 115). ◄
Calculated delay
Gelegentlich ist es unmöglich herauszufinden, welche Gründe ein Verhandlungspartner hat, • einen Termin mehrfach zu verschieben • doch nochmal Rücksprache halten zu müssen (mit Vorstand, Rechtsabteilung, Fachabteilung oder dem Head-Quarter etc.) oder • warum es stets so lange dauert, bis der Vertragsentwurf endlich zurückkommt. Der Grund für ein solches Verhalten kann taktischen Ursprungs sein. Hat der Vertragspartner erkannt, dass einem das Geschäft besonders wichtig ist oder man bei voranschreitender Zeit auch keine Alternativen mehr wird greifen können, so ist es möglich, dass er bewusst diese zeitlichen Verzögerungen herbeiführt. Der calculated delay kann einem in mündlichen wie schriftlichen Vertragsverhandlungen begegnen. ◄
9.4 Rechtliche Maßgaben für Vertragsverhandlungen
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Ankerung
Dieser Effekt wurde zuvor im Zusammenhang mit dem Setzen von Preisen beschrieben (vgl. Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“). Bei dem in der Verhandlungspsychologie verwendeten Begriff der Ankerung, handelt es sich um einen so genannten kognitiven Effekt (vgl. dazu Kahneman 2012, S. 152 ff.). Durch Ankerung wird eine Suggestion erzeugt, von der man sich geistig nur schwer befreien kann. Das kann einem stilistisch unabhängig davon begegnen, ob es sich um mündliche oder schriftliche Verhandlungen handelt. Beispielsweise lassen sich spitze Preise mündlich wie schriftlich gleichermaßen adressieren. ◄
9.4 Rechtliche Maßgaben für Vertragsverhandlungen Bereits im Rahmen der Erläuterung von Schuldverhältnissen wurde klargestellt, dass zur Begründung eines solchen ein Vertrag nicht zwingend erforderlich ist (vgl. Abschn. 3.1 „Recht der Schuldverhältnisse“). Zur Verdeutlichung sei noch einmal die im Bürgerlichen Gesetzbuch relevante Vorschrift genannt: § 311 BGB – Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse […] (2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder 3. ähnliche geschäftliche Kontakte. […] § 311 BGB spricht ausdrücklich von Vertragsverhandlungen. Die Aufnahme solcher kann ein Schuldverhältnis begründen. Die Konsequenz daraus ist, dass aus dem Schuldverhältnis vorvertragliche Pflichten resultieren (vgl. dazu Abschn. 5.1.1 „Vorvertragliche Pflichten“).
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9 Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher …
9.4.1 Vorstufe: lockere geschäftliche Kontakte Nicht bereits in die Phase der originären Vertragsverhandlung fällt der vorbereitende Austausch darüber, ob überhaupt ein Geschäft in Betracht kommt oder nicht. Geschäftliche Kontakte also, im Rahmen derer eine Zusammenarbeit eruiert wird, stellen noch keine Vertragsverhandlung dar (Richter 2013, S. 445). Mithin bestehen zu dieser zeitlich den Verhandlungen vorgelagerten Phase auch noch nicht die erwähnten Pflichten beziehungsweise Rechte. Die Abgrenzung kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Sie dürfte sich jedoch maßgeblich daran nachvollziehen lassen, welchen Gesamteindruck der potentielle Verhandlungspartner aufgrund gewisser Aussagen wohl gewinnen durfte. Lassen die Aussagen darauf schließen, dass man auf einen Geschäftsabschluss drängt und bereits über Deal-Breaker spricht, dürfte die Grenze zwischen einem lockeren Vorgespräch und einer Aufnahme von Verhandlungen überschritten sein.
9.4.2 Abbruch von Vertragsverhandlungen Befindet man sich offenkundig in Verhandlungen, könnte gleichwohl mindestens ein Verhandlungspartner zum Ergebnis gelangen, dass die Verhandlungen nicht zum gewünschten Erfolg führen werden. Kommt es in der Folge zu einem Abbruch der Verhandlungen, stellt sich die Frage nach sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Verhandlungspartner. Eine bereits dargestellte Ausprägung der Vertragsfreiheit ist die sogenannte Abschlussfreiheit (vgl. Abschn. 3.4.1.2.1 „Abschlussfreiheit“). Es besteht kein Zwang zum Vertragsabschluss. Trotzdem können Vertragsverhandlungen nicht nach Belieben und nicht ohne jede Konsequenz beendet beziehungsweise abgebrochen werden. Unter gewissen Voraussetzungen stellt der Abbruch von Vertragsverhandlungen eine vorvertragliche Pflichtverletzung dar, welche einen haftungsbegründen Umstand darstellen kann (dies gilt nicht nur für im Rahmen der deutschen Rechtsordnung: Czernich et al. 2019, S. 33). Zwar erfolgt der unternommene Aufwand, den man in Erwartung eines Vertragsabschlusses tätigt, grundsätzlich auf eigene Gefahr (BGH NJW 1996, 1885). Mit Blick auf mündliche wie schriftliche Vertragsverhandlungen heißt das, dass man sich auch nach länger andauernden Verhandlungen aus diesen zurückziehen kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen (NJW-RR 2001, 382). Erweckt jedoch ein Verhandlungspartner ein Vertrauen auf der anderen Seite derlei, dass der Vertrag mit Sicherheit zustande kommen werde und bricht der Verhandlungspartner dann die Verhandlungen ohne triftigen Grund ab, kann dieses Verhalten zum Ersatz des sich daraus ergebenden Schadens verpflichten (BGH, NJW-RR 1989, 627). Auf diese Weise würde durch den Abbrechenden gegen die Pflicht zu redlichem Verhalten bei Verhandlungen verstoßen.
Literatur
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9.4.3 Verzögerung von Vertragsverhandlungen Auch Verhandlungstaktiken und -stilen kommt unter gewissen Umständen eine rechtliche Bedeutung zu (dazu auch Richter 2013, S. 94). Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit dem schon häufiger erwähnten „calculated delay“ (vgl. dazu Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“, 9.3 „Strategien, Taktiken, Techniken und Stilelemente“ und 10.2.2.7 „Vorbereitung mündlicher Verhandlungen“), dass dieser ebenfalls eine Pflicht zum Ersatz eines entstandenen Schadens auslösen kann. Das kann dann der Fall sein, wenn durch die Hinhaltetaktik ein möglicher Vertragsabschluss mit einem Dritten verhindert wird (vgl. BGH NJW 1984, 867).
Literatur Czernich, Dietmar/Grabenweger, Andreas/Guggenberger, Bernd/Haidlen, Christoph/Wachter, Marlene. 2019. Vertragsrecht für Unternehmen – Leitfaden zur sicheren Vertragsgestaltung, 2. Auflage. Wien: Linde Verlag. Detzel, Ludmilla. 2006. Vertragsverhandlungen in Russland. Bremen: CT Salzwasser-Verlag. Haft, Fritjof. 2000. Verhandlung und Mediation – die Alternative zum Rechtsstreit, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Gottwald, Walther/Haft, Fritjof (Hrsg.). 1993. Verhandeln und Vergleichen als juristische Fertigkeiten, 2. Auflage. München: Attempto Verlag. Eyer, Eckhard. 2001. Report Wirtschaftsmediation – Krisen meistern durch professionelles Konflikt-Management. Düsseldorf: Symposion Publishing. München: C.H.Beck. Jung, Stefanie/Krebs, Peter. 2016. Die Vertragsverhandlung – Taktische, strategische und rechtliche Elemente. Wiesbaden: Springer Gabler. Junker, Abbo/Kamanabrou, Sudabeh. 2007. Vertragsgestaltung – ein Studienbuch, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Kahneman, Daniel. 2012. Schnelles Denken, Langsames Denken, 13. Auflage (aus dem amerikanischen Englisch von Schmidt, Thorsten, 2012). München: Penguin Verlag. Lenz, Tobias. 2019. Die Rechtsabteilung – Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen, 3. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Meins, Jon. 1993. Die Vertragsverhandlung – Leitfaden zum Entwerfen, verhandeln und abschliessen von Verträgen, 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Micholka-Metsch, Jutta/Metsch, Marc-Christopher. 2015. Strategien für die deutsch-chinesische Geschäftsbeziehung – Erfolgreich verhandeln und Konflikte lösen. Wiesbaden: Springer Gabler. Ponschab, Reiner/Schweizer, Adrian. 1997. Kooperation statt Konfrontation: Neue Wege anwaltlichen Verhandelns. Köln: Otto Schmidt. Renner, Wolfgang/Lunzer, Johann M. 2012. Vertragsrecht kompakt. Wien: LexisNexis. Richter, Thomas. 2013. Vertragsrecht – Grundlagen des Wirtschaftsrechts, 2. Auflage. München: Vahlen. Rischar, Klaus. 1982. Erfolgreich verhandeln mit ausländischen Geschäftspartnern. München: Verlag Moderne Industrie. Schulz von Thun, Friedemann. 1985. Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch.
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9 Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher …
Söbbing, Thomas. 2015. Handbuch IT-Outsourcing – Recht, Strategie, Prozesse, IT, Steuern und Cloud Computing, 4. Auflage. Heidelberg: C.F. Müller. Umnuss, Karsten. 2020. Corporate Compliance Checklisten – Rechtliche Risiken im Unternehmen erkennen und vermeiden, 4. Auflage. München: C.H.Beck. Wendland, Matthias. 2019. Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit – Subjektive und objektive Gestaltungskräfte im Privatrecht am Beispiel der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Tübingen: Mohr Siebeck. Yoosefi, Tatjana/Thomas, Alexander. 2003. Beruflich in Russland. Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte (Handlungskompetenz im Ausland). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
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Verträge werden nur ungern verhandelt, wenn sie nicht gerade das Kerngeschäft oder hochvoluminöse Geschäftsbeziehungen betreffen. Oftmals wird der textliche Schlagabtausch zwischen den Parteien, bis es endlich zum Abschluss eines Vertrags kommt, als lästiger Zeitaufwand empfunden. Dieses Kapitel soll dabei helfen einen anderen Blick auf schriftliche Vertragsverhandlungen zu gewinnen. Nachdem im vorangegangenen Abschnitt gemeinsame Nenner schriftlicher und mündlicher Vertragsverhandlungen aufgezeigt wurden, soll in den folgenden Abschnitten verdeutlicht werden, welchen Irrtümern bei schriftlichen Vertragsverhandlungen regelmäßig aufgesessen wird, was sie im Besonderen von mündlichen Vertragsverhandlungen unterscheidet und welche Phasen schriftlich verhandelte Verträge durchlaufen können.
10.1 Mythen um schriftliche Vertragsverhandlungen Eine Besonderheit schriftlicher Vertragsverhandlungen soll bereits an dieser Stelle angerissen werden. Dem Verhandlungspartner nicht gegenüber zu sitzen, sondern „lediglich“ von ihm zu lesen, kann Verhandlungen erschweren oder auch vereinfachen. Ganz ohne Gestik, Mimik, Stimmfarbe und Blick wahrnehmen zu können, kann es schwer werden zu erkennen, wann eine Behauptung oder ein Verhalten des Verhandlungspartners wirklich glaubhaft ist. Die im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen lediglich in Textform am Bildschirm wahrnehmbaren Reaktionen werden selten von weiteren Eindrücken flankiert. Entsprechend hartnäckig halten sich im Zusammenhang mit schriftlichen Vertragsverhandlungen Gerüchte wie die nachfolgenden.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_10
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Bevor also vertieft in die Thematik des Ablaufs schriftlicher Vertragsverhandlungen eingestiegen wird, soll auf die praktische Relevanz von Aussagen und Verhaltensweisen eingegangen werden, die oft im Zusammenhang mit schriftlichen Vertragsverhandlungen zu beobachten sind.
10.1.1 „tut mir leid, aber das ist nicht verhandelbar“ Ein sehr schwerwiegender Mythos soll vorangestellt werden – die Nichtverhandelbarkeit von Verträgen und Vertragsbedingungen. Die eingangs skizzierte Empfindung der Zeitverschwendung kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass es in den wenigsten Organisationen so etwas wie eine einheitlich gelebte Umgangsweise mit Verträgen bei schriftlichen Verhandlungen gibt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und wurden in der vorliegenden Darstellung zum Teil schon aufgegriffen (vgl. Abschn. 9.2.3 „Kulturelle Besonderheiten“). Neben den in anderen Kulturen deutlich stärker ausgeprägten Schulungsansätzen in vertraglichen Fragestellungen, spielt die Organisation des Vertragswesens eine immense Rolle. Die meisten Organisationen siedeln das Vertragswesen nur partiell in der Rechtsabteilung an. Der Teilzentralisierung ist immanent, dass eine Fülle von Vorgängen nicht in der Rechtsabteilung landen. Die für den Abstimmungsprozess Verantwortlichen (vgl. bereits Abschn. 7.2 „Vertragsverhandlungen als Teil des Life-Cycle-Managements“) sind in den meisten Fällen keine Juristen. Dies begründet bei einem rechtlich so stark besetzten Thema wie Vertragsverhandlungen fehlenden Mut (zum Teil auch das Wissen) dann einzuschreiten, wenn der Verhandlungspartner behauptet ein Vertrag oder Geschäftsbedingungen seien nicht verhandelbar (mit dem Plädoyer gegenüber Syndizi Einfluss zu nehmen vgl. Lenz 2019, S. 324). Bei Verträgen zwischen Unternehmen ist die Nichtverhandelbarkeit so gut wie nie zutreffend (vgl. bereits Abschn. 3.4.1.2.1 „Abschlussfreiheit“ u. a.). Verträge sind zwar nicht immer, aber stets verhandelbar. Ebenso Vertragsbedingungswerke. Dass es sich dabei regelmäßig um eine disponible unternehmensseitige Vorgabe handelt wird nicht in den Mittelpunkt gerückt. Vielmehr wird dies als unverrückbare Tatsache in den Raum gestellt und gerne auch über mehrere Verhandlungsrunden vehement verteidigt. Wenn es denn überhaupt zu einer Diskussion kommt. Erfahrungsgemäß lassen sich viele Verhandlungspartner bereits durch den Umstand abschrecken, dass es sich auf der anderen Seite um einen wirtschaftlichen starken Verhandlungspartner handelt und/ oder dieser statt eines editierbaren Word-Dokuments eine PDF-Datei schickt. Und ist die Verhandlungsmacht des gegenüber noch so groß, letztlich ist es die Beharrlichkeit im Bestehen auf das eigene Bedingungswerk, welche den Ausschlag gibt (ähnlich: Wolf et al. 2013, Einl. Rn. 3). Es erfordert in der Regel nicht mehr als Kenntnisse vom Grundsatz der Vertragsfreiheit und auf Basis dessen ein gewisses Selbstbewusstsein, um beim Vertragspartner eine editierbare Word-Datei einzufordern und damit in schriftliche Vertragsverhandlungen einzusteigen.
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung
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10.1.2 „das lohnt sich nicht“ Es dürfte sich natürlich nicht in jedem Fall lohnen im Wege schriftlicher Verhandlungen einen Vertragsabschluss zeitlich zu verzögern. Ebenso wenig macht es jedoch Sinn sich dem Glauben hinzugeben, dass es sich selten bis nie lohnt schriftlich zu verhandeln. Es sollte nicht vergessen und sich stets vergegenwärtigt werden, dass das vertraglich erzielbare Potenzial nicht immer in mit einer Währung behafteten Zahl ausgedrückt wird. Bei entsprechender vertraglicher Gestaltung können neben wirtschaftlich offensichtlichen Mehrwerten Pflichten bedient, Nutzen erzielt und Chancen gewahrt werden. Obgleich in der Praxis viele Verträge geschlossen werden, ohne, dass es zu einer Verhandlung kommt, ist das in Verträgen liegende Potenzial nicht zu unterschätzen (Rehbinder 1993, S. 61 f.). Dies gilt selbst für Verträge, die wirtschaftlich kein besonderes Gewicht aufweisen (wirtschaftliche bedeutende Rechtsgeschäfte hervorhebend: Junker und Kamanabrou 2007, S. 24). Beispiel
In manchen Branchen sind Verträge über kleinere Beträge üblich. Während der einzelne Vertrag möglicherweise noch kein besonderes Gewicht aufweisen mag, kann sich dies aus der Masse an geschlossenen Verträgen über einen gewissen Zeitraum ergeben. Bereits die erfolgreiche Verhandlung um Cent-Beträge oder besser Rahmenbedingungen (beispielsweise Laufzeiten von Verträgen) kann für ein Unternehmen immense Bedeutung haben. ◄
10.1.3 „schriftlich ist was ganz Anderes als mündlich“ In der vorliegenden Darstellung wurde bereits aufgezeigt, dass sowohl schriftliche als mündliche Verhandlungen gemeinsame Nenner kennen. Aussagen, die darauf abzielen, schriftliche Vertragsverhandlungen als im Verhältnis zu mündlichen Verhandlungen gänzlich unvergleichbar und deshalb sogar als unbedeutend erscheinen zu lassen, sind mit großer Vorsicht zu genießen. Schriftliche Vertragsverhandlungen sind in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit mündlichen. Zudem bilden schriftliche Vertragsverhandlung oftmals eine Etappe auf dem Weg zu einer mündlichen Vertragsverhandlung. Nur selten dürfte es gelingen einen im Rahmen einer schriftlichen Verhandlung einmal eingeschlagenen Weg in einer mündlichen Verhandlung gänzlich anders zu beschreiten.
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung Ebenso wenig wie schriftliche Vertragsverhandlungen als solche ist in der Regel der Umstand bewusst, dass auch schriftliche Vertragsverhandlungen regelmäßig einem wiederkehrenden Ablauf folgen. Diese lassen sich gleichermaßen in Phasen einteilen, wie das bei
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mündlichen Vertragsverhandlungen üblicherweise gemacht wird (vgl. dazu Abschn. 11.1 „Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung“). Die im folgenden Abschnitt dargestellten Phasen greifen dabei die bei schriftlichen Vertragsverhandlungen regelmäßig aufkommenden Verhandlungsetappen auf. Keinesfalls sollte aus der Darstellung geschlussfolgert werden, dass absolut jede schriftliche Vertragsverhandlung diesem Schema folgt oder folgen müsste.
10.2.1 Allgemeines Wie eine schriftliche Vertragsverhandlung abläuft und ob sie sich anhand des nachfolgenden Abschnitts nachzeichnen lässt, hängt von vielen Faktoren ab. Einige wurden im vorangegangenen Abschnitt dargestellt (vgl. Abschn. 10.1 „Mythen um schriftliche Vertragsverhandlungen“). Ein potentiell weichenstellender Punkt für den Gang einer schriftlichen Vertragsverhandlung ist neben der Verhandlungsfähigkeit insbesondere die Verhandlungsbereitschaft. Das gilt für beide Seiten gleichermaßen (zur Nichtverhandelbarkeit vgl. bereits Abschn. 10.1.1. „tut mir leid, aber das ist nicht verhandelbar“). Neben der schieren Behauptung, dass Verträge oder Bedingungswerke per se nicht verhandelbar seien, dämpft der Faktor Zeit die Verhandlungsbereitschaft wohl am häufigsten. Vertragswerke sind für viele Fachabteilungen oftmals ein notwendiges Übel, das schnell über die Ziellinie gebracht werden muss. Je enger das zeitliche Korsett, desto weniger Bereitschaft wird für eine Verhandlung aufgebracht. Dem kann nur durch abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und durch frühe, gegenseitige Einbindung begegnet werden. Das Schaffen eines gehörigen Zeitpolsters durch vorausschauende Planung kann die Möglichkeit schriftlicher Vertragsverhandlungen begünstigen. Und damit die Möglichkeit Mehrwerte für die Organisation zu schaffen. Bereits die Vergegenwärtigung der nachfolgenden Schritte, kann neben einer vorausschauenden Planung dabei helfen die Verhandlungen zu ordnen und somit zu beschleunigen.
