Gewerkschaften und Leiharbeit: Über den aktiven Umgang mit Leiharbeit bei der IG Metall [1. Aufl.] 9783839423349

Jahrzehntelang war auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Zunahme von Leiharbeit zu beobachten, ehe die Krise 2008/2009 zu

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German Pages 398 Year 2014

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Inhalt
Danksagung
1 Einleitung
1.1 Fragestellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Einbettung des Themas in die „labour geography“
2.1 Von der „geography of labour“ zur „labour geography“
2.2 Themen, Theorien und räumliche Bezüge der „labour geography“
2.3 Geographische Forschung zu Gewerkschaften und Leiharbeit - aktueller Stand und Anknüpfungspunkte
3 Konzeptionelle Bezugspunkte: Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten
3.1 Ressourcenverständnis in den Organisationswissenschaften
3.2 Ressourcenorientierter Ansatz als Ausgangspunkt für das Konzept der dynamischen Fähigkeiten
3.3 Hierarchische Ordnung wissensbasierter Ressourcen
3.4 Ressourcenentwicklung mit dynamischen Fähigkeiten
3.5 Kritische Überlegungen zur empirischen Beobachtbarkeit von dynamischen Fähigkeiten
3.6 Zwischenfazit
4 Anwendbarkeit des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auf Gewerkschaften
4.1 Zentrale Charakteristika von Organisationen
4.2 Unternehmen und Gewerkschaften als unterschiedliche Organisationstypen
4.3 Bedeutung dynamischer Fähigkeiten für Unternehmen und Gewerkschaften
4.4 Organisationales Lernen in Unternehmen und Gewerkschaften
4.5 Potenzielle Erkenntnisgewinne der Übertragung des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auf Gewerkschaften
4.6 Zwischenfazit
5 Dynamische Fähigkeiten in multiskalaren und multistandörtlichen Gewerkschaften
5.1 Multiskalare und multistandörtliche Gewerkschaftsorganisation
5.2 Dynamische Fähigkeiten in multiskalaren Gewerkschaften
5.3 Dynamische Fähigkeiten in multistandörtlichen Gewerkschaften
5.4 Multiskalare und multistandörtliche Nutzung dynamischer Fähigkeiten
5.5 Multiskalare und multistandörtliche Krisenreaktionen
5.6 Vorteile der multiskalaren und multistandörtlichen Organisationsstruktur
5.7 Zwischenfazit
6 Forschungsdesign der empirischen Untersuchung
6.1 Mix aus primär qualitativen Forschungsmethoden
6.2 Konkrete Vorgehensweise bei der empirischen Forschung
7 Handlungsdruck der IG Metall bezüglich Leiharbeit vor der Krise 2008/2009
7.1 Zunahme von Leiharbeitern als prekäre Beschäftigtengruppe mit hohem Bedarf an gewerkschaftlicher Unterstützung
7.2 Negative Auswirkungen der Zunahme von Leiharbeit für die Stammbelegschaften in Entleihbetrieben
7.3 Sukzessive Deregulierung der Leiharbeit
7.4 Notwendigkeit, neue Mitgliederpotenziale in der Leiharbeit zu erschließen
7.5 Zwischenfazit
8 Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten in der IG Metall vor der Krise 2008/2009
8.1 Spezifische Herausforderungen bei der Mitgliederwerbung und Interessenvertretung von Leiharbeitern
8.2 Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten
8.3 Implementierung neuer Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten
8.4 Zwischenfazit
9 Multistandörtliche Unterschiede der Aktivierung der Verwaltungsstellen bezüglich Leiharbeit vor der Krise
9.1 Multistandörtliche Gründe in der Organisation
9.2 Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation
9.3 Beitrag der Verwaltungsstellen-Typen zu dem aktiven Vorgehen bezüglich Leiharbeit
9.4 Zwischenfazit
10 Multistandörtliche Gründe für die späte Aktivierung bzw. geringe Aktivität bezüglich Leiharbeit einiger Verwaltungsstellen vor der Krise 2008/2009
10.1 Multistandörtliche Gründe in der Organisation
10.2 Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation
10.3 Zwischenfazit
11 Weiterer Handlungsdruck der IG Metall aufgrund der Krise 2008/2009
11.1 Leiharbeiter als besonders von der Krise betroffene Beschäftigtengruppe
11.2 Anstieg der Leiharbeit nach dem Ende der Krise 2008/2009
11.3 Zwischenfazit
12 Multistandörtliche und multiskalare Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009
12.1 Organisationale Fähigkeiten
12.2 Politikfelder der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit
12.3 Organisationale Routinen in den vier Politikfeldern
12.4 Zwischenfazit
13. Gründe für die multistandörtlichen Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009
13.1 Einflussfaktoren vor und in der Krise 2008/2009
13.2 Einflussfaktoren speziell in der Krise 2008/2009
13.3 Zwischenfazit
14 Abbau der neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen mit dynamischen Fähigkeiten in der Krise 2008/2009?
14.1 Fortsetzung der Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen in der Krise 2008/2009
14.2 Weiterentwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen in der Krise 2008/2009
14.3 Fortsetzung der Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen nach dem Ende der Krise 2008/2009
14.4 Weiterentwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen nach dem Ende der Krise 2008/2009?
14.5 Zwischenfazit
15 Ressourcenentwicklung in Gewerkschaftsorganisationen in zeitlich-historischer und räumlich-skalarer Perspektive
Literatur
Anhang 1: Vorgehen des DGB und der DGB-Gewerkschaften bezüglich Leiharbeit (1972 – 2012)
Anhang 2: Verzeichnis der Interviewpartner
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
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Gewerkschaften und Leiharbeit: Über den aktiven Umgang mit Leiharbeit bei der IG Metall [1. Aufl.]
 9783839423349

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Dorit Meyer Gewerkschaften und Leiharbeit

Gesellschaft der Unterschiede | Band 13

Dorit Meyer (Dr. rer. pol.) ist im Hochschulmanagement der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Köln tätig.

Dorit Meyer

Gewerkschaften und Leiharbeit Über den aktiven Umgang mit Leiharbeit bei der IG Metall

Die vorliegende Arbeit wurde von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Jahr 2012 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer.pol.) angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Dorit Meyer Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2334-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 9 1

Einleitung | 11

1.1 Fragestellung und Zielsetzung | 11 1.2 Aufbau der Arbeit | 18 Einbettung des Themas in die „labour geography“ | 21 2.1 Von der „geography of labour“ zur „labour geography“ | 22 2.2 Themen, Theorien und räumliche Bezüge der „labour geography“ | 25 2.3 Geographische Forschung zu Gewerkschaften und Leiharbeit – aktueller Stand und Anknüpfungspunkte | 27 2

3

Konzeptionelle Bezugspunkte: Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten | 33

3.1 Ressourcenverständnis in den Organisationswissenschaften | 33 3.2 Ressourcenorientierter Ansatz als Ausgangspunkt für das Konzept der dynamischen Fähigkeiten | 35 3.3 Hierarchische Ordnung wissensbasierter Ressourcen | 38 3.4 Ressourcenentwicklung mit dynamischen Fähigkeiten | 49 3.5 Kritische Überlegungen zur empirischen Beobachtbarkeit von dynamischen Fähigkeiten | 52 3.6 Zwischenfazit | 53 4

Anwendbarkeit des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auf Gewerkschaften | 55

4.1 Zentrale Charakteristika von Organisationen | 56 4.2 Unternehmen und Gewerkschaften als unterschiedliche Organisationstypen | 56 4.3 Bedeutung dynamischer Fähigkeiten für Unternehmen und Gewerkschaften | 57 4.4 Organisationales Lernen in Unternehmen und Gewerkschaften | 62 4.5 Potenzielle Erkenntnisgewinne der Übertragung des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auf Gewerkschaften | 62 4.6 Zwischenfazit | 63

5

Dynamische Fähigkeiten in multiskalaren und multistandörtlichen Gewerkschaften | 65

Multiskalare und multistandörtliche Gewerkschaftsorganisation | 67 Dynamische Fähigkeiten in multiskalaren Gewerkschaften | 69 Dynamische Fähigkeiten in multistandörtlichen Gewerkschaften | 75 Multiskalare und multistandörtliche Nutzung dynamischer Fähigkeiten | 80 5.5 Multiskalare und multistandörtliche Krisenreaktionen | 86 5.6 Vorteile der multiskalaren und multistandörtlichen Organisationsstruktur | 87 5.7 Zwischenfazit | 88 5.1 5.2 5.3 5.4

6

Forschungsdesign der empirischen Untersuchung | 91

6.1 Mix aus primär qualitativen Forschungsmethoden | 91 6.2 Konkrete Vorgehensweise bei der empirischen Forschung | 98 7

Handlungsdruck der IG Metall bezüglich Leiharbeit vor der Krise 2008/2009 | 113

7.1 Zunahme von Leiharbeitern als prekäre Beschäftigtengruppe mit hohem Bedarf an gewerkschaftlicher Unterstützung | 114 7.2 Negative Auswirkungen der Zunahme von Leiharbeit für die Stammbelegschaften in Entleihbetrieben | 131 7.3 Sukzessive Deregulierung der Leiharbeit | 134 7.4 Notwendigkeit, neue Mitgliederpotenziale in der Leiharbeit zu erschließen | 135 7.5 Zwischenfazit | 140 8

Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten in der IG Metall vor der Krise 2008/2009 | 143

8.1 Spezifische Herausforderungen bei der Mitgliederwerbung und Interessenvertretung von Leiharbeitern | 144 8.2 Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten | 148 8.3 Implementierung neuer Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten | 157 8.4 Zwischenfazit | 173 9

Multistandörtliche Unterschiede der Aktivierung der Verwaltungsstellen bezüglich Leiharbeit vor der Krise | 175

9.1 Multistandörtliche Gründe in der Organisation | 177

9.2 Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation | 180 9.3 Beitrag der Verwaltungsstellen-Typen zu dem aktiven Vorgehen bezüglich Leiharbeit | 196 9.4 Zwischenfazit | 202 10

Multistandörtliche Gründe für die späte Aktivierung bzw. geringe Aktivität bezüglich Leiharbeit einiger Verwaltungsstellen vor der Krise 2008/2009 | 205

10.1 Multistandörtliche Gründe in der Organisation | 207 10.2 Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation | 209 10.3 Zwischenfazit | 212 11

Weiterer Handlungsdruck der IG Metall aufgrund der Krise 2008/2009 | 215

11.1 Leiharbeiter als besonders von der Krise betroffene Beschäftigtengruppe | 216 11.2 Anstieg der Leiharbeit nach dem Ende der Krise 2008/2009 | 219 11.3 Zwischenfazit | 220 12

Multistandörtliche und multiskalare Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009 | 221

12.1 12.2 12.3 12.4

Organisationale Fähigkeiten | 222 Politikfelder der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit | 224 Organisationale Routinen in den vier Politikfeldern | 227 Zwischenfazit | 258

13. Gründe für die multistandörtlichen Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009 | 261

13.1 Einflussfaktoren vor und in der Krise 2008/2009 | 263 13.2 Einflussfaktoren speziell in der Krise 2008/2009 | 279 13.3 Zwischenfazit | 287 14

Abbau der neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen mit dynamischen Fähigkeiten in der Krise 2008/2009? | 291

14.1 Fortsetzung der Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen in der Krise 2008/2009 | 292 14.2 Weiterentwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen in der Krise 2008/2009 | 292 14.3 Fortsetzung der Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen nach dem Ende der Krise 2008/2009 | 294

14.4 Weiterentwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen nach dem Ende der Krise 2008/2009? | 297 14.5 Zwischenfazit | 300 15

Ressourcenentwicklung in Gewerkschaftsorganisationen in zeitlich-historischer und räumlich-skalarer Perspektive | 303

Literatur | 317 Anhang 1: Vorgehen des DGB und der DGB-Gewerkschaften bezüglich Leiharbeit (1972 – 2012) | 369 Anhang 2: Verzeichnis der Interviewpartner | 381 Abbildungsverzeichnis | 387 Tabellenverzeichnis | 389 Abkürzungsverzeichnis | 393

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Martina Fuchs für die wissenschaftliche Betreuung der vorliegenden Dissertation. Sie stand mir in allen Phasen des Entstehungsprozesses dieser Arbeit mit wertvollem konzeptionellem Rat und konstruktiven inhaltlichen Anregungen als Ansprechpartnerin zur Seite. Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. Wolfgang Wessels für die Übernahme der Zweitbegutachtung. Großen Dank haben ebenfalls die Interviewpartner in den Gewerkschaften und im DGB verdient, die sich für aufschlussreiche Gespräche zur Verfügung gestellt und Zeit genommen haben. Köln, im Januar 2013 Dorit Meyer

1 Einleitung

1.1 F RAGESTELLUNG UND Z IELSETZUNG Seit einigen Jahrzehnten ist auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Zunahme flexibler Beschäftigungsverhältnisse zu beobachten. Insbesondere die Zahl der Leiharbeiter12 wächst rasant. Wegen der prekären Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche standen die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) der Leiharbeit lange Zeit ablehnend gegenüber (IG Metall 1992: 7; Boost/Buscher 2009: 76). Sie bezeichneten Leiharbeit als „modernen Sklavenhandel“ (IG Metall 1992) und forderten ein gesetzliches Verbot der Beschäftigungsform (Bolder et al. 2005: 38ff.; Aust/Holst 2006: 303f.; Wölfle 2008: 39). Weil dies mit der Verbotsforderung in Widerspruch gestanden hätte, schlossen die DGB-Gewerkschaften zunächst keine Tarifverträge mit den Leiharbeitsverbänden ab. Außerdem unternahmen sie keine Bemühungen, Leiharbeiter zu organisieren (Pernicka et al. 2005: 50; Wölfle 2008: 39). Erst ab Mitte der 1990er Jahre entwickelten die DGB-Gewerkschaften ein aktives Vorgehen zu Leiharbeit (Aust/ Holst 2006: 304; Wölfle 2008: 39; Schröder 2010a: 85), da aus den folgenden Gründen ein starker Handlungsdruck entstanden war:

1

In der Fachliteratur, der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Diskussion und der Eigenwerbung der Branche lassen sich verschiedene Bezeichnungen finden, die als Synonyme auf dieselbe Beschäftigungsform rekurrieren. Darunter befinden sich die Bezeichnungen Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung und Personalleasing (Antoni/Jahn 2006: 1; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 1; Keller/Seifert 2011: 139). In dieser Arbeit wird in Analogie zu dem Sprachgebrauch im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der Begriff Leiharbeit benutzt.

2

Mit Nennung der männlichen Bezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die männliche weibliche Form mitgemeint.

12 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Erstens waren immer mehr Leiharbeiter aufgrund ihrer prekären Entlohnungs-und Arbeitsbedingungen zur Durchsetzung ihrer Interessen dringend auf gewerkschaftliche Unterstützung angewiesen (IG Metall 2012a: 2). In den Gewerkschaften wurde es insbesondere als ungerecht empfunden, dass viele Beschäftigte mit diesem Arbeitsverhältnis weniger verdienen als die Stammkräfte in den Einsatzbetrieben, obwohl sie dieselben Tätigkeiten verrichten (Pernicka/Aust 2007: 9; IG Metall 2012a: 3). Zweitens veranlassten die negativen Auswirkungen der zunehmenden Leiharbeit auf die Belegschaften vieler Unternehmen die Gewerkschaften dazu, sich intensiv mit dem Thema „Leiharbeit“ zu befassen. Durch Leiharbeit wurden die tariflichen Arbeits- und Entlohnungsstandards in solchen Unternehmen unterwandert, in denen die DGB-Gewerkschaften eine breite Mitgliederbasis besaßen (DGB 2001: 8ff.; Boost/Buscher 2009: 76). Zudem wurden in einigen Einsatzfirmen von Leiharbeitern reguläre Arbeitsplätze abgebaut, indem Teile der Stammbelegschaft in ausgegründete Leiharbeitsfirmen transferiert oder ausscheidende Stammkräfte durch Leiharbeiter ersetzt wurden (Strüßmann 2009: 47). Drittens ließ sich Leiharbeit nicht mehr länger ignorieren, weil Leiharbeit ab Mitte der 1980er Jahre als Instrument zur Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt politisch befürwortet und gesetzlich dereguliert wurde. Deshalb erwies sich die Forderung der Gewerkschaften nach einem Verbot der Leiharbeit als nicht durchzusetzen (Aust/Holst 2006: 304; Holst et al. 2008: 167; Wölfle 2008: 39). Viertens entdeckten die Gewerkschaften in der rasant wachsenden Beschäftigtengruppe ein enormes Mitgliederpotenzial (Wölfle 2008). Deshalb wurden Leiharbeiter zu einer neuen Zielgruppe gewerkschaftlicher Rekrutierungsarbeit. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre stark rückläufig waren (z.B. Hassel 2003a: 294; Müller-Jentsch 2003a: 656; DGB 2011a; IG Metall 2012b, c) und eines der vordinglichsten Ziele der Gewerkschaften darin bestand, gegen den Mitgliederverlust vorzugehen (Bronfenbrenner et al. 1998; Schroeder/Keudel 2008). Aus diesen Gründen stellte die Zunahme von Leiharbeit eine wachsende Herausforderung für die DGB-Gewerkschaften dar. Als die Arbeitnehmervertretungen jedoch begannen, sich verstärkt mit Leiharbeit auseinanderzusetzen, wurde deutlich, dass dies ein Handlungsfeld ist, das besonders komplexe Anforderungen stellt (Kasch 2007: 258; Schröder 2010b: 162), weil die klassischen Instrumente der Mitgliederwerbung und Interessenvertretung in der Leiharbeit nicht oder nur in geringerem Maße greifen (Pernicka et al. 2005: 47f.; Aust et al. 2007: 232). Leiharbeiter sind kaum für gewerkschaftliche Aktionen wie z.B. Streiks zu mobilisieren (Schröder 2010a: 85), weil sie befürchten, dass ihnen gekündigt wird, wenn sie sich daran beteiligen (IG Metall 2011a). Die Wirkung herkömmlicher Vorgehensweisen erwies sich als begrenzt, und in den bezüglich Leiharbeit unerfahrenen Gewerkschaften existierten zunächst keine Instrumente, die den Spezifika der Leiharbeit

E INLEITUNG

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Rechnung trugen (Pernicka/Aust 2007: 11). Deshalb wurde insbesondere in der IG Metall damit begonnen, nach angemessenen gewerkschaftlichen Zugängen zu dieser neuen Zielgruppe suchen (Wölfle 2008: 41). Um am Beispiel aufzuzeigen, wie die IG Metall auf den Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit reagierte, wird in der vorliegenden Arbeit theoretisch-konzeptionell auf die organisationswissenschaftlichen Ansätze zu wissensbasierten Ressourcen rekurriert: Der hier vertretenen Vorstellung nach handelt es sich bei dem aktiven Vorgehen, das die Gewerkschaft angesichts Leiharbeit konzipierte, um Konfigurationen aus wissensbasierten Ressourcen bzw. aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen. Diese wurden in Lernprozessen in einigen Subeinheiten bzw. an einzelnen Standorten der Gewerkschaftsorganisation entwickelt und organisationsweit implementiert (z.B. Meyer/Fuchs 2008, 2010; Meyer 2010, 2012). Bei den dabei ablaufenden Ressourcenentwicklungsprozessen wurden in der Organisation dynamische Fähigkeiten genutzt, denn diese versetzen Organisationen in die Lage, ihre Ressourcenkonfigurationen an Veränderungen in ihrem Umfeld anzupassen und so auf Handlungsdruck von außen zu reagieren (Eisenhardt/Martin 2000: 1106; Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 6; Teece/Augier 2009: 87). Die vorliegende Arbeit geht deshalb am Beispiel der IG Metall der Frage nach: Wie wurden in der Gewerkschaftsorganisation dynamische Fähigkeiten genutzt, um ein aktives Vorgehen bezüglich Leiharbeit aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen zu entwickeln und zu implementieren? Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung werden die Ressourcenentwicklungsprozesse, die als Reaktion auf den externen Handlungsdruck in der hier untersuchten IG Metall erfolgten, zeitlich-historisch in ihrem phasenhaften Ablauf skizziert. Die Betrachtung der Ressourcenentwicklung in der IG Metall umfasst den gesamten Zeitraum von Anfang der 1990er Jahre bis nach der jüngsten Wirtschaftskrise 2008/2009. Die Rezession in die Betrachtung einzubeziehen, war erforderlich, weil die Krise zur Folge hatte, dass viele Leiharbeitsfirmen ihren Beschäftigten kündigten (Statistisches Bundesamt 2009a; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 16). Dadurch wurde der Handlungsdruck verstärkt, der aus der Leiharbeit resultierte und auf die Gewerkschaften wirkte. Die Rezession machte deshalb weitere Ressourcenentwicklungsprozesse bzw. die Anpassung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit an die Krisensituation erforderlich. Die zeitlich-historische Perspektive in der vorliegenden Arbeit umfasst den Zeitraum von 1990 bis Anfang 2012. Auf diese Weise konnten die Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit vor der Krise, die Auswirkungen der Krise auf das aktive Vorgehen und die weiteren Entwicklungen nach der Rezession analysiert werden. Die Ressourcenentwicklungsprozesse werden nicht nur in zeitlich-historischer Perspektive, sondern darüber hinaus auch in einem geographischen Modell in ihrem räumlich-skalaren Verlauf innerhalb der Gewerkschaft nachgezeichnet, denn die

14 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Lernprozesse der Ressourcenentwicklung in Organisationen erfolgen räumlich differenziert: Sie finden nicht flächendeckend an allen Standorten bzw. in allen Untereinheiten der Organisation statt, sondern multistandörtlich und multiskalar (Meyer/Fuchs 2008, 2010; Meyer 2010, 2012). „Multistandörtlich“ heißt, dass eine organisatorische Subeinheit, bzw. ein spezifischer Gewerkschaftsstandort anders lernt als ein Gewerkschaftsstandort in einer anderen Region, was zu räumlich unterschiedlichen Wissensbeständen in der Gewerkschaft führt. „Multiskalar“ bedeutet, dass die Lernprozesse verschiedene Ebenen der Organisation tangieren. Es wird aufgezeigt, dass diese Unterschiede damit zu erklären sind, dass die Veränderungen im Umfeld die Organisation nicht vollständig in gleichem Maß beeinflussen, sondern räumlich verschieden stark auf die Subeinheiten bzw. Verwaltungsstellen einwirken. Insbesondere hat der variierende Anstieg der Leiharbeit in Deutschland zu verschieden hohen Leiharbeitsquoten auf den lokalen Arbeitsmärkten geführt. Deshalb variierte der Handlungsdruck, der aus der Zunahme von Leiharbeit im Zuständigkeitsgebiet der Subeinheiten resultierte. Jedoch erfolgt diese Beeinflussung der Ressourcenentwicklung durch die „externen Faktoren“ bzw. die Veränderungen im Handlungsumfeld nicht in deterministischer Weise, denn auch innerhalb der Organisation – in der jeweiligen multistandörtlichen und multiskalaren Subeinheit – müssen bestimmte Voraussetzungen für die Reaktion auf den externen Handlungsdruck gegeben sein. Diese ebenfalls räumlich und skalar verschieden stark ausgeprägten „internen Faktoren“ werden als weitere Ursachen für die variierenden Reaktionen der organisationalen Untereinheiten identifiziert. Beispielsweise ist eine solche organisationsinterne Voraussetzung, dass in den Subeinheiten sog. „Promotoren“ vorhanden sind. Dabei handelt es sich um besonders engagierte Gewerkschaftssekretäre in einigen lokalen Verwaltungsstellen, die den Handlungsdruck aus dem Umfeld als erste wahrnahmen und die dynamischen Fähigkeiten nutzten, indem sie mit Ressourcenentwicklungsprozessen reagierten. Weil die Ressourcenentwicklung innerhalb einer Organisation demnach sowohl zeitlich-historisch als auch räumlich-skalar differenziert erfolgt, muss die Fragestellung dieser Arbeit, die in ihrer ursprünglichen Formulierung allgemeiner gefasst war, konkretisiert werden. Sie lautet daher präziser: Wie und unter welchen räumlich variierenden Bedingungen wurden vor und während der Wirtschaftskrise 2008/2009 in der multistandörtlich und multiskalar differenzierten Gewerkschaftsorganisation dynamische Fähigkeiten zur Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit genutzt? Von der zentralen Fragestellung lassen sich drei Teilfragen ableiten, die in diesem Zusammenhang von spezifischem Interesse sind und auf die mit den empirischen Forschungsergebnissen eine Antwort gefunden wurde:

E INLEITUNG

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• Aus welchen Routinen und organisationalen Fähigkeiten bestehen die mit dynamischen Fähigkeiten entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens zu Leiharbeit? • Weshalb variieren die Nutzung dynamischer Fähigkeiten und die resultierenden Ressourcenkonfigurationen je nach Standort (multistandörtlich) und Ebene (multiskalar)? • Welche Folgen hatte die Abnahme von Leiharbeit in der Wirtschaftskrise 2008/2009 für die zuvor entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen und die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten? Diesem Erkenntnisinteresse folgend bezieht sich die Arbeit insbesondere auf das organisationswissenschaftliche Konzept der dynamischen Fähigkeiten. Die vorgenommene zeitlich-historische und räumlich-skalare Kontextualisierung dieses Ansatzes stellt einen zentralen Beitrag dar, der zu der Diskussion bezüglich dynamischer Fähigkeiten in den Organisationswissenschaften geleistet werden soll, wie im Folgenden erläutert wird. In dem Konzept der dynamischen Fähigkeiten wird die zeitlich-historische Dimension der Ressourcenentwicklung zwar bereits erfasst, indem die aktuelle Ressourcenausstattung einer Organisation als das Resultat pfadabhängiger Lernprozesse in der Vergangenheit konzeptionalisiert wird (z.B. Helfat/Peteraf 2003: 999ff.). Allerdings bleibt die Berücksichtigung der zeitlich-historischen Dimension bei der Untersuchung dynamischer Fähigkeiten und ihrer Wirkungen nach Ansicht der Autorin oberflächlich und abstrakt. Mit der komplexen zeitlich-historischen Kontextualisierung der Ressourcenentwicklungsprozesse wird deshalb versucht, diesbezüglich eine Vertiefung des organisationswissenschaftlichen Ansatzes zu erzielen. Zu diesem Zweck wird die zeitlich-historische Dimension mit der räumlichskalaren Dimension verknüpft, indem der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten aus einer geographischen Perspektive dahingehend weiterentwickelt wird, dass er auch die Räumlichkeit und Maßstäblichkeit der mit dynamischen Fähigkeiten vollzogenen Ressourcenentwicklungsprozesse konzeptionell fassen kann. Zwar wurde das Konzept der dynamischen Fähigkeiten bereits in einigen organisationswissenschaftlichen Publikationen zu Standortagglomerationen (Doh/Hahn 2008), Clustern (O’Callaghan 2007; Elola et al. 2008) und Industriedistrikten (Best 2003; Rangone/Solari 2005) aufgegriffen. Die Autoren jener Veröffentlichungen postulieren, dass die untereinander vernetzten Unternehmen in wirtschaftlich erfolgreichen Regionen mit dynamischen Fähigkeiten ausgestattet sind. Deshalb können diese Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile auch unter den sich wandelnden Bedingungen auf den Märkten aufrecht halten. Das Erkenntnisinteresse der genannten Studien ist aber nicht explizit darauf gerichtet, das Konzept der dynamischen Fähigkeiten um eine geographische Perspektive zu erweitern. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Räumlichkeit von Ressourcenentwicklungsprozessen mit dynamischen Fä-

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higkeiten steht demnach noch aus (Rothaermel/Hess 2007: 898f.; Berndt, D. 2010: 49). Darin besteht der Beitrag, den die Geographie zu dem Konzept leisten kann. Auch die Berücksichtigung der Maßstäblichkeit von Organisationen ist bislang in der Forschung zu dynamischen Fähigkeiten nicht erfolgt. Aus diesem Grund ist z.B. noch ungeklärt, ob dynamische Fähigkeiten im Individuum oder auf der Makroebene der Gesamtorganisation verortet sind. Die meisten Arbeiten zu dynamischen Fähigkeiten richten den Fokus lediglich auf eine Ebene der Analyse (ebd.). Ein solcher „unilevel research approach“ (Rothaermel/Hess 2007: 898f.) wurde zwar durch verschiedene Autoren kritisiert (z.B. Klein et al. 1994; Dansereau et al. 1999), aber es wurde nicht versucht, alle Ebenen der Organisation in die Betrachtung einzubeziehen. Durch diese Arbeit wird deshalb erstmals bei der Analyse der Ressourcenentwicklungsprozesse die Differenzierung der Organisation in multiskalare Subeinheiten berücksichtigt. Demnach besteht ein Ziel der vorliegenden Arbeit darin, der bislang unzureichenden Berücksichtigung der zeitlichen und geographischen Implikationen von Ressourcenentwicklungsprozessen in Organisationen durch das hier vorgeschlagene Modell entgegenzuwirken. Außerdem wird versucht, die Diskussion zu dynamischen Fähigkeiten zu beleben, indem herausgearbeitet wird, dass das Konzept nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf andere Organisationen, wie in diesem Fall auf Gewerkschaften, anwendbar ist: Die Debatte um dynamische Fähigkeiten wird bis dato fast ausschließlich in der organisationswissenschaftlichen Forschung zu Strategischem Management in Wirtschaftsunternehmen geführt. Der Fokus ist in erster Linie darauf gerichtet, dass Unternehmen unter globalisierten Bedingungen mit ihren dynamischen Fähigkeiten auf Nachfrageschwankungen reagieren müssen, damit sie konkurrenzfähig bleiben (Teece et al. 1992; Eisenhardt/Martin 2000). Gewerkschaftsorganisationen hingegen finden in der Literatur zu dynamischen Fähigkeiten bisher keine Erwähnung. In dieser Arbeit wird jedoch die Ansicht vertreten, dass das Konzept – unter Berücksichtigung der Unterschiede von Unternehmen und Gewerkschaften – auch auf Gewerkschaftsorganisationen anwendbar ist, denn auch sie sind mit Veränderungen in ihrem Handlungsumfeld konfrontiert und müssen sich durch organisationales Lernen und Ressourcenentwicklungsprozesse den veränderten Umweltbedingungen anpassen, um ihr Fortbestehen zu gewährleisten. Die externen Entwicklungen, denen die Gewerkschaften begegnen müssen, betreffen die Veränderungen auf den Arbeitsmärkten und in der Arbeitswelt. Darauf mit aktiven Vorgehensweisen zu reagieren, ist die erforderliche Anpassungsleistung, welche Gewerkschaften erbringen müssen, um ihren Mitgliederschwund zu stoppen und so ihre finanziellen Mittel, ihre politische Handlungsmacht und gesellschaftliche Legitimation aufrecht zu halten – kurzum: damit sie als Organisationen überleben können. Dies erfordert die Entwicklung der wissensbasierten Ressourcen der Gewerkschaften.

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Dynamische Fähigkeiten sind demnach nicht nur in Unternehmen, sondern auch in Gewerkschaften zur Beantwortung der komplexen Umweltanforderungen von Bedeutung. Nach Ansicht der Autorin kann eine Anwendung des Konzepts auf andere Organisationen dazu beitragen, die noch unbeantworteten Fragen zu dynamischen Fähigkeiten zu klären. So ist z.B. in der organisationswissenschaftlichen Debatte über den Ansatz ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen sowie in welchen Prozessen die Nutzung dynamischer Fähigkeiten erfolgt (Helfat/Peteraf 2003: 997; Berndt, D. 2010: 56f.). Auch über die Auswirkungen von Krisen auf wissensbasierte Ressourcen ist in den Organisationswissenschaften bislang wenig bekannt (Deverell 2009: 180). Zwar lassen sich zahlreiche empirisch fundierte Hinweise darauf finden, dass Krisen als Impulse für organisationales Lernen wirken. Als Grund hierfür wird angeführt, dass Krisen die Aufmerksamkeit der betroffenen Organisation auf das Handlungsumfeld richten, sie zu einer kritischen Überprüfung ihrer Normen und Werte, zum Infragestellen ihrer strategischen Ziele und zum Verlernen etablierter Handlungsmuster veranlassen (z.B. Dodgson 1993; Kovoor-Misra/Nathan 2000; Nathan 2001; Wang 2008). Jedoch existieren noch keine Publikationen mit Erkenntnissen zu den Krisenfolgen für dynamische Fähigkeiten. Mit der vorliegenden Arbeit soll auch ein Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke geleistet werden. Aus wirtschaftsgeographischer Perspektive sind die zentrale Fragestellung und die daran anknüpfenden Teilfragestellungen relevant, da organisationale Fähigkeiten und Routinen sowie deren Entwicklungsprozesse verstärkt seit den 1990er Jahren auch in der Wirtschaftsgeographie thematisiert werden. Deshalb existiert in der Geographie bereits eine nennenswerte Anzahl von Ansätzen, die sich mit wissensbasierten Ressourcen zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen von Unternehmen beschäftigen (z.B. Glückler/Bathelt 2003, 2011). Das Konzept der dynamischen Fähigkeiten kann diese wirtschaftsgeographische Diskussion bereichern, denn es fehlen bislang konzeptionelle Zugänge zu der Frage, wie in erfolgreichen Unternehmen Wettbewerbsvorteile auf den dynamischen Märkten langfristig fortbestehen. Auch bezüglich der Frage, wie Unternehmen auf Veränderungen auf den Märkten durch Innovationsprozesse bzw. die Etablierung neuer organisationaler Fähigkeiten und Routinen reagieren, könnte von dem Konzept dynamischer Fähigkeiten gelernt werden (z.B. Boschma/Frenken 2006: 281). In der Wirtschaftsgeographie hat der Ansatz jedoch bislang nur durch Ter Wal und Boschma (2007) Beachtung gefunden. Aus wirtschaftsgeographischer Sicht ist die hier behandelte Thematik außerdem von Relevanz, da die räumliche Struktur und Dynamik der Leiharbeit in Deutschland einer detaillierten geographischen Analyse unterzogen wird. Dazu liegt in der Wirtschaftsgeographie bisher nur eine Publikation vor (Albrecht 2005).

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In einer Teildisziplin der Wirtschaftsgeographie, der „labour geography“, wurde erstmals Ende der 1990er Jahre zu Leiharbeit geforscht (z.B. Peck/Theodore 1998, 2001, 2002, 2007; Ward 2003). Diese Untersuchungen befassen sich mit den positiven Auswirkungen der Flexibilisierung von Arbeitsmärkten durch die Zunahme von Leiharbeit sowie mit der Erschließung neuer Märkte durch international agierende Leiharbeitsfirmen. Eine fundierte Auseinandersetzung mit der gewerkschaftlichen Rekrutierung von Leiharbeitern ist in der „labour geography“ jedoch noch nicht erfolgt. Infolgedessen zeugen die Publikationen von einer auffällig unkritischen Sichtweise auf Leiharbeit. Das verwundert insofern, weil Leiharbeit und die Auswirkungen ihrer Zunahme allgemein als stark umstritten gelten. In dieser Arbeit wird deshalb ein Zugang gewählt, der sich – statt aus der Unternehmensperspektive – aus der Sicht der Gewerkschaften mit Leiharbeit befasst, um zu einem kritischen Verständnis von Leiharbeit beizutragen und zu einer fundierten Darstellung des Vorgehens der Gewerkschaften in Bezug auf Leiharbeit in der „labour geography“ zu gelangen.

1.2 A UFBAU

DER

ARBEIT

Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung und der damit verknüpften Teilfragestellungen wird in dieser Arbeit wie folgt vorgegangen: Die untersuchte Thematik wird in Kapitel 2 in die „labour geography“ eingeordnet und der aktuelle Forschungsstand zu Leiharbeit und zu gewerkschaftlichem Handeln bezüglich Leiharbeit dargelegt. In Kapitel 3 wird herausgearbeitet, weshalb der ressourcenbasierte Ansatz durch das Konzept der dynamischen Fähigkeiten eine Erweiterung erfahren hat. Außerdem werden Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten definiert sowie die Prozesse erläutert, in denen diese Ressourcenarten mit dynamischen Fähigkeiten entwickelt werden. Um das Konzept der dynamischen Fähigkeiten für die Gewerkschaftsforschung nutzbar zu machen, wird es in Kapitel 4 aus seinem betriebswirtschaftlichen Entstehungskontext herausgelöst. Die Unterschiede zwischen Unternehmen und Gewerkschaften werden dargelegt und bei der Anwendung des Konzepts in der vorliegenden Studie berücksichtigt. In Kapitel 5 wird ein geographisches Modell dynamischer Fähigkeiten konzipiert, mit dem die Ressourcenentwicklung in Organisationen unter Berücksichtigung ihrer multistandörtlichen und multiskalaren Gliederung analysiert werden kann. Dieser konzeptionelle Rahmen wird durch die eigenen Forschungsergebnisse am Beispiel der Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens zu Leiharbeit durch die IG Metall überprüft. Dem dabei angewendeten methodischen Forschungsdesign widmet sich Kapitel 6.

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In Kapitel 7 wird anhand der empirischen Befunde dargelegt, weshalb die IG Metall unter einem hohen Handlungsdruck stand bzw. welche konkreten Gründe die Gewerkschaft zur Entwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit veranlassten. Dass sich die klassischen Routinen gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung und Interessenvertretung in der Leiharbeit als wenig hilfreich erwiesen und deshalb als Ressourcenentwicklungsprozesse erforderlich waren, ist Inhalt von Kapitel 8. Anhand des geographischen Modells wird nachgezeichnet, in welchen „bottom-up“ gerichteten Lernprozessen ab Anfang der 1990er Jahre die Entwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens ablief. Anschließend wird aufgezeigt, mit welchen Lernprozessen die neu entwickelten Konfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen in den Subeinheiten der Organisation „top-down“ vor Einsetzen der Wirtschaftskrise implementiert wurden. Je nachdem, wann und unter welchen Bedingungen die lokalen Gewerkschaftsstandorte begannen, sich an den Prozessen zu beteiligten, erfolgt in Kapitel 9 eine Typisierung der Verwaltungsstellen vor Ort. Das untersuchte aktive Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit wurde insbesondere als Reaktion auf die Zunahme der Leiharbeit vor Beginn der Krise entwickelt. Weil dieser Anstieg der Zahl an Leiharbeitern räumlich unterschiedlich stark ausgeprägt war, findet eine Auseinandersetzung mit der regionalen Differenzierung der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt vor der Krise statt. Aus welchen weiteren räumlich variierenden Ursachen einige lokale Gewerkschaftsstandorte erst spät oder nur mit geringem Engagement bezüglich Leiharbeit aktiv wurden, thematisiert die Autorin in Kapitel 10. In Kapitel 11 wird erläutert, aus welchen konkreten Gründen sich der Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit mit Einsetzen der Wirtschaftskrise 2008/2009 verstärkte. Die organisationalen Fähigkeiten und Routinen der Organisations-, Betriebs-, Tarif- und Rechtspolitik gewerkschaftlichen Handelns, aus denen das aktive Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit besteht, sind Gegenstand von Kapitel 12. Dabei wird deutlich, welche Folgen die Krise für die zuvor generierten Ressourcenkonfigurationen hatte. Weil vor und während der Krise nicht in allen Verwaltungsstellen dieselben Ressourcenkonfigurationen, sondern an den Gewerkschaftsstandorten unterschiedliche organisationale Fähigkeiten und Routinen beobachtet wurden, stellt sich die Frage, wie diese Unterschiede zu erklären sind. In Kapitel 13 werden deshalb die räumlich variierenden Einflussfaktoren identifiziert, die hierfür ursächlich sind. Weil es durch die Krise in der Organisation zu einer deutlichen Reduktion des Engagements bezüglich Leiharbeit kam, stellt sich die Frage, ob die zuvor entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen nach dem Einbruch der Rezession wieder verlernt wurden oder ob sie sich als nachhaltig erwiesen und auch unter den Krisenbedingungen fortbestanden. Darauf wird in Kapitel 14 eine Antwort gefunden, ehe in Kapitel 15 eine zusammenfassende Darstellung und Einordnung der Ergebnisse erfolgt.

2 Einbettung des Themas in die „labour geography“

Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zu der „labour geography“ 1 geleistet werden. Menschliche Arbeit, industrielle Beziehungen und gewerkschaftliches Handeln gelten als Themen dieses jungen Forschungsfelds der Geographie. Erst seit den 1990er Jahren ist eine intensive Auseinandersetzung mit arbeitsbezogenen Forschungsfragen und die Herausbildung einer entsprechenden Teildisziplin der Wirtschaftsgeographie zu beobachten (Tufts/Savage 2009: 945; Coe/Jordhus-Lier 2010: 29, 2011: 212). In Kapitel 2.1 wird beschrieben, wie die „labour geography“ aus der neoklassischen Wirtschaftsgeographie heraus entstanden ist, ehe in Kapitel 2.2 die Weiterentwicklung der Disziplin seit den 1990er Jahren im Hinblick auf die inhaltlichen Schwerpunkte, theoretischen Konzepte, untersuchten Räume und die Herkunft der daran beteiligten Geographen aufgezeigt wird. Dabei wird der in dieser Arbeit behandelte Forschungsgegenstand in die „labour geography“ eingeordnet. Dass das gewerkschaftliche Handeln bezüglich Leiharbeit aus geographischer Perspektive bislang fast unerforscht ist, wird in Kapitel 2.3 verdeutlicht.

1

Inhaltlich nicht deutlich von der „labour geography“ abgegrenzt und häufig synonym verwendet werden auch die Bezeichnungen „labour market geographies“ (Green 2006), „geographies of employment“ (Wills et al. 2000) und „geographies of work“ (Pijpers 2009). Im deutschsprachigen Raum wird „labour geography“ mit „Geographie der Arbeit“ (Berndt/Fuchs 2002) oder – wie in einer deutschsprachigen Übersetzung eines Artikels von Herod – mit „Arbeitsgeographie“ (Herod 2010a) übersetzt. Zur Vermeidung von Irritationen wird in der vorliegenden Arbeit durchgängig nur die herkömmliche englische Bezeichnung „labour geography“ verwendet.

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2.1 V ON

DER „ GEOGRAPHY OF LABOUR “ ZUR „ LABOUR GEOGRAPHY “

Im Folgenden wird der Entwicklungsverlauf von der „geography of labour“ zur „labour geography“ nachgezeichnet, um darzulegen, wie sich die theoretischkonzeptionelle Prägung, die Inhalte, der räumliche Bezug, die Herkunft der Geographen und die Darstellung des „arbeitenden Menschen“ wandelten. In Anlehnung an Herod (1997) werden in Tabelle 1 drei Phasen der geographischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Arbeit“ voneinander differenziert. Die ersten beiden Phasen werden der „geography of labour“ zugerechnet. Durch die dritte Phase vollzog sich der Umbruch zur „labour geography“. Im Unterschied zur „geography of labour“ betrachtet die „labour geography“ den „arbeitenden Menschen“ nicht mehr lediglich als unmündiges Opfer der Diktate des Kapitals, sondern als eigenständigen sozioökonomischen Akteur mit eigenen Interessen und einer Interessenvertretung. Bei der in dieser Arbeit untersuchten gewerkschaftlichen Mitgliederwerbung und Interessenvertretung von Leiharbeitern handelt es sich demnach um einen neuen und lange Zeit kaum beleuchteten Untersuchungsgegenstand der „labour geography“. Dies wird im Folgenden ausführlich erläutert. In der ersten Phase, die bis in die 1970er Jahre andauerte, war die Wirtschaftsgeographie durch die ökonomische Neoklassik geprägt (Lösch 1954; Isard 1956). Menschliche Arbeit wurde mit anderen Produktionsfaktoren wie Boden und Rohstoffen gleichgesetzt und als eine Einflussgröße mit räumlich variierenden Faktorkosten betrachtet, von denen Unternehmen ihre Investitions- bzw. Standortentscheidungen abhängig machen (Martin/Sunley 2010: 3). Kritisiert wurde an der neoklassischen Sichtweise, dass ihr zufolge Wirtschaftsräume ausschließlich durch das Profitstreben von Unternehmen gestaltet werden (Herod 1997: 5ff., 2010a: 173f.). Während Unternehmer als die einzigen einflussreichen Akteure galten (Herod 1997: 5ff., 2010b: 18), wurden Beschäftigte zu unmündigen Opfern der Diktate des Kapitals degradiert: „Der „arbeitende Mensch“ kam so nicht über die Rolle eines untergeordneten, von mächtigeren Interessen weitgehend determinierten passiven Wesens hinaus“ (Berndt/Fuchs 2002: 158). Deshalb fanden Arbeitskämpfe von kollektiv organisierten Belegschaften zunächst keinen Eingang in geographische Untersuchungen (Herod 1997: 5ff.). Mit Beginn der marxistisch inspirierten Wirtschaftsgeographie erfolgte ein perspektivischer Wandel (Peck 2000: 133; Herod 2003: 115; Lier 2009: 27), der den Eintritt in die zweite Phase der geographischen Erforschung von Arbeit markiert (Coe/Jordhus-Lier 2010: 30). In den 1970er und 1980er Jahren vollzogen sich tief greifende sozioökonomische Restrukturierungen auf den Arbeitsmärkten (Peck 2000: 133ff.; Albrecht 2005: 68), die das Interesse an Forschungsfragen zu den Themen „Arbeit und Beschäftigung“ förderten (Martin/Sunley 2010: 4).

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Tabelle 1: Drei-Phasen-Modell der Entwicklung von der „geography of labour“ zur „labour geography“ Phase Bezeichnung

Bis in die 1970er Jahre

1970er/ 1980er Jahre

„geography of labour“

1990er Jahre bis heute „labour geography“

Theoretischkonzeptionelle Prägung

Ökonomische Neoklassik

Marxismus, Regulationstheorie

Institutionenökonomie, New Economic Sociology, Regulationstheorie, industrielle Transition, social turn, cultural turn

Inhalte

Untersuchung der räumlichen Verbreitung von Arbeit als Produktionsund Standortfaktor

Untersuchung der sozioökonomischen Restrukturierungen und des Wandels auf Arbeitsmärkten beim Übergang vom Fordismus zum Postfordismus

Untersuchung von Arbeit, industriellen Beziehungen und gewerkschaftlichem Handeln in einer globalisierten Welt

Räumlicher Bezug Anglophoner Raum Herkunft der Geographen Darstellung des „arbeitenden Menschen“

als unmündiges Opfer der Diktate des Kapitals

Industrie-, Transformations-, Schwellen- und Entwicklungsländer als mündiger sozioökonomischer Akteur mit eigenen Interessen und Interessenvertretung

Quelle: Eigene Darstellung nach Herod 1997, 2003, 2010b; Peck 2000; Berndt/Fuchs 2002; Castree et al. 2004; Albrecht 2005; Lier 2009; Coe/Jordhus-Lier 2010, 2011

Die Ausbreitung flexibler Produktionsprozesse, neuer Arbeitsmodelle und Regulierungssysteme wurde als Ausdruck der Umbrüche des Akkumulationsregimes und der Regulationsweise im Zuge des Übergangs vom Fordismus zum Postfordismus (Aglietta 1979; Lipietz 1985) interpretiert (Herod 1997: 7ff.; Wills et al. 2000:

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1523). Das neue Akkumulationsregime des Postfordismus brachte die Liberalisierung der Märkte und die internationale Arbeitsteilung mit sich (Berndt 2008: 45). Die neoliberale Erwerbspolitik der konservativen britischen und US-amerikanischen Regierungen von Thatcher und Reagan zielte auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Deregulierung des Arbeitsmarktes ab (Massey 1984; Storper/Walker 1989). Geographen versuchten die Auswirkungen der Umwälzungen zu erklären, die sich insbesondere im Niedergang von Arbeitsplätzen in den Branchen des produzierenden Gewerbes sowie in der Tertiärisierung zeigten (z.B. Bluestone/Harrison 1982; Massey 1984). Die Vertreter dieser Phase leisteten zwar einen bedeutenden Beitrag zur stärkeren Berücksichtigung von arbeitsbezogenen Forschungsfragen in der Wirtschaftsgeographie (Berndt/Fuchs 2002: 159). Doch wurden Beschäftigte noch immer als unterdrückte Klasse dargestellt. Gewerkschaften und Arbeitskämpfe fanden auch weiterhin kaum Beachtung (Herod 1997: 11ff.). Erst ab den 1990er Jahren fand eine explizite Abkehr von der konventionellen Denkart statt, die bis dato das Verständnis von Arbeit in der Geographie geprägt hatte. Als Protagonist der dritten Phase plädierte Herod (1997, 2001) dafür, die neoklassisch und marxistisch beeinflussten Phasen als „geography of labour“ zu bezeichnen. Diese grenzte er inhaltlich und terminologisch von der „labour geography“ ab (Coe/Jordhus-Lier 2010: 30). Im Gegensatz zur „geography of labour“ wird in der „labour geography“ der „arbeitende Mensch“ als mündiger sozioökonomischer Akteur mit eigenen Interessen verstanden. Laut der neuen Sichtweise sind Beschäftigte durchaus dazu in der Lage, durch strategisches Handeln Einfluss auf den Wirtschaftsraum auszuüben (Herod 1997: 15ff., 2010a: 174f.). Ihnen wird erstmals zugestanden, dass sie in die Gestaltung und Nutzung des Wirtschaftsraums involviert sind: „The term „labour geography“ was coined to describe approaches that attempt to incorporate a more active sense of workers and their organizations struggling to shape the economic landscape as an integral part of their own social practices” (Herod 2000: 348f.). In der Folge wurde eine Vielzahl von geographischen Fallstudien publiziert, die Herods Aussagen unterstützen. Weil der Aufbau und die Nutzung der Handlungsmacht von Beschäftigten durch Gewerkschaften erfolgt (Herod 1998a, 2000, 2008), wurde der Blick erstmals auf die räumlich wirksamen Strategien der Interessenvertreter von Arbeitnehmern (Coe et al. 2007: 270; Martin/Sunley 2010: 12) und die räumlichen Bedingungen gerichtet, unter denen Gewerkschaften agieren (Herod 2000: 341) (Kapitel 2.2). Beispielsweise mit Streiks können Beschäftigte eine zuvor in der „geography of labour“ unterbeleuchtete Einflussmacht aufbauen (Castree et al. 2004: 156ff.; Coe/Jordhus-Lier 2011: 212f.). Zudem werden die Bündnisse untersucht, die Gewerkschaften mit anderen Akteursgruppen vor Ort eingehen (Tufts/Savage 2009: 947). Um Synergien zu erzielen, schließen sie sich z.B. mit Kirchengemeinden zusammen („community unionism“) (Wills 2001a: 466).

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Die Einflussmöglichkeiten von Beschäftigten sind jedoch nicht nur auf ihr unmittelbares lokales Handlungsumfeld beschränkt, sondern werden durch transnationale Allianzen mit Gewerkschaftsmitgliedern andernorts erweitert (Coe/Jordhus-Lier 2010: 31): Um den international agierenden Arbeitgebern auf „Augenhöhe“, bzw. auf derselben Maßstabsebene entgegen zu treten, verbünden sich die Arbeitnehmer von „global players“ mit Kollegen an anderen Standorten. Solche international angelegten Kampagnen haben ebenfalls Einzug in die geographische Forschung gehalten (Castree et al. 2004: 209ff.). Weil jene Studien die Grundannahme der „labour geography“ empirisch belegen, wonach der „arbeitende Mensch“ als mit Handlungsmacht ausgestatteter sozioökonomischer Akteur verstanden werden muss, gilt diese Kernaussage der „labour geography“ inzwischen als allgemein akzeptiert (Castree 2010: 459).

2.2 T HEMEN , T HEORIEN UND RÄUMLICHE B EZÜGE DER „ LABOUR GEOGRAPHY “ Inzwischen hat die „labour geography“ ihr Profil als wirtschaftsgeographische Teildisziplin geschärft (Tufts/Savage 2009: 945). In diesem Kapitel wird deshalb ein Überblick über die inhaltlichen Schwerpunkte, theoretischen Konzepte sowie die untersuchten Räume der „labour geography“ und die regionale Herkunft der daran beteiligten Geographen gegeben. Seit der Entstehung der „labour geography“ kristallisierte sich ein breites und äußerst heterogenes Themenspektrum heraus (z.B. Wills et al. 2000: 1523; Berndt/Fuchs 2002: 159f.; Lier 2007: 814; Castree 2010: 460; Coe/Jordhus-Lier 2010: 31, 2011: 211f.). Im Folgenden werden die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte der „labour geography“-Forschung im anglophonen Raum aufgeführt, jedoch ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen: • „Geographies of labour market governance“ (Haughton/Peck 1996): Formierung der Arbeitsmärkte und Arbeitsregime sowie die Regulation von Arbeitsbeziehungen (z.B. Jones 1998; MacLeod/Jones 1999) • Arbeitskulturen, Arbeits-Identitäten sowie neue Management-Praktiken am Arbeitsplatz (z.B. McDowell 1997; Wright 1997) • „Gendered labour markets“ (Berndt/Fuchs 2002: 159): Geschlechtsspezifische Segregation und die Stellung der Frau im Arbeitsleben (z.B. Hanson/Pratt 1991; McDowell 2001) • „Geography of labour migration“ (Castree 2010: 467): Die Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfe von Migranten (z.B. Green/Owen 1995; Wills et al. 2010)

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• „Geographies of labour contingency“ (Peck/Theodore 2001: 484): Voraussetzungen und Folgen der Ausbreitung prekärer Beschäftigung (z.B. Endresen 2010) • Neue Akteure auf Arbeitsmärkten, die sog. „labour market intermediaries“ (Benner 2003: 621ff.; Coe/Jordhus-Lier 2011: 226f.), wie z.B. Leiharbeitsfirmen, „head hunter“ und öffentliche Arbeitsvermittlungen (z.B. Peck/Theodore 1998; Ward 2003) (Kapitel 2.3) • Formen von Arbeit, die sich infolge der Tertiärisierung und Globalisierung neu entwickelt haben, z.B. in Call-Centern (Beerepoot 2010) und im E-Commerce (Zook/Samers 2010) • Die Folgen von Standortverlagerungen (Pickles/Smith 2010) und OutsourcingProzessen (Taylor/Bain 2010) in Transformations- und Schwellenländer • „Geography of union solidarity“ (Herod 2000: 352): Gewerkschaftliche Interessenvertretung und Mitgliederrekrutierung (z.B. Cumbers 2005; Ellem 2010) • „New labour internationalism“ (Lambert/Gillan 2010): Transnationale Solidarität, z.B. durch Kooperation von Gewerkschaften in den „Global Union Federations“ (GUFs), (z.B. Anderson et al. 2010; Cumbers/Routledge 2010) und Mitbestimmung auf supranationaler Ebene im „European Works Council“ (EWC) (z.B. Fitzgerald/Stirling 2010; Wills 2001b). Der Vielfalt an Themen entsprechend besitzen die Publikationen der „labour geography“ keine „kohärente gemeinsame theoretische Plattform“ (Berndt/Fuchs 2002: 160), sondern werden verschiedene theoretische Ansätze als Zugänge zu industriellen Beziehungen genutzt. Die Vertreter der „labour geography“ knüpfen an Konzepte aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an, z.B. an Ansätze der Institutionenökonomie, der New Economic Sociology und an den Regulationsansatz (ebd.). Zudem beleuchten Vertreter der Industriegeographie und „labour geography“ seit ca. fünf Jahren „neue räumliche Muster global-lokaler Verflechtungen“ (Fromhold-Eisebith/Fuchs 2010), die Entstehung internationaler Produktionsnetzwerke und „neue Formen der internationalen Arbeits- und Kompetenzaufteilung“ (ebd.); diese Themen fokussieren die Autorinnen durch die theoretisch-konzeptionelle Brille der „industriellen Transition“ (ebd., 2012). Einige Protagonisten der „labour geography“ (McDowell 1997; Wright 1997) vollzogen außerdem in den 1990er Jahren einen Perspektivenwechsel, der im Zusammenhang mit dem „cultural turn“ der Humangeographie bzw. im Kontext entsprechender gesellschafts- und geisteswissenschaftlicher „turns“ zu sehen ist (Berndt/Fuchs 2002: 161; Herod 2000: 346). Andere „labour geographer“ (z.B. Hanson/Pratt 1995; Herod 1997; Wills 1998) wählten eine eher institutions- und akteursbezogene sowie „engagierte“ Perspektive, die sich im Zuge des „social turns“ in der Geographie herausgebildet hat (Berndt/Fuchs 2002: 161f.). Zugleich nimmt die „labour geography“ zunehmend räumliche Regionen in den Fokus, die bislang keine Aufmerksamkeit von ihr erfahren haben (Coe/Jordhus-Lier

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2011: 214). Weil das Fach ursprünglich bis auf einige Ausnahmen auf Forschungsthemen ausgerichtet war, die in westlichen Industrieländern zu beobachten waren, wurde häufig ein Desinteresse an Arbeitskämpfen im globalen Süden bemängelt (z.B. Bergene et al. 2010: 6; Castree 2010: 466). Während sich die Sicht auf Beschäftigte in westlichen Industrieländern als aktiv handelnde Wirtschaftssubjekte etabliert und breiten Zuspruch gefunden hatte, wurden die Beschäftigten in anderen Wirtschaftsräumen vielfach weiterhin als passive Opfer imperialistischen Kapitals gesehen (Lier 2009: 63). Als Reaktion auf diese Kritik beziehen sich die Studien jüngeren Datums immer öfter auch auf Transformationsländer (z.B. zu Südkorea: Doucette 2010; zu Polen: Stenning 2010), auf Schwellenländer (z.B. zu Südafrika: Lier 2009; Bezuidenhout/Webster 2010) und auf Entwicklungsländer (z.B. zu Nigeria: Andrae/Beckmann 2010; zu Namibia: Jauch/Bergene 2010). Außerdem stammen „labour geographer“ nicht mehr ausschließlich aus dem anglophonen Raum. Die „labour geography“ hat innerhalb der westlichen Industrieländer eine Ausbreitung erfahren und in weiteren Ländern einen gewissen Stellenwert erlangt. Auch an vereinzelten Hochschulen im deutschsprachigen Raum lassen sich zwar Geographen finden, deren Arbeiten Beiträge zur „labour geography“ leisten (z.B. Fuchs 1999; Berndt 2000, 2002, 2008; Zeller 2000, 2008; Klagge 2002; Albrecht 2002, 2005, 2006; Albrecht/Klagge 2008; Heeg 2008a, b; Franz 2010). Jedoch wurde vielfach (Fassmann/Meusburger 1997: 15; Berndt/Fuchs 2002: 158; Albrecht 2005: 4, Albrecht/Klagge 2008: 13) kritisiert, dass die Themen der „labour geography“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz kaum verankert sind. Es wurde aufgezeigt, wie sich die Auseinandersetzung mit arbeitsbezogenen Fragestellungen zu einer eigenständigen, wenn auch disparaten Subdisziplin der Wirtschaftsgeographie entwickelt hat. Seit ihren Anfängen hat sich die „labour geography“ bezüglich ihrer Themen sowie theoretisch-konzeptionellen und räumlichen Perspektive positioniert. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie die vorliegende Forschungsarbeit in den Themenkanon der „labour geography“ einpasst.

2.3 G EOGRAPHISCHE F ORSCHUNG ZU G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT – AKTUELLER S TAND UND ANKNÜPFUNGSPUNKTE Das Thema der vorliegenden Forschungsarbeit ist an der Schnittstelle von drei der aufgeführten Themenkategorien der „labour geography“ angesiedelt – zwischen der Forschung zur gewerkschaftlichen Rekrutierungsbemühungen, zu prekären Beschäftigungsverhältnissen und zu Arbeitsmarktintermediären. Wie im Folgenden aufgezeigt wird, bestehen zu diesen Themenfeldern noch Forschungsdesiderate:

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Einige Vertreter der „labour geography“ sehen eine Schwäche ihres Fachs darin, dass die Erfassung der gewerkschaftlichen Mitgliedergewinnung und Interessenvertretung bislang erst ansatzweise erfolgt ist (Castree 2010: 467). Die entsprechenden Untersuchungen fokussieren sich primär auf die Organisierung von Mitgliedern aus den Beschäftigtengruppen, die klassischerweise die Mehrheit in Gewerkschaften stellen. Forschungslücken bestehen jedoch bezüglich der Rekrutierung der dynamisch wachsenden Zielgruppen, wie den prekär Beschäftigten (Castree 2010: 466; Herod 2010b: 24; Savage 1998: 230). Auf die bisherige Vernachlässigung der Strategien, mit denen Gewerkschaften neue Zielgruppen ansprechen, weist z.B. Savage (1998: 230) hin: „[D]espite the widespread agreement that labor unions must change their insitutional forms and strategies, however, remarkably little research has been done on new organizing efforts“. Gerade dieser Forschungsfokus hat für die untersuchten Gewerkschaften allerdings eine zukunftsträchtige Bedeutung, weil davon abhängt, wie durchsetzungsstark und politische einflussreich sie künftig sein werden (Cumbers 2005: 117f.). Nicht nur die Mitgliedergewinnung von prekär Beschäftigten, sondern darüber hinaus die Voraussetzungen und Folgen der Ausbreitung prekärer Beschäftigung nennen Albrecht und Klagge (2008: 13) sowie Herod (2000: 1784) explizit als ein weiteres Forschungsfeld, das mehr Aufmerksamkeit als Forschungsgegenstand der „labour geography“ erfahren sollte. In diesem Themenfeld setzt die bisherige geographische Forschung zu Leiharbeit an, die Ende der 1990er Jahre begann. Sie befasst sich in erster Linie mit der räumlichen Ausbreitung der Beschäftigungsform und ihrer Branche. In dem Zusammenhang sind die Publikationen von Peck an der University Wisconsin-Madison und Theodore an der Universität in Chicago hervorzuheben, die in den USA Interviews mit dem Management von Leiharbeitsfirmen sowie mit Gewerkschaftssekretären und Regierungsabgeordneten geführt haben. An den Universitäten in Manchester und in Liverpool bildete sich die sog. „Geographies of Temporary Staffing Unit“ (GOTSU), eine britische Forschergruppe aus Coe, Ward und Johns, welche die Leiharbeitsmärkte diverser Länder untersucht. In den Beiträgen der beiden „Kompetenzzentren“ zur Erforschung von Leiharbeit aus geographischer Sicht und den Publikationen weiterer Autoren wird den Auswirkungen der räumlichen Ausbreitung dieser Beschäftigungsform auf verschiedenen Maßstabsebenen besondere Aufmerksamkeit gewidmet (Peck/Theodore 2001). Sie untersuchen die durch das steigende Angebot an Leiharbeitern bedingte Flexibilisierung der Arbeitsmärkte von Städten, Regionen und Ländern im anglophonen Raum (zu Chicago: Peck/Theodore 1998, 2001; zu Detroit: Gottfried/Fasenfest 2001; zu Manchester: Ward 2003; zum Silicon Valley: Carnoy et al. 1997; Benner 2002; zu den USA: Peck/Theodore 2007). Beispielsweise zeigte Ward (2003: 6f.), dass Leiharbeitsfirmen in Manchester maßgeblich zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der altindustriellen Stadtregion beigetragen haben. Aufgrund des großen Pools an Leiharbeitskräften wurde die Stadt in den 1990er Jahren

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für ihren flexiblen Arbeitsmarkt bekannt, weshalb sich viele Unternehmen für die Ansiedlung in Manchester entschieden. Auch zu Leiharbeitsfirmen als intermediäre Akteure auf dem Arbeitsmarkt existiert noch ein enormes Forschungspotenzial (Coe/Jordhus-Lier 2011: 226ff.). Erste empirische Ergebnisse liegen insbesondere zu der Globalisierung der Branche vor (Coe et al. 2009: 16; Peck et al. 2005). Einige Studien (Peck/Theodore 2001, 2002, 2007; Peck et al. 2005) untersuchten die Entwicklung US-amerikanischer Leiharbeitsfirmen und ihrer Geschäftsstrategien. Als deren heimischer Markt vollständig erschlossen war und keine großen Wachstumspotentiale mehr erwarten ließ, verfolgten diese Firmen aggressive Internationalisierungsstrategien (Peck/Theodore 2007: 189; Peck et al. 2005: 3). Die britische Forschergruppe untersucht die Internationalisierung europäischer und US-amerikanischer Leiharbeitsfirmen in einer Ländervergleichsstudie (Coe et al. 2009). Diese „labour geographers“ nutzten das Konzept der „varieties of capitalism“ (Hall/Soskice 2001)2, um zu verdeutlichen, dass die „global player“ bei der Erschließung neuer Märkte die in den jeweiligen Ländern geltenden institutionellen Bedingungen berücksichtigen müssen, denn die rechtlichen Maßgaben unterscheiden sich erheblich. Hierfür prägte GOTSU (2009) den Terminus „national varieties of temporary staffing“. Die Internationalisierung der Leiharbeitsfirmen stieß zwar anfänglich an Grenzen, weil die Aktivitäten der Branche bis Ende der 1990er Jahre in vielen Ländern nicht erlaubt waren. Sobald Leiharbeit jedoch dereguliert wurde, erfolgte binnen kürzester Zeit die Erschließung des Marktpotenzials (Coe et al. 2011: 1099f.). Die bisherigen Forschungsprojekte in der „labour geography“ zu Leiharbeit befassen sich demnach mit den Auswirkungen der Beschäftigungsform auf die Arbeitsmärkte auf verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen sowie mit der – von den nationalen rechtlichen Bedingungen abhängigen – Erschließung neuer Märkte. Aus Sicht der Autorin greifen die dargestellten Inhalte und vertretenen Sichtweisen zu Leiharbeit aber aus zwei Gründen zu kurz: Erstens fällt auf, dass in diesen Studien die Strategien der Leiharbeitsfirmen und deren Wirkungen im Vordergrund stehen, wohingegen die Interessenvertretung der Arbeitnehmer in der Branche bislang unberücksichtigt geblieben ist. Dass die Per2

Der Ansatz erklärt das Entstehen verschiedener Formen des Kapitalismus mit dem länderspezifischen Arrangement von Institutionen. Mit diesen institutionellen Unterschieden lässt sich darlegen, wie die jeweiligen Ausprägungsformen des Kapitalismus in dem nationalen Wirtschaftssystem die Koordination zwischen Akteuren (Regierung, Unternehmen, Gewerkschaften) und so auch „die für die Entwicklung der Erwerbsgesellschaft besonders wichtigen Arbeitsmarktstrukturen und Arbeitsbeziehungen“ (Albrecht/Klagge 2008: 13f.) beeinflussten.

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spektive der Leiharbeiter nicht stärker im Mittelpunkt steht, verwundert insofern, als Herod (z.B. 1997) in der mit großer Zustimmung eingeführten „labour geography“ darauf hinwies, dass auch die Perspektive des „arbeitenden Menschen“ und gerade nicht ausschließlich die des kapitalistischen Unternehmens eingenommen werden solle (Kapitel 2.1). Peck und Theodore (2010: 102f.) merkten lediglich an, dass Gewerkschaften Leiharbeiter zunehmend in ihre Aktionen mit einbeziehen, beließen es jedoch bei dieser Feststellung. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „gewerkschaftliche Rekrutierungsbemühungen in der Leiharbeitsbranche“ steht in der „labour geography“ demnach noch aus. Zweitens verwundert als Folge des erstgenannten Kritikpunkts, dass in der aktuellen geographischen Auseinandersetzung mit Leiharbeit eine auffällig unkritische Sichtweise vertreten wird. Implizit dominiert eine positive Einschätzung der Beschäftigungsform – obwohl sie in Gewerkschaften, Gesellschaft, Forschung und Medien als stark umstritten gilt. Die bislang erfolgte geographische Forschung zu Leiharbeit präsentiert die Unternehmen der untersuchten Branche als neutrale Vermittler auf dem Arbeitsmarkt bzw. als passive Profiteure des personalpolitischen Flexibilisierungsbedarfs ihrer Kundenfirmen. Betont wird zudem, dass die Leiharbeitsbranche mit ihrem Angebot an flexiblen Arbeitskräften zum ökonomischen Wachstum beiträgt. Hingegen werden die negativen Folgen von Leiharbeit, wie die Prekarisierung der Beschäftigten in dieser Branche, nur randlich erwähnt (Peck/ Theodore 2007: 181; GOTSU 2010). Dies zeigt, dass erstens die von Herod (z.B. 1997) geforderte Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit des „arbeitenden Menschen“ speziell in diesem Forschungsfeld der „labour geography“ offenbar noch nicht erfolgt ist und das Forschungsinteresse die gewerkschaftliche Organisation von Leiharbeitern bislang ausblendet. Infolgedessen wird zweitens ein uneingeschränkt positives Bild von der Branche gezeichnet. Weil dieses in der arbeitsweltlichen Realität jedoch nur bedingt eine Entsprechung findet, bedarf es dringend einer kritischen Revision. Auch in der interdisziplinären Gewerkschaftsforschung steht die Untersuchung der „trade unions responses to agency work“ (Bergström/Styhre 2010: 477) noch am Anfang. Die Recherche der Autorin hat ergeben, dass sich nur wenige Wirtschaftswissenschaftler, Sozialwissenschaftler und Politikwissenschaftler in Ländervergleichen (Francesconi/Garcia-Serrano 2002; Campbell 2005; Håkansson/ Isidorsson 2005) sowie in einzelnen Ländern (zu den USA: Sweeney 2006; van Jaarsveld 2006), zu Großbritannien: Slater 2003; Heery 2004; Forde/Slater 2005, zu Italien: Leonardi 2008, zu Österreich: Böheim/Zweimüller 2007, zu Schweden: Bergström/Styhre 2010) damit befasst haben. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Beschäftigungsform Leiharbeit begann im deutschsprachigen Raum im Jahr 1997, als Rudolph und Schroeder vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit einen ersten fundierten Bericht zur sozialstatistischen Entwicklung der Leih-

E INBETTUNG

DES

T HEMAS IN DIE „ LABOUR GEOGRAPHY“

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arbeit in Deutschland vorlegten. Die Erforschung der Mitgliedergewinnung von Leiharbeitern ist bislang ausschließlich durch die Arbeits- und Industriesoziologie (z.B. Aust/Holst 2006; Pernicka/Aust 2007; Wölfle 2008) erfolgt – und selbst dort nur im weiteren Zusammenhang mit anderen atypischen Beschäftigungsformen. Demnach stehen Publikationen zur Reaktion der deutschen Gewerkschaften auf die Zunahme von Leiharbeit aus geographischer Perspektive noch gänzlich aus. Zudem stellt die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Thematik auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen und Ländern ein noch unterbeleuchtetes Forschungsfeld dar.

3 Konzeptionelle Bezugspunkte: Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten

Zur Erläuterung der theoretischen Konzepte und Begrifflichkeiten, die sich um Ressourcen in Organisationen ranken, wird in Kapitel 3.1 zunächst ausgeführt, was in den Organisationswissenschaften allgemein unter Ressourcen verstanden wird. In Kapitel 3.2 wird der ressourcenbasierte Ansatz vorgestellt und verdeutlicht, warum die darin vertretene Perspektive auf Ressourcen eine Erweiterung durch das Konzept dynamischer Fähigkeiten erfahren hat. Für diese Arbeit sind nur die wissensbasierten Ressourcenarten relevant – Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten. Diese werden in Kapitel 3.3 herausgegriffen, anhand von spezifischen Kriterien differenziert und hinsichtlich ihrer Beziehung zueinander als hierarchische Abstufung konzipiert. Anschließend werden die mit dynamischen Fähigkeiten ablaufenden Prozesse der Ressourcenentwicklung (Kapitel 3.4) vorgestellt. In Kapitel 3.5 erfolgt eine kritische Reflektion darüber, ob es sich bei den Aufgaben und Prozessen in Unternehmen um dynamische Fähigkeiten handelt und sich dynamische Fähigkeiten empirisch identifizieren lassen.

3.1 R ESSOURCENVERSTÄNDNIS IN DEN O RGANISATIONSWISSENSCHAFTEN Von dem Begriff der „Ressource“ hat sich bislang in der organisationswissenschaftlichen Literatur kein einheitliches Verständnis herausgebildet. Stattdessen werden unter verschiedenen Ressourcenbegriffen unterschiedlichste Faktoren zusammengefasst, die eine Effizienz steigernde Wirkung auf die Wertschöpfung von Unternehmen haben können (Priem/Butler 2001: 32; Eberl 2009: 51; Bathelt/Glückler 2011: 65) (Tabelle 2).

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Tabelle 2: Häufig zitierte Definitionen von Ressourcen Autoren

Definition

Wernerfeld (1984: 172)

„anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm“

Barney (1991: 101)

„all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness“

Grant (1991: 118)

„inputs into the production process“

Sanchez et al. (1996: 8)

„assets that are available and useful in detecting and responding to market opportunities and threats“

Teece et al. (1997: 516)

„firm-specific assets that are difficult if not impossible to imitate“

Helfat/Peteraf (2003: 99)

„an asset or input to production (tangible or intangible) that an organization owns, controls, or has access to“

Quelle: Eigene Zusammenstellung

In den häufig zitierten Definitionen von Wernerfeld (1984) und Grant (1991) (Tabelle 2) werden Ressourcen weit gefasst und als allgemeine Stärken und Schwächen bzw. als Input für Produktionsprozesse eines Unternehmens betrachtet. Barney (1991) nennt als konkrete Beispiele für Ressourcen Wissen, Information und Fähigkeiten. Laut den weiteren in Tabelle 2 aufgeführten Definitionen sind Ressourcen firmenspezifisch und schwierig zu imitieren (Teece et al. 1997). Sie werden von Unternehmen kontrolliert (Helfat/Peteraf 2003) und dazu genutzt, Gefahren sowie Erfolg versprechende Gelegenheiten zu erkennen (Sanchez et al. 1996). Um diesen breiten Ressourcenbegriff zu systematisieren, wurden verschiedene Kategorien eingeführt. Bereits Penrose (1959) differenzierte zwischen physischen Ressourcen (z.B. Immobilien, Grundstücke, Rohmaterialien) und menschlichen Ressourcen (Humanressourcen). Eine besonders häufig verwendete Klassifizierung (Eberl 2009: 51) ist die Unterteilung der Ressourcen nach Wernerfeld (1984) in tangibel und intangibel. Tangibel bzw. materiell sind demnach solche Ressourcen, die als Sacheinrichtungen physisch und personenunabhängig in den Kontext der Organisation eingebunden sind, wie z.B. Immobilien, Produktions- und Technologien. Als intangibel bzw. immateriell werden hingegen nicht sicht- und messbare Ressourcen bezeichnet, die weiter als personenunabhängig oder personengebunden differenziert werden können (Hall 1991). Patente, Markenrechte und Lizenzen sind

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der Kategorie der personenunabhängigen intangiblen Ressourcen zuzuordnen (ebd.: 42 ff.). Im Gegensatz dazu zählen Intelligenz, Wissen, Routinen sowie Fähigkeiten zu den personengebundenen Ressourcen. In der vorliegenden Studie sind lediglich die intangiblen, personengebundenen Ressourcen (Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten) von Belang.

3.2 R ESSOURCENORIENTIERTER ANSATZ ALS AUSGANGSPUNKT FÜR DAS K ONZEPT DER DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN Bei dem in dieser Arbeit verwendeten Konzept der dynamischen Fähigkeiten handelt es sich um eine Erweiterung des ressourcenorientierten Ansatzes der Organisationswissenschaften. Dieser Ansatz befasst sich mit der Frage, wie Unternehmen mit ihren Ressourcen dauerhafte Wettbewerbsvorteile auf dem Markt erzielen (Barney 1991: 101; Priem/Butler 2001: 23). Da sich einige Ideen des Ansatzes bereits bei Penrose (1959) in ihrer Arbeit „Theory of the Growth of the Firm“ finden lassen, wird die Autorin häufig als Begründerin des Konzepts bezeichnet (Montgomery 1995). Außerdem entwickelte sich der ressourcenorientierte Ansatz aus den theoretischen Vorüberlegungen weiterer bedeutender Ideengeber (Selznick 1957; Ansoff 1965). Den Anstoß für eine umfassende theoretische Aufarbeitung in der organisationswissenschaftlichen Literatur gab allerdings erst Wernerfelds (1984) grundlegende Arbeit, in der auch der Begriff des ressourcenorientierten Ansatzes eingeführt wurde. In den 1980er Jahren vertraten weitere Autoren diesen Ansatz (Rumelt 1984; Barney 1986; Dierickx/Cool 1989). Maßgeblich vorangetrieben wurde die Fortentwicklung des Ansatzes durch Barney (1991), Grant (1991), Peteraf (1993) sowie Amit und Schoemaker (1993). Mit den Arbeiten in den 1990er Jahren wurde das Ziel verfolgt, einen Gegenentwurf zu dem bis dato dominierenden, aber oft kritisierten marktorientierten Ansatz (Porter 1985) zu etablieren. Darin wurden die Marktkräfte als Einflussgrößen im Handlungsumfeld als ursächlich für Wettbewerbsvorteile von Unternehmen betrachtet (Ebers 2007: 13). Am marktorientierten Ansatz wurde bemängelt, dass er Unternehmen als passive „Spielbälle“ der Marktkräfte konzeptionalisiere (Teece et al. 1997: 510; Eberl 2009: 43; Teece/Augier 2009: 86). Die Kritik wurde von den jüngeren Vertretern des ressourcenbasierten Ansatzes aufgegriffen (Barney 1991: 100). Sie argumentieren, dass Unternehmen über eine idiosynkratische Ressourcenausstattung verfügen (Peteraf/Barney 2003: 312; Helfat et al. 2007a: 3). Diese entstehe, weil einige Ressourcen nicht frei auf den Faktormärkten zu beschaffen seien und selber erzeugt werden müssten (Eberl 2009: 44). Statt unternehmensexternen Einflussgrößen seien die Ressourcenkonfigurationen

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und deren spezifische Nutzungsweise im Unternehmen die Voraussetzung für Wettbewerbsvorteile (Bowman/Ambrosini 2003: 291). Der Fokus des ressourcenbasierten Ansatzes ist jedoch nicht auf die vollständige Ressourcenausstattung einer Organisation gerichtet, sondern das Interesse gilt lediglich den sog. strategischen Ressourcen, die das Potenzial besitzen, Wettbewerbsvorteile zu generieren (Penrose 1959: 24; Montgomery 1995: 256 ff.). Dies trifft laut des Kriterienkatalogs nach Barney (1991: 105ff.) nur auf diejenigen Ressourcen zu, welche die sog. VRIO-Eigenschaften aufweisen. VRIO steht als Akronym für „value“, „rareness“, „imitation“ und „organization“ (Barney/Griffin 1992: 219; Barney 1997: 45).1 Demzufolge werden strategische Ressourcen von gewöhnlichen Ressourcen in Bezug auf das Potenzial zur Generierung von Wert sowie den Grad der Seltenheit, der Imitierbarkeit und der Organisationsspezifität differenziert: • „Value“: Ressourcen sind als wertvoll zu bezeichnen, wenn durch sie Chancen aufgedeckt und Risiken abgewendet werden können (Barney 1992: 42f.). Das Kriterium gilt dann als erfüllt, wenn die Ressource z.B. dazu beiträgt, eine unternehmerische Strategie zur Kostensenkung umzusetzen (Barney 1991: 106; Peteraf/Barney 2003: 309ff.). • „Rareness“: Das Attribut der Seltenheit bezieht sich darauf, dass eine Ressource bei keinem oder nur wenigen Unternehmen in identischer Weise vorfindbar ist. Je seltener eine Ressource existiert, desto größer ist ihr strategisches Potenzial (Barney 1991: 106). • „Imitation“: Eine Ressource führt lediglich dann zu Wettbewerbsvorteilen, wenn sie nur eingeschränkt oder bestenfalls überhaupt nicht imitierbar ist (Barney 1991: 107, 1997: 160; Bowman/Ambrosini 2003: 291f.). Schließlich ist der von einer Organisation erlangte „first-mover advantage“ (Lieberman/Montgomery 1988) nur von kurzer Dauer, wenn die Ressourcen kopiert werden können (Barney 1991: 107). Der Aufbauprozess strategischer Ressourcen jedoch benötigt Zeit und kann von einem Wettbewerber nicht oder nur unter erheblichen Mehrkosten verkürzt werden, was zu zeitinduzierten Effizienzverlusten („time compression diseconomies“) führt (Dierickx/Cool 1989: 1507).2 1

In der Literatur lassen sich weitere Abkürzungen finden, die auf denselben Bezugsrahmen rekurrieren. Ein Beispiel ist VRIN für „valuable“, „rare“, „inimitable“ und „nonsubstitutable“ (Eisenhardt/Martin 2000: 1105).

2

Barney (1991: 107f.) identifizierte drei Imitationsbarrieren, die zu hohen Kosten führen und so die Imitation von Ressourcen durch andere Organisationen erschweren bzw. verhindern: Erstens durchlaufen Organisationen individuelle Entwicklungen, die Einfluss auf ihre idiosynkratische Ressourcen der Organisation nehmen („Historizität“). Aufgrund dieser Pfadabhängigkeit kann die in einer Organisation ausgebildete Ressource in ande-

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• „Organization“: Unternehmen müssen über eine interne Struktur verfügen, mit der das Potenzial der Ressourcen genutzt werden kann. Deshalb müssen Organisationsformen gefunden werden, welche die Ausschöpfung der Ressourcen fördern (Barney 1997: 160). Je organisationsspezifischer die Ressourcen einer Organisation kombiniert werden und je schwieriger ihre Ressourcen zu kopieren sind, desto seltener kann demnach eine bestimmte Ressourcenkonfiguration vorgefunden werden und desto nachhaltiger sind die von ihnen abhängigen Wettbewerbsvorteile (Burr 2003: 358f.; Ebers 2007: 13). Doch der bloße Besitz der strategischen Ressourcen genügt nicht, sondern erst ihre Nutzung ist für den Erfolg bzw. Misserfolg der Organisation entscheidend und führt zu den unterschiedlichen Wettbewerbspositionen der Unternehmen am Markt (Penrose 1959: 25; Peteraf/Barney 2003: 311ff.). Als zentraler Kritikpunkt wurde am ressourcenorientierten Ansatz häufig genannt, dass darin Ressourcen als unveränderlich angesehen werden und die Dynamik im Handlungsumfeld der Organisation keine Berücksichtigung findet (Brush et al. 2001; Helfat/Peteraf 2003). Aufgrund seiner statischen Betrachtungsweise (Teece et al. 1997: 514; Priem/Butler 2001: 33f.; Easterby-Smith et al. 2009: 1) zeigt der ressourcenorientierte Ansatz lediglich auf, wie Organisationen zu einem bestimmten Zeitpunkt eine überlegene Wettbewerbsposition erlangen. Die Erklärungsleistung des Ansatzes reicht aber nicht dazu aus, plausibel aufzuzeigen, wie Organisationen ihre Wettbewerbsposition langfristig sichern können (Eisenhardt/Martin 2000: 1106; Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 6; Teece/Augier 2009: 87). Dieses Erklärungsproblem ist besonders deshalb von Relevanz, weil die Dynamik in Unternehmensumwelten steigt (Helfat et al. 2007a: 1). So sehen sich Unterren Unternehmen nicht zu denselben Ergebnissen führen. Zweitens kann Nichtimitierbarkeit daraus resultieren, dass der Zusammenhang zwischen Ressourcen, ihrer spezifischen Bündelung und den nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen in einer Organisation intransparent ist und nicht nachvollzogen werden kann. Die unüberschaubar große Anzahl an Ressourcen und deren zahlreiche Kombinationen im Unternehmen sowie der teilweise implizite Charakter der Ressourcen (z.B. die Erfahrung der Mitarbeiter) machen es nahezu unmöglich, die genauen Ursache-Wirkungs-Beziehungen in ihrer Gänze zu analysieren („kausale Ambiguität“). Wenn nicht genau identifiziert werden kann, auf welche Ressourcenkombinationen ein Wettbewerbsvorteil zurückzuführen ist, scheitert eine Imitation. Drittens bilden sich durch die täglichen Interaktionen Netzwerke zwischen den Mitarbeitern der Organisation sowie zu externen Akteuren („soziale Komplexität“). Die Ressourcen sind in das Beziehungsgeflecht eingebettet, weshalb Konkurrenten diese Zusammenhänge nicht immer verstehen. Dies ist aber die Voraussetzung für die Imitation von Ressourcen.

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nehmen heute mit wachsenden Wissensbeständen und mit immer rasanter ablaufenden Veränderungsprozessen in den Märkten und Branchen konfrontiert (Lundvall/ Johnson 1994: 25; Nonaka et al. 2003: 491; Easterby-Smith/Prieto 2008: 236f.). Auch gesetzliche Regulierungen können Herausforderungen bedeuten, auf die Organisationen regieren müssen (Pettus et al. 2007). Unter diesen Bedingungen müssen ein höheres Maß an Komplexität und Dynamik erschlossen und immer wieder neue Erkenntnisse in Wettbewerbsvorteile umgewandelt werden (Eberl 2009: 20). Unter den sich wandelnden Handlungsbedingungen genügt es nicht, bestimmte Ressourcen lediglich zu kontrollieren. Vielmehr muss die Organisation die Fähigkeiten besitzen, die Ressourcen in effizienter Art und Weise neu zu kombinieren und weiterzuentwickeln (Helfat et al. 2007a: 1), um zu verhindern, dass die Wettbewerbsvorteile unter den dynamischen Bedingungen erodieren (Medcof 2000: 61; Priem/Butler 2001: 34ff.). Die externen Veränderungen üben demnach einen enormen Handlungs- bzw. Anpassungsdruck auf Organisationen aus. Mit der statischen Sichtweise des ressourcenorientierten Ansatzes lässt sich jedoch nicht erklären, wie Organisationen erfolgreich bleiben, wenn sich die Umweltbedingungen verändern und andere Ressourcen erfolgsentscheidend werden (Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 6). Es wird offenkundig, dass der ressourcenorientierte Ansatz unter globalisierten Wirtschaftsbedingungen mit seiner Erklärungskraft an Grenzen stößt (Burr 2003). Deshalb war eine Theorie erforderlich, die auf die sich rasch ändernden Wettbewerbsbedingungen und den davon ausgehenden Handlungsdruck auf Unternehmen eingeht – das Konzept der dynamischen Fähigkeiten (Boerner et al. 2003: 109; Bowman/Ambrosini 2003: 289; Teece/Augier 2009: 87). Dessen Annahmen liegen der im folgenden Kapitel erläuterten hierarchischen Ordnung der wissensbasierten Ressourcen von Unternehmen zugrunde.

3.3

H IERARCHISCHE O RDNUNG WISSENSBASIERTER R ESSOURCEN

In der vorliegenden Arbeit zu dynamischen Fähigkeiten sind nur diejenigen intangiblen Ressourcen von Relevanz, die wissensbasiert sind: Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten. Die drei Ressourcenarten verbindet, dass sie das Ergebnis von langwierigen, pfadabhängigen Lernprozessen darstellen (Teece/Pisano 1994: 546f.; Zollo/Winter 2002: 340; Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 6). Auch ihre Weiterentwicklung basiert auf Lernprozessen, denn wann immer eine Organisation durch die Rekonfiguration ihrer organisationalen Fähigkeiten und Routinen ihr Verhalten ändert, setzt sie dabei zuvor neu erlernte Wissensinhalte um (Teece et al. 1997; Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 6).

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Aufgrund ihres Aufbaus durch Lernprozesse besitzen Routinen, organisationale Fähigkeiten und dynamische Fähigkeiten einen hohen Imitationsschutz (Amit/ Schoemaker 1993: 39; Teece 1997: 515). Außerdem sind sie schwierig zu kopieren, weil sie zum Teil auf tazitem Wissen beruhen (Boschma/Weterings 2005: 567), in organisationale Strukturen eingebunden sind (Nelson/Winter 1982; Teece 2009) und aus den komplexen sozialen Interaktionen der Organisationsmitglieder resultieren (Eberl 2009: 42). Routinen sowie organisationale und dynamische Fähigkeiten gelten demnach als wertschaffend, selten und nicht imitierbar (Teece et al. 1997: 515), sodass davon auszugehen ist, dass sie sich positiv auf den Erfolg der Organisation auswirken (Barney 1991: 105ff.; Teece et al. 1997: 515; Bowman/Ambrosini 2003: 291f.). Ehe die hier relevanten drei wissensbasierten Ressourcenarten in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich dargestellt werden, wird zunächst ihre Abgrenzung voneinander erläutert. In Anlehnung an Protogerou et al. (2008) sowie Pandza und Thorpe (2009) wird hierzu eine hierarchische Kategorisierung der Ressourcen vorgeschlagen. Um eine Differenzierung der drei wissensbasierten Ressourcenvorzunehmen, bedarf es eines geeigneten Abgrenzungskriteriums. Weil die drei Ressourcen für Aufgaben von unterschiedlich großer Komplexität genutzt werden, bergen sie für die Organisation ein verschieden weit reichendes strategisches Potenzial zur Anpassung an Veränderungen im Umfeld (Winter 2003; Protogerou et al. 2008). Deshalb werden sie jeweils einer unterschiedlichen Hierarchiestufe zugeordnet und als Ressourcen erster, zweiter und dritter Ordnung bezeichnet (Abbildung 1). Routinen gehören der untersten Stufe dieser Ressourcenhierarchie an (z.B. Hall 1992), weil sie lediglich repetitives Verhalten als Reaktion auf wiederkehrende Situationen ermöglichen (Nelson/Winter 1982: 15; Becker 2004: 102). Routinisierte Verhaltensweisen gewährleisten in einer Organisation Stabilität unter konstanten Bedingungen (Cyert/March 1963; Nelson/Winter 1982), aber reichen nicht dazu aus, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Das strategische Potenzial von Routinen zur Bewältigung komplexer Aufgaben in der Organisation ist demnach vergleichsweise gering (Abbildung 1). Die zweite Ressourcenart, die in Bezug auf das Konzept der dynamischen Fähigkeiten einer detaillierten Erläuterung bedarf, sind organisationale Fähigkeiten. Diese versetzen eine Organisation in die Lage, auf Routinen zuzugreifen, sie zu kombinieren und zu koordinieren (Dosi et al. 2000: 4; Lee/Slater 2007: 245). Weil erst mit organisationalen Fähigkeiten die effektive Nutzung der Routinen bzw. der Ressourcen erster Ordnung möglich ist, stehen sie in der Hierarchie an zweiter Stelle (Amit/Schoemaker 1993). Sie ermöglichen es einer Organisation, ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Hall 1993: 610; Helfat et al. 2007a: 1). Die Hauptaufgabe von organisationalen Fähigkeiten besteht darin, für Stabilität zu sorgen, indem sie die Wettbewerbsvorteile des Unternehmens unter stabilen Bedingungen aufrechterhalten (Amit/Schoemaker 1993: 39; Schreyögg/Kliesch 2006: 460).

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Abbildung 1: Wissensbasierte Ressourcen erster, zweiter und dritter Ordnung

Quelle: Eigene Darstellung nach Nelson/Winter 1982; Kirsch 1998; Amit/Schoemaker 1993; Winter 2003; Becker 2004; Schreyögg/Kliesch 2006; Helfat et al. 2007a; Protogerou et al. 2008; Pandza/Thorpe 2009

Wandeln sich die Rahmenbedingungen, können Routinen und organisationale Fähigkeiten obsolet werden (Gersick/Hackman 1990: 72; Lazaric 2008: 210). Zur Anpassung an solche Veränderungen im Handlungsumfeld sind dynamische Fähigkeiten unverzichtbar, weil nur sie die Organisation in die Lage versetzen, neue Routi-

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nen und organisationale Fähigkeiten zu entwickeln bzw. bestehende Routinen und organisationale Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Die aus den Ressourcenentwicklungsprozessen resultierenden neuen Ressourcenkonfigurationen ermöglichen es der Organisation, neue Wettbewerbsvorteile hervorzubringen sowie organisationalen Wandel zu initiieren, um Anpassung an Veränderungen zu gewährleisten und so auf den externen Handlungsdruck zu reagieren (Eisenhardt/Martin 2000: 1105f.). Weil sie die Organisation speziell zur Bewältigung von solch komplexen Leistungen befähigen, werden dynamische Fähigkeiten als Ressourcen dritter Ordnung betrachtet (Danneels 2008: 520f.). Mit der hierarchischen Konzeption der Ressourcen wird dem häufig vorgebrachten Kritikpunkt am Konzept der dynamischen Fähigkeiten entgegengewirkt, dass es Gefahr läuft, sich in tautologischen Zirkeln zu verlieren (Priem/Butler 2001). Denn in einigen Publikationen werden dynamische Fähigkeiten auf derselben Ebene verortet wie Routinen und organisationale Fähigkeiten. Weil die Autoren hierfür keine übergeordnete Operationsebene einführen, erfolgt die Anwendung und die Anpassung der Routinen und organisationalen Fähigkeiten auf der gleichen Ebene. Routinen und organisationale Fähigkeiten sind aber per se nicht in der Lage, kritisch über das Zustandekommen des Erfolgs bzw. Misserfolgs zu reflektieren und sich zu verändern (Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008: 14). Die Reflektion muss auf einer eigenständigen, übergeordneten Ebene erfolgen (Collis 1994: 148). Um dem Vorwurf der Tautologie zu entgehen, wird in dieser Arbeit die dritte Ebene der dynamischen Fähigkeiten als eine den Ressourcenentwicklungsprozess steuernde, übergeordnete Instanz eingefügt (Eberl 2009). Die Nutzung der Terminologie zu den drei wissensbasierten Ressourcen in Organisationen erfolgt in der Literatur inkongruent (Dosi et al. 2000: 3). Zudem haben sich unterschiedliche Perspektiven bezüglich ihrer Charakteristika und Funktionen herausgebildet (Felin/Foss 2004: 1). Deshalb werden Routinen, organisationale Fähigkeiten sowie dynamische Fähigkeiten im Folgenden präzise definiert. 3.3.1

Routinen: Ressourcen erster Ordnung

Routinen bilden einen zentralen Analysegegenstand der Organisationsforschung (Becker 2008: 3). Obwohl der Begriff der organisationalen Routine bereits früher in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschung verwendet wurde, erfolgte seine Etablierung erst 1982 durch Nelson und Winter. Seitdem wird die Weiterentwicklung des Verständnisses von Routinen weiter vorangetrieben. Das hier vertretene Routineverständnis speist sich aus den in Tabelle 3 aufgeführten, häufig zitierten Definitionen aus der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie und der evolutionären Ökonomik sowie aus weiteren Ansätzen der Routinenforschung.

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Tabelle 3: Häufig zitierte Definitionen von Routinen Autoren

Definitionen

Nelson/Winter (1982: 97)

„We use „routine“ in a highly flexible way, much as „program“ (or, indeed, „routine“), is used in discussion of computer programming. It may refer to a repetitive pattern of activity in an entire organization, to an individual skill, or as an adjective, to the smooth uneventful effectiveness of such an organizational or individual performance“

„patterned sequences of learned behaviour involving multiple Cohen/Bacdayan actors who are linked by relations of communication and/or (1994: 555) authority“ Feldman (2000: 611)

„repeated patterns of behaviour that are bound by rules and customs and that do not change very much from one iteration to another“

Miner et al. (2008: 153)

„a coordinated, repetitive set of organization activities or sustained shared cognitive bundle“

Quelle: Eigene Zusammenstellung

In allen in Tabelle 3 aufgeführten Definitionen wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Routinen um Handlungsmuster bzw. standardisierte Problemlösungssequenzen handelt, die in der Organisation wiederholt zu beobachten und auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind. Auch in der vorliegenden Arbeit wird diesem Charakteristikum bei der Identifizierung der Routinen in Gewerkschaften eine zentrale Bedeutung beigemessen: Solange eine Aktivität in einer Organisation nur selten durch einen Akteur vollzogen wird, handelt es sich noch nicht um routinisiertes Verhalten. Erst wenn durch weitere Akteure oder denselben Akteur häufige Wiederholungen dieser Handlung erfolgen (Berger/Luckmann 1966: 70; Knudsen 2008: 132; Kinder/Radwan 2010: 43), wird von einer Routine gesprochen. Die Bezeichnung als Handlungsmuster in den Definitionen in Tabelle 3 impliziert, dass eine Routine nicht bei jedem Ablauf in sämtlichen Details identisch abläuft. Stattdessen handelt es sich bei einer Routine um ein generelles Handlungsschema, dessen Einzelaktivitäten bei der wiederholten Praktizierung der Routine voneinander abweichen können (Cohen 2007: 782). Obwohl sie durch Individuen ausgeführt werden, erfordern Routinen kollektives Handeln bzw. das Miteinander mehrerer Akteure. Dies wird insbesondere in den Definitionen von Cohen und Bacdayan (1994) sowie Miner et al. (2008) deutlich und auch von anderen Autoren betont (z.B. Dosi et al. 2000: 5; Kinder/Radwan 2010: 43).

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Die Bildung von Routinen findet in Lernprozessen statt (Becker 2003: 24; Boschma/Weterings 2005: 567). Deshalb dienen Routinen als Speicher des akkumulierten, in der Organisation verfügbaren Wissens (Nelson/Winter 1982: 99; Cohen/Bacdayan 1994: 557; Miner et al. 2008: 154f.). Dem Routineverständnis der evolutionsökonomischen Perspektive3 in den Organisationswissenschaften und in dem hier vertretenen Routinenkonzept liegt zudem die Annahme zugrunde, dass die Generierung von Routinen von den externen Bedingungen geprägt wird. Organisationale Routinen sind laut Nelson und Winter (1982) die funktionalen Entsprechungen zu den Genen in der Biologie, denn die Vertreter des Ansatzes übertragen die Prinzipien der biologischen Evolutionstheorie auf die Wirtschaft (Dosi/Nelson 1994: 155; Kieser/Woywode 2006: 309; Martin/Sunley 2007: 573f.). In Analogie zur Genetik steht auch die Vorstellung, dass die Auslese der nützlichen Routinen bzw. Gene durch die Umwelt bestimmt wird (Kieser/Woywode 2002: 253). Lediglich an die Umwelt angepasste Routinen breiten sich in der Organisation unter anderem durch bewusste Aneignung in Lernprozessen aus, wohingegen ungeeignete Routinen in einem Selektionsprozess wieder verlernt werden (Nelson/Winter 1982: 9; Boschma/Frenken 2006: 278). Aus evolutionsökonomischer Perspektive sind organisationale Routinen demnach erlernte Handlungsmuster, die sich aufgrund des internen und externen Selektionsdrucks für bestimmte Aufgaben als zweckdienlich erwiesen haben (Nelson/Winter 1982: 82f.; Winter 2003: 991). Zwar schließt sich die Autorin nicht der Vorstellung an, Routinenentwicklung erfolge analog zu den biologischen Prozessen der Genetik. Jedoch wird auch in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Routineverständnis die Auffassung vertreten, dass die Entstehung von Routinen von den Umweltbedingungen beeinflusst wird. In einigen Definitionen wird zwar erwähnt, dass die Entscheidung, Routinen auszuüben, und der Ablauf der Routine unreflektiert erfolgen (z.B. Becker 2003: 9; Lazaric 2008: 209). Diese Ansicht teilt die Autorin jedoch nur unter einer Ein3

Das Werk „An Evolutionary Theory of Economic Change“ von Nelson und Winter (1982) markiert den Anfang der Evolutionsökonomie (Lazaric 2008: 216; Eberl 2009: 55f.). Inzwischen hat sich eine große Gruppe von Vertretern des Ansatzes formiert (z.B. Cohen et al. 1996; Levinthal 2000) und haben sich auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Soziologie und der Geographie, evolutionäre Perspektiven herausgebildet (Bathelt/Glückler 2002: 195). Die Evolutionsökonomie ist kein konsistentes Lehrgebäude (Schamp 2002: 42), sondern besteht aus einer Fülle von Ansätzen (PopulationEcology-Ansatz, St. Galler-Ansatz etc.) (Kieser/Woywode 2002: 253ff.). Diese eint die Auseinandersetzung mit organisationalen, ökonomischen und technologischen Entwicklungsprozessen im Zeitverlauf (Dosi/Nelson 1994: 155; Nelson 1995: 54). Deshalb ist der Evolutionsökonomie immer eine dynamische Sichtweise inhärent.

44 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

schränkung: Zwar ist zuzustimmen, dass die Handlungen beim Ablauf einer Routine unreflektiert bzw. automatisiert erfolgen. Der vorhergehende Entschluss zur Nutzung der Routine aber muss in Anlehnung an Amit und Schoemaker (1993: 35), Dosi et al. (2000: 2) sowie Kinder und Radwan (2010: 48) nicht zwangsläufig ebenfalls unbewusst sein, sondern kann auch das Ergebnis einer bewussten Entscheidung sein. In Anlehnung an das Routinenverständnis der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie4 besteht ein weiteres zentrales Charakteristikum von Routinen darin, dass sie den Akteuren in der Organisation als Orientierungshilfe und zur Reduktion von Unsicherheit dienen. Laut den Arbeiten der sog. Carnegie-Schule (Simon 1949; March/Simon 1958; Cyert/March 1963) ermöglichen Routinen die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung in unsicheren Situationen (March/Simon 1958; Cyert/March 1963). Die Vermittlung von Handlungssicherheit erfolgt unter anderem durch Verfahrensrichtlinien (z.B. Checklisten, Pläne), die präzise die erwarteten Handlungsweisen vorgeben. Weil sie sich bereits in der Vergangenheit als adäquat erwiesen haben, entbinden sie die Akteure davon, jeweils neu über Alternativen und potenzielle Folgen reflektieren zu müssen. Dadurch wird die Komplexität in Unsicherheit erzeugenden und häufigen Situationen reduziert. Routinen werden deshalb als Garanten für Stabilität betrachtet (Cyert/March 1963). Diese Auffassung prägt ebenfalls das Routineverständnis dieser Arbeit. Ändern sich allerdings die Bedingungen einer Organisation, wird die bestehende Problemlösungsarchitektur obsolet. Routinierte Verhaltensmuster können dann suboptimal werden (Gersick/Hackman 1990: 72). Die Reproduktion von Handlungen und Entscheidungen bei der Anwendung einer Routine kann bei unangebrachter Konstanz zu einer misserfolgsträchtigen Verfestigung führen („organizational inertia“, Hannan/Freeman 1977: 931) (Becker 2003: 20f.; Helfat et al. 2007b: 48f.; Lazaric 2008: 210). Demnach müssen Routinen an veränderte externe Rahmenbedingungen angepasst werden (Feldman/Pentland 2003: 102; Kinder/Radwan 2010: 51). Eine weitere Eigenschaft von Routinen ist zudem ihre zielorientierte Koordination durch die ihnen übergeordneten organisationalen Fähigkeiten (Winter 2003: 992; Lee/Slater 2007: 245). Dies wird im folgenden Kapitel ausführlicher erläutert. 4

Die Auseinandersetzung mit Routinen in Organisationen in der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie begann Ende der 1950er Jahre (Kieser/Walgenbach 2007: 40; Miner et al. 2008: 156f.; Eberl 2009: 73). Die Vertreter dieser Sichtweise gehen davon aus, dass Personen nur über eingeschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten verfügen („bounded rationality“) (Simon 1949; March/Simon 1958). In der Theorie wird der Frage nachgegangen, wie bei limitierten kognitiven Kapazitäten der Individuen die Rationalität der Entscheidungen, die in Organisationen getroffen werden, gewährleistet wird (Kieser/Walgenbach 2007: 40f.).

R OUTINEN,

3.3.2

ORGANISATIONALE

F ÄHIGKEITEN UND DYNAMISCHE F ÄHIGKEITEN

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Organisationale Fähigkeiten: Ressourcen zweiter Ordnung

Aus den Definitionen, die in Tabelle 4 zusammengestellt wurden, geht hervor, dass organisationale Fähigkeiten ein Unternehmen in die Lage versetzen, Aktivitäten zu organisieren und koordinieren (Teece et al. 1992: 22) und dabei von seinen anderen Ressourcen, wie z.B. seinen Routinen Gebrauch zu machen (Amit/Schoemaker 1993: 35), um ein bestimmtes Ziel oder einen strategischen Nutzen zu erreichen. Tabelle 4: Häufig zitierte Definitionen von organisationalen Fähigkeiten Autoren

Definitionen

Teece et al. (1992: 22)

„the capabilities of an enterprise to organize, manage, coordinate, or govern specific sets of activities“

Amit/Schoemaker (1993: 35)

„information-based, tangible and intangible processes that are firm-specific and are developed over time through complex interactions among firm’s resources“

Dosi et al. (2000: 2)

„to be capable of something is to have a generally reliable capacity to bring that thing about as a result of intended action“

Helfat/Peteraf (2003: 999)

„ability of an organization to perform a coordinated set of tasks, utilizing organizational resources, for the purpose of achieving a particular end result“

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Eine der wichtigsten Aufgaben von organisationalen Fähigkeiten besteht demnach in der zielgerichteten Auswahl und Kombination der organisationalen Routinen (Winter 2003: 992; Lee/Slater 2007: 245). Bei den mit organisationalen Fähigkeiten ausgeführten Aktivitäten handelt es sich um allgemeine Prozesse im operativen Tagesgeschäft (Hall 1993: 610; Helfat et al. 2007a: 1), wie in Unternehmen z.B. die Personalauswahl (Sanchez et al. 1996: 7f.). Bei der Nutzung der organisationalen Fähigkeit der Personalauswahl erfolgt der Ablauf der Routinen Identifikation der Vakanz, Ausschreiben der zu besetzenden Stelle, Management der Bewerbungsunterlagen, Koordination der Interviewtermine, Raumbeschaffung, Durchführung der Einzelgespräche und Besetzen der Vakanz (Berndt, D. 2010: 32). Aus den Definitionen in Tabelle 4 geht auch hervor, dass die Entscheidung über den Einsatz von organisationalen Fähigkeiten aufgrund ihrer Ausrichtung auf ein Ziel bewusst und intendiert erfolgt (Dosi et al. 2000: 2; Helfat/Peteraf 2003: 999). Demnach sind organisationale Fähigkeiten außerdem schriftlich oder verbal explizierbar und reflexiv zu hinterfragen (Felin/Foss 2004: 21f.).

