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German Pages 208 Year 2004
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 957
Versteigerungen als Regulierungsinstrument Möglichkeiten und Grenzen eines marktbasierten Vergabeverfahrens im Wirtschaftsverwaltungsrecht
Von Alexander Leist
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ALEXANDER LEIST
Versteigerungen als Regulierungsinstrument
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 957
Versteigerungen als Regulierungsinstrument Möglichkeiten und Grenzen eines marktbasierten Vergabeverfahrens im Wirtschaftsverwaltungsrecht
Von
Alexander Leist
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11411-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat die vorliegende Arbeit im Sommersemester 2003 als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden für die Drucklegung bis Mitte des Jahres 2003 berücksichtigt. Ganz herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Stefan Korioth, für die Betreuung der Arbeit. Seit meinem Studium ist er mir Vorbild; seine Förderung und die vielen anregenden Gespräche in Greifswald und München waren mir Inspiration und haben mir sehr geholfen. Herrn Prof. Dr. Moris Lehner danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens im Rahmen des Promotionsverfahrens. Für ihre Unterstützung bei Erstellung und Publikation der Arbeit danke ich meinen Eltern Dr. Wolfgang Leist und Franziska Leist-Milk sowie Hans und Brigitte Buhlinger, Dr. Peter Collin, Prof. Dr. Stefan Habermeier, Peter Jacobs und Robin. Ganz besonders herzlich danke ich Melanie Buhlinger für ihre Unterstützung und die Kraft, welche sie mir während der gesamten Zeit der Promotion gespendet hat. Hamburg, im Dezember 2003
Alexander Leist
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1. Te i l Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
20
1. Kapitel Die Ausgangslage
20
A. Das Anwendungsfeld von Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
I. Gegenstand von Versteigerungen: Knappe Gemeinschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . .
23
II. Verteilungsordnungen für knappe Gemeinschaftsgüter als Staatsaufgabe . . . . . . .
24
III. Begrenzung des potentiellen Anwendungsfeldes von Versteigerungen . . . . . . . . .
26
B. Versteigerungen im Kontext anderer Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Der Kanon klassischer Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
1. Materielle Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2. Formale Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
II. Rechtliche und ökonomische Kritik der klassischen Vergabeverfahren . . . . . . . . .
31
1. Rechtliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2. Ökonomische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
III. Versteigerung als Ausprägung der Ökonomisierung des Vergabeverfahrens . . . .
34
C. Das mikroökonomische Versteigerungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
I. Wirkungsweise des Auktionsmechanismus im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
II. Anwendbarkeit des Auktionsmechanismus auf öffentlich-rechtliche Verteilungsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
1. Möglichkeit der Regulierung durch Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
8
Inhaltsverzeichnis 2. Bedeutung des Auktionsdesigns für den Erfolg einer Versteigerung . . . . . . . . .
39
a) Grundformen des Versteigerungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
b) Störung des Auktionsmechanismus durch Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . .
41
c) Versteigerungsdesign als Instrument zum Verhindern von Marktversagen
42
D. Rechtliche Grundlagen und Ablauf einer regulativen Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . .
44
I. Die Versteigerungsregelung im TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2. Vergabe knapper Mobilfunklizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
a) Lizenzbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
b) Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
aa) Versteigerungsverfahren (§ 11 Abs. 4 TKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
bb) Ausschreibungsverfahren (§ 11 Abs. 6 TKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
c) Verfahrensabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3. Versteigerungserlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
II. Mögliche Variationen der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
III. Ablauf einer Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
1. Verfahrensvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
a) Festlegen der Regulierungs- und Vergabeziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
b) Entwicklung von Regelungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
c) Festlegen des Regelungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
2. Gebotsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
3. Verfahrensabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
2. Te i l Verfassungsrechtliche Fragen der Regulierung durch Versteigerungen
55
A. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
B. Versteigerungen im Vergleich mit den klassischen Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
56
Inhaltsverzeichnis
9
2. Kapitel Versteigerungen als Verwaltungsverfahren
58
A. Anforderungen des Demokratieprinzips an modernes Verwaltungshandeln und die Kompensation von Legitimationsdefiziten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
I. Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verwaltungstätigkeit . . . . . . . . . . .
59
II. Kompensation von Demokratiedefiziten durch Akzeptanz, Partizipation und Effizienz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
B. Vereinbarkeit von Versteigerungen mit den Legitimationsanforderungen des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
I. Unzulässigkeit rechtlicher Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
II. Bestehen unzulässige faktische Bindungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
3. Kapitel Versteigerungen als Auswahlmechanismus
66
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
I. Grundrechtsdogmatischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
II. Teilhaberechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
2. Gefestigte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
3. Schlussfolgerungen: Bedeutung von Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit . . .
73
III. Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
B. Verfassungsmäßigkeit der Auswahl durch Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
I. Verfassungsmäßigkeit gegenleistungsabhängiger Vergabeentscheidungen . . . . . .
78
1. Ist der Preis zulässiges Differenzierungskriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
a) Das ökonomische Steuerungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
aa) Markttheorie und Allokationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
bb) Kollusion und „Fluch des Gewinners“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
b) Gefahr von Fehlallokationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
c) Keine Chancengleichheit bei Handel mit staatlichen Erlaubnissen . . . . . . .
82
10
Inhaltsverzeichnis 2. Schließt die Kollision von Regulierungsinteressen mit fiskalischen Interessen die Zulässigkeit von Versteigerungen aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
a) Vertikaler Interessenausgleich im Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Der Staat als persona oeconomica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
c) Bändigung der Staatsgewalt durch Verfahrensformalisierung . . . . . . . . . . . .
88
d) Konsequenzen für die gerichtliche Kontrolle von Versteigerungen . . . . . . .
89
3. Sind klassische Vergabeverfahren mildere Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
II. Verfassungsmäßigkeit der Versteigerung von Mobilfunklizenzen . . . . . . . . . . . . . . .
91
1. Regulierungsziele des TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Sachgerechtigkeit bei Chancengleichheit aller Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
a) Effiziente Frequenznutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
aa) Auslegung als Frequenzeffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
bb) Sachgerechtigkeit von Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
b) Chancengleicher Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
aa) Rechtliche Einkleidung des Einwandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
bb) Marktversagen durch Marktmacht (Monopole und Kartelle) . . . . . . . .
96
cc) Marktversagen durch ruinösen Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
c) Nutzerinteressen, insbesondere Verbraucherpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
aa) Rechtliche Einkleidung des Einwandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
bb) Unabhängigkeit des Preises von historischen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . .
99
d) Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen (§ 11 Abs. 4 S. 4 TKG) . . . 100 aa) Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Politische Zielvorgabe ohne Regelungsgehalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Abwägungserheblicher Belang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Verfahrenstechnische Umsetzung von Privilegierungen . . . . . . . . . . . . . 102 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Schlussfolgerungen: Möglichkeiten und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Notwendige ökonomische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Wirtschaftliche Nutzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Wettbewerbsmarkt nach Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Notwendige und mögliche Regulierungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Vergabe an die wirtschaftlichsten Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Weitere Regulierungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Inhaltsverzeichnis
11
3. Rechtsform einer Versteigerungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Verfassungsrechtlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Rechtsqualität und Bestimmtheit von Versteigerungsnormen . . . . . . . . . . . . 110
4. Kapitel Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
111
A. Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Versteigerungserlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Versteigerungserlös als nicht-steuerliche Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Verfassungsrechtlicher Rahmen für nicht-steuerliche Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Nicht-steuerliche Abgaben und der Grundsatz des Steuerstaates . . . . . . . . . . . . 115 a) Quantitative oder qualitative Begrenzungen nicht-steuerlicher Abgaben? 115 b) Keine finanzverfassungsrechtlichen Begrenzungen für nicht-steuerliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Rechtfertigungsbedürftigkeit nicht-steuerlicher Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Rechtfertigungsanforderungen an nicht-steuerliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Begriffsorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Prinzipienorientierter, begriffsunabhängiger Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Unerheblichkeit verfassungsfester Abgabenkategorien . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Rechtfertigungsanforderungen aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . 126 3. Zusammenfassung: Verfassungsrechtlicher Rahmen nicht-steuerlicher Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Rechtfertigung der Erhebung von Versteigerungserlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Grundsatz der bundesstaatlichen Finanzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Versteigerungserlösen mit der bundesstaatlichen Finanzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Formelle Abgrenzung zur Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Materielle Abgrenzung zur Steuer (besondere Leistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) Exkurs: Wann besteht eine abgabentaugliche staatliche Leistung? . . . . . . . 131 aa) Kostenverantwortlichkeit und Vorteilsausgleich als Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
12
Inhaltsverzeichnis bb) Alternative oder kumulative Rechtfertigung? – Rechtfertigungsdogmatik von Verleihungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Überlassen von Gemeinschaftsgütern zur Nutzung als abgabentaugliche Leistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (1) Abgabenfeindlichkeit: Rechtsverleihung ist Verkauf von Freiheit 133 (2) Abgabenfreundlichkeit: Rechtsverleihung ist Teilhabe . . . . . . . . . . 134 (3) Abgabentauglichkeit bei freiheitserweiternder Rechtsverleihung 135 (a) Ökonomischer Wert von Rechtsverleihungen . . . . . . . . . . . . . . . 135 (b) Ausschließlichkeit der Nutzung als besondere Leistung . . . . . 137 dd) Ergebnis des Exkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Grundsatz der Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Sachliche Rechtfertigung von Finanzierungsungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Wirtschaftlicher Wert und Marktwert des Sondervorteils . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Probleme marktwertgleicher Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Risiko überbelastender Erlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Risikominimierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 cc) Restrisiko und gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Grundsatz des parlamentarischen Budgetrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Bedeutung des Budgetrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Zweckbindungen und Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Zweckbindung von Versteigerungserlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
B. Versteigerungserlöse im Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Finanzausgleichssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Vertikale Ertragsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Ertragskompetenz bei Vorzugslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Ertragskompetenz bei Versteigerungserlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Geteilte Ertragskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Ungeteilte Ertragskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Störung des bundesstaatlichen Finanzgleichgewichts durch Versteigerungserlöse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Voraussetzungen eines Revisionsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Rechtsfolgen des Revisionsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Mehrbelastungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Inhaltsverzeichnis
13
3. Te i l Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und -frequenzen
158
5. Kapitel Vereinbarkeit der Versteigerungsregelung des TKG mit Europarecht
160
A. Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Genehmigungsrichtlinie (RL 97 / 13 / EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Zulässigkeit der Lizenzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Anforderungen der Art. 10 und 11 der Genehmigungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . 161 3. Versteigerungen und Art. 10 der Genehmigungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Allgemeine Vergabegrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Lizenzspezifisches Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Entscheidungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Wettbewerbsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Nutzenmaximierung der Benutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Vereinbarkeit eines Versteigerungsverfahrens mit Art. 11 der Genehmigungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Nutzungssicherungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Wettbewerbs- und Innovationsförderungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Wettbewerbsrichtlinie (RL 90 / 388 / EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Ergänzende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Vereinbarkeit mit Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Nicht-diskriminierende Anwendung von § 11 Abs. 4 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Zwingende Gründe des Allgemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Binnenmarktprinzip (Art. 14 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
14
Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Vereinbarkeit der Versteigerungsregelung des TKG mit Verfassungsrecht
177
A. Verfassungsmäßigkeit der ordnungsrechtlichen Beschränkungen und der Lizenzkontingentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Verfassungsmäßigkeit des Auswahlverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Objektive Sachgerechtigkeit und individuelle Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Telekommunikationsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Regelungsgehalt von Art. 87 f GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Anforderungen von Art. 87 f GG an die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Gewährleistungsauftrag (Art. 87 f Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Verfassungskonforme Konkretisierung im Einzelfall? . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Bereichsspezifisches Wettbewerbsprinzip (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG) . . . . 185 C. Versteigerungserlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Gesetzliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Abgabenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Bestimmtheitsgrundsatz und Versteigerungserlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Zusammenfassung und Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen im Text folgen den Empfehlungen von Hildebert Kirchner / Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage Berlin / New York 2003. Es werden ferner folgende Abkürzungen verwendet: a. a. O.
am angegebenen Ort
ABl.
Amtblatt
a. E.
am Ende
AK-GG
Alternativkommentar zum Grundgesetz
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BR-Drs.
Bundesratsdrucksache
BT-Drs.
Bundestagsdrucksache
bzw.
beziehungsweise
ders.
derselbe
dies.
dieselbe
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)
endg.
endgültig
ERMES
European Radio Messaging System
EStG
Einkommensteuergesetz
EU
Europäische Union
EuLR
European Law Review
FCC
Federal Communications Commission
Fn.
Fußnote
G3
3rd generation, digitaler Mobilfunkstandard 3. Generation
GSM
Global System for mobile Communication oder Group Spéciale Mobile, Bezeichnung des digitalen Mobilfunkstandards 2. Generation
GW
Grundwerk
IMT-2000
International Mobile Telecommunications-2000
i. V. m.
in Verbindung mit
KOM
Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
KStG
Körperschaftssteuergesetz
m. w. N.
mit weiterem Nachweis / mit weiteren Nachweisen
16
Abkürzungsverzeichnis
ONP
Open Network Provision
RAO
Reichsabgabenordnung
RegTP
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
Slg.
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz
sog.
so genannter / so genannte
TKG
Telekommunikationsgesetz
u.
und
UMTS
Universal Mobile Telecommunication System, digitaler Mobilfunkstandard 3. Generation
Verf.
Verfasser
z. B.
zum Beispiel
ZfG
Zeitschrift für Gesetzgebung
Einleitung Versteigerungen sind, wie vielfach zu lesen ist, ein Novum für das deutsche Verwaltungsrecht.1 Sieht man von der teilweise praktizierten Auktion von Jagdrechten in öffentlichen Forsten ab,2 die weniger auf regulativen als auf fiskalischen Erwägungen beruht, so ist dem zweifellos zuzustimmen. Auch ist die Versteigerung bislang ein Unikum, da sich eine entsprechende Regelung nur im Telekommunikationsgesetz (TKG) findet, und zwar für die Vergabe von Mobilfunklizenzen und Frequenzen. Mit der vielbeachteten Auktion der sogenannten UMTS-Lizenzen3 im Sommer 2000 ist dem Konzept der Versteigerung als Regulierungsinstrument noch das Attribut des Politikums hinzugefügt worden. Der unerwartete Erlös von rund 50 Milliarden Euro4 hatte heftige Diskussionen um die Legitimität einer Versteigerung als Methode staatlicher Ressourcenallokation wie auch um die Rechtmäßigkeit der Vereinnahmung des Versteigerungserlöses zur Folge. So wurde dem Staat in Gestalt der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, welche die Versteigerung durchführte, der „Ausverkauf staatlicher Entscheidungspflichten“ 5 und die einseitige Orientierung an fiskalischen Interessen vorgeworfen sowie dem Bund als Auktionator und Mehrheitsaktionär der teilnehmenden Deutschen Telekom AG6 eine Interessenkollision zwischen finanziellem Ertrag als Auktionator und niedrigen Lizenzkosten als Bieter vorgehalten.7 Auch führte der hohe Versteigerungserlös zur Auseinandersetzung über die richtige Verwendung dieser Einnahme und über mögliche Beteiligungsansprüche der Bundesländer. Ihren juristischen 1 Breuer (2001) S. 28; Degenhart (2001) S. 33; Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 16; Grzeszick (1997a) S. 878; Gramlich (1999) S. 756; Koenig / Neumann (2001) S. 252; Koenig / Schäfer (1998) S. 245; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 6; Schulz (2002) S. 1; Schumacher (2000) S. 3096. 2 Z. B. Art. 12 Abs. 1 S. 4 BayJG. Zur Jagdrechtsversteigerung Koenig (1994) S. 408 f.; Badura (1996a) S. 538; Tschentscher / Koenig (1991) S. 249. 3 UMTS steht für Universal Mobile Telecommunication System; gebräuchlich ist auch die Bezeichnung als dritte Mobilfunkgeneration (3G Telecommunication System). 4 Der Gesamterlös betrug 99,3682 Milliarden DM, Pressemitteilung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 18. 08. 2000. Der damalige Präsident der Regulierungsbehörde Scheurle sah trotz oder gerade wegen des unerwartet hohen Erlöses die Auktion als Erfolg an, Scheurle (2000) S. 577 f. 5 Schmidt-Jortzig (2000). 6 Als tatsächlicher Bieter und späterer Lizenznehmer trat die T-Mobile Deutschland GmbH auf, eine 100-prozentige Tochter der T-Mobile International AG, die selbst 100-prozentige Tochter der Deutschen Telekom AG ist. 7 Luttermann (2000) S. 475.
2 Leist
18
Einleitung
Höhepunkt fanden diese Auseinandersetzungen zum einen mit Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage eines der erfolgreichen Auktionsteilnehmer auf Erstattung des gezahlten Versteigerungserlöses und zum anderen mit dem Antrag einiger Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht, womit diese die Beteiligung am Erlös der Versteigerung begehrten. Ersteres Verfahren wurde durch Klagerücknahme beendet;8 das Begehren der Länder wurde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen.9 Allein diese Vorgeschichte rechtfertigt eine genauere juristische Untersuchung von Versteigerungen als Regulierungsinstrument. Auch mit Blick in die Zukunft besteht Bedarf für eine rechtswissenschaftliche Untersuchung regulativer Auktionen. Dies ist nicht nur wegen der Möglichkeit weiterer Lizenz- und Frequenzauktionen im Telekommunikationsbereich der Fall. Verschiedene Studien legen dem deutschen wie auch dem europäischen Gesetzgeber die Ausweitung dieses Vergabekonzeptes auf andere Bereiche des Wirtschaftsverwaltungsrechts nahe.10 Die vorliegende Arbeit soll zur rechtswissenschaftlichen Konturierung von Versteigerungen als Regulierungsinstrument im Wirtschaftsverwaltungsrecht beitragen. Ziel ist es, das Konzept regulativer Versteigerungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Dabei sollen Möglichkeiten und Grenzen des Versteigerungskonzeptes deutlich gemacht werden. Die Untersuchung widmet sich dem Versteigerungskonzept im Allgemeinen; sie ist nicht auf das Verfahren nach dem TKG beschränkt. Es soll daher versucht werden, aus verfassungsrechtlicher Perspektive einige Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz von Versteigerungen als marktbasierte Vergabeverfahren im Wirtschaftsverwaltungsrecht zu bestimmen (2. Teil). Dabei bietet sich die Erweiterung der Untersuchung in zweierlei Richtung an. Zum einen werden Versteigerungen in den rechtlichen und tatsächlichen Kontext von Vergabeverfahren eingeordnet, um die Voraussetzungen rechtlicher Bewertung zu schaffen (1. Teil). Für das richtige Verständnis von Versteigerungen ist es erforderlich, ein zutreffendes Bild der ökonomischen Grundlagen, der rechtlichen Alternativen und des tatsächlichen Ablaufs einer Auktion zu haben. Zum anderen ist gerade im Interesse verallgemeinerungsfähiger Aussagen auch die Auseinandersetzung mit der Versteigerungsregelung des TKG geboten (3. Teil). Die Untersuchung wäre unvollständig, wenn sie allgemeingültige Aussagen über Versteigerungen suchte und dabei den bislang einzigen praktischen Anwendungsfall des Auktionskonzeptes im deutschen Recht außer Acht ließe. Als einzige Normierung einer regulatorischen Versteigerung ist diese potentielles Vorbild für weitere Versteigerungsregelungen auf anderen juristischen Feldern. Nicht zuletzt legen pragmatische Gründe eine genauere Beachtung der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und -frequenzen nahe: Die Regelung ist Konfliktstoff umfangreicher Storr (2002) S. 68; Piepenbrock / Müller (2001) S. 14. BVerfG DVBl. 2002, S. 704 ff. 10 Wolf (1995) S. 3. 8 9
Einleitung
19
rechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen,11 bei denen teils spezifisch telekommunikationsrechtliche, teils aber auch grundsätzliche Fragen des Versteigerungsverfahrens eine Rolle spielen. Trotz Beachtung von Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und -frequenzen ist der Untersuchungsansatz der Arbeit in erster Linie staatsrechtlicher Art. Telekommunikationsrechtliche Fragen werden nur insoweit berücksichtigt, als sie bei Bezugnahme auf das Vergabeverfahren im TKG unabdingbar sind; telekommunikationsrechtspolitische Fragen12 bleiben gänzlich unberücksichtigt. Zu beachten sein wird das ökonomische Versteigerungskonzept, das erklärt, auf welchem Ordnungsmechanismus Auktionen beruhen und das die Grundlage einer rechtswissenschaftlichen Versteigerungstheorie bildet.13
11 Altmeppen / Bunte (2001) S. 443 ff.; Arndt (2001) S. 23 ff.; Becker (2002a) S. 1 ff.; Becker (2002b) S. 752 ff., Becker (2003) S. 177 ff.; Beese / Naumann (2000) S. 145 ff.; Breuer (2001) S. 25 ff.; Degenhart (2001) S. 32 ff.; Demmel in: Manssen (Stand April 1999) § 47 TKG Rn. 38 f.; Ehlers (2001a) S. 1 ff.; Faber (2002) S. 264 ff.; Geppert in: Beck’scher TKGKommentar (2000) § 11 Rn. 17; Gramlich (2000) S. 101 ff.; Gramlich (2002) S. 501; Grzeszick (1997a) S. 878 ff.; Grzeszick (1997b) S. 911 ff.; Hahn in: Scheurle / Mayen (2002) § 11 Rn. 36; Hidien (2002) S. 419 f. Hufeld (2002) S. 871 ff.; Kämmerer (2002) S. 161 ff.; Koenig (2001) S. 41 ff.; Koenig / Neumann (2001) S. 473 ff.; Koenig / Schäfer (1998) S. 243 ff.; Korioth (2001) S. 14 ff.; Kötter (2001) S. 1556 ff.; A. Leist (2002) S. 903 ff.; Luttermann (2000) S. 473 ff.; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 6; Müller-Terpizt (2002) S. 75 ff.; Piepenbrock / Müller (2001) S. 8 ff.; Ruffert (1999) S. 237 ff.; Ritgen (2002) S. 351 ff.; Ruhle / Geppert (1998) S. 181; Sachs (2001) S. 13 ff.; Scherer (1996) S. 2958; Scheurle (2000) S. 577 f.; Schulz (2002) S. 1 ff.; Schumacher (2000) S. 3096 ff.; Schwarz (2001) S. 141 ff.; Spoerr in: Trute / Spoerr / Bosch (2001) § 11 Rn. 26 ff.; Spoerr / Deutsch (1997) S. 307; Storr (2002) S. 67 ff.; Varadinek (2001) S. 17 ff.; Wegmann (2001a) S. 103 f. Wegmann (2001b) S. 1447. 12 Dazu Koenig / Neumann (2001) S. 252 ff. 13 Die besondere Berücksichtigung der Ökonomik ist insoweit auch Ausdruck eines allgemein zu verzeichnenden Bedeutungsgewinns dieser Disziplin als Referenzwissenschaft der Rechtswissenschaft, dazu Voßkuhle (2001) S. 347; Schneider (2001) S. 317 ff., jeweils m. w. N. Kritische Stimmen warnen vor der vollständigen Ökonomisierung von Verwaltung und Verwaltungsrecht und versuchen, dem Vordringen des ökonomischen Paradigmas zumindest in einigen Bereichen des Rechts Einhalt zu gebieten oder dieses zu hinterfragen, vgl. Gröpl (2002) S. 459 ff.; Schneider (2001) S. 317 ff.; Voßkuhle (2001) S. 347; Wallerath (2001) S. 209. Dass für die Untersuchung eines marktbasierten Vergabeverfahrens auf ökonomische Konzepte Bezug zu nehmen ist, steht aber außer Zweifel.
2*
1. Te i l
Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens 1. Kapitel
Die Ausgangslage De lege lata ist das Konzept einer Versteigerung als verwaltungsrechtliches Regulierungsinstrument nur im Telekommunikationsrecht verwirklicht. In den §§ 11 Abs. 1 und 4 und 47 Abs. 5 S. 1 TKG sieht der Gesetzgeber Versteigerungen als Verfahren der Vergabe knapper Mobilfunklizenzen oder Frequenzen vor. Danach kann die zuständige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Mobilfunklizenzen, deren Anzahl aufgrund von Frequenzknappheit beschränkt wurde, und Funkfrequenzen, für welche eine Knappheitssituation besteht, nach einem in § 11 Abs. 4 TKG lediglich grob umrissenen Versteigerungsverfahren oder in einem Ausschreibungsverfahren vergeben. Grundsätzlich ist das Versteigerungsverfahren zu wählen. Das Ausschreibungsverfahren kommt nach dem Gesetz nur subsidiär in Betracht (§ 11 Abs. 4 S. 1 TKG). Die 1994 mit Erlass des TKG erfolgte Einführung des Auktionsverfahrens kann auf verschiedene ökonomische Studien1 und auf ähnliche Regelungen in ausländischen Rechtsordnungen zurückblicken. Seit 1990 führten Neuseeland, später auch Australien, die USA und verschiedene Staaten Südamerikas und Europas Versteigerungen für die staatliche Mobilfunkfrequenzzuteilung ein.2 Ähnliche Vorschläge bestehen im Luftverkehrsrecht für die Vergabe von Lande- und Startzeitnischen auf Großflughäfen3 und zur Verteilung von Leitungskapazitäten im grenzüberschreitenden Stromhandel.4 Im Umweltrecht kommen Versteigerungen für die Vergabe von so 1 Bereits 1959 empfahl der amerikanische Ökonom und Mitbegründer der ökonomischen Analyse des Rechts Coase die Versteigerung von Frequenzen, weil sie ökonomisch sinnvoller seien als die damals praktizierten Auswahlverfahren, Coase (1959) S. 17 ff. 2 Versteigerungsregelungen bestehen beispielsweise im Telekommunikationsrecht der Niederlande, Österreichs und Italiens Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 37; mit ausführlicher Analyse aus ökonomischer Sicht Klemperer (2002a) S. 1 ff. 3 Vgl. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95 / 93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft, KOM 2001 / 335 endg., S. 5.
1. Kap.: Die Ausgangslage
21
genannten Verschmutzungsrechten in Betracht.5 Zu erwähnen ist schließlich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Sommer 2000, in welcher es Versteigerungen für die Vergabe von Spielbankkonzessionen erwogen hat.6 Zu den gegenwärtigen Vorschlägen können weitere treten, die Versteigerungen auch auf anderen staatlichen Aufgabenfeldern empfehlen. Es stellt sich daher die Frage, ob es möglich ist, zukünftige Vorschläge zu antizipieren, indem das Anwendungsfeld von Versteigerungen als Regulierungsinstrument nach abstrakten Kriterien umrissen wird (dazu im Folgenden A.). Vergabeverfahren fanden und finden in der Verwaltungspraxis in vielen Bereichen statt, ohne dass dabei Versteigerungen genutzt werden. Das wirft zum einen die Frage auf, nach welchen Kriterien und in welcher Weise die Bewerberauswahl in diesen Fällen verläuft und zum anderen, warum der Gesetzgeber mit der Regelung im TKG gewohnte Pfade verlässt und auf ein neues Vergabeverfahren verfällt. Die Antworten darauf ermöglichen es, das Versteigerungsverfahren, das sonst isoliert und beziehungslos im Raum steht, in den richtigen Regel- und Steuerungskontext einzuordnen (dazu unten B.). Weitere Voraussetzung einer angemessenen Untersuchung ist, ein zutreffendes Bild von der Realität einer Versteigerung zu haben.7 Für die Untersuchung eines Vergabeverfahrens ist unerlässlich, dieses als Ganzes betrachten zu können. Bleibt der Blick auf einzelne Aspekte beschränkt, so besteht die Gefahr, verkürzte, weil der Komplexität nicht gerecht werdende Schlussfolgerungen zu ziehen, die sich bei ganzheitlicher Betrachtung als unzutreffend erweisen. Es ist daher erforderlich, bei der rechtlichen Untersuchung eine Vorstellung von Konzeption und Ablauf einer Versteigerung zu haben. Deren Darstellung widmet sich der Abschnitt C .
A. Das Anwendungsfeld von Versteigerungen Die Versteigerungsregelung des TKG betrifft das Frequenzspektrum. Nach § 11 Abs. 4 TKG werden zwar Lizenzen, also Betriebsgenehmigungen für Telekommunikationsnetze (§ 3 Nr. 7 TKG), versteigert. Dies hat regelungstechnische Gründe; bei wirtschaftlicher Betrachtung sind Gegenstand der Vergabe die Frequenznutzungsrechte. Nach kritischer Auseinandersetzung mit den derzeit international praktizierten Vergabeverfahren für Lande- und Startzeitnischen (Slots) auf Großflughäfen plä4 Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 96 / 92 / EG und 98 / 30 / EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und den Erdgasbinnenmarkt, KOM 2001 / 125 endg., S. 94. 5 Vgl. der Diskussionsbeitrag von Rodi in: Oldiges (2000) S. 177 f. 6 BVerfGE 102, 197 (S. 218), dazu unten Fn. 34. 7 Altmeppen / Bunte (2001) S. 460 weisen zu Recht auf die Gefahr unwillkürlicher Assoziation der Zwangsversteigerung des Vollstreckungsrechts hin.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
dieren Ökonomen auch insoweit für Versteigerungen.8 Lande- und Startrechte, deren wirtschaftlicher Wert durch tageszeitliche Lage und Anschluss- und Umsteigemöglichkeiten bestimmt wird, könnten auf diese Weise effizient verteilt werden, weil Fluggesellschaften (Carrier) mit günstigeren oder wenig ausgelasteten Flügen auf Nebenzeiten ausweichen würden, wohingegen Carrier mit teureren Flügen die Slots erwerben würden, welche in attraktiven Start- und Landezeiten liegen oder gute Anschluss- und Verbindungsmöglichkeiten garantieren. Darüber hinaus würde ein marktwirtschaftliches Vergabeverfahren den Marktzugang für Neueinsteiger erleichtern. Das bisherige Vergabeverfahren des Grandfathering, also der Vergabe nach Anciennität,9 führe zu Marktzementierung, die es neuen Mitbewerbern im Fluggeschäft praktisch unmöglich mache, attraktive Slots zu erhalten. Durch das marktwirtschaftliche Vergabeverfahren der Versteigerung könnten Neueinsteiger bei entsprechender Wirtschaftskraft auch wirtschaftlich wertvolle Slots erwerben. Auch für die Vergabe von sogenannter Verschmutzungsrechten kommen Versteigerungen in Betracht. Der Gedanke, mit Mitteln des Marktes eine Verteilungsordnung für hoheitliche Erlaubnisse zu schaffen, wurde in der Umweltrechtsdogmatik aufgegriffen und hat zur Entwicklung sogenannter Emissionszertifikate geführt, welche das Recht zum Ausstoß schädlicher Umweltgase verbriefen und unter den schadstoffemittierenden Unternehmen gehandelt werden können.10 Das Konzept der Emissionszertifikate berücksichtigt ökonomische Elemente in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird durch Verbriefung der Emissionsrechte und finanzielle Abgeltung die Nutzung des sonst freien Umweltgutes Luft zum Kostenfaktor für schadstoffausstoßende Unternehmen. Zum anderen sorgt der Zertifikathandel für effiziente Allokation der Verschmutzungsrechte und schafft zugleich ökonomische Anreize zu deren Vermeidung. Ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission11 nimmt diesen Ansatz der Umweltökonomie auf, wobei für die Erstvergabe der Emissionsrechte ein Versteigerungsverfahren ähnlich der Regelung des TKG in Betracht kommt.12 Gegenstand solcher Versteigerungen wären Umweltgüter.
So etwa Wolf (1995) und Cornelius (1994) S. 1 ff. Zum derzeitigen Verfahren der Slotallokation unten 1. Kapitel A. II. sowie Roßmann / Schimm (2001) S. 381 ff. 10 Vgl. Bothe (1995) S. 937 ff.; Cansier (1994) S. 642 ff.; Kloepfer (1998) § 5 Rn. 300 ff.; grundsätzlich auch Murswiek (1994) S. 170 f.; Meyer (1995) 19 ff.; rechtsvergleichend Hansjürgens (1998) S. 1 ff. Zur ökonomischen Sicht Endres (2000b); Endres / Rehbinder / Schwarze (1994). 11 Europäische Kommission, Vorschlag vom 23. 10. 2001 für eine Richtlinie für ein System zum Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen (KOM [2001] 581 endg.), dazu Epiney (2002) S. 579 ff. 12 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Rodi in: Oldiges (2000) S. 177 f. 8 9
1. Kap.: Die Ausgangslage
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I. Gegenstand von Versteigerungen: Knappe Gemeinschaftsgüter Frequenzspektrum, Slots und Umweltgüter haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind knappe Gemeinschaftsgüter. Unter Gemeinschaftsgütern sind nach einer Definition von Zacher Gegenstände zu verstehen, welche der ausschließlichen Herrschaft des Einzelnen kraft ihres Wesens entzogen sind oder entzogen werde sollen.13 Mit dem ersten Teil dieser Definition werden die so genannten öffentlichen Güter umfasst. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht ohne weiteres privater Rechtszuweisung zugänglich sind, weil es nicht möglich ist, andere Konsumenten von der Benutzung auszuschließen (Versagen des Ausschlussprinzips).14 Der zweite Teil der Definition umfasst individueller Rechtszuweisung zugängliche Güter (private Güter), die jedoch durch die Rechtsordnung einem besonderen, öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt sind und daher ebenfalls nicht zu den frei handelbaren Gütern gehören.15 Die Eigenschaft als Gemeinschaftsgut ist daher von einem eher formalen Umstand abhängig: Gemeinschaftsgüter sind alle staatlich verwalteten Güter. Solange die Menge dieser Gemeinschaftsgüter unbegrenzt ist, bereitet deren Vergabe keine Schwierigkeiten, weil jeder Interessent seine Bedürfnisse aus dieser Menge befriedigen kann. Sind die Güter hingegen knapp, bedarf es einer Verteilungsordnung. Knappheit besteht dort, wo die Nachfrage das Angebot übersteigt. Knappe Gemeinschaftsgüter sind daher staatlich verwaltete Gegenstände, für welche eine Nachfrage besteht, die das Angebot übersteigt. Knappheit kann verschiedene Gründe haben. Setzt man die Nachfrage als konstante Größe, so liegen die Ursachen der Knappheit in der begrenzten Angebotsmenge. Deutlich zu Tage tritt die Knappheit bei Gemeinschaftsgütern, die nur in begrenztem Maße vorhanden sind und durch staatliches oder privates Handeln nicht vermehrt werden können (natürliche Gemeinschaftsgüter).16 Besonders offensichtlich ist das für Umweltressourcen wie fossile Brennstoffe, wo jeder Konsum die Knappheit erhöht. Knappheit kann ihre Ursachen auch in vorübergehenden oder zumindest behebbaren Kapazitätsengpässen haben. Das ist der Fall bei Gütern, welche durch die öffentliche Hand geschaffen werden, aber nur in einer begrenzten, hinter der Nachfrage zurückbleibenden Menge zur Verfügung gestellt Zacher (1993) S. 108. R. A. Musgrave / P. B. Musgrave / Kullmer (1990) S. 56, 58. Ein weiteres, aber nicht notwendiges Merkmal öffentlicher Güter ist die fehlende Konsumrivalität, so dass der Konsum durch eine Person den Konsum durch weitere Personen nicht beeinträchtigt, R. A. Musgrave / P. B. Musgrave / Kullmer (1990) S. 55, 57. 15 Beispiele sind die res extra commercium und, jetzt in der Terminologie des allgemeinen Verwaltungsrechts, die öffentlichen Sachen, welche nicht schon öffentliche Güter sind, Zacher (1993) S. 108. Ähnlich, aber weniger gegenständlich Engel (1997) S. 430 ff. 16 Badura (1996a) S. 539. 13 14
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
werden (vermehrbare Gemeinschaftsgüter).17 Ursache von Knappheit kann auch die künstliche Beschränkung der Angebotsmenge durch staatliche Intervention sein. Insbesondere die Aufnahme einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit kann so Gegenstand einer Verteilungsordnung werden, wenn der Staat das relevante Verhalten an eine behördliche Zulassung knüpft und diese kontingentiert. Durch das administrative Kontingentierungssystem wird die Aufnahme der Tätigkeit dem freien Spiel der Kräfte entzogen, was eine staatlich verordnete, künstliche Knappheit des Angebotes bewirkt (kontingentierte Gemeinschaftsgüter).18 Durch die Vergabe knapper Gemeinschaftsgüter werden diese privatisiert, indem die Bewirtschaftung vom öffentlichen in den private Sektor verlagert wird. Soweit es sich um private Güter handelt, kann dies, da sie ihrem Wesen nach individueller Rechtszuweisung zugänglich sind, allein durch Aufhebung oder Modifikation des öffentlich-rechtlichen Benutzungsregimes geschehen. Dagegen müssen öffentliche Güter erst durch die Rechtsordnung in private Güter transformiert werden, indem an diesen Gegenständen geschützte Verfügungsrechte geschaffen werden. Dadurch werden das Ausschlussprinzip künstlich hergestellt und die individuelle Rechtszuweisung ermöglicht.19
II. Verteilungsordnungen für knappe Gemeinschaftsgüter als Staatsaufgabe Die Verteilung knapper Gemeinschaftsgüter ist Aufgabe des Staates. Das ist Folge der inhaltlichen Festlegung des Begriffs der Gemeinschaftsgüter auf staatlich verwaltete Güter. Diese Festlegung trägt der staatlichen Kompetenz-Kompetenz Rechnung, also dem Umstand, dass es dem verfassten Gemeinwesen grundsätzlich frei steht, zu entscheiden, welches seine Aufgaben sind.20 Es ist grundsätzlich der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers anheim gestellt, festzulegen, welche knappen Güter staatlicher Verwaltung unterstellt werden sollen. Wenn sich der Staat jedoch der Bewirtschaftung knapper Güter annimmt, schafft er einen Güterbestand, dessen Disposition nach gesetzlich zu bestimmenden Regeln Aufgabe der Verwaltung ist.21 Das Regelwerk aus staatlichen Regulierungs- und Vergabezielen und dem Vergabeverfahren bildet eine Verteilungsordnung, die der intensiven, durch die Verfassung vorgegebenen rechtlichen Kontrolle unterliegt.22 Badura (1996a) S. 534 f. Badura (1996a) S. 532. 19 Privatisierung öffentlicher Güter hat danach zwei Bedeutungen: Im verwaltungswissenschaftlichen Sinne meint dies die Übertragung einer Staatsaufgabe, der Bewirtschaftung, vom Staat auf Privatpersonen, im finanzwissenschaftlichen Sinne drückt es die Transformation öffentlicher Güter in private aus. 20 Eingeschränkt wird dieser Grundsatz durch die Kategorie obligatorischer Staatsaufgaben, dazu Isensee (1996) Rn. 152. 21 Badura (1996a) S. 529 f. 17 18
1. Kap.: Die Ausgangslage
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Eine Verteilungsordnung kontingentierter Gemeinschaftsgüter besteht für die Vergabe von Taxikonzessionen nach § 13 Abs. 4 und 5 PBefG.23 Grundsätzlich ist die Erlaubnis zum Betrieb eines Taxigewerbes nur von ordnungsrechtlichen Voraussetzungen abhängig. Im Fall ruinösen Wettbewerbs oder ähnlichem Marktversagen im Taxigewerbe kann jedoch die Anzahl der Genehmigungen beschränkt werden (§ 13 Abs. 4 PBefG). Das Vergabeverfahren für kontingentierte Erlaubnisse richtet sich dann nach § 13 Abs. 5 PBefG; besondere Vergabe- und Regulierungsziele werden durch die öffentliche Hand nicht verfolgt. Die Vergabe von Start- und Landezeitnischen auf Großflughäfen nach Art. 8 VO (EWG) 95 / 93 ist eine Verteilungsordnung vermehrbarer Gemeinschaftsgüter.24 Die Lande- und Startkapazität kann theoretisch durch Ausdehnung der Flugbetriebszeiten oder die Schaffung neuer Kapazitäten erweitert werden, wird allerdings aus Gründen des Gemeinwohls beschränkt. Die Verteilung der vorhandenen Kapazitäten erfolgt durch einen Flugplankoordinator, welcher nach Art. 4 VO (EWG) 95 / 93 durch den Mitgliedstaat beliehen wurde; Vergabeverfahren und Regulierungsziele richten sich nach den Art. 8 bis 12 VO (EWG) 95 / 93.25 Eine weitere Verteilungsordnung vermehrbarer Gemeinschaftsgüter ist die staatliche Vergabe von Standplätzen auf festgesetzten Märkten oder Volksfesten nach § 70 Abs. 3 GewO.26 Vergabeverfahren und Regulierungsziele sind für diese meist nur in Form kommunaler Marktsatzungen geregelt, als übergreifendes Vergabeziel muss der Grundsatz der Marktfreiheit (§ 70 Abs. 1 GewO) gewahrt bleiben.
22 Badura (1996a) S. 529. Strikter hingegen Koenig (1994) S. 323 ff., 336 ff., 349 f., der in Teilbereichen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichheitssatz ein verfassungsrechtliches Gebot zur Privatisierung, also das Gegenteil einer Kompetenz, ermittelt. Immerhin als „elementare Aufgabe des Rechts“, nicht notwendigerweise aber des Staates, sieht Zacher (1993) S. 107 die Verteilung der natürlichen Gemeinschaftsgüter an. 23 Badura (1996a) S. 534; Koenig (1994) S. 126. Einen vergleichbaren Fall regelte früher auch § 10 GüKG für die Vergabe kontingentierter Güterkraftverkehrskonzessionen. Unter der politischen Zielsetzung einer Deregulierung des Ordnungsverwaltungsrechts wurde diese Regelung – entsprechend Vorschlag 23 der Deregulierungskommission, dies. (1991) Tz. 186 f. (S. 49) – ersatzlos aufgehoben. 24 Badura (1996a) S. 537; Koenig (1994) S. 153 ff. Dazu, wenn auch leicht veraltet, weil zur Vorgängerreglung im deutschen Recht (§ 27 b LuftVG), Tschentscher / Koenig (1991) S. 219. Zur Frage, ob ein „Tausch“ oder Handel mit Slots nach geltendem Recht zulässig ist Kilian (2000) S. 159 ff. 25 Der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95 / 93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft, KOM (2001) 335 endg., sieht Änderungen für diese Regeln vor, wobei das Vereinigte Königreich die Einführung von Versteigerungen anregte, vgl. a. a. O. S. 5. 26 Badura (1996a) S. 536 f.; Koenig (1994) S. 135 ff.; dazu auch Püttner / Lingemann (1984) S. 121 ff.; Schalt (1981) S. 150 ff.; Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 10 ff.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Die Vergabe von so genannten Verschmutzungsrechten an Umweltgütern ist eine Verteilungsordnung natürlicher Gemeinschaftsgüter.27 Ein Beispiel dafür ist die Sondernutzungsgenehmigung zum Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Umweltgut Wasser (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 bis 5 WHG) nach § 7 WHG. Auch die staatliche Bewirtschaftung des Funkfrequenzspektrums führt zu einer Verteilungsordnung für natürliche Gemeinschaftsgüter. Funkfrequenzen sind eine natürliche Ressource, welche nicht vermehrt werden kann.28 Die Knappheitssituation tritt bei natürlichen Gemeinschaftsgütern, insbesondere bei Umweltgütern, nicht so deutlich zu Tage. Gleichwohl ist die Knappheit bei diesen naturgesetzlich vorgegeben. Wann ein Gewässer umkippt oder schädliche Folgen für die Umwelt eintreten beziehungsweise wann Interferenzen im Funkverkehr auftreten, ist keine rechtliche, sondern eine naturwissenschaftliche Frage. Die entsprechenden Grenzwerte sind jedoch nicht offensichtlich, so dass es einer rechtlichen Regelung bedarf, um diese festzulegen. Für die Frequenznutzung ergibt sich diese aus dem Frequenznutzungsplan (§ 46 TKG), im Umweltrecht ergeben sich die zulässigen Höchstwerte aus den entsprechenden Regelungen (z.B. des BImSchG oder der TA-Luft29). Die staatliche Grenzwertfestlegung hat grundsätzlich nur deklaratorischen Charakter, da sie die naturgesetzliche Knappheit aufnimmt und festschreibt. Gehen die Kapazitätsfestlegungen über das Maß des Notwendigen, also des naturgesetzlich Vorgegebenen, hinaus, so liegt eine künstliche Kontingentierung vor.30
III. Begrenzung des potentiellen Anwendungsfeldes von Versteigerungen Nach den gegenwärtigen, ökonomisch fundierten Vorschlägen umfasst das potentielle Anwendungsfeld von Versteigerungen nicht alle Verteilungsordnungen knapper Gemeinschaftsgüter. Frequenzen und Umweltgüter sind natürliche Gemeinschaftsgüter, Slots sind vermehrbare Gemeinschaftsgüter.31 Nicht erwogen wird die Versteigerung hingegen für kontingentierte Gemeinschaftsgüter. Das hat gute Gründe. Bei ökonomischer Betrachtung wäre eine Versteigerung für diese Güter nicht optimal (effizient), weil ein zusätzlicher Wohlfahrtsgewinn dadurch erMurswiek (1994) S. 170. Anderes gilt für die Frequenznutzungskapazität, die durch technische Mittel gesteigert werden, dazu Götzke (1994) S. 24 ff. 29 Zu den Veränderungen durch Neubeschluss der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. 7. 2002 Ohms (2002) S. 1365 ff.; Hansmann (2002) S. 1208 f. 30 Fraglich ist, ob der Gesetzgeber bei Festsetzung der Grenzwerte einen gewissen Beurteilungsspielraum hat, wofür angesichts des Prognosecharakters der Entscheidung einiges spricht. Bejahend für die Frequenzordnung Demmel in: Manssen (Stand April 1999) § 47 TKG Rn. 38. 31 Frequenzen und Umweltgüter sind darüber hinaus grundsätzlich auch öffentliche Güter. Durch das Einräumen von individuellen Nutzungs- und Verfügungsrechten an diesen, werden sie jedoch in private Güter transformiert. 27 28
1. Kap.: Die Ausgangslage
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zielt werden kann, dass die Kontingentierung aufgehoben wird. Dadurch bliebe es der autonomen Entscheidung des Einzelnen überlassen, das entsprechende Gut zu nutzen; über Erfolg oder Misserfolg würde der Markt entscheiden. Bei rechtlicher Betrachtung sind Versteigerungen für kontingentierte Gemeinschaftsgüter ebenfalls abzulehnen, selbst wenn die Begründung dafür eine andere ist. Rechtfertigung einer Kontingentierung ist das Misstrauen in die Allokationskraft des Marktes, welches die staatliche Bewirtschaftung notwendig macht. Es wäre widersprüchlich und daher mangels Geeignetheit unverhältnismäßig, die so kontingentierten Güter in einem Vergabeverfahren zu verteilen, das seine ökonomische Rechtfertigung aus der wohlstandsmehrenden Kraft des Marktes bezieht.32 Für kontingentierte Gemeinschaftsgüter, also in Fällen künstlicher Knappheit, kommen regulative Versteigerungen daher grundsätzlich nicht in Betracht. Aus ökonomischer Sicht sind die eingangs referierten Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zu Versteigerungen als Vergabeverfahren für Spielbankkonzessionen33 systemwidrig und ohne versteigerungstheoretische Resonanz geblieben; ob Auktionen ein geeignetes Verfahren wären, ist zweifelhaft.34 Mögliches Anwendungsfeld von Auktionen ist hingegen die Vergabe natürlicher und vermehrbarer knapper Gemeinschaftsgüter.35
B. Versteigerungen im Kontext anderer Vergabeverfahren In ihrer Eigenschaft als Instrumente der Verteilungslenkung gehören die Versteigerungen zu den Vergabeverfahren und sind, wie andere auch, Verteilungsschüssel. Alle Vergabeverfahren dienen sowohl der Umsetzung von Regulierungs- und VerZu den ökonomischen Hintergründen der Versteigerung unten 1. Kapitel C. BVerfGE 102, 197 (S. 218). 34 Im Ergebnis ist dies wohl zu verneinen. Versteigerungen sollen nach der verfassungsgerichtlichen Überlegung in diesem Fall zwar nicht als Regulierungsinstrument angewendet werden, da es nicht darum geht, den wirtschaftlichsten Betreiber zu ermitteln. Es erscheint aber auch fraglich, ob Auktionen zum intendierten Zweck der möglichst vollständigen Gewinnabschöpfung geeignet sind. Hohe Versteigerungserlöse, wie sie der Senat wohl angesichts der zum Zeitpunkt der Entscheidung anstehenden UMTS-Versteigerung im Sinn hatte, sind kein Wesensmerkmal von Auktionen, sondern werden nur bei starkem Wettbewerb um ein als sehr wertvoll eingeschätztes Gut erreicht. In jedem Fall werden die Erlöse aus der Versteigerung aber unter dem von den Bietern erwarteten Gewinn liegen, da es einem wirtschaftlich denkenden Bewerber gerade auf diesen ankommt. Der Versteigerungserlös entspricht dem Marktwert und ermöglicht dadurch dessen Abschöpfung [siehe unten 4. Kapitel A. III. 1. d) cc) (3) und 2. b)], nicht aber die des erwarteten Gewinns. Die Einführung eines Versteigerungsverfahrens allein zur Gewinnabschöpfung könnte leicht gegenteilige Folgen haben und könnte, wie die Erfahrungen der ersten Frequenzauktionen in Neuseeland zeigen (dazu Keuter / Nett / Stumpf [1996] S. 52; McMillan [1995] S. 148.), bei geringem Wettbewerb zu unerwartet niedrigen Erlösen führen. Als milderes Mittel zur völligen Verstaatlichung käme daher wohl eher die Abschöpfung der Gewinne durch eine nicht im Wege der Versteigerung bemessene Abgabe in Betracht. 35 Dies ist gemeint, wenn im Folgenden von knappen Gemeinschaftsgütern die Rede ist. 32 33
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
gabezielen als auch dem Rechtschutz der beteiligten Bürger und sichern insbesondere deren Grundrechte. Die verteilende Verwaltung steht dabei vor dem Problem, dass ihre Entscheidung jeweils einen Teil der Bewerber gegenüber dem anderen bevorzugt, obwohl das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt, bei staatlicher Güterverteilung alle gleich zu behandeln und nur aus sachlichen Gründen erlaubt, Differenzierungen vorzunehmen.36 Das Vergabeverfahren muss geeignet sein, eine sachgerechte, an den legitimen Vergabe- und Regulierungszielen orientierte Differenzierung herzustellen, ohne einzelne Bewerber zu diskriminieren. In Anlehnung an die Charakterisierung des Bundesverfassungsgerichts hat sich für diese Anforderungen die Bezeichnung „objektive Sachgerechtigkeit und Chancengleichheit aller Bewerber“ eingebürgert.37 Vergabeverfahren fanden und finden in der Verwaltungspraxis in vielen Bereichen statt, ohne dass dabei Versteigerungen genutzt werden. In diesem Bereich erfolgt die Bewerberauswahl nicht durch den Marktmechanismus, sonder auf andere Weise. Die dabei zur Anwendung kommenden Verfahren stehen in Konkurrenz zur Versteigerung, so dass ihre Untersuchung über zweierlei Auskunft geben kann: Zum einen sind sie Vergleichsgruppe für die Beurteilung von Rechtmäßigkeit und Zweckdienlichkeit der Versteigerung, zum anderen kann eine kritische Analyse Auskunft darüber geben, warum der Gesetzgeber im TKG bekannte Pfade verlassen und ein neues, bis dahin unbekanntes Auswahlverfahren eingeführt hat.
I. Der Kanon klassischer Vergabeverfahren Bevor für den Gesetzgeber Versteigerungen als Vergabeverfahren denkbar waren, gab es einen relativ geschlossenen Kanon möglicher und als rechtlich zulässig erachteter Vergabeverfahren.38 Diese im Folgenden als klassisch bezeichneten Verfahren ermöglichen die Auswahl der erfolgreichen Bewerber teilweise durch materielle, teilweise aber nur durch rein formale Differenzierungen.39
1. Materielle Auswahlverfahren Eine materiell differenzierende Auswahl setzt voraus, dass die verteilende Behörde eine Rangordnung der Bewerber vornimmt, welche sich an der Zwecksetzung der Verteilungsordnung orientiert. Im Idealfall werden dabei alle Bewerber BVerfGE 33, 44 (S. 51); E 71, 39 (S. 58); E 75, 108 (S. 157). BVerfGE 33, 303 (S. 338): „sachgerechte Kriterien mit einer Chance für jeden Bewerber“ sowie unten 3. Kapitel A. II. 1. 38 Versteigerungen wurden als Vergabeverfahren zwar in Betracht gezogen, vor Einführung im TKG jedoch nicht praktiziert, vgl. Berg (1976) S. 26; Rummer (1988) S. 233; Tomuschat (1973) S. 458. 39 Koenig (1994) S. 224 ff. 36 37
1. Kap.: Die Ausgangslage
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miteinander verglichen, indem alle für und gegen eine Bevorzugung des jeweiligen Bewerbers sprechenden Punkte einbezogen werden.40 Diese Bewertung stößt oft auf Schwierigkeiten. Zum einen lassen sich sehr unterschiedliche Bewerber kaum miteinander vergleichen, zum anderen kann die Vorrangigkeit eines Bewerbers aus Mangel an allgemeingültigen Merkmalen nur von Fall zu Fall entschieden werden. Aus Sicht der Bewerber ist eine so zustande gekommene Entscheidung unter Umständen nicht einsichtig und überdies in besonderem Maße anfällig für zweckwidrige Beeinflussungen der Entscheidungsträger.41 Die Verwaltungspraxis wie auch der Gesetzgeber weichen daher oft auf typisierende Differenzierungskriterien, wie „bekannt und bewährt“42 oder die Anciennität43 aus. Diese Differenzierungskriterien ermöglichen in mehrpoligen Verteilungsrechtsverhältnissen44 eine Abwägung zwischen dem Zweck der staatlichen Verteilungsordnung und den widerstreitenden Interessen der Bewerber. Sie erhalten jedoch eine auf Bestand und Bewährung gerichtete Wertung, welche Neubewerber 40 Im Rahmen von § 70 Abs. 3 GewO, wonach einzelne Teilnehmer von der Teilnahme an einem Markt ausgeschlossen werden können, bedeutet die Auswahl zwischen den Bewerbern nach Attraktivität und Anziehungskraft des Gewerbes zur Herstellung eines ausgewogenen Marktbildes eine materielle Differenzierung im genannten Sinne. Zur Rechtmäßigkeit solcher Differenzierungen OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); BayVGH GewArch 1991, 230 (S. 231); OVG Nordrhein-Westfalen GewArch 1994, 25 (S. 25); OVG Bremen GewArch 1985, 386 (S. 386 f.); OVG Hamburg GewArch 1993, 72 (S. 72), sowie Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 13 und 19. Das TKG kenne ein solches Ausschreibungsverfahren in § 11 Abs. 6. Durch das Ausschreibungsverfahren sollen die Lizenzbewerber ermittelt werden, welche am besten geeignet sind, die Nachfrage nach der in Rede stehenden Telekommunikationsdienstleistung zu befriedigen, sofern das Versteigerungsverfahren nicht geeignet ist, die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen (§ 11 Abs. 2 S. 1 TKG). Die Auswahlentscheidung obliegt vollständig der Regulierungsbehörde, wobei § 11 Abs. 6 TKG die Kriterien für die Beurteilung vorgibt. Hilfsweise weicht das TKG allerdings auf formale Momente aus. Für den Fall, dass die Regulierungsbehörde verschiedene Bewerber für gleich geeignet hält, wird zwischen ihnen durch Los entschieden (§ 11 Abs. 6 S. 6 TKG). 41 In der ökonomischen Literatur werden Ausschreibungsverfahren daher abwertend als Schönheitswettbewerbe (beauty contests) bezeichnet, vgl. Monopolkommission (2000) S. 57. 42 Direkte Anwendung findet dieser Grundsatz im Rahmen der Standplatzvergabe nach § 70 GewO, vgl. Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 21. Indirekt kommt er in der Vergaberegelung für Taxikonzessionen nach § 13 Abs. 5 PBefG zum Ausdruck, wonach bei Kontingentierung der Genehmigungen für Alt- und Neubewerber getrennte Vormerklisten eingerichtet werden. Kritisch zu diesem Vergabesystem sowie zur Kontingentierung insgesamt Koenig (1994) S. 126 ff.; Deregulierungskommission (1991) Vorschlag 30, Tz. 207 f. (S. 54). 43 Eine Anwendung des Anciennitätskriteriums ist die vorrangige Berücksichtigung von „Großvaterrechten“ bei der Vergabe von Slots nach Art. 8 Abs. 1 lit. a VO (EWG) 95 / 93: Altbewerber, die einen Slot in der vergangenen Flugplanperiode innehatten und entsprechend der Freigabe genutzt haben, werden bei der Neuvergabe vorrangig berücksichtigt. Kritisch zur gleichlautenden, damals noch im deutschen Luftverkehrsgesetz befindlichen Regelung des § 27 b Abs. 1 Nr. 2 LuftVG Koenig (1994) S. 157 f. 44 Koenig (1994) S. 227.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
strukturell benachteiligt.45 Dies und das Außerachtlassen der Umstände des Einzelfalls in der Interessenabwägung beschränken den Anwendungsbereich typisierender materieller Differenzierungskriterien.46
2. Formale Auswahlverfahren Wenn materielle Differenzierungskriterien für eine Auswahlentscheidung versagen, weil eine inhaltliche Bewertung der Bewerber nicht möglich ist oder sich verschiedene Bewerber als gleich geeignet oder berechtigt erweisen, kann die Verwaltung auf nur formale (nicht-materielle) Auswahlkriterien zurückgreifen.47 Formale Differenzierungen liegen einer Vergabe nach dem Prioritätsprinzip48 sowie dem Losverfahren oder der turnusmäßig abwechselnden Berücksichtigung von Bewerbern (rollierendes System)49 zu Grunde.50 Vgl. BVerwG NVwZ 1984, 585 zum Kriterium „bekannt und bewährt“. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anwendung des Kriteriums „bekannt und bewährt“ im Rahmen von § 70 GewO deutlich beschränkt. Dessen Berücksichtigung ist nur dann rechtmäßig, wenn für Neubewerber in erkennbarem zeitlichem Turnus eine Zulassungschance erhalten bleibt, BVerwG NVwZ 1984, 585 (S. 585), was in der Sache bedeutet, nur einen Teil der vergebenen Güter so zu vergeben. Die generelle Anwendung von „bekannt und bewährt“ ist zulässig, wenn dem Kriterium insgesamt nur untergeordnete Bedeutung zukommt, OVG Bremen GewArch 1985, 386 (S. 386). Unbedenklich ist die Berücksichtigung negativer Erfahrungen („bekannt und nicht bewährt“), Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 22. 47 Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 23, der die hier als rein formal (nicht-materiell) bezeichneten Kriterien „neutral-objektiv“ nennt. 48 Das Prioritätssystem, abfällig auch Windhund- oder Warteschlangenprinzip genannt, bedeutet eine Auswahl nach der Reihenfolge des Eingangs der Bewerbungen. Es gilt als Auswahlverfahren im Rahmen von § 70 Abs. 3 GewO als „meist wirtschaftlich sinnvoll“ und daher sachgerecht, vgl. BT-Drs. 7 / 3859 S. 16; BayVGH NVwZ 1982, 120 (S. 121) und wird vom Gesetzgeber z. B. für die Vergabe von Taxikonzessionen an Neubewerber durch deren Aufnahme in eine Bewerberliste nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Anträge (§ 13 Abs. 5 S. 2 PBefG) angeordnet. Ausführlich zum Prioritätsprinzip Voßkuhle (1999a) S. 21 ff. 49 Auch das Losverfahren und ein rollierendes System werden bei der Standplatzvergabe nach § 70 Abs. 3 GewO von der Rechtsprechung akzeptiert, OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50). Der Gedanke des rollierenden Systems, dass der Bewerber in gewissem Rahmen seine Zulassungschancen vorhersehen kann, kommt nur zum Tragen, wenn es sich um in regelmäßigem zeitlichen Abstand wiederkehrende, grundsätzlich gleiche Vergabesituationen handelt, so dass das System jedenfalls bei einmaligen Verteilungssituationen oder bei langfristiger Vergabe ausgeschlossen ist. Auf das Losverfahren greift der Gesetzgeber für die Vergabe von Mobilfunklizenzen im Ausschreibungsverfahren zurück. Sofern die Regulierungsbehörde verschiedene Bewerber für gleich geeignet hält, wird zwischen ihnen durch Los entschieden (§ 11 Abs. 6 S. 6 TKG). 50 Ebenfalls nur formal sind Quotenverfahren, bei denen jeder Bewerber nicht die von ihm nachgefragte Gütermenge, sondern einen gleich großen Anteil der Gesamtmenge bzw. den einer Verhältniszahl aus Antrag, Nachfrage und Menge erhält, vgl. Rummer (1988) S. 230 ff. Diese können zur Anwendung kommen, wenn die Anzahl der Güter die Anzahl der Bewerber 45 46
1. Kap.: Die Ausgangslage
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II. Rechtliche und ökonomische Kritik der klassischen Vergabeverfahren Die langjährige und gängige Praktizierung der klassischen Vergabeverfahren spricht für deren Praktikabilität und ist Indiz für deren rechtliche Zulässigkeit. Bei näherer Betrachtung ist jedoch nicht offensichtlich, dass die Verteilungsschlüssel den Anforderungen objektiver Sachgerechtigkeit bei einer Chance für jeden Bewerber genügen. Ob sie ökonomisch sinnvoll sind, erscheint zweifelhaft.
1. Rechtliche Kritik Die verfassungsrechtlich gebotene Auswahlentscheidung nach objektiver Sachgerechtigkeit und individueller Zumutbarkeit kann zwar theoretisch durch eine materielle Bewertung aller Bewerber erfolgen, praktisch stößt dieses Verfahren allerdings auf Grenzen. Eine materielle Ordnung der Bewerber scheitert dort, wo diese nach behördlicher Bewertung als gleichwertig anzusehen sind oder wo der zur Entscheidung berufenen Behörde ein allgemeingültiger Bewertungsmaßstab gänzlich fehlt. Selbst eine Auswahlentscheidung, die auf Grundlage sachgerechter Differenzierungskriterien ergeht, genügt dem Erfordernis objektiver Sachgerechtigkeit nicht in jedem Fall. Die Bewertung der Bewerber kann kaum völlig objektiv vorgenommen werden, weil sie stets auch durch subjektive Erwägungen des Amtswalters geprägt ist. Dies und die geringe Transparenz des Verteilungsverfahrens machen die Auswahlentscheidung außerdem anfällig für sachwidrige Beeinflussungen durch Lobbyismus und Korruption, was die Chancengleichheit bei der Vergabe in Frage stellt. Diese Gefahr kann zwar durch typisierende oder formale Auswahlkriterien verringert werden. Angesichts der inhaltlichen Beziehungslosigkeit zum Vergabezweck und den Eigenschaften der Bewerber ist jedoch die Sachgerechtigkeit formaler Differenzierungskriterien zweifelhaft.51 Koenig erhebt daher den Vorwurf, typisierende materielle Auswahlverfahren würden grundrechtliche Kollisionslagen kaschieren und deren Ausgang ebenfalls dem Zufall überlassen, was die Chancengleichheit der Bewerber verletze.52 Das mit dem Verzicht auf eine Gewichtung und Abwägung individueller sowie öffentlicher Belange verbundene überschreitet. In den meisten Situationen würde dieses Verfahren jedoch zu misslichen Ergebnissen führen, weil jeder Bewerber die zugeteilte Quote nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll nutzen kann, etwa, weil der Ertrag erst ab einer gewissen Größe die Produktionskosten übersteigt (Skaleneffekt). Bezieht man die notwendige Mindestmenge in die Bestimmung der Quote ein, ist das Quotenverfahren eine Variante materiell-differenzierender Auswahl. 51 Koenig (1994) S. 224 ff.; Roth (1985) S. 53 f.; Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 23; Tettinger in: Tettinger / Wank (1999) § 70 Rn. 50 f. 52 Koenig (1994) S. 225, 230.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Abwägungsdefizit steht dem Abwägungsgebot objektiver Sachgerechtigkeit diametral entgegen.53 Typisierende und formale Vergabeverfahren sind für die Verteilungsordnung zweckmäßig, nicht aber im eigentlichen Sinne sachgerecht, weil sie die gebotene Abwägungsentscheidung nur holzschnittartig vornehmen oder ganz auf diese verzichten.54 Ihre Sachgerechtigkeit ergibt sich allein aus der Tatsache, dass eine Auswahlentscheidung notwendig ist und auf andere Weise nicht gefällt werden kann, wobei der Gleichheitssatz immerhin insoweit gewahrt ist, als nicht staatliche Willkür, sondern Zufall und Glück entscheidungsmaßgeblich sind.55 Gleichwohl verlangt die Verpflichtung des Staates auf das gemeine Wohl, Verteilungsentscheidungen zunächst am Kriterium der Sachgerechtigkeit zu orientieren und auf formale Differenzierungsmerkmale nur nachrangig zurückzugreifen.56 Notwendig ist daher eine Kombination der verschiedenen Kriterien, um ein Mindestmaß an Sachgerechtigkeit bei Chancengleichheit aller Bewerber sicherzustellen.57 Unter diesen einschränkenden Voraussetzungen ist die Vergabe auf Grundlage der klassischen Vergabeverfahren mit rechtsstaatlichen Erfordernissen vereinbar.58 2. Ökonomische Kritik Die Kritik der Ökonomik fällt ungleich schärfer aus. Beurteilungsmaßstab für die Bewertung der Sachdienlichkeit einer Vergaberegelung ist das Kriterium ökonomischer Effizienz. Eine Verteilungsordnung genügt diesem, wenn sie als gesamtwirtschaftliches Optimum erscheint, wenn also der volkswirtschaftliche Nutzen bei keiner anderen Güterallokation größer ist.59 Die klassischen Auswahl53 Noch schärfer Koenig (1994) S. 225: „Eine formalisierend vorweggenommene Abwägung und Gewichtung führt das auf den Einzelfall bezogene grundrechtliche Abwägungsund Optimierungsgebot regelmäßig ad absurdum.“ 54 Tomuschat (1973) S. 455 sieht in rein formalen Vergabeverfahren daher „im Grunde nichts anderes als kaschierte Willkür“. 55 Kritisch jedoch Berg (1976) S. 24; Koenig (1994) S. 224 ff.; Rummer (1998) S. 230; Tomuschat (1973) S. 455; Voßkuhle (1999a) S. 36. 56 Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 24. 57 So auch Koenig (1994) S. 230 f.; Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn 24. 58 Im Ergebnis auch Koenig (1994) S. 109 ff., 224 ff. mit kritischen Anmerkungen sowie Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 12 ff. 59 Beim Vergleich von zwei Situationen ist diejenige effizient, die gegenüber der anderen einen Wohlfahrtsgewinn verzeichnet. Dies ist dann der Fall, wenn es in dieser keiner Person schlechter, aber mindestens einer Person besser geht (Pareto-Effizienz). Auf einem idealen, transaktionskostenfreien Markt stellt sich diese Situation von selbst ein, da ökonomisch sinnvoll handelnde Marktteilnehmer die entsprechenden Transaktionen freiwillig vornehmen, bis keine Nutzensteigerung mehr möglich ist. In Abwandlung des Pareto-Kriteriums werden aber auch solche Situationen als effizient angesehen, in denen die Zugewinne der jeweils Begünstigten ausreichen, um daraus die Verluste der Schlechtergestellten auszugleichen, ohne dass es erforderlich ist, dass diese Kompensation auch tatsächlich erfolgt (sog. Kaldor /
1. Kap.: Die Ausgangslage
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verfahren genügten dem nicht. Materielle Auswahlverfahren seien Schönheitswettbewerbe, bei denen sich eher der Bewerber mit der besten Lobby durchsetze, unabhängig davon, ob er im Sinne der Verteilungsordnung auch tatsächlich am besten geeignet ist.60 Langwierige Anhörungs- und Vorbereitungsverfahren, Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen staatlichen Organen, die Anfertigung von Gutachten und die Einrichtung von Vergabekommissionen oder Expertengremien verursachten hohe Transaktionskosten zu Lasten der Allgemeinheit und würden durch den damit verbundenen Zeitaufwand zugleich die frühzeitige Nutzung des Vergabegegenstandes verhindern.61 Diese Verfahren seien auch intransparent, weil die genauen Entscheidungskriterien und der Entscheidungsprozess selbst im Voraus nicht klar ersichtlich und im Nachhinein nur schwer nachvollziehbar seien. Die Einsichtigkeit der Vergabeentscheidung werde behindert, was durch Rechtsstreitigkeiten zusätzliche Unsicherheit und unnötige soziale Kosten nach sich ziehe.62 Da die regulierende Behörde bei der Vergabe nur über unvollständige Informationen verfüge, könne sie nur vage Aussagen über die Eignung der Bewerber machen, was eine sachgemäße Entscheidung praktisch unmöglich mache.63 Angesichts der Unabhängigkeit von sachlichen Merkmalen ermöglichten rein formale Auswahlverfahren zwar eine zügige, einsichtige und diskriminierungsfreie Verteilungsentscheidung. Sie entbehrten aber angesichts des ihnen immanenten Zufallselements jeder Sachgerechtigkeit und würden zu spekulativer Teilnahme an Vergabeverfahren reizen, um im Nachhinein das erworbene Gemeinschaftsgut mit Gewinn direkt oder durch Unternehmensfusionen indirekt zu verkaufen.64 Ob die gefundene Verteilung ökonomisch sinnvoll ist oder ob eine andere Allokation vorzugswürdig ist, werde in den klassischen Vergabeverfahren nicht berücksichtigt. Daher hafte ihnen das Manko der Ineffizienz oder allenfalls zufälliger Effizienz an.65
Hicks-Kriterium). Ausführlich zum wohlfahrtsökonomischen Effizienzkonzept Eidenmüller (1995) S. 41 ff. und Behrens (1986). Der Effizienzbegriff wird im Folgenden grundsätzlich in diesem ökonomischen Sinne verwendet, wobei für diese Untersuchung der Maßstab der Pareto-Effizienz ausreichend ist. Eine Ausnahme besteht jedoch für die Frequenzeffizienz: Dieser naturwissenschaftlichtechnisch geprägte Begriff ist im Sinne von Wirtschaftlichkeit zu verstehen, meint also eine möglichst hohe Anzahl von Datenübertragungen pro nutzbaren Spektralbereich, dazu unten 3. Kapitel B. II. 2 a) aa). 60 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 41; McMillan (1995) S. 192; Monopolkommission (2000) S. 57; siehe auch oben Fn. 41. 61 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 41. Grünwald (2001) S. 722 verweist auf empirische Untersuchungen aus den USA, die zeigten, dass ein Ausschreibungsverfahren etwa drei mal so lange dauert, wie eine Versteigerung. 62 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 41; McMillan (1995) S. 192. 63 McMillan (1995) S. 192. 64 McMillan (1995) S. 192 f. 65 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 41. 3 Leist
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
III. Versteigerung als Ausprägung der Ökonomisierung des Vergabeverfahrens Konsequenz der ökonomischen Kritik ist die effizienzorientierte Ausrichtung des Verwaltungshandelns: Das Verwaltungsverfahren soll so ausgerichtet werden, dass volkswirtschaftlich optimale Verteilungen entstehen. Die Umsetzung dieser Ökonomisierung des Staates kann unterschiedliche Ausdrucksformen haben. Bei der nur schwer zu überschauenden Fülle von Vorschlägen fällt es schwer, diese nach Begrifflichkeiten zu systematisieren. Eine grobe Strukturierung ermöglicht die Orientierung an Schlagwörtern. So kommt der Einfluss wirtschaftswissenschaftlicher Überlegungen in der Tendenz zur Privatisierung zum Ausdruck: Durch Privatisierung kehrt sich die Verwaltung von den hierarchisch-behördlichen Organisationsformen und einseitig-hoheitlichem Handeln ab und macht von den Handlungs- und Organisationsformen des Privatrechts Gebrauch.66 Durch Deregulierung sollen Verwaltungsverfahren nachfragegerecht beschleunigt und marktwidrige Regulierungen abgebaut werden.67 Die Deregulierung kann je nach Sachbereich und Aufgabenstellung sehr unterschiedliche Formen annehmen. Neben der vollständigen Entregulierung68 umfasst sie betriebswirtschaftliche Budgetierung, unternehmensähnliche Organisationsstrukturen, Vereinfachung von Genehmigungs- und Planungsverfahren69 und neue, teilweise optionale Verfahrenstypen.70 Eine Einteilung in die Kategorien von Privatisierung und Deregulierung wird den Ökonomisierungstendenzen des Verwaltungsrechts nicht gerecht. Dies zeigt sich nicht zuletzt, wenn man die Versteigerung von Nutzungsrechten an knappen Gemeinschaftsgütern betrachtet. Die Vergabe von Nutzungsrechten an Gemeinschaftsgütern verlagert deren Bewirtschaf66 Das Begriffskonzept der Privatisierung umfasst noch weitere Übertragungen von Verwaltungsaufgaben, -vermögen oder -funktionen auf Private, wird aber nicht einheitlich verwendet, vgl. nur die Beiträge zur Staatsrechtslehrertagung 1994 von Bauer (1994) S. 243 ff. und Osterloh (1994) S. 204 ff. sowie Schoch (1994) S. 962 ff. Unter anderen Gesichtspunkten wurde Privatisierung noch auf der Staatsrechtslehrertagung 1970 diskutiert, vgl. Ossenbühl (1970) S. 137 ff. 67 Diese Umschreibung des Deregulierungsprogramms entspricht der Umschreibung des Untersuchungsgegenstandes der Deregulierungskommission, vgl. dies. (1991) Tz. 1 (S. 1). Ähnlich definiert Koenig (1994) S. 289 als Verzicht auf externe Steuerung der Verteilung durch „Abbau öffentlich-rechtlicher Eingriffe . . . in den marktwirtschaftlichen Allokationsvorgang“. 68 Zum Beispiel die Aufhebung der Kontingentierung im Güterverkehr auf der Straße (früher in § 10 GüKG); durch das Gesetz zur Reform des Güterkraftverkehrsrechts BGBl. I S. 1485 und BT-Drs. 13 / 9341 S. 1. 69 Zum Beispiel durch Ersetzen der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht für bestimmte Gebäude durch eine Anzeige, dazu Korioth (1996) S. 665 ff. Voßkuhle (2001) S. 348 weist auf die Verringerung der Richtzahl von Massenverfahren nach den §§ 17 Abs. 4 S. 2, 76 Abs. 1 S. 4, 69 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 S. 2, 73 Abs. 5 S. 2 Nr. 4 u. Abs. 6 S. 4, 74 Abs. 5 S. 1 VwVfG und die Substitutionsmöglichkeit der Einzelbekanntgabe durch öffentliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG hin. 70 Schmitz (2000) S. 1239 f.
