Vernetzte Räume: Plädoyer für den Spatial Turn in der Architektur [1. Aufl.] 9783839414996

Das Verhältnis von Architektur und Gesellschaft muss neu konzipiert werden - Architektur entsteht heute zwar mithilfe mo

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German Pages 212 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1. Raum als soziologischer Begriff
1.1 Raum in der Gesellschaft
1.2 Raumverständnisse
1.2.1 Der absolute Raumbegriff
1.2.2 Relativistische Raumbildungen
1.2.3 Der relationale Raumbegriff
1.3 Soziale Räume und physische Räume
1.4 Raumdisziplinen der Soziologie
1.5 Ein neuer räumlicher Prozess
Fazit
2. Raum und Vernetzung
2.1 Der Weg der Vernetzung
2.2 Die Netzwerkgesellschaft
2.3 Globalisierung und Vernetzung
2.4 Oppositionen
Fazit
3. Die architektonische Gestalt der Netzwerkgesellschaft
3.1 Die Transformation der urbanen Form
3.2 Spaltungen
3.3 Angleichungen
3.4 Planungen
3.5 Repräsentationen
3.6 Illusionen
3.7 Übergänge
Fazit
4. Raumkonstruktionen – Exemplarische Analysen
4.1 Einleitung Projektanalyse
4.2 Projektbeispiel 1 – Die Entwicklung architektonischer Räume in einem global agierenden Unternehmen der Automobilindustrie
4.2.1 Transformationsprozesse in der Automobilindustrie
4.2.2 Die architektonischen Räume der Automobilindustrie
4.2.3 Das Projekt
4.2.4 Zusammenführende Betrachtung des Planungsprozesses
Fazit
4.3 Projektbeispiel 2 – Analyse eines Unternehmens in der Technologieindustrie
4.3.1 Die neuen Technologieindustrien
4.3.2 Die architektonischen Räume der Technologieindustrie
4.3.3 Das Projekt
4.3.4 Zusammenführende Betrachtungen
Fazit
5. Ein spatial turn in der Architektur
5.1 Raumverständnisse in der Gesellschaft
5.2 Ausblick
Literatur
Verwendete Studien und Unterlagen
Erwähnte Filme
Bildnachweis
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Vernetzte Räume: Plädoyer für den Spatial Turn in der Architektur [1. Aufl.]
 9783839414996

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Christina Hilger Vernetzte Räume

Materialitäten | Hg. von Gabriele Klein, Martina Löw und Michael Meuser | Band 15

Christina Hilger (Dipl.-Ing., Dr. phil.), Innenarchitektin und Soziologin, leitet das Büro »Architektur+Kommunikation« in München.

Christina Hilger

Vernetzte Räume Plädoyer für den Spatial Turn in der Architektur

Die Publikation wurde 2009 unter dem Titel »Die architektonischen Räume einer vernetzten Gesellschaft. Raumbilder, Raumkonzepte und Raumkonstruktionen im Wandel« im Fachbereich Soziologie als Dissertation an der TU Darmstadt angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: almogon / photocase.com (»HH: helixsche rettung«) Lektorat: Christina Hilger Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1499-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung | 11 1. Raum als soziologischer Begriff | 25 1.1 Raum in der Gesellschaft | 25 1.2 Raumverständnisse | 28 1.2.1 Der absolute Raumbegriff | 29 1.2.2 Relativistische Raumbildungen | 31 1.2.3 Der relationale Raumbegriff | 34 1.3 Soziale Räume und physische Räume | 38 1.4 Raumdisziplinen der Soziologie | 45 1.5 Ein neuer räumlicher Prozess | 47 Fazit | 51

2. Raum und Vernetzung | 53 2.1 Der Weg der Vernetzung | 53 2.2 Die Netzwerkgesellschaft | 60 2.3 Globalisierung und Vernetzung | 65 2.4 Oppositionen | 67 Fazit | 76

3. Die architektonische Gestalt der Netzwerkgesellschaft | 79 3.1 Die Transformation der urbanen Form | 81 3.2 Spaltungen | 84 3.3 Angleichungen | 91 3.4 Planungen | 95 3.5 Repräsentationen | 101 3.6 Illusionen | 110 3.7 Übergänge | 117 Fazit | 121

4. Raumkonstruktionen – Exemplarische Analysen | 123 4.1 Einleitung Projektanalyse | 123 4.2 Projektbeispiel 1 – Die Entwicklung architektonischer Räume in einem global agierenden Unternehmen der Automobilindustrie | 129 4.2.1 Transformationsprozesse in der Automobilindustrie | 130 4.2.2 Die architektonischen Räume der Automobilindustrie | 131 4.2.3 Das Projekt | 138 4.2.4 Zusammenführende Betrachtung des Planungsprozesses | 155 Fazit | 160 4.3 Projektbeispiel 2 – Analyse eines Unternehmens in der Technologieindustrie | 161 4.3.1 Die neuen Technologieindustrien | 162 4.3.2 Die architektonischen Räume der Technologieindustrie | 165 4.3.3 Das Projekt | 168 4.3.4 Zusammenführende Betrachtungen | 181 Fazit | 183

5. Ein spatial turn in der Architektur | 185 5.1 Raumverständnisse in der Gesellschaft | 186 5.2 Ausblick | 197

Literatur | 199 Verwendete Studien und Unterlagen | 207 Erwähnte Filme | 207 Bildnachweis | 208

Für Claudia Felicitas Hilger. Immer hier.

O N H OUSES »And tell me, people of OrphaIese, what have you in these houses? And what is it you guard with fastened doors? Have you peace, the quiet urge that reveals your power? Have you remembrances, the glimmering arches that span the summits of the mind? Have you beauty, that leads the heart from things fashioned of wood and stone to the holy mountain? Tell me, have you these in your houses? Or have you only comfort, and the lust for comfort, that stealthy thing that enters the house a guest, and then becomes a host and then a master? Ay, and it becomes a tamer, and with hook and scourge makes puppets of your larger desires. Though its hands are silken, its heart is of iron. It lulls you to sleep only to stand by your bed and jeer at the dignity of the flesh. It makes mock of your sound senses, and lays them in thistledown like fragile vessels. Verily the lust for comfort murders the passion of the soul, and then walks grinning in the funeral. But you, children of space, you restless in rest, you shall not be trapped nor tamed. Your house shall be not an anchor but a mast. It shall not be a glistening film that covers a wound, but an eyelid that guards the eye. You shall not fold your wings that you may pass through doors, nor bend your heads that they strike not against a ceiling, nor fear to breathe lest walls should crack and fall down. You shall not dwell in tombs made by the dead for the living. And though of magnificence and splendor, your house shall not hold your secret nor shelter your longing. For that which is boundless in you abides in the mansion of the sky, whose door is the morning mist, and whose windows are the songs and the silences of night«. Kahlil Gibran, The Prophet

Einleitung

Die Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten (BDA), »der architekt«, widmet 2008 eine ganze Ausgabe (3/2008) dem Thema »Raumwende« in der Architektur. Im Zusammenhang mit dem spatial turn und einer daraus hervorgehenden »Hinwendung zum Phänomen des Raums« als einem der »wichtigsten Phänomene unserer Lebenswirklichkeit« (Denk/Schröder/Schützeichel 2008: 1) wird von den Autoren eine »kaum zu bewältigende Vielzahl von Raumtheorien und Raummodellen« (ebd.: 2) konstatiert. Der Raumbegriff sei dadurch ungewiss geworden und es bleibe mehr »Skepsis und weniger Selbstgewissheit« (ebd.: 2) als in Zeiten August Schmarsows oder Hermann Sörgels1 , in denen erstmals die Anwendung des Raumbegriffs auf die »gebaute Lebensumwelt« (ebd.: 2) erfolgte. In verschiedenen Essays werden in der Ausgabe die Auswirkungen der neuen Raumtheorien aus der Soziologie − im Besonderen der Raumsoziologie – und den Kulturwissenschaften in Bezug auf architektonische Raumdefinitionen reflektiert. In der Einleitung wird zusammenfassend festgestellt, dass sich die raumtheoretischen Erkenntnisse kaum auf architektonische Gestaltung ausgewirkt haben, was darauf zurückgeführt wird, dass Erkenntnisinteresse und Terminologie des Raumdiskurses in den Geisteswissenschaften für die Architektur zu abstrakt geblieben seien (vgl. Denk/Schröder/ Schützeichel 2008).