46 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Die Handlungsabläufe einer organisationalen Fähigkeit bleiben auf lange Sicht unverändert (Helfat/Peteraf 2003: 999; Schreyögg/Kliesch 2006: 458; Zahra et al. 2006: 921), denn wenn sie sich in der Vergangenheit bewährt haben, halten Unternehmen an ihnen fest und verstetigen ihre Nutzung. Auf diese Weise sorgen organisationale Fähigkeiten ebenso wie Routinen für Stabilität und Konstanz (Schreyögg/ Kliesch 2006: 460). Solange die Organisation mit einem ähnlichen Handlungskontext konfrontiert wird, folgt sie wiederholt einem bewährten Handlungspfad (Gersick/Hackmann 1990), weil Organisationen dazu tendieren, immer wieder die gleichen tief verankerten Orientierungsmuster, Wissenskomponenten, Routinen und organisationalen Fähigkeiten zu aktivieren (Eberl 2009: 113). Allerdings kann dies zur Folge haben, dass die Herausbildung von neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen verhindert wird (March 1991: 73) und sich die Organisation neuen Orientierungen verschließt (Eberl 2009: 248). Wenn sich die Umweltanforderungen nicht oder nur sehr wenig verändern, wirkt sich dies nicht zwangsläufig negativ auf den Unternehmenserfolg aus. Unterliegt das Handlungsumfeld der Organisation jedoch einer gewissen Dynamik, müssen neue Problemlösungsmuster gesucht werden. Andernfalls werden die Routinen und organisationalen Fähigkeiten unhinterfragt aufrechterhalten und komplexe Probleme immer weiter mit denselben Lösungsmustern bearbeitet, obwohl diese nur noch zu suboptimalen Ergebnissen führen (Narduzzo/Warglien 2008: 312; Schulz 2008: 245). Die Fixierung auf bewährte Verhaltensmuster kann zur Folge haben, dass neues Wissen, das nicht zu den bestehenden Wissensbeständen passen, zunächst zurückgewiesen wird (Eberl 2009: 111). Hinweise auf Probleme werden in einem solchen Fall ignoriert (Lawson/Lorenz 1999: 311; Teece 2009: 20). Dadurch wird unterbunden, dass es zu einer neuen Situationsdefinition kommt, die alternative Problemlösungen anregen könnte (Argyris/Schön 1999: 34). Infolgedessen ist die Organisation nicht mehr in der Lage, den neuen Herausforderungen zu begegnen. Sie verliert ihren Umweltbezug sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit (Schreyögg/Kliesch 2006: 460). Dieses Phänomen wird „organizational inertia“ (Hannan/Freeman 1977: 931) genannt. Um die Routinen und die organisationalen Fähigkeiten an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen und nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufzubauen, benötigen Organisationen dynamische Fähigkeiten. Erst mit dem Konzept der dynamischen Fähigkeiten kann Wettbewerbsfähigkeit auch unter sich wandelnden Rahmenbedingungen hinreichend erklärt werden (Teece/Pisano 1994: 537ff.; Helfat/Peteraf 2009: 99).

R OUTINEN,

3.3.3

ORGANISATIONALE

F ÄHIGKEITEN UND DYNAMISCHE F ÄHIGKEITEN

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Dynamische Fähigkeiten: Ressourcen dritter Ordnung

Im Jahr 1990 wurde in einem Working Paper der Begriff „dynamic capabilities“ erstmals von Teece verwendet. In nachfolgenden Veröffentlichungen wurden die Inhalte und Aussagen des damit verbundenen Ansatzes präzisiert. Insbesondere Eisenhardt und Martin (2000) belebten die Debatte um das Konzept. Durch die sehr unterschiedlich ausfallenden Definitionen (Tabelle 5) wird deutlich, dass jedoch keine Einigkeit darüber besteht, worum es sich dabei konkret handelt. Tabelle 5: Häufig zitierte Definitionen von dynamischen Fähigkeiten Autoren Definitionen Eisenhardt/Martin „the firm’s processes that use resources – specifically the (2000: 1107) process to integrate, reconfigure, gain and release resources – to match and even create market change. Dynamic capabilities thus are the organizational and strategic routines by which firms achieve new resource configurations as markets emerge, collide, split, evolve, and die“ Helfat/Peteraf „involve adaptation and change, because they build, (2003b: 997) integrate, or reconfigure other resources and capabilities“ Teece et al. (1997: 515)

Zollo/Winter (2002: 340)

„the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments. Dynamic capabilities thus reflect an organization’s ability to achieve new and innovative forms of competitive advantage“ „a learned and stable pattern of collective activity through which the organization systematically generates and modifies its operating routines in pursuit of improved effectiveness“

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Während die primäre Aufgabe organisationaler Fähigkeiten in der Nutzung der Ressourcen unter relativ konstanten Rahmenbedingungen besteht, gewährleisten dynamische Fähigkeiten die Generierung und die Weiterentwicklung der Ressourcen unter sich wandelnden Bedingungen (z.B. Teece et al. 1997: 516; Zott 2003: 120; Helfat et al. 2007d: 28; Easterby-Smith/Prieto 2008: 236f.). Die bei der Nutzung dynamischer Fähigkeiten ablaufenden Ressourcenentwicklungsprozesse werden in den Definitionen von Eisenhardt und Martin (2000: 1107) sowie Helfat und Peteraf (2003b: 997) genannt: Ressourcenintegration, -aufbau, -rekonfiguration, -erwerb und -abbau.

48 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Organisationale Fähigkeiten bestätigen bestehende Wettbewerbsvorteile lediglich, wohingegen dynamische Fähigkeiten durch Ressourcenentwicklung neue Wettbewerbsvorteile hervorbringen (z.B. Teece et al. 1997: 515f.; Eisenhardt/Martin 2000: 1105f.; Luo 2000: 355; Zahra et al. 2006: 923; Teece 2009: 206) und versetzen die Organisation in die Lage, sich an veränderte Bedingungen im Handlungsumfeld anzupassen sowie auf den externen Handlungsdruck zu reagieren (Helfat/Peteraf 2003b: 997). Außerdem führen dynamische Fähigkeiten zu erhöhter Effizienz (Zollo/Winter 2002: 340) und organisationalem Wandel (Boerner et al. 2003: 109; Helfat et al. 2007a: 5f.). Die fortlaufende Anpassung an sich verändernde Umweltgegebenheiten mit dynamischen Fähigkeiten wird in Lernprozessen sichergestellt (Teece et al. 1997: 520). Darüber hinaus können Organisationen mit dynamischen Fähigkeiten selber Veränderungen auf den Märkten initiieren (Eisenhardt/Martin 2000: 1107; Zott 2003: 100). Dynamische Fähigkeiten schließen also grundsätzlich eine Absicht zum Lernen, zur Veränderung, Flexibilisierung und Innovation ein, wohingegen organisationale Fähigkeiten diese Intention nicht implizieren (Winter 2002). Nach dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Verständnis sind auch dynamische Fähigkeiten Teil der Ressourcenbasis einer Organisation (Helfat et al. 2007a: 13). Doch handelt es sich bei dynamischen Fähigkeiten um Fähigkeiten höherer Ordnung bzw. um Meta-Fähigkeiten (Helfat/Peteraf 2003: 997; Teece et al. 2009: 54). Weil dynamische Fähigkeiten aus den operativen Prozessen herausgelöst und den Routinen und organisationalen Fähigkeiten übergeordnet sind, versetzen sie die Organisation in die Lage, Kompetenzfallen zu erkennen und selbigen durch die Entwicklung und Weiterentwicklung der Routinen und organisationale Fähigkeiten auszuweichen (Schreyögg/Kliesch-Eberl 2008; Eberl 2009). In der Diskussion um eine korrekte Definition gilt es als umstritten, ob dynamische Fähigkeiten auch für „ad hoc problem solving“ bzw. „fire fighting“ sorgen können (Depeyre/Mirc 2007: 4). Gemäß Eisenhart und Martin (2000) werden Adhoc-Lösungen angesichts veränderter Rahmenbedingungen durch einen von zwei verschiedenen Typen dynamischer Fähigkeiten hervorgebracht, der Flexibilität speziell auf hochdynamischen Märkten sicherstellt. Durch diesen Typus dynamischer Fähigkeiten werden immer wieder völlig neue Ressourcenkombinationen generiert. Solche Reaktionen werden spontan in Situationen entwickelt, die derart neu für die Organisation sind, dass aus bisherigen Erfahrungen und bestehendem Wissen kein Nutzen gezogen werden kann. Stattdessen basieren sie auf der schnellen Generierung neuen Wissens sowie auf einem Höchstmaß an Flexibilität und Improvisation (Weick 1998: 544). Das so erworbene Wissen prägt sich bei Organisationsmitgliedern kaum ein und wird nicht nachhaltig im kollektiven Gedächtnis der Organisation gespeichert. Im Fall von Ad-hoc-Lösungen erfolgt deshalb keine Ausübung von Routinen (Winter 2003: 991f.). Dementsprechend währt der so generierte Wettbewerbsvorteil nur kurze Zeit (Eisenhardt/Martin 2000: 1113).

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ORGANISATIONALE

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In der vorliegenden Arbeit wird der Vorstellung von Eisenhardt und Martin (2000) widersprochen und werden Ad-hoc-Lösungen in Anlehnung an Winter (2002: 3; 2003: 991f.) sowie Schreyögg und Kliesch-Eberl (2008: 7) von dynamischen Fähigkeit abgegrenzt. Es wird die Ansicht vertreten, dass die mit dynamischen Fähigkeiten hervorgebrachten Reaktionen auf den externen Handlungsdruck, anders als improvisierte Problemlösungen, routinebasiert sind und aus einer komplexen Struktur bestehen, die – wie erwähnt – in langwierigen Lernprozessen aufgebaut werden muss (Teece et al. 1997).

3.4 R ESSOURCENENTWICKLUNG MIT DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN Die Kernaufgabe von dynamischen Fähigkeiten besteht in der Ressourcenentwicklung (Kapitel 3.3.3). Diese erfolgt in Organisationen laut Eisenhardt und Martin (2000: 1107f.), Helfat und Peteraf (2003b: 997) sowie weiteren Autoren (z.B. Adner/Helfat 2003; Verona/Ravasi 2003; Pablo et al. 2007) durch den Aufbau neuer Ressourcen, die Integration neuer und bestehender Ressourcen, die grundlegende Rekonfiguration der Ressourcen und den Abbau veralteter Ressourcen. Insbesondere die in der vorliegenden Studie analysierten organisationalen Fähigkeiten und Routinen unterliegen diesen Prozessen (Eisenhardt/Martin 2000: 1107; Bowman/Ambrosini 2003: 292ff.; Nooteboom 2009: 173). Dadurch entstehen neue Ressourcenkonfigurationen, die unter sich wandelnden Handlungsbedingungen zum Erreichen von strategischen Zielen der Organisation geeignet sind (Eisenhardt/Martin 2000: 1107; Helfat/Peteraf 2003b: 997). Den Prozessen des Ressourcenaufbaus, der Ressourcenintegration und der Ressourcenrekonfiguration liegt organisationales Lernen zugrunde, wohingegen der Ressourcenabbau durch Verlernen erfolgt (Pettus et al. 2007: 20; Danneels 2008: 519). Um ein präziseres Verständnis von den Ressourcenentwicklungsprozessen zu vermitteln, werden die genannten Typen dynamischer Fähigkeiten und deren Funktion bei der Ressourcenentwicklung detailliert erläutert. Tabelle 6 visualisiert in einer Zusammenschau ausgewählte Ansätze zu dynamischen Fähigkeiten, wobei sie sich stark an Eisenhardt und Martin (2000) orientiert und die übrigen Ansätze darunter einordnet. Wie in Tabelle 6 dargestellt, ist für die genannten Prozesse der Ressourcenentwicklung jeweils eine andere Kategorie dynamischer Fähigkeiten zuständig, die entsprechend ihrer Funktion bei der Ressourcenentwicklung benannt wird (Eisenhardt/Martin 2000: 1107f.). Demnach existieren in der Organisation dynamische Fähigkeiten, die z.B. speziell und ausschließlich zum Aufbau von Ressourcen zuständig sind. Ein anderer Typus dynamischer Fähigkeiten ist für die Integration der Ressourcen zu neuen Ressourcenkonfigurationen erforderlich etc. (Eidems 2010).

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Tabelle 6: Ressourcenentwicklung mit dynamischen Fähigkeiten dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau

dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenintegration

dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration

dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenabbau

Prozess

Aneignung von externem Wissen

Zusammenführung von intern existierenden und extern erworbenen Ressourcen zu neuen Ressourcenkonfigurationen

Grundlegende Umorganisation und Neuarrangement der Ressourcenkonfigurationen der Organisation zu neuen Ressourcenkonfigurationen

Herauslösung aus den Ressourcenkonfigurationen und Abbau von nicht mehr benötigten Ressourcen

Teece et al. (1997)

Lernprozesse

Lern-, Integrations- und Koordinationsprozesse

Rekonfigurationsund Transformationsprozesse

-

Teece (2007)

sensing

seizing

reconfiguration

-

Zollo/ Winter (2003)

-

Erfahrungsakkumulation und Wissensartikulation

Wissenskodifizierung

Verlernen

Eisenhardt/ Martin (2000)

Quelle: Eigene Darstellung

3.4.1

Dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau

Die wichtigste Ressource, die mit den dynamischen Fähigkeiten des Ressourcenaufbaus generiert werden muss, ist Wissen (Verona/Ravasi 2003: 599; Danneels 2008: 520). Ressourcenaufbau erfolgt deshalb als das Ergebnis der Lernprozesse von Akteuren, in denen sich die Organisation neue Ressourcen aneignet (Rothaermel/Hess 2007: 901f.). Teece (2007: 1322ff., 2009: 9ff.) bezeichnet die Nutzung dynamischer Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau als „sensing“, weil dabei Veränderungen im Umfeld realisiert werden. Das neue Wissen enthält nämlich ggf.Hinweise auf die externe Dynamik, an die sich die Organisation anpassen muss.

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3.4.2

ORGANISATIONALE

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Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenintegration

Unter der Ressourcenintegration (Teece et al. 1997; Eisenhardt/Martin 2000) ist die Zusammenführung von neu generierten und bereits bestehenden Ressourcen zu neuen Ressourcenkonfigurationen zu verstehen (Eisenhardt/Martin 2000: 1108; Helfat/Raubitschek 2000: 969ff.). Einzelne Akteure in der Organisation arbeiten neue Ressourcenkonfigurationen aus, mit denen sie auf die Veränderung im Handlungsumfeld reagieren. Sie wenden die neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen der Ressourcenkonfigurationen erstmals in ihrer Handlungspraxis an. Die daraus resultierende Erfahrungsakkumulation führt zur Formierung von tazitem Wissen (Zollo/Winter 2002: 341f.). Diesen Prozess, bei dem Gelegenheiten genutzt werden und Neues ausprobiert wird, bezeichnet Teece (2007: 1326ff.) als „seizing“. Weil erst kollektiv geteiltes Wissen zu einer organisatorischen Wissensbasis verdichtet werden kann, müssen die individuellen Wissensmodule der einzelnen Organisationsmitglieder kollektiviert werden (Nonaka/Takeuchi 1995). Dazu sind die Artikulation des individuellen Wissens durch den Erfahrungsaustausch und die Offenlegung von Erkenntnissen in organisationsinternen Diskussionen erforderlich. Dies ist die Vorstufe zur Kodifizierung des neuen Wissens im Rahmen der Ressourcenrekonfiguration (Zollo/Winter 2002: 341f.). 3.4.3

Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration

Unter der Ressourcenrekonfiguration (Eisenhardt/Martin 2000) werden Prozesse verstanden, durch die organisationale Ressourcen zu veränderten Ressourcenbeständen umorganisiert und grundlegend neu arrangiert werden (Becker 2003: 11f.; Eisenhardt/Martin 2000: 1107). Auch Teece et al. (1997: 520f.) sowie Teece (2007: 1334ff.) bezeichnen den dritten Prozess nach dem „sensing“ und „seizing“ der Ressourcenentwicklung mit dynamischen Fähigkeiten als „reconfiguration“. Dadurch wird gewährleistet, dass die Lernergebnisse tatsächlich in der gesamten Organisation aktiv umgesetzt werden. Zu diesem Zweck werden die neu entwickelten organisationalen Fähigkeiten und Routinen innerhalb der Organisation verbreitet (Zollo/Winter 2002: 344) und wird das diesbezüglich in der Organisation gesammelte Wissen kodifiziert (ebd.: 342). Das Wissen wird durch Verschriftlichung in Dokumenten und Handbüchern im Wissensspeicher der Organisation festgehalten (ebd.: 342). Durch das systematische Ausformulieren bewährter Erfahrungen und allgemein akzeptierter Wissensinhalte wird das artikulierte tazite Wissen zu dokumentiertem explizitem Wissen (Zollo/Winter 2002: 342).

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3.4.4

Dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenabbau

Über den Prozess des Ressourcenabbaus sind in der Literatur zu dynamischen Fähigkeiten bislang nicht viele Aussagen zu finden (Berndt, D. 2010: 57) (Tabelle 6). Nach dem bisherigen Wissensstand erfolgt Ressourcenabbau, wenn bestimmte Ressourcen unter veränderten Rahmenbedingungen ihren Wert verlieren, nicht mehr strategisch relevant sind und überflüssig werden bzw. keinen fortwährenden Nutzen für die Organisation mehr haben (Eisenhardt/ Martin 2000: 1114; Pettus et al. 2007: 20; Danneels 2008: 519). Würde an solchen Ressourcen festgehalten werden, könnte dies auf lange Sicht zu einem Zustand führen, der als „structural inertia“ bezeichnet wird (Kapitel 3.3.3).

3.5 K RITISCHE Ü BERLEGUNGEN ZUR EMPIRISCHEN B EOBACHTBARKEIT VON DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN Einige Autoren halten in Anlehnung an Eisenhardt und Martin (2000) dynamische Fähigkeiten für konkrete Aufgaben und operative Prozesse der alltäglichen Handlungspraxis von Unternehmen, wie z.B. die Forschung und Entwicklung (Tabelle 7). Folgt man dieser Perspektive, sind dynamische Fähigkeiten empirisch eindeutig zu benennen und zu beobachten. Tabelle 7: Als dynamische Fähigkeiten bezeichnete Aufgaben und Prozesse Aufgaben und Prozesse Kooperation/Akquisition

Autoren Amburgey et al. 2000

Forschung/Entwicklung

Helfat/Raubitschek 2000, Jantunen 2010, Lee/Slater 2007, Verona/Ravasi 2003 Kogut/Zander 1992 Branzei/Vertinsky 2006 Reuber/Fischer 2000 Macher/Mowery 2009, Newey/Zahra 2009

Wissensmanagement Strategische Entscheidungsfindung Erschließung neuer Märkte Effizienzsteigerung Quelle: Eigene Zusammenstellung

Einer Gegenposition zufolge sind dynamische Fähigkeiten im empirischen Forschungsmaterial nur aufgrund ihrer Wirkung zu identifizieren. Dieser Sichtweise schließt sich die Autorin an. Dem hier vertretenen Verständnis nach kann auf das Vorhandensein und die Nutzung dynamischer Fähigkeiten in einer untersuchten

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ORGANISATIONALE

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Organisation nur durch Interpretation geschlossen werden, wenn sich dynamische Fähigkeiten in Gestalt von Veränderungen, Wandel, Flexibilisierung, Anpassung und Innovation zeigen (Eberl 2009: 193). Folgt man dieser Sichtweise, sind es nicht die dynamischen Fähigkeiten, sondern die organisationalen Fähigkeiten, die für die Ausführung der in Tabelle 7 genannten Aufgaben und Prozesse erforderlich sind (Klein et al. 1991: 4ff.; Eberl 2009: 41). Dynamische Fähigkeiten sorgen hingegen dafür, dass z.B. die organisationale Fähigkeit der Forschung und Entwicklung dahingehend weiterentwickelt wird, dass sie zur Reaktion auf die Veränderungen der Kundenpräferenzen geeignet ist, indem die dynamischen Fähigkeiten die hierfür erforderlichen Lern- und Ressourcenentwicklungsprozesse gewährleisten (Oliver/ Holzinger 2008: 504). Erst, wenn Veränderungen dieser Aufgaben und Prozesse bzw. die Weiterentwicklung der ihnen zugrunde liegenden organisationalen Fähigkeiten zu beobachten sind, sind Rückschlüsse auf die Existenz und Nutzung von dynamischen Fähigkeiten zu ziehen. Begibt man sich auf die Suche nach den dynamischen Fähigkeiten einer Organisation, muss man deshalb das empirische Material im Hinblick auf Veränderungen der mit organisationalen Fähigkeiten ausgeübten Aufgaben und Prozesse hin analysieren.

3.6 Z WISCHENFAZIT Zunächst wurde allgemein aufgezeigt, welche Ressourcen in Organisationen unterschieden werden. Nach der Vorstellung des ressourcenorientierten Ansatzes der Organisationswissenschaften und der Darlegung der Kritik an dessen statischer Perspektive wurde die Notwendigkeit eines Ansatzes verdeutlicht, der die Ressourcenentwicklungsprozesse konzeptionell fassen kann, mit denen sich Organisationen an externe Veränderung anpassen. Der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten kann diese Erklärungsleistung erbringen. Deshalb erfolgte eine hierarchische Konzeption der drei hier relevanten Ressourcenarten: Routinen werden als Ressourcen erster, organisationale Fähigkeiten als Ressourcen zweiter und dynamische Fähigkeiten als Ressourcen dritter bzw. höchster Ordnung begriffen. Mit diesem Ressourcenverständnis wird der Gefahr vorgebeugt, sich bei der Argumentation in tautologischen Zirkeln zu verfangen. Für die weiteren Ausführungen wurde dargelegt, welche Charakteristika die Ressourcen der drei Stufen aufweisen und welche Funktionen sie in der Organisation konkret übernehmen. Die Hauptaufgabe von dynamischen Fähigkeiten, die Entwicklung der Ressourcenbasis der Organisation durch deren Aufbau, Integration, Rekonfiguration und Abbau, wurde präzisiert, indem verschiedene Konzepte zu dynamischen Fähigkeiten zu einer Synthese zusammengefügt wurden.

54 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Für die Erfüllung der konkreten Aufgaben bzw. für den Ablauf von beobachtbaren Prozessen in Unternehmen sind organisationale Fähigkeiten ursächlich – und nicht dynamische Fähigkeiten, wie von einigen Autoren angenommen. Erst wenn Veränderungen dieser Aufgaben und Prozesse bzw. die Weiterentwicklung der ihnen zugrunde liegenden organisationalen Fähigkeiten zu beobachten sind, lassen sich Rückschlüsse auf die Existenz und Nutzung von dynamischen Fähigkeiten ziehen. Nur auf diese indirekte Weise können dynamische Fähigkeiten im empirischen Material identifiziert werden. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, d.h. die Ressourcenentwicklungsprozesse in Gewerkschaftsorganisationen, wird im folgenden Kapitel herausgearbeitet, aus welchen Gründen bzw. unter welchen Voraussetzungen das Konzept dynamischer Fähigkeiten, das sich bislang nur auf Unternehmen bezieht, auch auf Gewerkschaften anwendbar ist.

4 Anwendbarkeit des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auf Gewerkschaften

In der vorliegenden Arbeit wird das Ziel verfolgt, das Konzept der dynamischen Fähigkeiten, das in der Organisationstheorie ursprünglich bezogen auf Unternehmen entwickelt wurde, für die Gewerkschaftsforschung nutzbar zu machen. Zu diesem Zweck wird der konzeptionelle Ansatz aus seinem betriebswirtschaftlichen Entstehungskontext herausgelöst und auf Gewerkschaften angewendet. In Kapitel 4.1 werden zunächst die Gemeinsamkeiten aufgezeigt, die Organisationen im Allgemeinen charakterisieren und die auch Unternehmen und Gewerkschaften aufweisen. Trotz der zahlreichen Übereinstimmungen bestehen einige Unterschiede zwischen den beiden Organisationen, die bei der Übertragung des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten berücksichtigt werden müssen. Diese Differenzen werden mithilfe einer Klassifizierung verschiedener Organisationstypen in Kapitel 4.2 verdeutlicht. In Kapitel 4.3 wird der Frage nachgegangen, weshalb die Übertragung des Konzepts aus der Unternehmens- in die Gewerkschaftsforschung trotz der Unterschiede möglich ist. Dabei wird argumentiert, dass beide Organisationen einem externen Handlungsdruck ausgesetzt sind, auf den sie mit ihren dynamischen Fähigkeiten reagieren müssen. Dass der Transfer von Konzepten aus der Organisationslehre in die Gewerkschaftsforschung sich bereits in der Vergangenheit als möglich erwiesen hat, wird in Kapitel 4.4 am Beispiel des Konzepts der lernenden Organisation erläutert. Kapitel 4.5 demonstriert, welche Erkenntnisgewinne möglicherweise durch einen Transfer des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten in die Gewerkschaftsforschung zu erwarten sind.

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4.1 Z ENTRALE C HARAKTERISTIKA VON O RGANISATIONEN In der Soziologie, Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaft (Etzioni 1961, 1971; Müller-Jentsch 2007; Kieser/Walgenbach 2007; Schroeder/Keudel 2008) lassen sich Hinweise auf die zentralen Charakteristika finden, die eine Organisation ausmachen. Unter Organisationen werden dauerhafte, zweckorientierte Kooperationssysteme verstanden, in denen Individuen arbeitsteilig ein gemeinsames Ziel verfolgen, das allein nicht oder zumindest nur unter größeren Schwierigkeiten erreicht werden könnte (Bühner 1999: 5; Kieser/Walgenbach 2007: 7ff.). Zudem sind Organisationen dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Leitungsinstanz und eine Verfassung besitzen (Kieser/Walgenbach 2007: 13). Sie sind so aufgebaut, dass die Koordination von Aufgaben sowie die Kommunikation und Kontrolle zwischen Mitgliedern möglich ist (Bühner 1999: 5f.; Kieser/Walgenbach 2007: 22). Die formale Struktur und die Weisungsbefugnisse werden durch informelle Elemente ergänzt (Buenstorf/Murmann 2003: 5f.), die sich z.B. in der „Unternehmenskultur“ ausdrücken (Schein 1985). Diese allgemeinen Eigenschaften von Organisationen haben Gewerkschaften und Unternehmen – unabhängig von ihren sonstigen Unterschieden (Kapitel 4.2) – gemeinsam.

4.2 U NTERNEHMEN

UND G EWERKSCHAFTEN ALS UNTERSCHIEDLICHE O RGANISATIONSTYPEN

Zur Verdeutlichung der Unterschiede zwischen Organisationen lassen sich in der Literatur Klassifikationssysteme finden. In der Organisationssoziologie werden nach Etzioni (1961) z.B. Unternehmen und Gewerkschaften wegen ihrer divergierenden Ziele und Funktionen unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Demnach werden unter „utalitarian organizations“ erwerbswirtschaftliche Unternehmen verstanden, die in der Regel kapitalistisch ausgerichtet sind und den Gesetzen der Marktwirtschaft folgen. Solche Organisationen beruhen auf dem entlohnten Engagement der Mitarbeiter sowie auf der Machtausübung durch die Organisationsleitung (Kieser/Walgenbach 2007: 13). Die Entscheidungsstrukturen utalitaristischer Organisationen verlaufen in der Regel „top-down“, bzw. sind durch das Management geprägt, das die Mitarbeiter auf ein bestimmtes Verhalten verpflichten kann (ebd.: 24f.). Unter der Bezeichnung „normative organizations“ werden z.B. Kirchengemeinden, Parteien und die hier untersuchten Gewerkschaften subsumiert. Diesen nichtprofitorientierten Organisationen treten Mitglieder bei, weil sie dieselben religiösen Überzeugungen, moralischen Wertvorstellungen, politischen Interessen o.Ä. teilen. In Bezug auf Gewerkschaften konstatieren Hyman (2001) und Dörre (2005), dass

D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

| 57

ein Leitbild die Mitglieder, Führungsgruppen und Apparate solidarisch verbindet, das sich aus sinnstiftenden, handlungsleitenden Ideen und Motiven zusammensetzt. Die Mitglieder bilden die tragende Basis der Organisation und nehmen maßgeblich auf die Ziele und Wege der Organisation Einfluss (Klöpper 2010: 62), weil normative Organisationen sich primär über das Wahlprinzip, über Ernennung und Akzeptanz bzw. Bestätigung organisieren und daher „bottom-up“ geprägt sind (Meyer/Fuchs 2008: 2). Doch auch Organisationen dieses Typs benötigen ein gewisses Maß an Bürokratisierung, einen professionalisierten Verwaltungsstab und Entscheidungszentralisierung, um funktionsfähig zu sein. Deshalb kommt es auch in „normative organizations“ bisweilen zu Demokratie- und Beteiligungsdefiziten (Klöpper 2010: 62). Helfat et al. (2007a: 6) weisen darauf hin, dass ihr Ansatz zu dynamischen Fähigkeiten sowohl für profitorientierte als auch für nicht-profitorientierte Organisationen gilt. Diese Aussage impliziert, dass dynamische Fähigkeiten nicht nur in „utalitarian organizations“ wie Unternehmen, sondern auch in Gewerkschaften als Beispiele für „normative organizations“ vorzufinden sind. Dennoch wird der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten bislang ausschließlich in Bezug auf Unternehmen angewendet. Im folgenden Kapitel wird jedoch dargelegt, dass beide Organisationstypen eine Gemeinsamkeit haben, die für eine Übertragbarkeit des Konzepts spricht: Sie müssen beide auf den Druck aus ihrem jeweiligen Handlungsumfeld reagieren, um dauerhaft fortbestehen zu können.

4.3 B EDEUTUNG DYNAMISCHER F ÄHIGKEITEN FÜR U NTERNEHMEN UND G EWERKSCHAFTEN Trotz der Unterschiede, die Unternehmen und Gewerkschaften bezüglich ihrer Ziele, Strukturen und Funktionen aufweisen, ist eine Übertragung des Konzepts dynamischer Fähigkeiten dennoch möglich. Denn beide Organisationstypen unterliegen einem enormen Druck, der aus den Entwicklungen in ihrem Handlungsumfeld resultiert. Sowohl auf Unternehmen als auch Gewerkschaften üben dynamische Entwicklungen im Handlungsumfeld Anpassungsdruck aus: Im Fall von Unternehmen kommt es auf den Märkten zu Schwankungen der Nachfrage, werden durch Konkurrenten innovative Technologien und Produkte etabliert und treten neue Wettbewerber auf. In Analogie hierzu sind Gewerkschaften mit dem Wandel der Arbeitsmärkte und Arbeitswelt konfrontiert. Die Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt unterliegt Veränderungen. Auch der Erlass neuer Gesetze, gestiegene europäische bzw. allgemein internationale Koordinierungsanforderungen (MüllerJentsch 2007: 107ff.) sowie die Dezentralisierung und Verbetrieblichung von Ver-

58 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

handlungen der Tarifpolitik (Bispinck/Bahnmüller 2007: 10; Berndt 2008: 45f.; Schroeder/Keudel 2008: 34f.) erweitern das Aufgabenspektrum von Gewerkschaftssekretären und erhöhen den Beratungs- und Betreuungsbedarf seitens der Mitglieder (Klöpper 2010: 57ff.). Tabelle 8: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Handlungsdrucks von Unternehmen und den DGB-Gewerkschaften Unternehmen

Gewerkschaften

Anpassungsdruck resultiert aus den Veränderungen auf den Märkten

dem Wandel der Arbeitsmärkte und der Arbeitswelt

Anforderungsdruck resultiert aus der Notwendigkeit der Kundenakquise, der Notwendigkeit der Gewinnung, Erfüllung von Kundenwünschen, Betreuung und Erfüllung Pflege von Kundenkontakten von Erwartungen von Mitgliedern Wettbewerbsdruck resultiert aus Konkurrenzunternehmen auf den Märkten

christlichen Gewerkschaften, Spartengewerkschaften und als Konkurrenz auftretenden Betriebsräten

Nutzung dynamischer Fähigkeiten zur Ressourcenentwicklung als Reaktion auf den Handlungsdruck aus dem sich verändernden Umfeld Quelle: Eigene Darstellung

Des Weiteren unterliegen die beiden Organisationstypen einem enormen Anforderungsdruck: Wenn Organisationen dem ihnen zugewiesenen gesellschaftlichen Auftrag nicht gerecht werden, weil sie z.B. die erforderlichen Ressourcen nicht akquirieren können, scheitern sie (Aldrich 1999). Damit Unternehmen auf lange Sicht überlebensfähig sind, müssen sie neue Kunden gewinnen. Die „Kunden“ der Gewerkschaften sind ihre Mitglieder. Als kollektive Organisationen, welche die Interessen von Arbeitnehmern repräsentieren, brauchen die DGB-Gewerkschaften eine starke Mitgliederbasis (Schroeder/Keudel 2008: 15; Prott/Keller 1997: 13; Schnabel 2005: 185): Erstens benötigen sie die monetären Beiträge von Mitgliedern, aus de-

D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

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nen sie sich fast ausschließlich finanzieren.1 Zweitens schafft erst eine „kritische Masse“ an Mitgliedern jene Einfluss- und Durchsetzungsmacht, um Arbeitgeber zu Zugeständnissen zu bewegen, sich die erforderliche gesellschaftliche Legitimation zu sichern und politischen Einfluss geltend zu machen (Ebbinghaus 2003: 175; Schnabel 2005: 185; Pernicka et al. 2005: 26ff.). Drittens sind sie auf eine große Beteiligungsbereitschaft und ehrenamtliches Engagement für die Organisationsziele angewiesen (Klöpper 2010: 65). Deshalb stehen sie unter dem Druck, die Mitgliedererosion zu stoppen (Visser 2007: 98). Wie Unternehmen innovative Produkte für neue Kundengruppen entwickeln, sind Gewerkschaften darauf angewiesen, neue Zielgruppen anzusprechen und sie mit Kampagnen und Unterstützungsangeboten zu umwerben. Dazu müssen sie neue Organisations-, Verhandlungs- und Einflussstrategien entwickeln und ihre Ziele modifizieren (Klöpper 2010: 63). Anforderungsdruck resultiert zudem daraus, dass Unternehmen den Wünschen ihrer Kunden gerecht werden und bestehende Kundenbeziehungen aufrecht halten müssen, denn die Kunden überprüfen ihre bestehenden Geschäftsbeziehungen von Zeit zu Zeit auf Effizienz und geben bisweilen langjährige Bindungen an ein Unternehmen auf. Zum Erhalt ihres Kundenstamms sind Unternehmen darauf angewiesen, durch die Veränderung von Produkten und Prozessen sowie durch die Erweiterung ihrer Geschäftsfelder die Nachfrage zu bedienen. Ebenso sind Gewerkschaften gezwungen, ihre Mitglieder zu betreuen und die Erfüllung von deren Erwartungen zu gewährleisten, denn auch Gewerkschaftsmitglieder hinterfragen hin und wieder ihren Mitgliedschaftsnutzen. Als Arbeitnehmer erhalten sie durch einen Beitritt ein bestimmtes Dienstleistungsangebot in Gestalt von Tarifverträgen, Versicherungen und Streikunterstützung (Lesch 2008: 207). Gewerkschaften gewähren ihren Mitgliedern Rechtsberatung und Rechtsschutz vor Gerichten, Verwaltungsbehörden und Sozialversicherungskörperschaften (Schroeder/Keudel 2008: 15). Aus solchen Angeboten ziehen ihre Mitglieder Nutzen und zahlen im Gegenzug einen Beitrag (Lesch 2008: 207). Obwohl sie von diesen Angeboten ihrer Gewerkschaft profitieren, erwägen Mitglieder hin und wieder den Austritt aus der Gewerkschaft, wenn sie z.B. ihre Arbeitnehmerinteressen, Überzeugungen und normativen Wertvorstellungen nicht (mehr) vertreten sehen (ebd.: 204). Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Organisationen besteht darin, dass Gewerkschaften ebenso wie Unternehmen einem Wettbewerbsdruck unterliegen: Unternehmen müssen permanent ihre Position auf den Märkten gegenüber Wettbewerbern behaupten. Seit der „Pluralisierung der Gewerkschaftslandschaft“ (Schroeder 1

Erwerbstätige Gewerkschaftsmitglieder zahlen als Beitrag ein Prozent ihres Einkommens (Ebbinghaus 2003: 176; Hassel 2003b: 114f.).

60 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

2008: 14) ab Ende der 1990er Jahre sind auch die im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften einer Konkurrenz ausgesetzt. Die DGB-Gewerkschaften stehen in einem bereits lange anhaltenden, unversöhnlichen Wettbewerb zu den 16 Mitgliedsorganisationen des Christlichen Gewerkschaftsbunds (CGB) (Schroeder 2008: 12). Diese haben in zahlreichen Branchen und mit vielen Unternehmen Tarifverträge abgeschlossen, mit denen sie die Tarifwerke der DGB-Gewerkschaften unterschreiten (Bispinck/Bahnmüller 2007: 20). Bestimmte Arbeitsgeberverbände nutzen den Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften, indem sie sich die „günstigste“ Gewerkschaft aussuchen (Lesch 2008: 314; Wolters 2008: 28). Die Unterbietungskonkurrenz durch den CGB zwingt vor allem die IG Metall in der Tarifpolitik in jenen Branchen zu Zurückhaltung, wo sie organisationspolitisch schwach ist und daher nur eine geringe Durchsetzungsstärke besitzt (Lesch 2008: 304; Schroeder 2008: 14). Unter anderem in der Leiharbeitsbranche konkurrierten seit 2003 die Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft mit dem Tarifwerk der Tarifgemeinschaft des CGB (Wolters 2008: 28; Schröder 2010c: 94) (Anhang 1).2 Des Weiteren setzen den DGB-Gewerkschaften die sog. „Spartengewerkschaften“ zu (Schroeder/Greef 2008; Dribbusch 2010), durch die das einst geltende Prinzip „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ ausgehebelt wurde (Schroeder/Keudel 2008: 59). Beispiele für diese speziellen Berufsverbände sind die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die Vereinigung Cockpit und der Marburger Bund (Schroeder 2008: 12). Zwar blicken einige der Berufsverbände auf eine jahrzehntelange Kooperation mit den DGB-Gewerkschaften zurück, deren Tarifführerschaft sie lange akzeptierten. Doch kündigten sie im Laufe der 2000er Jahre ihre Zusammenarbeit auf und traten damit in einen tarifpolitischen Überbietungswettbewerb mit den etablierten DGB-Gewerkschaften ein (Schroeder/Greef 2008: 329; Schroeder 2008: 14; Schroeder/Wessels 2003: 18). Weil sie nur für bestimmte, in der Regel höher qualifizierte Berufsgruppen verhandeln, erzielen sie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen (Bispinck/Bahnmüller 2007: 21; Lesch 2008: 312; Schroeder 2008: 12). Lesch spricht vor dem Hintergrund dieser Konkurrenzsituation in Analogie zur Wirtschaft von einem „Markt für Gewerkschaften“ (2008: 304ff.), der durch einen „neuen Wettbewerb“ (ebd.: 307) gekennzeichnet ist. Auf diesem Markt erzeugen Gewerkschaften zwar keine Wettbewerbsvorteile im ursprünglichen, betriebswirtschaftlichen Sinn. Stattdessen handelt es sich bei den durch Gewerkschaften erziel-

2

Weil zu vermuten ist, dass die im CGB organisierten Einzelgewerkschaften nur eine geringe Mitgliederzahl aufweisen, besteht die Konkurrenz zu den DGB-Gewerkschaften ausschließlich in tarifpolitischer Hinsicht und nicht in Bezug auf die organisationspolitische Mitgliederstärke (Wolters 2008: 28; Schröder 2010c: 102).

D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

| 61

baren Wettbewerbsvorteilen um eine überlegene Position gegenüber anderen Gewerkschaften, z.B. bei der Mitgliederwerbung und in der Tarifpolitik. Daneben müssen sich Gewerkschaften mit ihren Angeboten und Leistungen auch immer stärker gegenüber solchen Betriebsräten profilieren, die als konkurrierende Akteure auftreten (Haipeter 2011a: 7). Seit diese eine Aufwertung in den industriellen Beziehungen erfahren haben, die durch die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Jahr 2001 fixiert wurde (Schroeder/Keudel 2008: 47ff.), mehren sich die Beispiele, in denen sie als ernstzunehmende Gegner der Gewerkschaften auftreten, wenn sie sich den Belegschaften als „Gewerkschaftsersatz“ präsentieren und einer Kooperation mit Gewerkschaften ablehnend gegenüber stehen (Behrens 2007: 36; Schroeder/Keudel 2008: 16). Zwar handelt es sich nach wie vor bei den meisten Interessenvertretern in den Betriebsratsgremien um Mitglieder von einer der acht DGB-Gewerkschaften, doch lag der Anteil der nicht gewerkschaftlich organisierten Betriebsratsmitglieder im Jahr 2007 bei ca. 23 % (Rudolph/Wassermann 2007: 26f.). Insgesamt führen folgende Faktoren zu enormen Herausforderungen im Handlungsumfeld, denen die Gewerkschaften begegnen müssen: Der Anpassungsdruck an die Veränderungen der Arbeitswelt, der sich wandelnde Anforderungsdruck von Seiten der Mitglieder sowie schließlich der Wettbewerbsdruck durch die christlichen Gewerkschaften, die Spartengewerkschaften und durch als Konkurrenz auftretende Betriebsräte. Die Nutzung von dynamischen Fähigkeiten ist folglich für beide Organisationstypen überlebenswichtig. Sowohl Unternehmen als auch Gewerkschaften haben als Reaktion auf den externen Druck geeignete Routinen und organisationale Fähigkeiten etabliert, die angepasst werden müssen, wenn sich die Bedingungen im Handlungsumfeld wandeln.3 Dies ist das verbindende Element von Unternehmen und Gewerkschaften, das die Anwendung des Konzepts der dynamischen Fähigkeiten auch auf Gewerkschaften rechtfertigt – zumal bereits andere Konzepte erfolgreich von der einen Organisation auf die andere übertragen wurden (Kapitel 4.4).

3

Unternehmen können als Reaktion auf eine sich verschlechternde Wettbewerbssituation ihren Standort bzw. ihre Standorte ins Ausland verlagern. Mit dieser Strategie dem Druck aus ihrem Handlungsumfeld zu begegnen, stellt jedoch für Gewerkschaften keine Option dar. Die Funktion deutscher Gewerkschaften besteht schließlich gerade darin, die Interessen von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern in Deutschland zu vertreten. Diese Rolle weist ihnen das deutsche System des Korporatismus am Arbeitsmarkt zu (Müller-Jentsch 2003b; Streeck 2005). Weil die Aufgabe der Präsenz in Deutschland demnach für Gewerkschaften nicht in Frage kommt, ist der Druck, unter dem Gewerkschaften stehen, sogar noch größer als derjenige, der auf Unternehmen lastet.

62 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

4.4 O RGANISATIONALES L ERNEN UND G EWERKSCHAFTEN

IN

U NTERNEHMEN

Für einen Transfer des Konzepts dynamischer Fähigkeiten spricht nicht nur die im vorangegangenen Kapitel aufgezeigte Ähnlichkeit von Unternehmen und Gewerkschaften, sondern auch, dass eine Anwendung des ursprünglich organisationswissenschaftlichen Konzepts des organisationalen Lernens (Cyert/March 1963; March/Olsen 1975; Argyris/Schön 1978) in der Gewerkschaftsforschung bereits erfolgt ist. Organisationales Lernen bezeichnet die Art und Weise, wie Organisationen ihr Wissen und ihre wissensbasierten Ressourcen aufbauen und nutzen, um organisationale Effizienz zu entwickeln (Dodgson 1993: 377). Auch dieses Konzept entstand in der Organisationsforschung in Bezug auf Unternehmen. Es befasst sich aus der Perspektive des Managements mit der Frage, wie Lernen in Organisationen gefördert werden kann (Argyris/Schön 1978). Inzwischen wurde der stark wirtschaftlich geprägte Fokus auf organisationales Lernen durch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen erweitert. In mehreren Arbeiten der Gewerkschaftsforschung wurde das Konzept auch auf Gewerkschaften angewendet (z.B. Eisencher 1999; Huzzard/Östergren 2002; Drinkuth et al. 2003; Zoll 2003; Menez/Steffen 2005; Hyman 2007; Rehder 2008; Klöpper 2010). Diese Untersuchungen zeigten, dass auch Gewerkschaften Lernprozesse durchlaufen, um neues Wissen zu generieren und neue Handlungsweisen zu entwickeln (Wiesenthal/Clasen 2003: 306; Schroeder/Keudel 2008: 83f.; Klöpper 2010: 57). Lernprozesse ermöglichen es Gewerkschaften, sich neuen Reformwegen gegenüber zu öffnen, rigide hierarchische Strukturen, ineffiziente Kommunikationswege und Standardprozeduren zu verändern (Eisencher 1999: 225; Orfald 2006: 86f.). Wenn eine Übertragung des Konzepts des organisationalen Lernens von Unternehmen auf Gewerkschaften doch bereits Erkenntnis gewinnend erfolgt ist, warum sollte man nicht ein wichtiges Ergebnis organisationaler Lernprozesse – nämlich dynamische Fähigkeiten – ebenfalls im Kontext von Gewerkschaften beleuchten?

4.5 P OTENZIELLE E RKENNTNISGEWINNE DER Ü BERTRAGUNG DES K ONZEPTS DER DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN AUF G EWERKSCHAFTEN Nach Ansicht der Autorin könnten durch den Konzepttransfer von Unternehmen auf Gewerkschaften einige Forschungslücken zum Ansatz der dynamischen Fähigkeiten geschlossen und bislang ungeklärte konzeptionelle Fragen beantwortet werden. Schließlich besteht aufgrund des jungen Alters (Medcof 2000: 21f.; Marsh/Stock 2003: 136) des Ansatzes zu zahlreichen damit verbundenen Aspekten noch For-

D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

| 63

schungsbedarf (Eberl 2009: 21; McKelvie/Davidsson 2009: 63). Nur wenige Untersuchungen analysierten bisher die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen dynamische Fähigkeiten entstehen. Es ist außerdem noch immer unklar, aus welchen Bestandteilen sich dynamische Fähigkeiten zusammensetzen, wie sie ablaufen bzw. sich auswirken und auf welcher Verwaltungsebene oder Abteilung in der Organisation sie verankert sind (Berndt, D. 2010: 49). Besonders häufig wird bei der kritischen Würdigung des Konzepts darauf hingewiesen, dass die Literatur zu dynamischen Fähigkeiten Hinweise darauf vermissen lässt, wie Ressourcen mit dynamischen Fähigkeiten integriert, rekonfiguriert, kombiniert und abgebaut werden (Helfat/Peteraf 2003: 997; Koch 2007: 32; Berndt, D. 2010: 56f.), obwohl Ressourcenentwicklung doch als die Kernaufgabe dynamischer Fähigkeiten gilt. Zudem ist unklar, welche Folgen eine Krise im Handlungsumfeld einer Organisation für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten und die mit ihnen generierten Ressourcenkonfigurationen hat. Des Weiteren geben manche Autoren (Eisenhardt/Martin 2000: 1114; Helfat et al. 2007a: 1; Verona/Ravasi 2003: 599) zu bedenken, dass die Überlegungen zu dynamischen Fähigkeiten überwiegend theoretisch-konzeptionell sind, während das empirische Fundament des Ansatzes noch zu dünn ist. Die zentralen Fragestellungen der vorliegenden Studie zielen auf diese Aspekte ab. Zu der Beseitigung der genannten Forschungsdesiderate wird im Folgenden durch die Anwendung des Konzepts auf Gewerkschaften ein Beitrag geleistet.

4.6 Z WISCHENFAZIT Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unternehmen und Gewerkschaft die typischen Charakteristika von Organisationen gemeinsam haben. Die Ausführungen haben gezeigt, dass zwar Unterschiede zwischen der „utalitarian organization“ Unternehmen und der „normative organization“ Gewerkschaft bestehen. Diese verhindern aber die Übertragung theoretischer Konzepte nicht. Eine Gemeinsamkeit der beiden Organisationen ist der externe Druck, auf den sie mit dynamischen Fähigkeiten reagieren, um fortzubestehen. Zudem wurde verdeutlicht, dass das Konzept dynamischer Fähigkeiten nicht der erste Ansatz ist, bei dem eine Übertragung von Unternehmen und Gewerkschaften erfolgreich vollzogen wurde. Bereits zuvor hatte das Konzept der lernenden Organisation die Gewerkschaftsforschung um bedeutende Erkenntnisse bereichert. Indem der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten in der vorliegenden Arbeit erstmals auf Gewerkschaften angewendet wird, wird ein Beitrag zu bislang ungeklärten Fragen zu dynamischen Fähigkeiten geleistet.

5 Dynamische Fähigkeiten in multiskalaren und multistandörtlichen Gewerkschaften

Herod et al. (2007: 250) betonen, dass die Untersuchung von Gewerkschaften einen „geographically sensitive approach“ erfordert. Eine Begründung hierfür lässt sich bei Herod et al. (2003: 176, Hervorhebung im Original) finden: „spatial factors […] really matter in the practice of industrial relations and in the trajectories of workplace politics. These intrinsically geographical factors represent more than the „background scenery“ of capital-labour relations […]. Instead, they actively structure these relations.“ Dass nicht nur die Räumlichkeit, sondern auch die Maßstäblichkeit des Handelns bei der Untersuchung von Gewerkschaften berücksichtigt werden muss, wird aus der Äußerung von Ellem (2010: 364) deutlich: „power is mobilised at many scales, in differing places and in diverse ways.“ Studien, die das Handeln von Gewerkschaftsakteuren dennoch ohne Berücksichtigung des Raums und der Maßstabsebenen untersuchen, übersehen zwei zentrale Dimensionen des gewerkschaftlichen Handelns (Savage 1998: 226; Castree 2010: 459). Demnach muss das Konzept der dynamischen Fähigkeiten um eine geographische Sichtweise erweitert werden, wenn es zur Untersuchung von Gewerkschaften genutzt wird. Im Folgenden werden die zur Weiterentwicklung des Ansatzes erforderlichen theoretischen Vorüberlegungen angestellt, wobei unter anderem Ansätze aus der Geographie in einem Modell mit dem Konzept der dynamischen Fähigkeiten verbunden werden. Darin wird eine maßstabsebenenübergreifende und -verknüpfende (multiskalare) sowie räumlich differenzierte (multistandörtliche) Perspektive konzipiert. Die hier vertretene multiskalare Sichtweise orientiert sich an der geographischen Diskussion zu Skalenkonzepten. Für die multistandörtliche Perspektive wird an wirtschaftsgeographische Konzepte zu Nähe und Wissenstransfer sowie an den aus der Wirtschaftssoziologie entlehnten „embeddedness“-Ansatz angeknüpft. Zudem werden weitere Konzepte aus der politikwissenschaftlichen Literatur zu Gewerkschaften sowie der interdisziplinären Forschung zu organisationalem Lernen aufgegriffen. Dem daraus resultierenden konzeptionellen Grundgerüst (Abbildung 2) kommt im Folgenden ein zentraler Stellenwert als Analyseraster zu.

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Abbildung 2: Nutzung dynamischer Fähigkeiten in multiskalar und multistandörtlich strukturierten Gewerkschaftsorganisationen

Quelle: Eigene Darstellung

D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

| 67

In Kapitel 5.1 wird die innere Differenzierung der Gewerkschaftsorganisationen in multiskalare und multistandörtliche Subeinheiten erläutert. Die multiskalare und die multistandörtliche Sichtweise sowie deren Implikationen für die Ressourcenentwicklung werden in Kapitel 5.2 und in Kapitel 5.3 präzisiert. In Kapitel 5.3 werden außerdem die multistandörtlich bzw. räumlich unterschiedlich stark ausgeprägten Voraussetzungen zur Ressourcenentwicklung herausgearbeitet. Außerdem wird verdeutlicht, durch welche Einflussfaktoren die Ressourcenentwicklungsprozesse in Gewerkschaften geprägt werden. Wie die Nutzung dynamischer Fähigkeiten zur Ressourcenentwicklung in Organisationen erfolgt, wenn man ihre multiskalare und multistandörtliche Differenzierung berücksichtigt, wird in Kapitel 5.4 aufgezeigt. Um in dem theoretischen Analysegerüst auch die geographischen Implikationen von Ressourcenentwicklung unter Krisenbedingungen konzeptionell zu erfassen, werden in Kapitel 5.5 vier verschiedene Krisenreaktionen aufgezeigt. Welche Vorteile aus der in Maßstabsebenen und räumlich verteilte Standorte gegliederten und somit dezentral strukturierten Organisation bei der Anpassung an Veränderungen im Handlungsumfeld resultieren, ist Inhalt von Kapitel 5.6.

5.1 M ULTISKALARE UND MULTISTANDÖRTLICHE G EWERKSCHAFTSORGANISATION Große Organisationen bilden keine in sich geschlossenen, homogenen Entitäten, sondern sind formal-organisatorisch differenziert (Wiesenthal 1995: 152). Auch Gewerkschaften sind keine monolithischen Einheiten, sondern setzen sich aus mehr oder weniger unabhängigen, dezentralen Subeinheiten zusammen (Herod 2001, 2003). In Gewerkschaften – wie auch in vielen anderen Organisationen – ist deshalb eine Unterscheidung zwischen „multiskalar“ und „multistandörtlich“ zu treffen. „Multiskalar“ bezieht sich auf die Mehrebenenstruktur der Organisation. In den multiskalaren Gewerkschaftsstrukturen erfolgt die Nutzung dynamischer Fähigkeiten auf verschiedenen Ebenen in maßstabsebenenübergreifenden und –verknüpfenden Prozessen. Die dabei ablaufenden Lernprozesse tangieren verschiedene hierarchische Ebenen. „Multistandörtlich“ weist auf die Unterschiede der Aktivität und der Lernprozesse bei der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zwischen den Gewerkschaftsstandorten auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene der Organisation hin (Prott 2003: 225; Castree et al. 2004: 111ff.). In der Organisationsstruktur der IG Metall werden die lokalen Verwaltungsstellen, die regionalen Bezirke und der nationale Vorstand voneinander differenziert (Tabelle 9).

43

Verwaltungsstellen 27

27

BadenHessen, Rheinland- Württemberg Pfalz, Saarland, Thüringen

Stuttgart

Eigene Darstellung nach IG Metall 2009a: 10, Stand: Januar 2009

Lokale Ebene

NordrheinWestfalen

Bundesland/länder

Frankfurt

21

Bayern

19

nördliches Niedersachsen, Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern, Bremen, Hamburg

München Hamburg

Küste

Düsseldorf

Bayern

Sitz

BadenWürttemberg

NordrheinWestfalen

Bezirk

Regionale Ebene Frankfurt

Vorstand (6 geschäftsführende und 29 ehrenamtliche Vorstandsmitglieder)

Nationale Ebene

Tabelle 9: Multiskalare und multistandörtliche Gliederung der IG Metall

14

südliches Niedersachsen, Sachsen-Anhalt

Hannover

13

Berlin, Brandenburg,, Sachsen

Berlin

Niedersach- Berlinsen-Sachsen- BrandenburgAnhalt Sachsen

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D YNAMISCHE FÄHIGKEITEN IN G EWERKSCHAFTEN

| 69

5.2 D YNAMISCHE F ÄHIGKEITEN IN MULTISKALAREN G EWERKSCHAFTEN 5.2.1

Skalenkonzepte in der Geographie

Um die vertikale Ordnung von Raum zum Ausdruck zu bringen, erfolgte bis in die 1990er Jahre in wissenschaftlichen Untersuchungen die Kategorisierung von Raum in Maßstabsebenen („scaling“) (Brenner 2008: 60f.). Solche territorialen Skalenkonzepte, durch die der alltagsweltliche Handlungsraum in „das Lokale“, „das Regionale“, „das Nationale“ und „das Globale“ gegliedert wird, sind inzwischen fest in der Humangeographie und ihren Diskursen verankert (Jonas 2006: 400). Das territoriale Verständnis von Maßstabsebenen als abgrenzbare Einheiten kann in Gestalt von drei Metaphern abgebildet werden (Herod 2003: 237ff., 2011: 45ff.): Erstens werden Skalen als hierarchische Leiter konzipiert, die man von der untersten Sprosse, bzw. der lokalen Ebene, bis zur obersten Sprosse, die der globalen Ebene entspricht, hinaufsteigen kann. Zweitens lässt sich die Struktur der Skalen als Anordnung konzentrischer Kreise visualisieren. Von innen nach außen gelangt man von der lokalen Ebene auf die globale Ebene. Drittens werden Maßstabsebenen als russische Matroschka-Puppe konzipiert (Herod 2011: 47f.). Die größte Matroschka, die für die globale Ebene steht, umschließt die drei kleineren Puppen bzw. die niedrigeren Maßstabsebenen (Herod et al. 2010: 12). Die maßstäblichen Konfigurierungen sind seit den 1990er Jahren Gegenstand einer umfangreichen Kontroverse (z.B. Marston et al. 2005; Herod 2011), die von der angloamerikanischen „radical geography“ (z.B. Jonas 1994) und den Sozialwissenschaften (z.B. Swyngedouw 1997; Jessop 2002) ausgeht. 5.2.2

Kritik an Skalenkonzepten

Im Folgenden werden drei zentrale Kritikpunkte an den Skalenkonzepten aus der diesbezüglichen Debatte erläutert: Erstens wurde an den ursprünglichen Skalenkonzepten moniert, dass räumliche Maßstäblichkeit darin in einer Weise präsentiert wird, als existiere sie als eine festgelegte Dimension der sozialen Wirklichkeit. Anders als in den Skalenkonzepten suggeriert, können Maßstabsebenen aber nicht als a priori gegeben vorausgesetzt werden, sondern sie werden diskursiv überhaupt erst geschaffen (z.B. Herod 2001: 37ff.; Castree et al. 2004, 2010; Belina 2008: 118; Wissen 2008: 19; Herod et al. 2010: 11; MacKinnon 2011: 22ff.). Nach diesem konstruktivistischen Verständnis sind Maßstabsebenen das intendierte oder unbeabsichtigte Produkt von sozialen, ökonomischen und kulturellen Handlungen, Strategien und Konflikten (Peck 1996: 341; Herod et al. 2010: 11f.). Weil die maßstäbliche Klassifizierung durch soziale Praxis nicht nur geschaffen, sondern darüber hin-

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aus auch reproduziert und transformiert wird (Mahon/Keil 2008: 39; MacKinnon 2011: 23), unterliegt sie permanenten Prozessen der Neuverhandlung (Bergene 2010: 53; Castree 2010: 465): „Spatial scales are never fixed, but are perpetually redefined, contested, and restructured in terms of their extent, content, relative importance, and interrelations“ (Swyngedouw 1997: 141). Daraus folgt, dass „scales“ keine statischen, sondern veränderbare Einheiten sind (Keil/Brenner 2003: 261; Wissen 2008: 18f.). Zweitens berücksichtigen territoriale Skalenkonzepte unzureichend, dass die Bedeutung der Maßstabsebenen erst relational aus dem Verhältnis zwischen verschiedenen skalaren Dimensionen entsteht (Keil/Brenner 2003: 261). Ihrer Ontologie nach handelt es sich bei den als lokal, regional, national und global etikettierten Maßstabsebenen um isolierte, in sich geschlossene, territoriale Gebiete oder „Raumcontainer“ (Herod 2001: 37; Herod et al. 2007: 257ff., 2010: 11). Auf jeder Ebene entfalten aber auch andere Ebenen auf vielfältige Weise eine gewisse Wirkung, denn jede einzelne Maßstabsebene ist aufgrund von Wechselwirkungen in den Kontext einer pluralen Maßstäblichkeit eingebettet (Jones 1998: 26). Zwischen den verschiedenen Maßstabsebenen bestehen organisatorische und strategische Beziehungen (Berndt 2000: 1570; Herod 2000: 353), die in den skizzierten drei Skalen-Metaphern jedoch außer Acht bleiben. Die Funktion und Dynamik einer jeden geographischen Ebene kann deshalb nur relational erfasst werden, d.h. im Sinne ihrer Verknüpfungen mit anderen geographischen Dimensionen. Aus einer relationalen Perspektive ergibt sich die Notwendigkeit, statt der Maßstabsebenen per se die Beziehungen dazwischen zu untersuchen, um zu einem ontologischen Verständnis darüber zu gelangen, wie verschiedene geographische Maßstabsebenen in Verbindung zueinander stehen und interagieren (Cumbers 2005: 118; Herod 2011: 17). Als Reaktion auf diesen Kritikpunkt entwickelten einige Autoren, die eine relationale Perspektive vertreten, Netzwerkmodelle als Gegenentwurf zu den drei Metaphern (z.B. Latour 1996). Drittens wird an territorialen Skalenkonzepten die „foundational hierarchy“ (Marston et al. 2005: 419) des gestaffelten skalaren Arrangements kritisiert, d.h. die implizit unterstellte Kopplung der Steigerung der Maßstabsebene von lokal zu global an eine vermeintlich damit einhergehende Zunahme von Handlungsmacht und Einflusspotenzial (Füller/Michel 2008: 153; Herod 2011: 45ff.; MacKinnon 2011: 21f.). Den Ebenen wird eine gegebene Hierarchie unterstellt, der das Handeln auf den Ebenen gehorcht (Marston et al. 2005: 422). Gegner der Skalenkonzepte bemängeln, dass die Relevanz einer bestimmten Ebene nicht a priori feststehe. Sie weisen darauf hin, dass erst die konkrete Forschungspraxis zeigen könne, in welcher Hinsicht welche Ebene von Bedeutung ist (Swyngedouw 1997). Nachdem herausgearbeitet wurde, aus welchen Gründen die Vorstellung von Maßstabsebenen als problematisch zu bewerten ist, stellt sich angesichts der genannten Kritikpunkte die Frage, ob Skalenkonzepte tatsächlich ein geeignetes

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Hilfsmittel für die Untersuchung gewerkschaftlichen Handelns bieten (Belina 2008: 115). Ist es vor dem Hintergrund dieser Kritik sinnvoll und erforderlich, auf die Verwendung von Skalenkonzepten komplett zu verzichten, wie z.B. von Marston et al. (2005) gefordert? 5.2.3

Verwendung eines Skalenkonzepts zur Untersuchung von Gewerkschaften

Wie andere Geographen halten auch die meisten „labour geographers“ an der Verwendung von Skalenkonzepten fest (z.B. Wills et al. 2000; Lier 2007, 2009; Heeg 2008a, b; Coe/Jordhus-Lier 2011). Wissenschaftler dürfen sie nur nicht unkritisch anwenden, sondern müssen die sozial konstruierte Beschaffenheit von Maßstabsebenen und die übrigen Kritikpunkte berücksichtigen (Brenner 2008: 80; Heeg 2008a: 37f.; MacKinnon 2011: 29f.). Dieser Haltung schließt sich die Autorin an. Skalenkonzepte für obsolet zu erklären, würde schließlich bedeuten, eine wichtige Dimension von wirtschaftlichem, politischem und sozialem Handeln zu ignorieren, prägt doch die skalare Sichtweise auch das Handeln von Akteuren (Jonas 2006: 399; Coe/Jordhus-Lier 2011: 219). Außerdem basiert die administrative Gliederung der Gewerkschaftsorganisation auf einer skalaren Einteilung vertikaler Ebenen, wie in Kapitel 5.1 gezeigt wurde. Zudem prägt das Denken in Maßstabsebenen die Rhetorik der Gewerkschaftssekretäre (Jonas 2006: 401), die bei der vorliegenden Studie interviewt wurden. Deshalb sind Skalenkonzepte nach wie vor für die Untersuchung von Strategien verschiedener Akteure und Akteursgruppen geeignet (Jonas 2006: 403; Lier 2009: 39; Coe/Jordhus-Lier 2011: 219). Allerdings ist ein vorsichtiger Gebrauch erforderlich, der sich der damit verbundenen Problematik bewusst ist. Das Skalenkonzept wird in der vorliegenden Arbeit als eine theoretisch-konzeptionelle Brille genutzt, durch welche die Handlungsweisen und die räumliche Ordnung aus Sicht der untersuchten Akteure besser verstanden werden kann (Jonas 2006: 403f.; Lier 2007: 822). Um die vielfach kritisierten Unzulänglichkeiten der territorialen Skalenkonzepte zu umgehen, werden dabei die genannten Kritikpunkte berücksichtigt (Abbildung 2): Erstens werden aus konstruktivistischer Sicht der vermeintlich real existierende skalare Aufbau von Gewerkschaften als sozial bzw. diskursiv konstruiert und veränderlich verstanden, statt als gegeben und unveränderbar (Lier 2007: 823; Belina 2008: 115). Zweitens werden – im Sinne der relationalen Perspektive – die sozialen Beziehungen auf und zwischen den Ebenen in der Gewerkschaft berücksichtigt (Wills et al. 2000: 1523). Diese Netzwerke durchdringen einander und überschreiten dabei die Grenzlinien der aufsteigend angeordneten Maßstabsebenen (Mahon/ Keil 2008: 46). Eine relationale Lesart von Skalenkonzepten impliziert zudem, dass es sich bei den Ebenen nicht um nach außen abgegrenzte, isolierte „Container“

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handelt, sondern um nach außen offene Gebilde. Drittens wird keiner Maßstabsebene eine übergeordnete Bedeutung beigemessen, sondern sind alle Ebenen auf verschiedene Weise von Relevanz, weil sie jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen (z.B. Berndt 2000: 1572; Heery 2005: 93; Tattersall 2006: 15; Tufts 2007: 2385), die auf die Handlungsbedingungen und Aufgaben der jeweiligen Ebene abgestimmt sind (Mansfield 2005: 459) und als „scale-specific“ (Castree et al. 2004: 98; Ellem 2010: 353) bzw. ebenenspezifisch bezeichnet werden.1 In Gewerkschaften lenkt die Vorstandsebene die Entscheidung über den allgemeinen Kurs. Die regionale Ebene der Bezirke ist insofern von Bedeutung, weil sie Impulse aus den Verwaltungsstellen an den Vorstand weiter gibt. Gleichermaßen kommt aufgrund der mitgliederbasierten Struktur der Gewerkschaften der untersten Ebene insbesondere in der Organisationspolitik bei der Mitgliederwerbung und in der Betriebspolitik ebenfalls eine hohe Bedeutung zu (Meyer/Fuchs 2008: 5). Dies wird besonders daran deutlich, dass für gewerkschaftliches Handeln häufig strategisch eine zum Erreichen eines Ziels besonders geeignete Ebene gewählt wird (Kapitel 5.2.4). 5.2.4

Strategisches Handeln von Gewerkschaften auf bestimmten Maßstabsebenen

Die je nach Maßstabsebene variierenden Aufgaben und Handlungsbedingungen können von der Gewerkschaft auch zur Interessensvertretung genutzt werden, was in der „labour geography“ unter dem Begriff „politics of scale“ (Jessop 2002; Heeg 2008a, b) diskutiert wird (Abbildung 2). Damit ist gemeint, dass Gewerkschaften ihr Handeln strategisch auf eine bestimmte räumliche Ebene verlagern („rescaling“), auf der ihnen die Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber Arbeitgebern und das Erreichen politischer Ziele am ehesten gelingt (Albrecht/Klagge 2008: 15; Berndt 2008: 45; Cumbers et al. 2010: 129ff.; Zeller 2000: 1546).

1

Die starke Betonung der globalen Ebene in der jüngeren geographischen Gewerkschaftsforschung legt den Rückschluss nahe, dass dieser Ebene die größte Bedeutung beigemessen werden müsste. Herod (2001: 410) warnt jedoch vor einer Perspektive, aus der die globale Maßstabsebene als die geographische Ebene betrachtet wird, die alle anderen überragt und suggeriert, dass alle anderen Ebenen im Zuge der Globalisierung an Bedeutung verloren haben. Denn dies zeige, wie der Diskurs um Globalisierung andere Diskurse erobert habe (Herod 2003: 508). Inzwischen wird deshalb die ontologische Priorität einer bestimmten räumlichen Maßstabsebene abgelehnt (Cumbers 2005; Herod et al. 2010; Bergene 2010). Das Handeln von Gewerkschaften findet auf diversen Maßstabsebenen statt (Tufts/Savage 2009: 946), weil Gewerkschaften Herausforderungen begegnen müssen, die auf verschiedenen Ebenen verortet sind (Cumbers 2005: 118; Ellem 2010: 9).

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Besonders deutlich wird dies in der Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften (Streeck/Rehder 2003; Heeg 2008a, b). Der branchenbezogene, bundesweit einheitliche Flächentarifvertrag wird auf der nationalen Ebene abgeschlossen und normiert die Arbeits- und Entgeltbedingungen aller abhängig Beschäftigten in einer Branche (Schulten 2010: 37). Immer öfter werden allerdings seit Anfang der 1990er Jahre (Behrens et al. 2007: 179) auf der lokalen und regionalen Ebene Haustarifverträge bzw. Ergänzungstarifverträge zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber sowie Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossen (Bispinck/Bahnmüller 2007: 9; Holst et al. 2008: 176; Rehder 2008: 437). Wichtige Regelungsinhalte wie Lohn und Arbeitszeit werden dadurch für betriebliche Aushandlungsprozesse freigegeben (Heeg 2008a: 29). Befürworter der Dezentralisierung des Flächentarifvertrags (Wetzel 2007; Huber et al. 2005) betonen, dass die Neuskalierung der Tarifpolitik für Gewerkschaften Chancen zur Durchsetzung ihrer Forderungen birgt, sofern es der Gewerkschaft gelingt, sich flexibel auf der Ebene zu verorten, auf der sie ihre Einflussmacht am besten ausüben kann (Heeg 2008a, b; Nettelstroht et al. 2011). Beispielsweise unterstützen Gewerkschaftssekretäre auf der lokalen Ebene Betriebsräte beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen und rufen die Belegschaft zu Streiks auf (Haipeter 2011b). 5.2.5

Ressourcenentwicklung „bottom-up“ und „top-down“

Zwischen den Anliegen einzelner Mitgliedergruppen in Gewerkschaften und bestimmter Zielgruppen der Rekrutierungsarbeit bestehen oft gravierende Unterschiede (Herod 2000: 348). Hinzu kommt, dass auch die Gewerkschaftssekretäre an den einzelnen Standorten individuelle Wertvorstellungen, Rollenbilder und Prioritäten besitzen, die ihr Handeln prägen. So entstehen auch in Gewerkschaften immer wieder Konflikte zwischen Traditionalisten und Modernisierern (Berndt 2000: 1583; Prott 2003: 230). Es ist demnach nicht davon auszugehen, dass sich neue organisationale Fähigkeiten und Routinen unproblematisch verbreiten, sondern dass dies mit der Austragung von Konflikten einhergeht (Eberl 2009: 249; Kinder/Radwan 2010: 51). Gesamtgewerkschaftliche Prioritätensetzungen sind deshalb grundsätzlich das Resultat innergewerkschaftlicher Auseinandersetzungen (Aust/Holst 2006: 311), bei denen die Organisationsmitglieder und -mitarbeiter ihre Interessen und Ziele artikulieren und aushandeln (Prott/Keller 1997: 337; Bergene 2010: 98). Gewerkschaftsakteure haben z.B. auf Gewerkschaftstagen durch Antragsstellung und Abstimmung ein direktes Stimmrecht, um über künftige Projekte der Gesamtorganisation mit zu befinden (Hassel 2003b: 113). Die Entwicklung neuer Mitgliederwerbeprojekte und der dafür erforderlichen Ressourcenkonfigurationen aus Routinen und organisationalen

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Fähigkeiten beginnt in Gewerkschaften demnach auf einer der dezentralen Maßstabsebenen und verläuft „bottom-up“. Im Gegensatz dazu wird die Entscheidung über eine Veränderung in Unternehmen meistens vom Vorstand bzw. dem Management gefällt (Berndt, D. 2010: 152). Die Führungsspitze beeinflusst mit ihren Entscheidungen maßgeblich, welche strategische Leitvorstellung mit neu entwickelten Ressourcenkonfigurationen verfolgt bzw. welches Wissen organisationsweit verbreitet und zur Anwendung gebracht wird (z.B. Zahra et al. 2006: 930; Helfat et al. 2007d: 19; Hubbard et al. 2008: 15ff.; Easterby-Smith et al. 2009: 4f.; Panza/Thorpe 2009: 122). Die Organisationsleitung stellt außerdem die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen zur organisationsweiten Verbreitung der wissensbasierten Ressourcen bereit (Kogut/Zander 1992; Jansen 2008). In zahlreichen Veröffentlichungen (z.B. Teece/Pisano 1994; Adner/Helfat 2003; Helfat et al. 2007d; Teece/Augier 2009) wird deshalb den Führungspersonen in Organisationen eine hohe Bedeutung im Zusammenhang mit der Nutzung von dynamischen Fähigkeiten beigemessen. Allerdings erfordert auch in Unternehmen eine solche Veränderung die Gewinnung von Akzeptanz der dezentralen Einheiten und Abteilungen durch Überzeugungsarbeit. Damit die Entscheidung anschließend von weiten Teilen der Organisation mitgetragen wird (Danneels 2008: 523), müssen Fragen der Mitarbeiter geklärt und Widerstände abgebaut werden (Berndt, D. 2010: 164). Zwar erfolgt in Gewerkschaften – anders als in Unternehmen – in der Anfangsphase eines strategischen Wandels bzw. der Implementierung einer konkreten Innovation ein längerer Abstimmungsprozess, bei dem Entscheidungen durch Mehrheitsentscheid zustande kommen. Aber auf die zunächst „bottom-up“ verlaufende Entwicklung neuer Mitgliederwerbeprojekte erfolgt auch in Gewerkschaften eine „top-down“ gerichtete Implementierung derselben (Abbildung 2), denn ähnlich wie Führungspersonen in Unternehmen die Entscheidungen darüber fällen, welche Produkte bzw. Dienstleistungen auf welche Weise welchen Kunden angeboten werden (Cyert/March 1963; Helfat et al. 2007b), beeinflussen die Akteure im Vorstand der Gewerkschaft maßgeblich, welche neuen Mitgliedergruppen auf welche Weise und mit wie umfangreichem Ressourcenaufwand gewonnen werden (Heery 2003: 291). Ist der Entschluss für strategischen Wandel gefallen – in Unternehmen durch das Management, in Gewerkschaften durch die Mitglieder und Sekretäre auf allen Ebenen – wird mit der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration begonnen (Marsh/Stock 2003: 138; Pettus et al. 2007: 23). Nach dem Beschluss eines bestimmten Ziels kommt der Organisationsleitung – auch der Leitung von Gewerkschaften – die Aufgabe zu, die Prozesse der Implementierung eines organisationsweit einheitlichen Vorgehens zum Erreichen des Ziels zu steuern und die dafür erforderlichen neuen Ressourcenkonfigurationen in allen Subeinheiten zu verbreiten, Prozesse voranzutreiben, Mitarbeiter zu motivieren und Kontrollmechanismen zu entwickeln (Adner/Helfat 2003).

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In der vorliegenden Arbeit wird die Ansicht vertreten, dass die durch Lernprozesse erfolgende Entwicklung und Implementierung neuer Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten in Gewerkschaften nicht nur in einer Richtung vonstatten geht, sondern multiskalar, d.h. auf und zwischen den verschiedenen Ebenen, erfolgt. Die hier untersuchte Nutzung dynamischer Fähigkeiten zur Entwicklung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit aus neuen Ressourcenkonfigurationen kann demnach in zwei Teilprozesse gegliedert werden: Die „bottom-up“ erfolgende Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen und die „top-down“ gerichtete Implementierung derselben. Ob es in der einzelnen Subeinheit auf der lokalen Ebene zur Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen kommt, die dann „bottom-up“ weitergegeben werden, hängt von grundlegenden Voraussetzungen ab. Diese werden im folgenden Kapitel ausführlich erläutert.

5.3 D YNAMISCHE F ÄHIGKEITEN IN MULTISTANDÖRTLICHEN G EWERKSCHAFTEN 5.3.1

Voraussetzungen für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten in den Subeinheiten

In der Literatur zu Organisationen lassen sich zahlreiche Hinweise darauf finden, dass der Erwerb neuen Wissens sowie die daraus resultierenden Innovationen und organisationalen Prozesse des Wandels ihren Ursprung im Handeln einzelner Akteure haben: Die Generierung von neuem Wissen im organisationalen Wissensspeicher, d.h. organisationales Lernen, erfolgt über individuelles Lernen (Barnes 1977: 2). Einzelne Individuen übernehmen die Rolle von „learning agents“ (Argyris/Schön 1978: 20), indem sie ihr Wissen kommunikativ mit anderen Akteuren abgleichen: „Organizational learning occurs when members of the organization act as learning agents for the organization, responding to changes in the internal and external environment“ (ebd.: 29). Das Wissen, über das die einzelnen Organisationsmitglieder verfügen, ist jedoch per se noch kein organisationales Wissen (Orr 1990). Stattdessen verfügen Organisationen neben den individuellen Wissenspotenzialen auch über eine kollektive Wissensbasis. In dieses Wissenssystem speisen die „learning agents“ ihre Lernergebnisse ein (Pautzke 1989). Wie in der Literatur zu organisationalem Lernen wird auch in der Entrepreneurship-Forschung auf die Bedeutung von Schlüsselakteuren hingewiesen, die Wissen generieren sowie Innovationen initiieren und auch bereit sind, diese gegen innerbetriebliche Barrieren und Widerstände durchzusetzen. Schlüsselakteure in der Organisation entscheiden sich bewusst dazu, von bekannten Regeln und Verfahren ab-

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zuweichen, begeben sich auf die Suche nach Entwicklungsalternativen und erkunden experimentell neue Pfade (Garud/Karnøe 2001: 7ff.). Laut eines Konzeptes aus den Organisationswissenschaften, das auch Eingang in die Wirtschaftsgeographie gefunden hat (Bathelt/Glückler 2011: 210ff.), übernehmen einzelne Akteure auf freiwillige Initiative hin (Tushman/Scanlan 1981) die Rolle sog. „boundary spanners“ (Aldrich/Herker 1977). Diese Akteure „überbrücken“ die Grenze zwischen Organisation und Umwelt, indem sie dort wichtige Aufgaben als Vermittler übernehmen. Als Bindeglieder repräsentieren „boundary spanners“ die Organisation gegenüber ihrer Umwelt (ebd.: 219f.). Sie bringen in Erfahrung, welche Anforderungen und Erwartungen an die Organisation gerichtet sind. Zudem identifizieren sie drohende Risiken sowie potenzielle Gelegenheiten (Ansett 2005: 36). „Boundary spanner“ tragen zur organisationalen Wissensverarbeitung bei, indem sie die innovationsrelevanten Informationen sowie das Wissen aus dem Umfeld aufnehmen (Leifer/Delbecq 1978) und gefiltert in der Organisation verbreiten (Aldrich/Herker 1977). Die Organisationssoziologie beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Frage, wann bzw. unter welchen Bedingungen strategisches Handeln verändert wird. Dabei wird auf die Figur des institutionellen Unternehmers zurückgegriffen (DiMaggio 1988: 15). Ein Unternehmer in diesem Sinne ist ein Akteur, der ein Interesse am Wandel einer Organisation hat. Für den Wandel mobilisiert er innerhalb der Organisation Legitimitätsreserven (ebd.). In den theoretischen Ausführungen zum Konzept der dynamischen Fähigkeiten lassen sich insbesondere bei Teece (2009: 11f.) ebenfalls Hinweise auf die besondere Bedeutung einzelner Akteure finden. Diese gelangen über Kontakte im Umfeld an Wissen, das wahrgenommen, selektiert, erfasst und interpretiert wird. Teece (2009: 19) bezeichnet solche proaktiven Individuen in der Organisation als „promotors“ und „visionary agents“, die verhindern, dass es zu Prozessrigiditäten kommt: „The promoters/visionaries must somehow defeat the naysayers, transform internal views, and facilitate necessary investment“ (ebd.). Einzelnen engagierten Akteuren in der Organisation wird auch in der „labour geography“ eine entscheidende Schlüsselrolle im Rahmen von gewerkschaftlichem Wandel beigemessen (Cooper 2001; Tattersall 2006): In jeder Gewerkschaft gibt es Akteure, die stärker dazu motiviert und eher dazu imstande sind, als „advocates for change“ (Cooper 2001: 434) Wandel zu initiieren als andere (Hyman 2007: 206). Dabei kann es sich um Akteure auf einer dezentralen Ebene oder in der Gewerkschaftszentrale handeln (Cooper 2001: 434; Tattersall 2006: 13). Diese Akteure werden im Folgenden in Anlehnung and Teece (2009) als Promotoren bezeichnet (Abbildung 2). Ihre besondere Bedeutung für organisationale Veränderungen im Allgemeinen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Promotoren sind in Netzwerke von Akteuren im Handlungsumfeld eingebettet (ter Wal/Boschma 2007: 5). Deshalb gelangen sie an Wissen über Veränderungen,

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Gelegenheiten und neue Herausforderungen (Panza/Thorpe 2009). Stellen Promotoren Ineffizienz bzw. Suboptimalität mit bestehenden Problemlösungen fest, entwickeln sie ihre organisationalen Fähigkeiten und Routinen weiter und generieren neue Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen (Drinkuth et al 2003: 448). Dabei werden sie von einem intrinsischen Motivationszustand angetrieben (Eberl 2009: 108). Sie setzen alles daran, ihre individuellen Zielsetzungen durch die eigene Überzeugungskraft in der Organisation einzubringen (Lévesque/Murray 2002: 45f.; Heery 2003: 294). Dabei müssen sie sich häufig gegen eine Vielzahl divergierender Auffassungen und Interessen durchsetzen (Dosi et al. 2008: 109). Sie mobilisieren Ressourcen und suchen Verbündete für ihre Vorstellungen (Garud/Karnøe 2001: 10ff.; Eberl 2009: 261). Auf diese Weise bringen Promotoren Veränderungen in Gang, die das Potenzial bergen, auf lange Sicht eine organisationsweite Wirkung zu entfalten (Teece 2007: 1335; Berndt, D. 2010: 197). Das Lernverhalten zur Ressourcenentwicklung wird demnach ausgelöst, wenn durch Veränderungen der Bedingungen Handlungsdruck entsteht und dieser durch Promotoren wahrgenommen wird (Leoncini et al. 2003: 2; Pettus et al. 2007: 16). Nur dann werden die Ressourcen an die neuen Handlungsbedingungen angeglichen. Dies ist eine Voraussetzung für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten in den Subeinheiten (Abbildung 2) (Eisenhardt/Martin 2000: 1107; Teece 2009: 209; Zahra et al. 2006: 921). In der Literatur zu Gewerkschaften konnten vier Entwicklungen sowohl im Umfeld als auch innerhalb der Organisation identifiziert werden, die Handlungsdruck auf Gewerkschaften ausüben (Tabelle 10). Tabelle 10: Handlungsdruck im Handlungsumfeld und innerhalb der Organisation als Voraussetzung für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten Im Handlungsumfeld der Organisation

Dynamische Prozesse der Restrukturierung von Arbeitsmärkten Veränderungen der personal-politischen Strategien von Unternehmen und deren Folgen im Betrieb Politische Prozesse und rechtliche Reformen zur (De-)Regulierung von Beschäftigung

Innerhalb der Organisation

Mitgliederrückgang

Quelle: Eigene Darstellung

Die externen Rahmenbedingungen der Subeinheiten von Gewerkschaften werden insbesondere von den räumlich variierenden, dynamischen Prozessen der Restrukturierung von Arbeitsmärkten sowie von den Veränderungen der personalpoliti-

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schen Strategien von Unternehmen und deren Folgen im Betrieb beeinflusst (z.B. Savage 1998: 226; Peck 1996: 11, 2000: 142; Lier 2009: 34). Machen z.B. Gesetzesreformen Verhaltensänderungen in der Gewerkschaft erforderlich, veranlasst sie dies möglicherweise ebenfalls zur Weiterentwicklung ihrer wissensbasierten Ressourcen. Die politischen Prozesse und rechtlichen Reformen zur (De-)Regulierung von Beschäftigung sind demnach ebenfalls ein potenzieller Auslöser für die Entwicklung der Ressourcenbasis von Organisationen (Miner et al. 2008: 165; Teece 2009: 11), denn der institutionelle Handlungsrahmen von Gewerkschaften wird durch die vom Staat erlassenen, arbeitsrechtlichen Gesetze geprägt (z.B. Herod 2000: 342; Castree et al. 2004: 43; Coe et al. 2011: 1096f.; Coe/Jordhus-Lier 2011: 223). Demzufolge ist bei der Ressourcenentwicklung die Einbettung der Organisation in ein institutionelles, von politischen und rechtlichen Regelungen geprägtes Handlungsumfeld von Relevanz (z.B. Berndt 2000; Ebbinghaus 2003; Herod 2003; Castree 2007; Coe/Jordhus-Lier 2011). Bei den internen Entwicklungen innerhalb der Gewerkschaft, die Handlungsdruck erzeugen, handelt es sich im konkreten Untersuchungskontext um den Mitgliederrückgang (Tabelle 10) (Ebbinghaus 2003; Coe/Jordhus-Lier 2011). Inwiefern aus diesen Veränderungen Handlungsdruck entsteht, ist demnach ausschlaggebend dafür, ob in einer Subeinheit mit der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten begonnen wird. Dies wird in Kapitel 7 mit den eigenen Forschungsergebnissen belegt. 5.3.2

Einflussfaktoren im Handlungsumfeld der Subeinheiten

Weil die Bedingungen in den Handlungsumfeldern der einzelnen Untereinheiten und deren Dynamik multistandörtlich unterschiedlich stark ausgeprägt sind („particularities of context“, Zollo/Winter 2002: 341), entwickeln sie laut des Konzeptes zu dynamischen Fähigkeiten für die situativen Gegebenheiten ihres Umweltsegments passgenaue Strategien und Routinen, um einen „fit“ zwischen den externen Rahmenbedingungen und den Ressourcen in den Untereinheiten der Organisation herzustellen. Daraus resultieren keine integrierten und konsistenten Wissensbestände, sondern verschiedene Lernergebnisse innerhalb der Organisation (Wiesenthal 1995: 138ff.). Organisationen, die eine solche Pluralität ihrer Wissensbestände und wissensbasierten Ressourcen akzeptieren, agieren als „multiples Selbst“ (Elster 1986, Wiesenthal 1995). Sie sind dazu imstande, „sich an den Besonderheiten disparater Handlungsfelder zu orientieren“ (Wiesenthal 1995: 151) und „erzielen (…) Vorteile bei der Verbesserung ihres Orientierungssystems“ (ebd.: 152). Auch in Gewerkschaften wird darauf verzichtet, die Lernergebnisse zu vereinheitlichen, sondern – ganz im Gegenteil – Gewerkschaften passen sich durch die räumlichen Unterschiede des Handelns und Lernens an die jeweiligen Bedingungen

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vor Ort und in den Regionen an. Dies wird daran ersichtlich, dass in Gewerkschaften bei der organisationsweiten Implementierung von Ressourcenkonfigurationen (z.B. im Rahmen einer Kampagne) Anpassungen der Vorgehensweise an die jeweiligen Bedingungen im Handlungsumfeld der Subeinheiten der Gewerkschaft erforderlich sind. Gewerkschaften richten so ihr Handeln auf die geographischen Gegebenheiten aus, statt flächendeckend „one size fits all-strategies“ (Herod 1998a: 28) umzusetzen. Das bedeutet, dass vom jeweiligen räumlichen Kontext der Untereinheiten abhängt, welche konkreten Routinen und organisationalen Fähigkeiten sie tatsächlich erfolgreich implementieren (z.B. Wills 1996: 360; Coe et al. 2007: 281; Herod et al. 2007: 259f.; Lévesque/Murray 2010: 346). Demnach erfolgt das Handeln von Gewerkschaftssekretären ortsspezifisch (Herod 2000: 344; Herod et al. 2007: 256; Coe/Jordhus-Lier 2010: 29f.). In der Literatur wurden einige der räumlich verschieden stark ausgeprägten Faktoren identifiziert, die den Handlungsrahmen von Gewerkschaften bei der Entwicklung und Implementierung neuer wissensbasierter Ressourcen beeinflussen: • Insbesondere Betriebsräte bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene prägen die Handlungsspielräume von Gewerkschaftssekretären in den Unternehmen vor Ort (Behrens 2005: 330ff.), weil Betriebsräte laut BetrVG über Beteiligungsrechte der betrieblichen Mitbestimmung verfügen und für die Einhaltung von Tarifverträgen und gesetzlichen Normen zum Schutz der Arbeitnehmer zuständig sind. Sofern sie gewerkschaftlich organisiert sind, gelten Mitglieder des Betriebsrates als die legitimierten gewerkschaftlichen Sprecher gegenüber Unternehmensleitungen. Gewerkschaftssekretäre unterstützen die Betriebsräte im alltäglichen Geschäft betrieblicher Interessenvertretung (Prott 2003: 227). Außerdem bilden die Betriebsratsmitglieder die personelle Basis für die ehrenamtliche Arbeit in den Gewerkschaften. Sie bekleiden wichtige Positionen in Tarifkommissionen sowie in den Gremien der Verwaltung und Willensbildung, z.B. in Vorständen und Fachgruppen (Wassermann 2003: 410). • Inwiefern gewerkschaftliches Handeln zu Erfolgen führt, ist auch vom Verhalten der Arbeitgeber abhängig (Bain 1970: 97ff.; Freeman/Kleiner 1990: 364;), denn diese reagieren unterschiedlich auf die Bemühungen von Gewerkschaften, in ihrer Belegschaft Mitglieder zu werben und deren Interessen zu vertreten: „When employers are supportive then campaigns tend to be more successful […]. When the employer is hostile, unions find it difficult to make progress“ (Heery/Simms 2010: 3). Allerdings gelingt es den Gewerkschaften ggf., den Widerstand von Arbeitgebern abzubauen (Bronfenbrenner 1997; Bronfenbrenner/Juravich 1998). • Die Gewerkschaftserfolge bei der Mitgliederwerbung und Interessenvertretung sind auch von der Größe des Unternehmens abhängig, in dem die Gewerkschaft aktiv wird (Ebbinghaus 2003: 177; Kersley et al. 2006: 120): „Je größer und besser organisiert ein Betrieb ist, desto leichter fällt die Werbung eines zusätzlichen

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Mitglieds durch Kollegen, Betriebsräte und Vertrauensleute“ (Ebbinghaus 2003: 177). Vertrauensleute sind in der Regel nur in großen Unternehmen zu finden. Dabei handelt es sich um Gewerkschaftsmitglieder, welche die Betriebsräte bei ihrer Arbeit begleitend unterstützen und neue Mitglieder werben (Prott 2003: 226; Wassermann 2003: 417). • Als weiteren Einflussfaktor nennen Heery und Simms (2010) das Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer, denn davon wiederum hängt die „Gewerkschaftsaffinität“ und die Beitrittsbereitschaft der zu werbenden und zu vertretenden Beschäftigten ab. • Die Rahmenbedingungen der Subeinheiten von Gewerkschaften werden außerdem von den historischen Gewerkschaftskulturen und politischen Traditionen geprägt. Diese beeinflussen ebenfalls die Umsetzbarkeit von Strategien und die Aktivität von lokalen Gewerkschaftssekretären (z.B. Peck 1996: 198; Wills 1996: 365, 1998: 129f.; Herod 1998b: 123; Herod 2000: 345; Cooper 2001: 423f.; Herod et al. 2007: 255): „[L]ocal cultures of working-class politics (…) configure the terrain of labour-union capacities and potentialities, in turn shaping emerging geographies of work“ (Peck/Theodore 2010: 89). Diese räumlich variierenden Einflussfaktoren im Handlungsumfeld der Verwaltungsstellen musste auch die IG Metall bei ihrem aktiven Vorgehen bezüglich Leiharbeit berücksichtigen (Kapitel 13). Erst eine geographische Perspektive ermöglicht es deshalb, die Einflussfaktoren zu untersuchen, die für die räumlichen Unterschiede gewerkschaftlichen Handelns ursächlich sind (Peck 1996: 12; Herod 1998a: 28, 2000: 342), denn „the conditions and the strategies of labour agency are spatial“ (Coe/Jordhus-Lier 2011: 219).

5.4 M ULTISKALARE UND MULTISTANDÖRTLICHE N UTZUNG DYNAMISCHER F ÄHIGKEITEN 5.4.1

Wahrnehmung des Handlungsdrucks

Promotoren in der Gewerkschaft erhalten neues Wissen aus dem Handlungsumfeld, das Hinweise darauf enthält, dass Prozesse der Ressourcenentwicklung nötig sind bzw. Handlungsdruck besteht. Sie nehmen somit früher als andere Gewerkschaftssekretäre externes Wissen auf, das über existierende Wissensbestände hinausgeht (Eisenhardt/Martin 2000; Pablo et al. 2007). Die Promotoren gewinnen dieses Wissen – je nachdem wie systematisch sie danach suchen – in unterschiedlichen Prozessen (Danneels 2008: 524) und unter räumlich variierenden Rahmenbedingungen des Wissenstransfers:

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Häufig suchen die Promotoren nicht zielgerichtet und problemzentriert nach neuem Wissen, sondern erwerben es, weil es beiläufig an sie herangetragen wird. In dem Fall gelangen sie an das Wissen, weil sie in Netzwerkbeziehungen zu Akteuren in ihrem Handlungsumfeld vor Ort eingebettet sind („territorial embeddedness“) (z.B. Peck 2000: 134; Hyman 2007: 204; Herod et al. 2010: 10; Lévesque/Murray 2010: 338ff.; Rainnie et al. 2010: 63). In ihren Netzwerken tauschen Promotoren mit anderen Akteuren Ideen und Wissen aus (Teece 2009: 189). Je dichter die Netzwerke sind, umso umfangreicher und detaillierter sind die über diese Kanäle erschließbaren Wissensbestände (Eberl 2009: 101). Weil lokale Akteure (die Promotoren, andere DGB-Sekretäre, Betriebsräte etc.) in räumlicher Nähe zueinander verortet sind, ergeben sich unter ihnen häufig sog. „face-to-face“-Kontakte (Storper/Venables 2003). Darunter werden geplante oder zufällige persönliche Zusammentreffen verstanden (Bathelt/Glückler 2011: 132f.; Rychen/Zimmermann 2008: 773). Insgesamt lässt sich daher postulieren, dass räumliche Nähe Wissensaustausch erleichtert und Lernprozesse fördert (Nonaka/Takeuchi 1995; Maskell/Malmberg 2005; Boschma/Frenken 2006), weil sie die Wahrscheinlichkeit von zufälligen Begegnungen erhöht, häufige Interaktionen erleichtert und die Bildung sozialer Beziehungen fördert (Rychen/Zimmermann 2008: 768; Torre 2008: 883). Aufgrund ihrer „face-to-face“-Kontakte tragen die Promotoren, teils bewusst teils unbewusst, zum lokalen Rauschen bzw. Summen, dem sog. „local buzz“, bei (z.B. Gertler 2003; Storper/Venables 2003; Maskell et al. 2006; Bathelt/Glückler 2011). Zugleich gelangen sie an das Wissen, das andere Akteure vor Ort zum „local buzz“ beitragen und das sich aus Gerüchten, Eindrücken, Einschätzungen, Empfehlungen, aktuellem Insiderwissen und strategischen Informationen zusammensetzt (Maskell et al. 2006: 1003; Bathelt/Glückler 2011: 132ff.). Gewerkschaftssekretäre erfahren durch den „local buzz“ von Entwicklungen auf dem lokalen Arbeitsmarkt und in den Betrieben in ihrem Zuständigkeitsgebiet. Sucht ein Akteur gezielt und systematisch nach neuen Informations- und Wissensquellen, handelt es sich dabei um „learning by searching“ (Bathelt/Glückler 2002: 244). Bei diesem Lernprozesse erwirbt der Akteur neues Wissen durch die problemzentrierte Suche in der Fachliteratur, durch Internetrecherche und eigene Erhebungen (Danneels 2008: 524ff.; Berndt, D. 2010: 124). Werden Hinweise darauf gefunden, dass Handlungsdruck besteht und deshalb Ressourcenentwicklungsprozesse erforderlich sind, werden die Promotoren in der Organisation dazu veranlasst, eingespielte Routinen, grundlegende Wertvorstellungen und etablierte Strukturen zu hinterfragen (Zollo/Winter 2002: 344; ter Wal/Boschma 2007: 5). Die Informations- und Wissensflüsse aus dem Umfeld sind demnach „learning triggers“, d.h. für den Beginn von organisationalen Lernprozessen erforderliche Signale und Impulse.

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5.4.2

Reaktion auf den Handlungsdruck mit der Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen

Mithilfe der dynamischen Fähigkeiten zur Ressourcenintegration wird in Lernprozessen eine handlungspraktische Reaktion auf den wahrgenommenen Handlungsdruck ausgearbeitet. Dazu ist die Entwicklung der organisationalen Fähigkeiten und Routinen erforderlich. Unter „experimental learning“ oder „trial-and-errorlearning“ werden Lernformen verstanden, die zufälliges und intendiertes Lernen implizieren (Huber 1991). Das Individuum entwirft selber Lösungsstrategien und erprobt deren Wirksamkeit in neuartigen Situationen (Eberl 2009: 30). Dabei wird das vorhandene, relevante Wissen weiterentwickelt. Führt das Vorgehen bezüglich Leiharbeit zum Erfolg, wird es ggf. wiederholt (Levitt/March 1988: 321). Durch systematisches Ausprobieren werden Handlungsabläufe solange problemlösungsbezogen verändert, bis zielgerichtete Routinen entstehen (Eisenhardt/Martin 2000: 1114). „Learning by doing“ (Levitt/March 1988: 321ff.) erfolgt ebenfalls sowohl intendiert als auch als zufälliges „Nebenprodukt“ alltäglichen Handelns. Bei jeder Wiederholung wird die Routine weiter verbessert (Eisenhardt/Martin 2000: 1114). Wenn die Akteure in der Organisation gemeinsam mit anderen Akteuren handeln und dabei neues Wissen erwerben, z.B. Gewerkschaftssekretäre der IG Metall, die mit Betriebsräten zusammenarbeiten, wird Wissen aus dem Handlungsumfeld im Rahmen einer sog. „community of practice“ erworben (Lave/Wenger 1991; Wenger 1998; Wenger et al. 2002). Dabei handelt es sich um eine durch informelle oder formelle Netzwerkbeziehungen verbundene Personengruppe (Cohendet/Llerena 2003: 282; Aoyama et al. 2011: 177). Diese ist durch wiederholte Interaktionen ihrer Mitglieder, gemeinsames dauerhaftes Engagement sowie kommunikative Abstimmung gekennzeichnet (Wenger 1998). „Communities of practice“ bestehen sowohl innerhalb von Organisationen (Brown/Duguid 1991; Wenger 1998; Cohendet/Llerena 2003), als auch zwischen Organisationen, wie z.B. verschiedenen Unternehmen einer Region (Gertler 2001). Die „community of practice“ bildet dabei die Infrastruktur, in der die Beteiligten kooperieren. Die Teilnehmer besitzen dieselben Anliegen, Zielsetzungen, Wertvorstellungen, moralischen Imperative sowie Interessen und messen einer bestimmten Tätigkeit ihrer alltäglichen Arbeit einen hohen Stellenwert bei: Sie teilen „the passion and commitment (…) to a common goal, objective or practice in a given domain of knowledge“ (Cohendet/ Llerena 2008: 263). Im Laufe ihrer Interaktionen bilden sich ein themenspezifischer Fachjargon sowie gemeinsame Regeln, Praktiken, Logiken, Vorgehensweisen und Wertvorstellungen heraus (Wenger 1998: 137; Amin/Cohendet 2000: 111; Hislop 2009: 167). Die Mitglieder der „community of practice“ bringen ihr Wissen in wiederholten Interaktionsprozessen in die Gemeinschaft ein (Amin/Cohendet 2000:

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111; Cohendet/Llerena 2003: 282). „Communities of practice“ werden deshalb als „key sites of knowledge formation and exchange“ (Cohendet/Llerena 2008: 174) bzw. „a fruitful breeding ground for learning“ (Huysman 2004: 68) bezeichnet. Promotoren erwerben jedoch nicht nur neues Wissen durch „experimental learning“ bzw. „trial-and-error-learning“, „learning by doing“ und durch den Austausch in der „community of practice“, sondern auch durch „learning by interacting“ (Lundvall 1993; Gertler 1993) von den Akteuren, mit denen sie seltener als in einer „community of practice“ kooperieren. 5.4.3

Organisationsinterner Transfer der neuen Ressourcenkonfigurationen

Die Promotoren sind nicht nur, wie erwähnt (Kapitel 5.4.1), in Netzwerke zu Akteuren außerhalb der Organisation vor Ort eingebettet („territorial embeddedness“), sondern auch in organisationsinterne Netzwerke zu Akteuren andernorts auf derselben Maßstabsebene und auf anderen Ebenen eingebunden. Somit weist „embeddedness“ sowohl eine horizontale Facette („horizontal embeddedness“) auf, die auf die soziale Einbettung auf derselben Ebene rekurriert, als auch eine vertikale Dimension („vertical embeddedness“), die sich auf Beziehungen von Akteuren auf verschiedenen räumlichen Ebenen bezieht (Sonnino/Marsden 2006: 190; Knutsen/Hansson 2010: 160). Aufgrund ihrer Einbettung in Netzwerke auf derselben bzw. zu anderen Ebenen der Organisation können die Promotoren das individuell erworbene Wissen in die Organisation einbringen (Protogerou et al. 2008: 6f.) und sich mit den Akteuren in anderen Subeinheiten austauschen (Macpherson et al. 2004: 164). In Diskussionen verleihen Individuen ihrem Standpunkt Ausdruck und legen ihre Erkenntnisse gegenüber anderen Organisationsmitgliedern offen (ebd.). Das Wissen, das den neu entwickelten wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen der Promotoren zugrunde liegt, ist zunächst zum größten Teil implizit bzw. tazit (Leoncini/Montresor 2007: 22), bzw. kann nur unvollständig in Worte gefasst werden (Polanyi 1966: 4; Hislop 2009: 23; Bathelt/Glückler 2011: 66). Auf implizitem Wissen basierendes Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass der Akteur damit in der Lage ist, ein Problem effektiv zu bewältigen, ohne genau erklären zu können, wie er das Problem gelöst hat und warum gerade auf diese spezifische Weise. Der Akteur handelt, ohne dabei an bestimmte Regeln zu denken, sofern er diese überhaupt kennt (Baumard 1999: 2). Implizites Wissen ist demnach in den Handlungen und Erfahrungen von Individuen verankert (Nonaka et al. 2003: 494; Bathelt/Glückler 2011: 67), personengebunden (Bathelt/Glückler 2011: 67) und zudem unbewusst (Polanyi 1969: 214, 1985). Weil die Träger des taziten Wissens an bestimmten Standorten lokalisiert sind, dominiert die Vorstellung, dass dieses Wissen nicht über Distanzen hinweg transferierbar ist bzw. nicht ubiquitär verfügbar

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gemacht werden kann. Deshalb wurde es als ortsgebundenes bzw. „klebriges“ Wissen („sticky knowledge“) (Asheim 2002) bezeichnet (Leonard/Sensiper 1998; Maskell/Malmberg 1999; Bathelt/Glückler 2011). Die Kodifizierung und der Transfer von tazitem Wissen ist zwar mit Schwierigkeiten verbunden. Unter bestimmten Bedingungen kann aber auch implizites Wissen bis zu einem gewissen Grad formalisiert, mitgeteilt und so transferiert werden (z.B. Brown/Duguid 1991; Lave/Wenger 1991; Leonard/Sensiper 1998; Hislop 2009: 27; Bathelt/Glückler 2011: 66). In der Geographie wurden die Voraussetzungen des Wissenstransfers untersucht. Demnach kann Wissensaustausch über Informations- und Kommunikationsmedien aufgrund von virtueller Nähe erfolgen. Durch diese spezifische Form von Nähe wird der Transfer von tazitem Wissen mithilfe medialer Vermittlung (z.B. durch E-Mail-Kontakt, Austausch im Intranet oder Telefongespräche) auch über Distanzen ermöglicht (Torre 2008: 873f.; Bathelt/ Glückler 2011: 192ff.). Intranets von internationalen Unternehmen, in denen „best practice“-Beispiele vorgestellt werden, bieten dazu beispielsweise eine Möglichkeit (Hislop 2009: 28). Außerdem ist räumliche Nähe zwar nach wie vor wichtig für den Wissensaustausch, aber es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie nicht dauerhaft gegeben sein muss: Räumliche Nähe kann auch durch temporäre Nähe ersetzt werden (Bathelt/Schuldt 2008: 855; Rychen/Zimmermann 2008: 772; Torre 2008: 871). Temporäre Nähe entsteht z.B. in sog. „temporary clusters“ (Maskell et al. 2006) – z.B. im Rahmen von Tagungen, Workshops, Seminaren, Meetings –, weil diese den „face-to-face“-Kontakt zwischen sonst weit voneinander entfernt lokalisierten Akteuren ermöglichen (Maskell et al. 2006: 998; Rychen/Zimmermann 2008: 772; Bathelt/Glückler 2011: 178ff.). Solche Veranstaltungen dienen nicht nur dem Aufbau neuer Kooperationen und der Pflege bereits etablierter Beziehungen (Maskell et al. 2006: 1001f.), sondern auch dem Zusammentreffen mit Personen, „die komplementäre Erfahrungen haben und vor ähnlichen Alltagsproblemen stehen. Sie bilden eine fokussierte Community mit ähnlichen Zielvorstellungen“ (Bathelt/Zakrzewski 2007: 16). Bei diesen Gelegenheiten erfolgt zudem eine Reflexion über die eigenen wissensbasierten Ressourcen, wenn sie mit denen anderer verglichen werden (Bathelt/Schuldt 2008: 863). Aufgrund des intensiven „face-to-face“-Kontakts und der hohen Interaktionsdichte dienen „temporary clusters“ als Plattform des Informations-, Erfahrungs- und Wissensaustauschs (z.B. Storper/Venables 2003: 365ff.; Maskell et al. 2006: 1001; Bathelt/Glückler 2011: 178ff.). Die Akteure, die anlässlich von „temporary clusters“ aufeinander treffen, sind sich in der Regel auch aufgrund eines ähnlichen Qualifikationsprofils professionell nah: „Professionelle Nähe“ (Lo 2003: 220ff.) entsteht dann, wenn Akteure eine gemeinsame Fachsprache bzw. Codes teilen, weil sie über dasselbe Vorwissen verfügen oder ähnliche berufliche Erfahrungen gesammelt haben. Die gemeinsame professionelle Basis macht es möglich, dass Wissen auch über Informations- und

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Kommunikationsmedien an ferne Orte erfolgreich übermittelt werden kann, auch wenn die Akteure in geographischer Distanz zueinander verortet sind. Die Beschäftigten einer Organisation verbindet zudem eine sog. organisationale Nähe. Diese wird durch bestimmte Denkweisen sowie geteilte Ziele und Werte („shared visions“) innerhalb der Organisation hergestellt (ebd.: 118ff.). Die genannten vier Arten von Nähe – räumliche, temporäre, professionelle und organisationale Nähe – fördern nicht nur zwischen Wirtschaftsakteuren, sondern auch in Gewerkschaften den Austausch von Wissen und den Transfer von wissensbasierten Ressourcen. 5.4.4

Organisationsweite Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen

Wenn das Wissen und die neuen Ressourcenkonfigurationen in der Organisation „bottom-up“ eine gewisse Verbreitung erfahren haben, wird ggf. von der Organisationsleitung deren organisationsweite Implementierung beschlossen. Die Implementierung von Wissen, organisationalen Fähigkeiten und Routinen in den Untereinheiten der Organisation (Abbildung 2) und die dadurch bedingte Etablierung eines von der Organisationsleitung befürworteten Kurses (Glückler/Bathelt 2003: 255; Zott 2003: 106) erfolgen auf verschiedene Weise: • Das bisher in der Organisation gesammelte Wissen wird kodifiziert bzw. zu Dokumenten, Handbüchern und Verfahrensrichtlinien verschriftlicht und so im Wissensspeicher der Organisation festgehalten. Durch das systematische Ausformulieren bewährter Erfahrungen und allgemein akzeptierter Wissensinhalte wird das artikulierte tazite Wissen zu dokumentiertem explizitem Wissen (Zollo/Winter 2002: 342). Das kodifizierte Wissen soll den Akteuren in der Organisation als Handlungsanleitung bzw. Richtlinie dienen (Eisenhardt/Martin 2000: 1111) und spezifizieren, mit welchen Lösungsstrategien, die sich zuvor als „best practices“ erwiesen hatten, in der Organisation auftretende Probleme im dynamischen Handlungsumfeld künftig gelöst werden sollen (Marsh/Stock 2003: 140). • Das Wissen über die Anwendung der neuen Ressourcenkonfigurationen wird nicht nur in schriftlichen Dokumenten, sondern darüber hinaus auch im Rahmen von „temporary clusters“, d.h. von Seminaren, Workshops und Tagungen, intern verbreitet (Marsh/Stock 2003: 140). • Wissenstransfer durch temporäre Nähe vollzieht sich auch dadurch, dass vorübergehend Wissensträger als Experten in bestimmten Abteilungen oder an einzelnen Standorten eines Unternehmens eingesetzt werden mit dem Auftrag, ihr Wissen an die Mitarbeiter dort weiter zu geben (Amin/Cohendet 2004). Durch diesen gezielten Einsatz von Wissensträgern kann Erfahrungswissen aus dem

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bisherigen Kontext gelöst und über räumliche Grenzen hinweg gegeben werden. Die temporäre räumliche Nähe eines „Experten“ mit spezifischem Know-how ersetzt in diesem Fall die permanente räumliche Nähe. In einem solchen Prozess des organisationsinternen Wissenstransfers demonstrieren die Experten den anderen Akteuren in der Organisation, mit welchen neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen sie für gewöhnlich bestimmte Situationen bewältigen (Audretsch/Keilbach 2005: 22; Bathelt/Glückler 2011: 188f.). Insbesondere implizites Wissen wird so vermittelt: „[T]acit knowledge distribution often occurs through locating the person with the knowledge. Knowledge that is tacit, however, still may be teachable, in that a person with the tacit knowledge can help instruct another“ (Marsh/Stock 2003: 140). Die Organisationsleitung bzw. Gewerkschaftsführung kontrolliert zudem, inwiefern die neuen Ressourcenkonfigurationen in der Organisation tatsächlich implementiert werden und ob diese zu den erwarteten Erfolgen führen (Berndt, D. 2010: 135; Savage 2006: 652).