1. Kap.: Die Ausgangslage
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tung vom öffentlichen in den privaten Sektor, auch wenn die freie Verfügung öffentlich-rechtlich beschränkt wird. Es wäre zwar zutreffend, Versteigerungen als eine Form der Privatisierung zu bezeichnen. Da dies aber für jede Verteilungsordnung gilt, würde die Bezeichnung den Unterschieden zu klassischen Vergabeverfahren nicht Rechnung tragen. Unpassend für die Beschreibung von Versteigerungen ist auch der Begriff der Deregulierung, da diese nicht zu einem „Rückzug des Staates“71 aus der Verteilungsverantwortung, also dem Abbau hoheitlicher Regulierung und dem Ersetzen durch den Markt führen. Das wird mit Blick auf die Versteigerungsregelung des Telekommunikationsrechts deutlich. Die gesetzliche Regelung in den §§ 11 und 47 TKG mit Organisation und Veranstaltung durch eine eigens geschaffene Regulierungsbehörde lässt sich schwerlich als Deregulierung bezeichnen. Der Staat wendet sich mit der Versteigerung nicht von der Vergabe ab. Er selbst verteilt – zumindest formal – durch Hoheitsakt, macht sich aber bei der Verteilungsentscheidung die Allokationskraft des Marktes zu Nutze. Diese Marktrezeption belässt die Verteilungsverantwortung beim Staat, so dass weder die marktexterne Verteilungsordnung aufgehoben noch die Verteilungsentscheidung aus ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen gelöst wird. Die staatliche Verteilungsentscheidung ist jedoch mit Allokationsmechanismen des Marktes verbunden. Herzstück der öffentlich-rechtlichen Verteilungsordnung ist nicht die Auswahlentscheidung eines behördlichen Amtswalters, sondern das Ergebnis eines Marktprozesses. Die Auswahl wird nicht durch eine Behörde im Wege des Vergleichens und Abwägens vorgenommen, sondern erfolgt in der Versteigerung von selbst. Dabei ermöglicht das Versteigerungsverfahren in einer Situation, in der eine vollständige Deregulierung nicht möglich ist, weil ein freier Markt versagen würde, eine Verwaltungsentscheidung, welche die effizienzsichernde Allokationskraft des Marktmechanismus nutzt.
C. Das mikroökonomische Versteigerungskonzept Als der Gesetzgeber 1994 das Versteigerungsverfahren im TKG einführte, sah er es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen als vereinbar an.72 Bei Wahl des Vergabeverfahrens hat er sich jedoch maßgeblich auf ökonomische Argumente gestützt,73 Schuppert (1995) S. 761 ff. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es recht lapidar, das Versteigerungsverfahren sei „ein geeignetes und rechtsstaatlich zulässiges Auswahlverfahren“, das „[i]m Unterschied zu anderen Bereichen, in denen es um die Vergabe knapper Güter geht, wie z. B. die Vergabe von Studienplätzen, . . . im Bereich der Frequenz- und Lizenzvergabe rechtsstaatlich unbedenklich“ sei, BT-Drs. 13 / 3609 S. 39. Ohne weitere Begründung ebenso Hahn in: Scheurle / Mayen (2002) § 11 Rn. 36. 73 Vgl. BT-Drs. 13 / 3609 S. 39: „Das erfolgreiche Gebot belegt typischerweise die Bereitschaft und Fähigkeit, die zuzuteilende Frequenz im marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Dienstleistungen möglichst optimal einzusetzen und sich um eine wirtschaftliche . . . Verwendung . . . zu bemühen.“ 71 72
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
auch wenn die eher kursorische Begründung des Gesetzentwurfs keinen Aufschluss darüber gibt, warum Auktionen effizient sind. Offen bleibt auch, was die „bestimmten Situationen“ ausmacht, in welchen die Versteigerung Anwendung finden soll. Das Beantworten dieser Fragen verlangt die Auseinandersetzung mit den ökonomischen Grundlagen der Versteigerung.
I. Wirkungsweise des Auktionsmechanismus im Allgemeinen In der Ökonomik, insbesondere in der Auktionstheorie,74 werden asymmetrische Märkte als typischer Anwendungsfall einer Versteigerung angesehen,75 da der Marktmechanismus auf diesen Märkten versage. Auf einem freien Markt mit symmetrischem Wettbewerb, gleicher Güterqualität und -menge sowie Knappheit führen Tauschgeschäfte zwischen homines oeconomici76 nach dem Preismechanismus zur effizienten Verteilung der vorhandenen Güter. Wo die Bedingungen eines idealen Marktes nicht erfüllt sind, treten Reibungsverluste auf; bei asymmetrischem Wettbewerb versagt dieser Marktmechanismus.77 Dem Monopolisten kommt auf dem Markt ein Übergewicht an Markt74 Einführend Klemperer (2001b) S. 2. Die Auktionstheorie ist eine besondere Ausprägung der Spieltheorie. Versteigerungen werden in der Ökonomik als strategische Spiele definiert, nämlich als Markttransaktionen auf der Basis expliziter Regeln, welche die Ressourcenallokation und Festsetzung der Preise aufgrund eines Vergleichs von Geboten der Marktteilnehmer vornimmt, vgl. Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 37; McAffee / McMillan (1987) S. 701. Zur Spieltheorie in der Ökonomik Feess (1997) S. 35 ff.; Varian (2001) S. 477; allgemein Davis (1999). 75 Zur Markttheorie allgemein z. B. Feess (1997); Klodt (1992) S. 7 ff.; Siebert (1992) S. 46 ff.; Varian (2001). Asymmetrische Märkte sind solche, bei denen auf Produzenten- und Konsumentenseite unterschiedliche Wettbewerbsformen bestehen, also z. B. ein Anbieter (Monopol) wenigen Nachfragern (Oligopson) gegenübersteht. 76 Ausführlich zum ökonomischen Verhaltensmodell Eidenmüller (1995) S. 28 ff. In der Mikroökonomie dient das Verhaltensmodell des rationalen, eigennützigen und nutzenmaximierenden Menschen zur Prognose des durchschnittlichen menschlichen Verhaltens in großen Gruppen und hat nicht die Vorhersage des Verhaltens eines einzelnen Individuums zum Ziel. Das Modell ist deskriptiv, nicht normativ, beinhaltet also keine Aussage darüber, ob sich alle Menschen so verhalten sollten. Der wissenschaftstheoretische Status des homo oeconomicus wird vielfach angegriffen, vgl. Eidenmüller (1995) S. 36 ff.; Endres (2000a) S. 9 f.; prononciert Fezer (1986) S. 822, dagegen Ott / Schäfer (1998) S. 213 ff. Dass Menschen sich tatsächlich anders verhalten, als es das Modell des homo oeconomicus beschreibt, ist inzwischen allgemein anerkannt, vgl. Eidenmüller (1995) S. 38 f.; Simon (1983) S. 22 ff. Der Ausweitung des ökonomischen Verhaltensmodells zu einem universellen Menschenbild kann durch diese Erkenntnisse begegnet werden; als Modell für die Folgenanalyse bestimmter ökonomischer Situationen ist es zweckmäßig und weiterhin von Bedeutung. 77 Außer bei übermäßiger Marktmacht, dazu Endres (2000a) S. 80, tritt Marktversagen auch bei öffentlichen Gütern, externen Effekten, Informationsdefiziten oder prohibitiven Transaktionskosten auf, dazu Endres (2000a) S. 43 ff., 98 ff. Über diese fallgruppenartige
1. Kap.: Die Ausgangslage
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macht zu, wodurch es ihm prinzipiell möglich ist, Preise einseitig festzusetzen oder preisdiskriminierend zu verkaufen. Gleichwohl wird der Monopolist nur selten zu einem Preis verkaufen können, der dem am Markt maximal zu erzielenden Preis entspricht. Weil die Geschäftspartner des Monopolisten dessen Marktmacht kennen, legen sie in einer Verhandlungssituation ihre wahre Wertschätzung, anders als in einer idealen Marktsituation, nicht offen. Führt der Monopolist eine Versteigerung durch, so unterwirft er sich im Voraus einem Regelwerk, das ihn für den nachfolgenden Marktprozess bindet. Dadurch überwindet er das Verhandlungsproblem, weil für alle Beteiligten klar ist, dass er das Verfahren nicht abbrechen oder modifizieren kann, nachdem er die Höhe der Gebote kennt, selbst wenn dies im Nachhinein für ihn günstiger wäre.78 Die Wirkung des Preissystems als Mechanismus des Informationsaustausches lebt wieder auf.79 Auf einem Markt mit asymmetrischem Wettbewerb ist in der Regel auch die Informationsverteilung asymmetrisch,80 da der Monopolist meist keine Information über die Wertschätzung der Bewerber besitzt. Dieses Informationsdefizit macht es für einen Monopolisten sinnvoll, durch Versteigerung statt durch einseitige Festsetzung des Preises zu verkaufen, weil Gebote in einer Versteigerung ungefähr die Bewertung des Auktionsgegenstandes durch die Bieter enthüllen.81 Die Gebote sind zwar stets etwas niedriger als die wahre Wertschätzung durch die Bewerber, weil jeder Bieter einen Gewinn erzielen möchte. Gleichwohl entsprechen die Gebote annähernd der Bewertung des Auktionsgegenstandes, wenn es genug Teilnehmer gibt, um signifikanten Wettbewerb zu bewirken und sich die Bieter ihrer Bewertung weitgehend sicher sind.82 Trotz Wettbewerbs- und Informationsasymmetrie, die unter normalen Bedingungen zu Marktversagen führen würde, kommt es in einer Auktion so zu pareto-effizienter Allokation, weil der Bieter mit der höchsten Wertschätzung das Gut erhält.83
II. Anwendbarkeit des Auktionsmechanismus auf öffentlich-rechtliche Verteilungsordnungen Die Situation eines zweifach asymmetrischen Marktes besteht auch bei öffentlich-rechtlichen Verteilungsordnungen. Der Staat ist für die Vergabe des relevanten Klassifizierung hinaus ist es bislang nicht gelungen, eine umfassende Theorie des Marktversagens, insbesondere zu dessen Ursachen, zu entwickeln. 78 McAffee / McMillan (1987) S. 703. 79 Der Informationsaustausch wird als eine der wichtigsten Funktionen des Marktes angesehen, vgl. Hayek (1945) S. 526 f. 80 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 37 sprechen daher von einem zweifach asymmetrischen Markt. 81 McAffee / McMillan (1987) S. 704; Milgrom (1986) S. 14. 82 McMillan (1995) S. 193. 83 McAffee / McMillan (1987) S. 711.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Gutes Monopolist. Er hat typischerweise keine oder nur unvollständige bzw. unvollkommene Informationen über die Wertschätzung des Gegenstandes durch die Bieter.84 Da auch die verteilende Behörde für eine effiziente Verteilung auf Informationen angewiesen ist, kommt aus ökonomischer Sicht eine Versteigerung als Vergabemechanismus in Betracht. Effizienz ist bei Vergabeentscheidungen für die verteilende Behörde bislang jedoch kein oder nur ein untergeordnetes Kriterium. Ziel staatlicher Verteilung ist neben der rechtmäßigen und gerechten Verteilung die Regulierung des nachfolgenden Marktes. Auch dieses Ziel kann aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht mit einer Versteigerung erreicht werden.
1. Möglichkeit der Regulierung durch Versteigerung In der ökonomischen Literatur werden Versteigerungen als flexibles Mittel zur Durchsetzung öffentlicher Zwecke bezeichnet.85 Wenn sich der Staat nicht darauf beschränke, eine Versteigerung nach dem einfachen Schema „Höchstes Gebot = Gewinner“ durchzuführen, sondern komplexere Versteigerungsregeln einsetze, könne das Verfahren dazu verwendet werden, die verschiedensten politischen und regulativen Ziele zu verfolgen. So könne ein Teil der versteigerten Güter abgespalten werden und in einem gesonderten Versteigerungsverfahren vergeben werden, in welchem nur bestimmte Bietergruppen, die bevorzugt behandelt werden sollen, teilnehmen können. Eine andere Möglichkeit sei die Einräumung von Preisvorteilen an privilegierte Bietergruppen, indem deren Gebote als bevorrechtigt gelten, wenn sie sich im Rahmen eines zu bestimmenden Prozentsatzes unter dem höchsten Gebot der nicht-privilegierten Teilnehmer befinden. Marktmachtkonzentrationen könnten durch Erwerbsbeschränkungen oder Ausschluss überragend marktstarker Bieter verhindert werden.86 Erfahrungen mit Frequenzauktionen im Ausland bieten Anwendungsbeispiele für diese Vorschläge.87 In den USA ist es ein Ziel der zuständigen Federal Communications Commission (FCC), kleine und mittlere Unternehmen, Gesellschaften, die von ethnischen Minderheiten oder Frauen dominiert sind, sowie ländliche Telefonanbieter bei der Vergabe zu bevorzugen. Daher wurde diesen in einigen Versteigerungen ein Preisvorteil von 40% auf das höchste Gebot eingeräumt und RatenZu dieser Unterscheidung Feess (1997) S. 583 ff. McMillan (1995) S. 194: „Auctions are flexible policy tools“. 86 Dazu insgesamt McMillan (1995) S. 194 ff. 87 Insbesondere die Frequenzauktionen in den USA sind von großem wissenschaftlichen Interesse begleitet worden, das inzwischen umfangreiche Analysen und empirische Untersuchungen hervorgebracht hat, vgl. McAffee / McMillan (1996) S. 159 ff.; McMillan (1995) S. 191 ff., jeweils m. w. N. Die Analysen der erst später eingeführten europäischen Frequenzauktionen sind hingegen weniger umfangreich, vgl. aber Klemperer (2001a) S. 2 ff.; ders. (2002a) S. 2 ff.; ders. (2002b) S. 3 ff. m. w. N. 84 85
1. Kap.: Die Ausgangslage
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zahlung gewährt, in anderen Versteigerungen wurde ein Viertel des Frequenzspektrums für die privilegierten Firmen reserviert.88 Unternehmen, die für besonders wichtige technische Innovationen belohnt werden sollen, können ebenfalls bevorzugt behandelt werden.89 Ökonomen verweisen darauf, dass jedes staatliche Interesse, das in einem klassischen administrativen Vergabeverfahren Differenzierungskriterium sein soll, auch in einem Auktionsverfahren genutzt werden kann, wenn es möglich ist, dieses ausdrücklich und präzise zu benennen und es vor Beginn der Versteigerung bekannt gemacht wird.90
2. Bedeutung des Auktionsdesigns für den Erfolg einer Versteigerung Aus ökonomischer Sicht sind Auktionen ein theoretisch geeignetes Vergabeverfahren für knappe Gemeinschaftsgüter. Für die praktische Umsetzung einer Versteigerung als Regulierungsinstrument muss die Auktionstheorie jedoch erklären, wie in einer Versteigerung die öffentlichen Vergabeziele sichergestellt werden können und wie einem Marktversagen vorgebeugt werden kann. Entscheidender Punkt für die praktische Umsetzung des Versteigerungskonzepts ist das Auktionsdesign. Das Versteigerungsdesign ist der institutionelle, regulatorische Rahmen eines Versteigerungsverfahrens; es regelt die Verfahrensweise und die Modalitäten des Zuschlags. Abgesehen von der Möglichkeit des Versteigerungsabbruchs bietet es die einzige Möglichkeit der Verwaltung, auf die Verteilungsentscheidung Einfluss zu nehmen. Innerhalb des Auktionsmechanismus erfolgt die Entscheidungsfindung nur anhand der Bewertung des Auktionsgegenstandes durch die Bieter. Dies macht eine sorgfältige Modellierung des Designs seitens der veranstaltenden Behörde notwendig. Fehler hierin können den Erfolg des Vergabeverfahrens gefährden, weil die falschen Bieter gewinnen oder die Regulierungsziele verfehlt werden.
88 McMillan (1995) S. 194 f. Im Kontext des deutschen Telekommunikationsrechts erklärt sich so die Regelung des § 11 Abs. 4 S. 3 TKG, wonach die Versteigerungsregeln „die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen sollen“. In der telekommunikationsrechtlichen Literatur wird diese Norm hingegen als lediglich politische Zielvorgabe angesehen, vgl. Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 24; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 16 („ohne konkreten Regelungsgehalt“). 89 McMillan (1995) S. 195 mit weiteren Anwendungsbereichen, so der Privilegierung inländischer Unternehmen durch Einräumung eines Preisvorteils oder dem Sonderfall der Frequenzauktion in Argentinien, wo nicht das höchste Preisgebot Zuschlagskriterium war, sondern das Versprechen, landesweite Netzabdeckung und -funktionsfähigkeit in möglichst kurzer Zeit zu erreichen. 90 McAffee / McMillan, (1989) S. 291 ff.; McMillan (1995) S. 195: „Auctioning is consistent with managed competition“.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
a) Grundformen des Versteigerungsdesigns Ausgangspunkt auktionstheoretischer Überlegungen zum Design für staatliche Vergabeverfahren ist das Versteigerungsdesign privatwirtschaftlicher Auktionen. Dabei werden vier Grundformen der Versteigerung unterschieden, die jeweils im Preisbildungsmechanismus voneinander abweichen, nämlich englische Auktion, holländische Auktion, verdeckte Auktion zum Gebotspreis und verdeckte Auktion zum zweithöchsten Preis.91 Die englische Auktion entspricht dem allgemein mit einer Versteigerung assoziierten Verfahren. Dabei werden von den Bewerbern, beginnend bei einem niedrigen Preis, nacheinander Gebote abgegeben. Die Gebotsabgabe erfolgt offen, also im Beisein der übrigen Interessenten und für diese erkennbar. Jeder Interessent kann das bisherige Höchstgebot durch Abgabe eines höheren Gebotes übertreffen. Die Auktion ist beendet, wenn kein Überbieten mehr erfolgt. Der Letztbieter erhält den Auktionsgegenstand und zahlt dafür den Preis seines Gebotes. Spiegelbild der englischen Auktion ist die holländische Auktion. Bei ihr beginnt der Auktionator bei einem hohen Preis, der schrittweise gesenkt wird. Der erste Interessent, der einen ausgerufenen Preis akzeptiert, erhält den Zuschlag und zahlt den akzeptierten Preis. Die verdeckte Auktion zum Gebotspreis (sog. first-price sealed bid auction) verlangt von den Bietern die Abgabe verdeckter, für die anderen Bieter geheimer, Gebote. Von jedem Bewerber wird nur ein einziges Gebot abgegeben. Alle Gebote werden vom Auktionator gleichzeitig geöffnet und der Höchstbieter erhält den Zuschlag zum Preis seines Gebotes. Die verdeckte Auktion zum zweithöchsten Preis (sog. second-price sealed bid oder Vickrey auction) verlangt von den Bietern ebenfalls die Abgabe nur eines, geheimen Gebotes. Der Auktionator erteilt wiederum dem Höchstbieter den Zuschlag, dieser zahlt allerdings nur den Preis des zweithöchsten abgegebenen Gebotes. Die verschiedenen Auktionsverfahren verlangen unterschiedliche Strategien. In allen Erstpreisauktionen maximiert ein Bieter seinen Gewinn, indem er nicht seine wahre Wertschätzung offenbart, sondern einen Preis zwischen dem letzten bzw. erwarteten Höchstgebot und dem subjektiven Wert des Gutes abgibt; in einer Zweitpreisauktion ist hingegen die Offenbarung der wahren Wertschätzung eine dominante Strategie. Unter der Annahme eines idealisierenden Marktmodells, in dem der Wert des Auktionsgegenstandes ausschließlich von der persönlichen Entscheidung der Bieter abhängig ist und alle Bieter ihr Verhalten am stochastisch ermittelten Erfolgswert ausrichten (sog. Risiko-Neutralität92), ist die Wahl des Versteigerungsverfah91 Zu dieser Typisierung und den jeweiligen Vor- und Nachteilen Götzke (1994) S. 198; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 44; Klemperer (1999) S. 229; Kurse (1993) S. 188 ff.; McAffee / McMillan (1987) S. 702; Wolf (1995) S. 14 ff. 92 Dazu Feess (1997) S. 40.
1. Kap.: Die Ausgangslage
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rens für das Ergebnis unerheblich, weil Preis und Güterallokation in jedem der genannten Verfahren gleich sind.93
b) Störung des Auktionsmechanismus durch Marktversagen Dieses Idealmodell entspricht nicht der Realität. Auf einem realen Markt wird der Erfolg einer Versteigerung vor allem durch zwei Umstände gefährdet. Diese sind der sogenannte Fluch des Gewinners und die Gefahr von Kollusionen. Der Fluch des Gewinners (winner’s curse) entsteht aus der Kombination von zwei Umständen. Wenn der Auktionsgegenstand ein Wirtschaftsgut ist, das zur Grundlage weiterer wirtschaftlicher Tätigkeit gemacht werden soll, ist der Wert des Gegenstandes nicht nur von der persönlichen Einschätzung der Bieter, sondern auch von externen Umständen abhängig (common value bzw. correlated value auction94). Auch verhalten sich Bieter in der Realität eher risikoavers, ziehen also einem stochastisch ermittelten höheren Erwartungswert den niedrigeren Erwartungswert vor, wenn dieser mit einem geringeren Risiko verbunden ist.95 Unter diesen Umständen besteht die Gefahr von Überbewertungen, also das Risiko des Höchstbietenden, mit seinem Gebot den wahren Wert des Auktionsgegenstandes überschätzt zu haben. Der Gewinn ist ein „Fluch“, weil der Höchstbieter zwar als Sieger aus dem Versteigerungsverfahren hervorgeht, aber wirtschaftlich ein Verlustgeschäft gemacht hat. Ein weiteres praktisches Problem von Versteigerungsverfahren ist die Gefahr von Kollusionen und Bieterkartellen.96 Durch Absprachen der Bieter wird der Marktmechanismus konterkariert und das Versteigerungsverfahren ad absurdum geführt. Zudem können die Markteckdaten (z.B. Wettbewerbsintensität, Risikoverhalten und Informationsgrad der Bieter sowie private, common oder correlated value-Bewertung des Auktionsobjektes) zu einem Zielkonflikt zwischen Erlössteigerung und Effizienz führen.97 Auktionstheoretiker sehen bei der Wahl eines geeigneten Versteigerungsdesigns und Hinzutreten flankierender Regelungen auch unter diesen Umständen das Er93 McAffee / McMillan (1987) S. 707. Das Modell steht noch unter zwei weiteren Bedingung: (1) Bietersymmetrie, dh. gleichzeitiges Auftreten aller Bieter am selben Ort (a. a. O. S. 714) sowie (2) Der Preis ist ausschließlich eine Funktion der Gebote, dh. der zu zahlende Preis wird nicht durch zusätzliche Faktoren bestimmt, wie etwa eine Gewinnbeteiligung des Verkäufers aus der Nutzung des Gutes durch den Gewinner (a. a. O. S. 716). 94 Dazu z. B. Klemperer (1999) S. 229. 95 Feess (1997) S. 40. 96 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 51 ff.; Wolf (1995) S. 16 ff. 97 Daneben kann auch der unterschiedlich große Zeitaufwand für die Wahl eines Versteigerungsdesigns entscheidend sein, Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 51 ff.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
zielen optimaler Ergebnisse gewährleistet. Der Gefahr kollusiver Absprachen könne durch geheime und einstufige Auktionen begegnet werden, weil diese angesichts fehlender Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten des Kartells nur geringe Kartellstabilität aufwiesen. Flankierend könnten die üblichen Mittel des Kartellund Wettbewerbsrechts eingesetzt werden. Die Gefahr von Überbewertungen sei um so geringer, je mehr Informationen die Bieter hätten. Das Offenlegen aller Informationen des Auktionators sowie mehrstufige Auktionen steuerten daher diesem Problem entgegen. Intensiver Bieterwettbewerb erhöhe ebenfalls den Informationsfluss. Je größer die Anzahl der Bieter sei, desto stärker sei der Wettbewerb zwischen den Bietern und desto mehr Informationen über die Wertschätzung der Bieter würden bekannt. Dies schwäche auch die Auswirkungen risikoaversen Verhaltens, weil die Unsicherheit über den wahren Wert des Gutes verringert werde. Bei geringem Wettbewerb, hoher Risikoaversion und geringer Informationsdichte führe die englische Auktion eher zu hohen Erlösen als zu effizienter Allokation während die Vickrey-Auktion eher effiziente Allokation bei geringerem Erlös zu Folge habe.98 Nach ihren Eigenschaften in groben Zügen geordnet ergibt sich für die vier Grundformen des Versteigerungsdesigns daher das folgende Bild:99 Die englische Auktion stellt hohen Erlös, effiziente Allokation und Enthüllung von Information sicher, ist allerdings anfällig für Kollusion. Die holländische Auktion und die verdeckte Auktion zum Gebotspreis bergen geringe Kollusionsgefahr, enthüllen aber keine Informationen über die übrigen Bieter und sind tendenziell eher ineffizient.100 Die Vickrey-Auktion stellt effiziente Allokation sicher und wirkt kollusivem Verhalten entgegen. Allerdings werden keine Informationen enthüllt und der Versteigerungserlös ist eher niedrig. Die Wahl des konkreten Versteigerungsdesigns ist davon abhängig, welche Ziele der Auktionator verfolgt und wie die Eckdaten des relevanten Marktes beschaffen sind. Der Allokationsmechanismus der Versteigerung kann in der Praxis nicht auf ein einziges Design reduziert werden, sondern ist situationsgebunden: „Auction design is not one fits all“.101
c) Versteigerungsdesign als Instrument zum Verhindern von Marktversagen Auch bei der Suche nach dem passenden Auktionsdesign in einem staatlichen Vergabeverfahren ist die Situationsgebundenheit des Versteigerungsdesigns zu 98 Dazu insgesamt McAffee / McMillan (1987) S. 720, 723, 725; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 51. 99 Die folgende Darstellung entspricht im Wesentlichen der Einteilung von Wolf (1995) S. 20. 100 Die verdeckte Erstpreisauktion ist allerdings weniger zeitaufwändig, Wolf (1995) S. 18 ff. 101 Klemperer (2000) S. 22.
1. Kap.: Die Ausgangslage
43
beachten. Die Versteigerungstheorie geht davon aus, dass sich grundsätzlich eine der vier institutionellen Grundformen eignet, wobei die Wahl des konkreten Auktionsdesigns von der jeweiligen behördlichen Zielsetzung abhänge.102 In gewissen Fällen empfehlen Versteigerungstheoretiker für staatliche Vergabeverfahren komplexere Auktionsformen, weil diese besser geeignet seien, die praktischen Problem eines Versteigerungsverfahrens zu lösen. Komplexere Auktionsformen sind meist simultane mehrstufige elektronische Verfahren, bei denen Gebote über vernetzte Computer abgegeben werden und in mehreren Runden gleichzeitig auf mehrere Auktionsgegenstände geboten wird.103 Ausgangspunkt komplexer Vergabeverfahren sind die vier Grundformen des Auktionsdesigns. Als Vorteile gegenüber diesen werden unter anderem die folgenden Aspekte genannt: Simultane mehrstufige elektronische Verfahren bewirken eine Abschwächung der Gefahr von Überberwertungen in einer common value-Auktion, bei Wertinterdependenz der Auktionsobjekte entstehen symmetrische Preise und die Gefahr von Bieterabsprachen ist gering.104 Diesen Vorteilen stehen die hohe Komplexität des Verfahrens, großer Zeitaufwand und nicht unerhebliche Verfahrenskosten gegenüber. Die Vielschichtigkeit solcher Verfahren macht es dem Staat fast unmöglich, ohne fachkundige spieltheoretische Beratung ein funktionsfähiges Versteigerungsdesign zu entwerfen. Auf der anderen Seite sind auch die teilnehmenden Bieter kaum in der Lage, ohne Beratung die jeweils richtige (dominante) Bieterstrategie zu entwickeln, da das Verfahren sehr viele Entscheidungen zur gleichen Zeit verlangt. Weil das Verfahren über viele Runden läuft, ist es meist sehr zeitaufwendig. Hohe Kosten entstehen bei dem Verfahren zum einen durch die notwendigen ökonomischen Berater auf Seiten des Staates und der Bieter. Kostenträchtig sind aber auch Entwicklung und Test der Auktionssoftware sowie die notwendigen Schulungen der Bieter auf diesen Systemen.105 In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird dieser Aufwand nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn sehr wertvolle Rechte Gegenstand der Versteigerung sind, so dass das Argument der Kosten und Komplexität durch die zu erwartenden Vorteile des Versteigerungsverfahrens überwogen wird und die Komplexität zumutbar ist.106 Sofern keine wesentlichen Gründe dagegen sprechen, sollte aus ökonomischer Sicht auch bei staatlichen Vergabeverfahren eines der vier einfachen Auktionsdesigns gewählt werden.107
Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 53. So empfehlen Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 55 f. ein solches Verfahren für Versteigerungen nach § 11 Abs. 4 TKG; die bisherigen Frequenzversteigerungsverfahren im europäischen Ausland (dazu Klemperer [2002a] S. 4 ff.) sowie in den USA (dazu McAffee / McMillan [1996] S. 159 ff.) waren ebenfalls komplexe elektronische Auktionen. 104 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 56 f. 105 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 57. 106 McMillan (1994) S. 155. 107 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 53. 102 103
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
D. Rechtliche Grundlagen und Ablauf einer regulativen Versteigerung Zur Darstellung von Durchführung und Ablauf einer Versteigerung stehen im deutschen Recht kaum Untersuchungsobjekte zur Verfügung, da Versteigerungen nur im TKG geregelt sind. Für die Darstellung wird im Folgenden von diesen Regelungen ausgegangen, da sich auch der Gesetzgeber am TKG orientieren würde, wenn er sich entschlösse, das Versteigerungsverfahren auf andere Rechtsbereiche auszudehnen. I. Die Versteigerungsregelung im TKG 1. Anwendungsbereich Die Versteigerungsregelung der §§ 10 und 11 TKG bezieht sich auf das Lizenzierungsverfahren der §§ 6 ff. TKG. Das Lizenzierungsverfahren dient der Regelung des Zutritts zu den Telekommunikationsmärkten in Form eines präventiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt. In Anlehnung an internationale Gepflogenheiten108 heißt die staatliche Erlaubnis Lizenz und berechtigt nach § 3 Nr. 7 TKG zum Anbieten bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit. Lizenzen bestehen nach § 6 TKG in verschiedenen Lizenzklassen. Die Lizenzerteilung richtet sich grundsätzlich nach § 8 TKG, der eine Reihe gewerberechtlicher Voraussetzungen aufstellt, die Erteilung im Übrigen aber weder beschränkt noch kontingentiert. Die Versteigerungsregelungen der §§ 10 und 11 TKG gelten nur für Mobilfunklizenzen und die Vergabe von Funkfrequenzen.109 Solange genügend Frequenzkapazitäten bestehen, um allen Bewerbern die begehrten Frequenzblöcke zuzuweisen, entspricht auch das Vergabeverfahren für Mobilfunklizenzen dem allgemeinen Lizenzierungsverfahren. Da nach Erteilung einer Mobilfunklizenz110 Anspruch auf Zuweisung der notwendigen Funkfrequenzen besteht (§ 8 Abs. 5 TKG), existiert im Lizenzzierungsverfahren zusätzlich zu den ordnungsrechtlichen Gründen ein weiterer Versagungsgrund, wenn die Regulierungsbehörde über keine zuweisbaren Frequenzen verfügt (§ 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 TKG), weil die Nachfrage der Lizenzbewerber die bestehenden Frequenzkapazitäten übersteigt. Die Knappheitssituation der Lizenzen ergibt sich vordergründig aus der behördlichen Beschränkung nach Scherer (1996) S. 2955. Für Lizenzen ergibt sich dies direkt aus § 11 Abs. 2 S. 1 TKG, für Frequenzen aus der Verweisung in § 47 Abs. 5 S. 2 TKG. 110 Spoerr / Deutsch (1997) S. 307; zweifelnd Ruffert (1999) S. 256 f. Außer Mobilfunklizenzen (§ 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. a TKG) betrifft § 8 Abs. 5 TKG auch die Erteilung von Lizenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen (§ 11 Abs. 7 TKG). Da für letztere das Versteigerungsverfahren jedoch ausdrücklich ausgeschlossen ist, bleiben diese im Folgenden unberücksichtigt. 108 109
1. Kap.: Die Ausgangslage
45
§ 10 TKG. Tatsächlich knüpft diese Beschränkung jedoch an die Frequenzbereichsaufteilungen des Frequenznutzungsplans an, welche wiederum durch naturwissenschaftlich-technische Vorgaben beschränkt sind. Der Anwendungsbereich des Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 2 und 4 TKG ist daher sehr begrenzt. Er beschränkt sich auf die Vergabe von knappen Mobilfunklizenzen und knappen Funkfrequenzen. Im Versteigerungsgegenstand, der Mobilfunklizenz, verbindet das TKG zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände, nämlich zum einen die Erlaubnis zum Betrieb eines Telekommunikationsnetzes (§ 6 TKG) und zum anderen die Erteilung von Frequenznutzungsrechten für die benötigten Funkfrequenzen (§ 8 Abs. 5 i. V. m. §§ 44 bis 48 TKG). Dadurch werden unterschiedliche Rechtsfragen miteinander verknüpft. Die Betriebserlaubnis für ein Telekommunikationsnetz wirft die im Rahmen einer Kontrollerlaubnis bestehenden, grundrechtlich in erster Linie abwehrrechtlich motivierten Probleme auf. Dagegen wird mit Zuteilung von Mobilfunkfrequenzen ein Nutzungsrecht an einem öffentlich verwalteten Gemeinschaftsgut erteilt, wodurch teilhaberechtliche Fragen angesprochen werden. Die Vergaberegelung wird dadurch schwer verständlich. Eine klare rechtstechnische Trennung dieser Fragen wäre wünschenswert gewesen.111
2. Vergabe knapper Mobilfunklizenzen Die Vergabe knapper Mobilfunklizenzen erfolgt in drei Schritten. a) Lizenzbeschränkung Erster Schritt der Verteilungsordnung ist die Beschränkung der Lizenzen nach § 10 TKG. Die Regulierungsbehörde hat die Pflicht, in Abstimmung mit den betroffenen Kreisen festzustellen, inwieweit die nach Frequenzbereichszuweisungsplan (§ 45 TKG) und Frequenznutzungsplan (§ 46 TKG) für den in Rede stehenden Kommunikationsdienst zur Verfügung stehenden Frequenzen ausreichen. Wenn sich danach ergibt, dass einige Anträge mangels zuteilbarer Frequenz abgewiesen werden müssten, so muss das Beschränkungsverfahren nach § 10 TKG durchgeführt werden.112 b) Vergabeverfahren Zweiter Schritt der Verteilungsordnung ist das Vergabeverfahren nach § 11 TKG. Lizenzen, deren Anzahl nach § 10 TKG beschränkt worden ist, werden im Versteigerungs- (§ 11 Abs. 4 TKG) oder Auschreibungsverfahren (§ 11 Abs. 6 TKG) vergeben. 111 112
Kritisch zur Regelung des TKG auch Schuster / Müller (2000) S. 27. Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 10 TKG Rn. 2.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
aa) Versteigerungsverfahren (§ 11 Abs. 4 TKG) Das Versteigerungsverfahren soll nach der gesetzgeberischen Konzeption die effiziente Nutzung des knappen Gutes Funkfrequenz sicherstellen,113 weil vom Bieter des höchsten Gebotes vermutet wird, dass dieser am besten geeignet sei, „die ersteigerten Funkfrequenzen effizient . . . zu nutzen“ (§ 11 Abs. 4 S. 1). Das Versteigerungsverfahren muss bestimmten Regeln folgen (§ 11 Abs. 4 S. 3 TKG). Den Inhalt der Regeln hat der Gesetzgeber offengelassen. Die Festlegung der Versteigerungsregeln obliegt der Regulierungsbehörde, die sie im Wege der Allgemeinverfügung für jede Versteigerung bestimmt (§ 11 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 73 Abs. 3 TKG). Die inhaltlichen Vorgaben des TKG an die Versteigerungsregeln beschränken sich darauf, dass diese objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein müssen und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen sollen (§ 11 Abs. 4 S. 3 TKG); die Regulierungsbehörde kann ein Mindestgebot für die Auktion bestimmen (§ 11 Abs. 4 S. 4 TKG). In der Vergangenheit hat sich die Regulierungsbehörde für geheime, simultane, mehrstufige und elektronische Höchstgebotsversteigerungen entschieden.114 Dabei wurden mehrere Frequenzblöcke gleichzeitig versteigert; die Bieter konnten in der ersten Runde auf einen oder mehrere Frequenzblöcke gleichzeitig bieten und waren in späteren Versteigerungsrunden auf die bebotenen Frequenzblöcke der ersten Runde beschränkt. Zu späteren Runden war nur zugelassen, wer in der Vorrunde sein Gebot bestätigt hatte; für jeden Frequenzblock war die Auktion beendet, wenn für diesen keine höheren Gebote mehr abgegeben wurden.115 bb) Ausschreibungsverfahren (§ 11 Abs. 6 TKG) Das Ausschreibungsverfahren ist nach § 11 Abs. 2 TKG als Alternative zur Lizenzversteigerung vorgesehen, wenn die Versteigerung nicht geeignet ist, die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen. Der Regulierungsbehörde wird durch diese Norm zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Wahl des Verfahrens eingeräumt,116 nach Formulierung des Gesetzes ist jedoch grundsätzlich das Versteigerungsverfahren zu wählen. So die Begründung im Gesetzentwurf für das TKG BT-Drs. 13 / 3906 S. 39. Vgl. Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 2. 8. 1999, Vfg. 93 / 1999, ABl. RegTP 1999, 2379 ff. (S. 23 79) – GSM-1800-Standard; Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 18. 2. 2000, Vfg. 14 / 2000, ABl. RegTP 2000, 564 ff. (S. 564) – UMTS / IMT-2000. 115 In der UMTS-Versteigerung wurden zusätzlich in einem zweiten Versteigerungsabschnitt weitere Frequenzblöcke unter den Gewinnern des ersten Abschnitts versteigert, um die bestehenden Lizenzen unterschiedlich umfangreich auszustatten. Der Erfolg oder Misserfolg im zweiten Abschnitt hatte aber keinen Einfluss auf das „Ob“ der Lizenzerteilung, vgl. Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 18. 2. 2000, Vfg. 14 / 2000, ABl. RegTP 2000, 564 ff. (S. 564 f.) – UMTS / IMT-2000. 116 Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 8, Varadinek (2001) S. 21 ff. 113 114
1. Kap.: Die Ausgangslage
47
Auch durch das Ausschreibungsverfahren sollen die Lizenzbewerber ermittelt werden, welche am besten geeignet sind, die Nachfrage nach der in Rede stehenden Telekommunikationsdienstleistung zu befriedigen (§ 11 Abs. 6 S. 1 TKG). Die Ermittlung dieser Bewerber obliegt jedoch vollständig der Regulierungsbehörde, wobei das TKG die Kriterien für die Beurteilung in § 11 Abs. 6 vorgibt. Auch für die Zulassung zum Ausschreibungsverfahren müssen von den Bewerbern fachliche Mindestvoraussetzungen nachgewiesen werden (§ 11 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 TKG). Sofern die Behörde verschiedene Bewerber für gleich geeignet hält, wird zwischen ihnen durch Los entschieden (§ 11 Abs. 6 S. 6 TKG). c) Verfahrensabschluss Dritter Schritt der Verteilungsordnung für Mobilfunklizenzen ist der Verfahrensabschluss. Dieser erfolgt wie für alle anderen Telekommunikationslizenzen nach § 8 TKG, indem den erfolgreichen Bietern durch Verwaltungsakt die Lizenz erteilt wird (§ 11 Abs. 2 S. 1 TKG). Der Verweis in § 11 Abs. 2 S. 1 TKG bezieht sich nicht nur auf den ersten Absatz von § 8 TKG, sondern auf die ganze Vorschrift. Dies hätte zur Folge, dass auch die dort genannten subjektiven Anforderungen an den Lizenznehmer (Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit, Sachkunde) zu prüfen sind, was bei Nichtvorliegen zur Versagung der Lizenz führen muss. Mit Blick auf Ausschreibungen lässt sich dies als eine nicht notwendige Wiederholung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 TKG lesen. Zweifelhaft ist die Bedeutung dieses Verweises aber für die Versteigerung. Würde sich an den Zuschlag im Wege der Versteigerung die Prüfung der subjektiven Anforderungen an den Lizenznehmer anschließen, so müsste erfolgreichen, aber ungeeigneten Bietern die Erteilung einer Lizenz versagt werden. Der Sinn der Versteigerung als Auswahlverfahren wäre dadurch konterkariert. Soll dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung getragen werden, wonach die Versteigerung den am besten geeigneten Bewerber herauskristallisieren soll, so kommen zwei Lesarten in Betracht: Entweder ist die Behörde von der Prüfung der subjektiven Voraussetzungen des § 8 TKG ganz entbunden und auch deren Prüfung wird der Selbststeuerung des Marktes im Wege der Versteigerung überlassen.117 Oder die Behörde ist verpflichtet, diese Voraussetzungen im Vorfeld der Versteigerung zu prüfen und muss diese daher zum Gegenstand der vom Bewerber zu erfüllenden fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen nach § 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG machen. Erstere Möglichkeit würde die ordnungsrechtliche Überprüfung der Regulierungsbehörde zu Gunsten einer Selbststeuerung durch den Markt aufgeben (d. h. deregulieren), letztere wäre eine Ergänzung der staatlichen Entscheidung durch Marktgesetzmäßigkeiten. 117 Der Verweis auf § 8 TKG wäre dann als Verweis auf die Vergabe durch Verwaltungsakt und die Regelungen der Nebenbestimmungen zu lesen; § 8 Abs. 3 TKG würde hinter dem spezielleren § 11 Abs. 4 zurücktreten.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Gemeint sein kann nur die zweite Interpretation. Eine Versteigerung, deren Ergebnis durch eine nachträgliche Prüfung korrigiert wird, wäre ein sinnloses Verfahren. Zum einen würde der Auswahlmechanismus der Versteigerung zerstört, wenn das gewonnene Ergebnis nicht akzeptiert wird. Zum anderen wäre eine solche Versteigerung auch nicht zweckmäßig im Sinne der gesetzgeberischen Konzeption. Der Preis einer Telekommunikationslizenz wäre vom Bieterverhalten aussichtsloser Bewerber abhängig, was dazu führen würde, dass diese mangels Erfolgsaussichten wirtschaftlich unsinnige, überhöhte Gebote abgeben könnten und damit geeignete Bewerber verdrängen würden, die ihr Verhalten an wirtschaftlich sinnvollen Maßstäben ausrichten. Soll der gesetzgeberischen Intention Rechnung getragen werden, so müssen die subjektiven Voraussetzungen vor Durchführung des Versteigerungsverfahrens geprüft werden. Die Versteigerung wird damit zu einem marktgesteuerten Auswahlverfahren zwischen erwiesenermaßen zuverlässigen, leistungsfähigen und fachkundigen Bewerbern, also solchen Bewerbern, die zum Erbringen der in Rede stehenden Telekommunikationsdienstleistung in der Lage sind. Der Verweis auf § 8 TKG stellt aber eines sicher: Die Lizenzerteilung erfolgt nachdem das Versteigerungsverfahren durchgeführt worden ist. Das Vergabeverfahren ist also auch nach Ende der Versteigerung noch nicht abgeschlossen. Die Trennung von Versteigerungsende und Lizenzerteilung und der Verweis auf § 8 TKG ermöglicht daher eine andere Kontrollmöglichkeit, als die nach § 8 Abs. 3 TKG. Die Regulierungsbehörde kann nach Abschluss der Versteigerung die Regelkonformität der Versteigerung und die Rechtmäßigkeit des Verfahrensablaufs überprüfen. Erkennt sie dabei, dass es zu Verfahrensfehlern gekommen ist, so kann die Lizenzerteilung verweigert werden.
3. Versteigerungserlös Über die Erhebung des Versteigerungserlöses enthält das TKG keine Regelung. Abgabenregelungen des TKG sind die §§ 16, 43 Abs. 3 und 48 TKG. § 43 Abs. 3 TKG betrifft Gebührenerhebungen für die Zuteilung von Rufnummern. Die beiden anderen Normen enthalten eine Verordnungsermächtigung zur Regelung der gebührenpflichtigen Tatbestände und der Gebührenhöhe für die Lizenz- (§ 16 Abs. 1 TKG) bzw. Frequenzzuteilung (§ 48 I TKG).118 Sie regeln die Erhebung klassischer (kostenorientierter) Verwaltungsgebühren119 und finden auf die Erhebung des Versteigerungserlöses keine Anwendung, da sich dessen Höhe im Voraus nicht festlegen lässt. Dass der Gesetzgeber die Erhebung des Versteigerungserlöses gleichwohl nicht übersehen hat, ergibt sich aus dessen Erwähnung in § 16 Abs. 2 TKG, der entsprechend für § 48 Abs. 1 TKG gilt (§ 48 Abs. 1 S. 3 TKG). Danach werden Lizenz- und Frequenzgebühren auf die Erhebung des Versteige118 § 48 Abs. 2 u. 3 TKG enthalten zusätzlich noch eine Beitragsregelung für die Frequenznutzung mit entsprechender Verordnungsermächtigung. 119 Schütz in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 16 Rn. 1a.
1. Kap.: Die Ausgangslage
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rungserlöses angerechnet; eine Norm, die ausdrücklich zur Erhebung des Versteigerungserlöses ermächtigt, findet sich aber nicht. In der bisherigen Versteigerungspraxis wurde die Erhebung des Auktionserlöses auch in den als Allgemeinverfügung festgelegten Versteigerungsregeln nicht geregelt.120 Diese enthielten nur jeweils einen Abschnitt über „Zahlungsmodalitäten“, in dem festgelegt wurde, innerhalb welchen Zeitrahmens der Versteigerungserlös zu entrichten ist. Die Aufforderung zur Entrichtung des Versteigerungserlöses erfolgte erst nach Ende der Auktion durch eine schriftliche Zahlungsfestsetzung.121
II. Mögliche Variationen der gesetzlichen Regelung Als Prototyp einer Versteigerungsregelung kann § 11 Abs. 4 TKG in verschiedene Richtungen variiert werden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind besonders die folgenden Abwandlungen der Regelung denkbar. Abgesehen von der wünschenswerten Trennung von ordnungsrechtlicher Zuverlässigkeitsprüfung und der Verteilungsentscheidung wäre es möglich, das Verfahren nicht122 oder aber detaillierter gesetzlich zu regeln. So könnte der Spielraum, welcher der versteigernden Behörde bei der Vergabeentscheidung zusteht, vermindert werden, indem die Auktionsregeln ganz oder in Teilen vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden; auch die Rechtsgrundlage für die Erhebung des Versteigerungserlöses könnte gesetzlich konkretisiert werden. Noch mehr Variationsmöglichkeiten bestehen beim Verfahrensabschluss. An Stelle abschließender Vergabe durch Verwaltungsakt könnte das Verfahren bereits mit Zuschlagserteilung abgeschlossen werden. Diese könnte als Erteilung eines Verwaltungsaktes oder aber als Verfahren zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne von § 54 VwVfG geregelt werden. Für die Vertragsvariante kann hinsichtlich der Bindungswirkungen auf den Rechtsgedanken zurückgegriffen werden, der in der zivilrechtlichen Regelung der Auktion zum Ausdruck kommt. Entsprechend § 156 S. 2 BGB wären Gebote der Bieter als Offerten zu werten, welche durch Abgabe eines Übergebotes oder Abbruch der Versteigerung erlöschen. Die Annahme seitens der Verwaltung läge in der Erteilung des Zuschlags, der entsprechend § 156 S. 1 BGB das Zustan120 Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 18. 2. 2000, Vfg. 14 / 2000, ABl. RegTP 2000, 562 ff. (S. 567) – UMTS-Versteigerungsregeln; Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 2. 8. 1999, Vfg. 93 / 1999, ABl. RegTP 1999, 2379 ff. (S. 2381) – GSM-1800-Versteigerungsregeln. 121 Für das UMTS-Verfahren Ehlers (2001b) S. 117. 122 Denkbar ist auch, eine Versteigerung nur auf Grund behördlicher Entscheidung durchzuführen, wo das Gesetz kein besonderes Vergabeverfahren vorschreibt, wie etwa bei der Standplatzvergabe nach § 70 Abs. 3 GewO vorgeschrieben. Kritisch zum Fehlen einer gesetzlichen Regelung aber Roth (1985) S. 57 f. Wie sich später zeigen wird [unten 3. Kapitel B. III. 3. b)], ist die Durchführung einer Versteigerung aber nur bei gesetzlicher Ermächtigung zulässig, so dass der Fall behördlicher Entscheidung im Folgenden vernachlässigt werden kann.
4 Leist
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
dekommen des Vertrages bewirken würde.123 Ein solcher Verwaltungsvertrag wäre Austauschvertrag im Sinne von § 56 VwVfG, bei dem die staatliche Leistungspflicht in der Erteilung eines Nutzungsrechtes liegt; durch den Bürger ist die entsprechend den Versteigerungsregeln und dem Ausgang der Auktion bestimmte Gegenleistung zu erbringen.
III. Ablauf einer Versteigerung Die Kenntnis der – tatsächlichen oder denkbaren – gesetzlichen Grundlagen eines Versteigerungsverfahrens vermittelt noch keine Kenntnis darüber, wie eine Auktion praktisch vonstatten geht.124 Das Bild der dem Juristen bekannten Zwangsversteigerung im Vollstreckungsrecht125 entspricht dem Ablauf einer Versteigerung als verwaltungsrechtliches Vergabeverfahren nur teilweise,126 insbesondere deshalb, weil in diesem Bild eine regulierende Behörde nicht vorhanden ist. Für die rechtliche Beurteilung ist die richtige Vorstellung vom Ablauf einer Auktion aber wichtig, um nachvollziehen zu können, welche Aufgaben die Verwaltung in einer Versteigerung hat, welchen Bindungen sie durch das Verfahren unterliegt und welche Rolle das Auktionsdesign spielt. Regulative Auktionen sind ein gestuftes Verwaltungsverfahren, welches wenigstens drei Stufen, nämlich die Verfahrensvorbereitung (dazu 1.), die Gebotsabgabe (dazu 2.) und den Verfahrensabschluss (dazu 3.) umfasst.127 Planung und Durchführung einer Auktion obliegen dabei der zuständigen Behörde.128
1. Verfahrensvorbereitung Die Konzeption beginnt mit dem Festlegen der Regulierungsziele und möglicher Regelungsstrategien zu deren Erreichen, um anschließend das Auktionsdesign 123 Zum Zustandekommen von Verträgen bei Versteigerungen Kramer in: Münchener Kommentar (2001) § 159 Rn. 3 ff. 124 Zum Ablauf der UMTS-Versteigerung Breuer (2001) S. 31 ff., wobei diese Darstellung allein auf die Gebotsabgaben beschränkt ist und nicht erkennt, dass für die Regulierungsbehörde im Vorfeld der Vergabe Planungs- und Steuerungsaufgaben bestanden. 125 Auch Altmeppen / Bunte (2001) S. 460 assoziieren zunächst dieses Verfahren. 126 Ebenso Ruffert (1999) S. 258. 127 Müller-Terpitz (2002) S. 79, der mit Blick auf die Regelung des TKG von sechs Stufen ausgeht, weil er auch Lizenzbeschränkung, Verfahrenswahl und Zulassung der Bewerber mit einbezieht, a. a. O. S. 80. 128 Hat der Gesetzgeber die zuständige Behörde nicht bereits auf die Versteigerung festlegt, so geht dem die Bestimmung des Vergabemechanismus voraus. Die Konzeption von Versteigerungen wird aus ökonomischer Sicht beschrieben von Klemperer (2000) S. 2 ff. sowie ders. (2002a) S. 2 ff.; ders. (2001a) S. 2 ff.; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 79; den Ablauf der UMTS-Versteigerung schildert (aus juristischer Sicht) Breuer (2001) S. 31 ff.
1. Kap.: Die Ausgangslage
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(z.B. als englische Auktion) und die Versteigerungsregeln (z.B. Art und Weise der Gebotsabgabe und Zuschlagserteilung) festzulegen.
a) Festlegen der Regulierungs- und Vergabeziele Erster Schritt ist das Festlegen der Regulierungsziele. Weil es nicht möglich ist, während der Versteigerung auf die Auswahl Einfluss zu nehmen, können Regulierungsziele nur im Versteigerungsdesign und in den Auktionsregeln berücksichtigt werden. Der Zielfestlegung im Vorfeld kommt daher entscheidende Bedeutung zu; diese Aufgabe obliegt der vergebenden Behörde, sofern der Inhalt dieser Ziele durch den Gesetzgeber nicht abschließend vorgegeben ist.129 Im Unterschied zu klassischen Vergabeverfahren ist die im Voraus vorgenommene Festlegung notwendig abschließend, weil die zuständige Behörde mit Beginn der Auktion keinen Einfluss mehr auf die Auswahl hat und daher keine neuen Regulierungsziele berücksichtigt werden können. Dadurch kann zwar der Eindruck sachwidriger Einflussnahme oder Bevorzugung vermieden werden, so dass die Vergabeentscheidung an Transparenz gewinnt.130 Die Notwendigkeit abschließender Festlegung im Voraus stellt an die Behörde jedoch hohe Anforderungen, weil sie mögliche Gefahren antizipieren muss.
b) Entwicklung von Regelungsstrategien Zweiter Schritt ist das Entwickeln von Regelungsstrategien, um die verfolgten Regulierungs- und Vergabeziele durchzusetzen. Möglichkeiten der Durchsetzung liegen zum einen in der Modifikation der Versteigerungsregeln, zum anderen in flankierenden ordnungsrechtlichen Regelungen oder Nutzungsbeschränkungen für den Auktionsgegenstand.131 Da die Regulierung in einer Versteigerung durch Festlegen der Rahmenbedingungen der Vergabe erfolgt, bedeutet die Entwicklung von Regelungsstrategien das Modellieren und Modifizieren dieser Rahmenbedingungen. Auf Grund des mikroökonomischen Auktionskonzeptes erklärt sich, dass es dabei in besonderem Maße notwendig ist, auf ökonomische Zusammenhänge 129 Im Vergabeverfahren der Mobilfunklizenzversteigerungen werden durch das TKG die Gewährleistung flächendeckender Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen, die Sicherstellung funktionsfähigen Wettbewerbs und die effiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 TKG) sowie die Förderung der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen (§ 11 Abs. 4 S. 2 TKG) vorgegeben. Weitere denkbare Regulierungsziele sind beispielsweise die Förderung besonders innovativer Unternehmen, die möglichst schnelle Einführung einer neuen Technologie, erschwingliche Konsumentenpreise oder die Verteilung komfortabler, ein breites Frequenzspektrum umfassender Lizenzen, vgl. Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 38. 130 McMillan (1995) S. 196. 131 Vgl. Koenig (1994) S. 410.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Bezug zu nehmen.132 Für das Vorgehen sinnvoll ist aber auch, mögliche Regelungsstrategien zunächst für jedes Regulierungsziel getrennt zu entwickeln, da sich verschiedene Strategien widersprechen können, wie sich an folgendem Beispiel zeigt: Gehört die Herstellung von Wettbewerb zu den Vergabezielen, so ist die Teilung der vorhandenen Kapazitäten in möglichst viele Anteile und die Beschränkung des Erwerbs auf einen Anteil pro Bieter133 sinnvoll, da sich bei mehr Marktteilnehmern der Wettbewerb verstärkt. Wenn ein weiteres Vergabeziel die effiziente Nutzung des Auktionsgegenstandes ist, kann hingegen die komfortable Kapazitätsaufteilung sinnvoll sein, wenn dies angesichts sogenannter Skaleneffekte, also wegen Massenproduktionsvorteilen ab einer bestimmten Produktionsmenge, Vor-aussetzung wirtschaftlich sinnvoller Nutzung ist. Diese widersprüchlichen Regelungsstrategien lassen sich unter Umständen miteinander vereinbaren, indem nicht die kleinstmögliche, sondern eine großzügigere Kapazitätsaufteilung gewählt wird oder mehrere Anteile erworben werden können. Die abschließende Festlegung auf ein konkretes Auktionsdesign ist aber erst möglich, nachdem die jeweiligen Regelungsstrategien entwickelt worden sind.
c) Festlegen des Regelungsrahmens Dritter und letzter Schritt ist nach Zielfestlegung und Strategieentwicklung die abschließende Festlegung des Regelungsrahmens der Versteigerung, also von Auktionsdesign, Versteigerungsregeln und flankierenden ordnungsrechtlichen Maßnahmen.134 Es empfiehlt sich, dabei zunächst die festgelegten Vergabeziele und die möglichen Regelungsstrategien zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen, insbesondere dort, wo einzelne Ziele oder Strategien miteinander kollidieren. Anschließend werden Auktionsdesign, Versteigerungsregeln sowie flankierende ordnungsrechtliche Regeln verbindlich festgelegt und bekannt gegeben.135
2. Gebotsabgabe Nach Festlegung und Bekanntgabe der Versteigerungsregeln sowie einem möglichen Zulassungsverfahren beginnt das eigentliche Auswahlverfahren mit der 132 McAffee / McMillan (1996) S. 159 zitieren The Economist mit den Worten: „When government auctioneers need wordly advice, where can they turn? To mathematical economists, of course.“ 133 Zu weiteren Regulierungsmöglichkeiten Koenig (1994) S. 411; Tschentscher / Koenig (1998) S. 248 f. 134 Dazu Spoerr in: Trute / Spoerr / Bosch (2001) § 11 Rn. 39 ff., 54 f.; Hahn in: Scheurle / Mayen (2002) § 11 Rn. 39 ff., insbes. 43 ff. 135 Im Rahmen von Mobilfunklizenzversteigerungen ermächtigen dazu § 11 Abs. 4 S. 3 und 4 TKG (Versteigerungsregeln und Auktionsdesign) sowie § 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 TKG (Festlegung der Lizenzbestimmungen).
1. Kap.: Die Ausgangslage
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Gebotsabgabe. In ihr bestimmen sich Verfahren und Ablauf nach den zuvor festgelegten Regeln und dem Versteigerungsdesign. Die Versteigerung beginnt, sofern dies festgelegt wurde, mit Abgabe des Mindestgebotes durch alle Bewerber. Anschließend läuft eine Versteigerung so lange, wie dies die Versteigerungsregeln vorsehen. Bei mehrstufigen Versteigerungen (z.B. einer englischen Auktion) läuft eine Auktion so lange, bis keine höheren Gebote mehr abgegeben werden; bei einstufigen Auktionen oder Versteigerungen, die auf eine bestimmte Rundenzahl festgelegt sind, werden Gebote nur solange abgegeben, bis diese Rundenzahl erreicht ist. Sofern in der Auktion nur ein Gegenstand vergeben wird, ist nach Ende der Gebotsabgabe der Höchstbieter erfolgreich. Handelt es sich um eine simultane Auktion, sind, nach Gebotshöhe angefangen beim Höchstbieter, so viele Bieter erfolgreich, bis die Kapazitäten erschöpft sind. Die Aufgaben des Staates beschränken sich während der Gebotsabgabe auf das Moderieren der Versteigerung als Auktionator. Die Auswahl der Bieter, die bei der Vergabe erfolgreich sind, wird nicht durch eine Behörde getroffen, sondern ist allein vom Ausgang der Versteigerung, also dem Bieterverhalten, abhängig. Insbesondere kann der Staat während der Auktion nicht mehr regulierend eingreifen, sondern nur das Verfahren durchführen oder die Versteigerung abbrechen. Für Akte lenkender Regulierung ist während der Versteigerung kein Raum, weil diese den marktbasierten Auswahlmechanismus ausschließen würden.
3. Verfahrensabschluss Der Abschluss des Vergabeverfahrens erfolgt durch eine nach außen bindende Verteilungsentscheidung der zuständigen Behörde. Diese kann mit der Zuschlagserteilung, dem formalen Abschluss der Gebotsabgabe, zusammenfallen. Möglich ist aber auch, Zuschlagserteilung und Verfahrensabschlussentscheidung voneinander zu trennen, wie es das TKG vorsieht.136 Die das Vergabeverfahren abschließende Entscheidung der Behörde bewirkt die Verteilung des versteigerten Gemeinschaftsgutes, begründet aber auch die Verpflichtung der erfolgreichen Bewerber, den Versteigerungserlös zu entrichten. Bei rein ökonomischer Betrachtung kann die abschließende behördliche Vergabeentscheidung vernachlässigt werden, da sie das in einem Marktprozess gefundene 136 Nach Wertung und Ausgestaltung im TKG sind Mobilfunk- und Lizenzversteigerung ein besonderes Vorverfahren zum Erlass eines Verwaltungsaktes. Die Gebotsabgabe wirkt als Mechanismus behördlicher Willensbildung, der das Vergabeverfahren nicht abschließt, sondern Grundlage der nachfolgenden Verwaltungsentscheidung ist. Der Abschluss des Vergabeverfahrens erfolgt durch Erteilung eines Verwaltungsaktes an den oder die Gewinner der Auktion, mit dem das versteigerte Nutzungsrecht erteilt wird. Der Zuschlag in der Versteigerung hat hingegen keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen, sondern entfaltet allenfalls die Bindungswirkung einer Zusicherung (§ 38 VwVfG), vgl. Punkt 3.1 der Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 21. 6. 1999, Vfg. 70 / 1999, ABl. RegTP 1999, S. 1751 ff. (S. 1751) – GSM 1800.
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1. Teil: Die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens
Ergebnis im Idealfall nur bestätigt. Schließlich wirkt der Bieterwettbewerb als Auswahlmechanismus, durch welchen die erfolgreichen Bewerber ermittelt werden. Aus rechtlicher Sicht ist die Verteilungs- und Vergabeentscheidung jedoch bedeutsam. Dieser behördliche Willensakt schließt nicht nur das Verwaltungsverfahren ab und kann damit Gegenstand von Rechtsmitteln sein, sondern bietet auch die Möglichkeit, das Vergabeverfahren einer abschließenden Prüfung zu unterziehen. Stellt sich dabei heraus, dass die Vergabe den Regulierungs- und Vergabezielen widerspricht, weil es während des Verfahrens zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist oder weil die Regulierungsziele fehlerhaft festgelegt wurden, kann die abschließende Entscheidung auch den Abbruch der Versteigerung und Neuvergabe bedeuten. Sie ist daher nur dann eine Bestätigung des Versteigerungsergebnisses, wenn die Auktion nach behördlicher Prüfung regel- und zielkonform verlaufen ist. Die Verpflichtung der erfolgreichen Bieter, den Versteigerungserlös zu entrichten, kann durch eine Nebenbestimmung (Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) zum verteilenden Verwaltungsakt begründet werden, so dass das Nutzungsrecht erst mit Bewirken der Gegenleistung entsteht. Denkbar ist aber auch die Trennung von Leistung und Gegenleistung in selbständige Verwaltungsakte, also einen begünstigenden Verwaltungsakt, der das Nutzungsrecht gewährt, und einen belastenden Verwaltungsakt, der zum Bewirken des Versteigerungserlöses verpflichtet.
2. Te i l
Verfassungsrechtliche Fragen der Regulierung durch Versteigerungen Das Konzept regulativer Versteigerungen ist grundsätzlich sowohl der nur einzelfallbezogenen Anwendung durch die Verwaltung, als auch, wie im TKG, der Umsetzung in Form eines Gesetzes zugänglich. Die Untersuchung eines Einzelfalls, dh. einer konkreten Versteigerung, müsste zunächst die Vereinbarkeit mit einfachrechtlichen Vorgaben zum Gegenstand haben. Erst anschließend wäre gegebenenfalls die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen. Anders ist dies, wenn das Konzept als solches Untersuchungsgegenstand ist. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, möglichst allgemeingültige Aussagen über die Möglichkeiten und Grenzen der Auktion als Regulierungsinstrument zu treffen. Daher ist die Verfassung Maßstab der Rechtmäßigkeit, an der sich auch einfaches Recht messen lassen muss.
A. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes Maßstab des einfachen Rechts ist nicht nur die Verfassung. Rechtmäßigkeitsvorgaben für einfache Gesetze setzen zudem die Normen der Europäischen Rechtsordnung. Jedoch wird im Folgenden die Vereinbarkeit mit diesen Normen ebenso wie die das Versteigerungsverfahren im TKG betreffende Frage der Vereinbarkeit mit Telekommunikationsverfassungsrechts zunächst zurückgestellt. Der Grund ergibt sich aus dem Untersuchungsziel: Nicht das Versteigerungsverfahren des TKG, sondern das Konzept von Versteigerungen als Regulierungsinstrument ist Gegenstand der Untersuchung. Das Telekommunikationsverfassungsrecht und insbesondere sekundäres Europarecht stellen nur an das telekommunikationsrechtliche Versteigerungsverfahren konkrete Anforderungen, beanspruchen aber nicht für jede Versteigerung Geltung. Diese Rechtsfragen werden daher einstweilen ausgeklammert. Im folgenden 2. Teil der Arbeit soll es zunächst um verfassungsrechtliche Fragen der Regulierung durch Versteigerung gehen. Da eine Untersuchung der Auktion als Regulierungsinstrument aber wohl unvollständig wäre, wenn sie keine Auskunft über die Rechtmäßigkeit des bislang einzigen tatsächlich verwirklichten Versteigerungsverfahrens geben kann, werden die telekommunikationsrechtlichen Spezifika der Verfassung sowie die europarechtlichen Anforderungen später, im 3. Teil, betrachtet werden.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
B. Versteigerungen im Vergleich mit den klassischen Vergabeverfahren Bereits die Tatsache, dass das Versteigerungskonzept nicht auf nur eine Umsetzung festgelegt ist, macht deutlich, dass regulative Versteigerungen nicht ein Rechtsproblem, sondern ein Phänomen sind. Als solches ist es mit verschiedenen Rechtsproblemen verbunden, die sich aus seiner Eigenschaft als Regulierungs- und Auswahlverfahren, aus der Einbeziehung des Marktes in die Verwaltungsentscheidung oder aus der Gegenleistungsabhängigkeit der Verteilungsentscheidung ergeben können.1 Es ist daher sinnvoll, Versteigerungen nochmals den klassischen Vergabeverfahren gegenüberzustellen. Besonders signifikant sind drei Aspekte, in welchen sich Auktionen von den klassischen Vergabeverfahren unterscheiden. Der erste Aspekt ist der Verfahrensablauf. Versteigerungen variieren den Verfahrensablauf der bekannten Verwaltungsverfahren. In den klassischen Vergabeverfahren wird die Verwaltungsentscheidung durch einen oder mehrere Amtswalter getroffen; Private sind an der Entscheidungsfindung über die Antragstellung hinaus nicht notwendigerweise beteiligt. Bei der Vergabe durch Versteigerung gestaltet sich die Mitwirkung Privater ungleich intensiver. Die Auswahlentscheidung ist von der Mitwirkung der Bewerber abhängig, weil sie sich an der Höhe der Gebote orientiert. Im Gegenzug wandelt sich die Funktion des Staates. Im Kern des Auswahlverfahrens, der Gebotsabgabe, reduziert sich die Rolle des Staates auf die eines Moderators, der die Einhaltung der Versteigerungsregeln überwacht. Dies steht in Kontrast zur Funktion des Staates in den klassischen Vergabeverfahren, in denen die Auswahl selbst durch die Verwaltung vorgenommen wird. An die Stelle behördlicher Bewertung von Eignung und Bedürftigkeit tritt die behördliche Festlegung der Regulierungsziele und die Steuerung des Marktprozesses. Staatliche Regulierungsziele werden in einem marktbasierten Vergabeverfahren durch Konturierung des institutionellen Rahmens der Marktallokation durchgesetzt, so dass das Vorfeld des eigentlichen Auswahlprozesses an Bedeutung gewinnt.2 Dieser Funktionswandel wird kritisiert. Wenn der Staat, statt selbst zu entscheiden, den größten Geldgeber zum Zuge kommen lasse, begebe er sich der Steuerungsfähigkeit.3 Verfassungsrechtliche Konnotation erhält diese in erster Linie ver1 Rechtsprobleme können sich weiterhin auch aus der Art der Versteigerungsregelung ergeben, etwa die Frage, welche Art von Regelung für eine regulative Versteigerung notwendig ist. Diese Frage, die das Auseinandersetzen mit der Normierung einer Auktion notwendig macht, wird im Rahmen der Untersuchung telekommunikationsrechtlicher Versteigerungen (unten 3. Teil) behandelt. 2 Ähnlich Spoerr in: Trute / Spoerr / Bosch (2001) § 11 Rn. 38: „hohe Bedeutung der vorgelagerten Entscheidungen“. 3 Schmidt-Jortzig (2000). Auch die in einer Umfrage der OECD vom kanadische Department of Communications gewählte Formulierung, ein Versteigerungsverfahren würde das behördliche Auswahlermessen beseitigen und dadurch die regulativen Fähigkeiten der Verwaltung schmälern, beinhaltet diese Kritik, vgl. OECD (1993) S. 181 f.
2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
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waltungswissenschaftlich anmutende Frage im Kontext der Demokratietheorie. 4 Wenn nämlich in einem behördlichen Entscheidungsprozess Lenkungsverluste auftreten, so dass das Verwaltungsverfahren durch die Behörde selbst oder übergeordnete Stellen nicht gesteuert werden kann, stellt sich die Frage, ob dadurch Staatsgewalt ausgeübt wird, die demokratisch nicht oder nur teilweise legitimiert ist (dazu sogleich im 2. Kapitel). Der zweite Aspekt ist der Auswahlmechanismus. Versteigerungen variieren den Auswahlmechanismus der klassischen Vergabeverfahren. In den klassischen Vergabeverfahren gründet sich die Auswahlentscheidung auf eine direkte Beurteilung der Leistungsfähigkeit oder Bedürftigkeit der Bewerber. Sie ist unabhängig von der Entscheidung, ob für die Erteilung des Nutzungsrechts an einem Gemeinschaftsgut Abgaben erhoben werden. In einem Versteigerungsverfahren knüpft die Auswahlentscheidung an die indirekte Beurteilung der Leistungsfähigkeit an, die in der Gebotshöhe zum Ausdruck kommt. Auktionen rezipieren den Marktmechanismus in die Verwaltungsentscheidung. Mit diesem wird auch dessen allokatives Grundkonzept, das Tauschprinzip, übernommen: Versteigerungen setzen konzeptionell das Erbringen einer Gegenleistung durch die erfolgreichen Bewerber voraus. Allerdings werden die Tauglichkeit indirekter Bewertungen sowie die Verfassungsmäßigkeit der gegenleistungsabhängigen Vergabe bezweifelt; die Kommerzialisierung der Verwaltung, welche mit dem Bedeutungsgewinn ökonomischer Konzepte verbunden ist, wird kritisiert. Diesen Einwänden wird im Rahmen der Untersuchung von Versteigerungen als Auswahlverfahren nachgegangen (dazu im 3. Kapitel). Der dritte Aspekt betrifft den Versteigerungserlös. Auktionen sind eine bislang unbekannte Art von staatlicher Einnahmequelle. Mit Rezeption des Tauschprinzips ist die Vergabe, wie bereits angedeutet, konzeptionell an das Erbringen einer Gegenleistung durch die erfolgreichen Bewerber gebunden. Zwar wird auch bei Vergabe auf Grundlage der klassischen Vergabeverfahren oftmals eine Gegenleistung erbracht, welche die zuständige Behörde in Form einer Gebühr erhebt. Diese Abgabe ist aber nicht notwendiger Bestandteil der Auswahlentscheidung, da diese unabhängig davon getroffen wird, ob der begünstigte Bewerber eine Gegenleistung erbringt. Versteigerungen sind hingegen, gleich ob vom Staat beabsichtigt oder nur in Kauf genommen, mit Einnahmen verbunden, also zugleich Einnahmequelle. 5 Den daraus erwachsenden finanzverfassungsrechtlichen Fragen geht die Untersuchung von Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle nach (unten 4. Kapitel). 4 Gemeint ist die staatsrechtliche Demokratietheorie. Zur Sinnvariabilität des Demokratietheorems in politisch-soziologischem Kontext Jestaedt (1993a) S. 138 ff. 5 Die Ökonomik verweist darauf, dass es in einem Versteigerungsverfahren nicht nur darum gehe, Geld einzunehmen. Indem eine Auktion Informationen darüber beschafft, welchen Wert die Bieter dem Auktionsgegenstand beimessen und welcher Bieter den Auktionsgegenstand am höchsten bewertet, habe ein Versteigerungsverfahren ähnliche Funktion wie die sonst üblichen Anhörungsverfahren vor behördlichen Verteilungsentscheidungen, McMillan (1995) S. 193. Es wäre aber – zumindest nach der Erfahrung der UMTS-Versteigerung – wohl blauäugig, zu unterstellen, der Staat ignoriere die Einnahmenwirkung von Auktionen.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
2. Kapitel
Versteigerungen als Verwaltungsverfahren In den klassischen Vergabeverfahren basiert die Auswahlentscheidung der Verwaltung typischerweise auf dem bewertenden Vergleich der Bewerber, die sich an Vergabezielen, Eignung der Bewerber, öffentlichen Interessen und den rechtlich geschützten Interessen der Bewerber orientiert. Die entscheidende Behörde und Private stehen sich klar getrennt gegenüber; die Bewerber werden an dem Auswahlverfahren nur als Antragsteller oder im Rahmen der Anhörung (§ 28 VwVfG) beteiligt. Von diesem Schema weicht die Vergabe durch Versteigerung ab. Während der Gebotsabgabe beschränken sich die Aufgaben der Verwaltung auf die Moderation der Versteigerung als Auktionator und auf den Abschluss der Versteigerung durch Zuschlagserteilung.6 Die Auswahl der Bieter, die bei der Vergabe erfolgreich sind, hängt wesentlich vom Ausgang der Versteigerung ab, also davon, wie die Bewerber um den Auktionsgegenstand bieten und welche Bewerber nach den Versteigerungsregeln die höchsten Gebote abgeben. Bei der Vergabe im Versteigerungsverfahren entscheidet der Staat nicht autonom, sondern beteiligt die Betroffenen über ihre Gebote am Prozess der Entscheidungsfindung. Selbst wenn der Verfahrensabschluss erst durch behördliche Entscheidung erfolgt,7 wird das Ergebnis der Verteilungsentscheidung durch die Gebote der Bewerber in der Versteigerung determiniert, auch wenn die Gebotsabgabe durch verfahrensleitende Vorentscheidungen der Verwaltung eingegrenzt ist. Das Versteigerungsverfahren muss sich daher den in anderem Zusammenhang erhobenen Vorwürfen stellen, durch die kooperativ-integrative Beteiligung der Betroffenen nicht das Volk, sondern eine Betroffenengruppe zum Legitimationssubjekt zu haben8 und durch Auflösung staatlicher Verfahrens- und Entscheidungsverantwortung dazu beizutragen, die Entscheidungsmacht des Staates durch Mitwirkung der Betroffenen zu beschränken.9 Eine Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verwaltungstätigkeit (dazu sogleich A.) ermöglicht eine Antwort auf die Frage, ob durch Versteigerungen demokratisch nicht legitimierte Staatsgewalt ausgeübt wird (dazu anschließend B.).