10.2.2 Phasen im Einzelnen Wer einen Vertragsabschluss vor Augen hat und über eigene Vertragsvorlagen im Hause verfügt, der wird regelmäßig versuchen selbige initial in die Verhandlung einzubringen. Die eigenen Vorlagen in die Verhandlung einzubringen hat gewisse Vorteile:
Mitarbeiter haben durch häufigen Umgang mit den eigenen Vorlagen eine gewisse Erfahrung und strahlen diese Sicherheit im Rahmen schriftlicher Verhandlungen auch aus.
Wenn es sich um die von langer Hand im eigenen Hause vorbereiteten und stets aktualisierten Vorlagen handelt, decken diese in der Regel die eigenen Interessen stärker ab.
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung
In eigenen Vertragsvorlagen lässt sich Verhandlungsmasse derlei aufnehmen, dass trotz umfangreicher Streichung durch den Vertragspartner noch immer ein ordentliches Ergebnis erzielt wird.
Nur selten werden einmal in Verhandlungen eingebrachte Verträge vollständig revidiert; daher setzt man sich mit einem ganz überwiegenden Teil der eignen Vorgaben am Ende durch.
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Vor diesem Hintergrund gehen die nachfolgend skizzierten Phasen chronologisch davon aus, dass man selbst die Möglichkeit hat einen Vertragsentwurf in die Verhandlung einzubringen.
10.2.2.1 Vorbereitende Maßnahmen Schriftliche Vertragsverhandlungen kennen mannigfaltige Möglichkeiten eines Beginns. Vom persönlichen Gespräch bei einer Messe, über ein Geschäftsessen bis hin zum Telefonat ist jedwede Situation als Stein des Anstoßes denkbar. Eines ist jedoch allen Situationen gleich: der anfängliche Informationsaustausch. Korrespondierend mit der stets notwendigen Informationsgewinnung (vgl. Abschn. 9.1 „Informationsgewinnung“), gilt es in dieser Phase präzise Vorbereitungen zu treffen. Ohne klare Vorstellung vom Gewollten (zur Schaffung von realistischen Verhandlungszielen vor Vertragsverhandlungen vgl. Renner 2007, S. 27) wäre es unnütz sich an die Vertragsgestaltung zu machen (vgl. Meins 1993, S. 11), obgleich das in der Praxis sehr häufig vorkommt. Die unrichtige oder unvollständige Vorstellung der Parteien vom geplanten Geschäft, kann zu unnötigen zeitlichen Verzögerungen führen, inhaltlich wertvolle Potenziale unbeachtet lassen und persönlich eine unnötig schlechte Stimmung zwischen den Parteien h eraufbeschwören. In einer solch frühen Phase kann es Sinn machen in einen ersten telefonischen Kontakt mit dem Verhandlungspartner zu treten, um gewisse Informationen einzuholen, gegebenenfalls Unklarheiten zu beseitigen und Vertrauen aufzubauen. Denn so vielfältig die Möglichkeiten der Vertragsgestaltung sind, so breit gefächert sind häufig die Kooperationsmöglichkeiten im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Beispiel
Soll etwa mit einer anderen Partei eine Vertriebsbeziehung aufgebaut werden, stellt sich die Frage, welche Rechte die eine Partei der anderen Partei hierfür „überlässt“ und auf welche Weise das geschieht. Neben der Lizenz an dem zu vertreibenden Produkt selbst, kann es nötig oder gewollt sein eine Marke an den Partner zu lizenzieren. Daneben können dem Produkt zugrunde liegende Dokumentationen von immenser Wichtigkeit sein. Geht mit dem Ganzen eine Produktionsbindung einher und soll dies ebenfalls mitverhandelt werden? Oder beschränkt sich die Geschäftsbeziehung darauf dem Vertriebspartner fertige Ware zu liefern, die er unter eigener Handelsmarke vertreibt? ◄
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Ein Stück weit gilt es sicherlich das Interesse des Geschäftspartners zu antizipieren. Sein Erwartungshorizont dürfte sich aber ebenso wie der eigene erst noch konkret herausbilden, wenn Möglichkeiten gemeinsam eruiert werden. Juristen lernen im Rahmen ihrer Ausbildung Skizzen anzufertigen, ehe sie sich an die schriftliche Arbeit machen. Das Anfertigen einer Skizze, die verdeutlicht, wer im Rahmen eines Vertrags welche Rolle spielen soll, welche wesentliche Tätigkeiten vorgenommen und Lieferwege eingehalten werden sollen, kann unglaublich hilfreich sein. Erfahrungsgemäß wird dies in anderen akademischen Disziplinen so nicht praktiziert. Gleichwohl honorieren Kollegen eine den Sachverhalt veranschaulichende Skizze. Diese sind hilfreicher, je komplexer eine Situation ist.
10.2.2.2 Vertragsentwurf und interne Abstimmung Standardvertragsvorlagen vorzuhalten (vgl. bereits Abschn. 7.1.1 „Standardvertrag svorlagenverwaltung“), die ein gewisses Maß an Verhandlungsmasse enthalten und die eigenen Wünsche und Erfahrungen wiedergeben (vgl. einleitend Abschn. 10.2.2 „Phasen im Einzelnen“), ist von Vorteil (vgl. ergänzend zu den vorstehend genannten Vorteilen Meins 1993, S. 15). Diese sind jedoch regelmäßig für eine Vielzahl an Fällen vorformuliert und bedürfen vor der ersten Übermittlung an den Vertragspartner der Anpassung für den konkreten Einzelfall. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die vormals ausgetauschten Informationen in diesen Entwurf einfließen. Es ist manchmal empfehlenswert die eigenen Vorstellungen zunächst sogar losgelöst vom Abfassen eines Entwurfs zu formulieren und dies später mit der Vertragsvorlage abzugleichen (so auch: Lenz 2019, S. 327 f.). Bei der Erstellung oder Anpassung eines Vertrags auf den konkreten Fall ist an diejenigen Fachabteilungen zu denken, die vom geplanten Geschäft berührt werden könnten. Diese werden je nach geplanter Konstellation Änderungswünsche betreffend die Standardvertragsvorlage haben. Je mehr Fachabteilungen an diesem Abstimmungsprozess beteiligt sind, desto mehr Zeit wird die erste interne Abstimmung in Anspruch nehmen. Dieser Umstand ist vom Verhandlungsführer (vgl. auch Abschn. 10.2.2.4 „Versand an die Gegenseite“ zum zentralen Ansprechpartner/ single point of contact) zeitlich einzupreisen. Die erste Bearbeitung der eigenen Vertragsvorlage sollte die initial vorgenommenen Änderungen nicht kenntlich machen (zum Change-Track-Modus vgl. Abschn. 10.3.2 „Arbeiten im Änderungs- beziehungsweise Change-Track-Modus“). Es ist unnötig dem Verhandlungspartner zu zeigen, welch großen Anpassungsbedarf die eigene Vorlage unter Umständen generiert hat. Ein bereits stark revidiertes Dokument erweckt zudem nicht den Eindruck, man habe die eigene Vorlage sinnvollerweise eingebracht. Vielmehr liefe man Gefahr, dass die Reaktion abschlägig ausfällt. Ferner lädt ein stark revidiertes Dokument überhaupt erst dazu ein umfangreiche Änderungen vorzunehmen. 10.2.2.3 Hypothetische Akzeptanz Ist das Dokument grundsätzlich vorbereitet, sollte es nochmal sorgfältig gelesen werden, ehe es an die Gegenseite versendet wird. Dies hat mehrere wichtige Gründe.
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung
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Der Verhandlungspartner wird aus dem ersten Entwurf lesen können, wie fair oder unfair man versucht mit ihm umzugehen. Überzogene Forderungen sollten daher allenfalls eine Ausnahme sein (vgl. auch Meins 1993, S. 25). Ein Vertragsentwurf, welcher beispielsweise eine stark einseitige monetäre Lastenverteilung erkennen lässt, wird sich negativ auf den Verhandlungsverlauf auswirken und gegebenenfalls starke Gegenreaktionen hervorrufen. Es werden unnötig zusätzliche Verhandlungsrunden hinzukommen und das Vertrauen im Vorfeld zu noch folgenden schriftlichen Verhandlungen möglicherweise beschädigt. Es wird ausdrücklich empfohlen Passagen, von denen man selbst glaubt, dass sie missverstanden werden könnten, mit einer kurzen Begründung zu versehen (vgl. auch Abschn. 10.3.1 „Kommentierungen“). Dabei dürfte es sich in den meisten Fällen um die Passagen im Dokument handeln, die bereits intern einen hohen Abstimmungsbedarf generiert haben.
10.2.2.4 Versand an die Gegenseite Auch im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen ist es für die Kommunikation mit dem Verhandlungspartner wichtig einen zentralen Ansprechpartner (auch so genannte „single point of contact“) zu benennen. Der zentrale Ansprechpartner bildet das Äquivalent zu dem im Rahmen mündlicher Verhandlungen ernannten Verhandlungsführer. Aufgabe des zentralen Ansprechpartners sollte es sein die Informationen aus dem eigenen Haus zu bündeln und zwischen den intern an der Verhandlung beteiligten Fachabteilungen zu vermitteln. Sobald der Vertragsentwurf die eingesammelten Informationen abbildet, die in dieser frühen Phase erforderlichen Fachabteilungen den Entwurf abgesegnet haben und die hauseigene Vorlage somit eine belastbare Verhandlungsreife erreicht hat, kann der Entwurf an den Vertragspartner übermittelt werden. Erfahrungsgemäß wird in begleitender (in der Regel elektronischer) Korrespondenz eine Seitenkommunikation epischen Ausmaßes aufgebaut. Davon wird ausdrücklich abgeraten. Denn die in Emails platzierten Fragen betreffen die Geschäftsbeziehung, welche ihre Grundlage im Vertrag finden soll und damit den Vertrag selbst. Fragen betreffend den Inhalt des Vertrags sollten am Vertrag, also im Dokument platziert werden. Es dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen so sein, dass die in einer Email begleitend platzierten Fragen nichts mit dem Vertragsinhalt zu tun haben oder derart weit vom Inhalt entfernt sind, dass sie nicht auch im Dokument an geeigneter Stelle untergebracht werden könnten. Abgesehen von unpräziser Dokumentation besteht die Gefahr unbewusst vertragliche Abreden zu treffen. 10.2.2.5 Gegenentwurf Auf den übersandten Entwurf folgt regelmäßig ein Gegenentwurf, welcher die Vorstellungen des Verhandlungspartners berücksichtigt. Die wenigsten Verhandlungspartner verzichten gänzlich hierauf. Wie stark der ursprünglich übersandte Entwurf revidiert wird, variiert jedoch von Fall zu Fall. Es ist auch nicht jede Korrektur des
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Verhandlungspartners nachvollziehbar. Es gibt sogar Fälle, in denen ohne Sinn und Verstand ganze Passagen aus anderen Verträgen kopiert und in den Vertrag eingefügt werden. Das geschieht selbst dann, wenn die Inhalte auf andere Weise bereits im Vertrag abgebildet sind. In letztgenanntem Fall liegt das häufig in dem Umstand begründet, dass der ursprünglich übermittelte Entwurf nicht in Ruhe gelesen wurde. Eine regelrecht aggressive Haltung des Verhandlungspartners kündigt sich an, wenn dieser den übersandten Entwurf überhaupt nicht akzeptiert und darauf beharrt, dass seine Vertragsvorlage zum Einsatz gelangt. Es lohnt sich gleichwohl in eine Diskussion darüber einzusteigen. Besonders dann, wenn Argumente bemüht werden, die aufgrund ihrer häufigen Verwendung kaum noch zu überzeugen vermögen. Als Gründe für die unbedingte und nicht verhandelbare Vertragsvorlage wird gern die Rechtsabteilung, die Geschäftsführung oder eine Unternehmensvorgabe aus der Zentrale benannt. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt selbst dann noch, wenn es sich beim Bemühen solcher Argumente nicht um eine Standard-Lüge handeln sollte (zur Vertragsfreiheit vgl. Abschn. 3.4.1 „Grundsatz der Privatautonomie“). Es kommt daher einem glücklichen Umstand gleich, wenn die am Dokument vorgenommenen Änderungen wenigstens kenntlich gemacht worden sind (Näheres dazu unter Abschn. 10.3.2 „Änderungs- oder Changetrack-Modus“). Selbst dann jedoch, wenn Änderungen kenntlich gemacht worden sind, bedeutet das nicht, dass sie alle aus sich heraus verständlich wären. Werden nicht- oder missverständliche Änderungen im Dokument ausgemacht, sollte hierauf nicht in gleicher Weise reagiert werden. Vielmehr ist es ratsam diese mit einer konkreten Frage zu versehen und den Vertragspartner aufzufordern seine Änderung zu begründen. Diese Vorgehensweise sollte auch dann gepflegt werden, wenn überhaupt keine Änderungsbegründungen in den Vertrag eingebracht worden sind. Es kann vorkommen, dass eine Verhandlungssituation von einem gewissen Maß an Misstrauen geprägt ist. In solchen Fällen kann es ratsam sein, das eingegangene Dokument einem Abgleich zu unterziehen, indem man eine Vergleichsversion zur ursprünglich übersandten Version erstellt. Die Prüfung des Gegenentwurfs muss nicht zwingend in der Bearbeiter-Konstellation erfolgen, wie sie bei der Erstellung des ursprünglichen Entwurfs gewählt wurde. Fachabteilungen, die zweifelsfrei keinen Beitrag leisten können, könnten bei Bedarf in späteren Verhandlungsrunden hinzugezogen werden. Diese Vorgehensweise sollte die interne Abstimmung signifikant beschleunigen. Die ersten Forderungen sind ausgetauscht und besonders zu diesem frühen Zeitpunkt der Verhandlung werden in der Praxis völlig übereilt Zugeständnisse gemacht. Ein solch bereitwilliges Verhalten signalisiert dem Verhandlungspartner möglicherweise Flexibilität und Kooperationsbereitschaft. In den meisten Fällen dürfte jedoch der Eindruck entstehen, man wolle das Geschäft um jeden Preis, sei sich unsicher und/oder hätte in Unüberlegtheit gehandelt. Vielmehr sollten die potentiell verhandelbaren Positionen in Gänze betrachtet werden. Die Summe der sich aus Ihnen ergebenden Potenziale stellt die Verhandlungsmasse dar. Zugeständnisse sollte nicht um jeden Preis vermieden
10.2 Phasen einer schriftlichen Vertragsverhandlung
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werden. Zugeständnisse können jedoch unter die Forderung gestellt werden, selbst ein Zugeständnis vonseiten des Verhandlungspartners zu erhalten. Obgleich das Geben und Nehmen im Rahmen schriftlicher und auch mündlicher Verhandlungen zielführend auf die Verhandlung einwirkt, wird davon eher selten Gebrauch gemacht.
10.2.2.6 Erneute Übersendung Auf die neuerliche interne Bearbeitung folgt die erneute Übersendung an die Gegenseite. Die zuvor beschriebenen Prozesse wiederholen sich nunmehr. Gleichwohl können unerwünschte Aktionen die Verhandlungssituation begleiten. Ist der verhandelte Vertrag von entsprechender Bedeutung, hat die Geschäftsleitung ein Interesse daran regelmäßig über den Stand informiert zu werden. Auf der Geschäftsführungsebene wird dies jedoch häufig als Einbahnstraße verstanden. Sollten also zwischenzeitliche Telefonate zwischen Geschäftsführern der Verhandlungspartner stattgefunden haben, kommen die Inhalte des Telefonats nur zögerlich oder sogar unvollständig bei den Verhandlungsteams an. Mithin kann die Verhandlung durch diesen Informationsfilter negativ berührt werden. Es ist am Verhandlungsteam diese parallel getroffenen Absprachen im Optimalfall zu unterbinden oder sich zumindest die aus ihnen resultierenden Informationen zeitnah einzuholen. 10.2.2.7 Vorbereitung mündlicher Verhandlungen Das berüchtigte „Ping-Pong“ Spiel (hin- und her-senden der Vertragsgrundlagen per Mail) kann sich je nach Fallgestaltung eine Weile ziehen. Wie oft man die Verträge austauscht variiert insbesondere je nach Umfang des Vertrags und Erfahrenheit der Verhandlungspartner. Es ist denkbar und kann in einigen Fällen sogar ratsam sein, dass zur Beschleunigung der schriftlich erkennbaren Divergenzen zwischen den Verhandlungszielen ein Telefonat eingestreut wird, um gewisse Hürden zu nehmen und nicht ewig zu verhandeln. Man kann jedoch auch bewusst davon absehen, wenn durch den zeitlich erzeugten Druck ein Zugzwang beim Verhandlungspartner erzeugte wird (zum „calculated delay“ vgl. Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“). Je nach Bedeutung der Sache, gipfeln schriftliche Vertragsverhandlungen in mündlichen Verhandlungen (vgl. bereits Abschn. 8.1.2 „Mündliche Verhandlungen als Schlusspunkt“). Neben den bereits gemachten Ausführungen (zur Vorbereitung vgl. ausführlich Kap. 9 „Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen“) soll an dieser Stelle besonders betont werden, dass vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung unbedingt eine Reaktion des Verhandlungspartners einzuholen ist. Es kommt in der Praxis leider oft vor, dass Verträge an den Verhandlungspartner übersandt werden und ohne erfolgte Reaktion auch schon der Termin für die mündliche Verhandlung koordiniert wird. Es liegt auf der Hand, dass ohne Reaktion des Verhandlungspartners auf die im Vorfeld gemachten Angaben, eine inhaltliche Vorbereitung kaum möglich ist. Das kann schwere Folgen nach sich ziehen. Abgesehen davon, dass eine Agenda nicht oder nur einseitig durchdacht ausgestaltet werden kann, ist eine Vorbereitung auf potentielle Deal-Breaker nicht möglich. Wie auch, wenn die Verhandlungspunkte aus Sicht des Verhandlungspartners nicht bekannt sind.
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Die in einer zu früh anberaumten mündlichen Verhandlung folgenden Reaktionen auf den Vortrag des Verhandlungspartners, der seine Verhandlungspunkte erstmals offenbart, können nur übereilt oder unabgestimmt beziehungsweise unüberlegt sein. Die Situation, in der man gefordert ist zu reagieren, sollte nicht unterschätzt werden (vgl. bereits Abschn. 8.1.3 „Zeit als pressierender Faktor“). Ohne Vorbereitung müsste nahezu jeder wichtige Punkt, der vom Verhandlungspartner vorgebacht wird, in einem Nebenraum besprochen werden. Dies dürfte kaum Praktikabel sein. Vermutlich wird man daher zu einem Mix aus schnellen Zugeständnissen und unabgestimmten beziehungsweise unüberlegten Antworten übergehen. Um solch einer Verhandlungssituation aus dem Weg zu gehen sollte dem Verhandlungspartner im Vorfeld zwingend eine Frist mitgeteilt werden, bis wann er seine Verhandlungspunkte spätestens mitzuteilen hat, anderenfalls der mündliche Verhandlungstermin verschoben werden sollte.