5.5 M ULTISKALARE UND MULTISTANDÖRTLICHE K RISENREAKTIONEN Krisen können als Ausdruck von Veränderungen im externen Handlungsumfeld von Organisationen verstanden werden (Argyris/Schön 1999). Durch Krisen werden Organisationen mit Ereignissen überrascht, aus denen neue Anforderungen resultieren. Dann sind Organisationen einem besonders hohen Druck ausgesetzt, denn sie müssen die Informationen über die Veränderungen im Handlungsumfeld schnell aufnehmen und zu geeigneten Reaktionen verarbeiten (Nathan 2001: 12; Wang 2008: 437; Kovoor-Misra/Nathan 2000). Jedoch ist in der organisationswissenschaftlichen Literatur bislang wenig über organisationales Lernen in Krisen bekannt (Deverell 2009: 180). Auch in der Gewerkschaftsforschung ist bislang ungeklärt, ob Krisen Gewerkschaften zum Lernen veranlassen (Hyman 2007: 201). Doch lassen sich zumindest einige Anhaltspunkte für vier verschiedene potenzielle Krisenreaktionen in den einzelnen Subeinheiten einer Organisation finden (Abbildung 2): Krisen können erstens dazu führen, dass die Organisation unter den veränderten Bedingungen ihre zuvor neu etablierten Ressourcen nicht mehr benötigt und verlernt. Die Verwendung der Ressourcen wird eingestellt, und die dynamischen Fähigkeiten zum Ressourceabbau werden genutzt (Helfat/Peteraf 2003: 1005ff.). Zweitens ist denkbar, dass die neu erlernten Ressourcen zwar nicht mehr gebraucht, aber diese auch nicht verlernt werden, sondern die Organisation mit der

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Nutzung der Ressourcenkonfigurationen fortfährt. An den Standorten, an denen die Akteure die Nutzung der Ressourcen einstellen, werden unter den Krisenbedingungen keine neuen wissensbasierten Ressourcen erlernt. Diese Option wird auch in zahlreichen Publikationen zu organisationalem Lernen betont (z.B. KovoorMisra/Nathan 2000, 2001; Roux-Dufort 2001; Elliott 2009) und damit erklärt, dass neue Sichtweisen gar nicht erst zugelassen werden. Die Akteure in der Organisation sind dann von den unerwarteten Ereignissen so sehr überrascht, dass sie außer Stande sind, ihr Handeln der geänderten Sachlage entsprechend in kürzester Zeit neu zu kalibrieren (Nathan 2001: 15; Kovoor-Misra/Nathan 2001: 31). Drittens ist denkbar, dass die Nutzung der Fähigkeiten und Routinen trotz der Krise fortgesetzt wird, wenn sie trotz der Veränderungen im Handlungsumfeld weiterhin einen Nutzen für die Organisation erfüllt und nicht verlernt wird. Die bereits etablierten Ressourcenkonfigurationen werden weiterhin zur Anwendung gebracht (Helfat/Peteraf 2003: 1005ff.). Viertens besteht die Option, dass die dynamischen Fähigkeiten während der Krise genutzt werden und in Lernprozessen neue Ressourcenkonfigurationen aus innovativen Routinen und Fähigkeiten hervorgebracht werden (ebd.), die speziell auf die Bedingungen der Krise zugeschnitten sind. In dem Fall werden die bereits etablierten Fähigkeiten in Lernprozessen verbessert und weiterentwickelt (Fiol/Lyles 1985; Dodgson 1993; Wang 2008) bzw. die dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau, zur Ressourcenintegration und evtl. sogar zur Ressourcenrekonfiguration genutzt.

5.6 V ORTEILE

DER MULTISKALAREN UND MULTISTANDÖRTLICHEN O RGANISATIONSSTRUKTUR

Die Ausdifferenzierung in multistandörtliche und multiskalare „Subsysteme“ scheint zunächst nachteilig für die Organisation zu sein, denn der Abstimmungsbedarf dezentraler Entscheidungen und der Aufwand zur Koordination der Handlungen von autonomen Subeinheiten ist höher als in zentral gesteuerten Organisationen (Laux/Liermann 1997: 5; Staehle 1999: 555). In der Literatur zu dynamischen Fähigkeiten wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine dezentrale Struktur, d.h. eine multiskalare und multistandörtliche Organisationsgliederung, für die Nutzung von dynamischen Fähigkeiten aus folgenden Gründen förderlich ist (Teece 2009: 38): Erstens sind dezentrale Strukturen bei der kontinuierlichen, effizienten Überprüfung der organisationalen Fähigkeiten und Routinen von großer Bedeutung (Schreyögg/Steinmann 1987; Eberl 2009: 213ff.). Für die dezentrale Durchführung der strategischen Kontrollfunktion in einer Organisation spricht, dass die Umweltkomplexität aufgrund der Verteilung der Beobachtungsaktivität auf alle Subsysteme

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besser verarbeitet werden kann. Stellt sich – auch z.B. infolge einer Krise – eine Diskrepanz zwischen den bestehenden und den angesichts der dynamischen Umwelt erforderlichen Ressourcenkonfigurationen ein, kann dies schneller erkannt werden (Eberl 2009: 235f.), weil aufgrund von Lerneffekten und Erfahrungswerten hinsichtlich des eigenen Zuständigkeitsbereichs Veränderungen leichter wahrzunehmen sowie Informationen besser einzuschätzen sind. Durch die potenzielle Beteiligung aller Subsysteme wird die Selbstbeobachtung der gesamten Organisation auch in Gewerkschaften auf eine breite Basis gestellt (Laux/Liermann 1997: 170; Staehle 1999: 699; Teece 2009: 37). Zweitens begünstigen dezentrale Organisationsstrukturen die Ressourcenentwicklung, weil darin – eher als in stark zentralisierten Strukturen – gewährleistet werden kann, dass strategische Entscheidungen auch tatsächlich auf die Realitäten vor Ort abgestimmt sind und die Reaktionsgeschwindigkeit zunimmt: Akteure müssen Informationen über Veränderungen im Handlungsumfeld sammeln, analysieren, auswerten und ihre Entscheidungen sowie ihr Handeln daran ausrichten (Helfat et al. 2007d: 26). In zentralisierten Organisationsstrukturen besteht die Gefahr, dass die Leitung Entscheidungen fällt, die nicht mit den Realitäten vor Ort in Einklang stehen. In dezentralen bzw. multiskalar und multistandörtlich strukturierten Organisationen hingegen, in denen einzelne organisationalen Subsysteme nur für bestimmte Umweltausschnitte zuständig sind, ist die Distanz zwischen einem Problem und der Instanz, die über die nötige Problemlösungskompetenz verfügt, geringer. Auch Teece et al. (1997) weisen in ihrem Konzept zu dynamischen Fähigkeiten darauf hin, dass dezentrale Organisationsstrukturen die Ressourcenentwicklung unterstützen, weil dadurch die Notwendigkeit dieser Prozesse schneller erkannt wird.

5.7 Z WISCHENFAZIT Wie herausgearbeitet wurde, erfolgt die Entwicklung der Ressourcen aufgrund der multiskalaren und multistandörtlichen Struktur der Gewerkschaft nicht in der Gesamtorganisation, sondern in deren einzelnen Subeinheiten. Die Ressourcenentwicklungsprozesse mit dynamischen Fähigkeiten können – unter Berücksichtigung der Kritik an Skalenkonzepten – in ihrer Maßstäblichkeit konzipiert werden. Es wurde deutlich, dass die Gliederung der Gewerkschaft in Ebenen zum Erreichen politischer Ziele von Vorteil ist, wenn sie strategisch zur Durchsetzung von Forderungen gegenüber Arbeitgebern genutzt wird. Außerdem wurde herausgestellt, dass die Entwicklung und Implementierung von Innovationen in multiskalar gegliederten Gewerkschaften in zwei Teilprozessen auf bzw. zwischen den Ebenen verläuft: in einer „bottom-up“-Entwicklung und einer „top-down“-Implementierung.

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Mit Blick auf die Gliederung der Gewerkschaft in multistandörtliche Subeinheiten wurde aufgezeigt, unter welchen räumlichen Voraussetzungen und unter welchen unterschiedlich stark ausgeprägten Einflussfaktoren die Ressourcenentwicklung erfolgt. Dabei wurde betont, dass insbesondere sog. Promotoren vorhanden sein müssen, die den Handlungsdruck realisieren und die Initiative ergreifen, sodass es überhaupt zur Nutzung dynamischer Fähigkeiten kommen kann. Außerdem muss ein zur Aktivierung ausreichend starker Handlungsdruck bestehen, der sich im Fall von Gewerkschaften aus organisationsexternen und -internen Entwicklungen ergibt. Die Ressourcenentwicklungsprozesse unterliegen zudem verschiedenen Einflussfaktoren, die ursächlich dafür sind, welche neuen Ressourcenkonfigurationen in den multistandörtlichen Subeinheiten tatsächlich durchgeführt werden. Hierfür konnten in der Literatur folgende Beispiele identifiziert werden: Betriebsräte bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene, das Verhalten der Arbeitgeber, die Größe des Unternehmens, die historischen Gewerkschaftskulturen und politischen Traditionen. Weiterhin konnte die Nutzung dynamischer Fähigkeiten in den multiskalaren und multistandörtlichen Organisationsstrukturen nachgezeichnet werden: Promotoren gelangen durch die räumliche Nähe zu anderen Akteuren, aufgrund von „territorial embeddedness“, „face-to-face“-Kontakten, durch den „local buzz“ und „learning by searching“ an neues Wissen und realisieren, wenn im Umfeld Handlungsdruck besteht. Sie reagieren darauf, indem sie neue Ressourcenkonfigurationen entwickeln. Dabei erwerben sie implizites Wissen. Dieses wird in internen Diskussionen artikuliert und – durch verschiedene Formen von Nähe – in den Subeinheiten „bottom-up“ verbreitet, ehe entschieden wird, dass eine organisationsweite Implementierung der neuen Ressourcen erfolgt. Der daraufhin beginnende „top-down“ gerichtete Vorgang erfolgt durch die Kodifizierung des impliziten Wissens, wird ebenfalls durch verschiedene Formen von Nähe gefördert – insbesondere durch temporäre Nähe – und durch Wissensträger als Experten vorangetrieben. Es wurden potenzielle Reaktionen auf Krisen nachgezeichnet, die in den Subeinheiten ablaufen können. Welche der Reaktionen erfolgt, hängt von dem räumlich variierenden Druck ab. Abschließend wurde verdeutlicht, dass sich die differenzierte Organisationsstruktur ggf. als vorteilhaft erweist, unter anderem wird durch die Gliederung in Ebenen und Standorte gewährleistet, dass die Ressourcenentwicklung auf die Gegebenheiten im Umfeld abgestimmt erfolgt.

6 Forschungsdesign der empirischen Untersuchung

Durch die ausführliche Erläuterung der methodischen Konzeption dieser Arbeit soll ein Höchstmaß an intersubjektiver Nachvollziehbarkeit der Vorgehensweise erzielt werden. Zunächst wird begründet, warum ein Mix aus in erster Linie qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung gewählt wurde. Danach erfolgt eine detaillierte Darlegung der Methodik von der Vorbereitung der Untersuchung, über die Auswahl der Interviewpartner bis zur Durchführung der Leitfadeninterviews. Weiterhin wird aufgezeigt, wie aufgrund des zirkulären Forschungsverständnisses Datenerhebung und -interpretation ineinander greifen. Abschließend wird das Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse zur Auswertung der Interviews skizziert.

6.1 M IX AUS PRIMÄR QUALITATIVEN F ORSCHUNGSMETHODEN Bei bisherigen empirischen Forschungsprojekten zu dynamischen Fähigkeiten wurden semistrukturierte Befragungen (z.B. Protogerou et al. 2008), schriftliche Befragungen (z.B. McKelvie/Davidsson 2009), Telefoninterviews (z.B. Macher/Mowery 2009) oder Fallstudien (Newey/Zahra 2009) durchgeführt. Die Autorin entschied sich für ein Forschungsdesign aus vorwiegend qualitativen Methoden. Qualitative und quantitative Forschungsmethoden sind allerdings auch in einem Methodenmix kombinierbar (Mayer 2004: 25f.). Diese sog. „methodische Triangulation“ (Flick 2000: 250; Gläser/Laudel 2004: 102) dient der Validierung der Methoden und Ergebnisse, denn durch den Einsatz komplementärer Methoden werden Schwächen oder Verzerrungen, die einer Methode anhaften, ausgeglichen. Des Weiteren dient die Triangulation der breiteren und tieferen Erfassung des Untersuchungsgegenstands, weil die unterschiedlichen methodischen Zugänge einander ergänzen (Jick 1979; Denzin 1970). Um diese Vorteile zu nutzen, wird das qualitative Forschungsdesign durch quantitative Forschungsmethoden ergänzt (Tabelle 11).

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Tabelle 11: Eingesetzter Methodenmix aus primär qualitativen Forschungsmethoden Qualitative Forschungsmethoden

Quantitative Forschungsmethoden

Semistrukturierte Interviews Dokumentenanalyse

Analyse von Statistiken

Teilnehmende Beobachtung Quelle: Eigene Darstellung

6.1.1

Qualitative Forschungsmethoden

Zwar besitzen qualitative ebenso wie quantitative Forschungsmethoden Unzulänglichkeiten.1 Für die Untersuchung der Forschungsfragen dieser Arbeit ist der Einsatz von primär qualitativen Methoden jedoch aus mehreren Gründen erforderlich: Erstens ist der Untersuchungsgegenstand durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Routinen, organisationale und dynamische Fähigkeiten entstehen in komplexen und langwierigen sozialen Prozessen (Easterby-Smith et al. 2009: 6), die nur schwierig mit quantitativen Forschungsmethoden zu untersuchen sind (Verona/Ravasi 2003: 580). Zweitens spricht der explorative Charakter der Fragestellung, der darauf abzielt, neues Wissen zu generieren, für eine qualitative Vorgehensweise (Wessel 1996: 59; Bortz/Döring 2002: 295). In Kapitel 2.3 wurde aufgezeigt, dass die Erforschung des gewerkschaftlichen Handelns bezüglich Leiharbeit in der „labour geography“ und der interdisziplinären Gewerkschaftsforschung noch am Anfang steht. Wie in Kapitel 4.5 ausführlich dargelegt, existiert zudem aufgrund des jungen Alters des Konzepts dynamischer Fähigkeiten (Medcof 2000: 21f.; Marsh/Stock 2003: 136) zu zahlreichen damit verbundenen Teilaspekten noch immenser Forschungsbedarf (Eberl 2009: 21; McKelvie/Davidsson 2009: 63) und eine geographische Perspektive zu dynamischen Fähigkeiten wird in dieser Arbeit erstmals entwickelt. Deshalb handelt es sich um eine explorative Untersuchung, für die sich qualitative Methoden besser eignen als quantitative (Verona/Ravasi 2003: 580), da sich qualitative Methoden durch die Offenheit auszeichnen, die Fragestellung, die methodi-

1

Eine ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile quantitativer und qualitativer Ansätze kann an dieser Stelle nicht geleistet werden (vgl. Lamnek 1995a, b; Flick et al. 2000; Mayring 2002).

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sche Vorgehensweise und theoretische Vorstrukturierungen im Forschungsverlauf flexibel an neu gewonnene Erkenntnisse anzupassen (Wessel 1996: 40; Flick et al. 2000: 23; Hussy et al. 2010: 185). Drittens bedingte die Beantwortung der Fragestellung die Auswahl von Methoden, mit denen soziale Interaktionen, subjektive Sichtweisen, spezifische Entscheidungs- und Sinnzusammenhänge der untersuchten Akteure erfasst werden können (Flick 2000a: 15). Diese wären mit dem auf „Messbarkeit“ ausgelegten Untersuchungsinstrumentarium quantitativen Forschens nicht zu erfassen, weil quantitative Methoden, wie standardisierte Interviews, soziale Phänomene ausblenden, die außerhalb des Fragerasters und der vorgesehenen Antwortkategorien liegen (Diekmann 1998: 443; Crang 2002: 647f.). Mit qualitativen Methoden kann eine konstruktivistische Sicht eingenommen werden, welche die Wahrnehmungen der Interviewten – im diesem Fall die der befragten Gewerkschaftssekretäre – nicht unhinterfragt als objektiv gegeben übernimmt, sondern als subjektiv versteht (Gläser/Laudel 2004: 24) und die Perspektive der Befragten auf das organisationale Geschehen rekonstruiert (Flick et al. 2000: 14). Viertens ist es das Ziel dieser Forschungsarbeit, wesentliche Zusammenhänge zu erkennen und das Spektrum möglicher Handlungsweisen abzubilden, statt, wie z.B. bei standardisierten Befragungen, die zahlenmäßige Verteilung bestimmter Merkmale abzufragen und möglichst repräsentative Ergebnisse zu erzielen (Mayring 1996). Qualitative Erhebungen konzentrieren sich auf kleine Stichproben, die nicht unbedingt repräsentativ für eine Gesamtmenge an Fällen sein müssen (Bathelt/Glückler 2002: 90). Dies impliziert, dass Verallgemeinerungen der Ergebnisse und ihre Übertragung in andere Kontexte, z.B. auf andere DGB-Gewerkschaften, nur vorsichtig vorzunehmen sind (Mayring 1996; Meier Kruker/Rau 2005). Jedoch können durch qualitative Methoden tiefere Einblicke gewonnen werden, weil untersuchte Akteure z.B. in Leitfadeninterviews ausführlich zu Wort kommen (Diekmann 1998: 445). Fünftens spricht für die Anwendung qualitativer Methoden, dass die vorliegende Forschungsarbeit theoretische Erklärungsmuster aus den empirischen Befunden ableiten will und explizit nicht – wie innerhalb der quantitativen Forschungsmethodik üblich – die Intention verfolgt, einen empirischen Test von Hypothesen durchzuführen, die im Rahmen von Wenn-Dann-Formulierungen Gesetzmäßigkeiten über Zusammenhänge postulieren. Bei qualitativ orientierten Untersuchungsverfahren ist es nicht notwendig bzw. sogar unerwünscht, an die Untersuchung bereits mit präzise vorformulierten Hypothesen heranzugehen. Da es sich bei dynamischen Fähigkeiten in Gewerkschaften um einen theoretisch noch unstrukturierten und empirisch dürftig erkundeten Gegenstandsbereich handelt, stand von vornherein fest, dass nicht die Modellbildung mit anschließender Hypothesenprüfung angestrebt wird. Vielmehr sollten Erkenntnisse, die zur Theoriebildung beitragen, explorativ aus den Daten emergieren.

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Ziel der empirischen Untersuchung dieser Arbeit ist es schließlich, die Argumentationslinien bezüglich dynamischer Fähigkeiten in Gewerkschaften (Kapitel 5) zu verdichten. Es handelt es sich dabei nicht um Hypothesen, sondern um den ersten Entwurf eines theoretischen Konzepts, das an bestehende Ansätze anknüpft und das es mit empirischen Erhebungen entlang forschungsleitender Fragen zu konkretisieren gilt (Reuber/Gebhardt 2007: 89). Der konzeptionelle Entwurf wird im Zuge des Forschungsprozesses reflektiert sowie ggf. reformuliert (Flick 2000a: 14) und trägt so zum Erkenntnisgewinn bei (Kleining 1982: 231). Aus den genannten Gründen bilden folgende qualitative Methoden das Forschungsdesign der vorliegenden Studie: Erstens wurden mit Gewerkschaftssekretären leitfadengestützte Interviews (Sedlacek 2002 44f.) geführt, die mitgeschnitten und protokolliert wurden. Zweitens wurde versucht, sich durch die Dokumentenanalyse (Mayring 2002: 46ff.; Gläser/Laudel 2004: 187) den Strukturen und Prozessen der Organisation zu nähern. Zu diesem Zweck wurden Publikationen von Gewerkschaften (z.B. Tarifverträge, Mitgliederzeitungen, Pressemitteilungen) und Berichte über Gewerkschaften (z.B. Publikationen von Forschungsinstitutionen, Zeitungsartikel, Fachartikel) studiert. Das Bild wurde drittens durch protokollierte teilnehmende Beobachtungen (Gläser/Laudel 2004: 37) bei Besuchen von Gewerkschaftsveranstaltungen (z.B. der Auftaktveranstaltung der IG Metall-Kampagne im April 2008) und von themenbezogenen Tagungen ergänzt. Bei diesen Anlässen interagierte die Forscherin mit den Akteuren und nahm so an den Prozessen des Wissensaustauschs teil (ebd.). 6.1.2

Ergänzende quantitative Forschungsmethoden

Um die genannten Vorteile der methodischen Triangulation zu nutzen, stützt sich die vorliegende Forschungsarbeit zusätzlich auf die Analyse quantitativer Daten (Tabelle 11) (z.B. des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln)). Außerdem wurden die statistischen Daten, die von der Bundesagentur für Arbeit erhoben werden, mit Hilfe der Kartographie-Software RegioGraph ausgewertet. Diese stellen die räumliche Verteilung der Leiharbeit in Deutschland dar und beziehen sich auf den Stand 2008 und den Zeitraum der Krise 2008/2009. Die Bundesagentur für Arbeit erfasst die Daten, indem sie alle sechs Monate die Firmen mit einer Arbeitsnehmerüberlassungslizenz zu ihren Mitarbeiterzahlen befragt. Aus diesen Angaben werden die Arbeitnehmerüberlassungsstatistik (ANÜSTAT) und die Beschäftigtenstatistik erstellt, die aber beide für eine räumliche Untersuchung statistische Unzulänglichkeiten aufweisen (Tabelle 12). Diesbezüglich werden im Folgenden einige Vorüberlegungen angestellt.

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Tabelle 12: Vergleich der verfügbaren Daten zu Leiharbeit in der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik und der Beschäftigtenstatistik Vergleichskriterium

ANÜSTAT

Beschäftigtenstatistik

Erfassung der Leiharbeiter am Einsatzort

Nein. Eine Erfassung am Einsatzort ist aufgrund der Kürze der Einsätze statistisch nicht möglich.

Erfassung der Leiharbeiter bei der Leiharbeitsfirma

Ja, aber die Beschäftigten aller Niederlassungen des Verleihbetriebs werden am Sitz der Unternehmenszentrale differenziert nach Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit erfasst.

Ja. Die Beschäftigten werden in der Gemeinde erfasst, in der sich die Niederlassung der Leiharbeitsfirma befindet, bei der sie angestellt sind. Diese Gemeinde ist in der Regel mit dem Einsatzund dem Wohnort identisch (oder nicht weit von beidem entfernt).

Erfassung nur der Leiharbeiter ohne internen Mitarbeitern

Ja.

Nein. Zwischen den Leiharbeitern und den internen Mitarbeitern wird nicht differenziert (Überschätzung).

Erfassung der Leiharbeiter von Leiharbeitsfirmen mit Haupt- und Nebenzweck Arbeitnehmerüberlassung

Ja.

Nein. Nur die Leiharbeiter von Leiharbeitsfirmen mit dem Hauptzweck Arbeitnehmerüberlassung werden erfasst (Unterschätzung).

Quelle: Eigene Darstellung nach Jahn/Wolf 2005: 3; Fuchs 2009a: 22; Herzog-Stein 2009: 3; Strüßmann 2009: 20; Bundesagentur für Arbeit 2010, 2011a, b

Aufgrund der Einsätze in unterschiedlichen Entleihbetrieben und der häufig nur kurzen Einsatzdauer ist die Erfassung der Leiharbeiter am Einsatzort zwar durch keine der beiden Statistiken möglich. Die Verwendung der Beschäftigtenstatistik ermöglicht es dennoch, Aussagen über die räumliche Verteilung der Leiharbeiter zu treffen. Die ANÜSTAT hingegen ist zur Untersuchung der räumlichen Struktur von Leiharbeit nicht geeignet, weil sich auf ihrer Grundlage kaum Aussagen über den Einsatzort des Leiharbeiters treffen lassen. Denn in der ANÜSTAT werden Leiharbeitsfirmen, die mehrere Niederlassungen, Filialen oder Betriebe besitzen, und ihre Beschäftigten durch die zuständige Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit

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an ihrem Hauptsitz erfasst. Die Beschäftigten aller Standorte einer Verleihfirma werden deshalb durch die Regionaldirektion erhoben, in der die Unternehmenszentrale liegt. Da sich z.B. der Hauptsitz der Firma Randstad in Eschborn befindet, werden alle bundesweit für das Unternehmen arbeitenden Leiharbeiter der Regionaldirektion Hessen zugerechnet. Deshalb liefert die ANÜSTAT keinerlei konkreten Anhaltspunkte dazu, wo sich der tatsächliche Einsatzort des Leiharbeiters befindet, geschweige denn, durch welche Unternehmen Leiharbeit nachgefragt wird (Buch et al. 2008a: 54, b: 11; Bundesagentur für Arbeit 2011b: 15). Die Vorteile der Beschäftigtenstatistik für geographische Untersuchungen liegen darin, dass deren Daten erstens an der konkreten Niederlassung der Leiharbeitsfirma erfasst werden, bei der die Leiharbeiter in einem Arbeitsverhältnis stehen („Arbeitsortprinzip“), statt in der jeweiligen Regionaldirektion an der Unternehmenszentrale. Zweitens liegen die Daten der Bundesagentur für Arbeit auf verschiedenen administrativen Raumbezugsebenen vor (Bundesagentur für Arbeit 2010, 2011a: 4, 2011d), wie z.B. auf Ebene der Kreise und Gemeinden. Bei der kartographischen Darstellung und geographischen Analyse der Verteilung der Leiharbeiter sind jedoch einige Unzulänglichkeiten zu beachten, die daraus resultieren, dass die Leihkräfte auch durch die Beschäftigtenstatistik nicht am Einsatzort bzw. im Entleihbetrieb, sondern am Standort der Leiharbeitsfirma erfasst werden (Jahn/Wolf 2005: 3; IMU Institut Stuttgart 2011: 2; Walter 2008: 29). Dieser befindet sich zwar in der Regel in räumlicher Nähe zum Wohnort des Leiharbeiters – in den meisten Fällen in maximal 100 km Entfernung (Promberger 2006a: 63) –, aber nicht zwangsläufig in derselben Gemeinde wie der Entleihbetrieb. Arbeits- und Einsatzort sind demnach nicht unbedingt identisch, sondern es lässt sich nur vermuten, dass eine hohe Zahl an Leiharbeitern in einer Gemeinde darauf zurückzuführen ist, dass dort eine große Nachfrage nach Leiharbeit existiert. Allerdings besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass sich der Einsatzort des Leiharbeiters in einer anderen Gemeinde in Deutschland, in einem anderen Bundesland oder sogar im Ausland befindet, weil Leiharbeiter häufig im gesamten Bundesgebiet2 oder sogar in anderen Ländern3 eingesetzt werden (Buch et al. 2008b: 13; Jahn/Wolf 2005: 3; Wolters 2008: 21).

2

Beispielsweise wird davon berichtet, dass Leiharbeiter aus ostdeutschen Bundesländern

3

Leiharbeitsfirmen mit Sitz in westeuropäischen Ländern werben Arbeitnehmer in Ost-

in West- bzw. Süddeutschland eingesetzt werden (Fuchs 2009a: 23). deutschland und in Nordrhein-Westfalen an (Spiegel 23.07.2001). Solche Leihkräfte werden hierzulande nicht erfasst (Fuchs 2009b: 18). Weil solche Arbeitsverhältnisse in ihrer quantitativen Bedeutung jedoch als gering einzuschätzen sind (Schild/Petzold 2009: 97), führt dieses Phänomen nicht zu gravierenden Abweichungen der statistischen Daten.

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Für die Verwendbarkeit der Beschäftigtenstatistik spricht dennoch, dass die räumliche Struktur der Einsatzorte weitestgehend mit der Verteilung der Leiharbeitsunternehmen übereinstimmt: Weil die Anfahrtszeiten zum Kunden bzw. zum Einsatzort der Leiharbeiter einen relevanten Kostenfaktor bei der Standortwahl der Leiharbeitsfirmen darstellen, ist anzunehmen, dass die Distanz zwischen Arbeits- und Einsatzort meist gering ist (Fuchs 2009a: 22). Zudem weist auf eine relativ geringe Entfernung hin, dass die Verleihbetriebe durch die räumliche Nähe zu den Entleihbetrieben komparative Vorteile gegenüber Konkurrenzfirmen erzielen können, denn die räumliche Nähe geht in vielen Fällen mit langfristigen Bindungen zwischen Ver- und Entleiher auf dem regionalen Arbeitsmarkt einher (Buch et al. 2008a: 54). Diese Feststellungen stützen die Annahme, dass die regionale Verteilung der Leiharbeitereinsätze weitgehend mit der in der Beschäftigtenstatistik erfassten Standortverteilung der Verleihfirmen übereinstimmt (Bogai et al. 2009: 23). Zieht man die Beschäftigtenstatistik heran, ist zu beachten, dass aus dieser – im Unterschied zur ANÜSTAT – nicht hervorgeht, ob es sich bei dem Beschäftigten einer Leiharbeitsfirma um einen Leiharbeiter handelt oder um einen internen Mitarbeiter am Standort der Leiharbeitsfirma, z.B. einen Personaldisponenten (HerzogStein 2009: 3; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 4). Laut einer Untersuchung der zehn führenden deutschen Leiharbeitsfirmen betrug der Anteil des Stammpersonals, das nicht als Leiharbeiter tätig ist, an ihrer Gesamtbeschäftigtenzahl im Jahr 2009 durchschnittlich 7,5 % (Lünendonk 2010). Als Konsequenz dieses Problems bei der Datenerhebung wird die tatsächliche Anzahl der Leiharbeiter in der Beschäftigtenstatistik überschätzt. Ihr Wert liegt de facto unter dem in der Beschäftigtenstatistik. Eine andere statistische Unzulänglichkeit führt zugleich zu einer Unterschätzung der Zahl an Leiharbeitern: In der Beschäftigtenstatistik sind nur solche Leiharbeiter identifizierbar, die einen Arbeitsvertrag mit einem Betrieb haben, dessen Hauptzweck die Arbeitnehmerüberlassung ist (Jahn/Wolf 2005: 3; Walter 2008: 28; Herzog-Stein 2009: 3). Im Juni 2010 waren in Deutschland 16.100 Verleihbetriebe registriert (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 7). Die Beschäftigten von 37 % der Firmen, deren Betriebszweck nicht ausschließlich oder überwiegend der Arbeitnehmerüberlassung gilt, werden in der Beschäftigtenstatistik nicht erfasst. Die beiden gegenläufigen Effekte – die Überschätzung durch das Mitzählen der Stammkräfte und die Unterschätzung durch die Nichtberücksichtigung von sog. Mischbetrieben – saldieren sich zwar, jedoch nur zum Teil. Es wird vermutet, dass die tatsächliche Anzahl der Leiharbeiter in der Beschäftigtenstatistik insgesamt unterschätzt wird (IMU Institut München 2011). Dennoch liefert die Beschäftigtenstatistik Hinweise zur räumlichen Verteilung der Leiharbeitereinsätze (Jahn/Wolf 2005: 8; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 4).

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6.2 K ONKRETE V ORGEHENSWEISE BEI DER EMPIRISCHEN F ORSCHUNG Aufgrund von explorativen Recherchen und Interviews konnte ein Instrumentarium entwickelt werden, das der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit gerecht wird. Die einzelnen empirischen Schritte werden in Abbildung 3 dargestellt und in den folgenden Kapiteln detailliert erläutert. Abbildung 3: Vorgehensweise bei der empirischen Forschung

Quelle: Eigene Darstellung

F ORSCHUNGSDESIGN DER

6.2.1

EMPIRISCHEN

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Vorbereitende Konzeption der empirischen Untersuchung

Weil das Leitfadeninterview als Erhebungsmethode ein gewisses theoretisches Vorverständnis des Untersuchungsgegenstandes voraussetzt (Mayer 2004: 27), erfolgte eine intensive Recherche nach relevanten Datenquellen und geeigneten Methoden sowie eine erste Dokumentenanalyse und Auswertung von statistischen Sekundärquellen. Der Forschungsstand wurde aufgearbeitet und für die Untersuchung ein Erklärungsmodell zu dynamischen Fähigkeiten in Gewerkschaften entwickelt. Dieser Entwurf und seine Annahmen wurden später mithilfe der Interviews teilweise modifiziert (Reuber/Pfaffenbach 2005: 131ff.). Mit diesem Vorwissen wurden erste theoriegeleitete Überlegungen zu Forschungsfragen angestellt (Gläser/Laudel 2004: 31). Diese wurden im Verlauf der Studie konkretisiert, fokussiert, eingegrenzt und revidiert (Flick 2002: 101). Schließlich wurde ein erster Entwurf der Leitfäden für die semistrukturierten Interviews konzipiert. Die Leitfäden wurden in zwei Probeinterviews getestet. Noch nicht ausreichend berücksichtigte Themen wurden in die Leitfäden integriert und so sichergestellt, dass der entworfene Fragenkatalog für die Erhebung der Inhalte geeignet ist (Hussy et al. 2010: 218f.). 6.2.2

Auswahl und Kontaktierung der Interviewpartner

6.2.2.1 Auswahl der Organisationen Bei der Untersuchung wurde die IG Metall als Beispiel gewählt, weil verglichen mit anderen DGB-Gewerkschaften besonders früh mit der Entwicklung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit begonnen hatte und am stärksten zum Thema „Leiharbeit“ aktiv geworden war. Dies ist durch folgende Sachverhalte zu erklären: • Die IG Metall initiierte als erste DGB-Gewerkschaft im Jahr 2008 eine bundesweite Leiharbeits-Kampagne (Kapitel 8.3.3). • Gemessen an den Mitgliederzahlen war die IG Metall im Jahr 2010 mit 2,2 Mio. Mitgliedern – 36,2 % der Summe der Mitglieder in DGB-Gewerkschaften (DGB 2011a) –die größte und somit finanziell stärkste Gewerkschaft. Deshalb konnte in keiner anderen DGB-Gewerkschaft eine ähnlich ressourcenintensive Kampagne implementiert werden. • Infolge des sektoralen Wandels war die IG Metall stark von Mitgliederrückgängen betroffen und hatte deshalb ein großes Interesse an der Werbung von Leiharbeitern. • Jede DGB-Gewerkschaft ist für die in ihrem Organisationsbereich eingesetzten Leiharbeiter zuständig. Weil Leiharbeiter nach wie vor in erster Linie in Industriebranchen eingesetzt werden (Rudolph/Wassermann 2007: 5; Klemm et al.

100 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

2008: 85; Holst/Matuschek 2011: 167), ist vor allem die IG Metall mit Leiharbeit konfrontiert (Holst et al. 2008: 166). • Infolgedessen ist auch der aus der Leiharbeit resultierende Druck auf die Stammbelegschaften in den Einsatzbetrieben im Organisationsbereich der IG Metall am stärksten (Aust/Holst 2006: 308). Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Entgeltunterschiede zwischen Stamm- und Leihkräften in den Tarifbereichen der IG Metall am größten sind (Hans-Böckler-Stiftung 2008: 1; Weinkopf 2010: 2). • Auch vom krisenbedingten Abbau der Leiharbeit waren insbesondere Industrieunternehmen betroffen (Brinkmann/Nachtwey 2010: 25). Dort waren im Juni 2008 ca. 234.000 Leiharbeiter eingesetzt, die 6,4 % der Gesamtbelegschaft ausmachten. Bis Juni 2009 sank die Zahl der Leiharbeiter auf 130.000 und die Quote auf 3,7 % (Gesamtmetall 2011). Aber nicht nur die IG Metall, sondern auch andere DGB-Gewerkschaften entwickelten ein aktives Vorgehen bezüglich Leiharbeit (FTD 07.12.2011), wie z.B. die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) (Höhmann 2011: 22; IG BCE 2011), die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) (ehemals Transnet) (EVG 2011) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) (Augsburger Allgemeine 18.10.2010). Um einen Überblick über diese verschiedenen Bemühungen unter dem Dach des DGB zu gewinnen, wurden nicht nur IG Metall-Sekretäre, sondern auch Funktionäre des DGB auf den drei Ebenen befragt. Vergleicht man die DGB-Gewerkschaften im Hinblick auf ihr Handeln bezüglich Leiharbeit, ist außer bei der IG Metall nur bei der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ein ähnlich umfassendes und systematisches Vorgehen zu beobachten. Bereits bei ihrer Gründung im Jahr 2001 öffnete sich ver.di programmatisch gegenüber neuen Beschäftigungsformen (Holst et al. 2008: 168). Ab 2008 wurden die Bemühungen um Leiharbeiter auf der Bundesebene intensiviert und ein Leiharbeitsprojekt im Fachbereich „Besondere Dienstleistungen“ eingerichtet (Pernicka et al. 2005: 105). Zudem wurde Anfang 2009 die Leiharbeitskampagne mit dem Motto „Ungleich korrigieren“ initiiert (ver.di 2011). Um bezüglich des Engagements zum Thema „Leiharbeit“ eine zumindest annähernd vergleichbare weitere DGB-Gewerkschaft mit der IG Metall kontrastieren zu können, wurden auch Akteure der ver.di in das Sampling einbezogen. 6.2.2.2 Auswahl der Interviewpartner In den genannten drei Arbeitnehmervertretungen wurden 95 semistrukturierte Befragungen mit Gewerkschaftssekretären durchgeführt (Anhang 2). Um die Prozesse in den multiskalaren Organisationsstrukturen analysieren zu können, wurden Gesprächspartner auf unterschiedlichen Ebenen ausgewählt (Merkens 2000: 291; Mayer 2004: 40f.) (Tabelle 13).

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| 101

Tabelle 13: Anzahl der Gesprächspartner auf den verschiedenen Verwaltungsebenen von IG Metall, ver.di und DGB Organisation

Verwaltungsebene National

IG Metall

ver.di

DGB

Anzahl der Gesprächspartner 4

Regional

7

Lokal

69

Regional

2

Lokal und regional

2

Lokal

6

National

1

Regional

2

Lokal

2

Quelle: Eigene Darstellung

Weil alle drei Ebenen in dem Sample repräsentiert sind, wurde eine „PerspektivenTriangulation“ (Flick 2002: 46ff.) vorgenommen. Das bedeutet, dass die Aussagen von Informanten verschiedener Ebenen miteinander abgeglichen wurden, wodurch der Blick auf das untersuchte Phänomen erweitert wurde (Merkens 2000: 293). Die Interviewpartner in den verschiedenen Organisationen und auf den drei Ebenen waren in ganz Deutschland verteilt (Abbildung 4) und wurden für das persönliche Interview an ihrem Standort aufgesucht. Nur in wenigen Fällen wurden die Befragungen telefonisch durchgeführt (Wessel 1996: 128ff.; Diekmann 1998: 373ff.). Bezüglich der konkreten Auswahl und Zusammensetzung der Stichprobe wurde in drei Schritten nach bestimmten Kriterien vorgegangen. Diese sind in Tabelle 14 dargestellt und werden im Folgenden erläutert. Der erste Schritt der Auswahl folgte dem „theoretischen Sampling“ (Glaser/Strauss 1967), d.h., dass die Auswahl der Interviewpartner auf die Bildung eines empirisch begründeten theoretischen Konzepts abzielt (Mayer 2004: 38). Diese Auswahl der Gesprächspartner führte zur Selektion der Gewerkschaftssekretäre, die in ihrer jeweiligen Subeinheit für Leiharbeit zuständig waren (Tabelle 14). Sie verfügten über einen priviligierten Zugang zu dem relevanten organisationsinternen Wissen, besaßen als Praktiker Erfahrungswissen, organisationale Fähigkeiten und Routinen und hatten zum Teil als Promotoren zu den untersuchten Prozessen aktiv beigetragen (Bogner/Menz 2005: 46; Mieg/Näf 2006: 10). Diese Schlüsselpersonen wurden herangezogen, weil sie dazu in der Lage waren, Angaben über das Vorgehen zu Leiharbeit zu machen und Einblicke in die entsprechenden Erfahrungsbestände zu geben (Schnell et al. 1999: 354; Flick et al. 2000: 23).

102 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Abbildung 4: Standorte der Interviewpartner der IG Metall, der ver.di und des DGB auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene ihrer Organisation

Quelle: Eigene Darstellung

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Tabelle 14: Schrittweises Vorgehen bezüglich der Auswahl der Interviewpartner Auswahlmethode

Ausgewählte Gesprächspartner

Organisation und Ebene der Gesprächspartner

Theoretisches Sampling

Für Leiharbeit zuständige Sekretäre

IG Metall, ver.di, DGB auf den drei Ebenen IG Metall auf der lokalen Ebene

Früh bis spät und stark bis gering für Leiharbeit engagierte Sekretäre Regionales Sampling

Schneeballverfahren

Sekretäre in Verwaltungsstellen mit verschieden hoher Leiharbeitsquote bzw. Anzahl an Leiharbeitern

IG Metall auf der lokalen Ebene

Sekretäre in Verwaltungsstellen mit verschieden großen Mitgliederwerbeerfolgen unter Leiharbeitern

IG Metall auf der lokalen Ebene

Besonders stark engagierte Sekretäre

IG Metall, ver.di, DGB auf den drei Ebenen

Quelle: Eigene Darstellung nach Glaser/Strauss 1967, Pfaffenbach 2007, Merkens 2000: 293

In der IG Metall wurden auf der nationalen Ebene vier Schlüsselpersonen ausgewählt, die in der Abteilung „Mitgliederwerbeprojekte und Kampagnenmanagement“ und der Abteilung „Tarifpolitik“ leitende oder sonstige Funktionen innehatten und deshalb intensiv mit Leiharbeit befasst waren. Auf der regionalen Ebene der IG Metall konnten die für Leiharbeit zuständigen Sekretäre in allen sieben Bezirken interviewt werden. Jedoch musste bezüglich der lokalen Gewerkschaftsfunktionäre in den insgesamt über 160 Verwaltungsstellen, bei denen es sich um die vor Ort explizit für Leiharbeit zuständigen Sekretäre oder Ersten Bevollmächtigten handelte, eine Selektion vorgenommen werden. Bei der Auswahl der IG Metall-Sekretäre in den Verwaltungsstellen wurden möglichst unterschiedliche Fälle einbezogen und verglichen (Flick 2004: 109). Zum Teil handelt es sich dabei um Gewerkschaftssekretäre, die sich durch ein besonders großes und frühes Engagement für Leiharbeit auszeichneten und in der vorliegenden Arbeit als Promotoren bezeichnet werden. Sie waren aktiv an der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten bei der Entwicklung der Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit beteiligt. Außerdem zählen Gewerkschaftssekretäre zum Sampling, die erst im Zuge des Bezirksprojekts oder auf den Startschuss der Kampagne hin bezüglich Leiharbeit tätig geworden waren. Diese nutzten die dynamischen Fähigkeiten lediglich zur Implementierung der aktiven Vorgehensweise, ohne einen Beitrag zu deren Entwicklung geleistet zu haben. Demnach hing die Zahl der in das theoretische Sampling einzubeziehenden Fälle von der Variation ab, d.h. von der Frage, wieviele

104 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Interviews erforderlich sind, um die verschiedenen Perspektiven auf den Forschungsgegenstand und die räumlich variierenden Einflussfaktoren auf die Nutzung dynamischer Fähigkeiten adäquat abbilden und erklären zu können. In einem zweiten Schritt der Fallauswahl wurde dem „regionalen Sampling“ (Tabelle 14) gefolgt, d.h. es wurden messbare, räumlich verschieden stark ausgeprägte Variablen berücksichtigt, die für die Fragestellung relevant waren (Pfaffenbach 2007: 163). Eine regionale Variable, von denen die Fallauswahl abhing, war der Anteil der Leiharbeiter an den insgesamt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bzw. die absolute Zahl an Leiharbeitern in den Gemeinden und Kreisen im Zuständigkeitsgebiet der Verwaltungsstelle. Um Verwaltungsstellen mit besonders hohen und niedrigen Leiharbeitsquoten und absoluten Leiharbeiterzahlen zu identifizieren und so eine größtmögliche Variation der Stichproben zu gewährleisten, wurde die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit hinzugezogen. Durch die Orientierung an den Daten sollte der Einfluss dieser Variable als Faktor im Umfeld der lokalen Gewerkschaftssekretäre untersucht und gewährleistet werden, dass die Standorte großer Entleihfirmen durch das Sample berücksichtigt werden. Bei der zweiten regionalen Variable, die bei der Fallauswahl des regionalen Samplings berücksichtigt wurde, handelt es sich um die Zahl der geworbenen Mitglieder. Der Autorin lag eine Mitgliederwerbestatistik der IG Metall vor, welche die Neuaufnahmen von Leiharbeitern als Mitglieder von Oktober 2007 bis Oktober 2008 differenziert nach Verwaltungsstellen und Bezirken auswies. Nach diesem Kriterium richtete sich die Auswahl der Interviewpartner in den Verwaltungsstellen, die ab Ende 2008 befragt wurden. Auch hier wurde eine maximale Variationsbreite angestrebt, d.h. es wurden sowohl besonders erfolgreiche als auch erfolglose Verwaltungsstellen in die Untersuchung einbezogen. Eine hohe Anzahl von Neuaufnahmen konnte bedeuten, dass dort ein tariflicher Abschluss zur besseren Entlohnung für Leiharbeiter in einem Entleihbetrieb geglückt war und zu einer Beitrittswelle der davon profitierenden Leiharbeiter geführt hatte. Wo keine Werbeerfolge unter Leiharbeitern zu verbuchen waren, stellte sich die Frage, welche Einflussfaktoren hierfür ursächlich waren. Die Stichprobenauswahl wurde in einem dritten Schritt ausgeweitet, indem nach dem Schneeballsystem (Tabelle 14) verfahren wurde. Dabei wurden Befragte am Ende des Interviews nach anderen potenziellen Interviewpartnern gefragt (Pfaffenbach 2007: 163). Insbesondere in Gesprächen mit Bezirkssekretären, die in Kontakt zu sämtlichen Verwaltungsstellen in ihrer Zuständigkeitsregion standen, konnten hilfreiche Hinweise gewonnen werden. So war es möglich, solche Sekretäre in den Verwaltungsstellen zu identifizieren, die früh und stark aktiv geworden waren. Auch bei der Auswahl der Gesprächspartner bei der ver.di und dem DGB wurde den Empfehlungen der übergeordneten Ebene gefolgt. Die Auswahl wurde so lange fortgesetzt, bis eine theoretische Sättigung eintrat bzw. durch weitere Befragungen keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten waren (Merkens 2000: 293).

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6.2.2.3 Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung Zunächst wurde telefonisch Kontakt zu den potenziellen Interviewpartnern aufgenommen (Gläser/Laudel 2004: 153ff.) und mit ihnen ein Termin vereinbart (Diekmann 1998: 377; Hussy et al. 2010: 219). In einer E-Mail wurde eine Terminbestätigung an die Sekretäre verschickt, der eine Projektskizze beigefügt wurde. Die Interviewbereitschaft der Sekretäre war insgesamt als sehr groß. Als problematisch erwiesen sich lediglich die sich teils kurzfristig ergebenden Einsätze der Sekretäre in Betrieben. Interviewtermine weit im Voraus zu vereinbaren, war deshalb nicht möglich. 6.2.3

Durchführung der semistrukturierten Befragungen

6.2.3.1

Semistrukturierte Interviews als Methode des Erkenntnisprozesses Die Primärdatenerhebung erfolgte durch die Methode der teilstandardisierten Befragung (Reuber/Pfaffenbach 2005: 133). Die dafür entwickelten Interviewleitfäden enthielten mehrere thematische Blöcke (Gläser/Laudel 2004: 124). Durch die Leitfäden wurden die Gespräche strukturiert, sodass ihre Vergleichbarkeit gewährleistet waren (Mayer 2004: 36). Leitfadeninterviews stellen zur Beantwortung der Forschungsfrage eine angemessene Erhebungstechnik dar, weil diese Technik größtmögliche Flexibilität gewährleistet (Wessel 1996: 40; Reuber/Pfaffenbach 2005: 137). Im Unterschied zu standardisierten Interviews ist die Reihenfolge der Fragen nicht vorgegeben. Stattdessen wird sie zur spontanen Anpassung an den Verlauf des Gesprächs situationsspezifisch umgestellt (Flick et al. 2000: 25; Gläser/Laudel 2004: 39). Die offene und flexible Gesprächsführung ermöglichte es zudem, dass im Erzählfluss völlig neue Gesichtspunkte aufgeworfen wurden (Mayer 2004: 36; Schnell et al. 2005: 446). Bei der Auswertung können so wichtige Aspekte aus dem Material herausgefiltert werden, die a priori bei der Leitfaden-Konzeption nicht antizipiert wurden (Gläser/Laudel 2004: 148). Außerdem konnten durch die offenen Frageformulierungen des Leitfadens subjektive Wahrnehmungen erfasst werden (Meier Kruker/Rauh 2005: 19), die mit standardisierten Methoden nicht zu erfassen gewesen wären (Lamnek 2005: 348). 6.2.3.2 Vorgehensweise bei den Befragungen Die in verschiedenen Regionen Deutschlands verorteten Interviewpartner wurden in zwei Rundreisen aufgesucht: Die erste empirische Phase mit 39 Interviews fand von Juli 2008 bis September 2008 statt, d.h. auf dem Höhepunkt der IG MetallKampagne. In der zweiten Phase von Juli 2009 bis Oktober 2009 wurden 55 Interviews geführt, deren Ziel in der Dokumentation der Krisenfolgen bestand.

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Die Auskunftsbereitschaft der Interviewpartner erwies sich in der Regel als hoch. Nur in Ausnahmefällen kam es zu Auslassungen einzelner Fragen. Die Dauer der Interviews lag in der Regel zwischen 45 und 60 Minuten. Wenigen kürzeren Interviews standen zahlreiche längere Gespräche gegenüber, die bis zu zweieinhalb Stunden dauerten. Die Interviews wurden mit Einwilligung der Gesprächspartner aufgezeichnet (Lamnek 1995a: 98f.; Flick 2002: 187; Mieg/Näf 2006: 7f.). Zu Beginn der empirischen Phase wurde der Leitfaden zunächst noch explorativ mit dem Ziel einer thematischen Vorsondierung eingesetzt (Mayer 2004; Bogner/Menz 2005; Meuser/Nagel 2005). Im Zuge der eigenen Informationszunahme wurden die Leitfäden weiterentwickelt und erhielten im späteren Verlauf der Forschung einen stärker Theorie generierenden Charakter (Bogner/Menz 2005: 38f.). Der thematische Zuschnitt der Fragen für die Sekretäre auf den drei Ebenen setzt unterschiedliche Schwerpunkte, weil speziellere Fragen integriert bzw. irrelevante Punkte ausgelassen wurden, die auf die Aktivitäten und Aufgaben der jeweiligen Ebene abhoben, aber alle Leitfäden griffen folgende inhaltliche Aspekte auf: die Aktivierung der Gewerkschaftssekretäre vor der Krise, die organisationalen Fähigkeiten und Routinen in der Gewerkschaft vor und während der Krise, die Einflussfaktoren auf das Handeln in der Gewerkschaft vor und während der Krise sowie den Wissenstransfer in der Gewerkschaft vor und während der Krise. Wie zuvor ausführlich erläutert, lassen sich dynamische Fähigkeiten und die damit in Zusammenhang stehenden theoretischen Bezüge nur schwierig empirisch nachweisen. Außerdem waren den Interviewpartnern die relevanten theoretischen Konzepte zu Lernprozessen in Organisationen, dynamischen Fähigkeiten sowie organisationalen Fähigkeiten und Routinen nicht bekannt. Somit zielten die Fragen auf Sachverhalte, die den Befragten nicht bewusst und die zu artikulieren sie nicht gewöhnt waren. Deshalb wurde nicht explizit nach den dynamischen Fähigkeiten, den organisationalen Fähigkeiten und Routinen gefragt, sondern nach Tätigkeiten, Handlungen und Aktivitäten bzw. Veränderungen bei der Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit. So wurde der Gesprächspartner dazu bewegt, in seinen Worten Aspekte zu schildern, die der Interviewerin Rückschlüsse auf übergeordnete Fragen und die Einordnung des Gesagten in die Theorie erlaubten. Der Fragenkatalog enthielt sowohl Erzählanregungen, die ausführliche deskriptive oder begründende Beschreibungen oder Erklärungen auslösen sollten, als auch Fragen, die knappe Antworten erforderten. Aus den Antworten auf viele der Schlüsselfragen wurden weitere Nach-, Verständnis- oder Sondierungsfragen aufgeworfen etwa nach konkreten Beispielen für generalisierende Aussagen (Gläser/Laudel 2004: 124). Bei drei Interviews war zweiter Interviewpartner anwesend. In diesen Fällen wurden die Aussagen des einen Befragten zur Erzählanregung für den anderen oder konnte der eine die Erinnerungsprobleme des anderen kompensieren (ebd.: 163).

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Am Ende der Gespräche wurde kontrolliert, ob noch wichtige Punkte ausgelassen wurden, und wurden resümierende Abschlussfragen zur Überprüfung des Problemverständnisses gestellt (Schnell et al. 2005: 450). Zudem wurde um die im Interview erwähnten Präsentationsmaterialien, Tarifverträge und statistischen Aufstellungen zum Umfang der Leiharbeit vor Ort gebeten, die im Rahmen der Dokumentenanalyse ausgewertet wurden (Mayring 2002: 46ff.). Abschließend wurden die Kontaktdaten potenzieller künftiger Gesprächspartner erfragt. Nach jedem Interview wurden zudem Memos angefertigt, die aus dem Interview resultierende Überlegungen für die weitere Arbeit erfassten (Hussy et al. 2010: 196). 6.2.4

Zirkulärer Forschungsprozess

Der Forschungsprozess der Arbeit war, wie bei qualitativer Forschung generell üblich (Glückler 2004: 127ff.; Mayer 2004: 25), zirkulär angelegt. Anders als in einem linearen Forschungsprozess erfolgten Fallauswahl, Datenerhebung und interpretation nicht nacheinander, sondern griffen ineinander. Das zirkuläre Vorgehen ermöglicht, die gewonnenen Erfahrungen in die Gestaltung weiterer Interviews einfließen zu lassen. Inhaltliche Aspekte, die bei der ursprünglichen Leitfadenkonzipierung nicht berücksichtigt worden waren, sich aber im Verlauf der Untersuchung als relevant erwiesen, wurden in den Leitfaden integriert (Wessel 1996: 40; Pfaffenbach 2007: 160), und das zuvor entwickelte theoretische Erklärungsmodell wurde permanent überprüft (Wessel 1996: 40; Mayer 2004: 28). 6.2.5

Auswertung der empirischen Daten

6.2.5.1 Transkription der Befragungen Die Interviews wurden fast vollständig transkribiert. Aus arbeitsökonomischen Erwägungen wurden jedoch sich wiederholende Interviewbestandteile (z.B. die Projektbeschreibung) und nicht themenrelevante Elemente (wie inhaltliche Abschweifungen) ausgelassen (Reuber/Pfaffenbach 2005: 155f.). Die Transkription wurde zwar wörtlich vorgenommen, aber in einigen Interviews eine sinngemäße Protokollierung einzelner Interviewpassagen für ausreichend befunden. Auch Interjektionen („ähs“ etc.) sowie Auffälligkeiten beim Sprechen, wie z.B. Räuspern, wurden nicht festgehalten. Um signifikante Formulierungen, die in dieser Arbeit wörtlich zitiert wurden, in normales Schriftdeutsch umzuformulieren, war es stellenweise erforderlich, Dialekte zu bereinigen und Satzbaufehler zu korrigieren (ebd.).

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6.2.5.2

Fortsetzung der Dokumentenanalyse und Auswertung von statistischen Daten Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und gewerkschaftseigene Statistiken, die von den Gewerkschaftssekretären zur Verfügung gestellt worden waren, wurden in einem eigenen Projektarchiv gesammelt. Diese Materialien sowie die aktuelle Medienberichterstattung wurden im Rahmen der Dokumentenanalyse ausgewertet. Aufgrund des zirkulären Forschungsverständnisses (Kapitel 6.2.4) flossen die dabei gewonnen Erkenntnisse in den weiteren Verlauf der Untersuchung ein (Gläser/Laudel 2004: 204; Hussy et al. 2010: 228). 6.2.5.3 Computergestützte qualitative Inhaltsanalyse Die transkribierten Interviews wurden mit einem Verfahren ausgewertet, das sich an der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 1983; Gläser/Laudel 2004: 193ff.) orientiert (Abbildung 5). Diese Vorgehensweise zur Auswertung zielt darauf ab, das umfangreiche Textmaterial zu reduzieren und zu strukturieren. So konnten rund 700 Seiten Transkripte ausgewertet werden. Zur Vorbereitung der qualitativen Inhaltsanalyse gehört die Aufstellung eines vorläufigen Kategoriensystems (Bortz/Döring 2002: 330; Reuber/Pfaffenbach 2005: 174). Diese Kategorien bzw. Codes bilden ein Suchraster, das die relevanten Textstellen identifiziert und herausfiltert. Das Kategorienschema erleichtert den Vergleich der vielen unterschiedlichen Fälle, auf die es durchgängig angewendet wird (Flick 2002: 215). Die Entwicklung des Kodierschemas erfolgte zunächst deduktiv bzw. aus den theoretischen Vorüberlegungen zur Forschungsfrage (Bortz/Döring 2002: 330; Flick 2002: 269f.). Um die theoretischen Konstrukte Routinen, organisationale und dynamische Fähigkeiten aus den Daten extrahieren zu können, wurden diese mit ihren Charakteristika und Wirkungen durch das Kategoriensystem erfasst. Jeder Code entspricht einem Gesichtspunkt, unter dem das Material analysiert werden soll. Um Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme bei der Anwendung des Kategoriensystems zu vermeiden (Mayring 2003: 83), wurden die Aspekte, die aus dem Material herausgefiltert wurden, durch die Definition der Kategorien im Vorfeld festgelegt (Hussy et al. 2010: 246). Als nächster Schritt wurde ein mehrmaliger Durchlauf durch das Textmaterial vollzogen, um zu einer theoretisch wie empirisch abgesicherten Interpretation und Darstellung der Ergebnisse zu gelangen (Mayer 2004: 47): Mit der qualitativen Inhaltsanalyse soll eine Informationsbasis geschaffen werden, die ausschließlich die Informationen enthält, die für die Beantwortung der Untersuchungsfrage relevant sind (Mayring 2003: 58). Zu diesem Zweck erfolgte beim ersten Durchlauf eine Reduktion der Textmenge (Gläser/Laudel 2004: 194). Die Informationsfülle wurde durch selektives Streichen irrelevanter und bedeutungsgleicher Textstellen verringert. Nur die Passagen wurden analysiert, in denen sich der Interviewpartner explizit zum Gegenstand der Forschungsfrage äußerte (Lamnek 2005: 518). Diese ver-

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bleibenden Gesprächsinhalte wurden durch die Zusammenfassung und Paraphrasierung von relevanten Textstellen komprimiert. Die ursprüngliche Materialmenge wurde so auf eine überschaubare Kurzversion reduziert, die nur noch die wichtigsten Inhalte umfasste (Mayring 2000: 4). Abbildung 5: Vorgehensweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse

Quelle: Eigene Darstellung nach Mayring (1983, 2000, 2002, 2003) und Gläser/Laudel (2004)

Nachdem in der vorbereitenden Phase der qualitativen Inhaltsanalyse zunächst deduktiv die Erstellung eines von der Theorie abgeleiteten Kategorienschemas erfolgt war, wurde dieses durch die Sichtung des empirischen Materials überarbeitet und revidiert, bis ein adäquates Schema vorlag. Dabei wurden die deduktiv entwickelten

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Kategorien an das Material herangetragen, an den empirischen Realitäten überprüft und gegebenenfalls modifiziert (Flick 2002: 212, Gläser/Laudel 2004: 199). Das a priori aufgestellte, grobe Kategorienraster wurde so um empirisch begründete Auswertungskategorien präzisiert und durch Unterkategorien verfeinert (Mayring 2003: 89; Lamnek 2005: 518). Einige sinnvolle Auswertungskriterien wurden auch erst beim mehrmaligen Durchlesen des Datenmaterials offenkundig und als neue Kategorien integriert (Reuber/Pfaffenbach 2005: 162). Die anfänglich deduktive Vorgehensweise der Kategorienbildung wurde demnach mit einem induktiven Vorgehen kombiniert (Flick 2002: 269f.; Mayring 2003: 75). Auf diese Weise entstand ein Kategoriensystem, das einerseits auf den theoretischen Vorüberlegungen aufbaut. Andererseits kam das Kategorienraster der Forderung nach Offenheit des Verfahrens nach (Gläser/Laudel 2004: 195). Während des mehrmaligen Durchgangs durch das Textmaterial fand außerdem die Extraktion der transkribierten Gesprächsinhalte statt. Das bedeutet, dass bei der Sichtung der Transkripte für die Klärung der Fragestellung relevante Textstellen selektiert wurden. Bei einigen handelte es sich um Textfragmente der Transkripte, welche die dargestellten Argumentationslinien besonders deutlich illustrieren (Glückler 2004: 133). Sie wurden als sog. Ankerbeispiele identifiziert (Lamnek 1995b: 215; Mayring 2000: 473), um eine möglichst authentische Belegung der Kategorien zu gewährleisten. Bisweilen war hierfür zunächst eine Verständnisklärung der Inhalte durch Hinzuziehung von Zusatzinformationen erforderlich. Unklare Textbestandteile, wie z.B. Begriffe aus dem Arbeitsrecht und weitere Termini aus dem Sprachgebrauch der befragten Gewerkschaftsvertreter wurden so expliziert (Mayring 2000: 473, 2003: 77). Die Identifikation von wissensbasierten Ressourcen ist eines der vordringlichen Ziele dieser Arbeit. Zwar lassen sich die theoretischen Annahmen zu dynamischen Fähigkeiten durch empirische Befunde nur schwierig verifizieren (Kapitel 3.5 und Kapitel 6.2.3.2). Allerdings zeigen sich dynamische Fähigkeiten in Gestalt der ihnen zugrunde liegenden Prozesse (Helfat et al. 2007c: 31; Easterby-Smith et al. 2009: 6). Sie lassen sich z.B. daran erkennen, dass einzelne Akteure durch Lernen mit Veränderungsprozessen beginnen (Pablo et al. 2007: 695). Weil den Akteuren die organisationalen Fähigkeiten bewusst sind (Dosi et al. 2000: 2; Zollo/Winter 2002: 341; Helfat/Peteraf 2003: 999) und sie deshalb verbal explizierbar sind (Winter 2003: 992; Zahra et al. 2006: 918), wurden sie in den Interviews deutlich. Routinen wurden ausfindig gemacht, indem sie als sich wiederholende Handlungsmuster definiert wurden (Kapitel 3.3.1) (Cohen/Bacdayan 1994; Becker 2004) und im Material danach gesucht wurde. In dem nächsten Verfahrensschritt wurde die Zuordnung relevanter Textstellen zu Kategorien („Codierung“) vorgenommen (Gläser/Laudel 2004: 194; Lamnek 2005: 531). Da der Inhaltsanalyse dieser Untersuchung das umfangreiche Textmaterial der Transkriptionen zugrunde lag, erfolgten die Auswertung und das Datenma-

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nagement unter Anwendung eines computergestützten Verfahrens. Mit dem Programm Atlas.ti, einer Software zur qualitativen Datenanalyse (QDA), können Textdateien strukturiert, ausgewertet und verwaltet werden (Mayring 2003: 103ff.; Gläser/Laudel 2004: 196). Zu diesem Zweck wurden die insgesamt 95 Textdateien in das Analyseprogramm importiert. Die einzelnen Interviewtranskripte wurden analysiert, indem relevante Informationen verschiedenen Codes zugeordnet werden. Da die Zuordnung der Textstellen zu den einzelnen Codes auf der Grundlage der individuellen Vorkenntnisse und Erfahrungen erfolgte, wurde dabei ein erster interpretativer Schritt vollzogen. Bei einer späteren Auswertung der codierten Textstellen erleichtert der „code manager“ die Datenverwaltung, indem er auf Wunsch alle Textstellen aufführt, die derselben Kategorie zugewiesen wurden („Retrieval-Funktion“, Kelle 2000: 492). Das sog. „query tool“, eine Suchfunktion, beschleunigte zudem das Auffinden bestimmter Textausschnitte und somit das Zurückverfolgen ausgewählter Textstellen in ihren ursprünglichen Kontext (Mayring 2002: 137; Reuber/Pfaffenbach 2005: 168). Des Weiteren wurden in dem Programm während des Auswertungsprozesses kontinuierlich Memos angefertigt, d.h. die Quelltexte an entsprechender Stelle mit Annotationen und Kommentaren versehen. Dabei handelte es sich um Notizen zu Überlegungen für die spätere Interpretation, zu Ersteindrücken über mögliche Querverbindungen etc. (Hussy et al. 2010: 196). Als letzter Schritt der qualitativen Inhaltsanalyse wurden bei der Auswertung zur Identifizierung von kausalen Erklärungszusammenhängen die relevanten Informationen aus den Transkripten auf einer abstrakten Ebene generalisiert (Gläser/Laudel 2004: 195f.). Bei der Analyse und dem Vergleich von Fällen und Ankerbeispielen wurden Gemeinsamkeiten, Unterschiede, abweichende Auffälligkeiten und neue Phänomene in den Aussagen herausgearbeitet und mit Originalzitaten veranschaulicht (Mayer 2004: 25). Zur Darstellung der gewonnen Erkenntnisse in dieser Arbeit wurden die Interviews je nach Organisation und Verwaltungsebene differenziert aufgelistet und nummeriert (Anhang 2). Aussagen, die den Interviews entnommen wurden, sind durch die jeweilige Interviewnummer gekennzeichnet. Außerdem erfolgte eine empirisch begründete Entwicklung einer Typisierung und Zuordnung der Fälle zu den jeweiligen Typen (Mayring 2003: 59). Die einander ähnlichen Fälle bzw. Verwaltungsstellen, die aus vergleichbaren Gründen mit ihren Aktivitäten bezüglich Leiharbeit begannen, wurden zu einem Typ zusammengefasst, sodass die Fälle innerhalb eines Typus einander möglichst ähnlich sind (interne Homogenität) und sich die Typen untereinander stark unterscheiden (externe Heterogenität) (Mayring 2003: 90; Gläser/Laudel 2004: 245; Hussy et al. 2010: 260). Die Typisierung wird in Kapitel 9 ausführlich erläutert. Durch die interpretative Ableitung von Untersuchungsergebnissen erfolgte schließlich die Beantwortung der Forschungsfrage (Mayring 2003: 53; Gläser/Laudel 2004: 195f.).

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6.2.5.4

Kommunikative Validierung und Verschriftlichung der Ergebnisse Die Ergebnisse wurden in einem Zwischenbericht und weiteren Publikationen zusammengefasst und den Interviewpartnern zugeschickt. Von einigen Befragten konnten daraufhin inhaltliche Kommentierungen eingeholt werden. Außerdem wurden die vorläufigen Forschungsergebnisse auf Fachtagungen, Arbeitstreffen und Workshops präsentiert und diskutiert (Wessel 1996: 67). Durch diese „kommunikative Validierung“ (Mayer 2004: 56) konnten die Interviewpartner zustimmend oder ablehnend Stellung beziehen. Ihre Äußerungen wurden in den weiteren Auswertungsprozess einbezogen (Lamnek 1995a: 166), ehe die endgültige Verschriftlichung der Ergebnisse erfolgte, die im Folgenden dargestellt werden.

7 Handlungsdruck der IG Metall bezüglich Leiharbeit vor der Krise 2008/2009

Bis in die 1990er Jahre betrachtete die IG Metall, wie die anderen DGBGewerkschaften (Anhang 1), Leiharbeit als „modernen Sklavenhandel“ (IG Metall 1992). Die Beschäftigungsform wurde aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen vieler Leiharbeiter und der Beeinträchtigungen für die tariflichen Standards der regulär Beschäftigten stark kritisiert. Konsequenterweise wurden auch keine Bemühungen um die Mitgliederwerbung und Interessenvertretung der Leiharbeiter unternommen (Boost/Buscher 2009: 76; Schröder 2010d: 104). Zwar liegen keine validen Informationen vor und auch die verfügbaren Daten unterscheiden sich immens, aber es wird allgemein angenommen, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Leiharbeitern in Deutschland niedrig ist (Wolters 2008: 27). Schätzungen zufolge liegt ihr Organisationsgrad zwischen unter 5 % (Vitols 2003: 21) und 15,7 % (Kvasnicka/Werwatz 2003: 720). Als plausibler erscheint jedoch der geringere Wert (Aust/Holst 2006: 308; Vanselow 2009: 7f.). Damit blieb der Organisationsgrad der Leiharbeiter weit hinter dem der insgesamt Beschäftigten zurück, der 2010 19,3 % betrug (IW Köln 2010a, b). Welche Gründe sind für den Handlungsdruck ursächlich, der die IG Metall zur Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit bewog? Diese Frage wird im Folgenden anhand der eigenen empirischen Ergebnisse beantwortet, die durch die Dokumentenanalyse und die Interviews mit den Gewerkschaftssekretären gewonnen wurden. Auf die internen und externen Ursachen des allgemeinen Handlungsdrucks, der Gewerkschaftsorganisationen dazu veranlasst, mit Ressourcenentwicklungsprozessen zu beginnen, wurde bereits in Tabelle 10 eingegangen. Sie werden in Tabelle 15 aufgegriffen und mit Blick auf den spezifischen Druck der IG Metall in Bezug auf Leiharbeit präzisiert.

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Tabelle 15: Handlungsdruck im Handlungsumfeld der Organisation und in der Organisation als Voraussetzungen für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten

Im Handlungsumfeld der Organisation

In der Organisation

Allgemeiner Handlungsdruck in Gewerkschaften

Spezifischer Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit in der IG Metall

Dynamische Prozesse der Restrukturierung von Arbeitsmärkten

Zunahme von Leiharbeitern als prekär Beschäftigte mit hohem Bedarf an gewerkschaftlicher Unterstützung

Veränderungen der personalpolitischen Strategien von Unternehmen und deren Folgen im Betrieb

Negative Auswirkungen der Zunahme von Leiharbeit für die Stammbelegschaft in Entleihbetrieben

Politische Prozesse und rechtliche Reformen zur (De-)Regulierung von Beschäftigung

Sukzessive Deregulierung der Leiharbeit

Mitgliederrückgang

Notwendigkeit, neue Mitgliederpotenziale unter Leiharbeitern zu erschließen

Quelle: Eigene Darstellung

7.1 Z UNAHME VON L EIHARBEITERN ALS PREKÄRE B ESCHÄFTIGTENGRUPPE MIT HOHEM B EDARF AN GEWERKSCHAFTLICHER U NTERSTÜTZUNG In Kapitel 5.3.1 wurde aufgezeigt, dass Ressourcenentwicklung in Gewerkschaften insbesondere auf die dynamischen Prozesse der Restrukturierung von Arbeitsmärkten hin initiiert werden. In den folgenden Kapiteln wird deshalb die bis zu der Krise 2008/2009 andauernde rasante Zunahme der Leiharbeiter als eine Handlungsdruck erzeugende Entwicklung im Umfeld der Gewerkschaften erläutert (Tabelle 15). Seit der Legalisierung von Leiharbeit ist die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche in Deutschland gestiegen. Als Ursachen für den Bedeutungszuwachs von Leiharbeit werden der Anstieg von Nachfrage und Angebot auf dem deutschen Leiharbeitsmarkt und die Deregulierung der Leiharbeit angeführt.

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Das Engagement der Gewerkschaften bezüglich Leiharbeit erfolgte unter anderem mit der Intention, den gegenüber den Stammkräften benachteiligten Leiharbeitern Unterstützung zu bieten. Deshalb wird des Weiteren erläutert, warum die Arbeitsund Entlohnungsbedingungen vieler Leiharbeiter als prekär zu bezeichnen sind und sie auf Interessenvertretung angewiesen sind. 7.1.1

Anstieg der Leiharbeit zwischen 1973 und 2008

Nach der Legalisierung der Leiharbeit in Deutschland1 wurde 1973 mit der statistischen Erfassung der Anzahl an Leiharbeitern begonnen. Die Zahl der Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche wies seitdem bis zur jüngsten Wirtschaftskrise einen steilen Anstieg auf (Abbildung 6). Abbildung 6: Entwicklung der saisonbereinigten, absoluten Zahl an Leiharbeitern von 1973 bis 2010 in Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesagentur für Arbeit 2011c und 2012

1

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die gewerbsmäßige Überlassung von Leiharbeitern verboten (Pernicka et al. 2005: 50). Eine Leiharbeitsfirma aus der Schweiz gründete dennoch 1962 eine Niederlassung in Hamburg. Als die Leiharbeitsfirma verklagt wurde, erzielte sie 1967 mit dem Verweis auf das Grundrecht auf freie Berufswahl (Noller et al. 2004: 14) ein Gerichtsurteil, durch das Leiharbeit legalisiert wurde (Wölfle 2008: 39).

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Der Boom der Branche begann auf einem niedrigen Ausgangsniveau von ca. 10.000 Leiharbeitern in den 1970er Jahren (Wolters 2008: 17). Die Zunahme der Zahl der Leiharbeiter endete selbst dann nicht, als die Arbeitsmärkte in West- und Ostdeutschland ab 1993 von einem allgemeinen Beschäftigtenrückgang geprägt waren (Bundesagentur für Arbeit 2011c). Unterbrochen wurde der Anstieg lediglich durch die Konjunkturschwäche zwischen 2001 und 2003. Bereits zwischen 2004 und 2008 setzte sich der Aufwärtstrend aber mit einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate der Leiharbeiterzahlen von 17 % besonders rasant fort. Bis zu ihrem bisherigen Höchststand im Jahr 2008 von 761.000 war die saisonbereinigte Zahl der Leiharbeiter gegenüber 1973 um das 27-Fache gestiegen, ehe die Wirtschaftskrise ab Herbst 2009 zu einem Rückgang von 136.000 Leiharbeitern (ebd.) und damit zu einer deutlichen Zäsur in der Beschäftigtenentwicklung der Branche führte. Im Folgenden werden die zentralen Ursachen für das Beschäftigungswachstum in der Leiharbeit bis zur Krise erläutert. 7.1.1.1

Personalplanerischer Flexibilisierungsbedarf von Unternehmen Um den Anstieg der Nachfrage nach Leiharbeit zu begründen, ist es zunächst erforderlich, das Beschäftigungsverhältnis Leiharbeit und dessen Unterschiede zum Normalarbeitsverhältnis2 zu erklären: Bei Leiharbeit handelt es sich um ein atypisches Beschäftigungsverhältnis3, denn während Normalarbeitsverhältnisse durch eine Zweierbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gekennzeichnet sind, ist für die Leiharbeit eine Dreieckskonstellation charakteristisch (Abbildung 7). In diesem trilateralen Beschäftigungsverhältnis ist ein Leiharbeiter, z.B. ein Mechaniker, vertraglich bei einem Leiharbeits- oder Verleihunternehmen wie Randstad beschäftigt, aber sein Arbeitsplatz befindet sich in einem Einsatz- bzw. Entleihunternehmen, z.B. bei BMW (Noller et al. 2004: 14). Nach Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages auf der Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) (Herzog-Stein 2009: 3; DGB 2011b: 3ff.) wird dem Entleiher das Weisungs- bzw. Direktionsrecht übertragen und die Arbeitskraft des Leiharbeiters zur Verfügung gestellt (Springer 2002: 14f.; Wolters 2008: 11f.). Dafür berech2

Das Normalarbeitsverhältnis (Mückenberger 1985) basiert auf einem unbefristeten Arbeitsvertrag, einem an Vollzeitbeschäftigung orientierten Arbeitszeitmuster, einem tarifvertraglich geregelten Lohn oder Gehalt, der Sozialversicherungspflicht sowie der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (Neubäumer/Tretter 2008: 262).

3

Atypische Beschäftigungsformen weichen in Bezug auf mindestens eines der genannten Kriterien vom Normalarbeitsverhältnis ab (Keller/Seifert 2006: 235). Im Fall der Leiharbeit ist der Arbeitnehmer nicht an die Anweisungen des Arbeitgebers gebunden, sondern an die des Vorgesetzten im Entleihbetrieb.

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net die Leiharbeitsfirma ihrem Kundenunternehmen als Verleihgebühr den tarifvertraglichen Bruttolohn des Leiharbeiters zuzüglich des Gewinn- und Verwaltungskostenaufschlags. Je nach Qualifikation des Leiharbeiters (Noller et al. 2004: 15) und je nach Tätigkeit (Seifert/Brehmer 2008: 336) beträgt der Verleihsatz das Doppelte (IW Köln 2010c) bis Zweieinhalbfache (Die Zeit 08.04.2009; DGB 2009a: 2) des Lohnes, den der Leiharbeiter erhält. Leiharbeitsfirmen sind auch in verleihfreien Zeiten zur Lohnfortzahlung verpflichtet, d.h. wenn der Leiharbeiter nicht im Einsatz ist (Bundesagentur für Arbeit 2009a: 1). Abbildung 7: Dreiecksverhältnis der Leiharbeit zwischen Leiharbeiter, Leiharbeitsfirma und Einsatzbetrieb

Quelle: Eigene Darstellung nach Springer 2002: 13; Steiner/Mittländer 2008: 12

Welche Vorteile bietet Leiharbeit den Entleihfirmen gegenüber der Beschäftigung von Stammkräften? Ursprünglich wurde Leiharbeit von Unternehmen zur Kompensation kurzfristiger Ausfälle von regulär Beschäftigten (z.B. im Fall von Elternzeit oder Erkrankung) genutzt (Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) 2012: 4). Solche „Ad-hoc-Ersätze“ (Holst 2009: 145) durch Leihkräfte gewährleisten die Kontinuität der betrieblichen Abläufe. Seit Anfang der 1990er Jahre hat Leiharbeit aber insbesondere deshalb in den Unternehmen an Bedeutung gewonnen, weil sich deren personalpolitischen Strategien verändert haben (Schröder 2010a: 84). Denn die kurzfristigen Schwankungen auf den globalen Märkten stellen die Personalplanung von Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Um auf Auftrags-, Saison- und Konjunkturschwankungen (Promberger 2007: 131) reagieren zu können, stehen Unternehmen ver-

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schiedene personalpolitische Instrumente zu Verfügung, zu denen auch die Leiharbeit zählt (Seifert/Brehmer 2008: 335). Diese Instrumente gewährleisten interne und externe Flexibilität. Interne Flexibilität erfolgt in den Kernbereichen der Belegschaft ohne Rückgriff auf den externen Arbeitsmarkt (Keller/Seifert 2007: 16), z.B. durch die Abweichung von standardisierten Arbeitszeiten mithilfe von Teilzeitarbeit, Zeitkonten und flexiblen Arbeitszeitmodellen (Hoffmann/Walwei 1998: 419). Im Gegensatz dazu stellt Leiharbeit mithilfe der Variation der Belegschaftsstärke in „atmenden Unternehmen“ (Schäfer 2007: 2) externe Flexibilität her. Unternehmen, die Leiharbeit nutzen, brauchen ihre Personalplanung nicht an der Spitzenauslastung auszurichten und vermeiden somit Leerkosten, die sonst durch ungenutzte Personalkapazitäten anfallen würden (Dietz/Walwei 2006: 281). Leiharbeit ermöglicht es ihnen, eine „Personalpolitik der unteren Linie“ (Holst et al. 2009: 145) umzusetzen. Sie orientieren ihre Personalplanung an einer stabilen Basisauslastung und bauen bei Bedarf schnell personelle Kapazitäten auf (Neubäumer/Tretter 2008: 262ff.). Dazu werden Leiharbeiter vorübergehend als „Flexibilitätspuffer“ (Holst 2009: 145) oder „Manövriermasse“ (Flothmann 2011: 27) eingesetzt. So wird verhindert, dass eine unzureichende Deckung des Personalbedarfs im Fall von Auftragsspitzen zu Produktionsausfällen, Verlängerungen der Lieferzeiten oder ggf. Konventionalstrafen führen (Alewell et al. 2005: 233). Nicht nur der Aufbau, sondern auch der Abbau von Personalkapazitäten wird erleichtert, weil Unternehmen mit Leiharbeit die – im internationalen Vergleich sehr strikten (Albrecht 2002: 18) – gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen in Deutschland umgehen können. Denn wegen des Kündigungsschutzes können einmal aufgebaute Personalbestände der Stammbelegschaft nur in einem langwierigen und kostenintensiven Prozess reduziert werden, der ggf. mit der Verhandlung von Sozialplänen über Abfindungszahlungen einhergeht (Holst 2009: 145). Der Einsatz eines Leiharbeiters hingegen kann konfliktfrei und schnell beendet werden, sobald seine Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird –, ohne dass eine Abfindung gezahlt werden muss oder andere Entlassungskosten anfallen (Jahn/Wolf 2005: 1). Mit Leiharbeit können Unternehmen demnach die Abstimmung zwischen Personalausstattung und Personalbedarf effizienter vornehmen als durch die Rekrutierung und Entlassung von Stammkräften. In einer steigenden Zahl von Entleihbetrieben werden Leiharbeiter jedoch in großem Umfang für Einsätze bestellt, die zum Teil mehrere Jahre dauern (Seifert/Brehmer 2008: 336f.). Dahinter steht häufig ein anderes Motiv der Unternehmensleitung, das zur Bedeutungszunahme von Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt beitrug (Kapitel 7.1.1.2).

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7.1.1.2 Unternehmerische Kosteneinsparungsmotive Wie geschildert, ermöglicht Leiharbeit den Einsatzfirmen die Anpassung der Personalkapazitäten an die Auftragslage. Die Nutzung von Leiharbeit verursacht aber auch Kosten: Dem Entleihbetrieb wird zusätzlich zu dem Bruttolohn von der Leiharbeitsfirma ein Aufschlag berechnet (Keller/Seifert 2006: 237), und jeder Leiharbeitereinsatz bringt außerdem Transaktionskosten für den damit verbundenen Verwaltungs-, Durchführungs- und Kontrollaufwand mit sich (Springer 2002: 25). Zudem fallen für die Einarbeitung des Leiharbeiters Kosten an (Neubäumer/Tretter 2008: 269). Dennoch erweist sich Leiharbeit für viele Unternehmen als lohnend, weil die damit verbundenen Kosteneinsparungsmöglichkeiten die durch den Leiharbeitseinsatz entstehenden Kosten aufwiegen (Seifert/Brehmer 2008: 336). Leiharbeiter werden in der Regel nicht nach dem Tarifvertrag des Beschäftigungsbetriebes entlohnt, sondern nach den tendenziell niedrigeren Tarifen der Leiharbeitsbranche (Schlese et al. 2005: 569). Inwiefern Entgeltdifferenzen zwischen Leiharbeits- und Stammkräften bestehen und deshalb durch den Einsatz von Leiharbeit Lohnkosteneinsparungen erzielt werden können, hängt von der tariflichen Entgeltstruktur in der Einsatzbranche und der Qualifikation der Leiharbeiter ab. In vielen Branchen des Dienstleistungssektors existieren nur geringe Entgeltdifferenzen zu den Tarifen der Leiharbeitsbranche, wohingegen sich in der Metall- und Elektroindustrie, der Haupteinsatzbranche der Leiharbeitskräfte, enorme Lohnkostenersparnisse erzielen lassen (z.B. Eichhorst et al. 2010: 21; Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) 2011: 7). Vergleicht man die tariflich festgelegten Entgelte der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie mit denen der Leiharbeiter, wird deutlich, dass für Leiharbeiter in hochqualifizierten Tätigkeitsfeldern mehr bezahlt werden muss als für die eigenen Mitarbeiter. Je niedriger aber die Qualifikation des Leiharbeiters, desto mehr nähern sich die Stundenverrechnungssätze den Festanstellungskosten an und unterschreiten sie schließlich (Seifert/Brehmer 2008: 336). Im Fall des Einsatzes eines ungelernten Hilfsarbeiters liegen die Verleihsätze oft sogar über 25 % unter den Lohnkosten für Stammkräfte mit demselben Qualifikationsniveau (ebd.). Vor allem Industrieunternehmen mit einem hohem Anteil einfacher Fertigung können deshalb durch Leiharbeit Kostensenkungen realisieren (Klemm et al. 2008: 97; DGFP 2012: 4). Diese Vergleiche implizieren nur einen Teil der gesamten Arbeitskosten: den Bruttolohn und die Gehaltskosten einschließlich der Sozialbeiträge des Arbeitgebers (Seifert/Brehmer 2008: 336). Für Leiharbeiter sind außerdem keine Zuschläge für Mehr-, Nacht- und Wochenendarbeit oder andere Prämien und Leistungen zu zahlen, die für feste Mitarbeiter tariflich, in Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprachen vereinbart wurden (Dörre et al. 2008: 20). Weitere Kostenersparnisse aus Sicht des Entleihunternehmens resultieren aus dem Wegfall der Kosten für betriebliche Weiterbildung (Bolder et al. 2005: 58), der Kosten, die durch Senioritäts- und Freistellungsregelungen verursacht werden (Sei-

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fert/Brehmer 2008: 336), und der Kosten aufgrund der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (Klemm et al. 2008: 123f). Indem zusätzliche Arbeit von Leiharbeitern übernommen wird, fallen außerdem für das Stammpersonal weniger zu entlohnende Überstunden an (Schröder 2010a: 74f.). Durch diese Einsparungsmöglichkeiten können Firmen die Kosten relativieren, die durch den Einsatz von Leiharbeitern entstehen. Einige Entleiher behaupten, dass sie durch Leiharbeit Verlagerungen ins Ausland abwenden können (ebd.). 7.1.1.3 Weitere Vorteile von Leiharbeit für Unternehmen Nicht nur weil Leiharbeit als personalpolitisches Flexibilisierungsinstrument dient, mit dem Kosteneinsparungen zu erzielen sind, sondern auch aus weiteren Gründen entscheiden sich Unternehmen für ihre Nutzung: Über die genannten Vorteile hinaus entlastet Leiharbeit die Personalabteilungen der Entleihfirmen, weil diese die Suche und profilgenaue Auswahl von Personal den Leiharbeitsfirmen übertragen (Holst 2009: 145). Außerdem kann Leiharbeit als Rekrutierungsinstrument genutzt werden. Ähnlich wie in einer Probezeit prüfen die Einsatzbetriebe, ob die eingesetzte Leihkraft den Einstellungsanforderungen entspricht, ehe sie ihr möglicherweise einen festen Arbeitsplatz anbieten (Klemm et al. 2008: 123). Für konzerngeführte, kennzifferngesteuerte Unternehmen besteht ein weiterer Anreiz zur Nutzung von Leiharbeit darin, dass „sie die Kosten für Leiharbeitskräfte als Sachkosten verbuchen können und so „schlanker“ erscheinen als sie tatsächlich sind“ (Vanselow 2009: 8): Da Leiharbeiter laut Handelsgesetzbuch (§275 HGB) nicht als Personal-, sondern als Materialaufwand gelten, werden die Kosten für die Leiharbeitereinsätze nicht den Personalkosten zugerechnet, sondern den zugekauften Sachleistungen (Springer 2002: 22f.). Konzerngeführte Betriebe erhalten von der Konzernleitung Vorgaben dazu, mit wie viel Mitarbeitern die Produktion bewältigt werden muss („head count“), denn Personalausgaben sind budgetiert (Holst/Matuschek 2011: 173). Oftmals ist der „head count“ allerdings nicht ausreichend. Um ihn dennoch einhalten zu können, greifen die Betriebe auf Leihkräfte zurück (IG Metall 2012a: 4), die nicht in der Personalstatistik aufgeführt und deshalb nicht bei den Kopfzahlen berücksichtigt werden (Neubäumer/Tretter 2008: 270). Zudem können große Aktiengesellschaften ihre Produktivitätsrate (scheinbar) erhöhen, da der „Materialaufwand“ zwar durch den Einsatz von Leiharbeit ansteigt, aber der Personalaufwand sinkt bzw. gleich bleibt (IG Metall 2012a: 3). Die genannten Vorteile, die aus Sicht der Unternehmen aus dem Leiharbeitereinsatz resultieren, sind ursächlich für das Wachstum der Leiharbeitsbranche. Zudem wurde Leiharbeit durch gesetzliche Deregulierungen gefördert.

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Aufhebung der gesetzlichen Einschränkungen der Leiharbeit Das 1972 in Kraft getretene AÜG sah eine strikte Regulierung der Leiharbeit vor (Holst et al. 2008: 167). Unter anderem wurde die Überlassungsdauer eines Leiharbeiters auf drei Monate begrenzt, um eine Verdrängung der regulär Beschäftigten zu verhindern (Baum 2010a: 33). Der Anstieg der Leiharbeiterzahlen und die Zunahme des damit verbundenen Handlungsdrucks in der IG Metall ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber diese rechtlichen Beschränkungen insbesondere im Rahmen der „Hartz-Reform“ lockerte (Antoni/Jahn 2006: 1). Die Wiedervereinigung hatte in Deutschland zu einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Es wurde allgemein angenommen, dass das deutsche Wirtschaftswachstum durch den unflexiblen, stark regulierten Arbeitsmarkt gebremst werde (Grimm 2004: 129; Osmanovic 2004: 49). Vorschläge zur Problemlösung zielten unter anderem auf die Förderung des Niedriglohnsektors und atypischer Beschäftigung (Baum 2010a: 18). Mit einer Politik der Deregulierung sollte die Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert bzw. das Beschäftigungsniveau erhöht werden (Albrecht/Klagge 2008: 8). Ein weiteres Ziel bestand darin, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken, die mit atypisch Beschäftigten flexibel auf Marktturbulenzen reagieren. Aufgrund der Annahme, Leiharbeit könne den Übergang von benachteiligten Gruppen wie gering Qualifizierten aus der Arbeitslosigkeit in „reguläre“ Beschäftigung erleichtern, wurde „der Leiharbeit eine Schlüsselfunktion zur Lösung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsprobleme zugewiesen“ (Noller et al. 2004: 15). Eine grundlegende Deregulierung der Leiharbeit zur Bewältigung der hohen Arbeitslosigkeit erfolgte im Zuge der „Hartz-Reformen“ durch das „Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, das im Dezember 2002 verabschiedet wurde und 2003 zum Teil sowie zum Januar 2004 vollständig in Kraft trat (Baum 2010a: 22) (Tabelle 16). In dieser gesetzlichen Neuregelung ist eine zentrale Ursache für das rasante Wachstum der Beschäftigtenzahlen zwischen 2003 und 2008 um 430.000 Leiharbeiter zu sehen (Bellmann/Kühl 2008: 14). Durch die Reform wurden folgende Inhalte des AÜG neu geregelt: Erstens wurde die Höchstüberlassungsdauer abgeschafft, sodass der Einsatz von Leiharbeitern nicht mehr nur befristet, sondern beliebig lange möglich ist (Körner 2006: 29). Zweitens entfiel das Synchronisationsverbot der Verleihdauer und des Arbeitsvertrages, das vorschrieb, dass die Dauer des Leiharbeitsverhältnisses die Zeit des ersten Einsatzes bei einem Entleihbetrieb übersteigen muss (Baum 2010a: 33). Seit der Reform kann die Vertragsdauer mit der Einsatzdauer identisch sein (Wolters 2008: 36). Drittens galt das Wiedereinstellungsverbot fortan nicht mehr (Herzog-Stein 2009: 2). Dieses Verbot hatte zuvor verhindert, dass der Verleiher Arbeitsverträge durch Kündigung beendet und den Leiharbeiter innerhalb von drei Monaten erneut einstellt (Antoni/Jahn 2006: 2). Nun konnten Verleiher beliebig häufig mit densel-

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ben Arbeitnehmern Arbeitsverträge abschließen (Crimmann et al. 2009: 11f.). Mit der Novellierung des AÜG wurde viertens auch das „besondere Befristungsverbot“ abgeschafft (DGB 2011b: 9). Seit Inkrafttreten des novellierten AÜG gelten die allgemeinen Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) (Steiner/Mittländer 2008: 27). Leiharbeitsfirmen dürfen nun Arbeitsverträge ohne Angabe von Gründen auf die Dauer eines Einsatzes befristen (Buch et al. 2008b: 9). Tabelle 16: Deregulierung der Leiharbeit durch die Reformen des AÜG Vorschrift

vor der Reform

Beschränkung der Überlassungshöchstdauer: Erhöhung von 3 auf 6 Monate (ab 1985), 6 auf 9 Monate (ab 1994), 9 auf 12 Monate (ab 1997), 12 auf 24 Monate (ab 2002).

Die Einsatzdauer Ist entfallen. Der Einsatz eines Leiharbeiters bei ist unbeschränkt einem Entleihbetrieb möglich. darf 24 Monate nicht überschreiten.

Synchronisationsverbot: Einmalige Synchronisation erlaubt für schwervermittelbare Arbeitslose, wenn diese direkt in ein anderes Beschäftigungsverhältnis über-wechseln (ab 1994), einmalige Synchronisation möglich (ab 1997).

Nur beim erstmaligen Einsatz ist eine Synchronisation der Dauer des Verleihs und des Arbeitsverhältnisses gestattet. Ansonsten muss letzteres die Einsatzdauer um mindestens 25 % übersteigen. Entlässt eine Leiharbeitsfirma einen Leiharbeiter, so darf sie diesen erst nach drei Monaten erneut einstellen. Einmalig darf von dieser Regelung abgewichen werden. Das Beschäftigungsverhältnis des Leiharbeiters ist generell unbefristet, es sei denn eine Befristung lässt sich aus der Person des Beschäftigten rechtfertigen.

Wiedereinstellungsverbot: einmalige Wiedereinstellung möglich (ab 1997).

Besonderes Befristungsverbot: einmalige Befristung ohne Angabe eines sachlichen Grundes möglich (ab 1997).

nach der Reform

Ist entfallen. Die Beschäftigung beim Verleiher und der Einsatz im Entleihbetrieb dürfen jetzt zeitgleich sein. Der Leiharbeiter kann (unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen) entlassen werden. Ist entfallen.

Ist entfallen. Befristungen ohne sachlichen Grund sind unbeschränkt möglich.

Quelle: Eigene Darstellung nach Vitols 2003: 8; Mai 2008: 471; DGB 2011b: 8ff.

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Indem die Bundesregierung diese rechtlichen Vorschriften aus dem AÜG strich, stieg die Attraktivität der Leiharbeit für Unternehmen und deren Nachfrage (Seifert/Brehmer 2008: 335; Wölfle 2008: 39). Außerdem sorgte die Liberalisierung des Leiharbeitsmarkts in Deutschland für die Expansion von Leiharbeitsfirmen und somit für eine Zunahme des Angebots. 7.1.1.5

Erschließung des deutschen Markts durch Leiharbeitsfirmen Neben der gestiegenen Nachfrage aus den Unternehmen und der Deregulierung hat auch die Zunahme, Diversifizierung sowie Professionalisierung der Anbieter von Leiharbeit auf dem Arbeitsmarkt zum Beschäftigungswachstum in dieser Branche beigetragen (Bellmann/Kühl 2008: 15; Crimmann et al. 2009: 11f.; Seifert/Brehmer 2008: 337). Im Jahr 2006, als die Zahl der Leiharbeitsfirmen in Deutschland erstmals erfasst wurde, betrug sie ca. 12.500. Bis zum Jahr 2008 stieg sie auf 15.100 an (Bundesagentur für Arbeit 2011c). Auf dem deutschen Leiharbeitsmarkt lassen sich je nach Betriebsgröße, räumlichem Radius der Geschäftstätigkeit und Spezialisierungsgrad verschiedene Kategorien von Leiharbeitsfirmen unterscheiden: Die „global players“, wie Manpower und Adecco, die seit Anfang der 1960er Jahre in Deutschland aktiv sind und seitdem expandiert haben, folgen bei ihrer Internationalisierungsstrategie auf der Suche nach neuen, zu erschließenden Märkten einer „Geographie der Deregulierung“ (Bellmann/Kühl 2008: 67). Neben der Abschaffung der zahlreichen gesetzlichen Beschränkungen sind weitere Gründe zu nennen, die Deutschland aus Sicht der Leiharbeitsfirmen zu einem „emerging market“ (Peck et al. 2005: 10) bzw. zu einem „prime target” (ebd.: 16) ihrer Internationalisierung machten: Die Leiharbeitsquote in der Bundesrepublik lag bei Inkrafttreten des novellierten AÜG 2003 noch vergleichsweise niedrig und versprach ein enormes Wachstumspotenzial. Zudem zeichnete sich ab 2005 ein konjunktureller Aufschwung ab (Jahn/Wolf 2005: 2f.). Die diversifizierte deutsche Wirtschaft ermöglicht es Leiharbeitsfirmen, von Skaleneffekten zu profitieren, weil umfangreiche Aufträge für eine hohe Zahl von gering qualifizierten Arbeitskräften vergeben werden. Zugleich existierte eine Nachfrage nach hoch qualifizierten Leiharbeitern, die hohe Gewinnmargen versprechen (Peck et al. 2005: 19). Inzwischen decken die „global players“ als „Generalisten“ verschiedenste Branchen ab (Crimman et al. 2009: 11f.). Nach der Expansion auf dem deutschen Markt konnten die großen Anbieter ihre Position durch Übernahmen und Fusionen ausbauen (Baum 2010b: 54). Der Beschäftigungsaufbau in der Leiharbeit bis 2008 ist jedoch insbesondere auf das dynamische Gründungsgeschehen kleiner und mittlerer Leiharbeitsfirmen zurückzuführen (Bundesagentur für Arbeit 2011c). Dies wird daran deutlich, dass die größten zehn Verleiher nur für rund 50 % des Branchenumsatzes stehen. Die andere Hälfte verteilt sich auf mehrere tausend meist lokal oder regional agierende Anbieter (FAZ 18.03.2009; Strüßmann 2009: 21). Einige kleinere Leiharbeitsfir-

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men reagierten auf den Wettbewerbsdruck, indem sie sich auf die Überlassung einer Berufsgruppe, z.B. die der Ingenieure (Baum 2010b: 52ff.), oder in eine bestimmte Branche, wie dem Gesundheitswesen (Crimman et al. 2009: 11f.), spezialisierten. Die Novellierung des AÜG – und hier insbesondere die Aufhebung der maximalen Dauer des betrieblichen Einsatzes der Leiharbeiter – begünstigte die Zunahme eines weiteren „Typs“ von Anbietern auf dem deutschen Leiharbeitsmarkt (Adamy 2010: 604). Mit dem Ziel, Arbeitskosten zu senken und den Kündigungsschutz zu umgehen (Dörre et al. 2008: 20; Steiner/Mittländer 2008: 18), gründen Privatunternehmen sowie kirchliche Einrichtungen und öffentliche Träger (Schröder 2010c: 171) Leiharbeits-(Sub-)Unternehmen, in denen vergleichsweise niedrige Tarife der Leiharbeit angewendet werden (Seifert/Brehmer 2008: 338; Weinkopf 2010: 5f.) (Tabelle 17). Diese ausgegründeten Firmen sind darauf spezialisiert, die eigenen Einrichtungen zu bedienen (Schmidt 2011; IG Metall 2010a). Tabelle 17: Ausgewählte Konzerne und ihre konzernabhängigen Leiharbeitsfirmen Konzern

Konzernabhängige(s) Leiharbeitsunternehmen

Gründungs- Mitarbeiter, jahr Stand 2009

Volkswagen

Wolfsburg AG/Autovision

1999

5.440

Deutsche Bahn

DB Leiharbeit

2001

2.500

Schlecker

Meniar Personalservice

2008

1.500

Globus SB-Märkte

Globus Personalservice

2006

580

BASF

BASF Jobmarkt

2002

340

Gruner+Jahr

G+J Servicegesellschaft

2002

100

Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftswoche 13.11.2009

Zudem sind die Personal-Service-Agenturen (PSA) als Verleiher zu nennen. Ihre flächendeckende Etablierung war ein zentraler Bestandteil der „Hartz-Reformen“. Die lokale Agentur für Arbeit vergab Lizenzen zum Betrieb einer PSA und vermittelte ihr Arbeitslose mit dem Auftrag, sie in reguläre Beschäftigung zu bringen und sie in verleihfreien Zeiten weiterzubilden (Weinkopf 2004: 22f.; Buch et al. 2008b: 12). In der Spitze waren in den PSA im Jahr 2004 nur ca. 33.000 Arbeitnehmer beschäftigt, weshalb sich die ursprünglich erwartete Beschäftigtenzahl von 50.000 Leiharbeitern als nicht realisierbar erwies (Baum 2010a: 27). Nur dort, wo PSA erfolgreich arbeiten, bestehen sie weiterhin fort. Der Anstieg der Zahl der Leiharbeiter speziell im Verlauf des Jahres 2003 ist unter anderem auf die Einführung der PSA zurückzuführen (Jahn/Wolf 2005: 2). Neben den genannten Verleihfirmen sind seit Anfang der 1990er Jahre weitere Einrichtungen auf dem Leiharbeitsmarkt vertreten, deren spezifisches Ziel in der

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Reintegration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt besteht: nicht gewinnorientierte Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaften (Weinkopf 2004: 15ff.; Crimman et al. 2009: 11f.). Prominentestes Beispiel für solche gemeinnützige bzw. vermittlungsorientierte Einrichtungen ist Start NRW (Vanselow/Weinkopf 2000) (Anhang 1). 7.1.1.6 Zunahme der Intensivnutzung von Leiharbeit Seit dem Wegfall der Höchstüberlassungsdauer durch die Reform des AÜG setzten immer mehr Unternehmen Leiharbeiter dauerhaft und in größerem Umfang ein (Holst 2009: 143). 10 % der Entleiher galten im Jahr 2006 als sog. „Intensivnutzer“ (Seifert/Brehmer 2008: 336), deren Anteil im Jahr 2002 erst knapp 2 % betrug (Bellmann/Kühl 2008: 65). Dabei handelt es sich meist um Mittel- und Großbetriebe in der Metall- und Elektroindustrie, deren Belegschaft zu mindestens 20 % aus Leiharbeitern besteht und in denen bisweilen komplette Funktionsbereiche, wie z.B. Produktionsstraßen, ausschließlich mit Leiharbeitern besetzt werden (Promberger 2006b: 265; Dörre et al. 2008: 19). Immer öfter lassen sich aber Intensivnutzer auch im Dienstleistungssektor finden, wie z.B. im Einzelhandel (Promberger 2007: 131). Die Ausweitung der Intensivnutzung ist zu einem erheblichen Teil für die Beschäftigungsdynamik der Verleihbranche mitverantwortlich (Bellmann/Kühl 2008: 65). 7.1.2

Prekäre Arbeitsbedingungen vieler Leiharbeiter

Lediglich eine Minderheit der Leiharbeiter, zu der insbesondere hochqualifizierte Arbeitskräfte zählen, wählt diese Beschäftigungsform gezielt, weil sie sich bewusst nicht an einen Arbeitgeber binden möchten, sondern in verschiedenen Firmen berufliche Erfahrungen sammeln wollen (SZ 14.02.2011). Den meisten Leiharbeitern jedoch bleibt keine Beschäftigungsalternative zur Leiharbeit. Die Gründe für das negative Image der Leiharbeitsbranche bzw. die Kritikpunkte, die in der Diskussion um diese Beschäftigungsform primär von Gewerkschaften ins Feld geführt werden, sollen im Folgenden erläutert werden. Dabei wird verdeutlicht, warum die Arbeitsbedingungen eines Großteils der Leiharbeiterschaft als prekär zu bezeichnen sind (Nienhüser/Matiaske 2003: 472; Siebenhüter 2011: 5ff.) und warum Leiharbeiter auf die Interessenvertretung durch Gewerkschaften angewiesen sind. 7.1.2.1 Geringes Einkommen Seit Erlass des novellierten AÜG Anfang 2003 ist der Grundsatz der Gleichbezahlung von Festangestellten und Leiharbeitern in den Einsatzbetrieben („equal pay“) gesetzlich vorgeschrieben (§ 9 Nr. 2 AÜG) (Boost/Buscher 2009: 76; HansBöckler-Stiftung 2009: 7). Jedoch wird er durch eine im AÜG verankerte Tariföffnungsklausel außer Kraft gesetzt. Das bedeutet, dass Leiharbeiter nicht nach dem Tarif der Einsatzbranche bezahlt zu werden brauchen, wenn ein für die Leiharbeit

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geltender Tarifvertrag angewendet wird Wolters 2008: 16). Um den Gleichbezahlungsgrundsatz zu umgehen, verhandelte die Leiharbeitsbranche mit den Gewerkschaften ab Ende 2002 Flächentarifverträge und schlossen sich fast alle Verleiher einem Verband an (Anhang 1). Deshalb weist die Leiharbeit von allen Branchen in Deutschland die höchste Tarifbindung auf (Baum 2010a: 40) und erhalten Leiharbeiter nicht dieselbe Bezahlung wie die Stammkräfte (Schröder 2010d: 91ff.). Weil in den Leiharbeitstarifen ein sehr niedriges Entgelt vereinbart wurde (Anhang 1), liegt das Einkommen von Leiharbeitern in den meisten Fällen unter denen der Stammkräfte in den Entleihfirmen. Dies belegen zahlreiche empirische und statistische Analysen (z.B. Brehmer/Seifert 2007; Bellmann et al. 2009; Vanselow 2009; IAB 2011). Laut des Statistischen Bundesamtes verdienten im Jahr 2006 Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen einen durchschnittlichen Stundenlohn von 18,04 Euro brutto. Im Gegensatz dazu betrug der Durchschnittslohn von Leiharbeitern mit 9,71 Euro pro Stunde weitaus weniger und entsprach nur knapp 54 % der durchschnittlichen Bezahlung von Beschäftigten in normalen Arbeitsverhältnissen. Der durchschnittliche Stundenlohn von Leiharbeitern lag damit außerdem unter dem Niedriglohn von 9,85 Euro brutto. Demnach erhalten über zwei Drittel der Beschäftigten in Leiharbeit in Deutschland lediglich einen Niedriglohn (Statistisches Bundesamt 2009b: 18). Allerdings variiert die Differenz zwischen den Löhnen von Leiharbeitern und Stammbeschäftigten je nach Einsatzbranche. So lassen sich durch Leiharbeit im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, wo das Lohnniveau der Stammbelegschaft vergleichsweise hoch liegt (Hans-Böckler-Stiftung 2008: 1), größere Lohnkostenersparnisse erzielen. Leiharbeiter, die in der Metall- und Elektrobranche eingesetzt werden und nach den DGB-Tarifen für die Leiharbeitsbranche entlohnt werden, verdienen im Schnitt ein um ca. ein Drittel geringeres Entgelt als regulär Beschäftigte. Berücksichtigt man darüber hinaus auch Leistungszulagen, liegt die Differenz der Gehälter bei ca. 40 % (Bellmann et al. 2009: 394). Abbildung 8 zeigt als Beispiel die Differenz der tariflichen Monatseinkommen in der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen und Sachsen bezogen auf die Lohngruppe 2 im Vergleich zu den drei Tarifverträgen der Leiharbeit – den Tarifverträgen, die der DGB mit dem Interessenverband Deutscher Leiharbeitsunternehmen (IGZ) und dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) abgeschlossen hat, und dem Tarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister (AMP).