Siehe oben 1. Kapitel D. III. 2. Dies ist der Fall für das Versteigerungsverfahren des TKG; denkbar sind aber auch andere Organisationsformen, dazu oben 1. Kapitel D. II. 8 So ein häufiger, wenn auch nicht gegen Versteigerungen, sondern gegen integrative Organisationsformen der Verwaltung vorgebrachter Einwand, dazu Hill (1993) S. 977; vgl. auch Brohm (1990) S. 328; Jestaedt (1993a) S. 422 ff. 9 Brohm (1990) S. 326; Hill (1993) S. 977 ff.; Kunig / Rublack (1990) S. 8. 6 7
2. Kap.: Versteigerungen als Verwaltungsverfahren
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A. Anforderungen des Demokratieprinzips an modernes Verwaltungshandeln und die Kompensation von Legitimationsdefiziten I. Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verwaltungstätigkeit Auf die Frage, in welcher Weise sich staatliche Herrschaft auf das Volk beziehen muss, antwortet das Grundgesetz mit dem Verfassungssatz „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG knüpft die Legitimität staatlicher Herrschaft an die Bedingung, dass sich deren Ausübung vom Volk herleitet. Herrschaftssubjekt, also Souverän, ist im Staat des Grundgesetzes das Volk. Gemeint ist damit das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland in seiner verfassten Gesamtheit,10 an dessen Stelle nicht beliebige kleinere, durch bestimmte Bezüge verbundene Gesamtheiten von Staatsbürgern treten können.11 Herrschaftsobjekt, also beherrschter Gegenstand, ist die Staatsgewalt in allen ihren Formen, und zwar sowohl institutionell als auch qualitativ. Entscheidungen von staatspolitischer Bedeutung sind ebenso Staatsgewalt wie bagatelles Staatshandeln.12 Die Herrschaftsausübung des Souveräns erfolgt nach dem Grundgesetz in einem System repräsentativer Demokratie, die permanente Rückbindung durch Legitimation und Verantwortlichkeit verlangt.13 Rückbindung an den Volkswillen betrifft nicht nur die anfängliche Konstituierung der Staatsgewalt, sondern ist permanente Anforderung. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG unterstreicht dies, indem er festlegt, dass das Volk durch besondere Organe herrscht, die ihre Herrschaftsmacht vom Volk ableiten und diesem gegenüber verantwortlich sind.14 Daher korrespondiert die Legitimationskette grundsätzlich einer Verantwortungskette, die sich über das Parlament auf das Volk bezieht. Allerdings dokumentiert bereits das in der Verfassung angelegte Legitimationsgefälle 15 zwischen direkt gewählter gesetzgebender Gewalt und jeweils nur mittelbar legitimierter Exekutive und Judikative, dass Legitimation nicht nur durch eine gestaffelte Kette von Personen erfolgt. Je nach Gegenstand der Staatstätigkeit können unterschiedliche Formen demokratischer Legitimation unterschiedlich stark verwirklicht sein und sich in gewissen Grenzen kom10 BVerfGE 83, 37 (S. 50). Dem Volk lassen sich verschiedene verfassungsrechtliche Funktionen zuordnen, dazu Roellecke in: Umbach / Clemens (2002a) Art. 20 Rn. 158. 11 BVerfGE 83, 60 (S. 75). Ausnahmen sind Formen autonomer Legitimation, z.B. die körperschaftliche Legitimation der Selbstverwaltungsträger, dazu Schmidt-Assmann (1991) S. 379 ff. 12 Böckenförde (1995) Rn. 14. 13 Schnapp in: v. Münch / Kunig (2001) Art. 20 Rn. 18; Stern (1984) S. 604: „Bestellung der Herrschenden durch das Volk und die Rückkoppelung der Ausübung ihrer Herrschaftsmacht mit dem Volk“. 14 Böckenförde (1995) Rn. 11. 15 Jestaedt (1993a) S. 290.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
pensieren.16 Das Verfassungsgebot, den Einfluss des Volkes auf die Staatsgewalt sicherzustellen, ist Wirksamkeitsgebot: Entscheidend ist nicht die Form, sondern die Effektivität demokratischer Legitimation.17 In der Exekutiven wird die Herrschaftskontrolle zum einen durch die Gesetzesbindung und zum anderen durch die Verwaltungsorganisation sichergestellt, wobei Idealtyp behördlicher Organisation die Ministerialverwaltung ist.18 In ihr wird Legitimation durch den hierarchischen Aufbau mit Organisations- und Weisungsgewalt von der dem Parlament verantwortlichen Regierung bis zum konkret handelnden Amtswalter gewährleistet.19 Relativierungen folgen aus dem Dogma des Legitimationsniveaus. Wenn Aufgaben eines Amtsträgers einen besonders geringen Entscheidungsgehalt aufweisen, so kann eine demokratische Legitimation ausreichen, bei der einzelne Legitimationselemente zurücktreten.20
Zu den verschiedenen Formen demokratischer Legitimation Böckenförde (1995) Rn. 15. BVerfGE 83, 60 (S. 72). Einzelne Arten demokratischer Legitimation können einander je nach Erscheinungsform der Hoheitsgewalt kompensieren, wenn insgesamt ein ausreichendes Legitimationsniveau gewahrt wird, BVerfGE 83, 60 (S. 72); Böckenförde (1995) Rn. 14; Schmidt-Assmann (1991) S. 366. Die geringere personell-demokratische Legitimation von Exekutive und Judikative wird durch materiell-demokratische Legitimation kompensiert, indem zweite und dritte Gewalt durch strikte Gesetzesbindung an den von der Legislativen formulierten Staatswillen gebunden sind, Jestaedt (1993a) S. 294 ff. Dies bedeutet nicht, dass nur besonders wichtige Entscheidungen und Entscheidungsträger demokratischer Legitimation bedürften. Jede Staatstätigkeit, unabhängig von ihrer Bedeutung, bedarf grundsätzlich der Rückbindung an den Willen des Souveräns. Nur treten je nach Staatsfunktion und konkreter Aufgabe verschiedene Formen demokratischer Legitimation in den Vordergrund, Böckenförde (1995) Rn. 14. 18 Jestaedt (1993a) S. 366; Schuppert (2000) S. 68. 19 Böckenförde (1995) Rn. 16. Die funktionell-demokratische Legitimation der Verwaltung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) wird durch die personelle Legitimation des im konkreten Fall handelnden Amtswalters ergänzt. In diesem Sinne legitimiert ist ein Amtswalter der Verwaltung dann, wenn seine Betrauung mit der konkreten Angelegenheit auf eine ununterbrochene, auf das Volk zurückführende Legitimationskette zurückgeht, durch welche zugleich die Behörde, für welche der Amtswalter handelt, legitimiert wird, BVerfGE 49, 89 (S. 125); Herzog in: Maunz / Dürig (Stand Juni 1978) Erl. II zu Art. 20 Rn. 50 – 53. Eine parallel dazu verlaufende Verantwortungskette stellt auch die inhaltliche Rückbindung an den Volkswillen sicher, welche durch die parlamentarische Verantwortlichkeit der weisungsberechtigten Spitze der Ministerialverwaltung gewährleistet wird, Brohm (1991) S. 1032; Böckenförde (1995) Rn. 24. Daher genügt die Tätigkeit der „besonderen Organe der Verwaltung“ (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) dem Grundsatz demokratischer Legitimation dann, wenn das Handeln des jeweiligen Organs personell über eine indirekte Legitimations- und Verantwortungskette auf das Volk zurückgeführt werden kann. 20 BVerfGE 83, 60 (S. 74). Zu weiteren, besonders gerechtfertigten Ausnahmen Jestaedt (1993a) S. 366 f.; Schmidt-Assmann (1991) S. 376 ff., jeweils m. w. N. 16 17
2. Kap.: Versteigerungen als Verwaltungsverfahren
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II. Kompensation von Demokratiedefiziten durch Akzeptanz, Partizipation und Effizienz? Zu Legitimationsproblemen kann es bei Formen des sogenannten modernen Verwaltungshandelns kommen. Diese lösen sich aus der klassischen Organisationsund Entscheidungsstruktur,21 indem die Einflusssphäre der Verwaltung für Private, insbesondere die Betroffenen, geöffnet wird. Dadurch weicht die formalisierte, hierarchisch strukturierte Verwaltung einer informalen, dezentralen und durch Kooperationsbeziehungen bestimmten Organisationsstruktur.22 Motivation für die intensivere Beteiligung von Betroffenen ist das Ziel, Verwaltungsverfahren über das Erfordernis der Rechtmäßigkeit hinaus zu optimieren.23 Die umfangreiche Einbindung Privater soll der Verwaltung zusätzlichen Sachverstand verschaffen24 und die Akzeptanz seitens der Betroffenen sichern. Geht die Mitwirkung aber soweit, dass das Verwaltungshandeln von Betroffenen und Interessenvertretern bestimmt wird, kommt es zu Steuerungsverlusten der staatlichen Entscheidungsorgane, die zum Versagen des demokratischen Legitimations- und Kontrollmechanismus führen. Das notwendige Legitimationsniveau könnte in diesem Fall dadurch verschafft werden, dass ein etwaiges Demokratiedefizit durch andere Legitimationsformen kompensiert wird. So gesteht die Verwaltungswissenschaft auch der Akzeptanz einer Entscheidung Legitimationskraft zu.25 Das Verwaltungshandeln – oder besser: eine Verwaltungsentscheidung – legitimiert sich danach vor allem daraus, dass sie von den Bürgern akzeptiert, also als richtig, vertretbar oder zumindest noch hinnehmbar angesehen wird.26 Das Vorverständnis von Verwaltungsrecht als Steuerungsressource ist Voraussetzung für dieses Legitimationskonzept: Wenn Ziel staatlichen Handelns auch die Optimierung bei der Interessenverarbeitung ist, kommt der Akzeptanz des Verwaltungshandelns entscheidende Bedeutung zu.27 21 Klages spricht in diesem Zusammenhang von einem „Auswandern der Verwaltung aus der Organisationsgestaltungswelt Max Webers“, Klages (1995) S. 12. 22 Konzepte der Öffnung etablierter Verwaltungsstrukturen für eine stärkere Bürger- und Betroffenenpartizipation werden unter Schlagworten wie kooperativem oder integrativem Verwaltungshandeln diskutiert, vgl. Hill (1993) S. 973; Benz (1994), S. 34 ff.,171 ff.; Koenig (1994) S. 252 ff.; Hoffmann-Riem (1990) S. 414 ff.; Schuppert (2000) S. 115 ff.; Voßkuhle (1999b) S. 78 ff. 23 Hoffmann-Riem (1994) S. 599: „Anzustreben ist nicht nur eine Rechtmäßigkeit im Sinne der gerichtsfesten Beachtung von rechtlichen Grenzziehungen und Handlungsaufträgen, sondern eine Optimierung bei der Interessenverarbeitung.“ 24 Hill (1993) S. 975 sieht in Kooperation und Einbindung der Betroffenen eine „versteckte Ressource“ für das Verwaltungshandeln; ähnlich Tettinger (1993) S. 243; Hoffmann-Riem (1990) S. 414 ff.; Würtenberger (1991) S. 258 ff. 25 Vgl. Hoffmann-Riem (1989) S. 5 f.; Schmidt-Assmann (1991) S. 369; Würtenberger (1991) S. 259; ders. (1996) S. 55, 57, 99 ff. 26 Würtenberger (1991) S. 258; ders. (1996) S. 57 f. 27 Hoffmann-Riem (1990) S. 599.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Als Legitimationskonzepte kommen zudem die Entscheidungsteilhabe Betroffener (Partizipation) oder das ökonomische Effizienzkriterium in Betracht.28 Dem Ziel optimaler Ressourcenallokation verpflichtet, sieht die Ökonomik eine Verwaltungsentscheidung durch den Erfolg legitimiert, den Gesamtnutzen aller Betroffenen bei Minimierung der Gesamtkosten zu maximieren.29 Eine Entscheidung, die von allen Beteiligten hingenommen wird, genügt diesem Ziel in hohem Maße, weil sie hilft, unnötige private und soziale Kosten zu vermeiden, die infolge von Rechtsstreitigkeiten entstehen können. Die Entscheidungsteilhabe der Betroffenen unterstützt die spätere Akzeptanz der Entscheidung, indem der Bürger bereit ist, diese hinzunehmen, und seine Interessen gewahrt sieht.30 Eine Kompensation fehlender demokratischer Legitimation können Akzeptanz, Partizipation oder Effizienz jedoch nicht sein. Es ist nicht zu bestreiten, dass gerade eine stärkere Berücksichtigung von Akzeptanzgesichtspunkten die Wirksamkeit von Verwaltungshandeln verbessern kann. Diese sozialwissenschaftlich-ökonomischen Legitimationskonzepte können demokratische Legitimation iSv. Art. 20 GG aber nicht ersetzen. Treten Akzeptanz und Effizienz an die Stelle von demokratischer Legitimation, so wird statt des Volkes die Volkswirtschaft oder eine nicht näher bestimmte Betroffenengemeinschaft zum Legitimationsbezugspunkt. Eine solche Substitution des Legitimationssubjektes ist mit Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar. Daher ist es nicht möglich, ein Demokratiedefizit durch erhöhten legitimatorischen Aufwand anderer Art zu kompensieren.31 Neben dem entgegenstehenden Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG („Volk“) würde dies auch eine Überdehnung des Legitimationsniveau-Konzeptes bedeuten. Danach kann eine Form demokratischer Legitimation unter Umständen durch eine andere Form demokratischer Legitimation kompensiert werden, nicht aber durch eine gänzlich andere Rechtfertigung. Die grundgesetzliche Legitimationsordnung stellt zentral auf die in Art. 20 Abs. 2 GG vorgegebene Legitimation ab, sie muss sich in ihr aber nicht erschöpfen. Als zusätzliche, außerrechtliche Legitimationsgesichtspunkte können Kosten-Nutzen-Analysen und soziale Akzeptanz einer Entscheidung von Bedeutung sein, sie sind aber kein Ersatz.32 28 Vgl. dazu Schmidt-Assmann (1991) S. 368, Voßkuhle (2001) S. 348 ff. Das Effizienzkriterium wird in der Verwaltungswissenschaft (bislang) nicht als Legitimationskonzept betrachtet, sondern ist dienender Maßstab für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltungstätigkeit, vgl. Klages (1993) S. 43. Für die Ökonomische Analyse des Rechts ist Effizienz jedoch grundlegender Bewertungsmaßstab, so dass man insoweit auch von einem eigenen Legitimationskonzept sprechen kann. Dies wird durch Schäfer / Ott (2000) S. 7 unterstrichen: „Wenn . . . die Herstellung von Allokationseffizienz zu den wesentlichen Forderungen an eine Rechtsordnung gehört, ist es nicht ohne weiteres zu rechtfertigen, wenn juristische Zielsetzungen . . . gleichrangig neben oder gar über das Effizienzziel gestellte werden. Sie sind legitim, wenn sie Allokationseffizienz fördern.“ Ausführlich dazu auch Eidenmüller (1995) S. 169 ff., 393 ff. 29 Voßkuhle (2001) S. 357. 30 Schmidt-Assmann (1991) S. 370; Czybulka (1989) S. 67 ff. u. S. 261; Hoffmann-Riem (1990) S. 414 f.; Würtenberger (1991) S. 257 ff.; ders. (1996) S. 141 f. 31 Schmidt-Assmann (1991) S. 369.
2. Kap.: Versteigerungen als Verwaltungsverfahren
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B. Vereinbarkeit von Versteigerungen mit den Legitimationsanforderungen des Demokratieprinzips Versteigerungen sind ein modernes, auch als kooperativ bezeichnetes33 Vergabeverfahren, bei dem die klare Grenze zwischen antragstellenden Privaten und Behörde verschwimmt. Ob das Öffnen der klassischen Verwaltungsstrukturen allerdings zu Legitimationsverlusten hinsichtlich des Demokratieprinzips führt,34 ist zweifelhaft. Wenn die Versteigerung als gesetzlich vorgeschriebenes Vergabeverfahren zur Anwendung kommt, ist dies nur die materiell-demokratische Legitimation für deren Durchführung. Wird die verfahrensabschließende Vergabeentscheidung von einer hierarchisch organisierten und in die Ministerialverwaltung eingegliederten Behörde wie der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post getroffen, so ist diese Entscheidung auch aus organisatorischer Sicht unproblematisch. Die Verteilungsentscheidung ist wie der Realakt der Vergabe ohne Zweifel Ausübung von Staatsgewalt, welche der Legitimation bedarf und die sich institutionell- und personell-demokratisch über eine Legitimationskette auf Parlament und Volk zurückführen lässt.35 Zweifelhaft ist aber, ob auch der Prozess der Entscheidungsfindung demokratische Legitimation erfordert. Das vollständige Ausgliedern aus dem demokratischen Prozess würde das Prinzip demokratischer Legitimation ad absurdum führen. Wenn die Entscheidungsfindung beliebig von nicht durch das Volk legitimierten Gruppen bestimmt werden könnte, würde sich die Entscheidung der Behörde auf die Formalisierung des so gefundenen Ergebnisses reduzieren und liefe damit 32 So dann im Ergebnis auch Würtenberger (1996) S. 101. Ebenso, wie Art. 20 Abs. 2 GG das Ersetzen demokratischer Legitimation durch soziologisch-ökonomische Legitimation nicht zulässt, steht er auch einem gesetzgeberischen Kontroll- und Legitimationsverzicht entgegen. Anders die Verzichtstheorie, nach welcher das Parlament auf sein Kontrollrecht gegenüber der Verwaltung in Einzelbereichen verzichten kann, wenn das Gremium und dessen Aufgaben durch einen demokratisch legitimierten Parlamentsakt in Form eines Gesetzes errichtet wurden, dazu wie auch zur Kritik Jestaedt (1993a) S. 348 ff. m. w. N. 33 Koenig (1994) S. 383 ff. 34 So kritisiert Becker (2002a) S. 22, dass die Delegation der Verteilungsentscheidung an den Markt die Verfahrensverantwortung des Staates außer Acht lasse und daher demokratischer Legitimation entbehre. 35 Dadurch unterscheidet sich die Versteigerung von anderen Formen kooperativer Verwaltungstätigkeit, die besondere Organisationsformen der Verwaltung betreffen. Das Versteigerungskonzept ist von der konkreten Organisation der Verwaltung weitgehend unabhängig: es ist Verfahren. Gleichwohl setzt die Gefahr eines Legitimationsdefizits in Folge von Steuerungsverlusten der (demokratisch legitimierten) Verwaltung, die durch die herausragende Stellung der privaten Bieter entstehen können, das Versteigerungsverfahren ähnlicher Kritik aus, wie sie gegen kooperative Organisationsstrukturen geäußert wird. Zur grundsätzlichen Kritik vgl. Jestaedt (1993a) S. 422 ff.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
inhaltlich praktisch leer. Andererseits bietet die Beteiligung Privater im Vorfeld einer Entscheidung der demokratisch legitimierten Verwaltung die Möglichkeit der Informationsgewinnung, welche für eine sachgerechte Entscheidung unerlässlich ist, ohne dass die Entscheidung der Behörde dadurch bereits inhaltlich festgelegt wird. Der Prozess der Entscheidungsfindung kann daher nicht generell dem Bereich der Ausübung von Staatsgewalt zugesprochen oder aus diesem ausgegrenzt werden. Wann staatliches Handeln vorliegt, also Staatsgewalt ausgeübt wird, ist für Handlungen im Verwaltungsverfahren vielmehr danach zu bestimmen, wie weit die entscheidende Behörde hinsichtlich ihrer endgültigen Entscheidung gebunden wird. Bloß vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten scheiden aus dem Bereich demokratisch zu legitimierenden Handelns aus.36 Wo sich die unverbindliche Mitwirkung zu Mitentscheidung verdichtet, wird staatliche Herrschaft ausgeübt, welche demokratischer Legitimation bedarf.37 Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verlangt daher nicht, dass alle Verfahrensphasen eines Verwaltungsverfahrens in alleiniger Verantwortung der öffentlichen Verwaltung bleiben müssten.38 Das Demokratieprinzip gebietet die Letztverantwortlichkeit legitimierter Entscheidungsträger,39 so dass die öffentliche Verwaltung Herrin des Verfahrens ist und Verlauf und Ergebnis steuern kann. Es wäre unzulässig, wenn die Entscheidungen der demokratisch legitimierten Organe im Vorfeld der Entscheidung durch Außenstehende soweit determiniert sind, dass eine eigenverantwortliche, notfalls auch gegen den Willen der Beteiligten durchsetzbare Verwaltungsentscheidung unmöglich ist. Eine unzulässig Mitwirkung liegt danach vor, wenn die Verwaltung bei ihrer Zuschlagsentscheidung durch Entscheidungen der kooperierenden Beteiligten rechtlich oder faktisch gebunden wird, weil dann bereits mit der Gebotsabgabe Staatsgewalt ausgeübt wird, für welche es an demokratischer Legitimation mangelt.40
I. Unzulässigkeit rechtlicher Bindungen Rechtliche Bindungen können bereits durch die gesetzlichen Regelungen des Auktionsverfahrens ausgeschlossen werden und müssen jedenfalls im Einzelfall, d.h. über das Versteigerungsdesign ausgeschlossen werden. Die EntscheidungsBVerfGE 47, 253 (S. 273); E 83, 60 (S. 74). Hill (1993) S. 977. Wo diese Aufgaben einen besonders geringen Entscheidungsgehalt haben, kann die volle demokratische Legitimation zu Gunsten eines bestimmten Legitimationsniveaus zurücktreten, Jestaedt (1993b) S. 29 ff. 38 Hill (1993) S. 977 weist darauf hin, dass die Rechtsauffassung, nach welcher alle Verfahrensphasen zwingend staatlicher Verantwortung unterstellt sind, zu sehr aus der Perspektive der Judikative geprägt ist und die zukunftsgestaltende Funktion der Verwaltung außer Acht lässt. 39 Kunig / Rublack (1990) S. 9. 40 Der Mitwirkung der Bieter kommt selbst keine rechtlich legitimierende Kraft zu, siehe oben 2. Kapitel A. II. 36 37
2. Kap.: Versteigerungen als Verwaltungsverfahren
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macht der demokratisch legitimierten Organe über die Zuschlagserteilung ist nur sichergestellt, wenn die Behörde, welche die Versteigerung durchführt, die Möglichkeit hat, während der Auktion und auch noch nach Abgabe des letzten Gebotes das Verfahren abzubrechen. Durch die Regelung des TKG wird die Entscheidungsmacht der Regulierungsbehörde gewahrt, da sich die Lizenzerteilung als selbständige Verwaltungshandlung an die Durchführung der Versteigerung anschließt (§ 11 Abs. 2 S. 1 TKG) und so die abschließende Prüfung ermöglicht.41 Keinen Bedenken begegnet eine Regelung, die sich an der des TKG orientiert, den Verfahrensabschluss aber als öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgestaltet,42 sofern der versteigernden Behörde für die Annahme dieses Vertrages Spielraum zusteht. Dagegen ist es unzulässig, den Verfahrensabschluss behördlicher Kontrolle zu entziehen, indem die Verwaltung nach Abschluss der Versteigerung zur unbedingten Zuschlagserteilung und Vergabe verpflichtet wird, unabhängig, ob diese durch Verwaltungsakt oder Verwaltungsvertrag erfolgt.
II. Bestehen unzulässige faktische Bindungen? Eine gewisse faktische Bindung der zuschlagserteilenden Verwaltung an den Ausgang der Versteigerung bleibt gleichwohl bestehen. Bei der Zuschlagserteilung kann das handelnde Organ nur zwischen zwei Optionen wählen, nämlich das Verteilungsergebnis zu akzeptieren und in den eigenen Willen zu übernehmen oder die Versteigerung abzubrechen und ein anderes Vergabeverfahren oder Auktionsdesign zu wählen. Modifikationen des Versteigerungsergebnisses bei der Zuschlagserteilung sind hingegen ausgeschlossen. Allerdings muss diese faktische Bindung in den Gesamtkontext behördlichen Handelns gestellt werden. Der Ausgang der Versteigerung wird durch die zuschlagserteilende Behörde schon im Vorfeld beeinflusst, weil sie mit Versteigerungsdesign und -regeln die Rahmenbedingungen der Auktion festlegt.43 Das Auswahlverfahren wird von der Verwaltung entwickelt, in seinen Regeln vorgegeben und in der Durchführung überwacht, wobei sie stets die Möglichkeit hat, das Verfahren abzubrechen, wenn deutlich wird, dass die Allokation von Faktoren bestimmt wird, die durch die Behörde nicht berücksichtigt wurden, obgleich sie wesentlich sind, oder wenn bei der Durchführung Probleme auftreten.44 Verlauf und Ergebnis des Entscheidungsfindungsprozesses werden auch in einer Versteigerung durch eine demokratisch legitimierte Institution, nämlich das für Veranstaltung und Durchführung zuständige Organ der öffentlichen Verwaltung, gesteuert. Im Verhältnis zu den Steuerungsmitteln klassischer Vergabeund Regulierungsverfahren vollzieht sich bei der Versteigerung ein SteuerungsZu diesem Regelungsmechanismus oben 1. Kapitel D. I. 2. b). Siehe dazu oben 1. Kapitel D. II. 43 Siehe oben 1. Kapitel D. III. 1. 44 Zu möglichen praktischen Problemen einer Versteigerung oben 1. Kapitel C. II. 2. b) und unten 3. Kapitel B. II. 2. b) bb) und cc). 41 42
5 Leist
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
wandel, wobei der partielle Steuerungsverlust, der mit der eher passiven Rolle der Verwaltung während der Durchführung der Auktion verbunden ist, durch Verlagerung der Steuerungsentscheidungen ins Vorfeld kompensiert wird. Zudem liegt der Kristallisationspunkt der Verfahrenssteuerung, die verbindliche Zuschlagserteilung, im alleinigen Entscheidungsbereich der demokratisch legitimierten öffentlichen Verwaltung. Die demokratisch legitimierte Verwaltung handelt bei Vorbereitung der Gebotsabgabe, bei Abschluss des Verfahrens und bei der überwachenden Kontrolle während des Verfahrens, in alleiniger Verantwortung und entscheidet selbst. Die faktischen Bindungen der Verwaltung durch Kooperation mit den Betroffenen, welche durch ihre Gebote am Verfahren der Entscheidungsfindung mitwirken, entsprechen denen in einem Losverfahren: Zwar lastet auf dem Amtswalter, der ein fehlgeschlagenes Vergabeverfahren abbricht, psychologischer Druck. Diesem standzuhalten ist jedoch Aufgabe der Verwaltung, die nicht von anderen Entscheidungssituationen abweicht. Allein der psychologische Druck bewirkt keine faktische Bindung, welche die demokratische Legitimation der nachfolgenden Verwaltungsentscheidung beschränkt. Das Demokratieprinzip setzt Versteigerungen damit nur formale Grenzen. Eine Regelung, welche auf die abschließende Verwaltungsentscheidung verzichtet, ist ausgeschlossen. Verbleibt die Entscheidungsmacht hingegen bei der versteigernden Behörde, indem sie den Verfahrensabschluss in den Händen hält, sind Auktionen mit dem Demokratieprinzip vereinbar, da die institutionell- und personell-demokratisch legitimierte Verwaltung Herrin des Verfahrens ist.
3. Kapitel
Versteigerungen als Auswahlmechanismus Zweck einer Verteilungsordnung ist, einen begrenzten Bestand von knappen Gütern nach bestimmten Kriterien unter einer Vielzahl von Bewerbern zu verteilen. Behördliche Auswahlentscheidung und Verteilung sind Ausübung von Staatsgewalt, bei der die öffentliche Hand nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist. Daher sind Versteigerungen als Auswahlmechanismus in einer Verteilungsordnung grundrechtsrelevant. Mit Blick auf wirtschaftsrechtliche Verteilungsverfahren für knappe Gemeinschaftsgüter ist unter den Freiheitsrechten Art. 12 Abs. 1 GG, unter Umständen i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, einschlägig, da das Vergabeverfahren einen für Berufswahl oder -ausübung notwendigen Gegenstand betrifft.45 45 Dies gilt auch für die Vergaberegelung für Telekommunikationslizenzen oder Funkfrequenzen, Becker (2002a) S. 27. Die Wortwahl des TKG ist sowohl für natürliche als auch juristische Personen offen. Sofern die am Verfahren der Lizenzerteilung Beteiligten aus-
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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Im Folgenden wird zunächst untersucht werden, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Verteilungsordnung bestehen (dazu A.). Anschließend wird vor diesem Hintergrund die Verfassungsmäßigkeit der Auswahl durch Versteigerung analysiert (dazu B.).
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Verteilungsordnung I. Grundrechtsdogmatischer Rahmen Grundrechtsdogmatisch ist der status positivus maßgeblich, welcher Grundlage für individuelle Leistungsansprüche ist oder einen Anspruch auf gleichheitsgerechte Beteiligung (Teilhabe) gewährt.46 Das staatliche Handeln ist in einem Vergabeverfahren nicht auf die Beschränkung von Freiheitsräumen gerichtet, sondern auf die Erweiterung individueller Handlungsmöglichkeiten, respektive deren Unterlassen. Der Staat handelt nicht in der Kategorie des Eingriffs, sondern der Leistung. Daher ist die abwehrrechtliche Funktion der Freiheitsrechte, der grundrechtliche status negativus, nicht relevant. Dies gilt mit einer Einschränkung auch für die Versteigerungsregelung des TKG.47 Das Lizenzierungsverfahren für Mobilfunkdienstleistungen ist nicht nur drücklich genannt werden, ist von „Lizenznehmern“ (§ 7, § 8 Abs. 3, § 9 Abs. 2 TKG), „Antragstellern“ (§ 8 Abs. 3 TKG) und „Bietern“ oder „Bewerbern“ (§ 11 Abs. 4 und 6 TKG) die Rede. Etwas deutlicher formuliert die dem TKG zugrundeliegende Genehmigungsrichtlinie 97 / 13 / EG, welche in diesem Zusammenhang jeweils von „Unternehmen“ (z.B. Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 – 6, Art. 11 Abs. 1) spricht. Angesichts des großen finanziellen und technischen Aufwandes, den der Aufbau eines Telekommunikationsnetzes verlangt, kommen natürliche Personen wohl auch nicht ernsthaft als Lizenznehmer in Betracht. Der immense Kapital- und Infrastrukturaufwand legt vielmehr große Kapitalgesellschaften als adäquate Unternehmensform nahe, so dass die Berufsfreiheit in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG einschlägig ist. Die Anerkennung grundrechtlichen Schutzes für juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) verwirklicht letztlich den Schutz der hinter diesen stehenden natürlichen Personen und ihres Handelns, vgl. BVerfGE 21, 362 (369), E 75, 192 (196). Zum Wesen der juristischen Person W. Leist (1970) S. 70 ff. 46 Leistungs- und Teilhaberechte, so die Terminologie von Manssen (2000) Rn. 44, 48; Pieroth / Schlink (2002) Rn. 95, werden manchmal auch als originäre bzw. derivative Teilhaberechte bezeichnet, vgl. Martens (1972) S. 21 ff.; Murswiek (2000a) Rn. 5 ff. Diese Unterscheidung bezieht sich auf die Begründung, hat jedoch auch Bedeutung für den Inhalt: Originäre Teilhaberechte sind unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitete Leistungsansprüche, die nicht vom Bestand einer vorhandenen Güterordnung abhängig, sondern auf Schaffung dieser Güter gerichtet sind. Dagegen sind derivative Teilhaberechte Leistungsansprüche, welche zwar ebenfalls aus Grundrechten folgen, in ihrem Bestand, ihrem Inhalt und Umfang nach von vorgängigem, teilhabebegründendem staatlichem Handeln abhängig, also auf Beteiligung an einem vorhandenen Güterbestand gerichtet sind, Murswiek (2000a) Rn. 11. Im Interesse terminologischer Klarheit werden im Folgenden jedoch ausschließlich die Begriffe Leistungsrecht und Teilhaberecht verwendet, wobei Leistungsrechte mit originären Teilhaberechten und Teilhaberechte mit derivativen Teilhaberechten gleichgesetzt werden. 5*
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Verfahren für die Vergabe einer knappen Ressource, sondern auch ordnungsrechtliche Kontrollerlaubnis für die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 und 3 TKG). Das Kontrollverfahren geht der Lizenzversteigerung voraus, so dass nur die Bewerber zugelassen werden, welche den ordnungsrechtlichen Kriterien genügen. In diesem Kontrollverfahren muss die Lizenzerteilung versagt werden, wenn sich herausstellt, dass der Lizenzbewerber nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sachkunde verfügt, um die Lizenzrechte dauerhaft auszuüben (§ 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a TKG), oder durch die Lizenzerteilung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde (§ 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b TKG). Diese Kontrolle ist subjektive Zulassungsschranke für die Aufnahme einer Tätigkeit als Mobilfunkanbieter,48 welche jedoch angesichts des erforderlichen Mindestmaßes an Zuverlässigkeit und Sachkunde gerechtfertigt ist. Eine ebenso abwehrrechtliche Frage ist die Beschränkung der Anzahl der Lizenzen nach § 10 TKG, die als objektive Berufsausübungsschranke einen gewichtigen, wegen der notwendigen staatlichen Frequenzbewirtschaftung angesichts knapper Ressourcen aber gerechtfertigten, Eingriff in die Berufsfreiheit der Telekommunikationsdienstleister bedeutet.49 Diese Fragen sind jedoch von der Verteilungsauswahlentscheidung zu trennen.50 Der Gesetzgeber des TKG hat sie zwar in § 8 TKG rechtstechnisch miteinander verbunden, was bereits an anderer Stelle kritisiert worden ist.51 Die gewerberechtliche Zulassungsentscheidung wie auch die Festlegung der Kapazitäten sind jedoch abwehrrechtliche Fragen, die von der Auswahlentscheidung unabhängig sind. Die Grundrechtsrelevanz eines Auswahlverfahrens für die Vergabe knapper Güter konzentriert sich in erster Linie auf die teilhaberechtliche Dimension der Grundrechte, die dem Bürger die Beteiligung an einem vorhandenen Güterbestand sichern, ohne Anspruch auf dessen Erweiterung zu gewähren. Dagegen können Leistungsrechte, welche den Staat zur Vermehrung der vorhandenen Gütermenge verpflichten, bei Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens außer Betracht bleiben. Das Bestehen eines Rechts auf staatliche Vermehrung der zu verteilenden Güter ist der Rechtmäßigkeitskontrolle vorgelagert. Ein solches Leistungsrecht ist keine Hürde der Rechtmäßigkeit, sondern macht das Vergabeverfahren faktisch entbehrlich. Bleiben die Kapazitäten aber begrenzt, so ist der Maßstab für die Grundrechtskonformität einer Verteilungsentscheidung deren Vereinbarkeit mit teilhaberechtlichen Wertungen. Unter anderer Betrachtung können Leistungsrechte für ein Vergabeverfahren gleichwohl an Bedeutung gewinnen. Staatliche Leistung sind nicht nur die in einem Vergabeverfahren verteilten Güter, sondern 47 Anders Ruffert (1999) S. 260 ff., der Teilhabeansprüchen an Frequenzen ablehnt, weil Frequenzen keine öffentlichen Sachen seien, der Staat mithin keine Leistung erbringe. Maßgeblich sei allein die abwehrrechtliche Perspektive. 48 Schütz in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 8 Rn. 40. 49 Becker (2002) S. 6. 50 Becker (2002) S. 6. 51 Oben 1. Kapitel D. I. 1.
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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auch Werte wie das Gewähren von Schutz gegen drohende Gefahren. Damit tritt die Kategorie der Leistungsrechte in Form grundrechtlicher Schutzpflichten bei Beurteilung von Versteigerungen in Erscheinung. Das Grundrechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger ist dabei ein anderes als bei Teilhaberechten. Es geht nicht mehr um das Verhältnis zwischen Staat und verschiedenen Bewerbern, sondern um das Verhältnis zwischen Staat, den erfolgreichen Bewerbern und Dritten. In diesem Grundrechtsdreieck ist der Staat zum Tätigwerden verpflichtet, wenn Dritten durch die erfolgreichen Bewerber Grundrechtsbeeinträchtigungen drohen.
II. Teilhaberechte Der (teilhabe-)rechtliche Maßstab für eine Verteilungsordnung ist vom Auswahlverfahren unabhängig. Ob die Auswahl durch abwägende Beurteilung der Bewerber, durch Los oder durch eine Versteigerung erfolgt, grundrechtskonform ist die Auswahl nur, wenn unter Ausschöpfung aller Kapazitäten eine gleichheitsgerechte Verteilung garantiert wird.52 Wenn der Staat für eine öffentliche Sache oder Einrichtung ein rechtliches oder faktisches Monopol beansprucht, liefe, so das Bundesverfassungsgericht, ein Freiheitsrecht, das die Nutzung dieser Sache oder Einrichtung zwingend voraussetzt, faktisch leer, wenn es nicht auch das Recht auf Benutzung oder Zugang umfasse.53 Als derivativer Anspruch sei dieser jedoch durch die vorhandenen Kapazitäten bedingt, stehe also unter dem Vorbehalt des Möglichen, so dass bei Knappheit das Recht auf Zulassung auf ein Recht auf gleichheitsgerechte Verteilung unter vollständiger Kapazitätsausschöpfung reduziert sei.54 Das Bundesverfassungsgericht entnimmt Teilhaberechte den jeweils relevanten Freiheitsrechten in Verbindung mit Art. 3 GG. Der Umdeutung von Freiheitsrechten in Teilhaberechte hätte es jedoch nicht bedurft. Dieses Ergebnis lässt sich allein aus dem Gleichbehandlungsgebot ableiten:55 Entscheidet sich der Staat dazu, an eine bestimmte Person oder Personengruppe eine Leistung (z.B. das Recht zur Benutzung einer öffentlichen Sache oder Einrichtung) zu vergeben, so verpflichtet der allgemeine Gleichheitssatz dazu, diese Leistung grundsätzlich auch anderen Personen zu gewähren, welche die gleichen Vorraussetzungen erfüllen. Eingeschränkt wird dieser Anspruch zum einen dadurch, dass eine Ungleichbehandlung nicht willkürlich sein darf. Sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen sind zulässig, wobei sich die Legitimation von Differenzierungen aus den Wertungen von Freiheitsrechten ergeben kann. Zum anderen ist der Anspruch auf die vorhandenen Kapazitäten beschränkt, so dass der Staat nicht gegen Art. 3 GG verstößt, 52 53 54 55
Vgl. BVerfGE 33, 303 (S. 332 ff., 338). Vgl. BVerfGE 33, 303 (S. 331 f.). Vgl. BVerfGE 33, 303 (S. 332 ff., 338). Murswiek (2000a) Rn. 68, 80.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
wenn er sich auf die Verteilung und Zuteilung des tatsächlich Vorhandenen beschränkt.56 Aufgrund dieses gleichlautenden Ergebnisses wird auch bezweifelt, dass sich hinter dem teilhaberechtlichen Aspekt der Freiheitsrechte tatsächlich eine eigene Grundrechtsdimension verbirgt.57 Die Besonderheit des freiheitsrechtlichen Teilhaberechtes liegt in einem anderen Punkt. Dieser ist der Anspruch des unausgeschöpfte Kapazitäten nachweisenden Klägers auf Zuteilung dieser Kapazität, unabhängig von seiner nach den relevanten Zuteilungskriterien gegebenen Rangfolge in der Anspruchsberechtigung.58 Der dogmatische Ursprung der Teilhaberechte verweist aber auch bei freiheitsrechtlich abgeleiteter Konstruktion auf den gleichheitsrechtlichen Kern des Beteiligungsanspruchs. Die Anforderungen, denen eine Verteilungsordnung genügen muss, sind Aspekte der Gleichbehandlung.59 Allein die Formel „gleichheitsgerechte Verteilung unter vollständiger Kapazitätsauslastung“ ist als Beurteilungsmaßstab so allgemein gefasst, dass ihre Anwendung den Anschein einer gewissen Beliebigkeit erwecken würde. Eine Entscheidung liefe im Kern stets auf die Frage hinaus, ob die Verteilung gleichheitsgerecht ist, was je nach Weltanschauung einen breiten Spielraum an Möglichkeiten belässt. Um rechtlich fassbare, nachvollziehbare Entscheidungen fällen zu können, ist es notwendig, diese Formel in subsumtionsfähiger Weise zu konkretisieren. Ansätze dafür finden sich sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.
1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die gleichheitsgerechten Anforderungen, denen ein Vergabeverfahren genügen muss, bereits in der Geburtsstunde des Teilhaberechts, in der Numerus-clausus-Entscheidung, näher konkretisiert. Wenn ein knappes, unteilbares Gemeinschaftsgut Gegenstand der Verteilungsordnung ist, könne jedes Vergabesystem immer nur einem Teil der Bewerber reale Erfolgsaussichten zuteil werden lassen.60 Daher sei wesentlich, dass „Auswahl und VerMurswiek (2000a) Rn. 73. Manssen (1995) Rn. 99. 58 Murswiek (2000a) Rn. 80; zu diesem als Verfahrensgarantie eingeordneten Anspruch BVerfGE 39, 258 (S. 269 ff.); E 39, 276 (S. 293 ff.). 59 Für die abstrakte Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Vergabeverfahrens ist der Aspekt der Kapazitätsausschöpfung unbeachtlich. Im Einzelfall ist der Nachweis ungenutzter Kapazitäten für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Entscheidung zwar von Bedeutung und für die praktische Durchsetzung eines Benutzungs- oder Zulassungsanspruchs der einfachste und erfolgversprechendste Weg. Im Rahmen einer Untersuchung der verfassungsrechtlichen Grenzen eines Vergabeverfahrens kommt es aber nur darauf an, ob der Verteilungsschlüssel grundrechtlichen Anforderungen genügt. Die vollständige Kapazitätsauslastung für die Verteilungsmasse kann dabei unterstellt werden. 60 BVerfGE 43, 291 (S. 316). 56 57
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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teilung nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden . . . Bewerber“ erfolge.61 Später hat das Bundesverfassungsgericht dies auf die Formel objektiv sachgerechter und individuell zumutbarer Kriterien gebracht.62 Der Bedeutungsgehalt dieser Begrifflichkeiten erschließt sich erst durch die weiteren Ausführungen des Gerichts. Objektive Sachgerechtigkeit und individuelle Zumutbarkeit bedeutet mehr als den Ausschluss von Willkür, da willkürliche Kriterien evident unsachlich sind.63 Das Gericht prüft unter dem Begriff objektiver Sachgerechtigkeit, ob die Auswahlkriterien geeignet sind, die mit der Vereilungsordnung verfolgten Vergabeziele zu erreichen. So erachtet es bei der Studienplatzvergabe die Zuteilung über eine sogenannte Leistungsliste grundsätzlich für zulässig, weil eine Differenzierung nach Eignung sachgerecht sei.64 Individuelle Zumutbarkeit konkretisiert sich in der Anwendung als eine Abwägung zwischen den Belangen der verschiedenen Bewerbern unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit und Erträglichkeit des Ergebnisses. Bei der Vergabe von Studienplätzen billigt das Gericht daher eine Differenzierung nach Wartezeit, weil dieses Verfahren in „Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken . . . jedem zulassungsberechtigten Bewerber eine Chance“65 belässt und daher individuell zumutbar ist.66 In einer späteren Entscheidung fordert das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Anwendung geeigneter Differenzierungskriterien und stellt fest, dass das Bemühen um Chancenoffenheit Differenzierungskriterien nahe lege, deren Vorliegen durch eigenes Verhalten der Bewerber beeinflussbar sei.67 In der Sache entspricht die Formel von objektiver Sachgerechtigkeit und individueller Zumutbarkeit damit dem Rechtfertigungsprogramm des ursprünglich abwehrrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der allerdings in ein Gleichheitsrecht eingebettet ist. Vom Standpunkt heutiger Grundrechtsdogmatik aus gesehen ist dies nicht ungewöhnlich. Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit gehört seit der so genannten neuen Formel68 zu den Rechtfertigungsanforderungen von Ungleichbehandlungen größerer Intensität.69 Das Numerus-clausus-Urteil antizipiert diesen Schritt jedoch. Indem das Bundesverfassungsgericht die besondere BeBVerfGE 33, 303 (S. 338). BVerfGE 43, 291 (S. 316 f.); E 57, 295 (S. 327); E 83, 238 (S. 319). 63 BVerfGE 33, 303 (S. 345). 64 BVerfGE 33, 303 (S. 348 f.). Im konkreten Fall äußert das Gericht jedoch Zweifel am Anknüpfen an den Notendurchschnitt des Abiturzeugnisses, da „gerade beim Medizinstudium eine Korrelation zwischen guten Schulergebnissen und Studienerfolg nicht hinreichend nachweisbar sei und dass ferner wegen der Unterschiede in der Leistungsbewertung und der Qualität der Schulen gleichen Abiturnoten durchaus verschiedene Qualifikationen zugrunde liegen könnten“, a. a. O. S. 349. 65 BVerfGE 33, 303 (S. 345). 66 BVerfGE 33, 303 (S. 348 f.). 67 BVerfGE 43, 291 (S. 317). 68 BVerfGE 55, 72 (S. 88). 69 Vgl. Pieroth / Schlink (2002) Rn. 440. Zur „neuen Formel“ Michael (2001) S. 866 ff. 61 62
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
deutung des gleichheitsgerechten Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung für die erst daran anknüpfende Ausübung von Freiheit betont,70 beschreibt es eine der inzwischen etablierten Fallgruppen der neuen Formel, nämlich eine Ungleichbehandlung von Personen, welche sich „auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann“.71
2. Gefestigte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Eine Analyse der verfassungsgerichtlich unbeanstandet gebliebenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Auswahlverfahren für die Vergabe anderer verknappter unteilbarer Güter bestätigt diese These. Die umfangreiche Judikatur zu den Anforderungen an einen recht- und verfassungsmäßigen Verteilungsschlüssel für die Vergabe von Standplätzen auf Volksfesten bietet dafür eine Grundlage. Marktbeschicker haben bei festgesetzten Märkten oder Volksfesten nach § 70 Abs. 1 GewO gegen den Veranstalter grundsätzlich Anspruch auf Zulassung. Nach § 70 Abs. 3 GewO kann der Veranstalter insbesondere aus Gründen des Platzmangels die Zulassung beschränken und einzelne Marktbeschicker ausschließen, ohne dass das Gesetz die Gesichtspunkte, nach denen die Auswahl zu treffen ist, festlegt. Diese Bresche wird durch die Vergaberegelungen der meist kommunalen Veranstalter geschlossen, welche wiederum von den Verwaltungsgerichten nur bei „objektiver Sachgerechtigkeit mit einer Chance für jeden Bewerber“ akzeptiert werden.72 Eine genauere Betrachtung der entsprechenden Entscheidungen ergibt, dass auch die Verwaltungsgerichte objektive Sachgerechtigkeit im Sinne von Geeignetheit interpretieren. So wird eine Differenzierung der Marktbeschicker nach „bekannt und bewährt“ grundsätzlich gebilligt, weil sie geeignet ist, dem Sicherheits- und Ordnungserfordernis des Veranstalters Rechnung zu tragen.73 Eine Differenzierung nach „alt vor neu“ wie auch „neu vor alt“ ist zulässig, weil diese geeignet ist, die Attraktivität einer Veranstaltung zu sichern, welche je nach Konzeption durch Tradition oder Abwechslung begründet werden kann.74 Ebenfalls objektiv sachgerecht ist eine Differenzierung nach Attraktivität und Anziehungskraft der Gewerbe, weil diese Unterscheidung geeignet ist, zur Herstellung eines ausgewogenen Marktbildes beizutragen.75 Objektive Sachgerechtigkeit wurde in ihrer 70 BVerfGE 33, 303 (S. 331): „Das Freiheitsrecht (ergänze: der freien Wahl der Ausbildungsstätte, der Verf.) wäre ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos.“ 71 BVerfGE 91, 346 (S. 363). 72 Vgl. BVerwG NVwZ 1984, 585; VGH Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 336). 73 OVG Bremen GewArch 1985, 386 (S. 386 f.); OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); BVerwG GewArch 1976, 379 (S. 381); VG Stuttgart GewArch 2002, 330 (S. 330); VG Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 337); Schalt (1981) S. 151. Zu den Grenzen BVerwG NVwZ 1984, 585 (585); OVG Lüneburg GewArch 2002, 428 (S. 429 f.). 74 OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); VGH Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 336); Püttner / Lingemann (1981) S. 128 f.
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Kehrseite aber auch dahin interpretiert, dass das Differenzierungskriterium zu keinem der gesetzlich vorgegebenen Vergabezielen in Widerspruch stehen darf.76 Daher sind im Kontext von § 70 Abs. 3 GewO Unterscheidungen nach Ortsansässigkeit der Bewerber ungeeignet, weil diese der in § 70 Abs. 1 GewO normierten Marktfreiheit widersprechen.77 Individuelle Zumutbarkeit wird in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur als Chancengleichheit verstanden.78 Daher haben die Gerichte solche Verteilungsschlüssel für unzulässig gehalten, die eine Gruppe von Bewerbern generell ausschließen.79 Die Chancengleichheit gewährleistet sahen die Gerichte hingegen durch bewertungsneutrale Kriterien wie Los,80 Priorität81 und die turnusmäßig abwechselnde Berücksichtigung von Bewerbern (rollierendes System).82 Diese Chancengleichheit rein formaler Auswahlkriterien83 kontrastiert mit dem Bestreben nach leistungsorientierter Differenzierung, die materielle Auswahlkriterien nahe legt. Dieser tendenzielle Widerspruch zwischen Kriterien der objektiven Sachgerechtigkeit und individuellen Zumutbarkeit kann und wird in der Vergabepraxis durch Kombinationen verschiedener Auswahlkriterien überwunden oder zumindest abgemildert.84 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis gebilligt, da so nachteilige Auswirkungen der verschiedenen Kriterien einigermaßen ausgeglichen werden.85
3. Schlussfolgerungen: Bedeutung von Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit Im Ergebnis untermauert die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den Auswahlverfahren des Gewerberechts die These, welche sich bereits aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes ableiten ließ. Die teilhaberechtlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, also objektive Sachgerechtigkeit und individuelle 75 OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); BayVGH GewArch 1991, 230 (S. 231); OVG Nordrhein-Westfalen GewArch 1994, 25; OVG Bremen GewArch 1985, 386 (S. 386 f.); OVG Hamburg GewArch 1993, 72 (S. 72). 76 Vgl. auch VGH Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 336). 77 OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); LG Karlsruhe GewArch 1978, 295 (S. 296); Schalt (1981) S. 152; Tettinger in: Tettinger / Wank (1999) § 70 Rn. 52. 78 VGH Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 336): „Chance für jeden Bewerber“. 79 VGH Mannheim GewArch 1979, 335 (S. 336): Keine grundsätzliche Nichtberücksichtigung erstmalig auftretender Händler; OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); VG Chemnitz GewArch 1996, 158 (S. 159); OVG NW GewArch 1991, 229 (S. 230). 80 OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50); vgl. auch BVerwG GewArch 1976, 379 (S. 381); Püttner / Lingemann (1984) S. 129. 81 OVG Lüneburg NVwZ 1983, 49 (S. 50). 82 VG Augsburg GewArch 1990, 63 (S. 63); Püttner / Lingemann (1984) S. 129. 83 Zum Begriff siehe oben 1. Kapitel B. I. 2. 84 Tettinger in: Tettinger / Wank (1999) § 70 Rn. 49. 85 BVerfGE 33, 303 (S. 350).
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Zumutbarkeit als Aspekte gleichheitsgerechter Verteilung, sind Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.86 Objektive Sachgerechtigkeit entspricht dabei dem Gesichtspunkt der Geeignetheit und liegt vor, wenn der gewählte Verteilungsschlüssel zum Erreichen eines legitimen Zwecks geeignet ist und zu keiner über dem Verteilungsschlüssel stehenden Rechtsnorm in Widerspruch steht.87 Individuelle Zumutbarkeit entspricht dem Gesichtspunkt der Angemessenheit und ist dann gegeben, wenn der Verteilungsschlüssel einsichtig ist und jedem Bieter eine reelle Chance auf Zuteilung gibt. Eine eigenständige Abwägung zwischen individuellen Belangen der Bewerber und öffentlichen Interessen ist im Rahmen individueller Zumutbarkeit des Auswahlverfahrens nicht erforderlich. Ein Ausgleich zwischen öffentlichen und schützenswerten Bewerberbelangen erfolgt bereits im Rahmen objektiver Sachgerechtigkeit. Wenn einem bestimmten Vergabeverfahren rechtlich geschützte Interessen einzelner oder aller Bewerber entgegenstehen, widerspricht das Vergabeverfahren diesen und ist daher nicht objektiv sachgerecht. Für die Vollständigkeit des Verhältnismäßigkeits-Dreiklang fehlt zwischen Geeignetheit und Angemessenheit noch die Erforderlichkeit. Deren Nichtberücksichtigung im Schema von objektiver Sachgerechtigkeit und individueller Zumutbarkeit erklärt sich aus der untergeordneten Bedeutung für den Gleichheitssatz im Rahmen von Leistungsverhältnissen.88 Die Ursache dafür liegt in der unterschiedlichen Normstruktur von Abwehr- und Gleichheitsrechten. Abwehrrechte sind Verbotsnormen, bei denen aus dem Verbot eines Erfolges das Verbot aller den Erfolg herbeiführenden Handlungen folgt.89 Die Abwägungsentscheidung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt daher, von verschiedenen möglichen die am wenigsten belastende Handlung zu wählen. Das normative Programm des Gleichheitssatzes bedeutet dagegen ein Gleich- bzw. Ungleichbehandlungsgebot.90 Um diesem Gebot zu genügen, gibt es regelmäßig eine Fülle von Möglichkeiten, die nicht kumulativ, sondern nur alternativ geboten sind.91 Eine Gebotsnorm eröffnet dem Adressaten einen Handlungsspielraum, innerhalb dessen er wählen kann, wie er das Gebot erfüllt.92 Um Gleichbehandlung herzustellen, reicht es daher aus, wenn keine Alternative ersichtlich ist, welche den Leistungszweck besser verfolgt und zugleich die nicht begünstigte Personengruppe milder und schonender behandelt.93 86 Die von Storr (2002) S. 69 vorgenommene Konkretisierung von Sachgerechtigkeit als Pflicht des Staates, nicht willkürlich zu handeln, sondern auf die Belange abzustellen, auf die es ankommt, scheint dem zu entsprechen. 87 Vgl. Michael (2001) S. 868. 88 Manssen (1995) Rn. 707. Diese hat sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „neuen Formel“ niedergeschlagen, vgl. BVerfGE 71, 39 (S. 58): Der Differenzierungsgrund muss nur „sachbezogen und vertretbar“ sein. 89 Alexy (1994) S. 420 f. 90 Alexy (1994) S. 370 ff. 91 Alexy (1994) S. 421. 92 Alexy (1994) S. 421.
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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III. Schutzpflichten Grundrechtliche Schutzpflichten verlangen das Tätigwerden des Staates zur Abwehr drohender Grundrechtsverletzungen. Das Bundesverfassungsgericht hat durch induktive Entwicklung in verschiedenen Konstellationen Schutzpflichten anerkannt, wie etwa bei Gefahren durch technische Entwicklungen,94 Bedrohungen menschlichen Lebens durch Andere95 oder für das chancenlose Grundrecht in privatrechtlichen Konflikten.96 In der Formulierung als Unversehrtheit der Rechte des Einzelnen97 taucht dieser Gedanke in der Definition des polizeirechtlichen Begriffs der öffentlichen Sicherheit auf, so dass Isensee grundrechtliche Schutzpflichten als die subjektivrechtliche Übersetzung der Staatsaufgabe Sicherheit versteht.98 Als einheitliches Konzept gewinnen Schutzpflichten Konturen, indem die Grundrechte auf ihre klassische, abwehrrechtliche Funktion zurückgeführt werden. Sind die grundrechtsgefährdenden Momente unbeherrschbar oder nicht autonom regulierbar oder die drohenden Grundrechtsverletzungen irreparabel, so käme ein schützender staatlicher Eingriff zu spät, wenn erst die Grundrechtsverletzung abgewartet werden würde.99 Grundrechtliche Schutzpflichten geben dem Einzelnen daher das subjektiv-öffentliche Recht, vom Staat das Verhindern eines Übergriffs anderer Privater bzw. die Abwehr einer drohenden Gefahr verlangen zu können, also die grundrechtlichen Güter mit rechtsstaatlichen Mitteln wirksam zu schützen.100 93 Pieroth / Schlink (2002) Rn. 442. Anders Michael (2000) S. 868: „Beim allgemeinen Gleichheitssatz findet eine Erforderlichkeitsprüfung nicht statt!“ 94 BVerfGE 49, 89 (S. 140 ff.); E 53, 30 (S. 57 ff.). 95 BVerfGE 39, 1 (S. 42 ff.); E 46, 160; E 88, 203 (S. 251 ff.). 96 BVerfGE 81, 242 (S. 255); E 92, 26 (S. 46). Als weitere Fallgruppen sind anerkannt: Schutzpflicht zur grundrechtlich vorausgesetzten Funktionssicherung in staatlichen Einrichtungen (z.B. Universitäten) und, parallel dazu, die Schutzpflicht zugunsten gesellschaftlicher Einrichtungen, deren Bestand von den Grundrechten vorausgesetzt wird und die bei Bestehen auch von den Grundrechten geschützt werden (z.B. Privatschulen), dazu Pieroth / Schlink (2002) Rn. 88. 97 Vgl. Schenke in: Steiner (1995) Abschn. II Rn. 30. 98 Isensee (2000) Rn. 89 f., 137. 99 Pieroth / Schlink (2002) Rn. 92. Für die dogmatische Begründung grundrechtlicher Schutzpflichten bestehen verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten. Zum einen könnte der Eingriff eines Privaten dem Staat als eigener Eingriff zugerechnet werden, da sich der Staat an einem Verletzungsvorgang beteilige, wenn er durch rechtliche Regelungen private Eingriffe zulasse. Ein anderer Ansatz beruft sich auf die Dimension der Grundrechte als objektive Wertordnung und sieht in der ausdrücklich normierten Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde eine Verdeutlichung der für alle Grundrechte bestehenden objektiv-rechtlichen Schutzpflicht. Schließlich werden grundrechtliche Schutzpflichten auch unmittelbar aus der Staatsaufgabe Sicherheit abgeleitet. Das Bundesverfassungsgericht rekurrierte zunächst auf die objektive Wertordnung und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 39, 1 [S. 41]), teilweise auch auf die Mitverantwortung des Staates (BVerfGE 53, 30 [S. 58]) und verzichtet bisweilen ganz auf eine dogmatische Herleitung dieser Kategorie (z.B. BVerfGE 46, 160 [S. 164]; E 56, 54 [S. 73]). Ausführlich zum Ganzen Alexy (1994) S. 413 f. und Isensee (2000) Rn. 80 ff. 100 Isensee (2000) Rn. 90.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Die Erfüllung von Schutzpflichten erfordert je nach Konfliktlage unterschiedliche Handlungen. In Genehmigungs- oder Vergabeverfahren kommen diese vor allem als Pflicht zur grundrechtsschützenden Verfahrensgestaltung zur Geltung.101 In einer Verteilungsordnung sind Schutzpflichten zu Gunsten Dritter, nicht an der Verteilung beteiligter Personen zu berücksichtigen, wenn durch das Ergebnis der Verteilung Rechtseingriffe von Privaten drohen.102 Dies ist der Fall, wenn der Gebrauch eines Nutzungsrechts die Rechtssphäre Dritter berührt, wie es für den Gebrauch einer Technologie und die mit ihr verbundenen gesundheitlichen Risiken oder Gefahren denkbar ist.103 Möglicher Gegenstand einer Schutzpflicht in einer Verteilungsordnung können aber auch andere Grundrechte, etwa die allgemeine Handlungsfreiheit oder die Berufsfreiheit sein.104 Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, aktualisiert als „Schutz durch Verfahren“,105 verlangen in diesen Situationen eine Instanz, welche die rechtlich geschützten Interessen von nicht an der Vergabe beteiligten Bürgern vertritt und zur Geltung bringt.106 Die Vertretung kann durch die Bürger selbst oder, als deren Sachwalter, durch den gemeinwohlverpflichteten Staat erfolgen. Der Staat hat bei der Erfüllung von Schutzpflichten grundsätzlich ein Gestaltungsermessen, da die Verfassung insbesondere dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht beträchtliche Entscheidungsfreiheit belässt. Die Schutzvorkehrungen müssen jedoch geeignet, wirksam und ausreichend sein.107 Dies schließt solche Arten kooperativer Verteilung aus, in denen die Verteilung allein dem Aushandeln durch die Beteiligten obliegt und der Staat auf die Rolle eines Notars reduziert wird, der das ausgehandelte Ergebnis lediglich ratifiziert.108 Soll der Staat die Möglichkeit haben, seine Schutzpflichten für am Verfahren nicht beteiligte Bürger wahrzunehmen, so muss er das Recht und die Möglichkeit zur Einflussnahme und zur Entscheidung behalten. Es ist nicht überraschend, dass diese Feststellung Parallelen zu den Erkenntnissen aus der steuerungsrechtlichen Untersuchung von Versteigerungen aufweist. Auch Schutzpflichten geben dem Staat Handlungs- und Entscheidungspflichten auf, die nicht zu seiner Disposition gestellt sind. Auslöser der Schutzpflicht kann das gewählte Vergabeverfahren selbst sein. Wenn durch die Verfahrensart eigenständige Konfliktlagen zwischen beteiligten und unbeteiligten Bürgern entstehen, muss der Staat zu Gunsten des zu schütIsensee (2000) Rn. 139 m. w. N.; Koenig (1994) S. 395. Kunig / Rublack (1990) S. 9. 103 Koenig (1994) S. 410 weist im Kontext einer möglichen Slot-Versteigerung auf den Aspekt des Lärmschutzes hin, zu dessen Berücksichtigung er flankierende ordnungsrechtliche Maßnahmen empfiehlt. 104 Dazu unten 3. Kapitel B. II. 2. b). 105 BVerfGE 53, 30 (S. 65); Koenig (1994) S. 395. 106 Kunig / Rublack (1990) S. 9. 107 Isensee (2000) Rn. 90; Pieroth / Schlink (2002) Rn. 91. 108 Hill (1993) S. 978. 101 102
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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zenden Grundrechts intervenieren. Schutzpflichten können aber auch unabhängig vom Vergabeverfahren, aus anderen Gründen bestehen. In diesem Fall muss sichergestellt sein, dass die Schutzpflicht auch in dem gewählten Vergabeverfahren oder trotz dessen außerhalb der Vergabe erfüllt werden kann. Kommt es durch die Auflösung der klassischen Verfahrens- und Organisationsstrukturen zu Steuerungsverlusten, die zur Folge haben, dass der Staat grundrechtliche Schutzpflichten vernachlässigt, so ist das Verfahren unzulässig.109
B. Verfassungsmäßigkeit der Auswahl durch Versteigerung Die Grundrechtskonformität von Versteigerungen ist mit der Frage verbunden, ob es möglich ist, statt anderer Differenzierungskriterien auf den Marktmechanismus zurückzugreifen, also statt Los, Priorität oder abwägendem Vergleich das Tauschprinzip zum Verteilungsschlüssel zu machen. Dies gipfelt in der Frage, ob es richtig sein kann, den Markt mit Geld als Tauschmedium zum auswahlentscheidenden Verfahren für eine Verwaltungsentscheidung zu erheben. Immerhin werden dadurch nicht nur die Steuerungsmöglichkeiten der Verwaltung verändert. Mit der Auswahlentscheidung wird zugleich ein Einnahmetatbestand verbunden, der die Vergabe gegenleistungsabhängig macht und insoweit kommerzialisiert, da der Preis, den ein Bürger zu zahlen bereit ist, über seinen Erfolg bei der Vergabe entscheidet.110 Der Einwand der Kommerzialisierung ist der tief greifendste Vorbehalt gegen Versteigerungen, da er die Grundlage des Vergabeverfahrens angreift und von einer interessenspezifischen Abwägungs- oder Eignungsprüfung unabhängig ist. Ob eine Versteigerung als Auswahlmechanismus objektiv sachgerecht und individuell zumutbar ist, hängt davon ab, welche Vergabeziele, öffentliche Interessen und Bewerberbelange zu berücksichtigen sind, kann also nur je nach Vergabesituation entschieden werden. Die Untersuchung wendet sich daher im Folgenden zunächst der Verfassungsmäßigkeit einer gegenleistungsabhängigen Vergabeentscheidung zu (dazu sogleich I.), bevor im Anschluss die Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit in einer konkreten Vergabesituation betrachtet wird (dazu unten II.). Grundlage der Betrachtung sind dabei die Regelungen der Mobilfunklizenzversteigerung des TKG. Anschließend wird versucht werden, aus diesen Untersuchungen allgemeingültige Erkenntnisse zu Möglichkeiten und Grenzen eines Auktionsverfahrens zu abstrahieren (dazu unten III.). Kunig / Rublack (1990) S. 9. Die Kommerzialisierung der Vergabeentscheidung ist für Auktionsverfahren wesensprägend. Es ist nicht möglich, sich eine Auktion vorzustellen, bei der auf die Gegenleistung verzichtet wird. Selbst wenn die Gebote nicht auf Geld, sondern auf eine andere zu erbringende Leistung lauten (McMillan [1995] S. 195 berichtet von einer Mobilfunkauktion in Lateinamerika, bei welcher um den schnellstmöglichen Netzaufbau geboten wurde), bleibt diese doch Gegenleistung für die Erteilung eines Nutzungsrechts. 109 110
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
I. Verfassungsmäßigkeit gegenleistungsabhängiger Vergabeentscheidungen Wenn in der Literatur von einer Kommerzialisierung des Verwaltungsrechts die Rede ist, hat dies negative Konnotation und wird als Argument für die Verfassungswidrigkeit einer Regelung verwendet.111 Zwar ist das Zusammentreffen von Auswahlentscheidung und Einnahmentatbestand für das deutsche Verwaltungsrecht neu und findet die synallagmatische Verbindung von Verwaltungsentscheidung und dem Verhalten der Bewerber bislang keine Parallelen.112 Ob die Kommerzialisierung einer Verwaltungsentscheidung aber ohne weiteres mit der Folge der Verfassungswidrigkeit verbunden ist, bedarf genauerer Untersuchung.
1. Ist der Preis zulässiges Differenzierungskriterium? Mittel der Auswahl, d.h. tatsächliches Differenzierungskriterium, ist die Gebotshöhe, also in der Regel der Preis, den die Bewerber für die Zuteilung des Gemeinschaftsgutes zu zahlen bereit sind. Erfolgreich sind die Bieter, welche die höchsten Gebote abgeben. Das Auktionskonzept sieht dadurch die Auswahl der wirtschaftlichsten Bewerber gewährleistet, weil in der ökonomischen Logik die Zahlungsbereitschaft Indikator für die Wirtschaftlichkeit der Bewerber ist. Der Gebotspreis soll dabei als Mittel eines horizontalen Interessenausgleichs wirken, also als Verfahren, um die Interessen der Bewerber untereinander auszugleichen. Dies unterstellt, dass das Interesse besonders wirtschaftlicher Bewerber dem von weniger wirtschaftlichen Bewerbern vorrangig ist. Eine rechtliche Untersuchung kann diesen Satz nicht ungeprüft übernehmen. Die fundierte Analyse ökonomischer Steuerungskonzepte, nämlich ob die Differenzierung zwischen den Bewerbern nach Gebotshöhe den grundrechtlichen Anforderungen an ein Auswahlverfahren entspricht, setzt vielmehr voraus, dass sich zum einen die behaupteten Allokationswirkungen bewahrheiten, also das Steuerungskonzept in sich schlüssig ist. Steht dies fest, so stellt sich zum anderen die Frage, ob der Rückgriff auf dieses Steuerungskonzept rechtlich zulässig ist, insbesondere also, ob er mit den grundrechtlichen Anforderungen an ein Vergabeverfahren vereinbar ist. 111 Vgl. nur P. Kirchhof (1999) Rn. 187; Meyer (1995) S. 166; Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17; überspitzt Breuer (2001) S. 28: „Entartung des sozialen Rechtsstaates“. 112 Dies hat auch zur Folge, dass sich eine Untersuchung der dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen nicht in gewohnten Bahnen bewegen kann. Rechtlich muss dieses einheitliche Phänomen in zwei Teile, nämlich die Auswahlentscheidung und die Einnahmenerhebung, aufgespalten werden. Der Untersuchung des Auswahlverfahrens liegt daher eine beschränkte Sichtweise zu Grunde, bei welcher nur betrachtet wird, ob das Tauschkonzept die Richtigkeit der Auswahlentscheidung beeinträchtigt. Ob die „Gegenleistung“ vom Staat rechtmäßigerweise erhoben und vereinnahmt werden darf, bleibt dabei (noch) ausgeklammert, dazu aber unten 4. Kapitel. Im Vorgehen ähnlich Becker (2002a) S. 5.
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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a) Das ökonomische Steuerungskonzept aa) Markttheorie und Allokationswirkung Die Allokationswirkung von Versteigerungen, nach welcher der wirtschaftlichste Bieter in einer Auktion gewinnt, fußt auf dem Marktkonzept. Danach wird die Höhe der Gebote für jeden Bieter durch dessen Reservationspreis bestimmt. Für ein Unternehmen ist dieser um so höher, je höher der erwartete Gewinn aus der Nutzung des Gemeinschaftsgutes ist, so dass die höchsten Gebote von den Unternehmen abgegeben werden, welche die höchsten Gewinnerwartungen haben, weil sie das Gemeinschaftsgut am wirtschaftlichsten nutzen.113 Grundsätzlich ist es nicht unzweckmäßig, bei der Auswahl der Bewerber um ein knappes Wirtschaftsgut danach zu differenzieren, wer dieses Gut am wirtschaftlichsten nutzen kann. Ein nur begrenzt vorhandenes Gemeinschaftsgut an die Bewerber zu vergeben, die es mit dem größten volkswirtschaftlichen Erfolg nutzen können, ist grundsätzlich mit der Gemeinwohlorientierung des Staates vereinbar, weil diese Vergabe unter ökonomischer Betrachtungsweise das gesamtgesellschaftliche Optimum herstellt.114 Es mag Situationen geben, in denen andere Ziele die Vergabe determinieren sollten und die Wirtschaftlichkeit gerade kein Kriterium der Auswahl sein darf.115 Weder die Grundrechte noch sonstige Verfassungssätze gebieten aber, ökonomische Überlegungen bei der Vergabe generell unberücksichtigt zu lassen.116 Die wirtschaftspolitische Offenheit der Verfassung gewährt dem Gesetzgeber einen breiten Entscheidungsspielraum.117 Dieser umfasst auch die Entscheidung, sich bei der Vergabe von wirtschaftlich nutzbaren Gemeinschaftsgütern an mikroökonomischen Zweckmäßigkeitserwägungen zu orientieren. Die Behauptung, das Höchstgebot sage über die erforderliche Eignung der Bieter nichts aus,118 ist daher, bezogen auf das Ziel möglichst wirtschaftlicher Vergabe, bei wirtschaftstheoretischer Betrachtung unzutreffend.