10.2.2.8 Unterzeichnung Auf den schriftlich final verhandelten Vertrag folgt die Unterzeichnung desselben. Auch in dieser den Vertrag sicher geglaubten Phase treten in der Praxis ungewollte Abläufe zutage. So kann es passieren, dass das im Vertrag vorgesehene Datum zum Inkrafttreten des Vertrags, welches an das Datum der letzten Unterschrift unter den Vertrag gekoppelt ist, an keiner Stelle zu finden ist. Einfach deshalb, weil man es vergessen hat. Die Berechnung einer konkreten Laufzeit oder einer später gewollten Kündigung kann dadurch verzögert werden. Von einer flüchtigen Unterzeichnung des Vertrags, weil „alles schon seine Richtigkeit haben wird“, kann nur abgeraten werden. Es ist unnötig ärgerlich, wenn Jahre später inhaltliche oder formale Fehler zutage treten, die bei einer abschließenden Kontrolle vermutlich aufgefallen wären. Dies gilt auch dann, wenn der bereits unterzeichnete Vertrag in zweifacher Ausfertigung vom Vertragspartner zugesandt wird. Aufgrund der Unterschriften mag dieser einen besonders ordnungsgemäßen Eindruck vermitteln. Vor Fehlern schützt dieser Eindruck jedoch nicht. Äußerst selten aber gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die erstunterzeichnende Partei noch Änderungen am Dokument vornimmt, die so nicht verhandelt wurden. Manchmal sogar handschriftlich. Das Papier verdient ein letztes Mal die Aufmerksamkeit der Verfasser im Wege einer abschließenden Kontrolle, um vorstehend genannte Fehlerquellen weitestgehend zu minimieren.
10.3 Besonderheiten im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen So herausfordernd mündliche Vertragsverhandlungen auch sein können (vgl. bereits Abschn. 8.1 „Mündliche vs. Schriftliche Vertragsverhandlungen“), so wenig sollten schriftliche Vertragsverhandlungen unterschätzt werden. Die sich hier ergebenden
10.3 Besonderheiten im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen
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Besonderheiten können gegenüber denen bei mündlichen Vertragsverhandlungen gänzlich anderer Natur sein. Nachfolgend werden zwei Aspekte beleuchtet, denen im Rahmen schriftlicher Verhandlungen erfahrungsgemäß keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird: Kommentierungen an Vertragsdokumenten und das Arbeiten im sogenannten Änderungsmodus.
10.3.1 Kommentierungen Änderungen an elektronischen Vertragsgrundlagen in Form von Dateien werden in der Regel auf zweierlei Weise vorgenommen. Einerseits besteht die Möglichkeit direkt im Vertragstext Änderungen vorzunehmen, beispielsweise durch das Einfügen einer neuen Formulierung oder das Streichen eines Satzes etc. Andererseits kann diese Möglichkeit ergänzt oder ersetzt werden durch die Kommentarfunktion (nachfolgenden werden die technischen Möglichkeiten zugrunde gelegt, die das Textverarbeitungsprogram Microsoft® Word bietet).
10.3.1.1 Autor und Adressat eines Kommentars Es kommt es vor, dass bei Vertragsverhandlungen externe Kanzleien oder Berater eingesetzt werden. Es ist dabei nicht unüblich, dass aus Sicht des Dokumentenbearbeiters nach Außen gleichwohl „mit einer Stimme gesprochen wird“. Die Kommentare an einem Vertrag sollen bewusst keinen Aufschluss darüber geben, wer sie im Einzelnen verfasst hat. Microsoft® Word hält zu diesem Zweck Funktionen vor, die bei Aktivierung einen Kommentar entsprechend aussehen lassen (vgl. Abb. 10.1 „Anonymisierter Kommentar“). Es ist nicht erkennbar, wer den Kommentar zu welchem Zeitpunkt verfasst hat. Alle persönlichen Informationen und Dokumenteneigenschaften wurden entfernt (vgl. Abb. 10.2 „Anonymisierung von Word-Dateien“). Eine solche Funktion, die aktiviert ist, hat dann Auswirkungen auch auf künftige Kommentare, die im Dokument hinterlegt werden. Dies erschwert die weitere Abstimmung, insbesondere intern, wenn eine Vielzahl von Fachabteilungen bei der Abstimmung eingebunden ist. Es fehlen schlichtweg die Ansprechpartner. Diese müsste
Abb. 10.1 Anonymisierter Kommentar. (Quelle: Screenshot aus Microsoft® Word)
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Abb. 10.2 Anonymisierung von Word-Dateien. (Quelle: Screenshot aus Microsoft® Word)
man sich im Wege des Rückschlusses mühevoll recherchieren. Um die Kommunikation möglichst reibungslos zu gestalten, sollte nicht nur der Verfasser des Kommentars erwähnt werden, sondern auch der Adressat, beispielsweise verdeutlicht durch ein @-Zeichen. Um die Chronologie der Beiträge aus mehreren Verhandlungsrunden noch nachvollziehen zu können, sollte auch ein Datum verwendet werden. Der Aufwand sollte nicht gescheut werden. Denn dieser müsste lediglich einmal zu Beginn der Bearbeitung eines Kommentars betrieben werden. Ist eine entsprechende Zeile in einem Kommentar erstellt, kann diese immer wieder an den Anfang eines Kommentars gesetzt werden, indem man sie kopiert und eingefügt.
10.3.1.2 Interne/Externe Kommentare Die interne Abstimmung zwischen mehreren Fachabteilungen (vgl. bereits Abschn. 10.2.2.2 „Vertragsentwurf und interne Abstimmung“) hat oftmals den Austausch von Argumenten zum Gegenstand, die im Laufe der Verhandlungen gewinnbringend eingesetzt werden sollen. Um sich seiner Argumente und damit wichtiger Verhandlungsmasse nicht leichtfertig zu begeben, sollte man bestimmen, welche Kommentare für den Verhandlungspartner bestimmt sind und welche unbedingt in den eigenen Reihen bleiben sollten. Es macht im Rahmen der internen Abstimmung daher Sinn, Kommentare in besonderer Weise zu kennzeichnen, sie beispielsweise mit einem „INTERN“ zu versehen. Es ist dann vor Übermittlung des Vertragsdokuments an den Verhandlungspartner daran zu denken, dass die mit „INTERN“ gekennzeichneten Kommentare vorher aus dem Dokument entfernt werden.
10.3 Besonderheiten im Rahmen schriftlicher Vertragsverhandlungen
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10.3.2 Änderungs- oder Change-Track-Modus Ebenso wenig wie zu den vorstehenden behandelten Kommentierungen gibt es einheitliche Spielregeln für das Arbeiten im Änderungsmodus. Teilweise oder vollständige Streichungen, vollständig neue Einfügungen oder Ersetzungen zeigen ob und wie sehr in einem Vertragsdokument verhandelt wird.
10.3.2.1 Generelle Kenntlichmachung von Änderungen Nicht kenntlich gemachte Änderungen können eine Verhandlung torpedieren. Übertragen auf die Situation in einer mündlichen Verhandlung kommt dies dem Umstand gleich eine Ergänzung im Verhandlungsprotokoll vorzunehmen, ohne dies dem Verhandlungspartner mitzuteilen. Davon kann nur strikt abgeraten werden. Dem Verhandlungspartner dürfte so ein Verhalten übel aufstoßen, weil er sich fragt, warum ihm nicht mitgeteilt wird, was geändert wurde. Abgesehen davon, dass es mit einem gewissen Zeitaufwand einhergeht, die vorgenommenen Änderungen aufzudecken (beispielsweise über das Erstellen eines Vergleichsdokuments). Wird dies nicht getan und setzt der Verhandlungspartner voraus, dass man seine Änderungen kenntlich machen würde, so ist dieses intransparente Verhalten möglicherweise sogar rechtlich bedenklich, weil es sich um eine Täuschung handeln könnte. Geschieht dies aus Fahrlässigkeit oder Bequemlichkeit, kann eine mühevoll erzeugte Vertrauensbasis auf dieses Weise beschädigt werden. Bereits intern zu Dokumentationszwecken, spätestens jedoch vor Übermittlung an den Verhandlungspartner, sollte man den Änderungsmodus im Vertragsdokument aktivieren und den Verhandlungspartner dazu anhalten, diesen auch aktiviert zu lassen. Gehörige Aufmerksamkeit gilt also der gemachten Beobachtung nach Erhalt eines bereits mehrfach im Änderungsmodus ausgetauschten Dokuments, in dem der Änderungsmodus plötzlich nicht mehr aktiviert ist. Es ist nicht klar, wann die Deaktivierung erfolgte und zu welchem Zweck. Für einen solchen Fall ist es stets ratsam ein Vergleichsdokument zu erzeugen. 10.3.2.2 Begründung von Änderungen Eine Kombination aus Kommentierungen und der Arbeit im Änderungsmodus kann sinnvoll sein, wenn sich aus der Änderung selbst nicht ergibt, warum etwas geändert worden ist. In solchen Fällen und auch bei bedeutsamen Änderungen, sollte diese mit einer kurzen oder auch längeren Begründung versehen werden. Dabei sollte man sich vor Augen halten was anderenfalls wahrscheinlich ist. Der Verhandlungspartner wird im Zweifel nachfragen, warum etwas geändert wurde. Ein solches Vorgehen zöge die schriftlichen Verhandlungen also unnötig in die Länge. Die Möglichkeit Änderungen nicht nur kenntlich zu machen, sondern auch zu kommentieren kann auch aus taktischen oder stilistischen Gründen genutzt werden. Eine etwa besonders umfangreiche Kommentierung erweckt den Eindruck dieser Punkt sei einem besonders wichtig. Gleichzeitig kann dies von anderen Punkten, die einem in Wahrheit wichtig sind, ablenken. Viele Verhandlungstechniken lassen sich auch schriftlich zum Ausdruck bringen (vgl. Tab. 8.1 „Verhandlungsjargon“).
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Literatur Junker, Abbo/Kamanabrou, Sudabeh. 2007. Vertragsgestaltung – ein Studienbuch, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Lenz, Tobias. 2019. Die Rechtsabteilung – Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen, 3. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Renner, Helmut in Hartmann, Horst (Hrsg.). 2007. Vertragsrecht im Einkauf – Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform. Gernsbach: Deutscher Betriebswirte-Verlag. Wolf, Manfred/Lindacher, Walter/Pfeiffer, Thomas. 2013. AGB-Recht, Kommentar, 6. Auflage. München: C.H.Beck. Meins, Jon. 1993. Die Vertragsverhandlung – Leitfaden zum Entwerfen, verhandeln und abschliessen von Verträgen, 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Rehbinder, Eckard. 1993. Vertragsgestaltung, 2. Auflage. München: Hermann Luchterhand Verlag.
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Obgleich mündliche Vertragsverhandlungen nicht alltäglich sind und sie regelmäßig erst dann anberaumt werden, wenn es um gewichtige geschäftliche Vorgänge geht, wird ihnen selten die nötige Aufmerksamkeit geschenkt (so auch: Czernich et al. 2019, S. 21). Hierzulande gehört das Verhandeln nicht als originäres Fach zum Lehrplan. Anders als in anderen Kulturen also (vgl. dazu bereits Abschn. 9.2.3 „Kulturelle Besonderheiten“) gibt es hierzulande mithin auch keine akademische Disziplin, bei der das Verhandeln originär und daher möglichst einheitlich und vollständig angesiedelt ist. Umso wichtiger ist daher sich aus dem Querschnitt der am Markt verfügbaren und teilweise sehr umfangreichen Quellen einen Überblick über das Wesentliche zu verschaffen. Mündliche Vertragsverhandlungen wurden schriftlichen Vertragsverhandlungen bereits gegenübergestellt und Rahmen dieser Gegenüberstellung auf die besondere Bedeutung mündlicher Vertragsverhandlungen eingegangen (siehe dazu Abschn. 8.1 „Mündliche vs. schriftliche Vertragsverhandlungen“). Auch wurden für mündliche Verhandlungen relevante Begrifflichkeiten erläutert (vgl. Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“). Mündliche Verhandlungen teilen in vielen Bereichen ein mit schriftlichen Vertragsverhandlungen vergleichbares Schicksal (vgl. Kap. 9 „Gemeinsamkeiten mündlicher und schriftlicher Vertragsverhandlungen“). Nachfolgend sollen nunmehr die Eigenheiten mündlicher Vertragsverhandlungen beschrieben werden und die sie ausmachenden Besonderheiten.
11.1 Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung Auch mündliche Vertragsverhandlungen durchlaufen bestimmte Phasen. Im Gegensatz zu schriftlichen Vertragsverhandlungen beschäftigt sich ein Großteil der am Markt verfügbaren Werke ausgiebig mit diesen Phasen, wenngleich in unterschiedlicher Weise © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_11
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11 Mündliche Vertragsverhandlung
(dazu sogleich unter Abschn. 11.1.1 „Allgemeines“). Ebenso wenig wie bei schriftlichen Vertragsverhandlungen sollte aus den nachfolgend behandelten Phasen geschlussfolgert werden, dass sie in jedem Fall und unter egal welchen Umständen durchlaufen werden müssen. Es ist denkbar, dass bestimmte Phasen nicht vereinzelt zutage treten, weil sie der eigentlichen Verhandlung zeitlich deutlich vorgelagert sind oder mit anderen Phasen so zusammenfallen, dass man sie nicht mehr als separate Phasen wahrnimmt.
11.1.1 Allgemeines Der konkrete Verlauf einer mündlichen Verhandlung kann ebenso wenig vorausgesagt werden, wie das bei schriftlichen Verhandlungen der Fall ist. Schon die nach dieser Darstellung erste Phase, die schriftliche Vorphase, dürfte kaum einen Verhandlungsfortgang unberührt lassen. Sodann ist von grundlegender Bedeutung, welche Haltung die Parteien zu mündlichen Vertragsverhandlungen einnehmen. Bereits ein aus Kostengründen betrieblich angeordnetes vorübergehendes Dienstreise-Moratorium könnte vom Verhandlungspartner als Signal verminderten Willens zum Vertragsabschluss oder mangelnder Flexibilität oder Wertschätzung aufgenommen werden. Kommt es infolge dessen zu einer mündlichen Verhandlung via Telefon und/oder Videokonferenz, kann das dem Verlauf einer Verhandlung eine andere Richtung geben. Es ist ratsam sich im Vorfeld zu einem Gespräch über die mögliche Verabredung zu einer Verhandlung abwägend Gedanken zu machen, welchen Stellenwert das hinter der Verhandlung stehende Geschäft für die eigene Organisation haben könnte. Im Bewusstsein über die entscheidende Beeinflussung des Verlaufs und des Erfolgs sollten Entscheidungen über den möglichen Aufwand nicht der Spontanität überlassen werden.
11.1.2 Phasen im Einzelnen In einschlägiger Literatur besteht keine einhellige Meinung darüber, von wie vielen Phasen eine mündliche Verhandlung geprägt sein müsste (so auch: Jung und Krebs 2016, S. 11). Manche Werke benennen Orientierung, Diskussion Annäherung und Niederschrift als unterschiedliche Phasen (Junker und Kamanabrou 2007, S. 30). Demgegenüber bestehen extensivere Ansätze, die von insgesamt sechs (so: Jung und Krebs 2016, S. 13 ff.) oder sieben Phasen einer Vertragsverhandlung ausgehen (so Richter 2013, S. 92). Um ausgemachte Ansätze aufzugreifen und gleichzeitig aber die eigenen Vorstellungen von einer Verhandlung nicht auszusparen, soll vorliegend bewusst ein extensiver Ansatz gewählt werden. Nachstehend werden insgesamt acht Phasen einer Vertragsverhandlung beschrieben.
11.1 Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung
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11.1.2.1 Schriftliche Vorphase Schriftliche Vertragsverhandlungen wurden ebenso ausgiebig beschrieben wie der Umstand, dass diese in mündlichen Verhandlungen münden können (vgl. Abschn. 8.1.2 „Mündliche Verhandlungen als Schlusspunkt“). Obwohl mündliche und schriftliche Verhandlungen in Alternativverhältnisse zerfallen können, weil entweder der eine oder der andere Weg beschritten wird, muss dies also nicht immer zwingend der Fall sein. Eine Verquickung von schriftlichen und mündlichen Verhandlungen ist möglich, weshalb nach dieser Darstellung die schriftliche Verhandlung als eine Phase der mündlichen Verhandlung begriffen. Da es sich dann bei den schriftlichen Verhandlungen um einen vorbereitenden Schritt handelt, könnte man sie ebenso in den nachfolgenden Schritt der Vorbereitung inkludieren. Sie jedoch als abgrenzbaren Abschnitt im Gesamtablauf anzusehen soll die Aufmerksamkeit für diesen originären Teil als Phase erhöhen. Der Umstand, dass das schriftliche Vorspiel eine Phase darstellt, sollte nicht unterschätzt werden. So gut man sich auch auf die folgende eigentliche mündliche Verhandlung vorbereitet, wird es schwer von im Rahmen der schriftlichen Vorphase eingenommenen Positionen wieder abzurücken. Es ist daher von großer Bedeutung sich in dieser Phase nicht fahrlässig wichtiger Punkte im Vertag in der Annahme zu begeben, es folge ja ohnehin noch eine mündliche Verhandlung. 11.1.2.2 Vorbereitung Verhandlungen von größerem Umfang, von solchen wird hier ausgegangen, sollten gut vorbereitet werden (zum Plädoyer von Thompson vgl. Abschn. 11.1.2.5 „Hauptphase“). Um einen besseren Überblich zu behalten macht es Sinn die Vorbereitung in unterschiedliche Abschnitte zu unterteilen. 11.1.2.2.1 Organisatorisches Soweit es die organisatorische Vorbereitung betrifft, gilt es schon fast selbstverständliche Dinge im Vorfeld (gedanklich) abzuhaken:
Es ist der Verhandlungsort in den Blick zu nehmen (vgl. Junker und Kamanabrou 2007, S. 25); eine klassische Peinlichkeit stellen besetzte Räume dar, weshalb eine Reservierung nicht zu spät angegangen werden sollte; überdies sollte die erforderliche Technik im Raum vorhanden sein und einwandfrei funktionieren; auch eine für die Verhandlungsdauer angemessene Bewirtung ist sicherzustellen – und dies nicht nur aus Höflichkeit; nichts ist weniger schön anzusehen als zähe Verhandlungen aufgrund unterzuckerter Parteien; die kognitive Leistungsfähigkeit lässt irgendwann enorm nach.
Für einen zügigen, strukturierten Ablauf sollte eine Tagesordnung festgelegt werden; schon wenige Slides geben dem Tag eine Struktur, die er sonst nur schwer erreicht; in dieser können etwa auch feste Pausen eingeplant werden.
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Wichtig
Beim Befüllen der Tagesordnung dienen einerseits die eigenen Unterlagen, welche mit in die Verhandlung genommen werden sollen, als erste Inhaltsgeber; weiterer inhaltlicher Taktgeber ist andererseits die Vorfeldkommunikation mit dem Verhandlungspartner; es ist von essenzieller Bedeutung, dass der Verhandlungsstand klar definiert ist, mithin beiden Parteien klar ist, worüber gesprochen/verhandelt werden soll; hier bestehen Schnittmengen zum Inhaltlichen, jedoch wird der Austausch der aktuellsten Unterlagen dem Organisatorischen zugerechnet
Dem organisatorischen Teil kann auch die personelle Planung zugeschrieben werden; hier kann auf gemachte Ausführungen verwiesen werden (vgl. Abschn. 9.2 „Verhandlungspartner“).
11.1.2.2.2 Inhaltliches Bei der inhaltlichen Vorbereitung beschränken sich die Parteien oftmals darauf kurz vor Verhandlungsbeginn den letzten Verhandlungsstand zu lesen. Das ist erfahrungsgemäß viel zu wenig. Lediglich mit der Lektüre des offenen Verhandlungsstands ist nichts gewonnen. Sind seit dem letzten schriftlichen Informationsaustausch und dem Tag der mündlichen Verhandlung zwei Wochen vergangen, ist man am Tag der mündlichen Verhandlung so schlau wie vor zwei Wochen.