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Abbildung 8: Tarifliche Monatseinkommen in der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen und Sachsen (MuE) im Vergleich mit der Leiharbeitsbranche (AMP, IGZ, BZA) bezogen auf die Lohngruppe 2 (in Euro) im Jahr 2007

Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2008a: 15

Aus Abbildung 8 wird deutlich, dass diejenigen Leiharbeiter besonders wenig verdienten, für die zwischen 2003 und 2011 der Tarifvertrag galt, den der CGZP mit dem AMP vereinbart hatte (DGB 2009a: 5; Vanselow 2009: 3f.; Schröder 2010d: 93) (Anhang 1). Diese Löhne liegen knapp 10 % unter denen der DGB-Verträgen und können zudem in den ersten drei Monaten der Beschäftigung bis zu 9,5 % abgesenkt werden (DGB 2009a: 6; IAB 2011). Neben diesen Tarifverträgen hat der CGZP einzelne Haustarifverträge abgeschlossen, die für die unterste Entgeltgruppe teilweise lediglich 4,81 Euro vorsehen (Hans-Böckler-Stiftung 2010a: 4). Wie aufgezeigt wurde, gewährleistet Leiharbeit in der Regel kein Existenz sicherndes Einkommen für die Beschäftigten, sondern birgt ein hohes Verarmungsrisiko. Dies kennzeichnet das Arbeitsverhältnis als prekär (z.B. Albrecht/Klagge 2008: 9; Vanselow 2009: 3; IG Metall 2012a: 3). Die geringe und als ungerecht empfundene Entlohnung war ein zentraler Grund für die IG Metall, als Gewerkschaft zu Leiharbeit aktiv zu werden (Interview 6). 7.1.2.2 Hohe Beschäftigungsunsicherheit Seit der Novellierung des AÜG gilt statt des besonderen Befristungsgesetzes das TzBfG auch für das Leiharbeitsverhältnis (Kapitel 7.1.1.4). Viele Leiharbeitsfirmen nutzen seitdem die Möglichkeit zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge (Bellmann et al. 2009: 392), wodurch der Anteil der befristeten Leiharbeitsverhältnisse

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stieg: 1991 war weniger als jede dritte Neueinstellung befristet, wohingegen dies 2011 fast auf jede zweite zutraf (IAB 2011). Die Leiharbeitsbranche ist deshalb durch eine extrem hohe Fluktuation gekennzeichnet (Lehmer/Ziegler 2010: 3). Der Personalumschlag ist um das Vier- bis Fünffache höher als in der Gesamtwirtschaft (Adamy 2010: 599). Die hohe Fluktuation der Branche zeigt sich außerdem in der kurzen Beschäftigungsdauer bei Verleihfirmen (Vanselow 2009: 6f.; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 12). Mehr als die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse endet bereits nach weniger als drei Monaten (IAB 2011; IG Metall 2012a: 3) und erreicht somit nicht einmal das Ende der sechsmonatigen Probezeit, in der eine Kündigung keiner besonderen Begründung bedarf (Antoni/Jahn 2006: 3; Wolters 2008: 31). Auch die Einsatzdauer von Leiharbeitern ist oft kürzer als drei Monate (Schäfer 2007: 3). Die kurzen Entleih- und Beschäftigungszeiten von Leiharbeitern deuten darauf hin, dass Verleihfirmen analog zu ihren Kundenfirmen handeln und ihren Personalbestand der Auftragslage anpassen (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 11). Dies entlastet die Entleiher vom Kostenrisiko verleihfreier Zeiten (Steiner/Mittländer 2008: 24). Dadurch überträgt der Arbeitgeber das Beschäftigungsrisiko auf den Arbeitnehmer, der die verleihfreien Zeiten mit Arbeitslosengeld überbrücken muss (IG Metall 2012a: 3). Insbesondere der im Vergleich zu anderen Branchen hohe Anteil an un- oder geringfügig qualifizierten Leiharbeitern, die besonders leicht austauschbar sind (Holst 2009: 147), sorgt für die Beschäftigungsunsicherheit (Keller/Seifert 2006: 239; Weinkopf 2010: 1). Deshalb ist das Entlassungsrisiko von Leiharbeitern deutlich höher als das von Beschäftigten anderer Branchen (Promberger 2007: 141). 7.1.2.3

Geringe soziale Absicherung und Belastung der sozialen Sicherungssysteme Die niedrigen Löhne vieler Leiharbeiter und ihre in der Regel kurze Beschäftigungsdauer beeinträchtigen ihre soziale Absicherung (Neubäumer/Tretter 2008: 262ff.; IMU Institut Stuttgart 2011: 3). Aus dem niedrigen Lohniveau resultieren lediglich geringe Ansprüche auf Arbeitslosengeld I – und dies nur dann, wenn eine Mindestdauer der Beschäftigung erreicht wurde (Weinkopf 2010: 3). Das niedrige Lohnniveau hatte zur Folge, dass im Jahr 2008 trotz Vollzeittätigkeit 12,6 % der Leiharbeiter ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten konnten und ergänzende staatliche Transferleistungen bezogen. Damit waren fünfmal mehr Leiharbeiter auf ergänzende Unterstützung angewiesen als Beschäftigte anderer Branchen (DGB 2009a: 4). Hierfür wandten staatliche Stellen 2011 rund 500 Mio. Euro auf (IG Metall 2012a: 3). Außerdem steigt infolge der niedrigeren Rentenversicherungsbeiträge im Fall einer längerfristigen Erwerbstätigkeit als Leiharbeiter das Risiko der Altersarmut (Keller/Seifert 2011: 142), weil die erworbenen Ansprüche im Ruhestand nicht Subsistenz sichernd sind (Schröder 2010d: 108f.).

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7.1.2.4 Geringe Übernahmechancen Viele Leiharbeiter hoffen, dass sich der Einsatz im Entleihbetrieb als „Sprungbrett“ in ein reguläres Arbeitsverhältnis erweist (Grimm 2004: 132; Neubäumer/Tretter 2008: 258). Leiharbeitsfirmen rekrutieren zwar einen Großteil der Leihkräfte aus der Arbeitslosigkeit (Dietz/Walwei 2006: 284): Zwei Drittel der im ersten Halbjahr 2010 unterzeichneten Leiharbeitsverhältnisse wurden mit Arbeitnehmern geschlossen, die zuvor arbeitslos waren. 11 % der Leiharbeiter waren Berufseinsteiger (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 11). Allerdings erfolgt nur in seltenen Fällen tatsächlich eine Übernahme durch den Entleiher (Keller/Seifert 2011. 142; IMU Institut Stuttgart 2011: 4f.; Scheytt 2011: 16f.). Hinsichtlich der präzisen Höhe dieses sog. „Klebeeffekts“ (Crimman et al. 2009: 47) liegen die Angaben in unterschiedlichen Quellen weit auseinander (DGB 2009a: 9; Baum 2010b: 48; Schröder 2010a: 79ff.). Aus den Kreisen der Leiharbeitsverbände und den ihnen nahe stehenden Forschungsinstituten ist zwar von einer Übernahmequote in der Höhe von 20 bis 40 % die Rede (IW Köln 2011c). Die meisten empirischen Studien von Arbeitsmarktexperten sind jedoch skeptischer und schätzen, dass maximal 7 bis 15 % der Leiharbeiter übernommen werden (Baum 2010a: 25; IAB 2011; Hans-Böckler-Stiftung 2011: 7), wobei dies tendenziell öfter auf hoch als auf gering qualifizierte Leiharbeiter zutrifft (Baum 2010a: 25). Deshalb kehren die meisten Leiharbeiter nach dem Ende ihrer Beschäftigung bei einer Leiharbeitsfirma in die Arbeitslosigkeit zurück (Dörre 2009: 26; Eichhorst et al. 2010: 22; IG Metall 2012a: 3) – obwohl ihnen die Übernahme in Aussicht gestellt wurde: „Wir haben die Beobachtung in unseren Betrieben gemacht: Die Leute werden nicht fest angestellt. Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt und deshalb wird den Leiharbeitern auch immer erzählt: „Strenge dich an, dann wirst du auch bei der nächsten Einstellungswelle übernommen!“ Das ist ein Skandal“ (Interview 8).

7.1.2.5

Geringe Weiterbildungsmöglichkeiten und Risiko der Dequalifizierung Empirische Untersuchungen belegen, dass Leiharbeitern aufgrund der hohen Fluktuation meist kein Zugang zu Weiterbildungsangeboten gewährt wird (Neubäumer/Tretter 2008: 262ff.; Schäfer 2008: 26). Deshalb bietet Leiharbeit kaum berufliche Aufstiegsmöglichkeiten (Dörre et al. 2008: 26; Promberger 2007: 134). Auch dies kennzeichnet Leiharbeit als prekäre Beschäftigung (Keller/Seifert 2011: 141). Leiharbeiter werden zudem nur selten tatsächlich für die Tätigkeiten eingesetzt, die ihrer Qualifikation entsprechen (Weinkopf 2004: 22; Adamy 2010: 602; DGB 2011c: 3). Durch diesen nicht qualifikationsgerechten Einsatz besteht auf lange Sicht die Gefahr, dass ihre „employability“ aufgrund von Dequalifizierung (Vanselow 2009: 7) sinkt und die Betroffenen dauerhaft im Niedriglohnbereich verbleiben (Bolder et al. 2005: 159f.; Baum 2010b: 50f.).

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7.1.2.6 Hohe körperliche und psychische Belastungen Leiharbeiter leiden öfter unter gesundheitlichen Beschwerden als andere Beschäftigte (Sczesny et al. 2008: 18). Dies zeigt sich in einem höheren Krankenstand (IG Metall 2006a: 26ff.; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) 2008: 76ff.). Außerdem tragen sie ein zwei- bis dreifach höheres Unfallrisiko am Arbeitsplatz als die Beschäftigten anderer Branchen (DGB 2009a: 10). Hinzu kommen enorme psychische Belastungen (Techniker Krankenkasse 2009: 76ff.) aufgrund der jeweils neuen Arbeitsanforderungen in den wechselnden Einsatzbetrieben, der häufig schlechten Einkommenssituation, der Beschäftigungsinstabilität (IG Metall 2012a: 4) und der disziplinierend wirkenden Konkurrenz um die knappen Übernahmechancen (Holst 2009: 146; Flothmann 2011: 27). Betroffene klagen zudem über Anerkennungsdefizite, Planungsunsicherheit sowie über soziale Isolation, weil aufgrund der wechselnden Einsätze keine Integration am Arbeitsplatz stattfindet. Auch solche subjektiv wahrgenommenen Kennzeichen charakterisieren Leiharbeit als prekäre Beschäftigung (Dörre 2010: 33; Holtrup 2009: 177ff.) und wurden deshalb von einem Gewerkschaftssekretär als Grund genannt, warum sich die IG Metall um Leiharbeiter und deren Situation kümmert: „Wenn man die Leiharbeiter fragt, wie sie sich fühlen, wird klar: Die Angst und Unsicherheit der Leiharbeiter ist groß. Sie haben keine Sicherheit. Dazu kommt das Gefühl, dass zu der Belegschaft im Einsatzunternehmen keine Verbindung entsteht. Also, das kommt ja noch dazu, diese persönliche Situation. Und das macht Leiharbeit aus Sicht der Betroffenen so dramatisch“ (Interview 3).

7.1.2.7 Geringe Einflussmöglichkeiten für Betriebsräte Leiharbeiter sind betriebsverfassungsrechtlich dem Verleihbetrieb zugeordnet (§ 14 (1) AÜG), aber sie besitzen für die Dauer ihres Einsatzes zusätzlich eine Betriebszugehörigkeit im Entleihbetrieb (IG Metall 2008b: 12; ver.di 2008: 11). Deshalb erstrecken sich die Betreuungspflichten des Betriebs- bzw. Personalrats im Entleihbetrieb auch auf Leiharbeiter (§ 75 BetrVG) (IG Metall 2008b: 16). Leiharbeiter können sich mit Beschwerden an den Betriebsrat des Entleihers wenden (§§ 82 (1) BetrVG), dürfen dessen Sprechstunde aufsuchen sowie an Betriebsversammlungen teilnehmen (§ 14 (2) AÜG) (Körner 2006: 47f.; Steiner/Mittländer 2008: 59). Formal sind für Leiharbeiter demnach sowohl die Betriebsräte in den Entleihbetrieben als auch jene in den Verleihfirmen zuständig (Holst et al. 2008: 166). Allerdings verfügen nur die wenigsten Leiharbeitsfirmen über Betriebsratsstrukturen (DGB 1996). Das AÜG und das BetrVG bieten den Betriebsräten zwar einige Mitbestimmungsrechte bezüglich Leiharbeit (Promberger 2007: 135; IG Metall 2008b: 11). Die Einforderung der Rechte bedarf allerdings eines enormen Durchsetzungsvermögens (ver.di 2008: 18).

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Erschwerend kommt hinzu, dass Leiharbeiter den Betriebsrat im Entleihbetrieb nur dann mitwählen können, wenn sie länger als drei Monate dort tätig sind (§7 BetrVG) (Promberger 2007: 141; Dörre et al. 2008: 29). Jedoch werden Leiharbeiter bei der Ermittlung von Schwellenwerten und so auch bei der Festlegung der Größe des Betriebsratsgremiums sowie der Anzahl der Freistellungen nicht mitgezählt, d.h. dem Betriebsrat steht keine zusätzliche Kapazität für die Vertretung der Leiharbeiter zur Verfügung (Bellmann et al. 2009: 394: Dörre et al. 2008: 24; Holst 2009: 143). 7.1.2.8 Unseriöse Geschäftspraktiken von Leiharbeitsfirmen Häufig werden Leiharbeiter von Verleihern durch Verstöße gegen die Rechtsvorschriften betrogen (DGB 2009b: 10; Schröder 2010e: 130ff.; Siebenhüter 2011: 148). Allein im Jahr 2008 wurden in Deutschland mehr als 2.100 Bußgeldverfahren gegen Leiharbeitsfirmen in Höhe von 3,72 Millionen Euro durchgeführt (Spiegel 07.07.2010). Als Beispiele hierfür sind Fehler bei der Berechnung von Kündigungsfristen sowie Verstöße gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) und gegen Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsbestimmungen zu nennen (DGB 2008: 7f.; Weinkopf 2010: 4). Besonders häufig werden Lohnabrechnungen falsch erstellt, d.h. Beschäftigte in einer zu niedrigen Entgeltgruppe eingruppiert, obwohl sie Tätigkeiten einer höheren Entgeltgruppe verrichten (DGB 2009b: 10; Hans-BöcklerStiftung 2010a: 4).

7.2 N EGATIVE AUSWIRKUNGEN DER Z UNAHME VON L EIHARBEIT FÜR DIE S TAMMBELEGSCHAFTEN IN E NTLEIHBETRIEBEN Die Zunahme von Leiharbeit übte insbesondere deshalb einen enormen Handlungsdruck auf die Gewerkschaften aus, weil dadurch die gewerkschaftlich organisierten Belegschaften der Entleihunternehmen von den negativen Folgen der Leiharbeit betroffen waren. Deshalb konnte die rasante Ausbreitung der Leiharbeit von den Gewerkschaften nicht mehr länger ignoriert werden. Diese Auswirkungen werden in den folgenden Kapiteln erläutert. 7.2.1

Substitution von Vollzeitarbeitsplätzen

Seit im Zuge der Deregulierung die Höchstüberlassungsdauer reduziert und schließlich abgeschafft wurde, ist es für Unternehmen möglich geworden, Dauerarbeitsplätze durch langfristig eingesetzte Leiharbeiter zu ersetzen (Dietz/Walwei 2006: 281; Baum 2010b: 46). Ob es tatsächlich zu einem Abbau regulärer Beschäftigung

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zugunsten von Leiharbeit kommt, gilt als umstritten. Dagegen spricht, dass nur ca. 3 % aller deutschen Unternehmen Leiharbeit nutzen (Hans-Böckler-Stifung 2007: 4f.; Crimmann et al. 2009: 17). Antoni und Jahn (2006: 7) weisen außerdem darauf hin, dass die in der Regel kurze Beschäftigungsdauer der Leiharbeiter ein Indikator dafür ist, dass keine Verdrängung regulärer Beschäftigung stattfindet. Doch deuten zwei jüngere Entwicklungen darauf hin, dass dieser Vorwurf, der von Gewerkschaften geäußert wird, zumindest in einigen Großunternehmen durchaus berechtigt ist: Erstens ist in einigen Einsatzbetrieben zu beobachten, dass Leiharbeiter längerfristiger und in steigendem Umfang beschäftigt werden. Dort werden sie als „integraler Bestandteil der Standardauslastung“ (Kasch 2007: 266) personalstrategisch fest eingeplant (Seifert/Brehmer 2008; Holst 2009: 145f.). Der langfristig hohe Anteil von Leiharbeitern an der gesamten Belegschaft in diesen Unternehmen lässt sich nicht mehr mit der Abdeckung von Auftragsspitzen erklären, sondern damit, dass Leiharbeit zur Substitution von Stammkräften genutzt wird (Aust/Holst 2006: 303f.; IMU Institut 2012: 3). Zweitens war die Gründung von hausinternen Leiharbeitsfirmen (Kapitel 7.1.1.5) ein eindeutiges Indiz für die Substitution von Stammbeschäftigten durch Leiharbeiter. Die betreffenden Unternehmen kündigen ihren Stammkräften, um sie auf ihrem alten Arbeitsplatz als Leiharbeiter zu niedrigeren Entgelten einzusetzen („Drehtür-Effekt“). Auch Neueinstellungen erfolgen ausschließlich durch die konzerneigene Verleihfirma (DGB 2007: 12). Bei dieser Strategie ist der Ersatz der Stammkräfte durch Leihkräfte zur Kostensenkung und Umgehung des Kündigungsschutzes klar ersichtlich (Steiner/Mittländer 2008: 18; Adamy 2010: 604; Schröder 2010e: 174f.). Inwiefern Leiharbeit gesamtwirtschaftlich Dauerarbeitsplätze in der Stammbelegschaft von Unternehmen verdrängt, ist an dieser Stelle aber nicht abschließend zu beantworten. 7.2.2

Belastung des Betriebsklimas

Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass der Einsatz von Leiharbeitern unter den Festangestellten für Angst vor dem Arbeitsplatzverlust (z.B. Dörre 2005: 4; Holst 2009: 147) und dadurch für eine Belastung des Arbeitsklimas sorgt (Baum 2010b: 48; Nielen/Schiersch 2011: 12). Leiharbeiter wollen in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen werden und sind deshalb dazu bereit, die gleichen Tätigkeiten wie die Stammkräfte für einen geringeren Lohn zu verrichten (Dörre 2005: 4; Holtrup 2009: 156; IG Metall 2011a). Dies steigert den Leistungsdruck in der Belegschaft (DGB 2009b: 7f.; Wölfle 2008: 38) und hat oft eine konfliktgeladene Spaltung der Belegschaften zur Folge:

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„Leiharbeit führt zu Unruhen. Wenn die Stammbeschäftigten an einer Werkbank stehen und der Kollege neben dran macht den gleichen Job schneller oder besser, weil der übernommen werden möchte. Wenn sie merken, dass die Leiharbeit im Betrieb zunimmt, entstehen Spannungen. Der Druck wird größer, die Angst wird größer, Konflikte entstehen“ (Interview 6).

7.2.3

Bedrohung der tariflichen Standards von regulär Beschäftigten

Die tariflich festgelegten Arbeitsbedingungen und Entlohnungsstandards erodieren, weil durch den Einsatz von Leiharbeitern die Einheit der Belegschaft aufgehoben wird bzw. die Belegschaft in die regulär Beschäftigten in der Kernbelegschaft und die atypisch beschäftigten Leiharbeiter in der Randbelegschaft gespalten wird (z.B. Aust/Holst 2006: 303f.; Wannöffel 2008: 33 Wölfle 2008: 38; Holst 2009: 143; Schild/Petzold 2009: 101). Für die Unternehmensleitung bieten sich dadurch Möglichkeiten, die Stammkräfte in der Kernbelegschaft unter Druck zu setzen (Klemm et al. 2008: 128; Steiner/Mittländer 2008: 55; IG Metall 2011a). Weil sie ihr eigenes Normalarbeitsverhältnis als ein Privileg begreifen und es unter keinen Umständen gefährden wollen, sind die Stammkräfte in Entleihfirmen eher dazu bereit, ungünstigere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen zu akzeptieren (Nienhüser 2007: 61; Dörre 2009: 26). Mit der Drohung, andernfalls künftig Arbeiten in größerem Umfang von Leiharbeitern verrichten zu lassen, können Arbeitgeber Zugeständnisse erzwingen, z.B. bezüglich Lohnverzicht, Lohnkürzungen und Arbeitszeiterhöhungen (Schröder 2010b: 164; Weinkopf 2010: 5). Der Leiter der Leiharbeitskampagne im IG Metall-Vorstand sah in diesen Folgen der Leiharbeit eine Ursache, warum die Gewerkschaft ein aktives Vorgehen bezüglich der neuartigen Beschäftigungsform konzipierte: „Letztendlich ist ja unser gesamtes Wirken als Gewerkschaft auf den Belegschaften aufgebaut. Und wenn die kleiner werden, sind wir auch nicht mehr durchsetzungsfähig, d.h. unsere Möglichkeiten nehmen ab. Das ist ja ein ganz evidenter Einschnitt in die Strukturen, die bisher da waren. Der Betriebsbegriff hat sich hat sich verändert. Wir sind heute noch zu oft an dem alten Betriebsbegriff orientiert. Aber das ist der neue Betriebsbegriff und dafür müssen wir Antworten finden“ (Interview 1).

7.2.4

Schwächung der Durchsetzungsmacht von Gewerkschaften

Die Spaltung der Belegschaften in Kern- und Randbelegschaft erweist sich insbesondere dann als problematisch, wenn Arbeitgeber Leiharbeit einsetzen, um die gewerkschaftlichen Kernstrategien zur Durchsetzung tarif- oder betriebspolitischer

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Forderungen zu konterkarieren (Sweeney 2006: 34; DGB 2009b: 7). Beispielsweise erzielen Streiks keine Wirkung, wenn Leiharbeiter aus Angst vor der Kündigung einem Streikaufruf nicht Folge leisten und am Arbeitsplatz bleiben (Schröder 2010b: 163f.). Im Zusammenhang mit Streiks, z.B. im Einzelhandel (FTD 20.11.2007) und bei der Deutschen Bahn (Schröder 2010b: 164), werden Leiharbeiter zudem gezielt als Streikbrecher bestellt. Um dagegen vorzugehen, dass auf diese Weise die Arbeitskampffähigkeit schwindet, wurde die IG Metall aktiv: „Das macht uns die Warnstreiks kaputt. Das macht Druck auf die Flächentarifverträge. Das macht es für eine Gewerkschaft sehr, sehr schwierig, Arbeitnehmerrechte und -interessen durchzusetzen. Da kam die IG Metall nicht mehr dran vorbei. Das hat den Druck erhöht“ (Interview 79).

7.3 S UKZESSIVE D EREGULIERUNG DER L EIHARBEIT Wie in Kapitel 5.3.1 erläutert, werden Ressourcenentwicklungsprozesse in Gewerkschaften zum einen durch die dynamischen Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten und in Unternehmen angestoßen. Zum anderen sind dafür aber auch die staatliche Arbeits- und Sozialpolitik ursächlich, weil gewerkschaftliches Handeln unter politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgt. In Kapitel 7.1.1.4 wurde die Deregulierung des AÜG im Rahmen der „HartzReformen“ geschildert, um den rasanten Anstieg der Leiharbeiterzahlen in Deutschland ab dem Jahr 2003 zu erklären. Der Abbau der gesetzlichen Beschränkungen begann aber bereits im Jahr 1985, als erstmals die maximale Überlassungsdauer verlängert wurde (DGFP 2012: 9). Seitdem wurden sukzessive die ursprünglich strikten Vorgaben, die Ver- und Entleihunternehmen laut AÜG zu befolgen haben, gelockert und zum Teil aufgehoben (Aust/Holst 2006: 304; Holst et al. 2008: 167; Wölfle 2008: 39). Bemühungen des DGB, die Regierungen zur Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben für Leiharbeit zu bewegen, scheiterten (DGB 1996; Aust/Holst 2006: 304). Allmählich setzte sich in den Gewerkschaften die Erkenntnis durch, dass die Forderung nach einem Verbot von Leiharbeit nicht durchsetzbar war, wie ein Vorstandssekretär der IG Metall schilderte: „Immer wieder ist die Frage aufgetreten: „Wie gehen wir mit dem Thema „Leiharbeit“ um?“ Da gab es die ursprüngliche Antwort, die hieß: „Wir müssen durchsetzen, dass sie verboten wird!“. Wobei wir dann auch irgendwann gesagt haben: „Wir werden Leiharbeit nicht mehr weg kriegen. Wir müssen aus der Verbotsdebatte raus!““ (Interview 1).

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Im Jahr 1996 wurde die Verbotsforderung aus dem DGB-Grundsatzprogramm gestrichen (Aust/Holst 2006: 304; Holst et al. 2008: 167). Damit wurde die Leiharbeitsbranche durch den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften grundsätzlich als arbeitsmarktpolitisches Instrument anerkannt (Anhang 1). Leiharbeiter wurden in der IG Metall zunehmend als neue Zielgruppe der Rekrutierungsarbeit betrachtet (Wölfle 2008: 39; Schröder 2010a: 85).

7.4 N OTWENDIGKEIT , NEUE M ITGLIEDERPOTENZIALE IN DER L EIHARBEIT ZU ERSCHLIESSEN Der externe Handlungsdruck wird durch den internen Handlungsdruck verstärkt, der aus dem Mitgliederverlust resultiert. Denn die IG Metall verzeichnet, wie auch die übrigen DGB-Gewerkschaften, insbesondere seit den 1990er Jahren rückläufige Mitgliederzahlen, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Um dem Mitgliederschwund ein Ende zu bereiten und die einstige politische Einflussmacht zurück zu erlangen, besteht eines ihrer vordringlichsten Ziele darin, bislang gewerkschaftsferne Beschäftigtengruppen für die Organisation zu gewinnen und an die Organisation zu binden. Wie der Erste Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle in Lüneburg betonte, der zugleich ehrenamtliches Vorstandsmitglied ist, wandte sich die IG Metall zu diesem Zweck primär den Beschäftigten in der Leiharbeit zu: „Die Organisation ist an das Thema Leiharbeit vor allen Dingen deshalb rangegangen, weil es ein riesiges Potenzial an Mitgliedern ist. Wenn wir unsere organisationspolitischen Probleme lösen wollen, müssen wir die Leiharbeit organisieren. Sonst werden wir auf Dauer sinkende Mitgliederzahlen haben“ (Interview 75).

7.4.1

Entwicklung der Mitgliederzahlen und des gewerkschaftlichen Organisationsgrades

Als statistische Indikatoren zur Erfassung der Stärke von Gewerkschaften dienen die absoluten Mitgliederzahlen. Abbildung 9 zeigt die Entwicklung der Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften zwischen 1950 und 2010. Nach der Gründung des DGB im Jahr 1949 wiesen seine Gewerkschaften – abgesehen von einer Krise in den 1960er Jahren –steigende Mitgliederzahlen auf, ehe ab Beginn der 1980er Jahre ein Rückgang einsetzte (Ebbinghaus/Visser 1999: 137; Frege/Kelly 2003: 15f.; Behrens 2007: 35).

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Abbildung 9: Entwicklung der Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften von 1950 bis 2011 (bis 1991 früheres Bundesgebiet, ab 1991 neues Bundesgebiet)

Quelle: Eigene Darstellung nach DGB 2011a

Die Wiedervereinigung hatte einen drastischen Anstieg der DGB-Mitgliederzahlen um ca. vier Millionen von 7,9 Mio. im Jahr 1990 auf 11,8 Mio. im Jahr 1991 zur Folge, was primär mit dem Beitritt der ostdeutschen Erwerbsbevölkerung zu erklären ist (Ebbinghaus 2003: 184f.).4 Ab diesem Höchststand gingen die Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften – insbesondere in Ostdeutschland – rasant zurück (Ebbinghaus 2002: 466; Behrens 2007: 35; Berndt, C. 2010: 294f.), was sich auch in der Abnahme des gewerkschaftlichen Organisationsgrads zeigte. Bei diesem statistischen Indikator handelt es sich um den prozentualen Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Ebbinghaus/Visser 1999: 153f.; Ebbinghaus 2003: 175). Während im Jahr 1990 noch fast jeder dritte abhängig Beschäftigte in Deutschland gewerkschaftlich organisiert war, traf dies zehn Jahre später nur noch auf ca. jeden fünften zu (DGB 2004). Der rückläufige Trend setzte sich in der darauf folgenden Dekade weiter fort: Von 2001 bis 2010 verlor der DGB 22 % seiner Mitglieder (DGB 2011a), wobei die Entwicklung ab 4

Als der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR im Jahr 1990 seine Auflösung beschloss, empfahl er den Mitgliedern seiner Einzelgewerkschaften, den DGBGewerkschaften beizutreten. Dies führte zu einem beträchtlichen Mitgliederzuwachs in den DGB-Gewerkschaften, die künftig für Ost- und Westdeutschland verantwortlich waren (Ohl 2009: 627).

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2005 zeigt, dass die DGB-Gewerkschaften den Mitgliederschwund durch einige wirksame Kampagnen zwar nicht gänzlich abbremsen, aber zumindest verringern konnten (IG Metall 2009b: 3f.; Neusser 2010: 108; DGB 2011a). Ende 2008 allerdings verstärkten das Einsetzen der Krise 2008/2009 und die daraus resultierenden Massenentlassungen die Rückgänge erneut (IW Köln 2010b: 3; DGB 2011a): Hatten die DGB-Gewerkschaften im Verlauf des Jahres 2008 nur 1,1 % ihrer Mitglieder verloren, waren es 2009 1,7 % (DGB 2011a). Im Jahr 2010 betrug der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten an den insgesamt Beschäftigten 19,3 % (IW Köln 2010a, b). 7.4.2

Gründe für den Mitgliederrückgang

In den 1990er Jahren begann eine Diskussion über die Ursachen der rückläufigen Mitgliederentwicklung der DGB-Gewerkschaften. Als Erklärung wurden wirtschaftliche, politische und soziale Gründe identifiziert, die im Folgenden erläutert werden. Dass sich so viele Gewerkschaftsmitglieder zum Austritt entschlossen, ist unter anderem auf die drastischen Arbeitsplatzverluste nach der Wiedervereinigung zurückzuführen (Ebbinghaus 2003: 184ff.; Pernicka et al. 2005: 13). Insbesondere der massive Beschäftigungsabbau infolge des Transformationsprozesses in den neuen Bundesländern trug zum Mitgliederschwund bei (Osmanovic 2004: 49). Im Zuge der Umstellung der ostdeutschen Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftliche Verwertungsziele und durch die radikale Privatisierungspolitik der Treuhandgesellschaft fand in den 1990er Jahren eine Deindustrialisierung und „Verkleinbetrieblichung“ statt – zwei Entwicklungen, die insbesondere in der IG Metall zu Mitgliederverlusten führten (Meise 2010: 218). Diese konnte die Zerschlagung der ostdeutschen Maschinenbaukombinate nicht verhindern, sondern sich lediglich für einen sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau einsetzen. Die Mitgestaltung der neuen Arbeitsbedingungen unter den Prämissen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung durch den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften wurde als Misserfolg wahrgenommen (ebd.: 222ff.). Enttäuscht verließen deshalb viele ostdeutsche Mitglieder die Gewerkschaften (Ohl 2009: 627). Auch der sozioökonomische und technologische Strukturwandel und die damit einhergehenden Veränderungen der Arbeitsgesellschaft in Westdeutschland waren für den Mitgliederschwund ursächlich. Ab Mitte der 1970er Jahre war ein Rückgang der Beschäftigung im Industriesektor zu beobachten (Ebbinghaus 1999: 467; Pernicka et al. 2005: 12). Zugleich stieg aufgrund der allgemeinen Tertiärisierung die Beschäftigtenquote von Beamten und Angestellten im Dienstleistungssektor (Hoffmann/Walwei 1998: 419; Ebbinghaus 2003: 190ff.).

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Durch die Deindustrialisierung wurde den auf Industriebranchen ausgerichteten Gewerkschaften ihre Mitgliederbasis entzogen, denn der Industriesektor galt früher als die „Hochburg“ gewerkschaftlicher Organisation (Schroeder/Wessels 2003: 21; Pernicka et al. 2005: 12f.). Doch auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verzeichnet seit ihrer Gründung im Jahr 2001 sinkende Mitgliederzahlen (DGB 2011a). Bislang ist es den Gewerkschaften offenbar nur in gegrenztem Umfang gelungen, sich im expandierenden Dienstleistungssektor organisatorisch zu verankern (Prott/Keller 1997: 13; Schnabel 2005: 185; Freidank 2010: 228). Besonders verschärft wurde die Situation durch den Wandel der Erwerbsformen, der sich verstärkt seit den 1990er Jahren vollzieht: Während sich flexible und atypische Beschäftigungsformen ausbreiteten, verlor das Normalarbeitsverhältnis an Bedeutung (Hoffmann/Walwei 1998: 419; IAB 2011). Ursachen für die Ausweitung atypischer Beschäftigung sind verschiedene Prozesse auf betrieblicher Ebene, wie insbesondere die Reorganisation der industriellen Produktion mit dem Ziel der flexiblen Spezialisierung (Piore/Sabel 1984) und der Trend zu vertikaler Desintegration (Keller/Seifert 2011: 138). Außerdem trug die politische Förderung durch die Arbeitsgesetzgebung zur Ausbreitung von atypischer Beschäftigung bei. Die wachsende Anzahl von Beschäftigten in atypischen Arbeitsverhältnissen ist in Gewerkschaften jedoch immer noch stark unterrepräsentiert (Holst et al. 2008: 158f.). Hinter dem Mitgliederverlust steht außerdem, dass sich nicht nur atypisch Beschäftigte, sondern auch andere Beschäftigtengruppen von den Gewerkschaften nicht (mehr) repräsentiert fühlen (Pernicka et al. 2005: 26ff.; Holst et al. 2008: 173f.) und durch das Leistungsangebot sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Gewerkschaft zu wenig angesprochen werden (Prott/Keller 1997: 13). Beispielsweise bleiben hoch qualifizierte Angestellte, Selbständige und Frauen für die Gewerkschaften fast unerreichbar (Ebbinghaus 2003: 192; Zoll 2003: 318). Sie haben andere Interessen als die „klassischen“ Gewerkschaftsmitglieder und stellen dementsprechend andere Anforderungen an Gewerkschaften (Pernicka et al. 2005: 15). Zudem ist es nicht gelungen, Gewerkschaftsbeitritte für Auszubildende und junge Erwerbstätige mit akademischer Qualifikation attraktiv genug zu gestalten (Ebbinghaus 2003: 192f.). Dies ist besonders vor dem Hintergrund der künftig von Überalterung geprägten demographischen Entwicklung problematisch, weil der Austritt aus dem Erwerbsleben häufig mit einem Verlassen der Gewerkschaft verbunden ist (Ebbinghaus 1999: 472f., 2003: 193f.). Des Weiteren zeigen Untersuchungen über die individuellen Einstellungen von verschiedenen Beschäftigtengruppen gegenüber den Interessenorganisationen, dass viele Arbeitnehmer allgemeine Ressentiments gegenüber Gewerkschaften haben, was sie von einem Beitritt abhält (Rehder 2008: 449). Häufig wird auch deshalb keine Veranlassung zum Beitritt gesehen, weil der Flächentarif als Allgemeingut

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wahrgenommen wird.5 Aus der Sicht der nicht beitrittswilligen Arbeitnehmer lohnt sich eine auf Freiwilligkeit basierende Mitgliedschaft nicht, weil sie auch als „Trittbrettfahrer“ von den Tarifverträgen profitieren können (Ebbinghaus 2003: 175). Zu einer weiteren organisationspolitischen Herausforderung für die DGBGewerkschaften hat sich die Konkurrenz der bereits erwähnten Spartengewerkschaften entwickelt, denen es in der Vergangenheit gelungen ist, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Diese Tarifabschlüsse bescherten den Berufsgewerkschaften einen Mitgliederzuwachs, der zulasten der DGB- Gewerkschaften ging (Lesch 2008: 304). Hinzu kam, dass der allgemeine gesellschaftliche Wandel die individuelle gewerkschaftliche Organisationsbereitschaft verringert hat (Hyman 2001: 169; Pernicka et al. 2005: 12). Durch die Pluralisierung der Lebensstile und den Verlust an traditionellen berufsständischen und sozialen Bindungen haben sich gemeinsame Interessenwahrnehmungen aufgelöst (Behrens et al. 2007: 174; Seibring 2010: 31). Die kollektive Beteiligungskultur der Gewerkschaftsarbeit hat infolge der Veränderung von normativen Orientierungen an gesellschaftlichem Stellenwert verloren (Prott/Keller 1997: 12; Schroeder/Wessels 2003: 11), was die „Erosion des klassischen Gewerkschaftsmilieus“ zur Folge hatte (Ebbinghaus 1999: 467, 2003: 188ff.). Wenn es den Gewerkschaften nicht gelingt, ihre Organisationsmacht wieder zu stärken und dem aktuellen Trend der Mitgliedschaftsentwicklung entgegen zu wirken, droht der weitere Verlust ihrer politischen Einflussmöglichkeiten (Ebbinghaus 2003: 3; Pernicka et al. 2005: 14f.). 7.4.3

Erosion der politischen Einflussmacht infolge des Mitgliederrückgangs

Die traditionell engen Beziehungen zur Sozialdemokratie und ihre Kontakte zu den Unionsparteien hatten den deutschen Gewerkschaften seit der Nachkriegszeit über Jahrzehnte hinweg stabile Zugangskanäle zur Regierung und die Einbeziehung in Politikformulierungsprozesse gesichert (Neusser 2010: 97). Die Gewerkschaften wirkten als legitimer Verhandlungspartner des Korporatismus (Müller-Jentsch

5

Nach Olson (1968) wird dieser Sachverhalt als „Trittbrettfahrer-Problem“ bezeichnet: In Deutschland unterscheiden tarifgebundene Arbeitgeber nicht zwischen organisierten und unorganisierten Arbeitgebern (Lesch 2008: 307f.; Schulten 2010: 38), sondern gewähren die gemäß dem Tarifvertragsgesetz (TVG) in Tarifverträgen ausgehandelten Leistungen auch solchen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied dieser Gewerkschaft sind (§ 3 (1) TVG). Die Tarifverträge kommen deshalb auch denjenigen Beschäftigten zugute, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind (Klöpper 2010: 66; Freidank 2010: 230f.).

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2003b; Streeck 2005) auf höchster Ebene gestaltend an politischen Entscheidungen mit (Gobert 2010: 37). Sie galten als Parteien im „tripartistischen Elitekonsens des Modells Deutschland“ (Urban 2010: 4) und waren z.B. entscheidend daran beteiligt, das Normalarbeitsverhältnis im Arbeitsrecht zu verankern (Mückenberger 1985). Weil die Mitgliederentwicklung seit den 1980er Jahren rückläufig ist, war der politische Einfluss der Gewerkschaften seitdem deutlich stärker durch staatliche Anerkennung als durch die eigene Organisationsmacht bedingt. Ihre politische Institutionalisierung führte dazu, dass die DGB-Gewerkschaften den Mitgliederverlust zwar realisierten, aber keine Notwendigkeit sahen, etwas dagegen zu unternehmen (Rehder 2008: 437). Erst die Erosion ihrer staatlichen Anerkennung mit Beginn der Regierung Schröder (1998-2005) erhöhte die Dringlichkeit der Mitgliederwerbung (ebd.: 438): Die rot-grüne Regierung initiierte die Agenda 2010 und vollzog damit einen „Kurswechsel“ in der Sozialpolitik (Neusser 2010: 103). Die „Hartz-Reformen“ und die Einführung der Rente mit 67 stießen bei den Gewerkschaften auf heftige Ablehnung, aber es gelang ihnen nicht, Korrekturen durchzusetzen (ebd.: 104f.). Durch den Streit über die Agenda 2010 wurde der Beziehung zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften ein Ende gesetzt. Die aufgrund der gemeinsamen Wurzeln in der Arbeiterbewegung jahrzehntelang bestehende, enge Interessenkoalition wurde lockerer (Schroeder/Wessels 2003: 34; Schroeder/Keudel 2008: 61). Die privilegierte Stellung der DGB-Gewerkschaften im politischen System der Bundesrepublik erodierte (Seibring 2010: 29; Neusser 2010: 97; Urban 2010: 4). Ihre Rolle in politischen Entscheidungsprozessen wurde sukzessive auf die einer Interessengruppe unter vielen reduziert (Schnabel/Wagner 2007: 93; Rehder 2008: 433; Neusser 2010: 97). Deshalb war von einem neuen „post-korporatistischen Kapitalismus“ (Urban 2010: 4) die Rede. Erst daraufhin wurden die DGB-Gewerkschaften der Notwendigkeit einer erfolgreichen Mitgliederwerbung gewahr. Nun ließ sich nicht mehr länger ignorieren, dass die Gewerkschaften ihre einstige Organisationsmacht eingebüßt hatten (ebd.: 3).

7.5 Z WISCHENFAZIT Die identifizierten und erläuterten Entwicklungen im Umfeld der IG Metall und in der Gewerkschaft führten zu dem Handlungsdruck, der die IG Metall dazu bewog, eine aktive Vorgehensweise zu Leiharbeit zu entwickeln und zu implementieren. Das Kapitel 7 hat insgesamt deutlich gemacht, dass die zuvor in Kapitel 5 erläuterten, Handlungsdruck erzeugenden Entwicklungen, die Gewerkschaften im Allgemeinen zur Nutzung dynamischer Fähigkeiten veranlassen, sich auch an dem konkreten Beispiel der IG Metall nachweisen ließen:

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• Dynamische Prozesse der Restrukturierung von Arbeitsmärkten: Die Zunahme der Beschäftigung in der Verleihbranche bis Mitte 2008 wurde mit dem Zusammentreffen eines Anstiegs von Nachfrage und Angebot erklärt: Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland stieg aufgrund des wachsenden betrieblichen Flexibilisierungsbedarfs, wegen der unternehmerischen Kosteneinsparungsmotive und weiterer Motive. Außerdem ist die Zunahme der Leiharbeiterzahlen auf die Deregulierung zurückzuführen. Als die juristischen Beschränkungen der Leiharbeit wegfielen, stand der Erschließung des deutschen Leiharbeitsmarkts durch Verleihfirmen nichts mehr im Weg. Ebenfalls bedingt durch die Lockerung der gesetzlichen Vorschriften stieg die Zahl der Unternehmen, die als Intensivnutzer zu bezeichnen sind. Als Gründe dafür, warum Leiharbeiter auf die gewerkschaftliche Interessenvertretung angewiesen sind, wurden ihre häufig prekären Arbeitsbedingungen angeführt. • Veränderungen der personalpolitischen Strategien von Unternehmen und deren Folgen im Betrieb: Der Anstieg der Leiharbeit ließ sich nicht mehr ignorieren, weil die organisierten Stammbelegschaften in den Entleihbetrieben immer stärker von den negativen Auswirkungen der Leiharbeit betroffen waren. In einigen Entleihbetrieben wurden Stammarbeitsplätze durch Leiharbeit verdrängt und schürte der Einsatz von Leihkräften Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, wodurch das Betriebsklima beeinträchtigt wurde. Zudem führte Leiharbeit zu einer Erosion der Tarifstandards und schwand die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht weil Arbeitskampfmaßnahmen wirkungslos blieben, wenn sie durch den Einsatz von Leiharbeitern unterwandert wurden. • politische Prozesse und rechtliche Reformen zur (De-)Regulierung von Beschäftigung: Leiharbeit wurde ab Mitte der 1980er Jahre, im Laufe der 1990er Jahre sowie insbesondere im Rahmen der „Hartz-Reformen“ 2003/2004 gesetzlich dereguliert. Die Regierungen hofften, mit Leiharbeit als „Brücke“ in den Arbeitsmarkt gegen die Arbeitslosigkeit in Deutschland vorgehen zu können. Angesichts der Lockerung der gesetzlichen Beschränkungen sahen sich die DGB-Gewerkschaften gezwungen, die Verbotsforderung aufzugeben und wurde in der IG Metall über ein aktives Handlungskonzept diskutiert. • Mitgliederrückgang: Der Mitgliederschwund der DGB-Gewerkschaften und der dadurch bedingte Verlust der politischen Einflussmacht veranlassten die Gewerkschaft dazu, sich der dynamisch wachsenden Beschäftigtengruppe der Leiharbeiter als neue Zielgruppe ihrer Rekrutierungsarbeit zuzuwenden. Wie die DGB-Gewerkschaften auf den Handlungsdruck reagierten, der sich aus den erläuterten Entwicklungen speist, ist Inhalt des folgenden Kapitels.

8 Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen mit dynamischen Fähigkeiten in der IG Metall vor der Krise 2008/2009

Als erste Promotoren in der Gewerkschaft zu Beginn der 1990er Jahre versuchten, Leiharbeiter als neue Mitglieder zu werben und ihre Interessen zu vertreten, stießen sie auf spezifische Probleme, die aus den Besonderheiten der Leiharbeit resultierten. Deshalb waren die klassischen gewerkschaftlichen Vorgehensweisen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen in der Leiharbeit nicht uneingeschränkt anwendbar, sondern wurden Ressourcenentwicklungsprozesse erforderlich. Wie aufgezeigt wird, wurden in der Gewerkschaft dynamische Fähigkeiten genutzt, um aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen ein aktives Vorgehen, das den Besonderheiten der Leiharbeit Rechnung trägt, zu entwickeln und schließlich organisationsweit zu implementieren. Zu diesem Zweck wird an die Tabelle 6 angeknüpft, in der ausgewählte theoretische Konzepte zu dynamischen Fähigkeiten und die verschiedenen „Typen“ dynamischer Fähigkeiten der Ressourcenentwicklung dargestellt wurden. Diese Tabelle wird mit dem geographischen Analysemodell zur „bottom-up“ und „top-down“ verlaufenden Ressourcenentwicklung in multiskalar und multistandörtlich gegliederten Gewerkschaften verbunden. Dabei wird die Tabelle um eine zeitlich-historische Dimension erweitert, indem einzelne Zeitphasen1 vor der Krise unterschieden werden, um die Ressourcenentwicklungsprozesse in ihrem zeitlichen Verlauf skizzieren zu können. Diese Phasen überlappen einander um einige Monate, weil sie nicht klar voneinander abgrenzbar sind, sondern die darin erfolgten Ressourcenentwicklungsprozesse ineinander übergingen. 1

In Anhang 1 erfolgt eine Darstellung der Entwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit auf der Ebene des DGB. Dazu wurden die in diesem Kapitel differenzierten Zeitphasen aufgegriffen.

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Auf diese Weise wird dargestellt, dass zu Beginn der 1990er Jahre Promotoren an einzelnen Standorten der IG Metall die dynamischen Fähigkeiten zum Aufbau und zur Integration der Ressourcen nutzten und so neue Konfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen entwickelten. Dabei wird verdeutlicht, dass den Promotoren eine zentrale Bedeutung zukommt, weil sie als erste Akteure in der Gewerkschaft auf den Handlungsdruck reagierten. Die Entwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen begann demnach auf der lokalen Ebene, wurde von den höheren Ebenen aufgegriffen und war somit „bottom-up“ gerichtet. Im Rahmen von Bezirksprojekten und einer bundesweiten Kampagne wurden die neuen Ressourcenkonfigurationen, die das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit konstituieren, durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeit zur Ressourcenrekonfiguration in den multistandörtlichen und multiskalaren Subeinheiten „top-down“ implementiert. Weil sich die einzelnen Gewerkschaftsstandorte auf der lokalen Ebene der Organisation an diesen Prozessen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu beteiligen begannen, lassen sie sich in verschiedene Typen differenzieren: die Typen 1a bis 1e, Typ 2 und Typ 3.

8.1 S PEZIFISCHE H ERAUSFORDERUNGEN BEI DER M ITGLIEDERWERBUNG UND I NTERESSENVERTRETUNG VON L EIHARBEITERN Die Rekrutierung von Leiharbeitern als Reaktion auf den Handlungsdruck erwies sich aus verschiedenen Gründen als schwierig: Erstens wechseln Leiharbeiter häufig den Einsatzort, sodass sich kaum eine feste Bindung an die Betriebe ausprägt (Interview 1). Zweitens haben viele Leiharbeiter ein so geringes Einkommen, dass einigen der Monatsbeitrag von 1 % des Bruttogehalts unentbehrlich ist (Interview 7). Drittens sind Leiharbeiter oft in Einsatzbetrieben unterschiedlicher Branchen tätig, für die andere Gewerkschaften zuständig sind: „Wenn ich fest in einem Betrieb anfange, dann ist für mich ja die Notwendigkeit vielleicht eher nahe liegend zu sagen: „Ich möchte vertreten bei der Gewerkschaft XY werden!“. Dann trete ich ein. Wenn ich aber nie weiß, in welchem Betrieb ich im nächsten Monat bin, überlege ich mir natürlich, ob ich einer Gewerkschaft beitrete. Kann ja sein, dass ich im nächsten halben Jahr in einem Unternehmen bin, in dem diese Gewerkschaft nichts zu sagen hat, d.h. also: Leiharbeiter müssen noch wesentlich mehr überzeugt werden, dass eine Gewerkschaft gut für sie sein kann, als Festbeschäftigte“ (Interview 95).

Viertens haben Leiharbeiter tendenziell eine größere Angst als andere Beschäftigte, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie sich einer Gewerkschaft anschließen (In-

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terview 7). Fünftens hält viele Leiharbeiter von einem Beitritt ab, dass sie ihre Beschäftigung in der Leiharbeit als eine Übergangslösung betrachten und sie sich ihre Chancen auf eine Übernahme in eine Festanstellung auf keinen Fall verbauen wollen (Interview 24, 34, 71). Sechstens wurden Gewerkschaften von Leiharbeitern nicht als Interessenvertretung wahrgenommen. Nach Jahrzehnten der Ignoranz musste die IG Metall zunächst signalisieren, dass sie sich auch für deren Repräsentanz verantwortlich fühlt (Interview 1). Aufgrund dieser Besonderheiten der Leiharbeit waren die alten Routinen der IG Metall zur Mitgliederwerbung und Interessenvertretung bezüglich Leiharbeit kaum nutzbar. Dies wird aus den Äußerungen verschiedener Sekretäre wird deutlich: „Die Leiharbeit ist besonders. Da sind andere Voraussetzungen als die, die wir als IG Metall in unseren klassischen Betrieben antreffen. Wir können nicht mit den klassischen Methoden an solche neuartigen Betriebe rangehen“ (Interview 1). „Unsere klassischen Dinge, die wir bis jetzt gemacht haben, funktionieren da nicht. Da muss man sich was anderes einfallen lassen“ (Interview 54). „In diesem Bereich kommen wir mit unseren üblichen Techniken nicht weiter und können damit nicht agieren. Das ist schwierig. Aufgrund der Eigenarten dieser Branche ist es schwierig, die Leute zusammen zu kriegen und gemeinsam für was einzustehen“ (Interview 71).

Beispielsweise ist die altbewährte Routine von Gewerkschaften der Durchführung von Streiks, um Forderungen in einer Branche durchzusetzen, in der Leiharbeit nicht geeignet, weil die Leiharbeiter einer Firma nicht in ein und demselben Betrieb eingesetzt werden, sondern weit verstreut an verschiedenen Einsatzorten. Weil selbst die Leiharbeiter, die im selben Betrieb eingesetzt werden, sich untereinander nicht kennen und nicht wissen, welcher Kollege im Einsatzbetrieb bei derselben Leiharbeitsfirma beschäftigt ist, gestaltet sich ihre Solidarisierung schwierig. Außerdem fürchten Leiharbeiter um ihren Arbeitsplatz, weshalb ohnehin nicht mit einer großen Beteiligung an Streiks zu rechnen ist. Streiks ausschließlich für Leiharbeiter zu organisieren, ist deshalb bislang noch nirgends geglückt (Interview 2). Der erste und bisher einzige Streik der IG Metall, an dem sich zusätzlich zur Stammbelegschaft auch Leiharbeiter beteiligten und der unter anderem zur Verbesserung der Entlohnung von Leiharbeitern geführt wurde, fand im April 2006 in Bielefeld statt (Interview 1, 5, 24). Die Tarifverhandlungen des DGB und IGZ drohten damals zu scheitern. Zeitgleich führte die IG Metall Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Die lokale Verwaltungsstelle und der Betriebsrat organisierten mehrere Streiks für beide Branchen, an der 1.500 Arbeitnehmer aus zwölf Betrieben gemeinsam mit den Leiharbeitern teilnahmen. Für die Leiharbeiter hatten die Gewerkschaft und der Betriebsrat im Vorfeld mit der Geschäftsführung

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abgeklärt, dass die Arbeitsniederlegung für sie nicht die Beendigung ihres Einsatzes und damit möglicherweise die Kündigung durch die Leiharbeitsfirma zur Folge haben würde. Ein weiteres Beispiel für eine bewährte Routine gewerkschaftlichen Handelns ist die Organisation von Demonstrationen. Leiharbeiter sind aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust auch zu dieser Aktionsform meist nicht bereit. Die bislang einzige Demonstration von Leiharbeitern wurde abgehalten, als im April 2008 Tarifverhandlungen mit dem BZA zu scheitern drohten. Mit den Protesten unterstützte die IG Metall Berlin die Forderungen der DGB-Tarifkommission nach einer Tariferhöhung (Interview 79). Neben Streiks und Demonstrationen gehört die Etablierung von Betriebsratsstrukturen zum klassischen gewerkschaftlichen Vorgehen der Interessenvertretung. Zwar ist es aus juristischer Sicht den Beschäftigten der Leiharbeitsbranche möglich, einen Betriebsrat wählen, doch ist dies in der Praxis seltener als in Unternehmen anderer Branchen der Fall, weil Betriebsratswahlen in Leiharbeitsfirmen aus verschiedenen Gründen schwierig zu organisieren sind: Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Leiharbeitern ist niedrig und ihre Beschäftigungszeit relativ kurz. Potenzielle Kandidaten für eine Wahl zu finden, gestaltet sich deshalb als schwieriges Unterfangen (Interview 1). In einigen Fällen unterbanden Verleihfirmen Betriebsratswahlen, indem sie die Leiharbeiter im Wahlvorstand und auf den Kandidatenlisten gezielt in weit entfernten Betrieben einsetzen (Interview 8 und 47). Darüber hinaus bestehen hier dieselben Probleme wie im Fall von Streiks und Demonstrationen (Interview 7, 15, 45, 71, 80). Weil es ihm trotz dieser widrigen Umstände gelungen war, eine Betriebsratswahl bei der Leiharbeitsfirma Tuja durchzuführen, bezeichnete der dafür zuständige Sekretär des Bezirks Bayern seinen Erfolg als „Glücksgriff“ bzw. „Sechser im Lotto“ (Interview 10). Selbst in den wenigen Leiharbeitsfirmen, in denen Betriebsräte existieren, ergeben sich praktische Probleme. Beispielsweise müssen Betriebsräte häufig weite Strecken zurücklegen, um Gespräche mit den Leiharbeitern in deren Einsatzbetrieb zu führen (Interview 12, 53, 72). Nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder können solchen Verpflichtungen nur eingeschränkt nachkommen (Interview 57 und 74). Außerdem bestehen die Betriebsratsgremien häufig aus Personaldisponenten. Diese treten in der betrieblichen Alltagspraxis als Repräsentanten des Arbeitgebers auf bzw. sind aufgrund ihrer Position als unmittelbare Vorgesetzte nicht als Vertreter der Interessen von Leiharbeitern geeignet. Des Weiteren besitzen Personaldisponenten andere Arbeitnehmerinteressen als Leiharbeiter (Interview 23 und 53). Die Anwendung der genannten klassischen Routinen gewerkschaftlichen Handelns war demnach in der Leiharbeit nicht gänzlich unmöglich. Aber ihre Nutzung bezüglich Leiharbeit erforderte die Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Beschäftigungsform. Abbildung 10 zeigt, dass die neuen, „leiharbeitsspezifischen“ Ressourcenkonfigurationen, die das aktive Vorgehen der IG Metall zum Erreichen

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der neuen strategischen Ziele in Bezug auf Leiharbeit bilden, sich einerseits aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen zusammensetzen, die bereits zuvor in der Gewerkschaft existierten. Diese Ressourcenkonfigurationen wurden mit den dynamischen Fähigkeiten dahingehend weiterentwickelt, dass sie zur Anwendung im Hinblick auf Leiharbeit geeignet waren. Andererseits bestehen die neuen, mit dynamischen Fähigkeiten entwickelten Ressourcenkonfigurationen aus innovativen organisationalen Fähigkeiten und Routinen. Diese basieren auf neu generiertem Wissen, das sich auf Leiharbeit bezieht und das Promotoren aus dem Handlungsumfeld erwarben. Die alten, bezüglich Leiharbeit weiterentwickelten wissensbasierten Ressourcen und die neuen, „leiharbeitsspezifischen“ Ressourcen wurden zu den neuen Ressourcenkonfigurationen zusammengefügt. Im nächsten Schritt erfolgte die organisationsweite Implementierung der daraus resultierenden neuen Ressourcenkonfigurationen durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten. Abbildung 10: Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten

Quelle: Eigene Darstellung

Die für diese Ressourcenentwicklung erforderlichen dynamischen Fähigkeiten existierten bereits in der IG Metall, was sich z.B. daran zeigt, dass die IG Metall schon vorher in den 1990er Jahren ein aktives Vorgehen bezüglich der IT-Branche entwi-

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ckelt und implementiert hatte (Töpsch et al. 2001). Auch in diesem Zusammenhang hatte die IG Metall – ebenfalls nachdem sie den Beschäftigten der IT-Branche lange Jahre keine Beachtung geschenkt hatte – ihre organisationalen Fähigkeiten und Routinen dahingehend modifiziert, dass sie zur Mitgliederwerbung und Interessenvertretung in der Branche geeignet waren. Außerdem wurden auch damals neue Ressourcen aus neu geniertem Wissen zu neuen Ressourcenkonfigurationen zusammengefügt, die das aktive Vorgehen bezüglich der IT-Branche konstituierten. Dieses wurde anschließend ebenfalls im Rahmen einer Kampagne implementiert. Das Beispiel der IT-Branche zeigt, dass die dynamischen Fähigkeiten der IG Metall, die auch für die Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen bezüglich Leiharbeit erforderlich waren, nicht erst noch aufgebaut werden mussten, sondern bereits in der Gewerkschaft vorhanden waren. Deshalb werden im Folgenden auch nicht die Prozesse zur Entwicklung dynamischer Fähigkeiten, sondern die Ressourcenentwicklungsprozesse mit den bereits in der Organisation vorhandenen dynamischen Fähigkeiten nachgezeichnet.

8.2 E NTWICKLUNG NEUER R ESSOURCENKONFIGURATIONEN MIT DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN Als Reaktion auf den Handlungsdruck konzipierten die Akteure in der IG Metall neue Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen. Dieser Prozess erfolgte – wie für demokratisch aufgebaute Organisationen üblich – in erster Linie „bottom-up“ von der lokalen Ebene über die regionale auf die nationale Ebene der Organisationsleitung. Ein Sekretär im Vorstand bestätigt, dass das neu generierte Wissen ursprünglich von der lokalen Ebene stammte: „Die Gewerkschaft ist keine Organisation, in der man etwas durchstellen kann, wie beim Schiff: Oben auf der Brücke wird gesagt „Volle Kraft voraus!“ und unten im Maschinenraum arbeiten sie dann daran, sondern die Impulse kommen immer aus der Praxis, den Verwaltungsstellen, von vor Ort.“ (Interview 2).

Der Druck führte demnach zunächst nur in den Verwaltungsstellen des Typs 1 zur Aktivität. Von dort ausgehend erfolgte die Entwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit durch die Verwendung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration in einem „bottom-up“ geprägten Prozess, an dem sich auch die Verwaltungsstellen des Typs 2 beteiligten.

Aneignung von Wissen von außerhalb der Organisation Lernprozesse

Prozess

explizit

Transferiertes/ Nähe

Verwaltungsstellen-Typ 1a bis 1e

bottom-up gerichtete Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen Phase I (1990 - Ende 2002) Phase I (1990 - Ende 2002) Phase II (Ende 2002 - Mitte 2007)

explizit und implizit temporäre, virtuelle, professionelle, organisationale

Organisationsinterner Transfer von Wissen und Ressourcenkonfigurationen

Wissensartikulation

R ESSOURCENKONFIGURATIONEN

Quelle: Eigene Darstellung

Aktivierung von

Multiskalarer Verlauf Phase

implizit

Erwerb von externem Wissen und Wahrnehmung des Handlungsdrucks durch Promotoren in den Subeinheiten der Organisation

Teilprozesse

UND I MPLEMENTIERUNG DER NEUEN

räumliche

Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen durch Promotoren in den Subeinheiten der Organisation als Reaktion auf den Handlungsdruck

sensing

seizing Erfahrungsakkumulation

Zusammenführung von intern existierenden und extern erworbenen Ressourcen zu neuen Ressourcenkonfigurationen Lern-, Integrations- und Koordinationsprozesse

Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenintegration

Teece 2007 Zollo/Winter 2003

Teece et al. 1997

Dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau

Eisenhardt/ Martin 2000

Tabelle 18: Dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration bei der „bottom-up“ gerichteten Entwicklung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit

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8.2.1 Erwerb von externem Wissen und Wahrnehmung des Handlungsdrucks durch Promotoren Ressourcenaufbau erfolgt, indem sich eine Organisation Wissen aneignet. Die Nutzung dynamischer Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau hat zur Folge, dass in der Organisation durch Promotoren Gelegenheiten und Veränderungen im Handlungsumfeld wahrgenommen werden. Promotoren in einigen vereinzelten Verwaltungsstellen der IG Metall der Typen 1a bis 1e erwarben in der Phase I (1990 bis Ende 2002) oder Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) als erste neues Wissen aus ihrem Handlungsumfeld, das auf eine Zunahme von Leiharbeit im Zuständigkeitsgebiet der Verwaltungsstelle hindeutete. Dadurch erkannten sie den Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit. Die Aneignung dieses neuen Wissens erfolgte in Lernprozessen, die unter bestimmten Bedingungen abliefen: Die Promotoren erfuhren in der Regel erstmals von der gestiegenen Nutzung von Leiharbeit in den Metall- und Elektrobetrieben vor Ort aufgrund ihrer Einbettung in Netzwerkbeziehungen zu verschiedenen in räumlicher Nähe verorteten Akteuren („territorial embeddedness“) (d.h. zu Betriebsräten in Ver- und Entleihbetrieben, Vertrauensleuten in Entleihbetrieben, DGB-Sekretären, Mitgliedern, Leiharbeitern, ehrenamtlich aktiven Ortsvorstandsmitgliedern etc.). Die meisten Sekretäre im örtlichen Gewerkschaftsbüro erfuhren von dem Handlungsdruck in ihrem Umfeld bez. Zuständigkeitsgebiet, weil Betriebsräte sie um Unterstützung bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen baten, die aus der Zunahme der entliehenen Leiharbeiter in ihrem Betrieb resultierten. Diese Betriebsräte sahen sich mit den Leiharbeitern als Randbelegschaft mit eigenen, bislang fremden Anliegen konfrontiert und waren verunsichert, ob sie auch für die betriebliche Mitbestimmung der Leiharbeiter zuständig waren. Außerdem bestand Unklarheit darüber, in welcher Weise sie ihnen Unterstützung bieten konnten, ohne zugleich die Stammkräfte zu brüskieren, von denen viele in der steigenden Zahl von Leiharbeitern eine Bedrohung sahen (Interview 35). In den Gesprächen mit den Betriebsräten von Entleihfirmen gelangten die Promotoren an das erforderliche Wissen über die Anliegen von Leiharbeitern. Außerdem informierten die Betriebsräte die Promotoren über die negativen Folgen der Ausbreitung von Leiharbeit in den Metall- und Elektrobetrieben. Beispielsweise fiel der hohe Anteil von Leiharbeitern an den Siemens-Standorten in Erlangen in der zuständigen Verwaltungsstelle auf, als Betriebsräte bei der Vorbereitung von Warnstreiks einer Gewerkschaftssekretärin zu Bedenken gaben, dass die eingesetzten Leiharbeiter den Betrieb während des Arbeitskampfes aufrecht halten könnten und der Streik damit wirkungslos bliebe (Interview 58). Hinzu kamen weitere Gründe, die den lokalen Gewerkschaftssekretären vor Augen führten, dass in ihrem Zuständigkeitsgebiet Leiharbeit einen signifikanten

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Stellenwert erreicht hatte. Beispielsweise wurde in einigen Verwaltungsstellen der Handlungsdruck wahrgenommen, weil sich Leiharbeiter mit dem Anliegen an die IG Metall wandten, einen Betriebsrat zu gründen. Außerdem gelangten die Promotoren durch die alltägliche Kommunikation mit weiteren Akteuren im Handlungsumfeld an Wissen aus dem „local buzz“, der sich aus Einschätzungen über die zunehmende Bedeutung von Leiharbeit in den Betrieben vor Ort konstituierte. Der Austausch mit den Akteuren erfolgte durch „face-toface“-Kontakte, deren Häufigkeit durch die räumliche Nähe gefördert wurde (Interview 30). Beispielsweise fanden bei den regelmäßigen Versammlungen der Ortsvorstandsmitglieder erste Diskussionen über Leiharbeit in den lokal ansässigen Betrieben statt (Interview 16, 21 39). Die räumliche Nähe der Akteure vor Ort erleichterte und förderte demnach den Transfer von Wissen aus dem Handlungsumfeld in die Gewerkschaft. Dieses vage und unspezifische anfängliche Wissen aus dem Handlungsumfeld, wonach Leiharbeit in ihrem Zuständigkeitsgebiet eine größere Bedeutung auf dem lokalen Arbeitsmarkt erlangt hatte, veranlasste einige Promotoren zu einer systematischen, problemzentrierten Suche nach fundiertem explizitem Wissen – insbesondere nach statistischen Angaben über den konkreten Umfang der Leiharbeit in den einzelnen Metall- und Elektrobetrieben sowie nach Hinweisen über die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der Leiharbeiter vor Ort. Bei diesem Lernprozess kann von „learning by searching“ gesprochen werden. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit waren den Promotoren dabei nicht von großem Nutzen, weil weder aus der ANÜSTAT noch der Beschäftigtenstatistik hervorgeht, in welchen Betrieben die Leiharbeiter eingesetzt sind und bei welchen Leiharbeitsfirmen sie beschäftigt sind. Auch die Mitgliederdatenbank der IG Metall enthielt keine Informationen darüber, wieviele Leiharbeiter Gewerkschaftsmitglied waren, denn damals existierte in der Datenbank keine Sammelnummer für Leiharbeiter. Diese wurde erst im Zuge der Kampagne 2008 eingeführt (Interview 3). Jedoch bestand die Möglichkeit, die Betriebsräte in den Entleihbetrieben der Metall- und Elektroindustrie zu kontaktieren und über diese gezielt Erkundigungen zur Entwicklung der Leiharbeit einholen (Interview 3, 22, 29, 36, 47). Die Verwaltungsstelle Siegen z.B. ging so vor. Sie war wegbereitend bei der Entwicklung des Handlungskonzepts der IG Metall zur Leiharbeit, denn dort wandten sich bereits Anfang der 1990er Jahre die IG Metall-Sekretäre Wetzel (der spätere stellvertretende Vorstandsvorsitzende) und Weigand (der spätere Leiter der KampagnenAbteilung im Vorstand) dem Thema „Leiharbeit“ in den Maschinenbau-Betrieben vor Ort zu. Dort wurde damit begonnen, durch systematische Erkundigungen den Umfang der Leiharbeit zu quantifizieren und mehr Details über die Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeiter in Erfahrung zu bringen. Die Betriebsräte wurden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, wie der heute zuständige Sekretär schildert:

152 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT „Diese Verwaltungsstelle hat sich dem Thema gestellt und damals erst einmal einen Fragebogen entwickelt: Wie werden eigentlich Leiharbeiter beschäftigt? In welchem Firmen sind sie eingesetzt? Wie lange, also drei bis sechs Monate oder länger? Und welche Leiharbeitsfirmen werden genommen? Gibt es in dem Entleihbetrieb Regelungen für Leiharbeiter? Durch die Umfrage haben wir festgestellt, dass in 80 oder 90 Betrieben hier in der Region regelmäßig Leiharbeiter eingesetzt werden“ (Interview 22).

Andere Promotoren ließen ihre Kollegen, die Funktionen als Betriebsbetreuer in der Verwaltungsstelle innehatten und über enge Kontakte zu Betriebsräten in den Entleihfirmen verfügten, herausfinden, welche quantitative Bedeutung Leiharbeit als personalpolitisches Instrument in den Unternehmen vor Ort bislang erreicht hatte (Interview 62). In Aachen begann der Erste Bevollmächtigte, sich mit Leiharbeit zu befassen, indem er sich bei der Agentur für Arbeit danach erkundigte, welche Leiharbeitsfirmen in der Stadt ansässig waren (Interview 21). Besonders systematisch gingen die IG Metall-Verwaltungsstellen Bruchsal, Pforzheim, Karlsruhe und Gaggenau vor, indem sie im Jahr 2007 das IMU Institut Stuttgart damit beauftragten, eine Untersuchung zur Leiharbeit in der Region Mittlerer Oberrhein und Enzkreis durchzuführen, die sich aus den Zuständigkeitsgebieten dieser vier Verwaltungsstellen zusammensetzte (Interview 39). Bei der Studie wurden Betriebsratsbefragungen in 98 Betrieben durchgeführt und Fragebögen an 23 Leiharbeitsfirmen geschickt. Mit dieser methodischen Herangehensweise konnten unter anderem der „Klebeeffekt“ in der Region auf ca. 20 % beziffert und die Auswirkungen der Leiharbeitereinsätze auf das Betriebsklima analysiert werden. Bestätigten diese Erkundigungen, Befragungen und Auftragsstudien die anfänglichen Hinweise, dass Leiharbeit eine bedeutende Rolle auf dem lokalen Arbeitsmarkt spielte und sich in den Entleihbetrieben erste Folgewirkungen abzeichneten, veranlasste dieses Wissen die Promotoren in einem nächsten Schritt dazu, auf den Handlungsdruck zu reagieren und sich mit der Leiharbeit vor Ort zu befassen: „Ich habe in einer regionalen Analyse herausgefunden: Wie viele Leiharbeiter gibt es denn? Und da habe ich dann natürlich erschrocken feststellen müssen, dass die Leiharbeit in unseren Firmen ziemlich Fuß gefasst hat, die Betriebsräte da ein neues Handlungsfeld haben und wir uns kümmern müssen“ (Interview 31).

8.2.2

Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen als Reaktion auf den Handlungsdruck

Nachdem die Promotoren erkannt hatten, dass die Zunahme von Leiharbeit in den Einsatzbetrieben nicht nur ein bundesweiter Entwicklungstrend war, sondern auch das Zuständigkeitsgebiet der eigenen Verwaltungsstelle davon betroffen war, rea-

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gierten die Promotoren aktiv auf den externen Handlungsdruck („seizing“). Dazu erprobten die Promotoren neue organisationale Fähigkeiten und Routinen in der Handlungspraxis, bzw. entwickelten sie bestehende Ressourcen weiter. Während dieser Ressourcenintegration wurden neue und altbewährte organisationale Fähigkeiten und Routinen unter Einbezug des zuvor aufgebauten Wissens zu neuen Ressourcenkonfigurationen zusammengefügt. Dabei kooperierten die Promotoren zum Teil mit Akteuren im Handlungsumfeld, wobei sich hier erneut die räumliche Nähe als vorteilhaft erwies. Die Gewerkschaftssekretäre bildeten über einen längeren Zeitraum ein routinisiertes Verhaltensrepertoire aus, gewannen Verhaltenssicherheit und sammelten dabei durch Erfahrungsakkumulation implizites Wissen. Einige Promotoren vollzogen bei der Nutzung der dynamischen Fähigkeit der Ressourcenintegration einen Lernprozess, der als „experimental learning“ oder „trial-and-error-learning“ bezeichnet werden kann. Durch systematisches Ausprobieren wurden Handlungsabläufe solange problemlösungsbezogen verändert, bis zielgerichtete Routinen entstanden. Auf diese Weise entwickelte z.B. der Promotor der IG Metall Regensburg die altbewährte Routine Gründung von Betriebsräten dahingehend weiter, dass sie unter den speziellen Bedingungen der Leiharbeit auch in Verleihfirmen genutzt werden konnte: Dieser Gewerkschaftssekretär wurde von Leiharbeitern der I.K. Hoffmann kontaktiert, die einen Betriebsrat gründen wollten. Zwar fand unter der Leitung der IG Metall Regensburg eine Betriebsratswahl für die Niederlassungen der Leiharbeitsfirma in der Region Oberpfalz mit 750 Wahlbeteiligten statt, aber die Kandidaten, welche die IG Metall aufgestellt hatte und bei denen es sich um Leiharbeiter handelte, erlitten eine Niederlage. Stattdessen gewannen die nicht gewerkschaftlich organisierten Personaldisponenten mit ihren sechs Gegenlisten. Das ursprüngliche Ziel, ein Gremium zu installieren, dessen primäres Anliegen in der Verbesserung der prekären Beschäftigungssituation der Leiharbeiter bestand, wurde somit nicht erreicht (Interview 56). Dieses Versäumnis konnte der Sekretär vermeiden, als die Leiharbeiter der lokalen Tuja-Niederlassung mit seiner Hilfe ein Jahr später ebenfalls eine Betriebsratswahl durchführten. Dort wählten ca. 1.200 Wahlberechtigte ein 13-köpfiges Betriebsratsgremium, wobei der Sekretär dafür sorgte, dass sich das Gremium aus neun Leiharbeitern und vier Personaldisponenten zusammensetzte. Dabei ließ er seine Erfahrung einfließen: „Da haben wir es anders gemacht und aus den Fehlern vorher gelernt“ (Interview 56). Durch den Lernprozess des „learning by doing“, bei dem Lernen als Nebeneffekt des praktischen Handelns erfolgt, lernte der Sekretär in Passau die Besonderheiten der Leiharbeit kennen. Weil er selbst früher lange als Betriebsrat in der Metallindustrie aktiv gewesen war, überraschten ihn dabei vor allem die speziellen Umstände der Betriebsratsarbeit in der Leiharbeit:

154 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT „Mein Leben lang war Gewerkschaftsarbeit für mich so: Wenn ich Stimmung machen will als Betriebsrat, dann bin ich draußen in die Werkshallen gegangen, habe einen Pfiff losgelassen: „Alle mal herkommen!“. Wir hatten schwarze Bretter, Betriebsrundgänge, Flugblatt-Aktionen und Betriebsversammlungen. So, und das Erste bei meinem Projekt zu Leiharbeit war, dass ich zum Betriebsratsbüro von Randstad gefahren bin. Und allein dieser Besuch, das war für mich eine einzige Lehrstunde. Weil ich da in ein Haus gekommen bin, da saßen zwei freigestellte Betriebsräte und drei Sekretärinnen. Das, was ich von früher gekannt habe, dass irgendwo nebenan der Betrieb ist, das gibt es alles in der Leihbranche nicht“ (Interview 57).

Weil die Leiharbeiter auf verschiedene Einsatzorte verteilt sind, empfand er diese Erfahrung als „Lehrstunde“ (Interview 57). Sein weiteres Vorgehen war deshalb auf den Entleih-, statt den Verleihbetrieb ausgerichtet. Promotoren in Verwaltungsstellen, die einen Arbeitskreis mit Betriebsräten, Vertrauensleuten und Leiharbeitern gründeten, formierten sich mit den Teilnehmern des Arbeitskreises zu einer „community of practice“. Diese Arbeitskreise organisierten Betriebsversammlungen, die ausschließlich an Leiharbeiter gerichtet waren und auf denen sie sich von deren Anliegen berichten ließen (z.B. Interview 52). Promotoren lernten außerdem durch „learning by interacting“ z.B. von Betriebsräten, mit denen sie sich seltener und weniger formal für die Belange der Leiharbeiter engagierten als in einem Arbeitskreis. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Neustadt a.d. Weinstraße z.B. ist im Aufsichtsrat des Automobilzulieferers Faurecia und aufgrund dieser Funktion Mitglied in der AutomobilZulieferinitiative Rheinland-Pfalz. In diesem Rahmen werden zur Förderung der regionalen Kooperation der Unternehmen Seminare und Betriebsbesichtigungen durchgeführt. Auch die Betriebsräte der beteiligten Firmen arbeiten zusammen. Bei deren Treffen sprach der Erste Bevollmächtigte das Thema „Leiharbeit“ an, um gemeinsam mit den anderen Teilnehmern der Zulieferinitiative diesbezüglich in den Einsatzfirmen aktiv zu werden (Interview 36). Hierbei ist ebenfalls die räumliche Nähe der Akteure von Vorteil: Der Erste Bevollmächtigte in Witten betont die räumliche Nähe zu den Betriebsräten in den Einsatzbetrieben seiner Stadtverwaltungsstelle. Das Verwaltungsgebiet von Stadtverwaltungsstellen ist mit dem Stadtkreis identisch, wohingegen sich das Zuständigkeitsareal einer Flächenverwaltungsstelle aus mehreren Landkreisen konstituiert: „Eine Stadtverwaltungsstelle hat große Vorteile: Man ist sehr nahe drann und es findet viel mit Gesprächen, persönlichen Gesprächen statt. Die Betriebsräte stehen sofort vor meinem Tisch, weil Witten nicht groß ist. Der weiteste Betrieb ist sieben Kilometer weit weg. Und wenn ich irgendetwas will, dann rufe ich an und sage: „Du, ich bin in zehn Minuten da! Jetzt reden wir darüber.“ Da wir hier relativ nahe beieinander sind, sind auch die Informationswege recht kurz“ (Interview 27).

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8.2.3

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Organisationsinterner Transfer von Wissen und Ressourcenkonfigurationen

Die Lernprozesse in der IG Metall, die bei der Entwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit erfolgten, wurden erst dann zu organisationalen Lernprozessen, als sie nicht mehr nur an vereinzelten lokalen Standorten stattfanden, sondern auf den verschiedenen Ebenen der Organisation. Dieser nächste Schritt vollzog sich teils in Phase I (1990 bis 2002) und teils zu Beginn der Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) durch Beteiligung der Verwaltungsstellen des Typs 1. Die Promotoren brachten durch Artikulation ihr individuell erworbenes explizites und implizites Wissen in die Organisation ein. Die Erkenntnisse aus ihren Lernprozessen, die sie bei der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration bis dato erworben hatten, erfuhren so auf der lokalen Ebene und „bottom-up“ auf der regionalen und nationalen Ebene eine Verbreitung innerhalb der IG Metall. In den Verwaltungsstellen, zwischen Verwaltungsstellen, mit dem Bezirk und dem Vorstand wurde zunehmend über Leiharbeit diskutiert (Interview 12), denn die Promotoren sind in Netzwerkbeziehungen innerhalb der Organisation zu Akteuren auf derselben („horizontal embeddedness“) und auf einer anderen Ebene („vertical embeddednes“) eingebettet (Tabelle 18). Eine zunehmende Zahl an Subeinheiten der Gewerkschaft beteiligte sich an dem Wissensaustausch, wie ein Sekretär im Vorstand schilderte: „Einzelne Sekretäre in der IG Metall haben gesagt: „So geht das nicht mehr weiter! Wir müssen was tun!“ Die haben es erst mal für sich getan. Das sind immer mehr geworden und die haben dann versucht, das Thema zu verbreiten. Dann sagen die anderen: „Ja, stimmt! Uns betrifft das auch!“ So wächst das und so hat sich das ganze Thema beschleunigt“ (Interview 2).

Aus dem Wissensaustausch zwischen den Subeinheiten der Gewerkschaft resultierte eine Erkenntnis, die für das aktive Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit von zentraler Bedeutung war: Weil die Promotoren im Laufe ihrer anfänglichen Tätigkeit gelernt hatten, dass der Versuch, sich in den Leiharbeitsfirmen z.B. durch Betriebsratsgründungen für die Belange der Leiharbeiter einzusetzen, nur selten erfolgreich war, entschieden sich die meisten Promotoren später dazu, sich mit ihren Bemühungen statt auf die Verleihfirmen in erster Linie auf die Entleihfirmen zu konzentrieren. Der Leiter der Kampagnen-Abteilung schildert diesen aus der organisationsinternen Diskussion resultierenden Strategiewechsel: „Unser Ansatz früher war der klassische Metallansatz: Wir gehen an die Firma ran, wo die Leute beschäftigt sind, an den Verleiher. Das hat dazu geführt, dass wir sehr erfolglos waren. Da kam so was wie ein Paradigmenwechsel und das war dann das Ergebnis einer Diskussion,

156 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT dass wir gesagt haben: „Wir müssen unsere Strategie wechseln. Wir müssen da ansetzen, wo die Leiharbeit stattfindet, in den Entleihbetrieben, unseren Betrieben, wo wir schon Strukturen haben. Wenn wir so weiter machen wie bisher und auf den Verleiher zugehen, dann werden wir nur weiter verlieren““ (Interview 1).

Im Gegensatz zu den Verleihbetrieben besaßen die Entleihbetriebe bereits etablierte und kampferprobte gewerkschaftliche Vertretungsstrukturen. Dort konnten Gewerkschaftssekretäre gemeinsam mit den Betriebsräten und mit der Unterstützung der bereits organisierten Belegschaften mehr erreichen (Interview 1 und 2). Der Austausch in der Gewerkschaft erfolgte z.B. im Rahmen von verschiedenen Zusammenkünften der Sekretäre aus den multiskalaren und multistandörtlichen Subeinheiten, die als „temporary clusters“ interpretiert werden können. Ein konkretes Beispiel für eine Veranstaltung, die als „temporary cluster“ zu bezeichnen ist, war eine durch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) für Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte im Oktober 2004 organisierte Tagung mit dem Titel „Zeitarbeit als Betriebsratsaufgabe“. Die Ziele der Tagung waren der Wissenstransfer durch Vorträge und der Erfahrungsaustausch in Arbeitsgruppen (Interview 79). Neben der in „temporary clusters“ erzeugten temporären Nähe waren weitere Formen von Nähe von Vorteil: Weil die Sekretäre für dieselbe Organisation arbeiten, teilen sie ähnliche Wertvorstellungen. Durch diese organisationale Nähe wurde der Wissensaustausch erleichtert. Da viele Gewerkschaftssekretäre einen ähnlichen beruflichen Werdegang durchlaufen haben, verbindet sie eine professionelle Nähe. Sie hatten eine Lehre oder Ausbildung in einem Metall- oder Elektrobetrieb absolviert, waren dann Betriebsräte und wechselten über das ehrenamtliche Engagement schließlich auf eine Stelle in der Gewerkschaft. Einige Gewerkschaftssekretäre in Führungspositionen (Erste Bevollmächtigte, Bezirksleiter, Funktionäre im Vorstand) haben ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert oder ein Studium an der „Akademie der Arbeit“ in Frankfurt abgeschlossen. Deshalb teilen sie ein ähnliches Fachwissen, gemeinsame Sprachcodes und handlungspraktisches „Know-how“, was den Wissenstransfer in der Organisation zu dem neuen Thema „Leiharbeit“ ermöglichte. Der Transfer des Wissens und der neuen wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen von Promotoren in der Gewerkschaft wurde zudem durch virtuelle Nähe gefördert: Auf eine Initiative der Tarifabteilung der IG Metall hin wurde im Rahmen des Projekts „ZeitarbeiterInnen – Ohne Organisation machtlos“ (ZOOM) die Erstellung und Moderation einer Internet-Plattform in Auftrag gegeben. Auf der stark frequentierten Homepage www.igmetall-zoom.de findet sich seit November 2004 umfangreiches Informationsmaterial (z.B. rechtliche Hinweise zum AÜG) und ein Diskussionsforum. Mit dem virtuellen Angebot sollen die internen Vernetzungsprozesse zu Leiharbeit unterstützt werden (Interview 1, 34, 40, 62, 79).

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In der Gewerkschaft fand jedoch nicht nur Wissensaustausch, sondern auch eine intensive Debatte um das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit statt, die durch Konflikte gekennzeichnet war. Kontroverse Auffassungen hinsichtlich der potentiellen Neuorientierung prallten aufeinander. Während vor Ort bereits ab Anfang der 1990er Jahre neue organisationale Fähigkeiten und Routinen erprobt wurden und mit der Entwicklung einer aktiven Vorgehensweise begonnen worden war, dominierte laut Aussage einiger Sekretäre (Interview 1, 78) insbesondere in der Gewerkschaftsführung noch lange die Devise, an der Ablehnung von Leiharbeit festzuhalten. Wie viele strategische Neuerungen stießen die proaktiven Bemühungen der Promotoren um die Verbreiterung des Themas „Leiharbeit“ auf Widerstände: „Es gibt immer unterschiedliche Standpunkte zur Herangehensweise in einer Gewerkschaft. Auch beim Thema „Leiharbeit“ hat es bei uns Auseinandersetzungen gegeben. Es gab bei uns einen langen Klärungsprozess in dieser Frage: Was ist denn unsere Position? Solche Debatten sind im Grunde ganz, ganz typisch für gewerkschaftliche Willensbildung“ (Interview 2).

Zwar setzten sich die Promotoren, die bereits vor Ort neues Wissen, Erfahrungswerte und neue Ressourcenkonfigurationen zu Leiharbeit generiert hatten, letztlich gegen die konservativen Sekretäre in der Organisation durch, die weiterhin an der Ablehnungshaltung festhalten wollten. Ehe ein Mehrheitsbeschluss darüber getroffen wurde, dass die gesamte IG Metall zu Leiharbeit aktiv wird, dauerte es aber noch bis zum Gewerkschaftstag im November 2007.

8.3 I MPLEMENTIERUNG NEUER R ESSOURCEN KONFIGURATIONEN MIT DYNAMISCHEN F ÄHIGKEITEN Unter Ressourcenrekonfiguration werden die Prozesse nach dem „sensing“ und „seizing“ verstanden, durch welche die organisationalen Ressourcen grundlegend neu arrangiert und in der gesamten Organisation in Handlungen umgesetzt werden (Tabelle 19). Die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zur Rekonfiguration der organisationalen Ressourcen erfolgte in der IG Metall zunächst durch die regional begrenzte Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen durch Bezirksprojekte in Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007), durch welche die Verwaltungsstellen des Typs 2 aktiviert wurden, und in einem nächsten Schritt durch den Beschluss sowie die Implementierung einer bundesweiten Kampagne in Phase III (Mitte 2008 bis Mitte 2009), welche die Aktivierung der Verwaltungsstellen des Typs 3 zur Folge hatte.

Rekonfigurations-/Transformationsprozesse

reconfiguration

Wissensartikulation, Wissenskodifizierung

Teece et al. 1997

Teece 2007

Zollo/Winter 2003

explizit und implizit

tempoäre, virtuelle, professionelle, organisationale

top-down gerichtete Implementierung neuer Ressourcenkonfigurationen

Phase II (Ende 2002 - Mitte 2007)

Verwaltungsstellen-Typ 2

Teilprozesse

transferiertes/ generiertes Wissen

Nähe

multiskalarer Verlauf

Phase

Aktivierung von

Quelle: Eigene Darstellung.

Regional begrenzte Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen durch Bezirksprojekte

Beantragung und Beschluss der organisationsweiten Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen

grundlegende Umorganisation und Neuarrangement der Ressourcenkonfigurationen der Organisation zu neuen Ressourcenkonfigurationen

Prozess

Verwaltungsstellen-Typ 3

Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008)

Organisationsweite Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen in einer Kampagne

Wissenskodifizierung

Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenintegration

Eisenhardt/ Martin 2000

Tabelle 19: Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration zur „top-down“ gerichteten Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit

158 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

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8.3.1

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Regional begrenzte Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen durch Bezirksprojekte

Die Gewerkschaftssekretäre der sieben IG Metall-Bezirke hatten durch die organisationsinterne Diskussion entweder bereits in Phase I (1990 bis Ende 2002) oder in Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) das dezentral generierte Wissen aus der Organisation erworben. In Phase II fanden die Sekretäre auf der regionalen Ebene zunächst heraus, ob der Handlungsdruck in ihrer Zuständigkeitsregion so groß war, dass ein Bezirksprojekt erforderlich wurde: „Am Anfang steht die Frage: Machen wir ein Projekt? Ist das was, das dieses Werkzeugs „Projekt“ bedarf? Müssen wir da für eine bestimmte Zeit Ressourcen holen und sagen: „Wir holen mal jemand, der sich nur da drum Gedanken macht?“. Wenn die Verwaltungsstellen daraufhin sagen: „Macht endlich was! Uns brennt das Thema!“, kann der Bezirk sagen: „Gut, wir merken, das Thema ist euch wichtig“ (Interview 2).

Im Austausch mit den Verwaltungsstellen erfuhren die Bezirke, dass sie ein Projekt konzipieren mussten, weil dafür eine hohe Dringlichkeit an der Gewerkschaftsbasis existierte. Noch vor dem Gewerkschaftstag 2007 hatte sich darum jeder Bezirk dazu entschlossen, eine aktive Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit zu implementieren und dafür eine Projektstelle für einen ausschließlich für Leiharbeit zuständigen Sekretär beim Vorstand beantragt. 8.3.1.1

Konzeption des Projekts aus zuvor entwickelten Ressourcenkonfigurationen Der erste Schritt der eigens für Leiharbeit eingesetzten Bezirkssekretäre bei der Konzeption des Bezirksprojekts bestand darin, systematisch ein Vorgehen aus Routinen und organisationalen Fähigkeiten zu entwickeln, das sich in den Verwaltungsstellen umsetzen ließ. Zu diesem Zweck kontaktierten die Projektsekretäre im Bezirk die Verwaltungsstellen, die sich zuvor an der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration beteiligt und deshalb bereits handlungspraktische Erfahrungen gesammelt hatten. Der ProjektsSekretär, der das Projekt im Bezirk Bayern initiierte, konnte aus den Gesprächen mit den Promotoren viel über sein neues Aufgabenfeld lernen: „Ich bin zwar seit 28 Jahren hauptamtlich bei der IG Metall. Ich bin klassischer Metaller, also in einem Großbetrieb als Lehrling, Jugendvertreter, Betriebsrat, aber ich musste bei dem Thema neu lernen – die Ansätze: Wie komme ich überhaupt an Leute ran? Die ersten Wochen waren für mich eine reine Lehrstunde. Alles, was ich von früher kannte, galt in der Leihbran-

160 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT che nicht. Ich bin mir da vorgekommen wie ein Auszubildender. Ich habe da sehr viel zugehört, wenig selber geredet, sondern nur gelernt“ (Interview 57).

Lokale Sekretäre, die zu jenem Zeitpunkt bereits über profundes Wissen verfügten, wie z.B. die Sekretäre in Ulm und Gaggenau, wurden im Sommer 2007 vom Bezirk Baden-Württemberg dazu eingeladen, an einem Arbeitskreis des Bezirks zu Leiharbeit teilzunehmen. Der für Leiharbeit zuständige Sekretär in Ulm schildert das damalige Vorgehen des Bezirks: „Mit dem Anspruch, sowas wie „Know-how“ in dem Bereich voranzutreiben, haben sich die im Bezirk bei uns erkundigt: „Was habt ihr denn schon gemacht?“. Da gab es sehr viel Kommunikation zwischen Ulm und dem Bezirk, woraufhin dann der Ansatz in Ulm auch ein Stück weit im Bezirk gefahren wurde. Da hat man die Erkenntnisse und Ideen aus Ulm und anderen Verwaltungsstellen mit eingespeist“ (Interview 48).

Auch der Bezirkssekretär im IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen konsultierte die vor Ort für Leiharbeit aktiven Sekretäre. Zu diesem Zweck gründete er bereits Ende 2004 eine Projektgruppe zur Leiharbeit, die sich aus den Arbeitskreisen zusammensetzte, die zuvor in einigen Verwaltungsstellen implementiert worden waren: „Ich habe angefangen, mit den Sekretären vor Ort zu sprechen. Wir haben versucht, eine fokussierte Projektgruppe zu installieren, indem wir einfach die Leute zu Wort kommen ließen, was deren Meinung nach ein sinnvolles Vorgehen wäre und so haben wir erstmal eine Vorinformation gemacht“ (Interview 8).

Auf Grundlage der dort diskutierten Erfahrungen aus den Verwaltungsstellen gestaltete der zuständige Bezirkssekretär ein Konzept: „Ich hatte eine Findungsphase. Es gab ja schon vereinzelte Aktivitäten. Es war alles nur nicht richtig strukturiert und gebündelt und hatte keine Ausstrahlungswirkung nach draußen. Das muss man halt dann einsortieren, was die dort gemacht haben: Ist das übertragbar? Welchen Teil dieser Herangehensweise kann man tatsächlich für andere Verwaltungsstellen auch empfehlen?“ (Interview 8).

Die Konzeption des regionalen Projekts aus den zuvor lokal entwickelten Ressourcenkonfigurationen beschreibt der Sekretär als experimentellen Lernprozess: „Die Vorgehensweise, gerade beim Thema „Leiharbeit“, beinhaltet natürlich ein Stück weit, neue Wege zu gehen und experimentell vorzugehen. Experimentell heißt, zunächst muss man das, was man an Methoden im Baukasten hat, prüfen: Wie setzt man bestimmte Prozesse in

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Gang mit Seminaren? So, was haben wir im Standardprogramm drin? Gleichzeitig aber auch vielleicht neue Arbeitsmethoden anwenden oder aber Formen der Zusammenarbeit anders organisieren? Experimentell war außerdem, ergebnisoffen zu sein, was da rauskommt. Der Erkenntnisgewinn wächst ja mit der Auseinandersetzung mit einem Thema“ (Interview 8).

Schließlich wurde im November 2006 das Bezirksprojekt „Zeitarbeit menschlich“ begonnen. Bei diesem „bottom-up“-Prozess gelangte jeder Bezirk zu einem anderen Resultat. Insbesondere hinsichtlich der konkreten Maßnahmen und Ziele unterscheiden sich die Bezirksprojekte: „Die Bezirke haben ein spezielles Eigenleben. Jeder setzt so seine eigenen Schwerpunkte bei dem Thema „Leiharbeit“. Jeder Bezirk hat seine eigenen Ideen, wie er vorgeht“ (Interview 7).

Die bezirksinterne Auseinandersetzung mit der Frage, welche Ressourcenkonfigurationen implementiert werden sollten, wurde in jedem der sieben Bezirke unterschiedlich beantwortet. 8.3.1.2

Vorgehensweise bei der Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen In den Interviews auf allen drei Ebenen an verschiedenen Gewerkschaftsstandorten wurde immer wieder die Vorreiterrolle der Bezirke Berlin-Brandenburg-Sachsen und Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Beispielsweise beschrieb der Erste Bevollmächtigte in Bautzen das Engagement des Projektsekretärs in seinem Bezirk als das eines „Pioniers“: „Er war hinsichtlich des Aufgreifens der Problematik Pionier. Er ist der Macher, der das auf der Ebene des Bezirks vorangebracht hat. Insofern ist das bei uns schon ein bisschen eher losgegangen“ (Interview 78).

Wie im Folgenden aufgezeigt wird, unterscheidet sich die konkrete Vorgehensweise bei der Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen in den Verwaltungsstellen der beiden Bezirke grundlegend. Der Sekretär des Bezirks BerlinBrandenburg-Sachsen sieht seine Funktion weniger darin, selber operativ zu agieren, sondern darin, die Akteure vor Ort delegierend dabei anzuleiten, eigenständig Problemlösungen bzw. organisationale Fähigkeiten und Routinen zusammen mit den Betriebsräten vor Ort zu entwickeln und zu etablieren: „Ich bin nur dafür verantwortlich, dass der Prozess in Gang kommt und er zu einem Erfolg geführt wird, aber man muss die Menschen mitnehmen und sie selber machen lassen. Also es gibt den Leuten eine hohe Eigenverantwortung, wenn man ihnen eine Plattform anbietet, wo

162 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT sie sich betätigen können. Man lässt sie alles selber erarbeiten. Damit nötigen Sie die Betroffenen, sich Gedanken zu machen“ (Interview 8).

Zu diesem Zweck versucht er, die Fähigkeiten der Sekretäre und Betriebsräte für alle am Leiharbeitsprojekt beteiligten Akteure nutzbar zu machen: „Dann kommt es eben drauf an, wie wir die Möglichkeiten, die Intelligenz und die Fähigkeiten jedes einzelnen sinnvoll einsetzen. Ich rufe einfach die Fähigkeiten ab, die wir hier besitzen. Es macht ja Menschen auch Spaß, wenn ihre Fähigkeiten gefordert sind. Also wenn ich sage: „Kollege X, kannst du nicht mal dazukommen? Wir bräuchten mal dein Wissen!“. Dann fühlt man sich doch gleich ganz anders aufgehoben, als wenn ich sage: „Du musst das jetzt machen, nur, weil du zuständig bist!““ (Interview 8).

Der Bezirkssekretär in Berlin-Brandenburg-Sachsen fördert deshalb z.B. die Vernetzung der Arbeitskreise auf der lokalen Ebene, indem er die Treffen der Arbeitskreise organisiert. Daran nehmen Sekretäre und Betriebsräte aus Berlin, Leipzig, Zwickau, Dresden und Bautzen teil. Insgesamt sieht der Zuständige in Berlin-Brandenburg-Sachsen seine Rolle demnach als die eines delegierenden Koordinators mit einer Steuerungsfunktion. Darin besteht ein zentraler Unterschied zu dem Bezirk Nordrhein-Westfalen, dem mitgliederstärksten IG Metall-Bezirk, der ebenfalls zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt ein Leiharbeitsprojekt auflegte. Im Februar 2007 wurde dort das Projekt „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ mit einer Konferenz für Betriebsräte und lokale Gewerkschaftssekretäre begonnen. Dafür wurden ab April 2007 zeitweise bis zu zwei Stellen für Projektbeauftragte eingerichtet. Im Gegensatz zu dem Projektsekretär im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen unterstützten diese Bezirkssekretäre die lokalen Sekretäre und Betriebsräte direkt in den Entleihbetrieben vor Ort. Sie verfügten bereits im Vorfeld über das erforderliche Wissen, weil sie sich zuvor in Verwaltungsstellen als Promotoren an der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten beteiligt hatten. Ein Projektsekretär im Bezirk Nordrhein-Westfalen schildert, wie er als „Experte“ in lokalen Entleihfirmen Hilfe leistet – sowohl mit fachlichem, kodifiziertem Wissen als auch mit tazitem Erfahrungswissen: „Meine Aufgabe ist, den Verwaltungsstellen und Betriebsräten unter die Arme zu greifen. Als Sekretär vor Ort hat man viele Themen. Wir gehen als „Feuerwehr“ in die Betriebe. Die Kollegen vor Ort sagen den Betriebsräten: „Die Leiharbeit bei euch nimmt zu? Wir haben da unsere Experten. Ladet die mal ein!““ (Interview 5).

Der befragte Bezirkssekretär in Nordrhein-Westfalen sucht gemeinsam mit den Sekretären der Verwaltungsstellen die Entleihbetriebe auf, um mit den Betriebsräten und Leiharbeitern zu sprechen:

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„Ich fahre mit den Kollegen in den Verwaltungsstellen von Betrieb zu Betrieb, setze mich mit den Betriebsräten zusammen. Ich gebe Hinweise aus den Erfahrungen, die wir im Projekt gemacht haben: Wo wird üblicherweise betrogen? Und dann schauen wir über Arbeitsverträge, ob die Firma das korrekt macht. Wenn wir längere Zeit in den Betrieben sind, um die Betriebsräte dabei zu unterstützen z.B. eine Betriebsvereinbarung zu machen, kann es passieren, dass ich auch mit dem Arbeitgeber zusammensitze“ (Interview 5).

Die Sekretäre vor Ort berichteten, dass sie sich durch die Unterstützung des Projektsekretärs und die gemeinsamen Aktivitäten in den Entleihbetrieben sein Wissen aneignen konnten. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, das Vorgehen eigenständig fortzuführen (Interview 13, 17, 26). Die Strategie der beiden „Pionierbezirke“ bei der Implementierung des Vorgehens unterschied sich demnach immens. Alle sieben IG Metall-Bezirke hatten vor Beginn der bundesweiten Kampagne mit der Konzeption des Projekts begonnen (Tabelle 20). Tabelle 20: Implementierung der Leiharbeitsprojekte in den IG Metall-Bezirken Bezirk

Implementierung der Leiharbeitsprojekte

BerlinBrandenburgSachsen

Ende 2004: Gründung einer Projektgruppe November 2006: Konferenz als offizieller Auftakt des Projekts „Zeitarbeit menschlich“ mit einer Stelle

NordrheinWestfalen

Ende 2006: Beginn der Konzeption Februar 2007: Konferenz als offizieller Auftakt des Projekts „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ mit ein bis zwei Stellen

Frankfurt

Frühjahr 2007: Beginn der Konzeption Dezember 2007: Konferenz als offizieller Auftakt des Projekts „Gemeinsam besser“ mit ein bis zwei Stellen

NiedersachsenSachsen-Anhalt

Sommer 2007: Beginn der Konzeption November 2007: Konferenz als offizieller Auftakt des Projekts „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ mit einer Stelle

Bayern

November 2007: Konferenz als offizieller Auftakt Februar 2008: Einrichtung einer Stelle für das Projekt „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“

BadenWürttemberg

Sommer 2007: Beginn der Konzeption Sommer 2008: Konferenz als offizieller Auftakt des Projekts „Leiharbeit verhindern, begrenzen, gestalten“ mit einer Stelle

Küste

Ende 2007: Beginn der Konzeption Mai 2008: Einrichtung einer Stelle für das Projekt „Gleiche Arbeit, gleiches Geld“

Quelle: Eigene Erhebungen

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Während die Leiharbeitsprojekte in den Bezirken Nordrhein-Westfalen, Frankfurt und Küste durch einen ausschließlich für Leiharbeit zuständigen Sekretär betreut wurden, übernahm in den anderen Bezirken ein Sekretär das Thema „Leiharbeit“ zusätzlich zu weiteren Aufgaben (Interview 5 bis 11). Die Projekte in den übrigen fünf Bezirken orientierten sich jeweils an einem der beiden Bezirke oder an beiden (Interview 2). Tendenziell war zu beobachten, dass die Sekretäre in den mit mehr Ressourcen ausgestatteten Leiharbeitsprojekten der Bezirke Frankfurt und Küste sich stärker an den Erfahrungen der Kollegen in Nordrhein-Westfalen orientierten und auch in den Betrieben vor Ort zugegen waren, um ihr Wissen weiterzugeben (Interview 6 und 11). Im Gegensatz dazu richteten sich die mit geringeren personellen Kapazitäten ausgestatteten übrigen Projekte nach dem weniger arbeitsintensiven Vorgehen des „Pioniers“ in Berlin-BrandenburgSachsen (Interview 7-10). 8.3.2

Beantragung und Beschluss der organisationsweiten Nutzung der neuen Ressourcenkonfigurationen

Solange die einzelnen Projekte der Verwaltungsstellen und Bezirke nicht in eine Kampagne eingebunden wurden, blieb ihre organisationsweite Wirkung begrenzt, aber durch den gewerkschaftsinternen Austausch drang das Wissen über die Aktivitäten in den Verwaltungsstellen und Bezirken an den Vorstand. Anlässlich des Gewerkschaftstages im Jahr 2003 wurden erste Anträge von Verwaltungsstellen eingereicht, in denen gefordert wurde, dass der Vorstand sich klarer zu Leiharbeit positionieren sollte und für dieses Thema mehr Ressourcen bereitgestellt werden sollten. Dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass Leiharbeit in der Organisation eine wachsende Aufmerksamkeit erfuhr, wie der Erste Bevollmächtigte in Mülheim a.d. Ruhr schildert, aus der damals einer der wenigen Anträge zu Leiharbeit stammte: „Ein „Seismograph“ für die Bedeutung von Themen sind Gewerkschaftstage. Wir haben feststellt: Das Thema kommt. Die ersten Anträge waren aber noch nicht „Macht eine Kampagne!“, sondern: „Kümmert euch mal!““ (Interview 16).