1 | August Schmarsow hat 1893 in seiner Berliner Antrittsvorlesung die Idee eines inneren und äußeren Raumgedanken entwickelt, den er auf die Stadt übertrug (vgl. Schmarsow 2006). Hermann Sörgel fasste 1918 seine Ideen zu einem kunstgeschichtlichen Raumbegriff in einer Theorie des städtischen und architektonischen Raumes zusammen (vgl. Schröder 2008: 2). Zu dieser Zeit hatte Georg Simmel bereits einige seiner soziologischen Raumideen formuliert, und auch in der Physik gab es Anfang des 20sten Jahrhunderts Ansätze zu anderen Raumbegriffen. Auch wenn die Transformationen durch ein informationstechnologisches Paradigma noch nicht wirken konnten, so war zu der damaligen Zeit ein absoluter mathematischer Raumbegriff keineswegs mehr selbstverständlich.

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Der Grundtenor der Ausgabe konstruiert dabei − aus unterschiedlichen Perspektiven – den Gegensatz zwischen Architektur als »objektorientierter Wissenschaft« und der abstrakten Terminologie der Kultur- und Geisteswissenschaften. Ein relationales Verständnis von Raum als soziales Konstrukt wird in den Ausführungen nur als Struktur für Konstellationen außerhalb von Architektur anerkannt, architektonische Räumlichkeit wiederum kann mit relationalen Positionen aufgrund deren äußerer Perspektive (vgl. Schröder 2008) nicht bestimmt werden. Damit wird eine konzeptionelle Trennung evident, die als symptomatisch für die Auseinandersetzung mit Raumvorstellungen in der Architektur angesehen werden kann. Die neuen Raumkonzepte in den Sozial- und Kulturwissenschaften werden vor allem als theoretische Konstrukte verstanden, die mit der »Realität« des gebauten Raumes nichts zu tun haben (können). An diese Trennung und den daraus folgenden Konsequenzen knüpft die vorliegende Arbeit an. Ihr Ansatz ergibt sich aus der Grundannahme, dass − wie ich im Verlauf der Ausführungen zeigen werde − genau diese symptomatische konzeptionelle Trennung zwischen architektonischem Raum als ästhetizistischem »Objekt« und sozialem Raum als theoretischem Konstrukt zu Ausdifferenzierungsprozessen und Spaltungen führt, die sowohl auf die Produktion architektonischer Räume als auch auf gesellschaftliche Konstitutionsprozesse wirken. Zugrunde liegt diesen Konstruktionen ein spezifisches, tradiertes Raumverständnis, das von der prozessualen Dynamik einer zunehmend vernetzten Gesellschaft nicht berührt wird. Mit der konzeptionellen Trennung von Architektur und Gesellschaft ist zudem eine duale Logik verbunden, die eine Vielzahl von weiteren Oppositionen nach sich zieht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass − wie die Beiträge der oben zitierten Zeitschrift verdeutlichen − aus Sicht der Architektur mit der Raumwende das Verschwinden oder eine »um sich greifende Auflösung von Räumen und Orten« (Schröder 2008: 2) verbunden ist, während der Raumdiskurs in den Sozialwissenschaften seit einigen Jahren von einer neuen Raumzugewandtheit bestimmt wird, auch wenn daran unterschiedliche und teils gegensätzliche Positionen geknüpft sind. Der Geograph Karl Schlögel überschreibt sogar ein Kapitel in seiner Untersuchung zur Zivilisationsgeschichte und Geopolitik mit: »Spatial Turn, endlich«, denn im »Raume lesen wir die Zeit« (Schlögel 2006: 60 und Titel). Diese doch sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen scheinen vor allem auf unterschiedlichen Raumverständnissen zu gründen, was daran erkannt werden kann, dass Uwe Schröder die Wurzeln der beklagten »Raumlosigkeit« gegenwärtiger Architektur in relationalen Raumverständnissen sieht; als Folge eines physikalischen Paradigmenwechsels, der »gutgläubig übernommen« (Schröder 2008: 2) wurde. Daraus leitet sich eine Opposition zwischen absoluten, mathematisch-physikalischen Raumdefinitionen und neuen relationalen Raumkonzepten ab.

E INLEITUNG

Die neuen relationalen Raumkonzepte, die auf der vernetzten und prozessualen Dynamik eines informationstechnologischen Paradigmas beruhen, welches moderne Gesellschaft bestimmt, werden fast als Bedrohung für das spezifische Wesen von architektonischer Raumkonstruktion dargestellt; die Entfaltung einer »inneren wesenhaften Gestalt« (vgl. Schröder 2008: 2) des Raumes wird erst mit einem absolutistischen Denken und seinen begrenzenden baulichen Konturen möglich. Ein relationales Raumdenken hingegen, als Vorstellung eines äußeren »entgrenzten« Raumes, zieht die Auflösung des inneren Raumes nach sich (vgl. ebd.: 2). Trotz der vernetzten Dynamik einer Gesellschaft im Wandel wird somit die Architekturdisziplin von einem Raumdenken bestimmt, das sich nach wie vor unbeirrt auf die jahrtausendealten Prinzipien von Euklid und Vitruv gründet. Die neuen Raumdefinitionen und Raumvorstellungen der Kultur- und Geisteswissenschaften werden nicht als Erweiterung für die Architekturdisziplin, sondern als deren Herausforderung angesehen. Das Festhalten an tradierten Raumvorstellungen hat, wie die nachfolgenden Beschreibungen aufzeigen werden – jedoch weitreichende Folgen, nicht nur für die Konstruktion von architektonischen Räumen, sondern auch für die Beziehung von Architektur und Gesellschaft, da gesellschaftliche Handlungsweisen eng mit Raumverständnissen verwoben sind. Von jeher sind Raumvorstellungen und Raumbilder Metaphern für den Stand gesellschaftlicher Entwicklung. Auch die momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse, hervorgerufen durch die Evolution moderner Kommunikations-, Informations- und Transporttechnologien, zeigen sich in den neueren Konzepten zur räumlichen Neudefinition moderner Gesellschaften. Relationale Raumkonzepte erklären sich dementsprechend vor allem aus der prozessualen, simultanen Dynamik einer zunehmenden Vernetzung und der Einsicht, dass zeitliche Ordnungsstrukturen, die durch lineare Anordnungen definiert werden, für die Analyse und Bestimmung der momentanen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht ausreichen. Werden relationale Raumkonzepte als Gegensatz zu mathematischen Raumverständnissen konzipiert, so wird damit eine Trennung von Gesellschaft und Raum aufrechterhalten, in der Architektur losgelöst von Gesellschaft gedacht wird. Mit dieser konzeptionellen Trennung wird ein räumlich konnotiertes Containerdenken aufrechterhalten, in dem Gesellschaft sich entweder im Raum, sei es im Gebäude oder im Stadtraum, oder vor dem Raum als statischem Hintergrund abspielt. Eine wechselseitige Konstruktion, die Strukturierung von sozialen Handlungen durch architektonische Räume und deren Beschaffenheit, Symbolik und materielle Präsenz wird dabei ebenso wenig anerkannt wie die Tatsache, dass architektonische Räume, bevor sie physisch manifestiert werden, eine soziale Herstellungsleistung und damit per se Bestandteil gesellschaftlichen Handelns sind.