113 Zu den ökonomischen Grundlagen dieser Argumentationskette finden sich Ausführungen in jedem gängigen Grundlagenwerk der Mikroökonomik z.B. Klodt (1992) S. 14 ff. 114 Vgl. Tomuschat (1973) S. 455 f.: Der Unternehmer „muss sich den Bedingungen eines marktwirtschaftlichen Systems unterwerfen, so dass es auch grundsätzlich nicht beanstandet werden kann, wenn der Staat selbst Produktionsberechtigungen an den Meistbietenden vergibt.“ 115 Der Gesetzgeber des TKG sieht etwa die Vergabe von Studienplätzen als einen solchen Fall an, BT-Drs. 13 / 3609 S. 39. Dafür spricht, dass es bei dieser auch um die Vergabe persönlicher Lebenschancen geht und dass das Gut Bildung bzw. Ausbildung nicht nur wirtschaftlich zu bewerten ist, sondern auch ideellen Wert hat, wodurch sozialstaatlichen Gesichtspunkten mehr Einfluss gewährt wird. 116 Der Gesetzgeber stellte auch lange vor Einführung des Versteigerungsverfahrens auf wirtschaftliche Kriterien ab, vgl. BT-Drs. 7 / 3859 S. 16, wo – allerdings wohl unzutreffend – die Vergabe nach Priorität als wirtschaftlich sinnvoll angesehen wird. 117 BVerfGE 4, 7 (S. 17 f.); Arndt in: Steiner (1995) VII Rn. 38. 118 So zitiert bei Korioth (2001) S. 17; vgl. auch Grzeszick (1997a) S. 884.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
bb) Kollusion und „Fluch des Gewinners“ Für die verfassungsrechtliche Bewertung reicht die theoretische Eignung eines Auswahlverfahrens nicht. Während die Ökonomik auf die Arbeit mit Modellen, also vereinfachten und komplexitätsreduzierten Abbildern der Wirklichkeit zurückgreifen kann,119 muss sich eine juristische Betrachtung der realen Vielschichtigkeit stellen, um bei konfligierenden Interessen zu adäquaten Lösungen zu gelangen. Die Auswahl nach Gebotshöhe, welche einer Versteigerung zugrunde liegt, muss sich daher auch in der praktischen Anwendung als ein Verfahren erweisen, das geeignet ist, die wirtschaftlichsten Bewerber zu ermitteln. Bei Betrachtung von Versteigerungen in der Praxis zeigt sich, dass Auktionen nicht zwangsläufig zu effizienten Ergebnissen führen. Dabei wird die Auswahl der wirtschaftlichsten Bewerber insbesondere durch Absprachen unter den Bietern und überhöhte Gebote verfehlt. Bieterkartelle oder Absprachen der beteiligten Bieter im Vorfeld oder während der Versteigerung bringen den Wettbewerb zwischen den Bietern zum Erliegen, so dass der Marktmechanismus versagt.120 Die Gefahr von Überbewertungen besteht vor allem dort, wo der Wert des versteigerten Gemeinschaftsgutes nicht nur von Faktoren abhängt, die jeder Bieter sicher bestimmen kann, sondern auch von ungewissen Momenten wie Nachfrageintensität, technischem Fortschritt und Wettbewerbsdichte beeinflusst wird. Wenn ein Bieter bei diesen Punkten zu optimistische Erwartungen hat, schlägt sich dies auf seine Wertschätzung und den von ihm gebotenen Preis nieder. Herrscht unter allen Bietern Unsicherheit über den Wert des Auktionsgegenstandes, so kann es dazu kommen, dass nicht der wirtschaftlichste Bieter den Zuschlag erhält, sondern derjenige, der die am meisten optimistischen Gewinnerwartungen hat,121 weil dieser das höchste Gebot abgibt. Dieser Gewinner trägt daher auch das höchste Risiko, dass im Nachhinein der Wert des Auktionsgegenstandes hinter der ursprünglichen Einschätzung zurückbleibt, so dass sich der Erwerb als nicht lukrativ erweist.122 Es würde die Eignung von Versteigerungen als Auswahlverfahren ausschließen, wenn aufgrund dieser Gefahren die theoretische Konzeption der Allokation nach Wirtschaftlichkeit versagen würde. Wenn es hingegen möglich ist, diesen Gefahren zu begegnen, bleibt das ökonomische Auktionskonzept stimmig, so dass auch bei der rechtlichen Bewertung auf dieses zurückgegriffen werden kann. Diese Stimmigkeit des Auktionskonzeptes gewährt die Versteigerungstheorie bei komplexerer Ausgestaltung von Versteigerungen, durch welche es möglich ist, die genannten Gefahren abzuwenden. Kollusivem Verhalten kann durch die Klodt (1992) S. 2. Vgl. Keuter / Nett / Stumpf (1996), S. 51. Ausführlich und mit anschaulichen Beispielen zu strategischem Bieterverhalten in Auktionen Klemperer (2000) S. 2 ff. Siehe auch Klemperer (1999) S. 240 m. w. N. 121 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 52. 122 Siehe oben 1. Kapitel C. II. 2. b). 119 120
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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üblichen Mittel des Wettbewerbs- und Kartellrechts begegnet werden, indem Kartelle und Absprachen untersagt und durch Ausschluss von der Versteigerung und Zurücknahme des erteilten Gemeinschaftsgutes sanktioniert werden.123 Des weiteren kann Kollusionen durch das Versteigerungsdesign entgegen gewirkt werden. Im Raster der Auktionsformen124 sind einstufige Versteigerungen weniger kollusionsanfällig als mehrstufige, geringe Kartellstabilität weisen auch geheime Auktionen auf.125 Bei (in der Regel mehrstufigen) komplexen Auktionen kann Kollusionsprävention durch entsprechend stärkere Regulierung sichergestellt werden, etwa indem neben den bereits genannten Maßnahmen auch die Kommunikation unter den Bietern unterbunden wird. Die Gefahr von Überbewertungen lässt sich durch möglichst umfangreiche Information vermindern, indem der versteigernde Staat den Bietern alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen offen legt.126 Es ist sogar anzuraten, staatlicherseits Marktanalysen zu betreiben, um die Informationsdichte zu erhöhen und die Prognosegenauigkeit der Bieter zu verbessern. Schließlich bietet auch das Versteigerungsdesign die Möglichkeit, Überbewertungen beizukommen. Mehrstufige aufsteigende Versteigerungen und Zweitpreisauktionen vermindern die Gefahr des Überschätzens,127 so dass im Raster der einfachen Versteigerungsformen Englische und Vickrey-Auktionen besonders geeignet sind. In komplexeren Auktionen kann diese Erkenntnis bei der Festlegung des Versteigerungsdesigns berücksichtigt werden.128 Die Gefahr von Kollusion oder Überbewertungen kann also bei entsprechendem Auktionsdesign und Herstellung der notwendigen Rahmenbedingungen grundsätzlich abgewehrt werden. Empirische Untersuchungen bestätigen, dass diese Ansätze tatsächlich Früchte tragen.129 Einer rechtlichen Beurteilung kann daher zugrunde gelegt werden, dass es bei entsprechendem Auktionsdesign möglich ist, durch Versteigerung die Bewerber zu ermitteln, welche das knappe Gemeinschaftsgut am wirtschaftlichsten nutzen. b) Gefahr von Fehlallokationen Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich diese Gefahr im Einzelfall gleichwohl verwirklicht. Fraglich ist, ob dieses Restrisiko die generelle Eignung des Vergabeverfahrens ausschließt. Dafür spräche, dass dieses Risiko, sofern es sich realisiert, die Eignung im Einzelfall ausschließen würde und dass, wenn das Risiko nicht kalkulierbar ist, prinzipiell jeder Fall dieser Einzelfall sein könnte. Eine solKeuter / Nett / Stumpf (1996) S. 56 f. Dazu oben 1. Kapitel C. II. 2. a). 125 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 51. 126 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 52. 127 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 52. 128 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 56. 129 Die Stichhaltigkeit dieser Ansätze ist inzwischen durch empirische Untersuchungen untermauert worden, dazu Hendricks / Porter (1989) S. 217 ff.; McAffee / McMillan (1987) S. 724, 726; McAffee / McMillan (1992) S. 579 ff.; Robinson (1985) S. 141 ff. 123 124
6 Leist
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
che Betrachtung vermengt jedoch in unzulässiger Weise die Sachgerechtigkeit im Einzelfall und die Sachgerechtigkeit im Allgemeinen. Eine Auktion ist im Einzelfall nicht sachgerecht, wenn es zu Kollusionen oder Übergeboten kommt. Da jedoch Möglichkeiten bestehen, diese Gefahren zu bannen, ist die Sachwidrigkeit kein Wesensmerkmal der Versteigerung im Allgemeinen. Der Staat, insbesondere die Verwaltung, ist gehalten, das Versteigerungsdesign im Einzelfall entsprechend den Vorgaben von objektiver Sachgerechtigkeit und individueller Zumutbarkeit auszugestalten. Ein Blick auf die etablierten Auswahlverfahren des Gewerberechts zeigt, dass das verbleibende Restrisiko von Fehlallokationen im Einzelfall die grundsätzliche Sachgerechtigkeit nicht ausschließt. Ein materielles Auswahlverfahren mittels direkter Beurteilung der Behörde gilt grundsätzlich als sachgerecht, obgleich auch bei diesem Verfahren nicht auszuschließen ist, dass die Beurteilungen im Einzelfall unzutreffend waren oder die Auswahl auf sachwidrigen Erwägungen beruhte. Eine Versteigerung ist geeignet, die Bieter zu ermitteln, welche die vergebenen Güter am Besten nutzen können. Die Existenz eines gewissen Restrisikos von Fehlallokationen im Einzelfall steht dem nicht entgegen.
c) Keine Chancengleichheit bei Handel mit staatlichen Erlaubnissen Wenn für die Beurteilung von Versteigerungen als Regulierungsinstrument von der Richtigkeit der ökonomischen Konzeption ausgegangen werden kann, ist Schwerpunkt der rechtlichen Beurteilung die Gegenleistungsabhängigkeit der Vergabe. Gegen diese werden rechtsstaatliche Bedenken mit dem Argument vorgebracht, eine Vergabe knapper Gemeinschaftsgüter könne nur durch Hoheitsakt erfolgen, ein Handel mit staatlichen Erlaubnissen sei hingegen ausgeschlossen.130 Eine Genehmigung möge ein knappes Gut sein und daher einen Marktwert haben. Sie gehöre aber nicht auf den Markt, weil die Verteilung nur als staatlicher Hoheitsakt verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen könne.131 Dieser Einwand stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Konzessionshandel. Als Konzessionshandel wird der private Handel mit kontingentierten Erlaubnissen ohne Beteiligung des Staates bezeichnet, wobei Inhaber einer Konzession diese direkt oder indirekt, nämlich durch Übertragung des konzessionierten Unternehmens, an andere Bewerber verkaufen, die bei der Vergabe nicht erfolgreich waren. Besondere Beachtung hat diese Praxis bei Taxikonzessionen und Güterverkehrsgenehmigungen erhalten.132 Seit 1998 die KonRummer (1988) S. 233. Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17; Piepenbrock / Müller (2001) S. 43; Rummer (1998) S. 233. 132 Bis 1998 enthielt das Güterkraftverkehrsgesetz eine Kontingentierungsregelung für Genehmigungen zum Güterkraftverkehr auf der Straße. Im Zuge einer umfassenden Reform 130 131
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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tingentierung im Güterkraftverkehrsgesetz entfallen ist, hat sich der Blick auf die weiterhin bestehende Kontingentierung des Taxigewerbes (§ 13 Abs. 4 PBefG) verengt. Das Problem des Genehmigungshandels besteht aber überall, wo staatliche Erlaubnisse mengenmäßig beschränkt sind und nicht zu knappheitsgerechten Preisen vergeben werden.133 Das Bundesverfassungsgericht sah im privaten Handel mit Güterfernverkehrsgenehmigungen eine Verfassungsverletzung. Wenn Genehmigungen übertragbar wären und zum Gegenstand privater Geschäfte gemacht werden könnten, läge darin ein Verstoß gegen die Chancengleichheit. 134 Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass Genehmigungen nicht zum „regellosen Handelsobjekt mit erheblichen Preisen“ gemacht werden dürften.135 Auf den ersten Blick mag es nahe liegen, in marktbasierten Vergabeverfahren einen Widerspruch zu dieser Rechtsprechung zu sehen und daher auch die Versteigerung für unzulässig zu erachten. Die Bewerber bieten in einem solchen Vergabeverfahren um die staatliche Erlaubnis wie um ein Handelsobjekt und es ist nicht ausgeschlossen, dass dabei erhebliche Preise erzielt werden.136 Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Überlegung jedoch als Fehlschluss. Versteigerungen als Vergabeverfahren werden von dieser Rechtsprechung bereits deshalb nicht erfasst, weil die Auktion vom Staat veranstaltet wird und durch eine hoheitliche Vergabeentscheidung (Verwaltungsakt oder Verwaltungsvertrag) abgeschlossen wird. Genehmigungsversteigerungen sind hoheitliche Vergabeverfahren, so dass das erteilte Nutzungsrecht, die Genehmigung, nicht Gegenstand privater Geschäfte ist. Weiterhin ist eine Auktion kein regelloser Handel. Versteigerungen werden durch Auktionsregeln geleitet und gesteuert. Gerade die Tatsache der Regelabhängigkeit des Marktprozesses hat das Interesse der regelbedürftigen Spieltheorie an dieser Marktform begründet. Denkbar ist, den Einwand mangelnder Chancengleichheit, den das Bundesverfassungsgericht für den Genehmigungshandel erhoben hat, auch gegen Versteigerungen geltend zu machen. So wird eingewandt, der freie Handel von Genehdes Güterkraftverkehrsrecht wurde diese Regelung abgeschafft, um eine Diskriminierung deutscher Unternehmer im Verhältnis zu ihren europäischen Konkurrenten zu vermeiden, die bei Inkrafttreten der Verordnung (EWG) 3118 / 93 erfolgt wäre, vgl. dazu die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13 / 9314 S. 14 f. 133 Daher bedeutet auch der Tausch von Slots im Luftverkehrsrecht einen Handel, der gegebenenfalls mit Kompensationen verbunden ist, vgl. dazu Kilian (2000) S. 159 ff. sowie die Entscheidung des High Court EuLR 1999, S. 745 ff. (Regina v. Airport Co-Ordination Ltd.). 134 BVerfGE 40, 196 (S. 232); ebenso für den Handel mit Taxikonzessionen BVerfGE 81, 40 (S. 51). 135 BVerwGE 64, 238 (S. 245). Vgl. auch BT-Drs. 9 / 2128 S. 7, wo es allerdings heißt, dass es „nicht hingenommen werden [kann], dass staatliche Genehmigungen die aus ordnungsrechtlichen Gründen nicht unbeschränkt erteilt werden können, als Handelsobjekt dienen“. 136 Die Versteigerung der Mobilfunklizenzen für den UMTS / IMT-2000-Standard im Sommer 2000 hat dafür ein Beispiel gegeben. Der Erlös belief sich auf rund 50 Milliarden Euro. 6*
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migungen bedeute einen Verstoß gegen das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, weil die Chancengleichheit nicht gewahrt sei.137 Auch diese Argumentation beruft sich auf die verfassungs- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Konzessionshandel.138 Der Einwand greift ebenfalls nicht durch. Es wurde bereits ausgeführt, dass eine Versteigerung kein freier Handel ist, weil das Auktionskonzept den Marktmechanismus in einem geregelten und behördlich kontrollierten Verfahren rezipiert.139 Die Betonung in der Argumentation des Einwandes liegt aber wohl weniger auf „frei“ als auf „Handel“. Dann ist die Kritik so zu verstehen, dass jeder Handel von Genehmigungen die Chancengleichheit der Bewerber verletze und deshalb marktbasierte Vergabeverfahren unzulässig seien. Auf die Rechtsprechung zum Konzessionshandel kann sich diese Argumentation allerdings nicht stützen. Die Verletzung der Chancengleichheit der Bewerber ergab sich in diesen Fällen aus der von Versteigerungen abweichenden Marktstruktur. Zum einen ist der Konzessionsmarkt nicht allen Bewerbern bekannt. Der private Handel mit Konzessionen wird typischerweise nicht öffentlich bekannt gemacht, sondern verläuft eher unter der Hand. Liegt die Existenz des Konzessionsmarktes im Verborgenen, so können nicht alle Bewerber teilnehmen. Zum anderen ist der Auswahl- und Entscheidungsprozess auf dem privaten Konzessionsmarkt nicht klar und im Voraus bestimmt. Verteilungsverhandlungen sind im Gegensatz zu einer Versteigerung dadurch gekennzeichnet, dass der Preis nicht nur in einer Geldsumme, sondern auch in anderen Gütern oder Vorteilen bestehen kann, ohne dass diese vor Verhandlungsbeginn feststehen. Daher zeichnet sich der nicht organisierte private Konzessionshandel des Taxigewerbes durch ein Informations- und Transparenzdefizit aus,140 welches die Verletzung der Chancengleichheit der Bewerber begründet. Bei Versteigerungen wird die Vergabe hingegen vorher bekannt gemacht. Die Bedingungen des Zuschlags sind durch die im Voraus festgelegten Auktionsregeln klar erkennbar. Der Vorwurf von Informations- und Transparenzdefiziten, welcher den privaten Konzessionshandel trifft, greift gegenüber einer Versteigerung nicht durch. Möglicherweise ist der Vorwurf mangelnder Chancengleichheit bei Versteigerungen aber viel allgemeiner zu verstehen. Die Verletzung der Chancengleichheit könnte sich aus der Abhängigkeit von Auswahlentscheidung sowie Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit ergeben. Wenn der Staat einfach nur den größten Geldbieter zum Zuge kommen lasse,141 knüpfe er bei der Vergabeentscheidung an bestehende Ungleichgewichte in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter an und verstärke diese noch, indem er gerade die besonders vermögenden Bewerber begünstige, 137 138 139 140 141
Grzeszick (1997a) S. 883; Demmel in: Manssen (Stand April 1999) § 47 TKG Rn. 39. BVerfGE 40, 196 (S. 232); BVerwGE 64, 238 (S. 245). Siehe oben in diesem Abschnitt. Korioth (2001) S. 26 f. Schmidt-Jortzig (2000) S. 16.
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die ohnehin über die größten finanziellen Reserven verfügten. Bewerber, die über keine oder nur geringe Finanzmittel verfügten, hätten gegen finanzstarke Konkurrenz keine Chance. Eher, so ließe sich argumentieren, verlange die Chancengleichheit, weniger vermögende Bieter zu fördern. Ob sich die Verbindungslinie zwischen Auswahlentscheidung, Gebotshöhe und Vermögen der Bewerber, die von dieser Kritik behauptet wird, tatsächlich nachvollziehen lässt, erscheint fraglich. Die Auswahlentscheidung der Behörde ist in einer Versteigerung zwar an die Gebotshöhe, nicht aber an das Vermögen der Bieter geknüpft. Betrifft die Versteigerung ein wirtschaftlich nutzbares Gemeinschaftsgut, so ist das Erlangen des Gutes mit Kosten verbunden. Das bedeutet für interessierte Bewerber eine Investitionsentscheidung, bei der die Gebotshöhe von der finanziellen Leistungsfähigkeit abhängt. Diese ist bei einer Investitionsentscheidung aber weniger an das eigene Vermögen, als an die Wirtschaftlichkeit des unternehmerischen Konzeptes geknüpft. Auch ein besonders vermögender Bieter investiert seine Finanzmittel nur dann, wenn nicht zu erwarten ist, dass diese Mittel verloren gehen, da nur in diesem Fall die Investition einer anderweitigen Verwendung vorzuziehen ist. Auf der anderen Seite hat ein weniger vermögender Bieter wegen seines geringeren Vermögens nicht notwendigerweise eine geringere finanzielle Leistungsfähigkeit, da für diese Bieter die Möglichkeit besteht, sich über den Kapitalmarkt Mittel zu beschaffen. Auf einem funktionierenden Kapitalmarkt bedeutet dies sogar noch eine zusätzliche Wirtschaftlichkeitskontrolle, weil der Kapitalmarkt finanzielle Mittel nur dann zur Verfügung stellen wird, wenn die erwarteten Erfolgsaussichten des kreditsuchenden Bieters realistisch sind, da sonst auch für die Kreditgeber die Gefahr besteht, die Investitionsmittel zu verlieren. Die Bewerber mit den erfolgversprechendsten Konzepten sind daher auch die wirtschaftlichsten Bieter, die über die größte Finanzkraft verfügen. Die Abhängigkeit der Auswahlentscheidung von der Gebotshöhe bedeutet nicht eine Differenzierung nach Vermögen, sondern nach finanzieller Leistungsfähigkeit (Finanzkraft), die bei einem wirtschaftlichen Gut wiederum von der Wirtschaftlichkeit des unternehmerischen Konzeptes abhängig ist. Weil angesichts der Möglichkeit, über den Kapitalmarkt Finanzmittel zu beschaffen, jeder Bewerber die Möglichkeit hat, seiner Wirtschafts- und Finanzkraft entsprechende Gebote abzugeben, stellt die Abhängigkeit der Auswahlentscheidung von der Gebotshöhe keine Verletzung der Chancengleichheit dar. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Staat unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit verpflichtet ist, bestehende Ungleichheiten auszugleichen. Im Ergebnis ist dies zu verneinen. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG garantiert nicht eine Ordnung, in der jeder Einzelne aufgrund des ihm zugewiesenen Status zufrieden ist, sondern gewährleistet vor allem den „unruhigen Wettbewerb der Chancengleichheit“. 142 Einen über gleichen Zugang zum Markt hinausgehenden Anspruch auf Erfolgsgleichheit gewährt Art. 3 Abs. 1 GG nicht.143 142 143
P. Kirchhof (2000) Rn. 75. P. Kirchhof (2000) Rn. 74.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
2. Schließt die Kollision von Regulierungsinteressen mit fiskalischen Interessen die Zulässigkeit von Versteigerungen aus? a) Vertikaler Interessenausgleich im Vergabeverfahren Die Gegenleistungsabhängigkeit der Vergabeentscheidung ist kennzeichnendes Merkmal dafür, dass die Verteilungsentscheidung kommerzialisiert wird. Der Preis ist maßgebliches Differenzierungskriterium der Bewerberauswahl. Dies hat zur Folge, dass dem Staat durch die Vergabeentscheidung Finanzmittel zufließen. Die Mehrpoligkeit des Auswahlverfahrens führt dazu, dass verschiedene Bewerber und damit auch unterschiedlich hohe Gebote miteinander konkurrieren. Verteilungsentscheidung und Einnahmentatbestand stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Die Tatsache, dass der Bewerber erfolgreich ist, welcher den höchsten Preis zu zahlen bereit ist, legt die Vermutung nahe, das Vergabeverfahren könnte staatliche Begehrlichkeiten wecken, so dass sich die öffentliche Verwaltung weniger von Verteilungs- und Vergabezielen als von fiskalischen Interessen leiten lässt.144 Die Eignung der Versteigerung als Vergabeverfahren setzt voraus, dass auch in vertikaler Hinsicht ein sachgerechter, zulässiger Ausgleich zwischen öffentlichen und privaten Interessen möglich ist. Eine Interessenkollision innerhalb der öffentlichen Verwaltung, die dazu führen kann, dass die eigentlichen Vergabeziele unberücksichtigt bleiben, gefährdet diesen horizontalen Interessenausgleich. Ob die gegenleistungsabhängige Vergabe einer Berechtigung die rechtsstaatliche Objektivität einer Verwaltungsentscheidung gefährdet, ist bei grundrechtlicher Betrachtung eine Frage der Sachgerechtigkeit. Dieser Frage logisch vorrangig wäre, ob der Staat bei der Vergabe von Genehmigungen überhaupt Einnahmen erzielen darf. Es kann bezweifelt werden, dass die Annahme, der Staat dürfe bei der Vergabe von Berechtigungen keine Einnahmen, jedenfalls aber keinen Gewinn erzielen,145 in dieser Allgemeinheit zutrifft. Einnahmen werden in Form von Gebühren und Beiträgen in vielen Fällen für die Gewährung von besonderen Leistungen durch die Verwaltung erzielt. Diese dienen zwar meist nur zur Deckung der Verwaltungskosten, ohne dass dadurch ein Gewinn erwirtschaftet würde. In Form der Verleihungsgebühr besteht jedoch auch eine Abgabe, die für die Vergabe einer Berechtigung erhoben wird und mit welcher der Staat Gewinn macht.146 Es ist denkbar, dass die Erhebung des Versteigerungserlöses dieser Gebührenart entspricht oder vergleichbar und daher zulässig ist. Diese Frage bedarf jedoch eingehender abgabenrechtlicher Untersuchung. Die abgabenrechtliche Zulässigkeit des VersteiVgl. Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17. Kritisch etwa Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17; Rummer (1988) S. 233. 146 Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 9; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104a GG Rn. 72. 144 145
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gerungserlöses wird daher einstweilen unterstellt werden; eine eingehende Untersuchung dieser Frage wird an anderer Stelle erfolgen.147 b) Der Staat als persona oeconomica Der Einwand, die gegenleistungsabhängige Vergabe einer Berechtigung würde die Objektivität des Verwaltungshandelns gefährden, bezieht sich auf Eignung und Sachgerechtigkeit des Verfahrens unter Verteilungsaspekten. Inhaltlich ist er die Fortführung des ökonomischen Verhaltensmodells und Erweiterung auf die staatlichen Akteure. Das ökonomische Kalkül, das Grundlage für die Argumentation und Konzeption marktbasierter Vergabeverfahren ist, wird nicht nur bei den Bietern, sondern auch beim veranstaltenden Staat vermutet.148 Nicht nur die privaten Unternehmen, auch der Staat trachte danach, seinen Gewinn zu maximieren. Gerate der Staat in eine solche Interessenkollision, werde er wohl kaum ein Versteigerungsdesign wählen, das hinter dem an Einnahmen Möglichen zurückbleibe. Die Gefahr, dass die versteigernde Behörde die intendierten Vergabeziele zu Lasten fiskalischer Interessen vernachlässigen könne, ist relativ gering, wenn es nur darum geht, die wirtschaftlichsten Bewerber zu ermitteln. Mikroökonomisch drückt sich Wirtschaftlichkeit gerade in der höchsten Zahlungsbereitschaft aus. Erlösmaximierung und Verteilungseffizienz laufen also grundsätzlich parallel. Größere Relevanz kommt dem Argument der Interessenkollision aber dann zu, wenn weitere Regulierungsziele hinzutreten. Die vergebende Behörde könnte dann geneigt sein, diese im Interesse höherer Einnahmen zu vernachlässigen. Allerdings können auch die Vergabe nach Wirtschaftlichkeit und fiskalischen Interessen miteinander kollidieren. Es ist möglich, das Versteigerungsdesign vorrangig effizienzorientiert auszugestalten und damit die Gefahr von Überbewertungen zu reduzieren oder durch vorrangig erlösmaximierende Auktionen eine Überbewertung seitens der Bieter in Kauf zu nehmen.149 Wenn das gewählte Auktionsdesign geeignet ist, Überbewertungen durch die Bieter zu provozieren, erhält nicht der wirtschaftlichste Bewerber, sondern derjenige, welcher die optimistischsten Gewinnerwartungen hat, den Zuschlag. Ob der Staat in einer solchen Situation stets fiskalische Interessen im Dienste größerer Objektivität zurückstellt, erscheint zweifelhaft. Die Bindung des Staates an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet den Staat zwar zu einer verDazu unten im 4. Kapitel. Einen ähnlichen, wenn auch inhaltlich viel weiter gehenden Ansatz verfolgt die Neue politische Ökonomie mit der Public-Choice-Theorie. Diese hält den idealistischen Ansatz, wonach staatliche Funktionäre in erster Linie das Gemeinwohl vor Augen haben, für naiv. Politiker, Beamten und Lobbyisten handelten vielmehr rational und eigennutzmaximierend, so dass ihr Handeln auf autonome Ziele ausgerichtet sei. Als Konsequenz fordert die PublicChoice-Theorie institutionelle Reformen mit dem Ziel, Eigennutzorientierung in Übereinstimmung mit dem Gemeinwohl zu bringen. 149 Vgl. Wolf (1995) S. 20; McMillan (1987) S. 723; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 56. 147 148
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fassungsgerechten Abwägung, die es verbietet, rechtsstaatliche Bindungen im Interesse der Einnahmenerzielung zurückzustellen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Verwaltungsalltag dieses Gebot missachtet. Welche Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind, lässt sich jedoch unterschiedlich beurteilen. In der Literatur wird gerade in Möglichkeit und Anschein einer fehlerhaften Abwägung einen Beweis für die Ungeeignetheit des Vergabeverfahrens gesehen.150 Diese Konsequenz ist aber nicht zwingend. Auch bei klassischen Vergabeverfahren wie einer Ausschreibung besteht die Gefahr, dass sachwidrige Überlegungen einfließen oder dem handelnden Amtswalter – aus welchen Gründen auch immer – die nötige Objektivität fehlt. Die Gefahr von Fehlentscheidungen und Verfahrensschwächen begründet Handlungsbedarf, um die Gefahrenquelle auszuschließen.
c) Bändigung der Staatsgewalt durch Verfahrensformalisierung Zur Abhilfe kann auf strikte Formalisierung des Verfahrens zurückgegriffen werden. Gerade der im Zusammenhang mit grundrechtlichen Schutzpflichten betonte Gedanke, wonach sich Grundrechtsschutz vor allem auch durch entsprechende Verfahrensgestaltung realisieren lässt,151 kann auch die Rechtsstaatlichkeit eines Versteigerungsverfahrens sichern. Eine Lösung für dieses Problem besteht für Versteigerungen wie auch bei den klassischen Vergabeverfahren in der Herstellung von Öffentlichkeit, Begründungszwang und Rechtschutzmöglichkeit. Wenn die Öffentlichkeit Zugang zur Festlegungen der Versteigerungsregeln erhält, insbesondere die potentiellen Bieter beteiligt werden, die Behörde bei Festlegung der Versteigerungsregeln zur Begründung verpflichtet ist und gegen die Festlegung Rechtschutzmöglichkeiten bestehen, ist die Gefahr, dass die Verwaltung in sachwidriger Weise die Erlösmaximierung über das Erreichen der Regulierungsziele stellt, so weit reduziert, dass deren Realisierung zumindest unwahrscheinlich ist.152 Die Befürchtung, das fiskalische Ertragsanliegen könnte über die rechtsstaatliche Objektivität gestellt werden, beeinträchtigt die Eignung der Versteigerung nur dort, wo die Festlegung des Auktionsdesigns unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie ohne Begründung und Rechtschutzmöglichkeit erfolgt. Wenn diese Voraussetzungen aber sichergestellt sind, greift die Befürchtung nicht durch.153 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17. BVerfGE 53, 30 (S. 65); Isensee (2000) Rn. 139. 152 Auch ökonomische Argumente sprechen für diese Lösung. Das Erfordernis von Begründungen sowie die Möglichkeit von Rechtsbehelfen, die aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts zu den rechtsstaatlichen Grundanforderungen an ein Verwaltungsverfahren gehören, werden in einer Studie der OECD, welche die Verfahren der Frequenzallokation in verschiedenen Ländern unter ökonomischem Blickwinkel untersucht, als effizienzfördernd, weil unnötige Rechtsstreitigkeiten und Absprachen verhindernd angesehen, vgl. OECD (1993). 153 Wenn es in der Versteigerung für die Bieter möglich ist, die Rahmenbedingungen des Marktes oder der Vergabe durch Gebote zu beeinflussen, könnte dies ebenfalls einen Fall 150 151
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d) Konsequenzen für die gerichtliche Kontrolle von Versteigerungen Die Formalisierung des Vergabeverfahrens hat bedeutende Konsequenzen für die gerichtliche Überprüfung von Versteigerungen. Wenn die Gebotsabgabe beginnt, ist eine Versteigerung der externen staatlichen Steuerung entzogen; deshalb hat das Vorfeld der Vergabe, also die Festlegung von Versteigerungsdesign, Vergabezielen und Versteigerungsregeln, herausragende Bedeutung. Wenn sich bei nachträglicher gerichtlicher Kontrolle herausstellt, dass die Vergabeziele zu Gunsten fiskalischer Interessen zurückgestellt worden sind, ist nach dem Gesagten das Vergabeverfahren fehlerhaft, so dass die Verteilungsentscheidung aufzuheben ist. Lässt sich aber im Nachhinein nicht feststellen, welche Erwägungen im Vorfeld der Vergabe maßgeblich waren und welche Gründe für das konkrete Versteigerungsdesign bestanden, weil es in Ermangelung von Öffentlichkeit und Begründung an der Dokumentierung des staatlichen Entscheidungsprozesses fehlt, so kann diese Entscheidung nicht gefällt werden. In diesem Fall ließe sich aber auch der böse Schein rechtsstaatswidriger Beeinflussung nicht mehr beseitigen. Um zu vermeiden, dass es so zur Missachtung der Garantie effektiven Rechtschutzes kommt, muss an die Beachtung dieser Formalitäten ein strenger Maßstab angelegt werden. Kann die Abwägungs- und Planungsentscheidung nicht überprüft werden, weil unklar bleibt, wie sie zustande gekommen ist, schlägt dieser Fehler auf das gesamte Verfahren durch, so dass die Versteigerung und die abschließende Vergabeentscheidung als fehlerhaft anzusehen sind. Da gerichtliche Kontrolle den Marktprozess nicht ersetzen kann, muss bei Überprüfung auf die Einhaltung der Formalia besonderes Gewicht gelegt werden.
3. Sind klassische Vergabeverfahren mildere Mittel? Als Zwischenbilanz lässt sich festhalten, dass der Ausgleich zwischen öffentlichen Interessen und den auch untereinander konkurrierenden privaten Interessen der Bewerber durch Versteigerung grundsätzlich möglich ist. Die Kommerzialisierung des Vergabeverfahren, die durch die Gegenleistungsabhängigkeit der Verwaltungsentscheidung erfolgt, beeinträchtigt die Sachgerechtigkeit und Chancenvorrangiger Orientierung an fiskalischen Ertragsanliegen sein. Die Gebote der Bieter können dann durch Bewertung unter einer bestimmten Marktsituation bestimmt werden, wobei im Falle des Nichteintritts dieser Marktsituation die Gebote den Wert des Gutes übersteigen, so dass der Ertrag maximiert wird, das Verteilungsziel hingegen möglicherweise verfehlt wird. Die UMTS-Versteigerung bot für diesen Fall ein Beispiel: An der Auktion nahmen 7 Bieter Teil, es war nach dem Auktionsdesign möglich, die Anzahl der erfolgreichen Bieter zu beeinflussen, da die verfügbaren Frequenzblöcke auf 4 bis 6 Bieter aufgeteilt werden konnten. Mit Ausscheiden des siebten Bieters war die erste mögliche Marktaufteilung erreicht, die letztlich auch die endgültige sein sollte. Gleichwohl stiegen die Gebote um insgesamt rd. 15,5 Milliarden Euro weiter, in der Hoffnung, weitere Bieter verdrängen zu können und einen weniger wettbewerbsintensiven Markt zu erreichen.
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gleichheit der Vergabe grundsätzlich nicht; bei rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung lassen sich gegen unzulässige Interessenvermischungen Vorkehrungen treffen. Dennoch wird die Eignung von Versteigerungen als Vergabeverfahren, also die objektive Sachgerechtigkeit, in Frage gestellt, wenn gegen Auktionen die bessere Eignung anderer Vergabeverfahren eingewendet wird.154 Die indirekte Beurteilung der Bewerbereignung über die Gebotshöhe sei der direkten Beurteilung durch die Behörde unterlegen.155 Strukturell ist dies ein Argument der Erforderlichkeit: Versteigerungen sind nicht geboten und daher nicht zumutbar, wenn es andere, weniger belastende Regulierungsinstrumente gibt. Der Einwand greift jedoch sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht durch. Wenn die klassischen Vergabeverfahren besser geeignet sein sollen als Versteigerungen, müssten sie in höherem Maße sachgerecht sein als Versteigerungen, was angesichts des in jeder Vergabesituation bestehenden Informationsdefizits der handelnden Behörde zweifelhaft ist. Angesichts unvollständiger bzw. unvollkommener Information ist die behördliche Wirtschaftlichkeitsbeurteilung mit einem Unsicherheitsfaktor belastet. Dieser fällt deutlich niedriger aus, wenn sich die Beurteilung auf einen Marktprozess stützt, da dieser zur Verdichtung und Enthüllung von Informationen aller Beteiligten führt, so dass Versteigerungen aus ökonomischer Sicht sogar geeigneter sind als Auswahlverfahren mit direkter Beurteilung der Bewerber. Der Einwand besserer Eignung anderer Vergabeverfahren leidet aber bereits im rechtlichen Ansatz. Bezugsobjekt für die Beurteilung, ob ein alternatives Regulierungsinstrument weniger belastend wirkt, ist das Ergebnis der Verteilungsordnung. Weniger belastend wirken daher Regulierungsinstrumente, die mehr Bewerber begünstigen als das beurteilte Vergabeverfahren. In einer vorgegebenen Knappheitssituation sind solche Regulierungsinstrumente weniger belastend, welche die Knappheit vermindern. Unterschiedliche Vergabeverfahren, die verschiedene, in der Anzahl aber gleich viele Bewerber begünstigen, sind hingegen Äquivalente.156 Gerade weil jedes Auswahlverfahren stets für einen Teil der Bewerber ein Scheitern bedeutet, hat das Bundesverfassungsgericht den Schwerpunkt auf den Aspekt der Chancengleichheit gelegt.157 Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, verstanden als Vorrang weniger belastender Regulierungsalternativen, kann gegen ein Auswahlverfahren nicht die bessere Auswahleignung eines anderen Auswahlverfahrens angeführt werden.158
154 155 156 157 158
Vgl. Grzeszick (1997a) S. 884. Grzeszick (1997a) S. 884. Unzutreffend daher Faber (2002) S. 268 f. BVerfGE 33, 303 (S. 345); vgl. auch BVerfGE 43, 291 (S. 316 f.). Im Ergebnis ähnlich Ritgen (2002) S. 381.
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II. Verfassungsmäßigkeit der Versteigerung von Mobilfunklizenzen Die abstrakte Betrachtung von Versteigerungen unter dem Gesichtspunkt der gegenleistungsabhängigen Vergabeentscheidung hat gezeigt, dass Auktionen grundsätzlich objektiv sachgerecht und individuell zumutbar sind, da der gebotene Preis Ausdruck der Wirtschaftlichkeit des Bewerbers ist. Durch strenge Formalisierung des Verfahrens kann ausgeschlossen werden, dass sich auf Seiten des Staates eine Kollision zwischen Regulierungs- und fiskalischen Interessen realisiert. Andere Vergabeverfahren sind im Verhältnis zu Versteigerungen keine milderen Mittel. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine gegenleistungsabhängige Vergabeentscheidung grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereibar ist. Bei der abstrakten Betrachtung blieb aber unberücksichtigt, dass die staatliche Bewirtschaftung eines Gemeinschaftsgutes in der Regel mit einer Fülle von Motiven und Zielen verbunden ist. Bei Betrachtung einer konkreten Vergabesituation präsentiert sich ein Bild komplexer Regulierungsinteressen, das von einfachen ökonomischen Modellen abweicht. Als Regulierungsinstrument sind Auktionen aber nur tauglich, wenn sie auch in einer solchen Situation ihre allokative Wirkung entfalten können und den sachgerechten und zumutbaren Interessenausgleich ermöglichen. Die notwendige Untersuchung einer komplexen Vergabesituation wird im Folgenden am Beispiel der Mobilfunklizenzversteigerungsregelung des TKG untersucht werden. 1. Regulierungsziele des TKG Das TKG bestimmt in § 11 Abs. 4 einige Vergabeziele, die mit dem Auktionsverfahren verfolgt werden. Daneben finden jedoch auch die allgemeinen Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG Berücksichtigung. Diese binden die Tätigkeit der Regulierungsbehörde in allen Bereichen, also auch bei der Lizenzierung.159 § 2 Abs. 2 TKG erwähnt besonders die Interessen der Nutzer auf dem Gebiet der Telekommunikation (Nr. 1), die Sicherstellung chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs (Nr. 2), die Sicherstellung flächendeckender Grundversorgung (Nr. 3), die Förderung von Telekommunikationsdiensten bei öffentlichen Einrichtungen (Nr. 4) und die Sicherstellung effizienter und störungsfreier Nutzung 159 Die Regulierungsziel des § 2 TKG stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. So kann der Ausschluss bestimmter Unternehmen der Wettbewerbsförderung dienen, hat aber gleichzeitig deren Diskriminierung zur Folge, Koenig (2002) S. 49 m. w. N. Daher muss zwischen den einzelnen Zielen eine Abwägung getroffen werden, wobei der Regulierungsbehörde weiter Spielraum zusteht. Nicht sachgerecht ist ein bestimmtes Design, wenn es zur Sicherstellung aller Regulierungsziele ungeeignet ist, aber auch, wenn es zur Sicherstellung einiger Regulierungsziele ungeeignet ist und auf alle anderen Ziele keinen Einfluss hat.
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von Frequenzen (Nr. 5). § 11 Abs. 4 S. 1 TKG greift dieses Regulierungsziel auf160 und erwähnt die effiziente Nutzung von Frequenzen; § 11 Abs. 4 S. 3 TKG verpflichtet die Regulierungsbehörde zudem zur Beachtung der Belange von kleinen und mittleren Unternehmen.
2. Sachgerechtigkeit bei Chancengleichheit aller Bewerber Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hielt der Gesetzgeber Versteigerungen für ein geeignetes Auswahlverfahren. Mit diesem könne „ein wesentliches Regulierungsziel, nämlich die effiziente Frequenznutzung, realisiert werden“, weil das erfolgreiche Gebot „typischerweise die Bereitschaft und die Fähigkeit, die zuzuteilenden Frequenzen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Dienstleistungsangebote möglichst optimal einzusetzen und sich um eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Frequenzen zu bemühen“ belege. Dabei diene „das frequenzökonomische Auswahlkriterium dem regulierungspolitischen Ziel, den Wettbewerb zu fördern“.161 Angesichts der Vielzahl von Regulierungszielen scheint es, als habe sich der Gesetzgeber nur teilweise mit der Frage auseinandergesetzt, ob Versteigerungen den Anforderungen objektiver Sachgerechtigkeit bei einer Chance für jeden Bewerber genügen. Allerdings sind nicht alle Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG auch für die Wahl des Vergabeverfahrens relevant. Die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses, die flächendeckende Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen, die öffentliche Sicherheit sowie die Förderung von Telekommunikationsdiensten bei öffentlichen Einrichtungen beziehen sich auf die Modalitäten des Erbringens der zu lizenzierenden Telekommunikationsdienstleistung. Deren Sicherung kann den Lizenznehmern über Nebenbestimmungen zur Lizenz aufgegeben werden, unabhängig davon, ob diese versteigert (§ 11 Abs. 4 TKG) oder ausgeschrieben (§ 11 Abs. 6 TKG) wird. Für die Wahl des Vergabeverfahrens sind sie nur insoweit von Bedeutung, als diese Auflagen und Bedingungen bei Versteigerung vor der Auktion bekannt gemacht werden sollten, damit die Bieter dafür anfallende Kosten kalkulieren und in ihre Bewertung des Auktionsgegenstandes einfließen lassen können.162 Dagegen können die effiziente Frequenznutzung (im Folgenden lit. a) und chancengleicher Wettbewerb (lit. b) nicht über Nebenbestimmungen als Verpflichtung herbeigeführt werden. Chancengleicher Wettbewerb setzt eine bestimmte Marktstruktur voraus. Gleiches gilt für die Interessen der Nutzer, insbesondere deren Interesse an erschwinglichen Preisen (lit. c). Die Preishöhe kann bei privatwirtschaft160 161 162
Vgl. BT-Drs. 13 / 3609 S. 39. Insgesamt BT-Drs. 13 / 3609 S. 39. Siehe dazu oben 1. Kapitel C. II. 1.
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licher Leistungserbringung behördlicherseits nicht vorgegeben werden,163 sondern ist ebenfalls von der Marktstruktur abhängig. Daher ist bei der Verteilung und Wahl des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen, dass eine Marktstruktur erreicht wird, die erschwingliche Preise sichert. Schließlich ist zu klären, ob die Berücksichtigung der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen ein Versteigerungsverfahren ausschließt (lit. d). a) Effiziente Frequenznutzung aa) Auslegung als Frequenzeffizienz Liest man § 11 Abs. 4 S. 1 TKG auf Grundlage der mikroökonomischen Terminologie, so setzt die Regelung hohe Anforderungen. Ziel wäre demnach, eine effiziente, also gesamtwirtschaftlich optimale Frequenznutzung sicherzustellen.164 Dieses Verständnis ist allerdings unzutreffend. Zwar liegt es nahe, angesichts des ökonomischen Ursprungs der Auktionstheorie und des großen Einflusses auf die Konzeption der Versteigerungsregelung des § 11 TKG, den Begriff „effiziente Nutzung“ mit dem Effizienzkriterium der Ökonomik gleichzusetzen.165 Gegen diese Interpretation spricht jedoch der Zusammenhang von § 11 Abs. 4 S. 1 TKG und § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG, der durch ähnliche Wortwahl und die gesetzgeberischen Motive166 nahegelegt wird. In § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG wird durch die Verbindung von störungsfreier und effizienter Nutzung die technische Bedeutung des verwendeten Effizienzbegriffs deutlich. Diese telekommunikationstechnische „Frequenzeffizienz“ meint die Relation von Nutzkanälen pro Frequenzeinheit, gibt also die technische Ausnutzung des gegebenen Spektrums an;167 die Frequenzeffizienz ist um so höher, je mehr Nutzkanäle zur Datenübertragung in einem Frequenzband zur Verfügung stehen. Die gesetzgeberischen Motive bestätigen diese Interpretation. Das Effizienzkriterium wird in der Begründung zu § 11 Abs. 4 TKG durch die „in bestimmten Frequenzbereichen bestehende Knappheit von Übertragungskapazitäten“ gerechtfertigt; auf die sparsame Verwendung der Frequenz wird ausdrücklich 163 Eine Ausnahme bildet die Entgeltregulierung marktbeherrschender Unternehmen (§§ 23 ff. TKG), deren Notwendigkeit sich aus der Überführung eines früheren staatlichen Monopolmarktes in einen privaten Wettbewerbsmarkt erklärt und daher für neue Märkte kaum Bedeutung hat. Zur Begründung der Entgeltregulierung BT-Drs. 13 / 3609 S. 35. 164 So verstanden wäre § 11 Abs. 4 S. 1 TKG aus rechtstheoretischer Sicht revolutionär, würde er doch die normativen Forderungen der Ökonomischen Analyse des Rechts noch übertreffen. Die Ökonomische Analyse verlangt zum einen, dass Recht die marktmäßige Verteilung von Rechtspositionen ermöglichen und erleichtern soll, wo dies möglich ist und zum anderen das Simulieren einer marktmäßige Lösung, wo diese auf Grund prohibitiver Transaktionskosten unterbleibt [dazu Eidenmüller (1995) S. 63 ff.]. Die gesetzliche Verpflichtung einer Behörde auf das Effizienzkonzept als Leitlinie behördlichen Handelns würde darüber hinausgehen. 165 So etwa Storr (2002) S. 70. 166 BT-Drs. 13 / 609 S. 39. 167 Kruse (1993) S. 124; Götzke (1994) S. 125; Piepenbrock / Müller (2001) S. 49.
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Bezug genommen.168 Effiziente Frequenznutzung bedeutet nach dem gesetzgeberischen Verständnis eine möglichst produktive Nutzung,169 bei der Telekommunikationsdienste unter möglichst sparsamer Inanspruchnahme des Frequenzspektrums angeboten werden.170 Die begrenzten Übertragungskapazitäten können so für eine möglichst große Anzahl von Diensten (Datenübertragungen) genutzt werden, so dass ein möglichst hohes Datenverkehrsaufkommen bewerkstelligt werden kann. Hohe Frequenzökonomie mindert somit die begrenzenden Auswirkungen der Frequenzknappheit für die Datenübertragung im Mobilfunk. Die Verteilung an die Bieter, welche zu einer möglichst produktiven Nutzung der Frequenz in der Lage sind, zielt darauf, die Auswirkungen der Frequenzknappheit zu mildern, so dass die Vergabe eine „optimale Mängelverwaltung“ verwirklicht, welche auch in anderen Knappheitssituationen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Verteilungsordnung ist.171 bb) Sachgerechtigkeit von Versteigerungen Bezogen auf das Regulierungsziel der Frequenzeffizienz ist die Einschätzung des Gesetzgebers zur Eignung der Versteigerung als Auswahlverfahren zutreffend. Eine Versteigerung führt grundsätzlich dazu, dass die wirtschaftlichsten Bieter ermittelt werden, wobei diese zugleich die versteigerten Güter am besten und wirtschaftlichsten nutzen können.172 Mit Blick auf das Ziel der Frequenzeffizienz wäre eine Auktion sogar dann ein geeignetes Verfahren, wenn es bei der Versteigerung auf Grund von Überbewertungen durch die Bieter zu – ökonomischen – Fehlallokationen kommt. In diesem Fall sind nicht die wirtschaftlichsten Unternehmen erfolgreich, weil diese den Wert der versteigerten Mobilfunklizenzen richtigerweise niedriger einschätzen. Gleichwohl könnten die erfolgreichen Unternehmen die verfügbaren technischen Ressourcen und insbesondere qualifiziertes Personal nach dem Lizenzerwerb zu einem erheblichen Teil für sich akquirieren. Damit werden sie in der Lage sein, den Wissensrückstand aufzuholen, der für die möglichst produktive Nutzung der zugeteilten Frequenzen nötig ist.173
b) Chancengleicher Wettbewerb Das Ziel chancengleichen Wettbewerbs impliziert ein bestimmtes Bild von Marktordnung.174 Gemeint ist damit das Konkurrieren mehrerer, annähernd über BT-Drs. 13 / 609 S. 39. Götzke (1994) S. 110. 170 Vgl. BT-Drs. 13 / 3609 S. 39. 171 OVG Hamburg GewArch 1987, 303; Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 16. 172 Siehe oben 1. Kapitel C. I. 173 Korioth (2001) S. 33. 168 169
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vergleichbare Marktmacht verfügender Unternehmen um die Gunst der Verbraucher. Der Regelung liegt ein wohlfahrtsökonomisches Marktkonzept zugrunde, nach dem Konkurrenz, die nicht zur wirtschaftlichen Vernichtung des Konkurrenten führt, ein möglichst niedriges Preisniveau bei der von den Verbrauchern gewünschten Leistungsqualität bewirkt, also die Interessen der Nutzer verwirklicht.175 Nach Vergabe eines knappen Gemeinschaftsgutes entsteht Wettbewerb zwischen den erfolgreichen Bewerbern unabhängig vom vorangegangenen Vergabeverfahren, wenn es nur mehr als einen erfolgreichen Bewerber gibt. Unter Umständen stehen aber auch erfolgreiche und nicht erfolgreiche Bewerber in Konkurrenz, wenn letztere versuchen, über sekundäre Märkte an der Bewirtschaftung des vergebenen Gutes beteiligt zu werden, etwa indem sie ein erfolgreiches Unternehmen zu übernehmen versuchen. In diesem Wettbewerb werden sich die wirtschaftlichsten Unternehmen behaupten, während weniger wirtschaftliche Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und ihre Ressourcen an interessierte Konkurrenten übertragen werden. Ein marktbasiertes Vergabeverfahren antizipiert diesen Wettbewerb wie auch den, der entstehen würde, wenn keine Knappheit vorhanden wäre und alle Bewerber zum Zuge kämen. Durch Vorverlagerung des Wettbewerbs auf den Zeitpunkt der Vergabe wird zugleich die Wettbewerbsintensität nach Vergabe verstärkt. Wenn sich der Erfolg bei der Vergabe in einer zu erbringenden Gegenleistung manifestiert, werden die erfolgreichen Bewerber versuchen, einen möglichst hohen Markanteil zu erreichen, um diese Gegenleistung umgehend zu refinanzieren.176 Anders als die Frequenzeffizienz entstehen funktionsfähiger Wettbewerb und damit verbundene erschwingliche Verbraucherpreise nicht unter allen Bedingungen, sondern nur, wenn die Allokationswirkungen des ökonomischen Auktionskonzeptes tatsächlich eintreten. Dies ist nicht der Fall, wenn es zu Marktversagen kommt, wie es durch überragende Marktmacht (bb) oder ruinösen Wettbewerb (cc) geschehen kann. aa) Rechtliche Einkleidung des Einwandes Als rechtliches Argument kann die Gefahr von Markversagen im Rahmen der (teilhabebezogenen) Sachgerechtigkeit vorgetragen werden: Versteigerungen sind ungeeignet und daher nicht objektiv sachgerecht, wenn sie zu Marktversagen füh174 Insoweit unterscheidet sich das TKG von den Regelungen des GWB und UWG, die kein bestimmtes Wettbewerbsbild voraussetzen, sondern sich damit begnügen, bestimmte unerwünschte Erscheinungsformen (unlauteren Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkungen) negativ abzugrenzen, vgl. Rittner (1999) § 1 Rn. 22, § 5 Rn. 49. 175 Schuster in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 2 Rn. 9. 176 Unzutreffend ist hingegen das Argument, die Unternehmen würden als Folge dessen die Preise für die geforderte Leistung erhöhen, dazu aber ausführlich unten 3. Kapitel B. II. 2. c) bb).
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
ren, da dieses den Regulierungszielen des TKG, insbesondere dem Ziel chancengleichen Wettbewerbs widerspricht. Unter Umständen kann das Vermeiden von Markversagen aber auch Handlungsgebot einer grundrechtlichen Schutzpflicht zu Gunsten der Berufsfreiheit unbeteiligter Bieter sein. Betrifft das Vergabeverfahren ein Marktzutrittsrecht, so kann bei entsprechendem Ergebnis ein mono- oder oligopolistischer Markt (Primärmarkt) entstehen. Wenn von diesem andere Märkte (Sekundärmärkte, z. B. Zulieferer) abhängig sind, kann ein marktstarkes oder marktbeherrschende Unternehmen seine Stellung auch auf den Sekundärmarkt erstrecken und durch Bindungen und Diskriminierungen die unternehmerische Freiheit von Unternehmern auf dem Sekundärmarkt beschränken. Es ist ein Gebot verantwortungsvoller Planung, diese Gefahren bereits bei Regulierung des Marktzutritts für den Primärmarkt zu berücksichtigen. Auch wenn wettbewerbswidrige Marktmacht die Verwirklichung der Berufsfreiheit von Sekundärmarktunternehmern als chancenlos erscheinen lässt, erstarkt das Gebot verantwortungsvoller Planung nur dann zur verfassungsrechtlichen Handlungspflicht, wenn für den Staat keine anderen, ebenfalls geeigneten Handlungsmöglichkeit bestehen. Bei Erfüllung von Schutzpflichten steht dem Staat ein breiter Spielraum zur Wahl seiner Handlungsmittel zu,177 so dass es ebenso zulässig wäre, durch nachträgliche Regulierung monopolistischer Marktmacht mit den Mitteln von UWG und GWB die grundrechtlichen Interessen der Marktteilnehmer angrenzender Märkte zu schützen.178 Wenn solche Eingriffe aber zu spät kommen würden und wirkungslos wären, weil das Marktversagen durch das Vergabeverfahren bedingt ist, muss der Grundrechtsschutz bereits bei der Vergabeentscheidung für den Zutritt zum Primärmarkt ansetzen, um einem Marktversagen vorzubeugen. bb) Marktversagen durch Marktmacht (Monopole und Kartelle) Bei einer Mobilfunklizenzversteigerung besteht die Gefahr von Kartell- und Monopolbildung, wenn marktstarke Unternehmen für die verfügbaren Telekommunikationslizenzen derart hohe Gebote abgeben, dass sie alle verfügbaren Lizenzen ersteigern können und die übrigen Bewerber verdrängen. Durch solche strategischen Gebote und große Marktkraft ist es möglich, auf dem nachfolgenden Markt Mono- oder Oligopolist zu sein.179 Der Wettbewerb kommt durch eine Verbindung aus Absprachen, strategischen Geboten und Nichtnutzung der erworbenen Lizenzen zum Erliegen. Strategischen Geboten und Blockadeanschaffungen kann begegnet werden, indem der Erwerb auf eine oder wenige Lizenzen pro Bieter beschränkt wird und sie Isensee (2000) Rn. 162. Allerdings sind die Regelungen des TKG gegenüber GWB und UWG lex specialis, so dass letztere nur subsidiär zur Anwendung kommen, Schuster in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 2 Rn. 11. 179 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 8. 177 178
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zur Nutzung verpflichtet werden (use-or-loose-Regel).180 Durch das Verbot von Absprachen und entsprechende Sanktion (z.B. Verlust der erworbenen Lizenz) kann abgestimmtes Verhalten verhindert werden. Dagegen kann die Marktmacht eines Unternehmens, die bereits vor Versteigerung besteht, nur durch Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten dieses Bewerbers erfolgen, etwa indem er in seinen Erwerbsmöglichkeiten beschränkt oder ganz von der Versteigerung ausgeschlossen wird.181 Marktversagen infolge großer Marktmacht lässt sich daher grundsätzlich ausschließen.182 Die Versteigerungsregelung in § 11 TKG ermöglicht zur Prävention von wettbewerbsgefährdenden Mono- und Oligopolen den Ausschluss marktbeherrschender oder marktstarker Unternehmen (§ 11 Abs. 3 S. 1 TKG) und enthält damit zumindest teilweise wettbewerbssichernde Regelungen. Die Regulierungsbehörde ist zu entsprechenden Maßnahmen durch Festlegung von Versteigerungsregeln (§ 11 Abs. 4 S. 3 TKG), Versteigerungsdesign (§ 11 Abs. 4 S. 3 TKG) und Lizenzbestimmungen (§ 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 TKG) in der Lage und hat davon in der Vergangenheit auch Gebrauch gemacht. Vergabe- und Versteigerungsbedingungen sahen eine mengenmäßige Erwerbsbeschränkung, Nutzungsverpflichtungen und Abspracheverbote vor.183 Gesetzlich zwingend vorgesehen sind Nutzungsverpflichtungen und Abspracheverbote aber nicht. cc) Marktversagen durch ruinösen Wettbewerb Versteigerungen erhöhen unter Umständen den Wettbewerbsdruck nach Abschluss des Verfahrens, weil durch Erhebung des annähernd marktwertentsprechenden Versteigerungserlöses die Unternehmensgewinne der erfolgreichen Bieter geschmälert werden und so stärkerer Anreiz zu kompetitivem Verhalten besteht. Ruinös ist dieser Wettbewerb erst dann, wenn er auf Verdrängung gerichtet ist und zur Folge hat, dass ein Teil der Wettbewerber zum Marktpreis nicht kostendeckend produzieren kann.184
Götzke (1994) S. 211 f.; vgl. auch Koenig / Schäfer (1998) S. 249. Vgl. auch Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 14; McMillan (1995) S. 195. 182 Insgesamt dazu ausführlich z. B. Klemperer (2000) S. 1 ff.; McMillan (1995) S. 191 ff.; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 51 ff. 183 Beispielsweise Punkt B.1 und B.2.3.1 der Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 18. 2. 2000, Vfg. 14 / 2000, ABl. RegTP 2000, 564 ff. (S. 565) – UMTS-Versteigerungsregeln. 184 Außer einer Gefährdung chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) kann dies auch eine Gefährdung des Ziels flächendeckender Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) bedeuten: Wenn der Versteigerungserlös eine für den Lizenznehmer erdrückende Höhe annimmt, kann dies dazu führen, dass seine Wirtschaftskraft nicht ausreicht, um die Infrastruktur entsprechend seinen Absichten oder Verpflichtungen auszubauen, so dass die flächendeckende Grundversorgung unmöglich ist. 180 181
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Die Gefahr ruinösen Wettbewerbs infolge einer Versteigerung besteht, wenn die Höhe der Gebote infolge von Überbewertungen und strategischen Geboten den Marktwert überschreitet. Dagegen hat die Erhebung des Versteigerungserlöses, einer Abgabe in Höhe des Marktpreises der Telekommunikationslizenz, ruinösen Wettbewerb grundsätzlich nicht zur Folge. Der Gefahr von Übergeboten kann durch umfassende Information und das Auktionsdesign, z. B. als mehrstufige Auktion, begegnet werden.185 Ansatzpunkt für den Ausschluss von Überbewertungen sind die Auktionsregeln, welche nach § 11 Abs. 4 S. 4 TKG von der Regulierungsbehörde festzulegen sind. Das TKG selbst trifft keine Regelung zur Vorkehrung gegen Überbewertungen oder Kollusion.
c) Nutzerinteressen, insbesondere Verbraucherpreise Das Wahren der Nutzerinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) steht unter den Regulierungszielen des TKG an prominentester Stelle. Es ist zentraler Zweck des Gesetzes,186 dem die anderen Zwecke als Mittel untergeordnet sind.187 Als solches hat dieses Ziel verschiedene Facetten, die, entsprechend dem umfangreichen Anwendungsbereich auf unterschiedliche Formen der Telekommunikation, Regelung und Regulierung in unterschiedlicher Weise erfordern. Nicht jeder Aspekt ist für die Wahl des Vergabeverfahrens für Mobilfunklizenzen relevant. So wird das in § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG ausdrücklich hervorgehobene Nutzerinteresse an der Wahrung des Fernmeldegeheimnisses insbesondere durch die Regelungen der §§ 85 bis 88 TKG verwirklicht;188 für Wahl und Durchführung des Vergabeverfahrens für Mobilfunklizenzen ist es hingegen ohne Bedeutung. Anderes gilt für das Interesse der Nutzer, preiswerte Telekommunikationsdienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Der Gesetzgeber berücksichtigt es in besonderem Maße durch die Entgeltregulierungsvorschrift des § 17 TKG, der grundsätzlich auf alle Arten von Telekommunikationsdiensten Anwendung finden kann. Das Ziel erschwinglicher Preise (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) würde durch ein Vergabeverfahren konterkariert, das zu einer Verteuerung von Telekommunikationsdiensten führt, muss also auch bei der Mobilfunklizenzvergabe berücksichtigt werden.189 Für Versteigerungen wird ein Widerspruch zu diesem Regulierungsziel behauptet, weil sie die Gefahr höherer Verbraucherpreise auf nachfolgenden Märkten enthielten. Wenn das Versteigerungsverfahren eine Kostensteigerung für den Erwerb des Wirtschaftsgutes zur Folge hat, welches Gegenstand der Verteilungsordnung 185 186 187 188 189
Siehe oben 1. Kapitel C. II. 2. a). BT-Drs. 13 / 3609 S. 36. Schuster in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 2 Rn. 5. Schuster in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 2 Rn. 8. Dies betonen auch Piepenbrock / Müller (2001) S. 60.
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ist, dann führe dies zu höheren Preisen für die Endverbraucher, weil die Unternehmen die höheren Kosten auf den Endverbrauchspreis aufschlagen werden.190 aa) Rechtliche Einkleidung des Einwandes Der genannte Einwand kann wie der eines möglichen Marktversagens sowohl teilhaberechtlich als auch schutzpflichtbezogen formuliert werden. Zum einen wäre ein den Nutzerinteressen widersprechendes Vergabeverfahren kein objektiv sachgerechtes Auswahlverfahren, da es zum Erreichen der Regulierungsziele untauglich ist. Griffe der Einwand höherer Verbraucherpreise bei Mobilfunklizenzauktionen durch, würde er die Eignung von Versteigerungen zumindest dann in Frage stellen, wenn es sich bei den in der Folge angebotenen Telekommunikationsleistungen um Universaldienste handelt. Zum anderen können gerade die Interessen von am Vergabeverfahren Unbeteiligten eine Intervention des Staates notwendig machen, wenn sie sich als grundrechtlich geschützt erweisen und dem Staat für sie eine Schutzpflicht obliegt. bb) Unabhängigkeit des Preises von historischen Kosten Der Einwand greift jedoch wegen außerrechtlicher Gründe nicht. Der Argumentation liegen ökonomische Fehlvorstellungen zugrunde, die auf einem Missverständnis der preisbildenden Faktoren für ein Gut basieren. Preisbildend sind allein variable Kosten, während fixe, historische Kosten unerheblich sind. Variable Kosten sind solche, die von der Anzahl der produzierten Gütereinheiten abhängig sind. Fixe Kosten sind dagegen in der Höhe unabhängig vom Produktionsniveau, fallen also auch an, wenn nichts produziert wird. Grenzkosten sind die (variablen) Kosten, welche bei der Erhöhung der Produktmenge eines Betriebes um eine Erzeugungseinheit zusätzlich entstehen.191 Ein gewinnorientiertes Unternehmen legt seiner Preiskalkulation nur seine Grenzkosten zu Grunde.192 Der Versteigerungserlös ist aber Teil der fixen Kosten, da er unabhängig davon anfällt, ob der Erwerber produziert oder nicht. Weil er nicht Teil der Grenzkosten für das Angebot von Diensten ist, beeinträchtigt er nicht den Preis, der von den Verbrauchern zu zahlen ist.193 Bei empirischen Untersuchungen im Gefolge von Frequenzauktionen in den 190 Breuer (2001) S. 36; Degenhart (2001) S. 33; Demmel in: Manssen (Stand April 1999) § 47 TKG Rn. 38; Kämmerer (2002) S. 165; Koenig (2001) S. 50; Scherer (1996) S. 2958 Fn. 32; dagegen McMillan (1995) S. 197; Monopolkommission (2000) S. 58 Tz. 48; Scheurle (2000) S. 578. 191 Zu den Kostenbegriffen Varian (2001) S. 347 ff. 192 Vgl. dazu etwa Siebert (1992) S. 86, S. 144 ff. 193 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 40; McMillan (1995) S. 197. Dieses für Nicht-Ökonomen auf den ersten Blick überraschende Ergebnis wird bei Betrachtung eines Beispiels plausibel: Auch auf dem Wohnungsmarkt hängt der Mietpreis nicht davon ab, was den Vermieter das vermietete Gebäude gekostet hat, sondern ausschließlich vom Gesamtangebot an Wohnraum und der Zahlungsbereitschaft potentieller Mieter. Weder kann ein Eigentümer, der für
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
USA hat sich herausgestellt, dass Auktionen sogar zu niedrigeren Preisen bei nachfolgenden Diensten führen können. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Vergabe in einem Versteigerungsverfahren wettbewerbsfördernd wirkt, weil mehr Unternehmen in den Markt eintreten, als dies bei klassischer administrativer Vergabe der Fall wäre.194 Insgesamt führt ein Versteigerungsverfahren zu einem reinen Transfer vom Gewinn der Unternehmen in die öffentlichen Haushalte (lump-sumTransfer195). Da der von den Verbrauchern für Dienstleistungen der Unternehmer zu zahlende Preis von den Markteintrittskosten unabhängig ist, wird er nicht durch das Vergabeverfahren beeinflusst. Versteigerungen beeinträchtigen daher die Nutzerinteressen nicht.196
d) Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen (§ 11 Abs. 4 S. 4 TKG) Zu den vergaberelevanten Abwägungen für Lizenzversteigerungen gehören auch die Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen (§ 11 Abs. 4 S. 4 TKG). aa) Auslegung der Norm (1) Politische Zielvorgabe ohne Regelungsgehalt? Teilweise wird in dieser Formulierung allein eine politische Zielvorgabe ohne eigenen Regelungsgehalt gesehen.197 Der Versuch, diesen Einwand auf das Argument zurückzuführen, Versteigerungen schmälerten die Erfolgschancen kleiner und mittlerer Bewerbern bereits deshalb, weil sie von großen Unternehmen stets überboten würden,198 erweist sich als untauglich. Die Erfolgschancen kleinerer und den Erwerb oder die Errichtung seines Hauses viel Geld aufgewendet hat, höhere Mieten verlangen, noch bieten Vermieter, die ihre Gebäude günstig erworben oder geerbt haben, diese günstiger an. Die Fixkosten sind für die Preisbildung grundsätzlich irrelevant. Das Fixkosten-Argument steht allerdings unter einem Vorbehalt: Falls Störungen des Kapitalmarktes dazu führen, dass die Zinsrate um so höher ist, je höher der Kredit ist, den ein Unternehmen in Anspruch nimmt, dann könnten zusätzliche Schulden, welche zur Bezahlung des Versteigerungserlöses nötig sind, dazu führen, dass das Unternehmen weniger investiert und höhere Grenzkosten hat. Allerdings wird diese Situation für unwahrscheinlich gehalten und selbst für den Fall ihres Eintretens nicht von großen Auswirkungen ausgegangen, McMillan (1995) S. 197. 194 McMillan (1995) S. 197. 195 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 40 196 Anders Piepenbrock / Müller(2001) S. 60 f. für die UMTS-Versteigerung, die davon ausgehen, dass durch insgesamt hohe Lizenzkosten die historischen Kosten einfließen. 197 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 24; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 16. 198 Dies klingt in der Formulierung an, es bleibe unklar, wie die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen sind, vgl. Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 16.
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mittlerer Bieter sind in einer Versteigerung nicht geringer als die großer Bieter. Obwohl ausschlaggebendes Differenzierungskriterium allein die Zahlungsbereitschaft der Bieter ist, werden kleinere Unternehmen, die tendenziell über weniger Eigenkapital verfügen, durch eine Versteigerung nicht von der Verteilung ausgeschlossen. Die Finanzkraft eines Unternehmens hängt nicht vom Eigenkapital, sondern von den Möglichkeiten ab, wie ein Unternehmen sich auf dem Kapitalmarkt Finanzmittel verschaffen kann, weil der im Versteigerungsgebot zum Ausdruck kommende Wert einer Lizenz die Gewinnerwartungen widerspiegelt, die der Bieter an den Erwerb einer Lizenz knüpft. Bei funktionierendem Kapitalmarkt steht daher auch kleinen und mittleren Bietern ausreichend Kapital zur Verfügung, wenn sie eine effiziente Nutzung der Lizenz erwarten lassen.199 Die Finanzkraft größerer Unternehmen führt nicht dazu, dass diese kleinere Konkurrenten um jeden Preis überbieten, da dies nur den von ihnen selbst zu zahlenden Preis erhöht und ein vom Nutzwert abgekoppeltes Gebot den Erwerb unrentabel machen würde.200 Den als Handlungsgebot formulierten § 11 Abs. 4 S. 3 TKG als rechtlich unbeachtliche, politische Stellungnahme zu verstehen, bedarf deshalb der Begründung. Methodisch ist eine solche Interpretation nur dann zulässig, wenn sich dem Gesetzestext auch durch Auslegung kein sinnvoller Regelungsgehalt entnehmen lässt. Kann ein solcher hingegen ermitteln werden, bedeutet das Degradieren zur politischen Zielvorgabe ohne rechtliche Wirkung die Nichtbeachtung des gesetzgeberischen Willens, die das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts in Frage stellt.201 (2) Abwägungserheblicher Belang Ein sinnvoller Regelungsgehalt lässt sich § 11 Abs. 4 S. 4 TKG aber durchaus entnehmen. § 11 Abs. 4 S. 4 TKG erhält Regelungsgehalt, wenn das Hervorheben der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen als Hinweis verstanden wird, die Erfolgschancen dieser Bewerber zu verbessern. Allerdings setzt diese Interpretation objektive Sachgerechtigkeit und individuelle Zumutbarkeit in ein besonderes Spannungsfeld. Privilegierungen sind zwar ein geeignetes und damit objektiv sachgerechtes Mittel, um die so verstandenen Belange kleiner und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen. Zugleich werden dadurch aber alle übrigen Bewerber diskriminiert. Eine solche Ungleichbehandlung bedarf der Rechtfertigung aus sachlichen Gründen, welche in dieser Pauschalität kaum möglich ist. Privilegierungen sind sachlich gerechtfertigt, wenn dadurch eine Marktstruktur erreicht werden soll, in der nicht nur wenige große, sondern auch mehrere kleinere Unternehmen zueinander in Wettbewerb stehen, da so die Wettbewerbsintensität erhöht wird. Jedoch wird 199 Freytag / Jäger (1996) S. 221; Korioth (2001) S. 38; anders Piepenbrock / Müller (2001) S. 52. 200 Freytag / Jäger (1996) S. 221. 201 Zum Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts Schlaich / Korioth (2001) Rn. 127.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
ein kleines oder mittleres Unternehmen jedenfalls bei Erteilung einer bundesweiten Lizenz – anders als bei regionalen oder lokalen Lizenzen – selbst zu einem großen Unternehmen werden müssen, um die erforderliche Infrastruktur zu errichten und zu unterhalten. Das Ziel wettbewerblicher Marktstruktur durch viele kleinere Unternehmen wird daher allenfalls bei regionalen Lizenzen erreicht werden können. Privilegierungen können gerechtfertigt sein, wenn sie die Einführung einer besonders innovativen Technik fördern sollen, für welche das privilegierte Unternehmen gewerbliche Schutzrechte innehat. Obgleich kleine und mittlere Unternehmen als besonders innovativ gelten, kann dies pauschale Privilegierungen solcher Unternehmen nicht rechtfertigen. Allein die Vermutung, ein kleines Unternehmen könnte innovativer als ein großes Unternehmen sein, reicht als sachlicher Rechtfertigungsgrund der Ungleichbehandlung nicht aus; sie ist vielmehr an den Nachweis einer besonderen Innovationsförderung im Interesse der Nutzer geknüpft. Eine solche Privilegierung müsste umgekehrt aber auch einem großen Unternehmen zugute kommen, das über ein entsprechendes gewerbliches Schutzrecht verfügt. Die pauschale Privilegierungen kleinerer Unternehmen ist daher nicht zu rechtfertigen. Infolgedessen ist die Auslegung von § 11 Abs. 4 S. 3 TKG als Privilegierungsgebot durch das Gebot verfassungskonformer Interpretation zu relativieren. Um dem Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes Rechnung zu tragen, ist die Regelung so zu verstehen, dass die Regulierungsbehörde bei Wahl des Vergabeverfahrens in besonderem Maße zur Berücksichtigung des wettbewerbs- und innovationsfördernden Potentials kleiner und mittlerer Unternehmen verpflichtet ist. Der Unterschied dieser Interpretation zum Verständnis als politische Zielvorgabe202 ist gering. Von Bedeutung ist er aber, weil er der Norm Regelungscharakter gibt, so dass sie in die Abwägungsentscheidungen der Regulierungsbehörde einzustellen ist und die Entscheidungen auch diesbezüglich der Begründung bedürfen. bb) Verfahrenstechnische Umsetzung von Privilegierungen Sofern sich Privilegierungen im Einzelfall als gerechtfertigt erweisen, können sie auch im Versteigerungsverfahren umgesetzt werden.203 Eine solche Privilegierung im Vergabeverfahren ist zum einen möglich, indem die Gebote dieser Bewerber höher bewertet werden. So kann den privilegierten Unternehmen auf die Gebote der nichtprivilegierten Unternehmen ein Vorsprung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes oder Betrages gewährt werden. Dadurch wird dass das Gebot eines privilegierten Unternehmens bei gleicher Gewinnerwartung und tatsächlich gleich hohen Geboten fiktiv erhöht.204 Eine andere Möglichkeit ist die Separierung einer 202 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 24; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 16. 203 Vgl. oben 1. Kapitel C. II. 1. 204 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 24; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 16. Aus ökonomischer Sicht McMillan (1999) S. 194 f. Die Federal Communications Commission hat nach diesem Muster bei Versteigerungen solche
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begrenzten Gütermenge, die dann vorab nur unter den privilegierten Unternehmen versteigert wird.205 e) Zusammenfassung Die Regulierungs- und Vergabeziele des TKG können jeweils für sich genommen in einem Versteigerungsverfahren verfolgt werden. Effiziente Frequenznutzung und chancengleicher Wettbewerb können durch eine Auktion sichergestellt werden, das Nutzerinteresse an erschwinglichen Preisen wird durch Versteigerungen nicht berührt. Sofern die Privilegierung kleiner und mittlerer Unternehmen im Einzelfall rechtlich zulässig ist, kann sie auch in einer Versteigerung verfolgt werden. Versteigerungen sind daher auch für die Lizenz- und Frequenzvergabe ein objektiv sachgerechtes Vergabeverfahren. Weil der Auswahlmechanismus offensichtlich ist, ist das Auswahlverfahren transparent und auch für die unterlegenen Bewerber nachvollziehbar. Da die Chance auf Erteilung der versteigerten Lizenzen nur von der Höhe des jeweiligen Gebotes abhängig ist und diese die Wirtschaftlichkeit der Bewerber widerspiegelt, sind Versteigerungen grundsätzlich auch ein diskriminierungsfreies Verfahren. Betrachtet man die Regulierungsziele jedoch in ihrer Gesamtheit, so wird deutlich, dass sich diese gegenseitig beschränken oder bisweilen sogar ausschließen. So wird die Chancengleichheit aller Bewerber dadurch eingeschränkt, dass marktstarke Unternehmen vom Verteilungsverfahren ausgeschlossen werden. Ein Vergabeverfahren, das zwar jedes der genannten Ziel für sich zu erreichen geeignet ist, kann in einer solchen Kollisionslage ebenfalls nicht beide Ziele vollständig erreichen. Dies ist aber kein Manko von Versteigerungen, sondern ein strukturelles Problem aller Vergabeverfahren. Die Abwägung der einzelnen Ziele und Interessen muss im Vorfeld der Vergabe erfolgen. Wenn deren Ergebnis feststeht, ist zu klären, ob eine Versteigerung oder ein alternatives Auswahlverfahren zum Erreichen dieses Ziels geeignet ist.