Es dauerte jedoch bis zum nächsten Gewerkschaftstag 2007, d.h. zur Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008), ehe der Vorstand mit über 500 Delegierten dafür stimmte, Leiharbeit zu einem Schwerpunktthema der folgenden vier Jahre zu ernennen. Aufgrund ihrer drastischen Zunahme war Leiharbeit einer der dominierenden Inhalte der Veranstaltung: „Leiharbeit war ein riesiges Thema auf dem Gewerkschaftstag in den unterschiedlichsten Facetten, in der Tarifpolitik, in der Betriebspolitik. Überall tauchte Leiharbeit als Problemstel-

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lung auf. Leiharbeit kam auf dem Gewerkschaftstag auf die Sichtebene aller. Da wurde das entsprechend weiterentwickelt und überlegt: „Was ist der richtige Ansatz? Was machen wir da konkret?““ (Interview 2).

Bereits im Vorfeld des Gewerkschaftstages war eine intensive Diskussion zu Leiharbeit erfolgt, weshalb die Austragung grundsätzlicher organisationsinterner Auseinandersetzungen nun nicht mehr erforderlich war: „Der Antrag kam und wurde einstimmig beschlossen. Das traf den Nerv der Delegierten, die alle gesagt haben: „Da müssen wir was tun!““ (Interview 1).

Am Ende der Veranstaltung verkündete der neue IG Metall-Vizechef Detlef Wetzel das sog. „Leipziger Signal“. Unter diesem Schlagwort wurden die Zielsetzungen der politischen Ausrichtung zusammengefasst, die zuvor diskutiert worden waren. Das Signal war an verschiedene Akteursgruppen adressiert (Interview 1 und 2): • Es richtete sich an die Akteure in der Gewerkschaft, welche die Dringlichkeit, zum Thema „Leiharbeit“ aktiv zu werden, noch nicht erkannt hatten. • Den Leiharbeitern sollte deutlich werden, dass sich die IG Metall als ihre Interessenvertretung versteht. Deshalb wurde im Januar 2008 die Satzung dahingehend geändert, dass sie explizit eine Mitgliedschaft auch von Leiharbeitern vorsieht (IG Metall 2008c). • Daneben richtete sich das Signal an die Politik, von der eine gesetzliche Regulierung der Leiharbeit gefordert wurde. Besonders vehement wurden die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots und die Einführung des Mindestlohns gefordert. Zudem verlangte die IG Metall die Abschaffung der Tariföffnungsklausel, was zur Folge gehabt hätte, dass uneingeschränkt „equal pay“ galt. • Mit dem Signal verdeutlichte die IG Metall den Leiharbeitsfirmen bzw. ihren Verbänden, dass sie als Mitglied der DGB-Tarifgemeinschaft bei den anstehenden Verhandlungen mit den Leiharbeitsverbänden IGZ und BZA versuchen würde, Tariferhöhungen zu erreichen. • Zudem wurden die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie sowie ihre Verbände angesprochen. In diesem Zusammenhang verfolgte die IG Metall erstens das Ziel, Forderungen zur Bezahlung von Leiharbeitern in den Tarifrunden der Metall- und Elektroindustrie einzubeziehen. Zweitens wurde versucht, Leiharbeit in den Betrieben einzuschränken und damit auch der befürchteten Substitution von regulären Arbeitsplätzen Einhalt zu gebieten. Drittens wollte die IG Metall das Prinzip „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ in Betriebsvereinbarungen verankern. Weil es sich dabei meist nicht um „equal pay“-Vereinbarungen im engeren Sinn handelte, die auch die Gleichstellung bezüglich Zusatzleistungen und Prä-

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mienzahlungen enthielten, sondern sich nur auf die Zahlung der Stundenlöhne bezog, wurden diese als „Besser-Vereinbarungen“ bezeichnet. Im Januar 2008 konkretisierte sich das im November des Vorjahres beschlossene Vorhaben, als entschieden wurde, dass die organisationsweite Verbreitung der neuen Ressourcenkonfigurationen in Gestalt einer zunächst auf vier Jahre angelegten Kampagne unter dem Motto „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ erfolgen würde, die im April 2008 offiziell begann. Das Ziel, Leiharbeit intensiv zu thematisieren, wurde durch die 2007 neu gewählte Führungsspitze und die vorbereitende Konzeption der Kampagne durch eine eigens eingerichtete Abteilung im Vorstand forciert. 8.3.2.1

Forcierung des Beschlusses durch die Organisationsleitung Dem „Leipziger Signal“ war im September 2007 eine interne Übereinkunft über die neue IG Metall-Führung vorausgegangen, die im November 2007 von den Delegierten auf dem Gewerkschaftstag bestätigt wurde. Zur Wahl für den Posten des Nachfolgers von Jürgen Peters als Ersten Vorsitzenden standen zum einen der eher konservative ehemalige niedersächsische Bezirksleiter Hartmut Meine und zum anderen der progressive Berthold Huber, der zuvor die Position des Zweiten Vorsitzenden innegehabt hatte. Diese Personalentscheidung stellte die IG Metall vor die Frage, ob sie sich zu einer strategischen Neuausrichtung durchringen würde. Denn während die „Traditionalisten“ um Meine in der Gewerkschaft an bisherigen Haltungen festhalten wollten, schwebte den „Modernisierern“, dem Gefolge von Huber, eine neu orientierte und umstrukturierte IG Metall vor (Interview 1). Besonders deutlich wird dies an den konträren Ansichten der beiden „Lager“ zur Tarifpolitik. Meine und seine Mitstreiter verfolgten einen eher zentralistischen Ansatz, demzufolge Abweichungen vom Flächentarifvertrag durch betriebliche Regelungen zu vermeiden waren. Huber hingegen plädierte für eine betriebsnahe Tarifpolitik, denn wenn Tarifauseinandersetzungen in die Betriebe getragen werden, sind die Beschäftigten stärker dazu gezwungen, sich zu organisieren (Interview 1) (Huber et al. 2005; Wetzel 2007). Diese Personalentscheidung prägte auch den weiteren Kurs der IG Metall bezüglich Leiharbeit. Die Traditionalisten strebten danach, Leiharbeit – wenn man sie nicht verbieten lassen und ignorieren konnte – nur mit sporadischer Aktivität aufzugreifen und zwar mit dem Ziel, die Ausbreitung von Leiharbeit zu verhindern. Die Modernisierer sahen Leiharbeit zwar ebenfalls kritisch, aber strebten in erster Linie danach, sie „fair“ zu gestalten und die Implementierung eines aktiven Vorgehens zu Leiharbeit in der gesamten Organisation zu forcieren (Interview 1) (Huber 2007). Letztlich setzte sich der „Modernisierer“ Huber durch. Als Zweiter Vorsitzender wurde Wetzel gewählt, der zuvor den Bezirk mit den größten Mitgliederzah-

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len und einem Vorreiter-Projekt zu Leiharbeit geleitet hatte – den Bezirk Nordrhein-Westfalen. Insbesondere auf Wetzels Betreiben hin, wurden die organisationalen Fähigkeiten und Routinen eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit in den Subeinheiten der Gewerkschaft in Gestalt der Kampagne implementiert. Bereits im September 2007 stellte Huber seinen „Aktionsplan Leiharbeit“ auf einer Geschäftsführerkonferenz vor (Huber 2007; Interview 1), und die Umsetzung des „Leipziger Signals“ wurde durch Huber und Wetzel als zentrales Anliegen ihrer Amtszeit an der Gewerkschaftsspitze vorangetrieben (Interview 1, 3, 5, 13, 22). 8.3.2.2

Konzeption der Kampagne aus zuvor entwickelten Ressourcenkonfigurationen Nach dem Gewerkschaftstag wurde die Abteilung „Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte“ mit 15 Mitarbeitern eingerichtet, die für die Konzeption der Kampagne zuständig waren (Interview 2-4). Die Gewerkschaftsführung stellte so zum Zweck der organisationsweiten Verbreitung der wissensbasierten Ressourcen die dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen bereit. Dabei griff die Kampagnen-Abteilung die Ressourcenkonfigurationen auf, die „bottomup“ entwickelt worden waren, und sorgte für deren „top-down“ gerichtete Implementierung. Dies schildert der Leiter der Kampagnen-Abteilung: „Wir im Vorstand verstehen uns als Ideensucher und -entwickler. Wir erhalten Ideen, die wir sammeln. Wir kriegen ein Fragment aus einer Verwaltungsstelle oder einem Bezirk und nehmen das Thema mit, bauen das auf, arbeiten das aus und machen das „serienreif“. Also die haben nur die Idee und im Endeffekt gibt es dann ein Produkt daraus. Und wir nutzen die Möglichkeiten, die wir als Vorstand haben, diese guten Ideen und guten Beispiele wiederum in die Verwaltungsstellen zurück zu spiegeln und denen entsprechende Konzepte, die ausgefeilt sind, anzubieten. Das ist der Weg. Und wir verstehen uns da so als Drehscheibe und als Impulsgeber, als Motor. Das ist unsere Funktion“ (Interview 1).

Hierbei wurde insbesondere auf die Erfahrungen zurückgegriffen, die in den beiden „Pionierbezirken“ (Kapitel 8.3.1) zuvor gesammelt worden waren: „Insgesamt muss man sagen, dass die Vorarbeiten, die in NRW und Berlin-BrandenburgSachsen gelaufen sind, Einfluss auf die Kampagne hatten, sodass wir da nicht blind noch mal anfangen zu brauchen und dieselben Fehler noch mal machen. Wir haben uns bei der Ausrichtung der Kampagne deren Projekte angeschaut“ (Interview 2).

Der Projektsekretär in Nordrhein-Westfalen bezeichnete die beiden Bezirke im Interview deshalb außerdem als „Keimzellen der bundesweiten Kampagne“ (Interview 5) und ergänzte:

168 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT „Wir haben als Pilotbezirke unsere Erfahrungen gesammelt und diese Pilotprojekte werden jetzt Standardarbeit der IG Metall, sodass alle auf diese Erfahrung zurückgreifen können“ (Interview 5).

8.3.3

Implementierung der Kampagne

Statt der ursprünglich bei der Konzeption der Kampagne anvisierten 200 „BesserVereinbarungen“, gelang es im Laufe des Jahres 2008 sogar ca. 400 solcher Abkommen in den Entleihfirmen abzuschließen. Wie die Mitgliederzahlen der IG Metall für das Jahr 2008 zeigten, hat die Kampagne tatsächlich dazu beigetragen, dass rund 11.000 Leiharbeiter als neue Mitglieder gewonnen wurden. Damit wurde das ursprüngliche Ziel von 10.000 Neuaufnahmen aus der Branche sogar überschritten (IG Metall-Bezirk Bayern 2009a). Ein so aufwendiges, ressourcenintensives Vorgehen bezüglich eines gewerkschaftspolitisch relevanten Themas hatte es vor der Kampagne zu Leiharbeit in der IG Metall noch nicht gegeben. Was daran konkret innovativ und fortschrittlich war, verdeutlichen die Aussagen der befragen Sekretäre auf verschiedenen Ebenen der Organisation: Erstens bestand eine Neuerung darin, dass die IG Metall sich einheitlich hinter einem gemeinsamen Kampagnenthema versammelt, das vom Vorstand koordiniert und von allen Subeinheiten vertreten wurde: „Das Neue ist die klare Positionierung vom Vorstand über die Bezirksleitung bis in die Verwaltungsstellen. Von daher war es eine Entscheidung hin zu einer Fokussierung. Klarer Beschluss: „Das ist die Hauptkampagne der IG Metall“. Das ist die erste Kampagne, die wir zentral steuern. Das ist eine neue Strategie, dass wir Themen setzen, um die IG Metall mit einem einheitlichen Auftreten zu versehen. Das hat man sonst nicht, dass bundesweit ein Thema einen Startschuss hat: „So, jetzt geht es los!“ und alle gehen in dieselbe Richtung und alle Ebenen ziehen am selben Strang. Das ist bei anderen Themen nicht so“ (Interview 1).

Zweitens wurde erstmals eine Kampagne dieses Ausmaßes mit einem so enormen finanziellen und personellen Aufwand aufgelegt. Am Beispiel der Betriebspolitik im Rahmen der Kampagne verdeutlichte der Leiter der Kampagnen-Abteilung: „Wir haben in der Vergangenheit viele betriebspolitische Initiativen gestartet, auch Kampagnen. Wobei ich heute sagen würde, das waren eher Kampägnchen. Wir machen heute keine kleinen Kampägnchen mehr. Wir haben ja schon immer versucht, zu Themen betriebspolitisch was hinzubekommen, aber jetzt zum ersten Mal wirklich so eine groß angelegte Sache. Die Leiharbeitskampagne ist das mit Sicherheit größte betriebspolitische Projekt der IG Metall“ (Interview 1).

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Drittens wurden die organisatorischen Strukturen neu eingerichtet, um die erste Kampagne und darüber hinaus in Zukunft weitere Kampagnen im Vorstand auf den Weg zu bringen: „Der Vorstand hat die Abteilung gegründet mit der klaren Aufgabenstellung diese zentralen Kampagnen zu organisieren und die organisatorischen Verhältnisse zu schaffen, das umzusetzen“ (Interview 1).

Aus den genannten Gründen stellte die Kampagne „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ für die IG Metall ein Novum dar. Bei der Implementierung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit wurden außerdem neue Arbeitsformen, Wege der Wissensvermittlung, Prozesse der Arbeitsorganisation sowie organisationale Fähigkeiten und Routinen in der Organisation etabliert: „Neu an der Kampagne ist, andere Aktionsformen zu finden, als wir das in der IG Metall herkömmlich gewohnt sind, von den Arbeitsweisen, wie wir Informationen weitergeben, wie wir Informationen kriegen, wie wir unsere Arbeit organisieren“ (Interview 23).

Die Kampagne zu Leiharbeit war insgesamt stark auf Beteiligungsorientierung statt Stellvertreterpolitik hin orientiert und enthielt einige bislang in der IG Metall noch nicht angewandte Aktionsformen, die zum Teil dem von US-amerikanischen Gewerkschaften entwickelten „organizing“ entlehnt sind (Dörre 2008). Neue partizipative Techniken und unkonventionelle Aktionsformen wurden angewendet, durch die sich die IG Metall als eine „Mitmach-Gewerkschaft“ präsentierte.2 Dass es gelungen war, solche innovative Ideen in der Kampagne umzusetzen, bezeichnete ein Bezirkssekretär als einen „Lernprozess“: „Das ist natürlich ein Lernprozess, den wir gemacht haben, an die Leiharbeiter heranzugehen. Das ist nicht ganz einfach gewesen. Früher konnte sich keiner vorstellen, wie man an die Leiharbeiter rankommt. Es ist ja auch eine neue Herangehensweise gewesen. Die Vorgehensweise, gerade beim Thema „Leiharbeit“, beinhaltet ein Stück weit, neue Wege zu gehen. Wenn man sich mit Leiharbeit auseinandersetzt, dann ist klar, dass man Neues ausprobieren muss. Wir mussten da Strukturen verändern und verbessern. Und wir mussten uns als IG Metall verändern, um das zu erreichen“ (Interview 8).

2

Dazu zählte z.B. die Möglichkeit, als Befürworter der Kampagne auf der Startseite der Kampagnen-Homepage ein kurzes schriftliches Statement zu Leiharbeit zu hinterlassen. Dass einzelne Betriebsratsmitglieder zu „Leiharbeitsbeauftragten“ geschult wurden, knüpft an die Funktion des sog. „organizers“ an.

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Von einem Lernprozess und einer neuen Form von Gewerkschaftspolitik spricht in diesem Zusammenhang auch der Erste Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle Gaggenau: „Es ist ungewöhnlich für so ein altes Flagschiff wie die IG Metall, dass sie mit so einer neuen Art Politik macht, weil wir lernen da auch dabei, da gehen auch Dinge schief, da müssen wir an der einen oder anderen Stelle auch sagen: „Hätten wir es besser machen können?“. Ist gar nicht die Frage, aber insgesamt machen wir in anderer Form Politik und diese Form von Politik ist effizient“ (Interview 39).

Auch die Aussage des Gewerkschaftssekretärs in Essen bestätigt, dass Vorgehensweise der IG Metall zu Leiharbeit tiefgreifende Veränderungen erforderte: „Dieser Veränderungsprozess, den ich seit Beschluss der Kampagne hier miterleben durfte, der zeigt, dass so eine Organisation in der Lage ist, sich komplett zu wandeln“ (Interview 13).

Die neuen Ressourcenkonfigurationen wurden in Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) auf vielfältige Weise in der Organisation implementiert (Tabelle 19), wobei sich erstmals auch die Verwaltungsstellen des Typs 3 an der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten beteiligten. 8.3.3.1

Kodifizierung zur Verbreitung der neuen Ressourcenkonfigurationen Das in der Organisation gesammelte Wissen wurde schriftlich kodifiziert und die neuen Ressourcenkonfigurationen organisationsweit verbreitet bzw. implementiert. Zu diesem Zweck erstellte und verteilte die Abteilung „Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte“ Informationsmaterial, das den Sekretären auf der regionalen und lokalen Ebene als Handlungsanleitung diente. Es wurde per Mail versendet, im Intranet, auf der Kampagnenhomepage und der ZOOM-Plattform zur Verfügung gestellt. Darin waren z.B. Musterbetriebsvereinbarungen enthalten, die in den Betrieben genutzt werden sollten (Interview 3 und 71). Durch das systematische Ausformulieren bewährter Erfahrungen und allgemein akzeptierter Wissensinhalte auf der nationalen Ebene der Organisation wurde das artikulierte tazite Wissen zu dokumentiertem explizitem Wissen und Teil des organisationalen Wissens. Besonders deutlich wurde dies daran, dass drei Promotoren aus Verwaltungsstellen gemeinsam mit der Kampagnen-Abteilung ein Aktionshandbuch für Gewerkschaftssekretäre, Betriebsräte und Vertrauensleute mit handlungspraktischen Tipps erstellten, das im April 2008 erschien. Die neuen Ressourcenkonfigurationen aus organisationale Fähigkeiten und Routinen, die „bottom-up“ entwickelt worden waren und sich als „best practices“ erwiesen hatten, wurden so organisationsweit verbreitet bzw. implementiert (Interview 5-11).

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8.3.3.2

Anpassung der neuen Ressourcenkonfigurationen an die jeweiligen Bedingungen Das den lokal entwickelten Routinen zugrunde liegende implizite Wissen ist zu einem gewissen Grad „sticky“, d.h. an den einzelnen Gewerkschaftsstandort und sein Handlungsumfeld als Ort der Entstehung gebunden. Zwar kann ein Teil des Erfahrungswissens kodifiziert und in einem vergleichbaren Setting angewendet werden. Die „best practices“ (Interview 21 und 79), d.h. Routinen, mit denen bereits Erfolge erzielt werden konnten, mussten aber an die Bedingungen vor Ort angepasst werden (Interview 20). Bei der „top-down“ erfolgenden Implementierung der „best practices“ musste deshalb sichergestellt werden, dass das Wissen und die wissensbasierten Ressourcen in den dezentralen Subeinheiten in einer Weise angewendet wurden, die den Besonderheiten im Umfeld der jeweiligen Subeinheit Rechnung trug. Dass jede Routine bei ihrer Ausübung in den organisationalen Subeinheiten auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort zugeschnitten werden musste, wird an der Routine Unterstützung von Betriebsräten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Gestaltung der Leiharbeitereinsätze deutlich. Wie der IG Metall-Vorstand in einer Informationsbroschüre betont, ist bei Ausübung dieser Routine eine Anpassung erforderlich, denn „die Unterschiede in den einzelnen Branchen, die unterschiedlichen Betriebsgrößen sowie der von Betrieb zu Betrieb schwankende Organisationsgrad der Arbeitnehmer führen dazu, dass die Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte in der Praxis verschieden sind“ (IG Metall 2008b: 26). In einem anderen Informationsprospekt, mit dem sich der IG Metall-Bezirk Nordrhein-Westfalen an Betriebsräte in Entleihfirmen und Gewerkschaftssekretäre richtet, wurde dies ähnlich formuliert: „Es gibt kein Patentrezept für Betriebsräte, wie am besten mit Leiharbeit umzugehen ist. Dafür sind die jeweiligen betrieblichen Ausgangsbedingungen und Personaleinsatzkonzepte zu unterschiedlich“ (IG Metall-Bezirk Nordrhein-Westfalen 2010a: 51). 8.3.3.3 Wissenstransfer auf Veranstaltungen Das Wissen über die Anwendung der neuen Ressourcenkonfigurationen wurde nicht nur in schriftlichen Dokumenten, sondern auch bei „temporary clusters“, d.h. im Rahmen von Seminaren, Workshops und Tagungen, organisationsintern verbreitet (Interview 6, 30, 79). Solche Zusammenkünfte von Gewerkschaftsfunktionären aus den lokalen Verwaltungsstellen und regionalen Bezirken mit den Betriebsräten aus Entleihfirmen in ganz Deutschland können ebenfalls als Gelegenheiten zum Erfahrungsaustausch interpretiert werden. Sie bieten den Teilnehmern die Gelegenheit, mit anderen, sonst entfernt lokalisierten Akteuren in temporärer Nähe zusammen zu kommen, ihre organisationalen Fähigkeiten und Routinen abzugleichen und sich durch andere positive Beispiele inspirieren zu lassen, wie der Sekretär aus Mittelhessen schildert:

172 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT „Da werden gute Ideen vorgestellt, die man auch kopieren soll. Zu gucken: Was machen die erfolgreicher? Wo sind betriebliche oder inhaltliche Ansätze? Wo können auch wir ein bisschen Input denen geben bzw. wo können wir noch ein bisschen Input rausziehen? Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, weil andere auch gute Ideen haben“ (Interview 32).

Ebenfalls dem Wissenstransfer zur Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen dienten Schulungsangebote, die vom Vorstand finanziert wurden. Mit deren Durchführung wurden z.B. Bildungsinstitutionen beauftragt. Sie professionalisierten die Schulungskonzepte, die zuvor auf der dezentralen Ebene entwickelt worden waren (Interview 2, 3, 13). 8.3.3.4

Wissenstransfer durch strategische Stellenbesetzung mit Promotoren Wissenstransfer durch temporäre Nähe vollzieht sich unter anderem dadurch, dass Wissensträger strategisch eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurden nach dem Gewerkschaftstag 2007 und im Laufe des Jahres 2008 zahlreiche Positionen auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene, in denen fundiertes Erfahrungswissen zur Leiharbeit erforderlich war, mit Promotoren besetzt. Eine solche Mobilität zwischen den Subeinheiten innerhalb der Organisation erfolgte insbesondere bei der Besetzung von Stellen für Projektsekretäre im Bezirk oder von Schlüsselpositionen im Vorstand. Einige Gewerkschaftssekretäre wechselten deshalb von einer niedrigeren Ebene auf eine höhere; andere vollzogen einen Stellenwechsel in umgekehrter Richtung (Tabelle 21). Die personellen Restrukturierungen waren primär vom Vorstand intendiert (Interview 1 bis 4). Der Leiter der Kampagnen-Abteilung kommentierte, wie er zu seiner Stelle kam: „Wenn man eine Kampagne macht, die bisher auf Bezirksebene war, dann brauchen wir natürlich ein bestimmtes „Know-how“. Und sinnvoller Weise holt man sich das „Know-how“: Wo ist schon Arbeit dazu gemacht worden? Das ist „Know-how“-Transport. Ich bringe die Erfahrungen aus NRW mit. In unserer Abteilung, sind wir darauf ausgerichtet, Praktiker zu finden, die von der Sache Ahnung haben. In NRW hatte ich mit 46 Verwaltungsstellen zu tun und jetzt mit 160, die ich informieren, auf die ich zugehen kann. Wenn wir das Thema verbreitern wollen, dann war das genau der richtige Schritt“ (Interview 1).

Demnach wurden die Stellen mit diesen Funktionären besetzt, um das zuvor generierte Wissen und die im Vorfeld entwickelten neuen Ressourcen in der Organisation zu verankern.

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Tabelle 21: Wechsel der Position von Promotoren zum Thema „Leiharbeit“ innerhalb der IG Metall nach dem Gewerkschaftstag 2007 Position vor dem Gewerkschaftstag

Neue Position

Bezirksleiter im Bezirk Nordrhein-Westfalen

Zweiter Vorstandvorsitzender

Projektsekretär im Bezirksprojekt zu Leiharbeit im Bezirk Nordrhein-Westfalen

Leiter des Ressorts „Mitgliederwerbeprojekte und Kampagnenmanagement“ im Vorstand

Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt, tarifpolitische Verhandlungsführerin bei der AutoVision GmbH

Vorstandsmitglied

Gewerkschaftssekretär im Bezirksprojekt zu Leiharbeit des Bezirks Frankfurt

Gewerkschaftssekretär in der Abteilung Tarifpolitik im Vorstand

Leiter der Abteilung Tarifpolitik im Vorstand

Leiter des Bezirks Frankfurt

Leiter der Abteilung Tarifpolitik im Vorstand

Leiter des Bezirks Nordrhein-Westfalen

Gewerkschaftssekretär im Ressort „Mitgliederwerbeprojekte und Kampagnenmanagement“ im Vorstand

Gewerkschaftssekretär im Bezirksprojekt zu Leiharbeit in Nordrhein-Westfalen

Gewerkschaftssekretär im Bezirksprojekt zu Leiharbeit des Bezirks Nordrhein-Westfalen

Gewerkschaftssekretär in der Verwaltungsstelle Paderborn

Gewerkschaftssekretär in der Abteilung Tarifpolitik im Vorstand

Gewerkschaftssekretär in der Verwaltungsstelle Freiburg

Quelle: Eigene Erhebungen

8.4 Z WISCHENFAZIT Das Ziel dieses Kapitels bestand darin, in zeitlich-historischer Perspektive die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten bei der Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit nachzuzeichnen. Zunächst wurde erläutert, dass sich dieses Vorgehen aus neuen Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen zusammensetzt. Dabei handelt es sich zum einen um

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organisationale Fähigkeiten und Routinen, die bereits zuvor in der Organisation existieren und mit dynamischen Fähigkeiten dahingehend weiterentwickelt wurden, dass sie sich bezüglich Leiharbeit nutzen ließen. Zum anderen bestehen die neuen Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen, die durch das erworbene Wissen zu Leiharbeit neu aufgebaut wurden. Die für diese Ressourcenentwicklungsprozesse erforderlichen dynamischen Fähigkeiten mussten nicht erst noch generiert werden, sondern existierten bereits in der IG Metall, wie sich am aktiven Vorgehen bezüglich der IT-Branche gezeigt hat. Die Ergebnisse zu der Entwicklung und Implementierung der Ressourcenkonfigurationen bezüglich Leiharbeit belegen, dass die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten auf der lokalen Ebene begann. Einzelne Akteure, die Promotoren, stießen mit den routinierten Handlungsmustern an Grenzen. Daraufhin entwickelten sie mit den dynamischen Fähigkeiten zum Aufbau neuer Ressourcenkonfigurationen und zur Ressourcenintegration innovative Ressourcenkonfigurationen. Ausgehend von diesen Gewerkschaftsstandorten auf der lokalen Ebene erfolgte die Entwicklung der aktiven Vorgehensweise zu Leiharbeit „bottom-up“ – über die regionale Ebene auf die nationale Ebene. Eine organisationsweite Verbreitung der in der Organisation generierten neuen Ressourcenkonfigurationen erfolgte „top-down“ im Rahmen der Bezirksprojekte und der Kampagne durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeit zur Ressourcenrekonfiguration. Um die multiskalar ablaufenden Ressourcenentwicklungsprozesse in ihrem zeitlich-historischen Verlauf darzustellen, wurden drei Phasen voneinander differenziert (Tabelle 18 und 19). So war es möglich, anhand der empirischen Befunde zu verdeutlichen, dass der Ressourcenaufbau und die Ressourcenintegration, bzw. die Entwicklung der neuen Ressourcenkonfigurationen in Phase I (1990 bis Ende 2002) und II (Ende 2002 bis Mitte 2007) erfolgte. In Phase II fand ein Übergang zur Ressourcenrekonfiguration, bzw. zur Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen statt, die sich in Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) fortsetzte. Aus den Ausführungen wurde ersichtlich, dass sich im Phasenverlauf spezifische Typen von Verwaltungsstellen voneinander abgrenzen lassen, die zu verschiedenen Zeitpunkten bezüglich Leiharbeit aktiv wurden und als Typ 1a bis 1e, 2 und 3 bezeichnet wurden (Tabelle 18 und 19). Diese Unterschiede zwischen den Typen zu erklären, ist das Ziel von Kapitel 9.

9 Multistandörtliche Unterschiede der Aktivierung der Verwaltungsstellen bezüglich Leiharbeit vor der Krise

Der Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit, der auf der gesamten IG Metall lastete, veranlasste die Gewerkschaft dazu, im Hinblick auf diese Beschäftigungsform ein aktives Vorgehen zu entwickeln und zu implementieren. Wie in diesem Kapitel aufgezeigt werden soll, variierte der Handlungsdruck allerdings räumlich. Da er in den multistandörtlichen und multiskalaren Subeinheiten verschieden stark ausgeprägt war, wurden die Verwaltungsstellen aus räumlich variierenden Gründen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten bezüglich Leiharbeit aktiv. Es lassen sich Verwaltungsstellen-Typen (1a bis 1e, 2 und 3) voneinander differenzieren (Tabelle 22), die in unterschiedlichen Phasen sowie aus verschiedenen Gründen sie damit begannen, das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit vor Ort zu entwickeln bzw. zu implementieren (Tabelle 22). Um die Gründe zu spezifizieren, die als Bedingungen zur Aktivierung der verschiedenen Verwaltungsstellen-Typen notwendigerweise erfüllt sein mussten, wurden sie in Tabelle 22 und in den nachfolgenden Kapiteln in organisationsinterne und -externe Gründe gegliedert. Denn diese Gründe, die den Handlungsdruck der lokalen Subeinheiten ausmachten, waren nicht nur im Umfeld außerhalb der Verwaltungsstellen verortet. Sie determinierten die Ressourcenentwicklung in den Verwaltungsstellen nicht, indem sie als Umweltfaktoren das Handeln der Gewerkschaftsakteure lenkten. Sondern auch innerhalb der Gewerkschaft, d.h. in der jeweiligen lokalen Subeinheit, mussten zur Aktivierung bezüglich Leiharbeit bestimmte Bedingungen gegeben sein. In Tabelle 23 wurden die untersuchten 69 Verwaltungsstellen je nach ihren Aktivierungsgründen einem Typ zugeordnet. Des Weiteren wird verdeutlicht, dass die Verwaltungsstellen der drei Typen einen unterschiedlich großen Beitrag zur Entwicklung bzw. Implementierung des Vorgehens bezüglich Leiharbeit leisteten, je nachdem, wann sie aktiv wurden: Die Verwaltungsstellen des Typs 1 initiierten die „bottom-up“ gerichtete Entwicklung

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des Vorgehens, wohingegen die Verwaltungsstellen des Typs 2 sich erst aufgrund des Bezirksprojekts und die Verwaltungsstellen des Typs 3 sich erst auf den Beschluss der Kampagne hin an der organisationsweiten „top-down“ erfolgten Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen beteiligten. Tabelle 22: Notwendige Bedingungen zur Aktivierung der VerwaltungsstellenTypen Multistandörtliche Gründe in der Organisation Typen Promotoren 1a bis 1e Typ 2

Bezirksprojekte

Typ 3

Kampagne

Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen Typen in den Unternehmen, aktive Betriebsräte 1a bis 1e in Ent- und Verleihfirmen Typ 1b Typen Typ 1c 1a bis 1e

+ Leiharbeiter wollen einen Betriebsrat gründen + Initiative einer Verleihfirma zum Abschluss eines Haustarifvertrags

Typ 1d

+ Massenentlassung von Gewerkschaftsmitgliedern, die eine neue Beschäftigung in der Leiharbeit finden

Typ 1e

+ Semilegale Geschäftspraktiken von Ent- und Verleihfirmen

Typ 2

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen

Typ 3

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen

Quelle: Eigene Erhebungen

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

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Tabelle 23: Typisierung der befragten 69 IG Metall-Verwaltungsstellen nach den Gründen ihrer Aktivierung Typ

Anzahl Befragte Verwaltungsstellen dieses Typs

1a

15

Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn-Rhein-Sieg, Chemnitz, Eisenach-Suhl-Sonneberg, Hamburg, Ingolstadt, Leipzig, Mannheim, Mülheim a.d. Ruhr, Neustadt a.d. Weinstraße, Siegburg, Siegen, Ulm

1b

3

Aachen, Köln-Leverkusen, Regensburg

1c

4

Aschaffenburg, Gütersloh, Reutlingen-Tübingen, Singen

1d

4

Aalen, Minden, Nürnberg, Oldenburg-Wilhelmshaven

1e

2

Flensburg, Gaggenau

1

2

24

3

18

Albstadt, Alfeld-Hameln-Hildesheim, Bautzen, Bremen, Düren, Essen, Emden, Erlangen, Frankfurt/Main, GöppingenGeislingen, Hagen, Hannover, Heilbronn-Neckarsulm, Kempten, Nordhessen, Osnabrück, Paderborn, Passau, Salzgitter-Peine, Stuttgart, Wesermarsch, WiesbadenLimburg, Witten, Wuppertal Bamberg, Bremerhaven, Düsseldorf-Neuss, Esslingen, Freiburg, Friedrichshafen-Oberschwaben, Hanau-Fulda, Heidelberg, Lübeck-Wismar, Ludwigshafen-Frankenthal, Lüneburg, Mittelhessen, Mönchengladbach, München, Rosenheim, Südniedersachsen-Harz, Waiblingen, Wolfsburg

Quelle: Eigene Erhebungen

9.1 M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE IN DER O RGANISATION Der Mitgliederverlust der Gewerkschaft wirkte auf alle Subeinheiten der IG Metall gleichermaßen, weil die Erhöhung des Organisationsgrads unter Beschäftigten ein gesamtorganisatorisches Anliegen ist. Darüber hinaus lassen sich aber multistandörtlich variierende, organisationsinterne Gründe für die Aktivierung der Verwaltungsstellen der verschiedenen Typen voneinander differenzieren, die zusammen mit den organisationsexternen Gründen zu einem frühen oder späten Engagement der lokalen IG Metall-Sekretäre zu Leiharbeit führten und in den folgenden Kapiteln erläutert werden.

178 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

9.1.1

Promotoren (Typen 1a bis 1e)

Die zentrale Bedeutung von Promotoren zu Beginn der Ressourcenentwicklung in Organisationen wurde bereits in Kapitel 8.2 erläutert. Sämtliche Verwaltungsstellen des Typs 1 haben gemeinsam, dass dort schon in Phase I oder zu Beginn von Phase II und somit zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt Promotoren die Zunahme der Leiharbeit und deren Folgen in den Industriebetrieben ihres Zuständigkeitsgebiets wahrnahmen und gemeinsam mit engagierten Betriebsräten in den Einsatzfirmen der Leiharbeiter vor Ort auf diesen Handlungsdruck reagierten. Die wichtigste Voraussetzung für die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration in den Verwaltungsstellen, die als Typ 1a bis 1e klassifiziert wurden, ist demnach das Vorhandensein eines Promotors. Aus den Äußerungen des Kampagnenleiters im Vorstand wird deutlich, dass diese sich bei ihrem frühen Engagement zu der schwierigen Thematik „Leiharbeit“ nicht von Widerständen beirren ließen: „Es kommt darauf an, dass jemand sich den Hut aufsetzt und sagt: „Wir müssen was tun und ich packe das jetzt an!“ Das Thema „Leiharbeit“ ist aber kein Selbstläufer. Es bedarf des Kümmerns. Es ist ein Thema, was viele schnell begeistert, weil es hier um soziale Gerechtigkeit geht, aber es wird auch schnell klar, dass dieses Thema kein leichtes ist. Vor allem nicht ohne Konflikte“ (Interview 1).

Am Beispiel eines Promotors, der sich in Phase I (1990 bis Anfang 2002) erstmals mit Leiharbeit befasste, wird deutlich, dass die Promotoren als erste Gewerkschaftssekretäre der IG Metall die Initiative zu Ressourcenentwicklungsprozessen ergriffen: Der Erste Bevollmächtigte in Eisenach-Suhl-Sonneberg hatte in den 1990er Jahren beobachtet, wohin die resignierende Haltung der IG Metall zu Gleitzeit geführt hatte (Interview 34). Gleitzeitmodelle kamen Anfang der 1990er Jahre als personalpolitisches Flexibilisierungsinstrument in den Metall- und Elektrobetrieben auf. Statt von Vornherein regulierend einzugreifen, hatte sich die IG Metall erst spät darum bemüht, Gleitzeit tarifvertraglich zu regeln. Ehe die Gewerkschaft aktiv wurde, hatten die Betriebsräte Gleitzeit in Betriebsvereinbarungen geregelt und die Arbeitgeber waren nicht mehr zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft über tarifliche Vereinbarungen bereit. Als neben Gleitzeit zunehmend auch Leiharbeit genutzt wurde, um flexibel auf Auftragsschwankungen zu reagieren, sah der Erste Bevollmächtigte in Eisenach eine ähnliche Entwicklung voraus und wurde diesmal frühzeitig aktiv, unter anderem, indem er Betriebsräte bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen zur Regelung von Leiharbeit unterstützte.

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

9.1.2

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 179

Bezirksprojekte (Typ 2)

Für die zahlreichen Verwaltungsstellen des Typs 2 war die Etablierung des Bezirksprojekts der Startschuss für das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit. Erst in Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) nahmen sie den Handlungsdruck wahr und reagierten darauf mit der Implementierung der neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration. An dem Aufbau und der Integration der Ressourcen waren sie nicht beteiligt. Deshalb sind die in den Verwaltungsstellen dieses Typs für Leiharbeit zuständigen Gewerkschaftssekretäre auch nicht als Promotoren zu bezeichnen. In den Verwaltungsstellen Paderborn und Essen z.B., die dem Typ 2 angehören, ging die Aktivität auf eine Veranstaltung im Februar 2006 in Oberhausen zurück, die der Bezirk als Startschuss für das Bezirksprojekt zu Leiharbeit organisiert hatte (Interview 23, 13). Für die Verwaltungsstellen des Typs 1 hingegen, die bereits in Phase I aktiv geworden waren, bedeutete das Bezirksprojekt lediglich eine zusätzliche Unterstützung der zuvor initiierten Aktivitäten. 9.1.3

Kampagne (Typ 3)

Die Akteure in den Verwaltungsstellen des Typs 3 realisierten den Handlungsdruck erst durch die Kampagne in Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008). Diese Verwaltungsstellen zu aktivieren ist ein erklärtes Ziel der Kampagne, wie der Leiter der Kampagnen-Abteilung schilderte: „Unser Ansatz mit der Kampagne ist: Wir wollen den Punkt erreichen, dass wir das Thema „Leiharbeit“ insgesamt zum Thema der IG Metall machen – von Kiel bis Rosenheim. Wir wollen in dieser Kampagne das Thema dadurch verstärken, dass wir für die Verwaltungsstellen über einen super Service und optimale Unterstützung die bestmöglichen Bedingungen schaffen, um zu Leiharbeit aktiv werden zu können. Wo wir das Gefühl hatten, da läuft noch nicht so viel, haben wir dann gesagt: „Wir versuchen, das durch Beratung, durch Diskussionen zu forcieren.“ Damit haben wir das Thema in die Verwaltungsstellen hineingetragen. Das ist unser Ansatz: Neue Impulse und Schwung rein zu bringen“ (Interview 1).

Mit der Kampagne stellte der Vorstand den Bezirken und Verwaltungsstellen das Wissen, die Materialien, finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung, die benötigt wurden, um zum Thema „Leiharbeit“ aktiv zu werden wie ein Sekretär in Mittelhessen schildert: „Dass der Vorstand die Kampagne losgetreten hat, ist vielerorts auch eine Voraussetzung dafür, überhaupt etwas für Leiharbeiter zu unternehmen. Alle Aktionen sind mit einer perfekten

180 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT Kampagne hinterlegt und wir vor Ort müssen sie nur, so wie sie ist, nehmen. Da war alles drin, was man braucht. Der Vorstand hat Infrastrukturen zur Verfügung gestellt, die jeder nutzen kann und die wir als Verwaltungsstelle in der Form nicht gemacht hätten. Das ist viel zu viel Arbeit, viel zu teuer“ (Interview 32).

In den Verwaltungsstellen des Typs 1 und 2 hingegen wurde in der Kampagne, insbesondere wegen ihrer Schulungsangebote und Materialien, nur noch eine zusätzliche Unterstützung gesehen. Beispielsweise in der IG Metall OldenburgWilhelmshaven war ein Leiharbeitskreis bereits fest etabliert und die Betriebsräte entsprechend geschult, sodass der zuständige Sekretär durch die Kampagne nur eine ergänzende Hilfestellung bei seinen Aktivitäten erhielt: „Die Kampagne war für uns nichts großartig Neues. Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon eine gute Praxis. Viele Sachen hatten wir schon vorher gemacht. Aber ich habe das als Hilfe empfunden, um das zu professionalisieren, woran wir ohnehin schon dran waren und dadurch auf ein höheres Niveau zu kommen. Das hat uns die Arbeit erleichtert. Und es war natürlich gut zu wissen, dass man sich auch bundesweit mehr drum kümmert. Aber es hat uns keine völlig neuen Impulse gebracht“ (Interview 62).

9.2 M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE IM H ANDLUNGSUMFELD DER O RGANISATION Ein organisationsexterner Grund, der in den Verwaltungsstellen aller Typen früher oder später zur Aktivierung führte, war die Zunahme der Leiharbeit und ihrer Folgen in den Einsatzfirmen (Tabelle 22). Sämtliche Verwaltungsstellen-Typen wurden aus diesem Grund in ihrem Zuständigkeitsgebiet bezüglich Leiharbeit aktiv. Der Anstieg der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt wies jedoch eine räumlich verschieden große Dynamik auf und führte deshalb zu einem unterschiedlich großen Handlungsdruck in den Zuständigkeitsgebieten der lokalen Subeinheiten der Gewerkschaft. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Aktivierung der Verwaltungsstellen wird die räumliche Struktur von Leiharbeit in Deutschland einer geographischen Analyse unterzogen. Das besonders frühe Engagement der Verwaltungsstellen des Typs 1a bis 1e ist damit zu erklären, dass sie nicht nur mit einem Anstieg der Leiharbeit in ihrem Zuständigkeitsgebiet konfrontiert waren. Im Sonderfall des besonders frühzeitig aktivierten Verwaltungsstellen-Typs 1a bis 1e waren darüber hinaus weitere organisationsexterne Gründe im Handlungsfeld ursächlich (Kapitel 9.2.2 und Kapitel 9.2.3).

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

9.2.1

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 181

Zunahme der Leiharbeit und ihrer Folgen in den Einsatzfirmen (Typen 1 bis 3)

Ein Grund zur besonders frühen Aktivierung der Verwaltungsstellen von Typ 1 war die drastische Zunahme der Leiharbeitereinsätze in den Metall- und Elektrobetrieben. In der Verwaltungsstelle in Kempten nahm ein Promotor bereits 1997 Phase I wahr, dass die Leiharbeiterzahlen in den Maschinenbau-Betrieben im Allgäu in die Höhe schnellten. In dem Jahr war die Höchstüberlassungsdauer auf zwölf Monate heraufgestuft worden. Er nahm dies als Handlungsdruck wahr und begann, sich für die Leiharbeiter vor Ort zu engagieren (Interview 54). Nicht nur in den Verwaltungsstellen des Typs 1, sondern auch in den Verwaltungsstellen des Typs 2 und 3, wo die Leiharbeit erst später an Bedeutung gewann oder weniger stark anstieg, war dieser organisationsexterne Einflussfaktor für die Aktivität vor Ort ursächlich. Daraus wird deutlich, dass der Anstieg der Leiharbeit mit räumlich variierender Dynamik erfolgte und zu einer unterschiedlich hohen Leiharbeiterquote führte (Albrecht 2005: 77; Buch et al. 2008a: 52). So lassen sich Gemeinden und Kreise identifizieren, in denen die Leiharbeitsquote vor der Krise weit über dem bundesweiten Durchschnittswert von ca. 2,5 % lag (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 14). Auf den Arbeitsmärkten in anderen Regionen hingegen wurde Leiharbeit kaum oder gar nicht nachgefragt (Schäfer 2007: 11ff.; Herzog-Stein 2009: 1). Nicht nur die Zunahme der Anzahl an Leiharbeitern und deren Quote unterschied sich räumlich, sondern in Abhängigkeit von der lokalen bzw. regionalen Bedeutung der Beschäftigungsform variierten auch deren Auswirkungen in den Einsatzunternehmen. Diese Entwicklungen resultierten in einem unterschiedlich stark ausgeprägten lokalen Handlungsdruck. Zum Verständnis der unterschiedlich frühen Aktivität der Gewerkschaftssekretäre in der IG Metall wird deshalb im Folgenden auf die räumliche Struktur der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt eingegangen. Auf der Grundlage einer Sonderauswertung der Beschäftigtenstatistik durch die Bundesagentur für Arbeit (2009b) wird erläutert, dass die geographische Verteilung der Leiharbeit primär von der Siedlungs-, Betriebsgrößen- und Branchenstruktur abhängt. Um den Einfluss der drei Faktoren auf die Leiharbeitsquote aufzuzeigen, wird der Stand zum Stichtag 30.06.2008 beleuchtet, ehe sich die Wirtschaftskrise auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirkte. Zur Verdeutlichung der räumlichen Verteilung werden zwei Karten hinzugezogen: Als Beispiel für die Verteilung von Leiharbeit auf Gemeindeebene werden in Abbildung 11 die Leiharbeitsquoten in den Gemeinden Baden-Württembergs dargestellt. Außerdem nehmen die Erläuterungen auf die Ebene der Kreise Bezug (Abbildung 12), die in Tabelle 24 erläutert sind.

182 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Abbildung 11: Leiharbeitsquote in Prozent in den Gemeinden von BadenWürttemberg, Stand: 30.06.2008

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen nach: Bundesagentur für Arbeit 2009b

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

Abbildung 12: Leiharbeitsquote in den Landkreisen/kreisfreien Städten in Deutschland, Stand: 30.06.2008

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen nach: Bundesagentur für Arbeit 2009b

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184 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Tabelle 24: In Abbildung 12 gekennzeichnete und erläuterte Kreise Deutschlands ANS B BB BI BO BZ D DON DU EA EF EMD ER F FL G H HAL

Ansbach Berlin Böblingen Bielefeld Bochum Bautzen Düsseldorf Donau-Ries Duisburg Eisenach Erfurt Emden Erlangen Frankfurt/Main Flensburg Gera Hannover Halle (Saale)

HB HD HGW HH HL HN HRO HST K KE KI KO KS KYF L LA LEV LU

Bremen Heidelberg Greifswald Hamburg Lübeck Heilbronn Rostock Stralsund Köln Kempten Kiel Koblenz Kassel Kyffhäuserkreis Leipzig Landshut Leverkusen Ludwigshafen

M MA MD MG N NMS OS PE RA S SB SHA SP SZ TUT UL WOB Z

München Mannheim Magdeburg Mönchengladbach Nürnberg Neumünster Osnabrück Peine Rastatt Stuttgart Saarbrücken Schwäbisch-Hall Speyer Salzgitter Tuttlingen Ulm Wolfsburg Zwickau

9.2.1.1

Unterschiede der Leiharbeitsquote aufgrund der Siedlungsstruktur In Abbildung 11 wird am Beispiel von Baden-Württemberg deutlich, dass die Leiharbeitsquoten der Gemeinden in Deutschland1 einem Stadt-Land-Gefälle folgen (Jahn/Wolf 2005: 6), denn städtische Gemeinden treten mit einer hohen Leiharbeitsquote deutlich hervor. Dies lässt vermuten, dass Leiharbeit auf urbanen Ar1

Auf Gemeindeebene ist die kartographische Darstellung der Daten nur unter Einschränkungen möglich: Zum einen wurden in den grau eingefärbten 834 Gemeinden in BadenWürttemberg keine Leiharbeiter registriert. Zum anderen liegen aus Gründen der statistischen Geheimhaltung zu weiteren 222 baden-württembergischen Gemeinden keine Angaben vor. In diesen Gemeinden sind weniger als drei Leiharbeitsfirmen ansässig, oder einer der Betriebe vereint einen so hohen Beschäftigtenanteil auf sich, dass die Beschäftigtenzahl praktisch eine Einzelangabe über den Betrieb darstellt („Dominanzfall“). Ebenfalls keine Auskunft erteilt die Bundesagentur für Arbeit zu Gemeinden, denen weniger als drei Leiharbeiter zugeordnet werden können. Die Gemeinden, die Dominanzfälle darstellen, und diejenigen, die anonymisiert wurden, fallen in der Karte (Abbildung 11) in die Kategorie mit der Bezeichnung „keine Angabe“. Jedoch sind Angaben über die Anzahl von Leiharbeitern für 47 Gemeinden verfügbar. Für Kreise hingegen gelten keine datenschutzrechtlichen Einschränkungen der Darstellung, sodass für alle Kreise Werte verfügbar sind. Die Leiharbeitsquote nahm in 17 Kreisen einen Prozentwert von 0 % an.

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 185

beitsmärkten eine größere Rolle als in ländlichen Regionen spielt (Bolder et al. 2005: 58). Die Gemeinde Heilbronn z.B. wies einen hohen Anteil der Leiharbeiter an der Gesamtbeschäftigung von rund 7,0 % auf, wobei die absolute Zahl der Leiharbeiter in Heilbronn rund 4.000 beträgt. In ländlich geprägten Gemeinden liegt die Leiharbeitsquote tendenziell niedriger (Sczesny et al. 2008: 12), weil dort keine Leiharbeitsfirmen ansässig sind. Diese Aussage trifft auf einige Gemeinden im Süden (z.B. am Hochrhein, am südlichen Oberrhein, in den Regionen Neckar-Alb und Donau-Iller) und nördlich von Heilbronn und Schwäbisch-Hall zu. Dieser Erkenntnis scheint zu widersprechen, dass die Quote in einigen großen Städten, wie Stuttgart, Mannheim und Heidelberg auffällig niedrig ist. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich hinter einem geringen Leiharbeiteranteil in einer Stadt mit hoher Beschäftigtenzahl eine vergleichsweise hohe absolute Anzahl an Leiharbeitern verbirgt. In Mannheim z.B. machten Leiharbeiter zwar nur einen Anteil von 4,0 % an der Gesamtbeschäftigung aus, aber hinter der Prozentzahl stand eine beträchtliche absolute Zahl von rund 6.300 Arbeitnehmern. Für Böblingen wurde zwar ebenfalls eine Leiharbeitsquote von 4,0 % berechnet, aber dieser Prozentwert repräsentiert lediglich ca. 1.100 Arbeitnehmer. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wird deshalb in den folgenden Ausführungen auch die gerundete absolute Zahl der Leiharbeiter angegeben. Die auf die Gemeinden Baden-Württembergs bezogenen Aussagen gelten auch für die 413 Kreise in Deutschland (Abbildung 12). Besonders aufschlussreich ist eine differenzierte Betrachtung der Landkreise und der Stadtkreise. Bei den zehn Kreisen mit den höchsten Leiharbeitsquoten (Tabelle 25) und den höchsten absoluten Zahlen an Leiharbeitern (Tabelle 26) handelte es sich um Stadtkreise. Tabelle 25: Spitzenränge der deutschen Kreise mit hohen Leiharbeitsquoten, Stand: 30.06.2008 Rang

Kreis

Leiharbeitsquote (%)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Wolfsburg Ansbach Gera Landshut Eisenach Emden Magdeburg Ulm Erfurt Halle (Saale)

9,5 9,5 7,4 7,2 7,2 7,0 6,4 6,0 5,9 5,9

absolute Zahl der Leiharbeiter 10.400 2.800 3.200 2.800 1.800 2.400 5.100 6.100 6.900 3.500

Quelle: Eigene Berechnungen nach Bundesagentur für Arbeit 2009b

186 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Tabelle 26: Spitzenränge der deutschen Kreise mit hohen absoluten Zahlen der Leiharbeiter, Stand: 30.06.2008 Rang

Kreis

absolute Zahl der Leiharbeiter

Leiharbeitsquote (%)

1

Hamburg

27.600

2,9

2

Berlin

25.000

1,9

3

München

15.200

1,8

4

Frankfurt (Main)

14.100

2,5

5

Köln

13.700

2,4

6

Nürnberg

13.100

4,0

7

Hannover

11.900

2,2

8

Düsseldorf

10.600

2,5

9

Leipzig

10.600

1,2

10

Wolfsburg

10.400

9,5

Quelle: Eigene Berechnungen nach Bundesagentur für Arbeit 2009b

Von wenigen Ausnahmen abgesehen lag die Leiharbeitsquote in allen Stadtkreisen über dem Durchschnitt von 1,8 %, was einem absoluten Durchschnittwert von 1.800 Leiharbeitern entspricht. Der Durchschnitt der Quote in den deutschen Landkreisen betrug im Jahr 2008 1,2 % bzw. 1.100 Leiharbeiter, und damit deutlich weniger als der Mittelwert der Stadtkreise von 3,3 % bzw. 3.600 Leiharbeitern. Einige Stadtkreise, die eine Funktion als Oberzentren für ein eher ländlich geprägtes Umland übernehmen, weisen auffällig hohe Werte auf, weil dort Leiharbeitsfirmen ihren Sitz haben, die Leiharbeiter sowohl an Firmen im selben Kreis als auch im Umland verleihen. Beispiele sind Saarbrücken mit einer Leiharbeitsquote von 3,4 % (= 6.017 Leiharbeiter) und Koblenz mit 3,7 % (= 2.900). Auch die meisten der führenden Leiharbeitsunternehmen mit den höchsten Umsätzen und größten Mitarbeiterzahlen haben ihren Hauptsitz in Städten (Albrecht 2006: 52; Albrecht/Klagge 2008: 7): Im Raum Frankfurt (2,5 % = 14.147) z.B. befinden sich die Deutschlandzentralen der „Branchenriesen“ Randstad, Manpower und Amadeus Fire (Lünendonk 2008). Dass im Kreis München nur eine relativ geringe Leiharbeitsquote von 1,8 % zu verzeichnen war, ist darauf zurück zu führen, dass die Gesamtbeschäftigtenzahl von 678.000 sehr hoch ist und sich hinter der Leiharbeitsquote eine verhältnismäßig hohe absolute Zahl von 15.200 Arbeitnehmern verbirgt (Bundesagentur für Arbeit 2010). Dieser statistische Effekt lässt sich auch in den anderen Landeshauptstädten mit niedrigen Leiharbeitsquoten, wie z.B. Stuttgart (1,9 % = 8.000), beobachten.

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 187

Weil Leiharbeiter in der hier verwendeten Beschäftigtenstatistik, wie erläutert (Kapitel 6.1.2), am Standort ihrer Leiharbeitsfirma erfasst werden, hängt die räumliche Struktur von Leiharbeit in Deutschland maßgeblich vom Standortwahlverhalten der Leiharbeitsfirmen ab. Es stellt sich deshalb die Frage, wie diese Präferenz der Leiharbeitsfirmen für Standorte in größeren Städten zu erklären ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die sonst für Städte charakteristischen Standortnachteile, wie hohe Grundstückspreise bzw. Mietkosten, für die – meist kleinen und mittleren (Schäfer 2007: 10f.) – Unternehmen der Leiharbeitsbranche weniger ins Gewicht fallen, weil ihr Bedarf an Bürofläche relativ gering ist (Buch et al. 2008a: 53f.; Fuchs 2009a: 23). Im Gegensatz dazu sprechen andere Gründe für die Ansiedlung in der Stadt, z.B. die Nähe zu den potenziellen Kundenfirmen (Buch et al. 2008a: 54). Durch Standortverlagerungen von großflächigen Industriebetrieben aus den städtischen Zentren in den suburbanen Raum sind zwar in einigen Landkreisen im Umland von Städten Einsatzmöglichkeiten für Leiharbeiter entstanden (Jahn/Wolf 2005: 5ff.; Fuchs 2009a: 23), weshalb einige Leiharbeitsfirmen ihren Kunden dorthin folgen (Buch et al. 2008a: 55). Aber von einem zentralen Standort aus können Leiharbeitsfirmen eine große Zahl an potenziellen Entleihern in den verschiedensten Branchen bedienen, wohingegen durch eine Ansiedlung außerhalb von Agglomerationen Kostennachteile durch längere Anfahrtszeiten zu vielen Kunden entstehen (Jahn/Wolf 2005: 2). Die Nähe zu einer Vielzahl von Kunden in der Stadt erlaubt den Leiharbeitsfirmen zudem die Reduktion des Risikos verleihfreier Zeiten (Promberger 2006b: 63f.). Aufgrund ihrer regionalen Verankerung und engen Beziehungen zu den vor Ort ansässigen Entleihbetrieben können sich die Leiharbeitsfirmen in Städten flexibler auf den Bedarf an Leiharbeitern einstellen (Schröder 2010a: 68). Außerdem favorisieren Leiharbeitsfirmen Städte, weil sie auf dem urbanen Arbeitsmarkt einen größeren Bewerberpool geeigneter Leihkräfte vorfinden (Promberger 2006b: 63). In Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte ist der Anteil der einsatzfähigen Arbeitnehmer größer als in Regionen mit geringerer Bevölkerungsdichte (Sczesny et al. 2008: 12). Wenn Arbeitskräfte auf dem lokalen Arbeitsmarkt rekrutiert werden können, sind zudem die Anfahrtswege der Leihkräfte zum Entleihbetrieb kürzer (Buch et al. 2008a: 54). Aus der Sicht von Leiharbeitsfirmen bieten Städte demnach Standortvorteile gegenüber dem ländlichen Raum, wo Leiharbeit nahezu keine Rolle spielt (Albrecht 2006: 52; Promberger 2006b: 67; Albrecht/Klagge 2008: 7). Jedoch lassen sich auch in einigen ländlich geprägten Gemeinden und Kreisen hohe Leiharbeitsquoten finden, was darauf hinweist, dass neben der Siedlungsstruktur noch andere Einflussfaktoren existieren, die zu Modifikationen der Raumstruktur der Leiharbeit führen. Rastatt z.B. erreicht einen Leiharbeiteranteil von über 7 %. Diese hohen Quoten sind damit zu erklären, dass sich dort Großbetriebe angesiedelt haben, wie im folgenden Kapitel zur Betriebsgrößenstruktur erläutert wird.

188 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

9.2.1.2

Unterschiede der Leiharbeitsquote aufgrund der Betriebsgrößenstruktur Neben der Siedlungsstruktur ist auch die regional variierende Betriebsgrößenstruktur zu berücksichtigen, will man die unterschiedlich hohe Leiharbeitsquote in Deutschland erklären: Nur vergleichsweise wenige kleine und mittlere Betriebe nehmen die Dienste von Leiharbeitsfirmen in Anspruch (Crimmann et al. 2009: 24; Vanselow 2009: 6). Der Anteil der kleinen Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, die Leiharbeit nutzen, betrug 2006 lediglich 2 % (Bellmann/Kühl 2007: 10ff.). Möglicherweise ist die geringe Nutzung von Leiharbeit in kleinen und mittleren Betrieben auch damit zu erklären, dass dort weniger arbeitsteilig und standardisiert produziert wird und Personalengpässe häufig durch unbezahlte Mehrarbeit der Inhaber oder der mithelfenden Familienangehörigen ausgeglichen werden. Die Größenstruktur der Entleihbetriebe wurde 2006 durch große Betriebe dominiert (Bellmann et al. 2009: 393). Im Jahr 2006 hatten 60 % der Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitern Leihkräfte entliehen (Hans-Böckler-Stiftung 2007: 4f.). Deshalb fallen in Abbildung 12 einzelne Kreise mit hohen Leiharbeitsquoten auf, in denen Arbeitgeber mit einer hohen Mitarbeiterzahl angesiedelt sind (Buch et al. 2008a: 57): Hohe Beschäftigungsanteile der Leiharbeit lassen sich z.B. in Bautzen (3,6 % = 3.400 absolut) und Zwickau (3,6 % = 4.500) finden. Dabei handelt es sich um die beiden sächsischen Landkreise mit dem höchsten Anteil an Betrieben mit über 500 Beschäftigten (Bautzen 6,6 %, Zwickau 6,0 %) (Sujata/Weyh 2009: 24). In Bautzen hat Bombardier und in Zwickau VW einen Standort mit Leihkräften. Große Entleihfirmen gehören in der Regel den Branchen des sekundären Sektors an. Das deutet darauf hin, dass es sich bei der räumlichen Branchenstruktur um einen weiteren Einflussfaktor auf die geographische Struktur von Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt handelt. 9.2.1.3

Unterschiede der Leiharbeitsquote aufgrund der Branchenstruktur Weil Leiharbeit von Unternehmen in verschiedenen Branchen unterschiedlich intensiv genutzt wird (Bogedan et al. 2009: 5), ist der regionale Branchenmix als ein dritter Einflussfaktor ebenfalls für die räumlich variierenden Leiharbeitsquoten ursächlich (Buch et al. 2008a: 25, 2008b: 55). Im Folgenden wird dazu Abbildung 13 erläutert, welche die Einsatzfelder der Leiharbeiter in Deutschland im Juni 2008 differenziert nach Bundesländern und im Vergleich zur bundesweiten Verteilung illustriert.

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

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V ERWALTUNGSSTELLEN

Abbildung 13: Einsatzfelder der Leiharbeiter und Leiharbeitsquote in den Bundesländern, Stand: 30.06.2008

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen nach: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit 2009a

| 189

190 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Das Kreisdiagramm für Deutschland zeigt, dass nach wie vor der Großteil der Leiharbeiter im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe eingesetzt wird (Albrecht/Klagge 2008: 7; Buch/Niebuhr 2008a: 7f.; Bundesagentur für Arbeit 2011a: 10). Zwar kommt dem Dienstleistungssektor mit 32 % im Vergleich zu der mit 24 % weniger bedeutenden Metall- und Elektroindustrie eine größere Rolle zu, weil sich der allgemeine Strukturwandel der Wirtschaft auch in den Einsatzfeldern der entliehenen Arbeitnehmer zeigt (Boost/Buscher 2009: 75). Jedoch ist davon auszugehen, dass ein Großteil der als Hilfspersonal bezeichneten Leihkräfte, die 34 % ausmachen,2 ebenfalls in Entleihbetrieben im Industriesektor eingesetzt werden. Dafür spricht, dass der Anteil der Entleihbetriebe in der Industrie deutlich höher liegt als in Dienstleistungsbranchen (Crimmann et al. 2009: 109f.). Aus geographischer Sicht besonders interessant sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern bezüglich der Einsatzfelder von Leiharbeitern: Deutlich überdurchschnittliche Anteile an Leihkräften in der Metall- und Elektroindustrie lassen sich in Ostdeutschland finden. Im Gegensatz dazu liegen die Anteile der in Dienstleistungsberufen eingesetzten Leiharbeiter in Hessen (45 %) und SchleswigHolstein (36 %) über denen in ganz Deutschland. Einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Hilfspersonal weisen unter anderem Baden-Württemberg (42 %) und Bayern (41 %) auf, d.h. Bundesländer, deren Wirtschaftsstruktur stark industriell geprägt ist. Durch einen unterdurchschnittlichen Einsatzanteil von Hilfspersonal in der Leiharbeit hingegen sind diejenigen Bundesländer gekennzeichnet, in deren gesamtwirtschaftlicher Branchenstruktur Dienstleistungen dominieren – z.B. in allen drei Stadtstaaten wie Hamburg (15 %) (Crimmann et al. 2009: 109) – und die sehr stark ländlich geprägt sind, wie Mecklenburg-Vorpommern (23 %). Leiharbeit wird von Industriebetrieben in Branchen mit starker Exportorientierung, die unter einem hohen Kostendruck stehen, vergleichsweise intensiv genutzt (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) 2003: 4; Eigenhüller 2008: 20; Buch et al. 2008a: 56f.): Im Jahr 2007 zählten 88 % aller Großbetriebe der Metall- und Elektroindustrie zu den Kundenfirmen der Leiharbeitsunternehmen (IG Metall 2008d: 3). Im selben Jahr wurden in der Metall- und Elektroindustrie insg. 215.000 Leiharbeiter eingesetzt (ebd.: 2). Wo solche Industriebetriebe und deren Zulieferer ansässig sind, ist die Leiharbeitsquote besonders hoch (Albrecht/Klagge 2008: 7; Jahn/Wolf 2005: 1). Eine herausragende Bedeutung für die regionale Ver2

Der hohe Anteil der als Hilfspersonal entliehenen Arbeitnehmer weist auch darauf hin, dass die Tätigkeiten der Leiharbeiter – trotz einer Zunahme von anspruchsvolleren Tätigkeiten (DGB 2011d: 8) – häufig auf dem niedrigsten Niveau des Qualifikations- und Anforderungsspektrums im Entleihbetrieb angesiedelt sind (Statistisches Bundesamt 2009a: 2), wie z.B. in der Montage (Promberger 2006a: 266).

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

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V ERWALTUNGSSTELLEN

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teilung der Leiharbeit kommt beispielsweise den Standorten der Schiffbauindustrie zu, weil die großen Werften und deren Zulieferbetriebe zu den Großkunden von Leiharbeitsfirmen zählen (Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) 2008: 4, 2010: 25) (Abbildung 14). Für insgesamt 29 Werften wurde die Zahl der Leiharbeiter durch das IAW ermittelt. Bei den untersuchten Werften lag die Leiharbeitsquote 2008 bei ca. 18 %, was ca. 4.000 Leiharbeitern entspricht (IAW 2010: 49). Abbildung 14: Leiharbeitsquote in % auf 15 ausgewählten Werften in Norddeutschland, Stand: 30.09.2008

Quelle: Eigene Darstellung nach Institut für Arbeit und Wirtschaft 2010: 49

Produktion

Luft- und Raumfahrtindustrie

Augsburg (4,9 % = 7.600) (Premium Aerotech), Donau-Ries (3,6 % = 2.200) (EADS), Hamburg (2,9 % = 27.600) (EADS/Airbus), Speyer (5,4 % = 1.600) (PFW Aerospace)

Duisburg (2,3 % = 4.600) (Hüttenwerke Krupp Mannes- Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; mann), Düsseldorf (2,5 % = 10.600) (Thyssen Krupp, Albrecht 2002: 187f. Arcelor Mittal), Mönchen-gladbach (3,5 % = 3.800) (SMS Meer GmbH), Peine (1,1 % = 600) (Peiner Träger), Salzgitter (1,1 % = 600) (Salzgitter Flachstahl)

Produktion

Stahlindustrie

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Bellmann et al. 2009: 393; Bundesagentur für Arbeit 2011d Ensman 2009: 111ff.; Strüßmann 2009: 37; Die Zeit 14.03.2010

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Bolder et al. 2005: 34; Dispan et al. 2009: 22f.; IG Metall 2006c: 8, 2008d: 2; Schröder 2010e: 141ff.; ZEW 2003: 6

Berlin (1,9 % = 25.000) (Siemens Schaltwerk), Bielefeld (3,2 % = 5.300) (Miele), München (1,8 % = 15.000) (Epcos, Siemens),

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Baum 2010b: 56; Bellmann et al. 2009: 393; Dudenhöffer/Büttner 2006: 31f.; Noller et al. 2004: 12; Promberger 2006a: 265; Schröder 2010a: 83, 2010c: 171 Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Dispan et al. 2009; Fuchs/Kempermann 2010a, b; IG Metall Netzwerk Landtechnik 2009; IMU Institut Stuttgart 2011: 3; VDMA 2011: 2ff.

ElektroProduktion industrie, Weiße Ware

Bochum ( 3,1 % = 5.000) (Opel), Regensburg (5,3 % = 6.400) (Daimler/Mercedes-Benz), Wolfsburg (9,5 % = 10.400) (VW)

Quellen

Bielefeld (3,2 % = 5.300) (Gildemeister AG), Mannheim (3,8 % = 6.300) (John Deere Werke), Osnabrück (4,6 % = 3.800) (Karmann, AmazonenWerke)

Produktion

Automobilindustrie

Beispiele für Standorte/Einsatzfirmen (Leiharbeitsquote und absolute Zahl der Leiharbeiter)

Maschinen- Produktion und Anlagenbauindustrie

Einsatzbereich

Branche

Tabelle 27: Branchen und Einsatzunternehmen zur Erklärung der räumlichen Verteilung von Leiharbeit, Stand: 30.6.2008

192 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

V ERWALTUNGSSTELLEN

Quelle: Eigene Darstellung

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Boost/Buscher 2009: 80; Bräutigam et al. 2010: 5; Schäfer 2007: 8; Schröder 2010f: 176ff.

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Schröder 2010b: 164

diverse, z.B. Real, Ikea

Groß- und diverse Einzelhandel

DER

diverse Gesundheits- Krankenwesen häuser, Pflegeheime und -dienste

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Buch et al. 2008a: 55; Schröder 2010f: 175; Strüßmann 2009: 37f.; ver.di 2007: 52ff.;

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Bogedan et al. 2009: 5; Buch et al. 2008a: 55, b: 24; FAZ 06.11.2008; Wirtschaftswoche 15.12.2006

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; DGB Region Köln-Leverkusen-Erft-Berg 2006: 4; Dispan et al. 2009: 125; FTD 19.09.2008; Höhmann 2011: 21; IG Metall 2011b; IMU Institut Stuttgart 2011: 3; Vanselow 2009: 6

diverse, z.B. H&M Logistikzentrum Hamburg (2,9 % = 27.600)

diverse, z.B. Deutsche Bank Kundenberatung, Buchhaltung

Erlangen (2,4 % = 2.200) (Siemens Health Care), Lübeck (2,2 % = 2.300) (Dräger Medical), Ludwigshafen (3,6 % = 3.700) (BASF), Leverkusen (2,3 % = 1.600) (Bayer AG), Tuttlingen (2,8 % = 600) (Aesculap)

Auskünfte der Gewerkschaftssekretäre; Bobach 2010: 14ff.; Haas/Schlesinger 2010: 27; Handelsblatt 15.03.2010; IG Metall 2007a: 1ff.; SZ 06.06.2011; ver.di Bundesfachgruppe Energie und Bergbau 2009

Häfen, Transport und Logistik Flughäfen, Lager

Finanzund Versicherungswirtschaft

Health Care, diverse Pharmaindustrie, chemische Industrie

Energiewirt- Stadtwerke, diverse , schaft Energiez.B. E.on, Vattenfall versorger, Photovoltaik, Windenergie

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

| 193

194 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

9.2.2

Aktive Betriebsräte in Ent- und Verleihfirmen (Typen 1a bis 1e)

In den Verwaltungsstellen des Typs 1, die im Hinblick auf das Thema „Leiharbeit“ vergleichsweise frühzeitig aktiv wurden, waren zur Aktivierung nicht nur Promotoren und ein drastischer Anstieg der Leiharbeit im Zuständigkeitsgebiet, sondern auch besonders engagierte Betriebsräte in Entleihfirmen erforderlich. Diese berichteten den lokalen Gewerkschaftssekretären von dem Anstieg der Leiharbeit im Betrieb und erhofften sich bei ihrer eigenen Vorgehensweise zu Leiharbeit von der Gewerkschaft Unterstützung. Erst darauf hin, dass Betriebsräte sich an sie wandten, nahmen viele Promotoren das wachsende Konfliktpotenzial überhaupt wahr. Dies schilderte der Sekretär, der 2009 in der Verwaltungsstelle Siegen zuständig war: „Wir hatten besorgte Betriebsräte, die hier Anfragen gestellt haben: „Wie gehen wir mit diesem Thema um, dass die Arbeitgeber immer stärker auf Leiharbeit setzen?“ Und dann hat man hier im Haus gesagt: „Das ist ein Bereich, der uns als IG Metall auch interessieren muss, beziehungsweise Auswirkungen hat auf die Stammbelegschaft. Lasst uns ein spezielles Angebot für Leiharbeiter machen!““ (Interview 22).

In einigen Fällen kontaktierten nicht die Betriebsräte von Entleih-, sondern von Verleihfirmen auf die Verwaltungsstelle: Die IG Metall Chemnitz z.B. begann ihr Engagement im Jahr 1998, als Randstad dort eine Niederlassung gründete und sich die Betriebsräte des Verleihers an die Verwaltungsstelle wandten. 9.2.3

Spezifika der Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen 1b bis 1e

Die Verwaltungsstellen des Typs 1 haben alle gemeinsam, dass dort ein Promotor die steigende Bedeutung von Leiharbeit in seinem Umfeld wahrnahm, was insbesondere damit zu erklären ist, dass er von den für Leiharbeit engagierten Betriebsräten in Ent- oder Verleihfirmen darauf hingewiesen wurde. In den Verwaltungsstellen des Typs 1a genügte es zur Aktivierung, wenn diese Voraussetzungen vor Ort gegeben waren. Im Fall der Verwaltungsstellen der „Untertypen“ 1b bis 1e kamen weitere Gründe im Handlungsumfeld hinzu, die für die Aktivierung des Promotors ausschlaggebend waren: Die Promotoren in Verwaltungsstellen, die als Typ 1b kategorisiert wurden, begannen mit ihrem Engagement, weil Leiharbeiter auf sie zugingen, die mit der IG Metall einen Betriebsrat installieren wollten. Der Promotor in Regensburg z.B. begann im Jahr 2004 mit seinem Engagement, als ihn Beschäftigte der Leiharbeitsfirma Tuja in der Verwaltungsstelle aufsuchten:

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 195

„Sechs Leiharbeiter kamen auf uns zu. Und die sind bei mir gelandet und haben mir erzählt, wie sie behandelt werden, was sie verdienen und dass sie sich vernachlässigt fühlen, weil der Betriebsrat von BMW, wo sie eingesetzt sind, sich überhaupt nicht für sie interessiert. Das waren so die Anfänge bei uns, dass die Kollegen gesagt haben: „Wir wollen, dass die IG Metall uns da hilft!““ (Interview 56).

Aus demselben Grund wurden auch die Promotoren der Verwaltungsstellen KölnLeverkusen 1995 und Aachen im Jahr 2003 aktiv (Interview 14 und 21). Die Verwaltungsstellen Singen und Aschaffenburg, die dem Typ 1c zuzurechnen sind, wurden 2001 bzw. 2003 im Zusammenhang mit einem Haustarifvertrag mit einer lokal agierenden Leiharbeitsfirma aktiv. Die Geschäftsführer der Verleiher kamen mit dem Anliegen auf die Verwaltungsstellen zu, einen Haustarif abzuschließen. Davon erhoffte sich die Geschäftsführung, ihre Firma als sozialverantwortlichen Arbeitgeber präsentieren zu können und im Wettbewerb auf dem Markt ein Alleinstellungsmerkmal zu erlangen (Interview 41und 60). Der Anlass zur Aktivierung der Promotoren in den Verwaltungsstellen des Typs 1d war die Massenentlassung von – zum Teil langjährigen – Gewerkschaftsmitgliedern in einem ortsansässigen Betrieb, von denen viele als Leiharbeiter eine neue Beschäftigung fanden und die IG Metall in der Rechtsberatung aufsuchten. In Nürnberg wurden z.B. ab Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Großbetriebe der Metall- und Elektroindustrie geschlossen, darunter Grundig, Triumph-Adler und Electrolux/AEG. Die Beschäftigten dieser Werke verloren ihren Arbeitsplatz und wurden von einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Weil sie als Gewerkschaftsmitglieder mit ihren Arbeitsverträgen und Gehaltsabrechnungen die Rechtsberatung in Anspruch nahmen, wurde ein Gewerkschaftssekretär für ihre Anliegen aktiv (Interview 52). Weitere Beispiele für diesen Verwaltungsstellen-Typ sind OldenburgWilhelmshaven und Minden. Die Verwaltungsstellen des Typs 1e begannen mit ihrem Engagement vor Ort, weil dort eine Leiharbeits- oder eine Einsatzfirma semi-legale Geschäftspraktiken pflegte oder sich aus Gewerkschaftssicht in ähnlicher Weise einen Skandal zu Schulden kommen ließ. Diesem Typ gehören die Verwaltungsstellen Flensburg und Gaggenau an. Der Erste Bevollmächtigte in der Verwaltungsstelle Gaggenau z.B. begann mit seinen Aktivitäten auf einen Skandal hin, der sich in einem Entleihbetrieb zutrug. Im Jahr 2005 wurden bei der Johnson Controls Interiors GmbH, einem Automobilzulieferer des Mercedes-Benz-Werks in Rastatt, deutschstämmige polnische Leiharbeiter aus Schlesien – legal durch Ausnutzung einer Gesetzeslücke – eingesetzt. Die Leiharbeiter wurden von deutschen Leiharbeitsfirmen angeheuert, auf engstem Raum untergebracht und nach dem vielfach kritisierten Tarifvertrag entlohnt, den AMP und CGZP abgeschlossen hatten. Zwar galt für polnische Arbeitskräfte die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit ohne Arbeitserlaubnis erst seit 01.05.2011. Die Betroffenen benötigten jedoch keine Arbeitserlaubnis, weil sie ne-

196 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

ben der polnischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen. Zuvor hatte Mercedes-Benz einen Sparkurs beschlossen und den Kostendruck an die Zulieferer weitergegeben. Darauf reagierte Johnson Controls mit dieser Personalstrategie. Der Erste Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle erfuhr davon durch einen Medienbericht (Spiegel 17.10.2005) und unterstützte den Betriebsrat von Johnson Controls dabei, die Unternehmensleitung dazu zu bewegen, andere Leiharbeitsfirmen mit der Rekrutierung zu beauftragen (Interview 39). Auf diese Weise engagierte sich die Verwaltungsstelle erstmals zu dem Thema „Leiharbeit“.

9.3 B EITRAG

DER V ERWALTUNGSSTELLEN -T YPEN ZU DEM AKTIVEN V ORGEHEN BEZÜGLICH L EIHARBEIT

Es wurde aufgezeigt, dass die Verwaltungsstellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus verschiedenen Gründen aktiv wurden. Je nachdem, wann die jeweilige Verwaltungsstelle sich zu engagieren begann, leistete sie auch einen verschieden großen Beitrag zur Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit. Abbildung 15 zeigt dies in einer Zusammenschau der Verwaltungsstellen-Typen in den verschiedenen Phasen vor der Krise. Die Abbildung 16, 19 und 20 stellen diese zeitlich-historischen Prozesse detaillierter in Modellen dar. Die Verwaltungsstellen der Typen 1a bis 1e, die in den Phasen I und II aktiv wurden, nahmen das Wissen über den Handlungsdruck aus ihrem externen Umfeld auf (Abbildung 16). Gemeinsam mit dem taziten Wissen, das sie vor Ort bei ihrer Reaktion auf den Druck in der Praxis generierten, brachten sie es durch einen intensiven Wissenstransfer in die innergewerkschaftliche Diskussion ein und trugen dadurch maßgeblich zur Entwicklung des aktiven Vorgehens der Organisation bei. Zudem waren die Verwaltungsstellen des Typs 1 in die Implementierung des Bezirksprojekts involviert. In der Konzeptionsphase stellten sie den Sekretären auf der regionalen Ebene ihr Wissen zur Verfügung, aber profitierten selbst kaum durch den „top-down“ verlaufenden Wissenstransfer im Rahmen des Projekts, da sie bereits über eine fundierte Wissensbasis verfügten sowie längst organisationale Fähigkeiten und Routinen vor Ort entwickelt und implementiert hatten. An dem Beschluss der Kampagne bzw. der organisationsweiten Implementierung des aktiven Vorgehens waren die Verwaltungsstellen des Typs 1 ebenfalls maßgeblich beteiligt, indem sie die Kampagne mit beantragten oder vom Vorstand als besonders erfahrene und kompetente Gewerkschaftssekretäre konsultiert wurden. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Bezirksprojekt waren die Verwaltungsstellen auch in die Vorbereitung der Kampagne involviert. Sie erzielten jedoch selber durch den „top-down“ gerichteten Wissenstransfer im Rahmen der Kampagne kaum neue Erkenntnisse.

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

Quelle: Eigene Erhebungen

Abbildung 15: Phasenmodell zur Zusammenschau der Beteiligung der Verwaltungsstellen-Typen an der Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens der IG Metall bezüglich Leiharbeit

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

| 197

Quelle: Eigene Erhebungen

Abbildung 16: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 1a bis 1e

198 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 199

Die Verwaltungsstellen des Typs 2 wurden in Phase II im Zuge des Bezirksprojekts aktiv (Abbildung 17). Der Handlungsdruck war bei ihnen weniger stark ausgeprägt, weil die Zahl der Leiharbeiter in ihrem Zuständigkeitsgebiet erst relativ spät oder nur geringfügig anstieg. Deshalb nahmen sie den Handlungsdruck im Vergleich zu den Verwaltungsstellen des Typs 1 erst verzögert wahr – zumal es dort keinen Promotor gab, keine engagierten Betriebsräte aus den Entleihfirmen auf sie zugingen und keine weiteren Anlässe bestanden, um aktiv zu werden. Diese Verwaltungsstellen gelangten im Rahmen des Bezirksprojekts „top-down“ an das zur Wahrnehmung des Handlungsdrucks und Reaktion erforderliche Wissen. Am Beschluss der Kampagne waren sie nur als Teilnehmer auf dem Gewerkschaftstag beteiligt. Ein von diesem Verwaltungsstellen-Typ ausgehender „bottom-up“ in den Vorstand gerichteter Wissenstransfer ist – anders als im Fall des Verwaltungsstellen-Typs 1 – nicht erfolgt. In Phase III profitierten sie von der Kampagne durch den „top-down“ erfolgten Wissenstransfer, der vom Vorstand und dem Bezirk ausgehend auf die lokale Ebene gerichtet war. Die Verwaltungsstellen des Typs 3 nahmen den Handlungsdruck erst im Zusammenhang mit dem Beschluss der Kampagne wahr (Abbildung 18). Erstmals aktiv wurden sie durch die Unterstützung der Kampagne. Dieser Typ war somit am stärksten auf den „top-down“ gerichteten Wissenstransfer angewiesen und benötigte die Unterstützung der Kampagnen-Abteilung im Vorstand besonders dringend. Demnach trugen nur die Verwaltungsstellen des Typs 1 zur Entwicklung des aktiven Vorgehens bei, weil bei ihnen der Handlungsdruck am stärksten war und ein Promotor durch die Kommunikation mit den Betriebsräten davon erfuhr. Andere Verwaltungsstellen blieben selbst auf dem Höhepunkt der Kampagne inaktiv und beteiligten sich nicht an der Umsetzung der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit, was mit den Einflussfaktoren zu erklären ist, die anschließend in Kapitel 10 erläutert werden. Wie aufgezeigt wurde, boten das Bezirksprojekt und die Kampagne den Verwaltungsstellen des Typs 1 lediglich zusätzliche Unterstützung bei ihrer Aktivität bezüglich Leiharbeit. Die Verwaltungsstellen des Typs 2 wurden zwar durch das Bezirksprojekt aktiviert. Die Vorstandskampagne hatte jedoch nur noch eine fördernde Wirkung auf diese lokalen Einheiten. Deshalb wurde Tabelle 22 dahin gehend erweitert, dass in Anlehnung an Gläser/Laudel (2004: 245) notwendige und förderliche Bedingungen in der Organisation und im Umfeld voneinander differenziert wurden (Tabelle 28): Notwendige Bedingungen mussten gegeben sein, damit eine Verwaltungsstelle aktiv wurde. Förderliche Bedingungen begünstigten lediglich die Aktivität von zuvor bereits aktiven Verwaltungsstellen.

Quelle: Eigene Erhebungen

Abbildung 17: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 2

200 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

Quelle: Eigene Erhebungen

Abbildung 18: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 3 M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

| 201

202 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Tabelle 28: Notwendige Bedingungen zur Aktivierung der VerwaltungsstellenTypen und bei der Aktivität förderliche sowie hemmende Bedingungen Notwendig

Förderlich

Multistandörtliche Gründe in der Organisation Typen 1a bis 1e

Promotoren

Bezirksprojekt, Kampagne

Typ 2

Bezirksprojekte

Kampagne

Typ 3

Kampagne

-

Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation Typen 1a bis 1e Typ 1b Typen 1a bis 1e

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen, aktive Betriebsräte in Ent- und Verleihfirmen + Leiharbeiter wollen einen Betriebsrat gründen

Typ 1c

+ Initiative einer Verleihfirma zum Abschluss eines Haustarifvertrags

Typ 1d

+ Massenentlassung von Gewerkschaftsmitgliedern, die neue Beschäftigung in der Leiharbeit finden

Typ 1e

+ Semilegale Geschäftspraktiken von Ent- und Verleihfirmen

Typ 2

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen

Typ 3

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen

-

Quelle: Eigene Erhebungen

9.4 Z WISCHENFAZIT In Kapitel 9 erfolgte eine Typisierung der untersuchten 69 IG Metall-Verwaltungsstellen. Je nachdem, wann sie mit der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zur Ressourcenentwicklung begannen bzw. aus welchen organisationsinternen oder externen Gründen ihre Aktivierung erfolgte, wurden sie einem anderen Typ (1a bis

M ULTISTANDÖRTLICHE UNTERSCHIEDE DER AKTIVIERUNG

DER

V ERWALTUNGSSTELLEN

| 203

1e, 2 oder 3) zugeordnet. Während in den Verwaltungsstellen des Typs 1 ein Promotor den Handlungsdruck wahrnahm, fehlte in den Verwaltungsstellen der Typen 2 und 3 ein solcher Schlüsselakteur. Infolgedessen begann die Aktivierung im Fall der Verwaltungsstellen des Typs 2 erst auf den „top-down“ gerichteten Druck eines Bezirksprojekts hin. Die Gewerkschaftssekretäre in den Verwaltungsstellen des Typs 3 erkannten den Handlungsdruck sogar erst nach dem Kampagnenbeschluss auf dem Gewerkschaftstag im Jahr 2007. Über die genannten organisationsinternen Gründe zur Aktivierung der Verwaltungsstellen hinaus konnten weitere multistandörtliche Gründe identifiziert werden, die im Handlungsumfeld bzw. organisationsexternen Zuständigkeitsgebiet der lokalen Gewerkschaftseinheiten verortet waren. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Zunahme der Zahl an Leiharbeitern hingewiesen, die mit räumlich verschieden starker Dynamik erfolgte. Zur Erklärung der geographischen Unterschiede wurden drei Faktoren, die für die Raumstruktur der Leiharbeitsbranche und für die räumlichen Unterschiede ihrer Wachstumsdynamik bis zum Juni 2008 ursächlich waren, identifiziert und erläutert: Die Ausführungen zu dem Einflussfaktor „Siedlungsstruktur“ haben gezeigt, dass sich die Leiharbeit vor allem in den Städten zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt hat. Im Gegensatz hat Leiharbeit in vielen ländlichen Regionen, keine oder nur eine geringe Bedeutung. Die Ergebnisse belegen, dass die regionale Bedeutung der Leiharbeit auch in Abhängigkeit von der Betriebsgrößenstruktur variiert. Große Unternehmen fragen Leiharbeit tendenziell stärker nach als kleine und sind in vielen Gemeinden und Kreisen für eine hohe Leiharbeitsquote verantwortlich. Wie herausgearbeitet wurde, war auch die Branchenstruktur für die Höhe der Leiharbeitsquote vor Ort prägend für die Unterschiede. Meistens handelt es sich bei den Einsatzfirmen um Industrieunternehmen in Branchen mit starker Exportabhängigkeit. Zusätzlich zu der räumlich unterschiedlich intensiv ausgeprägten Bedeutung von Leiharbeit im Handlungsumfeld der Verwaltungsstellen, ließen sich weitere organisationsexterne Gründe identifizieren, die notwendigerweise zur Aktivierung gegeben sein mussten. Diese sorgten für das besonders frühzeitige Engagement der Gewerkschaftssekretäre in den Verwaltungsstellen von Typ 1. Dort erfolgte die Aktivierung bezüglich Leiharbeit nicht nur durch das Engagement von Promotoren und die hohe Leiharbeitsquote bzw. absolute Zahl an Leiharbeitern. Zusätzlich waren besonders engagierte Betriebsräte in Ver- und Entleihfirmen erforderlich. Sie setzten die lokalen Gewerkschaftssekretäre von dem Anstieg der Leiharbeit vor Ort in Kenntnis. Der Verwaltungsstellen-Typ 1 ist in die „Untertypen“ 1a bis 1e untergliedert: In den Verwaltungsstellen des Typs 1a genügte es zur Aktivierung, dass ein Promotor durch aktive Betriebsräte auf den Handlungsdruck aufmerksam wurde. Im Gegensatz dazu kamen im Fall der Verwaltungsstellen-Typen 1b bis 1e weitere Aktivie-

204 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

rungsgründe im Handlungsumfeld hinzu: Der Promotor der Verwaltungsstellen des Typs 1b wurde außerdem aktiv, weil er von Leiharbeitern kontaktiert wurde, die mit der IG Metall einen Betriebsrat installieren wollten. In den Verwaltungsstellen des Typs 1c erfolgte die Aktivierung speziell aus dem Grund, dass die Geschäftsführung eines lokal ansässigen Leiharbeitsunternehmens mit dem Anliegen auf die Verwaltungsstellen zuging, einen Haustarif abzuschließen. Der Anlass zur Aktivierung der Verwaltungsstellen des Typs 1d waren umfangreiche Entlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern, von denen viele als Leiharbeiter eine neue Beschäftigung fanden. Die Verwaltungsstellen des Typs 1e begannen mit ihrem Engagement vor Ort, weil dort eine Leiharbeits- oder Einsatzfirma unseriösen Geschäftspraktiken nachging. Anschließend wurde verdeutlicht, dass die Verwaltungsstellen – je nachdem, wann sie aktiv wurden – einen unterschiedlich großen Beitrag zur Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit leisteten: Nach dem Zeitpunkt der Aktivierung richtete sich, ob sich die Verwaltungsstellen an der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Aufbau, zur Integration oder zur Rekonfiguration der Ressourcen beteiligten. Der Beitrag der Verwaltungsstellen der Typen 1a bis 1e, die in Phase I und II aktiv wurden, ist als am größten einzuschätzen, weil sie mit ihrem Erfahrungswissen den Innovationsprozess in der Gesamtorganisation ursprünglich angeschoben und maßgeblich vorangebracht haben. Die Verwaltungsstellen des Typs 2, die erst in Phase II im Zuge des Bezirksprojekts aktiv wurden, und die Verwaltungsstellen, die dem Typ 3 zuzurechnen sind und in Phase III auf den Beschluss der Kampagne hin mit ihrem Engagement zum Thema „Leiharbeit“ begannen, implementierten lediglich die neuen Ressourcenkonfigurationen, die zuvor entwickelt worden waren. Die Ausführungen zu den multistandörtlichen Unterschieden der Aktivierung lokaler Gewerkschaftsvertretungen in diesem Kapitel haben die zentrale Aussage von Kapitel 5 bestätigt, dass eine Erweiterung des Konzepts dynamischer Fähigkeiten um eine geographische Perspektive für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit unabdingbar ist. Nur unter Berücksichtigung des in diesem Kapitel erläuterten, geographisch verschieden stark ausgeprägten Handlungsdrucks aus zeitlicher und räumlicher Perspektive wird ersichtlich, dass der Handlungsdruck multistandörtlich verschieden stark ausgeprägt war und deshalb die Aktivität bezüglich Leiharbeit in den Verwaltungsstellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgelöst wurde.

10 Multistandörtliche Gründe für die späte Aktivierung bzw. geringe Aktivität bezüglich Leiharbeit einiger Verwaltungsstellen vor der Krise 2008/2009

Die Verwaltungsstellen unterschieden sich nicht nur im Hinblick auf die Gründe ihrer Aktivierung, sondern auch darin, wie stark sie aktiv wurden bzw. wie erfolgreich sie bei der Anwendung der neuen Ressourcenkonfigurationen bezüglich Leiharbeit waren. Messbare Faktoren, um die Aktivität zu quantifizieren und zu vergleichen, sind die Zahl der vor Ort geworbenen Mitglieder in der Leiharbeit und die Zahl der sog. „Besser-Vereinbarungen“, deren Abschluss neben der Mitgliederwerbung ein zweites zentrales Ziel der Kampagne darstellt. Dadurch sollen die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter in den Einsatzbetrieben „fairer“ gestaltet werden. Während manche befragte Sekretäre angaben, für den Abschluss von bis zu 30 (Interview 43) Vereinbarungen in ihrem Zuständigkeitsgebiet mitverantwortlich gewesen zu sein, gelang z.B. in Lüneburg (Interview 75) kein einziger Abschluss einer solchen Vereinbarung. Bei der Beurteilung dieser Angaben ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Entleihfirmen und somit die Möglichkeit, entsprechende Vereinbarungen abzuschließen, je nach Zuständigkeitsgebiet variiert. Weil zahlreiche Verwaltungsstellen der Typen 2 und 3 auch während der Kampagne kaum aktiv wurden und keine Erfolge bei der Mitgliederwerbung und Interessenvertretung vorzuweisen hatten, stellt sich die Frage, aus welchen Gründen manche Verwaltungsstellen im Vergleich zu anderen erst spät oder nur geringfügig aktiv wurden. Dieses Kapitel dient dem Ziel, eine Erklärung für die Unterschiede zu finden bzw. die Einflussfaktoren zu erläutern, die eine hemmende (d.h. eine verzögernde und einschränkende) Wirkung auf die Aktivierung und Aktivität einiger Verwaltungsstellen hatten. Zu diesem Zweck wird die Tabelle 22 aus Kapitel 9 um eine dritte Spalte ergänzt. Hier werden die organisationsinternen und -externen Bedingungen angefügt, die hemmend auf die Aktivierung und Aktivität wirkten (Tabelle 29).

Förderlich

Hemmend

-

-

+ Initiative einer Verleihfirma zum Abschluss eines Haustarifvertrags Typ 1d + Massenentlassung von Gewerkschaftsmitgliedern, die neue Beschäftigung in der Leiharbeit finden Typ 1e + Semilegale Geschäftspraktiken von Ent- und Verleihfirmen Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen, aktive Betriebsräte in Ent- und Verleihfirmen Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen in den Unternehmen, aktive Betriebsräte in Ent- und Verleihfirmen

Typ 1c

Quelle: Eigene Erhebungen

Typ 3

Typ 2

-

-

+ Leiharbeiter wollen einen Betriebsrat gründen

Typ 1b

-

-

Zunahme der Leiharbeit und der Auswirkungen Typen 1a bis 1e in den Unternehmen, aktive Betriebsräte in Ent- und Verleihfirmen

-

-

Geringe Nachfrage der Industriebetriebe nach Leiharbeit, Verhinderung der Zunahme von Leiharbeit durch engagierte Betriebsräte in Entleihfirmen, Fehlendes Wissen über die Zunahme der Leiharbeit

Multistandörtliche Gründe im Handlungsumfeld der Organisation

Typen 1a bis 1e

Mangel an personellen Kapazitäten, Setzung anderer Schwerpunkte durch die weitgehend autonomen Verwaltungsstellen, Persistenz der Ablehnungshaltung gegenüber Leiharbeit, Tarifpolitische Regelung der Leiharbeit in großen Entleihfirmen durch den Bezirk

-

Kampagne

-

Bezirksprojekt, Kampagne Kampagne

Multistandörtliche Gründe in der Organisation

Typ 3

Typen Promotoren 1a bis 1e Typ 2 Bezirksprojekte

Notwendig

Tabelle 29: Zur Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen notwendige und bei der Aktivität förderliche Bedingungen

206 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE FÜR DIE SPÄTE A KTIVIERUNG

BZW . GERINGE

A KTIVITÄT

| 207

10.1 M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE IN DER O RGANISATION 10.1.1 Mangel an personellen Kapazitäten Ein Grund, das Thema „Leiharbeit“ weiterhin zu ignorieren oder nur mit geringem Engagement aktiv zu werden, waren dem Ersten Bevollmächtigten in Neustadt a.d. Weinstraße zufolge die zusätzliche Arbeitsbelastung und das Fehlen der erforderlichen Personalkapazitäten: „Es ist schwierig, beim Thema „Leiharbeit“ Erfolg zu haben. Ich brauche einen hohen Zeiteinsatz, um da was auf die Beine zu stellen. Und da sagt sich der eine oder andere: „Das Alltagsgeschäft frisst mir so viel Zeit weg, dass ich mich auf ein Themenfeld nicht einlasse, wo die Erfolgsaussichten gering sind. Dann ist es für mich einfacher, mich erstmal damit nicht zu beschäftigen““ (Interview 36).

Weil sich die Budgetierung und die Personalausstattung der Verwaltungsstellen nach deren Anzahl an Mitgliedern richten, standen in kleinen Verwaltungsstellen, z.B. in der Verwaltungsstelle Wiesbaden-Limburg, die Kapazitäten für ein frühzeitiges und hohes Engagement für Leiharbeit nicht zur Verfügung (Interview 33). Auch in solchen Verwaltungsstellen, in denen einzelne Betriebe, wie IBM in Mainz (Interview 83), oder eine bestimmte Branche in eine Krise gerieten und infolgedessen die Betriebsräte mit Unterstützung der Gewerkschaftssekretäre Interessensausgleiche oder Sozialpläne aushandelten, standen keine personellen Kapazitäten zur Verfügung (Interview 9 und 36). Die Verwaltungsstellen Düsseldorf-Neuss und Südniedersachsen-Harz ernannten erst zum Kampagnenstart im April 2008 einen Sekretär als Zuständigen für Leiharbeit, weil diese Verwaltungsstellen zuvor mit der Zusammenführung von zwei separaten Verwaltungsstellen zu einer gemeinsamen befasst waren. Aufgrund der organisationalen Restrukturierungen waren keine personellen Kapazitäten zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Leiharbeit“ verfügbar (Interview 12 und 70). 10.1.2 Setzung anderer Schwerpunkte durch die weitgehend autonomen Verwaltungsstellen Der für das Leiharbeitsprojekt zuständige Sekretär im Bezirk Frankfurt betonte, dass aufgrund der dezentralen, mitgliederbasierten Organisationsstruktur der Gewerkschaft jede Verwaltungsstelle über einen gewissen Spielraum bei der Setzung politischer Schwerpunkte verfügt:

208 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT „Die Verwaltungsstellenarbeit ist sehr, sehr unterschiedlich. Manche Verwaltungsstellen haben ihre Prioritäten ganz woanders, obwohl sie Leiharbeiter haben, und das können wir nicht verhindern, da wir ja auch sehr demokratisch sind. Bringt ja nichts, wenn wir sagen: „Ihr habt das und jenes zu tun!“ Ob eine Verwaltungsstelle vor Ort was zum Thema „Leiharbeit“ macht, das bestimmen die Kollegen und Mitglieder vor Ort selbst. Also von daher lassen wir sehr viele alternative Schwerpunkte vor Ort zu“ (Interview 6).

Der Gewerkschaftssekretär in Esslingen z.B. gestand ein, dass in der Verwaltungsstelle der Einführung des Entgeltrahmen-Tarifvertrags (ERA-TV)1 höhere Priorität beigemessen wurde, sodass die Zahl der Leiharbeiter in den Betrieben vor Ort ungehindert ansteigen konnte: „Wir haben uns entschieden, dass wir die ERA-Umsetzung machen. Man hätte was zu Leiharbeit tun müssen und wir haben nichts gemacht“ (Interview 46).

10.1.3 Persistenz der Ablehnungshaltung gegenüber Leiharbeit Die Gewerkschaftssekretäre in zahlreichen Verwaltungsstellen (z.B. Interview 14, 27, 41) mutmaßten, dass einige Verwaltungsstellen trotz der Kampagne noch immer kaum mit Aktivitäten für Leiharbeiter begonnen hatten, weil dort Gewerkschaftssekretäre nach wie vor die Ansicht vertreten, Leiharbeit müsse verboten werden: „Es gibt Verwaltungsstellen, die sagen: „Wir sind gegen Leiharbeit. Warum soll ich eine Kampagne für Leiharbeit machen? Mir wäre es am liebsten, die Leiharbeit gäbe es gar nicht! Mit Sklavenhändlern befasse ich mich nicht. Wenn ich mich mit denen beschäftige, dann werden die stubenrein““ (Interview 27).

Dadurch konnte Leiharbeit im Zuständigkeitsgebiet zahlreicher Verwaltungsstellen ungehindert steigen und wurden vor Ort immer mehr Leiharbeiter zu schlechten Arbeitsbedingungen eingesetzt, ohne dass die lokalen Sekretäre dem etwas entgegensetzten (Interview 1 und 41).

1

Mit dem ERA-TV wurde ein modernes Entgeltsystem in der Metall- und Elektroindustrie etabliert. Ein zentrales Ziel war die Abschaffung der Trennung von Arbeitern und Angestellten und die Implementierung eines einheitlichen Entgeltsystems für alle Beschäftigten. In langwierigen Verhandlungen wurde 2003 ein Abschluss erzielt. Der Einführungsprozess war von betrieblichen Auseinandersetzungen geprägt und wurde durch die Verwaltungsstellen vor Ort intensiv begleitet (Zimmer 2010: 119).

M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE FÜR DIE SPÄTE A KTIVIERUNG

BZW . GERINGE

A KTIVITÄT

| 209

10.1.4 Tarifpolitische Regelung der Leiharbeit in großen Entleihfirmen durch den Bezirk Einige Verwaltungsstellen, in deren Zuständigkeitsgebiet große Konzerne ihren Standort haben und in überdurchschnittlichem Umfang Leiharbeiter einsetzen, wurden verhältnismäßig spät – erst im Zuge der Kampagne – aktiv. Diese Aussage trifft z.B. auf Wolfsburg mit dem Hauptsitz von VW zu. Dort wurde Leiharbeit auf der regionalen Ebene geregelt, indem der Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt Haustarifverträge mit den Leiharbeitsfirmen aushandelte. In der lokalen Verwaltungsstelle wurde deshalb der Handlungsbedarf lange Zeit nicht gesehen, und ein Sekretär, der für Leiharbeit zuständig war, wurde erst Anfang 2008 eingestellt, obwohl auch in den Zulieferunternehmen von VW Leiharbeiter eingesetzt wurden. Diese Beobachtung legt den Rückschluss nahe, dass tarifpolitische Interventionen des Bezirks in strategisch wichtigen, industriellen Großunternehmen, die einen hohen Organisationsgrad und etablierte Betriebsratsstrukturen aufweisen, den Handlungsdruck, der aus der Leiharbeit vor Ort resultiert, zumindest für gewisse Zeit mindert und infolgedessen die Aktivierung der Verwaltungsstelle erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt (Interview 9 und 76).

10.2 M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE IM H ANDLUNGSUMFELD DER O RGANISATION 10.2.1 Geringe Nachfrage der Industriebetriebe nach Leiharbeit In vielen weniger dicht besiedelten Kreisen, in denen sich keine nennenswerte industrielle Branchenstruktur entwickelt hat, spielt Leiharbeit in der Regel keine oder kaum eine Rolle (Abbildung 11 und 12) (Brenke/Eichhorst 2008: 250; Buch/Niebuhr 2008b: 24; Fuchs 2009a: 23). Der Gewerkschaftssekretär, der im Bezirk Nordrhein-Westfalen Verwaltungsstellen bei ihrem Engagement für Leiharbeiter unterstützt, beobachtete, dass in Regionen mit niedriger Leiharbeitsquote häufig auch die zuständigen Verwaltungsstellen nur ein geringes Engagement zu dem Thema aufwiesen: „Das hängt damit zusammen: Wie ist die örtliche Wirtschaftsstruktur? Sind da eher große Mittelständler, Großindustrie? Dann hat man da mehr. Wenn ich es mehr mit kleinen Firmen zu tun habe, da ist Leiharbeit nicht so weit verbreitet. Dann sind die Verwaltungsstellen oft auch nicht so rege dabei“ (Interview 5).

210 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Ein Beispiel hierfür lässt sich in Lüneburg finden. Die lokale Verwaltungsstelle ist deshalb kaum aktiv geworden, weil dort nur wenige Leiharbeiter eingesetzt wurden. Die wenigen lokalen Industriebetriebe nutzen statt Leiharbeit Befristungen als Flexibilisierungsinstrument: „Wenn ich jetzt hier Tausende von Leiharbeitern hätte, dann wäre ich an das Thema auch ganz anders rangegangen. Da es ein sehr überschaubares Problem bei uns in den Betrieben war, haben wir es auch nirgendwo thematisiert“ (Interview 75).