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Wie ich im Folgenden aufzeigen werde, haben die Beobachtungen zur physischen Gestalt moderner Gesellschaften ebenso wie die Beschreibungen der exemplarischen Analysen jedoch verdeutlicht, dass die momentanen Wandlungsprozesse eine Integration der unterschiedlichen Raumverständnisse erfordern. Das beinhaltet die Integration relationaler Positionen in die Architekturdisziplin ebenso wie die Integration euklidischer architektonischer Raumdefinitionen in die Konzeptionalisierung moderner Gesellschaften. Ausgehend von einem Prinzip der Relationenbildung impliziert eine wechselseitige Integration die denklogische Beendigung eines seit Jahrhunderten andauernden Wettstreites zwischen gegensätzlichen Raumverständnissen, die sich in der Opposition von absolut vs. relativ in vielen Bereichen gesellschaftlicher Konstruktionen zeigen. Die Integration, d.h. die Auflösung der konzeptionellen Trennung von Architektur und Gesellschaft durch ein wechselseitiges Verständnis, ist auch deshalb so relevant, weil − aufgrund der zunehmenden Verstädterung moderner Gesellschaften − bauliche Strukturen nachweislich eine hohe Relevanz für gesellschaftliche Konstitutionsprozesse haben. Bei den Untersuchungen ist deutlich geworden, dass diese Relevanz in einer von Globalisierung und Vernetzung bestimmten Gesellschaft über die Bourdieu’sche kausale Bestimmung und Symbolik von gebautem Raum für gesellschaftliche Felder und deren Kapitalanhäufungen hinaus geht (vgl. Bourdieu 1991). Die raumtheoretische Neudefinition moderner Gesellschaften und die Dynamik einer globalen Ökonomie, die sich maßgeblich den Interaktionen und Verknüpfungen in den digitalen Strömen verdankt, haben jedoch bisher nicht zu einer Neudefinition des Verhältnisses von architektonischem Raum und Gesellschaft geführt. Die prozessuale und vernetzte Dynamik einer Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2001) ist architektonisch, d.h. in der Beschaffenheit von Planungsprozessen sowie im Selbstverständnis moderner Architekturproduktion, nicht erkennbar. Obwohl architektonische Räume von den Akteuren einer globalen Ökonomie als wichtiges Werkzeug im Wettbewerb um eine relevante Position instrumentalisiert werden (vgl. King 2004), haben die exemplarischen Analysen sehr deutlich gezeigt, dass die vernetzte und relationale Dynamik, die kennzeichnend für die Handlungsweisen der Akteure in vernetzten Strukturen ist, nicht auf die Produktion ihrer architektonischen Räume angewendet wird. Kollektives Denken und Handeln werden auch in einer vernetzten Gesellschaft nach wie vor durch absolute Positionen und den Wettstreit zwischen gegensätzlichen Raumverständnissen bestimmt. Architektonische Räume, so hat sich in den Analysen der Projektbeispiele gezeigt, sind nach wie vor das Ergebnis eines absoluten Raumdenkens, das mit einer vorwiegend ästhetizistischen und technischen Ausrichtung gegenüber gesellschaftlichen Strukturierungen abgegrenzt bleibt, obwohl architektonische Räume diese Strukturen aufgrund ihrer physischen Realität sowohl im Inneren als auch im Äußeren mitgestalten.

E INLEITUNG

Die Architekturdisziplin, so hat sich auch gezeigt, ist durchaus auf der Suche nach Konzepten, mit denen die gesellschaftlichen Transformationsprozesse bewältigt oder verarbeitet werden können. Das jahrhundertealte Verständnis einer linearen Konstruktion und einer Vorstellung vom statischen architektonischen Raum als Rahmen, Hintergrund oder Repräsentation von sozialen Handlungen und Bewegungen ist jedoch so fest eingeschrieben, dass auch Veränderungen immer nur innerhalb dieses Konzepts eines Objektraums gedacht werden bzw. sich in diesem bewegen. Die Veränderungen beziehen sich daher weitestgehend auf die Optimierung von Technologien, Konstruktionsmethoden, Materialien und visuellen Repräsentationsqualitäten. Die Frage, wie gesellschaftliche Wandlungsprozesse und Architekturproduktion sich wechselseitig bedingen und welche Folgen die repräsentativen Architekturen einer globalen Ökonomie auf soziale Handlungen und gesellschaftliche Strukturierung haben, bleibt oftmals unbeantwortet bzw. wird in der Architekturdisziplin so gar nicht gestellt. Dadurch entsteht eine Kontextlosigkeit von modernen Architekturen (vgl. Mau 2004; Graham/Marvin 2001), deren physische Realität dazu beiträgt, gesellschaftliche Spaltungen und Trennungen aufrecht zu erhalten (vgl. Castells 2001). Wie ich anhand der exemplarischen Analysen aufzeigen werde, sind die codierten und abgegrenzten Architekturformen, die sich an den bedeutenden Orten einer Weltgesellschaft (vgl. Maresch/Werber 2002) als Repräsentationen der globalen Ökonomie reproduzieren, ebenfalls das Ergebnis eines kollektiven absoluten Raumdenkens. Dieses Denken reproduziert sich auch in den räumlichen Logiken der Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2001). Ein absolutes Raumverständnis behindert somit auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene einen integrierenden, kontextgenerierten Ansatz, der angesichts der momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse jedoch dringend erforderlich ist (vgl. Löw 2001; Massey 2005; Berking 2006). Wie ich im Verlauf meiner Untersuchungen zeigen werde, lassen sich die Signifikanz von Raumverständnissen und deren direkte Konsequenzen exemplarisch und aussagekräftig im Planungsprozess von architektonischen Räumen deuten. Die Analyse der Planungsprozesse von zwei Bauprojekten hat gezeigt, dass architektonische Räume − und Gebäude – das Ergebnis eines komplexen Prozesses sind, in dem sich kollektive Raumvorstellungen, globale Einflüsse, individuelle ästhetizistische Leitideen, der Stand technologischer Entwicklungen ebenso wie kulturelle Strömungen verdichten und entweder verbinden oder gegeneinander ausgespielt werden. Planungsprozesse werden somit von einer Vielzahl von unterschiedlichen Einflüssen, vorperforierten Grundannahmen und sozialen Aushandlungsprozessen bestimmt. Aushandlungsprozesse und Entscheidungen, so hat sich deutlich herausgestellt, mögen im Hinblick auf die Architekturproduktion zwangsläufig und selbstverständlich erscheinen, weil die Produktion von Materie lineare konstruktive Herangehensweisen erfordert. Als Konzept für die Bestimmung des Verhältnisses von architektonischen

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Räumen und einer vernetzten Gesellschaft ist dieses lineare Denken jedoch trennend und isolierend. Die Analyse und Deutung der Beschreibungen des Planungsprozesses im Kontext der zugrunde liegenden Raumverständnisse und der determinierenden sozialräumlichen Strukturen hat für mich auch zur Klärung von Fragestellungen aus meiner langjährigen Erfahrung mit Entwurfsmethodik und Gebäudekonstruktionen geführt. Anhand der raumsoziologisch fundierten Analyse konnten Zusammenhänge und Interdependenzen wissenschaftlich aufgeschlüsselt werden, deren spezifische Relevanz für Architekturproduktion aus einem alleinigen architektonischen Verständnis heraus bisher verschlossen blieb. Als Beraterin in komplexen Bauprojekten habe ich oft erfahren, dass es im Planungsprozess einen Punkt gibt, an dem die einzelnen Planungselemente als getrennte Realitäten verstanden und gehandhabt werden, obwohl Interesse an allen Parametern besteht. So wird die sozialräumliche Struktur in den großen Konzernen durch Mitarbeiterbefragungen und Evaluierungsprozesse zunehmend als wichtiger determinierender Parameter des Planungsprozesses verstanden. Trotzdem werden in den meisten Architekturprojekten die verschiedenen Aspekte der Planungen nicht miteinander entwickelt, weil letztendlich der Gebäudeentwurf über alle anderen Parameter entscheidet. Die Analyse auf Basis einer raumsoziologisch definierten Ordnungsstruktur eröffnet über das Prinzip der Relationenbildung neue Denkwerkzeuge und Herangehensweisen, ohne dass die klassische Architekturkonstruktion in Frage gestellt wird. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass die Vorschläge aus der Raumsoziologie dazu beitragen können, das bisher praktizierte Denken in abgeschlossenen Raumrealitäten, welches zur hierarchischen Anordnung der Planungsparameter führt, zu transformieren. Ein relationales Raumverständnis ist dementsprechend keine Bedrohung architektonischer Konstruktions- oder Wahrnehmungsprinzipien, sondern führt dazu, dass alle Parameter architektonischer Raumproduktion als miteinander in Beziehung stehend verstanden – und gehandhabt − werden. Zur konzeptionellen Disposition steht in diesem Kontext auch die als selbstverständlich praktizierte und durch die Architektenkammern verordnete Aufspaltung der Disziplin selbst. Architektur wird nach wie vor strikt unterteilt in Innen-, Außen-, Hochbau- oder Stadtarchitektur. Alle diese Bereiche architektonischer Raumproduktion sind jedoch aufs engste miteinander verwoben, voneinander abhängig und gleichermaßen relevant für die physische Gestalt der Gesellschaft. Die Dynamik dieser Spaltungsprozesse lässt sich auf dieselben Grundannahmen zurückführen, die auch die abgetrennten Raumrealitäten in den Planungsprozessen moderner architektonischer Räume hervorbringen und über diese auch gesellschaftliche Spaltungsprozesse verstärken. Der Erklärungsnutzen raumtheoretischer Definitionen und Modelle für architektonische Praxis ebenso wie die Relevanz von Raumverständnissen für soziale Handlun-

E INLEITUNG

gen im Planungsprozess und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene ist daher eines der wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um einen interdisziplinär angelegten Forschungsbereich handelt, bleiben Fragen offen und stehen weitere Bereiche zur Untersuchung oder exemplarischen Überprüfung an. Trotzdem haben sich die hier zusammengestellten Beschreibungen und Deutungen zu einer These verdichtet, die eine neue theoretische Grundlage für die Dynamik und Handhabung von Planungsprozessen bilden und zu einem neuen Verständnis der Interdependenzen von Gesellschaft und architektonischen Räumen führen könnte. Ausgangspunkt und auch Endpunkt dieser Beschreibungen sind die Vorschläge aus der Raumsoziologie von Martina Löw.