III. Schlussfolgerungen: Möglichkeiten und Grenzen Versucht man, aus den bisherigen Untersuchungen einige Möglichkeiten und Grenzen von Versteigerungen als Regulierungsinstrument abzuleiten, so wird ein Dilemma offensichtlich. Die Analyse der klassischen gewerberechtlichen VerUnternehmen privilegiert, die von ethnischen Minderheiten dominiert wurden, McMillan (1995) S. 194 f. Da sich die deutschen Behörden bei Regelung und Anwendung an den Untersuchungen zum amerikanischen Versteigerungsverfahren orientieren, spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber bei Einführung der TKG-Regelung dieses Konzept vor Augen hatte, auch wenn § 11 Abs. 4 S. 3 TKG erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Drängen des Bundesrates Eingang in den Gesetzestext fand, vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Drs. 13 / 4438 S. 32. 205 McMillan (1999) S. 194 f.
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gabeverfahren hat gezeigt, dass die Geeignetheit und Angemessenheit von den Zielen der Vergabe im konkreten Fall von der Beschaffenheit des Gemeinschaftsgutes und von den Bewerbern abhängig ist, so dass auch die Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit von Versteigerungen in einem Fall nicht vorbehaltlos auf andere Fälle übertragen werden kann. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, aus den bisherigen Untersuchungen solche Merkmale zu extrahieren, die, von einer konkreten Vergabesituation unabhängig, für die Auswahleignung von Auktionen bestimmend sind.
1. Notwendige ökonomische Rahmenbedingungen Die Auswahleignung von Versteigerungen basiert auf bestimmten ökonomischen Allokationskonzepten. Wenn diese nicht durchgreifen, weil die ökonomischen Rahmenbedingungen für diese nicht gegeben sind, treten auch die erwarteten Wirkungen nicht ein. Die tatsächlichen Umstände, unter welchen die ökonomischen Auktionskonzepte durchgreifen, bilden zugleich Voraussetzungen für die Auswahleignung des Vergabeverfahrens.
a) Wirtschaftliche Nutzbarkeit Eine solche Voraussetzung ist die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Auktionsgegenstandes. Bei Untersuchung der Mobilfunklizenzversteigerungsregelung ist der Vergabegegenstand ein rein wirtschaftliches Gut, was auch bereits bei Auseinandersetzung mit der Frage einer Kommerzialisierung der öffentlichen Verwaltung für den jeweiligen Auktionsgegenstand unterstellt wurde. Nur unter der Voraussetzung, dass der Vergabegegenstand ein Wirtschaftsgut ist, stehen die Gebote der Bewerber in Beziehung zu dem aus der Nutzung erwarteten Gewinn: Differenzierungskriterium für die Vergabeentscheidung in einer Versteigerung ist der Preis, den ein Bieter zu zahlen bereit ist. Dies ist grundsätzlich sachgerecht, weil die Gebotspreise als Ausdruck der Wirtschaftskraft der Bieter angesehen werden, so dass die Vergabe schließlich an die Bieter erfolgt, welche das vergebene Gemeinschafsgut am wirtschaftlichsten nutzen können. Der Preis ist aber nur deshalb Ausdruck der Wirtschaftskraft eines Bieters, weil dieser bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gut die Versteigerungskosten in die Gesamtkalkulation seiner Unternehmung einstellt. Die Höhe der Gebote wird dabei durch die Gewinnerwartungen des Bieters begrenzt, so dass ein Bieter maximal bis zu der Höhe bietet, bei der er gerade noch einen Gewinn aus der Nutzung erwartet. Wenn das verteilte Gemeinschaftsgut kein Wirtschaftsgut ist, kommt dem Preis diese Indikatorfunktion nicht zu. Die Gebote der Bieter sind dann nur der monetarisierte Ausdruck individueller persönlicher Wertschätzung, wobei diese von den individuellen Präferenzen und von der Möglichkeit, andere Bedürfnisse zu befriedigen, abhängig ist. Die Sachgerechtigkeit des Versteigerungsverfahrens wird gerade durch die Auswahl der Bewerber nach
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Eignung begründet, welche bei wirtschaftlich nutzbaren Gemeinschaftsgütern in der Ermittlung des wirtschaftlichsten Bewerbers liegt. Wenn die möglichst wirtschaftliche Nutzung aber kein Vergabeziel sein kann, weil es sich bei dem Gemeinschaftsgut nicht um ein Wirtschaftsgut handelt, ist die Versteigerung ungeeignet. Wo der Auktionsgegenstand kein wirtschaftliches Gemeinschaftsgut ist, scheidet das Versteigerungskonzept als Allokationsprinzip aus, weil die konzeptionellen Aussagen angesichts fehlender Voraussetzungen versagen. Allerdings lässt sich die Grenze zwischen wirtschaftlicher Nutzbarkeit und rein ideeller Wertschätzung nicht trennscharf ziehen. Rein wirtschaftlich nutzbare Güter sind solche Güter, die für die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen nicht von Bedeutung sind und in der behördlichen Regulierungspraxis nicht an Privatpersonen, sondern an Unternehmen vergeben werden. Es ist kein Zufall, dass sich die ökonomische Auktionstheorie gerade dieser Art von Gütern zuwendet, indem sie Versteigerungen für die Vergabe von Slots,206 Telekommunikationslizenzen oder Emissionsrechten untersucht. Auf der anderen Seite sind Güter rein ideeller Wertschätzung vor allem solche, die sich nicht als Erwerbsgrundlage eignen, wie dies etwa für Nutzungsmöglichkeiten an (vorwiegend kommunalen) Einrichtungen der Daseinsvorsorge (Schwimmbäder, kulturelle Einrichtungen, Benutzung öffentlicher Gebäude für Veranstaltungen) der Fall ist. Viele wirtschaftlich nutzbare Güter sind aber für den Empfänger zugleich auch von ideellem Wert. Das häufig bemühte Beispiel von Ausbildungsmöglichkeiten207 steht exemplarisch für diese Gruppe von Gütern. Ausbildung und Studium ermöglichen das Erlernen eines Berufes und sind so Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit. Ausbildungsmöglichkeiten tragen aber auch zur persönlichen Entwicklung und Selbstverwirklichung bei, wofür das Bundesverfassungsgericht das treffende Schlagwort der „Zuteilung von Lebenschancen“ geprägt hat.208 Angesichts der Unsicherheiten bei der Einordnung in die Kategorien wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Güter ist die Unterscheidungskraft dieser Begrifflichkeiten trotz der stringenten theoretischen Abgrenzung für die praktische Anwendung gering und kaum tauglich. Erfolgversprechender ist das Anknüpfen an die rechtlich vorgeprägten Vergabeziele. Danach ist die Sachgerechtigkeit einer Versteigerung dort zweifelhaft, wo die Vergabe zumindest auch darauf abzielt, soziale Gerechtigkeit und Umverteilungen zu bewirken. Die Vergabe nach ökonomischen Kriterien bedeutet eine Differenzierung auf Grundlage von Kriterien wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, wohingegen eine im vorgenannten Sinne sozialstaatlich motivierte Vergabe gerade auf Korrektur und Ausgleich der Vermögens- und Güterordnung gerichtet ist, die als Ergebnis der wirtschaftlichen Aktivitäten entsteht. In sozialstaatlich motivierten Vergabesituationen liegt in der Vergabe auf Grundlage ökonomischer Auswahl206 207 208
Siehe oben 1. Kapitel A. BT-Drs. 13 / 3609 S. 39; Korioth (2001) S. 38. BVerfGE 33, 303 (S. 346).
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
verfahren ein Widerspruch zwischen Vergabeziel und Differenzierungskriterium, so dass Auktionen nicht sachgerecht sind. Die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Auktionsgegenstandes ist daher eine Bedingung für die Sachgerechtigkeit von Versteigerungen.
b) Wettbewerbsmarkt nach Vergabe Eine weitere, bei den vorangegangenen Untersuchungen unterstellte Bedingung ist die Vergabe einer begrenzten Menge von Gemeinschaftsgütern an mehrere Bewerber, so dass nach der Vergabe zwischen den erfolgreichen Bietern Wettbewerb besteht. Ob die Versteigerung auch dann ein geeignetes Vergabeverfahren ist, wenn nur ein Gut verteilt oder der gesamte Güterbestand an einen Bieter vergeben wird, so dass er nach der Vergabe Monopolist wäre, ist zweifelhaft. Ein Monopolmarkt bringt die besonders hohe Gefahr eines Fehlschlagens der ökonomischen Konzepte mit sich. Die Gebotshöhe ist zwar weiterhin Ausdruck der erwarteten Gewinnchancen. Diese repräsentieren aber nicht die Wirtschaftlichkeit des Bieters bei der Produktion, sondern die Fähigkeit, als Monopolist möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Anders als unter Wettbewerbsbedingungen kann dies auch durch Angebotsverknappung und durch Anbieten oberhalb des Wettbewerbspreises erfolgen. Die direkte Verbindungslinie zwischen Gebotshöhe und wettbewerblich verstandener Wirtschaftlichkeit wird in einem Monopolmarkt gefährdet. Auch die Gefahr von Überbewertungen ist in solchen Versteigerungen höher. Empirische Untersuchungen dieses Phänomens greifen in besonderem Maße auf Versteigerungen zurück, bei denen nur ein Bewerber erfolgreich ist, weil sich in diesen der Fluch des Gewinners besonders häufig realisiert.209 Gerade weil die beteiligten Bieter darauf erpicht sind, eine Monopolstellung zu erlangen, kann die gebotene Zurückhaltung bei der Werteinschätzung des Gemeinschaftsgutes durch die erhoffte Marktmachtstellung als Monopolist verdrängt werden und zu Überbewertungen verleiten. Es lässt sich zwar auch auf einem Wettbewerbsmarkt nicht mit völliger Sicherheit ausschließen, dass es zu Fehlallokationen infolge von Überbewertungen kommt. Diese sind jedoch bei entsprechendem Auktionsdesign nicht die Regel, sondern eine Ausnahme.210 Anders liegt dies, wenn die Verteilung zu einem Monopolmarkt führt. Das gesteigerte Risiko von Fehlallokationen kehrt in diesem Fall das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Geeignetheit und Fehlschlagen um, so dass Versteigerungen bei der Vergabe für einen Monopolmarkt kein objektiv sachgerechtes Vergabeverfahren sind.211 Milgrom (1989) S. 20. Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 56. 211 Eindeutig ungeeignet und daher sachwidrig ist eine zu einem Monopol führende Versteigerung auch dann, wenn, wie bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen, die Wahrung der Verbraucherinteressen zu den Regulierungs- und Vergabezielen gehört. Bedingung des Theorems von der Einflusslosigkeit historischer Kosten auf den Preis ist die Existenz eines Wett209 210
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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2. Notwendige und mögliche Regulierungsziele Für die Möglichkeiten und Grenzen von Versteigerungen als Regulierungsinstrument ist von besonderem Interesse, welche Regulierungsziele in diesem Vergabeverfahren erreicht werden können. a) Vergabe an die wirtschaftlichsten Bewerber Das ökonomische Allokationskonzept effizienter Ressourcenverteilung gibt ein Regulierungsziel vor, nämlich die Vergabe der Gemeinschaftsgüter an die wirtschaftlichsten Bewerber. Im Unterschied zu anderen Vergabeverfahren sind Versteigerungen auf dieses Lenkungsziel festgelegt. Während andere materielle Auswahlverfahren nach beliebigen Kriterien differenzieren, differenziert die Versteigerung stets nach Wirtschaftlichkeit der Bewerber, auch wenn je nach den Rahmenbedingungen in der gleichen Vergabesituation unterschiedliche Bieter erfolgreich sein können. Wenn der Staat in einer Verteilungsordnung keine über die gleichheitsgerechte Verteilung hinausgehenden Ziele verfolgt, steht das Erfordernis objektiver Sachgerechtigkeit allen inhaltlichen Differenzierungen und daher auch der Versteigerung entgegen und legt rein formale Auswahlverfahren wie Los oder Priorität nahe. Führt ein Vergabeverfahren zur Ressourcenallokation am Ort ihrer höchsten Produktivität, so entspricht die Verteilung dem ökonomischen Effizienzkonzept. Es wäre aber verfehlt, zu sagen, dass Effizienz ein Regulierungsziel ist. Der wohlfahrtsökonomische Effizienzbegriff umschreibt ein eigenes normatives Wohlfahrtskonzept. Dieses ist als höchster ökonomischer Wert absolut. Es achtet als solches weder das Primat des Rechts noch, als dessen Zuspitzung, das Primat der Verfassung. Von fruchtbringendem Einfluss auf das Recht kann dieses Effizienzkonzept nur in abgeschwächter, relativierter Form sein, indem es auf betriebswirtschaftliche Wirtschaftlichkeit reduziert wird. Als solches kann es eine möglichst wirtschaftliche Ressourcenallokation unter den gegebenen Umständen und Zielen fordern und dabei die durch Recht und Verfassung gesetzten Rahmenbedingungen achten. In letzter Konsequenz bedeutet dies auch den Ausschluss ökonomischer Maßstäbe (und von Versteigerungen), wenn Güter aus Gründen des Gemeinwohls gerade unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen vergeben werden sollen. b) Weitere Regulierungsziele Die Auswahl nach Wirtschaftlichkeit ist notwendiges Vergabeziel. Entscheidend für die Möglichkeiten der Versteigerung ist aber die Frage, ob dieses Vergabeverbewerbsmarktes. Wo die Vergabe zu einem privaten Monopol führt, liegt die Steuerung der Angebotsmenge in der Hand des Monopolisten, so dass dieser hohe Marktzutrittskosten durch höhere Verbraucherpreise kompensieren kann.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
fahren auch für weitere Regulierungsziele offen ist. Die Ökonomik geht davon aus, dass prinzipiell jedes Vergabeziel, das durch ein materielles Auswahlverfahren erreicht werden soll, auch durch eine Versteigerung verfolgt werden kann, wenn es möglich ist, dieses Ziel klar und präzise zu benennen, so dass es in die Rahmenbedingungen der Auktion einfließen kann.212 Dies mag zunächst erstaunen, da in einer Versteigerung allein der Preis, welchen ein Bieter zu zahlen bereit ist, Differenzierungskriterium ist. Der Preis ist aber ein Datum, das sich als Ergebnis einer Rechnung mit Faktoren wie den erwarteten Produktionskosten und den erwarteten Einnahmen ergibt. Wenn sich die Regulierungsziele als Faktoren für diese Rechnung formulieren lassen, fließen sie in die Festlegung des Preises ein und werden dadurch bei der Auswahl berücksichtigt.213 Eine Möglichkeit, Regulierungsziele als Faktoren der Preisbildung einzubeziehen, ist die Vergabeziele als ordnungsrechtliche Inhalts- oder Nebenbestimmungen der erteilten Nutzungserlaubnis zu formulieren, so dass diese bei Ersteigern des Gutes zu erfüllen sind.214 Die Wirtschaftlichkeit eines Bieters hängt damit auch davon ab, wie wirtschaftlich der Bieter die Inhalts- oder Nebenbestimmung erfüllen kann. Eine andere Möglichkeit um besondere Vergabeziele in eine Versteigerung einfließen zu lassen, ist die Privilegierung bestimmter Bietergruppen. Den privilegierten Bietern können besondere Vergünstigungen gewährt werden, indem deren Gebote zu einem bestimmten Prozentsatz fiktiv höher gewertet werden oder bereits im Vorfeld ein Teil der Güter reserviert wird.215 Da diese Privilegierungen jedoch selbst den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen müssen, sind sie nur zulässig, wenn die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei ermöglicht insbesondere die prozentuale Höherwertung eine Abwägung zwischen dem Privilegierungsinteresse und dem Interesse an leistungsorientierter Vergabe, weil durch die nur prozentuale Höherwertung Extremsituationen ausgeschlossen werden können, in denen ein privilegierter, aber ruinöser Bewerber einen nicht privilegierten, aber sehr wirtschaftlichen Bewerber verdrängt. Wenn die Privilegierung rechtlich zulässig ist, kann sie in die Versteigerung einfließen, ohne dass das Differenzierungskriterium, nämlich die Höhe der Gebote, verändert werden muss.216
McMillan (1995) S. 195. Bedingung dieser Aussage ist wiederum die Vereinbarkeit der zusätzlichen Regulierungsziele mit einer Auswahl nach Wirtschaftlichkeit. Kommt es zu Kollisionen, sind Versteigerungen ungeeignet. 214 McMillan (1995) S. 195. 215 McMillan (1995) S. 194. 216 Das Gebot der Chancengleichheit aller Bewerber setzt der Zulässigkeit von Diskriminierungen im Vergabeverfahren jedoch enge Grenzen, vgl. oben 3. Kapitel B. II. 2. d) aa) (2) zur Zulässigkeit einer Diskriminierung „größerer“ Unternehmen zu Gunsten „kleinerer und mittlerer“. 212 213
3. Kap.: Versteigerungen als Auswahlmechanismus
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3. Rechtsform einer Versteigerungsregelung Die Erkenntnis, dass Versteigerungen grundsätzlich eine sachgerechte und Chancengleichheit wahrende Auswahlentscheidung ermöglichen, gibt außer der Frage nach den sachlichen Möglichkeiten und Grenzen dieses Vergabeverfahrens auch das für die Regulierungspraxis wichtige Problem auf, unter welchen formellen Voraussetzungen Versteigerungsverfahren zur Anwendung gelangen können. Von Interesse ist insbesondere, ob Versteigerungen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und wie konkret diese das Versteigerungsverfahren regeln muss. Entsprechend der Versteigerungsregelung des TKG gingen die bisherigen Untersuchungen davon aus, dass das Auktionsverfahren durch den Gesetzgeber als Auswahlverfahren vorgesehen worden ist, die konkrete Ausgestaltung aber der Verwaltung überlassen bleibt, die Versteigerungsregeln und Versteigerungsdesign im Einzelfall festlegt. Auf Grundlage des ökonomischen Auktionskonzeptes ist diese Ausgestaltung nicht zwingend. Notwendig ist danach, die Versteigerungsregeln vor Beginn der Auktion festzulegen und bekannt zu machen, damit diese Eckdaten in die Bewertung der Bieter einfließen können. Versteigerungen sind als Regulierungsinstrument ein Konzept, das sowohl der nur einzelfallbezogenen Anwendung durch die Verwaltung, als auch, wie im TKG, der Umsetzung in Form eines Gesetzes zugänglich ist.
a) Verfassungsrechtlicher Maßstab Welche Anforderungen an die Rechtsqualität der eine Versteigerung bestimmenden Normen zu stellen sind, ergibt sich aus Vorbehalt des Gesetzes und dem Bestimmtheitsgrundsatz. Der Vorbehalt des Gesetzes besagt in seiner klassischen Definition, dass Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.217 Für die Erhebung des Versteigerungserlöses ist daher in jedem Fall eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich, da die Verpflichtung zur Entrichtung des Versteigerungserlöses zweifellos ein Eingriff in die Freiheitssphäre des Abgabenpflichtigen ist. Der Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts erfasst grundsätzlich auch die Leistungsverwaltung.218 Die genaue Reichweite ist im einzelnen umstritten, es ist aber anerkannt, dass die Leistungsverwaltung jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedarf, wenn durch die Leistungen Grundrechte Dritter betroffen sind.219 Der Gesetzesvorbehalt verdichtet sich in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere mit Bezug zur Grundrechtsausübung, zum Parlamentsvorbehalt, 217 BVerfGE 8, 155 (S. 166 f.); Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 97. 218 Maurer (2000) § 6 Rn. 10. 219 BVerwGE 90, 112 (S. 126), vgl. auch BVerfGE 80, 124 (S. 132); Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 97.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
der dem Gesetzgeber auferlegt, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.220 Für Verteilungsordnungen hat das Bundesverfassungsgericht dies konkretisiert und festgestellt, dass die Regelungen über die Auswahl der Bewerber zum Kern des Zulassungswesens gehört, welche wegen der einschneidenden Bedeutung vom verantwortlichen Gesetzgeber selbst zu regeln sind.221 Insbesondere die Art der anzuwendenden Auswahlkriterien muss durch den parlamentarischen Gesetzgeber festgelegt werden.222 Dass diese wie auch alle anderen Normen so formuliert sein müssen, dass ein Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen für ihn voraussehbar sind,223 ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.
b) Rechtsqualität und Bestimmtheit von Versteigerungsnormen Überträgt man diese Grundsätze auf Versteigerungsverfahren, so ergibt sich, dass Versteigerungen einer parlamentsgesetzlichen, inhaltlich bestimmten Grundlage bedürfen. Versteigerungen sind ein Vergabeverfahren in Verteilungsordnungen für Nutzungsrechte an Gemeinschaftsgütern. Da die Erteilung der Nutzungsgenehmigung – wenn es sich wie bei Mobilfunkfrequenzen um ein wirtschaftliches Gut handelt – Voraussetzung für die Ausübung der Berufsfreiheit, jedenfalls aber der allgemeinen Handlungsfreiheit ist und bei Nichterteilung die Freiheitsausübung (insoweit) verwehrt bleibt, hat diese Verteilungsordnung für die Grundrechtsausübung elementare Bedeutung. Dies verlangt, dass der Gesetzgeber jedenfalls Grundzüge des Vergabeverfahrens regelt, also zumindest bestimmt, ob eines der klassischen Vergabeverfahren oder das Versteigerungsverfahren anzuwenden ist.224 Der Parlamentsvorbehalt reicht aber nur so weit, wie die Verteilungsordnung gesetzlicher Regelung zugänglich ist.225 Die Festlegung eines konkreten Versteigerungsdesigns muss daher nicht durch den Gesetzgeber erfolgen. Dieses ist von der Marktsituation, den Vergabezielen und den beteiligten Bietern abhängig und muss daher in jedem Vergabeverfahren neu festgelegt werden. Verlangte man, auch das Versteigerungsdesign parlamentsgesetzlich zu bestimmen, liefe dies auf ein eigenes Ge220 Vgl. BVerfGE 49, 89 (S. 126); E 61, 260 (S. 275); Sachs in: Sachs (1999) Art. 20 Rn. 117; Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 103. 221 BVerfGE 33, 303 (S. 345). 222 BVerfGE 33, 303 (S. 345 f.). 223 BVerfGE 83, 130 (S. 145). 224 Ähnlich Faber (2002) S. 266. Kritisch zu sehen ist daher die offene Regelung der Standplatzvergabe auf Märkten und Volksfesten nach § 70 Abs. 3 GewO, dazu Schönleiter in: Landmann / Rohmer (Stand Mai 1992) § 70 Rn. 12 m. w. N. Mit ähnlicher Argumentation gegen Versteigerungen ohne gesetzliche Grundlage im Außenhandelsrecht Rummer (1988) S. 233. 225 BVerfGE 49, 89 (S. 126).
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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setz für jedes Auktionsverfahren hinaus. Es ist daher grundsätzlich zulässig, die Festlegung der Versteigerungsregeln der Verwaltung zu übertragen. Deren Bestimmtheit ist nicht nur verfassungsrechtliche Anforderung, sondern auch konzeptionelle Notwendigkeit. Lassen Versteigerungsregeln oder Nutzungsbedingungen für Unklarheiten Raum, ist auch die Bewertung des Auktionsgegenstandes durch die Bewerber mit (zusätzlicher) Ungewissheit belastet, was die effiziente Allokation gefährdet. Eine Selbstverständlichkeit ist, dass auch die parlamentsgesetzlichen Normen eines die Versteigerung regelnden Gesetzes in Tatbestand und Rechtsfolge klar bestimmt sein müssen.
4. Kapitel
Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle Die Vergabe durch Versteigerung hat für den Staat die angenehme Konsequenz, zugleich Einnahmetatbestand zu sein. Die UMTS-Versteigerung hat gezeigt, dass die der öffentlichen Hand zufließenden Finanzmittel beträchtliche Höhe annehmen können; die der Öffentlichkeit und Fachwelt weitgehend unbekannt gebliebenen Versteigerungen der ERMES- und GSM-1800-Lizenzen zeigen, dass dies nicht so seien muss.226 Eine – sei es auch nur minimale – Gegenleistung ist dem Versteigerungsverfahren jedoch immanent. Diese Feststellung wirft die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Versteigerungen auf.227 Dabei meint finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit zweierlei: Zum einen ist zu klären, ob die Finanzverfassung es zulässt, dass Versteigerungserlöse erhoben werden oder, etwas genauer gefasst, welche Voraussetzungen die Finanzverfassung an die Zulässigkeit der Erlöserhebung stellt (dazu im Folgenden A.). Zum andern stellt sich als Folgeproblem die Frage, wie es sich mit dem (zu Recht oder zu Unrecht) vereinnahmten Versteigerungserlös im grundgesetzlichen Finanzausgleich verhält, ob er also zu berücksichtigen ist und, wenn ja, wie (dazu unten B.).
226 Die ERMES- und GSM-1800-Auktionen erbrachen Einnahmen in Höhe von rd. 2 bzw. 212 Millionen Euro, wogegen die UMTS-Versteigerung zu Erlösen von rund 50 Milliarden Euro führte, dazu Ruhle / Geppert (1998) S. 180 f.; Rittgen (2002) S. 354 m. w. N. 227 Mit der Finanzverfassung sind die Regelungen des Grundgesetzes gemeint, die das „Finanzwesen“ behandeln und im wesentlichen im X. Abschnitt zusammengefasst sind. Anders als die Abschnitte III bis VI oder VII bis IX haben die Art. 104a bis 109 GG weder ein oberstes Bundesorgan noch eine eigene Staatsfunktion im Sinne des Gewaltenteilungsschemas von Art. 20 Abs. 2 GG zum Gegenstand. Der innere Zusammenhang liegt vielmehr in der Regelung des besonderen Sachbereichs der Staatsfinanzen, Korioth (1997) S. 85.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
A. Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Versteigerungserlösen Dass Versteigerungserlöse in der Finanzverfassung keine Erwähnung finden, verwundert nicht. Die Art. 105 bis 108 GG befassen sich fast ausschließlich mit Steuern, daneben finden an anderer Stelle Gebühren,228 Beiträge,229 Zölle230 und Kredite231 Erwähnung. Zwar wird der Finanzbedarf des Staates in unterschiedlicher Weise und durch eine Vielzahl meist historisch gewachsener Abgaben gedeckt.232 Die Dominanz der Steuer in den Normen der Finanzverfassung gilt jedoch als Ausdruck des Steuerstaatsprinzips, also dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland Steuerstaat ist.233 Nicht-steuerliche Einnahmen sind im Finanzsystem des Grundgesetzes grundsätzlich möglich. Die Verfassung enthält aber keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen, sondern ist für weitere Finanzierungsformen grundsätzlich offen.234 Die Steuer ist aber auch für nicht-steuerliche Abgaben Bezugspunkt, so dass Definition und Beschreibung der Steuer für das gesamte Finanzsystem des Grundgesetzes von Bedeutung sind. Der Steuerbegriff wird durch das Grundgesetz vorausgesetzt, aber nicht definiert.235 Er knüpft nach allgemeiner Ansicht an die überkommene, auch in § 3 Abs. 1 AO 1977 gebrauchte Definition an,236 wonach Steuern Geldleistungen sind, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Art. 80 Abs. 2 GG. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. 230 Art. 106 Abs. 1 Nr. 1 GG. 231 Art. 115 GG. 232 F. Kirchhof (2001) Rn. 9. 233 BVerfGE 93, 319 (S. 342); E 78, 249 (266 f.); Badura (1996b) Abschn. I Rn. 5; Birk in: AK-GG (2. Aufl. 1989) Art. 105 Rn. 3, Breuer (2001) S. 42; Fischer-Menshausen in: v. Münch / Kunig (1996) Art. 105 Rn. 1; Gramm (1997) S. 273 f.; Heimlich (1997) S. 151; H. P. Ipsen (1999) Rn. 7; Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 2; F. Kirchhof (1988) S. 147; P. Kirchhof (1999) Rn. 45; P. Kirchhof (1983) S. 506; Korioth (1997) S. 54; Lehner (1993) S. 348; Messerschmidt (1986) S. 151; Meyer (1995), S. 156 ff.; Papier (1994) Rn. 94; Pieroth in: Jarass / Pieroth (2002) Art. 105 Rn. 2; Rodi (1992) S. 28; Sander (1996) S. 19; Schuppert in: Umbach / Clemens (2002 b) Art. 105 Rn. 11; Selmer (1988) S. 39; Vogel (1995) Rn. 69; ders. (1999) Rn. 43; Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar (Stand Nov. 1997) vor Art. 104 a Rn. 327. Kritisch Sacksofsky, (2000) S. 126; Heun in: Dreier (2000) Vorb. zu Art. 104 a – 115 Rn. 21, Art. 105 Rn. 11; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 44 ff. J.-P. Schneider in: AK-GG (3. Aufl. Stand 2001) Art. 105 Rn. 5 f., 17. 234 Fast einhellige Ansicht, vgl. BVerfGE 93, 319 (S. 342), F. Kirchhof (1988) S. 143 ff. P. Kirchhof (1999) Rn. 269; Heimlich (1997) S. 30; Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar (Stand Nov. 1997) vor Art. 104 a Rn. 340 f. Dagegen aber Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104a Rn. 114. 235 Heun in: Dreier (2000) Art. 105 Rn. 10; Vogel / Walter in: Bonner Kommentar (Stand Feb. 1971) Art. 105 Rn. 23. 236 Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (1999) Art. 105 Rn. 7; F. Kirchhof (2001) Rn. 11; Leibholz / Rink / Hesselberger (Stand Okt. 2002) vor Art. 104 a Rn. 76; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 49; Vogel (1999) Rn. 44; Stern (1980) S. 1097. Der Steuer228 229
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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welche nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Einnahmenerzielung allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den der Gesetzgeber die Leistungspflicht bindet.237 Nicht-steuerliche Abgaben werden dagegen negativ abgegrenzt. Sie sind hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten des Bürgers an den Staat, die sich in einem oder mehreren Punkten von der Steuer unterscheiden.
I. Versteigerungserlös als nicht-steuerliche Abgabe Versteigerungserlöse sind keine Steuern. Von manchen Stimmen wird der Versteigerungserlös in seinen Wirkungen zwar in die Nähe der Steuer gerückt,238 eine begriffliche Qualifizierung ist damit aber wohl nicht intendiert. Es besteht vielmehr Einigkeit, dass Versteigerungserlöse nicht-steuerliche Abgaben sind, weil Versteigerungserlöse gegenleistungsabhängig sind. Sie werden für die Erteilung des versteigerten Nutzungsrechtes erhoben, da der Marktmechanismus die von den Bewerbern angebotene Gegenleistung zum entscheidenden Auswahlkriterium macht. Die Nichtvoraussetzungslosigkeit von Versteigerungserlösen spricht gegen deren Steuerlichkeit. Dass Versteigerungserlöse deshalb nicht-steuerliche Abgaben sind, ist jedoch weniger offensichtlich, als es danach erscheint. Voraussetzung ist nämlich, dass es sich bei diesen überhaupt um Abgaben handelt, also um öffentlich-rechtlich auferlegte Geldleistungspflichten. 239 Mit Zuschlag entsteht für den erfolgreichen Versteigerungsteilnehmer die Pflicht zum Entrichten des Erlöses. Dabei ergibt sich deren Öffentlichrechtlichkeit als Kehrseite der Vergabe.240 Wenn Versteigerungen ein hoheitliches Verteilungsverfahren sind, muss der als Gegenleistung erhobene Erlös ebenfalls öffentlich-rechtlich sein. Zweifelhaft ist aber, ob angesichts der freiwilligen Auktionsteilnahme und -mitwirkung dem späteren Abgabenschuldner die öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht „auferlegt“ wurde. Zumindest definitorisch ist dieses kein Problem, wenn die Versteigerung nur als Verfahren der Entscheidungsfindung im Vorfeld einer durch Verwaltungsakt abgeschlossenen Entscheidung dient. In diesem Fall muss auch die Geldleistungspflicht durch Verwalbegriff des § 3 AO 1977 entspricht dem des § 1 RAO. Methodische Rechtfertigung dieser Steuerdefinition ist das Rezeptionsargument: Der Verfassungsgeber habe auf eine genauere Definition des Steuerbegriffs verzichtet, weil er den ihm bekannten Steuerbegriff zu Grunde gelegt habe; BVerfGE 3, 407 (435); E 7, 244 (251) sowie Vogel a. a. O. 237 Henneke (2000) Rn. 290 ff.; P. Kirchhof (1999) Rn. 50 ff.; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 54; Vogel (1999) Rn. 54. 238 Arndt (2001) S. 26; Breuer (2001) S. 27; vgl. auch BVerfG DVBl. 2002, 704 (S. 705). 239 Zum Abgabenbegriff Tipke / Kruse (Stand Oktober 1989) § 3 Tz. 6; Vogel in: Evangelisches Staatslexikon (1987) Stichwort „Abgaben, öffentliche“ (Sp. 10). Ähnlich BVerfGE 13, 181 (S. 198). 240 Gegen die Privatrechtlichkeit von Erlösen regulativer Versteigerungen auch Kötter (2001) S. 1560. 8 Leist
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
tungsakt begründet werden und wird daher auferlegt.241 Bei Ausgestaltung als öffentlich-rechtlichen Vertrag, der durch Zuschlag zustande kommt, scheint die Abgabenqualität ausgeschlossen.242 Dieser Überlegung liegt aber ein zu weites Verständnis von Freiwilligkeit zu Grunde. Auch die Auferlegung folgt als Kehrseite der hoheitlichen Vergabe. Wenn der Staat in einer hoheitlichen Verteilungsordnung für die Vergabe eines Gutes eine Gegenleistung erhebt, wird diese nicht freiwillig erbracht, sondern folgt öffentlich-rechtlichen Regeln, wird also dem Bürger auferlegt. Versteigerungserlöse sind Abgaben, unabhängig davon, wie das Vergabeverfahren verwaltungsverfahrensrechtlich ausgestaltet wird.243
II. Verfassungsrechtlicher Rahmen für nicht-steuerliche Einnahmen Nicht-steuerliche Einnahmen sind im offenen Finanzsystem des Grundgesetzes grundsätzlich möglich und nicht auf die erwähnten Abgabenarten beschränkt.244 Die vorhandenen Regelungen der Finanzverfassung zeigen jedoch auch, dass das Grundgesetz der Erhebung von Abgaben nicht indifferent gegenübersteht, sondern Begrenzungen vorsieht. Wie groß der Raum ist, den die Verfassung nicht-steuerlichen Abgaben eröffnet, hängt von der Bedeutung ab, die dem Grundsatz des Steuerstaates beigemessen wird. Ist dieser rein deskriptiver Natur, so folgen daraus keine besonderen Voraussetzungen, hat er hingegen normative Wirkung, so folgt daraus ein Rechtfertigungszwang für nicht-steuerliche Abgaben. Vor diesem Hintergrund stünde die Untersuchung von Versteigerungserlösen auf unsicherem Boden, wenn nicht vorab festgestellt wird, auf welcher Grundlage nicht-steuerliche Abgaben erhoben werden können. Die Zulässigkeit der Erlöserhebung hängt daher entscheidend davon ab, ob diese als nicht-steuerliche Abgabe überhaupt rechtfertigungsbedürftig ist (dazu sogleich 1.) und welches diese Rechtfertigungsanforderungen sind (dazu im Folgenden 2.).
241 Anders wohl Altmeppen / Bunte (2001) S. 457 ff., 462, die davon ausgehen, Versteigerungen kämen als ein Instrument privatautonomer Gestaltung zur Anwendung. Becker (2002a) S. 19 ff. spricht missverständlich davon, dass die Freiwilligkeit der Abgabenentrichtung theoretischer Natur sei. 242 Tipke / Kruse (Stand Oktober 1989) § 3 Tz. 10: „vertraglich übernommene Verpflichtungen . . . sind nicht hoheitlich auferlegt.“ 243 Im Ergebnis auch Arndt (2001) S. 25; Degenhart (2001) S. 34; Grzeszick (1997a) S. 883; Korioth (2001) S. 60; Schumacher (2000) S. 3098 f. Ebenso wohl Koenig / Schäfer (1998) S. 244 und Koenig (1994) S. 409. Anders aber Gramlich (1999) S. 753 und ders. (2000) S. 106, der Versteigerungserlöse wohl als eine besondere – wohl öffentlich-rechtliche – Art des Kaufpreises begreift, ohne daraus allerdings Konsequenzen abzuleiten. 244 BVerfGE 93, 319 (S. 342), siehe oben 4. Kapitel A.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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1. Nicht-steuerliche Abgaben und der Grundsatz des Steuerstaates a) Quantitative oder qualitative Begrenzungen nicht-steuerlicher Abgaben? Der Grundsatz des Steuerstaates diente ursprünglich zur finanzwissenschaftlichen Beschreibung des modernen Staates in Abgrenzung zum Unternehmerstaat. Als verfassungsrechtlicher Grundsatz wird er so verstanden, dass „die Finanzierung der staatlichen Aufgaben . . . grundsätzlich aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen“ zu bestreiten ist,245 weil das Grundgesetz dieser Abgabe besondere Bedeutung beimesse. Nicht-steuerliche Abgaben bedürfen daher spezifisch finanzverfassungsrechtlicher Rechtfertigung, wobei „grundsätzlicher Vorrang“ entweder als quantitative oder qualitative Begrenzung verstanden wird: Auf ersteres deuten Formulierungen hin, wonach sich der Staat „vor allem“ oder „überwiegend“ aus Steuern finanzieren muss,246 nicht-steuerliche Abgaben also nur insoweit gerechtfertigt sind, als ihr Ertrag hinter dem von Steuern zurückbleibt. Letzteres ist gemeint, wenn Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben unterschiedliche Funktionen zugewiesen werden247 oder für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben anders als für Steuern eine besondere Begründung als notwendig erachtet wird.248
b) Keine finanzverfassungsrechtlichen Begrenzungen für nicht-steuerliche Abgaben Das Steuerstaatsdogma wird jüngst von Sacksofsky bestritten.249 Ausgehend von der ursprünglich finanzwissenschaftlich-deskriptiven Bedeutung weist sie nach, dass der Grundsatz des Steuerstaates bei Entstehung des Grundgesetzes noch unbekannt war und sich erst in den siebziger Jahren zum verfassungsrechtlich-normativen Konzept entwickelte,250 wobei sich die deskriptive Feststellung, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Steuerstaat, wie F. Kirchhof und Sacksofsky für verschiedene Referenzjahre dargelegt haben,251 empirisch nicht belegen lässt. Sie BVerfGE 78, 249 (S. 266 f.); vgl. auch BVerfGE 82, 159 (S. 178); E 93, 319 (S. 342). Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 47; Vogel (1995) Rn. 70; vgl. auch Sacksofsky (2000) S. 153 m. w. N. 247 F. Kirchhof (1988) S. 147 ff. geht davon aus, dass nur Steuern zur „Gewinnerzielung“, also zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben geeignet sind, während nicht-steuerliche Abgaben nur zweckgebundene Erträge abwerfen könnten. 248 Z. B. Drömann (2000) S. 170 ff. 249 Sacksofsky (2000) S. 152 ff., 188. 250 Sacksofsky (2000) S. 129 ff., 151 f. 251 F. Kirchhof (1988) S. 145 ff.; Sacksofsky (2000) S. 154 f. Die Untersuchung von F. Kirchhof bezieht sich auf das Jahr 1976, die Untersuchung von Sacksofsky auf die Jahre 1987 und 1995. Für das Jahr 2000 dürfte sich das faktischer Gleichgewicht von steuerlichen 245 246
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
findet zwar bei isolierter Betrachtung des Bundeshaushaltes Bestätigung,252 bei Einbeziehung aller öffentlichen Haushalte, neben den Länder- und Gemeindehaushalten insbesondere denen der Sozialversicherungsträger, stehen sich steuerliche und nicht-steuerliche Einnahmen ungefähr paritätisch gegenüber.253 Als dogmatisches Konzept sei der Steuerstaat bei Zugrundelegen eines quantitativen Verständnisses untauglich, für ein qualitatives Verständnis ergäbe sich aus der Verfassung kein Anknüpfungspunkt.254 Tatsächlich ergibt sich aus der normativen Untauglichkeit eines quantitatives Verhältnisses zwischen den Erträgen steuerlicher und nicht-steuerlicher Abgaben, dass dieses nicht Verfassungsanforderung sein kann. Selbst wenn es möglich sein sollte, die oberste Grenze des zulässigen Anteils nicht-steuerlicher Abgaben festzulegen, ließe sich ein Verstoß nicht antizipieren, da der Ertrag der jeweiligen Abgaben erst am Ende des Haushaltsjahres feststeht. Weiterhin ließe sich damit nicht begründen, ob eine oder mehrere und gegebenenfalls welche nicht-steuerlichen Abgaben unzulässig sind, oder ob das Ungleichgewicht durch Steuererhöhungen auszugleichen wäre. Wie der verfassungswidrige Zustand zu beseitigen wäre, bleibt also unklar. Einem qualitativen Verständnis des Steuerstaates hält Sacksofsky entgegen, der Regelungsgehalt der Art. 105 ff. GG werde interpretatorisch überdehnt. Diese enthielten nur die Gesetzgebungskompetenz über Steuern, deren Verteilung und den Finanzausgleich.255 Nicht-steuerliche Abgaben müssten nur von Steuern unterscheidbar sein, um die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen über Steuern nicht beliebig umgehen zu können; ob der Gesetzgeber zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben aber eher auf Steuern oder lieber auf nicht-steuerliche Abgaben zurückgreife, sei seiner Gestaltungsfreiheit anheim gestellt.256 Auch die bundesstaatliche Ordnungsfunktion der Finanzverfassung gebiete kein Prinzip Steuerstaat, da sich die Finanzausgleichsregelungen zwar an Steuern orientierten, ihren Sinn aber in keiner Weise verlören, wenn die verteilungsgegenständlichen Staatseinnahmen in stärkerem Maße durch nicht-steuerliche Abgaben erwirtschaftet würden. Die Finanzverfassung halte flexible Regelungen vor, die es ermöglichten, auf Verschiebungen der Einnahmenanteile, sei es durch Steuerreformen, sei es durch Vordringen nicht-steuerlicher Abgaben, ausgleichend zu reagieren.257 Da der Grundund nicht-steuerlichen Einnahmen infolge der enormen Erlöse der UMTS-Versteigerung, die allein bereits etwa ein Viertel des gesamten Bundeshaushaltes ausmachten, zu Gunsten nichtsteuerlicher Einnahmen verschoben haben. Das Jahr 2001 dürfte aber wieder den Annahmen von Sacksofsky entsprechen. 252 Nach Rechnung von Sacksofsky betrug der Anteil steuerlicher Einnahmen für die Jahre 1987 und 1995 einmal 90 %, da andere Mal 89 %. Zu den Abweichungen für das Jahr 2000 siehe oben Fn. 251. 253 Sacksofsky (2000) S. 155. 254 Sacksofsky (2000) S. 156 f., 188. 255 Sacksofsky (2000) S. 162 ff. 256 Sacksofsky (2000) S. 167 f.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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satz des Steuerstaates keine normative Geltung beanspruchen könne, beantwortet Sacksofsky die Frage nach den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an nicht-steuerliche Abgaben „verblüffend einfach“: „Es gibt keine finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.“258
c) Rechtfertigungsbedürftigkeit nicht-steuerlicher Abgaben Die Kritik am Steuerstaatsdogma zeigt notwendige Begrenzungen auf, greift in ihrer Konsequenz aber zu weit. Die kritische Betrachtung des Steuerstaates macht zunächst deutlich, dass die Dominanz der Steuer über andere Einnahmen259 an der Realität staatlicher Finanzen vorbeigeht. Ein quantitatives Verständnis des Steuerstaatsbegriffs ist nicht nur als rechtliches Konzept untauglich, sondern auch im tatsächlichen eine Illusion. Des weiteren ruft der Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in Erinnerung, dass begriffliche und konzeptionelle Zementierungen dem Charakter von Verfassungsnormen widersprechen. Obgleich es in deren Natur liegt, dem einfachen Gesetzgeber Grenzen zu setzen, sind sie doch auf Flexibilität angelegt und geben nur eine Rahmenordnung vor, deren Ausgestaltung dem politischen Prozess überlassen bleibt. Durch Dogmatisierung des Steuerstaates und Verschärfung der Anforderungen für nicht-steuerliche Abgaben260 wird diese Gestaltungsfreiheit in fragwürdiger Weise eingeschränkt. Diese Kritik geht jedoch zu weit, wenn dadurch der Grundsatz des Steuerstaates gänzlich negiert wird. Der Grundsatz des Steuerstaates bringt eine Regelungstechnik zum Ausdruck, nämlich die Regel-Ausnahme-Technik. Er hat daher Regelungsgehalt, weil die Ausnahme (nicht-steuerliche Einnahme) gegenüber der Regel (steuerliche Einnahme) einer Begründung bedarf. Der Steuerstaatsgrundsatz weist der Steuer aber weder besondere Funktionen zu, noch bringt er quantitative Begrenzungen zum Ausdruck. Als Regel-Ausnahme-Technik hat der Steuerstaatsgrundsatz die Funktion eines Bezugspunktes. Dieser ist Grundlage von Bewertungen, um im offenen und damit zunächst grenzenlosen Abgabensystem Schranken finden zu können. Für die regelungstechnische Bedeutung ist unerheblich, ob bei empirischer Betrachtung die Mehrheit der Fälle der Regel oder der Ausnahme entsprechen. Es ist daher unerheblich, ob sich die Bundesrepublik Deutschland bei empirischer Untersuchung als Steuerstaat erweist. 257 Sacksofsky (2000) S. 168 ff., 182 f. Im Folgenden sieht Sacksofsky auch im Sozialund / oder Rechtstaatsprinzip sowie dem Grundsatz der Lastengleichheit keine Grundlage für eine Verankerung des Steuerstaatsgrundsatzes. 258 Sacksofsky (2000) S. 189. 259 Statt vieler Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 47. 260 So stilisiert etwa Drömann (2000) S. 170 ff. den Steuerstaat zu einem Grundsatz, der dem Gesetzgeber aufgibt, vor Einführung nicht-steuerlicher Abgaben darzulegen, dass trotz dieser die Finanzierung des Staates im Wesentlichen durch Steuern erfolgten
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Die Regel-Ausnahme-Technik ist in der Verfassung weit verbreitet und findet sich insbesondere bei der Kompetenzverteilung.261 Beispielsweise liegt die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 GG grundsätzlich bei den Ländern. Gleichwohl hat bei empirischer Betrachtung der Bund die Mehrzahl der Kompetenzen, wohingegen Landeskompetenzen die Ausnahme sind.262 Dennoch ist die grundsätzliche Gesetzgebungskompetenz der Länder als Regelungstechnik unbestritten.263 Die gleiche Regelungstechnik gilt auch für staatliche Einnahmen. Der Prototyp staatlicher Einnahmen ist die Steuer, die den Grundsatz darstellt und zu deren grundsätzlicher Rechtfertigung es außer dem Zweck der Einnahmenerzielung keiner besonderen Gründe bedarf.264 Nicht-steuerliche Abgaben sind dagegen jeweils rechtfertigungsbedürftig,265 also regelungstechnisch die Ausnahme. Im Fall der Gesetzgebungskompetenzen ergibt sich die Regelungstechnik offensichtlich aus Art. 70 Abs. 1 GG; im Finanzverfassungsrecht folgt dies aus einer Interpretation des Verfassungstextes. Die Finanzverfassung befasst sich fast ausschließlich mit Steuern,266 was diese zum Prototyp staatlicher Einnahmen macht, für welche besondere Erhebungskompetenzen bestehen und die besondere Wirkungen haben. Sie ermöglichen den belastenden Zugriff auf alle Abgabenpflichtigen und bringen frei verfügbare Finanzmittel. An ihre Erhebung werden, obgleich es sich um einen Grundrechtseingriff267 handelt, keine besonderen Voraussetzungen gestellt, so dass allein der Zweck der Einnahmenerzielung ausreichend ist.268 Durch besondere Normierung dieser Abgabe zieht die Verfassung aber zugleich Grenzen. Jede weitere, zur Steuer hinzutretende Abgabe ist eine nicht-steuerliche Abgabe, zu deren Erhebung der Gesetzgeber auf die allgemeine Gesetzgebungskompetenz für die Sachmaterie, mit welcher sie in Zusammenhang steht, zurückgreift269 und die andere Wirkungen hat. Sie bedarf daher der Rechtfertigung, welche aus der Systematik der Finanzverfassung erfolgen muss: Es ist ein Gebot der Bundesstaatlichkeit, die Regeln der Finanzverteilung (Art. 106 ff. GG), die an Steuern orientiert sind, nicht durch Abgaben zu durchkreuzen, deren Zuordnung Sachs (1991) S. 17. Ipsen (2001) Rn. 453. 263 Vgl. Sachs (1991) S. 17; Kunig in: v. Münch / Kunig (1996) Art. 70 Rn. 20; Degenhart in: Sachs (1999) Art. 70 Rn. 1, der den Begriff Grundregel verwendet und Regel-AusnahmeVerhältnis mit Mehrzahl-Minderzahl-Verhältnis gleichsetzt. 264 Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 2; Bethge (1985) S. 257; ausführlich Rodi (1994) S. 28 ff., 155 ff. 265 Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 47. 266 Zu den Ausnahmen siehe oben 4. Kapitel A. 267 Dabei ist umstritten, ob die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, so BVerfGE 91, 207 (S. 220 f.); Vogel (1999) Rn. 87, oder die besondere, das Eigentum betreffende Handlungsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG, so P. Kirchhof (1999) Rn. 86, betroffen ist. 268 Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 2; F. Kirchhof (2001) Rn. 10. 269 F. Kirchhof (2001) Rn. 29, BVerfGE 81, 156 (S. 187); E 75, 108 (S. 147); E 67, 256 (S. 274). 261 262
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unklar ist. Es ist ein Gebot der Gleichheit, einzelne Bürger nicht zusätzlich durch weitere Abgaben zu belasten, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung besteht. Es ist ein Gebot demokratischer Autorität, keine Abgabentatbestände zu schaffen, durch welche Finanzmittel generiert werden, die parlamentarischer Kontrolle entzogen sind. Fragen der Finanzverteilung und parlamentarischer Kontrolle knüpfen an die Art. 106 ff. und 109 ff. GG an, sind also spezifisch finanzverfassungsrechtliche Fragen. Das Gebot der Belastungsgleichheit knüpft an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) an, wird durch den finanzverfassungsrechtlichen Kontext aber auf abgabenrechtliche Fragen beschränkt. In ihrer Gesamtheit machen die genannten Gebote die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung aus. Um diese nicht hinfällig werden zu lassen, bedürfen nicht-steuerliche Abgaben der Rechtfertigung.270
2. Rechtfertigungsanforderungen an nicht-steuerliche Abgaben Steht fest, dass die Erhebung von Steuern keine besondere Rechtfertigung erfordert, wohingegen nicht-steuerliche Abgaben rechtfertigungsbedürftig sind, so ist zu klären, welches die Rechtfertigungsanforderungen sind. Dies ist durch die Finanzverfassung nicht ausdrücklich vorgegeben, lässt sich aber aus der Schutzund Begrenzungsfunktion ermitteln. In welcher Weise dieser recht abstrakte Begriff für die Rechtsanwendung zu konkretisieren ist, wird uneinheitlich beurteilt.
a) Begriffsorientierte Ansätze Bis 1995 entsprach es allgemeiner Ansicht, eine nicht-steuerliche Abgabe zunächst einer bestimmten, als verfassungsfest anerkannten Abgabenkategorie (Gebühr, Beitrag, Sonderabgabe271) zuzuordnen.272 Die je nach Ansatz damit ver270 Dass nicht-steuerliche Abgaben irgendeiner Art von Rechtfertigung bedürfen, wird letztlich auch von Sacksofsky nicht bestritten [dies. (2000) S. 197]. Obgleich sie von der Nichtexistenz des Steuerstaatsgrundsatzes ausgeht, hält sie es erforderlich, nicht-steuerliche Abgaben klar gegen Steuern abzugrenzen (a. a. O. S. 197 ff.) und überprüft diese Abgaben am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG (a. a. O. S. 210 ff.). Damit legt auch Sacksofsky ihren Untersuchungen einen regelungstechnischen Steuerstaatsgrundsatz zugrunde und orientiert auch die Abgabenrechtfertigung, ergänzt man den haushaltsrechtlichen Aspekt parlamentarischer Budgetkontrolle, an Maßstäben, die auch im Folgenden favorisiert werden. 271 Die Beschränkung auf diese drei Kategorien ist üblich, wenn auch vor der Abgabenwirklichkeit zu eng. Zu weiteren Typen F. Kirchhof (2001) Rn. 15 ff. 272 Für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 7, 244 (251 ff.); E 49, 343 (352 f.); E 55, 274 (S. 297). Vgl. BVerfGE 50, 217 (S. 226) mit Bezug auf Verwaltungsgebühren; BVerfGE 55, 274 (S. 304 ff.) mit Bezug auf Sonderabgaben. Für die Literatur mit Blick auf Gebühren zusammenfassend Drömann (2000) S. 96 ff. und Heimlich (1996) S. 83 ff. Exemplarisch für alle nicht-steuerlichen Abgaben Henneke (2000) Rn. 128 ff.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
bundene273 bzw. daran anknüpfende274 Rechtfertigungsdogmatik unterscheidet sich für jede Abgabenkategorie. Für Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) hängt die Rechtfertigung von einer individuell zurechenbar gewährten oder in Aussicht gestellten Staatsleistung ab, für welche die Abgabe erhoben wird.275 Die Rechtfertigung von Sonderabgaben ist daran gebunden, dass zur Finanzierung einer besonderen Aufgabe eine in sich homogene Gruppe von Abgabenschuldnern belastet wird, die für deren Finanzierung eine besondere, deutlich erkennbare Verantwortung trägt.276 Bei Differenzen in der Vorgehensweise und für bestimmte Rechtfertigungsvoraussetzungen besteht für alle Ansätze Konsens darüber, dass Ausgangspunkt jeder Untersuchung die begriffliche Qualifizierung einer Abgabe ist. Die verschiedenen abgabenrechtlichen Problemkomplexe, also Belastungsgrund, Belastungshöhe und die Festlegung des Abgabenschuldners werden dabei teils als begriffliche Voraussetzung, teils im Rahmen der Rechtfertigung der Abgabe erörtert; je nach Art der Abgabe sind diese unterschiedlich stark konturiert und dogmatisch ausgeformt.277 Die einzelnen Abgabenarten werden begrifflich unterschieden, da die begriffliche Einordnung jeweils mit einer spezifischen Rechtfertigungsdogmatik verbunden ist.
b) Prinzipienorientierter, begriffsunabhängiger Ansatz Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 im Wasserpfennig-Beschluss einen anderen Weg eingeschlagen. In „begrifflicher Enthaltsamkeit“278 entschied das Gericht, es komme „für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer nicht-steuerlichen Abgabe nicht auf deren begriffliche Zuordnung, sondern allein darauf . . . [an], ob sie den Anforderungen standhält, die sich aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben.“279 Fragen der Systematisierung und Katalogbildung seien keine 273 Vgl. Henneke (2000) Rn. 373 ff. (Gebühr), Rn. 413 ff. (Beitrag); Rn. 432 ff. (Sonderabgabe). Vgl. auch Meyer (1995) S. 47 ff. 274 Mit Bezug auf Gebühren Heimlich (1996) S. 74 ff. („funktionalistische Gebührendogmatik“); mit Bezug auf Sonderabgaben Henseler (1984) S. 25. 275 F. Kirchhof (2001) Rn. 16 f. Dieser Dogmatik folgend sieht Kötter (2001) S. 1560 ff. Versteigerungserlöse als „sonstige Abgaben“ an, da sie weder Gebühren noch Sonderabgaben sein. 276 F. Kirchhof (2001) Rn. 20. 277 So wird für die Gebühr – als rechtfertigender Belastungsgrund oder als Grenze der Belastungshöhe – die Geltung des Äquivalenz- oder Kostendeckungsprinzips diskutiert, was an deren Entgeltcharakter anknüpft; vgl. Henneke (2000) Rn. 401 ff. Für Sonderabgaben (Henneke a. a. O. S. 432 ff.) fehlt es hinsichtlich der Belastungshöhe an einer derart ausdifferenzierten Dogmatik, die Kriterien zur Beurteilung des Belastungsgrundes sind ebenfalls weniger griffig. Für Steuern schließlich ergibt sich der Belastungsgrund unmittelbar aus dem Steuerstaatsprinzip [Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 2], während die Belastungshöhe ihre Grenze vor allem in den Grundrechten findet, vgl. P. Kirchhof (1999) Rn. 87, 98. 278 Selmer / Brodersen (2000) S. 1154. 279 BVerfGE 93, 319 (S. 345).
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Verfassungsfragen.280 Für die Verfassungsmäßigkeit notwendig und hinreichend sei die Vereinbarkeit mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung, welche sich in drei grundlegenden Prinzipien widerspiegle.281 Das erste dieser drei Prinzipien sei das auf Erhalt von Sinn und Funktion des föderalen Verteilungssystems für das Steuerwesen gerichtete Prinzip des Steuerstaates.282 Um die grundgesetzliche Finanzverfassung nicht zu gefährden, müssten sich nicht-steuerliche Abgaben „ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird . . . , deutlich unterscheiden“283 und bedürften „ – über die Einnahmenerzielung hinaus oder an deren Stelle – einer besonderen sachlichen Rechtfertigung.“284 Als zweites Prinzip nennt das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der Belastungsgleichheit. 285 Da der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe meist zugleich Steuerschuldner ist, werde er zur Finanzierung des Staatshaushaltes doppelt herangezogen. Die zusätzliche Inanspruchnahme des Bürgers neben der Besteuerung bedürfe besonderer Rechtfertigung. Dabei sei ein möglicher Rechtfertigungsgrund die Abschöpfung eines besonderen, individualisierbaren Vorteils, der dem Abgabenschuldner zugewendet wurde.286 Dritter Aspekt der Schutz- und Begrenzungsfunktion sei der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans.287 Dieser gewährleiste die Haushaltshoheit des Parlaments. Indem das gesamte Finanzvolumen des Staates der Budgetplanung und -entscheidung des Parlamentes unterstellt wird, erhalte das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast.288 Besondere, parlamentarischer Kontrolle entzogene Nebenhaushalte seien grundsätzlich unzulässig,289 auch wenn die Zweckbindung von Einnahmen in Einzelfällen möglich sein könne.290 c) Kritik und Stellungnahme In Auseinandersetzung mit dem Wasserpfennig-Beschluss ist dieses Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts teils heftig kritisiert worden. Dem Gericht wurde vorgehalten, die von ihm für unerheblich befundene Frage der Systematisierung 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290
BVerfGE 93, 319 (S. 345). BVerfGE 93, 319 (S. 342). BVerfGE 93, 319 (S. 342, 345). BVerfGE 93, 319 (S. 343). BVerfGE 93, 319 (S. 342 f.). BVerfGE 93, 319 (S. 343). BVerfGE 93, 319 (S. 347). BVerfGE 93, 319 (S. 343). BVerfGE 93, 319 (S. 343); Arndt (2001) S. 26 f. P. Kirchhof (1999) Rn. 19. BVerfGE 93, 319 (S. 348).
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
sei notwendig, um die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer nicht-steuerlichen Abgabe zu überprüfen.291 Lasse man es für die verfassungsrechtliche Überprüfung einer Abgabe nicht mehr auf die begriffliche Zuordnung ankommen, werde das Instrumentarium des Abgabengesetzgebers praktisch unbegrenzt erweitert.292 Die an Formenklarheit gewöhnte finanzverfassungsrechtliche Dogmatik mache klare begriffliche Strukturen notwendig, da anderenfalls die bundesstaatliche Kompetenzordnung leer laufen würde.293 Das Recht dürfe daher vor Begrifflichkeiten nicht kapitulieren. 294 Im Übrigen sei es widersprüchlich, begriffliche Zuordnungen für irrelevant zu erklären, zugleich aber die Notwendigkeit hinreichend deutlicher Unterscheidung aller nicht-steuerlichen Abgaben zu Steuern zu betonen und auch im Rahmen der Rechtfertigung mit (gebührenrechtlichen) Begriffsmerkmalen wie „Gegenleistungsabhängigkeit“ und „individuell zurechenbarer Leistung“ zu argumentieren.295 Vereinzelt hat das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts aber auch Zustimmung erfahren. In einer zustimmenden Stellungnahme sehen v. Mutius und Lünenbürger die Notwendigkeit, die gesamte abgabenrechtliche Diskussion auf ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen zurückzuführen und begrüßen daher, dass das Gericht die finanzverfassungsrechtliche Grundproblematik der Abgrenzung von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben in den Vordergrund stellt und die Prinzipien, welche die Finanzverfassung vorgibt, erörtert.296 Vorreiter und Mitstreiter für den methodischen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts ist Murswiek, der schon vor der Wasserpfennig-Entscheidung die Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs verneint und die Ausrichtung an allgemeinen Verfassungsanforderungen statt an Begrifflichkeiten gefordert hatte.297 Konsequent auf Abgabenbegrifflichkeiten verzichtende Darstellungen bleiben in der abgabenrechtlichen Literatur gleichwohl die Ausnahme.298 aa) Unerheblichkeit verfassungsfester Abgabenkategorien Der Zurückhaltung in der Rezeption des verfassungsgerichtlichen Ansatzes kann nicht gefolgt werden. Die Rückführung der Abgabendogmatik auf ihren verfassungsrechtlichen Kern ist notwendig, weil die Offenheit der Finanzverfassung für Raber (1997) S. 220. Selmer / Brodersen (2000) S. 1154. 293 Drömann (2000) S. 104 f. unter Berufung auf BVerfGE 55, 274 (S. 304); F. Kirchhof in: Rengeling (1998) § 38 Rn. 48; Selmer / Brodersen (2000) S. 1155. 294 Sanden (1996) S. 182. 295 Drömann (2000) S. 103 f. 296 v. Mutius / Lünenbürger (1996) S. 1064. 297 Murswiek (1994) S. 174 und Murswiek (2000b) S. 281. 298 So aber Sacksofsky (2000) S. 189 ff.; 210 ff. Beispielhaft ist weiterhin die Untersuchung der UMTS-Erlöse durch Arndt (2001) S. 25 ff., der allerdings hilfsweise auf den traditionellen begrifflichen Ansatz zurückgreift. 291 292
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neue Abgabenarten299 begrifflichen Zementierungen300 entgegensteht. Beispielhaft bestätigt wird dies durch einen Blick auf die Vielzahl an Gebührenbegriffen. Die Diskussion um einen formalen, materiellen, doppelgliedrigen, monopolistischen oder streng formalen Gebührenbegriff301 zeigt, dass enge Definitionen zu sehr von einer bestimmten Gebührenart ausgehen302 und dabei die Offenheit der Finanzverfassung für neue Abgabenarten wie auch die gebotenen verfassungsrechtlichen Begrenzungen aus dem Blick verlieren. Warum kompetenzrechtliche Gründe eine verfassungsfeste Definition einzelner nicht-steuerlicher Abgabenarten erforderlich machen sollen,303 lässt sich nicht nachvollziehen. Zwar sind Gesetzgebungskompetenzen für Steuern in Art. 105 GG geregelt, während sich die Zuständigkeit für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben als Annexkompetenz zur Sachmaterie nach den Art. 70 ff. GG ergibt. Daraus folgt jedoch ausschließlich die Notwendigkeit, nicht-steuerliche Abgaben und Steuern gegeneinander abzugrenzen. Denn wenn jedem Kompetenztitel der Art. 70 ff. GG stillschweigend der Zusatz “ . . . und die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben für diesen Sachbereich“ hinzugedacht werden kann, ist es unerheblich, ob diese nicht-steuerlichen Abgaben Gebühren, Beiträge, Sonderabgaben oder sonstige Abgaben sind. Zur Abgrenzung der Kompetenznormen aus Art. 105 GG und Art. 70 ff. GG ist es notwendig, eine Abgabe als Steuer oder Nichtsteuer zu qualifizieren. Die Nichtsteuerlichkeit einer Abgabe ist dann gegeben, wenn sie sich nicht unter den Begriff der Steuer subsumieren lässt. Zu einer darüber hinausgehenden positiven Definition besteht kein Anlass, so dass mit Verneinen der Steuerqualität aus kompetenzrechtlichen Gründen hinreichende Klarheit besteht: Die Kompetenz für eine solche Abgabe folgt als Annex zu den Titeln der Art. 70 ff. GG. Soweit die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich festgelegten Abgabenbegrifflichkeit mit dem Erfordernis einer daran anknüpfenden Rechtfertigungsdogmatik begründet wird,304 vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Abgabe können sich ausschließlich aus der Verfassung ergeben. Da der Verfassungstext zu konkreten P. Kirchhof (1999) Rn. 269. Drömann (2000) S. 110. 301 Vgl. dazu jeweils Heimlich (1996) S. 87 ff. 302 Drömann (2000) S. 111: „Mit einer solchen Atomisierung in einzelne Unterabteilungen mit je eigenen Formgesetzlichkeiten ist dem Gebührenrecht nicht gedient, zumal die entsprechenden Gebührenbegriffe stets auch in der Gefahr stehen, eigens für die verfassungsrechtliche Anerkennung eines bestimmten Gebührentypus konfektioniert zu werden, . . .“ In diese Richtung deutet auch BVerfGE 93, 319 (S. 345) mit dem Verweis, die Umschreibung des Gebührenbegriffs in BVerfGE 50, 217 (S. 225 f.) sei auf den zu entscheidenden Fall der Verwaltungsgebühr zugeschnitten und nicht abschließend zu verstehen. 303 Drömann (2000) S. 104 f. unter Berufung auf BVerfGE 55, 274 (S. 304); F. Kirchhof in: Rengeling (1998) § 38 Rn. 48; Selmer / Brodersen (2000) S. 1155. 304 Raber (1997) S. 220. 299 300
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Anforderungen an die Abgabenerhebung schweigt, können sich diese nur in Form von Grundsätzen, abgeleitet aus der Normsystematik der Finanzverfassung oder allgemeinem Verfassungsrecht, ergeben. Sofern die unter begrifflichem Ansatz bestehenden Rechtfertigungsanforderungen diesen Grundsätzen entsprechen, sind diese selbst verfassungsfest. Wo sie über diese Grundsätze hinausgehen, verengen sie in unzulässiger Weise den abgabenrechtlichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die Notwendigkeit verfassungsfester Begrifflichkeiten und Abgabekategorien folgt daraus nicht. Dieses Ergebnis wird durch die Gegenprobe bestätigt. Wenn das Grundgesetz die Typen zulässiger Abgabenerhebung nicht abschließend regelt und weitere Abgaben zulässig bleiben, fragt sich, unter welchen Bedingungen diese zulässig sind. Begriffliche Anforderungen werden an diese Abgaben naturgemäß nicht gestellt. Die materielle Verfassungsmäßigkeit solcher Abgaben stellt P. Kirchhof unter die Voraussetzung, dass erstens das Prinzip des steuerfinanzierten Staates nicht entgegensteht und die bundesstaatliche Finanzordnung nicht verfremdet wird, zweitens die Grundrechte eine Zusatzbelastung neben den anderen Abgaben erlauben und drittens sich die sonstige Einnahme in das Haushaltsverfassungsrecht einfügen lässt.305 Es ist nicht zu erklären, warum neuartige Abgaben unter diesen Umständen finanzverfassungsrechtlich zulässig, die bekannten Abgabenarten hingegen an zusätzliche Rechtfertigungselemente gebunden sein sollen. bb) Rechtfertigungsanforderungen aus der Schutzund Begrenzungsfunktion Wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt kommt es für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer nicht-steuerlichen Abgabe nicht auf die begriffliche Zuordnung der Abgabe in die bekannten Kategorien von Gebühr, Beitrag und Sonderabgabe an. Es ist dann nur konsequent, auch die Rechtfertigungsanforderungen auf ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen zurückzuführen. Diese sind zum einen die beiden im X. Abschnitt zum Ausdruck kommenden Grundsätze, nämlich der Schutz der bundesstaatlichen Finanzverteilung306 und der Schutz des parlamentaP. Kirchhof (1999) Rn. 269. Das Bundesverfassungsgericht spricht vom Grundsatz des Steuerstaates, BVerfGE 93, 319 (S. 342 f.), wobei unklar bleibt, ob es diesen nur im Sinne einer Abgrenzung von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben versteht (a. a. O. S. 445) oder die Vereinbarkeit mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung meint (a. a. O. S. 342). Vor dem hier zugrunde gelegten Verständnis von Steuerstaatlichkeit als einem regelungstechnischen Prinzip [oben 4. Kapitel A. II. 1. c)] ist es missverständlich, die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des Steuerstaates als eines der drei finanzverfassungsrechtlichen Prinzipien zu verstehen. Auf Grundlage dieses Verständnisses ist die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung in ihrer Gesamtheit Ausdruck der Steuerstaatlichkeit, aus welcher sich die Rechtfertigungsbedürftigkeit nicht-steuerlicher Abgaben ergibt. Das Prinzip Steuerstaat tritt zwar besonders in den föderalen Ertragsregelungen zu Tage, ist auf diese aber nicht begrenzt. Für letztere wird daher der Begriff bundesstaatlicher Finanzverteilung verwendet. 305 306
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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rischen Budgetrechts, sowie zum anderen der aus dem Steuerstaatsgrundsatz und Art. 3 Abs. 1 GG folgende Grundsatz der Belastungsgleichheit. Ein völliger Verzicht auf Begrifflichkeiten ist vom Bundesverfassungsgericht nicht bezweckt.307 Die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung ist auch bei Konkretisierung durch die Grundsätze von Steuerstaat, Belastungsgleichheit und parlamentarischem Budgetrecht so allgemein gefasst, dass für die Anwendung im Einzelfall Konkretisierungen notwendig sind. Auf der anderen Seite ist es unbestreitbar, dass das gewachsene308 Spektrum bestehender abgabenrechtlicher Begrifflichkeiten systematisierenden Charakter hat und zur Strukturierung der Vielzahl von Aspekten beiträgt, die je nach Ausgestaltung und Wirkung einer Abgabe für die Vereinbarkeit mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung zu beachten sind.309 Die Bildung begrifflicher Gruppen von Abgaben hat daher auch unter dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts Bedeutung, diesen ist aber die verfassungsfeste Zementierung versagt. Begriffliche Einordnungen einer Abgabe sind für die Zulässigkeit einer nicht-steuerlichen Abgabe unerheblich,310 nicht aber unzulässig. Auch wenn es den Begriff vermeidet, orientiert sich das Gericht im Wasserpfennig-Beschluss für die Untersuchung der Wasserentnahmeentgelte an den Kriterien der Gebühr,311 und stellt im Rahmen der Rechtfertigung vor der Schutzund Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung sogar ausdrücklich diesen Bezug her.312 Im Rahmen der Rechtfertigung einer nicht-steuerlichen Abgabe kann daher gleichwohl auf die bestehenden einfachrechtlichen Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden. Als Ausgangspunkt und Leitfaden verfassungsrechtlicher Prüfung behalten diese ihre Bedeutung. Gerade weil das grundgesetzliche Abgabensystem offen ist, bildet die gewachsene Struktur nicht-steuerlicher Abgaben ein Gerüst für die Untersuchung innerhalb des weiten verfassungsrechtlichen Rahmens. Die Rechtfertigungsanforderungen anerkannter nicht-steuerlicher Abgaben sind dabei ein Indiz für die Vereinbarkeit mit den Anforderungen aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung, soweit sie sich als verfassungsgemäße Konkretisierungen der aus dieser folgenden Prinzipien erweisen. Ein argumentativer Widerspruch, wie Drömann ihn zu erblicken scheint,313 liegt darin nicht. Der Rückgriff auf Begriffe und Kategorien des einfachen Rechts zur So zu Recht Drömann (2000) S. 103. F. Kirchhof (2001) Rn. 9. 309 Vgl. Drömann (2000) S. 110, der mit Blick auf die genannte Vielzahl von Gebührenbegriffen etwas polemisch anmerkt, diese Begriffsbildungen „mögen ihre Berechtigung haben, soweit es um die Bildung homogener Meinungscluster in einem schwer überschaubar gewordenen Schrifttum geht“. 310 BVerfGE 93, 319 (S. 345). 311 Raber (1997) S. 220: „Auf die augenscheinlich favorisierte Qualifikation als Gebühr deutet außerdem hin, dass das Gericht die unerlässliche Abhängigkeit der Wasserentnahmeentgelte von einer Gegenleistung betont.“ 312 BVerfGE 93, 319 (S. 345, 346). 313 Drömann (2000) S. 103. 307 308
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Konkretisierung der Verfassung dient als Mittel, um die weit gefassten Grundsätze der Finanzverfassung handhabbar zu machen. Die abstrakten Anforderungen des Verfassungsrechts werden aus der gewachsenen Abgabendogmatik induktiv erschlossen, ohne dass der weite Spielraum der Verfassungsbegriffe durch Begrenzung auf den begrifflichen status quo vorschnell eingeschränkt wird. Einfachrechtliche Katalogbildung und Systematisierung der jeweiligen Voraussetzungen dienen als Methode, um sich den Anforderungen und Grenzen des verfassungsrechtlichen Rahmens zu nähern.314 Die Untersuchung einer Abgabe auf ihre Verfassungsmäßigkeit muss sich daher am Maßstab der durch die Art. 104a ff. GG vorgegebenen Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung orientieren, wobei die Einordnung in die bestehenden abgabenbegrifflichen Kategorien nicht notwendig ist. Wo sie möglich ist, hilft sie, die relevanten Aspekte zu strukturieren und erleichtert die Argumentation. cc) Jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der baden-württembergischen Gebühr für die semesterweise Rückmeldung an Universitäten315 einen Ansatz gewählt, der dem Vorgeschlagenen sehr nahe kommt. Im dem Urteil knüpft es an die Dogmatik des Wasserpfennig-Beschlusses an, ergänzt sie um die Verwendung der hergebrachten Abgabenkategorien und verzichtet – zumindest sprachlich – auf den Grundsatz des Steuerstaates. Die Verfassungsmäßigkeitsprüfung beginnt mit der Abgrenzung zur Steuer, wobei das Gericht feststellt, dass es sich um „eine nich-steuerliche Abgabe vom Typus der Gebühr“ handelt, da sie „dem Grunde nach die Merkmale des herkömmlichen Begriffs der Gebühr“ erfüllt.316 Mit dem Gebührenbegriff werden jedoch keine materiellen Anforderungen verbunden, da die begriffliche Abgrenzung nicht die einzige verfassungsrechtliche Anforderung an die Gebührenerhebung sei. Das Gericht rückt dadurch von der „begrifflichen Enthaltsamkeit“317 des Wasserpfennig-Beschlusses ab, ohne auf die frühere begriffsorientierte Rechtfertigungsdogmatik zurückzufallen. Es orientiert sich an den gewachsenen Abgabenkategorien, misst der Einordnung aber weder Rechtfertigungsandorderungen noch eigene Rechtfertigungsfunktion zu. Die Grenzen für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgabenergeben ergeben sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung, wie das Gericht – insoweit wieder auf der Linie des Wasserpfennig-Beschlusses – klarstellt.318 Unter den drei grundlegenden finanzverfas314 315 316 317 318
Mit den Worten Drömanns (2000) S. 111 ff.: Sie sind „heuristisches Prinzip“. BVerfG DVBl. 2003, S. 993 (S. 993 ff.). BVerfG DVBl. 2003, S. 993 (S. 993). Selmer / Brodersen (2000) S. 1154. BVerfG DVBl. 2003, S. 993 (S. 993 f.).