Welche Gründe sind für die geringe Leiharbeitsquote in den Zuständigkeitsgebieten mancher Verwaltungsstellen ursächlich? Zur Beantwortung dieser Frage wird noch einmal auf die Abbildung 12 Bezug genommen: So dämpft die ausgeprägte Spezialisierung auf die Landwirtschaft die Nachfrage nach Leiharbeit (Antoni/Jahn 2006: 7), z.B. im thüringischen Kyffhäuserkreis ebenso wie in strukturschwachen Agrarregionen im Norden Bayerns und in Brandenburg (Bogai et al. 2009: 24f.), denn im Jahr 2009 griff nur ca. 1 % aller Betriebe im primären Sektor auf Leiharbeit zurück (Crimmann et al. 2009: 24). Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass Agrarbetriebe tendenziell eher saisonale Arbeitskräfte, geringfügig Beschäftigte und Aushilfen als Leiharbeiter einsetzen (Jahn/Wolf 2005: 6; Buch/Niebuhr 2008b: 24; Sujata/Weyh 2009: 24). Dies trifft auch auf die Tourismusbranche zu, wo der Einsatz von Leiharbeitern ebenfalls unüblich ist (Vanselow/Weinkopf 2009: 11). Dies erklärt, warum die Leiharbeitsquote in den Urlaubsregionen, z.B. auf Rügen, bei 0 % liegt (Brenke/Eichhorst 2008: 250; Buch/Niebuhr 2008b: 24; Eigenhüller 2008: 14). Auch einige von der Branchenstruktur unabhängige Gründe können zu niedrigen Leiharbeitsquoten führen: In grenznahen Regionen zu Polen und Tschechien wird Leiharbeit evtl. weniger stark genutzt, weil Unternehmen dort auf vergleichsweise günstigere osteuropäische Arbeitnehmer als Flexibilitätsreserve zurückgreifen (Buch/Niebuhr 2008b: 24f.). Möglicherweise hat auch eine niedrige Arbeitslosenquote einen gewissen Einfluss auf die regional variierende Bedeutung von Leiharbeit. Beispielsweise zeigt ein Vergleich der Leiharbeitsquote von Ost- und Westdeutschland, dass diese in den östlichen Bundesländern etwas höher ist (Bundesagentur für Arbeit 2011d). Bellmann et al. (2009: 393) erklären die größere Bedeutung von Leiharbeit in den neuen Bundesländern mit der „schlechteren Arbeitsmarktsituation“. Brenke und Eichhorst (2008: 250) führen die geringe Leiharbeitsquote in einigen Kreisen darauf zurück, dass dort kein Druck besteht, über Leiharbeit in Beschäftigung zu gelangen. Allerdings wurde bisher kein systematischer Zusammenhang zwischen der Höhe der regionalen Arbeitslosenquote und der Leiharbeitsquote nachgewiesen (ebd.). Zudem ist Leiharbeit nicht in allen Unternehmen nutzbar bzw. vom Management gewünscht. Gründe, die aus unternehmerischer Sicht gegen Leiharbeit sprechen, können z.B. sein, dass die benötigte Qualifikation der Arbeitskräfte bei Ent-

M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE FÜR DIE SPÄTE A KTIVIERUNG

BZW . GERINGE

A KTIVITÄT

| 211

leihfirmen nicht verfügbar ist (Nienhüser 2007: 59; Seifert/Brehme 2008: 337). Der Einsatz von Leiharbeit kann außerdem in datensensiblen Arbeitsfeldern (z.B. in Kanzleien) aus Gründen des Datenschutzes nur in geringem Umfang erfolgen (Klemm et al. 2008: 97). Wo Leiharbeit keine große Bedeutung im Zuständigkeitsgebiet einer Verwaltungsstelle innehat, beschränkt sich die Aktivität bezüglich Leiharbeit auf die Rechtsberatung der Leiharbeiter, die bereits Mitglieder sind. Gezielte Bemühungen um Mitgliederwerbung unter Leiharbeitern hingegen werden unterlassen. 10.2.2 Verhinderung der Zunahme von Leiharbeit durch engagierte Betriebsräte in Entleihfirmen Nach Auskunft einiger Gewerkschaftssekretäre (Interview 2, 7, 25, 36, 32, 43, 59, 75) ist es in zahlreichen Unternehmen besonders durchsetzungsstarken und engagierten Betriebsräten aus Eigeninitiative – auch ohne Unterstützung der Gewerkschaft – gelungen, den Einsatz von Leiharbeitern von Vornherein zu unterbinden, indem sie im Gegenzug ihre Zustimmung zu den Forderungen des Arbeitgebers verweigerten. Beispielsweise gelang dem Betriebsrat im Ford-Werk in Saarlouis bereits im August 2003 eine Regelung, in der eine maximale Leiharbeitsquote von 11 % fixiert wurde. Außerdem wurde darin festgelegt, dass der Einsatz von Leiharbeitern in der Produktion nur in Anlaufphasen zu neuen Modellen oder der Markteinführungsphase von Folgemodellen möglich ist. Diese Vereinbarung wurde ohne Beteiligung der für das Werk zuständigen Verwaltungsstelle Völklingen getroffen (Interview 6). 10.2.3 Fehlendes Wissen über die Zunahme der Leiharbeit Zwar existieren nach Gemeinden differenzierte statistische Angaben der Bundesagentur für Arbeit über die Zahl der Leiharbeiter. Diese geben allerdings keine konkrete Auskunft darüber, wie viele Leiharbeiter in welchem Betrieb eingesetzt sind. Um den Umfang der Leiharbeit in den jeweiligen Betrieben im Zuständigkeitsgebiet einschätzen zu können, sind die Gewerkschaftssekretäre deshalb auf die Auskünfte der Betriebsräte angewiesen. Der Erste Bevollmächtigte in Bautzen wies jedoch darauf hin, dass in einigen Einsatzbetrieben keine Betriebsräte existieren, die ihm entsprechende Informationen geben könnten (Interview 78). Auch wenn Betriebsräte in Entleihfirmen existieren, sind deren Angaben oftmals nicht wahrheitsgemäß. Weil die Betriebsräte der Überzeugung sind, dass der Einsatz von Leihkräften als Schutz der Stammbelegschaft vor Entlassungen von Vorteil ist oder sie nicht zugeben wollen, dass sie die Einsätze der Leiharbeiter

212 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

nicht verhindert haben, gaben die Betriebsräte vor, es seien keine oder kaum Leiharbeiter im Betrieb eingesetzt. Die tatsächliche Bedeutung der Leiharbeit, ihre Auswirkungen und der daraus resultierende Handlungsdruck wurden infolgedessen von den Gewerkschaftssekretären unterschätzt (Interview 33, 46, 62).

10.3 Z WISCHENFAZIT Die empirischen Befunde machen deutlich, dass die Gewerkschaftssekretäre in den Verwaltungsstellen der Typen 2 und 3 erst vergleichsweise spät – gegen Ende der Phase II oder in Phase III – für Leiharbeiter aktiv wurden (Kapitel 9). Wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, erwiesen sich einige Verwaltungsstellen auch nach dem Start der Kampagne als kaum aktiv. Sie engagierten sich, wenn überhaupt, nur mit geringem Engagement für die Belange der Leiharbeiter, die in den lokalen Metall- und Elektrobetrieben eingesetzt wurden. Dies äußerte sich an einer geringen Zahl an vor Ort geworbenen Leiharbeitern und an erzielten „BesserVereinbarungen“. Zur Erklärung wurden verschiedene Einflussfaktoren identifiziert und erläutert, die entweder in der jeweiligen Subeinheit der Organisation oder in deren Handlungsumfeld verortet waren. Diese Faktoren wirkten sich hemmend auf die Aktivierung und Aktivität der Verwaltungsstellen aus (Tabelle 28). Die Ergebnisse belegen, dass es sich bei einem organisationsinternen Grund für ein geringes oder spätes Engagement um einen Mangel an den erforderlichen Personalkapazitäten handelte. In Verwaltungsstellen, in denen der Erste Bevollmächtigte gemeinsam mit dem Ortsvorstand entschied, die Prioritäten auf andere Themen zu setzen, wurde die Interessenvertretung und Mitgliederwerbung der Leiharbeiter vor Ort alternativen Zielen untergeordnet. In anderen Verwaltungsstellen war für das späte und geringe Engagement hinsichtlich Leiharbeit ursächlich, dass die lokalen Gewerkschaftssekretäre an der offiziell längst aufgegebenen Verbotsforderung und Ignoranz der Leiharbeit festhielten. Keine dringende Notwendigkeit, aktiv zu werden, bestand in solchen Verwaltungsstellen, in deren Zuständigkeitsgebiet eine große Entleihfirma ihren Sitz hatte, für deren Betriebspolitik ein Betriebsbetreuer auf Bezirksebene zuständig war. Ein Einflussfaktor außerhalb der Organisation im Handlungsumfeld der Subeinheiten war darin zu sehen, dass im Zuständigkeitsgebiet der Verwaltungsstelle lediglich eine geringe Nachfrage nach Leiharbeit bestand. Der Handlungsdruck, der andernorts durch einen rasanten Anstieg der Leiharbeit entstand, war in diesen Fällen weniger stark ausgeprägt, sodass auch die Reaktion darauf erst verzögert oder nur mit geringem Engagement erfolgte. Andernorts sorgten Betriebsräte aus Eigeninitiative dafür, dass Leiharbeit in ihrem Betrieb keine nennenswerte Bedeutung erreichte. In den zuständigen Verwaltungsstellen bestand deshalb keine dringende

M ULTISTANDÖRTLICHE G RÜNDE FÜR DIE SPÄTE A KTIVIERUNG

BZW . GERINGE

A KTIVITÄT

| 213

Notwendigkeit dazu, Leiharbeit zu thematisieren. In weiteren spät oder gering aktiven Verwaltungsstellen wurde die tatsächliche Bedeutung der Leiharbeit in den ortsansässigen Metall- und Elektrobetrieben unterschätzt, weil den Gewerkschaftssekretären dazu keine validen Informationen vorlagen. Während in Kapitel 9 herausgearbeitet wurde, aus welchen multistandörtlich variierenden Gründen die Aktivierung der lokalen Subeinheiten erfolgte, wurde in Kapitel 10 verdeutlicht, warum sich die Aktivierung in einigen lokalen Subeinheiten zeitlich verzögerte und die Aktivität von Verwaltungsstelle zu Verwaltungsstelle variierte. Somit bestätigen die Forschungsergebnisse erneut die theoretischkonzeptionellen Aussagen des Kapitels 5, dass die Untersuchung der Ressourcenentwicklungsprozesse in Gewerkschaften nur unter Berücksichtigung ihrer räumlichen Differenzierung und ihres zeitlichen Ablaufs möglich ist.

11 Weiterer Handlungsdruck der IG Metall aufgrund der Krise 2008/2009

Der Handlungsdruck, der die IG Metall zur Implementierung und Entwicklung des aktiven Vorgehens veranlasst hatte, wurde durch die Rezession in den Jahren 2008 und 20091 verstärkt. Dieser krisenbedingte Handlungsdruck resultierte aus zwei Entwicklungen: Zum einen bestand aufgrund der Entlassungen in der Leiharbeitsbranche Anlass zu der Sorge, dass die geworbenen Leiharbeiter nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes wieder aus der Gewerkschaft austreten. Kapitel 11.1 befasst sich deshalb mit dem durch die Krise bedingten Abbau der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Zum anderen war nach dem Ende der Rezession wieder ein neuer Anstieg der Leiharbeit zu erwarten (Kapitel 11.2). In der Gewerkschaft wurde befürchtet, dass in der nächsten Aufschwungphase Leiharbeit verstärkt dazu genutzt werden würde, reguläre Beschäftigung zu ersetzen. In Kapitel 5.3.1 und 7 wurde eine Tabelle entwickelt, um den allgemeinen Handlungsdruck auf Gewerkschaften (Tabelle 10) sowie den spezifischen Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit in der IG Metall (Tabelle 15) darzustellen. Die Tabelle wird nun um eine weitere Druck erzeugende Entwicklung im Umfeld der Organisation erweitert. Wie in Tabelle 30 dargestellt und im Folgenden erläutert wird, werden Gewerkschaften, wie in diesem Fall die IG Metall, auch durch Krisen auf dem Arbeitsmarkt zur Ressourcenentwicklung veranlasst.

1

Auf eine ausführliche Erklärung der Krise 2008/2009 und ihrer gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Für die hier untersuchte Thematik sind lediglich die Krisenfolgen für die Leiharbeit und das Handeln der IG Metall von Relevanz, die im Folgenden beschrieben werden.

216 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Tabelle 30: Handlungsdruck im Handlungsumfeld der Organisation und in der Organisation als Voraussetzungen für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten Allgemeiner Handlungsdruck in Gewerkschaften Dynamische Prozesse der Restrukturierung von Arbeitsmärkten

Veränderungen der personalpolitischen Strategien von Unternehmen und Im deren Folgen im Betrieb Handlungsumfeld Politische Prozesse und der Organisation rechtliche Reformen zur (De-)Regulierung von Beschäftigung Krisen auf dem Arbeitsmarkt

In der Organisation

Mitgliederrückgang

Spezifischer Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit in der IG Metall Zunahme von Leiharbeitern als prekär Beschäftigte mit hohem Bedarf an gewerkschaftlicher Unterstützung Negative Auswirkungen der Zunahme von Leiharbeit für die Stammbelegschaft in Entleihbetrieben Sukzessive Deregulierung der Leiharbeit

Austritte der geworbenen Leiharbeiter nach Verlust des Arbeitsplatzes in der Krise und Substitution von regulärer Beschäftigung nach der Krise Notwendigkeit, Mitgliederpotenziale zu erschließen

Quelle: Eigene Darstellung

11.1 L EIHARBEITER ALS BESONDERS VON DER K RISE BETROFFENE B ESCHÄFTIGTENGRUPPE Leiharbeit wird häufig als Frühindikator der Arbeitsmarktentwicklung bezeichnet (Walter 2008: 29; Vanselow 2009: 2), weil sie im Vergleich zu anderen Branchen vorzeitig von Konjunkturveränderungen betroffen ist (Dispan et al. 2009: 25; Statistisches Bundesamt 2009a: 1). Das zeigte sich in der jüngsten Wirtschaftskrise darin, dass der Beschäftigungsabbau in dieser Branche bereits im zweiten Quartal 2008 und somit einige Monate vor dem Einbruch der Gesamtbeschäftigung einsetzte (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 6). Als erste Reaktion auf die krisenbedingte Abnahme der Auftragseingänge wurde die Leiharbeit reduziert, da Leiharbeiter nicht langfristig an den Betrieb gebun-

W EITERER H ANDLUNGSDRUCK AUFGRUND DER K RISE

| 217

den sind (Statistisches Bundesamt 2009a: 1).2 Die Krise äußerte sich deshalb in einem dramatischen Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Leiharbeit (Abbildung 19): Die Zahl der Leiharbeiter hatte im Juli 2008 mit ca. 823.000 ihren vorläufigen Monatshöchststand erreicht und sank von 814.000 im September 2008 um ca. ein Viertel auf den Tiefststand in der Krise von 580.000, der im April 2009 erreicht wurde (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 15). Im Schnitt aller Branchen ging von Juni 2008 bis Juni 2009 die Beschäftigung in Deutschland um 77.600 zurück (ebd.: 14), in der Leiharbeit sogar um 185.000 (Bundesagentur für Arbeit 2011c). Für Leiharbeiter war das Risiko, krisenbedingt arbeitslos zu werden, zehnmal höher als für Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 16). Die rückläufige Entwicklung der absoluten Zahl an Leiharbeitern zeigte sich auch an der Leiharbeiterquote (Abbildung 19). Zwischen Oktober 2004 und 2008 war die Leiharbeiterquote von 1,3 % auf 2,5 % gestiegen. Danach sank sie bis Oktober 2009 auf 2,1 % (ebd.: 13). Abbildung 19: Entwicklung der Leiharbeiterquote von Oktober 2004 bis Oktober 2010 und der absoluten Zahl an Leiharbeitern von Januar 2004 bis Juni 2011 in Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesagentur für Arbeit 2011a: 11, c, 2012

2

Weitere personalpolitische Maßnahmen bestanden darin, die Verträge von befristet Beschäftigten auslaufen zu lassen sowie die Arbeitszeit mithilfe von Überstundenabbau und der Rückführung der Salden auf Arbeitszeitkonten zu reduzieren (Dispan et al. 2009: 51; Detje et al. 2011: 616). Außerdem wurde Kurzarbeit für die Belegschaft angemeldet und die Zahl der Schichten verringert (Wirtschaftswoche 14.01.2009).

218 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Um die Entlassungswelle in der Leiharbeitsbranche abzumindern, wurden im Konjunkturpaket II, das im Februar 2009 verabschiedet wurde, die Bedingungen dafür geschaffen, dass Leiharbeitsfirmen rückwirkend ab November 2008 für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden konnten. Kurzarbeit bedeutet, dass die Beschäftigten maximal 18 Monate lang weniger oder gar nicht arbeiten. Der dadurch bedingte Verdienstausfall wird durch das Kurzarbeitergeld ausgeglichen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt 67 % des Nettolohns. Für den Lohnausfall kommt zwar die Arbeitslosenversicherung auf, die Sozialversicherungskosten muss aber der Arbeitgeber tragen (Schröder 2010a: 69; Handelsblatt 25.02.2009). Zuvor war die Branche von dieser Nothilfe ausgenommen gewesen (Spiegel 01.12.2008; Fuchs 2009a: 19). Die meisten Leiharbeitsfirmen zogen es jedoch vor, den Mitarbeitern zu kündigen oder deren befristeten Beschäftigungsverhältnisse auslaufen zu lassen (IMU Institut Stuttgart 2011: 2). Infolgedessen waren lediglich ca. 3 % der Leiharbeiter 2009 von Kurzarbeit betroffen, wohingegen die Kurzarbeiterquote im produzierenden Gewerbe dreimal höher lag (Bundesagentur für Arbeit 2009a: 13). Die Krise führte 2009 bei den zehn Branchenführern zu Personalabbau und Umsatzeinbußen gegenüber dem Vorjahr (FAZ 18.03.2009) (Tabelle 31). Zudem wurde von einer „Marktbereinigung“ berichtet, der kleine und mittlere Anbieter zum Opfer fielen (Die Zeit 08.04.2009). Tabelle 31: Entwicklung des Umsatzes und der Mitarbeiterzahlen der zehn größten Leiharbeitsfirmen in Deutschland 2008 und 2009 Unternehmen 1 2 3

Randstad Deutschland Adecco Germany Manpower

5

Persona Service AutoVision

6

7(5) Personal

4

Umsatz Entwicklung (in Mio. €) (in %) 2008 2009

Leiharbeiter 2008

2009

Entwicklung (in %)

1.880 1.320

-30

63.000 43.500

-31

1.538

330

-36

52.687 33.600

-36

623

451

-28

26.700 20.500

-23

541

328

-40

16.500 12.450

-25

346

287

-17

6.940

6.506

-6

284

213

-25

8.214

6.686

-19

USG People Germany ZAG Orizon

339

213

-37

13.200 7.900

-40

265 297

201 187

-24 -37

11.800 8.950 9.340 6.450

-24 -31

10 TimePartner

253

174

-31

6.000

-25

7 8 9

Quelle: Eigene Berechnungen nach Lünendonk 2010

4.500

W EITERER H ANDLUNGSDRUCK AUFGRUND DER K RISE

| 219

Die geschilderten Entwicklungen der statistischen Indikatoren zeigen, dass Leiharbeiter eine vergleichsweise früh und stark von der Krise betroffene Beschäftigtengruppe darstellen. Viele von ihnen wurden arbeitslos und bedurften aus diesem Grund unter den Bedingungen der Rezession in besonders starkem Maß der Unterstützung der Gewerkschaft. Das Augenmerk von Gewerkschaften ist jedoch primär auf die Sicherung bestehender Beschäftigungsverhältnisse gerichtet. Deshalb nehmen Arbeitslose Gewerkschaften in der Regel nicht als Vertreter ihrer Interessen wahr und treten nach Verlust des Arbeitsplatzes wieder aus. Auch in der Krise 2008/2009 zeigte sich, dass sich die Gewerkschaften in erster Linie darum bemühten, die Entlassungen von regulär Beschäftigten zu verhindern. Viele arbeitslos gewordene Leiharbeiter beendeten ihre Mitgliedschaft. Dies war – zusammen mit dem befürchteten Anstieg der Leiharbeit nach der Rezession – für den auf Leiharbeit bezogenen Handlungsdruck ursächlich, der aus der Krise resultierte.

11.2 A NSTIEG DER L EIHARBEIT DER K RISE 2008/2009

NACH DEM

E NDE

Nicht nur der Beschäftigungsabbau zu Krisenbeginn, sondern auch der Beschäftigungsaufbau nach der Konjunkturerholung wurde in der Leiharbeit früher als in anderen Branchen beobachtet (Bundesagentur für Arbeit 2011a: 6). Während die Zahl der Leiharbeiter bereits ab Mai 2009 wieder anstieg (FTD 30.09.2009; Handelsblatt 09.11.2009) (Abbildung 19), wuchsen die Beschäftigtenzahlen allgemein erst ab Ende 2009 wieder (SZ 03.05.2010). Dies ist damit zu erklären, dass Betriebe durch den Einsatz von Leiharbeitern die Möglichkeit nutzen, sich in der Frühphase eines erneuten Aufschwungs noch nicht fest an Personal zu binden (IW Köln 2010d). Erst in einer späteren Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs steigt auch die Nachfrage nach festem Personal in den Entleihbetrieben an (Baum 2010b: 44). Ab Mai 2009 hielt der Anstieg der Leiharbeiterzahlen an, und im Juni 2010 waren 806.000 Leiharbeiter in den Verleihbetrieben beschäftigt – nur noch 17.000 weniger als im Rekordmonat Juli 2008 (ebd.: 8). Bis Juni 2011 stieg der Bestand an Leiharbeitern auf den bisherigen Rekordwert von über 909.000 (Bundesagentur für Arbeit 2012). Die schon während der Krise von den Gewerkschaften erwartete Zunahme von Leiharbeit übte auf die Gewerkschaften enormen Druck aus. Sie befürchteten, dass die zuvor reduzierten Stellen nicht neu mit Stammkräften besetzt wurden, sondern die Arbeit von Leihkräften übernommen werde (Hans-Böckler-Stiftung 2008: 1; IMU Institut Stuttgart 2011: 3). Die IG Metall versuchte deshalb, einen erneuten Aufbau der Leiharbeit zu verhindern.

220 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

11.3 Z WISCHENFAZIT Die Ergebnisse dieses Kapitels leisten einen Beitrag zu einem vertieften Verständnis darüber, welcher Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit aufgrund der Krise 2008/2009 auf die Gewerkschaft wirkte: Erstens galt es, die bis zum Einsetzen der Rezession geworbenen Leiharbeiter in der Gewerkschaft zu halten und auch unter Krisenbedingungen in ihren Interessen zu vertreten, als bundesweit ein Viertel der Leiharbeitskräfte entlassen wurde. Zweitens wurde der erneute Anstieg der Leiharbeit nach dem Ende der Krise von den Gewerkschaften bereits während der Krise erwartet. In der IG Metall wurde befürchtet, dass die aufgrund der Rezession abgebauten regulären Arbeitsplätze nach der Krise nicht mehr wieder neu besetzt, sondern durch Leiharbeit substituiert werden würden. Wie in Kapitel 11 insgesamt deutlich wurde, muss die zeitlich-historische Perspektive auf die Ressourcenentwicklung aufgrund der Krise erweitert werden: In den Kapiteln 8, 9 und 10 wurde die Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen vor der Krise in den Phasen I (1990 bis Ende 2002) II (Ende 2002 bis Mitte 2007) und III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) nachgezeichnet. Diese Gliederung des gewerkschaftlichen Handelns in einzelne Zeiträume wurde um eine weitere Phase ergänzt – die Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2008), die den Zeitraum der Krise umfasst. Im Kapitel 12 werden die vor der Rezession in Phase I bis III entwickelten und implementierten organisationalen Fähigkeiten und Routinen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit dargestellt. Zudem wird aufgezeigt, inwiefern diese Ressourcenkonfigurationen während der Krise in Phase IV weiterhin eine Nutzung oder eine Weiterentwicklung erfuhren.

12 Multistandörtliche und multiskalare Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche neuen Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor der Wirtschaftskrise 2008/2009 entwickelt und implementiert wurden, mit denen die IG Metall auf die Zunahme von Leiharbeit und die damit verbundenen Auswirkungen reagierte. Weil dann die Rezession für einen umfangreichen Abbau der Leiharbeit in den Unternehmen und einen drastischen Rückgang der Zahl an Leiharbeitern in Deutschland sorgte, wird außerdem erläutert, wie sich die Subeinheiten der IG Metall auf den neuen Handlungsdruck in ihrem Umfeld hin verhielten und welche Folgen dies für die zuvor entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen hatte. Die aktive Vorgehensweise der IG Metall bezüglich Leiharbeit bestand aus wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen, die sich aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen zusammensetzen. Die Ausführungen dienen der Vorstellung und Erklärung der organisationalen Fähigkeiten, die als Bestandteile das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit in der IG Metall vor und während der Krise ausmachten. Des Weiteren werden die vier Politikfelder gewerkschaftlichen Handelns erläutert, in denen sich das aktive Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit manifestierte – die Organisations-, Betriebs-, Tarif- und Rechtspolitik. Anschließend wird auf die Routinen eingegangen, die bei der Anwendung der organisationalen Fähigkeiten in den verschiedenen Politikfeldern auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene ausgeübt wurden und in den Subeinheiten der Gewerkschaftsorganisation vor und während der Krise beobachtet wurden. Um die krisenbedingten Veränderungen der Ressourcenkonfigurationen aufzuzeigen, wird erneut eine zeitlich-historische und räumlich-skalare Perspektive gewählt. In zeitlich-historischer Hinsicht wird auf die Zeitphasen Bezug genommen, mit denen bereits die Entwicklung und Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen

222 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

vor der Krise in den Phasen I (1990 bis Ende 2002), II (Ende 2002 bis Mitte 2007) und III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) nachgezeichnet wurde und die durch die Krise um die Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2008) ergänzt wurde. In dieser Phase während der Krise wurden die Ressourcen auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene in einzelnen Subeinheiten entweder nicht mehr genutzt, weiterhin genutzt oder weiterentwickelt. Indem aufgezeigt wird, welche Subeinheiten auf den drei Ebenen unter den Krisenbedingungen die Anwendung der vor der Krise entwickelten und implementierten organisationalen Fähigkeiten und Routinen einstellten und welche sie fortsetzten, wird die multistandörtliche und multiskalare Gliederung der Gewerkschaft berücksichtigt und greifen die zeitlich-historische und die räumlichskalare Betrachtungsweise ineinander.

12.1 O RGANISATIONALE F ÄHIGKEITEN Im empirischen Material konnten zwei zentrale organisationale Fähigkeiten identifiziert werden, die vor der Krise mit dynamischen Fähigkeiten „bottom-up“ entwickelt und „top-down“ implementiert wurden. Dabei handelte es sich zum einen um die organisationale Fähigkeit der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor der Krise. Indem sich die IG Metall für bessere Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen einsetzte, signalisierte sie Leiharbeitern, dass sie für deren Belange aktiv geworden war und ein Gewerkschaftsbeitritt sich lohnt. Deshalb lassen sich die Mitgliederwerbung unter Leiharbeitern und deren Interessenvertretung weder in der gewerkschaftlichen Handlungspraxis noch zu Zwecken der empirischen Untersuchung voneinander differenzieren und deshalb werden sie im Folgenden als eine organisationale Fähigkeit der Gewerkschaft untersucht. Außerdem konnte die IG Metall in einigen Entleihbetrieben der Metall- und Elektroindustrie durch ihren Einsatz für eine „faire“ Entlohnung für Leiharbeiter verhindern, dass die Einkommensbedingungen der Stammbeschäftigten unter Druck gerieten. Auf diese Weise vertrat die Gewerkschaft nicht nur die Interessen der Leiharbeiter, sondern ging zugleich gegen die negativen Auswirkungen der Leiharbeit in den Betrieben vor. Zwar existierte die organisationale Fähigkeit, die Interessen von regulär Beschäftigten in den Metall- und Elektrobetrieben zu repräsentieren und sie als Mitglieder zu werben, in der IG Metall bereits zuvor. Sie musste aber mit dynamischen Fähigkeiten dahingehend weiterentwickelt werden, dass sie speziell in der Leiharbeit angewendet werden konnte. An einigen Gewerkschaftsstandorten konnte diese organisationale Fähigkeit auch nach dem Beginn der Wirtschaftskrise im Herbst 2008 weiterhin genutzt werden. Dies traf z.B. auf solche Verwaltungsstellen zu, in deren Zuständigkeitsgebiet

U NTERSCHIEDE DER ORGANISATIONALEN F ÄHIGKEITEN UND R OUTINEN

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die ansässigen Entleihfirmen von der Rezession verschont blieben, weil sie grundsätzlich keinen konjunkturellen Schwankungen unterliegen. In manchen Subeinheiten der Gewerkschaft wurde jedoch die organisationale Fähigkeit der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern nach Einsetzen des Konjunkturabschwungs zu der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts weiterentwickelt. In jenen Verwaltungsstellen blieben viele Leiharbeiter in der Gewerkschaft, obwohl sie ihre Beschäftigung verloren hatten. In München bemühte sich beispielsweise die für Leiharbeit zuständige Sekretärin um die Entwicklung dieser organisationalen Fähigkeit: „Wir wollen die Leute in den Betrieben halten, also die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Wenn Siemens sagt: „Wir brauchen euch im Moment nicht mehr“, dass dann die Leiharbeitsfirmen nicht hingehen und die Leute gleich rausschmeißen, sondern dass sie erst mal ihre Verpflichtung haben, zu schauen: Wo kann ich denn weiter vermitteln und weiter beschäftigen bevor eine Kündigung erfolgt?“ (Interview 55).

In anderen Verwaltungsstellen, z. B. in Bochum und Salzgitter, konnten die Gewerkschaftsaustritte nicht verhindert werden (Interview 17, 20, 43, 72). Bei der zweiten organisationalen Fähigkeit der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit handelt es sich um die organisationale Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit. Wenn es der Gewerkschaft und den Betriebsräten nicht gelingt, Leiharbeit komplett zu vermeiden, wird diese organisationale Fähigkeit dazu genutzt, den Einsatz von Leiharbeitern in den Betrieben hinsichtlich der Dauer und des Umfangs zumindest einzuschränken bzw. Leiharbeit, wenn sie bereits zum etablierten personalpolitischen Instrumentarium des jeweiligen Betriebs gehört, wieder abzubauen. Dass mit dieser organisationalen Fähigkeit vor Krisenbeginn versucht wurde, Leiharbeit in den Betrieben so gering wie möglich zu halten, zeigt, dass nicht alle gewerkschaftlichen Bemühungen dazu dienten, Leiharbeitern Unterstützung zu bieten. Auf diese Weise versuchte die IG Metall hingegen in erster Linie, zu verhindern, dass die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in den Betrieben durch Leiharbeit unter Druck gerieten bzw. Arbeitsplätze durch Leiharbeit substituiert wurden, wie ein Sekretär im Vorstand erläutert: „Unsere Position als IG Metall ist: Wir akzeptieren Leiharbeit als Flexibilitätsinstrument. Wenn wir aber feststellen, dass es darüber hinaus angewendet wird, nämlich zum „Dumping“, dann ist ja die klare Konsequenz: Wir müssen einen bestimmten Teil dieser Leiharbeit erst mal wegkriegen und zurückdrängen. Nämlich da, wo es nicht um Flexibilität geht, sondern wo Dauerarbeitsplätze besetzt werden“ (Interview 1).

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Nach Krisenbeginn wurde diese organisationale Fähigkeit in manchen Gewerkschaftseinheiten dahingehend weiterentwickelt, dass sie zur Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Ende der Krise genutzt werden konnte. Unternehmen, Belegschaften und Betriebsräte haben in der Krise gelernt, dass Leiharbeit die Stammbelegschaften vor dem Personalabbau schützt. Die in der Krise reduzierten Arbeitsplätze wurden zum Teil nach der Krise nicht wieder neu besetzt, sondern Leiharbeiter als Personalpuffer für künftige Konjunktureinbrüche entliehen. Wo bereits zuvor Leiharbeit intensiv genutzt worden war, wurde nach der Krise noch stärker darauf zurückgegriffen. Der Gewerkschaftssekretär in Paderborn brachte die Sorge der Gewerkschaften um diese künftige Entwicklung auf dem Punkt: „In der Krise ist vor dem Boom“ (Interview 23). An einigen wenigen Gewerkschaftsstandorten, wo die organisationale Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit zu der organisationalen Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende weiterentwickelt worden war, konnte die befürchtete Zunahme von Leiharbeit verhindert oder zumindest beschränkt werden. Die neu entwickelten und implementierten bzw. unter Krisenbedingungen zum Teil weiterentwickelten neuen Ressourcenkonfigurationen bestehen allerdings nicht nur aus organisationalen Fähigkeiten, sondern auch aus Routinen, die den organisationalen Fähigkeiten bezüglich Leiharbeit zugeordnet werden können. Die Routinen, die bei der Nutzung der genannten organisationalen Fähigkeiten ablaufen, werden aus Gründen der übersichtlichen Strukturierung der Forschungsergebnisse nach den vier verschiedenen Politikfeldern des gewerkschaftlichen Handelns gegliedert, in denen sie zur Anwendung kommen: der Organisations-, Politik-, Tarifund Rechtspolitik. Diese Differenzierung beruht auf den begrifflichen Abgrenzungen, die durch die IG Metall selber vorgenommen werden (Huber 2007: 7ff.).

12.2 P OLITIKFELDER DER AKTIVEN V ORGEHENSWEISE BEZÜGLICH L EIHARBEIT 12.2.1 Organisationspolitik In der Organisationspolitik strebt die Gewerkschaft danach, neue Mitglieder unter Leiharbeitern zu werben, um die erodierte gewerkschaftliche Organisationsmacht zu stärken. In der Krise wurde in diesem politischen Handlungsfeld versucht zu verhindern, dass die geworbenen Leiharbeiter nach dem Verlust des Arbeitsplatzes wieder austreten. Die Organisationspolitik ist allerdings von den anderen gewerkschaftlichen Politikbereichen nicht trennscharf abgrenzbar (Wassermann 2003: 208), weil jegliches

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betriebs-, tarif- und rechtspolitisches Engagement bezüglich Leiharbeit zugleich dem organisationspolitischen Ziel dient, neue Mitglieder zu gewinnen. Dies wird daran ersichtlich, dass die Rekrutierung von Leiharbeitern in größerem Umfang nur möglich ist, wenn der Ansprache der Leiharbeiter z.B. der Abschluss einer Betriebsvereinbarung vorausging. Dann wurde der betriebspolitische Erfolg in Gestalt einer Aufschlagszahlung auf den tariflich geregelten Lohn für den einzelnen Leiharbeiter unmittelbar erfahrbar und ein Beitritt tendenziell eher in Betracht gezogen (Interview 9). Des Weiteren gewinnt eine Gewerkschaft bei der Stellung von Forderung in der Rechtspolitik, z.B. nach einer strikteren Regulierung der Leiharbeit, an Einflussmacht, je mehr Mitglieder sie in der Branche vorzuweisen hat. Weil die Organisationspolitik demnach nicht separat von den anderen drei Politikfeldern zu sehen ist, wird sie bei der Erläuterung der Routinen in den Politikfeldern (Kapitel 12.3.1 bis 12.3.6) jeweils gemeinsam mit der Betriebs-, Tarif- und Rechtspolitik untersucht. 12.2.2 Betriebspolitik Die Betriebspolitik umfasst die Gesamtheit der gewerkschaftlichen Strukturen und Aktivitäten, die der Interessenvertretung von Beschäftigen auf betrieblicher Ebene dienen. Dazu gehören insbesondere die betriebliche Lohn- und Arbeitszeitpolitik, personal- und sozialpolitische Regelungen und Fragen des Gesundheitsschutzes. Neben der Arbeit der Gewerkschaftssekretäre umfasst Betriebspolitik auch das Handeln der gewerkschaftlich organisierten Betriebsräte, Vertrauensleute und Belegschaften in den Betrieben. Bezüglich Leiharbeit bedeutet Betriebspolitik die Interessenvertretung von Leiharbeitern in den Verleih- und Entleihfirmen. Weil sich die Betriebspolitik zu Leiharbeit in den Verleihfirmen aufgrund der fehlenden Betriebsrats- und Mitgliederstrukturen schwierig gestaltet, sind die meisten identifizierten betriebspolitischen Routinen auf den Ansatz in der Entleihfirma ausgerichtet. Während der Krise wurde betriebspolitisch versucht, den Anstieg der Zahl an Leiharbeitern nach der Krise z.B. durch Quoten in Betriebsvereinbarungen zu verhindern. 12.2.3 Tarifpolitik Im Zusammenhang mit dem Erlass des novellierten AÜG als ein Bestandteil der „Hartz-Reformen“ wurden im Jahr 2003 erstmals durch eine DGB-Kommission Tarifverträge mit zwei Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche abgeschlossen. Die IG Metall ist in der DGB-Tarifkommission mit eigenen Tarifexperten vertreten. Auf diesem tarifpolitischen Weg wird versucht, eine Annäherung des Einkommens der Leiharbeiter an die der Stammkräfte zu erzielen (Dombre 2007, Anhang 1).

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Aufgrund der Mitgliederschwäche und der Konkurrenz durch die Tarifgemeinschaft CGZP (Kapitel 4.3 und 7.1.2.1, Anhang 1) erwies sich die Verbesserung der Flächentarifverträge in der Vergangenheit jedoch als wenig aussichtsreich.1 Diese ungünstige Situation veranlasste die IG Metall ab dem Jahr 2008 dazu, den Schwerpunkt der tarifpolitischen Aktivitäten bezüglich Leiharbeit von der nationalen auf die regionale bzw. lokale Ebene zu verlagern, indem sich die Gewerkschaft bemüht, die Löhne der Leiharbeiter auch über die Regulation in den Einsatzbetrieben denen der Stammkräfte anzugleichen. Zu diesem Zweck wurden in tariflichen Abweichungsregelungen zwischen Entleihunternehmen und den lokalen oder regionalen Vertretungen der Gewerkschaft Zuschläge für Leiharbeiter vereinbart. Alternativ wurden Haustarifverträge mit Verleihfirmen abgeschlossen, die eine bessere Entlohnung gewährleisten als die Flächentarifverträge der Leiharbeitsbranche. Während der Krise wurde in der Tarifpolitik versucht, z.B. durch den Abschluss von Sanierungs- und Abweichungstarifverträgen mit Entleihfirmen die Zunahme der Leiharbeit nach Krisenende zu verhindern (Interview 16). Auf diese Weise erfolgte eine Reskalierung der Tarifpolitik (Kapitel 5.2.4) von der nationalen auf die regionale bzw. lokale Ebene: Die IG Metall ergänzte ihre tarifpolitische Strategie um eine weitere, größeren Erfolg versprechende Vorgehensweise, indem sie ihr Handeln nicht nur auf der nationalen Ebene beließ. Stattdessen wurde zusätzlich zu der Verhandlung der Flächentarifverträge erstmals eine neue Form der Tarifpolitik auf den Ebenen vorangetrieben, auf denen der IG Metall die Durchsetzung ihrer Forderungen besser gelingt als auf der nationalen Ebene. Schließlich hat die Gewerkschaft auf der lokalen und regionalen Ebene mehr Möglichkeiten, z.B. durch die Androhung von betrieblichen Protesten, auf den Arbeitgeber Druck auszuüben. Außerdem erhoffte sich die IG Metall von diesem Vorgehen, dass die dabei forcierten tarifpolitischen Erfolge auf der lokalen und regionalen Ebene in bestimmten Einsatzbetrieben eher zu einem Anstieg der Mitgliederzahlen unter Leiharbeitern führen, als die ab 2003 verfolgte Strategie der Verhandlung von Flächentarifverträgen auf der nationalen Ebene.

1

Dies zeigte sich besonders deutlich in den Verhandlungsrunden der DGB-Tarifgemeinschaft mit dem BZA im Jahr 2008. Die Gewerkschaftsseite forderte eine Entgelterhöhung um 8,5 %, aber die Arbeitgeber verweigerten jede Erhöhung. Daraufhin wurden mehrere Verhandlungsrunden ergebnislos abgebrochen. Bei der letztendlichen Einigung bot der BZA lediglich eine Einmalzahlung von 40 Euro an (IG Metall 2008f: 4; Schröder 2010d: 106).

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12.2.4 Rechtspolitik Im Handlungsfeld der Rechtspolitik schloss sich die IG Metall der politischen Programmatik des DGB bezüglich Leiharbeit an (Anhang 1) und forderte eine striktere und „faire“ rechtliche Neuregelung der Leiharbeit. Dabei verlangte sie insbesondere folgende Neuregelungen des AÜG (IG Metall 2008f: 2; DGB 2007: 12f.; DGB 2008: 9; DGB 2009a: 11, b: 19f.): • Das Gesetz müsse dahingehend geändert werden, dass ab dem ersten Einsatztag im Entleihbetrieb und ohne Einschränkung durch eine Tariföffnungsklausel (Kapitel 7.1.2.1) das Prinzip der Gleichbezahlung bezüglich des Entgelts und der Arbeitsbedingungen gilt. • Die Überlassungshöchstdauer müsse wieder eingeführt werden, damit der Abbau regulärer Beschäftigung durch Leiharbeit unterbunden wird. • Die Einstellung von Leihbeschäftigten nur für die Dauer eines Einsatzes müsse durch die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots gesetzlich verboten werden. • Der Zugang der Leiharbeitskräfte zu Weiterbildungsangeboten müsse durch entsprechende rechtliche Vorgaben für Leiharbeitsfirmen verbessert werden. • Die Verleiher seien stärker zu kontrollieren und Rechtsverstöße strenger zu sanktionieren. • Die Rechte der Betriebsräte der Entleiher bezüglich der Mitsprache bei Leiharbeitereinsätzen müssen gestärkt werden. Um zur Durchsetzung der rechtspolitischen Forderungen Druck aufzubauen, knüpft die IG Metall an gesellschaftliche Debatten über soziale Gerechtigkeit an und sucht das Gespräch mit politischen Parteien, wie ein Sekretär im Vorstand betont: „Leiharbeit ist ein Symbolthema für die Deregulierungen im Zusammenhang mit den „HartzGesetzgebungen“. Ein Symbolthema für die Fragen: Ist wirklich alles sozial, was Arbeit schafft? Ist das die richtige Politik? Was hat das für Auswirkungen?“ (Interview 2).

12.3 O RGANISATIONALE R OUTINEN IN DEN VIER P OLITIKFELDERN In Kapitel 3.3.1 wurde erläutert, dass Routinen nach dem Verständnis dieser Arbeit Handlungsmuster bzw. standardisiert aufeinander folgende Handlungen sind, die in der Organisation wiederholt zu beobachten und auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind. Solange eine Aktivität in einer Organisation nur selten durch einen Akteur,

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z.B. einen Promotor in der IG Metall, vollzogen wird, handelt es sich dabei noch nicht um eine Routine, sondern erst dann, wenn durch weitere Akteure oder denselben Akteur eine mehrfache Wiederholung und Verstetigung dieser Aktivität erfolgt. Zudem wurde in Kapitel 3.3.1 darauf hingewiesen, dass die zielgerichtete, systematische Anwendung von Routinen erst durch die Nutzung einer organisationalen Fähigkeit möglich wird. Jeder Ebene der Gewerkschaftsorganisation kommen Aufgaben zum Erreichen der Gewerkschaftsziele zu (Kapitel 5.2.3) und dementsprechend steht ein spezifisches Set an organisationalen Fähigkeiten und Routinen zur Verfügung. Die Routinen, die mit dynamischen Fähigkeiten zusammen mit den genannten organisationalen Fähigkeiten zu neuen Ressourcenkonfigurationen eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit entwickelt und implementiert worden waren und deren Nutzung in den vier erläuterten Politikfeldern gewerkschaftlichen Handelns auf den drei Ebenen der Organisation erfolgte, wurden im Interviewmaterial identifiziert. In den folgenden Kapiteln werden sie erläutert, und es wird aufgezeigt, in welchen organisationalen Subeinheiten sie in den Phasen I bis III zu beobachten waren. Außerdem wird für jede identifizierte Routine dargestellt, ob bzw. wo sie auch nach Einsetzen der Krise in der Phase IV aufgetreten ist und ob bzw. wo sie nach Krisenbeginn weiterentwickelt wurde. Dabei wird deutlich, dass die meisten Routinen der organisationalen Fähigkeiten in der Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2009) nirgends mehr beobachtet wurden, was auf einen allgemeinen Rückgang der Aktivität in der Gewerkschaft bezüglich Leiharbeit schließen lässt – obwohl durch die Krise der Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit zunahm. 12.3.1 Betriebs- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise Die Routinen der Betriebs- und Organisationspolitik (Tabelle 32) wurden bei der Nutzung der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor der Krise beobachtet. Einige dieser Routinen wurden in der Krise weiterhin angewendet. Andere wurden zu der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts weiterentwickelt.

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Nutzung fortgesetzt Wuppertal

Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern Aalen, Bamberg, Gütersloh, Gaggenau, Hagen, Hanau-Fulda, Ludwigshafen-Frankenthal, Minden, Mönchengladbach, München, Neustadt a.d. Weinstraße, Rosenheim, Singen, Stuttgart, Südniedersachsen-Harz

Gründung und Leitung eines Arbeitskreises zu Leiharbeit Nutzung fortgesetzt Alfeld-Hameln-Hildesheim, Bautzen, Berlin, Bremen, Chemnitz, Eisenach- Freiburg Suhl-Sonneberg, Emden, Erlangen, Frankfurt/Main, Freiburg, Gütersloh, Hamburg, Ingolstadt, München, Nordhessen, Oldenburg-Wilhelmshaven, Osnabrück, Regensburg, Siegen, Ulm

Weiterentwickelt: Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung von Kurz-arbeit für Leiharbeiter und den langsamen Abbau von Leiharbeit Friedrichshafen-Oberschwaben, KölnLeverkusen, Salzgitter-Peine

Vor der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

Nutzung fortgesetzt Bonn-Rhein-Sieg, Mülheim a.d. Ruhr

Lokale Ebene

In der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern Aalen, Alfeld-Hameln-Hildesheim, Bamberg, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn-Rhein-Sieg, Düren, Düsseldorf-Neuss, Eisenach-Suhl-Sonneberg, Emden, Esslingen, Friedrichshafen-Oberschwaben, Gaggenau, Hagen, Hamburg, Hanau.-Fulda, Hannover, Heilbronn-Neckarsulm, Kempten, Köln-Leverkusen, Leipzig, Ludwigshafen-Frankenthal, Mannheim, Minden, Mönchengladbach, München, Neustadt a.d. Weinstraße, Nürnberg, Oldenburg-Wilhelmshaven, Passau, Regensburg, Salzgitter-Peine, Siegen, Stuttgart, Südniedersachsen-Harz, Ulm, Waiblingen, Wesermarsch, Wiesbaden-Limburg, Witten, Wolfsburg

In der Krise: Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts

Tabelle 32: Betriebs- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung

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Einrichtung von Betriebsräten in Verleihfirmen Aachen, Aalen, Düren, Köln-Leverkusen, Regensburg, Wolfsburg

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Nutzung fortgesetzt Bayern

Gründung von Betriebsräten in Verleihfirmen Küste, Niedersachsen-Sachsen-Anhalt

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Kontrolle der lokalen Erfolge bezüglich Leiharbeit alle Bezirke

Weiterentwickelt: Unterstützung von Betriebsräten i n Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung von Kurz-arbeit für Leiharbeiter und den langsamen Abbau von Leiharbeit Küste, NRW -

Weiterentwickelt: Unterstützung der Verwaltungsstellen bei der Verhinderung der Unterzeichnung von Auflösungsverträgen durch Leiharbeiter NRW

Nutzung fortgesetzt NRW

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Nutzung fortgesetzt Küste, NRW

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Weiterentwickelt: Umfassende Mitgliederbetreuung für entlassene Leiharbeiter Aalen, Gaggenau, Heilbronn-Neckarsulm, Leipzig, Minden, Mülheim a.d. Ruhr, München, Reutlingen-Tübingen

Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern alle Bezirke

Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeit alle Bezirke

Unterstützung der Verwaltungsstellen bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit alle Bezirke

Regionale Ebene

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Mitgliederbetreuung mit Rechtsberatung für Leiharbeiter alle Verwaltungsstellen

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Quelle: Eigene Erhebungen

Kontrolle der lokalen Erfolge bezüglich Leiharbeit

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Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern -

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Weiterentwickelt: Unterstützung der Verwaltungsstellen und Bezirke durch Aufforderung Von Leiharbeitsfirmen, Kurzarbeit anzumelden und Transfergesellschaften zu gründen -

Unterstützung der Verwaltungsstellen und Bezirke bei ihren Aktivitäten zu Nutzung fortgesetzt Leiharbeit

Nationale Ebene

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12.3.1.1 Lokale Ebene Die Routine Unterstützung von Betriebsräten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern kam vor der Krise vielerorts in den Entleihbetrieben z.B. im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen, mündlichen und schriftlichen Regelungsabsprachen, Interessensausgleichen und Sozialplänen etc. zum Einsatz. Diese Routine und der Kontext, in dem sie angewendet wurde, werden im Folgenden erklärt. Für Fragen bezüglich des Arbeitsvertrags, wie z.B. zur tariflichen Eingruppierung oder Kündigung, ist – sofern vorhanden – der Betriebsrat des Verleihers zuständig; wenn es um Probleme rund um den Arbeitsplatz am Einsatzort geht, liegt die Zuständigkeit beim Betriebsrat des Entleihers. Letzterer kann seine Rechte dazu nutzen, bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen und darauf hinzuwirken, dass die Leiharbeiter ähnlich wie Stammkräfte bezahlt werden. Zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen kann der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte für Leiharbeiter einsetzen. Für die Gewerkschaften dienen diese Rechte der Betriebsräte als strategischer Ansatzpunkt zur Regulierung der Leiharbeit auf der betrieblichen Ebene. Tabelle 33 dokumentiert Beispiele für Betriebsvereinbarungen, die in Entleihunternehmen verschiedener Branchen mit Unterstützung der Sekretäre in lokalen Verwaltungsstellen geschlossen wurden. Tabelle 33: Ausgewählte Betriebsvereinbarungen zur Durchsetzung besserer Arbeits- und Entlohnungsbedingungen von Leiharbeitern

Unternehmen

Branche

Involvierte Regelungsinhalt Verwaltungsstelle

Audi

Automobilindustrie

HeilbronnNeckarsulm

Wabco

Automobilzulieferung

Hannover

Ford

Automobilindustrie

Köln-Leverkusen

Siemens

Elektrotechnik Leipzig

Quelle: Eigene Erhebungen

Leiharbeiter erhalten dasselbe Entgelt wie die fest Angestellten

Leiharbeitern werden sechs Tage mehr Urlaub bewilligt als in dem für sie geltenden Tarifvertrag der Leiharbeit vorgesehen ist.

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Neben solchen formellen Betriebsvereinbarungen besteht auch die Möglichkeit, dass sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf eine sog. Regelungsabrede einigen, die informell ist bzw. nicht schriftlich festgehalten wird. Einer solchen mündlichen Absprache zufolge, die der Betriebsrat der Werft Abeking und Rasmussen mit der Geschäftsführung geschlossen hat, kooperiert die Werft nur dann mit Leiharbeitsfirmen, wenn diese einen Fragebogen ausfüllten. Darin ist anzugeben, welcher Tarifvertrag gilt und in welche Entgeltgruppe die angeforderten Leiharbeiter eingruppiert werden. Auf diese Weise kann der Betriebsrat überprüfen, ob die Leiharbeitsfirma die Gehaltsabrechnungen tarifgemäß durchführt (Interview 65). Um in einer Betriebsvereinbarung mit der Geschäftsführung bessere Arbeitsbedingungen bzw. eine höhere Entlohnung für Leiharbeiter durchzusetzen, benötigen Betriebsräte juristisches Wissen. Die Unterstützung der IG Metall erfolgte konkret dadurch, dass Verwaltungsstellen Schulungsveranstaltungen für Betriebsräte anboten, in denen sie über ihre Mitbestimmungsrechte informiert wurden (Interview 22, 38, 55, 73, 80). Wenn sich eine Gelegenheit zum Abschluss einer solchen Vereinbarung abzeichnet, besprechen sich die Betriebsräte mit den Sekretären, arbeiten gemeinsam mit ihnen eine Verhandlungsstrategie aus, legen ihnen erste Entwürfe der schriftlichen Formulierungen vor etc. (Interview 27, 30, 31). Die befragten Sekretäre in Rastatt, Lüneburg, Hagen, Regensburg und Kempten bedauerten, dass durch das Einsetzen der Krise Verhandlungen zu solchen „BesserVereinbarungen“ von Seiten des Arbeitgebers mit Hinweis auf die bevorstehende Beendigung der Leiharbeitereinsätze nicht mehr fortgeführt wurden. Anhand zweier Beispiele wird jedoch deutlich, dass diese Routine an anderen Standorten auch in der Krise weiterhin genutzt werden konnte: Bei Hays-Lemmerts im Zuständigkeitsgebiet der Verwaltungsstelle Bonn-Rhein-Sieg wurde in der Krise eine Betriebsvereinbarung getroffen (Interview 20). Weil der Erste Bevollmächtigte daran unterstützend beteiligt war, wurde dort die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihbetrieben bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern weiterhin ausgeübt. In Mülheim a.d. Ruhr z.B. hat der Stahlrohrproduzent Europipe einen Standort. Weil das Unternehmen die Rohre für die Ostsee-Pipeline fertigte, die 2008 bis 2011 gebaut wurde, war dort die Auftragslage trotz der Krise stabil. Mit dem Unternehmen schloss der örtliche Betriebsrat mit Unterstützung der IG Metall eine Betriebsvereinbarung zur Gleichbezahlung von Leiharbeitern ab (Interview 16). Demnach hatte die organisationale Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern an diesen Gewerkschaftsstandorten auch unter Krisenbedingungen Fortbestand. An anderen Standorten wurde die Routine Unterstützung von Betriebsräten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern unter den Krisenbedingungen modifiziert und so zu der Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Ver-

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handlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung von Kurzarbeit für Leiharbeiter und den langsamen Abbau von Leiharbeit weiterentwickelt. Auf diese Weise wurde die organisationale Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern zu der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts weiterentwickelt. In diesen Subeinheiten der IG Metall, wie z.B. in Oldenburg-Wilhelmshaven, wurde die Krise als Gelegenheit begriffen, um für die Leiharbeiter Regelungen abzuschließen: „Uns kommt die Krise zu Gute, weil so ein massiver Personalabbau stattfindet, dass wir da jetzt Chancen haben, aus der Krise heraus gute Verhandlungen zu beginnen und in Betriebsvereinbarungen was zu verankern, was die Leiharbeit für Unternehmen unattraktiv macht oder fair gestaltet“ (Interview 62).

Die Verwaltungsstelle Köln-Leverkusen z.B. verhinderte, dass eine geplante Massenentlassung wirksam wurde, indem ein Sekretär einen Sozialplan initiierte, den der Betriebsrat abschloss. Für ca. 400 Leiharbeiter, die bis Ende 2008 bei Ford eingesetzt waren, plante die Verleihfirma Adecco in Köln die Kündigung zum Jahresende. Die IG Metall protestierte jedoch öffentlich dagegen. Nach Verhandlungen von November 2008 bis Februar 2009 zwischen der IG Metall, Adecco und dem Betriebsrat von Ford einigten sich die Gesprächsparteien darauf, dass bereits ausgesprochene Kündigungen zurückgenommen wurden und weitere Kündigungen unterblieben. Die Arbeitsverhältnisse von 256 Leiharbeitern von Adecco wurden weitergeführt. Für die Betroffenen wurde Kurzarbeit beantragt und es wurden ihnen Qualifizierungsmaßnahmen angeboten. Auf diese Weise wurde in Deutschland erstmals in einer Leiharbeitsfirma die Einführung von Kurzarbeit vereinbart. Die übrigen Beschäftigten, die noch in der Probezeit oder nur befristet beschäftigt waren, erhielten eine Abfindung (Interview 5; IG Metall Köln-Leverkusen 2008). Die vor der Krise genutzte Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern dient ebenfalls der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern (Interview 1). Unter anderem den Verwaltungsstellen Rosenheim, Gaggenau, Minden und Ludwigshafen-Frankenthal gelang der Abschluss von Betriebsvereinbarungen, wonach einer vereinbarten Anzahl von Leiharbeitern nach einer bestimmten Einsatzzeit ein Übernahmeangebot in ein Beschäftigungsverhältnis gemacht wurde. Auch wenn es nicht möglich ist, dauerhafte Festanstellungen für die Leiharbeiter in ihrem Einsatzbetrieb zu erwirken, wird es in der IG Metall bereits als eine „Besserstellung“ der Leiharbeiter bewertet, wenn sie in ein befristetes, festes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Dieses ist der Leiharbeit vorzuziehen, weil befristete Stammbeschäftigte den tariflichen Regelungen der Metall- und Elektrobranche unterliegen. Häufig wird in den Betriebsvereinbarungen außerdem festgeschrieben,

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dass im Fall von Festeinstellungen den eingesetzten Leiharbeitern gegenüber externen Bewerbern bei vergleichbarer persönlicher und fachlicher Eignung Vorrang eingeräumt wird (Interview 1 und 9). Nach Beginn der Rezession wurde die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern in der IG Metall Wuppertal weiterhin genutzt, wo die Krise einzelne Unternehmen verschont hatte und im Herbst 2009 in einem Entleihunternehmen die Übernahme von Leiharbeitern vereinbart werden konnte. Eine Weiterentwicklung der Routine nach Beginn der Krise konnte jedoch nirgends beobachtet werden. Am Beispiel der Routine Gründung und Leitung eines Arbeitskreises zu Leiharbeit wird deutlich, wie eine singuläre Aktivität zur Mitgliederbetreuung vor Ort durch Wiederholung an anderen Verwaltungsstellen zu einer Routine wurde: Die IG Metall Berlin war bundesweit die erste Verwaltungsstelle, in der ein Sekretär im Jahr 2003 einen Arbeitskreis zum Thema „Leiharbeit“ mit Betriebsräten in Entleihfirmen ins Leben rief. Auf den regelmäßigen Treffen wird bis heute auf aktuelle Entwicklungen der Tarifpolitik in der Leiharbeitsbranche und rechtliche Urteile aufmerksam gemacht. Außerdem werden Aktionstage zu Leiharbeit an öffentlichen Plätzen oder vor dem Werkstor von Entleihfirmen organisiert. In den Folgejahren wurden auch in vielen weiteren Verwaltungsstellen Arbeitskreise gegründet, z.B. in Bautzen, München und Osnabrück. Die Gründung und Leitung eines Arbeitskreises zu Leiharbeit war zwar zunächst nur eine einzelne Aktivität an einem Standort, doch als sie in der Organisation durch Sekretäre in verschiedenen Untereinheiten wiederholt wurde, verfestigte sie sich zu einer organisationalen Routine. In Freiburg wurde ein Leiharbeitskreis Ende 2008 neu gegründet, weil die Betriebe der Region von der Krise weitgehend verschont blieben und Leiharbeit nach wie vor ein zentrales Thema der Verwaltungsstelle war. Die Routine Gründung und Leitung eines Arbeitskreises zu Leiharbeit zur Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern wurde deshalb dort weiterhin genutzt. Andere Verwaltungsstellen hingegen, die zuvor Arbeitskreise ins Leben gerufen hatten, stellten die regelmäßigen Treffen in der Regel nach Einsetzen der Rezession ein, weil die Leiharbeit in den Betrieben abgebaut wurde und die Gewerkschaftssekretäre alle zeitlichen Kapazitäten in die Betreuung von entlassenen Stammkräften investierten (Interview 22, 56, 71). Im Fall von Regensburg z.B. hatte dies insbesondere den Grund, dass es sich bei den Teilnehmern des Arbeitskreises um Leiharbeiter und Betriebsräte von Leiharbeitsfirmen handelte, die aus ostdeutschen Bundesländern stammten und in der Produktion bei BMW eingesetzt worden waren. Als sie in der Krise nicht mehr gebraucht und entlassen wurden, kehrten sie in ihre Wohnorte in den neuen Bundesländern zurück (Interview 56). Eine weitere Routine der vor der Krise genutzten organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung unter Leiharbeitern ist die Planung und Organisation von Aktionstagen und Betriebsversammlungen in Entleihfirmen. Dazu

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zählen z.B. Informationstreffen für Leiharbeiter in der Verwaltungsstelle oder Betriebsversammlungen in Entleihfirmen, die sich speziell an dort eingesetzte Leiharbeiter richten. Beispielsweise in Nürnberg und in Hannover hielten der Gewerkschaftssekretär vor Ort mit den Betriebsräten eine Betriebsversammlung nur für Leiharbeiter ab, auf der sie verdeutlichen, dass Gewerkschaft und Betriebsrat zur Verbesserung ihrer Entlohnung tarifliche Vereinbarungen bzw. Betriebsvereinbarungen abschließen können, aber dass sie nur Druck aufbauen können, wenn die Leiharbeiter der Gewerkschaft beitreten (Interview 52 und 73). Viele Verwaltungsstellen hatten außerdem Werbeerfolge unter Leiharbeitern zu verbuchen, wenn sie diese im Einsatzbetrieb an Aktionstagen zu Beratungsgesprächen einluden, bei denen der Arbeitsvertrag und die Gehaltsabrechnung überprüft wurden. Diese Routine konnte in der Krise nirgends mehr beobachtet werden (Interview 13, 52, 77). Einige Gewerkschaftssekretäre (z.B. Interview 15, 28, 29, 30, 64) berichteten, dass sie eine intensive örtliche Gewerkschaftsarbeit mit anderen Gewerkschaften des DGB und dem DGB zu Leiharbeit aufgebaut hatten. Besonders eng kooperierten die Gewerkschaftssekretäre der IG Metall und der ver.di in Hagen. Beispielsweise betrieben die beiden Zuständigen gemeinsam einen Stand auf einer Leiharbeitsmesse der Agentur für Arbeit, um potenzielle Bewerber der ausstellenden Leihfirmen über die Branche zu informieren (Interview 28 und 86). Die Zusammenarbeit stellten sie unter den Bedingungen der Krise jedoch ein und auch sonst wurde diese Routine nicht mehr ausgeübt. In Köln und in Leipzig fand vor der Krise ab Mitte 2007 eine örtliche Zusammenarbeit aller vor Ort vertretenen DGB-Gewerkschaften in einem ausschließlich zum Thema „Leiharbeit“ gegründeten Arbeitskreis statt, in denen die lokalen Gewerkschaftssekretäre zusammen kamen, die für Leiharbeit zuständig sind. Außerdem nahmen die Betriebsräte der Ent- und Verleihfirmen an den regelmäßigen Treffen teil (Interview 80 und 94). Nach Einsetzen der Krise wurde diese Routine aufgegeben. Bei der Ausübung der Routine Mitgliederbetreuung mit Rechtsberatung für Leiharbeiter überprüfen die lokalen Sekretäre in ihren Sprechstunden im Gewerkschaftsbüro z.B. die Gehaltsabrechnungen und Arbeitsverträge auf ihre Rechtmäßigkeit (Interview 8, 31, 79). Nach Einsetzen der Rezession drehten sich die Gespräche in den Rechtsberatungen jedoch primär um die Kündigung von Leiharbeitern, denn unter den Bedingungen der Krise mehrten sich die Berichte über Rechtsverstöße bei der Kündigungspraxis der Leiharbeitsfirmen. Deshalb wurde diese Routine unter den Krisenbedingungen weiterhin genutzt. Die Verwaltungsstellen Aalen, Gaggenau, Leipzig, Mülheim a.d. Ruhr, Reutlingen-Tübingen, München und Neckarsulm-Heilbronn boten den Leiharbeitern in der Krise über die Mitgliederzeitung und in den lokalen Medien Unterstützung an (Interview 16, 38, 39, 42, 47, 55, 80). Sie empfahlen ihnen, sich unmittelbar nach einer Kündigung zu melden. In zahlreichen Fällen wurden Kündigungsschutzklagen durchgeführt.

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Ein Beispiel dafür, dass diese Routine unter den Krisenbedingungen weiterentwickelt wurde, lässt sich in der Verwaltungsstelle Gaggenau finden: Aufgrund der wirtschaftlichen Ausrichtung auf die besonders von der Krise betroffene Automobilindustrie waren im Landkreis Rastatt die Arbeitsplätze von 18.200 Beschäftigten bedroht. Insgesamt fast 1.000 Leiharbeiter und Befristete wurden nach Krisenbeginn 2008 binnen kürzester Zeit entlassen. Im November 2008 reagierte die IG Metall Gaggenau darauf, indem sie arbeitslos gewordene Leiharbeiter auf Treffen sowie durch spezielles Informationsmaterial zu arbeits- und sozialrechtlichen Themen informierte und ihnen anbot, kostenlos an Bewerbungstrainings sowie Qualifizierungsmaßnahmen bei einer regional operierenden Qualifizierungs- und Vermittlungsgesellschaft teilzunehmen. Eine befristete Projektstelle wurde speziell dafür eingerichtet, die Leiharbeiter zu kontaktieren. Über das Betriebsrätenetzwerk war die Verwaltungsstelle den entlassenen Leiharbeitern bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz behilflich (Interview 39). Ebenso gingen die IG Metall Mülheim a.d. Ruhr und Singen vor (Interview 16 und 41). Durch die Weiterentwicklung der Routine Mitgliederbetreuung mit Rechtsberatung für Leiharbeiter zur Mitgliederbetreuung für entlassene Leiharbeiter konnten in diesen Verwaltungsstellen die Gewerkschaftsaustritte der entlassenen Leiharbeiter verhindert werden. Die Einrichtung von Betriebsräten in Verleihfirmen wurde unter anderem in der Verwaltungsstelle Regensburg beobachtet, wo ein Gewerkschaftssekretär die Wahl der Betriebsräte der beiden Leiharbeitsfirmen Tuja und I.K. Hoffmann organisierte (Interview 2, 56, 57). Nach Auskunft der Sekretäre ist die Etablierung von Betriebsräten immer auch mit Mitgliedergewinnen verbunden (Interview 76 und 80). Unter den Krisenbedingungen konnte jedoch auf der lokalen Ebene nirgends mehr beobachtet werden, dass weitere Betriebsräte installiert wurden. 12.3.1.2 Regionale Ebene In den Projekten zu Leiharbeit auf der regionalen Ebene kamen zum Teil dieselben Routinen zum Einsatz wie in den Verwaltungsstellen vor Ort, aber einige ebenenspezifische Routinen der lokalen Ebene waren auf der regionalen Ebene nicht zu finden. Weil der mit mehr Befugnissen und Einflussmöglichkeiten ausgestatteten Bezirksebene weiter reichende Aufgaben zukommen, besteht die organisationale Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern auf der regionalen Ebene aus weiteren, für die regionale Ebene spezifischen Routinen. Die Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit wurde im Bezirk Frankfurt am deutlichsten: Das zentrale Ziel des Bezirksprojekts war der Abschluss von sog. „Fairness-Abkommen“ mit Verleihfirmen im gesamten Bezirksgebiet. Der Bezirk kontaktierte die Niederlassungen der Verleihbetriebe und schloss im April 2008 mit den beiden Arbeitgeberverbänden IGZ und BZA ein Fairness-Abkommen ab. Mit der freiwilligen Vereinbarung eines solchen Abkommens bekannten sich die unterzeichnenden Leiharbeitsfirmen dazu,

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erstens mindestens die Tariflöhne zu zahlen, die zwischen dem DGB und IGZ sowie BZA vereinbart wurden und nicht von den umstrittenen Tarifverträgen von AMP und CGZP Gebrauch zu machen. Zweitens verpflichteten sich die Leiharbeitsfirmen dazu, „Besser-Vereinbarungen“ (Kapitel 8.3.2) mit ihren Kundenunternehmen, deren Betriebsräten und den IG Metall-Verwaltungsstellen zu unterzeichnen. Drittens wurde in den Fairness-Abkommen verabredet, dass die Beschäftigten in den Leiharbeitsfirmen ungehindert einen Betriebsrat wählen können. Viertens setzten sich die Unterzeichner für die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und damit für einen Mindestlohn in der Leiharbeit ein (Interview 6, Anhang 1). Bis Mai 2008 hatte der Bezirk Frankfurt mehr als 1.000 Leiharbeitsfirmen der Verbände IGZ und BZA, bei denen rund 80 % der Leiharbeiter in der Zuständigkeitsregion des Bezirks beschäftigt waren, dazu bewegt, eine in den Fairness-Abkommen vorgesehene „Besser-Vereinbarungen“ abzuschließen. Nur diejenigen Leiharbeitsfirmen, die dem AMP oder keinem Verband angehörten, weigerten sich, das Abkommen zu unterzeichnen. Diese wurden als „unfaire“ Leiharbeitsunternehmen eingestuft und in lokalen Zeitungen namentlich genannt. Zudem forderte die IG Metall die Entleihfirmen dazu auf, künftig nur noch mit „fairen“ Leiharbeitsunternehmen zusammen zu arbeiten (Interview 1, 2, 32). Bei der Ausübung dieser Routine wurden auch im Bezirk Küste Verleihfirmen unter Druck gesetzt, in denen die Tarifverträge des AMP und der Tarifgemeinschaft CGZP angewendet wurden. Ein zentrales Ziel des Bezirksprojekts bestand darin, mit Entleihunternehmen Betriebsvereinbarungen darüber abzuschließen, dass nur noch IGZ- oder BZA-Leiharbeitsfirmen beauftragt werden und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsfirmen des AMP aufgekündigt wird. Zusätzlich erhielt das Management der im Bezirk aktiven Verleihfirmen von dem Bezirkssekretär ein Schreiben mit einem Fragebogen, in dem angeben werden sollte, nach welchem Tarifvertrag die beschäftigten Leiharbeiter entlohnt wurden. Wenn die Leiharbeitsfirmen nicht reagierten, wurde in den Medien bekannt gemacht, dass sie Leiharbeiter zu „Dumpingtarifen“ einstellten. Tatsächlich haben zahlreiche Leiharbeitsfirmen auf diesen Druck hin ihre Verbandsmitgliedschaft im AMP beendet (Interview 11). Die Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit wurde auch in der Krise z.B. im Bezirk Küste weiterhin genutzt. Die Lürssen-Werft mit 30 % Leiharbeitern an der Belegschaft, war von der Krise vergleichsweise geringfügig betroffen, weil sie Luxus- und Kreuzfahrtschiffe baut. Um eine „Besser-Vereinbarung“ durchzusetzen, organisierte der Bezirkssekretär ab Sommer 2009 mehrere Treffen der vier Verwaltungsstellen im Bezirk Küste, in deren Gebiet die Lürssen-Gruppe Standorte hat (Bremen, Wesermarsch, Rendsburg und Oldenburg-Wilhelmshaven) (Interview 11, 64, 67). Im Bezirk Nordrhein-Westfalen wurde die Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit in der Krise dahingehend weiterentwickelt, dass sie zur Verhinderung der Unterzeichnung von Auflösungsverträgen

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durch Leiharbeiter geeignet war. Viele Leiharbeitsfirmen beschleunigten die Kündigung ihrer Mitarbeiter, die von den Einsatzbetrieben zurückgeschickt worden waren, indem sie ihnen einen Auflösungsvertrag vorlegten. Unterzeichneten die Leiharbeiter das Schreiben bedenkenlos, hatte dies eine Sperre des Arbeitslosengelds durch die Bundesagentur für Arbeit zur Folge. Der Bezirkssekretär in NordrheinWestfalen kannte das Problem bereits von der Schließung des Nokia-Werks in Bochum Anfang 2008. Über ein Drittel der Belegschaft des Werks bzw. rund 1.000 Arbeitskräfte waren Leiharbeiter (IG Metall 2007b: 32) und ca. 80 % der Leiharbeiter bei Nokia hatte die IG Metall zuvor als Mitglieder geworben. Als die Unternehmensleitung die Standortschließung bekannt gab, wurden die Leiharbeitereinsätze beendet und einige Leiharbeiter von ihrem Arbeitgeber zur Unterzeichnung eines Auflösungsvertrags überredet (Interview 5, 17). Als die Krise einsetzte, warnte der Bezirkssekretär deshalb die Verwaltungsstellen in Nordrhein-Westfalen. Auf diese Weise wurde auch auf der regionalen Ebene ein Beitrag dazu geleistet, dass die Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern zu der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts weiterentwickelt wurde. Eine weitere Routine der Bezirksprojekte vor Krisenbeginn bestand darin, dass die jeweiligen Projektsekretäre die Betriebsräte in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern unterstützten, indem sie den Abschluss von Betriebsvereinbarungen forcierten. Der Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt z.B. initiierte die Aushandlung einer Betriebsvereinbarung bei Haworth in Bad Münder (Interview 9). Auch durch Schulungsveranstaltungen und die Erstellung von Informationsmaterial für Betriebsräte förderten die Bezirke derartige Prozesse (Interview 5, 11). Wie auf der lokalen Ebene, wurde diese Routine auch auf der regionalen Ebene weiterentwickelt. Die Projektsekretäre in den Bezirken modifizierten die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern dahingehend, dass sie zur Durchsetzung von Kurzarbeit für Leiharbeiter und zum langsamen Abbau von Leiharbeit geeignet war. Bei der Nutzung dieser Routine unter den Bedingungen der Krise organisierte der Sekretär, der im Bezirk Nordrhein-Westfalen für das Leiharbeitsprojekt zuständig war, in der Krise Seminare, in denen er die Betriebsräte von Entleihfirmen darüber informierte, dass Leiharbeiter laut einer Gesetzesreform im Rahmen des Konjunkturpakets II bei ihrem Verleiher oder mit den Stammbeschäftigten in ihrer Entleihfirma in Kurzarbeit gehen können. Diese gesetzliche Neuregelung wurde z.B. in den Deutschen Edelstahlwerken in Greifswald bei Siegen genutzt (Interview 5, 22, 23). Bei Schmitz Cargobull, in dessen Produktion 30 % der Belegschaft Leiharbeiter waren, gelang es dem Bezirk Nordrhein-Westfalen durchzusetzen, dass sich das Management zwischen Juni 2008 und November 2008 schrittweise mit einem Vor-

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lauf von drei Wochen von den knapp 500 entliehenen Leiharbeitern trennte, statt von allen auf einmal. Dadurch hatten die Leiharbeitsfirmen die Möglichkeit, nach alternativen Einsatzmöglichkeiten zu suchen (Interview 5). Vor der Krise erfolgte außerdem die Ausübung der Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern in Nordrhein-Westfalen, wo in zahlreichen Entleihunternehmen mit Unterstützung des Projektsekretärs Übernahmeregelungen abgeschlossen wurden. Nach Einsetzen des Konjunktureinbruchs konnte diese Routine in dem Bezirk weiterhin beobachtet werden. Bei NKT Cables in Köln z.B. trat im Dezember 2008 eine Betriebsvereinbarung in Kraft, wonach 14 % der Leiharbeiter nach einer Einsatzdauer von einem Jahr befristet eingestellt wurden (Interview 5). Bei der Ausübung der Routine Kontrolle der lokalen Erfolge bezüglich Leiharbeit holten die Projektsekretäre in den Bezirken bei den Verwaltungsstellen regelmäßig Erkundigungen darüber ein, in welchen Entleihfirmen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden und wie viele Leiharbeiter neu aufgenommen werden konnten, weil der Vorstand im Rahmen der Kampagnen diesbezüglich Zielvorgaben setzte (Interview 5, 11, 13). Diese Kontrollen wurden in der Krise eingestellt, um die Verwaltungsstellen nicht mit zusätzlichem Aufwand zu belasten. Eine weitere betriebs- und organisationspolitische Routine auf der regionalen Ebene bestand in der Einrichtung von Betriebsräten in Verleihfirmen. Beispielsweise installierte der Bezirk Küste einen Betriebsrat für die große Anzahl der bei Airbus eingesetzten Leiharbeiter eines Verleihers (Interview 11). Nach Einsetzen der Rezession gelang dem bayerischen Bezirkssekretär Anfang 2009 die Durchführung einer Betriebsratswahl bei Tuja für alle Standorte in Bayern, was indiziert, dass die Routine Gründung von Betriebsräten in Verleihfirmen auch weiterhin in der Organisation genutzt wurde. Trotz der Krise wählten die Beschäftigten von Tuja im März 2009 einen 23-köpfigen Betriebsrat. Dem Betriebsrat, den ein Gewerkschaftssekretär in Regensburg bei Tuja im Jahr 2006 gegründet hatte, drohte sein Mandat der Verlust seines Mandats, weil die meisten der 800 Leiharbeiter von Tuja entlassen wurden, nachdem sie zuvor in dem Regensburger BMW-Werk eingesetzt waren und aufgrund der Krise an Tuja zurückgeschickt wurden. Nach Ablaufen der Kündigungsfristen hätte der Betriebsrat seine Tätigkeit einstellen müssen. Um dies zu verhindern, versuchte der Betriebsrat, Wahlen an anderen Tuja-Niederlassungen in Bayern zu initiieren, weil Tuja in ganz Bayern trotz der Krise Anfang 2009 noch 2.800 Leiharbeiter beschäftigte. Dazu wandte sich der Betriebsrat in Regensburg an den Projektsekretär im Bezirk Bayern. Dieser verständigte sich mit der Unternehmensleitung auf einen Betriebsrat, der für alle Tuja-Standorte in Bayern zuständig und deshalb auch in der Krise handlungsfähig war. In diesem Fall ergab sich aus mehreren Gründen – durch den krisenbedingten Handlungsdruck, das Engagement des bestehenden Betriebsrats sowie aufgrund der Verhandlungsbereitschaft des Arbeitgebers – die seltene Gelegenheit, eine Betriebsratswahl zu initiieren:

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„Ich werte das Entstehen des Betriebsrates bei Tuja so ähnlich wie wenn ich den Jackpot knacke beim Lotto. Das waren einmalige Umstände, die dazu geführt haben, und wo ein paar glückliche Umstände wie Zahnrädchen ineinander gegangen sind. Da habe ich nur im richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort zugegriffen“ (Interview 57).

12.3.1.3 Nationale Ebene Zur Ausübung der Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen und Bezirke bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit wurde im Vorfeld der Kampagne das Ressort „Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte“ eingerichtet. Wie diese Abteilung den lokalen Sekretären konkret hilft, schilderte einer der in dem Vorstandsressort tätigen Sekretäre: „Die Strategie ist: Wir beraten – Materialiengestaltung, konzeptionelle Überlegungen. Wenn die sagen: „Wir wollen an das Thema „Leiharbeit“ dran“, melden die sich hier, dann unterhält man sich und guckt, wo stehen sie im Moment, und dann kann man entsprechend sagen: „Wir können euch das und das an Unterstützung anbieten, um das Thema voranzubringen.“ Das ist so eine Hauptaufgabe von uns. Also einfach auch als Hilfestellung“ (Interview 3).

Zwar reduzierte der Vorstand sein Unterstützungsangebot nach Krisenbeginn drastisch. Dennoch leistete er auf konkrete Anfrage weiterhin Unterstützung (Interview 59 und 76), was impliziert, dass die Nutzung der in Phase I bis III gebildeten Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen und Bezirke bei ihren Aktivitäten zu Leiharbeit während der Krise in Phase IV fortgesetzt wurde. Eine Weiterentwicklung der Routine als Beitrag zu der Entwicklung der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts konnte ebenfalls beobachtet werden. Der Vorstand forderte die Verbände und das Management der Leiharbeitsfirmen dazu auf, ihre Beschäftigten nicht zu entlassen, sondern die Gewinne der vergangenen Jahre in den Erhalt ihrer Belegschaften zu investieren. So entstand die neue Routine Unterstützung der Verwaltungsstellen und Bezirke durch Aufforderung von Leiharbeitsfirmen Kurzarbeit anzumelden und Transfergesellschaften zu gründen. Für große Entleihunternehmen bzw. Konzernen mit einem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad übernahm vor Krisenbeginn der Konzernbetreuer im Vorstand die Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern. Dann erfolgte der Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung zu Leiharbeit zwischen Konzern- bzw. Unternehmensleitung und Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat (Interview 10, 58, 59). Dass diese Routine in Phase IV fortgesetzt wurde, zeigte sich daran, dass dem Konzernbetriebsrat der Siemens AG mithilfe des IG Metall-Vorstands im Sommer 2009 der Abschluss einer Vereinbarung gelang. Demnach erhalten die Leiharbeiter eine Vergütung, die an den Tarifvertrag

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der Einsatzbranche angelehnt ist (Interview 10, 55). Eine Weiterentwicklung der Routine unter den Krisenbedingungen konnte aber nicht beobachtet werden. Die Kampagne erzeugte vor der Krise durch die Routine Kontrolle der lokalen Erfolge bezüglich Leiharbeit enormen Druck auf die Gewerkschaftssekretäre, auf der regionalen und insbesondere lokalen Ebene betriebliche Regelungen für Leiharbeiter zu initiieren und Mitgliederwerbeerfolge zu erzielen (Interview 5, 13, 72). Der Vorstand überprüfte, ob die Kampagne auch tatsächlich bundesweit umgesetzt wurde, indem er im Jahr 2008 monatlich die Anzahl an abgeschlossenen „BesserVereinbarungen“ in den Betrieben und die Anzahl der geworbenen Mitglieder unter den Leiharbeitern erheben ließ (Interview 3, 5, 10, 13, 72). Unter den Bedingungen der Krise wurden die Kontrollmechanismen bzw. die Nutzung der entsprechenden Routine eingestellt, wie in Kapitel 12.3.1.2 bereits erwähnt wurde. Ihre Anwendung wurde erst nach Verbesserung der Wirtschaftslage wieder aufgenommen. 12.3.2 Tarif- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise In Tabelle 34 sind die Routinen aufgeführt, die in den Politikfeldern Tarifpolitik und Organisationspolitik vor der Krise bei der Ausübung der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern angewendet wurden. Wie dargestellt wurden sie in der Krise in einigen Subeinheiten der Gewerkschaft weiterhin genutzt oder weiterentwickelt.

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Organisation von Betriebsversammlungen und Streiks zur Durchsetzung von Forderungen an den Arbeitgeber bezüglich Leiharbeit Berlin, Bielefeld, Ingolstadt, Kempten, Nürnberg

Nutzung fortgesetzt NiedersachsenSachsen-Anhalt

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Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Übernahme von Leiharbeitern Aachen, Kempten, Mülheim a.d. Ruhr

Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen Baden-Württemberg, Frankfurt, Niedersachsen-Sachsen-Anhalt

Nutzung fortgesetzt Aalen, Bamberg, Bremerhaven

Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern Aalen, Albstadt, Ingolstadt, Kempten, Mülheim a.d, Ruhr, München, Wuppertal

Regionale Ebene

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Lokale Ebene

In der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen Aachen, Göppingen-Geislingen, Heilbronn-Neckarsulm, Mannheim, München, Nürnberg, Reutlingen-Tübingen, Singen, Ulm

In der Krise: Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts

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Weiterentwickelt: Verhandlung von tariflichen Regelungen zur Durchsetzung von Kurzarbeit für Leiharbeiter und der Gründung von Transfergesellschaften Ingolstadt

Vor der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

Tabelle 34: Tarif- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene

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Organisation von Betriebsversammlungen und Streiks zur Durchsetzung von Forderungen an den Arbeitgeber bezüglich Leiharbeit Küste, NRW

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Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern

Quelle: Eigene Erhebungen

Nutzung fortgesetzt

Verhandlung von Flächentarifverträgen in der Leiharbeitsbranche

Nationale Ebene

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Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern Küste, Niedersachsen-Sachsen-Anhalt

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12.3.2.1 Lokale Ebene In den Befragungen wurde die Routine Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen in mehreren Verwaltungsstellen angewendet, z.B. in München. Den Tarifabschlüssen war in diesem Fall vorausgegangen, dass im April 2008 in einer Betriebsvereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und der BMW-Unternehmensleitung festgelegt worden war, dass künftig nur noch solche Firmen Leiharbeiter an den Autobauer vermitteln konnten, die ihre Beschäftigten nach dem Grundentgelt der Metall- und Elektroindustrie bezahlten. Die IG Metall München schloss daraufhin entsprechende tarifliche Vereinbarungen mit den involvierten Leiharbeitsfirmen ab. Für die Leiharbeiter implizierte dies die Erhöhung des Entgelts um bis zu 50 % (Interview 55). Ein weiterer tarifpolitischer Erfolg zur Interessenvertretung von Leiharbeitern gelang der IG Metall Mannheim mit dem Betriebsrat des Traktorenherstellers John Deere in Mannheim. Um in Absatzkrisen Personal schneller abbauen zu können, entschied die Unternehmensleitung im Jahr 2005, im Werk Bruchsal erstmals Leiharbeiter einzusetzen. Der Betriebsrat fürchtete, dass künftig auch in Mannheim Leiharbeit zur Flexibilisierung genutzt werden würde. Betriebsrat und IG Metall Mannheim fanden gemeinsam eine alternative Lösung: Anfang 2006 wurde die nicht gewinnorientierte Leiharbeitsfirma Jobpool Rhein-Neckar GmbH gegründet. Den meisten befristetet Beschäftigten von John Deere wurde die Möglichkeit gegeben, bei Jobpool eingestellt und von dort aus an John Deere ausgeliehen zu werden. Die IG Metall Mannheim schloss mit Jobpool einen Haustarifvertrag ab, wonach die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für Nordwürttemberg-Nordbaden auch für die Leiharbeiter galten. Zudem wurde in einer Betriebsvereinbarung geregelt, dass die Leiharbeiter bei John Deere ab dem ersten Einsatztag wie die Stammbeschäftigten Zulagen, Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Lohnerhöhungen sowie eine Gewinnbeteiligung gezahlt bekamen. 2006 waren insgesamt 200 Leiharbeiter von Jobpool an John Deere entliehen, für die diese Regelungen galten (Interview 49; ZOOM 2006). Nach Beginn der Rezession konnte die Nutzung der Routine allerdings nirgends mehr festgestellt werden. Die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern wurde bei dem Vorgehen der IG Metall Ingolstadt bei Audi deutlich: Im Jahr 2002 sollten erstmals Leiharbeiter eingesetzt werde, um in den Anlaufphasen neuer Baureihen Personalengpässe zu überbrücken. Daraufhin stellte der Betriebsrat im AudiWerk Ingolstadt die Weichen für eine tarifliche Regelung für 400 Leiharbeiter von Adecco, die dort erstmals eingesetzt werden sollten. Die Verwaltungsstelle Ingolstadt schloss mit Adecco einen Haustarifvertrag. Demnach wurden die Leiharbeiter genauso bezahlt wie die Beschäftigten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Bonuszahlungen und weitere Zusatzvergütungen blieben den Leiharbeitern allerdings vorenthaltenDarüber hinaus erhielten Mitarbeiter von Adecco, die

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am Einsatzort in Ingolstadt übernachteten, eine Zuschlagszahlung. Weil ein Großteil der Leiharbeiter aus Ostdeutschland stammte, wurden auch Regelungen bezüglich der Heimfahrten und der Unterbringung am Einsatzort getroffen. Der Tarifabschluss führte dazu, dass die IG Metall enorme Mitgliederwerbeerfolge unter Leiharbeitern zu verzeichnen hatte (Interview 53). Diese Routine konnte während der Krise in einigen Entleihfirmen weiter genutzt werden, in denen keine Auftragsrückgänge verzeichnet wurden. Das belegen zwei Beispiele: Für das Logistikzentrum des Unterbekleidungsherstellers Triumph International AG in Aalen konnte im Mai 2009 in einer Tarifvereinbarung für die folgenden drei Jahre die gleiche Bezahlung wie für die Stammbeschäftigten festgelegt werden (Interview 47). In der Verwaltungsstelle Bremerhaven war Leiharbeit auch weiterhin ein zentrales Thema, weil sich dort die Offshore-WindenergieBranche mit zahlreichen Neugründungen angesiedelt hatte – eine von der Krise nicht betroffene Branche, mit einer steigenden Nachfrage nach Leiharbeitern. Mit den Unternehmen wurden Haustarifverträge verhandelt, in denen eine höhere Entlohnung der Leiharbeiter vorgesehen war (Interview 64). Auch in einigen Unternehmen, die von der Krise betroffen waren, konnte die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern dennoch weiterhin genutzt werden, um mit Blick auf den Aufschwung nach der Krise die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der künftigen Leiharbeitereinsätze mitzugestalten. Deshalb wurde die Krise von manchen Gewerkschaftssekretären als eine Chance wahrgenommen, im Rahmen von Gesprächen mit Arbeitgebern bezüglich Abweichungstarifverträgen auch über Regelungen bezüglich Leiharbeit in Verhandlung zu treten: „Das ist ja die einzige Stellschraube, die wir haben, um da ein Stück Mitbestimmung zu haben. Wenn Unternehmen kommen und sagen: „Wir müssen für eine bestimmte Zeit Flächentarifverträge absenken“, haben wir immer versucht, zu sagen: „Wenn wir das machen, wollen wir Mitbestimmung in der Frage Leiharbeit“. Wenn ein Arbeitgeber jetzt in der Krise mit Forderungen auf uns zukommt, also sei es Entlassungen, Umstrukturierungen, muss er ja mit uns reden und da ist Leiharbeit ein festes Thema“ (Interview 59).

Der befragte Sekretär in Bamberg erzielte in einem Abweichungstarifvertrag für Leiharbeiter eine Besserstellung. In der Krise gelang der IG Metall in Ingolstadt eine besonders umfangreiche tarifliche Vereinbarung zur Leiharbeit. Dort schlossen Gewerkschaftssekretäre im Februar 2009 zusammen mit Adecco und deren Tochterunternehmen Tuja einen Tarifvertrag ab. Dieser betraf die ca. 271 von insg. ca. 800 Leiharbeiter, die bei Audi eingesetzt und bei Tuja beschäftigt waren. Deren Arbeitsverhältnisse sollten enden, weil das Audi-Werk Ingolstadt angekündigt hatte, dass sie bald nicht mehr benötigt

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würden. Die Tarifparteien verständigten sich darauf, zur Vermeidung von Arbeitsplatzverlusten für ca. 200 Leiharbeiter eine Transfergesellschaft einzurichten und Kurzarbeit zu beantragen. Weitere 200 Betroffene wurden in andere Verleihbetriebe vermittelt, bei denen sie nach einem der beiden DGB-Tarifverträge bezahlt wurden und eine Beschäftigungsgarantie für zwei Monate erhielten. Darüber hinaus wurden 70 Leiharbeiter in ein befristetes Arbeitsverhältnis von Audi übernommen. An die übrigen Leiharbeiter, denen gekündigt wurde, entrichtete Adecco eine Abfindung (Interview 53). Weil bei dieser Übereinkunft sowohl der Entleih- als auch der Verleihbetrieb mit der IG Metall am Verhandlungstisch saßen, kam dabei nicht nur die Routine Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen, sondern auch die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern zum Einsatz, indem sie auf die krisenspezifische Situation zugespitzt weiterentwickelt wurden. Dadurch entstand die neue Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen zur Durchsetzung von Kurzarbeit für Leiharbeiter und der Gründung von Transfergesellschaften. Die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Übernahme von Leiharbeitern wurde vor der Krise in Mülheim, Kempten und Aachen genutzt, ehe die Routine in der Krise nicht mehr weiter ausgeübt wurde. Durch die erfolgreiche Anwendung der Routine Organisation von Betriebsversammlungen und Streiks zur Durchsetzung von Forderungen an den Arbeitgeber bezüglich Leiharbeit gelang es z.B. der Verwaltungsstelle Kempten in einem Ergänzungstarifvertrag mit der Firma Axima in Lindau die Zahlung von „equal pay“ nach einer Einsatzdauer von sechs Monaten festzulegen (Interview 54). Unter den Bedingungen der Krise wurde diese Routine nicht mehr genutzt. 12.3.2.2 Regionale Ebene Die Routine Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen wurde insbesondere durch den Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt ausgeübt. Dieser hatte zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt, Anfang der 2000er Jahre, Tarifabschlüsse mit der AutoVision, der konzerneigenen Verleihfirma von VW, und der Wolfsburg AG erzielt (Interview 9). Außerdem vereinbarte dieser Bezirk im Zusammenhang mit der Weltausstellung Expo 2000 mit Adecco einen Haustarifvertrag. Von den insgesamt 23.000 Arbeitskräften, die von Mai bis November 2000 bei der Expo 2000 tätig waren, wurden ca. 7.000 Beschäftigte, durch die Leiharbeitsfirma Adecco bereitgestellt. In dem im Juni 1999 vereinbarten Tarifwerk wurden Stundenlöhne zwischen 13,50 DM und 25,00 DM festgeschrieben (Interview 9). Auch der Bezirk Frankfurt schloss 2004 mit der gemeinnützigen Verleihfirma Gabis mit Sitz in Speyer einen Haustarifvertrag (Interview 36). Im Februar 2006 unterzeichnete der Bezirk BadenWürttemberg einen Haustarifvertrag mit der vermittlungsorientierten Jobpool Rhein-Neckar GmbH in Reutlingen (Interview 37, 42, 49).

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Die Routine Verhandlung von Haustarifen in Verleihfirmen wurde in der Krise weiterhin angewendet. Beispielsweise erfolgte im August 2009 ein Abschluss über eine Erhöhung der Entgelttabelle der AutoVision und der Wolfsburg AG. Diese Verbesserung des Tarifwerks war möglich, da VW aufgrund der „Abwrackprämie“ von der Krise vergleichsweise geringfügig betroffen war (Interview 5). Die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen dient der Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern. Der Bezirk Küste z.B. verabschiedete im April 2003 bei Airbus und Premium Aerotec das Programm „Sicherheit durch Flexibilität (SiduFlex)“ mit der Geschäftsführung und dem Konzernbetriebsrat. Um Lösungen für die schwankende Auftragslage zu finden, wurden in einem Zusatztarifvertrag und einer Konzernvereinbarung Regelungen zu Arbeitszeitkonten für Stammbeschäftigte und zur Entlohnung von Leiharbeitern festgelegt. Demzufolge werden die Leiharbeitskräfte nach den ersten drei Monaten ihres Einsatzes nach dem „equal pay“-Prinzip vergütet (Interview 11, 62, 65). Nach Einsetzen der Krise wurde diese Routine überall aufgegeben. Tarifpolitische Auseinandersetzungen in Betrieben wurden durch die Projekte in Nordrhein-Westfalen und im Bezirk Küste durch die Organisation von Betriebsversammlungen und Streiks zur Durchsetzung von Forderungen an den Arbeitgeber bezüglich Leiharbeit begleitet, denn um tarifpolitische Forderungen geltend zu machen, ist die IG Metall auf die Betriebsräte und Stammbelegschaften im Entleihbetrieb angewiesen. Unter den Krisenbedingungen konnte diese Routine nicht mehr beobachtet werden. Offenbar wurde sie nicht mehr genutzt. 12.3.2.3 Nationale Ebene Wie in Kapitel 7.1.2.1 und in Anhang 1 erläutert, beteiligte sich die IG Metall ab 2003 an der Verhandlung von Flächentarifverträgen in der Leiharbeitsbranche. Während auf der regionalen und lokalen Ebene versucht wurde, eine Gleichstellung der Leiharbeiter in ihrem Einsatzbetrieb zu erzielen, entwickelte der Vorstand die mit dem IGZ und dem BZA abgeschlossenen Tarifverträge weiter (Interview 2). Auch in der Krise wurden die Tarifverhandlungen fortgesetzt (Interview 42). Als eine weitere tarifpolitische Routine auf der nationalen Ebene wurde die Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern identifiziert. Diese kommt zum Einsatz, wenn die Betriebsbetreuer im Vorstand mit Konzernen tarifliche Vereinbarungen aushandeln, wurde aber in der Krise nicht mehr angewendet.

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12.3.3 Rechts- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise Im Handlungsfeld der Rechtspolitik bildeten sich vor der Krise Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern heraus, die ebenfalls in der Krise entweder nicht mehr beobachtet werden konnten, weiterhin genutzt oder weiterentwickelt wurden (Tabelle 35). Tabelle 35: Rechts- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Vor der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

In der Krise: Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

In der Krise: Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts

Lokale Ebene Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit fast alle Verwaltungsstellen

Nutzung fortgesetzt fast alle Verwaltungsstellen

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Regionale Ebene -

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Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit Bayern, Berlin-BrandenburgSachsen, Frankfurt, Küste, Nordrhein-Westfalen Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit alle Bezirke

Nationale Ebene Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit Quelle: Eigene Erhebungen

Nutzung fortgesetzt

Nutzung fortgesetzt

Weiterentwickelt: Stellung krisenspezifischer politischer Forderungen zur Leiharbeit

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12.3.3.1 Lokale Ebene Die Routine Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit zeigte sich am deutlichsten am Beispiel des sog. „Truck-Tags“, der in fast jeder Verwaltungsstelle stattfand. Ein Mobil wurde im Rahmen der Kampagne auf eine Rundreise durch das gesamte Bundesgebiet geschickt und in Innenstädten oder vor dem Werkstor großer Entleihfirmen positioniert. Im Innenraum befanden sich eine Informationstheke und eine Bühne für Diskussionsrunden z.B. mit Politikern. Die jeweilige Verwaltungsstelle organisierte ein Programm, über das in der Regel von den Lokalmedien berichtet wurde (z.B. Interview 13, 40, 79). Seine Tour setzte das Mobil auch 2009 fort, sodass die Routine auch weiterhin genutzt wurde. 12.3.3.2 Regionale Ebene Bei der Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit handelte es sich um eine Routine, die aufgrund der Nähe zu den politischen Einrichtungen besonders intensiv durch den Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen angewendet wurde. Beispielsweise lud der Projektsekretär Bundestagsabgeordnete und Landespolitiker verschiedenster Parteien ein, um mit ihnen über die Folgen der Novellierung des AÜG im Zuge der „Hartz-Reformen“ und die Frage eines Mindestlohns in der Leiharbeit zu diskutieren (Interview 8). Die Ausübung der Routine Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit zielte darauf ab, zu einer kritischeren Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern beizutragen und den politischen Forderungen Gehör zu verschaffen. Jeder Bezirk musste die „Truck-Tour“ durch seine Zuständigkeitsregion koordinieren. Darüber hinaus ließen sich weitere Beispiele für die Nutzung dieser Routine in den verschiedenen Bezirken finden: Der Bezirksleiter von Nordrhein-Westfalen bemängelte z.B. in einem Gastkommentar in der FTD (FTD 04.09.2007), dass Leiharbeiter in Deutschland im europaweiten Vergleich besonders schlecht gestellt seien, und forderte den Gesetzgeber zu einer Reform des AÜG auf. Der Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen publizierte im März 2007 einen „Sozialreport Zeitarbeit“ mit Erfahrungsberichten von Leiharbeitern (Interview 8; IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen 2007) und stieß damit in den Medien auf enorme Resonanz. Außerdem sind zahlreiche Gewerkschaftssekretäre in politischen Ämtern für die rechtspolitischen Forderungen zu Leiharbeit aktiv, z.B. der Projektsekretär im Bezirk Bayern als Landtagsabgeordneter der SPD (Interview 10). Die Routinen konnten während der Krise jedoch nicht mehr beobachtet werden.

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12.3.3.3 Nationale Ebene Die Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit ist eine Routine der Kampagnen-Abteilung im Vorstand, die das Thema „Leiharbeit“ in den Medien positionierte: Die Abteilung erstellte eine Website (www.gleichearbeit-gleichesgeld.de), initiierte ab April 2008 die Tour des „Leiharbeits-Trucks“ und präsentierte in einem „Schwarz-WeißBuch“ im September 2008 positive und negative Beispiele von Leiharbeit (Interview 1 bis 4). Die Routinen Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit und Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit wurden nach Beginn der Krise weiterhin angewendet und zum Teil weiterentwickelt. Dass die beiden rechtspolitischen Routinen des Vorstands auch in der Krise zur Anwendung kamen, wurde daran ersichtlich, dass der Vorstand eine medienwirksame Aktion mit ca. 50 Betriebsratsvorsitzenden großer Entleihunternehmen der Metall- und Elektroindustrie initiierte. Diese wandten sich mit dem Vorstand im August 2009 mit einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 forderten die Betriebsräte eine Reform des AÜG zur strikteren Regulierung von Leiharbeit (IG Metall 2009c). In Pressemitteilungen forderte die IG Metall während der Krise, das Synchronisationsverbot wieder einzuführen und die Tariföffnungsklausel aus dem AÜG zu streichen (IG Metall 2009d, e). Weil die Forderungen durch den Vorstand bereits im Rahmen der Kampagne gestellt worden waren, handelt es sich dabei um eine Weiterführung der bereits vor Krisenbeginn etablierten Routinen. Indem die beiden rechtspolitischen Routinen auf der nationalen Ebene weiterentwickelt wurden, dienten sie in der Krise als Routinen der neuen organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts. Unter dem Motto „Keine Entlassungen in 2009“ stellte der IG Metall-Vorstand im Dezember 2008 ein Programm zur Beschäftigungssicherung in der Krise vor, das an die politischen Entscheidungsträger gerichtet war (IG Metall 2009f). Darin wurden rechtliche Maßnahmen gefordert, die verhindern sollten, dass Leiharbeiter zu den Verlierern der Krise werden (ebd.). Konkret forderte die Gewerkschaft, dass eine im Sozialgesetzbuch (SGB) vorgeschriebene Voraussetzung für Kurzarbeit für die Stammbeschäftigten – die Entlassung von befristet Beschäftigten und der Abbau der Leiharbeit (§ 172 (1), SGB III) – gestrichen wird. Außerdem sollten künftig auch Leiharbeitsfirmen Kurzarbeit für ihre Beschäftigte beantragen dürfen. Diesen Forderungen kam der Gesetzgeber mit dem Beschluss des Konjunkturpakets II nach (IG Metall 2009f). Auf diese Weise wurden ca. 30.000 Arbeitsplätze in der Leiharbeitsbranche erhalten (Handelsblatt 06.05.2010). Die Routine Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit wurde demnach um weitere Forderungen ergänzt. Sie wurde zu der Routine Stellung krisenspezifischer politischer Forderungen zur Leiharbeit weiterentwickelt.

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12.3.4 Betriebspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise Die Routinen der Betriebspolitik, die in diesem Kapitel vorgestellt werden, wurden bei der Nutzung der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor der Krise generiert. Einige von ihnen wurden in der Krise zu der organisationalen Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende weiterentwickelt (Tabelle 36). Tabelle 36: Betriebspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen und regionalen Ebene Vor der Krise: Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit

In der Krise: Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende

Lokale Ebene Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei der Zustimmungsverweigerung zu Leiharbeit Aalen, Alfeld-Alfeld-Hameln-Hildesheim, Aschaffenburg, Bamberg, Freiburg, Friedrichshafen-Oberschwaben, HeilbronnNeckarsulm, Kempten, Köln-Leverkusen, Mannheim, Mittelhessen, Paderborn, Regensburg, Salzgitter-Peine, Stuttgart, Südniedersachsen-Harz Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen Weiterentwickelt: bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber Unterstützung von Betriebsräten zur Einschränkung von Leiharbeit in Entleihfirmen bei Verhandlungen Aalen, Albstadt, Alfeld-Hameln-Hildesheim, mit dem Arbeitgeber Bamberg, Bielefeld, Bremerhaven, Flensburg, zur Einschränkung von Leiharbeit Friedrichshafen-Oberschwaben, Göppingennach der Krise Bonn-Rhein-Sieg, FriedrichshafenGeislingen, Hamburg, Ingolstadt, Kempten, Mannheim, Minden, München, NeckarsulmOberschwaben, Kempten, KölnHeilbronn, Neustadt a.d. Weinstraße, OldenburgLeverkusen, Mülheim a.d. Ruhr, Wilhelmshaven, Passau, Reutlingen-Tübingen, Wuppertal, Reutlingen-Tübingen Siegen, Stuttgart, Waiblingen Regionale Ebene Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei der Zustimmungsverweigerung Baden-Württemberg, Frankfurt, NiedersachsenSachsen-Anhalt Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen Weiterentwickelt: bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber Unterstützung von Betriebsräten zur Einschränkung von Leiharbeit in Entleihfirmen bei Verhandlungen Baden-Württemberg, Frankfurt, Niedersachsenmit dem Arbeitgeber zur EinschränSachsen-Anhalt kung von Leiharbeit nach der Krise Küste, Nordrhein-Westfalen Quelle: Eigene Erhebungen

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Um Leiharbeit in Unternehmen gänzlich zu vermeiden und so die negative Wirkung auf die Stammkräfte so gering wie möglich zu halten, wandten Gewerkschaftssekretäre die Routine der Unterstützung von Betriebsräten in Unternehmen bei der Zustimmungsverweigerung zu Leiharbeit an. Der Betriebsrat kann seine Informationsrechte und Vorlageansprüche nutzen, um Leiharbeitereinsätze in seinem Betrieb im Vorfeld abzuwenden. Beispielsweise ist der Betriebsrat laut § 92 BetrVG an der Personalbedarfsplanung und bei der Entscheidung zu beteiligen, ob Aufgaben von eigenen oder von Fremdfirmenbeschäftigten erledigt werden sollen. Einen ähnlichen Ansatzpunkt zur Verhinderung von Leiharbeit bietet § 99 BetrVG, wonach der Betriebsrat bezüglich der Arbeitsaufnahme eines Leiharbeiters und der Verlängerung der Überlassungsdauer eines Leiharbeiters mitbestimmen kann. Die IG Metall rät den Betriebsräten außerdem, vom Arbeitgeber zu verlangen, zunächst alle Alternativen zu Leiharbeit zu prüfen, wie z. B. Aufstockung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten und die befristete Einstellung von Beschäftigten. Außerdem können Betriebsräte von ihrem Zustimmungsverweigerungsrecht Gebrauch machen, um den Einsatz von Leiharbeitern zu verhindern. Dieses Recht besitzt der Betriebsrat, wenn z.B. Anträge auf Arbeitszeitverlängerung von Teilzeitbeschäftigten nach § 9 TzBfG im Entleiherbetrieb vorliegen. In einem Unternehmen in Gießen erteilte der Betriebsrat z.B. über vier Wochen hinweg keine Genehmigungen zu Überstunden mehr, weil die Geschäftsleitung die Nutzung von Leiharbeit beschlossen hatte. Erst daraufhin machte der Arbeitgeber die Entscheidung wieder rückgängig (Interview 32). Laut Auskunft zahlreicher befragter Sekretäre konnte Leiharbeit durch ihr Zutun in Betrieben gänzlich verhindert werden. Dass diese Routine der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit im Bezirk Baden-Württemberg die am häufigsten gebrauchte Routine ist, wird aus den Äußerungen der Projektsekretärin deutlich: „Bei uns ist der Ansatzpunkt: „Wehret den Anfängen!“. Wir haben keine 20 % Leiharbeiter in den Firmen, weil die Betriebsratsvorsitzenden sagen: „Leiharbeit kommt mir hier nicht rein!“ Und andere haben das zugelassen und sagen danach: „Jetzt machen wir was!“ Das Bezirksprojekt hat bei uns ein bisschen eben einen anderen Akzent als dieses „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“. Bei uns heißt das Projekt eigentlich „Leiharbeit verhindern, begrenzen, gestalten““ (Interview 7).