S TATUS Viele Untersuchungen geben Aufschluss über die sozialen und strukturellen Umwälzungen und die Dynamik einer zunehmend vernetzten Gesellschaft, die Manuel Castells als Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2001) deklariert hat. In seiner umfassenden Analyse zur Dynamik des Informationszeitalters hat er die dualen räumlichen Logiken der Netzwerkgesellschaft beschrieben, deren Auswirkungen sich in der sozialen und auch in der baulichen Struktur der neuen Megastädte (vgl. Castells 2001; Sassen 2000; Graham/Marvin 2001; Mau 2004) zeigen. Auch in anderen soziologischen Untersuchungen wird die räumliche Neudefinition moderner Gesellschaften ausführlich beschrieben (vgl. Berking 1998, 2006; Castells 2001; Löw 2001, 2008; Massey 2005; Schroer 2003; 2006). In gesellschaftswissenschaftlichen Positionen besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass trotz der von modernen Kommunikationstechnologien hervorgerufenen Phänomene wie Virtualisierung und Ent-Territorrialisierung spezifischer gesellschaftlicher Funktionen der Raum sich nicht, wie 1964 noch von Marshall McLuhan konstatiert »aufgelöst« hat (vgl. McLuhan 1964). Stattdessen hat sich Raum in den Sozialwissenschaften als eine wichtige analytische Kategorie gesellschaftlicher Konstitution etabliert. Die neuen Raumkonzeptionen haben jedoch nicht dazu geführt, dass eine einheitliche räumliche Ordnungslogik etabliert werden konnte. Vielmehr werden auch in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen unterschiedliche Raumbegriffe gegenübergestellt und als oppositionell beschrieben (vgl. Beck 2006; Massey 2005; Berking 2006; Schroer 2006; Dünne/Günzel 2006; Günzel 2007; Maresch/Werber 2002). Als einer der ersten Soziologen der sich mit den Aspekten sozialer Raumkonstruktion und mit den sozialen Folgen baulicher Strukturen auseinandergesetzt hat, gilt Georg Simmel (vgl. Simmel 1995; 1992). Auf seinen Reflexionen bauen die Konzepte aus der Stadtsoziologie und Architektursoziologie auf, die

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in den letzten Jahren eine Belebung erfahren haben (vgl. Schäfers 2003). Die meisten stadtsoziologisch ausgerichteten Untersuchungen beschäftigen sich jedoch mehr mit einem übergeordneten Blick auf Strukturen, Machtverhältnisse und die Marginalität von Raumverteilungen und Raumverdichtungen (vgl. Sassen 1993; 2000; Castells 2001) ohne die städtebaulichen Realitäten mit der sozialen Grundlage von Raumplanung und Planungsprozess zu verknüpfen. Architektonische Räume werden in soziologischen Analysen vorwiegend als bereits vorhanden analysiert, sei es als städtische Bebauungen (vgl. Sassen 2000; Castells 2001; Graham/Marvin 2001), als Repräsentationen gesellschaftlicher Machtverhältnisse (vgl. Harvey 1995; Bourdieu 1991; King 2004) oder als Ergebnisse einer zunehmenden Medialisierung (vgl. Harvey 1995; Baudrillard 1999). Welche Auswirkungen die neue Raumzugewandtheit jedoch für die Planung, Produktion und gesellschaftliche Verortung von Architektur als klassische Raumdisziplin haben kann, und wie die raumtheoretischen Erkenntnisse mit architektonischen Konzeptionen integriert werden können, darüber gibt es bisher wenig Aufschluss. Die soziologischen Erkenntnisse werden nicht auf den Planungs- und Produktionsprozess von Architektur angewandt. Ebenso gibt es nur wenige Untersuchungen über die sozialen, kulturellen und politischen Konsequenzen einer in vielen Untersuchungen konstatierten codierten und abgegrenzten Architekturform (vgl. King 2004; Massey 2005), die sich weltweit als Images und Repräsentationen der globalen Ökonomie reproduziert. Welche Dynamik der Konstruktion architektonischer Räume zugrunde liegt, bleibt auch in den neueren soziologischen Untersuchungen weitestgehend offen. Das Gebäude als soziologischer Tatbestand, als kleinstes Modul baulicher Strukturen und als social theory (vgl. Gieryn 2002) der Handlungsweisen und kollektiven Annahmen ist jedoch bisher kaum untersucht: »It is the building, whose presence is usually mysteriously absent on every kind of social or cultural theoretical discourse, in which the ideology of all imagined communities and imagined environments is contained, materialized and symbolized« (King 2004: 5). Ebenso fehlen Informationen über den Planungsprozess und seine Dynamik. In der Architekturdisziplin werden die Auswirkungen eines informationstechnologischen Paradigmas weitestgehend als Reflexionen über technische, konstruktive oder visuelle Optimierungen verarbeitet. Grundlage all dieser Ideen ist jedoch nach wie vor ein euklidisches Prinzip der architektonischen Raumkonstruktion. In den theoretischen Modulierungen zur Produktion moderner architektonischer Räume finden sich kaum Anhaltspunkte auf eine Auseinandersetzung mit raumtheoretischen Positionen oder mit einem sozialräumlichen Kontext. Architekten wie Rem Koolhaas oder Peter Eisenman haben kritisch auf die Aspekte einer globalen Architekturproduktion hingewiesen und auch auf die begrenzten Möglichkeiten von physischen Räumen, auf die Flut von Bildern und Informationen durch eine zunehmende Medialisierung und Bildproduktion zu reagieren, da diese »zu langsam« seien, um auf die Auswir-

E INLEITUNG

kungen einer medientechnologischen Überflutung reagieren zu können (vgl. Koolhaas 2004; Eisenman 2004; Moravanszky 2003; Lampugnani 2004). Der Diskurs in der Architekturdisziplin fokussiert auf die zunehmende Bedeutung von multimedialen Techniken und Inszenierungen für Architekturproduktion sowie Interpretationen von Vernetzung als Prinzip für neuartige räumliche Arrangements (vgl. architecture boogazine 2004), es fehlt jedoch eine konzeptionelle Zusammenführung unterschiedlicher Raumrealitäten und Raumtheorien (vgl. Lampugnani 2004; Moravanszky 2003; Baecker 1990) und somit auch von gesellschaftlicher Entwicklung und Architekturproduktion. Die Auseinandersetzung mit einer sozialen Verantwortung bei der Produktion von architektonischen Räumen ist nur selten Bestandteil des Diskurses, ästhetizistische und visuelle Qualitäten stehen im Vordergrund (vgl. Stimmann 2008). Es gibt Entwicklungen wie das Open-Source-Netzwerk »Architecture for Humanity« deren theoretische Grundlagen ein Instrumentarium darstellen, wie Architektur im Kontext von sozialen Umwandlungsprozessen neu zu denken sei (vgl. Sinclair 2006). Diese – seltenen − Initiativen können jedoch als oppositionell zur oder als Ausnahme der gängigen globalen Architekturproduktion betrachtet werden. Integrierende Konzepte fehlen in der Diskussion globaler Architekturproduktion weitestgehend. Martina Löw hat im Entwurf einer Raumsoziologie, in der architektonische Räume als Kategorie gesellschaftlicher Raumkonstitution gedacht werden, darauf hingewiesen, dass es noch an Konzepten, Ideen und Zusammenhängen zur Integration von Raum und Gesellschaft fehlt und dass die Veränderung von Handlungsmustern durch Bebauungsformen als »noch lange nicht beantwortet« angesehen werden kann (Löw/Steets/Stoetzer 2007: 37). Ebenso fehlt eine theoretisch konsistente Vorstellung von den Verbindungen zwischen den einzelnen Raum-Phänomenen (vgl. Löw 2001: 13). Auch in der Raumsoziologie ist der Entstehungsprozess architektonischer Räume im Kontext sozialer Strukturierungen und Veränderungen nur wenig untersucht. Über die Dynamik von sozialen Handlungen und die Auswirkungen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse auf Planungsparameter und Planungsentscheidungen sowie über die Interdependenzen von sozialen Handlungsweisen und architektonischer Planung ist wenig bekannt. Ebenso fehlen Informationen, in welcher Form die raumtheoretischen Reflexionen auf Planungsprozess und architektonische Raumproduktion angewandt werden können.