Zur Vorbereitung auf den Verhandlungstermin macht es Sinn die zu Beginn der Geschäftsbeziehung gesammelten Informationen (vgl. Abschn. 9.1 „Informationsgewinnung“) einmal zu überfliegen; das Sammeln der Informationen kann Monate zurückliegen und daher nicht mehr ganz so präsent sein.
In der Vorbereitungsphase sollte man sich ein Bild von den eigenen Zielen vor Augen führen, die Interessen des Gegenübers dabei aber nicht ausblenden; um den Rahmen der vorliegenden Darstellung nicht zu sprengen soll der Vollständigkeit halber erwähnt sein, dass es die Möglichkeit gibt Ziele in Kategorien zu unterteilen, etwa in Sach-, Beziehungs- und Imageziele; breiterer Erwähnung bedürfen Anforderungen an Ziele, die gestellt sein sollten; Ziele sollten realistisch, sozial akzeptabel, miteinander vereinbar, konkret, messbar und positiv formuliert sein, um potentiell durchsetzbar sein zu können.
Sind die eigenen Ziele klar, können für die wichtigsten dieser Ziele und je nach Verhandlungsdelegation Strategie, Taktik und Technik ausgelotet werden; ein sehr häufiger Fehler im Rahmen der inhaltlichen Abstimmung ist es, sich über BATNA und ZOPA überhaupt keine Gedanken zu machen (vgl. dazu
Abschn. 8.3 „Begrifflichkeiten“); unvorbereitete Parteien erkennt man in der
11.1 Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung
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Verhandlung beispielsweise am erschrockenen Gesichtsausdruck, hochroten Kopf, einem panischen Umherblicken oder betretenem Schweigen; die gut vorbereitete Partei hat Fallback-Varianten im Gepäck und kann ruhig und gezielt reagieren.
11.1.2.3 Begrüßung Selbst, wenn die vorstehenden Punkte beachtet wurden, kann die Verhandlung abseits der zu verhandelnden Inhalte noch signifikant beeinflusst werden. Auf die bereits angesprochene Besonderheit von Verhandlungspartnern unterschiedlicher Herkunft sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber hingewiesen (vgl. Abschn. 9.2.3 „Kulturelle Besonderheiten“). Der erste Eindruck bleibt bekanntlich. Und dennoch kommt es beim Aufeinandertreffen der Parteien oft genug vor, dass gegen gewisse Grundregeln der Kommunikation verstoßen wird. Der Lektüre dieses Buches bedarf es nicht um zu verstehen, dass das Empfangen eines von weither angereisten potentiellen Geschäftspartners bereits vor dem Gebäude eine andere Stimmung erzeugt als die Begrüßung im Sitzen mit verschränkten Armen in einem Besprechungsraum. Es sind weniger wissenschaftlich hochtrabende Aspekte als das Wissen um gesellschaftlich allgemein als positiv bewertete Verhaltensweisen. Den Handschlag und das mehrfache Händeschütteln vollständig durch das Überreichen einer Visitenkarte zu ersetzen, signalisiert dem Gegenüberüber (in Abhängigkeit zu seiner Kultur) eine gewisse Distanz. Distanz dürfte beim initialen Aufeinandertreffen zweier Verhandlungspartner, die ein gemeinsames Geschäft ins Auge gefasst haben, nur in Ausnahmefällen angezeigt sein. Mit Blick auf die bevorstehende Verhandlung und den Gedanken gemeinsam etwas gestalten zu wollen, wirkt es ebenso distanziert wie befremdlich, wenn sich die Verhandlungsdelegation plötzlich beginnt per „high five“ abzuklatschen. Die aus der Team-Stimmung überschwappenden Euphemismen sollten zurückgestellt werden, weil man weder auf einem Sportplatz steht noch, was viel wichtiger ist, dem Verhandlungspartner signalisieren sollte, dass man sich als Gegenspieler beziehungsweise konkurrierendes Team begreift, das sich in Wettkampfstimmung versetzen möchte. Neben dem Verhalten tritt auch die Wortwahl gegenüber dem Verhandlungspartner deutlich zutage. Der Verhandlungspartner wird gewiss unterschiedlich beeindruckt sein, wenn er entweder durch ein flapsiges „Joa…dann wolln wa mal…“ oder durch ein „Herzlich willkommen und bitte entschuldigen Sie das schlechte Wetter“ begrüßt wird. Ausländische Verhandlungspartner werden es ganz sicher als Zeichen der wohlwollenden Geste auffassen, wenn sie nach einer langen Reise in der Ferne gleichwohl in ihrer Landessprache begrüßt werden.
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11.1.2.4 Einstieg Die Verhandlung im engeren Sinne durchlebt verschiedene Phasen. Für gewöhnlich gibt es hier – so wie auch bei anderen Gesprächen einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Klare Grenzen gibt es dabei nicht. Vereinzelt werden die Vorgespräche und der höfliche Austausch im Anschluss an die Begrüßung wahrgenommen, um bereits von gewissen Haltungen des Gegenübers zu erfahren. Der Vorteil eines seichten Einstiegs liegt in der geförderten positiven Atmosphäre begründet, die sich so in die (Haupt-) Verhandlungen hineintragen lässt. Weiterhin können aufmerksame Gesprächspartner wichtige Informationen über den Gegenüber sammeln, die sich vielfältig in Verhandlungen verwenden lassen. Hat man etwa erfahren, dass einem ein junger Elternteil gegenübersitzt, dürften verdeutlichende Beispiele, soweit angebracht, in denen Kinder eine Rolle spielen, auf Gegenliebe stoßen. Gleiches gilt für erste Gespräche in kleineren oder größeren Pausen. Es kann kaum anders als höflich aufgefasst werden, wenn man sich dann nach dem Alter des bereits erwähnten, möglicherweise jüngsten Familienmitglieds erkundigt. Aber auch abstrakte Informationen sind wichtig und können im Vorfeld gewonnen werden. Wer den Verhandlungspartner gedanklich charakterisieren kann, erkämpft sich bereits erste Vorteile. Der berüchtigte erste Aufschlag gebührt regelmäßig der gastgebenden Partei. Dabei sollte die Gelegenheit nicht versäumt werden, wenn man diese Rolle innehat, ausgiebig darzulegen, wie sehr man am in Rede stehenden Vertrag interessiert ist. Mit dieser abstrakten Äußerung wagt man sich noch nicht zu sehr aus der Deckung, wenn dies gleichwohl darauffolgt. Denn als gastgebende Partei wird man um erste inhaltliche Äußerungen nicht umhinkommen. Diese Äußerungen sind wichtig. Die potentiellen Vertragsparteien geben damit Einblick in Interessen und verfolgte Ziele (Mayer und Kroiß 2018, S. 51). Da oftmals die so genannten „Deal-Breaker“ zuerst auf den Tisch gelangen, kommt es zu ersten, unterschiedlich intensiven Auseinandersetzungen, bei denen jede der Parteien ihre Position sucht zu festigen und keine zu frühen Zugeständnisse machen möchte. Gegenüber einem seichten Einstieg bestehen die großen Chancen eines schnellen Einstiegs insbesondere darin.
durch den Beitrag Verhandlungsmasse aufzubauen,
den Verhandlungsgang entscheidend in eine bestimmte Richtung zu steuern und.
Klarheit zu schaffen, da der Vertragspartner gezwungen ist, auf aufgeworfene Fragen einzugehen.
Doch vor zu großem Optimismus sei gewarnt. Verhandlungen verlaufen nur selten nach einem ganz bestimmten Schema. Vielmehr ist ihnen typisch, dass sie unerwartete Verläufe nehmen können. Daher sollte man darauf gefasst sein, im eben gezeichneten
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Szenario des schnellen Einstiegs keine klaren Antworten zu bekommen. Der Vertragspartner könnte sich sogar überrumpelt fühlen. Hier ist es wichtig, eine pädagogisch geprägte Reaktion zu zeigen, um deeskalierend zu agieren. Trotz guter Vorbereitung also sieht man sich wieder auf dem Boden nüchterner Tatsachen angekommen. Mit einem sehr schnellen und direkten Einstieg (vgl. dazu Mayer und Kroiß 2018, S. 51) geht man aber auch gewisse Risiken ein. Mit der Erstformulierung von konkreten Vorstellungen schafft man Nährboden für konkrete Kritik. Eine informative Antwort bleibt schon mal aus und man erntet stattdessen den Versuch der Beseitigung aufgeworfener Argumente. Mithin macht man sich angreifbar. Das Pulver könnte schnell verschossen sein. Einzupreisen in die Variationen möglicher Ausgänge ist es auch, dass das Verhältnis zum Gegenüber ruiniert wird, wenn man sich für einen zu harten Aufschlag entscheidet. Es ist entsprechende Vorsicht geboten. Dazu nachstehend im Detail.
11.1.2.5 Hauptphase Mit der Hauptphase ist die Verhandlung im engeren Sinne gemeint. Mit dieser Phase erreicht man den wohl anspruchsvollsten Teil der Verhandlung. In wohl keiner anderen Phase der Verhandlung macht sich so sehr bemerkbar, wie es um Allgemeines Wissen und Erfahrungen in Sachen Verhandlungen, Information in der Sache und übriger dezidierter Vorbereitung des Gegenübers steht. Für die nachstehenden Ausführungen soll davon Abstand genommen werden nochmals aufzulisten, was die Verhandlung im engeren Sinne berührt. Gleichwohl wurde bislang bewusst nicht dargestellt (vgl. Abschn. 9.3 „Strategien, Taktiken, Techniken und Stilelemente“), in welchem Verhältnis die eine Verhandlung im engeren Sinne prägenden Elemente zueinanderstehen. In der einschlägigen Literatur fällt auf, dass die die Begriffe Strategie, Taktik, Technik und Stil mitunter synonym verwendet werden. In dem Bewusstsein, dass eine Abgrenzung im Einzelfall durchaus sehr schwierig sein kann, wird nachstehend gleichwohl ein Versuch der Ordnung unternommen. Die Vorstellung von dem, was sich hinter den einzelnen Begriffen verbirgt oder verbergen sollte, soll nicht anhand von Verträgen oder mit Verträgen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Punkten unternommen werden. Ein Blick in die Sportwelt soll das Zusammenspiel der für Vertragsverhandlungen so wesentlichen Begriffe einmal veranschaulichen. Beispiel
Wie stellen uns eine Begegnung zwischen zwei Fußballmannschaften der Deutschen Bundesliga vor. Eine solche Partie wird von vielen Umständen geprägt, die sich sowohl auf als auch neben dem eigentlichen Spielfeld, auf das Spiel beziehungsweise den Spielverlauf auswirken. Der Trainer einer Fußballmannschaft ist schlecht beraten lediglich das Spiel zu sehen, welches sich vor seinen Augen gerade zuträgt. Wenn er Einfluss auf die Mannschaft nimmt, dann hat er dabei auch im Hinterkopf zu haben, in wie vielen
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ettbewerben das Management erwartet in der laufenden Saison teilzunehmen. Ist W die Erwartungshaltung etwa in drei Wettbewerben möglichst weit zu kommen, um das berüchtigte „Tripple“ aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions-League zu gewinnen, dann ist diese Maßgabe strategisch zu berücksichtigen. Aus der Vereins-Strategie leitet der Trainer also beispielsweise ab, dass er über einen relativ langen Zeitraum in vielen Wettbewerben gesunde Spieler braucht. Verletzungsfreiheit als strategische Maßgabe kann durch Erholung erreicht und diese Wiederum durch Rotation bewirkt werden. Es können neben dem erwähnten übergeordneten strategischen Ziel noch weitere strategische Ziele verfolgt werden. Seine konkrete Taktik für die laufende Partie, hat der Trainer im Vorfeld grundsätzlich festgelegt. Diese kommt insbesondere über die Aufstellung zum Ausdruck. Die Aufstellung prägt das Spiel deshalb taktisch, weil sich daraus ableiten lässt, ob man eher offensiv oder eher defensiv aufgestellt in eine Partie geht. Befinden sich beispielsweise mehr Angreifer als Verteidiger auf dem Feld, spricht das für eine offensive Taktik. Die Festlegung im Vorfeld eines Spiels muss nicht das gesamte Spiel über durchgehalten werden. Läuft es nicht gut, kann eine taktische Umstellung von Nöten sein. Man kann sagen, dass Taktiken Mittel sind, um die strategischen Ziele zu erreichen. Mit einer sehr defensiven Taktik kann beispielsweise das strategische Ziel der Zermürbung erreicht werden. Die Technik wiederum kann zeigen, auf welche Weise Taktiken umgesetzt werden. Geht es darum eher defensiv und weniger offensiv zu spielen, um der Gefahr schneller Gegenangriffe aus dem Weg zu gehen, könnte die eigene Angriffshaltung über das schlagen so genannter langer Bälle zum Ausdruck kommen. Damit große Teile der eigenen Mannschaft ihre Posten nicht verlassen, werden keine Ballstafetten vollführt und sich in die gegnerische Hälfte gespielt, sondern es wird versucht die wenigen vorgeeilten Mitspieler über lange Pässe zu erreichen. Das defensive Verhalten kann stilistisch über eine erhöhte körperliche Präsenz zum Ausdruck gebracht werden. Zweikämpfe werden besonders intensiv angegangen. ◄ Die Anzahl der zu Vertragsverhandlungen entwickelten Strategien, Taktiken, Techniken und Stile ist schier unüberschaubar (Systematisierungsversuch auch bei Jung und Krebs 2016, S. 437). Einige wurden im vorliegenden Werk dargestellt. Um nicht in Wiederholungen zu verfallen oder das Werk künstlich zu stark aufzubauen, sei das in Anlehnung an das Beispiel aus der Sportwelt eine Verhandlungssituation beschrieben, um eine entsprechende Transferleistung für den Leser zu schaffen. Beispiel
Auf eine vertragliche Verhandlungssituation übertragen, könnte es nun etwas leichter fallen, die Begriffe Strategie, Taktik, Technik und Stil einzuordnen. In Vertragsverhandlungen geht es zuvörderst um die in dem Vertrag verfolgten Interessen. Das obige
11.1 Phasen einer mündlichen Vertragsverhandlung
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Beispiel aus der Sportwelt zeigt jedoch, dass es daneben weitere Interessen geben kann. Neben dem Vertragsgegenstand können das übergeordnete Unternehmensinteressen sein. Während es für den konkreten Geschäftsabschluss eine untergeordnete Rolle spielen mag, kann es strategisch für das Unternehmen von hoher Relevanz sein, welches Recht auf den Vertrag auf den Vertrag Anwendung findet. Handelt es sich um einen sehr wichtigen Punkt (potentieller Deal-Breaker) kann es angezeigt sein ein gemischt kompetitiv-kooperatives Verhalten an den Tag zu legen. Taktisch kann erwogen werden diesen Punkt vorzuziehen, während man andere Aspekte hintenanstellt. Technisch lässt sich dies im Wege der bewussten Vermengung einiger Punkte unterbringen. In einer argumentativen Gemengelage ließen sich zwei für den Verhandlungspartner zentrale Aspekte als Verhandlungsmasse zugestehen, während man scheinbar nur lediglich einen für sich einwirbt im Gegenzug. ◄ Die genannten Beispiele können einen abstrakten Anreiz setzen und eine Vorstellung davon verschaffen, wie die Verhandlung im engeren Sinne methodisch angegangen werden kann. Sie ersetzen jedoch nicht die Fleißarbeit, welche es in Ansehung und Relation der Bedeutung der Sache im Vorfeld zu investieren gilt. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, warum Thompson (so genannte „80-20-Regel“ Thompson 2014, S. 12 ff.) dafür plädiert sich viermal intensiver vorzubereiten wie man später selbst verhandelt. Wie bereits angesprochen (vgl. Abschn. 9.1 „Informationsgewinnung“) erfordert das mündliche Verhandeln Wissen, das spontan abgerufen werden kann. Die vorstehenden Beispiele, welche die Elemente einer Verhandlung im engeren Sinne veranschaulichen, lassen erahnen, dass Souveränität in Verhandlungen kaum allein über den Wissensstand bewerkstelligt werden kann. Vielmehr erfordert es insbesondere Übung, ehe man von Routine sprechen kann. Gleichwohl sollten Verhandlungen nicht aus Angst gemieden werden, ehe so etwas wie eine gefühlte Routine aufgebaut ist. Eine gehörige Vorbereitung wird sich unabhängig vom Verlauf der Verhandlung stets auszahlen und dabei helfen auch Ungeübtheit und Unerfahrenheit zu einer gehörigen Portion wett zu machen. Viele orientieren sich im Rahmen von Vertragsverhandlungen gerne am sogenannten Harvard Verhandlungskonzept. Das wohl bekannteste und ganzheitlichste Ansatz, welcher zum Verhandlungserfolg anleiten kann. Hierauf soll noch eingegangen werden. Um den Leser jedoch nicht völlig aus dem Rhythmus zu bringen, soll das Konzept in einem gesonderten Abschnitt beschrieben werden (vgl. Abschn. 11.2 „Verhandeln nach dem Harvard Prinzip“).
11.1.2.6 Verständigung Je nach Umfang des verhandelten Vertrags sollte die Verständigung auf einzelne Punkte etappenweise gegebenenfalls festgehalten werden. Gegebenenfalls wird übersehen, was die Parteien bereits erreichen konnte. Es kann Sinn machen dies zur Förderung der Atmosphäre zu betonen. Handelt es sich sogar um eine Verhandlung, die sich über mehrere Tage zieht, könnte man unter einzelne verhandelte Abschnitte und dem H inweis
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11 Mündliche Vertragsverhandlung
des Verbindlichkeits-Vorbehalts eines vollständigen Vertragsabschusses auch schon unterzeichnen.
11.1.2.7 Ausstieg Der vorstehend erwähnte „Freeze of negotiated Topics“ beziehungsweise die so genannte etappenweise Protokollunterzeichnung (vgl. dazu auch Czernich et al. 2019, S. 30), kann auch am Ende eines Verhandlungstags oder der gesamten Verhandlung erfolgen. In keinem Fall jedoch sollten die Parteien sich trennen, ohne herauszustellen, was erreicht wurde und wie die weitere Vorgehensweise aussieht. Es gibt die rechtlichen Mittel der Bedingungen, um einem zeitlich engen Korsett Nachdruck zu verleihen. Fristen können also in einen Fahrplan aufgenommen und die Folgen der Nichteinhaltung skizziert werden. 11.1.2.8 Verabschiedung Nicht weniger Bedeutsam als die Begrüßung und der Verhandlungseinstieg ist die Verabschiedung des Verhandlungspartners. Auch hier bedarf es keines Knigge-Kurses, um zu wissen, dass das „Zum Ausgang Bringen“ gewiss ein anderes Gefühl für den Heimweg und die sich anbahnende Geschäftsbeziehung vermittelt als ein knappes „finden Sie den Ausgang?“. 11.1.2.9 Nachverhandlung als so genannte „unechte Phase“ Nur selten werden in mündlichen Verhandlungen alle offenen Punkte restlos beseitigt. Wenngleich das Bestreben darin liegen sollte, kommt es in der Praxis regelmäßig zu Nachverhandlungen. Diese können mündlich und/oder schriftlich sein. Je nach Umfang der noch offenen Punkte, hat eine schriftliche Nachverhandlung das Zeug alle Phasen einer Verhandlung nochmal auf den Tisch zu bringen. In einem solchen Fall würde sich diese Phase aus dem Schema der mündlichen Verhandlung lösen und zu einer eigenen Verhandlung unterschiedlicher Phasen werden, die dann allesamt wieder zu durchlaufen sein könnten.