Bei der Nutzung der organisationalen Fähigkeit, Leiharbeit zu vermeiden, einzuschränken oder zu reduzieren helfen Gewerkschaftssekretäre den Betriebsräten außerdem mit der Routine Unterstützung von Betriebsräten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Einschränkung von Leiharbeit, denn der Betriebsrat kann seine Zustimmung zum Leiharbeitereinsatz auch von dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Beschränkung von Leiharbeit abhängig machen. In solchen Betriebsvereinbarungen kann der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber z. B.

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durchsetzen, dass der Leiharbeitseinsatz zeitlich befristet erfolgt oder dass die Zahl der Leiharbeiter bzw. deren maximaler Anteil an der Belegschaft begrenzt wird (Tabelle 37). In einer solchen Betriebsvereinbarung können Betriebsräte außerdem die Anlässe festlegen, die einen vorübergehenden Einsatz von Leiharbeitern rechtfertigen, ebenso wie die Abteilungen, in denen Leiharbeiter eingesetzt werden. Tabelle 37: Ausgewählte Betriebsvereinbarungen zur Einschränkung von Leiharbeit Unternehmen Branche

Involvierte Verwaltungsstelle

Regelungsinhalt

Contitec Kühne

Kautschuk und Kunststofftechnologie

Waiblingen

Maximaler Anteil der Leiharbeiter an der Belegschaft: 16 %

Audi

Automobilindustrie

NeckarsulmHeilbronn

Maximaler Anteil der Leiharbeiter an der Belegschaft: 5 %

Daimler

Automobilindustrie

Neustadt a.d. Weinstraße

Maximaler Anteil der Leiharbeiter an der Belegschaft: 4 %

Albstadt

Maximaler Anteil der Leiharbeiter an der Belegschaft: 1,5 %, Begrenzung der Einsatzdauer auf 6 Monate

Aesculap

Medizintechnik

Quelle: Eigene Erhebungen

Auch einige mündliche Regelungsabsprachen zur Verhinderung von Leiharbeit in Einsatzbetrieben wurden mit Hilfe der IG Metall getroffen. Diese informellen, nicht schriftlich fixierten Übereinkünfte werden allerdings häufiger umgangen als die formellen Betriebsvereinbarungen: Am BMW-Standort in München waren im Oktober 2007 ca. 12 % der Belegschaft bzw. 4.000 Leiharbeiter, obwohl eine mündliche Regelungsabsprache zwischen Betriebsrat und Unternehmen existierte, wonach die Leiharbeitsquote im Werk nicht mehr als 10 % betragen darf (Interview 55). Nicht nur die Gewerkschaftssekretäre auf der lokalen, sondern auch die Projektsekretäre auf der regionalen Ebene förderten die lokalen Bemühungen mit den Routinen Unterstützung von Betriebsräten in Entleihbetrieben in Unternehmen bei der Zustimmungsverweigerung und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Einschränkung von Leiharbeit, z.B. durch die Organisation von Schulungsveranstaltungen für Betriebsräte.

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Nach Einsetzen der Rezession kam die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei der Zustimmungsverweigerung der Sekretäre in den Verwaltungsstellen und Bezirken nicht mehr zum Einsatz, weil die Einsatzunternehmen nicht ausgelastet waren und keinen Bedarf an Leiharbeit aufwiesen. Jedoch wurde in manchen Subeinheiten aus der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit die organisationale Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende entwickelt. Auf der lokalen und regionalen Ebene wurde deshalb unter den Bedingungen der Krise die Routine Unterstützung von Betriebsräten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Einschränkung von Leiharbeit nach der Krise generiert. In zahlreichen befragten Verwaltungsstellen (Interview 17, 20, 22 23, 25, 27, 44, 46, 54, 58, 59, 62) und Bezirken (Interview 5, 7, 10) wurde die Befürchtung geäußert, dass die Zahl der Leiharbeiter nach der Krise wieder ansteigen würde. In einigen Unternehmen ließ sich jedoch eine Begrenzung der Leiharbeitsquote für den erwarteten Konjunkturanstieg festlegen. Die Routine wurde im Zusammenhang mit dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen, Regelungsabsprachen, Interessensausgleichen und Sozialplänen genutzt, die zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung für den Fall des Personalabbaus abgeschlossen wurden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass die abgebaute Beschäftigung durch Leiharbeit ersetzt wird und die früheren Stammkräfte als geringer entlohnte Leiharbeiter zurückkehren, sobald sich die Auftragslage wieder bessert (Interview 20). In Kempten wurde deshalb eine ganz besondere Regelung abgeschlossen, die der Vermeidung des Aufbaus von Leiharbeit nach dem Ende der Rezession diente: Alle entlassenen Stammkräfte in den Unternehmen wechselten in eine Transfergesellschaft und gingen in Kurzarbeit. Ihnen wurde nach der Krise eine Wiedereinstellung zu den alten Konditionen zugesagt und Stellenausschreibungen von neu zu besetzenden Stellen in dem Unternehmen zugesendet. Erst als alle alten Mitarbeiter wieder einen festen Arbeitsplatz im Unternehmen gefunden hatten, konnten auch wieder Leiharbeiter eingesetzt werden (Interview 54). 12.3.5 Tarifpolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise Die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit wurde auf der lokalen und regionalen Ebene bei der Ausübung der organisationalen Fähigkeit der Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit genutzt (Tabelle 38), wie zwei Beispiele aus Bezirken verdeutlichen: Unter anderem, um zu verhindern, dass die Werften in weiter steigendem Umfang auf das Flexibilisierungsinstrument angewiesen waren, schloss der

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Bezirk Küste eine tarifliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeberverband der Werftindustrie ab. Darin wurde für Zeiten mit unterschiedlich starker Auslastung der Werften ein Austausch der Stammkräfte zwischen den Werften in Norddeutschland zu den in der Schiffbauindustrie üblichen Entlohnungsbedingungen geregelt (Interview 11 und 65). Auch der Bezirk Bayern machte von der Routine Gebrauch, als die Unternehmensleitung des Bamberger Bosch-Werks im Jahr 2002 erstmals ca. 600 Leiharbeiter einsetzen wollte. Die Bezirksleitung verhandelte daraufhin einen Ergänzungstarifvertrag mit dem Management. Durch den Vertrag wurden die Leiharbeitereinsätze abgewendet und stattdessen Beschäftigte befristet eingestellt (Interview 59). Tabelle 38: Tarifpolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen und regionalen Ebene Vor der Krise: Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit

In der Krise: Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende Lokale Ebene

Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit Albstadt, Kempten

Weiterentwickelt: Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit nach der Krise Wuppertal

Regionale Ebene Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit Bayern, Baden-Württemberg, Küste

Weiterentwickelt: Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit nach der Krise Bayern, Nordrhein-Westfalen

Quelle: Eigene Erhebungen

Als diese Routine nach Einsetzen der Rezession zu der Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Einschränkung von Leiharbeit nach der Krise weiterentwickelt wurde, erfolgte die Weiterentwicklung der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit zu der organisationalen Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach der Krisenende. Gewerkschaftssekretäre auf der lokalen und regionalen Ebene legten in tariflichen Regelungen mit dem Unternehmensmanagement fest, in welchem Umfang künftig der Einsatz von Leiharbeitern erfolgte. Wenn z.B. der Arbeitgeber in Verhandlungen zu Abweichungstarifverträgen verlangte, dass die Beschäftigten auf ihre tariflich vereinbarten Weihnachtsgeld-Zahlungen verzichten, wurden im Gegenzug Zugeständnisse vom Arbeitgeber gefordert. Auf diese Weise tarifpolitisch

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durchzusetzen, dass die Leiharbeitsquote einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreiten darf, gelang z.B. den Verwaltungsstellen Waiblingen, Stuttgart und BonnSiegburg sowie dem Bezirk Nordrhein-Westfalen (Interview 5, 20, 43, 44). Auch im Bezirk Bayern wurde eine Regelung getroffen, mit welcher der Anstieg der Leiharbeit nach dem Ende der Krise verhindert werden konnte. An verschiedenen bayerischen Standorten des Automobilzulieferers Schaeffler wurden im Juli 2009 Leiharbeiter für kurze Auftragsspitzen eingesetzt. Das sorgte für Entrüstung, weil sich gleichzeitig tausende Stammbeschäftigte in Kurzarbeit befanden. Der Konzernbetriebsrat und der Konzernbetreuer im Bezirk Bayern skandalisierten das Vorgehen in den Medien und nutzten den öffentlichen Druck, um den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu forcieren. Erst wenn die Beendigung der Kurzarbeit der Stammkräfte und ein konzerninternes Rotationssystem der Beschäftigten zwischen den Standorten nicht ausreichen, um die Personalengpässe auszugleichen, durften Leiharbeitsfirmen beauftragt werden (Interview 10 und 59). Die nationale Ebene des Vorstands hingegen verfügte in dem Handlungsfeld Tarifpolitik weder vor, noch während der Wirtschaftskrise über eigene Routinen zur Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit. 12.3.6 Rechtspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise Die organisationale Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion zeigte sich in der Rechtspolitik in Gestalt der Routinen Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit und Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit (Tabelle 39). Vor der Krise wurden diese Routinen auf allen drei Ebenen genutzt. Die lokale Verwaltungsstelle der IG Metall mit Sitz in Dresden z.B. initiierte im Sommer 2007 eine Petition an den Bundestag, in der sie die Begrenzung der Überlassungshöchstdauer von Leiharbeitern auf ein Jahr forderte (Interview 92). Der Vorstand forderte die Wiedereinführung der Überlassungshöchstdauer von drei Monaten. Dadurch würde der Einsatz von Leiharbeit als dauerhafte Personalstrategie eingeschränkt und verhindert werden, dass Leiharbeit zur Substitution von Stammarbeitsplätzen genutzt wird. Nach Einsetzen der Krise, als einige Subeinheiten auf der regionale und die nationale Ebene versuchten, die Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende in den Politikfelder Betriebs- und Tarifpolitik zu erzielen, beteiligte sich der Vorstand daran zwar nicht, aber er fuhr in der Krise mit der Nutzung der rechtpolitischen Routinen mit den bisherigen politischen Forderungen zur Leiharbeit sowie mit seiner Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit fort und nutzte dazu die nahende Bundestagswahl 2009.

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Tabelle 39: Rechtspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Vor der Krise: Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit

In der Krise: Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende Lokale Ebene

Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit Aalen, Alfeld-Alfeld-Hameln-Hildesheim, Aschaffenburg, Bamberg, Freiburg, FriedrichshafenOberschwaben, Heilbronn-Neckarsulm, Kempten, Köln-Leverkusen, Mannheim, Mittelhessen, Paderborn, Regensburg, Salzgitter-Peine, Stuttgart, Südniedersachsen-Harz

-

Regionale Ebene Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit fast alle Bezirke

-

Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit Berlin-Brandenburg-Sachsen, Frankfurt, Küste, Nordrhein-Westfalen

-

Nationale Ebene Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit

Nutzung fortgesetzt

Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit

Nutzung fortgesetzt

Quelle: Eigene Erhebungen

12.4 Z WISCHENFAZIT In diesem Kapitel wurde den Fragen nachgegangen, aus welchen Routinen und organisationalen Fähigkeiten sich die entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit zusammensetzen, in welchen organisationalen Subeinheiten diese zu beobachten waren und welchen weiteren Entwicklungsverlauf die Ressourcen nach dem Krisenbeginn bzw. in Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2009) nahmen. Organisationale Fähigkeiten versetzen eine Organisation in die Lage, auf Routinen zuzugreifen, sie zielorientiert zu kombinieren und zu koordinieren. Bei der Nutzung der organisationalen Fähigkeiten zu Leiharbeit laufen verschiedene Routinen ab, die gemeinsam mit den organisationalen Fähigkeiten die Ressourcenkonfigurationen der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit konstituieren. Als eine organisationale Fähigkeiten der IG Metall zu Leiharbeit wurde die Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor der Krise identifiziert. Mit die-

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ser organisationalen Fähigkeit versuchte die IG Metall, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter zu erzielen sowie neue Mitglieder unter Leiharbeiter zu rekrutieren. Mit ihrem Einsatz für die Belange von Leiharbeitern bezweckte die Gewerkschaft außerdem, durch die Verringerung des Lohnabstands zwischen Leih- und Stammkräften den Druck auf die erreichten Tarifstandards der Stammbelegschaften zu reduzieren. Außerdem erhoffte sich die IG Metall davon, dass Leiharbeit sich aus Unternehmenssicht dadurch verteuerte bzw. ihre Nutzung als Flexibilisierungsinstrument unattraktiver wurde. In der Krise wurde versucht, zu verhindern, dass die Rekrutierungserfolge nach Einsetzen der Rezession wieder zunichte gemacht werden. Denn es bestand die Gefahr, dass die gerade erst geworbenen Leiharbeiter nach dem Verlust ihrer Beschäftigung wieder austreten. Unter den Bedingungen der Krise wurde diese organisationale Fähigkeit deshalb durch manche Subeinheiten der Gewerkschaft zu der organisationalen Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts weiterentwickelt. Die zweite organisationale Fähigkeit, die in dem aktiven Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit identifiziert wurde, war die Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit. Bei der Nutzung dieser organisationalen Fähigkeit wurde z.B. durch Zustimmungsverweigerung und Betriebs- sowie Tarifvereinbarungen über die maximale Einsatzdauer von Leiharbeitern versucht, Leiharbeit und ihre negativen Auswirkungen auf Belegschaften in den Entleihbetrieben einzudämmen. Diese organisationale Fähigkeit wurde nach Einsetzen der Krise an einigen Standorten zu der organisationalen Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach dem Ende der Krise weiterentwickelt, weil nach der Krise ein Anstieg der Nachfrage nach Leiharbeitern zu erwarten war. In einigen Subeinheiten wurde darin die Gelegenheit gesehen, die erneute Zunahme von Leiharbeit zu verhindern. Die organisationalen Fähigkeiten und deren Routinen manifestierten sich demnach in den vier Politikfeldern gewerkschaftlichen Handelns – der Organisations-, Betriebs-, Tarif- und Rechtspolitik auf den drei Ebenen. Dabei wurde deutlich, dass die lokale und die regionale Ebene stärker für die Organisations- und Betriebspolitik zuständig sind bzw. sie in diesen Politikfeldern über organisationale Fähigkeiten und Routinen verfügten, wohingegen die Routinen der Tarif- und Rechtspolitik eher auf der nationalen Ebene vorzufinden waren. Während die Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern auf allen Ebenen entwickelt und angewendet wurden, erfolgte die Nutzung der Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit fast ausnahmslos auf der lokalen und regionalen Ebene. Dieser empirische Befund lässt den Rückschluss zu, dass es sich bei der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung der Leiharbeiter um eine „Querschnittsaufgabe“ der Organisation handelt, zu der jede Ebene einen Beitrag leistet. Zur Vermeidung, Einschränkung und Reduktion hingegen sind die Voraus-

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setzungen auf den dezentralen Ebenen eher gegeben als im Vorstand, der sich nur durch Öffentlichkeitsarbeit und rechtspolitische Forderungen dafür einsetzen kann. Jedoch stellt sich die Frage, wie die räumlich unterschiedliche Verbreitung der Ressourcenkonfigurationen aus Routinen und organisationalen Fähigkeiten in den Subeinheiten vor und in der Krise zu erklären sind. Um darauf eine Antwort zu finden, werden in Kapitel 13 die Einflussfaktoren aufgezeigt, die dafür ursächlich sind, dass an den Gewerkschaftsstandorten unterschiedliche Routinen und organisationale Fähigkeiten entwickelt, implementiert und genutzt wurden.

13 Gründe für die multistandörtlichen Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise 2008/2009

In Kapitel 12 wurden die organisationalen Fähigkeiten und Routinen erläutert, auf denen das aktive Vorgehen der IG Metall zu Leiharbeit vor und während der Krise basierte. Es wurde dargestellt, in welchen Verwaltungsstellen welche organisationalen Fähigkeiten und Routinen im Verlauf der Zeitphasen in den Politikfeldern gewerkschaftlichen Handelns beobachtet wurden. Mit den Gründen für die räumlichen Unterschiede, die in Tabelle 41 überblicksartig dargestellt sind, befasst sich dieses Kapitel. Dabei wird auf die in Kapitel 5.3.2 identifizierten Faktoren rekurriert, die das Handeln von Gewerkschaften im Allgemeinen prägen (Betriebsräte bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene, Verhalten der Arbeitgeber, Größe des Unternehmens, Qualifikationsniveau der Arbeitgeber, historische Gewerkschaftskulturen und politische Traditionen). Die Faktoren, die beeinflussen, welche organisationalen Fähigkeiten und Routinen speziell in der IG Metall bezüglich Leiharbeit entwickelt und implementiert wurden, unterscheiden sich zum einen danach, ob sie innerhalb der Organisation oder im Handlungsumfeld der Organisation zu beobachten waren. Zum anderen wurden die Einflussfaktoren in Tabelle 41 danach differenziert, ob sie die Ressourcenentwicklungsprozesse sowohl vor dem Einsetzen der Krise als auch während der Krise beeinflussten, oder ob sie für diese Prozesse ausschließlich unter den Bedingungen der Krise von Relevanz waren.

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Tabelle 40: Gründe für die multistandörtlichen Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen Vor und in der Krise

Speziell in der Krise

In der Organisation • Individuelle Einstellung der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre

• Reduktion der Aktivität der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre

Im Handlungsumfeld der Organisation • Aktivität, Kompetenz, Durchsetzungsstärke, Kooperationsbereitschaft der Betriebsräte und deren Unterstützung durch die Belegschaft in den Entleihfirmen • Erfolge in anderen Entleihfirmen des Zuständigkeitsgebiets • Bereitschaft der Entleihfirmen zum Abschluss von Vereinbarungen über Leiharbeit • Großbetriebliche Strukturen und Konzernstrukturen der Entleihfirmen • Position der Entleihfirmen in der Wertschöpfungskette • Lage der Entleihfirmen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsgebiets • Betriebsräte in den Verleihfirmen • Bereitschaft der Verleihfirmen zum Abschluss von Haustarifverträgen • Beitritts- und Partizipationsbereitschaft der Leiharbeiter • Regionale „Gewerkschaftskultur“ • Lage der Verwaltungsstelle in Ostoder Westdeutschland • Lage der Verwaltungsstelle in Stadtregionen oder im ländlichen Raum Quelle: Eigene Erhebungen

• Reduktion der Leiharbeit • Fortsetzung der Aktivität der Betriebsräte und Solidarität der Stammbelegschaft in Entleihfirmen • Bereitschaft der Leiharbeitsfirmen, Kurzarbeit anzumelden

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13.1 E INFLUSSFAKTOREN VOR UND IN DER K RISE 2008/2009 13.1.1 Individuelle Einstellung der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre Die organisationalen Fähigkeiten und Routinen, die in den Verwaltungsstellen ausgeübt wurden, variierten je nach Einstellung und individueller strategischer Ausrichtung der Akteure vor Ort. Insbesondere unterschieden sich die Verwaltungsstellen vor der Krise bezüglich der Frage, ob die organisationale Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern oder die organisationale Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit mit ihren Routinen stärker zum Einsatz kam. Der befragte Sekretär in Minden beispielsweise schilderte, dass er einen Widerspruch darin sieht, dass die IG Metall einerseits die Interessen der Leiharbeiter repräsentieren und den Gewerkschaftsbeitritt für Leiharbeiter attraktiv gestalten, aber andererseits Leiharbeit in den Betrieben verhindert will: „Ich glaube, dass, wenn wir sagen: „Wir wollen Leiharbeit verhindern“, dass die Menschen das auf sich beziehen: „Die wollen Leiharbeiter verhindern!“ Dann gibt es für sie keinen Nutzen, in die IG Metall einzutreten. Und von daher glaube ich, ist dieser Ansatz zu sagen: „Wir wollen da bessere Arbeitsbedingungen haben“, etwas, was es attraktiv macht, zu sagen: „So eine Organisation unterstütze ich!““ (Interview 26).

Der organisationalen Fähigkeit der Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit wird deshalb in Minden und außerdem in Berlin eine geringere Bedeutung beigemessen als der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung. Im Gegensatz dazu favorisiert die Verwaltungsstelle SalzgitterPeine die Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit in den Metallund Elektrobetrieben, wie der Bezirkssekretär im Leiharbeitsprojekt von Niedersachsen-Sachsen-Anhalt betont: „Salzgitter ist eine Verwaltungsstelle, die sehr stark darauf achtet, dass die Betriebsräte die Leiharbeit aus ihren Betrieben heraushalten. Das wird sehr straff da geführt. Das ist noch richtig kalte IG Metall“ (Interview 9).

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13.1.2 Aktivität, Kompetenz, Durchsetzungsstärke, Kooperationsbereitschaft der Betriebsräte und deren Unterstützung durch die Belegschaft in den Entleihfirmen Wie in Kapitel 5.3.2 erläutert wurde, werden die Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften durch die Betriebsräte in Entleihunternehmen bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene beeinflusst (Wassermann/Rudolph 2007). Ihre Mitbestimmungsrechte bieten zahlreiche Ansatzpunkte, um Leiharbeit zu verhindern, zu begrenzen oder durch die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen mit zu gestalten. Außerdem ist die Gewerkschaft auf die Betriebsräte angewiesen, weil sie ohne ihrer Hilfe keinen Kontakt zu Leiharbeitern z.B. im Rahmen von gemeinsam abgehaltenen Betriebsversammlungen oder in Betriebsratssprechstunden aufbauen kann (Interview 17, 22, 23, 27, 29, 79). Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Hanau gelangte aus diesen Gründen zu dem Schluss: „Der Betriebsrat ist der Schlüssel für uns, um betriebs- und organisationspolitisch in der Leiharbeit Erfolg zu haben. Der Betriebrat muss sich kümmern. Das ist die Voraussetzung. Ohne ihm geht es schlicht nicht“ (Interview 29).

In Kapitel 10.2.3 wurde allerdings darauf hingewiesen, dass Betriebsräte nicht immer im Sinne der Gewerkschaften agieren, sondern eigene Ziele verfolgen (Wassermann 2003: 410). Ob es der IG Metall gemeinsam mit den Betriebsräten gelingt, Leiharbeit aus den Betrieben fern zu halten und die Interessen von Leiharbeitern zu vertreten, ist demnach auch von dem Engagement des Betriebsrats abhängig. Wovon das abhängt, wird im Folgenden geschildert: Erstens setzt ein effizientes gemeinsames Engagement von Gewerkschaft und Betriebsrat in einem Unternehmen voraus, dass der Betriebsrat überhaupt zu einer Kooperation mit der Gewerkschaft bereit ist. In den Interviews wurde berichtet, dass das Verhältnis zwischen der lokalen IG Metall und einigen Betriebsräten angespannt ist. Als z.B. im Jahr 2007 das Motorola-Werk in Flensburg schloss, wurden 1.200 Leiharbeiter an ihre Arbeitgeber zurück geschickt und zu einem großen Teil entlassen. Weil sich die lokalen IG Metall-Sekretäre mit dem Betriebsrat nicht über ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, wurde auch nichts für den Erhalt der Arbeitsplätze der Leiharbeiter unternommen (Interview 69). Außerdem wurde deutlich, dass einige befragte Sekretäre über die Betriebsvereinbarungen und mündliche Absprachen in den Entleihbetrieben ihres Zuständigkeitsgebiets nicht ausreichend Bescheid wussten (z.B. Interview 27, 45, 62, 74). Bei deren Abschluss hatten die Betriebsräte die lokale Gewerkschaftsvertretung – zum Teil bewusst – nicht einbezogen. Die lokalen Gewerkschaftssekretäre erfuhren erst

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nach der Unterzeichnung der Vereinbarungen davon und waren häufig mit den darin festgelegten Inhalten nicht einverstanden (Interview 27 und 62). Wenn ein Betriebsrat vehement die Ansicht vertritt, dass Leiharbeit die Stammarbeitsplätze schützt, kann es ggf. zu Konflikten oder sogar zu einem Austritt von Betriebsräten aus der Gewerkschaft kommen (Interview 12). Ein Betriebsratvorsitzender trat aus der IG Metall aus, weil ihn der Bezirkssekretär dazu bewegen wollte, zur Verbesserung der Einsatzbedingungen der Leiharbeiter in eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber zu gehen (Interview 5). Zweitens müssen die Betriebsräte das Thema „Leiharbeit“ ernst nehmen und sich für die Leiharbeiter zuständig fühlen. Dies traf zu Beginn der IG MetallKampagne auf die Mehrheit der Betriebsräte in den Entleihfirmen allerdings nicht zu (Interview 5, 13, 25, 29, 38, 42, 78). In der Regel mussten die Sekretäre die Betriebsräte zunächst für die Thematik sensibilisieren und motivieren, um in der Betriebs- und Organisationspolitik einen wesentlichen Schritt voranzukommen. Weil Leiharbeiter im Durchschnitt nur wenige Monate in demselben Betrieb eingesetzt sind, aber ihre Interessenvertretung für Betriebsräte einen erheblichen Mehraufwand bedeutet, beachteten die meisten Betriebsräte die Leiharbeitskräfte nicht (Interview 48). Auch zwischen den Betriebsratsmitgliedern besteht häufig Uneinigkeit und Konfliktpotenzial bezüglich der Frage, wie mit dem Thema „Leiharbeit“ im Betrieb verfahren wird (Interview 1). Jedoch ist die Sensibilität der Betriebsräte diesbezüglich aufgrund der Kampagne merklich gestiegen (Interview 7, 17, 33, 38). Drittens müssen die Betriebsräte widersprüchliche Interessenlagen miteinander vereinbaren: zum einen die Interessen der Stammbelegschaft an der Sicherung der eigenen Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen; zZum anderen die Anliegen der Leiharbeiter, denen eine bessere Entlohnung und Integration in den Betrieb wichtig ist. Für die Leiharbeiter einzutreten, die häufig als Konkurrenz zur Stammbelegschaft betrachtet werden, stellt die Betriebsräte deshalb vor ein Dilemma (Interview 2, 17, 27). Ein Großteil der Betriebsräte sah sich primär als Interessenvertretung der Stammkräfte und war aufgrund des wachsenden wirtschaftlichen Drucks, unter dem immer mehr Unternehmen stehen, auch mit dem Schutz und der Interessenvertretung der Stammkräfte völlig ausgelastet. Insbesondere solche Betriebsräte waren schwierig von den betriebspolitischen Zielen der IG Metall zu überzeugen und zu aktivieren, die bereits in der Vergangenheit aufgrund einer Unternehmenskrise Interessensausgleiche und Sozialpläne für die Stammbeschäftigten verhandelt hatten. Um sich im Fall einer erneuten Auftragsflaute nicht mit Personalabbau befassen zu müssen, wurde Leiharbeit bisweilen von den Betriebsräten sogar begrüßt (Interview 7, 15, 30, 53, 57). Viertens benötigen Betriebsräte juristische und betriebspolitische Kenntnisse, um den Einsatz von Leiharbeitern im Unternehmen zu verweigern und ggf. durch die Ausübung von Druck den Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Besserstellung von Leiharbeitern herbeizuführen. Aus Unkenntnis ihrer juristischen Ein-

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flussmöglichkeiten schöpfen jedoch viele Betriebsräte die gesetzlichen Möglichkeiten, Leiharbeit in ihrem Betrieb zu verhindern oder zu gestalten, bei Weitem nicht aus (Interview 12, 22, 32). Aufgrund der zu der IG Metall-Kampagne gehörenden Schulungen hat sich der diesbezügliche Wissensstand der meisten Betriebsräte allerdings erhöht (Interview 15, 22, 25). Ob Verbesserungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen der Leiharbeiter erreicht werden können, hängt fünftens davon ab, ob sich die Betriebsräte gegenüber dem Arbeitgeber mit Forderungen nach z.B. „equal pay“ oder der Übernahme von Leiharbeitern durchsetzen können (Interview 9, 12, 22, 23, 31). Ein hoher Organisationsgrad unter den Stammbeschäftigten spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle (Interview 12) – insbesondere deshalb, weil die rechtlichen Einflussmöglichkeiten im Betrieb vergleichsweise gering sind: „Zu sagen: „Wir wollen verbesserte Arbeitsbedingungen für die Leiharbeiter“ und kaum einen Paragraphen dafür zu haben, erfordert Stärke. Da muss man konfliktfähig sein. Und da spielt die Frage der Mitgliedschaft eine riesige Rolle. Denn sonst kriegen wir betriebspolitisch auch wenig hin. Da, wo wir „Besser-Regelungen“ durchgesetzt haben, hat im Prinzip die Stammbelegschaft die Besserregelung für die Leiharbeiter durchgesetzt. Die Stammbelegschaft hat für die Leiharbeiter gekämpft“ (Interview 1).

Nicht immer gelingt es jedoch, die betriebsinternen Konkurrenzen zu überwinden und Solidarität zwischen Stamm- und Leihkräften zu erzeugen (Interview 5, 34, 35, 53, 80). Folgendes Beispiel zeigt, dass es gelingen kann, das in den Stammbelegschaften vorhandene Machtpotenzial für Leiharbeiter zu nutzen: Bei den Auseinandersetzungen im BMW-Werk Leipzig und am Standort des Automobilzulieferers Faurecia in Leipzig, die schließlich zum Abschluss der Betriebsvereinbarungen führten, fiel es dem Betriebsrat vergleichsweise leicht, die Stammkräfte für die Interessen der Leiharbeiter zu mobilisieren, denn in beiden Werken bestand die personalpolitische Strategie darin, dass Arbeitskräfte als Leiharbeiter eingesetzt wurden, dann befristet und erst nach zwei Jahren fest eingestellt werden. Deshalb hatte ein Großteil der Belegschaft eine Phase der Leiharbeit durchlaufen und eine höhere Bereitschaft, sich auch mit einem Streik für die Gleichbezahlung der Leiharbeiter einzusetzen. So gelang es den örtlichen Betriebsräten von BMW und Faurecia zusammen mit dem Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen und den Stammkräften, eine Betriebsvereinbarung über „equal pay“ durchzusetzen (Interview 8, 80). Sechstens müssen Betriebsräte bei ihrem Engagement für die Anliegen der Leiharbeiter ggf. auch dazu bereit sein, gemeinsam mit der IG Metall gegen den Willen der Stammbelegschaft Betriebsvereinbarungen für Leiharbeiter abzuschließen, wenn keine Solidarität zwischen Stamm- und Leihkräften herzustellen ist. Dies zeigte sich im Siemens-Werk in Kirchheim, wo im Jahr 2007 eine Betriebsvereinbarung über eine Gewinnbeteiligung für die entliehenen Leiharbeiter durchgesetzt

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wurde. Allerdings missbilligte die Stammbelegschaft die Verhandlungen zwischen Konzernbetriebsrat und Konzernleitung im Vorfeld des Abschlusses: „Da gab es heftige Diskussionen im Betriebsrat und in der Belegschaft, weil die Belegschaft sagte: „Das sind 50 Leiharbeiter mal 3.000 Euro. Wenn die das nicht kriegen, würde ich noch mal was oben drauf kriegen. Warum soll der Leiharbeiter da was kriegen?“ Der Betriebsrat und wir haben dort gesagt: „Wir stehen diese Auseinandersetzung durch und müssen dabei auch gegen Widerstände angehen““ (Interview 46).

Das Beispiel demonstriert die geringe Bereitschaft in der Stammbelegschaft vieler Entleihfirmen, sich gemeinsam für die Belange der Leiharbeiter zu organisieren. Siebtens unterscheidet sich von Einsatzbetrieb zu Einsatzbetrieb, inwiefern Betriebsräte sich für die Mitgliederwerbung unter den Leiharbeitern in ihrem Betrieb verantwortlich fühlen (Interview 1, 2, 29, 42, 56, 78). Dass z.B. die IG Metall Neustadt a.d. Weinstraße im Bezirk Frankfurt im Jahr 2008 die Verwaltungsstelle mit den höchsten Mitgliederzahlen unter Leiharbeitern war, ist einzig auf das Engagement des Betriebsrats im Daimler-Werk Wörth zurück zu führen. Dort wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach in der Regel nur mit dem gemeinnützigen Leiharbeitsunternehmen Gabis kooperiert wird. Gabis hat einen Haustarifvertrag mit der IG Metall abgeschlossen und Daimler sich dazu verpflichtet, die Differenz zwischen dem Tarifvertrag und dem Lohn der Stammkräfte zu begleichen. Die Betriebsräte begrüßen seitdem jeden Leiharbeiter von Gabis in einem persönlichen Gespräch und pochen auf den Beitritt in die IG Metall. Dadurch betrug der Organisationsgrad unter den Leiharbeitern im Daimler-Werk Wörth 87 % (Interview 36). Allerdings sind die genannten sieben Bedingungen für einen erfolgreichen gemeinsamen Einsatz von Gewerkschaft und Betriebsrat für die Belange von Leiharbeitern in der Mehrzahl der Entleihbetriebe nicht gegeben. Deshalb ist die Effizienz der Zusammenarbeit mit den Betriebsräten in den Verwaltungsstellen unterschiedlich hoch. 13.1.3 Erfolge in anderen Entleihfirmen des Zuständigkeitsgebiets Hat die Verwaltungsstelle gemeinsam mit dem Betriebsrat eines Entleihbetriebs erfolgreich eine Betriebsvereinbarung zur Besserstellung von Leiharbeitern zum Abschluss gebracht, fällt die Verhandlung von ähnlichen Betriebsvereinbarungen mit Betriebsräten in anderen Entleihunternehmen häufig nicht mehr ganz so schwer. Als eine Art „best practice“-Beispiel führen die Sekretäre den Betriebsräten anderer Einsatzbetriebe den ersten Erfolg vor Augen, um auch sie zu ähnlichen Bemühungen zu motivieren. Weil sich die Betriebsräte in den meisten Entleihbetrie-

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ben im Zuständigkeitsgebiet der IG Metall Gütersloh nicht für die in ihren Betrieben eingesetzten Leiharbeiter verantwortlich fühlten, berichtete der für Leiharbeit zuständige IG Metall-Sekretär ihnen von der Regelung bei der Miele AG, wonach nur maximal 2,5 % der Belegschaft Leiharbeiter sein dürfen und diese eine Zuschlagszahlung auf ihr Entgelt erhalten: „Um da eine Bewusstseinsänderung bei den Betriebsräten herbei zu führen, sind wir hier mit „best practice“ rangegangen. Miele hat hier eine Vorreiter- oder eine Vorbildfunktion in der Richtung, weil die Betriebsräte sich dort vorbildlich bemühen, das Thema für sich zu organisieren“ (Interview 24).

13.1.4 Bereitschaft der Entleihfirmen zum Abschluss von Vereinbarungen über Leiharbeit In Kapitel 5.3.2 wurde das Verhalten der Arbeitgeber (Heery/Simms 2010: 3) als weiterer Einflussfaktor auf die Ressourcenentwicklung genannt, denn die Leitung eines Unternehmens kann in unterschiedlicher Weise auf die gewerkschaftlichen Bemühungen um Mitgliederwerbung und Interessenvertretung reagieren (Bain 1970: 97ff.; Freeman/Kleiner 1990: 364). Dies wird auch bezüglich Leiharbeit deutlich: In zahlreichen Einsatzunternehmen scheiterten die Versuche von Betriebsrat und IG Metall bislang an der geringen Verhandlungsbereitschaft der Unternehmensleitung, eine bessere Entlohnung der Leiharbeiter durchzusetzen. In einigen Unternehmen ergaben sich jedoch günstige Gelegenheiten, um in sog. Konzessionsverhandlungen Einfluss auf die Leiharbeit zu nehmen. Auseinandersetzungen um Ergänzungstarifverträge z.B. bieten der Gewerkschaft und dem Betriebsrat die Möglichkeit, auf die Forderungen des Arbeitgebers nach Zugeständnissen mit Gegenforderungen zu reagieren: „Das kriegt man nur hin, wenn man Situationen hat, wo es ums Geben und Nehmen geht. Nur so geht es. Dass wir geschaut haben: Wo braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates?“ (Interview 54).

Durch dieses reziproke Prinzip erfolgt z.B. die Erhöhung der Löhne von Leiharbeitern oder die Einführung einer maximalen Leiharbeitsquote als das „Nebenprodukt“ einer Einigung. Bei der Pleissner Guss GmbH in Herzberg wurde im Mai 2008 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, weil das Unternehmen eine Mengensteigerung der Produktion plante und der zu erwartende personelle Engpass durch Leiharbeit abgefedert werden sollte. Die Zahl der Leiharbeiter wurde auf 60 begrenzt und frei werdende Stellen wurden bevorzugt mit Leiharbeitern besetzt. Außerdem erhielten die Leiharbeiter eine Prämie, die auch an die Stammbeschäftigten gezahlt wurde. In

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diesem Beispiel nutzte der Betriebsrat mit Unterstützung der IG Metall SüdNiedersachsen-Harz die Verhandlungsbereitschaft des Arbeitgebers aus, als der laut BetrVG auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen war (Interview 70). Auch unter den Bedingungen der Krise bestand eine hohe Bereitschaft seitens der Unternehmensleitung von Entleihfirmen, in Verhandlung zu treten, z.B. weil die Verhandlung von Sozialplänen erforderlich wurde. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wuppertal sah darin eine günstige Gelegenheit zum Abschluss von Vereinbarungen zur Leiharbeit, die nach der Krise greifen würden: „Jetzt will der Arbeitgeber ganz viel von einem. Da ist die Gegenleistung vielleicht eine gute Vereinbarung zum Thema „Leiharbeit“. Wenn es darum geht, für einen Arbeitgeber eine gute Kurzarbeitsvereinbarung zu kriegen und die Gegenleistung ist, dass Leiharbeit auf sechs Monate befristet wird und danach eine Festübernahme erfolgen muss, kostet ihn das im Moment gar nichts. Wenn der Arbeitgeber was will, ist er erpressbar. Man muss gucken: Wann ist eine Chance, wo wir Forderungen stellen können?“ (Interview 15).

13.1.5 Großbetriebliche Strukturen und Konzernstrukturen der Entleihfirmen Großunternehmen nutzen Leiharbeit in stärkerem Umfang als kleine und mittlere (z.B. Bellmann et al. 2009: 393; Crimmann et al. 2009: 24; Vanselow 2009: 6), wie in Kapitel 9.2.1.2 erläutert wurde. Zudem wurde in Kapitel 5.3.2 auch darauf hingewiesen, dass das Handeln von Gewerkschaftssekretären von der Größe des Unternehmens abhängig ist, in dem die Gewerkschaft aktiv wird (Ebbinghaus 2003: 177; Kersley et al. 2006: 120). Als Begründung wurde angeführt, dass dort tendenziell durchsetzungsstärkere Betriebsratsstrukturen existieren (Wassermann 2003: 417). Auch die empirischen Befunde deuten darauf hin, dass Betriebsräte in Konzernen und in großen Entleihfirmen stärker sind als in mittleren und kleinen: „Bei Porsche, Daimler und Bosch gibt es schon seit Ewigkeiten einen Betriebsrat. Die haben durch viele Tarifrunden ein Selbstbewusstsein oder auch Selbstverständnis als Metaller entwickelt und wissen, dass man als abhängig Beschäftigter was bewegen kann, wenn man zusammenhält“ (Interview 43).

In großen Unternehmen und Konzernen bestehen eine etablierte Mitbestimmungskultur, Aufsichtsräte, ein höherer gewerkschaftlicher Organisationsgrad der Belegschaft, Vertrauensleute zur Unterstützung und freigestellte Betriebsräte in den Gremien (z.B. Interview 17, 43, 57). Speziell Konzerne der Stahlindustrie haben außerdem einen Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied im Vorstand, wie z.B. Federal Mogul bei Wiesbaden

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(Interview 33) und die Hüttenwerke Krupp Mannesmann in Duisburg (Interview 27 und 95). Der Erste Bevollmächtigte in Witten wies darauf hin, dass Betriebsvereinbarungen zu „equal pay“ in Stahlkonzernen einfacher durchzusetzen sind, weil dort Arbeitsdirektoren zusätzlich zu den Konzernbetriebsräten Druck auf die Unternehmensleitung ausüben können (Interview 27). Aus diesen Gründen gelangten einige Befragte zu der Aussage, dass Gewerkschaftssekretäre in Verwaltungsstellen mit einem großen Industrieunternehmen, wie z.B. Gaggenau mit Daimler (Interview 46, 50, 54), eine höhere Entlohnung der Leiharbeiter einfacher durchsetzen und dadurch Mitglieder werben können als Gewerkschaftssekretäre in Verwaltungsstellen mit vielen kleinen und mittleren Betrieben (Interview 44, 46, 51, 54). Tatsächlich wurden in den Verwaltungsstellen mit großen Entleihbetrieben beträchtliche Mitgliederwerbeerfolge unter Leiharbeitern verzeichnet (Interview 3). Das Zuständigkeitsgebiet der Verwaltungsstelle Bielefeld, das eher durch mittelständische Unternehmen geprägt ist, bietet daher ungünstigere Bedingungen zur Durchsetzung von „equal pay“: „Ich kriege nicht mit einem Schlag gute Vereinbarungen hin und sage: „Leiharbeiter werden genauso bezahlt wie Stammbelegschaft.“ Das kriegt vielleicht ein Großkonzern hin wie BMW oder VW, aber nicht bei der mittelständischen Industrie, die wir hier haben. Da sind wir froh, wenn wir Regelungen hinbekommen, dass Leiharbeiter einmal eine Prämie ausgezahlt bekommen“ (Interview 24).

Einige Befragte räumten allerdings ein, dass es nicht auszuschließen ist, dass auch in kleinen und mittleren Unternehmen starke Betriebsräte vorhanden sind, die Verbesserungen für Leiharbeiter erzielen können (Interview 21 und 43). Außerdem kann es unter Umständen auch schwieriger sein, bei einem Konzern eine Regelung zur besseren Entlohnung von Leiharbeitern durchzusetzen. In Wörth und Leipzig gelang es zwar, bei dem Automobilzulieferer Faurecia Regelungen zu „equal pay“ zu erreichen. Den Abschluss weiterer Vereinbarungen mit demselben Inhalt verhinderte die Konzernleitung in Frankreich aber (Interview 36 und 80). Solche Betriebsvereinbarungen, mit deren Abschluss sich der Arbeitgeber dazu verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Leiharbeiter in ein festes Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen, lassen sich in – insbesondere US-amerikanischen – Konzernen überhaupt nicht durchsetzen, weil international agierende Konzerne den Subunternehmen Vorgaben bezüglich der Mitarbeiterzahlen machen, die eingehalten werden müssen. Würde am deutschen Standort eines Konzerns eine Übernahme von Leiharbeitern in die feste Belegschaft erfolgen, hätte das ggf. die Überschreitung dieses „head counts“ zu Folge. An dem deutschen Standort lässt sich dieser Regelungsinhalt mit der Geschäftsführung vor Ort daher nicht vereinbaren. Die Größe des Entleihunternehmens beeinflusste auch die Handlungsspielräume von Gewerkschaftssekretären und Betriebsräten bei ihren Bemühungen, die Ar-

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beitsplätze von Leiharbeitern in der Krise z.B. durch Kurzarbeit zu erhalten. Mit Ford in Köln und dem Verleiher Adecco konnte eine Betriebsvereinbarung gegen die Entlassung von Leiharbeitern abgeschlossen werden. Mit Audi in Ingolstadt wurde in einem tariflichen Abkommen eine Übereinkunft über Kurzarbeit für Leiharbeiter vereinbart. Solche Regelungen waren aber nur mit großen Entleihern abzuschließen (Interview 17, 22, 28): „Wenn man Ford als größten Entleiher bei sich vor Ort hat, dann hat man als Gewerkschaft, als Betriebsrat andere Durchsetzungsmöglichkeiten. Da kann man in der Krise auch anders Druck ausüben auf die Verleihfirmen wie Adecco“ (Interview 22).

Als Grund hierfür wurde genannt, dass die genannten Leiharbeitsfirmen von den umfangreichen Aufträgen der großen Kundenfirmen abhängig waren, die nach dem Ende der Krise zu erwarten waren. 13.1.6 Position der Entleihfirmen in der Wertschöpfungskette Nach Auskunft des Ersten Bevollmächtigten der Verwaltungsstelle in Neustadt a.d. Weinstraße, der zugleich einen Sitz im Aufsichtsrat des Automobilzulieferers Faurecia innehat, lassen sich tarifliche Vereinbarungen und Betriebsvereinbarungen für in der Automobilindustrie eingesetzte Leiharbeiter einfacher mit einem Endhersteller, dem Original Equipment Manufacturer (OEM), als mit dessen Zuliefererunternehmen abschließen. Diese Einschätzung begründete er damit, dass Zulieferer unter einem hohem Kostendruck stehen, den die Endhersteller im Zuge der Verringerung ihrer Fertigungstiefe durch Outsourcing ausüben: „Über das Thema „Leiharbeit“ und Bezahlung können Sie bei einem Endhersteller mit ganz anderen Voraussetzungen reden als mit Zulieferern. Wir haben es leichter, bei Endherstellern „equal pay“ zu fordern, weil die dann die Zulieferer drücken. Daimler, VW, Opel oder Ford sagen dann den Zulieferern: „Ihr müsst billiger werden!“ Und die Konkurrenz unter den Zulieferern ist ja immens groß. Die haben dann letztendlich mit den Auswirkungen zu kämpfen“ (Interview 36).

Je weiter ein Entleihunternehmen am Anfang der Wertschöpfungskette steht, desto schwieriger sind Regelungen z.B. zur Gleichbezahlung der Leiharbeiter zu vereinbaren: „Bei den Zulieferern der Zulieferer wird es zusätzlich schwieriger. Wenn Faurecia sagt: „Ich will im Gegensatz zu dem letzten Vertrag x Prozent weniger bezahlen. Machst du das?“ Jetzt muss der ja gucken, dass der das Material billiger einkauft. Und so geht das in der Kette im-

272 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT mer weiter und darum kriegen Sie weiter vorne auch kein „equal pay“ hin. Ich würde es bei großen Zulieferern wie Faurecia, Magna, Delphi, da würde ich es andiskutieren, aber nicht mit Zulieferern der Zulieferer und je kleiner sie werden, desto komplizierter und schwieriger oder aussichtsloser ist das“ (Interview 36).

Nicht nur weil die Konzernleitung von Endherstellern den Kostendruck an die Zulieferer weiter gibt, sondern auch weil die Betriebsräte von Endherstellern häufig durchsetzungsstärker sind, ist es einfacher, sich für eine bessere Entlohnung bei Endherstellern einzusetzen als bei Zulieferern oder deren Zulieferern: „Sie haben bei den OEMs ganz andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen als in den Zuliefererbetrieben. Und deswegen gelingt das dort eher. Aber je kleiner die Einheit der Zulieferer wird, desto weniger bekommen sie „equal pay“ hin. Dort haben Sie in der Regel auch keine Betriebsratsstrukturen“ (Interview 36).

13.1.7 Lage der Entleihfirmen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsgebiets Für die Mitglieder der IG Metall ist bei der Rechtsberatung diejenige Verwaltungsstelle zuständig, in deren Gebiet der Arbeitgeber des Mitglieds seinen Standort hat. Im Fall eines Leiharbeiters handelt es sich beim Arbeitgeber um das Leiharbeitsunternehmen. Einige befragte Gewerkschaftssekretäre in lokalen Verwaltungsstellen berichteten davon, dass es in ihrer Verwaltungsstelle schwierig ist, Leiharbeiter als Mitglieder zu gewinnen, zu betreuen und ihre Interessen zu vertreten, weil sie außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der Verwaltungsstelle eingesetzt werden (Interview 56, 57, 75, 77, 78, 92). Beispielsweise wurden in Aschaffenburg Leihkräfte von Leiharbeitsfirmen mit Sitz in Hanau, Offenbach und Frankfurt eingesetzt (Interview 60). 13.1.8 Betriebsräte in den Verleihfirmen Neben den Betriebsräten in Entleihfirmen kommt den Betriebsräten in den Verleihfirmen ebenfalls eine zentrale Bedeutung zu, weil sie die IG Metall-Sekretäre im Betrieb unterstützen. Aufgrund der Schwierigkeiten, Betriebsräte in Leiharbeitsfirmen zu gründen (Kapitel 8.1), sind jedoch in den wenigsten Verleihfirmen Betriebsräte vorzufinden (Tabelle 41). Lediglich bei Randstad und der Wolfsburg AG/AutoVision People (die Betriebsratsgremien der beiden Verleihfirmen gehören seit 2010 zusammen) in Wolfsburg wurden bundesweit zuständige Betriebsräte installiert. Betriebsratsstrukturen bei großen Leiharbeitsfirmen existieren sonst bislang nur für bestimmte Regi-

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onen. Der Betriebsrat von Tuja z.B. hat seinen Sitz in Regensburg und ist für Bayern zuständig. Daneben gibt es regional agierende Leiharbeitsfirmen, die ebenfalls Betriebsratsstrukturen besitzen (Interview 1, 5, 56, 57, 68). Wo ein auf dem lokalen Arbeitsmarkt agierendes Verleihunternehmen einen Betriebsrat hat, verfügen die Gewerkschaftssekretäre vor Ort über vielfältige Möglichkeiten, die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen von Leiharbeitern zu verbessern (Interview 79 und 94). Allerdings kam es bisweilen zu Konflikten, wenn sich die IG Metall in Einsatzbetrieben um die Zahlung eines Zuschlags an die Leiharbeiter einer Leiharbeitsfirma bemühte und der Betriebsrat der Leiharbeitsfirma dies zu verhindern versuchte, weil er befürchtete, dass die Leiharbeitsfirma deshalb den Einsatzbetrieb möglicherweise als Kunden verlieren würde (Interview 23 und 34). Tabelle 41: Bundesweite, regionale und städtische Betriebsratsstrukturen in Leiharbeitsfirmen in Deutschland Leiharbeitsfirma

Zuständigkeitsgebiet des Betriebsrats

Sitz des Betriebsrats

Randstad

Gesamtes Bundesgebiet

Diverse Standorte

Gesamtes Bundesgebiet

Wolfsburg

Tuja/Adecco Bayern

Bayern

Regensburg

Adecco Köln

Raum Köln

Köln

Adecco Hamburg

Raum Hamburg

Hamburg

Manpower Erkner

Erkner

Erkner

Diehl Zeitarbeit

Westfalen

Lippstadt

Start NRW Euro Engineering AG/ DIS AG Time Partner

Nordrhein-Westfalen

Duisburg

Raum Mannheim

Mannheim

Raum Essen

Essen

Molis High Professionals

Raum Hamburg

Hamburg

ProVis Service

Emsland

Spelle

Avitea

Westfalen

Lippstadt

Avance-Automotive

Raum Leipzig

Leipzig

Wolfsburg AG AutoVision

Quelle: Eigene Erhebungen

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13.1.9 Bereitschaft der Verleihfirmen zum Abschluss von Haustarifverträgen Wie in Kapitel 5.3.2 geschildert, handelt es sich auch bei dem Verhalten des Arbeitgebers um einen Faktor, der das Handeln von Gewerkschaften auf Betriebsebene beeinflusst. Dies gilt – bezogen auf die hier untersuchte Thematik – nicht nur für die Arbeitgeber der Entleihbetriebe, sondern auch die der Verleihbetriebe: Einige Gewerkschaftssekretäre berichteten davon, dass sie mit Leiharbeitsfirmen Haustarife abschließen konnten, weil diese auf die IG Metall zukamen. Von einem solchen Tarifabschluss erhofften sich die Leiharbeitsfirmen, eine Reputation als sozialer Arbeitgeber aufbauen zu können und einen Vorteil zu gewinnen gegenüber Konkurrenten bei der Akquisition von Aufträgen neuer Kundenfirmen sowie bei der Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte (Interview 15, 21, 34, 45, 48). In einigen Verwaltungsstellen waren die Voraussetzungen zur Durchsetzung von „arbeitnehmerfreundlichen“ Bedingungen in Haustarifverträgen mit Verleihern besonders günstig, weil gemeinnützige Leiharbeitsfirmen vor Ort ansässig waren, denen die Einhaltung sozialer Standards ein zentrales Anliegen war. Das Netzwerk Lippe z.B. wird vom Kreis Lippe getragen und hat einen Haustarifvertrag mit der IG Metall Detmold abgeschlossen (Interview 5 und 23). 13.1.10 Beitritts- und Partizipationsbereitschaft der Leiharbeiter Zahlreiche befragte Gewerkschaftssekretäre äußerten, dass Leiharbeiter in der Regel große Angst haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Besonders in Regionen, die schon vor dem Herbst 2008 von Personalabbau oder Unternehmenskrisen betroffen waren, sind Leiharbeiter schwierig zu gewerkschaftlichem Engagement zu motivieren. Einige Leiharbeiter, die z.B. bei Phillips Bildröhren in in Aachen eingesetzt waren, hatten zuvor jahrelang eine Festanstellung bei einem der bedeutendsten Arbeitgeber der Stadt, , ehe der Standort verlagert wurde (Interview 21). Dennoch traten allein im Jahr 2008 ca. 11.000 Leiharbeiter in Deutschland der IG Metall bei (Interview 3). Außerdem partizipierten Leiharbeiter an den lokalen Aktivitäten, weil sie sich über die Befürchtung, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, hinweg setzten (Interview 31). Bezüglich der Beitrittsbereitschaft von Leiharbeitern wird ein organisationspolitisches Problem der IG Metall evident, das sich auch bei der Mitgliederwerbung unter regulär Beschäftigten zeigt: Einige Gewerkschaftssekretäre berichteten davon, dass in ihrem Zuständigkeitsgebiet hochqualifizierte Leiharbeiter eingesetzt werden (z.B. bei BMW, Opel, Ford, Airbus). Während Facharbeiter, die als Leiharbeiter beschäftigt sind, tendenziell eher von einem Beitritt zu überzeugen sind, gestaltet sich dies im Fall von Ingenieuren schwieriger, weil zwischen solchen Arbeitneh-

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mermilieus und den Gewerkschaftsvertretern erhebliche soziale Distanzen existieren, was sich auch bei der Rekrutierung von Leiharbeitern als hinderlich erweist. Demnach handelt es sich bei dem Qualifikationsniveau und der davon abhängigen Beitrittsbereitschaft um einen Einflussfaktor, der nicht nur das Handeln von Gewerkschaften im Allgemeinen, sondern auch die Anwendbarkeit der organisationalen Fähigkeiten und Routinen der IG Metall bezüglich Leiharbeit beeinflusst. Hoch qualifizierte Leiharbeiter werden laut den Branchentarifverträgen in die höchsten Entgeltgruppen eingestuft und erhalten in einigen Einsatzbetrieben Aufschlagszahlungen und/oder Gewinnbeteiligungen. Zudem haben sich diese Leiharbeiter in vielen Fällen bewusst für den Status als Leiharbeiter entschieden, um Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmen und Projekten sammeln zu können. Weil Leiharbeiter mit hoher Qualifikation deshalb andere Interessen haben als gering qualifizierte, können sie nicht mit denselben Ansprachekonzepten geworben und gewerkschaftlich vertreten werden (Interview 1, 34, 68). Der Leiter des Ressorts „Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte“ betont deshalb, dass diesen Qualifikationsunterschieden Rechnung getragen werden muss: „Das Problem in der Leiharbeit ist: Die ist ja vielschichtig und wir müssen sie auch als vielschichtig begreifen. Wenn Leiharbeiter 50 % Lohnunterschied zu den fest Beschäftigten haben, ist das die eine Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass wir Ingenieure in der Leiharbeit beschäftigt haben, die verdienen mehr als die Stammbelegschaft oder zumindest mal gleich. Das sind nicht die Ärmsten der Armen. Also, Leiharbeit gleich Niedriglohn ist keine Gleichung, die aufgeht“ (Interview 1).

Das aktive Handlungskonzept der IG Metall zu Leiharbeit und seine Bestandteile, wie z.B. die Kampagne, waren jedoch auf die gering qualifizierte Mehrheit der Leiharbeiter in den Metall- und Elektrobetrieben ausgerichtet, die im Vergleich zu den Stammkräften in den Einsatzbetrieben geringere Löhne beziehen. Davon zeugt auch das Kampagnen-Motto „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“. Die Anliegen von hoch qualifizierten Leiharbeitern, wie z.B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Arbeitszeitregelungen, wurden durch die IG Metall jedoch nur am Rande berücksichtigt, und für diese Beschäftigtengruppen wurden keine adäquaten Themen- und Beteiligungsangebote entwickelt. Zudem sind es diese Leiharbeiter gewohnt, ihre Probleme am Arbeitsplatz selber zu lösen und ihre Interessen direkt mit den Vorgesetzten auszuhandeln (Interview 3). Insofern überrascht es kaum, dass unter der sehr speziellen Zielgruppe der Leiharbeiter mit hoher Qualifikation kaum Werbeerfolge erzielt wurden (Interview 3).

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13.1.11 Regionale „Gewerkschaftskultur“ Wie in Kapitel 5.3.2 erwähnt, gilt es in der Gewerkschaftsforschung als erwiesen, dass die lokal und regional variierenden historischen Gewerkschaftskulturen und politischen Traditionen die Anwendbarkeit gewerkschaftlicher Strategien beeinflussen (z.B. Peck 1996: 198; Wills 1996: 365; Peck/Theodore 2010: 89). Auch die Möglichkeiten der Interessenvertretung von Leiharbeitern in den Regionen Deutschlands unterscheiden sich dahingehend, dass die „Gewerkschaftskultur“ verschieden stark ausgeprägt ist. Der Erste Bevollmächtigte in Witten ist der Ansicht, dass die Bereitschaft zum Gewerkschaftsbeitritt bei Leiharbeitern im Ruhrgebiet aufgrund der industriellen Vergangenheit größer ist als an anderen Gewerkschaftsstandorten (Interview 27). Der Erste Bevollmächtigte in Mülheim a.d. Ruhr führte den rheinischen Kapitalismus als Grund dafür an, weshalb insbesondere die Kompensationsverhandlungen über tarifliche Regelungen zu Leiharbeit zwischen ihm und der Leitung der Entleihfirmen vor Ort besonders häufig erfolgreich sind: „Das war schon immer so, dass aus der Entwicklung unserer Region eine Handlungsweise geboren ist, von der man sich auch heute noch leiten lässt: Willst du was von mir, dann will ich auch was von dir. Das ist der rheinische Kapitalismus. So, und ich lasse in keiner Verhandlung mit Arbeitgebern auch nur ansatzweise zu, dass nur einseitig Wünsche der Arbeitgeber vereinbart werden, sondern ich habe auch immer etwas, was ich auch gerne vereinbart haben möchte. So, und in der Natur des rheinischen Kapitalismus ist es jetzt so, dass man sich irgendwo dann in der Mitte trifft, einen Kompromiss macht“ (Interview 16).

Die Ersten Bevollmächtigten in Friedrichshafen und Kempten beklagen hingegen das Fehlen dieser industriellen Vergangenheit in ihren traditionell durch die Landwirtschaft geprägten Zuständigkeitsgebieten. In Oberschwaben und im Allgäu hatten sich die meisten Betriebe der Metall- und Elektroindustrie erst im Laufe der 1960er Jahre bzw. verstärkt in den 1990er Jahren angesiedelt und Betriebsratsstrukturen aufgebaut (Interview 51 und 54). Der Leiter der Kampagnen-Abteilung im Vorstand hingegen gelangte zu der Einschätzung, dass Erfolge bei der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung nicht mit solchen historisch gewachsenen Strukturen und Bedingungen zusammenhingen, sondern ausschließlich mit der Aktivität der Sekretäre und Betriebsräte zu erklären sind (Interview 1). Inwiefern die subjektiv wahrgenommene „Gewerkschaftskultur“ einzelner deutscher Regionen tatsächlich einen Einfluss auf die Aktivität der Sekretäre für Leiharbeiter ausübt, kann aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der verschiedenen Befragten nicht eindeutig beantwortet werden.

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13.1.12 Lage der Verwaltungsstelle in Ost- und Westdeutschland In Kapitel 9.2.1.3 wurde der regionale Branchenmix als Erklärungsfaktor für die verschieden hohen Leiharbeitsquoten in Deutschland angeführt. In diesem Zusammenhang wurde erläutert, dass Leiharbeit in Industriebetrieben vergleichsweise intensiv genutzt wird (Jahn/Wolf 2005: 1; Buch et al. 2008a: 25, 2008b: 55; Eigenhüller 2008: 20ff.). Der Vergleich zwischen den deutschen Bundesländern hatte gezeigt, dass sich in den meisten ostdeutschen Bundesländern deutlich überdurchschnittliche Anteile an Leihkräften in der Metall- und Elektroindustrie finden lassen, wohingegen in einigen westdeutschen Bundesländern die Einsätze von Leiharbeitern in Dienstleistungsbranchen überdurchschnittlich hohe Werte aufwiesen. Allerdings sind die Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaftssekretäre in Ostdeutschland und die Aussichten, eine bessere Entlohnung von Leiharbeitern durch betriebspolitische Regelungen in ostdeutschen Entleihfirmen durchzusetzen, durch die Folgen des ostdeutschen Transformationsprozesses geprägt: Die gewerkschaftlichen Einflussmöglichkeiten sind massiv dadurch eingeschränkt, dass Betriebsräte in ostdeutschen Einsatzbetrieben dieses Instrument zum Schutz der Stammbelegschaft lange Jahre geduldet haben und nicht genug Durchsetzungswillen und -macht hatten, um gegen die Ausweitung der Leiharbeit vorzugehen: „Das Thema kann im Osten schwieriger angegangen werden, weil viele Betriebsräte das eine Zeit lang akzeptiert haben, dass Leiharbeit genutzt wird. Die haben zugeguckt dabei, wie es angestiegen ist. Da ist durchaus im Westen oftmals ein ganz anderes Problembewusstsein gewesen. Bei vielen Betriebsräten im Westen war tief verankert, dass sie Leiharbeit aus ihrem Betrieb fernhalten wollen. Ob das dann gelungen ist, ist immer noch eine zweite Sache. Aber es gab einen grundsätzlichen Widerstand. Diese Grundüberzeugung hatten viele ostdeutsche Betriebsräte nicht. Sie kannten das nicht und was sie kannten war: Sie mussten vielfach als Co-Manager ihren Betrieben über eine schwierige Zeit helfen. Und deshalb hat man Leiharbeit akzeptiert, weil gesagt wurde: „Das hilft uns!““ (Interview 92).

Viele westdeutsche Unternehmen verlagerten ihre Produktion nach der Wiedervereinigung nach Ostdeutschland und nutzten ihre Standorte in den neuen Bundesländern als „Laboratorium“ zum Experimentieren mit neuen personellen Flexibilisierungsstrategien, mit denen sie im Westen auf massiven Widerstand gestoßen wären (Interview 3) (Berndt 2000: 1581; DGB 2009b: 2). Weil Leiharbeit in den ostdeutschen Betrieben deshalb inzwischen zur altbewährten Personalstrategie gehört, lässt sie sich aus vielen Unternehmen nicht mehr verbannen (Interview 6, 8, 9). Außerdem sind die Möglichkeiten gering, Betriebsvereinbarungen abzuschließen, wonach Leiharbeiter nach einer gewissen Einsatzzeit übernommen werden. Der Erste Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle in Ei-

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senach-Suhl-Sonneberg war zuvor in der Verwaltungsstelle Nordhessen zuständig. Er beobachtete aufgrund seiner Vergleichsmöglichkeiten, dass Leiharbeiter in Ostdeutschland seltener in eine Festanstellung übernommen werden als Leiharbeiter in Westdeutschland. Dies erklärt er damit, dass es sich bei einem Großteil der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland, die Leiharbeit nutzten, um Standorte von Konzernen handelt (Schnabel 2005: 191), die ihren Subunternehmen strikte Vorgaben zu ihren Mitarbeiterzahlen machen (Kapitel 7.1.1.3): „Im Zuge der Deutschen Einheit sind ziemlich viele Unternehmen hierher gegangen und haben so einen Ablegerbetrieb aufgestellt, als verlängerte Werkbank. Konzernentscheidungen haben hier für die Betriebe wesentliche Bedeutung. Egal, ob ich da zu Opel oder Bosch schaue, wir müssen feststellen, dass sehr „head count“-geprägt bestimmte „benchmarks“ gemacht werden, und es faktisch für die örtlichen Geschäftsführungen nicht möglich ist, zu sagen: „Wir stellen hier Leiharbeiter fest ein!““ (Interview 39).

In den gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zu Leiharbeit in der Metallund Elektroindustrie in Ostdeutschland wirken demnach die Umbrüche der 1990er Jahre in vielfältiger Weise bis heute nach. Ein Unterschied der Durchsetzungsmöglichkeiten von Regelungen speziell zur besseren Entlohnung von Leiharbeitern besteht darin, dass Leiharbeit in ostdeutschen Betrieben primär mit dem Ziel der Kostensenkung und weniger zur flexiblen Anpassung der Personalkapazitäten an die Auftragslage genutzt wird. Einige ostdeutsche Unternehmen verfolgten die Personalstrategie „Leiharbeit zur Kostensenkung“ bereits zum Zeitpunkt der Errichtung ihrer Standorte. Dies bestätige auch eine Betriebsräte-Befragung, die im Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt durchgeführt wurde. Demnach nutzt in Niedersachsen zwar eine größere Anzahl von Betrieben Leiharbeit, aber für kürzere Einsätze und in geringerem Umfang. Die Verfügbarkeit eines großen Pools an Leihkräften auf dem Arbeitsmarkt gehörte z.B. bei den Gründungen der Werke von Porsche und BMW in Leipzig in den Jahren 2001 und 2002 zu den zentralen Standortanforderungen (Interview 1 und 6). 13.1.13 Lage der Verwaltungsstelle in Stadtregionen und im ländlichen Raum Bereits in Kapitel 9.2.1.1 wurde die Siedlungsstruktur als Ursache für die räumlichen Unterschiede der Leiharbeitsquoten identifiziert. Darüber hinaus bestehen auch zwischen städtischen und ländlichen Verwaltungsstellen enorme Unterschiede, die sich auf die Aktivität zum Thema „Leiharbeit“ auswirken (Interview 12, 16, 19, 27, 39, 54, 71). Sekretäre in städtischen Verwaltungsstellen wissen aufgrund der

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höheren Interaktionsdichte besser darüber Bescheid, wo wie viele Leiharbeiter eingesetzt sind sowie zu welchen Problemen dies führt und können schneller reagieren. Hinzu kommt, dass Stadtverwaltungsstellen, wie Hannover und KölnLeverkusen, in der Regel mitgliederstark sind und entsprechend mit mehr personellen Kapazitäten ausgestattet sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich die Interessenvertretung und Werbung von Leiharbeitern dort vergleichsweise einfach gestaltet (Interview 14 und 73). Allerdings haben auch im ländlichen Raum oder in kleinen und mittelgroßen Städten Großunternehmen ihre Sitze, wie z.B. BMW in Dingolfing im Zuständigkeitsgebiet der IG Metall Landau. Dort sind viele Leiharbeiter im selben Unternehmen eingesetzt, was den zuständigen Verwaltungsstellen die Mitgliederwerbung und -betreuung erleichtert. Im ländlichen Raum muss deshalb zwischen Verwaltungsstellen mit großen Entleihfirmen und solchen mit kleinen und mittleren Entleihfirmen, wie z.B. in Franken, differenziert werden (Interview 10, 54).

13.2 E INFLUSSFAKTOREN SPEZIELL IN DER K RISE 2008/2009 13.2.1 Reduktion der Aktivität der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre Weil nur noch eine geringe Anzahl an Leiharbeitern in ihrem Zuständigkeitsgebiet beschäftigt war, fokussierten die Gewerkschaftssekretäre, wie z.B. der Erste Bevollmächtigte in Lüneburg, ihre Aktivitäten primär auf die Stammkräfte der Entleihbetriebe: „Wir haben, ganz ehrlich, in der Krise nichts mehr zu Leiharbeit gemacht“ (Interview 75).

Deshalb kamen einige zuvor entwickelte und implementierte Routinen an den meisten Verwaltungsstellen nach Krisenbeginn nicht mehr zum Einsatz (Kapitel 12). 13.2.2 Reduktion der Leiharbeit Nicht nur der Anstieg der Nachfrage nach Leiharbeitern vor der Krise, sondern auch der Abbau der Leiharbeit infolge der Krise war räumlich unterschiedlich stark ausgeprägt. So war in manchen Gemeinden und Kreisen keine oder kaum eine Reduktion der Zahl an Leiharbeitern zu beobachten. Von den je nach Region variierenden Folgen der Krise für die Leiharbeiterzahlen hing auch ab, ob bzw. wie stark die Sekretäre ihre Aktivität zum Thema „Leiharbeit“ reduzierten.

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13.2.2.1 Räumlich unterschiedlich starke Reduktion der Leiharbeit durch die Krise 2008/2009 Im Folgenden werden die regional variierende Krisenbetroffenheit der Leiharbeitsbranche und deren räumlich verschieden stark ausgeprägten Ursachen erklärt. Zu diesem Zweck werden die Leiharbeiterzahlen im Juni 2008 und 2009 einander gegenübergestellt, weil zwischen Juni 2008 und April 2009 der massive Abbau von 240.000 Leiharbeitern bzw. einem Viertel der Leiharbeiter in Deutschland von statten ging und die Bundesagentur für Arbeit die Leiharbeiterzahlen nur für die Monate Dezember und Juni eines jeden Jahres erhebt. Im Durchschnitt aller 413 deutschen Kreise wurde in dem genannten Zeitraum ein Rückgang der Leiharbeiterzahlen um 20 % registriert (Bundesagentur für Arbeit 2011c). Dies ist in erster Linie mit dem Erklärungsfaktor Branchenstruktur zu erklären, denn von der Krise waren vor allem Regionen mit exportorientierten Unternehmen der verarbeitenden Industrie betroffen (Abbildung 20 und 21): • Die Automobilindustrie reagierte auf die Auftragseinbrüche im Herbst 2008 mit dem Abbau der insgesamt eingesetzten ca. 100.000 Leiharbeiter (Handelsblatt 24.11.2008; Dispan et al. 2009: 22; IW Consult 2009a: 3, 2010: 6; Kienbaum Consultants 2010). Besonders stark betroffen waren Braunschweig (-62 % = 4.800 Leiharbeiter), Schwandorf (-55 % = 1.000) und Eisenach (-48 % = 900). • Auch Maschinenbau- und Anlagenbaufirmen waren stark von der Krise betroffen (z.B. Heckmann et al. 2009: 2; Dispan/Schwarz-Kocher 2011: 164; IW Consult 2009a: 3, b: 5, 2010: 6; Fuchs/Kempermann 2010a, b). Der Maschinenbauer Deutz in Köln (-15 % = 2.000) z.B. trennte sich noch 2008 von 500 Leiharbeitern (Spiegel 01.12.2008). Besonders schwerwiegende Folgen hatte die Krise für Leiharbeiter in der Maschinenbauregion im Allgäu (IW Consult 2010: 6). Allein in Kempten war ein Rückgang um 61 % zu verzeichnen bzw. verloren 1.400 Leiharbeiter ihre Arbeitsplätze. • Die Stahlindustrie bzw. Metallerzeugung und -verarbeitung verzeichnete z.B. im Raum Stuttgart Auftragseinbrüche (Dispan et al. 2009: 88) und drastische Rückgänge der Leiharbeit. Die Hüttenwerke Krupp Mannesmann in Duisburg meldeten 1.000 Leiharbeiter ab (IG Metall-Bezirk Nordrhein-Westfalen 2010b: 29). Auch Thyssen Krupp trennte sich von seinen Leihkräften (Baum 2010b). • Der Anteil der Leiharbeiter an der Gesamtbelegschaft der 23 Werften der Schiffsbauindustrie, für die das IAW die Zahl der Leiharbeiter ermittelte, sank von über 16 % im Jahr 2008 auf ca. 10 % im Jahr 2009 (IAW 2010: 22). Insbesondere die Containerschiffs- oder Tankerwerften, wie die J.J. Sietas Werft in Hamburg (-11% = 3.000), waren von der Krise betroffen. Diese Werft baute ihre Leiharbeitsquote von 10 % im Jahr 2008 bis 2009 fast komplett ab (ebd.: 41). • Auch die Elektroindustrie (Dispan et al. 2009: 132; Spiegel 01.12.2008) und die Luftfahrtindustrie (Die Zeit 08.06.2009) waren von der Krise betroffen.

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Abbildung 20: Entwicklung der absoluten Zahl an Leiharbeitern in Prozent in den Gemeinden von Baden-Württemberg von 30.06.2008 bis 30.06.2009

Quelle: Eigene Berechnungen nach Bundesagentur für Arbeit 2009b und 2010

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Abbildung 21: Entwicklung der Leiharbeitsquote in Prozent in den Landkreisen/kreisfreien Städten in Deutschland von 30.06.2008 bis 30.06.2009

Quelle: Eigene Berechnungen nach Bundesagentur für Arbeit 2009b und 2010

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13.2.2.2 Gründe für die geringe Krisenbetroffenheit von Leiharbeit in einigen Gemeinden und Kreisen Relativ stabil blieb die Nachfrage hingegen in großen Stadtkreisen mit einem Branchenmix aus Industrie und Dienstleistungen, der dafür sorgte, dass für einige Leiharbeiter alternative Einsatzmöglichkeiten gefunden wurden (Brenke/Eichhorst 2008: 250; Handelsblatt 03.06.2009; IW Consult 2009c: 2). Dies trifft z.B. auf Hamburg (-11% = 3.000), München (-14 % = 2.000) und Berlin (-7 % = 1.800) zu (Abbildung 21). Generell verzeichneten Regionen, in denen der Dienstleistungssektor stark vertreten ist (Frankfurter Rundschau 17.03.2009), nur geringfügige Rückgänge der Nachfrage bzw. eine stagnierende Nachfrage nach Leihkräften oder sogar eine Zunahme. Der Dienstleistungssektor hatte nämlich z.B. in Baden-Württemberg trotz der Krise weiterhin Beschäftigtenzuwächse zu verzeichnen (Dispan et al. 2009: 23) (Abbildung 20). Dort stieg die Beschäftigung in den Dienstleistungsbranchen, in den personen- und unternehmensbezogenen Dienstleistungen, im Handel und im Bereich der Verkehr und Nachrichtenübermittlung um 4,8 % bzw. um 27.200 Vollund Teilzeitarbeitsplätze an, während nur die öffentliche Verwaltung Rückgänge zu verzeichnen hatte (Dispan et al. 2009: 23ff.; Heckmann et al. 2009: 3). Außerdem blieben die Geschäftsbereiche Informationstechnologie (Spiegel 21.11.2008; Frankfurter Rundschau 17.03.2009; Handelsblatt 19.02.02009), Pharmaindustrie, Banken und Versicherungen, Energie und Versorgung sowie CallCenter stabil oder entwickelten sich positiv (Die Zeit 08.04.2009; FAZ 18.03.2009). Des Weiteren erwies sich das Gesundheitswesen als verhältnismäßig krisenresistentes Geschäftsfeld der Leiharbeitsfirmen (Handelsblatt 19.02.2009, 03.06.2009; Bräutigam et al. 2010: 24): Zwischen 2008 und 2009 verzeichnete die Branche einen Anstieg der Zahl an Leiharbeitern von knapp 4.300 (Bräutigam et al. 2010: 12). In Bayern z.B. stieg die Zahl der Beschäftigten in der Stammbelegschaft von Pflegeheimen zwischen 2008 und 2009 um 22.300 Personen auf 330.000; davon waren 1.200 Leiharbeitskräfte (IMU Institut München 2011: 5). Daneben sind als weitere von der Krise nicht beeinträchtigte Geschäftsfelder der Leiharbeitsfirmen das Sozialwesen und der Bereich Erziehung und Unterricht zu nennen (Bundesagentur für Arbeit 2009a: 6; Handelsblatt 09.11.2009). In einigen Regionen sorgten einzelne Unternehmen für einen Anstieg der Leiharbeitsquote, weil sie von der Krise 2008/2009 nicht oder erst zeitlich verzögert betroffen waren. Dass z.B. der Kreis Donau-Ries keinen Einbruch, sondern sogar eine Zunahme der Leiharbeit um 25 % bzw. 500 Leiharbeiter zu verzeichnen hatte, könnte mit der Auftragslage im EADS-Tochterunternehmen Eurocopter in Donauwörth zusammenhängen, das von der Krise 2008 zunächst kaum beeinträchtigt war und wo erst Ende 2009 und 2010 das Produktionsvolumen und damit auch der Leiharbeitereinsatz verringert wurde (Augsburger Allgemeine 31.07.2009).

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Trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise fuhren auch Unternehmen der Photovoltaik mit der Nutzung von Leiharbeitern zunächst fort (Die Zeit 11.10.2011). Insbesondere die SMA Solar Technology AG mit Sitz in Kassel ist zu erwähnen: Von den 4.900 Mitarbeiter waren im Jahr 2009 1.600, bzw. 32 % der Belegschaft, Leiharbeitskräfte (Bobach 2010: 14ff.). In diesen weniger konjunkturabhängigen, zukunftsweisenden Branchen war die Nachfrage nach Leiharbeitern zunächst ungebrochen und zeigten sich krisenhafte Entwicklungen erst im Oktober 2011 – aufgrund der Konkurrenz aus China – zeitlich verzögert (Die Zeit 11.10.2011). 13.2.2.3 Folgen für das Handeln in der Gewerkschaft Wo in den lokalen Betrieben keine Leiharbeiter mehr eingesetzt waren, wurden in den Verwaltungsstellen die Bemühungen zum Thema „Leiharbeit“ eingestellt (Interview 46, 59, 62). Zahlreiche Sekretäre berichteten, dass sie zu spät realisierten, dass die Leiharbeiter an den Verleiher zurück geschickt worden waren: „Bevor wir hier in Bewegung kamen, bevor mir klar geworden ist, dass wir da Handlungsbedarf haben, waren die Leiharbeiter schon weg. Da geht ja ganz schnell in einer Geschwindigkeit, da konntest du gar nicht mehr reagieren und nichts mehr retten. Da hat uns die Konjunktur überrannt und deshalb gab es kaum aktive Möglichkeiten, auf die Krise zu reagieren“ (Interview 26).

In den meisten anderen Verwaltungsstellen, in deren Zuständigkeitsgebiet Firmen von umfangreichen Entlassungen der Stammbeschäftigten betroffen waren oder Unternehmen in Insolvenz gingen, wurde der Sicherung der Arbeitsplätze der Gewerkschaftsmitglieder in den Stammbelegschaften die oberste Priorität eingeräumt. Für das Engagement für Leiharbeit blieben unter diesen Bedingungen nur selten personelle Kapazitäten (z.B. Interview 44, 48, 60, 75). Deshalb kamen zahlreiche zuvor entwickelte und implementierte Routinen in den meisten Verwaltungsstellen nach dem Kriseneinbruch nicht mehr zum Einsatz. An den Verwaltungsstellen, in deren Zuständigkeitsgebiet die Entleihunternehmen von der Krise nicht oder nur geringfügig betroffen waren, wurden die Bemühungen um tarifliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen zur Gestaltung oder Einschränkung der Leiharbeitereinsätze fortgesetzt (Interview 62). Beispielsweise war in Aalen ein großer Entleihbetrieb, ein Elektrohandwerksproduzent, von der Krise verschont worden, da er davon profitierte, dass nach Erlass der Konjunkturpakete Bau- und Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Einrichtungen vorgenommen wurden (Interview 47). An solchen Standorten wurde das Engagement zu Leiharbeit in den lokalen Verwaltungsstellen fortgeführt (Kapitel 12).

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13.2.3 Fortsetzung der Aktivität der Betriebsräte und Solidarität der Stammbelegschaft in Entleihfirmen Die meisten Betriebsräte in den Unternehmen, die zuvor Leiharbeiter entliehen hatten, betrachteten die Leiharbeiter in der Krise als „Flexibilitätspuffer“, um die Stammbelegschaft vor betriebsbedingten Kündigungen zu schützen (Interview 24, 25, 27, 46), während andere Betriebsräte, die zuvor Leiharbeit erfolgreich in ihrem Betrieb verhindert hatten, das Fehlen eines solchen Puffers in der Krise bedauerten (Interview 23 und 25). Außerdem nahmen viele Betriebsräte während der Krise die Anliegen der Stammbeschäftigten als dringlicher wahr als die von Leiharbeitern. Deshalb versuchten viele Betriebsräte auch nicht, mit dem Arbeitgeber Leiharbeitsquoten zu verhandeln. Insbesondere die Bereitschaft, gegen den erneuten Einsatz von Leiharbeit nach der Krise vorzugehen, war in vielen Unternehmen gering (Interview 24). Die Betriebsräte hatten während der Krise erkannt, dass Leiharbeit es ihnen ermöglicht, die mühsamen Verhandlungen von Sozialplänen zu umgehen (Interview 16). Auch die Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz behalten konnten, weil die Leiharbeit abgebaut wurde, waren kaum für dieses Ziel zu mobilisieren, weil sie gerade erst vor Augen geführt bekommen hatten, dass ihnen Leiharbeit in Krisen eine höhere Beschäftigungssicherheit garantiert (Holst/Matuschek 2011: 171). In solchen Unternehmen blieben Bemühungen aus, die Entlassung von Leiharbeitern zu verhindern und stattdessen Kurzarbeit für sie anzumelden. In einzelnen Ausnahmen waren jedoch diesbezüglich Erfolge zu berichten: Bei der Firma Bergmann in Barsinghausen waren nach Auskunft des in der Verwaltungsstelle Hannover zuständigen Sekretärs vor Krisenbeginn ca. 45 % der Belegschaft Leiharbeiter. Er beobachtete dort nach Einsetzen des Konjunktureinbruchs, dass aufgrund einer sozialen Verbundenheit von Leiharbeitern und Stammkräften das Verantwortungsgefühl des Betriebsrats und der Belegschaft für die von der Krise betroffenen Leiharbeiter besonders stark ausgeprägt war: „Der Betriebsrat hat so eine Attitüde, dass der da instinktiv etwas gemacht hat, was ich beschreiben will als „Politik des Herzens“. Das ist so eine Geschichte: „Wir müssen alle zusammen halten“. Eine ganz schlichte Formel. Die stehen dafür ein. Die haben sich ganz stark auf Gerechtigkeit und Gleichbehandlung fixiert. Die haben ein solidarisches Empfinden, das sich nicht unbedingt in Vereinbarungen umsetzt, sondern das ist einfach eine Haltung. So, und in der Krise haben die gesagt: „Wir brauchen die Leiharbeiter. Die sind wichtig und die gehören zu uns!““ (Interview 73).

Aufgrund dieses Zusammenhalts überzeugte die Belegschaft die Geschäftsleitung des Einsatzunternehmens im Herbst 2008 davon, dass der Entleiher nicht nur für die Stammkräfte, sondern auch die entliehenen Leiharbeiter Kurzarbeit anmeldete.

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Eine ähnliche Entwicklung war bei dem Landmaschinenbauer John Deere zu beobachten. Dort wurden auf Betreiben des Betriebsrats und der Stammbelegschaft im Jahr 2009 ca. 300 Leiharbeiter bis April 2010 mit in Kurzarbeit genommen (Interview 49; IG Metall Netzwerk Landtechnik 2009: 6). Wie sich die Situation der Leiharbeiter in den Einsatzbetrieben entwickelte, hing demnach entscheidend davon ab, ob sich Betriebsrat und Stammkräfte mit den Leiharbeitern solidarisierten. Die Aktivität des Betriebsrats in der Krise beeinflusste nicht nur, ob Leiharbeiter in Kurzarbeit gehen, sondern auch, ob die Gewerkschaftsaustritte von Leiharbeitern in der Krise verhindert werden konnten. Weil sich der Betriebsrat von Gildemeister in Bielefeld auch nach Krisenbeginn weiterhin um die Leiharbeiter kümmerte, blieben die zuvor geworbenen Leiharbeiter Mitglied, obwohl sie an die Verleihfirma zurück geschickt und dort entlassen wurden. Der Betriebsrat berief eine Betriebsversammlung ein und erklärte den Leiharbeitern, dass diese Entscheidung der Geschäftsleitung nicht zu verhindern war: „Der Betriebsrat hat die Leiharbeiter verabschiedet im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben, wo die Leiharbeiter dann aus dem Betrieb rausgeflogen sind und keiner sich blicken lassen hat. Und ich habe danach auch Anrufe noch gehabt von Leiharbeitern, die mir gesagt haben, so wie sie bei Gildemeister behandelt wurden vom Betriebsrat, von der IG Metall, das hätten sie noch in keinem anderen Betrieb erlebt. Und das wirkt natürlich. Und da haben wir bis jetzt auch relativ wenige Austritte“ (Interview 24).

13.2.4 Qualifikation der Leiharbeiter Nur wenige Leiharbeits- und Einsatzfirmen meldeten für die Leiharbeiter Kurzarbeit an. Die Bereitschaft der Unternehmen hierzu hing stark von dem Qualifikationsniveau der betroffenen Leiharbeiter ab, denn für viele rechnete sich die Anmeldung von Kurzarbeit nur, wenn sie auf diese Weise Facharbeiter oder Ingenieure halten konnten. Für Hilfsarbeiter hingegen wurde keine Kurzarbeit angemeldet, weil diese ohne weiteres nach dem Ende der Krisen neu rekrutiert werden konnten (Interview 5, 41, 71). Insbesondere hoch qualifizierte Leiharbeiter wurden deshalb häufig nicht entlassen, sondern in den Verleihfirmen mit in Kurzarbeit genommen. Dies wird an folgendem Beispiel deutlich: Die Leiharbeiter, die vor der Krise an den bayerischen Standorten der Osram AG eingesetzt waren, hatten spezielles Know-How in der Produktion erworben. Deshalb war Osram daran gelegen, dass sie nicht einfach entlassen wurden und entschieden sich die Leiharbeitsfirmen I.K. Hoffmann und Tuja dazu, für diese Leiharbeiter Kurzarbeit anzumelden (Interview 10 und 56).

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Z WISCHENFAZIT

In diesem Kapitel wurde anhand der multistandörtlich variierenden Einflussfaktoren in der Organisation und in deren Handlungsumfeld erklärt, warum sich die Routinen und organisationalen Fähigkeiten, aus denen sich die neu entwickelten Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit vor und in der Krise konstituierten, räumlich unterschieden. Dazu wurde der Fokus auf die Ebene der Verwaltungsstellen gerichtet und insbesondere deren Handlungsbedingungen zur Anwendung der betriebs- und organisationspolitischen Routinen untersucht. Als Grund für die Unterschiede der Anwendbarkeit der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor und in der Krise wurde ein Einflussfaktor identifiziert, der in der Gewerkschaftsorganisation liegt und je nach Subeinheit verschieden ausgeprägt ist: Die individuelle Einstellung der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre, von der abhängt, ob die Gewerkschaftssekretäre bzw. Promotoren in der Gewerkschaft eher der Interessenvertretung und Mitgliederwerbung oder der Vermeidung, Einschränkung und Reduktion Priorität beimaßen. Andere Einflussfaktoren prägten als „organisationsexterne“ Bedingungen das Handlungsumfeld der Gewerkschaftssekretäre vor und während der Krise und beeinflussten, welche der organisationalen Fähigkeiten und Routinen vor Ort mit dynamischen Fähigkeiten entwickelt, implementiert und genutzt wurden: • Gemeinsam mit den Betriebsräten engagieren sich die Sekretäre in den Entleihbetrieben dafür, Leiharbeit im Betrieb zu verhindern oder dafür, die Entlohnungsbedingungen mit zu gestalten. Ob sie hierbei erfolgreich sind, hängt von der Aktivität, Kompetenz, Durchsetzungsstärke, Kooperationsbereitschaft der Betriebsräte und deren Unterstützung durch die Belegschaft in den Entleihfirmen ab. • Wenn in einem Entleihbetrieb eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, kann ein solcher Erfolg auch in anderen Entleihfirmen des Zuständigkeitsgebiets gefördert werden, wenn Betriebsräte von dem „best practice“-Beispiel erfahren. • Existiert keine Bereitschaft der Entleihfirmen zum Abschluss von Vereinbarungen über Leiharbeit, scheitern die Bemühungen der Gewerkschaft um eine bessere Entlohnung von Leiharbeitern. Um die Unternehmensleitung dennoch dazu zu bewegen, einer Regelung bezüglich Leiharbeit zuzustimmen, bieten sich z.B. bei der Verhandlung von Ergänzungstarifverträgen hin und wieder Gelegenheiten. • Weil in großen Unternehmen und Konzernen eine etablierte Mitbestimmungskultur, Aufsichtsräte, ein höherer gewerkschaftlicher Organisationsgrad der Belegschaft, Vertrauensleute und freigestellte Betriebsräte sowie ggf. Arbeitsdirektoren existieren, ist der Einflussfaktor großbetriebliche Strukturen und Konzernstrukturen der Entleihfirmen ebenfalls von Bedeutung. • Auch die Position der Entleihfirmen in der Wertschöpfungskette kann den Abschluss von Vereinbarungen über Leiharbeit beeinflussen, denn solche Regelun-

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gen sind umso schwieriger durchzusetzen, je weiter ein Entleiher am Anfang der Wertschöpfungskette steht. • Die Mitgliedergewinnung von Leiharbeitern, die zwar im Zuständigkeitsgebiet einer Verwaltungsstelle bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt sind, aber andernorts eingesetzt werden, ist kaum möglich. Die Lage der Entleihfirmen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsgebiets erschwert demnach die entsprechenden Bemühungen. • Wenn Betriebsräte in den Verleihfirmen existieren, erhöht dies die Möglichkeiten der Gewerkschaftssekretäre, die Entlohnungsbedingungen von Leiharbeitern z.B. durch den Abschluss eines Haustarifvertrags zu verbessern. • Wenn die Verleihfirmen zum Abschluss von Haustarifverträgen bereit waren, ließen sich höhere Löhne für die Beschäftigten durchsetzen, als in den Flächentarifverträgen vorgesehen war. • Die Leiharbeits-Kampagne war primär darauf ausgerichtet, gering qualifizierte Leiharbeiter mit schlechten Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen in ihren Interessen zu vertreten. Weil sich deshalb hoch qualifizierte Leiharbeiter von den Aktivitäten der Gewerkschaft nicht angesprochen fühlten, waren die Beitritts- und Partizipationsbereitschaft der Leiharbeiter von ihrem Qualifikationsniveau abhängig. Deshalb hatten es Gewerkschaftssekretäre in Verwaltungsstellen, in denen z.B. Facharbeiter als Leihkräfte beschäftigt waren, bei der Rekrutierungsarbeit unter Leiharbeitern schwerer. • Dass auch die regionale „Gewerkschaftskultur“ die Routinen und organisationalen Fähigkeiten des aktiven Vorgehens zu Leiharbeit beeinflusst, ist zu vermuten, ließ sich aber aufgrund der widersprüchlichen Aussagen nicht abschließend klären. • Außerdem erwies sich die Lage der Verwaltungsstelle in Ost- oder Westdeutschland als relevant: Die Handlungsspielräume der Gewerkschaftssekretäre in ostdeutschen Verwaltungsstellen sind dadurch eingeschränkt, dass die Betriebsräte in den Einsatzbetrieben versäumt haben, die Ausbreitung der Leiharbeit zu unterbinden. Hinzu kommt, dass es einigen Betriebsräten von Entleihfirmen an Durchsetzungskraft fehlte, um die Bedingungen der Leiharbeiter „fairer“ zu gestalten – zumal Leiharbeit in ostdeutschen Betrieben häufiger als in westdeutschen genutzt wird, um Lohnkosten zu „drücken“. • Auch die Lage der Verwaltungsstelle in Stadtregionen oder im ländlichen Raum wirken sich auf die Aktivität zum Thema „Leiharbeit“ aus. Im Fall von Stadtverwaltungsstellen ist das aktive Vorgehen in Bezug auf Leiharbeit grundsätzlich einfacher umsetzbar, insbesondere weil sie in der Regel mit mehr personellen Ressourcen ausgestattet sind als die ländlich geprägten Verwaltungsstellen. Die Ergebnisse belegen, dass durch die Krise weitere organisationsinterne und -externe Ursachen für die beobachteten Unterschiede hinzukamen:

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• In Verwaltungsstellen, in deren Zuständigkeitsgebiet die Leiharbeit abgebaut wurde, erfolgte in der Gewerkschaft eine Reduktion der Aktivität der für Leiharbeit zuständigen Sekretäre. Dieser Einflussfaktor geht eng mit dem nächsten einher. • Die Krise führte auf den lokalen und regionalen Arbeitsmärkten zu einer unterschiedlich starken Reduktion der Leiharbeit. Wo in den lokalen Betrieben keine Leiharbeiter mehr eingesetzt waren, fokussierten die Sekretäre ihre Aktivitäten auf die Sicherung der Stammarbeitsplätze. • Die meisten Betriebsräte und Stammbelegschaften in Entleihunternehmen engagierten sich nach Krisenbeginn nicht mehr bezüglich Leiharbeit, da sie die Funktion von Leiharbeit als Personalpuffer realisierten. Von der Fortsetzung der Aktivität der Betriebsräte und Solidarität der Stammbelegschaft in Entleihfirmen hing demnach ab, ob Leiharbeiter in Kurzarbeit gehen konnten und ob die Gewerkschaftsaustritte von Leiharbeitern verhindert werden konnten. • Weil Leiharbeitsfirmen und Einsatzfirmen nach Krisenbeginn nur für hoch qualifizierte Leiharbeiter Kurzarbeit anmeldeten, beeinflusste der Faktor Qualifikation der Leiharbeiter in der Krise insbesondere die Anwendbarkeit der Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung von Kurzarbeit für Leiharbeiter. Durch das untersuchte Beispiel des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit wurden demnach die Ausgangsüberlegungen in Kapitel 5.3.2 bestätigt, wonach das Handeln von Gewerkschaften durch folgende Faktoren beeinflusst wird: Durch Betriebsräte bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene, durch das Verhalten der Arbeitgeber, durch die Größe des Unternehmens und das Qualifikationsniveau der Arbeitgeber. Nicht abschließend geklärt werden konnte allerdings, ob die in Kapitel 5.3.2 erwähnten historischen Gewerkschaftskulturen auch im Fall des Vorgehens der IG Metall angesichts Leiharbeit Einfluss ausgeübt hat. Des Weiteren wurde verdeutlicht, dass die in Kapitel 5.3.2 vorgenommene Aufstellung der Einflussfaktoren ergänzt und insbesondere aufgrund der Krise um weitere Faktoren in der Organisation und ihrem Handlungsumfeld erweitert werden muss. Als eine weitere zentrale Erkenntnis dieses Kapitels bestätigten die empirischen Ergebnis, dass sich die gewerkschaftlichen Subeinheiten an die lokalen Besonderheiten ihres jeweiligen Handlungsfelds anpassen, indem sie nur bestimmte Routinen und organisationale Fähigkeiten vor Ort entwickeln und implementieren bzw. unter Krisenbedingungen weiterentwickeln. Deshalb waren nicht organisationsweit dieselben organisationalen Fähigkeiten und Routinen zu beobachten. Diese Aussage belegt erneut, dass erst eine geographische Perspektive es ermöglicht, gewerkschaftliches Handeln zu erklären.

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Dass die Einflussfaktoren entweder in der organisationalen Subeinheit oder in deren Umfeld zu beobachten waren, zeigt darüber hinaus, dass zwar zum einen jeweilige räumliche Kontext der Untereinheiten beeinflusst, welche konkreten Ressourcenkonfigurationen sie entwickeln und implementieren. Dies erfolgt jedoch nicht in deterministischer Weise, denn wo welche Ressourcenkonfigurationen angewendet werden, hängt auch von den Bedingungen in den Subeinheiten der Gewerkschaftsorganisation ab.

14 Abbau der neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen mit dynamischen Fähigkeiten in der Krise 2008/2009?

In der Phase I (1990 bis Ende 2002) hatten Promotoren auf der lokalen Ebene mit der Entwicklung neuer Ressourcenkonfigurationen begonnen, ehe diese in der Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) von der regionalen und in der Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) von der nationalen Ebene aufgegriffen und organisationsweit implementiert wurden (Kapitel 8). Aufgrund der Krise ab Oktober 2008 in der Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2009) veränderten sich die Bedingungen im externen Handlungsumfeld drastisch (Kapitel 11.1). Die Krise konfrontierte die IG Metall mit neuen Anforderungen. Wie in Kapitel 12 verdeutlicht wurde, stellten manche Subeinheiten die Nutzung der organisationalen Fähigkeiten und Routinen ein, andere setzten sie fort und wieder andere entwickelten sie weiter, wobei allgemein eine starke Reduktion des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit in der Organisation beobachtet wurde. Die IG Metall-Subeinheiten reagierten demnach auf die Krise multistandörtlich und multiskalar verschieden. Welche Rückschlüsse lassen diese empirischen Forschungsergebnisse bezüglich der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten in der Organisation zu? Wurden nach der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau, zur Ressourcenintegration und -rekonfiguration während der Krise auch die dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenabbau angewendet? Allgemein können Krisen dazu führen, dass die Organisationen unter den drastisch veränderten Bedingungen ihre zuvor neu etablierten organisationalen Fähigkeiten nicht mehr benötigen und wieder verlernen. Die Verwendung der Ressourcenkonfigurationen wird dann eingestellt, die dynamischen Fähigkeiten zum Abbau der Ressourcen werden genutzt und die Routinen und organisationalen Fähigkeiten werden verlernt (Kapitel 5.5). Die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten zum Ressourcenabbau konnte in der IG Metall allerdings nicht beobachtet werden. Stattdes-

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sen zeigten die Ergebnisse, dass die zuvor etablierten Ressourcenkonfigurationen auch unter den Krisenbedingungen in der Organisation weiterhin existierten. Es wird gezeigt, dass die zeitlich-historische Perspektive um eine weitere Phase, die Phase V (Mitte 2009 bis Anfang 2012)1, ergänzt werden muss. Denn die Ressourcenkonfigurationen, die vor der Krise entwickelt und implementiert wurden (in Phase I bis III), wurden während der Krise (in Phase IV) und nach dem Ende der Krise (in Phase V) in der Organisation weiterhin genutzt und weiterentwickelt.

14.1 F ORTSETZUNG DER N UTZUNG DER RESSOURCENKONFIGURATIONEN IN DER K RISE 2008/2009

NEUEN

An einigen Gewerkschaftsstandorten wurde die Nutzung der zuvor implementierten Ressourcenkonfigurationen trotz der Krise fortgesetzt, weil diese Ressourcen durch den Kriseneinbruch nicht zwangsläufig obsolet wurden. Außerdem hatte die Krise einzelne Entleihfirmen weniger stark getroffen, die weiterhin Leiharbeiter einsetzten. Außerdem wurde in der Gewerkschaft versucht, die Austritte der entlassenen Leiharbeiter zu verhindern. Beispielsweise wurde die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern in der Betriebs- und Organisationspolitik der Verwaltungsstellen weiterhin genutzt (Kapitel 12.3.1.1). In den organisationalen Subeinheiten erfüllten einige Routinen und organisationalen Fähigkeiten des aktiven Vorgehens der IG Metall demnach weiterhin einen Nutzen und wurden nicht verlernt.

14.2 W EITERENTWICKLUNG

DER NEUEN R ESSOURCEN KONFIGURATIONEN IN DER K RISE 2008/2009

An einigen wenigen Gewerkschaftsstandorten, an denen sich die Krise im Abbau der Leiharbeit zeigte, wurde auch nach Krisenbeginn mit der Nutzung der dynamischen Fähigkeit fortgefahren. In Lernprozessen wurden die zuvor implementierten Ressourcenkonfigurationen weiterentwickelt: In manchen Subeinheiten auf den drei

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Das Ende von Phase V wurde aus forschungspragmatischen, statt aus inhaltlichen Gründen, auf Anfang 2012 begrenzt, weil zu dem Zeitpunkt die Drucklegung dieser Arbeit erfolgte.

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Ebenen der Gewerkschaft wurde durch Ressourcenentwicklungsprozesse mit dynamischen Fähigkeiten aus der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor der Krise die organisationale Fähigkeit Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts und aus der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit wurde die organisationale Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Ende der Krise. Auch die dazugehörigen Routinen wurden dahingehend weiterentwickelt, dass sie speziell auf die Bedingungen der Krise zugeschnitten waren. In diesen multistandörtlichen und multiskalaren Subeinheiten der IG Metall wurden dynamische Fähigkeiten auch weiterhin zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration genutzt. Dies zeigt sich daran, dass an Standorten durch „learning by interacting“ der Gewerkschaftssekretäre und Betriebsräte die Routinen und organisationalen Fähigkeiten durch Ressourcenaufbau und Ressourcenintegration weiterentwickelt wurden, wie z.B. in der Verwaltungsstelle Rhein-Bonn-Sieg: „Wir diskutieren zur Zeit mit unseren Betriebsräten, ob man nicht jetzt auch die Krise nutzen sollte, wo kaum Leiharbeit da ist, entsprechende Betriebsvereinbarungen abzuschließen, um das Thema dann für die Zukunft in den Griff zu bekommen. Das ist ein Diskussionsprozess. Und da hoffen wir, dass wir die Betriebsräte überzeugt kriegen. Deshalb macht es manchmal Sinn, es dann zu lösen, wenn das Problem erst gar nicht da ist. Dann hat man es nämlich danach was einfacher“ (Interview 20).

Aus dem Lernprozess resultierte an diesem Gewerkschaftsstandort die krisenspezifische Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Einschränkung von Leiharbeit nach der Krise (Kapitel 12.3.4) als Teil der organisationalen Fähigkeit Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Krisenende. Dass neben den dynamischen Fähigkeiten des Ressourcenaufbaus und der Ressourcenintegration in vereinzelten organisationalen Subeinheiten der Organisation auch die dynamischen Fähigkeiten der Ressourcenrekonfiguration weiterhin genutzt wurden, zeigt folgendes Beispiel: Bereits vor der Kampagne hatte das vom Vorstand der IG Metall gegründete ZOOM-Netzwerk themenbezogene Workshops angeboten, die dem Wissensaustausch der Teilnehmer der lokalen Arbeitskreise dienten. Diese wurden auch während der Krise fortgesetzt. Durch die temporäre Nähe auf den Treffen wurde Wissen speziell über Kurzarbeit in der Leiharbeit ausgetauscht sowie über die Möglichkeiten, den Anstieg der Leiharbeit nach der Krise durch Betriebsvereinbarungen und tarifliche Regelungen zu unterbinden. Demnach wurden die Routinen aus der Zeit vor der Krise auf diesen Zusammenkünften weiterentwickelt. Der Sekretär in Freiburg, der trotz der Krise sein Engagement vor Ort zusammen mit Betriebsräten fortsetzte und an den ZOOM-Treffen teilnahm, wies

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darauf hin, dass diese Workshops unter den Bedingungen der Krise nicht mehr nur dem Wissensaustausch, sondern auch der gegenseitigen Motivierung dienten: „Bei einigen fehlt gerade ein bisschen der Schwung. Wir haben hier gerade unheimlich viel Schwung in Freiburg und deswegen ist auch die Idee, dass wir die anderen ein bisschen mit anstecken, weil ich selber auch manchmal denke: Jetzt fehlt mir die Motivation. Dann finde ich es gut, wenn Leute da dabei sind, die trotz dieser ganzen Situation nach vorne gehen, die gute Ideen haben, gute Sachen machen“ (Interview 40).

Da demnach auch nach Krisenbeginn Ressourcenentwicklungsprozesse mit dynamischen Fähigkeiten in der Organisation stattgefunden haben, kann ausgeschlossen werden, dass es sich bei den beobachteten Reaktionen in der Gewerkschaft um spontane Ad-hoc-Reaktionen handelt (Kapitel 3.3.3). Außerdem spricht dagegen, dass bei den Reaktionen der Gewerkschaftssekretäre auf bereits existierendes Wissen zurückgegriffen wurde, wohingegen das improvisierte „fire fighting“ von Adhoc-Reaktionen auf der schnellen Generierung neuen, situationsspezifischen Wissens und von Echtzeitinformationen basierte.