Z IELSE T ZUNG UND F R AGESTELLUNG Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist eine neue theoretische Modulation der Interdependenzen von architektonischer Raumproduktion, gesellschaftlichen Konstitutionsprozessen und der Dynamik eines informationstechnologischen

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Paradigmas auf Basis einer raumtheoretischen Analyse. Anhand der Gegenüberstellung von raumtheoretischen Positionen aus den Sozialwissenschaften sowie der Beobachtung und Analyse architektonischer Raumproduktionen für Akteure in einer globalen Ökonomie soll Aufschluss über Handlungsformen und deren Verwobenheit mit unterschiedlichen Raumverständnissen erlangt werden. Die Beschreibungen der vorliegenden Arbeit werden von der Fragestellung geleitet, wie die Produktion architektonischer Räume in zunehmend vernetzten und globalisierten Gesellschaften anhand der Erkenntnisse aus der soziologischen Raumtheorie neu interpretiert werden kann. Deutungsrahmen ist die räumliche Neudefinition moderner Gesellschaften und die Reflexionen eines spatial turn in den Kultur- und Geisteswissenschaften. Die wissenschaftliche Fragestellung untergliedert sich dabei in verschiedene Teilaspekte: • Welche Raumverständnisse liegen moderner Architekturproduktion zugrunde und welche Auswirkungen haben diese? • Welche Rolle spielt der architektonische Raum bei der Konstruktion spezifischer Interpretationen der Wandlungsprozesse durch Globalisierung und Vernetzung? • Welchen erkenntnistheoretischen Nutzen haben die relationalen raumsoziologischen Raumverständnisse für die Produktion architektonischer Räume in einer vernetzten Gesellschaft? • Wie können die unterschiedlichen Positionen und Denkmodelle für die Entwicklung neuer Parameter für die Produktion von Architektur bzw. von architektonischen Räumen angesichts der wirkenden Veränderungen zusammengeführt werden? Welche Ansätze gibt es dafür und welche Auswirkungen haben die Denkansätze des spatial turn für die Produktion architektonischer Räume? • Welche Raumassoziationen beeinflussen die Diskussion um den Raum? Was bedeuten diese für die Analyse der physischen Räume der Gesellschaft? Können die neueren soziologischen Raumbegriffe auf die Architekturproduktion übertragen werden? Wie beeinflussen sich soziale und physische Raumkonstruktion in Zeiten der Vernetzung und gesellschaftlicher Veränderung?

V ORGEHENSWEISE UND M E THODIK Die räumliche Konzeptionalisierung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse und der Entwurf der Raumsoziologie von Martina Löw stellen die erkenntnistheoretische Grundlage für diese Arbeit dar. Daher beginnen meine Untersuchungen mit der Evaluierung bestehender raumtheoretischer Konzeptionen und Thesen (Kapitel 1). Sowohl die neueren Raumkonzeptionen und als auch die in gesellschaftlichem Bewusstsein vorhandenen tradierten Raumverständnisse werden

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als besonders relevant für die Analyse des Forschungsgegenstandes erachtet. Anhand raumtheoretischer Positionen und der Beobachtung der Auswirkungen eines technologischen Paradigmas für Raumkonstruktionen und Raumkonzepte wird der aktuelle Stand des sozialwissenschaftlichen Raumdiskurses dargelegt. Im nächsten Kapitel wende ich mich den momentanen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen durch ein informationstechnologisches Paradigma zu (Kapitel 2), welche die Grundlage der neuen Raumbegriffe in den Sozialwissenschaften darstellen und als gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Produktion architektonischer Räume angesehen werden können. Die Analyse beinhaltet auch die Beschreibung der räumlichen Arrangements der informationstechnologischen Entwicklungen und der Folgen einer zunehmenden Dominanz der digitalen Ströme auf gesellschaftliche Strukturierungen. Anhand der Untersuchung der verschiedenen Modi von Globalisierungstheorien wird deren Zusammenhang mit raumtheoretischen Grundannahmen überprüft. Aufbauend auf einem theoretischen Grundgerüst von Raumtheorien und den räumlichen Konstruktionen einer Netzwerkgesellschaft wende ich mich dann der Beobachtung der physischen Gestalt moderner Gesellschaften zu und untersuche den Zusammenhang zwischen den räumlichen Logiken der Netzwerkgesellschaft und der architektonischen Raumproduktion (Kapitel 3). Das beinhaltet die Beobachtung der baulichen Strukturen von Städten ebenso wie die Beobachtung von spezifischen repräsentativen Architekturformen. Phänomene wie Homogenisierung, Medialisierung und die Auswirkungen einer zunehmenden Bildproduktion werden anhand der Beispiele zeitgenössischer Architekturproduktionen für die Akteure einer globalen Ökonomie überprüft. Dabei wird die Rolle moderner Architekturproduktion bei der Strukturierung sozialer Räume überprüft. Angestrebtes Ergebnis ist es, Aufschluss über die Dynamik und Verwobenheit von architektonischer Raumproduktion und gesellschaftlichen Konstitutionsprozessen zu erlangen. Die Beobachtungen aus den ersten Kapiteln werden anschließend anhand von exemplarischen Analysen überprüft (Kapitel 4). Anhand der Analyse des Planungsprozesses von architektonischen Räumen für zwei global agierende Konzerne werden in dichten Beschreibungen die Beobachtungen reflektiert und feintheoretisiert. Die Relevanz von Architekturproduktion für die Positionierung in einer globalen Ökonomie wird exemplarisch und branchenspezifisch untersucht. Anhand der detaillierten Untersuchung des Planungsprozesses soll Aufschluss über die Dynamik sozialer Handlungen und die Wirksamkeit architekturspezifischer und kollektiver Raumverständnisse gewonnen werden, die Planung und Konstruktion architektonischer Räume bestimmen. Angestrebtes Ergebnis ist eine raumsoziologisch fundierte Bestandsaufnahme von zeitgenössischen Planungsprozessen unter dem Einfluss einer zunehmenden Vernetzung und Globalisierung. Die Projektbeispiele der exemplarischen Analysen sind anonymisiert, um die Beschreibungen so neutral wie möglich zu halten. Konzernnamen hätten möglicherweise

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den Beschreibungen ein subjektives Element hinzugefügt. Beide Beispiele sind aufgrund ihrer Eigenschaften ausgewählt, die sie als typische Vertreter einer globalen Ökonomie ebenso ausweisen wie sie als spezifisch für die jeweilige Branche angesehen werden können. In einem abschließenden Kapitel (Kapitel 5) werde ich die Ergebnisse der exemplarischen Analysen im Kontext der raumtheoretischen Untersuchungen aus den ersten Kapiteln analysieren. Dies soll ermöglichen, die Praxis architektonischer Raumproduktion mit den relationalen Raumtheorien und den Anforderungen einer vernetzten Gesellschaft neu zu interpretieren und miteinander zu verbinden.

H ER AUSFORDERUNGEN Es stellt teilweise einen Balanceakt dar, sich zwischen theoretischen Modellierungen und Denkbewegungen und der Realität physischer Raumstrukturen hin und her zu bewegen und dabei der Versuchung zu widerstehen, das jeweils Andere als Gegensatz zu formulieren. Eine theoretische Aufschlüsselung, die auf der Konstruktion von Gegensätzen und abgeschlossenen Räumen gründet, würde die beschriebenen Spaltungen jedoch nur noch weiter verstärken. Daher fokussiert die Arbeit auf eine integrative Beschreibung der einzelnen Phänomene und folgt einem interdisziplinären, gesamtheitlichen Ansatz. Dabei zieht sich durch die ganze Untersuchung eine gewisse Dichotomie. Diese entsteht dadurch, dass zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Überwindung der bestehenden Trennungen und Dualitäten, die sich sowohl in modernen Gesellschaftstheorien als auch in den baulichen und sozialen Strukturen der Städte zeigen, diese Spaltungen erst einmal beschrieben und anerkannt werden müssen, bevor Vorschläge zur Veränderung gemacht werden können. Dadurch scheint die Aufmerksamkeit erst einmal auf dem Trennenden zu liegen. Dennoch ist das Anliegen der vorliegenden Arbeit, einen Beitrag zur Zusammenführung von Konzepten und Handlungsweisen in Architektur und Sozialwissenschaften zu leisten. Das ist auch getragen von der Überzeugung, dass die Architekturdisziplin, anders als es sich momentan bei der Beobachtung kontemporärer Architekturproduktion zeigt, durchaus zur Versöhnung der Gegensätze beitragen könnte, vorausgesetzt sie überwindet ihre visuelle und ästhetizistische Fixierung und öffnet sich der sozialen Verantwortung, die ihr als Mitgestalterin gesellschaftlicher Prozesse zukommt. Otl Aicher hat diese Zuversicht schon vor Jahren bestätigt: »Ich denke schon, dass die Architektur auf ihre Weise dazu beitragen kann, die Malaisen der Zeit zu heilen. Sie braucht statt Trennungen Transparenz, statt Isolierung Kollegialität. Die Architektur muss aber auch das Undifferenzierte gliedern, die Einheitsorganisation strukturieren. In der Architektur wird Bewusstsein konkret, der Zustand der Zeit zeigt sich in der gebauten Form« (Aicher 1991: 146). Eine neue raumtheoretische Interpretation sowohl