11.2 Verhandeln nach dem Harvard-Prinzip Die hier auszugsweise skizzierte Methode geht auf ein Forschungsprojekt der Harvard Law School zurück – das Harvard Negotiation Project. Im Rahmen dieses Projektes wurden unterschiedliche Verhandlungsmethoden betrachtet. Man beschäftigte sich mit der kontroversen Gegenüberstellung von kooperativen und kompetitiven Verhandlungsansätzen (hard bargaining vs. soft bargaining). Beide Ansätze sind auch nach dem Projekt der Harvard-Universität nicht unbrauchbar, als sich der integrative Verhandlungsansatz des Harvard-Prinzips ebenfalls gewisser Kritik ausgesetzt sieht (exemplarisch Junker und Kamanabrou 2007, S. 31). Und trotz vereinzelter Kritik ist dem Konzept Anerkennung zu zollen. Es wurde in über 30 Sprachen veröffentlicht und revolutionierte
11.2 Verhandeln nach dem Harvard-Prinzip
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die Art Verhandlungen anzugehen für manche grundlegend (ähnlich: Menkel-Meadow 2006, S. 485 f.). Zur Schaffung des Harvard Verhandlungskonzepts wurde mit Erfolg ergründet, welche Kernaspekte eine erfolgreiche Verhandlungsführung ausmachen und wodurch sich misslungene Verhandlungen auszeichnen. Am deutlichsten lässt sich das Harvard Verhandlungskonzept durch den Ansatz der Sachbezogenheit charakterisieren (im Englischen: principled negotiation). Damit korreliert das zweite der vier Prinzipien des Verhandlungskonzeptes am stärksten, nämlich dem Hinterfragen von Interessen statt dem Beharren auf Positionen. In der Literatur wird unterschiedlich, mal von vier, mal von fünf Prinzipien ausgegangen, auf denen das Konzept beruhen soll. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass es sich um vier Prinzipien handelt. Dem Harvard-Verhandlungskonzept liegen folgende Leitgedanken (Prinzipien) zugrunde (ausdrücklich von vier Prinzipien sprechend: Fisher et al. 2004, S. 21): 1. Trennung von persönlichen Beziehungen und Sachfragen („seperate“) 2. Konzentration auf Interessen, nicht auf Positionen („focus“) 3. Entwicklung von Entscheidungsmöglichkeiten, von denen beide Seiten profitieren („option“) 4. Anwendung neutraler Beurteilungskriterien („objectifiy“) Der stellenweise als Prinzip bezeichnete fünfte Punkt wird in der vorliegenden Darstellung gleichwohl nicht ausgespart (vgl. Abschn. 11.2.5 „Beste Alternative zur Verhandlungsübereinkunft“).
11.2.1 Prinzip 1: Trennung von persönlichen Beziehungen und Sachfragen In der sprachlichen Originalfassung heißt es: Separate the people from the problem (Fisher et al. 1991, S. 13). Man sollte unterscheiden zwischen dem Verhandlungsgegenstand einerseits und der Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern andererseits.
11.2.1.1 Vorstellungen Nach dem Harvard Konzept wird es als grundlegend angesehen sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen (Fisher et al. 2004, S. 49 ff.). Es wird als hilfreich angesehen, die Vorstellungen des Verhandlungspartners nachvollziehen zu können (ähnlich: Ponschab und Schweizer 1997, S. 136 f.). Etwas nachvollziehen zu können ist dabei möglich, ohne die gleiche Überzeugung zu teilen. Der Standpunkt des Gegenübers muss insoweit nicht eingenommen werden (Junker und Kamanabrou 2007, S. 32). Vielmehr können auf diesem Wege Konfliktmomente frühzeitig ausgemacht und sogar vermieden werden. Verständnis beim Verhandlungspartner einzuwerben, kann dadurch geschehen, dass man ihm ein gewisses Ungleichgewicht vor Augen führt. Dies erfordert
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11 Mündliche Vertragsverhandlung
aber gerade Wissen um dessen Vorstellungen, während die eigenen bekannt sein dürften. Nunmehr kann über die Vorstellungen beider Seiten gesprochen werden. Kenntnis von den Vorstellungen des Gegenübers kann einem einen (auch zeitlichen) Vorsprung beim Formulieren der eigenen Argumente verschaffen. Nachvollziehbar wird empfohlen, die Gegenseite am Ergebnis zu beteiligen. Ein Verhandlungsprozess sollte nicht einseitig ausgestaltet werden. Es ist ratsam den Gegenüber gestalterisch mitwirken zu lassen. Ferner wird betont dem Verhandlungspartner zu ermöglichen sein Gesicht zu wahren. Das Verhandlungsergebnis sollte für den Gegenüber eines sein, mit dem er sich identifizieren kann. Es ist wichtig die eigenen Vorschläge auf das Wertsystem des Verhandlungspartners abzustimmen (Fisher et al. 2004, S. 57 f.).
11.2.1.2 Emotionen Je bedeutsamer eine Verhandlung ist, desto emotionsgeladener kann sie sein. Wenn es um einen gewichtigen Verhandlungsgegenstand geht, dann wird keine der beiden Seiten regungslos an der Verhandlung teilnehmen. Emotionen affektieren unsere Entscheidungen stärker als man gemeinhin annehmen möchte (Fisher und Shapiro 2007, Kap. 1). Die Herausforderung kann darin bestehen, Emotionen überhaupt zu erkennen. Und wenn man sie erkannt hat, gilt es sie zu verstehen. Dies gilt für die Emotionen auf beiden Seiten (Fisher et al. 2004, S. 58). Ein Fehler wäre es die Emotionen zu unterdrücken und nicht darüber zu sprechen. Gleichzeitig sollte der anderen Partei Raum gegeben werden, Emotionen zu artikulieren. Man sollte jedoch darauf gefasst sein, dass das nicht ohne auffällige Regung vonstattengeht. Auf emotionale Ausbrüche sollte gleichwohl nicht reagiert werden. 11.2.1.3 Kommunikation In der vorliegenden Darstellung ist bereits angeklungen, dass auf den Verhandlungspartner ein besonderes Augenmerk zu legen ist (beispielsweise unter Abschn. 9.2.3 „Kulturelle Besonderheiten“). In der Situation des Verhandelns geht es selbstverständlich im Kern um das, was verhandelt werden soll. Der Weg zum Gewollten führt jedoch zwangsläufig auch über die Kommunikation mit dem Gegenüber (vgl. Eyer 2001, S. 31). Dem Verhandlungspartner sollte nicht nur Gehör geschenkt werden. Eine Rückkopplung zum Gesagten wird erfahrungsgemäß goutiert (Rosner 1999, S. 97 ff.). Das kann durch Wiederholung des Gesagten bewerkstelligt werden, ehe man die eigenen Anliegen vorbringt (Saner 1997, S. 175). Aus dem Gesagten sollte immer auch deutlich zutage treten, was gewollt ist. Schwer verständliche oder unklare Ausdrucksweisen behindern den Fortgang der Verhandlung nur. Zusammenfassung „Prinzip 1“
1. Beziehungsprobleme identifizierten und von sachlichen Problemen separiert angehen 2. In die Lage des Gegenübers versetzen und Verständnis aufbauen 3. Emotionen akzeptieren, kontrollieren und besonnen darüber kommunizieren 4. Zuhören, verständlich sprechen und Absichten klar herausstellen ◄
11.2 Verhandeln nach dem Harvard-Prinzip
157
11.2.2 Prinzip 2: Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen In der sprachlichen Originalfassung heißt es: Focus on interests, not positions (Fisher et al. 1991, S. 23). Man sollte sich nicht auf Positionen konzentrieren, sondern auf die dahinterliegenden Interessen.
11.2.2.1 Konzentration auf Interessen Solange sich widersprechende Positionen gegenüberstehen, wird die harmonische Verbindung kaum möglich sein. Vielmehr muss das Ziel darin bestehen, die Interessen der Verhandlungspartner zu vereinen, nicht die Positionen auf einen Nenner zu bringen. Verlangt der Verhandlungspartner einen bestimmten Preis oder setzt er eine Grenze, die er nicht überschreiten kann, dann ist nicht der Preis selbst das Problem. Sondern sein dahinterliegendes Interesse eines wirtschaftlich noch profitablen Business-Case. Probleme werden mithin durch Interessen bestimmt (Fisher et al. 2004, S. 72). Eine zentrale Erkenntnis wird sein, dass hinter den gegensätzlichen Positionen sehr unterschiedliche Interessen liegen. Es werden sich stets gemeinsame als auch sich widersprechende als auch für die Parteien neutrale Interessen ausmachen lassen (ähnlich: Junker und Kamanabrou 2007, S. 34). 11.2.2.2 Erforschung und Austausch Schwieriger als die in der Regel klar artikulierte Position ist es, das dahinterliegende Interesse herauszufinden. Die Art und Weise bereitet den Verhandlungspartnern erfahrungsgemäß Probleme. Schon die simple „Warum?“-Frage kann dabei besonders behilflich sein. Denn sie verlangt nach einer Begründung als Antwort. Die Begründung für eine eingenommene Position ist regelmäßig das Interesse. Möglich ist es anders herum auch zu fragen, warum etwas nicht akzeptiert wird. Der Grund für eine ablehnende Haltung offenbart ein Interesse ebenso. Mit den erkannten oder im Optimalfall sogar mitgeteilten Interessen ist behutsam umzugehen. Ihnen sollte Achtung und nötige Anerkennung geschenkt werden. Denn die Interessen des Gegenübers sind Teil des Problems, das es nunmehr zu artikulieren gilt, ehe man die eigene Position darstellt. Zusammenfassung „Prinzip 2“
1. Konzentration auf den Einklang von Interessen, nicht von Positionen 2. Erforschung von Interessen unter Berücksichtigung beider Seiten 3. Interessen beider Verhandlungspartner formulieren ◄
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11 Mündliche Vertragsverhandlung
11.2.3 Prinzip 3: Entwicklung von Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil In der sprachlichen Originalfassung heißt es: Invent options for mutual gain (Fisher et al. 1991, S. 31). Die Parteien sind in der Verhandlungssituation oftmals getrieben und nehmen sich nicht die Zeit um herauszufinden, ob es wohl eine richtige Lösung für beide Seiten geben könnte. Vorschnell wird geschlussfolgert, dass es lediglich den Kuchen gebe, der begrenzt sei. Wahlmöglichkeiten werden gar nicht erst ausgelotet, was am Ende für beide Seiten von Nachteil sein kann.
11.2.3.1 Herangehensweise Wer Optionen entwickeln möchte, der hat sich dabei zunächst selbst zu disziplinieren. Optionen sind nicht deshalb zu verwerfen, weil man sie von vornherein bewertet und als ungeeignet erachtet. Diese Denkvorgänge sind als Prozesse voneinander zu trennen. Das Eruieren von Wahlmöglichkeiten erfordert zunächst die Ideensammlung und erst in einem späteren Zeitpunkt die Bewertung. Es ist in Erwägung zu ziehen, die Gegenseite in ein Brainstorming mit einzubeziehen (Fisher et al. 1991, S. 96). 11.2.3.2 Mehrung von vorteilhaften Wahlmöglichkeiten für beide Seiten Verhandlungsdelegationen sind oftmals darauf beschränkt die eine Lösung zu finden. Es wird stattdessen empfohlen die Zahl der Möglichkeiten zu vergrößern. Es sollten am Ende mehrere Lösungsansätze auf dem Tisch liegen. Und zwar auch solche, die für die andere Seite günstiger erscheinen. Ebenso wie beim Auffinden einer einschlägigen Strategie, ist es ratsam einmal einen Schritt zurückzutreten und übergeordnete Aspekte einzupreisen (die Rede vom Pendeln zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Teil: bei Fisher et al. 1991, S. 104). Nicht jede der erwogenen Lösungen muss sich in gleicher Weise auswirken beziehungsweise gleich gut sein. Sie können sich in ihrer Wirkung durchaus unterscheiden. Ferner ist daran zu denken den Scope der ursprünglich ins Auge gefassten Vereinbarung zu erweitern. War lediglich das Geschäft X geplant, könnte das Geschäft XY eine sinnvolle Erweiterung und damit eine Lösungsoption darstellen. Der Kuchen kann auf diesem Wege wachsen. Es sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass die Lösungen für beide Seiten Vorteile bieten sollten. Werden nur Lösungen präsentiert, die für eine Seite nachteilig sind, könnte sogar ein Verhandlungsabbruch drohen (so auch: Junker und Kamanabrou 2007, S. 35). Wer es schafft die andere Partei derart im Ideenfindungsprozess zu berücksichtigen, dass die Entscheidung für eine Lösung sogar erleichtert würde, der gelangt unter Umständen sogar schneller an sein Ziel.
11.2 Verhandeln nach dem Harvard-Prinzip
159
Zusammenfassung „Prinzip 3“
1. Lösen von der Vorstellung, dass es lediglich einen engen Lösungskorridor gibt 2. Methodisch an das Aufbereiten von Lösungen herangehen 3. Wahlmöglichkeiten mehren 4. Vorteiloptionen für beide Seiten schaffen 5. Der anderen Seite die Entscheidung erleichtern ◄
11.2.4 Prinzip 4: Bestehen auf neutrale Beurteilungskriterien In der sprachlichen Originalfassung heißt es: Insist on using objective criteria (Fisher et al. 1991, S. 42). Es geht um das Heranziehen allgemein gültiger Normen oder Grundsätze als objektive Entscheidungskriterien. Das kann dann von besonderer Relevanz sein, wenn sich trotz aller ausgeloteten Lösungsmöglichkeiten kein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis einstellen will.
11.2.4.1 Das Argument für die Anwendung objektiver Kriterien Es wird stets einfacher sein den Gegenüber von seiner eigenen Position zu überzeugen, wenn ein nachvollziehbares Interesse dahintersteht, das man kommunizieren kann. Handelt es sich lediglich um Emotionen, die als Treiber für gewisse Entscheidungen fungieren, begibt man sich in eine wahrscheinlich nicht nachvollziehbare Situation. Kriterien wie Effektivität und wissenschaftliche Sachbezogenheit können begleitend zur Schilderung eines Problems helfen, ein ausgewogenes Ergebnis zu erzielen. Je allgemeingültiger und parteiunabhängiger die bemühten Kriterien sind, desto weniger werden sie durch die andere Partei in Zweifel gezogen werden. 11.2.4.2 Objektive Kriterien Es gibt verallgemeinerungsfähige Beurteilungsmaßstäbe, die herangezogen werden können, um als faire Kriterien zu dienen. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden. In vielen Branchen wird sich etwa zur Bestimmung der Angemessenheit eines Preises, einer bestimmten Ware oder Dienstleistung eine Art F air-Market-Value-Berechnungsmethode finden lassen. Neben einem solchen Wert werden nach dem Harvard-Prinzip beispielsweise vorgeschlagen (Fisher et al. 2004, S. 127): • frühere Vergleichsfälle • wissenschaftliches Gutachten • Auswirkungen • Kosten • Rechtsprechung
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11 Mündliche Vertragsverhandlung
Über die Verwendung objektiver Entscheidungskriterien kann das Scheitern einer Verhandlung vermieden werden (Ponschab und Schweizer 1997, S. 215).
11.2.4.3 Verhandeln mithilfe objektiver Kriterien Es wird empfohlen einen offensichtlichen Konfliktfall in eine gemeinsame Herausforderung zu verkehren. Dabei kann aufgezeigt werden, dass man bisweilen keine Übereinkunft hat und woran es derzeit noch fehlt. Sodann kann die Frage in den Raum gestellt werden, mit welchen objektiven Kriterien man gemeinsam zu einer Lösung finden könnte. Wichtig ist es, dass im Vorfeld eine Verständigung auf die Prinzipien zur Findung von Kriterien erfolgt. Da man selbst den Anspruch erhebt vernünftige Argumente ins Feld führen zu dürfen, sollte man sich einer ebenso vernünftigen Argumentation, die von der anderen Seite eingebracht, nicht verschließen, sondern offen gegenüberstehen. Zusammenfassung „Prinzip 4“
1. Ausloten objektiver Kriterien, um ein für beide Seiten faires wie nachvollziehbares Ergebnis zu finden 2. Das finden objektiver Kriterien gemeinsam angehen 3. Offenheit gegenüber vernünftigen Argumenten auf Basis solcher Kriterien zeigen ◄
11.2.5 Beste Alternative zur Verhandlungsübereinkunft In der sprachlichen Originalfassung heißt es: Develop your BATNA. (BATNA = Best Alternative to negotiated Agreement) (Fisher et al. 1991, S. 50). Unter dem Vergleich mit der besten Alternative für einen selbst, soll man eine Entscheidung für oder gegen eine Verhandlungsübereinkunft treffen. Das Ziel des Auffindens von Alternativen ist es, die eigene endgültige Verhandlungsposition zu verbessern. Darüber lässt sich insbesondere eine Unabhängigkeit gegenüber (beispielsweise wirtschaftlich) überlegeneren Verhandlungspartnern herstellen. Beim Ausloten der besten Alternativen sollte auch in Betracht gezogen werden überhaupt keine Übereinkunft zu treffen. Denn die Analyse der Risiken auf der einen Seite und der Chancen auf der anderen Seite (vgl. auch Duve et al. 2003, S. 225 ff.) kann auch ergeben, dass das Ergebnis nicht der besten aller Alternativen entspricht. Manchmal kann der Abbruch einer Verhandlung unter genannten Gesichtspunkten sogar sinnvoller sein als das Eingehen der vertraglichen Beziehung (Ponschab und Schweizer 1997, S. 154). Der Vergleich zwischen den Alternativen zur Übereinkunft und dem Verhandlungsergebnis kann durch das Auferlegen von Grenzen im Sinne eines Moratoriums erleichtert werden (Fisher et al. 2004, S. 149 ff.).
Literatur
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Literatur Czernich, Dietmar/Grabenweger, Andreas/Guggenberger, Bernd/Haidlen, Christoph/Wachter, Marlene. 2019. Vertragsrecht für Unternehmen – Leitfaden zur sicheren Vertragsgestaltung, 2. Auflage. Wien: Linde Verlag. Duve, Christian/Eidenmüller, Horst/Hacke, Andreas. 2003. Mediation in der Wirtschaft – Wege zum professionellen Konfliktmanagement. Frankfurt a. M.: OttoSchmidt. Eyer, Eckhard. 2001. Report Wirtschaftsmediation – Krisen meistern durch professionelles Konflikt-Management. Düsseldorf: Symposion Publishing. München: C.H.Beck. Fisher, Roger/Shapiro, Daniel. 2007. Erfolgreicher verhandeln mit Gefühl und Verstand. Frankfurt a. M.: Campus Verlag. Fisher, Roger/Ury, Wiliam/Patton, Bruce. 1991. Getting to YES – Negotiating agreement without giving in, second edition. New York: Penguin. Fisher, Roger/Ury, William/Patton, Bruce. 2004. Das Harvard Konzept – Der Klassiker der Verhandlungstechnik, 22. Auflage. Frankfurt a. M.: Campus Verlag. Jung, Stefanie/Krebs, Peter. 2016. Die Vertragsverhandlung – Taktische, strategische und rechtliche Elemente. Wiesbaden: Springer Gabler. Junker, Abbo/Kamanabrou, Sudabeh. 2007. Vertragsgestaltung – ein Studienbuch, 2. Auflage. München: C.H.Beck. Mayer, Hans-Jochem/Kroiß, Ludwig (Hrsg.). 2018. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 7. Auflage. Baden-Baden: Nomos. Menkel-Meadow, Carrie. 2006. Why Hasn’t the World Gotten to Yes? An Appreciation and Some Reflections, Negotiation Journal, Volume 22, Issue 4, S. 485–534. Ponschab, Reiner/Schweizer, Adrian. 1997. Kooperation statt Konfrontation: Neue Wege anwaltlichen Verhandelns. Köln: Otto Schmidt. Richter, Thomas. 2013. Vertragsrecht – Grundlagen des Wirtschaftsrechts, 2. Auflage. München: Vahlen. Rosner, Siegfried. 1999. Gelingende Kommunikation. München und Mehring: Hampp Verlag. Saner, Raymond. 1997. Verhandlungstechnik: Strategie/Taktik/Motivation/Verhalten/Delegationsführung. Bern: Paul Haupt. Thompson, Leigh L. 2014. The Mind and heart of the Negotiator, 6. Auflage. Harlow: Pearson.