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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sungsrechtlichen Prinzipien wird der Grundsatz des Steuerstaates nicht mehr genannt. An seiner Stelle wird vielmehr von dem Bedürfnis einer „besonderen sachlichen Rechtfertigung“ von Abgaben und dem Erfordernis, sich „ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich [zu] unterscheiden“ gesprochen.319 Wie in dieser Arbeit vorgeschlagen, orientiert sich das Gericht bei der Untersuchung der Rückmeldegebühr auf ihre Verfassungsmäßigkeit an bestehenden Abgabenkategorien, nämlich an der Gebühr, um die maßgeblichen Aspekte zu strukturieren und die Argumentation zu erleichtern.320
3. Zusammenfassung: Verfassungsrechtlicher Rahmen nicht-steuerlicher Abgaben Der verfassungsrechtliche Rahmen einer nicht-steuerlichen Abgabe ist durch das Grundgesetz nicht ausdrücklich bestimmt, sondern durch Auslegung und Interpretation zu ermitteln. Die Finanzverfassung bildet ein offenes Abgabensystem; neben dem regelungstechnischen Prototyp Steuer sind weitere, nicht-steuerliche Abgaben grundsätzlich möglich. Die Erhebung zusätzlicher Abgaben bedarf der Rechtfertigung. Verfassungsrechtliche Anforderungen an diese können sich nur aus der Verfassung selbst ergeben. Sie folgen aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung. Zwar sind einzelne nicht-steuerliche Abgaben nicht begrifflich durch die Verfassung definiert; für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit kommt es allein auf die Abgrenzung zur Steuer an. Gleichwohl ermöglicht die gewachsene Abgabendogmatik, die abstrakten Anforderungen der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung, die in den drei Grundsätzen bundesstaatlicher Finanzordnung, Belastungsgleichheit und Budgetkontrolle zum Ausdruck kommt, induktiv zu erschließen. Für die finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit sind Begrifflichkeiten unerheblich, nicht aber unzulässig, sondern im Gegenteil sogar zweckmäßig.
III. Rechtfertigung der Erhebung von Versteigerungserlösen Da Versteigerungserlöse nicht am Rechtfertigungsprivileg der Steuer teilhaben,321 bedürfen sie der Rechtfertigung vor der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung.322 Die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zulässig ist, ergeben sich dabei aus drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung. Diese sind die bundesstaatliche Finanzordnung (1.), 319 320 321 322
BVerfG DVBl. 2003, S. 993 (S. 994). BVerfG DVBl. 2003, S. 993 (S. 994 f.). Siehe oben 4. Kapitel A. II. 1. c) und A. II. 3. Zu kurz daher Faber (2002) S. 266 f.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
die Belastungsgleichheit aller Abgabenpflichtigen (2.) und das parlamentarische Haushaltsrecht (3.).323
1. Grundsatz der bundesstaatlichen Finanzordnung Ausgangspunkt für Überlegungen zur Vereinbarkeit von Versteigerungserlösen mit der bundesstaatlichen Finanzordnung des Grundgesetzes ist der Regelungsgrundsatz Steuerstaat. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre in einem offenen Abgabensystem Sinn und Funktion, wenn unter Umgehung der Regeln für die Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz neben der Steuer beliebig andere Abgaben erhoben werden könnten.324 Nicht-steuerliche Abgaben sind, auch wenn die Regeln über die bundesstaatliche Finanzordnung keine expliziten Normierungen treffen, grundsätzlich möglich und auch zulässig. Um die differenzierten, an Steuern orientierten Regelungen der Erhebungs- und Ertragskompetenz nicht zu gefährden, müssen Steuern und Nichtsteuern deutlich voneinander unterschieden werden können. Wenn die Grenze zwischen den beiden Abgabenarten verschwimmt, besteht die Gefahr, dass der Abgabengesetzgeber die Wahl hat, ob er eine Steuer erhebt, deren Ertrag nach den Regeln der Art. 106 ff. GG aufgeteilt wird, oder ob er eine nicht-steuerliche Abgabe erhebt, die nur in viel allgemeinerer Weise in die Regeln des X. Abschnitts einbezogen ist. Weil die Bindung an die Regeln der Finanzverfassung nicht im Ermessen des einfachen Gesetzgebers steht, ist es notwendig, Steuern und nicht-steuerliche Abgaben zweifelsfrei abzugrenzen.325 Daneben ist denkbar, der bundesstaatlichen Finanzordnung noch weitere Anforderungen zu entnehmen, nämlich dass die Erträge nicht-steuerlicher Abgaben im Verhältnis zur Verteilungsmasse des Finanzausgleichs nur marginale Bedeutung erlangen dürfen, um deren Regelungen nicht zu umgehen. Die an Steuern orientierten Regelungen des Finanzausgleichs würden sonst durch umfangreiche nichtsteuerliche Einnahmen unterlaufen. Dieses Ergebnis entspricht den Konsequenzen eines normativen Verständnisses von Steuerstaatlichkeit, die Steuern (auch) quantitativen Vorrang vor nicht-steuerlichen Abgaben einräumt.326 Für Versteigerungen wurde dieser Einwand angesichts der hohen Erlöse der UMTS-Versteigerung, die rund 25 Prozent des jährlichen Steueraufkommens des Bundes entsprachen,327 erhoben. Die Prämisse einer Forderung nach quantitativer Begrenzung ist jedoch unzutreffend. Die Regeln des Finanzausgleichs gehen zwar von Steuern aus, dies ist aber nur Regelungstechnik und als solche Ausdruck des Steuerstaatsgrundsatzes. Die Finanzausgleichsregeln beziehen sich aber auf alle Einnahmen des 323 324 325 326 327
BVerfGE 93, 319 (S. 342 f.). BVerfGE 93, 319 (S. 342). Vgl. BVerfGE 93, 319 (S. 346). Vgl. Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 47. Korioth (2001) S. 72.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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Staates; auch nicht-steuerliche Einnahmen sind Bestandteil der bundesstaatlichen Verteilungsmasse.328 Um die Beachtung der Verteilungsregeln zu gewährleisten muss nur sichergestellt werden, dass Steuern und nicht-steuerliche Abgaben klar voneinander abgegrenzt werden können. a) Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Versteigerungserlösen mit der bundesstaatlichen Finanzordnung Für die Rechtfertigung einer nicht-steuerlichen Abgabe vor der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung ist es nicht notwendig, diese nach Abgabenkategorien genau einzuordnen.329 Versteigerungserlöse sind nicht-steuerliche Abgaben und als solche zu rechtfertigen. Zur Strukturierung der damit verbundenen Überlegungen ist es jedoch sinnvoll, auf die gewachsene Rechtfertigungsdogmatik einzelner nicht-steuerlicher Abgaben zurückzugreifen und auch Versteigerungserlöse auf eine bestimmte Abgabenkategorie einzugrenzen. Versteigerungserlöse sind keine Steuern, sondern nicht-steuerliche Abgaben. Die Erhebungskompetenz folgt daher nicht aus Art. 105 GG, sondern als Annex zur jeweiligen Sachkompetenz aus den Art. 70 ff. GG. Für die kompetenzrechtliche Abgrenzung sind diese Feststellungen ausreichend, zur Rechtfertigung ist es jedoch zweckmäßig, Versteigerungserlöse den einfachrechtlichen Abgabenkategorien zuzuordnen. Unter diesen entsprechen Versteigerungserlöse am ehesten den Merkmalen der Gebühr:330 Der Erlös wird aus Anlass der Erteilung eines Nutzungsrechts für die Gewährung dieses Rechts erhoben, wird also als Gegenleistung erhoben, was dem Charakter von Gebühren entspricht, die dem Bürger aus Anlass einer individuell zurechenbaren Staatsleistung auferlegt werden.331 Anerkannte Rechtfertigungsvoraussetzung für Gebühren sind das Bestehen einer gebührenfähigen Leistung (Rechtfertigung dem Grunde nach) sowie die Gebührenbemessung nach Prinzipien der Kostendeckung und Äquivalenz (Rechtfertigung der Höhe nach).332 Versucht man, diese Aspekte den verschiedenen Aspekten der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung zuzuordnen, so wird durch die Gebührenbemessung die Belastungsgleichheit betroffen.333 Das Bestehen einer gebührenfähigen Leistung ermöglicht die Abgrenzung von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben, dient also der Rechtfertigung vor der bundesstaatlichen FinanzDazu unten 4. Kapitel B. BVerfGE 93, 319 (S. 345), oben 4. Kapitel A. II. 2. c) aa). 330 Sonderabgaben kommt nicht in Betracht, weil Versteigerungserlöse nicht von einer homogenen Gruppe von Abgabenpflichtigen, sondern nur von den Gewinnern der Auktion erhoben werden und, jedenfalls nicht notwendigerweise zweckgebunden verwendet werden; Arndt (2001) S. 29. 331 BVerfGE 50, 217 (S. 226); F. Kirchhof (2001) Rn. 16. 332 P. Kirchhof (1999) Rn. 188 ff., 192 ff., 198 ff.; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 69 ff., 74 ff. 333 Dazu sogleich im 4. Kapitel A. III. 2. 328 329
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
verfassung. Mit der bundesstaatlichen Finanzordnung sind nicht-steuerliche Abgaben vereinbar, wenn sie sich nach ihrer Art von voraussetzungslos auferlegten Steuern deutlich unterscheiden und für ihre Erhebung ein sachlicher Grund besteht.334 Diese Doppelgliedrigkeit drückt dabei nur aus, dass allein eine formale Abgrenzung zur Steuer nicht ausreicht, sondern diese auch inhaltlich vorzunehmen ist, um die Erhebung verkappter Steuern als nicht-steuerliche Abgaben auszuschließen. Dies wird deutlicher, wenn man es beispielsweise auf Gebühren bezieht. Eine Abgabe, die anlässlich einer Gegenleistung des Staates erhoben wird, ist Gebühr und unterscheidet sich damit von der Steuer. Ist die Leistung aber etwas, das dem Abgabenschuldner ohnehin zusteht, so wird die Gebühr tatsächlich ohne echte Gegenleistung erhoben, ist also in Wirklichkeit eine Steuer, welche die Form einer Gebühr hat. Die begriffsorientierte Rechtfertigungsdogmatik macht eine gebührenfähige Leistung zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Gebühren. Auf Grundlage des hier zu Grunde gelegten prinzipienorientierten Ansatzes ist dies eine Frage der Vereinbarkeit mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung, welche deutliche Distanz und klare Unterscheidbarkeit von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben erfordert. Letztere müssen sich daher sowohl formell als auch materiell von Steuern unterscheiden.335 b) Formelle Abgrenzung zur Steuer Die formelle Abgrenzung von Versteigerungserlösen und Steuern ist eindeutig. Die Erhebung des Erlöses steht unter der Bedingung, dass dem Abgabenschuldner der Zuschlag für das versteigerte Gut erteilt wurde, ist also von einer Gegenleistung, nämlich der Zuordnung des Auktionsgegenstandes abhängig. Für den Erlös einer Lizenz- oder Frequenzversteigerung auf Grundlage des TKG hat der Gesetzgeber dies durch § 16 Abs. 2 TKG zum Ausdruck gebracht, wonach Versteigerungserlöse auf eine Lizenznutzungsgebühr angerechnet werden. Dies ist zumindest ein Indiz für die – verfassungsrechtlich nicht bindende336 – Einschätzung des Gesetzgeber, Versteigerungserlöse wie Gebühren zu behandeln. c) Materielle Abgrenzung zur Steuer (besondere Leistung) Die materielle Abgrenzung von Versteigerungserlös und Steuer setzt voraus, dass die formelle Gegenleistung tatsächlich eine besondere Leistung des Staates ist, also der „gebührenfähigen Leistung“ im begrifflichen Verständnis entspricht. BVerfGE 93, 319 (S. 342 f.). Die formelle Abgrenzung von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben ist auf Grundlage begrifflicher Rechtfertigung nicht erforderlich, da sie bereits mit Einordnung in eine bestimmte Abgabenkategorie erfolgt. Wenn sich die Abgabe bereits formell nicht von der Steuer unterscheidet, würde sie nicht als Gebühr begriffen und daher auch nicht den daran anschließenden Rechtfertigungsüberlegungen ausgesetzt werden. 336 BVerfGE 7, 244 (251 f.); Heun in: Dreier (2000) Art. 105 Rn. 10. 334 335
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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Dabei besteht eine besondere Leistung nur, wenn der Staat dem Bürger nicht einen Gegenstand zuwendet, auf den er ohnehin Anspruch hat. Das Anknüpfen an eine Gegenleistung wäre in diesem Fall nur Tarnung für eine in Wirklichkeit voraussetzungslos erhobene Abgabe. Die abstrakte Beurteilung von Versteigerungen könnte sich mit dieser Erkenntnis begnügen und feststellen, dass Auktionen mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung insoweit vereinbar sind, als der Auktionsgegenstand ein Gut ist, auf welches der Abgabenschuldner nicht ohnehin Anspruch hat, sondern eine besondere Leistung des Staates an den Abgabenschuldner bedeutet. Dass Versteigerungen selbst keinen besonderen inhaltlichen Anforderungen genügen müssen, rührt daher, dass sie ein besonderes Vergabe- und, wie sich später zeigen wird, Bemessungsverfahren sind, konzeptionell aber nicht auf bestimmte Güter beschränkt sind. Für die Frage der praktischen Anwendung, also der Einsatzmöglichkeiten von Auktionen ist diese Antwort jedoch unbefriedigend. Welche Art von Leistung abgabentauglich ist und daher Gegenstand von Versteigerungen sein kann, bleibt unklar. Daher soll im Folgenden auch dieser Frage nachgegangen werden, zumal auch die Beurteilung der Versteigerungsregelung im TKG davon abhängt, ob Frequenznutzung bzw. Lizenzerteilung abgabentaugliche Leistungen sind.
d) Exkurs: Wann besteht eine abgabentaugliche staatliche Leistung? aa) Kostenverantwortlichkeit und Vorteilsausgleich als Anknüpfungspunkte Die begriffliche Abgabendogmatik erkennt eine „gebührenfähige Leistung“, wenn einer Leistung an den Abgabenschuldner ein staatlicher Aufwand gegenübersteht (Kostenverantwortlichkeit) oder diesem ein Sondervorteil gegenüber anderen Bürgern eingeräumt wurde, der durch wertmäßige Abschöpfung ausgeglichen werden soll (Vorteilsausgleich).337 Diese Gebührenzwecke liegen bei den klassischen Gebührenarten (Verwaltungsgebühr und Benutzungsgebühr) meist kumulativ vor.338 337 Vgl. Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 74. Grundlage dieser Dogmatik ist eine Definition des Bundesverfassungsgerichts, nach welcher Gebühren „aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen“ erhoben werden um „deren Kosten ganz oder teilweise zu decken“, BVerfGE 50, 217 (S. 226). Kostenverantwortlichkeit wird angenommen, wenn dem Gebührenschuldner eine besondere Staatsleistung erbracht wurde, welche mit einem Kostenaufwand verbunden ist; die Verantwortlichkeit des Gebührenschuldners ergibt sich dabei aus der Inanspruchnahme der staatlichen Leistung; Henneke (2000) Rn. 375 ff.; Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 8; P. Kirchhof (1999) Rn. 188. Der Gedanke des Vorteilsausgleichs rechtfertigt die Erhebung einer Gebühr zum Ausgleich eines Vorteils, welchen der Staat dem Gebührenschuldner zugewendet hat, Henneke (2000) Rn. 280; Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 8; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 69. 338 Zu Ausnahmen Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 69.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Für Versteigerungserlöse kann der Gedanke der Kostenverantwortlichkeit unabhängig von der Natur des Auktionsgegenstandes keine rechtfertigende Wirkung haben. Dies würde voraussetzen, dass eine im Versteigerungsverfahren ermittelte Abgabe zur Kostendeckung geeignet ist, die Verwaltungskosten also preisbildender Faktor sind. Ein solcher Kostenbezug fehlt in einem Auktionsverfahren: Der nach Abschluss des Versteigerungsverfahrens erzielte Erlös entspricht dem Marktpreis des Auktionsgegenstandes. Der Marktpreis spiegelt die Bewertung eines Gutes durch die Nachfrager wider. Ob der im Auktionsverfahren ermittelte Marktpreis für den Versteigerer kostendeckend ist oder darüber hinaus sogar noch Gewinn erbringt, findet bei der allein durch das Bieterverhalten bestimmten Höhe des Versteigerungserlöses keine Berücksichtigung. Eine auf Grundlage eines Versteigerungsverfahrens erhobene Gebühr wäre zum Zweck der Kostendeckung ungeeignet. Werden Abgaben auf Grundlage eines Versteigerungsverfahrens erhoben, so käme deren gebührenrechtliche Rechtfertigung dem Grunde nach nur unter dem Gedanken der Vorteilsabschöpfung in Betracht. bb) Alternative oder kumulative Rechtfertigung? – Rechtfertigungsdogmatik von Verleihungsgebühren Bei gebührenrechtlicher Betrachtung ist daher fraglich, ob Kostenverantwortlichkeit und Vorteilsabschöpfung kumulative Rechtfertigungsgründe sind339 oder alternativ, jeweils für sich genommen, zu rechtfertigen vermögen.340 Weil es für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer nicht-steuerlichen Abgabe nur auf deren Vereinbarkeit mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung ankommt, muss auch diese Frage auf ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen zurückgeführt werden. Die Gegenleistungsabhängigkeit einer Gebühr ist Abgrenzungsmerkmal einer nicht-steuerlichen Abgabe zur Steuer. Diese hinreichend deutliche Abgrenzung ist notwendig, um eine Wahlmöglichkeit des Abgabengesetzgebers über das Eingreifen der Art. 105 ff. GG auszuschließen und ist zugleich Rechtfertigung für das Abweichen von der Steuerfinanzierung.341 Hinreichend deutliche Unterscheidbarkeit wie auch der Ausschluss eines Wahlrechts zwischen Gebühr und Steuer sind auch dann sichergestellt, wenn nur eines der gebührenrechtlichen Prinzipien vorliegt. Daher hat sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der grundsätzlichen Anerkennung der Verleihungsgebühr für den zweiten Weg entschieden. Indem das Gericht im Wasserpfennig-Beschluss die Erhebung einer Gebühr für verfassungsgemäß gehalten hat, welche allein der Vorteilsabschöpfung 339 So wohl P. Kirchhof (1999) Rn. 192 ff.: „Die Gebühr ist . . . durch einen den öffentlichen Haushalt belastenden Aufwand veranlasst und überwälzt diese Ausgaben auf denjenigen, der für diesen Aufwand individuell in Verantwortung genommen werden darf. [ . . . ] Ein nicht durch einen öffentlichen Aufwand veranlasster Gebührentatbestand wäre vor dem Prinzip des steuerfinanzierten Staates nicht zu rechtfertigen.“ 340 Heimlich (1996) S. 133; Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 8. 341 Siehe oben 4. Kapitel A. II. 1. c) und III. 1.
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für die Verleihung eines subjektiven Rechts dient, ohne dass eine Zuordnung konkret anfallender Kosten möglich ist,342 hat es eine Rechtfertigung allein durch den Gedanken der Vorteilsabschöpfung akzeptiert. Besondere, abgabentaugliche Leistungen343 werden dann gewährt, wenn dem Abgabenschuldner ein Sondervorteil eingeräumt wird. cc) Überlassen von Gemeinschaftsgütern zur Nutzung als abgabentaugliche Leistung? Welche Art von Leistung abgabentauglich ist und daher Gegenstand von Versteigerungen sein kann, ist damit aber noch immer nicht in befriedigender Weise geklärt. Fest steht, dass eine Leistung, also auch die Frequenznutzung bzw. Lizenzerteilung, abgabentaugliche Leistung ist, wenn dadurch ein Sondervorteil gewährt wird. Da das Recht zur Frequenznutzung, das auch mit der Lizenzerteilung verbunden ist, die Nutzung eines Gemeinschaftsgutes – des Frequenzspektrums – gestattet, kann im Folgenden allgemeiner formuliert werden, dass zu klären ist, ob die Verleihung eines Nutzungsrechts an einem Gemeinschaftsgut selbst einen abschöpfungsfähigen Sondervorteil begründet. (1) Abgabenfeindlichkeit: Rechtsverleihung ist Verkauf von Freiheit Rechtsverleihungen zum Gegenstand eines Abgabentatbestandes zu machen, wurde vor dem Wasserpfennig-Beschluss überwiegend als abgabenrechtlicher Anachronismus abgelehnt.344 Durch eine wertabschöpfende Gebühr werde nicht ein Sondervorteil kompensiert, sondern grundrechtliche Freiheit verkauft.345 Erst Recht unzulässig wäre danach die Erhebung von Gebühren in Form von Versteigerungserlösen. Daher wird die Ansicht vertreten, der Staat könne ein Gut der Allgemeinheit nicht in einem Versteigerungsverfahren vergeben, weil die Nutzung eines Gemeinschaftsgutes keinen Preis haben dürfe, sondern gegenleistungsfrei erhältlich sein müsse.346 Der Vorwurf des Verkaufs grundrechtlicher Freiheit basiert auf dem klassischen grundrechtlichen Freiheitsverständnis, wonach jedes individuelle Verhalten, ins342 So die gängige Umschreibung der Verleihungsgebühr vgl. Drömann (2000) S. 17; Heimlich (1996) S. 22 ff.; ders. (1997) S. 997; Henneke (2000) Rn. 391; Jachmann in: v. Mangoldt / Klein / Starck (2001) Art. 105 Rn. 9; F. Kirchhof (2001) Rn. 16; P. Kirchhof (1999) Rn. 187. 343 Bei begrifflichem Verständnis: „gebührenfähige Leistungen“. 344 P. Kirchhof (1999) Rn. 187. 345 P. Kirchhof (1999) Rn. 187; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 73. Ausführlich zur Kritik an der Verleihungsgebühr Drömann (2000) S. 55 ff. 346 OECD (1993) S. 106; Rummer (1988) S. 253. McMillan (1997) S. 197 sieht darin ein – ökonomisch unbedeutendes – „moralisches“ Argument; Becker (2002a) argumentiert mit dem Gerechtigkeitsgefühl.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
besondere auch die Nutzung von Gegenständen durch alleiniges Tätigwerden des Einzelnen als Freiheitsgebrauch zu werten ist.347 Ist demnach jedes individuelle Handeln mit grundrechtlicher Freiheit durchsetzt, so gibt der Staat durch Genehmigung eines Verhaltens dem Bürger nur das, worauf er ohnehin Anspruch hat. Eine Gebühr für die Inanspruchnahme dieser Genehmigung würde dann immer einen Verkauf von Freiheit bedeuten. Vor diesem Hintergrund sind Rechtsverleihungen generell abgabenuntaugliche Gegenleistung, weil der Staat auf Grundlage dieser Konstruktion prinzipiell jedes Verhalten untersagen und die Erlaubniserteilung alsdann gebührenpflichtig ausgestalten könnte.348 (2) Abgabenfreundlichkeit: Rechtsverleihung ist Teilhabe Dagegen sieht Murswiek Rechtsverleihungen grundsätzlich als abgabentauglich an.349 Maßgebliches Kriterium für die Zulässigkeit von Gebühren sei das Bestehen einer Leistung, die Vermögenseinbußen oder finanzielle Aufwendungen nicht voraussetze, sondern auch in einem Unterlassen bestehen könne.350 Dem liegt ein anderes, weniger formales Verständnis der Grundrechte zugrunde: Die Benutzung vorhandener (öffentlicher) Gegenstände sei nicht Freiheitsgebrauch, sondern ein Fall der Teilhabe. Dort, wo neben der Überlassung zur Benutzung nicht noch zusätzliche staatliche Dienstleistungen gewährt werden, sei es zwar möglich, das Benutzungsverhältnis rein abwehrrechtlich zu konstruieren. Eine so verstandene natürliche Handlungsfreiheit umfasse aber auch das Betreten der Amtsräume des Bundeskanzlers oder die Veranstaltung einer Rockfete im Rathaus.351 Dies sei jedoch formalistisch-konstruierend und verkenne, dass grundrechtliche Freiheit eine Rechtsordnung und rechtliche Güterzuordnung voraussetze, welche die einzelnen Rechtssubjekte mit Freiheitssphären ausstatte. Genehmige eine Erlaubnis die Inanspruchnahme von Gemeinschaftsgütern, so handele es sich materiell um einen Fall der Teilhabe.352 Dem Einzelnen wird also zusätzliche Rechtsmacht verliehen, welche ihm nicht bereits kraft seiner Freiheitsrechte zusteht. Die Verleihung dieser Rechtsmacht kann er nur auf Grundlage grundrechtlicher Gleichheit beanspruchen. Durch diese Rechtsverleihung im Verhältnis zu anderen Bürgern privilegiert, erlangt der Gedanke der Vorteilsabschöpfung Bedeutung, da es auf Grundlage dieses Vgl. Sachs in: Stern (1998) S. 701 ff. Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 74. 349 Murswiek (1994) S. 173. Ähnlich, wenn auch etwas enger, Hendler (1989) S. 27 und P. Kirchhof bei Murswiek (1994) S. 172 Fn. 18: Ein entgeltfähiger staatlicher Aufwand bestehe im weiteren Sinne auch dann, wenn für den Staat Kosten für Unterhaltung oder Überwachung eines Gemeinschaftsgutes entstünden, an dem das Nutzungsrecht verliehen wird. 350 Murswiek (1994) S. 173. Ebenso Meyer (1995) S. 71 ff., zusammenfassend S. 242 f., wo es heißt, dass „für die gebührenrechtliche Gegenleistung das Entstehen von Kosten oder eine staatliche Tätigkeit“ nicht erforderlich ist. „Jedes staatliche Tun oder Unterlassen kann gebührenrechtliche Gegenleistung sein.“ 351 Murswiek (2000a) Rn. 67. 352 Vgl. Murswiek (2000a) Rn. 67. 347 348
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Freiheitsverständnisses nicht um den Verkauf von Freiheit, sondern die Abschöpfung einer Privilegierung geht. Die Tragfähigkeit dieses Grundrechtsverständnisses kann bezweifelt werden. Auf Grundlage dieser Konstruktion wird die allen Freiheiten zugrundeliegende Eigentumsordnung grundrechtlicher Untersuchung entzogen. Es sind aber gerade die Grundrechte, welche die grundsätzliche Zuordnung von Eigentums- und Handlungsrechten bestimmen. Dreht man dies um, so wird grundrechtliche Freiheit zu Gunsten von Teilhabe marginalisiert. Sofern Murswiek beklagt, nach dem klassischen, abwehrrechtlichen Grundrechtsverständnis falle auch das Betreten der Amtsräume des Bundeskanzlers in den Schutzbereich der Grundrechte, lässt sich nicht nachvollziehen, was an diesem Verständnis falsch sein soll. Dass ein solches Begehren im Ergebnis grundsätzlich nicht durchgreifen wird, ist auch bei freiheitsrechtlicher Betrachtung offensichtlich. Dessen Versagung ergibt sich als Folge einer gerechtfertigten Freiheitsbeschränkung. Es entspricht aber gerade dem freiheitlichen Charakter der Verfassung, diese Beschränkung unter Rechtfertigungsdruck zu stellen, mit der Folge, dass bei Wegfall der Rechtfertigung das ursprüngliche Freiheitsrecht wieder auflebt. Das teilhaberechtliche Verständnis Murswieks entzieht staatliche Einrichtungen und Gemeinschaftsgüter dem Bürger, konstruiert also eine rechtlich geschützte bürgerfreie Sphäre. Eine solche ist der freiheitlichen Rechtsordnung des Grundgesetzes fremd. (3) Abgabentauglichkeit bei freiheitserweiternder Rechtsverleihung Auf Grundlage des klassischen grundrechtlichen Freiheitsverständnisses ist die Nutzung von Gemeinschaftsgütern grundsätzlich vom Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte umfasst. Das Zulassen der Nutzung gewährt also grundsätzlich nur das, was dem Grundrechtsträger ohnehin zusteht: Durch Aufheben eines präventiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt wird grundsätzlich kein Recht eingeräumt, sondern lediglich der status quo ante wiederhergestellt.353 Wird die Benutzung abgabenpflichtig, bedeutet dies grundsätzlich einen Verkauf von Freiheit. Gleichwohl sind Rechtsverleihungen denkbar, die eine echte, kompensationsfähige Leistung darstellen, also nicht nur das gewähren, was dem Begünstigten ohnehin zusteht. Dies wird bei ökonomischer Betrachtung von Nutzungsrechten an Gemeinschaftsgütern deutlich und lässt sich für Frequenznutzungsrechte belegen. (a) Ökonomischer Wert von Rechtsverleihungen Bestimmte Nutzungsrechte haben einen Preis, unabhängig davon, ob dieser direkt bemessen wird oder nur indirekt ermittelt werden kann. Bevor in den USA Frequenzen versteigert wurden, wurden die faktisch gegenleistungsfrei vergebenen Frequenznutzungsrechte über sekundäre Märkte weiterverkauft. In Kanada, wo die 353
Kämmerer (2002) S. 163.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Übertragbarkeit der Frequenznutzungsrechte eingeschränkt war, hatte dies Firmenübernahmen zur Folge mit dem Ziel, deren Frequenznutzungsrechte zu erlangen.354 Ein vergleichbares Beispiel ist das Problem des Konzessionshandels im deutschen Taxigewerbe, der selbst durch gesetzgeberische Restriktionen nicht vollständig beseitigt werden konnte. Ob ein staatlich vergebenes Gut einen Preis hat, ist allein von der Nachfrage nach diesem abhängig. Selbst wenn ein Unternehmen das unentgeltlich verteilte Gut selbst nutzt, bleibt diesem ein impliziter Preis zugeordnet. Dass dieser bemerkenswert hoch sein kann zeigen Schätzungen der OECD, der zufolge in Großbritannien die Frequenznutzungsrechte eines Mobilfunkunternehmens mehr als die Hälfte seines Marktwertes ausmachen.355 Ursache dafür ist, dass es sich nicht um öffentliche, sondern um private Güter im finanzwissenschaftlichen Sinne356 handelt. Die Vergabe eines öffentlichen Gutes ist nicht möglich, da keine Konsumrivalität besteht und / oder das Ausschlussprinzip nicht greift.357 Anderes gilt für private Güter. Gemeinschaftsgüter, die durch staatliche Intervention von öffentlichen zu privaten Gütern werden, sind knapp, da durch Begründung von Eigentumsrechten deren Inhaber andere Interessenten vom Gebrauch ausschließen kann. Weil diese Eigentumsrechte zugleich ein (begrenztes) Nutzungsmonopol beinhalten, sind sie wertvoll, so dass sie auf dem Markt einen Preis haben. Wertbegründender Faktor des Nutzungsrechts ist die Monopolisierung, also die Möglichkeit, anderen potentiellen Nutzern die Inanspruchnahme verwehren zu können. Wertvolle Nutzungsrechte sind ausschließliche Nutzungsrechte. Daher wird die Ansicht vertreten, die Abschöpfung des Monopolwertes sei bei Gemeinschaftsgütern ein Gebot distributiver Gerechtigkeit.358 Für die Vergabe von Frequenznutzungsrechten wird daher argumentiert, es sei unfair, dieses wertvolle Gemeinschaftsgut an einige wenige Firmen zu verschenken.359 Nutznießer dessen seien meist große Telekommunikationsunternehmen, während die Allgemeinheit für diese Großzügigkeit bezahle, da der Staat, würde er die Frequenznutzungsrechte gegenleistungsabhängig vergeben, den Erlös den Staatseinnahmen zu Gute kommen lassen könne, statt diesen in die Unternehmensgewinne einfließen zu lassen.360 Ein Ausschreibungsverfahren käme einem Geschenk des Steuerzahlers an die Aktionäre der Telekommunikationsunternehmen gleich.361 McMillan (1995) S. 197. OECD (1993) S. 14. 356 Zu den Begriffen siehe oben 1. Kapitel A. I. 357 R. A. Musgrave / P. B. Musgrave / Kullmer (1990) S. 54 ff. 358 Korioth (2001) S. 34; Storr (2002) S. 71; vgl. auch Monopolkommission (2000) S. 58 Tz. 50. 359 McMillan (1995) S. 198. 360 Monopolkommission (2000) S. 58 Tz. 50. 361 Monopolkommission (2000) S. 58 Tz. 50. Mit Blick auf die europaweite Einführung des UMTS-Standards durch Vergabe entsprechender Mobilfunkfrequenzen wird aus diesem 354 355
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(b) Ausschließlichkeit der Nutzung als besondere Leistung Überträgt man dieses Ergebnis in juristische Kategorien, so liegt im Gewähren von Ausschließlichkeit bei der Nutzung eine besondere Leistung des Staates, welche eine Abschöpfung rechtfertigt. Der Einzelne kann kraft seiner Freiheitsrechte die Nutzung eines Gemeinschaftsgutes ungehindert von staatlichen Eingriffen verlangen, nicht aber den alleinigen, von der gleichzeitigen Inanspruchnahme durch andere Bürger ungehinderten Gebrauch. Wird einem Bürger die ausschließliche Nutzung eines Gemeinschaftsgutes ermöglicht, so geht dies mit einer (rechtfertigungsbedürftigen) Freiheitseinschränkung für alle Ausgeschlossenen einher, vergrößert aber zugleich die Handlungsmöglichkeiten des Nutzers. Dieses Mehr ist nicht nur ein ökonomisch bedeutsamer Gewinn an Handlungsmöglichkeiten, sonder auch ein Rechtsgewinn. Er steht dem begünstigten Nutzer nicht bereits kraft seiner Freiheitsrechte zu, sondern erweitert seine Rechtssphäre und privilegiert ihn im Verhältnis zu den Übrigen. Da diese Erweiterung durch den Staat gewährt wird, ist sie staatliche Leistung.362 Mit diesem Verständnis lassen sich abgabentaugliche Rechtsverleihungen von abgabenuntauglichen klar abgrenzen, ohne dass zu befürchten ist, der Staat könne jedes menschliche Verhalten unter Abgabenpflicht stellen. Eine besondere Leistung liegt nur vor, wenn das verliehene Recht ein Ausschließlichkeitsrecht ist, also die Freiheit anderer beschränkt, gleiches zu tun. Da dies für alle ausgeschlossenen Nutzer einen Grundrechtseingriff bedeutet, muss dieser selbst gerechtfertigt sein, also mindestens zum Erreichen eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Allein die Beschaffung von Finanzmitteln wäre kein legitimer Zweck, da dieser nur die Erhebung von Steuern zu rechtfertigen vermag.363 Für nicht-steuerliche Abgaben ist statt dessen oder zusätzlich zu diesem ein Sachzweck erforderlich, der für die Begrenzung der freien Nutzung des Frequenzspektrums in der Herstellung von Voraussetzungen technischer und ökonomischer Ausnutzung dieser Ressource liegt. Bestünde keine Frequenzordnung, so wäre es nicht möglich, Funktechnik sinnvoll zu betreiben, da der Wirkungsbereich nur so weit reichte, wie es die Stärke des Senders zulässt und der Betrieb zudem durch Interferenzen gestört werden würde. Komplexere Techniken wie zellularer Mobilfunk wären gänzlich undenkbar.364 Argument teilweise sogar eine europarechtswidrige Subventionierung inländischer Unternehmen seitens der Staaten angenommen, die kein Versteigerungsverfahren gewählt haben, vgl. Sinn (2000) S. 3, kritisch auch Monopolkommission (2000) S. 58 Tz. 49. 362 Zu Recht weist Kämmerer (2000) S. 163 darauf hin, dass die Gegenansicht einseitig auf den Schutzbereich der Grundrechte fokussiert bleibt und die durch Grundrechtsschranken und die Rechte anderer vorgezeichneten tatsächlichen und rechtlichen Schranken der Grundrechtsausübung außer Betracht lässt. Anders etwa Becker (2002a) S. 18 f.; Ruffert (1999) S. 262, der eine Leistung verneint, weil Frequenzen nicht von einem staatlichen Hoheitsträger zur Verfügung gestellt werden. 363 Siehe oben 4. Kapitel A. II. 2. 364 Zu den technischen Voraussetzungen zellularen Mobilfunks Götzke (1994) S. 21 ff.
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dd) Ergebnis des Exkurses Rechtsverleihungen, die einen Sondervorteil gewähren, sind abgabentaugliche Gegenleistungen. Das Gewähren eines ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Gemeinschaftsgut begründet einen solchen Sondervorteil, so dass die Vergabe von Frequenznutzungsrechten abgabentauglich ist. Deren Versteigerung ist mit der bundesstaatlichen Finanzordnung vereinbar, weil die daraus resultierenden Erlöse formell und materiell in Distanz zur Steuer stehen.
2. Grundsatz der Belastungsgleichheit Der Grundsatz der Belastungsgleichheit ist eine abgabenrechtliche Spielart des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Überlegungen zur föderalen Finanzverfassung dienen in erster Linie dem Kompetenzschutz und allenfalls als Reflex dem Schutz individueller Freiheit. Dagegen hat der Grundsatz der Belastungsgleichheit individualschützenden Charakter. Er stellt sicher, dass alle Abgabenpflichtigen in gleichem Maße zur Finanzierung der Aufgaben des Staates herangezogen werden.365 Treten neben die Steuer, die als Gemeinlast allen Bürgern gleichmäßig auferlegt wird, weitere, nicht-steuerliche Abgaben, so werden die Abgabenpflichtigen zusätzlich belastet. Diese Belastung ist unter anderem dann gerechtfertigt, wenn sie einen besonderen Vorteil kompensiert, der nicht allen Abgabenpflichtigen gewährt wird.366 Dieser Kompensationsgedanke begrenzt zugleich die Abgabenhöhe. Belastungsgleichheit ist nur gewahrt, wenn durch die Abgabe lediglich der zugewendete Vorteil abgeschöpft wird. Bei Rückgriff auf die Rechtfertigungsanforderungen begrifflicher Abgabendogmatik können die Bemessungsprinzipien zur Konkretisierung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit herangezogen werden. Für die Bemessung einer nicht-steuerlichen Abgabe enthält die Verfassung keine abschließenden Bemessungsprinzipien, Art. 3 Abs. 1 GG und das Übermaßverbot bieten jedoch Bemessungsdirektiven.367 Für Versteigerungserlöse maßgeblich sind die Bemessungsprinzipien für Gebühren.368 a) Sachliche Rechtfertigung von Finanzierungsungleichheit Traditionell werden der Gebührenbemessung zwei Gebührenprinzipien, das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip, zugrunde gelegt. Abgeleitet werden diese aus dem frühen Gebührenbegriff des Bundesverfassungsgerichts.369 Beide Vgl. BVerfGE 93, 319 (S. 343). So für Vorzugslasten BVerfGE 93, 319 (S. 347). 367 F. Kirchhof (2001) Rn. 236 für die Gebühr; vgl. auch BVerfGE 50, 217 (S. 226 f.); E 91, 207 (S. 223). 368 Zur Maßgeblichkeit gebührenrechtlicher Maßstäbe siehe oben 4. Kapitel A. III. 1. a). 369 BVerfGE 50, 217 (S. 226); Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 68, 74. 365 366
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Prinzipien sind vielfach einfachgesetzlich niedergelegt. Für Verleihungsgebühren kann zumindest das Kostendeckungsprinzip, also die Gebührenbegrenzung durch die Höhe der Verwaltungskosten, keine Geltung beanspruchen. Verleihungsgebühren zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie für die Verleihung eines Sondervorteils unabhängig von den damit verbundenen Verwaltungskosten erhoben werden; dies schließt es aus, sie in der Höhe durch die Verwaltungskosten zu begrenzen. Daher hat das Bundesverfassungsgericht das Kostendeckungsprinzip für Verleihungsgebühren nicht zur Konkretisierung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit herangezogen.370 Indem es den Wert der öffentlichen Leistung zum maßgeblichen Bezugspunkt für die Höhe einer Abgabe macht, die den zugewendeten Vorteil teilweise abschöpft,371 beschränkt es die Abgabenbemessung allein durch das Äquivalenzprinzip. Die ungleich stärkere Heranziehung eines Gebührenschuldners zur Finanzierung staatlicher Aufgaben findet ihre sachliche Rechtfertigung im Gewähren eines Sondervorteils, wobei Sondervorteil und Gebührenhöhe wertmäßig saldiert werden.
b) Wirtschaftlicher Wert und Marktwert des Sondervorteils Die Abschöpfung eines Sondervorteils durch Abgaben setzt voraus, dass er sich in Geld bemessen lässt,372 also wirtschaftlichen Wert besitzt,373 wobei letzterer mit dem Marktwert des Sondervorteils gleichgesetzt wird.374 Dessen Höhe lässt sich meist kaum ermitteln, da für die zu kompensierende Leistung kein Markt besteht. Die Obergrenze zulässiger Gebührenbemessung wird gleichwohl im hypothetischen Marktwert des Sondervorteils erblickt.375 Dagegen erscheint das Versteigerungsverfahren als ideales Bemessungsverfahren, da Höchstgebot und Versteigerungserlös geradezu idealtypisch dem Marktpreis entsprechen. Gerade das Versteigerungsverfahren zeigt aber, dass die Gleichsetzung von wirtschaftlichem Wert und Marktwert nur bedingt richtig ist. Das letzte Gebot spiegelt zwar den Marktwert der staatlichen Leistung zum Zeitpunkt der Vgl. BVerfGE 93, 319 (S. 347); Heimlich (1997) S. 100. BVerfGE 93, 319 (S. 347). 372 Vgl. Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 79. 373 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von besonderem wirtschaftlichem Nutzen oder wirtschaftlichem Vorteil, BVerfGE 11, 105 (S. 117); E 7, 244 (S. 256). 374 Vogel (1999) Rn. 99. 375 Die Tauglichkeit dieses Maßstabs kann bezweifelt werden: Die Gebührenhöhe wird damit zu einer unberechenbaren Größe: Die mit ökonomischen Berechnungen wenig vertrauten Verwaltungsgerichte bestimmen die Obergrenze der Gebührenerhöhung danach, was ihrer Vorstellung nach der Wettbewerbspreis einer nicht marktfähigen Leistung ist. Dieser Mechanismus erscheint widersinnig; die Unsicherheiten bei der Grenzfestlegung können allenfalls als Aufforderung an den Abgabengesetzgeber verstanden werden, die Gebührenhöhe im Zweifel restriktiv zu bemessen. 370 371
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Vergabe wider. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass dieser Wert auf Gewinnerwartungen gestützt ist, deren Erfüllung ungewiss ist. Das Gleichsetzen des Marktwertes mit dem wirklichen Wert beruht in der ökonomischen Theorie auf einer Modellannahme, in welcher den Marktteilnehmern alle marktrelevanten Faktoren (Konsumentennachfrage, Investitionskosten etc.) bekannt sind und unwägbare Risiken wie etwa die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausgeklammert werden. In der Realität können diese Gesichtspunkte hingegen nur annäherungsweise in wirtschaftliche Kalkulationen einbezogen werden, so dass alle Berechnungen mit einem Unsicherheitsfaktor versehen sind. Die ökonomischen Untersuchungen zur Gefahr von Überbewertungen bestätigen dies.376 Die Gleichsetzung von tatsächlichem wirtschaftlichem Wert und dem am Markt zu erzielenden Preis trifft in der Realität nur näherungsweise zu. Die Gefahr, den tatsächlichen Wert des versteigerten Gutes überschätzt zu haben, würde bei Gleichsetzung von Marktwert und abschöpfungsfähigem wirtschaftlichem Wert auf die Abgabenbemessung durchschlagen. Erfolgt die Gebührenbemessung nach dem durch ein Versteigerungsverfahren ermittelten Marktwert, so besteht die Gefahr, dass die Gebühr den wirtschaftlichen Wert der staatlichen Leistung überschreitet.
c) Probleme marktwertgleicher Abgaben Eine Gebühr, welche den wirtschaftlichen Wert des gewährten Sondervorteils überschreitet, verstößt gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), da der Abgabenpflichtige für den wertüberschreitenden Anteil der Abgaben voraussetzungslos, nämlich ohne sachliche Rechtfertigung herangezogen wird. Gehen Versteigerungserlöse über den wirtschaftlichen Wert hinaus, so verstoßen auch sie gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, sind also unzulässig. Da sich der wirtschaftliche Wert aber erst im Nachhinein herausstellt, kommt die Erkenntnis, dass der geleistete Versteigerungserlös zu hoch bemessen war, wohl erst lange Zeit nach Ablauf aller Rechtsbehelfsfristen. Zum Zeitpunkt der Gebührenerhebung lassen sich über das Verhältnis von geleistetem Marktwert und tatsächlichem wirtschaftlichem Wert noch keine Aussagen treffen.377 Zu diesem Zeitpunkt steht nur die Gefahr fest, der Erlös könne über den tatsächlichen Wert hinausgehen. aa) Risiko überbelastender Erlöse Ob allein diese Gefahr zur Folge hat, dass die Erlöserhebung gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit verstößt, erscheint zweifelhaft. Der durch Versteigerung ermittelte Marktwert kann vom wirklichen wirtschaftlichen Wert abweichen,378 Siehe dazu oben 1. Kapitel B. IV. 2. b) und 3. Kapitel B. I. 1. a) bb). Piepenbrock / Müller (2001) S. 41 verweisen darauf, dass im Versteigerungserlös die wirtschaftliche Hoffnung eines Wertes zum Ausdruck kommt. 378 Ähnlich Ritgen (2002) S. 370, der vom „wahren“ Wert spricht. 376 377
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er ist aber nicht grundsätzlich höher als dieser. Eine Fehleinschätzung der Marktteilnehmer kann auch die Unterschätzung des wahren Wertes bedeuten. Das Risiko der Überschätzung des wirtschaftlichen Wertes im Rahmen der Gebührenbemessung wirf aber die Frage auf, wie solche Unsicherheiten für die Beurteilungen der Verfassungsmäßigkeit berücksichtigt werden können. Realisiert sich das Risiko, so ist der Grundsatz der Belastungsgleichheit verletzt. Allein die Gefahr einer Überbewertung macht die erhobene Abgabe nicht gleichheitswidrig; auch die Gefahr der Unverhältnismäßigkeit kann nicht mit der Unverhältnismäßigkeit selbst gleichgesetzt werden. Das Übermaßverbot beinhaltet jedoch die Verpflichtung zur Risikominimierung der Versteigerung. Verhältnismäßigkeit verlangt auch bei Abgabenbemessung eine Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den Belangen des Abgabenschuldners. Denkbar wäre, die Höhe des Versteigerungserlöses durch eine Korrekturklausel für nachträgliche Anpassungen offen zu halten, so dass die entrichtete Abgabe heruntergesetzt und teilweise erstattet würde, wenn sich herausstellt, dass der Wert der staatlichen Leistung überschätzt wurde. Ein solches Vorgehen ist jedoch sowohl aus rechtlichen als auch aus konzeptionellen Gründen ausgeschlossen. Die endgültige Festlegung einer zu zahlenden Abgabe ist ein Gebot der Rechtssicherheit und für die Eignung als Auswahlverfahren notwendige Bedingung. Das Versteigerungskonzept orientiert die Auswahl an der Bewertung durch den Markt, also der Gegenleistung, die jeder Bewerber zu erbringen bereit ist. Wenn diese nachträglich korrigiert werden kann, werden die Bewerber diese Möglichkeit als Faktor in die Abgabe ihrer Gebote miteinbeziehen 379 und daher sogar eher höhere Gebote abgeben, als dies bei Nichtbestehen einer Korrekturklausel der Fall wäre. Auch wäre der nachträgliche Wert schwer zu bestimmen, weil dafür zuverlässige Berechnungsgrundlagen angesichts unvollständiger und unvollkommener Information fehlen. Das Risiko von Fehleinschätzungen, das in der Natur prognostischer Entscheidungen liegt, lässt sich nicht durch nachträgliche Anpassung der Abgabenhöhe ausschließen. bb) Risikominimierungen Die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip geforderte Abwägung muss die wirtschaftliche Risikoverteilung zwischen Staat und Abgabenschuldner im Blick behalten. Diese weist bei Bemessung nach dem Marktwert Asymmetrien auf. Während der Staat im Falle der Wertüberschätzung kein wirtschaftliches Risiko eingeht, kann diese Fehleinschätzung unter Umständen die wirtschaftliche Existenz des Abgabenschuldners bedrohen. Bei Einbeziehung dieser Überlegungen in das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip ist das Risiko wertüberschreitender Gebührenbemessung so weit zu minimieren, wie es möglich ist. 379 Beispiele für Wertberechnungen mit Wahrscheinlichkeiten und Risikofaktoren bringt Feess (1997) S. 40 ff.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt im Rahmen der Gebührenbemessung die Abwägung zwischen Gebührenzweck und Gebührenhöhe. Steht im Fall einer wertunterschreitenden Fehleinschätzung das individuelle Interesse an möglichst geringer Belastung dem öffentlichen Interesse an möglichst umfassender (gleichheitsstiftender) Abschöpfung gegenüber, so findet sich kein legitimes öffentliches Interesse, welches eine Belastung des Gebührenschuldners über den wahren Wert der staatlichen Leistung hinaus rechtfertigen könnte. Das Risiko überhöhter Gebührenbemessung muss möglichst gering gehalten werden. Daher bestehen Bedenken gegen Vorschläge, die zu Beginn einer Versteigerung ein Auktionsdesign empfehlen, das die Abgabe hoher Gebote fördert.380 Diese mögen aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein, um den Versteigerungsprozess zu beschleunigen und möglichst hohe Erlöse zu erzielen. Weil sie risikobewusste Bieter animieren, ihre zurückhaltende Strategie aufzugeben, erhöhen sie die Gefahr überhöhter Gebote. Für die Steigerung dieser Gefahr gibt es kein rechtfertigendes öffentliches Interesse. Das grundrechtlich geschützte Interesse der Bieter an freiheitsschonender Gebührenbemessung und gleicher Belastung aller Abgabenpflichtigen steht einem solchen Auktionsdesign entgegen. Im Interesse möglichst geringer Risikobelastung muss daher auf Arbeiten der ökonomischen Versteigerungstheorie zurückgegriffen werden, welche Handlungsstrategien zur Reduzierung der Gefahr von Überbewertungen liefern, wie möglichst umfangreiche Information, aber auch ein entsprechendes Versteigerungsdesign.381 cc) Restrisiko und gerichtliche Kontrolle Ein Restrisiko verbleibt gleichwohl, so dass offen bleibt, wer dieses Risiko zu tragen hat und wie ihm begegnet werden kann. Sofern feststeht, dass sich das verbleibende Risiko realisiert hat, widerspricht die Abgabenbemessung dem Grundsatz der Belastungsgleichheit, wobei, wie erwähnt, die Feststellung der Risikorealisation eher lange Zeit nach Abschluss einer Versteigerung erfolgt. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Bemessung von Versteigerungserlösen kann, soll sie Erfolg haben, nur innerhalb von vergleichsweise kurzen Rechtsbehelfsfristen382 erfolgen. Das Ergebnis des Marktmechanismus kann dabei durch das Gericht nicht vollständig überprüft werden, ohne das Allokationsprinzip hinfällig werden zu lassen. Die inhaltliche Kontrolle, also ob der Wert des Auktionsgegenstandes dem Höchstgebot entspricht, würde den Marktmechanismus ad absurdum führen, da dies implizierte, das Verwaltungsgericht verfüge über intimere und umKeuter / Nett / Stumpf (1996) S. 53 f. (Mindestinkremente, Mindestgebote). Siehe oben 1. Kapitel C. II. 2. c) sowie Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 52, 56. 382 Grundsätzlich, dh. bei Nichtbestehen von Sonderregelungen, würde die Monats- bzw. Jahresfrist der §§ 70 Abs. 1 S. 1 bzw. 58 Abs. 2 S. 1 VwGO gelten. Im Verhältnis etwa zur Nutzungsdauer von Mobilfunklizenzen, die für ERMES-, GSM- oder UMTS-Netze jeweils auf 20 Jahre festgesetzt wurde, ist dies außerordentlich kurz, da realistische, nicht auf Prognosen beruhende Wertberechnungen erst gegen Ende der Nutzungsdauer möglich sind. 380 381
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fassendere Kenntnisse aller marktrelevanten Daten als die beteiligten Bieter. Auch die Gerichte sehen sich unvollständiger und unvollkommener Information ausgesetzt, so dass das Ergebnis einer Auktion auch wegen der Einzigartigkeit der Versteigerungssituation nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist.383 Die Überprüfung ist auf formale Kontrolle beschränkt, wobei insofern ein strenger Maßstab anzulegen ist. Formale Fehler sind nicht nur Formfehler wie unterbliebene Beteiligungen, sondern auch das Unterlassen von Aufklärungen,384 Mängel im Auktionsdesign385 sowie systemwidrige staatliche Einflussnahmen oder deren Möglichkeit.386 Genügt eine Versteigerung allen diesen formalen Anforderungen, muss das danach ermittelte Ergebnis hingenommen werden. Weitere, inhaltliche Kontrolle ist nicht möglich. Das noch immer verbleibende Restrisiko von Überbewertungen und damit überhöhter Abgaben verbleibt bei den Abgabenschuldnern. Es stellt sich dann aber als ein Teil des allgemeinen wirtschaftlichen Risikos eines Unternehmers dar, das mit unternehmerischer Tätigkeit verbunden ist und auch sonst nicht auf den Staat abgewälzt werden kann. Allein dieses Restrisiko von Überbewertungen schließt die Versteigerung als Verfahren der Gebührenbemessung nicht aus.
3. Grundsatz des parlamentarischen Budgetrechts Der dritte Aspekt der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung ist das parlamentarische Budgetrecht. a) Bedeutung des Budgetrechts Das parlamentarische Budgetrecht ist dem Haushaltsverfassungsrecht der Art. 109 ff. GG zu entnehmen und sichert die Finanzhoheit des Parlaments.387 383 Insoweit bestehen Parallelen zum Problem des Beurteilungsspielraums der Verwaltung. Paradebeispiel hierfür sind Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen, BVerfGE 84, 34 (S. 46 ff.), aber auch Prognoseentscheidungen des Wirtschaftsrechts [BVerwGE 79, 208 (213 ff.); E 82, 295 (299 ff.)]. Das dort gefundene Ergebnis, nämlich die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung auf formale Fragen, zutreffende Entscheidungsgrundlage und Ausschluss von Willkür [ausführlich Maurer (2000) § 7 Rn. 31 ff., 41, 43], lässt sich daher übertragen. Ähnlich Kötter (2001) S. 1564. 384 Etwa das Verschweigen von dem Staat bekannten Informationen über Wert, Nutzung oder Rahmenbedingungen der Vergabe und Nutzung, siehe oben 1. Kapitel C. 385 Etwa die Wahl eines Designs, das die Erlösmaximierung zu Lasten von Effizienz oder anderen Regulierungszielen voranstellt, siehe oben 1. Kapitel C. 386 Eine solche bestand bei der UMTS-Versteigerung im Sommer 2000 durch Beteiligung des Staates als Versteigerer und gleichzeitig, über die (noch) staatlich dominierte Deutsche Telekom AG. Dadurch bestand die Gefahr, dass der Staat über diesen Bewerber die Gebote in die Höhe treiben und kurz vor Ausscheiden weiterer Mitbewerber ein Weiterbieten stoppen konnte, um so möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Dass sich diese Gefahr realisiert hat, ist nicht auszuschließen und wird von ökonomischer Seite unterstellt, vgl. Klemperer (2002a) S. 9.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Diese wahrt Einfluss und Kontrolle des Parlaments: Fast alle staatliche Aktivität ist mit Ausgaben verbunden388 und steht so unter dem Vorbehalt der Kenntnis und Billigung durch den Bundestag.389 Wirksamkeitsvoraussetzung dieser Kompetenz ist Information. Einfluss und Kontrolle staatlichen Finanzgebarens setzt voraus, dass das Parlament über alle Einnahmen und Ausgaben im Bilde ist. Um dies sicherzustellen verlangt Art. 110 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GG, die Kernvorschrift der Haushaltsverfassung des Bundes,390 die regelmäßige Verabschiedung eines „Gesamtfinanzierungskonzeptes“,391 das alle Einnahmen und Ausgaben (Vollständigkeit) in einem Haushaltsplan (Einheit) zusammenfasst.392 Dieser soll über die gesamte Finanzmasse, das Budget, wie auch über alle veranschlagten Ausgaben des Bundes Auskunft geben (Bruttoveranschlagung). Nebenhaushalte,393 also Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets, gefährden die Finanzhoheit des Parlaments und unterlaufen dessen Kontrollmöglichkeiten. Durch Nebenhaushalte wird der Haushaltsplan aufgespalten und unvollständig sowie das gesamte Finanzgebaren des Staates intransparent. Gleichwohl wird dieser Grundsatz bereits im Verfassungstext durchbrochen, indem Art. 110 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG für Bundesbetriebe und Sondervermögen allein die Einstellung von Zu- und Abführungen zulässt. Der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift macht jedoch deutlich, dass Nebenhaushalte nur als Ausnahme zulässig sind und besonderer Rechtfertigung bedürfen.394 b) Zweckbindungen und Sondervermögen Erhebung einer bestimmten Abgabe und deren Verwendung lassen sich rechtstechnisch gut trennen, so dass die Einstellung der Erträge in den Haushaltsplan 387 BVerfGE 93, 319 (S. 343). Schutzgüter der Finanzverfassung sind damit die bundesstaatliche Kompetenzordnung (bundesstaatliche Finanzverfassung), der Individualschutz des Bürgers vor übermäßiger und ungleicher Belastung (Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen) sowie die vertikale Finanzkompetenz der Volksvertretung (parlamentarisches Budgetrecht). 388 Kilian (1993) S. 46 betont die Bedeutung der Haushaltspolitik als Machtquelle: Geld sei „das Lebenselixier des Staates“, das „Blut der Macht“. Die historische Entwicklung bestätigt dies: Lange bevor die Sachgesetzgebung zu den parlamentarischen Kompetenzen gehörte, standen – so in England mit der Bill of Rights oder im Parlamentarismus des deutschen Frühkonstitutionalismus – der Volksvertretung Erhebung und Verteilung der staatlichen Mittel zu, vgl. dazu Kilian (1993) S. 46 ff.; Siekmann in: Sachs (1999) Art. 110 Rn. 13; Heun (1989) S. 51; Reinhardt (1994) S. 140. 389 Das Bundesverfassungsgericht betont die Bedeutung des Budgetrechts als „eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle, die die Demokratie entscheidend prägt“, BVerfGE 70, 324 (S. 356). 390 Maunz in: Maunz / Dürig (Stand Sept. 1981) Art. 110 Rn. 1. 391 Puhl (1996) S. 1. 392 BVerfGE 70, 324 (S. 357); Siekmann in: Sachs (1999) Art. 110 Rn. 48 u. 53. 393 Zu begrifflichen Variationen Puhl (1996) S. 21. 394 Kilian (1993) S. 550 f.; Puhl (1996) S. 158.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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jedenfalls möglich ist. Für Versteigerungserlöse ergeben sich keine konzeptionell bedingten Besonderheiten. Die bisherige Praxis verbuchte die Erlöse telekommunikationsrechtlicher Auktionen innerhalb des Budgets,395 bei entsprechender Regelung ist ebenfalls die Bildung eines Sondervermögens denkbar, wobei dies eher eine Frage der Verwaltungsorganisation und der (auch) budgetären Verselbständigung von Verwaltungseinheiten, als des Abgabenrechts ist.
c) Zweckbindung von Versteigerungserlösen Die Einführung zusätzlicher Abgaben kann infolge von Zweckbindungen zur Frage haushaltsrechtlicher Art werden. Es kann aus „finanzpsychologischen Gründen“396 politisch opportun sein, die Erträge einer Abgabe für einen Zweck zu binden. Die Erhöhung von Abgaben ist für jede Regierung und die sie stützende parlamentarische Mehrheit ein politisches Wagnis, da sie kaum mit wohlwollender Kenntnisnahme der Abgabenpflichtigen rechnen kann. Da diese zugleich Wähler sind, kann deren Zustimmung oder wenigstens Akzeptanz leichter erreicht werden, wenn die unpopuläre Abgabenerhebung mit einer populären Aufgabe verbunden wird, die allgemein als notwendig und sinnvoll erkannt wird. Der Abgabengesetzgeber kann daher versucht sein, die bittere Pille zusätzlicher Abgaben durch Zweckbindung bis hin zur Bildung von Sondervermögen zu versüßen. Eine solche Zweckbindung wurde auch für die Erlöse telekommunikationsrechtlicher Auktionen in Betracht gezogen. Zwar fließen Erlöse von Lizenz- und Frequenzversteigerungen mangels anderweitiger Regelung derzeit in den allgemeinen Staatshaushalt ein,397 im Gesetzgebungsverfahren zum TKG schlug der Bundesrat aber die Bildung eines Sonderfonds zur Förderung flächendeckender Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten in öffentlichen Gebäuden vor.398 395 Die Erlöse der UMTS-Versteigerung wurden im Bundeshaushalt unter dem Einzeletat der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation vereinnahmt und – vergleichbar mit dem Teil der Bundesbankgewinnabführung, der über den Haushaltsansatz hinausgeht – unmittelbar zur Tilgung fälliger Bundesschulden eingesetzt. In der Haushaltsrechnung des Bundes wurden die Erlöse netto gestellt, Korioth (2001) S. 74. In der Statistik des Statistischen Bundesamtes zum Ergebnis der öffentlichen Haushalte für das Jahr 2000 wirkten sich die Erlöse allerdings sowohl auf der Einnahmenseite als auch der Ausgabenseite aus. Die Haushaltsrechnung des Bundes wurde durch diesen Vorgang wegen der dort vorgesehenen Nettostellung weder in seinem Volumen noch hinsichtlich der Nettokreditaufnahme berührt. Mittelbare Auswirkungen bestanden jedoch durch ersparte Zinsaufwendungen, die nach den Plänen des Bundes für eine Aufstockung der Ausgaben, insbesondere im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, verwendet werden sollten, Korioth (2001) S. 74. Warum Kötter (2001) S. 1566 behauptet, Versteigerungserlöse würden der Kontrolle und Verwaltung des Haushaltsgesetzgebers nicht unterliegen, bleibt unklar. 396 Kisker (1999) Rn. 77. 397 Davon zu trennen ist die Frage, welchem bundesstaatlichen Staatshaushalt sie zufließen, dazu sogleich unten 4. Kapitel B. 398 BT-Drs. 14 / 4438 S. 9. Für die Zweckbindung von Versteigerungserlösen auch Faber (2002) S. 270.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
Ob und in welchen Grenzen die Neubildung von Sondervermögen und Nebenhaushalten zulässig ist, kann an dieser Stelle nicht vertieft werden, da es den Rahmen der Untersuchung sprengen würde.399 Einige schlagwortartige Feststellungen zur Frage der Zweckbindung von Versteigerungserlösen sollen daher genügen: Sofern die Verknüpfung von Versteigerungserlösen mit einem bestimmten Zweck erfolgt, bestehen dagegen keine Bedenken, wenn diese Verbindung nicht zur Ausbildung eines eigenen Haushaltes führt, also lediglich politischer Natur ist.400 Keinesfalls zulässig ist die Bildung eines Sonderbudgets allein auf Grundlage von Exekutivakten, da so in jedem Fall die finanzielle Kontrolle des Parlaments unterlaufen werden würde. Die Errichtung von Nebenhaushalten durch Parlamentsgesetz ist nicht ausgeschlossen, bedarf jedoch besonderer Rechtfertigung.