14.3 F ORTSETZUNG DER N UTZUNG DER NEUEN R ESSOURCENKONFIGURATIONEN NACH DEM E NDE DER K RISE 2008/2009 Die Routinen und organisationalen Fähigkeiten, die vor Beginn der Krise entwickelt worden waren, erfuhren in der Gewerkschaft nach der Krise in der Phase V (Ende 2009 bis Anfang 2012) eine intensivere Nutzung durch mehr Subeinheiten als in der Krise. Dies wird daran ersichtlich, dass die IG Metall weitere Beitritte in der Leiharbeit zu verbuchen hatte: Im Rahmen der Kampagne hatte die IG Metall innerhalb von vier Jahren in verschiedenen Einsatzbetrieben bundesweit ca. 1.200 „Besser-Vereinbarungen“ für Leiharbeiter abgeschlossen. Die Zahl der geworbenen Leiharbeiter, die im Jahr 2008 noch 11.000 betragen hatte, stieg bis Ende 2010 auf 21.000 und bis Ende 2011 weiter auf 36.000 (IG Metall 2011d, e, 2012a). Zwar liegen zu der Phase V keine eigenen empirischen Forschungsergebnisse aus semistrukturierten Interviews vor. Anhand von Medienberichten, Veröffentlichungen anderer Autoren und Publikationen der IG Metall können allerdings Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung gezogen werden. Daraus wird ersichtlich, dass die organisationalen Fähigkeiten und dazugehörigen Routinen fortbestanden. In den lokalen Verwaltungsstellen ließen sich zahlreiche Beispiele für Routinen finden, die belegen, dass die vor der Krise entwickelte und implementierte organisationale Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern

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nach der Krise weiterhin genutzt wurde: Die Routine Verhandlung von tariflichen Regelungen in Entleihfirmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern konnte an manchen Standorten weiterhin beobachtet werden. Dies wurde daran deutlich, dass die IG Metall in der noch jungen Solarenergie-Branche mit ihrer hohen Nachfrage nach Leiharbeitern durch den Abschluss von Haustarifverträgen die Löhne und Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern regulierte (Girndt/Müller 2011; IG Metall 2011f). Für die Leiharbeiter bei Hella, einem Automobilzulieferer in Lippstadt, und dem Stuttgarter Daimler-Werk gelang es im Jahr 2010, mit der Geschäftsführung in Betriebsvereinbarungen für die Leihkräfte eine Aufschlagszahlung zu vereinbaren (Schröder 2010b: 161; Müller 2011: 29f.). Die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Leiharbeitern kam demnach auch weiterhin zum Einsatz. Die Routine Planung und Organisation von Aktionstagen und Betriebsversammlungen in Entleihfirmen zur Interessenvertretung der Leiharbeiter war in Köln zu beobachten: Im Februar 2011 fand im Ford-Entwicklungszentrum eine Protestveranstaltung der IG Metall statt. Neben 3.500 Stammbeschäftigten arbeiteten dort rund 800 Leiharbeiter als Ingenieure, deren Einsätze teilweise bereits zehn Jahre dauerten. Die IG Metall, der Betriebsrat und die Belegschaft forderten für die Leiharbeiter den gleichen Lohn und erzielten so den Abschluss einer Betriebsvereinbarung (DGB Region Köln-Leverkusen-Erft-Berg 2010; Müller 2011: 30). Die Fortsetzung der Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern erfolgte ebenfalls bei Ford: 2010 wurden etwa 500 Leiharbeiter im Werk Saarlouis übernommen und im April 2011 im Kölner Werk 40 Leiharbeiter fest eingestellt (ebd.). Außerdem wurde die organisationale Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit nach Ende der Krise weiterhin genutzt, denn die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Einschränkung von Leiharbeit spiegelte sich im Handeln vor Ort wider: Der Betriebsrat des Eisenwerks Brühl vereinbarte mit der Geschäftsleitung, dass 2010 keine Leiharbeiter entliehen werden, sondern stattdessen befristete Einstellungen vorgenommen werden (DGB Region Köln-Leverkusen-Erft-Berg 2010). Bei Miele in Gütersloh konnte geregelt werden, dass der Leiharbeiteranteil an den Beschäftigten höchstens 4,5 % betragen darf. Für die Montagegruppen an den Bändern gilt eine Höchstquote von 22,5 % (Müller 2011: 30ff.). Im IG Metall-Bezirk Küste wurde bei Airbus von der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern Gebrauch gemacht und dabei die Routine Unterstützung von Betriebsräten in Entleihfirmen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Übernahme von Leiharbeitern umgesetzt: Im August 2010 demonstrierten 800 Leiharbeiter und Festangestellte bei Airbus. Um

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das 2006 beschlossene Sanierungsprogramm „Power 8“ umzusetzen und jährlich 2,1 Milliarden Euro einzusparen, setzte die Konzernleitung im August 2010 ca. 4.800 Leiharbeiter ein. Die IG Metall erreichte, dass Airbus rund 700 Leiharbeiter in die Stammbelegschaft übernahm (IG Metall 2010c, d). Tarifpolitisch bemühten sich die IG Metall-Funktionäre, die in der DGBTarifkommission für die Verhandlungen mit den Leiharbeitsverbänden zuständig waren, weiterhin um die Verbesserung der Tarifverträge, d.h. sie fuhren mit der Nutzung der Routine Verhandlung von Flächentarifverträgen in der Leiharbeitsbranche fort. Auf diesem Weg das „equal pay“-Prinzip durchzusetzen, scheiterte allerdings auch in weiteren Verhandlungsrunden (Anhang 1). Deshalb nutzte der IG Metall-Vorstand die Routine Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit als Teil der Routine Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern: Als der neu gegründete Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) im Jahr 2011 mit einer Imagekampagne versuchte, die Reputation der Leiharbeitsbranche in Deutschland zu verbessern, nahm die IG Metall dies zum Anlass, ihre Kritik an der Branche erneut vorzutragen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Restrukturierung der Arbeitgebervertretungen in der Leihbranche nicht mit einem Einlenken und einem größeren Interesse der Branche an fairen Regelungen einherging. Auf Arbeitgeberseite gäbe es keine Bemühungen um eine – von der Regierung geforderte – tarifliche Einigung hinsichtlich des „equal pay“Grundsatzes (IG Metall 2011d) (Anhang 1). Die Routine der Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit zeigte sich auch, als die IG Metall im Februar 2011 unter dem Motto „Arbeit: sicher und fair!“ ca. 210.000 Beschäftigte aus mehr als 1.300 Betrieben mobilisierte. Schwerpunkte der Aktionen waren die Werke von VW, Porsche und Opel und das Duisburger Stahlwerk von ThyssenKrupp. In medienwirksamen Demonstrationen protestierten die Belegschaften gegen die ungerechte Entlohnung von Leiharbeit und gegen die Ausbreitung von prekärer Beschäftigung (IG Metall 2011g; Müller 2011: 29). Auch die Routine Stellung politischer Forderungen zur Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern sowie zur Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit wurde mit Beginn des wirtschaftlichen Aufschwungs wieder genutzt. Dies wurde darin deutlich, dass die IG Metall im Jahr 2010 eine Aufstellung von erforderlichen Anpassungen des deutschen Rechts zur Umsetzung der EU-weit geltenden Leiharbeits-Richtlinie veröffentlichte (Anhang 1). Die Regierung hatte noch keine Schritte unternommen, um die bereits 2008 erlassene EUDirektive in deutsches Recht zu überführen (IG Metall 2010e): Laut der Direktive handelt es sich bei Leiharbeit um ein zeitlich begrenzt zu nutzendes Instrument zur Deckung von vorübergehendem Personalbedarf. Das AÜG lässt aber Leiharbeit auf unbestimmte Dauer zu. Um der EU-Richtlinie Rechnung zu tragen, sei es nötig, dass wieder eine Höchstüberlassungsdauer für Leiharbeiter eingeführt werde. Außerdem forderte die EU-Richtlinie gleiche Arbeitsbedingungen. Deshalb müsse

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auch Leiharbeitern die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen und die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten gesetzlich erlaubt sein. Einigen Forderungen kam der Gesetzgeber mit dem Erlass des reformierten AÜG im Dezember 2011 nach. Indem die IG Metall auf der nationalen Ebene die Routine der Öffentlichkeitsarbeit zur Leiharbeit zur Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit nutzte, warf sie den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie im Februar 2011 vor, trotz des stabilen Aufschwungs immer noch primär auf Leiharbeit und befristete Stellen zu setzen. Bei dieser Anschuldigung stützte sie sich auf eine eigene Umfrage unter ca. 5.000 Betriebsräten. Demnach hatten 83 % der Firmen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften. Dennoch sei nur in geringem Umfang unbefristetes Stammpersonal eingestellt worden. In 20 % der Betriebe seien Stammbelegschaften durch Leiharbeiter ersetzt worden (SZ 28.09.2010; Spiegel 16.02.2011). Die IG Metall setzte ihre Kampagne „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“, die in der Krise nur noch sporadisch geführt worden war, demnach wieder mit größeren Anstrengungen fort. Um ihren Forderungen insbesondere nach einem Mindestlohn mehr Gewicht zu verleihen (Anhang 1), sicherte sich der IG Metall-Vorstand hierzu die Unterstützung der ehemaligen Arbeitsminister Ehrenberg, Blüm und Riester als Schirmherren der Kampagne (IG Metall 2010f). Auch auf dem IG MetallGewerkschaftstag im Oktober 2011 in Karlsruhe entschieden die 500 Delegierten, dass die Kampagne zu Leiharbeit in den nächsten Jahren weiter geführt werden solle (IG Metall 2011h, i; Girndt/Müller 2011).

14.4 W EITERENTWICKLUNG

DER NEUEN R ESSOURCEN KONFIGURATIONEN NACH DEM E NDE DER K RISE

2008/2009? Auf der regionalen Ebene konnte nach der Krise möglicherweise in der Tarifpolitik der IG Metall die Weiterentwicklung einer Routine der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern beobachtet werden. Ob es sich dabei allerdings um einen einmaligen Erfolg oder tatsächlich um eine neue, künftig fest etablierte Routine handelt, bleibt noch abzuwarten: Während der Wirtschaftskrise hatte die IG Metall tarifpolitisch den Schwerpunkt auf die Beschäftigungssicherung gelegt. In der Tarifrunde der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen im Sommer 2010 verschob sich jedoch der Akzent der gewerkschaftlichen Forderungen von der Beschäftigungssicherung zur Einkommenserhöhung für Stammkräfte. Die Arbeitnehmer hatten schließlich durch Kurzarbeit Einkommensverluste hingenommen (IG Metall 2010g, h, i). Neu in dieser Tarifrunde war, dass die Tarifkommission für die Stahlindustrie nicht nur die üblichen Lohnzuschläge für Stammkräfte – in dieser Runde

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in der Höhe von 6 % – durchsetze, sondern sie zudem forderte, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten wie die Festangestellten (IG Metall 2010g, h, i; SZ 20.09.2010). Die IG Metall begründete die Forderung damit, dass viele Arbeitnehmer, die in der Krise ihren Job verloren haben, nun als Leiharbeiter nach dem Tarif der Leiharbeitsbranche die gleiche Tätigkeit für bis zu 40 % weniger Lohn verrichten mussten (IG Metall 2010g, h, i). Diese Forderung war ein tarifpolitisches Novum, weil erstmals für eine gesamte Einsatzbranche von Leiharbeitern ein solcher Passus in einen Tarifvertrag aufgenommen wurde (Die Zeit 30.09.2010). Jahrelang war die IG Metall mit ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung des „equal pay“-Prinzips ohne Einschränkung durch die Tariföffnungsklausel bei der Regierung auf taube Ohren gestoßen. Nun beschritt Nordrhein-Westfalen als erster Bezirk den neuen Weg, um den Gleichbezahlungsgrundsatz durchzusetzen (IG Metall 2010g, h, i). Dafür war die Gelegenheit in der Branche besonders günstig, denn der Leiharbeiteranteil in den Betrieben dieser Einsatzbranche war vergleichsweise niedrig. Insofern waren Zugeständnisse von Arbeitgeberseite eher zu erwarten als in anderen Einsatzbranchen. Im Jahr 2008 betrug die Leiharbeitsquote laut einer Studie der IG Metall nur knapp 4,9 %, was 3.000 Beschäftigten entsprach (IG Metall 2010g; SZ 20.09.2010). Im September 2010 wurde schließlich ein Tarifvertrag unterzeichnet, wonach Beschäftigte der Stahlindustrie ab Oktober 3,6 % mehr Lohn erhalten und Leiharbeiter ab Januar 2011 nur zu den Tarifkonditionen der Stahlindustrie eingesetzt wurden (Handelsblatt 05.10.2010). Der Tarifabschluss der Stahlindustrie für den Nordwesten wurde für die rund 8.000 Beschäftigten in Ostdeutschland übernommen (IG Metall 2010h: 6). Inwiefern es sich bei diesem Erfolg um den Beginn der Etablierung einer weiterentwickelten Routine der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern handelt, hängt davon ab, ob sie auch in den Verhandlungen über die Flächentarifverträge anderer Einsatzbranchen von Leiharbeitern zum Einsatz kommen und erfolgreich sein wird. In anderen Einsatzbranchen, wie insbesondere der Metall- und Elektroindustrie, sind allerdings die Durchsetzungsvoraussetzungen für eine solche Forderung bedeutend ungünstiger (Holst/ Matuschek 2011: 167): Zum einen spielt Leiharbeit dort quantitativ eine viel größere Rolle (Die Zeit 30.09.2010). Zum anderen machten in der Stahlindustrie die Personalkosten nur rund 10 %, in der Metall- und Elektroindustrie allerdings 30 % der Produktionskosten aus. Die Metall- und Elektroindustrie hatte eine solche Regelung deshalb bislang abgelehnt (02.10.2010). Trotz der geringen Erfolgsaussichten versuchte die IG Metall, das Prinzip in den Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie im Frühjahr 2012 durchzusetzen (Handelsblatt 12.10.2011, 19.08.2011; IG Metall 2011j; Wirtschaftswoche 31.01.2012). Außerdem wurde möglicherweise in der Rechtspolitik die Routine Stellung politischer Forderungen zur Leiharbeit der organisationalen Fähigkeit Vermeidung,

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Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit nach Ende der Krise weiterentwickelt: Der IG Metall-Bezirk Frankfurt unterstützte ein Vorhaben von Thüringens Wirtschaftsminister Machnig (SPD). Dieser setzte in seinem Bundesland eine neue Richtlinie der Wirtschaftsförderung durch, die ab April 2011 in Kraft trat (DGB 2011e; FAZ 12.04.2011; Wirtschaftswoche 20.04.2011) und festlegte, dass Unternehmen mit einem Leiharbeiteranteil an der Belegschaft zwischen 10 % und 30 % künftig nur noch den Basisfördersatz erhalten sollen. Beim Überschreiten einer Leiharbeiterquote von 30 % entfällt der Zuschuss ganz (FAZ 05.04.2011). Zur Begründung gab Machnig an, dass die Zahl der Leiharbeiter in Thüringen im Vergleich aller Bundesländer am stärksten gestiegen war. Inwieweit der Wegfall von Investitionszuschüssen die Nutzung der Leiharbeit tatsächlich einschränkt, ist allerdings fraglich (DGB 2011e; FAZ 12.04.2011). Von der neuen Regelung waren ca. 150 Betriebe betroffen, die gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern in Thüringen dagegen protestierten und der Landesregierung Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrung vorwarfen (FAZ 05.04.2011). Die Gesamtmetall warnte die anderen SPD-regierten Bundesländer vor ähnlichen Regelungen. Kritiker fürchteten, dass dadurch in der Leiharbeit Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden könnten (Wirtschaftswoche 20.04.2011). Damit schade Thüringen seiner Bedeutung als Unternehmensstandort (FAZ 12.04.2011). Der IG Metall-Bezirk Frankfurt griff jedoch diese Regelung auf, präsentierte Thüringen als Vorreiter und forderte von der Regierung, dass Unternehmen in ganz Deutschland, deren Gesamtbelegschaft einen hohen Anteil an Leiharbeitern aufweist, keinen Anspruch auf staatliche Fördermittel haben sollten. In den übrigen Bundesländern des Bezirks, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen versuchte der Bezirk, dahingehend auf die Landesregierungen einzuwirken, gleich lautende Regelungen zu beschließen (Wirtschaftswoche 20.04.2011). Bis dato hatte die IG Metall diese Forderung noch nicht gestellt. Das legt den Rückschluss nahe, dass die Routine Stellung politischer Forderungen zu Leiharbeit in der Rechtspolitik der Bezirke weiterentwickelt wurde. Ebenfalls für eine Weiterentwicklung der auf Leiharbeit bezogenen Ressourcenkonfigurationen nach der Krise spricht, dass mit ähnlichen organisationalen Fähigkeiten und Routinen nach dem Ende der Rezession an einigen Standorten der IG Metall auf den drei Ebenen neue Mitgliedergruppen geworben und in ihren Interessen vertreten wurden, die – wie ursprünglich Leiharbeiter – lange Zeit von der Gewerkschaft ignoriert worden waren. Als markantestes Beispiel hierfür ist das in der IG Metall neu entwickelte aktive Vorgehen bezüglich Werkverträgen anzuführen: Ab dem Jahr 2010 wandte sich die IG Metall Arbeitnehmern mit Werkverträgen zu, deren Arbeits- und Entlohnungssituation in Gewerkschaftskreisen als noch prekärer gelten als die von Leiharbeitern. Unternehmen insbesondere der Druckindustrie, des Einzelhandels, der Stahl- und Automobilindustrie sowie Werften übertragen Tätig-

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keiten auf Subunternehmen, deren Beschäftigte auf Werkvertragsbasis eingestellt werden (Die Zeit 08.12.2011; IG Metall-Bezirk Küste 2011; IG Metall 2012c, d). Diese zählen in den Unternehmen, in denen sie ihre Arbeiten verrichten, zur Randbelegschaft, aber unterliegen im Gegensatz zu Leiharbeitern in der Regel keinen Tarifverträgen und werden geringer entlohnt als Leiharbeiter (Bundestag 2011a: 1; Spiegel 25.01.2012; IG Metall 2012d). Die Betriebsräte in den Firmen, die sie einsetzen, haben laut BetrVG zu Werkverträgen noch weniger Mitbestimmungsrechte als zu Leiharbeit (Bundestag 2011a: 1; Girndt/Müller 2011; IG Metall 2012d). In einigen Stahlunternehmen haben IG Metall und Betriebsrat bereits mit dem Arbeitgeber – wie zuvor bezüglich Leiharbeit – tarifliche Vereinbarungen über eine bessere Entlohnung für Werkvertragsarbeiter abgeschlossen (Nienhüser/Bonnes 2009; Girndt/Müller 2011; IG Metall 2011k). Dies deutet darauf hin, dass die organisationalen Fähigkeiten und Routinen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit nach der Krise mit dynamischen Fähigkeiten dahingehend weiterentwickelt wurden, dass sie zur Interessenvertretung und Mitgliederwerbung dieser Beschäftigtengruppe geeignet waren. Deshalb ist denkbar, dass in dem diesbezüglichen Vorgehen der IG Metall erneut die dynamischen Fähigkeiten zur Entwicklung und Implementierung von wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen genutzt wurden bzw. werden.

14.5 Z WISCHENFAZIT Unter den Bedingungen der Krise 2008/2009 zeigte sich, dass sowohl die dynamischen Fähigkeiten selber, als auch die zuvor mit dynamischen Fähigkeiten entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen weiterhin in der Organisation fortbestanden und nicht nach Einsetzen der Rezession unter den veränderten Umweltbedingungen abgebaut wurden. Die vor der Krise erfolgten Lernprozesse haben sich demzufolge als nachhaltig erwiesen. Dass während der Krise nicht die dynamischen Fähigkeiten des Ressourcenabbaus genutzt wurden, um die organisationalen Fähigkeiten und Routinen des aktiven Vorgehens der IG Metall zu Leiharbeit wieder abzubauen, belegen die empirischen Befunde in diesem Kapitel, die anhand der Interviews im Jahr 2009 und der Dokumentenanalyse erzielt wurden: An manchen Standorten wurde während der Krise mit ihrer Nutzung fortgefahren. Sie erfüllten in den organisationalen Subeinheiten weiterhin einen Nutzen und wurden nicht verlernt. Außerdem wurden einige organisationale Fähigkeiten und Routinen während der Krise zu krisenspezifischen Routinen weiterentwickelt. Als Beispiel für die dabei ablaufenden Lernprozesse wurde unter anderem das „learning by interacting“ identifiziert.

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Die in den drei Phasen bis Mitte 2008 multistandörtlich und multiskalar entwickelten und verbreiteten organisationalen Fähigkeiten und Routinen der aktiven Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit wurden demnach während der Krise nicht verlernt, sondern waren weiterhin in der Organisation vorhanden – obwohl sie unter den Bedingungen der Rezession nur noch in einigen Subeinheiten genutzt und nur in wenigen Ausnahmefällen sogar weiterentwickelt wurden. Des Weiteren ließen sich anhand der Dokumentenanalyse Hinweise darauf finden, dass auch nach dem Ende der Krise in Phase V die vor der Krise erfolgten Lernprozesse nachhaltig waren: Anhand einiger Beispiele wurde gezeigt, dass die vor der Krise entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit auch weiterhin in der IG Metall existierten und zum Teil eventuell sogar eine Weiterentwicklung durch die nach wie vor in der Gewerkschaft existierenden dynamischen Fähigkeiten erfuhren. Möglicherweise ist ein weiteres Indiz für die Weiterentwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit darin zu sehen, dass die IG Metall bezüglich Arbeitnehmern mit Werkverträgen mit ähnlichen organisationalen Fähigkeiten und Routinen vorgeht. Dass nicht nur die mit dynamischen Fähigkeiten entwickelten wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen in der Organisation Fortbestand hatten, sondern auch die dynamischen Fähigkeiten selber, zeigt sich daran, dass sie zur Weiterentwicklung der Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit während und nach der Krise genutzt wurden. Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass die räumlich-skalare und zeitlich-historische Perspektive des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit in der Organisation auch die Berücksichtigung der Ressourcenentwicklung nach der Krise bzw. eine Erweiterung des Phasenmodells um eine Phase V (Mitte 2009 bis Anfang 2012) erfordert, weil diese – bislang letzte – Phase bedeutende Hinweise darauf zulässt, dass sich die vor der Krise erlernten Ressourcenkonfigurationen während der Krise als nachhaltig erwiesen haben.

15 Ressourcenentwicklung in Gewerkschaftsorganisationen in zeitlich-historischer und räumlich-skalarer Perspektive

In der vorliegenden Arbeit wurde aufgezeigt, wie die IG Metall mit der Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens auf den Anstieg der prekär beschäftigten Leiharbeiter und auf die damit verbundenen Auswirkungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie reagierte. Zu diesem Zweck wurde an das organisationswissenschaftliche Konzept der dynamischen Fähigkeiten angeknüpft. Dem Ansatz liegt die Vorstellung zugrunde, dass Organisationen permanent mit Entwicklungen in ihrer Umwelt konfrontiert sind. Aus dem Wandel im externen Umfeld der Organisationen resultiert Handlungsdruck, weil sich Organisationen flexibel an die externen Entwicklungen anpassen müssen. Dazu ist es erforderlich, dass Organisationen ihre interne Ressourcenausstattung weiterentwickeln. Bei dynamischen Fähigkeiten handelt es sich um wissensbasierte Ressourcen höchster Ordnung, deren Hauptaufgabe in der Entwicklung der wissensbasierten Ressourcen besteht (Eisenhardt/Martin 2000: 1105f.). Mit dynamischen Fähigkeiten kann eine Organisation in Lernprozessen neue Routinen und organisationale Fähigkeiten generieren und die bereits bestehenden wissensbasierten Ressourcen zu neuen Konfigurationen kombinieren (Helfat et al. 2007a: 5). Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung lautet, dass nicht nur Unternehmen, sondern auch Gewerkschaften über dynamische Fähigkeiten verfügen. Denn die empirischen Befunde belegen, dass die IG Metall auf den Handlungsdruck reagierte, indem sie ihre dynamischen Fähigkeiten nutzte, um ihre Ressourcenbasis an die veränderten Bedingungen in ihrem Handlungsumfeld anzupassen. Als Handlungsdruck erzeugende Faktoren im Umfeld der Gewerkschaften, wurden in der interdisziplinären Gewerkschaftsforschung und in dieser Arbeit verschiedene Entwicklungen identifiziert, die Gewerkschaften im Allgemeinen und die IG Metall im Besonderen dazu veranlassten, mit ihren dynamischen Fähigkeiten ein aktives Vorgehen

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bezüglich Leiharbeit aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen zu entwickeln und zu implementieren: Innovationsprozesse in Gewerkschaften werden in der Regel als Reaktion auf die Restrukturierung von Arbeitsmärkten initiiert. In dem untersuchten Beispiel handelte es sich dabei um die Zunahme von Leiharbeitern, die aufgrund ihrer prekären Beschäftigung stark auf die Unterstützung von Gewerkschaften angewiesen sind. In Gewerkschaften entsteht zudem Handlungsdruck durch Veränderungen der personalpolitischen Strategien von Unternehmen und deren Folgen im Betrieb. Im konkreten Fall der IG Metall wurden in diesem Kontext die Auswirkungen der zunehmenden Nutzung von Leiharbeit in den Metall- und Elektrobetrieben für die Stammbelegschaft erläutert. An dem Beispiel der IG Metall wurde zudem deutlich, dass auch politische Prozesse und rechtliche Reformen in Gewerkschaften Druck ausüben können, wie hier die sukzessive Lockerung der rechtlichen Beschränkungen durch Reformen des AÜG, die der IG Metall vor Augen führten, dass eine Forderung nach einem gesetzlichen Verbot dieser stark kritisierten Beschäftigungsform nicht durchsetzbar war. Als ein wesentliches Resultat der Untersuchung lässt sich somit festhalten, dass diese Entwicklungen im Handlungsumfeld der Gewerkschaft eine große Herausforderung für die IG Metall darstellten. Weil sie zudem aufgrund ihrer rückläufigen Mitgliederzahlen darauf angewiesen war, Potenziale unter neuen Zielgruppen zu erschließen, wurde die Gewerkschaft ab den 1990er Jahren hinsichtlich Leiharbeit aktiv. Zu diesem Zeitpunkt wurde in einigen Subeinheiten der IG Metall mit der Nutzung der dynamischen Fähigkeiten begonnen und so auf den Handlungsdruck mit der Anpassung der Ressourcenkonfigurationen reagiert. Der hier verwendete organisationswissenschaftliche Erklärungsansatz zu dynamischen Fähigkeiten bleibt aus Sicht der Autorin jedoch zum tieferen Verständnis gewerkschaftlichen Handelns unbefriedigend, weil er die zeitlichen und räumlichskalaren Verläufe der mit dynamischen Fähigkeiten vollzogenen Ressourcenentwicklungsprozesse theoretisch-konzeptionell nicht erfassen kann. Der Beitrag zu den Organisationswissenschaften, den die vorliegende Arbeit leisten konnte, liegt deshalb darin, dass sie einen differenzierteren Blick auf dynamische Fähigkeiten wirft als viele andere Beiträge der aktuellen Literatur zu dynamischen Fähigkeiten. Denn der Ansatz wurde in einem eigenen theoretischen Modell um eine zeitlichhistorische Sichtweise ergänzt, indem die Ressourcenentwicklungsprozesse, die vor, während und auch nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 in der IG Metall abliefen, in Phasen gegliedert und nachgezeichnet wurden. Zugleich wurde das Konzept der dynamischen Fähigkeiten durch ein geographisches Modell um eine räumlichskalare Perspektive erweitert, indem die Gliederung der Organisation in Subeinheiten an verschiedenen Standorten und auf den diversen Ebenen berücksichtigt wurde. Mit diesem Zugang konnte anhand der empirischen Befunde herausgearbeitet

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werden, wie in der multistandörtlich und multiskalar gegliederten Gewerkschaft im Zeitverlauf dynamische Fähigkeiten zur Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit genutzt wurden. Mithilfe dieses konzeptionellen Rahmenwerks wurde eine wesentliche Erkenntnis der vorliegenden Studie gewonnen, denn damit ließ sich nachweisen, dass die Ressourcenentwicklungsprozesse mit dynamischen Fähigkeiten in Gewerkschaften nicht nur in einer Richtung von statten gehen, sondern multiskalar, bzw. auf und zwischen den verschiedenen Ebenen erfolgen: Die Bildung der neuen Ressourcenkonfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen, die das aktive Vorgehen bezüglich Leiharbeit darstellen, begann in Phase I (1990 bis Ende 2002) auf der lokalen Gewerkschaftsebene, als an vereinzelten Standorten Promotoren neues Wissen erwarben, das Hinweise auf den Handlungsdruck beinhaltete. Als die Promotoren auf den wahrgenommenen Handlungsdruck reagierten und versuchten, Leiharbeiter als Mitglieder zu werben und ihre Interessen zu vertreten, stießen sie jedoch auf spezifische Probleme, die aus den Besonderheiten der Beschäftigungsform Leiharbeit resultierten. Bald stellte sich heraus, dass die klassischen Routinen gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung und Interessenvertretung in der Leiharbeit nicht uneingeschränkt anwendbar waren. Um ein aktives Vorgehen zu entwickeln, das den Besonderheiten der Leiharbeit Rechnung trägt, begannen die Promotoren damit, gemeinsam mit Betriebsräten in Lernprozessen neue Lösungsstrategien zu entwerfen und deren Wirksamkeit zu erproben. Diese Handlungsmuster wiederholten sie, sodass sie sich zu den Routinen der neuen Ressourcenkonfigurationen verfestigten und sich neue organisationale Fähigkeiten herausbildeten. Aufgrund ihrer Einbettung in Netzwerke auf derselben bzw. zu anderen Ebenen der Organisation brachten die Promotoren das individuell erworbene Wissen in Phase I (1990 bis Ende 2002) und zu Beginn der Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) in die Organisation ein, indem sie sich mit den Akteuren in anderen Subeinheiten austauschten. Insbesondere in dem eigens dazu eingerichteten Internetforum zu Leiharbeit sowie auf Zusammenkünften der Sekretäre aus verschiedenen Regionen und von unterschiedlichen Ebenen wurde das neu generierte Erfahrungswissen und wurden die innovativen Ressourcenkonfigurationen der Promotoren in der Organisation in Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) „bottom-up“ verbreitet. Auf diese „bottom-up“ verlaufene Entwicklung des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit folgte in Phase II und in Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008) eine „top-down“ gerichtete Implementierung des neuen Mitgliederwerbeprojekts: Nachdem organisationsinterne Widerstände abgebaut waren, bewilligte die Gewerkschaftsleitung Projektstellen für Leiharbeitsprojekte in den Bezirken und richtete eine Abteilung ein, deren Aufgabe darin bestand, die Prozesse der Implementierung eines organisationsweiten Vorgehens zu steuern und die neuen wissensbasierten Ressourcenkonfigurationen in allen Subeinheiten zu verbreiten. Dies erfolgte im Rahmen einer bundesweiten Kampagne durch die Verschriftlichung des neuen Wis-

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sens in Informationsmaterialien, durch Wissenstransfer in Workshops und Seminaren sowie durch die Besetzung zentraler Positionen mit erfahrenen Promotoren, die ihr Wissen zu Leiharbeit an andere Akteure der Organisation vermittelten. Eine weitere zentrale Erkenntnis der vorliegenden Arbeit ist, dass die multistandörtlichen Subeinheiten der Gewerkschaft aus räumlich unterschiedlichen Gründen und zu verschiedenen Zeitpunkten begannen, sich an den Ressourcenentwicklungsprozessen mit dynamischen Fähigkeiten zu beteiligen. Je nachdem, welche Ursachen für ihre Aktivierung ausschlaggebend waren und ab welcher Phase sie in die Entwicklung bzw. Implementierung des Vorgehens bezüglich Leiharbeit involviert waren, wurden die lokalen Subeinheiten im Rahmen einer Typisierung der Verwaltungsstellen unterschiedlichen Typen (Typ 1 a bis e, 2 oder 3) zugeordnet. Damit dynamische Fähigkeiten genutzt werden, bedarf es demnach eines konkreten Auslösers oder einer spezifischen Ursache. Dieser Aktivierungsgrund kann von einer organisationalen Subeinheit zur anderen sehr unterschiedlich sein. Die Gründe, die für die Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen zu den unterschiedlichen Zeitpunkten ursächlich waren, wurden in notwendige und förderliche Bedingungen differenziert. Zur Erklärung für das späte oder geringe Engagement einiger lokaler Subeinheiten der IG Metall wurden außerdem hemmende Bedingungen identifiziert. Diese führten zu der verzögerten Aktivierung einiger Verwaltungsstellen oder beeinträchtigten deren Aktivität. Die Ausführungen zu den multistandörtlichen Unterschieden der Aktivierung und Aktivität der lokalen Gewerkschaftsvertretungen bestätigten, dass eine Erweiterung des Konzepts dynamischer Fähigkeiten um eine zeitlich-historische und räumlich-skalare Perspektive für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit unabdingbar ist. Darauf kann nicht verzichtet werden, weil nur durch die Kontextualisierung der Ressourcenentwicklungsprozesse in Zeit und Raum deutlich wird, dass zu dem allgemeinen Handlungsdruck, der aus der Leiharbeit resultierte und auf die gesamte IG Metall wirkte, zusätzlich weitere, räumlich variierende Faktoren – die hier identifizierten notwendigen, förderlichen und hemmenden Bedingungen – ebenfalls einen unterschiedlich starken Einfluss auf die Subeinheiten ausübten und sich zu verschiedenen Zeitpunkten auf das Handeln der Gewerkschaftsakteure auswirkten. Am Ende von Phase III erreichte die Kampagne Mitte 2008 ihren Höhepunkt, als die multistandörtlichen Subeinheiten der IG Metall verschieden stark aktiviert waren und die Implementierung des aktiven Vorgehens zu Leiharbeit an den meisten Gewerkschaftsstandorten erfolgt war. Durch die krisenbedingte Reduktion der Leiharbeit in der Wirtschaftskrise 2008/2009 wurde die IG Metall allerdings erneut mit einer Veränderung in ihrem Umfeld konfrontiert. Dass die geworbenen Leiharbeiter nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes wieder aus der Gewerkschaft austreten und dass nach dem Ende der Rezession wieder ein neuer Anstieg der Leiharbeit erfolgte, stellte eine weitere Handlungsdruck erzeugende Entwicklung im Umfeld der gesamten IG Metall dar, die erneut Anpassungsreaktionen durch Ressourcenent-

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wicklungsprozesse erforderte. Der zeitlich-historische Ablauf wurde aus diesem Grund um die Phase IV während der Krise (Mitte 2008 bis Mitte 2009) und die Phase V nach der Krise (Mitte 2009 bis Anfang 2012) ergänzt. Um zu verdeutlichen, aus welchen wissensbasierten Ressourcen die mit dynamischen Fähigkeiten entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens zu Leiharbeit vor der Krise bestanden, bzw. wie die Gewerkschaftssekretäre während der Krise zum Thema „Leiharbeit“ aktiv waren, wurden die organisationalen Fähigkeiten und Routinen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit dargestellt. Demnach setzen sich die Ressourcenkonfigurationen vor der Krise aus den organisationalen Fähigkeiten Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern sowie Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit zusammen. Sie wurden während der Krise zu den organisationalen Fähigkeiten Einsatz für den Erhalt der Arbeitsplätze von Leiharbeitern und Verhinderung ihres Gewerkschaftsaustritts und Verhinderung des Wiederanstiegs von Leiharbeit nach Ende der Krise weiterentwickelt. Diese organisationalen Fähigkeiten und deren Routinen manifestierten sich in den vier Politikfeldern gewerkschaftlichen Handelns: in der Organisations-, Betriebs-, Tarif- und Rechtspolitik auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene. Im Zusammenhang mit den tarifpolitischen Routinen wurde deutlich, dass die Gewerkschaft zum Erreichen ihrer auf Leiharbeit bezogenen Ziele ihr Handeln von der nationalen Ebene auf die regionale und lokale Maßstabsebene verlagerte („rescaling“), weil der IG Metall als Mitglied in der DGB-Tarifkommission keine Verbesserung der Tarifverträge gelang. Demnach erwies sich die multiskalare Gliederung der Organisation bei der Vorgehensweise bezüglich Leiharbeit als strategisch nutzbar und somit vorteilhaft. Die Gegenüberstellung der Ressourcenkonfigurationen des aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit vor und während der Krise zeigte außerdem, dass zahlreiche Subeinheiten der IG Metall auf den neuen Handlungsdruck in ihrem Umfeld, der aus der Krise resultierte, nicht reagierten. Statt zu verhindern, dass die Leiharbeiter die Gewerkschaft wieder verlassen, und den erneuten Anstieg der Leiharbeiterzahlen nach der Krise zu unterbinden, stellten die Gewerkschaftssekretäre in den meisten Subeinheiten die Nutzung der Ressourcenkonfigurationen ein. Allerdings wurde auch deutlich, dass an einigen Gewerkschaftsstandorten die organisationalen Fähigkeiten und Routinen weiterhin angewendet und sogar weiterentwickelt wurden. Diese Erkenntnisse belegen deshalb zum einen, dass auch die Krisenreaktionen eine multistandörtliche und multiskalare Differenzierung aufwiesen. Zum anderen verdeutlichen sie, dass die zuvor in Lernprozessen entwickelten und implementierten Ressourcenkonfigurationen nachhaltig waren. Nicht nur die organisationalen Fähigkeiten und Routinen der aktiven Vorgehenswiese bezüglich Leiharbeit existierten unter den Krisenbedingungen in der Organisation fort, sondern auch die dynamischen Fähigkeiten hatten weiterhin Be-

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stand. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass sie während und nach der Krise dazu genutzt wurden, die Ressourcenkonfigurationen an die krisenbedingten Veränderungen im Handlungsumfeld anzupassen. Zur Erklärung der räumlichen Unterschiede der Routinen und organisationalen Fähigkeiten in den Subeinheiten vor und während der Krise wurden die dafür ursächlichen Einflussfaktoren vor und während der Krise sowie in der Organisation und in deren Umfeld erläutert. Dabei bestätigte sich die Ausgangsüberlegung, dass die in der Gewerkschaftsforschung identifizierten „externen Faktoren“ für die räumliche Unterschiede gewerkschaftlichem Handelns (Betriebsräte bzw. deren Engagement für die gewerkschaftspolitischen Ziele auf Betriebsebene, Verhalten der Arbeitgeber, Größe der Unternehmen, Qualifikationsniveau der Arbeitgeber) auch in diesem Beispiel relevant sind. Es zeigte sich aber, dass die Faktoren im Handlungsumfeld der Subeinheiten um weitere ergänzt werden mussten, wie z.B. die Position des Entleihunternehmens in der Wertschöpfungskette. Die Ausführungen dazu, dass die Subeinheiten aufgrund der räumlich verschiedenen Bedingungen an den Standorten nur bestimmte Routinen und organisationale Fähigkeiten vor Ort entwickeln und implementieren, bestätigten die konzeptionellen Vorüberlegungen, wonach sich die Subeinheiten an die Besonderheiten ihres jeweiligen Handlungsfelds anpassen. Gewerkschaften richten auf diese Weise ihr Handeln auf die geographischen Gegebenheiten aus, statt flächendeckend dieselben Ressourcenkonfigurationen umzusetzen. Daran wird erneut deutlich, wie wichtig die geographische Perspektive zur Erklärung gewerkschaftlichen Handelns und der Ressourcenentwicklungsprozesse in Gewerkschaften zu erklären ist. In dieser Arbeit wurden räumlich unterschiedlich stark ausgeprägte Bedingungen identifiziert, um zum einen die Unterschiede der Aktivierung und Aktivität der untersuchten Verwaltungsstellen und zum anderen die Unterschiede der vor der Krise entwickelten und implementierten bzw. in der Krise weiterentwickelten organisationalen Fähigkeiten und Routinen zu erklären. Diese Faktoren ließen sich danach differenzieren, ob sie in der jeweiligen Subeinheit oder in deren Umfeld verortet waren. Demnach beeinflusst der jeweilige räumliche Kontext zwar, welche Routinen und Fähigkeiten die Akteure in den Subeinheiten entwickeln und implementieren, jedoch haben die im Handlungsumfeld wirkenden Einflüsse keine determinierende Wirkung. Denn auch in den Subeinheiten müssen bestimmte – räumlich nicht überall gegebene – Voraussetzungen zur Etablierung organisationaler Fähigkeiten und Routinen erfüllt sein. Das vorgeschlagene geographische Modell der dynamischen Fähigkeiten hilft demnach, Ressourcenentwicklungsprozesse in multistandörtlich und multiskalar differenzierten Organisationen zu verstehen, indem es den Blick sowohl auf die einzelnen organisationalen Subeinheiten als auch auf die externen Handlungsbedingungen der Akteure in den Subeinheiten lenkt.

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Auch das methodische Verfahren und der Zeitpunkt der Datengewinnung sind zu reflektieren: 96 Interviews mit Gewerkschaftssekretären wurden geführt, um das in den Organisationen verankerte Wissen für die vorliegende Arbeit nutzbar zu machen und einen breiten Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Die erfolgte Auswahl der Interviewpartner, die als Gewerkschaftssekretäre in unterschiedlichen Regionen Deutschlands (Ost-, West-, Süd-, Nord- und Mitteldeutschland, ländliche und städtische Regionen, Regionen mit großen und kleinen Entleihfirmen) für die Belange von Leiharbeiter aktiv waren, erwies sich als geeigneter empirischer Zugang, um unterschiedliche räumliche Handlungssettings miteinander vergleichen zu können. Dass Gewerkschaftssekretäre auf den drei Ebenen der untersuchten Organisation befragt wurden, ermöglichte es, den Prozess der „bottom-up“ gerichteten Entwicklung und „top-down“ erfolgten Implementierung der neuen Ressourcenkonfigurationen nachzuzeichnen sowie die organisationalen Fähigkeiten und Routinen auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene vor und während der Krise zu identifizieren. Ingesamt werden der Mehrebenenzugang und die Methode der semistrukturierten Interviews in verschiedenen Regionen deshalb als ein geeignetes Untersuchungsdesign bewertet, um Ressourcenentwicklungsprozesse in räumlich und skalar differenzierten Organisationen nachzuvollziehen. Auch der konkrete zeitliche Rahmen der beiden empirischen Phasen im Sommer 2008 und 2009 erwies sich als günstig, weil die Gewerkschaftssekretäre zunächst auf dem Höhepunkt der Leiharbeits-Kampagne und später mitten in der Krise befragt werden konnten. Darüber hinaus deckte die während der gesamten Dauer des Forschungsprojekts fortgeführte Analyse von statischen Daten, Medienberichten und Sekundärliteratur den Zeitraum von Mitte 2007 bis Anfang 2012 ab und schloss somit die Phasen vor dem Kampagnenbeginn und nach der Krise mit ein. Für eine empirische Studie, die den Fortgang der gewerkschaftlichen Ressourcenentwicklungsprozesse aus zeitlich-historischer Sicht vor, während und (wenn auch weniger detailliert) nach der Krise offen legen will, lässt sich rückblickend sagen, dass dieser Zeitraum im Sinne des Forschungsinteresses optimal gewählt war. Allerdings ist das empirische Vorgehen kritisch zu kommentieren. Das untersuchte Beispiel der Entwicklung und Implementierung eines aktiven Handlungskonzepts der IG Metall bezüglich Leiharbeit konnte zwar detailliert aufzeigen, wie in Gewerkschaftsorganisationen dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenentwicklung genutzt werden. Dabei wurde aber nur indirekt auf das Vorhandensein von dynamischen Fähigkeiten geschlossen, weil sich deren Existenz durch empirische Forschung nur in Gestalt von Innovationsprozessen zeigt und daran, dass die organisationalen Fähigkeiten und Routinen sich verändern. Diese Unzulänglichkeit der empirischen Studie wurde offen und transparent dargelegt. Aufgrund des qualitativen Forschungsdesigns ist eine Verallgemeinerung der Erkenntnisse zwar nur begrenzt möglich. Insbesondere ist das hier untersuchte, aktive

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Vorgehen bezüglich Leiharbeit in der IG Metall kaum mit dem von Gewerkschaften in anderen Ländern zu vergleichen, weil die gesetzlichen Vorgaben zu Leiharbeit je nach Land stark variieren („varieties of capitalism“, Kapitel 2.3) und sich deshalb der institutionelle Handlungsrahmen der Gewerkschaft unterscheidet. Jedoch ist denkbar, dass einige zentrale Erkenntnisse dieser Studie zu dynamischen Fähigkeiten in Organisationen über das Beispiel der IG Metall hinaus auch auf andere Gewerkschaften und auf weitere „normative organizations“ zutreffen. Schließlich sind nicht nur Gewerkschaften, sondern auch andere Organisationen, wie z.B. Verbände, Vereine, Kirchen, Parteien, immer wieder mit neuen Herausforderungen in ihrem Handlungsumfeld konfrontiert, auf die sie reagieren, indem sie neue Wege beschreiten und ihre Ressourcenbestände an die neuen Bedingungen anpassen. Aus den vorangegangenen Ausführungen lassen sich deshalb einige generalisierende Aussagen ableiten, die eventuell eine über den Einzelfall der IG Metall hinausgehende Gültigkeit beanspruchen können: Viele normative Organisationen sind in multistandörtliche und multiskalare Subeinheiten strukturiert. Weil auch in deren Fall Neuerungen mit den Mitgliedern der Organisation abgestimmt sein müssen, erfolgen Ressourcenentwicklungsprozesse vermutlich auch in diesen „normative organizations“ „bottom-up“ gerichtet, ehe die Innovationen auf einen Mehrheitsbeschluss hin „top-down“ in der Gesamtorganisation etabliert werden. Wie in der Untersuchung für die IG Metall aufgezeigt, beginnen die Ressourcenentwicklungsprozesse auf die Initiative bestimmter proaktiver Akteure hin, die den Handlungsbedarf als erste realisieren. Eventuell ist auch auf Verbände, Parteien etc. zutreffend, dass die multistandörtlichen Subeinheiten sich zu variierenden Zeitpunkten und mit verschieden großem Engagement an den Innovationsprozessen in der Organisation beteiligen. Diese Unterschiede sind mutmaßlich außer in Gewerkschaften auch in anderen multistandörtlich und multiskalar strukturierten Organisationen von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Bezüglich der Frage, inwiefern die für Gewerkschaften getroffenen Forschungsergebnisse auch auf Unternehmen zutreffen, ist darauf hinzuweisen, dass Unternehmen grundsätzlich weniger auf die Zustimmung und Unterstützung aus der Organisation angewiesen sind als Gewerkschaften. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass Innovationsprozesse in Unternehmen in der Regel nicht „bottom-up“, sondern tendenziell eher „top-down“ verlaufen. Darum ist nicht davon auszugehen, dass die Erkenntnisse, die mit Blick auf die Gewerkschaftsorganisation gewonnen wurden, uneingeschränkt auch auf Unternehmen zutreffen. Aufgrund der Gemeinsamkeiten der „utalitarian organization“ Unternehmen und der „normative organization“ Gewerkschaft liegt jedoch nahe, dass der entwickelte geographische Ansatz dynamischer Fähigkeiten auch für Unternehmen eine gewisse Geltung beanspruchen kann: Auch Unternehmensorganisationen sind schließlich in multistandörtliche Subeinheiten (Standorte, Niederlassungen, Werke, Filialen etc.) und hierarchische Ebenen von der operativen Ebene bis zur Unter-

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nehmensleitung gegliedert. Die empirisch belegte Erkenntnis dieser Untersuchung, dass die Nutzung dynamischer Fähigkeiten in Gewerkschaften von räumlich variierenden, notwendigen, förderlichen und hemmenden Bedingungen beeinflusst wird, dürfte deshalb vermutlich ebenso für Unternehmen gelten. Auch im Umfeld von Unternehmen variiert der Druck, der die Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Nutzung dynamischer Fähigkeiten veranlasst. Beispielsweise unterliegen die Märkte an den jeweiligen Standorten von multinationalen Unternehmen verschieden großen Dynamiken und ggf. unterschiedlichen krisenhaften Entwicklungen. Deshalb ist auch in Unternehmen die Frage, in welchen multistandörtlichen und multiskalaren Untereinheiten welche organisationalen Fähigkeiten und Routinen entwickelt und implementiert werden, von räumlich variierenden Einflussfaktoren im Handlungsumfeld sowie von bestimmten Bedingungen in der Organisation abhängig. Die einzelnen Unternehmensstandorte bzw. multistandörtlichen Subeinheiten der Organisation reagieren darauf zu verschiedenen Zeitpunkten mit diversen Ressourcenentwicklungsprozessen mit dynamischen Fähigkeiten, aus denen in jeder Subeinheit unterschiedliche Konfigurationen aus organisationalen Fähigkeiten und Routinen resultieren. Das hier vorgeschlagene multistandörtliche und multiskalare Konzept der dynamischen Fähigkeiten kann daher als offen für eine Übertragbarkeit auf andere Forschungsfragen angesehen werden, bei denen es um „Zeit, Raum und Organisation“ bzw. konkreter um die zeitlich-historische sowie räumlich-skalare Ressourcenentwicklung unterschiedlichen Typs geht. Inwiefern die gewonnen Forschungsergebnisse auch für Unternehmen gelten, ließe sich ggf. mit wirtschaftsgeographischen Folgeuntersuchungen herausfinden, denn aus Sicht der Autorin bietet das hier vorgeschlagene Konzept der dynamischen Fähigkeiten einige Anknüpfungspunkte für die Wirtschaftsgeographie: In der Studie wurde herausgearbeitet, wie das Konzept der dynamischen Fähigkeiten genutzt werden kann, um die zeitlich und geographisch differenziert ablaufenden Entwicklungsprozesse von wissensbasierten Ressourcen konzeptionell zu fassen. Organisationale Routinen und andere wissensbasierte Ressourcen zur Erklärung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, Stabilität und Wandel werden innerhalb der Wirtschaftsgeographie in der „evolutionary economic geography“ (Boschma/Frenken 2006), sowie in institutionellen Ansätzen (Martin 2000; Rafiqui 2009) und relationalen Ansätzen (Glückler/Bathelt 2003, 2011; Yeung 2005) aus räumlicher Sicht thematisiert und bilden seit den 1990er Jahren etablierte Forschungsgegenstände in dem Fach. Von dem Konzept dynamischer Fähigkeiten und insbesondere von der multistandörtlichen sowie multiskalaren Sichtweise auf dynamische Fähigkeiten können die genannten drei Forschungsperspektiven der Wirtschaftsgeographie aus folgenden Gründen einige wichtige Einsichten gewinnen: Erstens benötigt die Wirtschaftsgeographie ein Konzept, das erklären kann, wie strategische Wettbewerbsvorteile, die auf Routinen und organisationalen Fähigkei-

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ten beruhen, auch unter dynamischen Bedingungen aufrechterhalten werden. Diesbezüglich muss die ressourcenorientierte Perspektive des Fachs erweitert werden. Speziell die Institutionenökonomie, deren Erkenntnissinteresse zwar auf dynamischen Wandel ausgerichtet ist, die aber oft als zu statisch in ihrer Perspektive beschrieben wird (z.B. Boschma/Frenken 2006: 281), könnte von dem Konzept der dynamischen Fähigkeiten lernen. Zweitens bietet ein multiskalares und multistandörtliches Konzept dynamischer Fähigkeiten Anknüpfungspunkte bei der wirtschaftsgeographischen Untersuchung von räumlich unterschiedlich ablaufenden Prozessen der Ressourcenentwicklung, des Lernens und des Wissenstransfers. Solche Prozesse stehen – unter Berücksichtigung der Netzwerkbeziehungen von individuellen und kollektiven Akteuren – insbesondere im Mittelpunkt der organisationstheoretisch und soziologisch inspirierten relationalen Forschungsperspektive (Glückler/Bathelt 2003: 251, 2011: 63). Darin wird die Entstehung von Human- und Sozialkapital als eine Ausprägungsform organisationaler Ressourcen unter Berücksichtung von deren sozialem Kontext untersucht: „We find that resources are used and/or produced in a relational manner, that is, in context-specific social processes. This leads to further resource heterogeneity, which then becomes the basis of competitiveness and economic success“ (Bathelt/ Glückler 2011: 65). Die Voraussetzung für den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen mit Ressourcen wird aus relationaler Sicht in dem Passungsverhältnis zwischen Organisationen und ihrem territorialen sowie sozialen Kontext im Zeitverlauf gesehen. Darunter wird die durch Akteure beeinflussbare Kompatibilität organisationaler Prozesse und Strukturen zu Entwicklungen in Territorien und Gemeinschaften auf unterschiedlichen Maßstabsebenen verstanden (Kinder/Radwan 2010: 43). In der relationalen Wirtschaftsgeographie hilft der ressourcenorientierte Blick demnach, die Verbindung zwischen den Triebkräften der Umwelt und organisationsinternen Vorgängen (Wahrnehmungen, Interpretationen, Entscheidungs- und Handlungsmustern) nachzuvollziehen. Aus diesem Grund sind nur aus einer räumlichen bzw. multistandörtlichen Perspektive die „Entstehung, Fortentwicklung, Verwendung und Erträge dieser Ressourcen angemessen zu verstehen“ (Bathelt/Glückler 2003: 263, 2011: 81) und es werden auch hier – wie in dem in dieser Arbeit vorgeschlagenen Konzept – verschiedene Maßstabsebenen beleuchtet: „relational geographers do not privilege one scale a priori. Rather, they consider the interrelations among different scales; in so doing, they problematize space“ (Sonnino/Marsden 2006: 190). Auch in der Evolutionsökonomie wird versucht, ein Verständnis zu der räumlichen Verbreitung von Ressourcen, insbesondere von Routinen, zu entwickeln. Im Zentrum stehen dabei die Fragen: Wie entstehen neue Routinen an bestimmten Orten, wie „diffundieren“ diese im Raum und wie passen sie sich an die jeweiligen Bedingungen an (Boschma/Frenken 2006: 278)? Zur Beantwortung dieser For-

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schungsfragen ist nicht nur eine räumliche, sondern auch eine skalare Perspektive erforderlich, die das Handeln auf verschiedenen Ebenen beleuchtet (ebd.: 288). Demnach ist zwar in der Wirtschaftsgeographie bereits eine intensive Auseinandersetzung mit Akteuren, sozialen Beziehungsgeflechten und den Rahmenbedingungen von Ressourcenentwicklungsprozessen erfolgt. Außerdem wird die Beantwortung der Umweltanforderungen über die Entwicklung und Anwendung spezifischer Kompetenzen bereits als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen akzeptiert. Kinder und Radwan (2010: 41) argumentieren jedoch speziell mit Blick auf Routinen, dass es der wirtschaftsgeographischen Debatte zu strategischen Wettbewerbsvorteilen noch immer an einem fundierten Konzept fehlt, das „den an Routinen beteiligten Akteuren und dem strukturellen Kontext ihres Handelns eine Erklärungskraft einräumt“. Die geographische Untersuchung von Ressourcen müsse – intensiver als bislang erfolgt – den organisatorischen Kontext berücksichtigen, um zu einem besseren Verständnis ökonomischer Strukturen und Prozesse aus räumlicher Perspektive beitragen zu können (ebd.: 42). Eine Betrachtungsweise von Routinen, welche die multiskalare und multistandörtliche Strukturierung der Organisation berücksichtigt, könnte diese Debatte ggf. beleben. Drittens spielt die multiskalare und multistandörtliche Differenzierung von Organisationen, insbesondere von transnationalen Unternehmen, in der Wirtschaftsgeographie eine wichtige Rolle. Lernprozesse in dezentral strukturierten Unternehmen sowie die Verknüpfung von zentraler Steuerung und dezentraler Ressourcenentwicklungsprozesse sind Gegenstand einer Debatte dieser Subdisziplin der Geographie (z.B. Gertler 2003: 84). Die hier vorgestellte räumlich differenzierende Sichtweise auf multistandörtliche und multiskalare Ressourcen, Strukturen und Prozesse in Organisationen weiter zu fundieren, stellt demnach für die Wirtschaftsgeographie eine wichtige Aufgabe dar. Der theoretische Zugang über das Konzept dynamischer Fähigkeiten bietet hierfür Potenzial. Von wirtschaftsgeographischem Interesse ist außerdem die räumliche Struktur der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt vor und während der Krise, die in der vorliegenden Arbeit zum Verständnis der unterschiedlich frühen und verschieden großen Aktivität der Gewerkschaftssekretäre in den lokalen Verwaltungsstellen erläutert wurde. Zu diesem Zweck wurde kartographisch veranschaulicht, dass die Verteilung der Leiharbeiter vor der Krise primär von der Siedlungs-, Betriebsgrößen- und Branchenstruktur abhängt. Zudem wurden die räumlich unterschiedlichen Folgen der Krise für die Struktur der Leiharbeit in Deutschland erklärt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass insbesondere solche Regionen vom krisenbedingten Abbau der Leiharbeit betroffen waren, die Standort für Branchen und Unternehmen in exportabhängigen Industrien sind, wohingegen an manchen Standorten des Dienstleistungssektors sogar ein Anstieg der Leiharbeiterzahlen zu verzeichnen war.

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Wie geschildert ist in der „labour geography“ insgesamt ein Defizit an empirischen Untersuchungen zu Leiharbeit zu konstatieren, die zu einer kritischen Reflexion der stark umstrittenen Beschäftigungsform beitragen. Deshalb wurde in der Arbeit auf die prekären Arbeitsbedingungen und die negativen Folgen ihrer Ausbreitung für die regulär Beschäftigten hingewiesen. Trotz des Anspruchs der „labour geography“ im Gegensatz zur „geography of labour“ auch das gewerkschaftliche Handeln und die kollektive Organisation von Arbeitnehmern zu untersuchen, liegen bisher keine Publikationen vor, die sich mit den Gewerkschaftsstrategien bezüglich Leiharbeit befassen. In der Arbeit wurden jedoch die organisationalen Fähigkeiten und ihre organisations-, betriebs-, tarif- und rechtspolitischen Routinen auf den drei Ebenen erläutert, die zusammen das aktive Vorgehen bezüglich dieser Beschäftigungsform der IG Metall bilden. Dabei wurde, wie von den Vertretern der „labour geography“ gefordert, die Räumlichkeit und Maßstäblichkeit gewerkschaftlichen Handelns mit berücksichtigt. Somit wurde das eingangs formulierte Ziel erreicht und die diesbezügliche Forschungslücke der „labour geography“ und der interdisziplinären Gewerkschaftsforschung geschlossen. Abschließend lässt sich als ein Ausblick festhalten, dass Leiharbeit auch künftig eines der zentralen Themen der IG Metall bleiben wird, weil die Zahl der Leiharbeiter weiter wachsen wird. Einer Studie der Beratungsgruppe Rölfs Partner (2012) zufolge, wird die durchschnittliche Anzahl der Leiharbeiter in Deutschland noch im Jahr 2012 erstmals 1 Mio. übersteigen und ein Ende ihres Booms ist nicht absehbar. Die IG Metall wird deshalb weiterhin versuchen, die prekären Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter zu verbessern und die negativen Folgen der Leiharbeit in den Einsatzunternehmen einzudämmen: Gemeinsam mit den übrigen DGB-Gewerkschaften will sie im Jahr 2012 gegenüber den Arbeitgebern der Leiharbeitsbranche tariflich die Forderung nach „equal pay“ ab dem ersten Einsatztag durchsetzen. Außerdem bemüht sie sich – nach dem geschilderten Erfolg in der Stahlindustrie (Kapitel 14.4) – auch in den Tarifverhandlungen mit den Arbeitgeberverbänden der Einsatzbranchen den Gleichbezahlungsgrundsatz ab dem ersten Tag der Beschäftigung festzulegen. Zudem wurde auf dem Gewerkschaftstag im Oktober 2011 beschlossen, die Kampagne weiter zu führen und insbesondere die Anstrengungen fortzusetzen, in den Entleihbetrieben gemeinsam mit den Betriebsräten eine Verbesserung der Beschäftigungssituation von Leiharbeitern zu erwirken. Dass die IG Metall in den letzten Jahren auf die Zunahme von Leiharbeit – und auch von anderen Beschäftigtengruppen, wie z.B. den Arbeitnehmern mit Werkverträgen, – reagiert hat, zeigt, dass sie imstande ist, auf Herausforderungen in ihrem Handlungsfeld auf innovative Weise mit neuen organisationalen Fähigkeiten und Routinen zu reagieren. Aufgrund des dynamischen Wandels auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden auch künftig neue Anforderungen an die Gewerkschaft gerichtet sein. Um ihnen gerecht zu werden und sich an die Veränderungen in der Arbeits-

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welt anzupassen, werden in den Subeinheiten der IG Metall voraussichtlich auch weiterhin dynamische Fähigkeiten gebraucht und genutzt, um neue Ressourcenkonfigurationen zu entwickeln und zu implementieren.

Literatur

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Anhang 1:

Vorgehen des DGB und der DGB-Gewerkschaften bezüglich Leiharbeit (1972 – 2012)

Im Folgenden wird ein tabellarisches Modell aus fünf verschieden langen Zeitphasen erläutert, das auf der Grundlage der eigenen Interviews, anhand von arbeitssoziologischen und politikwissenschaftlichen Forschungsergebnissen sowie auf der Grundlage von Medienberichten skizziert, wie der DGB und DGB-Gewerkschaften auf den Handlungsdruck bezüglich Leiharbeit reagierten. Die Phasen des Modells stimmen weitestgehend mit den zeitlichen Phasen überein, die in der vorliegenden Arbeit voneinander differenziert und ausführlich beschrieben wurden, um das konkrete Beispiel der DGB-Mitgliedsgewerkschaft IG Metall nachzuzeichnen. Das hier erläuterte Modell bezüglich des Vorgehens des DGB unterscheidet sich von dem Modell hinsichtlich des Vorgehens der IG Metall lediglich in folgenden Punkten: Die Phase I der Ressourcenentwicklung in der IG Metall begann, wie Kapitel 8 dargestellt, erst im Jahr 1990. Im Folgenden hingegen wird der Anfang von Phase I bereits im Jahr 1972 zum Zeitpunkt der Legalisierung von Leiharbeit in Deutschland angesetzt, weil hier auch die anfängliche Ablehnung von Leiharbeit durch die DGB-Gewerkschaften erläutert wird. Ein weiterer Unterschied der beiden Phaseneinteilungen besteht darin, dass in einzelnen dezentralen Subeinheiten der IG Metall bereits in Phase I (1990 bis Ende 2002) mit der Mitgliederwerbung unter Leiharbeitern begonnen wurde. Auf Ebene des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist die offizielle Öffnung für Leiharbeiter als neue Mitglieder hingegen erst in Phase II (Ende 2002 bis Mitte 2007) erfolgt.

Phase V (Mitte 2009 bis Anfang 2012)

Quelle: Eigene Darstellung

Versuche, in den Tarifverhandlungen mehr Mitbestimmung für Betriebsräte zu erzielen

Versuche, eine Einigung zu „equal pay“ zu erzielen

Kritik am „Drehtür-Effekt“

Vereinbarung eines gesetzlichen Branchenmindestlohns mit den Arbeitgeberverbänden

Unterstützung von nicht-gewerbsmäßiger Leiharbeit

Beginn der Forderungen nach einer strikteren Regulierung und mehr Mitbestimmungsrechten für Betriebsräte

Kritik am reformierten AÜG

Beginn der Mitgliederwerbung

Einigung der SozialKritik an der Personalpolitik der Arbeitgeber in partner auf einen branchenweit einder Krise heitlichen Mindestlohn

Phase IV (Mitte 2008 bis Mitte 2009)

Abkehr von der Verbotsforderung

Beantragung eines gesetzlichen Branchenmindestlohns

Phase III (Mitte 2007 bis Mitte 2008)

Abschluss der ersten Branchentarifverträge

Phase II (Anfang 2003 bis Mitte 2007)

Forderung nach einem Verbot von Leiharbeit

Phase I (1972 bis Ende 2002)

Fünf-Phasen-Modell des aktiven Vorgehens des DGB und der DGB-Gewerkschaften bezüglich Leiharbeit

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V ORGEHEN

DES

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Forderung nach einem Verbot von Leiharbeit Bis in die 1990er Jahre betrachteten die DGB-Gewerkschaften Leiharbeit als „modernen Sklavenhandel“ (IG Metall 1992; Holst et al. 2008: 167). Die Beschäftigungsform wurde aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen vieler Leiharbeiter und der Beeinträchtigungen für die Beschäftigungsstandards der regulär Beschäftigten abgelehnt (Boost/Buscher 2009: 76; Schröder 2010f: 104). 1981 wurde deshalb eine Forderung nach einem Verbot von Leiharbeit in das Grundsatzprogramm des DGB eingefügt (DGB 1981). Konsequenterweise wurden auch keine Anstrengungen zur Mitgliederwerbung unternommen. Außerdem verzichteten die Gewerkschaften auf den Einsatz der sonst üblichen Strategien, wie z.B. die Gründung von Betriebsräten (Holst et al. 2008: 167; Aust/Holst 2006: 304ff.). Abkehr von der Verbotsforderung Durch die Deregulierung in den 1990er Jahren förderte der Gesetzgeber die Beschäftigungsform als arbeitsmarktpolitisches Instrument. Deshalb und weil es dadurch zu einem Beschäftigtenanstieg in der Leiharbeit kam, wurde ein aktives Handlungskonzept gegenüber Leiharbeit erforderlich (Wölfle 2008: 39; Schröder 2010a: 85). Die Verbotsforderung hatte sich als nicht durchsetzbar erwiesen (Holst et al. 2008: 167) und wurde im Jahr 1996 aus dem DGB-Grundsatzprogramm gestrichen (Aust/Holst 2006: 304; Pernicka et al. 2005: 50f.). Unterstützung von nicht-gewerbsmäßiger Leiharbeit Zunächst akzeptierten die DGB-Gewerkschaften jedoch nur nicht-profitorientierte Leiharbeit. Dies wurde daran deutlich, dass sich der DGB Nordrhein-Westfalen im Jahr 1995 an der Gründung von Start NRW beteiligte und eine Mitträgerschaft übernahm. Der Geschäftszweck dieser Einrichtung bestand in der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung unter Einhaltung sozialer Standards (Vanselow/Weinkopf 2000). Start NRW unterschied sich außerdem darin von privaten, kommerziellen Leiharbeitsfirmen, dass für die Beschäftigten ein Haustarifvertrag galt. Darin wurde geregelt, dass für die Entlohnung der Leiharbeiter nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen der im Entleihbetrieb geltende Tariflohn maßgeblich ist. Weitere Grundsätze waren, dass nur unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen, verleihfreie Zeiten für Qualifizierung genutzt und Betriebsratsstrukturen etabliert wurden (DGB 1996, 2001f.; Weinkopf 2004: 11). Zwar mussten diese Prinzipien

372 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Ende der 1990er Jahre aufgeben werden, weil sie sich als nicht finanzierbar erwiesen (Pernicka et al. 2006: 152). In den 1990er Jahren wurde Start NRW jedoch zunächst als Erfolg bewertet (Weinkopf 2004). Das Modellprojekt galt in Gewerkschaftskreisen als Beweis dafür, dass „fair“ gestaltete Leiharbeit in der Praxis realisierbar war. Dies führte zu Überlegungen, wie Leiharbeit insgesamt „sozialverträglich“ reguliert werden kann (Aust/Holst 2006: 304). Beginn der Forderung nach einer strikteren Regulierung und mehr Mitbestimmungsrechten für Betriebsräte Im Jahr 1992 stellte der DGB erstmals eine Reihe von Forderungen an den Gesetzgeber nach einer strikteren Regulierung der Leiharbeit auf (DGB 1996; Holst et al. 2008: 167). Diese Versuche, die Regierung zu einer Reform des AÜG zu bewegen, scheiterten jedoch (Aust/Holst 2006: 304). Damit die Betriebsräte in den Entleihfirmen mehr Rechte erhielten, um Entscheidungen bezüglich der Leiharbeit in ihrem Betrieb mittragen zu können, legte der DGB im Jahr 1998 einen umfassenden Vorschlag zur Reform des BetrVG vor (Pernicka et al. 2006: 121). In der Novellierung des BetrVG, der im Jahr 2001 erlassen wurde, kam der Gesetzgeber der Forderung der Gewerkschaften nach, die Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechte der Betriebsräte bezüglich Leiharbeit zu stärken (Wassermann/Rudolph 2005; Pernicka et al. 2005: 122f.). In den folgenden Phasen entwickelte der DGB weitere Forderungen zur rechtlichen Gestaltung von Leiharbeit (DGB 2007: 12f., 2008: 9, 2009a: 11, b: 19f.), von denen jedoch von der Regierung nur einige aufgegriffen wurden.

P HASE II (E NDE 2002 – M ITTE 2007) Abschluss der ersten Branchentarifverträge Im Zuge der „Hartz-Reformen“ erfolgte eine Novellierung des AÜG, durch die Leiharbeit dereguliert wurde (Kapitel 7.1.1.4) (Holst et al. 2008: 167; Wölfle 2008: 39). In das neue Gesetz wurde das Gleichstellungsgebot aufgenommen, um die erwartete EU-Richtlinie1 zu befolgen (§ 9 Nr. 2 AÜG) (Pernicka et al. 2005: 122;

1

Auf EU-Ebene wurde versucht, die rechtlichen Bedingungen der Leiharbeit in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen (Sudmann 2009: 247f.; Schulten 2010: 38f.). Der erste Kommissionsvorschlag zu der zu beschließenden „Temporary Agency Worker Directive“ (TAWD) geht auf das Jahr 1982 zurück (Jahn/Rudolph 2002: 1). In den 1980er und

V ORGEHEN

DES

DGB

UND DER

DGB-G EWERKSCHAFTEN BEZÜGLICH L EIHARBEIT

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Aust/Holst 2006: 305). Mit dem „equal pay“-Grundsatz wurden Leiharbeitsfirmen dazu verpflichtet, Leiharbeiter einem vergleichbaren Nicht-Leiharbeiter im Entleihbetrieb gleichzustellen. Dies impliziert nicht nur das reguläre Entgelt, sondern auch alle Sondervergütungen, Jahreszahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien) sowie die Zuschläge für Schicht- und Mehrarbeit (Schild/Petzold 2009: 98). Durch die Einführung des Tarifvorbehalts (§ 3 Nr. 3 AÜG) wurde jedoch rechtlich eine Abweichung vom Gleichstellungsprinzip durch tarifvertragliche Vereinbarungen erlaubt (Wölfle 2008: 39; DGB 2009a: 2). Außerdem konnte vom Gleichstellungsprinzip abgewichen werden, wenn Leiharbeiter, die vor ihrer Anstellung arbeitslos gemeldet waren, in den ersten sechs Wochen auf dem Niveau des Arbeitslosengeldes entlohnt werden (Wolters 2008: 25; Schröder 2010d: 90). Die DGB-Gewerkschaften traten daraufhin erstmals mit den Arbeitgebern der Leiharbeitsbranche in Tarifverhandlungen, weil ihre Position zunächst günstig schien. Denn die Arbeitgeberverbände hatten ein explizites Interesse am Abschluss von Tarifen, weil nur so das Gleichstellungsgebot umgangen werden konnte (Holst et al. 2008: 168; Schröder 2010d: 91). Vor diesem Hintergrund nahmen DGB und DGB-Gewerkschaften die Verhandlungen als Chance wahr, um den Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten zu unterbinden (Aust/Holst 2006: 305ff.; Wölfle 2008: 39). Außerdem übte die Regierung auf die Gewerkschaften Druck aus: Für den Fall, dass keine Tarifabschlüsse erfolgten, würde die AÜG-Reform nicht vollzogen und somit das Gleichbehandlungsgebot, an dem die Gewerkschaften interessiert waren, nicht gesetzlich verankert werden (Frankfurter Rundschau 27.01.2006). Deshalb gründeten die DGB-Gewerkschaften eine Tarifgemeinschaft mit einer gemeinsamen Kommission (Aust/Holst 2006: 306; Promberger 2007: 136). Diese trat ab Dezember 2002 jeweils mit den beiden Arbeitgeberverbänden Bundesverband Leiharbeit (BZA) und Interessenverband Deutscher Leiharbeitsunternehmen (IGZ) in Verhandlung (Pernicka et al. 2005: 158; Gobert 2010: 47). Die Sozialpartner verabredeten einen Einstiegstarif in Höhe von 8,40 Euro für Westdeutschland (DGB 2009a: 5; Schild/Petzold 2009: 98f.). Ehe es zu einem Tarifabschluss kam, unterzeichnete jedoch im Februar 2003 die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Leiharbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) einen Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche mit einem anderen Leiharbeitsverband, dem Interessenverband Nordbayerische Leiharbeitsunternehmen (INZ), der sich später dem Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister (AMP) anschloss (Promberger 1990er Jahren scheiterten zahlreiche Versuche der Sozialpartner auf EU-Ebene (Campbell 2005: 6f.). Im November 2002 legte die EU-Kommission dem Rat schließlich einen neuen Richtlinienentwurf vor (Europäische Kommission 2002a; b). Darin war das Gleichbehandlungsgebot vorgesehen (Nienhüser/Matiaske 2003: 466). Jedoch wurde erst im Jahr 2008 eine Einigung über die TAWD erzielt (Schröder 2010g: 211f.).

374 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

2007: 136; DGB 2009a: 5 Schröder 2010d: 93). Dieser Tarifvertrag sah einen Einstiegslohn in der Höhe von lediglich 5,20 Euro vor (Holst et al. 2008: 168).2 Durch die Konkurrenz der Tarifgemeinschaft CGZP wurde die ursprünglich günstige Verhandlungsposition der DGB-Gewerkschaften geschwächt (Promberger 2005: 197f.; Holst et al. 2008: 168). Das Tarifergebnis, das die DGB-Kommission letztlich im Mai 2003 mit ihren Verhandlungspartnern in der Leiharbeitsbranche erzielte, war deshalb wesentlich schlechter als die zuvor vereinbarten Eckpunkte (Aust/Holst 2006: 306; Schröder 2010d: 94). Die Gewerkschaften waren gezwungen, einen Einstiegslohn von 6,85 Euro zu akzeptieren (Pernicka et al. 2005: 126; Aust et al. 2007: 247; Wölfle 2008: 40). Beginn der Mitgliederwerbung Die Tarifverträge spiegelten nicht nur die Folgen der Unterbietungskonkurrenz durch die Tarifgemeinschaft CGZP wider, sondern auch die organisatorische Schwäche der Gewerkschaften in der Leiharbeit (Aust/Holst 2006: 304; Schröder 2010d: 104). Ohne hinlängliche Mitgliederbasis reichte die Durchsetzungsmacht der DGB-Tarifgemeinschaft nicht aus, um auf dem Verhandlungsweg zu Verbesserungen zu gelangen (Holst et al. 2008: 168). Deshalb begannen die DGBGewerkschaften mit der Rekrutierung von Leiharbeitern (Pernicka et al. 2005: 104). Jedoch stellte sich die Frage, welche der DGB-Gewerkschaften für ihre Rekrutierung und Vertretung zuständig war. Die Klärung dieser Frage wurde durch die Dreieckskonstellation des Arbeitsverhältnisses von Leiharbeitern (Kapitel 7.1.1.1) erschwert. Einerseits reklamierte die ver.di ihre Zuständigkeit und ihren Vertretungsanspruch in der Branche mit der Begründung, dass es sich bei Leiharbeitsfirmen um Dienstleistungsunternehmen handele. Andererseits argumentierte die IG Metall, dass die Zuordnung gemäß der Einsatzbranchen erfolgen müsse, bei denen es sich primär um die Metall- und Elektroindustrie handelte (Holst et al. 2008: 167). Diese Rivalitäten wurden nie vollständig beigelegt (Pernicka et al. 2005: 104).

2

ver.di ging auf juristischem Weg gegen die konkurrierende Tarifgemeinschaft CGZP vor (Aust et al. 2007: 248). Sie wollte dem Gewerkschaftszusammenschluss per Gerichtsentscheid die Befugnis absprechen lassen, Tarifverträge abzuschließen (Aust/Holst 2006: 307). Als Argument führte ver.di an, dass die Tarifgemeinschaft CGZP nur 280.000 Mitglieder (FAZ 8.12.2009) und somit keine Tarifmächtigkeit besaß (Schröder 2010d: 96). Daraufhin wurde die Tarifgemeinschaft CGZP im Dezember 2010 in dritter Instanz durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) für tarifunfähig erklärt (Handelsblatt 14.12.2010; Die Zeit 02.03.2011; FAZ 27.03.2011).

V ORGEHEN

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Vereinbarung eines gesetzlichen Branchenmindestlohns mit den Arbeitgeberverbänden Der DGB befürchtete, dass infolge der EU-Freizügigkeit3 ab Mai 2011 Leiharbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland kommen würden (Spiegel 27.01.2007; Schröder 2010d: 127) und forderte deshalb einen gesetzlichen Branchenmindestlohn für Leiharbeiter. Dazu war die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) erforderlich, durch das Firmen aus anderen EU-Staaten, die ihre Arbeitskräfte zur Erstellung einer Leistung nach Deutschland „entsenden“, auf die Zahlung deutscher Tariflöhne verpflichtet werden (Handelsblatt 11.02.2008). Eine Branche kann aber nur dann in das AEntG aufgenommen werden, wenn sich ihre Arbeitgeberverbände mit den Gewerkschaften auf einen einheitlichen Tarifvertrag einigen und gemeinsam dessen Allgemeinverbindlichkeitserklärung beantragen (IG Metall 2006b; Wirtschaftswoche 31.05.2006; Weinkopf 2006). Der DGB und die beiden Arbeitgeberverbände vereinbarten deshalb im Mai 2006 einen Tarifvertrag über einen tariflichen Mindestlohn (Aust/Holst 2006: 307) von 7,00 Euro (West) bzw. 6,10 Euro (Ost) (IG Metall 2006b; Wirtschaftswoche 31.05.2006; Schröder 2010d: 125).

P HASE III (M ITTE 2007 – M ITTE 2008) Beantragung eines gesetzlichen Mindestlohns für die Leiharbeitsbranche Im Februar 2008 beantragten BZA, IGZ und DGB offiziell die Aufnahme in das AEntG (Spiegel 12.02.2008; Handelsblatt 11.02.2008). Während die SPD auf die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das AEntG bestand, argumentierten

3

Bei der EU-Osterweiterungsrunde im Jahr 2004 war den „alten“ EU-Staaten die Möglichkeit eingeräumt worden, ihre Arbeitsmärkte für eine Übergangsfrist von maximal sieben Jahren weiterhin für Arbeitnehmer aus mittel- und osteuropäischen EU-Ländern abzuschotten. Die Beschränkung des Zugangs auf den deutschen Arbeitsmarkt endete am 30.4.2011. Danach galt die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitskräfte aus den genannten Ländern. Dies bedeutete auch, dass Leiharbeiter aus den genannten Ländern zu den tariflichen Bedingungen ihres Herkunftslands in Deutschland eingesetzt werden konnten. Dadurch bestand die Gefahr, dass die hiesigen Löhne und Arbeitsbedingungen unter Druck geraten würden (Hans-Böckler-Stiftung 2010b: 2f.; Handelsblatt 12.03.2010).

376 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

CDU/CSU und FDP dagegen, dass Mindestlöhne dazu dienten, Unternehmen zur Zahlung von Mindesteinkommen zu verpflichten, die sich der Tarifbindung zu entziehen versuchen. Weil die Leiharbeitsbranche aber die höchste Tarifbindung von allen Branchen in Deutschland aufwies, waren diese Voraussetzungen für die Einführung eines Branchenmindestlohns nicht gegeben (FAZ 04.12.2008; Handelsblatt 12.02.2008; Schröder 2010d: 126). Union und Liberale wandten außerdem ein, dass es konkurrierende Tarifverträge in der Branche gäbe, weshalb eine weitere Voraussetzung für die Aufnahme in das AEntG nicht erfüllt war (Handelsblatt 11.02.2008). Der Tarifvertrag, den die Tarifgemeinschaft CGZP für die Leiharbeitsbranche abgeschlossen hatte, würde durch den des DGB und seiner Tarifpartner ausgehebelt werden (Spiegel 12.02.2008; FTD 13.01.2009). Experten bewerteten deshalb die Einführung des Mindestlohns für Leiharbeiter als einen verfassungswidrigen Eingriff in die Tarifautonomie (Schröder 2010d: 125). Zudem gaben die beiden Parteien zu bedenken, dass der Mindestlohn zu Insolvenzen von Verleihern führen und so den Aufschwung in dem „Beschäftigungsmotor Leiharbeit“ beenden würde (Stolz 2009: 301; Schröder 2010d: 126).

P HASE IV (M ITTE 2008 – M ITTE 2009) Kritik an der Personalpolitik der Arbeitgeber in der Krise In der Wirtschaftskrise machten Leiharbeitsfirmen von der Ende 2008 neu geschaffenen Möglichkeit, für ihre Beschäftigten Kurzarbeit anzumelden, nur geringfügig Gebrauch. Stattdessen wurden die von den Entleihfirmen zurückgeschickten Leiharbeitskräfte von den Arbeitgebern der Branche entlassen (IMU Institut München 2011: 18). Die DGB-Gewerkschaften kritisierten das Verhalten der Leiharbeitsfirmen. Dass es in diesem Gewerbe auch verleihfreie Zeiten gebe, sei ein wesentliches Merkmal der Leiharbeit. Das damit verbundene Risiko dürfe aber nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Der DGB forderte die Arbeitgeber der Branche dazu auf, ihren sozialen Verpflichtungen, wie insbesondere der Weiterbeschäftigung, auch in Krisenzeiten nachkommen, nachdem sie in den vergangenen Jahren enorme Gewinne eingefahren hatten. An dem Verhalten der Einsatzunternehmen wurde bemängelt, dass auch hier die Option, für die entliehen Leihkräfte Kurzarbeit anzumelden, ungenutzt blieb, und als erste personalpolitische Reaktion auf den Auftragseinbruch die Leiharbeit abgebaut wurde (DGB 2009c; IG Metall 2009e, f).

V ORGEHEN

DES

DGB

UND DER

DGB-G EWERKSCHAFTEN BEZÜGLICH L EIHARBEIT

| 377

Kritik an der Höhe des diskutierten Mindestlohns Im Zuge der Verhandlungen des Koalitionsausschusses über das Konjunkturpaket II im Januar 2009 zeichnete sich zwischenzeitlich ab, dass es ggf. zu einer Verabschiedung des Mindestlohns kommen würde (SZ 10.02.2009). Die Einigung scheiterte aber an einem Zwist der Parteien über die konkrete Höhe der Lohnuntergrenze (Handelsblatt 10.02.2009): CDU/CSU wollten durchsetzten, dass bei der Festlegung der Höhe des Mindestlohns die Tarifautonomie gewahrt wurde. Dies hätte bedeutet, dass sich die Grenze an dem niedrigsten Tariflohn der Branche, dem der Tarifgemeinschaft CGZP, orientierte. Die SPD hingegen strebte nach einer höheren Lohnuntergrenze auf der Grundlage des Tarifvertrags, den der DGB abgeschlossen hatte (IG Metall-Bezirk Bayern 2009b). Deshalb kritisierten die DGBGewerkschaften die von CDU/CSU vorgeschlagene Lösung (Schröder 2010d: 129).

P HASE V (M ITTE 2009 – ANFANG 2012) Einigung der Sozialpartner auf einen branchenweit einheitlichen Mindestlohn Im März 2010 legten DGB und BZA der Regierung einen neuen Tarifvertrag als Basis für den beantragten Mindestlohn vor. Allerdings bestand das Problem fort, dass die Regierung durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung den Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft CGZP aushebeln würde (Handelsblatt 10.03.2010). Zwar hatte die CDU den Mindestlohn lange Zeit verhindern wollen, doch veranlasste die näher rückende Einführung der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit die Union zu einer Kehrtwende (FAZ 04.10.2010; Wirtschaftswoche 15.04.2010). Auf Druck von Ministerin von der Leyen einigten sich im Oktober 2010 die zuvor konkurrierenden Verbände und Gewerkschaften auf den von BZA und DGB ausgehandelten und somit branchenweit einheitlichen Mindestlohn (Handelsblatt 04.10.2010). Im Dezember 2011 wurde der von den Tarifparteien vereinbarte Mindestlohn von 7,89 Euro (West) bzw. 7,01 Euro (Ost) pro Stunde vom Bundeskabinett beschlossen (IG Metall 2011j; DGB 2012a; Handelsblatt 20.12.2011). Kritik am reformierten AÜG Im November 2008 wurde nach langer Debatte eine EU-Direktive zu Leiharbeit durch das Europäische Parlament verabschiedet (Sudmann 2009: 247f.), welche die Gleichbehandlung der Leiharbeiter mit den Stammkräften vorsah (Boost/Buscher 2009: 78). Jedoch bot die Richtlinie die Möglichkeit, das Gleichstellungsprinzip

378 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

durch eine Tariföffnungsklausel einzuschränken. Die ungleiche Bezahlung der drei Millionen Leiharbeiter bestand demnach auch künftig fort (Schröder 2010f: 211f.). Die EU-Direktive musste bis spätestens Ende 2011 in nationales Recht umgesetzt werden. Weil sie in einigen Punkten über das in Deutschland geltende Recht hinausging, waren einige Gesetzeskorrekturen erforderlich (Hans-Böckler-Stiftung 2010b: 3). Im Dezember 2011 wurde daraufhin durch den Deutschen Bundestag die Novellierung des AÜG beschlossen. Folgende Neuerungen des Gesetzes waren erforderlich geworden (Bundestag 2011b; DGB 2011b: 11ff., 2012b): • Unternehmen dürfen Leiharbeiter nur vorübergehend beschäftigen. Eine konkrete zeitliche Beschränkung gibt es jedoch nicht. • Sind in einer Firma Stellen frei, muss der Entleiher die Leiharbeiter darüber informieren. • Vom „equal pay“-Prinzip durfte auch weiterhin durch Tarifverträge abgewichen werden. • Bislang durften Leiharbeitsfirmen neue Mitarbeiter, die zuvor arbeitslos waren, bis zu sechs Wochen zu einem Lohn beschäftigen, der dem „Hartz-IV“-Regelsatz entsprach. Diese Regelung entfiel. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften kritisierten die Gesetzesreform jedoch als unzureichend (IG Metall 2012a: 2). Besonders sahen sie Nachbesserungsbedarf, weil der Grundsatz gleicher Bezahlung ab dem ersten Tag noch immer nicht galt (IG Metall 2011c). Kritik am „Drehtür-Effekt“ Eine zunehmende Zahl an Unternehmen gründeten hauseigene Leiharbeitsfirmen und entließen ihre Beschäftigten, um sie kostengünstiger als Leiharbeiter wieder am selben Arbeitsplatz einzusetzen („Drehtür-Effekt“). Solche Firmenkonstrukte gerieten ab Ende 2009 in die Kritik der DGB-Gewerkschaften sowie der Medien und der Politik (Baum 2010b: 56; Weinkopf 2010: 5f.). Inwieweit dieser „Schlecker-Trick“4

4

Insbesondere die Drogeriemarktkette Schlecker sorgte wegen ihrer konzerneigenen Leiharbeitsfirma Meniar Personalservice für Schlagzeilen. Schlecker schloss im Jahr 2009 rund 800 AS-Filialen und bot den gekündigten Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung bei Meniar an. Diese setzte sie als Leihkräfte in neu errichteten XL-Läden ein. 4.300 Arbeitnehmer von Schlecker waren davon betroffen (Handelsblatt 13.01.2010). Schlecker sparte so die Hälfte des Bruttolohns sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld, weil für die betroffenen Beschäftigten der Tarif der Tarifgemeinschaft CGZP galt (FAZ 11.01.2010).

V ORGEHEN

DES

DGB

UND DER

DGB-G EWERKSCHAFTEN BEZÜGLICH L EIHARBEIT

| 379

(Wirtschaftswoche 16.11.2009) allerdings legal war, galt als umstritten (FAZ 12.01.2010; SZ 12.01.2010). Im Januar 2010 kündigte Arbeitsministerin von der Leyen an, den „Drehtür-Effekt“ mit einem „Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“, das als „Lex Schlecker“ bezeichnet wurde, zu regulieren (FAZ 11.01.2010; Handelsblatt 13.01.2010). Zum 01.05.2011 trat die „Lex Schlecker“ in Kraft. Demnach können Unternehmen zwar weiterhin Arbeitnehmer entlassen, um sie anschließend als Leiharbeiter durch eine hauseigene Leiharbeitsfirma neu einzustellen. Aber die „Lex Schlecker“ verhindert, dass damit eine Verschlechterung der Entlohnung der Betroffenen einhergeht, weil sie vorschreibt, dass in einem solchen Fall der Gleichbezahlungsgrundsatz gilt (Bundestag 2011c). Versuche, eine Einigung zu „equal pay“ zu erzielen Weil Leiharbeit im Rahmen der „Hartz-Reformen“ dereguliert worden war, wurde die faire Entlohnung von Leiharbeitern Anfang 2011 im Rahmen der Debatte von Bund und Ländern über die „Hartz-IV“-Neuregelung ein weiteres Mal diskutiert (Die Zeit 10.02.2011). Die Regierungsparteien konnten sich jedoch nicht darauf einigen, ob der „equal pay“-Grundsatz – wie von SPD und Grünen gefordert – vom ersten Tag an gelten solle oder Leiharbeiter – nach den Vorstellungen der FDP – erst nach zwölf Monaten genauso bezahlt werden müssten, wie die Stammkräfte der Entleihfirma (Die Zeit 09.01.2011). Zwar wurde das „equal Pay“-Prinzip im Jahr 2011 nicht gesetzlich vorgeschrieben. Die Bundesregierung kündigte jedoch an, im März 2012 die Einführung einer gesetzlichen Regelung darüber zu veranlassen, ab wann die Gleichbezahlung von Leiharbeitern zu erfolgen hat (DGB 2011b: 20; FTD 07.12.2011; Handelsblatt 19.08.2011). Bis dahin gab die Regierung den Tarifparteien Zeit, sich auf entsprechende tarifliche Vereinbarungen darüber zu einigen, ab welcher Einsatzdauer Leiharbeiter den gleichen Lohn erhielten wie die Stammkräfte (FAZ 20.12.2011). In den diesbezüglichen Verhandlungen mit der Leiharbeitsbranche versuchten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, das „equal pay“-Prinzip ab dem ersten Tag durchzusetzen (DGB 2011b: 20; FAZ 07.02.2012). Die Arbeitgeber der Leiharbeitsbranche hingegen wollten, dass der Gleichbezahlungsgrundsatz erst nach einer Einarbeitsfrist von zwölf Monaten wirksam wird (FAZ 20.12.2011; Handelsblatt 20.12.2011). In der ersten Verhandlungsrunde im Februar 2012 war diesbezüglich keine Einigung erzielt worden (IG Metall 2012e).

Anhang 2:

Verzeichnis der Interviewpartner

IG Metall Nr. Organisationseinheit

Ebene

Funktion

1

Vorstand, Abteilung Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte

National

Gewerkschaftssekretär

2

Vorstand, Abteilung Tarifpolitik

National

Gewerkschaftssekretär

3

Vorstand, Abteilung Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte

National

Gewerkschaftssekretär

4

Vorstand, Abteilung Kampagnenmanagement und Mitgliederwerbeprojekte

National

Gewerkschaftssekretär

5

Bezirk NRW

Regional

Gewerkschaftssekretär

6

Bezirk Frankfurt

Regional

7

Bezirk Baden-Württemberg

Regional

Gewerkschaftssekretär Gewerkschaftssekretärin

8

Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen

Regional

Gewerkschaftssekretär

9

Bezirk NiedersachsenSachsen-Anhalt

Regional

Gewerkschaftssekretär

10

Bezirk Bayern

Regional

Gewerkschaftssekretär

11

Bezirk Küste

Regional

Gewerkschaftssekretär

12

Düsseldorf-Neuss

Lokal

Erster Bevollmächtigter

13

Essen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

14

Köln-Leverkusen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

382 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Nr. Organisationseinheit

Ebene

Funktion

15

Wuppertal

Lokal

Erster Bevollmächtigter

16

Mülheim a.d. Ruhr

Lokal

Erster Bevollmächtigter

17

Bochum

Lokal

Gewerkschaftssekretär

18

Düren

Lokal

Gewerkschaftssekretär

19

Mönchengladbach

Lokal

Gewerkschaftssekretär

20

Bonn-Rhein-Sieg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

21

Aachen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

22

Siegen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

23

Paderborn

Lokal

Gewerkschaftssekretär

24

Bielefeld

Lokal

Erster Bevollmächtigter

25

Gütersloh

Lokal

Erster Bevollmächtigter

26

Minden

Lokal

Gewerkschaftssekretär

27

Witten

Lokal

Erster Bevollmächtigter

28

Hagen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

29

Hanau-Fulda

Lokal

Erster Bevollmächtigter

30

Frankfurt

Lokal

Gewerkschaftssekretär

31

Nordhessen

Lokal

Gewerkschaftssekretärin

32

Mittelhessen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

33

Wiesbaden-Limburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

34

Eisenach-Suhl-Sonneberg

Lokal

Erster Bevollmächtigter

35

Ludwigshafen-Frankenthal

Lokal

Erster Bevollmächtigter

36

Neustadt a.d. Weinstraße

Lokal

Erster Bevollmächtigter

37

Heidelberg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

38

Heilbronn-Neckarsulm

Lokal

Gewerkschaftssekretär

39

Gaggenau

Lokal

Erster Bevollmächtigter

40

Freiburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

41

Singen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

42

Reutlingen-Tübingen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

43

Stuttgart

Lokal

Gewerkschaftssekretär

V ERZEICHNIS DER I NTERVIEWPARTNER

| 383

Nr. Organisationseinheit

Ebene

Funktion

44

Waiblingen

Lokal

Erster Bevollmächtigter

45

Göppingen-Geislingen

Lokal

Erster Bevollmächtigter

46

Esslingen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

47

Aalen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

48

Ulm

Lokal

Gewerkschaftssekretär

49

Mannheim

Lokal

Gewerkschaftssekretär

50

Albstadt

Lokal

Erster Bevollmächtigter

51

Friedrichshafen-Oberschwaben

Lokal

Erster Bevollmächtigter

52

Nürnberg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

53

Ingolstadt

Lokal

Gewerkschaftssekretär

54

Kempten

Lokal

Erster Bevollmächtigter

55

München

Lokal

Gewerkschaftssekretär

56

Regensburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

57

Passau

Lokal

Erster Bevollmächtigter

58

Erlangen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

59

Bamberg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

60

Aschaffenburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

61

Rosenheim

Lokal

Erster Bevollmächtigter

62

Oldenburg-Wilhelmshaven

Lokal

Gewerkschaftssekretär

63

Lübeck-Wismar

Lokal

Gewerkschaftssekretär

64

Bremerhaven

Lokal

Erster Bevollmächtigter

65

Wesermarsch

Lokal

Gewerkschaftssekretär

66

Emden

Lokal

Gewerkschaftssekretär

67

Bremen

Lokal

Gewerkschaftssekretär

68

Hamburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

69

Flensburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

70

Süd-Niedersachsen-Harz

Lokal

Gewerkschaftssekretär

71

Osnabrück

Lokal

Gewerkschaftssekretär

72

Salzgitter-Peine

Lokal

Erster Bevollmächtigter

384 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Nr. Organisationseinheit

Ebene

Funktion

73

Hannover

Lokal

Gewerkschaftssekretär

74

Alfeld-Hameln-Hildesheim

Lokal

Gewerkschaftssekretär

75

Lüneburg

Lokal

Erster Bevollmächtigter

76

Wolfsburg

Lokal

Gewerkschaftssekretär

77

Chemnitz

Lokal

Gewerkschaftssekretär

78

Ostsachsen

Lokal

Erster Bevollmächtigter

79

Berlin

Lokal

Gewerkschaftssekretär

80

Leipzig

Lokal

Gewerkschaftssekretär

ver.di Gewerkschaftssekretärin im Landesfachbereich 13 Leiter des LandesfachRegional bereichs 13 Gewerkschaftssekretär Lokal und im Fachbereich 13, regional Leiter des Landesfachbereichs 13 Gewerkschaftssekretär Lokal und im Fachbereich 13, regional Sekretär des Landesfachbereichs 13 Gewerkschaftssekretär Lokal im Fachbereich 13 GewerkschaftsLokal sekretärin im Fachbereich 13

81

Landesbezirk Hessen

Regional

82

Landesbezirk Berlin-Brandenburg

83

Bezirk Rhein-Nahe-Hunsrück, Landesbezirk RheinlandPfalz/Saarland

85

Bezirk Trier und Bezirk Koblenz, Landesbezirk RheinlandPfalz/Saarland

86

Bezirk Südwestfalen

87

Bezirk Köln

88

Bezirk Frankfurt am Main

Lokal

89

Bezirk Nordhessen

Lokal

89

Bezirk Mittel-/Nordthüringen

Lokal

90

Bezirk Mittelfranken

Lokal

Geschäftsführer Gewerkschaftssekretär im Fachbereich 13 Gewerkschaftssekretär im Fachbereich 13 Gewerkschaftssekretär im Fachbereich 13

V ERZEICHNIS DER I NTERVIEWPARTNER

| 385

DGB Nr.

Organisationseinheit

Ebene

Funktion

91

Bundesvorstand

National

Arbeitsmarktexperte

92

Bezirk Sachsen

Regional

Stellvertretender Landesvorsitzender

93

Bezirk Berlin-Brandenburg Regional

Verantwortliche für Arbeitsmarktpolitik

94

Region Köln-Bonn

Lokal

Leiterin des Arbeitskreises Leiharbeit

95

Region Niederrhein

Lokal

Stellvertretende Vorsitzende

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:

Wissensbasierte Ressourcen erster, zweiter und dritter Ordnung Abbildung 2: Nutzung dynamischer Fähigkeiten in multiskalar und multistandörtlich strukturierten Gewerkschaftsorganisationen Abbildung 3: Vorgehensweise bei der empirischen Forschung Abbildung 4: Standorte der Interviewpartner der IG Metall, der ver.di und des DGB auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene ihrer Organisation Abbildung 5: Vorgehensweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse Abbildung 6: Entwicklung der saisonbereinigten, absoluten Zahl an Leiharbeitern von 1973 bis 2010 in Deutschland Abbildung 7: Dreiecksverhältnis der Leiharbeit zwischen Leiharbeiter, Leiharbeitsfirma und Einsatzbetrieb Abbildung 8: Tarifliche Monatseinkommen in der Metallund Elektroindustrie(MuE) in Nordrhein-Westfalen und Sachsen im Vergleich mit der Leiharbeitsbranche (AMP, IGZ, BZA) bezogen auf die Lohngruppe 2 (in Euro) im Jahr 2007 Abbildung 9: Entwicklung der Mitgliederzahlen der DGBGewerkschaften von 1950 bis 2011 Abbildung 10: Entwicklung und Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit durch die Nutzung der dynamischen Fähigkeiten Abbildung 11: Leiharbeitsquote in Prozent in den Gemeinden von Baden-Württemberg, Stand: 30.06.2008 Abbildung 12: Leiharbeitsquote in den Landkreisen/kreisfreien Städten in Deutschland, Stand: 30.06.2008

4

66 98

102 109 115 117

127 136

147 182 183

388 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Abbildung 13: Einsatzfelder der Leiharbeiter und Leiharbeitsquote in den Bundesländern, Stand: 30.06.2008 Abbildung 14: Leiharbeitsquote in % auf 15 ausgewählten Werften in Norddeutschland, Stand: 30.09.2008 Abbildung 15: Phasenmodell zur Zusammenschau der Beteiligung der Verwaltungsstellen-Typen an der Entwicklung und Implementierung des aktiven Vorgehens der IG Metall bezüglich Leiharbeit Abbildung 16: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 1a bis 1e Abbildung 17: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 2 Abbildung 18: Aktivierung von Verwaltungsstellen-Typ 3 Abbildung 19: Entwicklung der Leiharbeiterquote von Oktober 2004 bis Oktober 2010 und der absoluten Zahl an Leiharbeitern von Januar 2004 bis Juni 2011 in Deutschland Abbildung 20: Entwicklung der absoluten Zahl an Leiharbeitern in Prozent in den Gemeinden von Baden-Württemberg von 30.06.2008 bis 30.06.2009 Abbildung 21: Entwicklung der Leiharbeitsquote in Prozent in den Landkreisen/kreisfreien Städten in Deutschland von 30.06.2008 bis 30.06.2009

189 191

197 198 200 201

217

281

282

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8:

Tabelle 9: Tabelle 10:

Tabelle 11: Tabelle 12:

Tabelle 13: Tabelle 14:

Drei-Phasen-Modell der Entwicklung von der „geography of labour“ zur „labour geography“ Häufig zitierte Definitionen von Ressourcen Häufig zitierte Definitionen von Routinen Häufig zitierte Definitionen von organisationalen Fähigkeiten Häufig zitierte Definitionen von dynamischen Fähigkeiten Ressourcenentwicklung mit dynamischen Fähigkeiten in verschiedenen Ansätzen Als dynamische Fähigkeiten bezeichnete Aufgaben und Prozesse Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Handlungsdrucks von Unternehmen und den DGB-Gewerkschaften Multiskalare und multistandörtliche Gliederung der IG Metall Handlungsdruck im Handlungsumfeld und innerhalb der Organisation als Voraussetzung für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten Eingesetzter Methodenmix aus primär qualitativen Forschungsmethoden Vergleich der verfügbaren Daten zu Leiharbeit in der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik und der Beschäftigtenstatistik Anzahl der Gesprächspartner auf den verschiedenen Verwaltungsebenen von IG Metall, ver.di und DGB Schrittweises Vorgehen bezüglich der Auswahl der Interviewpartner

23 34 42 45 47 50 52

58 68

77 92

95 101 103

390 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

Tabelle 15:

Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18:

Tabelle 19:

Tabelle 20: Tabelle 21:

Tabelle 22: Tabelle 23:

Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28:

Tabelle 29:

Tabelle 30:

Handlungsdruck im Handlungsumfeld der Organisation und in der Organisation als Voraussetzungen für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten Deregulierung der Leiharbeit durch die Reformen des AÜG Ausgewählte Konzerne und ihre konzernabhängigen Leiharbeitsfirmen Dynamische Fähigkeiten zum Ressourcenaufbau und zur Ressourcenintegration bei der „bottom-up“ gerichteten Entwicklung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit Dynamische Fähigkeiten zur Ressourcenrekonfiguration zur „top-down“ gerichteten Implementierung eines aktiven Vorgehens bezüglich Leiharbeit Implementierung der Leiharbeitsprojekte in den IG Metall-Bezirken Wechsel der Position von Promotoren zum Thema „Leiharbeit“ innerhalb der IG Metall nach dem Gewerkschaftstag 2007 Notwendige Bedingungen zur Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen Typisierung der befragten 69 IG Metall-Verwaltungsstellen nach den Gründen ihrer Aktivierung In Abbildung 12 gekennzeichnete und im Text erläuterte Kreise Deutschlands Spitzenränge der deutschen Kreise mit hohen Leiharbeitsquoten, Stand: 30.06.2008 Spitzenränge der deutschen Kreise mit hohen absoluten Zahlen der Leiharbeiter, Stand: 30.06.2008 Branchen und Unternehmen zur Erklärung der räumlichen Verteilung von Leiharbeit, Stand: 30.06.2008 Zur Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen notwendige und bei der Aktivität förderliche Bedingungen Notwendige Bedingungen zur Aktivierung der Verwaltungsstellen-Typen und bei der Aktivität förderliche sowie hemmende Bedingungen Handlungsdruck im Handlungsumfeld der Organisation und in der Organisation als Voraussetzungen für die Nutzung dynamischer Fähigkeiten

114 122 124

149

158 163

173 176

177 184 185 186 192

202

206

216

T ABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 31:

Tabelle 32:

Tabelle 33:

Tabelle 34:

Tabelle 35:

Tabelle 36:

Tabelle 37: Tabelle 38:

Tabelle 39:

Tabelle 40: Tabelle 41:

Entwicklung des Umsatzes und der Mitarbeiterzahlen der zehn größten Leiharbeitsfirmen in Deutschland 2008 und 2009 Betriebs- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Ausgewählte Betriebsvereinbarungen zur Durchsetzung besserer Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern Tarif- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Rechts- und organisationspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Interessenvertretung und Mitgliederwerbung von Leiharbeitern vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Betriebspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen und regionalen Ebene Ausgewählte Betriebsvereinbarungen zur Einschränkung von Leiharbeit Tarifpolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen und regionalen Ebene Rechtspolitische Routinen der organisationalen Fähigkeit Vermeidung, Einschränkung und Reduktion von Leiharbeit vor und in der Krise auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene Gründe für die multistandörtlichen Unterschiede der organisationalen Fähigkeiten und Routinen Bundesweite, regionale und städtische Betriebsratsstrukturen in Leiharbeitsfirmen in Deutschland

| 391

218

229

232

243

249

252 254

256

258 262 273

Abkürzungsverzeichnis

AMP AentG ANÜSTAT AÜG BAG BAP BAUA BetrVG BZA CGB CGZP DGB DGFP EntgFG ERA-TV EVG EWC FDGB GDL GOTSU GUF HGB IAB IAW IG BCE IG Metall IGZ

Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister Arbeitnehmerentsendegesetz Arbeitnehmerüberlassungsstatistik Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Betriebsverfassungsgesetz Bundesverband Zeitarbeit Christlicher Gewerkschaftsbund Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. Entgeltfortzahlungsgesetz Entgeltrahmen-Tarifvertrag Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft European Works Council Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer Geographies of Temporary Staffing Unit Global Union Federation Handelsgesetzbuch Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit Institut Arbeit und Wirtschaft Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Industriegewerkschaft Metall Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen

394 | G EWERKSCHAFTEN UND L EIHARBEIT

INZ IW Köln MuE NGG OEM PSA QDA SGB TAWD TVG TzBfG VDMA ver.di WSI ZEW

Interessenverband Nordbayerische Zeitarbeitsunternehmen Institut der deutschen Wirtschaft Köln Metall- und Elektroindustrie Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Original Equipment Manufacturer Personal-Service-Agentur Qualitative Datenanalyse, Qualitative Data Analysis Sozialgesetzbuch Temporary Agency Worker Directive Tarifvertragsgesetz Teilzeitbefristungsgesetz Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH

Gesellschaft der Unterschiede Tina Denninger, Silke van Dyk, Stephan Lessenich, Anna Richter Leben im Ruhestand Zur Neuverhandlung des Alters in der Aktivgesellschaft Oktober 2013, ca. 300 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2277-5

Adrian Itschert Jenseits des Leistungsprinzips Soziale Ungleichheit in der funktional differenzierten Gesellschaft Juli 2013, ca. 350 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2233-1

Johanna Klatt, Franz Walter Entbehrliche der Bürgergesellschaft? Sozial Benachteiligte und Engagement 2011, 254 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1789-4

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Gesellschaft der Unterschiede Oliver Marchart Die Prekarisierungsgesellschaft Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung Juli 2013, ca. 290 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2192-1

Oliver Marchart (Hg.) Facetten der Prekarisierungsgesellschaft Prekäre Verhältnisse. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Prekarisierung von Arbeit und Leben Juli 2013, ca. 260 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2193-8

Kathrin Schrader Drogenprostitution Eine intersektionale Betrachtung zur Handlungsfähigkeit drogengebrauchender Sexarbeiterinnen Mai 2013, ca. 490 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2352-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Gesellschaft der Unterschiede Kay Biesel Wenn Jugendämter scheitern Zum Umgang mit Fehlern im Kinderschutz 2011, 336 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1892-1

Peggy Szymenderski Gefühlsarbeit im Polizeidienst Wie Polizeibedienstete die emotionalen Anforderungen ihres Berufs bewältigen 2012, 454 Seiten, kart., zahlr. Abb., 36,80 €, ISBN 978-3-8376-1978-2

Christian Brütt Workfare als Mindestsicherung Von der Sozialhilfe zu Hartz IV. Deutsche Sozialpolitik 1962 bis 2005 2011, 394 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1509-8

Alexandra Krause, Christoph Köhler (Hg.) Arbeit als Ware Zur Theorie flexibler Arbeitsmärkte 2012, 366 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1984-3

Alexandra Manske Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft Zur widersprüchlichen unternehmerischen Praxis von Kreativen Mai 2013, ca. 320 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2088-7

Nancy Richter Organisation, Macht, Subjekt Zur Genealogie des modernen Managements August 2013, ca. 320 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2363-5

Anne von Streit Entgrenzter Alltag – Arbeiten ohne Grenzen? Das Internet und die raum-zeitlichen Organisationsstrategien von Wissensarbeitern 2011, 284 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1424-4

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