Teil IV Umgang mit Verträgen trainieren
Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
12
Bereits in den einleitenden Teilen dieser Darstellung (vgl. Kap. 1 „Einführung“ und Kap. 2 „Zum Umgang mit diesem Buch“) wurde herausgestellt, dass die Inhalte dieses Werkes sich einerseits an Mitarbeiter in Unternehmen richten, die von Hause aus juristisch nicht ausgebildet sind. Andererseits richtet sich das Werk auch an Inhouse-Juristen, die in der Regel eben diese Mitarbeiter in juristischen Fragestellungen schulen.
12.1 Erläuternde Hinweise zum Umgang mit dem Schulungsmaterial Das Slide-Deck folgt den Inhalten der vorangegangenen Darstellung. Es wurde jedoch bewusst Abstand davon genommen lange Texte in die Folien zu kopieren. Für einen besseren Internalisierungseffekt wurde verstärkt auf einen visuellen Ansatz Wert gelegt. Gleichwohl finden sich auch textliche Darstellungen im Foliensatz wieder. An diversen Stellen im Werk wird zur Vertiefung auf Fälle verweisen, die sich im nachfolgenden Slide-Deck wiederfinden. Neben Fällen finden befinden sich darin etliche Checklisten. Um dem „Kind einen Namen zu geben“ wurde ein Arbeitstitel gewählt: „i-lex“. Erfahrungsgemäß werden zahlreiche Schulungen in Unternehmen abgehalten. Die wenigsten haben jedoch einprägsame Titel. Inhouse-Juristen kann es mit einem einprägsamen Arbeitstitel leichter fallen die Schulung in der eigenen Organisation zu bewerben.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8_12
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166
12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Für die Zukunft kann auf die hier gewählte Systematik immer wieder aufgesetzt werden. Mitarbeiter profitieren auf diesem Wege von einem Wiedererkennungswert, während der Jurist in einem für ihn bekannten Schema bleiben kann. Erfahrungswerte aus vielen Schulungen zeigen, dass das Inhalte des nachstehenden Slide-Decks im Rahmen einer ganztägigen Schulung (ca. 6,5 h) vermittelt werden können. Wenn es für die Zukunft darum geht spezifische Vertragsarten zu schulen, kann nach der Idee der nachstehenden Schulungskonzeption (nachdem diese Schulung abgehalten worden ist) auf die Klärung von Grundfragen verzichtet werden. Stattdessen kann auf diese Schulungs-Slide-Deck (ggfls. in Verbindung mit einer begleitenden Literatur) verweisen werden. Inhalte zu spezifischen Verträgen sind dann in 1,5–2,5 h und über deutlich weniger Folien vermittelbar. Auffrischende Schulungen können dann durch E-Learning umgesetzt werden, wohingegen die „Erstschulung“ im „face-to-face“-Format empfohlen wird.
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck
Jean L. Saliba März 2020
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 167
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 2
Hinweise für mündliche und schriftliche Vertragsverhandlungen
Vermittlung wichtiger Aspekte an grundlegenden Vertragsarten
Kennenlernen vertraglicher Gestaltungsoptionen
Schaffung eines tieferen Verständnisses für die „DNA“ von Verträgen & Vertragsverhältnissen
Ziele der heutigen Veranstaltung
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
168 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 3
C. Spezifisches Vertragsrecht
B. Allgemeines Vertragsrecht
A. Einführung in das Vertragsrecht
Übersicht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 169
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 4
12.2.1 Einführung
III. Grundwertungen
II. Begriff des Vertragsrechts
I. Schuldverhältnisse
A. Einführung in das Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
170 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 5
Verträge regeln i.d.R. das Wesentliche und werden im Zweifel durch das Gesetz ergänzt
Beziehungen zwischen Menschen und/oder Rechtssubjekten können Ihre Grundlage in gesetzlichen und/oder vertraglichen Schuldverhältnissen haben
Key to know
Grundwertungen
Begriff d. Vertragsrechts
Vertragliche Schuldverhältnisse
Recht der Schuldverhältnisse
Verträge und damit auch das Vertragsrecht gliedern sich in das Recht der so genannten Schuldverhältnisse ein.
12.2.1.1 Schuldverhältnisse
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 171
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 6
Die Anwendung des Gesetzes kann u.U. ausgeschlossen werden
Vertragliche Vereinbarungen gehen gesetzlichen Regelungen vor
Ist ein Vertrag vorhanden, bildet dieser in der Regel auch die primäre Anspruchsgrundlage in einem Schuldverhältnis
Key to know
Grundwertungen
Begriff d. Vertragsrechts
Vertragliche Schuldverhältnisse
Recht der Schuldverhältnisse
Verträge und damit auch das Vertragsrecht gliedern sich in das Recht der so genannten Schuldverhältnisse ein.
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
172 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 7
Insbesondere erfasst sind die allgemeinen Regeln des BGB, HGB + das Recht der AGB, ungeschriebene Wertungen und Fragen betreffend das Vertragsmanagement
Der Begriff des Vertragsrechts ist umfassender zu verstehen als der der vertraglichen Schuldverhältnisse
Key to know
Grundwertungen
Begriff d. Vertragsrechts
Vertragliche Schuldverhältnisse
Recht der Schuldverhältnisse
Der Begriff des Vertragsrechts erschöpft sich nicht im vereinbarten Inhalt eines Vertrags
12.2.1.2 Begriff des Vertragsrechts
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 173
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 8
Grundwertungen
Begriff d. Vertragsrechts
Vertragliche Schuldverhältnisse
Recht der Schuldverhältnisse
Das allgemeine Vertragsrecht wird zu einem nicht unerheblichen Teil durch s.g. Grundwertungen geprägt.
12.2.1.3 Grundwertungen
174 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 9
PRIVATAUTONOMIE
1
Gestaltungsfreiheit
VERTRAGSFREIHEIT
Abschlussfreiheit
VERTRAGSBINDUN G
2
3
T R E U U N D G LAU B E N
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 175
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 10
PR I VATAUT O N O M I E
1
Gestaltungsfreiheit
VERTRAGSFREIHEIT
Abschlussfreiheit
VERTRAGSBINDUN G
2
3
T R E U U N D G LAU B E N
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
176 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
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Darf M bei einem vom Inhalt abweichenden Titel auf dem Dokument davon ausgehen, dass das Dokument gleichwohl vollständig ist?
M ist Mitarbeiterin in einem Pharmazeutischen Unternehmen. Das Unternehmen stellt u.a. selbst pharmazeutische Produkte her. M ist dort in der Abteilung „Quality“ beschäftigt. Die Abteilung trägt u.a. Sorge dafür, dass im Bereich der Lohnherstellung Beziehungen zu Dritten (bspw. dem Auftraggeber) in Bezug auf die Qualität vertraglich ordnungsgemäß abgebildet werden. M bedient sich bei der Erstellung entsprechender Verträge der Hilfe des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Dieser bietet ein s.g. Vertragsmusterhandbuch an. In diesem werden auch für den Bereich der Lohnherstellung erforderliche Verträge angeboten. M findet in diesem Musterhandbuch eine mit „Lohnherstellungs- und Verantwortungsabgrenzungsvertrag“ überschriebene Vorlage. Geklärt werden Fragen rund um die Verantwortungsabgrenzung. Die Vorlage schweigt sich zu kaufmännischen Fragestellungen aus. M fragt sich, ob sie mit dieser Vorlage gut aufgestellt ist.
Fall: „Was drauf steht, ist auch drin“
Case Study 1: Gestaltungsfreiheit
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 177
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 12
Für die rechtliche Einordnung eines Vertrags ist sein Inhalt maßgeblich.
Learning vier
Der Art eines Vertrags wird typischerweise über den Titel wiedergegeben. Der Titel eines Vertrags hat jedoch keine finale präjudizielle Wirkung und kann u.U. stark abweichen von seinem Inhalt bzw. falsch sein.
Learning drei
Von der Gestaltungsfreiheit sind nicht nur die konkreten Inhalte eines Vertrags erfasst, sondern auch gestalterische Elemente. Zu diesen zählt etwa auch der Titel eines Vertrags. Dieser kann grds. frei gewählt werden.
Learning zwei
Die Vertragsfreiheit umfasst die s.g. Gestaltungsfreiheit, also auch das Recht den Inhalt von Verträgen frei wählen zu können
Learning eins
•
Case Study 1: „Was drauf steht, ist auch drin“
„LHV/ VAV“
M findet vor
Die Bezeichnung erweckt den Eindruck, das Dokument enthalte alles, was von M benötigt wird
VAV
LHV
M benötigt
Situation
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
178 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
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PR I VATAUT O N O M I E
1
Gestaltungsfreiheit
VERTRAGSFREIHEIT
Abschlussfreiheit
VERTRAGSBINDUNG
2
3
T R E U U N D G LAU B E N
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 179
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 14
PR I VATAUT O N O M I E
1
Gestaltungsfreiheit
VERTRAGSFREIHEIT
Abschlussfreiheit
VERTRAGSBINDUN G
2
3
T R E U U N D G LAU B E N
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
180 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 15
Diese gelten unabhängig von spezifischen Regelungen für alle Arten von Verträgen – sie gelten gewissermaßen als „vor die Klammer gezogen“
Es gibt grundsätzliche Wertungen, die das Vertragsrecht umfassend prägen
Key to know
Grundwertungen
Begriff d. Vertragsrechts
Vertragliche Schuldverhältnisse
Recht der Schuldverhältnisse
Das allgemeine Vertragsrecht wird zu einem nicht unerheblichen Teil durch s.g. Grundwertungen geprägt.
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 181
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 16
Vertragsgestaltung = Grundwertungen
Grundwertungen
( +
Gesetzeslage
Aktuelle Rechtsprechung
AGB Prüfungsmaßstab
Vertragliche Vereinbarung
)
Die sachgerechte Gestaltung von Verträgen erfordert einen Blick auf die Faktoren, die die Wirksamkeit eines Vertrags maßgeblich bestimmen und das Verhältnis, in dem sie zueinander stehen.
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
182 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 17
12.2.2 Allgemeines Vertragsrecht
II. Allgemeine Geschäftsbedingungen
I. Der Vertragsabschluss
B. Allgemeines Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 183
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 18
Willenserklärung 1
Inhaltliche Kongruenz
Gegenseitige Bezugnahme
Abgabe, Zugang, Annahme
mit
Bezug
aufeinander
abgegebene
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Willenserklärung 2
„Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.“
12.2.2.1 Der Vertragsabschluss
184 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 19
„Die Äußerung eines auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichteten Willens.“
Willenserklärung?
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 185
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 20
Willenserklärung 1
Inhaltliche Kongruenz
Gegenseitige Bezugnahme
Abgabe, Zugang, Annahme
mit
Bezug
Willenserklärung 2
„Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.“
aufeinander
abgegebene
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
186 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 21
Hat M nunmehr drei Verträge geschlossen, die das Unternehmen bedienen muss?
Alle angeschriebenen Agenturen reagieren auf diese Anfrage, übermitteln eine entsprechende Kalkulation und bedanken sich für die Auftragserteilung.
Bitte teilen Sie uns bis zum [Datum] mit, ob das beschriebene Projekt kapazitiv durch Sie abgebildet werden kann und übermitteln Sie uns eine entsprechende Kalkulation. […]“
Wir haben mit Ihrem Haus in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht und wüssten Sie bei dieser interessanten und sehr umfangreichen Maßnahme gern wieder an Bord. Können wir mit Ihnen rechnen?
noch für dieses Jahr planen wir [Leistungsbeschreibung unter Angabe von Produktbeschreibung, Maßnahme, Zeitraum etc.].
„Sehr geehrte Frau/Herr […],
M ist Mitarbeiterin bei einem Automobilhersteller und wird mit einer umfangreichen Werbemaßnahme betraut. Um eine gehörige Kostenabschätzung vornehmen zu können, möchte M vor einer Beauftragung entsprechende Angebote bei Agenturen einholen. M verschickt eine Mail mit folgendem Inhalt an insgesamt drei Agenturen:
Fall: „Mal sehen, wer günstiger ist“
Case Study 2: Rechtsbindungswille
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 187
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 22
Von bindenden Angeboten sind bloße Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots abzugrenzen. Solche sind gegeben, wenn eine rechtsgeschäftliche Bindung erkennbar noch nicht gewollt ist – sich der Erklärende einen Vertragsschluss also noch vorbehält.
Learning vier
Ob sich der Erklärende rechtlich binden will, ist anhand äußerer Umstände zu bestimmen. Gab es „lediglich“ Korrespondenz zwischen den Parteien, ist diese maßgeblich heranzuziehen.
Learning drei
Ein wesentliches Element eines solchen zum Ausdruck gebrachten Willens ist der s.g. Rechtsbindungswille – das Bewusstsein sich rechtlich binden zu wollen.
Learning zwei
Um rechtswirksam Verträge zu schließen, bedarf es einer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung.
Learning eins
•
Case Study 2: „Mal sehen, wer günstiger ist“
i.O.
i.O.
i.O.
M erhält Vertragsbestätigungen
Die angeschriebenen potentiellen Vertragspartner gehen von einem (verbindlichen) Angebot aus, das sie mit einer entsprechenden Reaktion bestätigen (Vertrag)
Mehrere Angebote
M benötigt
Situation
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
188 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 23
Ist K an die telefonische Abrede gebunden, obwohl es nichts Schriftliches gibt?
Kauffrau K ist Mitarbeiterin in einem Logistikunternehmen. Sie ist im Einkauf tätig und dafür zuständig, dass ihr Arbeitgeber mit LKW ausgestattet wird. Sie wird mit der Aufgabe betraut 10 neue LKW zu beschaffen. K wendet sich an einen ihr bekannten Hersteller. Mit diesem hat sie schon häufiger Geschäfte getätigt. Am Telefon bespricht sie sich mit einem Mitarbeiter (M) des Herstellers, der dort im Verkauf arbeitet. Sowohl K als auch M haben jeweils einen Kollegen im Telefonat aufgeschaltet (Telefonkonferenz). Diese sollen u.U. ein Protokoll erstellen. M hat genau das im Angebot, was K benötigt. Im Verlauf der TelKo einigt man sich über wesentliche Konditionen. Der Preis i.H.v. 2,5 Millionen Euro ist für K perfekt und der Service passt auch. Beide Seiten bedanken sich für das Telefonat und legen fest, dass M grob geschätzt in 12 Wochen an K liefert. M muss K wenige Wochen später jedoch mitteilen, dass die Lieferung sich nun doch verzögert. Es werden wohl eher 16 Wochen. Dem Unternehmen der K droht ein heftiger Umsatzausfall.
Fall: „Ein Vertrag muss doch schriftlich sein“
Case Study 3: Formfreiheit
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 189
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 24
Mündlich geschlossene Verträge stehen schriftlichen geschlossenen Verträgen in ihrer Rechtswirksamkeit in nichts nach. Losgelöst von der Formwirksamkeit ist die Beweisbarkeit eines solchen Vertrags in den Blick zu nehmen.
Learning vier
Mangels eines allgemeinen Formerfordernisses können Willenserklärungen, die auf einen Vertragsschluss abzielen, auch mündlich abgegeben und entsprechend angenommen werden.
Learning drei
Der Grundsatz der Formfreiheit eröffnet vertragsschließenden Parteien den Weg, sich jedweden Kommunikationsmittels für einen Vertragsschluss zu bedienen, wenn das Gesetz hiervon keine Ausnahme macht.
Learning zwei
Gesetzlich ist keine Regelung vorhanden, die ein allgemeines Formerfordernis für Willenserklärungen beim Vertragsschluss vorsieht.
Learning eins
•
Einigung über alle wesentlichen Konditionen
M
Die vermeintlichen Vertragspartner haben nie etwas Schriftliches vereinbart; alles Vertragswesentliche wurde fernmündlich besprochen
K
Situation
Case Study 3: „Ein Vertrag muss doch schriftlich sein“
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
190 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2018 │ Slide 25
Willenserklärung 1
Inhaltliche Kongruenz
Gegenseitige Bezugnahme
Abgabe, Zugang, Annahme
mit
Bezug
Willenserklärung 2
„Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.“
aufeinander
abgegebene
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 191
Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 26
Willenserklärung 1
Inhaltliche Kongruenz
Gegenseitige Bezugnahme
Abgabe, Zugang, Annahme
mit
Bezug
Willenserklärung 2
„Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.“
aufeinander
abgegebene
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
192 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 27
Willenserklärung 1
Inhaltliche Kongruenz
Gegenseitige Bezugnahme
Abgabe, Zugang, Annahme
mit
Bezug
Willenserklärung 2
„Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.“
aufeinander
abgegebene
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 193
Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 28
Ist V durch die doch noch erfolgte Reaktion des K nun vertraglich auch an K gebunden?
Vertriebler V ist Mitarbeiter in einem Unternehmen für Lebensmittel. Das Unternehmen hat eine eigene Herstellung und fertigt Produkte auch für Dritte. Er ist für die Akquise und die Kundenbetreuung im Bereich der Lohnherstellung tätig. V ist seit einigen Wochen an einem großen Kunden (K) dran. Die Parteien sind sich mittlerweile einig, dass sie geschäftlich „zusammen kommen“ möchten. Man ist knapp an Zeit. Man ist sich einig: Wenn man ein gemeinsames Geschäft möchte, dann innerhalb der nächsten Wochen. Als man endlich den Hauptvertrag so verhandelt hat, wie man es sich wünscht, macht sich der glückliche V an die Arbeit, druckt das Dokument zweifach als Original aus, paraphiert es gemeinsam mit der Rechtsabteilung, unterschreibt es gemeinsam mit dem Vorgesetzten und versendet die beiden Originale an den K. V legt den Vorgang beiseite. K würde ja zeitnah ein unterschriebenes Exemplar an V zurücksenden. Es vergehen einige Monate. V ist der Warterei zwischenzeitlich überdrüssig geworden. Er hat längst einen neuen Partner gefunden. Nunmehr meldet sich der K doch noch: Es liegt ein beidseitig unterschriebenes Vertragsexemplar für V in der Hauspost.
Fall: „Wie lange denn noch“
Case Study 4: Zeitige Annahme
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
194 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 29
Innerhalb welcher Zeit die Annahme eines unter Abwesenden gemachten Angebots noch erwartet werden darf, ist eine Frage des Einzelfalls und hängt sowohl von der konkreten Vertragsart als auch sonstigen Umständen ab. Liegen keine besonderen Umstände vor, kann ein einige Monate zurückliegendes Angebot nicht mehr angenommen werden
Learning vier
Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.
Learning drei
Der von einer Partei unterschriebene Vertrag, welcher einem mit dem Ziel zugesandt wird, ihn ebenfalls zu unterschreiben und dann zurückzusenden, stellt in der Regel ein Angebot dar.
Learning zwei
Gesetzlich ist keine Frist vorgesehen, innerhalb derer man einen unterschriebenen Vertrag an einen anderen zurückzusenden hat.