B. Versteigerungserlöse im Finanzausgleich Die Frage nach Berücksichtigung von Versteigerungserlösen im Finanzausgleich ist wie die Untersuchung der Erlöserhebung finanzverfassungsrechtlicher Natur. Dennoch ist die innerstaatliche Verteilung der Erlöse eine von der Erhebung grundsätzlich getrennte Frage. Die Ertragszuordnungs- und Umverteilungsregeln des X. Abschnitts sind dienende „Folgeverfassung“:401 Die Regelungen beziehen sich auf die tatsächlich vereinnahmten Finanzmittel, also die Finanzmasse, welche dem Staat in seiner Gesamtheit endgültig zur Verfügung steht. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtmäßiger Abgabenerhebung dienen dem Schutz der Bürger, haben also vorrangig individualschützenden Charakter. Dagegen zielt der Finanzausgleich auf Wahrung gleicher, aufgabengerechter Finanzausstattung von Bund, Ländern und Gemeinden. Diese Zwecke sind voneinander unabhängig: Auf der Ebene der Umverteilung kommt es nicht darauf an, ob die Finanzmittel zu Recht vereinnahmt wurden, sondern nur darauf, ob sie endgültig im Staatshaushalt verbleiben.402 Ausführlich dazu aber Kilian (1993) und Puhl (1996). So etwa für die Ankündigung, die Erlöse der UMTS-Versteigerung würden zur Schuldentilgung verwendet, Beschluss der Bundesregierung v. 12. 10. 2000, Kötter (2001) S. 1556. Die Erlöse wurden im Bundeshaushalt unter dem Einzeletat der Regulierungsbehörde veranschlagt und aus diesem heraus erfolgte die Schuldentilgung, ohne dass es tatsächlich zu einer Bindung kam. 401 F. Kirchhof (1993) S. 80; Korioth (1997) S. 85 ff. spricht auch von der Finanzverfassung als einer „akzessorischen Ordnung“ 402 Dies ist nicht unumstritten. Mit Hinblick auf die Erträge der UMTS-Versteigerung wurde deren Verfassungswidrigkeit teilweise gerade auf das Argument gestützt, diese würden angesichts ihrer enormen Höhe die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährden, vgl. Arndt (2001) S. 28. Dieser Ansatz ist Folge eines zu weit gehenden Verständnisses von Steuerstaatlichkeit. Die bundesstaatliche Finanzverfassung wird bereits durch hinreichend deutliche Unterscheidbarkeit von Steuern gewahrt, siehe oben 4. Kapitel A. III. 1 b) und c). Die Regelungen des Finanzausgleichs sind dienender und daher akzessorischer Natur. Im Urteil zur bundesstaatlichen Verteilung der UMTS-Erlöse hat das Bundesverfassungsgericht der Sache nach ebenso 399 400
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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Im Grunde ergeben sich für Versteigerungserlöse keine finanzausgleichsrechtlichen Fragen, die nicht auch im Zusammenhang mit anderen nicht-steuerlichen Abgaben auftreten könnten. Versteigerungserlöse sind Abgaben, die in ihrer Höhe unabhängig von einem Verwaltungsaufwand sind, also nicht per Saldo durch mit der Auktion verbundene Kosten ausgeglichen werden und daher auch einen Einnahmenüberschuss erbringen können. Diese Wirkung haben auch andere nichtsteuerliche Abgaben. Verleihungsgebühren werden ebenfalls verwaltungskostenunabhängig erhoben und bewirken einen Nettogewinn des Staates. Die fehlende finanzausgleichsrechtliche Beachtung dieser Einnahmen hat denn auch weniger dogmatische als tatsächliche Gründe. Verleihungsgebühren wie die Wasserentnahmeabgaben, die Gegenstand des Wasserpfennig-Beschlusses waren, bringen in ihrem Gesamtvolumen bezogen auf die Haushalte von Bund und Ländern vergleichsweise geringe Erträge und hatten daher keine spürbaren Auswirkungen auf den Finanzausgleich. Ist die staatliche Leistung aber sehr wertvoll und wird dieser Wert durch eine Abgabe abgeschöpft, können die Erträge die Schwelle haushaltsmäßiger Spürbarkeit überschreiten. Da durch eine Auktion der Marktwert des vergebenen Gutes ermittelt wird und dieser als Abgabe zu entrichten ist, werden Versteigerungen bei besonders wertvollen Gemeinschaftsgütern stets zu hohen Erlösen führen. Föderale Einnahmenverteilungskämpfe403 erfordern in dem Fall, die finanzausgleichsrechtliche Berücksichtigung dieser Einnahmen zu klären.404
I. Finanzausgleichssystematik Das Einnahmenverteilungssystem der Finanzverfassung, der Finanzausgleich, errichtet eine Verteilungsordnung, welche – orientiert an den Gesamteinnahmen des Staates – eine angemessene Finanzausstattung der drei Ebenen staatlicher Gewalt (Bund, Länder und Gemeinden) garantiert.405 Die aus der föderalen Staatsentschieden, indem es die von manchen Kritikern, beispielsweise Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 17, für möglich gehaltene Auseinandersetzung mit der Verfassungsmäßigkeit der Erlöserhebung umgangen hat, vgl. BVerfG DVBl. 2001 S. 704 ff. 403 Vgl. Korioth (1997) S. 410, ähnlich Arndt (2001) S. 26. 404 Die UMTS-Versteigerung war dabei in zweifacher Weise finanzausgleichsrelevant: Zum einen durch den hohen Erlös von rund 50 Milliarden Euro, zum andern durch gleichzeitige Beschränkung der Steuereinnahmen infolge von Abschreibungen auf Einkommenund Körperschaftsteuer nach § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 8 Abs. 1 KStG, vgl. Korioth (2001) S. 85; Kötter (2001) S. 1565; A. Leist (2002) S. 904. 405 Schwarz (2001) S. 142; vgl. BVerfGE 1, 117 (S. 119): Sachgemäße Verteilung „der öffentlichen Einnahmen . . . auf die verschiedenen Träger öffentlicher Aufgaben“. Teilweise wird zwischen dem Finanzausgleich im weiteren und im engeren Sinne unterschieden, wobei ersterer mit dem soeben definierten Finanzausgleichsbegriff gleichzusetzen ist, während sich letzterer auf die (sekundäre) Umverteilung der Einnahmenzuordnung bezieht, Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 28, 40. Umfassender ist die Definition von Korioth (1997) S. 22: „Der Begriff des Finanzausgleichs umfasst die Gesamtheit der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Normen 10*
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
struktur folgenden Verteilungsinteressen bewirken dabei zwei Konfliktlagen, auf deren Ausgleich die Finanzverfassung zielt.406 Zum einen geht es um die Verteilung der öffentlichen Einnahmen zwischen den verschiedenen Ebenen der Staatlichkeit.407 Entsprechend der Über- und Unterordnung dieser Ebenen wird der Verteilungskonflikt als vertikal bezeichnet und dessen Ausgleich als vertikaler Finanzausgleich.408 Zum anderen entstehen Verteilungskonflikte auch innerhalb einer der genannten Ebenen, nämlich zwischen den untereinander gleichgestellten, nachgeordneten Gebietskörperschaften (horizontale Konflikte).409 Der grundgesetzliche Finanzausgleichs widmet sich dem Ausgleich dieser Konfliktlagen durch ein System der Zuweisung bestimmter Abgabenerträge (primärer Finanzausgleich) und anschließender Umverteilung (sekundärer Finanzausgleich). Entsprechend den Regelungen der Art. 106 ff. GG erfolgt dieser Ausgleich in vier aufeinander aufbauende Schritten. Im ersten Schritt regelt das Grundgesetz die vertikale Steuerertragsaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden durch Zuweisung bestimmter Abgabenerträge oder Teile derselben (Art. 106 GG); im sich daran anschließenden zweiten Schritt geht es um die Ertragszuweisung der Ländersteuern auf die einzelnen Länder (Art. 107 Abs. 1 GG). Durch die beiden letzten Schritte soll das Ergebnis des primären Finanzausgleichs korrigiert werden, indem die Finanzkraft der einzelnen Länder einander angenähert wird. Im dritten Schritt des Finanzausgleichs kommt es daher zunächst zu einer horizontalen Umverteilung durch Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern (Art. 107 Abs. 2 GG), woran sich schließlich der fakultative vierte Schritt anschließt, in welchem die Finanzkraft einzelner, besonders finanzschwacher Länder durch Ergänzungszuweisungen des Bundes gestärkt wird (Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG). Die Regelungen des Finanzausgleichs sind, wiederum Ausdruck des Regelungsgrundsatzes Steuerstaat, vorrangig an Steuern orientiert.410 Dennoch umfasst das und staatsfinanzwirtschaftlichen Vorgänge, deren Aufgabe es ist, die Finanzhoheitsrechte in den Formen der Gesetzgebungshoheit und Ertragshoheit hinsichtlich der Steuern auf die Gebietskörperschaften des Staates zu verteilen und weiterhin durch unmittelbare finanzielle Transfers zwischen den Körperschaften solche Ertragsumschichtungen vorzunehmen, die an die vorrangige Aufteilung der Steuererträge anknüpfen und das zunächst erzielte Ergebnis der Steuerverteilung korrigieren.“ 406 Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 29. 407 Der vertikale Finanzausgleich des Grundgesetzes regelt im Wesentlichen nur den bundesstaatlichen Finanzausgleich, wobei die Gemeinden als Bestandteile der Länder gelten (Art. 106 Abs. 9 GG). Der kommunale Finanzausgleich als zweiter Teil betrifft den landesinternen Ausgleich zwischen Ländern und Gemeinden. Der horizontale Finanzausgleich des Grundgesetzes ist ebenfalls auf den bundesstaatlichen Ausgleich beschränkt; der horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern ist eine ausschließliche Länderangelegenheit. Ein Durchbrechung bedeuten dabei die eigenen Ertragskompetenzen der Gemeinden nach Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG. Zum Ganzen Korioth (1997) S. 23 f. 408 Korioth (1997) S. 22. 409 Korioth (1997) S. 23. 410 Art. 106 GG spricht außerdem von Zöllen und – als Steuern verstandenen – einmaligen Vermögensabgaben und zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabga-
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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Finanzausgleichssystem insgesamt alle staatlichen Einnahmen, gleich ob steuerlich oder nichtsteuerlich. 411 Dabei geht der primäre Finanzausgleich von einzelnen Abgabenarten, namentlich Steuern aus, während der sekundäre Finanzaugleich die Finanzkraft zum Bezugspunkt hat, welche sich nach den Gesamteinnahmen bestimmt, in welche neben Steuern auch nicht-steuerliche Abgaben und privatrechtliche Gewinne einzubeziehen sind.412
II. Vertikale Ertragsverteilung Es bedarf kaum des Hinweises, dass Versteigerungserlöse auch im durch Steuern geprägten Verfassungstext des Finanzausgleichs keine Berücksichtigung erfahren,413 da Versteigerungen dem verfassungsändernden Gesetzgeber als Quelle öffentlicher Finanzen nicht bekannt waren.414 Auf Grundlage der Prämisse, dass der Finanzausgleich nicht nur die Steuern, sondern alle staatlichen Einnahmen umfasst, muss jedoch auch für die Zuordnung von Versteigerungserlösen eine Regelung bestehen.415 Da sich der Verfassungstext fast ausschließlich steuerlichen Einnahmen widmet, kann sich diese nur aus dem Kontext dieser Regelungen, also aus ungeschriebenem Verfassungsrecht ergeben.416 Bei dessen Interpretation bestehen ben, Ergänzungsabgaben zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, Spielbankabgaben und Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften. 411 BVerfGE 1, 117 (S. 119). Dies ist auch Folge des offenen Abgabensystems (dazu oben 4. Kapitel A.): Wenn die Verfassung keine abschließende Regelung zulässiger Abgaben enthält und für andere als die genannten Abgaben offen ist, kann sie für diese keine ausdrückliche Regelung treffen, muss ihre Erträge aber für das Finanzierungsgleichgewicht berücksichtigen. 412 Korioth (1997) S. 549. 413 Siehe dazu auch oben 4. Kapitel A. 414 Eine andere Frage ist, ob de constitutione ferenda ihre Berücksichtigung sinnvoll wäre. Zieht man den Erlös der UMTS-Versteigerung als Beispielsfall heran, erscheint es durchaus sinnvoll, die bundesstaatliche Verteilung solcher Einnahmen ausdrücklich zu regeln. Andererseits zeigen andere, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Versteigerungen, dass mit einer Auktion nicht notwendig hohe, dh. finanzausgleichsrechtlich spürbare Einnahmen verbunden sind. Maßgeblich ist allein der Wert des Auktionsgegenstandes. Eine ausdrückliche, verfassungsrechtliche Verteilungsregel für Versteigerungserlöse würde daher eher von der wahren Ursache der Einnahmenhöhe ablenken und eher Verwirrung stiften. Sofern durch hohe, unvorhergesehene Einnahmen das Finanzgleichgewicht von Bund und Ländern nachhaltig gestört wird, sieht die Finanzverfassung bereits Korrekturmöglichkeiten vor, dazu unten 4. Kapitel B. III. 415 Dies ist unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass es allein auf die tatsächliche endgültige Vereinnahmung, unabhängig von deren Rechtmäßigkeit, ankommt oder ob man in den Finanzausgleichsregeln zugleich Schranken für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben sieht. Selbst in letzterem Fall muss wenigstens die Ertragskompetenz feststehen, um eine daraus folgende Störung des Finanzausgleichs diagnostizieren zu können. 416 Methodisch ist dies ein Fall der systematischen Interpretation, nicht der Analogie. Letztere würde eine planwidrige Lücke voraussetzen, was nicht der Fall ist. Die Finanz-
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
unterschiedliche Auffassungen. Gemein ist allen Ansätzen, dass die Ertragskompetenz nicht-steuerlicher Abgaben an den einfachrechtlichen Abgabenkategorien orientiert ist. Für Vorzugslasten wird vertreten, die Ertragszuständigkeit folge der Verwaltungskompetenz417 oder unterliege der Verfügung des Sachgesetzgebers.418 Für Sonderabgaben soll sie der Gesetzgebungskompetenz folgen419 oder durch den Sachgesetzgeber bestimmt werden können.420 Die Orientierung an einzelnen Abgabenkategorien ist eine Konsequenz begrifflicher Abgabendogmatik. Da diese Kategorien nicht verfassungsrechtlich festgelegt sind, sind sie nicht zwingend, zur Konkretisierung aber gleichwohl hilfreich.421 Die Ertragskompetenz einzelner nicht-steuerlicher Abgaben muss in Abgrenzung zur Steuer bestimmt werden, so dass auf die Abgrenzungs- und Rechtfertigungsüberlegungen im Rahmen der Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben zurückgegriffen werden kann, welche durch die einfachrechtlichen Abgabenkategorien konkretisiert werden. Für Versteigerungserlöse von Bedeutung ist die Kategorie der Gebühr,422 so dass es nur darauf ankommt, welche Ertragszuständigkeit für sie besteht; offen bleiben kann die Ertragskompetenz für Sonderabgaben.
1. Ertragskompetenz bei Vorzugslasten Die Akzessorietät von Ertrags- und Verwaltungskompetenz wird aus dem Gegenleistungscharakter von Vorzugslasten begründet. Die klassischen Verwaltungsund Benutzungsgebühren und deren Zwecke – Vorteilsabschöpfung und Aufwandsüberwälzung – vor Augen argumentiert etwa P. Kirchhof, dass die Körperschaft erhebungsberechtigt sei, die den Vorteil zugewendet und den Aufwand getätigt habe, so dass die Ertragskompetenz akzessorisch zur Verwaltungskompetenz wäre.423 Dagegen vertritt Sacksofsky die Ansicht, der einfache Gesetzgeber könne verfassung bildet ein offenes Finanzierungssystem, das sich als Regel an der Steuer orientiert. Da einzelne nicht-steuerliche Abgaben durch die Verfassung nicht vorgegeben sind, kann für diese auch keine ausdrückliche Ertragskompetenzregelung erfolgen. Nicht-steuerliche Abgaben werden von der Verfassung aber vorausgesetzt, so dass eine solche Kompetenz bestehen muss. Das fehlen einer ausdrücklichen Regelung ist daher keine planwidrige Lücke. 417 Pieroth in: Jarass / Pieroth (2002) Art. 106 Rn. 2; Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar (Stand Nov. 1997) vor Art. 104a Rn. 43, 425; Siekmann in: Sachs (1999) Rn. 36. 418 Sacksofsky (2000) S. 244; Stern (1980) S. 1160. 419 Vogel / Walter in: Bonner Kommentar (Stand Dez. 1972) Art. 106 Rn. 32 ff. 420 Hidien in: Bonner Kommentar (Stand Juni 2002) Art. 106 Rn. 574. 421 Vgl. oben 4. Kapitel A. II. 2. c) bb). 422 Siehe oben 4. Kapitel A. III. 1. a). 423 P. Kirchhof (1999) Rn. 212. Ebenso Heimlich (1997) S. 315; Hennecke (2000) Rn. 800; Pieroth in: Jarass / Pieroth (2002) Art. 106 Rn. 2; Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104 a Rn. 36. Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar (Stand Nov. 1997) vor Art. 104 Rn. 425; Hidien in: Bonner Kommentar (Stand Juli 2002) Art. 106 Rn. 569. Der Sache nach auch BVerfG DVBl. 2002, 705.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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die Ertragszuweisung jedenfalls dann einfachgesetzlich regeln, wenn einer Gebühr kein nennenswerter staatlicher Aufwand gegenüber steht. Der Inhaber der Gesetzgebungsbefugnis bestimme dann auch über die Ertragshoheit, da es in diesem Fall an einem Argument fehle, das die Vorteilsabschöpfung zwingend an die Verwaltungszuständigkeit knüpfe.424 Die freie Verfügungsgewalt des einfachen Gesetzgebers über Ertragskompetenzen nicht-steuerlicher Abgaben stößt allerdings auf Bedenken. Die Finanzverfassung stellt es nicht in das Belieben des einfachen Gesetzgebers, welcher Körperschaft die Erträge einer Abgabe zufließen sollen, sondern setzt für alle Abgaben Regeln voraus, wie sie in Art. 106 GG für Steuern ausdrücklich getroffen werden. Das Schweigen des Verfassungstextes zur Ertragskompetenz nicht-steuerlicher Abgaben stellt deren Zuordnung nicht in das Belieben des einfachen Gesetzgebers, sondern verlangt, dem Schweigen durch Interpretation Regelungsgehalt zu entnehmen.425 Für Gebühren ist die Ertragshoheit daher auch bei nicht aufwandsausgleichenden Verleihungsgebühren an die Verwaltungshoheit gebunden.426 Das tragende Merkmal einer Gebühr, die Gegenleistungsabhängigkeit, ermöglicht die Zurechnung zu dem Verwaltungsträger, der den Vorteil zuwendet. Auf Grund der Verknüpfung von staatlicher Leistung und im Gegenzug erhobener Vorzugslast ist der leistende Verwaltungsträger mit der Gegenleistung enger verbunden als andere, an diesem Leistungsverhältnis unbeteiligte Körperschaften.427
2. Ertragskompetenz bei Versteigerungserlösen Auf dieser Grundregel basierend stehen Versteigerungserlöse unabhängig von ihrer Höhe dem leistenden Verwaltungsträger zu, also der Körperschaft, die Inhaber der Verwaltungskompetenz ist.428 Versteigerungserlöse sind nicht-steuerliche Abgaben vom Zuschnitt der Gebühr, die nicht an einen besonderen Aufwand, sondern an die Zuwendung eines besonderen Vorteils gebunden sind.
a) Geteilte Ertragskompetenz Für diese Einnahmen hält Korioth unter gewissen Voraussetzungen eine geteilte Ertragkompetenz von Bund und Ländern für sinnvoll. Mit Blick auf die UMTSVersteigerung argumentiert er, es sei sachgerecht, für deren Erlöse die Ertragszuständigkeit zwischen Bund und Ländern zu teilen. Diese Regel stelle Art. 106 Sacksofsky (2000) S. 245, ähnlich Stern (1980) S. 1160. Korioth (2001) S. 76; A. Leist (2002) S. 903. 426 A. Leist (2002) S. 904; vgl. auch BVerfG DVBl. 2002, 705. 427 A. Leist (2002) S. 904. 428 Für telekommunikationsrechtliche Versteigerungserlöse ohne Begründung ebenso Breuer (2001) S. 27; Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 15. 424 425
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Abs. 3 S. 1 und 2 GG für die aufkommenstarken Verbundsteuern auf, so dass zu erwägen sei, sie auf Gebühren zu übertragen, wenn diese aufwandsunabhängig erhoben würden und deren Erträge die Schwelle haushaltsrechtlicher Spürbarkeit überschritten.429 Wenn der Ertrag einer Gebühr nicht in Bezug zu einem Verwaltungsaufwand stehe, sondern ausschließlich der Vorteilsabschöpfung diene, sei nicht ersichtlich, warum die Ertragskompetenz zwingend an die Verwaltungszuständigkeit geknüpft werden müsse. Eine nicht-steuerliche Einnahme dieser Art führe zu einseitiger Bereicherung und Mehreinnahme, der kein adäquater Verwaltungsaufwand gegenüberstehe. Da diese Einnahmenwirkung der von Steuern entspreche, sei es sinnvoll, deren Ertragsverteilungsregeln entsprechend heranzuziehen.430 b) Ungeteilte Ertragskompetenz Im Ergebnis kommt die Teilung der Ertragskompetenz für Versteigerungserlöse zwischen Bund und Ländern jedoch nicht in Betracht.431 Versteigerungserlöse haben zwar unter Einnahmengesichtspunkten vergleichbare haushaltsrechtliche Wirkungen wie Steuern. Im Gegensatz zu Steuern ermöglichen Versteigerungserlöse aber durch ihre Gegenleistungsabhängigkeit eine Zuordnung zu einem Verwaltungsträger, die für Steuern nicht möglich ist. Steuern dienen allein der Finanzierung des allgemeinen Staatshaushaltes, die im Bundesstaat allen Verwaltungsträgern gleichermaßen obliegt. Ein besonderer Sachzusammenhang zwischen Vereinnahmung einer Steuer und einer besonderen Leistung dieses Verwaltungsträgers besteht nicht, so dass eine ausdrückliche Regelung steuerlicher Ertragshoheit notwendig ist. Versteigerungserlöse haben mit der Steuer gemeinsam, dass auch sie der Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts dienen. Sie werden aber wie Verwaltungs- und Benutzungsgebühren als Gegenleistung für einen gewährten Sondervorteil erhoben und dienen dem Zweck, dessen Wert abzuschöpfen.432 Bei Erhebung von Versteigerungserlösen besteht daher der gleiche Sachzusammenhang mit einer Verwaltungsleistung, der auch bei den klassischen Gebührenarten besteht. Diese Sonderverbindung macht eine ausdrückliche Ertragszuweisungsregel, wie sie für Steuern notwendig ist, entbehrlich und rechtfertigt die Akzessorietät von Ertrags- und Verwaltungshoheit.433 Korioth (2000) S. 78 ff. Korioth (2000) S. 79. Zur Begründung zieht Korioth daneben noch ein ökonomisches Argument heran: Wenn, wie bei Funkfrequenzen, knappe, vom Staat nicht geschaffene Gemeinschaftsgüter von der ökonomischen Lehre als Gut aller Bürger bezeichnet würden, so sei es sinnvoll, dieses Allgemeingut auch allen Gebietskörperschaften zugute kommen zu lassen, ders. a. a. O. 431 Mit Blick auf die UMTS-Erlöse gegen einen „Primäranspruch“ auch Kämmerer (2002) S. 164. 432 A. Leist (2002) S. 904. Für Verleihungsgebühren ähnlich BVerfGE 93, 319 (S. 345 f.). 433 Daher kann der Bund die Ertragshoheit für Versteigerungserlöse des TKG beanspruchen, A. Leist (2002) S. 904. Das Anknüpfen der Ertragshoheit an die Verwaltungskompetenz 429 430
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
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III. Störung des bundesstaatlichen Finanzgleichgewichts durch Versteigerungserlöse? Wendet man an dieser Stelle den Blick zurück, bleibt festzustellen, dass entgegen starker finanzverfassungsrechtlicher Kritik die Erhebung von Versteigerungserlösen zulässig ist und deren Ertrag allein der Körperschaft zufließt, welche als Inhaber der Verwaltungskompetenz das versteigerte Gut zuwendet. Dies legt es nahe, nochmals auf den Kernpunkt finanzverfassungsrechtlicher Kritik an Versteigerungserlösen zurückzukommen. Diese gründet sich auf die Befürchtung, hohe Versteigerungserlöse könnten das Finanzgleichgewicht von Bund und Ländern stören. Sowohl das im Rahmen der Erlöserhebung aufgeworfene Argument der Unvereinbarkeit von Versteigerungserlösen mit dem Grundsatz des Steuerstaates als auch die These geteilter Ertragskompetenz von Bund und Ländern greifen auf die Festestellung zurück, durch hohe nicht-steuerliche Einnahmen werde das durch die Art. 106 ff. GG sorgsam austarierte föderale Finanzgleichgewicht empfindlich gestört.434 Im Rahmen der Erlöserhebung wurde die Kritik unter Hinweis auf ein überdehntes Steuerstaatsverständnis entkräftet, im Rahmen der Ertragsverteilung wegen einer besonderen Verbindung von zuwendendem Verwaltungsträger und Versteigerungserlös zurückgewiesen.435 Der Einwand, hohe Versteigerungserlöse könnten das Finanzgleichgewicht der Art. 106 ff. GG stören, fand nur am Rande Beachtung. Er lässt sich aber mit Blick auf die Regelungen des sekundären Finanzausgleichs entkräften. Versteigerungserlöse können, wenn sie wie bei der UMTS-Versteigerung beachtliche Höhe erreichen, auf Seiten der allein ertragsberechtigten Körperschaft zu spürbarem Anwachsen des Abgabenaufkommens führen. Durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, die den Versteigerungserlöse entrichtenden Abgabenpflichtigen vor übermäßiger weiterer Inanspruchnahme durch voraussetzungslose Steuern schützen, kann dem Erlösaufkommen einer Auktion ein vermindertes Steueraufkommen gegenüberstehen.436 Sind dadurch die Gemeinschaftssteuern des Art. 106 Abs. 3 GG betroffen, wird nicht nur durch das Abgabenaufkommen aus Versteigerungserlösen auf Seiten einer der am Finanzausgleich beteiligten Körgrenzt zum einen die Kompetenzbereiche von Bund und Ländern gegeneinander ab. Zugleich hat es horizontale Abgrenzungsfunktion, da auch im Verhältnis der Länder untereinander keine weitere Abgrenzung notwendig ist. Bei Aufteilung der Ertragshoheit zwischen Bund und Ländern ist eine weitere, diese Frage betreffende Regelung erforderlich, die Korioth in der Verteilung nach örtlichem Aufkommen entsprechend Art. 107 Abs. 1 S. 1 bis 3 GG sieht, ders. (2001) S. 80. 434 Korioth (2001) S. 80 f. 435 Siehe oben 4. Kapitel A. II. 1. c) und B. II. 2. b). 436 Die als Lizenzgebühren entrichteten Erlöse der UMTS-Versteigerung können von den erfolgreichen Bietern nach § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 8 Abs. 1 KStG als Betriebsausgaben über einen Abschreibungszeitraum von 20 Jahren, der Nutzungsdauer der Lizenz, steuermindernd in Anschlag gebracht werden. Dies lässt für die gesamte Nutzungsdauer erhebliche Steuermindereinnahmen vermuten, Korioth (2001) S. 85 f.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
perschaften ein Ungleichgewicht verursacht, sondern durch Absinken des Steueraufkommens infolge von Abschreibungen die Finanzmasse der übrigen Verwaltungsträger zusätzlich vermindert.437 Kommt es infolge der Vereinnahmung von Versteigerungserlösen zu relevanten Aufkommensverschiebungen, sieht das Grundgesetz eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile vor, wenn sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt.438 Die Verfassung verpflichtet den Gesetzgeber durch Art. 106 Abs. 4 S. 1, Abs. 3 S. 4 GG, die Revisionsklausel, zur Abänderung der Umsatzsteuerquoten, wenn die Geschäftsgrundlage für deren Festlegung entfallen ist. Voraussetzung eines Abänderungsanspruchs ist die wesentliche und nachhaltige Divergenz in der Entwicklung der Deckungsquoten von Bund und Ländern.439 Lässt sich eine solche diagnostizieren, sind die Umsatzsteuerquoten nach Art. 106 Abs. 3 S. 4 „im Rahmen der laufenden Einnahmen“ und „unter Berücksichtigung mehrjähriger Finanzplanung“ neu zu bemessen.
1. Voraussetzungen eines Revisionsanspruchs Die Voraussetzungen eines Revisionsanspruchs, die „wesentlich andere Entwicklung“, sind tatbestandlich nur schwer zu konkretisieren; feste Prozentzahlen, welche diese bestätigen, lassen sich kaum festlegen.440 Unter Berücksichtigung der Funktion der Revisionsklausel als verfassungsrechtliche Ausprägung einer clausula rebus sic stantibus441 muss sich die geltende, auf Dauer angelegte Regelung infolge veränderter, unerwarteter Umstände überholt haben.442 Danach bedeutet Wesentlichkeit jedenfalls eine deutliche oder sogar tief greifende Veränderung der vorherigen Verhältnisse, die eine nachhaltige Verschiebung der Entwicklung 437 Bezogen auf die Erlöse der UMTS-Versteigerung befürchteten die Länder eben diese Schieflage und klagten vor dem Bundesverfassungsgericht auf Beteiligung an den Erlösen. Ihr Begehren hatte keinen Erfolg, BVerfG DVBl. 2002, 704. Kritisch Hidien (2002) S. 419 f.; A. Leist (2002) S. 903 ff. 438 Korioth (2001) S. 86: „Das grundgesetzlich vorgesehene Instrument, relevante Aufkommensverschiebungen zwischen den bundessstaatlichen Ebenen auszugleichen, ist die Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile.“ 439 Heun in: Dreier (2000) Art. 106 Rn. 26; Hidien in: Bonner Kommentar (Stand Juni 2002) Art. 106 Rn. 974; J.-P. Schneider in: AK-GG (3. Auflage Stand 2001) Art. 106 Rn. 11; Siekmann in: Sachs (1999) Art. 106 Rn. 21. 440 Maunz in: Maunz / Dürig (Stand Juni 1978) Art. 106 Rn. 65 bietet als Richtwert eine Veränderung „in der Größenordnung von 1 Prozent Umsatzsteuer oder mehr“. Ob sich das Wesentlichkeitskriteriums tatsächlich rational in Zahlen ausdrücken lässt, kann bezweifelt werden. 441 Hidien in: Bonner Kommentar (Stand Juni 2002) Art. 106 Rn. 976. 442 Ähnlich der Regierungsentwurf zur Finanzreform 1955, BT-Drs. 2 / 480 S. 77, wo es heißt, die Revisionsklausel diene als „ultima ratio“ und stehe „nur für wirkliche Notbedürfnisse zur Verfügung“.
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
155
zur Folge hat.443 Durch das Wort „nachhaltig“ ist bereits angedeutet, was von der Voraussetzung „anderer Entwicklung“ verlangt wird. Die Veränderung darf sich nicht nur als einmaliges Ereignis darstellen, sondern muss auch die maßgeblichen Entwicklungsdaten der Vergangenheit und Zukunft berücksichtigen.444 Die Voraussetzungen der Revisionsklausel werden durch Versteigerungserlöse weniger infolge ihrer Berücksichtigung als haushaltsmäßiger Aktivposten, denn indirekt, als Passivposten durch Steuermindereinnahmen ausgelöst werden. Als Einnahmentatbestand fällt die Erhebung in ein Haushaltsjahr und begründet kaum eine „andere Entwicklung“; als Voraussetzung für Steuermindereinnahmen infolge von Abschreibungen hat sie hingegen längerfristige Konsequenzen.
2. Rechtsfolgen des Revisionsanspruchs Liegen die Voraussetzungen der Revisionsklausel vor, besteht Anspruch auf Neufestsetzung der Umsatzsteuerquoten, die sich an den Maßstäben des Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG orientiert. Ob Versteigerungserlöse dabei zu berücksichtigen sind, hängt im Rahmen vergleichender Deckungsquotenberechnung445 davon ab, ob diese „laufende Einnahmen“ im Sinne von Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG sind. Der Begriff laufender Einnahmen soll einmalige, nicht planbare und nur kurzfristige Veränderungen bewirkende Einnahmen ausgrenzen, ist finanzwissenschaftlich aber nicht klar inhaltlich umrissen.446 Als Prototyp laufender Einnahmen gelten – insofern wiederum Ausdruck eines Regelungsgrundsatzes – Steuern;447 nicht-steuerliche Einnahmen sind als solche zu berücksichtigen, wenn sie keine nur kurzfristigen Veränderungen bewirken. Bei Beantwortung der Frage, ob das Aufkommen von Gebühren zu berücksichtigen ist, besteht Uneinigkeit. Teilweise wird vertreten, dies sei der Fall;448 sofern die Berücksichtigung als „laufende Einnahmen“ abgelehnt wird, wird dies mit der Vergleichbarkeit mit einem durchlaufenden Posten begründet. Gebühren blieben wegen des Kostendeckungsprinzips unberücksichtigt, da sie Mittelzuflüsse seien, denen gleichwertige Ausgaben oder Vermögensverminderungen gegenüberstünden.449 Diese Argumentation hat aber erkennbar die klassischen Verwaltungs- und Benutzungsgebühren vor Augen; für Gebühren, denen kein nennenswerter Verwaltungsaufwand gegenübersteht, kann sie keine Geltung beanspruchen. Da (Verleihungs-)Gebühren, die allein der VorKorioth (2001) S. 87. Hidien (1998) S. 343; ders. in: Bonner Kommentar (Stand Juni 2002) Art. 106 Rn. 975. 445 Siekmann in: Sachs (1999) Art. 106 Rn. 17. 446 Korioth (1997) S. 493. 447 Henneke (2000) Rn. 615; Hidien (1998) S. 250; Maunz in: Maunz / Dürig (Stand Juni 1978) Art. 106 Rn. 45; einschränkend Korioth (1997) S. 493. 448 So Fischer-Menshausen in: v. Münch / Kunig (1996) Art. 106 Rn. 26b; Maunz in: Maunz / Dürig (Stand Juni 1978) Art. 106 Rn 46. 449 Korioth (1997) S. 493; Hidien (1998) S. 275. 443 444
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Fragen
teilsabschöpfung dienen, in ihrer Einnahmenwirkung, nämlich der Erwirtschaftung freier Finanzmittel, der Steuer vergleichbar sind und es allein von der haushaltstechnischen Vereinnahmung abhängt, ob eine nicht-steuerliche Abgabe dieser Art in einem Haushaltsjahr oder für den gesamten Nutzungszeitraum der gewährten staatlichen Leistung verbucht wird, spricht einiges dafür, nicht-steuerliche Abgaben dieser Art als „laufende Einnahmen“ zu begreifen.450 Versteigerungserlöse werden dann bei Neufestsetzung der Umsatzsteuerverteilungsquote berücksichtigt, so dass die vorherige Schieflage des föderalen Finanzgleichgewichts austariert werden kann.451
3. Mehrbelastungsausgleich Problematisch, weil eine Störung des bundesstaatlichen Finanzgleichgewichtes bewirkend, sind danach nur noch Versteigerungserlöse, deren Erträge nicht die Voraussetzungen eines Revisionsanspruchs auslösen. Eine Störung geht von diesen jedoch nicht aus. Sind die Erträge nur von geringem Umfang, so dass sie das Merkmal wesentlicher Veränderung nicht erfüllen, werden sie durch die Finanzverfassung akzeptiert. Dies folgt bereits aus dem Umkehrschluss aus Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG,452 ergibt sich aber auch aus Sinn und Zweck der Norm. Die auf längere Frist angelegte Festlegung der Beteiligungsquoten würde sinnlos, wenn jede auch nur marginale Änderung der Rahmenbedingungen das Regelwerk zu Fall bringen könnte.453 Sind die Erträge zwar von gewissem Umfang und von finanzausgleichsrechtlicher Spürbarkeit, bewirken aber keine nachhaltige Veränderung des Deckungsquotenverhältnisses, so kommt, wenn diese Voraussetzungen auf Seiten der Länder vorliegen, der Mehrbelastungsausgleich durch Finanzzuweisungen des 450 Ähnlich Korioth (2001) S. 92 f. Das Bundesverfassungsgericht ist in der UMTS-Entscheidung dieser Frage aus dem Wege gegangen [BVerfG DVBl. 2002, 704 (S. 705)]. Eine Thematisierung in einem erneuten Verfahren ist dadurch jedoch nicht ausgeschlossen und hat Erfolgschancen, wenn sich die befürchtete doppelte Belastung der Länder durch Nichtbeteiligung und Steuermindereinnahmen bewahrheitet, vgl. A. Leist (2002) S. 905. 451 Diese Lösung favorisiert Schwarz (2001) S. 148 für die Verteilung der UMTS-Versteigerungserlöse, geht aber davon aus, dass ein solcher Anspruch nur dem Grunde nach besteht und tatsächlich besondere Finanzzuweisungen zur Folge habe, a. a. O. S. 148. 452 Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG verpflichtet den Bundesgesetzgeber, die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und den Einnahmen und Ausgaben der Ländergesamtheit wesentlich anders entwickelt. E contrario akzeptiert die Finanzverfassung Schwankungen, welche sich aus dem Verhältnis der allein dem Bund zugewiesenen Steuererträge zu den allein den Ländern zugewiesenen Steuererträgen ergeben, sofern diese im Ergebnis nur geringfügig sind. 453 Dies bringt auch der Regierungsentwurf zur Finanzreform 1955 zum Ausdruck, BTDrs. 2 / 480 S. 77, wo es heißt, die Revisionsklausel solle nicht dazu führen, „den gegenwärtigen Zustand alljährlicher Auseinandersetzung um die Beteiligungsquote . . . aufrechtzuerhalten.“
4. Kap.: Versteigerungen als staatliche Einnahmequelle
157
Bundes (Art. 106 Abs. 4 S. 2 und 3 GG) in Betracht.454 Hat eine gesetzliche Versteigerungsregelung – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit abschreibungsrelevanten Steuernormen – finanzmindernde Wirkung,455 kann dies bei Fortbestehen der haushaltsrelevanten Verpflichtungen eines Landes zu einer Mehrbelastung führen,456 die durch Finanzzuweisungen des Bundes auf Grundlage eines zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes ausgeglichen werden kann.457 Der Mehrbelastungsausgleich ist aber in Abgrenzung zur Revisionsklausel auf einen kurzen Zeitraum begrenzt (Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG).458 Störungen des bundesstaatlichen Finanzgleichgewichtes infolge der Vereinnahmung von Versteigerungserlösen sind nicht zu befürchten.
454 Der Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 und 3 GG gewährt einen Ausgleich nur, wenn die Zusatzbelastung auf Seiten der Länder besteht. Für eine „Bereicherung“ der Länder auf Kosten des Bundes trifft das Grundgesetz keine Regelung. Seine Ursache hat dies wohl in einem praktischen Gefährdungsrisiko: Eine Bedrohung des föderalen Finanzgleichgewichts geht weniger von den Ländern, als vom Bund aus. So konstatiert Sacksofsky, dass es schwer falle, in der Erweiterung der finanziellen Handlungsmöglichkeiten der Länder „echte Gefahren für den Bundesstaat zu sehen. Wenn über Gefahren für den Bundesstaat gesprochen wird, ist eigentlich immer die Sorge um den Verlust von Eigenständigkeit der Länder gemeint. Die gesamte neuere Diskussion um eine Reform des Bundesstaates zielt demgemäß darauf ab, den Ländern weitergehende Befugnisse – auch im Finanzwesen – zu verschaffen, nicht, sie zu begrenzen“, Sacksofsky (2000) S. 179 f. m. w. N. (Hervorhebungen im Original). 455 Der Wortlaut der Norm regelt zunächst einen anderen Fall, nämlich den, dass die finanzmindernde Wirkung unmittelbar aus einem Gesetz folgt. Bei erweiternder, systematischer Interpretation erfasst sie jedoch auch Fälle, in denen den Ländern infolge gesetzlicher Regelungen Einnahmen entzogen werden, da der Mehrbelastungsausgleich darauf zielt, die Finanzkraft der Länder zu wahren. Im Ergebnis ebenso Korioth (2001) S. 94. 456 Dies ist streitig. Vogel / Walter in: Bonner Kommentar (Stand Dez. 1972) Art. 106 Rn. 115 vertreten die Auffassung, dass verminderte Erträge bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer von Vornherein nicht zu einer Mehrbelastung der Länder führen könnten, weil diese Bund und Ländern gleichermaßen träfen. Differenzierter Hidien in: Bonner Kommentar (Stand Nov. 2002) Art. 106 Rn. 1156. 457 Diese Lösung favorisiert Kämmerer (2002) S. 164 mit Blick auf die UMTS-Erlöse. 458 Diese Lösung favorisiert Hidien (2002) S. 420 zur Kompensation der allein dem Bund zufließenden UMTS-Versteigerungserlöse.
3. Te i l
Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und -frequenzen Das Versteigerungsverfahren des TKG für Frequenzen und Mobilfunklizenzen wurde in dieser Arbeit bereits mehrfach angesprochen, da eine Untersuchung von Versteigerungen kaum ohne Bezüge zum bislang einzigen Anwendungsfall dieses Konzeptes auskommen kann. An zwei Stellen fand die Regelung des TKG dabei besondere Beachtung. Zum einen im 1. Teil, wo sie als Beispiel einer gesetzlichen Versteigerungsregelung dargestellt wurde,1 zum anderen im 2. Teil, wo sie als Beispiel einer von komplexen Regulierungsinteressen getragenen Vergabesituation aufgegriffen wurde, wobei untersucht wurde, ob es möglich ist, die Regulierungsund Vergabeziele des TKG in einer Versteigerung umzusetzen.2 In beiden Fällen war die Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und -frequenzen konkretes Beispiel des abstrakten Auktionskonzeptes. Gegenstand der Untersuchung war aber das Auktionskonzept, nicht die Regelung des TKG. Die Untersuchungen des 2. Teils haben ergeben, dass Auktionen grundsätzlich ein denkbares, mit demokratischen, rechtsstaatlichen und finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbares Vergabeverfahren sind. Ob die Regelung des Versteigerungsverfahrens, wie sie im TKG getroffen wurde, rechtlich zulässig ist, blieb hingegen offen. Diese Frage soll in diesem, letzten Teil der Arbeit geklärt werden. Die Normen, denen telekommunikationsrechtliche Versteigerungen genügen müssen, bilden ein engmaschigeres Netz, als das, welches für die Untersuchung des Auktionskonzeptes im 2. Teil bestand. Dies wird verständlich, wenn man sich die Hintergründe der Entstehung des TKG vergegenwärtigt. Es geht auf eine spezifisch telekommunikationsrechtliche Verfassungsänderung zurück, die wiederum europarechtlich beeinflusst war. Bereits in den 1980er Jahren setzten sich die europäischen Gesetzgebungsorgane die schrittweise Schaffung eines offenen gemeinschaftsweiten Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen zum Ziel3 und erließen, gestützt auf Art. 86 III EGV (früher Art. 90 III EGV), entsprechende Richtlinien.4 Für die RegelunSiehe oben 1. Kapitel D. I. Siehe oben 3. Kapitel B. II. 3 So Erwägungsgrund Nr. 1 RL 90 / 388 / EWG. 4 Zur schrittweisen Deregulierung nach europäischem Recht Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 1 TKG Rn. 2; Scherer in: Scherer (1995.) S. 13 ff. 1 2
3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
159
gen des TKG maßgeblich sind die Dienste-,5 die ONP-6 und die Genehmigungsrichtlinie.7 Erstere verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Beseitigung aller Monopole für die Errichtung und Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen und die Erbringung von Telekommunikationsleistungen. 8 Die ONP-Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten die Herstellung freien Zugangs zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen9 und enthält zu diesem Zweck Ermächtigungen für die Europäische Kommission zur Harmonisierung technischer Standards.10 Die Genehmigungsrichtlinie schreibt schließlich die Rahmenbedingungen bei der Genehmigungserteilung für den Telekommunikationsnetzbetrieb und -dienstleistungen vor.11 Die vom europäischen Recht vorgegebene Linie wird durch das deutsche Telekommunikationsrecht nachgezeichnet. An Stelle des Fernmeldewesens trat das Telekommunikationsrecht; der neu eingefügte Art. 87 f Abs. 2 GG12 verpflichtet den Gesetzgeber sicherzustellen, dass Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation als privatwirtschaftliche Tätigkeit durch die Deutsche Telekom AG und andere private Anbieter erfüllt werden.13 Das TKG erfüllt diesen Verfassungsauftrag, indem es die Voraussetzungen für den Zutritt zu den Märkten der Telekommunikation regelt, wobei es zugleich Vorkehrungen für eine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Telekommunikationsunternehmen trifft und den rechtlichen Rahmen für den Aufbau und Betrieb von Telekommunikationsnetzen vorgibt. Diese Marktzutrittsregelungen sind der (vorläufige) Abschluss einer Liberalisierung und Öffnung des Telekommunikationsmarktes, der die Verselbständigung14 und Privatisierung15 des in staatlicher Verwaltung geführten Fernmeldewesens vorausging. Richtlinie 90 / 388 / EWG in der durch die Richtlinie 96 / 19 / EG geänderten Fassung. Richtlinie 90 / 387 / EWG. ONP steht für Open Network Provision, dazu Stolz (1998) S. 292 ff. 7 Richtlinie 97 / 13 / EG. 8 Art. 2 Abs. 1 lit. a RL 90 / 388 / EWG. 9 Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 12 RL 90 / 387 / EWG. 10 Art. 4 RL 90 / 387 / EWG. 11 Ausführlich zu den Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts im 5. Kapitel A. 12 Gesetz vom 30. 8. 1994, BGBl. I S. 2245 ff. 13 Scherer (1996) S. 2953. Zur Gesetzgebungsgeschichte des TKG Börnsen (1996) S. 321 ff. 14 Die „Postreform I“ von 1989 zielte ua. auf eine Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben der damaligen Deutschen Bundespost und die Aufspaltung in drei rechtlich unselbständige Anstalten (Postdienst, Postbank und Telekom) mit unternehmerischer Struktur, vgl. dazu Börnsen (1996) S. 324, Scherer (1996) S. 2953. 15 Die „Postreform II“ von 1994 setzte mit der Änderung von Art. 87 I GG und der Einfügung von Art. 87 f und 143 b GG die (verfassungs-)rechtlichen Rahmenbedingungen für die Organisationsprivatisierung der drei Postunternehmen, welche 1995 vollzogen wurde. Die Übertragung der Monopolrechte war bis längstens Ende 1997 befristet worden. Zur Postreform II Scherer (1994) S. 418 ff. 5 6
160
3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
Die Vereinbarkeit der telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsregelung mit diesen Normen wird im Folgenden untersucht werden, wobei zunächst der Vereinbarkeit mit europäischem Recht nachgegangen wird (5. Kapitel). Im Anschluss wird das Versteigerungsverfahren des TKG auf seine Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht überprüft (6. Kapitel). Letzteres umfasst das Telekommunikationsverfassungsrecht, aber auch alle übrigen einschlägigen Normen der Verfassung. Durch Art. 87 f GG wird das Telekommunikationsrecht verfassungsrechtlich dichter normiert als andere Bereiche des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Das Telekommunikationsverfassungsrecht bewirkt weder Substitution noch Lockerung der Anforderungen der übrigen Verfassungsnormen,16 sondern verschärft die Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Regelung.
5. Kapitel
Vereinbarkeit der Versteigerungsregelung des TKG mit Europarecht Die Gemeinschaftsrechtsordnung ist „vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaates bestehenden Rechtsordnung“, so dass „ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar“ sind.17 Daher muss die Versteigerungsregelung des TKG sowohl an primärem als auch an sekundärem Gemeinschaftsrecht gemessen werden. Auf der Ebene des sekundären Gemeinschaftsrechts ist das in Richtlinien und Entscheidungen niedergelegte europäische Telekommunikationsrecht maßgeblich. Auf der Ebene der Gründungsverträge muss die Vergaberegelung des TKG insbesondere an den Grundfreiheiten überprüft werden.
A. Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht I. Genehmigungsrichtlinie (RL 97 / 13 / EG) Die Genehmigungsrichtlinie 18 regelt die Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten sowie die Errichtung oder den Betrieb von Telekommunikationsnetzen (Art. 1). Art. 2 Abs. 1 lit. a unterLerche in: Maunz / Dürig (Stand Okt. 1996) Art. 87 f Rn. 83; Varadinek (2001) S. 22. EuGH Slg. 1978, S. 629 ff. (630) – Simmenthal II; sinngemäß bereits EuGH Slg. 1964, S. 1251 ff. (1256 f.) – Costa / E.N.E.L.; aus Sicht des deutschen Rechts bestätigend BVerfGE 31, 145 ff. (174); vgl. auch Herdegen (2001) Rn. 228 ff.; Streinz (1999) Rn. 179 ff. 18 RL 97 / 13 / EG. 16 17
5. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Europarecht
161
scheidet Allgemein- und Einzelgenehmigungen, was der Anzeigepflicht und der Genehmigung nach deutschem Recht entspricht.19
1. Zulässigkeit der Lizenzpflicht Telekommunikationslizenzen nach § 6 TKG sind Einzelgenehmigungen im Sinne der Genehmigungsrichtlinie, weil durch die Genehmigung einem Unternehmen bestimmte Rechte verliehen werden, die es ohne Zustimmung der Regulierungsbehörde nicht ausüben kann. Die Zulässigkeit der Lizenzpflicht ergibt sich aus Art. 7 der Richtlinie. Zwar ordnet Art. 3 Abs. 3 S. 1 den grundsätzlichen Vorrang der Allgemeingenehmigung an. Einzelgenehmigungen sind aber zulässig, soweit der Genehmigungsträger Zugang zu knappen Ressourcen erhält, besonderen Verpflichtungen unterworfen ist oder besondere Rechte genießt (Art. 3 Abs. 3 S. 2). Einen ausdrücklichen Katalog für die Zulässigkeit von Einzelgenehmigungen enthält Art. 7. Dessen Abs. 2 sieht für die Errichtung und Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen, bei denen Funkfrequenzen genutzt werden, generell die Möglichkeit von Einzelgenehmigungen vor.
2. Anforderungen der Art. 10 und 11 der Genehmigungsrichtlinie Für die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens für Einzelgenehmigungen durch den nationalen Gesetzgeber ist Abschnitt III der Genehmigungsrichtlinie maßgeblich. Die Art. 8 bis 10 der Genehmigungsrichtlinie legen den Rahmen möglicher und notwendiger mitgliedstaatlicher Regulierungen bei der Vergabe von Telekommunikationslizenzen fest; Art. 11 betrifft den abgabenrechtlichen Rahmen. Die Anforderungen an die Verteilungsordnung bei knappen Ressourcen werden durch Art. 10 vorgegeben. Gemäß Art. 10 Abs. 1 darf die Anzahl der Einzelgenehmigungen nur in dem Maße beschränkt werden, wie dies zur Gewährleistung der effizienten Nutzung von Funkfrequenzen erforderlich ist. Die solchermaßen begrenzte Anzahl von Einzelgenehmigungen darf nach Art. 10 Abs. 3 nur aufgrund von Auswahlkriterien verteilt werden, die objektiv, nicht diskriminierend, detailliert, transparent und verhältnismäßig sind. Zudem soll bei einer solchen Auswahl in angemessener Weise berücksichtigt werden, dass die Entwicklung des Wettbewerbs gefördert und der Nutzen für die Benutzer maximiert werden muss. Art. 11 eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für die Genehmigung Gebühren zu erheben. Nach Absatz 1 Satz 1 sind grundsätzlich nur solche Gebühren zulässig, welche die entstehenden Verwaltungskosten abdecken; Satz 2 bestimmt für Einzelgenehmigungen zusätzlich, dass die Gebührenhöhe in Relation 19
Korioth (2001) S. 12.
11 Leist
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
mit dem damit verbundenen Aufwand stehen muss. Für den Fall, dass auf knappe Ressourcen zurückgegriffen wird, erweitert Art. 11 Abs. 2 den Gebührenrahmen dahingehend, dass auch über die Verwaltungskosten hinausgehende Abgaben zulässig sind, sofern sie die Notwendigkeit widerspiegeln, die optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherzustellen. Diese Abgaben dürfen nicht diskriminierend sein und müssen insbesondere der Notwendigkeit Rechnung tragen, die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb zu fördern.
3. Versteigerungen und Art. 10 der Genehmigungsrichtlinie Die Lizenzbeschränkungsregel des Art. 10 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie wird durch § 10 S. 1 TKG, der eine Beschränkung der Anzahl der Lizenzen nur dann zulässt, wenn nach dem Frequenznutzungsplan zur störungsfreien und effizienten Nutzung der Funkfrequenzen (§ 46 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG) nicht ausreichende Kapazitäten vorhanden sind, fast gleichlautend umgesetzt. Das Beschränkungsverfahren (§ 10 S. 2 TKG) entspricht Art. 10 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie. Das Vergabeverfahren für solchermaßen beschränkte Genehmigungen muss auf objektiven, nicht diskriminierenden, detaillierten, transparenten und verhältnismäßigen Kriterien beruhen (Art. 10 Abs. 3 S. 1 der Genehmigungsrichtlinie). Zudem ist bei einer solchen Auswahl zu berücksichtigen, dass die Entwicklung des Wettbewerbs gefördert und der Nutzen für die Benutzer maximiert werden muss (Art. 10 Abs. 3 S. 2). a) Allgemeine Vergabegrundsätze Die Auswahlkriterien des Satz 1 nehmen für das Vergabeverfahren im Wesentlichen allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze auf.20 Allerdings stehen diese Vergabegrundsätze und die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Leitlinien nicht ganz widerspruchsfrei nebeneinander.21 So kann die Förderung des Wettbewerbs durchaus die Diskriminierung eines marktbeherrschenden Unternehmens bedingen. Die Anforderungen der Vergabegrundsätze werden nur durch stark auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe festgelegt, so dass die normative Wirkung dieser Vorgaben begrenzt ist.22 Der nationale Gesetzgeber ist zwar zur Umsetzung dieser Vorgaben verpflichtet, jedoch bleibt ihm die Gewichtung der Auswahlkriterien und Vergabeleitlinien überlassen, sofern nicht die Rechtssetzungsorgane der Europäischen Gemeinschaft genauere Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens getroffen haben.23 Ein solcher Rechtsakt ist für die Verfahrensausgestaltung generell 20 21 22 23
Grzeszick (1997a) S. 882; Grzeszick (1997b) S. 914; Koenig (2001) S. 46. Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 2; Koenig (2001) S. 45. Koenig (2001) S. 45 Koenig (2001) S. 46.
5. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Europarecht
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nicht erfolgt.24 Aus Sicht des deutschen Rechts wird durch die Vorgaben des Art. 10 Abs. 3 S. 1 daher nur bekräftigt, dass auch das Vergabeverfahren für Telekommunikationslizenzen, deren Anzahl beschränkt worden ist, rechtsstaatlichen Anforderungen genügen muss. Mit allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen sind Versteigerungen vereinbar.25 Objektivität und Detailliertheit entsprechen ungefähr den Anforderungen, die im Grundgesetz durch Sachgerechtigkeit und Bestimmtheit verlangt werden und denen eine Versteigerung genügt.26 Transparenz meint im Kontext eines Vergabeverfahrens die Durch- und Einsichtigkeit der Auswahlentscheidung und verlangt, dass für die Beteiligten im Vorfeld klar erkennbar ist, nach welchen Regeln und Kriterien die Vergabeentscheidung gefällt werden wird. Ein Vergabeverfahren, das nach den Anforderungen des Verfassungsrechts individuell zumutbar ist, entspricht daher den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an ein transparentes Vergabeverfahren. Versteigerungen genügen diesem Kriterium. Ausschlusskriterium für den Erfolg oder Misserfolg eines Bieters ist die Höhe des abgegebenen Gebotes. Sofern durch Modifikationen des Versteigerungsverfahrens bestimmte Regulierungsziele verwirklicht werden sollen, sind diese aus den Versteigerungsregeln klar ersichtlich. Da eine Auktion offen und nach den vorher festgelegten Versteigerungsregeln durchgeführt wird, sind die Voraussetzungen, unter denen schließlich der Zuschlag erteilt wird, im Voraus bekannt. Es besteht keine Gefahr, dass durch die Regulierungsbehörde nicht hinreichend nachprüfbare Gewichtungen vorgenommen oder gar tatsächlich andere Kriterien bei der Vergabe berücksichtigt werden, ohne dass dies nach außen deutlich gemacht wird.27 b) Lizenzspezifisches Diskriminierungsverbot Eine Sonderstellung unter den Anforderungen des Art. 10 Abs. 3 S. 1 nimmt das Verbot eines diskriminierenden Vergabeverfahrens ein. Zwar ist das Gebot eines diskriminierungsfreien Verfahrens im deutschen Verfassungsrecht durch Art. 3 GG abgesichert, dem Versteigerungen grundsätzlich genügen. In Form des lizenz24 Eine gewisse, einzelfallbezogene Konkretisierung der Richtlinienvorgaben ist für die Vergabe von UMTS-Lizenzen durch die UMTS-Entscheidung (Entscheidung Nr. 128 / 1999 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dez. 1998 über die koordinierte Einführung eines Drahtlos- und Mobilkommunikationssystems [UMTS] der dritten Generation in der Gemeinschaft, ABl. L 17 S. 1) erfolgt. Für die Frage, ob eine Ausgestaltung des Vergabeverfahrens als Versteigerungsverfahren europarechtlich zulässig ist, hat diese Entscheidung jedoch aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit keine Bedeutung. Ob sie der Vergabe der UMTS-Lizenzen im Versteigerungsverfahren im Wege stand, ist umstritten. Bejahend Koenig (2001) S. 53 f., anders Korioth (2001) S. 48. 25 Siehe oben 2. bis 4. Kapitel. 26 Siehe oben 3. Kapitel, anders dagegen Piepenbrock / Müller (2001) S. 56. 27 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 39 ff.; Monopolkommission (2000) S. 57 f. Tz. 46; Begründung zu § 11 Abs. 4 TKG im Gesetzesentwurf BT-Drs. 13 / 3609 S. 39; Korioth (2001) S. 46 f.; im Ergebnis auch Gramlich (2000) S. 105.
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
spezifischen Diskriminierungsverbotes gehen die Anforderungen jedoch über den Gleichheitssatz hinaus, weil sie insbesondere auf die Gleichbehandlung von ausländischen EU-Bürgern und Inländern gerichtet sind und dadurch eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ausschließen. Das Gebot der Diskriminierungsfreiheit des Vergabeverfahrens ist die lizenzspezifische Ausprägung des allgemeinen europarechtlichen Diskriminierungsverbotes. Es verlangt, dass allen Bewerbern das gleiche Verfahren zukommt, ohne dass bestimmte Bewerbergruppen von vornherein ausgegrenzt werden. Ein weitergehender Ausschluss von Privilegierungen oder Benachteiligungen jeder Art ist hingegen nicht gemeint. Zum einen würde das Diskriminierungsverbot sonst in Widerspruch zu den in Art. 10 Abs. 3 S. 2 bestimmten Regulierungszielen geraten, weil die Förderung des Wettbewerbs unter Umständen die Benachteiligung eines marktstarken oder marktbeherrschenden Unternehmens verlangen kann. Zum anderen ist eine gewisse Benachteiligung jeder Verteilungsordnung immanent, weil in einem Auswahlverfahren für eine begrenzt vorhandene Ressource nicht alle Bewerber erfolgreich sein können. Als formaler Maßstab verlangt das lizenzspezifische Diskriminierungsverbot ein Auswahlverfahren, das auf alle Bewerber gleich angewendet wird, ohne dass bestimmte Bewerbergruppen, insbesondere Bewerber aus anderen EU-Staaten, von vornherein ausgegrenzt werden. Dass zwischen den Bewerbern nach einem bestimmten Kriterium differenziert wird, bedeutet keine Diskriminierung.28 Weil jeder Teilnehmer zu Beginn des Verfahrens die gleichen Handlungsmöglichkeiten hat und vom Auktionator die gleiche Behandlung erfährt, sind Versteigerungen grundsätzlich diskriminierungsfrei.29 Die Auswahl nach Wirtschaftlichkeit der Bewerber begründet keinen Gleichheitsverstoß30 und benachteiligt ausländische Bewerber nicht.31 Für den Bereich des Telekommunikationsrechts, insbesondere für den Mobilfunkmarkt, wird die Diskriminierungsfreiheit angesichts der besonderen Marktstruktur in Zweifel gezogen. Die Marktstruktur ermögliche es bereits etablierten Mobilfunknetzbetreibern, höhere Gebote abzugeben.32 Diese können beim Aufbau eines neuen Telekommunikationsnetzes zumindest teilweise auf die bereits bestehende Infrastruktur zurückgreifen, so dass der Netzaufbau mit geringeren Kosten verbunden ist. Höhere Kosten für vollständige Neuerrichtung von Telekommunikationsinfrastruktur treffen nicht nur ausländische Newcomer, sondern ebenso inländische Bieter, die noch kein Telekommunikationsnetz betreiben. Dagegen ist strategisches Bieterverhalten, welches sich nur gegen ausländische Unternehmen wendet, unwahrscheinlich, da kein ökonomisch sinnvoller Grund erkennbar ist, warum sich ein bereits etablierter Bieter besonders vor der Konkurrenz 28 29 30 31 32
Vgl. Koenig / Schäfer (1998) S. 249. Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 39. Siehe oben 4. Kapitel B. I. 1. c). Vgl. Koenig / Schäfer (1998) S. 249. Koenig (2001) S. 44.
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durch ausländische Unternehmen schützen sollte. Es mag zwar aus Sicht etablierter Unternehmen sinnvoll sein, Konkurrenz und den damit verbundenen wirtschaftlichen Druck gering zu halten. Dieses Bestreben wird sich aber gegen jede Konkurrenz, unabhängig von der Herkunft des Konkurrenten, richten. Für strategische Überlegungen wird allein die tatsächliche oder vermutete Wirtschaftskraft des Konkurrenten maßgeblich sein. Ein starkes inländisches Unternehmen mit Beteiligungen an ausländischen Telekommunikationsnetzen ist unter diesem Gesichtspunkt nicht weniger bedrohlich als ein rein ausländisches Telekommunikationsunternehmen.33 Um mögliche Diskriminierungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Regulierungsbehörde in § 11 Abs. 4 S. 3 TKG verpflichtet, die Regeln für die Zulassung und Durchführung des Versteigerungsverfahrens dementsprechend auszugestalten und so die Diskriminierungsfreiheit einfachrechtlich abgesichert. Daher ist es unzulässig, bei Festlegung der Versteigerungsregeln an Merkmale anzuknüpfen, die ausländische Bieter stärker belasten, und somit mittelbar zu diskriminieren. Im Übrigen steht der Regulierungsbehörde mit den Versteigerungsregeln ein regulatives Instrumentarium zur Verfügung, um strategisches Bieterverhalten generell zu vermeiden, wozu die Regulierungsbehörde im Interesse eines objektiven Versteigerungsverfahrens (§ 11 Abs. 4 S. 3 TKG und Art. 10 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie) verpflichtet ist. Eine den Vorgaben des § 11 Abs. 4 TKG entsprechende Versteigerung hat keine diskriminierende Wirkung.
c) Entscheidungsleitlinien Nach Art. 10 Abs. 3 S. 2 der Genehmigungsrichtlinie ist bei der Auswahl in angemessener Weise zu berücksichtigen, dass die Entwicklung des Wettbewerbs gefördert und der Nutzen der Benutzer maximiert wird. Angesichts der weichen Formulierung („in angemessener Weise“, „berücksichtigen“) haben die Entscheidungsleitlinien nur geringe normative Kraft. Die Gewichtung, wie stark die Wettbewerbsförderung in den Vergabeverfahren Platz greift, ist den nationalen Organen überlassen, denen für Art und Weise der Einbeziehung der Leitlinien in die Entscheidungsfindung ein breiter Spielraum zukommt.34 Andererseits geht die Bedeutung der Entscheidungsleitlinien über rein politische Zielvorstellungen hinaus, da Art. 10 Abs. 3 S. 2 bestimmt, dass der Inhalt der Leitlinien „stets“ zu berücksichtigen „ist“.35 Ein Vergabeverfahren, das diesen Vorgaben entsprechen soll, darf daher den Entscheidungsleitlinien nicht widersprechen und muss die Verfolgung der genannten Zwecke ermöglichen. 33 Anders wohl Koenig (2001) S. 44 mit dem Verweis auf strukturelle Besonderheiten des Mobilfunkmarktes. 34 Koenig (2001) S. 45 f. 35 Koenig (2001) S. 45 f. Deutlicher noch Art. 10 Abs. 3 S. 2 a. E.: „Wettbewerb gefördert und . . . Nutzen . . . maximiert werden muss.“ (Hervorhebung durch den Verf.).
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
aa) Wettbewerbsförderung Versteigerungen wären mit dem vergabespezifischen Wettbewerbsförderungszweck dieser Entscheidungsleitlinien unvereinbar, wenn sie stets oder tendenziell zur Monopolisierung der Frequenznutzungsrechte führen würden. Diese Gefahr besteht bei Versteigerungen dann, wenn ein oder mehrere marktstarke Unternehmen für die verfügbaren Telekommunikationslizenzen strategisch bieten und angesichts ihrer Marktkraft derart hohe Gebote abgeben, dass sie alle verfügbaren Lizenzen ersteigern können und die übrigen Bewerber verdrängen, so dass sie auf dem nachfolgenden Markt Mono- oder Oligopolisten sind.36 Dieser Gefahr kann begegnet werden, indem der Erwerb auf eine oder wenige Lizenzen pro Bieter beschränkt wird. Fehlt es an einer solchen Regelung, kann es für die beteiligten Unternehmen ökonomisch sinnvoll sein, strategisch zu bieten, was eine Wettbewerbsförderung ausschließen würde. Derartiges Verhalten wurde durch die Regulierungsbehörde in der bisherigen Lizenzierungspraxis ausgeschlossen, indem die Vergabe- und Versteigerungsbedingungen eine mengenmäßige Erwerbsbeschränkung vorsahen.37 Versteigerungen sind daher grundsätzlich mit dem Ziel der Wettbewerbsförderung vereinbar. Das TKG selbst sieht Erwerbsbeschränkungen nicht vor, obwohl die Förderung des Wettbewerbs zu den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG gehört. § 11 Abs. 3 TKG ermöglicht der Regulierungsbehörde, einzelne Bewerber auszuschließen, soweit durch erfolgreiche Gebote dieser Bewerber Wettbewerbsbehinderungen zu erwarten sind. Diese Regelung betrifft aber nicht strategisches Bieterverhalten zu Monopolbildung oder Blockadeerwerb. § 11 Abs. 3 TKG ist auf den Fall eines marktstarken Unternehmens auf einem anderen oder demselben Telekommunikationsmarkt gemünzt, das auch bei Erwerb nur einer von mehreren Lizenzen eine Gefahr für einen funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerb darstellt. Das kann es sinnvoll erscheinen lassen, etablierte Anbieter, die bereits über ein flächendeckendes Netz verfügen, von der Mobilfunklizenzerteilung auszuschließen, da Mobilfunk als sogenannte Umgehungstechnik (bypassing technology) für das Festnetz etablierter Anbieters wirkt.38 Durch die Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 TKG wird das vergabespezifische Wettbewerbsförderungsziel der Genehmigungsrichtlinie nicht umgesetzt, da die Monopolbildung durch Versteigerungen nach der gesetzlichen Regelung nicht ausgeschlossen ist. Die pauschale Zielvorstellung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG bezieht sich auf die Wettbewerbsförderung „auf den Märkten der Telekommunikation“, ist also deutlich allgemeiner formuliert als die vergabespezifische Regelung in Art. 10 Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 8. Beispielsweise Punkt B.1 und B.2.3.1 der Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 18. 2. 2000, Vfg. 14 / 2000, ABl. RegTP 2000, 564 ff. (S. 565) – UMTS-Versteigerungsregeln. 38 Freytag / Jäger (1996) S. 222. 36 37
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Abs. 3 S. 2 der Genehmigungsrichtlinie. Die Umsetzung dieses Ziels durch die Versteigerungsregeln der Regulierungsbehörde erfolgt nur in der einzelfallbezogenen Rechtsform einer Allgemeinverfügung, was den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in dauerhaft bindende Rechtsnormen des nationalen Rechts nicht genügt.39 Das europarechtliche Wettbewerbsförderungsziel (Art. 10 Abs. 3 S. 2 der Genehmigungsrichtlinie) wird daher durch das TKG nur unzureichend umgesetzt. Im Übrigen sind Versteigerungen grundsätzlich geeignet, die Entwicklung des Wettbewerbs zu fördern. Je nach Auktionsdesign bringt eine Versteigerung nach erfolgtem Zuschlag an mehrere erfolgreiche Teilnehmer großen Konkurrenzdruck mit sich, der sich auf die Entwicklung des Wettbewerbs förderlich auswirkt.40 bb) Nutzenmaximierung der Benutzer Die einen breiten Spielraum eröffnende Formulierung der Entscheidungsleitlinien nach Art. 10 Abs. 3 S. 2 der Genehmigungsrichtlinie wird in ihrem zweiten Ziel, der Nutzenmaximierung der Benutzer, noch weicher. Benutzer sind alle Personen, die Telekommunikationsleistungen gebrauchen, unabhängig davon, ob sie privat oder geschäftlich, in Ballungsräumen oder dünn besiedelten Gebieten kommunizieren und wie, wo, wann und warum sie das tun. Der Begriff des Nutzens lässt sich für eine so inhomogene Gruppe mit rechtlichen Maßstäben kaum festlegen. Diese Norm ist also in hohem Maße konkretisierungsbedürftig und wohl nur als Aufforderung an den nationalen Gesetzgeber zu verstehen, im Vergabeverfahren rechtliche Vorkehrungen dafür zu treffen, dass nicht nur die Interessen der Bewerber um eine Telekommunikationslizenz berücksichtigt werden, sondern dass auch Interessen der Allgemeinheit, insbesondere Verbraucherinteressen, in das Vergabeverfahren Eingang finden. Diesen nur sehr allgemeinen Anforderungen genügt die in § 11 Abs. 1 S. 1 TKG vor der Wahl des Vergabeverfahrens vorgesehene Anhörung der „betroffen Kreise“, zu denen auch Repräsentanten von Organisationen, die Nutzerinteressen vertreten, gehören.41 Da Versteigerungen als Regulierungsinstrument zur Verfolgung verschiedener Zwecke tauglich sind,42 genügt die Regelung des § 11 TKG zur Wahl einer Versteigerung der Nutzenmaximierungsleitlinie.
Vgl. EuGH Slg. 1991, S. I-2567 und S. I-2607, sowie Streinz (1999) Rn. 391 ff. Vgl. Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 4. 41 Zu den Folgen des „Vergessens“ einer ganzen Interessengruppe Manssen in: Manssen (Stand April 1999) § 11 TKG Rn. 7. 42 Siehe oben 1. Kapitel C. II. 2. b) und 3. Kapitel B. III. 2. b). 39 40
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
4. Vereinbarkeit eines Versteigerungsverfahrens mit Art. 11 der Genehmigungsrichtlinie Art. 11 der Genehmigungsrichtlinie regelt nicht Fragen der Verteilungsordnung, wie dies in Art. 10 durch Auswahlkriterien und Entscheidungsleitlinien geschieht. Art. 11 der Genehmigungsrichtlinie beschränkt den nationalen Gesetzgeber in der Möglichkeit, für die Lizenzerteilung Abgaben zu erheben. Mit dem Kostendeckungsprinzip, das in Art. 11 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie zum Ausdruck kommt, ist die Genehmigungsvergabe durch Versteigerung nicht vereinbar. Versteigerungen bedingen das dem Versteigerungsmechanismus immanente Überbieten der Konkurrenz und setzen daher voraus, dass prinzipiell in der Höhe nach oben offene Abgaben erhoben werden können. Nach Art. 11 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie dürfen Gebühren und Abgaben für Einzelgenehmigungen nur in der Höhe erhoben werden, wie sie entstehende Verwaltungskosten abdecken. Der Gesetzgeber hat Art. 11 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie in § 16 TKG umgesetzt; die Erhebung eines kostenunabhängigen Versteigerungserlöses wird durch Art. 11 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie aber nicht gedeckt. Eine Öffnungsklausel für kostenüberschreitende Abgaben findet sich in Art. 11 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie für die Genehmigungsvergabe unter Rückgriff auf knappe Ressourcen. In diesem Fall ist es gestattet, für die Genehmigungserteilung über die Verwaltungskosten hinausgehende Abgaben zu erheben, sofern diese die Notwendigkeit widerspiegeln, die optimale Nutzung der Ressource sicherzustellen (Art. 11 Abs. 2 S. 1) und der Notwendigkeit Rechnung tragen, die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb zu fördern (Art. 11 Abs. 2 S. 2).
a) Nutzungssicherungsfunktion Nach Art. 11 Abs. 2 S. 1 der Genehmigungsrichtlinie ist eine über die entstehenden Verwaltungskosten hinausgehende Abgabe nur dann zulässig, wenn diese bei knappen Ressourcen die Notwendigkeit widerspiegeln, die optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherzustellen. In der ökonomischen Konzeption sind Versteigerungen ein effizientes Vergabeverfahren für die Vergabe einer knappen Ressource.43 Durch die Allokationswirkung des Marktpreises wandert der Versteigerungsgegenstand zum Ort seiner höchsten Bewertung, also dorthin, wo er am meisten gebraucht wird.44 Telekommunikationslizenzen werden in einer Versteigerung durch die wirtschaftlichsten Bewerber am höchsten bewertet. Dies sind diejenigen, welche mit den Frequenzen die höchste Produktivität erreichen können, also relativ zu den übrigen Unterneh43 Freytag / Jäger (1996) S. 221; Koenig / Schäfer (1998) S. 248; Spoerr / Deutsch (1997) S. 307. 44 Koenig / Schäfer (1998) S. 248.
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men aus der Nutzung eines bestimmten Frequenzbandes die höchsten Gewinnerwartungen haben.45 Die Frequenzen besitzen für diese Unternehmen daher einen höheren Wert als für andere Unternehmen, so dass sie bereit sind, für diese auf einem Markt höhere Preise zu zahlen als ihre weniger wirtschaftlichen Konkurrenten. Da sich die wirtschaftlichsten Unternehmer in einer Marktsituation durch ihre Zahlungsbereitschaft ermitteln lassen und eine möglichst produktive Nutzung des Frequenzspektrums durch die wirtschaftlichsten Unternehmen sichergestellt wird,46 sind Versteigerungen ein Vergabeverfahren, um die optimale Nutzung des knappen Frequenzspektrums sicherzustellen.47 Die Erhebung des mit diesem Verfahren notwendigerweise verbundenen und für die Allokationswirkung maßgeblichen Versteigerungserlöses stellt daher die optimale Nutzung der Ressource sicher. Gleichwohl wird gerade unter Berufung auf die Kostendeckungsfunktion der Genehmigungsrichtlinie die gemeinschaftsrechtliche Unzulässigkeit der Lizenzversteigerung nach § 11 Abs. 4 TKG behauptet. Eine über Kostendeckung und Nutzwertabschöpfung hinausgehende allgemeine Erlösmaximierung, welche dem Grundprinzip einer Versteigerung entspricht, sei ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie.48 Daran ist richtig, dass eine über den Nutzwert hinausgehende Abgabe unzulässig ist. Der Nutzwert entspricht aber grundsätzlich dem Marktwert, so dass Versteigerungen nicht grundsätzlich unzulässig sind.49 Der Marktwert der Versteigerung liegt jedoch über dem Nutzwert, wenn die Gebotshöhe durch strategische Überlegungen oder Kollusionen der Bewerber beeinflusst worden sind.50 Vorkehrungen für den Ausschluss strategischen Bieterverhaltens können zum einen durch das Versteigerungsdesign, zum anderen aber auch durch die Versteigerungsregeln oder gesetzliche Vorschriften getroffen werden.51 § 11 Abs. 4 TKG enthält für diesen Fall keine Regelungen, sondern überlässt die Umsetzung dieser Vorgaben der einzelfallbezogenen Festlegung der Versteigerungsregeln durch die Regulierungsbehörde. Den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in dauerhaft bindende Rechtsnormen des nationalen Rechts genügt dies nicht.52 Die Begrenzung 45 Vgl. Kruse (1993) S. 143. Diese Unternehmen sind in der Lage, mit dem gegebenen Frequenzband einen möglichst großen Erfolg zu erzielen. 46 Die höchste Frequenzproduktivität (Frequenzeffizienz“) besteht nach Studien der australischen Regulierungsbehörde theoretisch bei einem optimal produzierenden Monopolisten. Ein optimal produzierender Monopolist ist in der Ermangelung wettbewerblicher Anreize jedoch praktisch kaum vorhanden, vgl. Kruse (1993) S. 129. In einer Wettbewerbssituation besteht die höchste Frequenzproduktivität bei den wirtschaftlichsten Bewerbern, Kruse a. a. O. 47 Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 37. 48 Grzeszick (1997a) S. 883 49 Koenig / Schäfer (1998) S. 248. 50 Siehe oben 4. Kapitel A. III. 2. c). 51 Siehe oben 4. Kapitel A. III. 2. c) bb). 52 Siehe oben 5. Kapitel A. I. 3. c) aa).
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der Versteigerungsgestaltung durch die gemeinschaftsrechtliche Nutzungssicherungsfunktion (Art. 11 Abs. 2 S. 1 der Genehmigungsrichtlinie) wird daher nur unzureichend durch das TKG umgesetzt. b) Wettbewerbs- und Innovationsförderungsfunktion Eine über die Verwaltungskosten hinausgehende Abgabe muss jedoch nicht nur die Notwendigkeit optimaler Nutzung der Ressource widerspiegeln. Sie muss auch diskriminierungsfrei sein und den Wettbewerb sowie die Entwicklung innovativer Dienste fördern (Art. 11 Abs. 2. S. 2). An der diskriminierungsfreien Erhebung des Versteigerungserlöses bestehen keine Zweifel. Die erfolgreichen Bieter sind zu dessen Entrichtung verpflichtet, ohne dass die Zahlungspflicht von weiteren Bedingungen, insbesondere einer direkt oder indirekt an die Inländereigenschaft anknüpfenden Voraussetzung, abhängig ist.53 Es ist aber zweifelhaft, ob die Abgabe der Notwendigkeit Rechnung trägt, die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb zu fördern. Auf den ersten Blilck ist kaum einsichtig, warum eine besonders hohe Abgabe die Entwicklung innovativer Dienste fördern soll, statt dies zu verhindern. Diese Verbindung erklärt sich jedoch aus dem ökonomischen Konzept der Regelung, welche durch die im Richtlinientext hergestellte Verbindung zwischen Innovations- und Wettbewerbsförderung angelegt ist. Bei volkswirtschaftlicher Betrachtung veranlasst starker Wettbewerb die beteiligten Unternehmen, besonders innovative Produkte und Herstellungstechniken zu entwickeln, um sich auf dem Markt von ihren Konkurrenten abzuheben, wobei der Innovationsdruck bei starkem Wettbewerb höher ist als bei geringem. Da durch eine Abgabe, die einen Teil des Lizenzwertes abschöpft, der Wettbewerbsdruck erhöht wird, fördert diese Abgabe (indirekt) die Entwicklung innovativer Dienste. Der Versteigerungserlös hat die Funktion, den Wert der knappen Telekommunikationslizenzen und der dazugehörigen Frequenznutzungsrechte (teilweise) abzuschöpfen. Da der Erlös dadurch der Notwendigkeit Rechnung trägt, die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb zu fördern, ist seine Erhebung grundsätzlich auch mit Art. 11 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie vereinbar. Versteigerungen widersprechen der Abgabenregelung der Genehmigungsrichtlinie grundsätzlich nicht. Auch das ökonomische Konzept von Marktpreis, Wettbewerb und Innovation setzt aber einen funktionierenden Markt voraus, der allein durch Anordnung eines Versteigerungsverfahrens und die Anknüpfung an das höchste Gebot nicht gewährleistet wird.54 Wenn die Bewerber in der Auktion den Wert der versteigerten Lizen53 54
Im Ergebnis ebenso Koenig / Schäfer (1998) S. 249. Vgl. Koenig / Schäfer (1998) S. 248.
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zen überschätzen, nur zur Blockade Lizenzen erwerben oder strategisch bieten, versagt der Marktmechanismus und das ökonomische Marktpreiskonzept wird verfehlt. Daher ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbs- und Innovationsförderung notwendig, Vorkehrungen gegen diese Fälle des Marktversagens zu treffen. Neben den bereits erwähnten Maßnahmen gegen strategische Gebote und die Gefahr von Überbewertungen (winner’s curse) kann dem Blockadeerwerb durch Nutzungsverpflichtungen mit Rückfallklausel (use-or-loose-rule)55 vorgebeugt werden. Das TKG bietet dafür einen Anknüpfungspunkt in § 15 Nr. 1 TKG, der den Widerruf für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Lizenzverpflichtungen vorsieht. Einen ausdrücklicher Bezug, insbesondere die gesetzliche Festsetzung einer Nutzungsverpflichtung, stellt das Gesetz nicht her. Daher obliegt auch die Umsetzung der Wettbewerbs- und Innovationssicherung bei Festlegung der Versteigerungsregeln und des Auktionsdesigns der Regulierungsbehörde, ohne dass sich die Verpflichtung auf diese Vorgaben im TKG niedergeschlagen haben. Auch die Umsetzung von Art. 11 Abs. 2 S. 2 der Genehmigungsrichtlinie ist daher der einzelfallbezogenen Festlegung der Versteigerungsregeln durch die Regulierungsbehörde überlassen, was den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in dauerhaft bindende Rechtsnormen des nationalen Rechts nicht genügt.