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der Planung als auch der gesellschaftlichen Bedeutung architektonischer Räume, so meine Erkenntnis aus den nachfolgenden Untersuchungen, kann eine theoretische Grundlage für die Einbindung der Architekturdisziplin in einen übergeordneten gesellschaftlichen Kontext generieren. Für die Architekturdisziplin wäre damit eine Herausforderung jahrhundertealter Denkprinzipien (vgl. de Kerckhove 2001) als auch ein Quantensprung in der Selbstwahrnehmung der Disziplin verbunden. Damit kann – muss aber nicht zwangsläufig – der Verlust einer bisher praktizierten weltentwerfenden, ästhetizistischen Grundausrichtung verbunden sein. Angesichts der strukturellen Veränderungen und einer zunehmenden Verstädterung moderner Gesellschaften – so haben die Beobachtungen deutlich gezeigt − kann die Bedeutung des architektonischen Raums für gesellschaftliche Strukturierung nicht mehr nur auf visuelle, kulturelle und ästhetizistische Fragen reduziert werden, sondern bedarf ebenso einer raumtheoretischen und soziologischen Grundlage. Mit einer zunehmenden Vernetzung und Globalisierung multiplizieren sich auch die Folgen gesellschaftlichen Handelns. Nur mit einer Öffnung der Grundannahmen architektonischer Raumproduktion und deren Einbindung in gesellschaftliche Theorien, so meine Erkenntnis aus den Untersuchungen, können angesichts der momentanen und in ihrem Ausmaß auch noch nicht absehbaren Herausforderungen die anstehenden Transformationsprozesse in der Architekturdisziplin gelingen: »For the future to be open, space must be open too« (Massey 2005: 12).

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1. Raum als soziologischer Begriff

»Unfortunately, any definition of architecture itself requires a prior analysis and exposition of the concept of space.« (Lefebvre 1991: 15)

Seit etwa 25 Jahren steht der Raum wieder verstärkt im Zentrum von sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und Forschung. Mit der Renaissance des Raumes als Analysekategorie in den Sozialwissenschaften erlangt die Frage, wie Raum zu denken sei, neue Bedeutung. Die Beschäftigung mit dem Raum, ausgelöst durch die neuen räumlichen Arrangements einer fortschreitenden weltumspannenden Technologisierung und Vernetzung, wirft als spatial turn die Frage nach der gesellschaftlichen Konstitution von Räumen und Raumbildern und den zugrunde liegenden Raumbegriffen neu auf. Im Folgenden untersuche ich die unterschiedlichen Raumvorstellungen aus den Sozialwissenschaften und der Humangeographie, ebenso wie tradierte Raumverständnisse aus Philosophie und den Naturwissenschaften, um darauf aufbauend den raumtheoretischen Deutungsrahmen für die Beobachtung architektonischer Räume zu konstruieren.

1.1 R AUM IN DER G ESELLSCHAF T Als Beginn des spatial turns kann eine Bewegung Ende der 1970er Jahre in der Humangeographie verstanden werden, deren Ziel die Hinwendung zu sozialer Räumlichkeit und die Überwindung eines festgelegten Begriffs von Raum ist, der bis dahin als mit einem territorial gebundenen Expansionsgedanken eng verknüpft angesehen wird (Günzel 2007: 15). Einer der Ersten, der mit seiner »reassertion of a critical spatial perspective« die räumliche Konzeptionalisierung sozialer Strukturierungen in die Sozialwissenschaften eingeführt hat und damit als einer der Begründer des spatial turns gilt, ist Ed Soja (vgl. Soja 1989). In »Postmodern Geographies« weist er darauf hin, dass geographisch-räumliche Interpretationen von Raum nicht mehr ausreichend sind, um die spezi-

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fischen Wandlungsprozesse zu analysieren und zu rekonstruieren, die durch die fortschreitenden Globalisierungsprozesse entstehen. Die simultane Gestalt von Handlungen und Interaktionen erfordert neue Möglichkeiten der Struktur- und Prozessdefinition gesellschaftlicher Dynamiken. Mit dem Begriff einer »Critical Human Geography« (vgl. Soja 1989) entwirft Soja eine neue räumliche Ontologie, um sich der räumlichen Konfiguration multilateraler Beziehungen und Bedeutungen in der modernen Gesellschaft zu öffnen und sich von einer linearen zu einer lateralen Konstruktion gesellschaftlicher Prozesse zu bewegen. Dies bedeutet die Fokussierung auf eine räumlich orientierte Perspektive in den Sozialwissenschaften und die Abkehr von einer nur durch zeitliche Strukturierungen definierten Analyse und Konstruktion gesellschaftlicher Realität. Wie von Foucault bereits 1967 festgestellt, befinden wir uns in einer »Epoche des Raums«, einer »Epoche des Nah und Fern« und einer »Epoche des Simultanen« (Foucault 1991: 66). Mit einem räumlichen Verständnis gesellschaftlicher Strukturierung ergeben sich neue paradigmatische Raumkonzeptionen, die eine Klärung der Relationen und Bezüge zwischen den sozialen, symbolischen und materiellen Raumaspekten gesellschaftlicher Veränderung erfordern. Vor dem spatial turn wird Gesellschaft vorwiegend über Geschichte und Abläufe definiert und damit als zeitlich organisiert betrachtet. Die räumliche Konstruktion sozialer Tatsachen wird vernachlässigt. Dies führt über viele Jahre zu einer Abwesenheit des Raums als Forschungsgegenstand oder Analysekategorie in der Soziologie, eine Tatsache auf die häufig hingewiesen worden ist (vgl. Löw 2001; Schroer 2006). So spricht z.B. Läpple in seinem »Essay vom Raum« von der »Raumblindheit« der Soziologie (Läpple 1991: 163). Auch in anderen Untersuchungen wird darauf hingewiesen, dass der Raum nicht immer so im Mittelpunkt sozialwissenschaftlichen Interesses gestanden hat wie zurzeit (vgl. Krämer-Badoni/Kuhm 2003; Berking 2006). Peter Saunders spricht noch Ende der 1980er Jahre davon, dass es richtig sei, Raum in der Sozialtheorie als Hintergrund (backdrop) zu behandeln, vor dem soziale Handlungen stattfinden (vgl. S. 27 dieser Arbeit, Zitatnachweis: Berking 2006: 8). Mit den prozessualen Verknüpfungen und Überlagerungen einer medientechnischen Revolution verändert sich jedoch die Bedeutung von Raum für gesellschaftliche Konstitutionsprozesse und damit auch das Raum-Zeit-Gefüge. Aus dem Umgang mit den neuen Technologien ergeben sich vielfältige, neue Erfahrungen, welche die Bedeutung räumlicher und zeitlicher Maßeinheiten für gesellschaftliche Wahrnehmung verändern. Diese Erfahrungen beinhalten beispielsweise die Überwindung von weit entfernten Distanzen in kürzester Zeit, die Erfahrung von Bilokalität bei der Nutzung des Internets, die Überschwemmung der Märkte mit global gültigen Kultur- und Konsumgütern sowie den zeitgleichen Zugriff auf Bilder und Informationen von den unterschiedlichsten Orten der Welt. Die sich daraus ergebenden Konstellationen von Nebeneinander und Gleichzeitigkeit sind mit der Kategorie Zeit allein nicht mehr zu