Learning eins
Case Study 4: „Wie lange denn noch“
•
Versand des beidseitig unterschriebenen Vertrags, Monate später
K
Zwischen dem Versand des Vertrags durch V an K und dem Rückversand des beidseitig unterschriebenen Vertrags von K an V, liegen einige Monate
V
Versand des Vertrags
Situation
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 195
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 30
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
§ 377 HGB – Mängelrüge
Exkurs: Sonderform der Willenserklärung
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
196 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 31
„Gesetzlich nicht normierter Handelsbrauch, wonach der Inhalt eines zugesandten Geschäftsbriefs vom potentiellen Vertragspartner als akzeptiert gilt, wenn dieser nicht unverzüglich widerspricht.“
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 197
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 32
KBS Absender Kaufmann
II.
Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers
VI. Gutgläubigkeit des Absenders (bzgl. Vertragsinhalt)
V.
IV. Unverzügliche Bestätigung (also unmittelbar nach finalen Vertragsverhandlungen)
III. Aus Sicht des Absenders liegt bereits ein Vertragsschluss vor
Erklärungsempfänger Kaufmann
I.
Voraussetzungen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
198 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 33
Muss M für 405 Stunden aufkommen?
M ist zwar überrascht über das Fax, sieht jedoch keinen Anlass darauf zu antworten. S verlangt Zahlung für 405 Stunden. M ist erbost und meint, soviel hätte er nie bestellt.
M betreibt eine Textil-Einzelhandelskette. Für dieses Unternehmen wird derzeit eine Fülle an Software-Tools eingeführt. Allen Einführungen ist gemein, dass mit s.g. SoftwareProvidern zunächst Verhandlungen geführt wurden und sodann Verträge geschlossen werden sollten. In einem Projekt möchte M es ohne Vertrag versuchen. M bespricht mit dem Software-Provider (S) zunächst telefonisch, dass die von S zu erbringenden Dienstleistungen begrenzt sein würden: auf 400 Beratungsstunden. M und S verabreden zudem, dass S dem M darüber bitte noch kurz ein Fax schickt. S schickt dem M noch am selben Abend ein Fax, in dem Dienstleistungen für das Softwareprojekt mit 405 statt 400 Stunden bestätigt werden. S glaubt, das könnte doch eher hinkommen.
Fall: „Ich habe doch gar nicht zugestimmt“
Case Study 5: Schweigen als Willenserklärung
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 199
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 34
Abweichungen zwischen Besprochenem und Bestätigtem sind im Rahmen eines KBS zulässig, solange der Absender des Schreibens redlicherweise erwarten kann, dass der Empfänger mit den Abweichungen einverstanden ist.
Learning vier
Werden mit dem KBS zuvor getroffene Abreden festgehalten und widerspricht der Empfänger eines KBS dem Inhalt nicht unverzüglich, kommt grundsätzlich ein Vertrag entsprechenden Inhalts zustande.
Learning drei
Ist im Rahmen der Anbahnung eines Rechtsgeschäfts mit einer rechtserheblichen Erklärung zu rechen, so kann die Nichtreaktion auf die Bestätigung von Besprochenem als Zustimmung gelten.
Learning zwei
Schweigen stellt auch im unternehmerischen Rechtsverkehr grundsätzlich kein rechtserhebliches Handeln dar.
Learning eins
S
Eine der Parteien bestätigt Besprochenes per Fax Die empfangende Partei stellt Abweichungen zum Besprochenen fest, reagiert aber nicht
•
Die vermeintlichen Vertragspartner haben nie etwas Schriftliches vereinbart; alles Vertragswesentliche wurde fernmündlich besprochen, ohne, dass dies schon einen Vertrag darstellt
Bestätigung des Besprochenen per Fax, mit gewissen Abweichungen
Besprechung von Konditionen
•
•
M
Situation
Case Study 5: „Ich habe doch gar nicht zugestimmt“
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
200 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 35
12.2.2.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen
II. Allgemeine Geschäftsbedingungen
I. Der Vertragsabschluss
B. Allgemeines Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 201
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 36
„Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.“
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
202 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 37
AGB Für eine Vielzahl von Verträgen
II.
„Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.“
„Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.“
IV. Bei Abschluss des Vertrags
III. Die der Verwender stellt
Vorformulierte Bedingungen
I.
Voraussetzungen für das Vorliegen, § 305 Abs. 1 BGB
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 203
Ausdrücklicher Hinweis o. deutlich sichtbarer Aushang, § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB Zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Einverständnis der Vertragspartei, § 305 Abs. 2 BGB
Einbeziehung durch Rahmenvereinbarung, § 305 Abs. 3 BGB
1. 2. 3.
Einbeziehung im Einzelfall
IV. Auslegung geht zu Lasten des Verwenders, § 305 c Abs. 2 BGB
III. Keine Überraschende Klausel, § 305 c Abs. 1
II.
I.
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 38
VORSICHT: Gem. § 310 Abs. 1 S. 1 BGB finden gewisse Vorschriften zwischen Unternehmern keine Anwendung (§§ 305 Abs. 2,3, 308Nr. 1, 2-8, § 309). Unter anderem auch § 305 Abs. 2 BGB nicht. Zwischen Unternehmern ist das Aushändigen von AGB nicht erforderlich. Der wahrnehmbare Hinweis auf die Einbeziehung genügt!!!
AGB
Voraussetzungen für die Einbeziehung
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
204 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 39
AGB Kurzfristige Preiserhöhungen Aufrechnungsverbot Mahnung, Fristsetzung Vertragsstrafe Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit Beschränkung auf Nacherfüllung Beweislast
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Annahme-/Leistungsfrist Zahlungsfrist Überprüfungs-/Annahmefrist Nachfrist Rücktrittsvorbehalt Änderungsvorbehalt Abwicklung von Verträgen
Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB
IV. Generalklausel, § 307 Abs. 1 BGB
III. Generalklausel, § 307 Abs. 2 BGB
II.
I.
Inhaltskontrolle
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 205
Die Parteien beschränken die Haftung im Falle einer einfachen Fahrlässigkeit auf den halben Auftragswert.“
(2)
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 40
Muss B in irgendeiner Form für den Schaden des U aufkommen?
B rät dem U aufgrund diverser wissenschaftlicher Gutachten dazu, Ambroxolhydrochlorid in hohen Dosen P beizumischen. U vertraut auf B‘s Rat. Ein Konsument erkrankt und verstirbt Infolge des Konsums. U muss dafür in Millionenhöhe gegenüber den Angehörigen einstehen und versucht, sich nun bei B das Geld wiederzuholen.
Der Berater haftet nur im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit unbegrenzt, sofern es sich um eine Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit handelt.
(1)
„§ 13 Haftung
Um den Vertrieb eines seiner Erkältungsprodukte (P) wieder in Gang zu bringen, engagiert der Unternehmer U einen Berater B. Damit alles seine Ordnung hat, soll mit B ein Vertrag geschlossen werden. Der Berater besteht darauf, dass seine bewährte Vorlage zum Einsatz gelangt. U erklärt sich einverstanden. Die einzige Regelung zur Haftung lautet:
Fall: „das sind doch keine AGB“
Case Study 6: Prüfungsmaßstab AGB-Recht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
206 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 41
Ist eine Klausel, welche die Haftung der Höhe nach begrenzt, als AGB einzustufen und wegen des AGB-Prüfungsmaßstabs unwirksam, so greift die nach dem Gesetz vorgesehene unbegrenzte Haftung.
Learning vier
Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, wenn sie einen Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruht, vorsieht.
Learning drei
Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.
Learning zwei
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.
Learning eins
Case Study 6: „das sind doch keine AGB“
•
Ein Konsument verstirbt, mittelbar aufgrund d. Rates des B
Diese sieht eine knappe Haftungsklausel vor, wonach die Haftung für die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird
•
B
Es wird die Vertragsvorlage des B genutzt
vom B eingebracht
BeraterV
•
U
Situation
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 207
AGB-Werk 1 kein Vertragsbestandteil AGB-Werk 2
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 42
Rechtsfolgen kollidierender Geschäftsbedingungen: Es gilt sinngemäß das zu unwirksamen AGB Gesagte. Bei Kollision gilt das Dispositive Recht dort, wo sich die AGB widersprechen. Die AGB bleiben jedoch im Übrigen wirksam. Die Grenze bildet die Unzumutbarkeit.
AGB
Konfliktmoment kollidierender AGB
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
208 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 43
Eine neue Vereinbarung wird nicht aufgesetzt. CT verlangt nach 13 Monaten die Lieferung von Waren zum Preis der ersten Vereinbarung. Zu Recht?
„Die Konditionen der Jahresgesprächsvereinbarungen gelten, bis eine neue Regelung getroffen wurde.“
Die Bedingungen von CT sehen vor:
„Die Konditionen der Jahresgesprächsvereinbarungen werden für eine Zeit von 12 Monaten geschlossen bzw. bis zu einer neuen Regelung.“
Der Holzhändler U möchte den Vertrieb seiner neuesten Edelholzsorte auf ein neues Level heben. Er verhandelt dazu mit einer Handelskette (CT). U und CT treffen sich initial zur Vereinbarung von Konditionen, unter denen U an CT die Waren liefert bzw. CT an U zahlt. Sowohl U als auch CT halten Geschäftsbedingungswerke vor. U fühlt sich durch seinen Nachbarn gut beraten und schickt CT seine Verkaufsbedingungen zusammen mit der von ihm unterschriebenen Jahresgesprächsvereinbarung. CT schickt U seine Einkaufsbedingungen mit dem später beidseitig unterschriebenen Exemplar der Jahresgesprächsvereinbarung. Eine Laufzeit wurde nicht vereinbart. Die Bedingungen des U sehen vor:
Fall: „Ich hab meine doch zuerst geschickt“
Case Study 7: Kollidierende Geschäftsbedingungen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 209
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 44
Wird zwischen den Vertragsparteien keine individualvertragliche Laufzeit festgelegt und sind die Bestimmungen über die Laufzeit wegen der Kollision der jeweiligen Geschäftsbedingungen, in denen sie festgelegt sind, unwirksam, so gilt die vertragliche Vereinbarung im Zweifel so lange fort, bis sie gekündigt wird.
Learning vier
Bringen beide Parteien ihre Geschäftsbedingungen wirksam in die Geschäftsbeziehung ein und widersprechen sich die Bedingungswerke, so findet in dem sich widersprechenden Teil das dispositive Recht Anwendung.
Learning drei
Bringen beide am Vertragsschluss beteiligten Parteien ihre Geschäftsbedingungen ein, kommt es für die wirksame Einbeziehung nicht darauf an, wer seine Geschäftsbedingungen zuerst einbringt.
Learning zwei
Zwischen Parteien getroffene Vereinbarungen können durch einen Hinweis auf ein Geschäftsbedingungswerke ergänzt und/oder modifiziert werden.
Learning eins
Zunächst sendet U der CT seine Verkaufsbedingungen; CT sendet U im Anschluss seine Einkaufsbedingungen; die Laufzeiten bzgl. der Konditionen darin divergieren Eine Folgevereinbarung wird nicht geschlossen
•
•
CT
Die Konditionen werden initial für die Geschäftsbeziehung festgelegt
Einkaufsbedingungen
Verkaufsbedingungen
•
U
JahresgesprächsV
Situation
Case Study 7: „ich hab meine doch zuerst geschickt“
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
210 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Vertragsverhältnisse erschöpfen sich selten im Vertragstext einzelner Verträge, vielmehr werden sie um gesetzliche Regelungen ergänzend gestaltet
Die Willenserklärungen der Parteien bestimmen nicht nur, ob ein Vertrag zustande kommt, sondern geben auch entscheidend Aufschluss über den Inhalt
Für die Beurteilung vertraglicher Regelungen ist regelmäßig der Prüfungsmaßstab „AGB-Recht“ zugrunde zu legen
Je nach Vertragsart, ergeben sich für die Ausgestaltung eines Vertrags spezifische Anforderungen
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 45
Es existieren allgemeine Wertungen, die sich auf nahezu jede Regelung eines Vertrages auswirken können
Zusammenfassung: „DNA“ eines Vertrags
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 211
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 46
12.2.3 Spezifisches Vertragsrecht
III. Nach Vertragsschluss
II. Der Hauptvertragsschluss
I. Optionen und Konflikte vor Vertragsschluss
C. Spezifisches Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
212 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
- HoA / TS
- LoI
- Vorvertrag
- Punktation
- LoI
Festlegung auf einen Vertragspartner
- GHV
Abfrage v. Details beim potentiellen Vertragspartner
Einholung v. Angeboten
- Typengemischter Vertrag
- Ein bestimmter Vertragstyp
Gestaltung wesentlicher Inhalte
Vertragsverhandlungen
Vertragsparteien
- DHG
- Kündigung - Verlängerung
- ADV - SDEA
Aktualisierung
Modifikation
Vertragsparteien
- Annex
Entscheidung über Fortsetzung
- VAV
Überwachung der aktiven Verträge
V.-Controlling
Abschluss
Gestaltung Begleitverträge
Fachabteilungen
Vertragsparteien
nachvertragliche Pflichten
hauptvertragliche Pflichten
vorvertragliche Pflichten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 47
Planung
Fachabteilung
Geschäftliche Initiative
Business
Nach Hauptvertragsschluss
Bei Hauptvertragsschluss
Vertragliche Optionen
Phase
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Vor Hauptvertragsschluss
Überblick: Phasen des Vertragsschlusses
12.2.3.1 Optionen und Konflikte vor Vertragsschluss
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 213
Information weiterer Fachabteilungen
- HoA / TS
- LoI
- Vorvertrag
- Punktation
- LoI
Festlegung auf einen Vertragspartner
- GHV
Abfrage v. Details beim potentiellen Vertragspartner
Einholung v. Angeboten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 48
Planung
Fachabteilung
Geschäftliche Initiative
Business
vorvertragliche Pflichten
Vor Hauptvertragsschluss
Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht die Verpflichtung der Verhandelnden, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen.
Learning
Über Umstände, die für den Abschluss des Vertrags von Bedeutung sind, ist aufzuklären.
Aufklärungspflicht
Verstoß gegeben, wenn ein Unternehmer für den Vertragsschluss bedeutsame unrichtige Angaben macht.
Wahrheitspflicht
„Der Weg“ in das vertragliche Schuldverhältnis löst Rechte und Pflichten aus!
Phasen des Vertragsschlusses: Vorvertragliche Pflichten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
214 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 49
Regelmäßig wird versucht, die Beweislast dem Vertragspartner aufzubürden (bspw. „[…], die seitens des Vertragspartners nachgewiesen […]“). Regelmäßig werden dann Fälle aufgelistet, in denen der Beweis allerdings kaum gelingen dürfte (rollenorientierte Prüfung).
Beweislast (-umkehr)
In der Rolle des Informationsempfängers ist größte Vorsicht bei einem zu knapp oder zu abstrakt formulierten Vertragsgegenstand geboten. Je weiter der Vertragsgegenstand gefasst ist (bspw.: „[…] auf dem Gebiet der Lohnherstellung […]“, desto leichter lässt sich behaupten, die offengelegte Information sei geheimhaltungsbedürftig gewesen (Kontaminationsgefahr)
Präambel / Vertragsgegenstand
§ 6 Gerichtsstand + anwendbares Recht
§ 5 Dauer der Verpflichtung
§ 4 Vertragsstrafen
§ 3 Ausnahmen v. Geheimhaltungspflicht
§ 2 Vertrauliche Informationen
§ 1 Vertragsgegenstand
Eine Geheimhaltungsvereinbarung ist ein Vertrag, mit dem Stillschweigen über ausgetauschte Informationen über einen gewissen Zeitraum vereinbart werden kann. Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Der Geheimhaltungsvertrag (CDA, NDA, CA, …)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 215
Praxis
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 50
= hier keine verbindliche Einigung der Parteien auf einen oder mehrere wesentliche Punkte, in der Regel auch keine verbindliche Erklärung zum Abschluss eines Hauptvertrags
Abgrenzung zum Vorvertrag
= Regelung über Vertragsstrafe für den Fall des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ohne wichtigen Grund (Gründe und angemessene Höhe eines Betrags vereinbaren!!!)
Break-up Fee
= bloße Absichtserklärung, die noch nicht die Qualität eines annahmefähigen Angebots hat, wenn sie auf von vornherein fehlenden Abschlusswillen schließen lässt (unverbindliche Ausgestaltung!!!)
Bindungswirkung des LoI
§ 5 Kosten- und Risikoverteilung
§ 4 Zeitplan
§ 3 Vertraulichkeit
§ 2 Wirtschaftliche und rechtliche Annahmen (insbesondere Verbindlichkeit)
§ 1 Gegenstand
Präambel
Steht regelmäßig dann zur Disposition, wenn die Parteien absehen können, dass sie einen (in der Regel komplexen) Vertragsabschluss nicht werden zeitig herbeiführen können. Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Die Absichtserklärung (LoI, MoU, HoA…)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
216 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Praxis
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 51
Enthält der vermeintliche Vorvertrag bereits alle wesentlichen Elemente, handelt es sich regelmäßig um einen aufschiebend bedingten Hauptvertrag
Abgrenzung zum Hauptvertrag
Bei einem echten Vorvertrag sind nicht bereits alle wesentlichen Elemente des Hauptvertrags enthalten. Das macht den Vorvertrag gerade aus. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass das Niedergeschriebene erkennbar einem Hauptvertrag entspricht (partielle Kongruenz)
Bestimmtheit
= Abgrenzung zur bloßen Absichtserklärung fällt in der Praxis nicht immer leicht; im Zweifel kommt es auf jedes einzelne Wort, manchmal sogar die richtige Kommasetzung an
Bindungswirkung des Vorvertrags
§ 5 Kosten- und Risikoverteilung
§ 4 Zeitplan
§ 3 Verbindlichkeit u. Verpflichtung z. Abschluss e. Folgevertrags
§ 2 Wesentliche Leistungen
§ 1 Gegenstand
Präambel
= ein schuldrechtlicher Vertrag, durch den beide Teile (oder auch nur ein Teil) sich dazu verpflichten, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, (i.d.R.) den Hauptvertrag, abzuschließen. Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Vorvertrag (Term Sheet, Value Proposition, Heads of Agreement…)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 217
Praxis
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 52
12.2.3.2 Der Hauptvertragsschluss
III. Nach Vertragsschluss
II. Der Hauptvertragsschluss
I. Optionen und Konflikte vor Vertragsschluss
C. Spezifisches Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
218 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 53
- Typengemischter Vertrag
- Ein bestimmter Vertragstyp
Gestaltung wesentlicher Inhalte
Vertragsverhandlungen
Vertragsparteien
- DHG
- SDEA
- ADV
- VAV
Gestaltung Begleitverträge
Abschluss
Vertragsparteien
hauptvertragliche Pflichten
Bei Hauptvertragsschluss
Hauptvertragliche Pflichten setzen sich aus unmittelbar vereinbarten Aspekten des konkreten Vertrags und sonstigen bestehenden Pflichten zusammen.
Learning
Spezifische Pflichten ergeben sich unmittelbar aus dem eingegangenen Vertragsverhältnis, orientiert an der jeweiligen Vertragsart.
Spezifische Pflichten
Die vorvertraglichen Pflichten enden nicht mit Abschluss eines Vertrags. Vielmehr wirken diese in das vertragliche Schuldverhältnis fort.
Fortwirken vorvertraglicher Pflichten
Das vertragliche Schuldverhältnis löst Rechte und Pflichten aus, die über die vorvertraglichen Pflichten hinausgehen!
Phasen des Vertragsschlusses: Hauptvertragliche Pflichten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 219
Information weiterer Fachabteilungen
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 54
Haftungsregelungen sind oftmals mangels präziser Formulierung unwirksam (AGBPrüfungsmaßstab berücksichtigen!!!).
Es kommt vor, dass in Verträgen Garantien vereinbart werden. In diesen verpflichtet sich der Verkäufer oder Hersteller einer Sache für eine Eigenschaft der Sache einzustehen (häufig über die Gewährleistung hinausgehend). Aus Garantien können ggfls. zusätzliche Ansprüche hergeleitet werden! (Es droht u.U. „leichtere“ Schadenersatzpflicht!!!)