II. Wettbewerbsrichtlinie (RL 90 / 388 / EG) Der Wettbewerbsrichtlinie56 kommt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versteigerung neben der Genehmigungsrichtlinie keine eigenständige Bedeutung zu. Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Wettbewerbsrichtlinie bestimmt in Übereinstimmung mit der Genehmigungsrichtlinie, dass für die Errichtung und Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen auch andere Genehmigungsverfahren als das Allgemeingenehmigungsverfahren zulässig sind, wodurch das Lizenzierungsverfahren der §§ 6 ff. TKG ermöglicht wird. In Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 der Wettbewerbsrichtlinie wird, fast wörtlich mit Art. 10 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie übereinstimmend, angeordnet, dass die Vergabedingungen dieses Lizenzierungsverfahrens objektiv, nichtdiskriminierend, verhältnismäßig und transparent sein müssen. Die allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen von Begründungspflicht und der Rechtsmittelmöglichkeit sind aus Sicht des deutschen Rechts Selbstverständlichkeiten, die im TKG, dem subsidiär anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetz und verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG abgesichert sind. Mit Bezug auf die Wettbewerbsrichtlinie leidet das Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG nicht an Umsetzungsdefiziten.
Koenig (1996) S. 411; Koenig / Schäfer (1998) S. 248. RL 90 / 388 / EG. Die Wettbewerbsrichtlinie geht in ihrer ursprünglichen Fassung auf das Jahr 1990 zurück, währen die Genehmigungsrichtlinie erst 1997 erlassen wurde. 55 56
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
III. Ergänzende Zusammenfassung Versteigerungen sind nach europäischem Telekommunikationsrecht als Vergabeverfahren für Mobilfunklizenzen grundsätzlich zulässig. Die knappe Versteigerungsregelung in § 11 TKG genügt den Richtlinienvorgaben allerdings nicht vollständig. Zum ersten wird durch die Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 TKG das vergabespezifische Wettbewerbsförderungsziel (Art. 10 Abs. 3 S. 2) der Genehmigungsrichtlinie nur unzureichend umgesetzt, da die Monopolbildung durch Versteigerungen nach der gesetzlichen Regelung nicht ausgeschlossen ist. Die Umsetzung in der einzelfallbezogenen Rechtsform einer Allgemeinverfügung genügt den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in dauerhaft bindende Rechtsnormen des nationalen Rechts nicht. Zum zweiten wird die Nutzungssicherungsfunktion (Art. 11 Abs. 2 S. 1) durch das TKG nur unzureichend umgesetzt, weil es der Regulierungsbehörde überlassen ist, im Einzelfall Vorkehrungen für den Ausschluss strategischen Bieterverhaltens zu treffen. Zum dritten leidet das TKG auch für die Wettbewerbs- und Innovationsförderungsfunktion (Art. 11 Abs. 2 S. 2) an einem Umsetzungsdefizit, weil das Gesetz keine Vorkehrungen gegen Blockadeerwerb, strategische Gebote und die Gefahr von Wertüberschätzungen bietet. Die grundsätzliche Vereinbarkeit von Versteigerungen mit den Richtlinienvorgaben des europäischen Telekommunikationsrechts überrascht nicht. Bei genauerer Betrachtung scheinen diese Regelungen auf die Versteigerung zugeschnitten. Zum ersten entspricht die Wortwahl in Art. 10 und 11 der Genehmigungsrichtlinie der ökonomischen Terminologie zu Lizenz- und Frequenzauktionen sowohl in der deutschen als auch in der englischen Textversion.57 Die Verpflichtung zur Nutzenmaximierung für die Benutzer nimmt auf das wohlfahrtsökonomische Konzept der Nutzenmaximierung Bezug, wobei die neuere ökonomische Literatur zu dessen Verwirklichung die Versteigerung als Vergabeform für Funkfrequenzen empfiehlt.58 Zum zweiten ergibt Art. 11 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie nur im Zusammenhang mit Versteigerungen Sinn. Die Erhebung einer Abgabe, welche die Notwendigkeit optimaler Nutzung einer knappen Ressource widerspiegelt, kann nur von einer Abgabe in Höhe des Marktpreises erfüllt werden, wobei die Ermittlung des Marktpreises grundsätzlich ein marktbasiertes Vergabeverfahren voraussetzt. Dies legt wiederum die Übernahme des im Ausland, insbesondere in den USA praktizierten Versteigerungsverfahrens nahe.
57 Zum Beispiel. McMillan (1995) S. 193, 194: Transparenz, optimale Nutzung des Frequenzspektrums, Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 39: Entwicklung innovativer Dienste; Diskriminierungsfreiheit, Transparenz. 58 Siehe oben 1. Kapitel vor A. und C. sowie Götzke (1994) S. 197 ff., insbes. S. 247 ff.; Keuter / Nett / Stumpf (1996) S. 37 ff., insbes. S. 39 f.; McMillan (1995), S. 191 ff.; McAffee / McMillan (1996) S. 171 f.; Milgrom (1987) S. 1 ff.; Sinn (2000) S. 3 f.
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B. Vereinbarkeit mit Primärrecht Staatliche Regulierungen und Beschränkungen des Telekommunikationsmarktes müssen sich auch an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages messen lassen. Einschlägiger Maßstab für die Untersuchung der Mobilfunklizenzversteigerung nach § 11 TKG ist dabei die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV). Auch die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV) kommt zunächst in Betracht, da Telekommunikationsdienstleistungen entgeltliche gewerbliche Leistungen im Sinne des Art. 50 S. 1 EGV sind. Jedoch geht diese Legaldefinition ausdrücklich von der Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit gegenüber der Freizügigkeit der Person aus: Von der Niederlassungsfreiheit erfasste Leistungserbringungen unterfallen nicht der Dienstleistungsfreiheit. Insofern sind Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit voneinander abzugrenzen. Der EuGH differenziert zwischen beiden Freiheiten vor allem mit Hilfe des Zeitfaktors. Unter den Begriff der Dienstleistung fallen nur vorübergehende selbständige Tätigkeiten, während die Niederlassung eine feste und dauerhafte Einrichtung des Leistungserbringers im Mitgliedstaat voraussetzt.59 Von Bedeutung ist insbesondere der Umfang und Schwerpunkt der Tätigkeit: Liegt dieser im Herkunftsland des Leistenden, so spricht dies für eine nur vorübergehende Leistungserbringung im Mitgliedstaat und damit für die Dienstleistungsfreiheit.60 Telekommunikationsdienstleistung im Sinne des § 11 Abs. 4 TKG bedeutet das Errichten und Betreiben eines flächendeckenden Telekommunikationsnetzes in Deutschland, was zumindest den Aufbau der Übertragungswege, der Vermittlungseinrichtungen und sonstiger Einrichtungen voraussetzt, die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs des Telekommunikationsnetzes unerlässlich sind (§ 3 Nr. 21 TKG). Die Gründung von Zweigstellen und Niederlassungen im Rahmen des Aufbaus eines Telekommunikationsnetzes liegt nahe. Die Errichtung der dafür notwendigen baulichen Einrichtungen spricht bereits für eine feste Einrichtung in Deutschland, wo auch die Telekommunikationsdienstleistung schwerpunktmäßig erbracht wird. Zudem werden Infrastrukturlizenzen der genannten Art für langfristige Zeiträume erteilt,61 so dass für Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 11 Abs. 4 TKG eine feste und dauerhafte Einrichtung des Lizenznehmers in Deutschland notwendig ist. Für solche Tätigkeiten ist allein die Niederlassungsfreiheit maßgeblich.62 59 EuGH Slg. 1991, S. I-3905 (3965) Rn. 20 – Factortame; EuGH Slg. 1997, S. I-3395 (3432) Rn. 24 – Sodemare; EuGH Slg. 1995, S. I-4165 ff. (4194) Rn. 22 ff. – Gebhard. 60 EuGH Slg. 1974, S. 1299 (1309) Rn. 13 – van Binsbergen; Bröhmer in: Calliess / Ruffert (1999) Art. 43 EGV Rn. 13. 61 Beispielsweise beträgt die Laufzeit einer UMTS / IMT-2000-Lizenz 20 Jahre vgl. Entscheidung der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde vom 10. 5. 1999, Vfg. 51 / 1999, ABl. RegTP 1999, 1519 ff. (S. 1519) – UMTS-Vergabeverfahren. 62 Ebenso Korioth (2001) S. 50; anders Koenig (2000) S. 44; Koenig / Schäfer (1998) S. 245.
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
I. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV) Die Niederlassungsfreiheit der Art. 43 ff. EGV schützt für jeden Unionsbürger und gleichgestellte Unternehmen im Sinne des Art. 48 EGV das Recht, zum Zweck der Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten Niederlassungen zu gründen.63 Um dem Binnenmarktprinzip zu effektiver Wirkung zu verhelfen, ist der Schutzbereich der Grundfreiheit weit auszulegen. Er umfasst nicht nur die Gründung von Niederlassungen an sich, sondern auch jede tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf unbestimmte Dauer mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat.64 Der Aufbau und Betrieb eines Telekommunikationsnetzes durch Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten fällt in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit.65 § 6 Abs. 1 TKG unterwirft den Betrieb von Telekommunikationsnetzen der Genehmigungspflicht im Wege der Lizenzierung, wobei für zahlenmäßig beschränkte Lizenzen (§ 10 TKG) das Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG die Regel sein soll. Die Lizenzpflicht ist als solche bereits eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Ebenso gilt dies dann auch für das ihrer Erteilung vorgeschaltete Vergabeverfahren.66 Allerdings schützt die Niederlassungsfreiheit wie alle Grundfreiheiten des EGV nicht vor jeder Beschränkung, sondern nur vor solchen mit grenzüberschreitendem Bezug: Art. 43 Abs. 1 EGV schützt vor staatlichen Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates. Die Niederlassungsfreiheit garantiert das Recht auf Gleichbehandlung, verbietet also Diskriminierungen eines Sachverhaltes mit Gemeinschaftsbezug gegenüber einem reinen Inlandssachverhalt.67 Eine solche Beschränkung besteht weder in Form der offenen noch der versteckten Diskriminierung, da Versteigerungen in gleicher Weise für alle Bewerber unabhängig von deren Herkunft oder einem sonstigen Differenzierungskriterium Anwendung finden. Über das Diskriminierungsverbot hinaus gewährt die Niederlassungsfreiheit nach neuerer Rechtsprechung des EuGH auch umfassenden Schutz vor Beschränkungen aller Art. Auch Regelungen, die unterschiedslos für Inländer und EGAngehörige gelten, berühren den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, sofern diese deren Ausübung behindern oder weniger attraktiv machen können.68 Da Versteigerungen bei Erfolglosigkeit eines ausländischen Bieters dessen Niederlassung zum Betrieb eines Telekommunikationsnetzes unmöglich machen, ist § 11 Abs. 4 TKG eine Beschränkung in diesem Sinne. 63 64 65 66 67 68
Bröhmer in: Calliess / Ruffert (2002) Art. 43 EGV Rn. 8; Oppermann (1999) Rn. 1591. Randelzhofer / Forsthoff in: Grabitz / Hilf (Stand Mai 2001) Art. 43 EGV Rn. 13. Korioth (2001) S. 51. Korioth (2001) S. 51. Bröhmer in: Calliess / Ruffert (1999) Art. 43 EGV Rn. 18 u. 20. EuGH Slg. 1995, S. I-4165 ff. (4197) Rn. 37 – Gebhard.
5. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Europarecht
175
Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind nach der zu Art. 43 ff. EGV entwickelten Schrankendogmatik nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Dies ist der Fall, wenn sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.69 Zulässig sind somit nur nichtdiskriminierend angewendete Beschränkungen, die dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.
1. Nicht-diskriminierende Anwendung von § 11 Abs. 4 TKG Bei einer Versteigerung nach § 11 Abs. 4 TKG kommen für alle Bieter die gleichen Versteigerungsregeln zur Anwendung. Diese müssen nach § 11 Abs. 4 S. 3 TKG objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei festgelegt werden. Es wäre nicht zulässig, bei Festlegung der Versteigerung an Merkmale anzuknüpfen, die ausländische Bieter stärker belasten und somit mittelbar zu diskriminieren. Im Übrigen steht der Regulierungsbehörde mit den Versteigerungsregeln ein regulatives Instrumentarium zur Verfügung, um strategisches Bieterverhalten generell zu vermeiden. Eine den Vorgaben des § 11 Abs. 4 TKG entsprechende Versteigerung hat daher keine diskriminierende Wirkung.
2. Zwingende Gründe des Allgemeinwohls Die Versteigerung kommt nur zur Anwendung, wenn die zu vergebenden Telekommunikationslizenzen nach § 10 TKG beschränkt worden sind, weil für die Ausübung der Lizenz notwendige Funkfrequenzen nach dem Frequenznutzungsplan nicht in einer Menge vorhanden sind, mit der alle Nachfragen befriedigt werden können. Die Vergabe dieser knappen Lizenzen orientiert sich an den Regulierungszielen des TKG, insbesondere am Ziel flächendeckender Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). Mit dem Versteigerungsverfahren soll festgestellt werden, welche Bieter am besten geeignet sind, die ersteigerten Funkfrequenzen effizient für das Angebot der zu lizenzierenden Telekommunikationsdienstleistung für die Öffentlichkeit zu nutzen (§ 11 Abs. 4 S. 1 TKG). Der Aufbau flächendeckender Versorgung steht im Allgemeinwohlinteresse und setzt die effiziente Nutzung unternehmerischer Ressourcen voraus.70 Diese vorab zu prüfen, ist dem Mitgliedstaat daher nicht verwehrt. Die im Rahmen der Zulassung zur Versteigerung vorgenommene Überprüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen (§ 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 69 EuGH Slg. 1995, S. I-4165 ff. (4197) Rn. 37 – Gebhard; Bröhmer in Calliess / Ruffert (1999) Art. 43 EGV Rn. 26; Herdegen (2001) Rn. 320. 70 Korioth (2001) S. 52.
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
TKG) ist auch keine unnötige Doppelkontrolle für EU-ausländische Unternehmen, die bereits in ihrem Heimatland Telekommunikationsleistungen erbringen und dort angemessener Überwachung unterliegen.71 Zwar ist dieses im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit entwickelte Verbot auf die Niederlassungsfreiheit übertragbar, weil Doppelkontrollen nicht von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses getragen werden.72 Es handelt sich aber sowohl bei der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen als auch bei der Versteigerung nicht um eine allgemeine gefahrenrechtliche Überprüfung, sondern um Teilaspekte eines Auswahlverfahrens für die Vergabe eines nur beschränkt vorhandenen Gutes, für das eine übergroße Nachfrage besteht. Prüfungsgegenstand ist nicht die gefahrenrechtliche Eignung, sondern die Sachgerechtigkeit einer Auswahlentscheidung für die Lizenzvergabe auf einem bestimmten räumlichen und sachlichen Markt.73 Weil ein ausländischer Anbieter dieser Prüfung durch die Kontrollbehörde seines Heimatstaates nicht unterzogen worden ist, sondern diese durch die Regulierungsbehörde erstmals vorgenommen wird, handelt es sich um keine besondere, nicht notwendige Kontrolle.74 Da die Regelung des § 11 Abs. 4 TKG auch dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt, verstößt eine Versteigerung zur Vergabe von Telekommunikationslizenzen nicht gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 43 ff. EGV.
II. Allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV) Das Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV) ist ebenfalls nicht verletzt. Art. 12 EGV beinhaltet das allgemeine Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Art. 12 EGV findet nur unter der Voraussetzung Anwendung, dass keine besondere Bestimmung eingreift, so dass bei Einschlägigkeit eines besonderen Diskriminierungsverbotes der Rückgriff auf Art. 12 EGV nicht notwendig ist, sofern seinem Anliegen in der besonderen Bestimmung Rechnung getragen wird.75 Das spezielle Diskriminierungsverbot der Niederlassungsfreiheit ist eine solche besondere Bestimmung,76 so dass das allgemeine Diskriminierungsverbot 71 So mit Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit eine Überlegung von Koenig / Schäfer (1998) S. 245. 72 Vgl. die vergleichbare Argumentation des EuGH in Bezug auf doppelte Sozialversicherungspflichten in der Rs. Inasti, EuGH Slg. 1996, S. I 703 (715) Rn. 12 – Inasti. Zum Verbot nicht notwendiger Doppelkontrollen im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit EuGH Slg. 1997, S. I 3843 (3892) Rn. 51 – de Agostini und TV-Shop, EuGH Slg. 1981, 3305 (3326) Rn. 20 – Webb; Kluth in: Calliess / Ruffert (2002) Art. 50 EGV Rn. 59. 73 Koenig / Schäfer (1998) S. 246. 74 Ebenso Koenig / Schäfer (1998) S. 246. 75 EuGH Slg. 1989, S. 195 (220) Rn. 14 – Cowan / Trésor public; EuGH Slg. 1989, 1461 (1476) Rn. 12 – Kommission / Griechenland; EuGH Slg. 1991, S. I-1119 (1139) Rn. 12 f. – Masgio; EuGH Slg. 1994, S. I-505 (520) Rn. 6 – Scholz; EuGH Slg. 1996, S. I-161 (175) Rn. 15 – Perfili. Ebenso Epiney in: Calliess / Ruffert (2002) Art. 12 EGV Rn. 7. 76 Epiney in: Calliess / Ruffert (2002) Art. 12 EGV Rn. 11.
6. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Verfassungsrecht
177
des Art. 12 EGV zurücktritt; entsprechend seinem Leitmotivcharakter kann es jedoch im Rahmen der Niederlassungsfreiheit als Auslegungsregel herangezogen werden.77 III. Binnenmarktprinzip (Art. 14 EGV) Ferner liegt auch kein Verstoß gegen das Binnenmarktprinzip (Art. 14 EGV) vor.78 Der Binnenmarkt umfasst nach der Definition des Art. 14 Abs. 2 EGV einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Bereits diese weite Formulierung zeigt, dass das Binnenmarktprinzip eine Zielvorgabe darstellt, die auf ständige Optimierung angelegt ist. Ihr Gehalt ist vornehmlich politischer Natur und diente bei Aufnahme in den damaligen EWG-Vertrag im Jahre 1986 dazu, eine neue Integrationsstufe zu erreichen, die über die bis dahin zentrale Aufgabe der Schaffung eines gemeinsamen Marktes hinausgehen sollte.79 Art. 14 EGV enthält daher in erster Linie einen Auftrag an die Gemeinschaftsorgane, bestehende Hemmnisse für einen einheitlichen Markt abzubauen. Daneben dient er als Auslegungshilfe für die Reichweite der Grundfreiheiten. Wie Absatz 2 der Norm klarstellt, kommt ihr ein weitergehender, eigenständiger rechtlicher Gehalt nicht zu.
6. Kapitel
Vereinbarkeit der Versteigerungsregelung des TKG mit Verfassungsrecht Im Rahmen der Darstellung des Versteigerungskonzeptes als Auswahlverfahren wurde die Auktionsreglung des TKG als Beispiel einer von komplexen Regulierungsinteressen getragenen Vergabesituation untersucht. Dabei erwies sich das Versteigerungsverfahren auch für diese Situation als grundsätzlich geeignetes, verfassungsrechtlich zulässiges Vergabeverfahren. Die Vergabeziele des TKG sind legitim, die Differenzierung nach Höchstgebot ist bei entsprechender Ausgestaltung der Auktion sachgerecht und für die betroffenen Bewerber individuell zumutbar. Erwies sich das Versteigerungskonzept als solches auch als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, fiel doch bereits auf, dass die Versteigerungsregelung des TKG an manchen Stellen recht knapp ausgefallen ist. Versteigerungen erwiesen sich als nicht sachgerecht, wenn sie eine mono- oder oligopolische Marktstruktur bewirken, da in diesem Fall große Marktmacht zu 77 78 79
Epiney in: Calliess / Ruffert (2002) Art. 12 EGV Rn. 11. Korioth (2001) S. 52 f. Korioth (2001) S. 52; vgl. auch Streinz (1999) Rn. 37.
12 Leist
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
Marktversagen führt und das Ziel chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) verfehlt wird. § 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 und S. 3 TKG ermöglicht der Regulierungsbehörde zwar, gegen diese Gefahr im Rahmen von Versteigerungsdesign, Versteigerungsregeln und Lizenzbestimmungen Vorkehrungen zu treffen, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht aber nicht.80 Ähnliches präsentierte sich im Hinblick auf die Gefahr marktwertüberschreitender Versteigerungserlöse infolge von Überbewertungen. In diesem Fall sind Versteigerungen ebenfalls nicht sachgerecht, da der so bewirkte ruinöse Wettbewerb zu Marktversagen führt. Dadurch wird ebenfalls das Ziel chancengleichen Wettbewerbs verfehlt und das Ziel flächendeckender Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) gefährdet. Wiederum ermöglicht die Versteigerungsregelung des § 11 TKG gegen diese Gefahren im Rahmen von Versteigerungsdesign, Versteigerungsregeln und Lizenzbestimmungen Vorkehrung zu treffen, ohne allerdings ausdrückliche gesetzliche Regelungen zu enthalten.81 Schließlich erwies sich die Regelung des § 11 Abs. 4 S. 4 TKG, wonach die Berücksichtigung der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen der Regulierungsbehörde aufgegeben wird, als kryptisch. Die Norm zeigte sich als auslegungsbedürftig und nur dann als inhaltlich sinnvoll, wenn sie als Hinweis verstanden wird, die Erfolgschancen kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern. Eine generelle, pauschale Privilegierung erwies sich als nicht gerechtfertigt.82 Sowohl das Problem des Marktversagens infolge von Mono- und Oligopolen als auch des Marktversagens infolge von Überbewertungen betrifft das Regulierungsziel chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG). Durch Marktmachtkonzentrationen werden erschwingliche Preise, durch Überbewertungen und ruinösen Wettbewerb die flächendeckende Grundversorgung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) gefährdet. Gerade diese Regulierungsziele greifen aber telekommunikationsverfassungsrechtliche Verpflichtungen aus Art. 87 f GG auf, so dass die Versteigerungsregelung insoweit besonders intensiver Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit unterliegt. Beachtung verdienen auch die mit dem Versteigerungsverfahren verbundenen Regelungen des Gewerbeordnungsrechts und die Lizenzbeschränkung sowie die Aussagen des TKG zum Versteigerungserlös. Im Folgenden soll den damit verbundenen Rechtsfragen auf den Grund gegangen werden, wobei sich die Untersuchung an der Chronologie einer Versteigerung orientiert. Zunächst werden daher Gewerbeordnungsrecht und Lizenzbeschränkungen (A.), anschließend telekommunikationsverfassungsrechtliche Fragen des Auswahlverfahrens (B.) und abschließend die Regelungen zum Versteigerungserlös (C.) analysiert.
80 81 82
Siehe oben 3. Kapitel B. II. 2. b) bb). Siehe oben 3. Kapitel B. II. 2. b) cc). Siehe oben 3. Kapitel B. II. 2. d) aa) (2).
6. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Verfassungsrecht
179
A. Verfassungsmäßigkeit der ordnungsrechtlichen Beschränkungen und der Lizenzkontingentierung Frequenzversteigerungen (§ 47 Abs. 5 TKG) sind Verfahren für die Vergabe einer knappen Ressource, nämlich des Frequenzspektrums. Dagegen umfasst das Lizenzierungsverfahren für Mobilfunkdienstleistungen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. a TKG) auch die ordnungsrechtliche Kontrollerlaubnis für die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 und 3 TKG). Lizenzversteigerungen sind jedoch bei teleologischem Verständnis der gesetzlichen Regelung ein von ordnungsrechtlichen Erwägungen unabhängiges Auswahlverfahren zwischen nachgewiesenermaßen zuverlässigen, leistungsfähigen und sachkundigen Bewerbern.83 Die unglückliche Verquickung von ordnungsrechtlichen Kontrollerwägungen (Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sachkunde) und mangelverwaltenden Verteilungsgesichtspunkten (Frequenzvergabe), die in der Lizenzerteilung zusammenfallen, wurde bereits im Rahmen der Darstellung der gesetzlichen Regelung84 kritisiert. Diese Kritik betrifft die Verständlichkeit der Regelung, ohne dass daraus ein Verfassungsverstoß abzuleiten wäre. Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet die Lizenzversteigerungsregelung (§ 11 Abs. 4 TKG) unter Berücksichtigung der abwehrrechtlichen Fragen der Vergaberegelung (Begrenzung des Frequenzspektrums und Kontrollerlaubnis), die oben, im Rahmen der Untersuchung des Versteigerungskonzeptes, ausgeklammert wurden. Grundrechtlicher Maßstab der Beurteilung ist Art. 12 Abs. 1 GG, da durch Nichterteilung einer Lizenz die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit, der Erwerb,85 behindert wird. Dabei entspricht die gefahrenrechtliche Kontrolle (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 lit. a TKG) einer subjektiven Zulassungsbeschränkung, weil durch Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde die Erteilung einer Lizenz vom Besitz persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten abhängig gemacht wird (Eingriff auf zweiter Stufe).86 Es steht allerdings außer Zweifel, dass ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde für den Betrieb von Telekommunikationsnetzen erforderlich ist, zumal ein Mobilfunknetzbetreiber nicht nur eine zuverlässige Infrastruktur schaffen muss, sondern auch zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses der Benutzer verpflichtet ist (§ 85 Abs. 2 TKG). Die Beschränkung steht daher zum angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht in Missverhältnis.87 Gleiches § 11 Abs. 2 S. 1 TKG ist insofern missverständlich, siehe oben 1. Kapitel D. I. 2. b) Oben 1. Kapitel D. I. 85 Zur Abgrenzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG anhand der Formel Erwerb – Erworbenes vgl. BVerfGE 30, 292 (335). 86 Zur Stufenlehre BVerfGE 7, 377 (S. 405 ff.); E 9, 338 (S. 345); Wieland in: Dreier (1996) Art. 12 Rn. 75. 87 Zum Maßstab für Eingriffe auf zweiter Stufe BVerfGE 7, 377 (S. 407). 83 84
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
gilt für die Beschränkung der Anzahl der Lizenzen nach § 10 TKG. Diese ist objektive Berufsausübungsschranke (Eingriff auf dritter Stufe), wegen der notwendigen staatlichen Frequenzbewirtschaftung angesichts knapper Ressourcen jedoch gerechtfertigt:88 Die Lizenzkontingentierung geht zwar formal auf eine staatliche Entscheidung zurück, greift aber die natürliche Frequenzknappheit auf, welche durch die Rechtsordnung weder beseitigt noch ignoriert werden kann.89 Allerdings bewirkt die freiheitsrechtliche Einkleidung der Kontingentierungsentscheidung, dass der grundsätzliche, aus der Berufsfreiheit folgende Anspruch der Bewerber auf Lizenz- und Frequenzerteilung, der durch die aus technischem Sachzwang folgende, verfassungsrechtlich gerechtfertigte Kapazitätsbegrenzung ausgeschlossen und durch chancengleiche Teilhabe an der Vergabe (Art. 3 Abs. 1 GG) ersetzt wird, wieder auflebt, wenn sich die Kapazitätsbegrenzung als unverhältnismäßig erweist. Eine nur unvollständige Kapazitätsauslastung erhöht die Knappheitssituation, ohne dass es dafür eine Rechtfertigung gibt. Weil Grundlage der Chancengleichheit die Verteilungsmasse ist, überprüft das Bundesverfassungsgericht eine Verteilungsordnung zunächst auf die erschöpfende Nutzung vorhandener Kapazitäten.90 Wo die Knappheitssituation auf einen natürlichen Mangel zurückgeht, liegt sie nicht im staatlichen Verantwortungsbereich und hat keinen Eingriffscharakter. Sie bedarf daher auch keiner besonderen Rechtfertigung. Lizenzkontingentierungen nehmen die natürliche Frequenzknappheit auf, greifen aber, da diese nicht offensichtlich sind, auf die entsprechenden Festlegungen des Frequenznutzungsplans zurück. Sind dessen Festlegungen unzutreffend, fällt die Knappheitssituation in den Verantwortungsbereich des Staates. Die über die natürlichen Kapazitätsgrenzen hinausgehende künstliche Verknappung durch staatliche Willensentscheidung bedarf dann grundrechtlicher Rechtfertigung, weil ihr eigenständiger Eingriffscharakter zukommt.91 Zur vollständigen Kapazitätsauslastung muss die Regulierungsbehörde das verfügbare Frequenzspektrum nach dem Frequenznutzungsplan (§ 46 TKG) aufteilen (§ 10 TKG). Wenn infolge technischer Entwicklung später zusätzliche Frequenzkapazitäten verfügbar werden und keine Rechtfertigung für deren Zurückhaltung besteht, sind auch diese zu vergeben.92
Becker (2002) S. 6. Korioth (2001) S. 25, der allerdings davon ausgeht, dass die Kontingentierung keinen Eingriffscharakter habe. 90 BVerfGE 33, 303 (S. 338). 91 Vgl. zur (früheren) Kontingentierung nach § 10 GüKG BVerfGE 40, 196 (S. 218); BVerwGE 64, 70 (S. 72). Zur Kontingentierung nach § 13 PBefG BVerwGE 16, 190 (S. 191); E 64, 238 (S. 239). 92 Diese Verpflichtung folgt auch aus Art. 10 Abs. 4 der Genehmigungsrichtlinie 97 / 13 / EG. 88 89
6. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Verfassungsrecht
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B. Verfassungsmäßigkeit des Auswahlverfahrens I. Objektive Sachgerechtigkeit und individuelle Zumutbarkeit Die Vergaberegelung des § 11 Abs. 4 TKG entspricht – wie bereits im 3. Kapitel festgestellt – grundsätzlich den Anforderungen objektiver Sachgerechtigkeit und individueller Zumutbarkeit. Anders ist dies nur, wenn auf Grund der Struktur des Mobilfunkmarktes ein Teil der Bieter zurückgesetzt wird. Versteigerungen sind zwar grundsätzlich ein diskriminierungsfreies Verfahren, das jedem Bewerber eine Chance auf Erteilung der zu versteigernden Lizenzen eröffnet, da diese nur von der Höhe des jeweiligen Gebotes abhängig ist und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bewerber widerspiegelt.93 Die Versteigerung führt jedoch dann zu einer unzulässigen Benachteiligung einer Bewerbergruppe, wenn die Mobilfunklizenzvergabe einen Markt betrifft, auf welchem bereits etablierte Anbieter eine Lizenz durch Ausschreibung erhalten haben. In diesem Fall können bereits etablierte Bieter in großem Umfang auf bestehende eigene Infrastruktur zurückgreifen, so dass sie erheblich geringere Netzaufbau- oder Netzerweiterungskosten haben.94 Dies ermöglicht etablierten Unternehmen eine größere Gewinnspanne als Neueinsteigern, so dass eine Mobilfunklizenz für etablierte Bieter einen höheren Wert hat und diese in der Lage sind höhere Gebote abzugeben. Neueinsteiger würden unter diesen Umständen durch eine Versteigerung benachteiligt werden.95 Eine Versteigerung würde in dieser Situation das Prinzip der Chancengleichheit aller Bewerber verletzen. Die Regelung des § 11 TKG greift diese Frage auf, indem die Lizenzvergabe auf Grundlage einer Versteigerung ausgeschlossen wird, wenn auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt bereits eine Lizenz ohne Durchführung eines Versteigerungsverfahrens erteilt worden ist (§ 11 Abs. 3 S. 2 TKG).
II. Telekommunikationsverfassungsrecht Bislang unberücksichtigt blieben jedoch die Anforderungen des Telekommunikationsverfassungsrechts.
1. Regelungsgehalt von Art. 87 f GG Das Telekommunikationsverfassungsrecht ist systematisch im Abschnitt über die Verwaltungskompetenzen des Bundes eingeordnet.96 Sein Regelungskern ist Siehe oben 3. Kapitel B. III. 1. a). Vgl. Koenig (2001) S. 47 ff. 95 Vgl. auch Geppert in: Beck’scher TKG-Kommentar (2000) § 11 Rn. 8. 96 Außer in Art. 87 f finden sich telekommunikationsrechtlichen Regelungen der Verfassung auch in Art. 143 b GG. Letzterer trifft Übergangsregelungen, die aus der Privatisierung 93 94
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
jedoch das Gegenteil einer Verwaltungskompetenz. Für das Post- und Telekommunikationswesen ordnet Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG vielmehr ausdrücklich an, dass diese Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeit erbracht werden. Dabei geht der Begriff der Privatwirtschaftlichkeit über eine reine Organisationsprivatisierung hinaus. Post- und Telekommunikationsdienste sollen nicht nur in privater Rechtsform, sondern auch nach unternehmerischen Gesichtspunkten der Privatwirtschaftlichkeit erbracht werden.97 Dies bedeutet insbesondere, dass die Orientierung der Unternehmenspolitik nicht am Gemeinwohlinteresse ausgerichtet werden muss, sondern, wie für privatwirtschaftliche Unternehmen typisch, an der Gewinnerzielungsabsicht.98 Die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost99 sind nach Vorstellung des verfassungsgebenden Gesetzgebers nicht die einzigen Leistungserbringer für postalische und Telekommunikationsdienste. Diese werden auch durch „andere private Anbieter“ erbracht. Aus dem Nebeneinander der privatwirtschaftlich geführten Nachfolgeunternehmen und der anderen privaten Anbieter bei der Leistungserbringung ergibt sich eine konkludente Festlegung des Gesetzgebers auf das Wettbewerbsprinzip100 für den Bereich der Telekommunikationsund Postmärkte (bereichsspezifisches Wettbewerbsprinzip). Die verfassungsrechtliche Festlegung des einfachen Gesetzgebers auf die Beseitigung der staatlichen Post- und Telekommunikationsmonopole bedeutet zugleich eine Absage an vergleichbare private Marktmachtkonzentrationen durch private Monopole oder Kartelle. Seit Auflösung der für eine Übergangszeit zu Gunsten der Staatsunternehmen bestehenden Monopole (Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG) bedeutet das Nebeneinander verschiedener selbständiger, gewinnorientierter Unternehmen Konkurrenz zwischen diesen und damit Wettbewerb. Als Korrelat zum Gebot der Privatwirtschaftlichkeit auferlegt Art. 87 f GG dem Bund die Gewährleistungsverantwortung für flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen (Art. 87 f Abs. 1 GG). Dies bedeutet, dass der Bund dafür Sorge tragen muss, dass im gesamten Bundesgebiet eine Grundversorgung mit Post- und Telekommunikationsdiensten sichergestellt ist.101 Eine Verwaltungsder Deutschen Bundespost resultieren; maßgeblich für die Untersuchung der Versteigerungsregelung ist daher allein Art. 87 f GG. 97 Gersdorf in: v. Mangoldt / Klein / Stark (2001) Art. 87 f Rn. 71; Windhorst in: Sachs (1999) Rn. 27. Das Privatisierungsgebot ist zugleich Verbot erneuter Verstaatlichung durch Wiedereingliederung in die Leistungsverwaltung, Lerche in: Maunz / Dürig (Stand Okt. 1996) Art. 87 f Rn. 97; BT-Drs. 12 / 7269 S. 5. 98 Gersdorf in: v. Mangoldt / Klein / Stark (2001) Art. 87 f Rn. 71 spricht in diesem Zusammenhang von einem „deutlichen Bekenntnis“ der Verfassung „zur Kommerzialisierung der Erbringung von Post- und Telekommunikationsleistungen“. 99 Die Umwandlung der früheren Deutschen Bundespost in Unternehmen privater Rechtsform wurde durch Art. 143 b geregelt, der auch notwendige Übergangsregelungen trifft. 100 Badura in: Bonner Kommentar (Stand Sept. 1997) Art. 87 f Rn. 14. Der Begriff des Prinzips ist dabei nicht in seinem rechtstechnischen Sinn zu verstehen. In ökonomischem Kontext meint er das Wettbewerbskonzept. 101 Gersdorf in: v. Mangoldt / Klein / Stark (2001) Art. 87 f Rn. 49.
6. Kap.: Vereinbarkeit des TKG mit Verfassungsrecht
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kompetenz des Bundes enthält Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG für die verbleibenden Hoheitsaufgaben. Da die Leistungserbringung selbst als Staatsaufgabe ausgeschlossen ist, sind Hoheitsaufgaben des Bundes im Sinne von Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG vor allem die Frequenzordnung und die Regulierung des Telekommunikationswesens, um den Gewährleistungsauftrag zu erfüllen und chancengleichen Wettbewerb sicherzustellen.102 Die Regulierung ist eine durch die Verfassung vorgegebene obligatorische Staatsaufgabe. Dagegen ist die Frequenzordnung eine nicht besonders normierte, originär staatliche Aufgabe.103 Der Wahrnehmung weiterer fakultativer Staatsaufgaben steht Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG nicht entgegen. Es bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten, diese festzulegen.
2. Anforderungen von Art. 87 f GG an die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens Explizite Vorgaben für den Gesetzgeber zur Ausgestaltung des Vergabeverfahrens von Telekommunikationslizenzen ergeben sich aus Telekommunikationsverfassungsrecht nicht. Die Verpflichtungen auf den Gewährleistungsauftrag (Art. 87 f Abs. 1 GG) und das Wettbewerbsprinzip (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG) begrenzen den Spielraum des Gesetzgebers jedoch indirekt bei Wahl und rechtlicher Konturierung des Vergabeverfahrens, indem sie Ausgestaltungen entgegenstehen, welche die Verwirklichung der Verfassungsaufträge gefährden würde.
a) Gewährleistungsauftrag (Art. 87 f Abs. 1 GG) Für die Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Telekommunikationsdienste ist das Verfahren der Mobilfunklizenzvergabe nach § 11 Abs. 4 oder Abs. 6 TKG grundsätzlich nicht von Bedeutung.104 Unabhängig vom Badura in: Bonner Kommentar (Stand Sept. 1997) Art. 87 f Rn. 14. Weitere originäre Staatsaufgaben sind technische Standardisierungen und technische Normierungen, die Erteilung von Genehmigungen für Funkanlagen sowie die Vorsorge für Krisen und Katastrophenfälle; vgl. Badura in: Bonner Kommentar (Stand Sept. 1997) Art. 87 f Rn. 15; BT-Drs. 12 / 7269 S. 5. 104 Ob dem Gewährleistungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen überhaupt Bedeutung zukommt, wird bezweifelt. Die flächendeckend angemessenen und ausreichenden Dienstleistungen bedeuten nämlich keine optimale, das ganze Bundesgebiet erfassende Infrastruktur, sondern nur eine dem Mindestniveau entsprechende Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten (vgl. BT-Drs. 12 / 7269 S. 5). Neue und künftige technologische Entwicklungen sind davon nicht erfasst, weil dies ein Innovationshemmnis bedeuten würde [Lerche in: Maunz / Dürig (Stand Okt. 1996) Art. 87 f Rn. 79]. Ein Angewiesensein des Bürgers vergleichbar der Lage beim (analogen) Festnetzanschluss, wie es Kennzeichen von Leistungen der Daseinsvorsorge ist, lässt sich für neuartige Mobilfunkdienstleistungen wohl nur schwerlich bejahen [Korioth (2001) S. 43]. Allerdings lässt sich auch nicht ausschließen, dass sich eine neuartige Technologie so durchsetzt, dass sie 102 103
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Vergabeverfahren kann die Verpflichtung zur Grundversorgung von der Regulierungsbehörde durch den Erlass von Nebenbestimmungen (§ 8 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) sichergestellt werden. Bedeutung kann allerdings die für die Lizenzerteilung erhobene Abgabe gewinnen. Wenn sie eine für den Lizenznehmer erdrückende Höhe annimmt, führt dies dazu, dass dessen Wirtschaftskraft nicht ausreicht, um die Infrastruktur entsprechend auszubauen, so dass die flächendeckende Grundversorgung nicht erfolgt. Der Gewährleistungsauftrag wirkt daher indirekt als Verbot erdrückender Abgaben. Im Rahmen der Untersuchung des Auktionskonzeptes wurde bereits dargestellt, dass Versteigerungserlöse grundsätzlich keine erdrückende Wirkung haben. In der Regel übersteigt der Erlös nicht den wirtschaftlichen Nutzwert des Versteigerungsgegenstandes, weil die Gebotshöhe in der Gewinnerzielungsabsicht der Bieter ihre natürliche Grenze findet. Gleichwohl steht die Verfassungskonformität der Versteigerungsregelung des TKG in Frage, da der Versteigerungserlös infolge von Überbewertungen den Nutzwert ausnahmsweise übersteigen kann. aa) Verfassungskonforme Konkretisierung im Einzelfall? § 11 Abs. 4 TKG enthält zwar keine Regelung zum Verhindern von Überbewertungen oder gar dazu, in welcher Weise dies geschehen soll. Die Norm überträgt der Regulierungsbehörde jedoch die Festlegung der Versteigerungsregeln und des Auktionsdesigns. Im Einzelfall kann die Regulierungsbehörde daher in der Rechtsform der Allgemeinverfügung Vorkehrungen gegen Überbewertungen treffen, um den aus dem Gewährleistungsauftrag folgenden Verpflichtungen zu genügen. Um die Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu bejahen ist prinzipiell ausreichend, dass es möglich ist, die Regelung verfassungskonform anzuwenden. Anders als die europarechtliche Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinien schreibt die Verfassung grundsätzlich keine bestimmten Regelungen vor, sondern setzt Grenzen. In diesem Sinne gibt das Grundgesetz keinen Positivkatalog von Handlungspflichten, sondern grenzt negativ ab. Es bleibt dem politischen Prozess und dem einfachen Gesetzgeber überlassen, unter verschiedenen verfassungsrechtlich zulässigen Handlungsvarianten diejenige auszuwählen, welche geltendes Recht sein soll. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die mit verfassungsrechtlichen Anforderungen am besten zu vereinbarende Regelung zu treffen. bb) Parlamentsvorbehalt Die Konkretisierung der gesetzlichen Regelung entsprechend den verfassungsrechtlichen Zielen durch die Regulierungsbehörde ist für die Verfassungsmäßigkeit der Versteigerungsregelung aber dann nicht ausreichend, wenn der Gesetzgeber nach einiger Zeit zur Daseinsvorsorge gehört und damit (später) vom Infrastruktursicherungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG erfasst wird.
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durch den Parlamentsvorbehalt verpflichtet ist, diese Regelungen selbst zu treffen.105 Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde bereits festgestellt, dass wegen der einschneidenden Bedeutung der Auswahlregelungen für die Grundrechtsverwirklichung der Lizenzbewerber die Festlegung dieser Vorkehrungen zu den wesentlichen Entscheidungen gehört, welche in einer Verteilungsordnung grundsätzlich vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sind. Da die Festlegung des Versteigerungsdesigns und der Auktionsregeln im Einzelfall von Markteckdaten abhängt, ist sie nur eingeschränkt genereller Normierung zugänglich.106 Der Parlamentsvorbehalt reicht nur so weit, wie die Verteilungsordnung gesetzlicher Regelung überhaupt zugänglich ist.107 Immerhin bleibt die Möglichkeit, im TKG allgemeine Vergabeleitlinien festzulegen, wie es der Gesetzgeber in § 11 Abs. 4 S. 2 Nrn. 1 bis 4 TKG getan hat. Solche Leitlinien können auch zur Vermeidung von Überbewertungen oder Kollusion festgelegt werden. Die Norm des § 11 Abs. 4 S. 3 TKG wäre dann etwa um einen Nummernkatalog zu erweitern. Dieser könnte die Regulierungsbehörde neben der Berücksichtigung der Belange kleinerer und mittlerer Unternehmer verpflichten, bei Festlegung des Auktionsdesigns und der Versteigerungsregeln insbesondere Vorkehrungen zur Prävention der Gefahr von Überbewertungen durch die Versteigerungsteilnehmer und zur Verhinderung von Absprachen oder anderen Formen der Kollusion zu treffen.
b) Bereichsspezifisches Wettbewerbsprinzip (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG) Ähnliches ergibt sich mit Blick auf das bereichsspezifische Wettbewerbsprinzip für Telekommunikations- und Postmärkte (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG), das funktionsfähigen Wettbewerb voraussetzt.108 Dieser wird durch Versteigerungen nicht gefährdet, sondern sogar gefördert, da durch ein marktbasiertes Vergabeverfahren der zukünftige Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt auf den Marktzutritt ausgedehnt wird. Allerdings besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Gefahr ruinösen Wettbewerbs.109 Die Versteigerungsregelung in § 11 TKG ermöglicht zur Prävention von wettbewerbsgefährdenden Mono- und Oligopolen den Ausschluss marktbeherrschender oder marktstarker Unternehmen (§ 11 Abs. 3 S. 1 TKG) und enthält damit zumindest teilweise wettbewerbssichernde Regelungen. Zur Vorkehrung gegen Überbewertungen oder Kollusion trifft das TKG jedoch keine Regelung. Auch insofern gilt das zum Gewährleistungsauftrag gesagte: Grundsätzlich ist es ausreichend, 105 106 107 108 109
Dazu oben 3. Kapitel B. III. 3. Siehe oben 3. Kapitel B. III. 3. b). BVerfGE 49, 89 (S. 126). Vesting in: AK-GG (Stand GW 2001) Art. 87 f Rn. 39. Siehe oben 3. Kapitel B. II. 2. b).
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3. Teil: Rechtsfragen der Versteigerung von Telekommunikationslizenzen
dass ein Gesetz im Einzelfall verfassungskonform angewendet werden kann. Da aber die Auswahlregelung einer Verteilungsordnung für die Grundrechtsverwirklichung der Bewerber einschneidende Bedeutung hat, gehört die Festlegung von Vorkehrungen gegen Gefährdungen der Auswahlziele zu den wesentlichen Entscheidungen, welche in einer Verteilungsordnung im Rahmen des Möglichen vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sind. Die Versteigerungsregelung in § 11 TKG genügt daher auch mit Blick auf das Wettbewerbsprinzip des Art. 87 f Abs. 2 GG nicht den Anforderungen, die durch den Parlamentsvorbehalt an die Regelungsdichte eines formellen Vergabegesetzes gestellt werden, sondern bedarf der Konkretisierung im Gesetz selbst.
C. Versteigerungserlöse Auch die verfassungsrechtliche Beurteilung telekommunikationsrechtlicher Versteigerungserlöse kann zunächst auf die oben gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifen. Öffentlich-rechtliche Versteigerungserlöse, die als nicht-steuerliche Abgaben erhoben werden, sind mit finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen grundsätzlich vereinbar, solange sie den Wert der besonderen Gegenleistung nicht überschreiten.110 Die Ertragskompetenz für Versteigerungserlöse des TKG steht auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung, nach der die Verwaltungskompetenz maßgeblich ist, dem Bund zu. Da Versteigerungserlöse angesichts ihrer Gegenleistungsabhängigkeit im Unterschied zu Steuern dem leistungserbringenden Verwaltungsträger zugeordnet werden können und dem Bund nach Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG die Verwaltungskompetenz für Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation obliegt, sind Versteigerungserlöse des Telekommunikationsrechts Einnahmen des Bundes.111 Zum gleichlautenden Ergebnis kommt das Bundesverfassungsgericht bei Beurteilung der UMTS-Versteigerungserlöse mit dem Argument, die für klassische Gebührenarten bestehende Auffassung, nach der die Ertragskompetenz akzessorisch zur Verwaltungshoheit sei, müsse mangels anderweitiger Regelung im Grundgesetz auf Verleihungsgebühren erweitert werden.112 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der telekommunikationsrechtlichen Auktionsregelung begründen formale, regelungstechnische Fragen, nämlich die Vereinbarkeit mit dem Gesetzesvorbehalt (I.) und dem Bestimmtheitsgrundsatz (II.).
Siehe oben 4. Kapitel A. III. 2. c). Oben 2. Teil Fn. 433 sowie A. Leist (2002) S. 904; anders Korioth (2001) S. 80. 112 BVerfG DVBl. 2002, 704 ff. (S. 705); kritisch Hidien (2002) S. 419 f.; A. Leist (2002) S. 904. 110 111
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I. Gesetzliche Grundlage Die Erhebung der Mobilfunklizenzversteigerungserlöse beschränkt die Handlungsfreiheit des Abgabenpflichtigen, weshalb die Erlöserhebung wie alle Abgaben grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage bedarf, bei deren Fehlen die Erhebung rechtswidrig ist.113 Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage fehlt im TKG. § 16 Abs. 1 S. 1 TKG und die auf Grundlage von Satz 2 ergangene Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung sind zwar Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Lizenzgebühren. Bei systematischer Auslegung bezieht sich dieser Gebührentatbestand allerdings nur auf die Erhebung klassischer Verwaltungsgebühren für die Lizenzerteilung, da die Verordnungsermächtigung des § 16 Abs. 1 S. 2 TKG zur Regelung der gebührenpflichtigen Tatbestände, der Gebührenhöhe und der Auslagenerstattung auf das Verwaltungskostengesetz Bezug nimmt.114 Dies und die Konkretisierung der Gebührenbemessung in der Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung implizieren, dass die Gebührenhöhe im Voraus festgelegt werden kann, was für Versteigerungserlöse aufgrund der Anknüpfung an die Gebote der Bieter nicht der Fall ist. Dass § 16 Abs. 1 TKG nicht Rechtsgrundlage für die Erhebung von Versteigerungserlösen ist, ergibt sich darüber hinaus auch im Umkehrschluss aus der Verrechnungsklausel in § 16 Abs. 2 TKG. Wenn Lizenzgebühren nach § 16 Abs. 1 TKG mit dem Versteigerungserlös verrechnet werden, kann dieser selbst nicht Lizenzgebühr sein. § 48 Abs. 1 S. 1 TKG, der die Gebührenpflichtigkeit von Frequenzzuteilungen regelt, bietet ebenfalls keine Grundlage für die Erhebung des Versteigerungserlöses. Auch § 48 Abs. 1 S. 1 TKG hat klassische Verwaltungsgebühren im Sinn, wie sich aus der fast gleichlautenden Verordnungsermächtigung in Satz 2 und dem Verweis auf die Anrechnungsregelung des § 16 Abs. 2 TKG in Satz 3 ergibt; die übrigen Abgabentatbestände des TKG widmen sich ebenfalls nicht dem Versteigerungserlös.115 Obwohl es danach an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Versteigerungserlösen fehlt, wird dies in keiner der kritischen Stellungnahmen oder Untersuchungen des Versteigerungsverfahrens nach § 11 Abs. 4 TKG angesprochen oder gar kritisiert.116 Allem Anschein nach wird eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für Versteigerungserlöse für entbehrlich gehalten. 113
Vgl. Ossenbühl (1996) Rn. 31; Vogel (1999) Rn. 67. Vgl. auch BVerwG DVBl. 2002,
479. 114 Hauptanwendungsfeld sind damit nicht Mobilfunklizenzen, sondern vor allem Lizenzen der Klassen 2, 3 und 4 (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 b und c sowie Nr. 2 TKG), die nicht mit der Übertragung von Frequenznutzungsrechten verbunden sind. Zur Begrenzung des Kreises gebührenpflichtiger Amtshandlungen BVerwG DVBl. 2002, 479 (S. 480 ff.). 115 Vgl. BVerwG DVBl. 2002, 479 (S. 481). 116 Degenhart (2001) S. 33 widmet sich in einer Analyse der Verfassungsmäßigkeit der UMTS-Mobilfunklizenzvergabe zwar in einem eigenen Absatz den Rechtsgrundlagen, behandelt aber nur die Grundlagen des Versteigerungsverfahrens. Grzeszick (1997a) stellt unter Berufung auf die Gesetzgebungsmaterialen (BT-Drs. 13 / 3609 S. 40) lediglich die Gebühren-
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Eine Durchbrechung des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes ist nicht von vornherein ausgeschlossen. In teleologischer Reduktion findet der Grundsatz seine Grenzen dort, wo der Gesetzgeber sinnvollerweise nicht zur Regelung verpflichtet ist. Wo es für bestimmte Sachbereiche noch an der Kodifikationsreife fehlt, weil sich die Dinge technisch im Fluss befinden, hinreichende Erkenntnisse und Erfahrungen fehlen oder weitere Erprobungen notwendig sind, stößt der Gesetzesvorbehalt auf eine natürliche Grenze.117 Vom Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Versteigerungserlösen können diese Grundsätze allerdings nicht entbinden. Zwar konnten mit Versteigerungen angesichts der wenigen bislang durchgeführten Verfahren nur in begrenztem Maße Erfahrungen gesammelt werden.118 Dieser begrenzte Erfahrungsschatz betrifft aber nicht die Gegenleistungsabhängigkeit des Vergabeverfahrens. Diese ist ein Aspekt, welcher für Vergabeverfahren, die auf Markttransaktionen und dem Tauschkonzept basieren, typisch und wesensprägend ist. Ein gesetzlicher Regulierung vorausgehender Erfahrungsschatz ist insoweit nicht notwendig. Das Fehlen einer klaren Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Versteigerungserlöses ist daher verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. II. Bestimmtheit Mit dem Problem einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Erlöserhebung eng verbunden ist die Frage der Bestimmtheit. Für die geltende Regelung hat diese Frage zwar keine Bedeutung, da eine nicht existente Regelung auch nicht bestimmt sein kann. Für eine festzulegende Regelung ist jedoch zu klären, wie bestimmt die Norm sein muss.
1. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Abgabenrecht Grundsätzlich verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, einen gesetzlichen Tatbestand so präzise zu formulieren, dass der Normadressat sein Verhalten an diesem ausrichten kann, weil die Folgen der Regelung voraussehbar und berechenbar sind.119 Der Grad der Bestimmtheit ist von den jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes abhängig. Rechtsvorschriften sind so genau zu fassen, eigenschaft des Versteigerungserlöses fest. Allerdings bieten die Gesetzgebungsmaterialien dafür keine Anhaltspunkte. 117 Ossenbühl (1996) Rn. 64. Ossenbühl sieht die Grenzen des Gesetzesvorbehaltes dort erreicht, wo ein parlamentarisches Gesetz in die originären Kompetenzbereiche der Exekutive eingreifen (Rn. 53 ff.) oder an sachstrukturelle Grenzen des Regelbaren stoßen würde (Rn. 63 ff.). Als eine dieser Fallgruppen sieht er die fehlende Regelungsreife an. 118 Bis Ende 2002 wurden lediglich 3 Versteigerungsverfahren durchgeführt, welche die Vergabe der ERMES-Lizenzen, der GSM-1800-Lizenzen sowie der UMTS / IMT-2000Lizenzen betrafen. 119 BVerfGE 83, 130 (S. 145); Badura (1996b) Abschn. F Rn. 15.
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wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.120 Im Abgabenrecht wird dem Bestimmtheitsgrundsatz besondere Bedeutung bei der Steuererhebung beigemessen: Die Bestimmtheit von Steuergesetzen unterliegt grundsätzlich strengeren Anforderungen als sie für andere Eingriffsgesetze gelten.121 Da als legitimierender Zweck eines Steuergesetzes das Ziel, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf zu beschaffen, grundsätzlich ausreichend ist,122 besteht für Steuern keine dem sonstigen Recht der Eingriffsverwaltung vergleichbare Begrenzung durch das Übermaßverbot, so dass dem Bestimmtheitsgrundsatz kompensierende Wirkung zukommt.123 Für nicht-steuerliche Abgaben, insbesondere Vorzugslasten ist der Bestimmtheitsmaßstab geringer, weil insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mehr Gewicht hat: Die Gegenleistungsabhängigkeit ermöglicht die Abwägung zwischen Abgabenhöhe und Wert der staatlichen Leistung, so dass auch Ermessenstatbestände möglich und unter Umständen sogar geboten sind, um durch Abwägungsentscheidungen die Besonderheiten von Einzelfällen berücksichtigen zu können.124 Allerdings begrenzt der rechtstaatliche Grundgedanke des Bestimmtheitsgrundsatzes, nämlich der Schutz vor beliebigen oder aus politischer Opportunität gefällten Entscheidungen,125 den Spielraum des einfachen Gesetzgebers zur Schaffung von Ermächtigungsgrundlagen nicht-steuerlicher Abgaben.
2. Bestimmtheitsgrundsatz und Versteigerungserlös Eine zur Erlöserhebung ermächtigende Rechtsnorm kann die Abgabenhöhe nicht im Voraus begrenzen. Gleichwohl wäre eine Regelung, die zur Erhebung einer Abgabe für die Lizenzerteilung in Höhe des durch Versteigerung ermittelten Erlöses ermächtigt, mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar. Eine solche Regelung ist tatbestandlich bestimmt, da sie den Grund der Abgabenerhebung, die Lizenzerteilung, eindeutig festlegt. Obwohl eine solche Regelung keine Begrenzung des zulässigen Abgabenrahmens vorsieht, ist sie auch in ihren Rechtsfolgen hinreichend bestimmt. Die Rechtsfolge einer Abgabennorm, die auf das Ergebnis einer Versteigerung verweist, ist erkennbar und liegt in der Festsetzung des nach den Auktionsregeln relevanten Gebotes als Abgabe. Eine detailliertere Bestim120 BVerfGE 49, 168 (S. 181); Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 117. 121 Henneke (2000) Rn. 300. 122 Eine Ausnahme bilden lenkende Steuern wie sogenannte Öko-Steuern, die neben der Finanzierung auch Lenkungszwecken dienen, dazu Siekmann in: Sachs (1999) vor Art. 104a Rn. 63. 123 Vgl. Henneke (2000) Rn. 300. 124 Zur Vereinbarkeit von Ermessensentscheidungen mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 127. 125 Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier (1998) Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 1.
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mung ist nicht möglich, die Vorausfestlegung einer Erlösobergrenze würde den Marktprozess konterkarieren. Eine Begrenzung der Abgabenhöhe erfolgt in einer Auktion indirekt durch die Gewinnerwartungen der Bieter: Tauschprinzip und ökonomische Logik gebieten, ein Gebot nur solange zu erhöhen, wie ihm ein erwarteter Mehrwert gegenübersteht. Staatliche Willkür bei der Abgabenfestsetzung ist ausgeschlossen, da die Regulierungsbehörde auch bei der Abgabenfestsetzung durch die Versteigerungsregeln gebunden ist, so dass die Höhe nicht von dem in Versteigerung ermittelten Wert abweichen kann.126 Würde das TKG um eine die Abgabenerhebung legitimierende Ermächtigungsgrundlage ergänzt, so wäre diese mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, da für die Teilnehmer einer Lizenzoder Frequenzversteigerung die Folgen einer solchen Abgabenregelung voraussehbar und berechenbar sind, so dass sie ihr Handeln dementsprechend kalkulieren können.
126 In der Argumentation bestehen wiederum Parallelen zur ökonomischen Begründung von Versteigerungen auf asymmetrischen Märkten, vgl. oben 1. Kapitel C. I. Relativiert wird dies, wenn der Staat selbst auch als Bieter auftritt, wie es bislang in Form der staatlich dominierte Deutschen Telekom AG der Fall war, vgl. Luttermann (2000) S. 473. In diesem Fall liegt der Vorwurf von „Preistreiberei“ nahe, da Verluste als Bieter durch Gewinne als Auktionator ausgeglichen werden können. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die staatlichen Akteure auf Bieter- oder Versteigererseite aufeinander Einfluss nehmen oder politisch koordiniert werden.
Zusammenfassung und Ergebnisse der Untersuchung 1. Versteigerungen kommen für die regulierende Vergabe knapper Gemeinschaftsgüter in Betracht.1 Die Allokationswirkung dieses Verfahrens basiert auf ökonomischen Konzepten.2 Eine regulative Auktion ist ein gestuftes Verwaltungsverfahren, das drei Phasen durchläuft, nämlich die Vorbereitung, die Gebotsabgabe und den Verfahrensabschluss. Da die Abwägungs- und Auswahlentscheidungen der Verwaltung ins Vorfeld der Vergabe verlagert werden, müssen die staatlichen Ziele im Voraus klar definiert werden. Während der Gebotsabgabe reduziert sich die Rolle des Staates auf Moderation und Überwachung; die Überprüfung von Vergabeverfahren und gefundener Entscheidung schließt das Verfahren ab.3 2. In einer regulativen Versteigerung erfolgt die Vergabeentscheidung nicht in der klassischen formalisierten Entscheidungsstruktur, an welche die demokratische Herrschaftslegitimation anknüpft. Die nur moderierende Rolle des Staates bei der Gebotsabgabe gibt den beteiligten Bietern auf das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung großen Einfluss.4 3. Eine hoheitliche Vergabeentscheidung darf nur durch Organe getroffen werden, die vom Souverän legitimiert und diesem verantwortlich sind.5 Dieser Rechtfertigungszwang gilt auch für den Entscheidungsfindungsprozess, wenn dieser bereits die abschließende Entscheidung bindet.6 Demokratiedefizite können nicht durch Akzeptanz, Entscheidungsteilhabe oder Effizienz der Entscheidung kompensiert werden.7 4. Versteigerungen sind mit diesen Anforderungen vereinbar, wenn der Verfahrensabschluss durch eine Verwaltungsentscheidung erfolgt und es in der Entscheidungskompetenz der Verwaltung liegt, das Ergebnis der Gebotsabgabe zu übernehmen oder das Verfahren abzubrechen.8 Beschränkungen der Letzt1 2 3 4 5 6 7 8
1. Kapitel A. III. 1. Kapitel C. II. 1. Kapitel D. III. 2. Kapitel A. und B. 2. Kapitel A. I. 2. Kapitel B. 2. Kapitel A., dort insbesondere II. 2. Kapitel B.
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Zusammenfassung und Ergebnisse der Untersuchung
entscheidungskompetenz der Verwaltung durch rechtliche Bindungen sind unzulässig.9 Die faktischen Bindungen, denen die Verwaltung durch Reduzierung der Entscheidungsmöglichkeiten nach Durchführung der Versteigerung unterliegt, werden durch Verlagerung der Steuerungsentscheidungen ins Vorfeld der Vergabe kompensiert.10 Unzulässig ist eine Versteigerungsregelung, welche für die durchführende Behörde kein abschließendes Kontrollrecht vor Erteilung des Nutzungsrechts vorsieht. 5. Der grundrechtliche Anspruch auf Teilhabe im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Auswahlmechanismus ist verfassungsgemäß, wenn er objektiv sachgerecht und individuell zumutbar ist. Diese Anforderungen entsprechen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der so genannten neuen Formel. Die Verbindung des Teilhabeanspruchs mit einem Freiheitsrecht (z.B. Art. 12 GG) ist nur von verfahrensrechtlicher Bedeutung.11 6. Grundrechtliche Schutzpflichten geben Anspruch auf staatliche Intervention, wenn infolge eines Vergabeverfahrens von Privaten Grundrechtsverletzungen drohen. Damit der Staat im Vergabeverfahren als Sachwalter der Interessen Unbeteiligter auftreten kann, muss er das Recht und die Möglichkeit der Einflussnahme und Entscheidung haben.12 7. Versteigerungen sind ein grundsätzlich objektiv sachgerechtes und individuell zumutbares Vergabeverfahren. Die Kommerzialisierung des Verwaltungsverfahrens ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da der Preis als Ausdruck der Wirtschaftskraft eines Bewerbers ein sachgerechtes und individuell zumutbares Differenzierungskriterium für die Vergabe eines wirtschaftlich nutzbaren, knappen Gemeinschaftsgutes ist.13 Die Sachgerechtigkeit steht jedoch unter der Bedingung, dass nach der Vergabe Wettbewerb herrscht sowie Absprachen und Überbewertungen durch das Auktionsdesign und ordnungsrechtliche Maßnahmen verhindert werden.14 Des weiteren muss eine regulative Versteigerung in einem streng formalisierten Verfahren verlaufen, um die Gefahr sachwidriger Ausrichtung auf das Erzielen von Einnahmen auszuschließen.15 Die gerichtliche Kontrolle muss sich auf die Einhaltung dieser Regeln beschränken.16 Wird eine regulative Versteigerung durchgeführt, so impliziert dies, dass zumindest auch nach Wirtschaftlichkeit der Bewerber differenziert werden soll. Weitere Regulierungsziele können in ein Versteigerungsverfahren einbezogen werden, wenn sie als Rahmenbedingung des Vergabeverfahrens formuliert werden kön2. Kapitel B. II. 1. 2. Kapitel B. II. 2. 11 3. Kapitel A. II. 12 3. Kapitel A. III. 13 3. Kapitel B. I. 1. und B. III. 1. a). 14 3. Kapitel B. I. 1. a) bb) und B. III. 2. a). 15 3. Kapitel B. I. 2. 16 3. Kapitel B. I. 2. d). 9
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Zusammenfassung und Ergebnisse der Untersuchung
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nen.17 Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber die Grundzüge des Vergabeverfahrens selbst regelt. Die konkrete Ausgestaltung kann und sollte der flexibleren Regelung durch die Verwaltung überlassen bleiben.18 8. Das Verhältnis von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben wird durch den Grundsatz des Steuerstaates geprägt. Dieser ist kein normativer Grundsatz, sondern eine Regelungstechnik. Nicht-steuerliche Abgaben sind rechtfertigungsbedürftig.19 Die Rechtfertigungsanforderungen ergeben sich aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung.20 Aus dem Grundsatz der bundesstaatlichen Finanzverfassung folgt, dass sich nicht-steuerliche Abgaben sowohl formell als auch materiell deutlich von Steuern unterscheiden müssen.21 Der Grundsatz der Belastungsgleichheit verbietet abschöpfende Abgaben, deren Höhe über den Wert des verliehenen Vorteils hinausgeht.22 Der Grundsatz des parlamentarischen Budgetrechts erlaubt außerbudgetäre Sondervermögen nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen.23 9. Versteigerungserlöse sind nicht-steuerliche Abgaben24 und mit der Schutzund Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung grundsätzlich vereinbar. Versteigerungserlöse unterscheiden sich formell von Steuern, da sie aus Anlass der Zuordnung des Auktionsgegenstandes erhoben werden.25 Materiell unterscheiden sie sich von Steuern, wenn die Vergabe des Auktionsgegenstandes eine besondere Leistung ist. Abgabentauglich sind Leistungen, die dem Abgabenschuldner einen Sondervorteil gewähren, der anderen verwehrt ist.26 Die Verleihung eines Handlungsrechts ist abgabentauglich, wenn sie die ausschließliche Inanspruchnahme eines Gemeinschaftsgutes ermöglicht. Allein die Aufhebung einer vorherigen Freiheitsbeschränkung kann nicht Gegenstand einer Abgabe sein.27 Der Grundsatz der Belastungsgleichheit wird nur gewahrt, wenn die Gefahr von Überbewertungen minimiert wird. Nur unter diesen Umständen entspricht der Marktwert dem wirklichen wirtschaftlichen Wert des Auktionsgegenstandes. Die gerichtliche Kontrolle dieser Anforderungen ist auf die Überprüfung formaler Fehler beschränkt.28 Der Grundsatz 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
3. Kapitel B. III. 2. 3. Kapitel B. III. 3. a) und b). 4. Kapitel A. II. 1. 4. Kapitel A. II. 2., dort insbesondere c). 4. Kapitel A. III. 1. a). 4. Kapitel A. II. 2. 4. Kapitel A. III. 3. c). 4. Kapitel A. I. 4. Kapitel A. III. 1. b). 4. Kapitel A. III. 1. c). 4. Kapitel A. III. 1. d) cc) (3) (b). 4. Kapitel A. III. 2.
13 Leist
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Zusammenfassung und Ergebnisse der Untersuchung
des parlamentarischen Budgetrechts ist gewahrt, solange eine Zweckbindung des Erlöses nicht zur Ausbildung eines eigenen Haushaltes führt.29 10. Die finanzausgleichsrechtliche Behandlung von Versteigerungserlösen unterscheidet sich nicht von der anderer nicht-steuerlicher Abgaben; ihr Ertrag fließt dem Verwaltungsträger zu.30 Das bundesstaatliche Finanzgleichgewicht wird durch die Erhebung von Versteigerungserlösen bei niedriger Höhe nicht angetastet und auch dann nicht gestört, wenn die Erlöse haushaltsmäßig spürbare Höhe erreichen. Für den Fall einer relevanten Aufkommensverschiebung innerhalb der Bundesstaatsebenen greift bei wesentlichen und nachhaltigen Änderungen die Revisionsklausel der Umsatzsteuerverteilung (Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG),31 bei kurzfristigen Veränderungen kommt zu Gunsten der Länder die Mehrbelastungsausgleichsklausel des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG in Betracht.32 11. Die Versteigerungsregelung des TKG ist missverständlich, indem Lizenzierung und Frequenznutzung in der Mobilfunklizenzversteigerung verbunden werden und § 11 auf § 8 TKG verweist.33 12. Frequenzversteigerungen werden durch das sekundäre europäische Telekommunikationsrecht nahe gelegt.34 Die Regelung des TKG setzt jedoch die Genehmigungsrichtlinie 97 / 13 / EG im Hinblick auf die Wettbewerbsförderungs-, Nutzungssicherungs- und Innovationsförderungsfunktion nur unzureichend um.35 Primäres Europarecht steht Versteigerungen nicht entgegen.36 13. Das Grundgesetz trifft in Art. 87 f telekommunikationsspezifische Regelungen, die neben die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen treten. Versteigerungen sind ein objektiv sachgerechtes und individuell zumutbares Verfahren für die Vergabe von Frequenzen und Mobilfunklizenzen, da die verschiedenen gesetzlichen Regulierungsziele im Versteigerungsverfahren erreicht werden können.37 Die Regelung des TKG ist jedoch unzureichend, da der Parlamentsvorbehalt eine Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Versteigerungserlöses38 und gesetzliche Leitlinien für die Ausgestaltung der Versteigerung gebietet.39 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
4. Kapitel A. III. 3. 4. Kapitel B. II. 4. Kapitel B. III. 1. und 2. 4. Kapitel B. III. 3. 1. Kapitel C. I. 5. Kapitel A. III. 5. Kapitel A. I. 3. und 4. 5. Kapitel B. 3. Kapitel B. II. 1. 6. Kapitel C. I. 6. Kapitel B. II. 2.
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Sachwortverzeichnis Auktion siehe Versteigerung Auswahlverfahren siehe Vergabeverfahren
Grundsatz des Steuerstaates siehe Steuerstaat, Grds. des
Belastungsgleichheit, abgabenrechtliche 138 ff. Bestimmtheitsgrundsatz – u. Versteigerungserlös 188 ff., 189 f. – u. Versteigerungsregelung 110 f. Budgetrecht 143 ff. Bundesstaatliche Finanzordnung 128 ff.
Kollusion 41, 80 ff., 98, 169, 185 Kommerzialisierung 78 Konzessionshandel 82 ff.
Demokratieprinzip 59 ff. – Kompensation von Defiziten 61 ff. – Legitimation 59 – u. Entscheidungsfindung 63 f. Deregulierung 34 Effizienz 32, 38, 62 Ertragskompetenz 149 ff. – bei Versteigerungserlösen 151 ff. – bei Vorzugslasten 150 f. Finanzausgleich 146 ff. Fluch des Gewinners 41, 80, 106 Frequenzeffizienz 93 Gebühr – G.-begriffe 123 ff. – gebührenfähige Leistung 131 ff. – Verleihungsgebühr 132 ff. – Versteigerungserlöse 129 ff. Gemeinschaftsgüter 23 ff. – u. Anwendungsfeld von Versteigerungen 26 Grundrechte 67 ff. – Schutzpflichten 75 ff. – status negativus 67 – status positivus 67 – Teilhaberechte 69 ff.
Lizenzkontingentierung 45, 179 Markt – asymmetrischer 36, 37 – Preisbildung 99 – Versagen 41, 96 Marktmechanismus 36 Marktrezeption 34 f. Mehrbelastungsausgleich 156 nicht-steuerliche Abgaben 112 ff. – Begriff 113 – Rechtfertigung 114, 117, 119, 124, 126 Ökonomische Analyse des Rechts 62, 93 Ökonomisierung 34 ff. Parlamentsvorbehalt 184 f. Privatisierung 34 Regulierungsziele – aus ökonomischer Sicht 38 f. – Einbindung in Versteigerung 51 f. – mögliche 107 f. – notwendige 107 f. – Regelung des TKG 91 f. Revisionsanspruch 154 Slots 21, 25 Spielbankkonzessionen 27 Spieltheorie 36 Standplätze auf Märkten 25 Steuerstaat, Grds. des 115 ff. Taxikonzessionen 25, 82
Sachwortverzeichnis Verfahrensformalisierung 88 Vergabeverfahren 28 ff., 72 ff. – Anciennität 29 – „beauty contest“ 33 – „bekannt und bewährt“ 29, 72 – formale 30 f. – klassische 28 ff. – Los 30, 73 – materielle 29 f. – ökonomische Kritik 32 – Priorität 30, 73 – Regelung des TKG 44 ff. Verschmutzungsrechte 22, 26 Versteigerung – Ablauf 44 ff., 50 – Arten 40 f. – Auswahlmechanismus 36 ff., 57 f., 66, 78 – Design 39 ff., 41, 42 – Funktion des Staates 53, 56 – Gefahr von Fehlallokationen 81 – gerichtliche Kontrolle 89, 142 f. – individuelle Zumutbarkeit 77 ff., 92 ff., 103, 181
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– kooperatives Auswahlverfahren 63 – notwendige Rahmenbedingungen 104 ff. – objektive Sachgerechtigkeit 77 ff., 92 ff., 103, 181 – ökonomisches Konzept 35 ff. – Privilegierungen 102 – u. klassische Vergabeverfahren 56 ff. – u. Telekommunikationsverfassungsrecht 181 ff. – und Europarecht 160 ff. – Verfahrensabschluss 53 f. Versteigerungserlös 57, 111 ff., 186 ff. – als Gebühr 129 – als nicht-steuerliche Abgabe 113 – gesetzliche Grundlage 187 ff. – Regelung im TKG 48 – u. fiskalische Interessen des Staates 86 ff. Wettbewerb – chancengleicher 94 ff. – Förderung 166 f. – nach Versteigerung 106 – ruinöser 97