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beschreiben und erfordern daher neue Strategien, mit denen bestimmt werden kann, wie soziale Strukturen in Zeiten eines bedeutsamen Paradigmenwechsels zu denken und vor allem zu ordnen sind. Aus der Erkenntnis, dass gesellschaftliche Konstitutionsprozesse nicht mehr allein über deren zeitliche Abfolge analysiert werden können, resultiert die Notwendigkeit, die räumliche Konfiguration und Ordnung sozialer Beziehungen neu zu bestimmen. In der Definition des sozialen Raums als einer »Struktur des Nebeneinanders von sozialen Positionen« liegt ein wesentlicher Grund, warum »die Soziologie nicht auf den Raum verzichten kann« (Löw 2001: 12). Gleichwohl bedeutet diese Hinwendung zum Raum nicht eine völlige Abkehr von der Zeit. Es geht in der Frage nach der räumlichen Struktur von Gesellschaft nicht darum, Raum und Zeit gegeneinander auszuspielen, denn »life is spatial as well as temporal« (Massey 2005: 5). Vielmehr richtet sich der Fokus avancierter Raum- und Zeittheorien auf die gegenseitige Bedingtheit von sozio-technischem Fortschritt sowie Raum und Zeit als Struktur-Handlungs-Elemente. Die grundlegende Verwobenheit von Raum und Zeit als Kategorien menschlichen Lebens bleibt auch in einer als räumlich konzipierten gesellschaftlichen Ordnungsstruktur evident (vgl. Funken/Löw 2003). Mit dem Abzeichnen einer Theoriegestalt, mittels derer sich »das Soziale als primär sozialräumliche Vergesellschaftung analytisch aufschließen lassen soll« (Berking 2006: 8), nimmt die räumliche Konzipierung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse in vielen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre eine zentrale Position ein (vgl. Löw 2001; vgl. Funken/Löw 2003; Schroer 2006; Castells 2001; Krämer-Badoni/Kuhm 2003; Läpple 1991; Soja 1989; Massey 2005; Berking 2006). Die neue Raumzugewandtheit bedeutet jedoch keineswegs, dass die räumlichen Konzeptionalisierungen aus einem einheitlichen Raumverständnis heraus formuliert werden. Vielmehr zeigt sich in den theoretischen Modellierungen zum Raum, dass diese auf unterschiedlichen und oftmals gegensätzlichen Raumverständnissen beruhen. Diese Gegensätze führen zu – oder zeigen sich in – einer fast durchgängigen konzeptionellen Spaltung raumtheoretischer Analysen. Davon wird auch die Bestimmung der Parameter für die räumliche Analyse gesellschaftlicher Veränderungen beeinflusst. Die Frage, wie Raum als Analysekategorie für sich wandelnde soziale Strukturen in einer vernetzten Welt zu denken sei und welche Verknüpfungen und Kategorien mit unterschiedlichen Raumbegriffen einhergehen, ist bis heute nicht einvernehmlich geklärt.

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1.2 R AUMVERSTÄNDNISSE Die Frage nach (dem) Raum ist eine klassische Fragestellung, die bereits die Philosophen und Gelehrten der Antike beschäftigt hat. Raum stellt in vielen Theorien und Disziplinen zur Definition menschlichen Lebens ein entscheidendes Element dar. Die Frage nach seiner Bedeutung und Definition wurde im Verlauf der Geschichte in der Philosophie und in den Naturwissenschaften wie der Physik, der Mathematik oder auch der Astronomie immer wieder neu formuliert. Je nach Stand weltlicher und religiöser Konzepte, beeinflusst durch wissenschaftliche Erkenntnisse, wie z.B. einem Verständnis von der Erde als Scheibe oder Kugel, wurde diese unterschiedlich beantwortet und führte zu unterschiedlichen, oftmals gegensätzlichen Raumbegriffen. Diese Raumverständnisse aus den philosophischen und naturwissenschaftlichen Raumbegriffen der Vergangenheit wirken auf die aktuelle Theorienbildung, indem sie »gewissermaßen die Basis der heute diskutierten Raumbegriffe in den Sozialwissenschaften bilden« (Schroer 2006: 28). Damit ist der Raumbegriff Vorannahmen ausgesetzt, die für die Etablierung eines soziologischen Raumverständnisses als Analysekategorie in den Sozialwissenschaften eine Herausforderung darstellen. Um den Raum über die Raumverständnisse der Vergangenheit hinaus als strukturierten oder strukturierenden Raum zu erfassen, bedarf es anderer, zusätzlicher theoretischer Zugriffe. Das bedeutet jedoch auf keinen Fall, dass ein soziologischer Raumbegriff »außerhalb philosophisch/physikalischer Denktraditionen« (Löw 2001: 20) entwickelt werden kann. Auch wenn heute bei der Suche nach einem angemessenen kontemporären Raumverständnis die räumlichen Konfigurationen einer technologischen Erneuerung und einer zunehmenden Globalisierung im Vordergrund der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit stehen, so kann nach wie vor beobachtet werden, dass neue räumliche Metaphern und Raumtheorien von einem kollektiven Hintergrundwissen über den Raum aus kulturellen oder wissenschaftlichen Praktiken beeinflusst werden. Für ein umfassenderes Verständnis der momentan relevanten Raumbegriffe und der unterschiedlichen Positionen bei der Frage nach dem Raum in einer vernetzen Gesellschaft erscheint es mir daher notwendig, die wesentlichen Grundverständnisse von Raum aus naturwissenschaftlichen oder philosophischen Positionen der Vergangenheit mit zu verhandeln. In vielen neueren raumtheoretischen Untersuchungen ist eine ausführliche Beschreibung dieser historischen Raumbegriffe und Raumvorstellungen vorgenommen worden (vgl. Schroer 2006; Löw 2001; Krämer-Badoni/Kuhm 2003; Läpple 1991; Günzel 2007), so dass eine Wiederholung in aller Ausführlichkeit keinen erkenntnistheoretischen Fortschritt für den Fokus dieser Arbeit mit sich bringt. Ich gehe jedoch davon aus, dass die »alten« Raumkonstruktionen nicht nur bei der Frage nach sozialer Raumkonstitution, sondern auch bei der Frage nach der

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Wechselwirkung von sozialen Räumen und physischen Räumen in einer vernetzten Gesellschaft auf relevante Weise wirksam sind. Deshalb möchte ich im Folgenden kurz auf die wesentlichen Merkmale und Unterschiede der bisherigen Raumvorstellungen und auf die damit verbundenen Konzepte und Haltungen eingehen. Die Raumbegriffe der Vergangenheit haben sich im Verlauf der Jahrhunderte zwischen zwei Grundverständnissen hin- und her bewegt. Den einen Pol bildet ein absolutes Raumverständnis, das mit einem als gegeben konzipierten Raum operiert. Ein relativistisches Raumverständnis, in dem Raum sich aus Aktivitäten, Konstellationen und Handlungen ergibt, stellt den anderen Pol dar. Beide Verständnisse operieren mit den gleichen Kategorien wie Raum, Zeit, Ort, Struktur etc. In der Anordnung der Kategorien und der damit verbundenen Schlussfolgerung bestehen jedoch je nach historischem und wissenschaftlichem Hintergrund, d.h. abhängig von Zeitqualität und Erkenntnisstand, signifikante Unterschiede.

1.2.1 Der absolute Raumbegriff Ein absoluter Raumbegriff operiert mit einer Interpretation des Raumes als Behälter oder Container mit konstanten Grenzen, in dem sich z.B. Körper bewegen. Der Raum ist »nur« Rahmen oder Hintergrund von sozialen Handlungen. Ein absoluter Raumbegriff stellt in der Vergangenheit lange die Grundlage von naturwissenschaftlichen Betrachtungsweisen dar, mit der auch die Konstruktion der Welt einhergeht. Aristoteles verwendet ihn aus einer zentralistischen Weltsicht heraus1 und konstruiert ihn als Universum (All), das er über eine Einteilung in »außerhalb« und »innerhalb« als begrenzten Raum definiert. Dabei verwendet er auch Kategorien wie Ort oder Bewegung von Körpern »[…] und der Raum teils der gemeinschaftliche ist, worin alle Körper sind […] So wird nun der Raum, wiefern er das zunächst eines jeden Körper Umfassende ist, eine Begrenzung sein« (Aristoteles 2006: 35). Wesentlich später, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, wird durch Isaac Newton in seiner »Philosophiae Naturalis Principia Mathematica« ein neues Verständnis des absoluten Raumes entworfen. Auch Newton verwendet die Kategorien Zeit, Raum und Ort und erforscht Gravitations- und Bewegungsgesetze, deklariert diese Kategorien jedoch als »allen bekannt« und verzichtet auf eine erneute Definition (vgl. Newton 2006: 90). Newtons Weltbild ist an eine Zeitqualität gebunden, in dem alle menschliche Existenz in einem größeren Zusammenhang gesehen wird, verortet in einem 1 | Für Aristoteles und zu Zeiten des Aristoteles wurde die Erde als Mittelpunkt eines möglichen Universums wahrgenommen. Relationen mit anderen Planeten wurden nicht gedacht: »Außer dem All und Ganzen ist aber nichts außerhalb des Alls. […] Der Himmel nämlich ist wohl das All« (Aristoteles 2006: 38).