Garantie / Haftung
Nicht selten kommt es vor, dass die Kaufsache zu knapp oder zu unpräzise beschrieben wird. Ist die Kaufsache nur unzureichend beschrieben, wird es schwer, teilweise unmöglich, Ansprüche in Bezug auf die gewünschte Beschaffenheit der Kaufsache geltend zu machen (präzise Beschreibung erforderlich)
Zu beschreibender Kaufgegenstand
§ 6 Gerichtsstand + anwendbares Recht
§ 5 Haftung
§ 4 Gewährleistung / Garantie
§ 3 Monetäre Leistung
§ 2 Kaufsache / Beschreibung
§ 1 Vertragsgegenstand
= Vereinbarung, durch die der Verkäufer verpflichtet wird, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen und der Käufer verpflichtet wird, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Kaufvertrag (bspw. Einkauf v. Bulkware)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
220 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Praxis
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Gerade im Baurecht sollten Werkverträge breite Regelungen zu Mängelrechten enthalten
Rechte bei Mängeln
Nicht selten mangelt es Werkverträgen an einer genauen Beschreibung des Werkes, einem ordentlichen Zeitplan und Regelungen für Teilleistungen (das gewünschte Ergebnis möglichst präzise beschreiben!!!)
Herstellung des Werkes
Im (Bau-/Unternehmer-) Werkvertragsrecht ist es gleich ein ganzes Konvolut an Rechtsgrundlagen, das Platz greift. Auflistung und Kenntlichmachung des Rangverhältnisses im Vertrag sind essenziell (präzise Kenntnis vom Inhalt der steuernden Rechtsgrundlagen)
Mitgeltende Unterlagen / Rangverhältnis Vorschriften
§ 5 Besondere Regelungen
§ 4 Nacherfüllung / Schadenersatz / Rücktritt / Vertragsstrafen
§ 3 Werklohn
§ 2 Abnahme
§ 1 Gegenstand / Herstellung des Werkes
Präambel
Der Besteller verpflichtet sich, bei der Abnahme der Werkleistung (i.d.R. konkret herbeizuführender Erfolg) die vereinbarte Vergütung zu entrichten, während der Unternehmer das versprochene Werk herzustellen hat. Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Werkvertrag (Gestaltung eines Packungsdesigns nach konkreten Vorgaben)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 221
Praxis
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 56
Bei der Gestaltung eines Beratervertrages ist ebenso wie bei sonstigen freien Mitarbeiterverträgen auf eine eindeutige Abgrenzung zum abhängigen Arbeitsverhältnis zu achten, um zu vermeiden, dass der freie Mitarbeiter entgegen dem Willen der Parteien als Arbeitnehmer eingestuft wird (es genügt nicht die schlichte Klausel, in der die Anstellungsabsicht negiert wird – auch der Rest des Vertrages muss dahingehend deutlich formuliert sein)
Klare Abgrenzung zum abhängigen Arbeitsverhältnis
Die Leistungsbeschreibung muss sowohl in Bezug auf die Aufgaben des Beraters als auch in Bezug auf das Honorar klar sein. Die Zielsetzung der Beratung sollte so exakt, deutlich und ausführlich wie möglich formuliert werden. Auch die Art des Honorars sollte eindeutig festgelegt werden (Pauschal-, Zeit- u. Erfolgshonorar) (breite Beschreibungen!!!)
Leistungsbeschreibung, Honorar
§ 5 Urheberrechte, Wettbewerbsverbot
§ 4 Verschwiegenheit
§ 3 Vergütung / Sonstige Aufwendung
§ 2 Dauer, Kündigung
§ 1 Gegenstand
Präambel
= ein Vertrag, durch den sich der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste und der andere Teil zur Leistung der der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Checkbox
Herausforderungen
Wesentlichsten Inhalte
Definition/Anwendungsbereich
Dienst(leistungs-)vertrag (u.U. Beratervertrag)
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
222 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Praxis
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 57
U reagiert mit einem kurzen Fax: „Ich muss gar nichts. AGB unwirksam!“ Zu Recht?
Im Rahmen eines Auftrags, den P gegenüber U erteilt, zur Verpackung von Waren mit einem Auftragswert von netto 100.000.- Euro, den U unter Verweis auf seine „AGB“ bestätigt (dort: „[…] Kein Schadenersatz für Lieferverzug [...]“), gerät U in Lieferverzug. P erleidet keinen Schaden. Unter Verweis auf den „Aufriss“ verlangt A im Namen der P von U Schadenersatz in Höhe von 59.500.- Euro.
[…] Für jeden Fall von Lieferverzug zahlt der Auftragnehmer an den Auftraggeber eine Pauschale in Höhe von 50% des Rechnungswerts… Im Übrigen bestimmen sich die Rechte des Auftraggebers nach den gesetzlichen Vorschriften. […]
[…] Der Auftraggeber erteilt dem Auftragnehmer bei vorzunehmenden Arbeiten gesondert abzurechnende schriftliche Aufträge. […] […] AGB finden keine Anwendung. […]
A ist Mitarbeiterin in einem Unternehmens der Stahlindustrie (P). In ihrer Funktion beauftragt sie regelmäßig ein Unternehmen (U), das für P diverse Leistungen erbringt. In der Regel handelt es sich dabei um das Begutachten und/oder Verpacken von Waren, je nachdem wie der Auftrag gerade lautet. P hat U ein Papier zukommen lassen, das man schon häufiger eingesetzt hat, in dem gewisse Dinge geregelt sind. Die zwischen U und P getroffene Vereinbarung ist mit „Aufriss“ betitelt und enthält unter anderem folgende Klauseln:
Fall: „Ich muss gar nichts“
Case Study 8: Typengemischter Vertrag, AGB, Gesetzeslage
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 223
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 58
Gelingt im Falle des Lieferverzugs der Nachweis eines tatsächlich entstandenen Schadens nicht, lassen sich im Falle unwirksamer vertraglicher Vereinbarungen auch keine gesetzlichen Schadenersatzansprüche geltend machen.
Learning vier
Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt, ist grundsätzlich unwirksam.
Learning drei
Schließen die Vertragsparteien die Anwendung ihrer jeweiligen AGB in einem für die Geschäftsbeziehung maßgeblichen Rahmenvertrag aus und wird auf Basis dieses Rahmenvertrags eine Auftragsbestätigung mit Verweis auf AGB versandt, entfaltet dies grundsätzlich keine Wirkung.
Learning zwei
Der Inhalt eines Dokuments ist maßgeblich für die Beurteilung des Umstands, ob ein Vertrag vorliegt. Der Titel hat allenfalls indizielle Wirkung.
Learning eins
Case Study 8: „ich muss gar nichts“
Bei einem Auftrag, den U mit Verweis auf seine AGB bestätigt, gerät U in Verzug, ohne, dass P ein Schaden entsteht Die AGB enthalten unterschiedliche Regelungen zum Schadenersatz bei Lieferverzug
•
•
U
Parteien einigen sich auf ein Papier mit dem Titel „Aufriss“ unter Ausschluss von AGB
Bestätigung + AGB-Verweis
Auftrag
Einigung auf „Aufriss“
•
A
P
„Aufriss“ – k. AGB!
Situation
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
224 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 59
12.2.3.3 Nach Vertragsschluss
III. Nach Vertragsschluss
II. Der Hauptvertragsschluss
I. Optionen und Konflikte vor Vertragsschluss
C. Spezifisches Vertragsrecht
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 225
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 60
Überwachung der aktiven Verträge
V.-Controlling
Fachabteilungen
- Verlängerung
- Kündigung
- Annex
Aktualisierung
Modifikation
Vertragsparteien
nachvertragliche Pflichten
Nach Hauptvertragsschluss
Pflichten
für
die
Auch nach der eigentlichen Vertragsabwicklung können im Rahmen des Zumutbaren unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gewisse ‚nachvertragliche’ Handlungsoder Unterlassungspflichten bestehen.
Learning
Die Parteien haben die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte.
Nachvertragliche Nebenpflichten
Parteien ist es aufgrund der Vertragsfreiheit unbenommen, sich auf Pflichten zu verständigen, die auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fortbestehen sollen.
Vereinbarte nachvertragliche Pflichten
Auch nach Vertragsende können jeweiligen Vertragsparteien bestehen.
Phasen des Vertragsschlusses: Nachvertragliche Pflichten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
226 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
Entscheidung über Fortsetzung
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 61
Muss P diese begleichen?
Völlig überrascht findet A in der Folgewoche eine Rechnung zur beauftragten MaFO.
[detaillierte Beschreibung]“
„Auf Basis des am 01.01.2018 geschlossenen Vertrags erteile ich Ihnen folgenden Auftrag:
A beauftragt U am 01.03.2018, eine sehr große MaFo vorzunehmen. Die MaFo hat eine Tierhalterbefragung in Belgien zum Gegenstand. Sie erstreckt sich über einen Zeitraum von 7 Monaten. A erteilt einen entsprechenden Auftrag und U bestätigt anstandslos. Der Auftrag enthält den Hinweis:
A ist Mitarbeiterin eines Futtermittelherstellers (P). In ihrer Funktion beauftragt sie regelmäßig das Marktforschungsinstitut (U), das für P diverse Marktforschungen vornimmt. P und U haben am 01.01.2018 einen Rahmenvertrag geschlossen, der eine Laufzeit von einem halben Jahr aufweist und sich auf ganz bestimmte Arten von Marktforschungen (MaFo) für das Land Deutschland bezieht. Die MaFos können nach belieben abgerufen werden. Das monetäre Volumen des Vertrags beträgt 100.000.- Euro. Der Betrag ist sofort fällig und wird von P beglichen.
Fall: „Verträge kann man gar nicht genug haben“
Case Study 9: Rahmenvertrag, originärer Vertrag
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 227
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 62
Wird neben einem existierenden Vertragsverhältnis ein Auftrag erteilt, der einen neuen Vertragsgegenstand zum Inhalt hat, so ist der Inhalt des Auftrags auch dann maßgeblich, wenn im Rahmen der Auftragserteilung auf einen existierenden Rahmenvertrag verwiesen wurde.
Learning vier
Der rechtliche Rahmen für ein bezwecktes Vertragsverhältnis wird im Zweifel nicht durch einen Verweis auf ein existierendes Vertragsverhältnis bestimmt. Ausschlaggebend ist der konkrete Inhalt des erteilten Auftrags.
Learning drei
Die Vertragsparteien sind frei darin, neben existierenden Vertragsverhältnissen weitere einzugehen.
Learning zwei
Es gibt verschiedene Arten von Rahmenverträgen.
Learning eins
„Auf Basis“ dieses Rahmenvertrags beauftrag A den Vertragspartner für eine MaFo in Belgien, Zeitraum 7 Monate
•
U
Parteien haben einen Rahmenvertrag über 6 Monate für 100.000.- Euro für MaFOs in Deutschland geschlossen; MaFos können einzeln abgerufen werden
Bestätigung
Auftrag f. MaFo, 01.03.18
•
A
P
Rahmenvertrag, 01.01.08.
Situation
Case Study 9: „ Verträge kann man gar nicht genug haben“
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
228 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
- HoA / TS
- LoI
- Vorvertrag
- Punktation
- LoI
Festlegung auf einen Vertragspartner
- GHV
Abfrage v. Details beim potentiellen Vertragspartner
Einholung v. Angeboten
- Typengemischter Vertrag
- Ein bestimmter Vertragstyp
Gestaltung wesentlicher Inhalte
Vertragsverhandlungen
Vertragsparteien
- DHG
- Kündigung - Verlängerung
- ADV - SDEA
Aktualisierung
Modifikation
Vertragsparteien
- Annex
Entscheidung über Fortsetzung
- VAV
Überwachung der aktiven Verträge
V.-Controlling
Abschluss
Gestaltung Begleitverträge
Fachabteilungen
Vertragsparteien
nachvertragliche Pflichten
hauptvertragliche Pflichten
vorvertragliche Pflichten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 63
Planung
Fachabteilung
Geschäftliche Initiative
Business
Nach Hauptvertragsschluss
Bei Hauptvertragsschluss
Vor Hauptvertragsschluss
Zusammenfassung: Phasen des Vertragsschlusses
Vertragliche Optionen
Phase
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 229
Information weiterer Fachabteilungen
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 64
Informationen
Strategie, Taktik Technik, Stil
Grundsätze
Verhandlungspartner
Mythen und Besonderheiten
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Rechtliches
Phasen e. schriftlichen Verhandlung
Phasen e. mündlichen Verhandlung
Harvard-Konzept
Exkurs: Vertragsverhandlungen
12.2.3.4 Exkurs: Vertragsverhandlung
230 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 65
Grundsätze
• Verhandlungen sind häufig von einem spezifischen Jargon geprägt, den es sich zumindest in Teilen anzueignen lohnt
• Mündliche und schriftliche Vertragsverhandlungen müssen nicht zwingend in einem Alternativverhältnis zueinander stehen
• Neben den als Verhandlungen wahrgenommenen mündlichen Situationen, finden Vertragsverhandlungen auch schriftlich statt
„Vertragsverhandlung“ meint nicht lediglich die Situation sich gegenübersitzender Menschen, die um die Verbesserung von Positionen in einer Abmachung eifern.
Was sollte man im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen wissen?
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 231
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 66
Gemeinsamkeiten
• Rechtliche Maßgaben (Abbruch, Verzögerung)
• Strategien, Taktiken, Techniken, Stile (Abgrenzung)
• Verhandlungspartner (Anzahl, Auswahl, Kulturelle Besonderheiten)
• Informationsgewinnung (Aktualität, Vollständigkeit)
Schriftliche und mündliche Verhandlungen weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Es gilt stets gewisse Aspekte zu berücksichtigen, unabhängig davon ob die Verhandlungen mündlich oder schriftlich sind.
Wie stark unterscheiden sich mündliche und schriftliche Verhandlungen?
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
232 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 67
Änderungs- /Change-Track-Modus
Kommentierungen
o
Unterzeichnung
b
Erneute Übersendung
k
Vorbereitung mündlicher Verhandlungen
c
Gegenentwurf
e
Versand an die Gegenseite
h
Hypothetische Akzeptanz
Vertragsentwurf und interne Abstimmung
Vorbereitung
Nichtvergleichbarkeit zu mündlichen Verhandlungen
Nichtlohnenswerter Aufwand
Nichtverhandelbarkeit vertraglicher Grundlagen
C
Besonderheiten
Phasen
Mythen
Schriftliche Vertragsverhandlungen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 233
x
Schriftliche Vorphase
c
Hauptphase
Einstieg
e
Unter Berücksichtigung der gewählten Strategie, Abarbeitung der für den Tag ausgemachten Verhandlungspunkte
h
Der Einstieg kann bewusst weich oder hart ausgestaltet werden
Insbesondere Grundregeln der Kommunikation sind zu beachten.
Begrüßung
Organisatorisches (Verhandlungsort, Agenda) / Inhaltliches (Ziele, Strategie, …)
Vorbereitung
Schriftliche Verhandlungen können in mündlichen münden.
C k x
Verständigung
Unter Umständen werden abermals schriftliche Verhandlungen eingeleitet
Nachverhandlung als so genannte „unechte Phase“
Umgangsformen ebenso zu beachten wie bei der Begrüßung
Verabschiedung
Herausstellen und Festhalten des Erreichten / nicht Erreichten
Ausstieg
o
Ggfls. zwischenzeitliche Vereinbarung von erreichten Punkten (Protokoll)
b
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Phasen
Mündliche Vertragsverhandlungen
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
234 12 Schulungsmaterial, inkl. Checklisten
© Jean L. Saliba │ 2020 │ Slide 69
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr
12.2 Das Schulungs-Slide-Deck 235
Stichwortverzeichnis
A Abnahme, 44, 76, 83 Abschlussfreiheit, 14 Abwehrklausel, 48, 50, 51 Allgemeine Geschäftsbedingungen, 38, 39, 51 Anbahnungsphase, 13 Anfechtung, 18 Angebot, 14, 18, 24, 27, 34, 42, 45, 117 Anscheinsvollmacht, 37 Auftragsbestätigung, 34, 42 Auslegung, 13, 26, 28, 30, 43, 66, 79, 84 Ausschließlichkeit, 47, 48
B bargaining, 119, 154 BATNA (best alternative to a negotiated agreement), 116, 148, 160 Beschaffenheit, 81, 83 best alternative to a negotiated agreement, 116, 148, 160 Beweislast, 45
C Case Study, 16, 28, 32, 34, 47, 48, 84, 91 Checkliste, 165 Controlling, 105, 109
D Darlehensvertrag, 12 Duldungsvollmacht, 37
E Eigentümer, 14 Erfüllung, 75, 80
G Garantie, 83 Gefahrtragung, 85 Gefahrübergang, 81, 84 Geheimhaltung, 59, 63, 65, 66, 68, 78 Geheimhaltungsvereinbarung, 62 Gerichtsstand, 38, 59, 78, 79 Geschäftsgrundlage, 66 Gestaltungsfreiheit, 14, 16
H Haftung, 44, 54, 60, 80 Handelsgeschäft, 33, 83 Harvard-Prinzip, 153, 154, 159 Harvard-Verhandlungskonzept, 118, 153, 155
I Incoterms, 81, 84 Individualabrede, 39, 40 invitatio ad offerendum, 14
K Kaufleute, 42, 79 Kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 33, 42 Kaufvertrag, 12, 70, 72, 76, 80–82 Know-how, 59, 62, 64, 67
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. L. Saliba, Vertragsrecht im unternehmerischen Geschäftsverkehr, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31031-8
237
238 Kommunikation, 100, 106, 109, 114, 124, 137, 142, 148, 149, 156 Kontrahierungszwang, 15 kulturelle Besonderheiten, 124, 132, 145, 149, 156 Kündigung, 77, 92
L Leistung, 10 Letter of Intent, 57, 58 Life-Cycle-Management, 105
M Mahnung, 44 Mietvertrag, 12 Minderung, 66, 82 mündliche Vertragsverhandlung, 114, 145
N Nebenpflicht, 75, 99
O Obliegenheit, 44, 55
P Privatautonomie, 13 Produkthaftung, 81
R Rahmenvertrag, 50, 100 Rechtsgeschäft, 11 Rechtsverhältnisse, 13 Rechtswahl, 78 Rücktritt, 18, 46, 82
S Sachmangel, 81 Schaden, 10, 19, 54, 60, 65, 66, 76, 100, 101, 129 Schadenersatz, 10, 66, 82
Stichwortverzeichnis Schriftform, 32 Schuldverhältnis, 10 Schulungsmaterial, 165 Schweigen, 33, 34, 42 Sorgfalt, 30 Standardvertragsvorlagenverwaltung, 104 Strategie, 73, 103, 113, 125, 151
T Taktik, 113, 125 Testierfreiheit, 14 Textform, 131
U Unmöglichkeit, 80
V Verhandlung, 12 Verhandlungsstrategie s. Strategie, 125 Verhandlungstaktik s. Taktik, 125 Verhandlungstechnik, 113, 116, 125, 143 (Verhandlungs-)Strategie, 148, 151, 152 (Verhandlungs-)Taktik, 148, 151, 152 (Verhandlungs-)Technik, 148, 151, 152 Verjährung, 20, 83 Verschulden, 10, 44, 54 Versicherung, 15 Vertrag, 9 Vertragsgestaltung, 13 Vertragsrecht, 9, 10, 12 Vertragsschluss, 13 Vertragsstrafe, 65 Vertragstheorie, 1 Vertragsverhandlung mündliche, 114 Vollmacht, 36, 37, 59 Vorvertrag, 60, 61, 74
W Werkvertrag, 12 Willenserklärung, 12, 18, 24–27