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göttlichen Raum und umgeben von Weite und Unbestimmbarkeit. Newton hält relationale Verbindungen und Positionierungen innerhalb eines absoluten Raumes, z.B. innerhalb des Weltalls, jedoch für möglich: »Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen Gegenstand stets gleich und unbeweglich. Der relative Raum ist ein Maß oder ein beweglicher Teil des ersteren« (ebd.: 90). Das All wird zwar als unendlich begriffen, damit wird das statische, abgeschlossene Weltbild von Aristoteles aufgelöst. Trotzdem bleibt Raum bei Newton ein starrer und unbeweglicher Behälter, der mit Leere gefüllt ist. Die Erkenntnis, dass die Existenz des absoluten Raums Ergebnis einer spezifischen Konzeptionalisierung oder Weltwahrnehmung sei, ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Raum fungiert somit als Welthintergrund und ist als absoluter Raum immer bereits »da«. Dieses Hintergrundverständnis von Raum hat sich bis heute gehalten und hat sich auch, wie ich später noch belegen werde, in einem spezifischen Verständnis von Architekturproduktion manifestiert. Ebenso gründen auf dieser Haltung auch heute noch Raumproblematiken und politische Auseinandersetzungen. So kann – beispielsweise in der Sozialgeographie und in der Definition politischer Maßeinheiten – ein Festhalten an einem absoluten Raumbegriff beobachtet werden, das sich in der Darstellung von Gesellschaft vor dem Hintergrund eines Nationalstaates manifestiert. Raum, als Raum der jeweiligen Gesellschaft, wird in einem solchen Verständnis als vorhanden und als abgeschlossen vorausgesetzt. Obwohl mit der Entstehung der virtuellen Räume und neuer Formen globaler und grenzübergreifender kultureller Identifikationen diese Abgeschlossenheit herausgefordert wird, ist ein Verständnis von Raum im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Identität weiterhin als durch festgeschriebene Grenzen und zugeordnete Territorien definiert. Ulrich Beck hat diese Verknüpfung als eine der »bedeutendsten Überzeugungen in Bezug auf die heutige Gesellschaft und Politik« (Beck 2006: 261) bezeichnet, die es aufzulösen gilt. Die Verknüpfung von Gesellschaft und Territorium, ebenso wie die Trennung zwischen Hintergrund und gesellschaftlicher Handlung, gründet auf der »Beharrlichkeit« alten Raumdenkens (Schroer 2003: 234). Diese könnte auch dazu beigetragen haben, dass Raum als soziale Analysekategorie in den Sozialwissenschaften lange keine Berücksichtigung fand (vgl. Schroer 2006). Ein wesentliches Element in der Definition des absoluten Raumbegriffs als abgeschlossene, statische Konstruktion ist seine Definition als geometrisches Konstrukt, auf der Aufbau und Berechnung gebauter Räume beruht. Mit der euklidischen Geometrie werden ca. 300 v. Chr. die Koordinaten für die Konstruktion des Raumes als geometrisches Objekt geschaffen, die eine wesentliche Grundlage für die Substanzvorstellung von Raum ist. Euklid trug das mathematische Wissen seiner Zeit zusammen, dessen Elemente, wie beispielsweise der Satz des Pythagoras oder die Entdeckung der Primzahlen, bis heute mathematisches Grundwissen darstellen. Die Parameter einer euklidischen Geo-

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metrie sind auch Bestandteil der Vitruv’schen Architekturlehre. Vitruv definiert in seinen »De architectura libri decem« 300 Jahre nach Euklid, neben anderen grundsätzlichen Überlegungen zu Architekturtheorie und Architekturpraxis, die Grundlagen geometrischer Konstruktion für architektonische Räume (vgl. Vitruv 2004). Darauf basieren in der Architektur bis zum heutigen Tag die wesentlichen Strategien und Regeln für Planung und materielle Raumkonstruktion. Dem mentalen Raum menschlichen Denkens steht der gebaute Raum als physische Realität gegenüber. Eine absolute Raumvorstellung ist dementsprechend mit substantiellen räumlichen Qualitäten wie Konstruktion, Berechenbarkeit, Statik – als Gegensatz zu Bewegung – sowie mit Abgeschlossenheit und körperlicher Erfahrbarkeit verbunden. Die Verknüpfungen, die mit einem absoluten Raumbegriff einhergehen, sind daher sehr vielfältig. Die Logik des kartesianischen Bewusstseinskonzeptes, das den Dualismus von »res cogitans« [unausgedehntem Denkraum, Anm. C.H.] und »res extensa« [ausgedehnter Substanzraum, Anm. C.H.] beinhaltet (vgl. Günzel 2007: 19ff.), greift diese Konstruktion eines mentalen vs. eines konstruierten materiellen Raumes auf.

1.2.2 Relativistische Raumbildungen Dem absoluten Raumverständnis stehen relativistische Raumkonzepte gegenüber, die sich bereits bei Platon und später im Mittelalter finden. In der Philosophie der Renaissance wird der Raumbegriff »aus seiner Beziehung zu den Dingen gelöst« (Schroer 2006: 34). Mit der Wahrnehmung der Welt als Beziehungsgeflecht gewinnt die Kategorie der Relationen an Bedeutung. Einer der wichtigsten Relativisten ist Gottfried Wilhelm Leibniz, der den absoluten Raumvorstellungen von Newton widerspricht und einen eigenen Raumbegriff entwickelt. Darin werden Elemente eines relationalen Raumbegriffs definiert und Raum als ein Konstrukt konzipiert, das »in Bezug zu« und als durch menschliche Aktivitäten entstanden begriffen wird (vgl. Leibniz 2006). Die Theorien von Leibniz werden jedoch im Zuge der Anerkennung der Newtonschen Theorien verdrängt. Erst mit den Erkenntnissen aus den Naturwissenschaften, die Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Re-Konstruktion und Infragestellung absoluter Raumbegriffe führen, erfahren seine Thesen neue Aufmerksamkeit. Auch Immanuel Kant setzt sich intensiv mit dem Raum auseinander und widerspricht, nacheinander, sowohl Leibniz als auch Newton (vgl. Kant 2006). Er versucht sich von deren Konzeptionen zu lösen, was ihm jedoch nicht ganz gelingt, da er nach wie vor den Weltraum als absoluten Raum denkt. Später jedoch verändert sich sein Verständnis und er definiert Raum als »Wahrnehmungssystem der Sinne« (ebd.: 42). Damit ist Raum für ihn ein von Menschen geschaffenes soziales Konstrukt. Indem er den absoluten Raum Newtons in ein »erkenntnistheoretisches Konzept transformiert« (Löw 2001: 29), schafft er die Grundlage dafür, Raum als sozial konstruiert zu begreifen. Deshalb wird die-

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se Periode in der Raumbetrachtung auch als Kantsche Wende bezeichnet. Der »Cartesian cartography of spatial science as fixed, dead and undialectical« (Soja 1989: 120) mit einer Dualität von Substanzraum und geistigem Raum wird der soziale Raum hinzugefügt. Soja bezeichnet diese Erweiterung des Dualismus von mental-physisch um ein Verständnis von Raum als soziales Konstrukt als »one of the most formidable challenges to contemporary social theory« (ebd.: 120). Die Graphentheorie von Leonhard Euler, der Mitte des 18. Jahrhunderts in seinen Untersuchungen die Verknüpfungen zwischen Punkten ins Zentrum seiner Erkenntnistheorien stellt und nicht mehr die räumliche Konstruktion von Entfernungen und Wegstrecken, trägt in den Naturwissenschaften ebenfalls zu einem veränderten Raumverständnis bei. Mit den Erkenntnissen der Mathematiker Gauß und Riemann wird der traditionelle, absolute Raumbegriff, der weitestgehend auf der dreidimensionalen euklidischen Geometrie gründet, endgültig in Frage gestellt. Daran schließt Anfang des 20. Jahrhunderts Albert Einsteins Relativitätstheorie an, in der er die »nichteuklidischen« Theorien von Gaus, Riemann, Euler oder Bohr in der Mathematik vollendet und empirisch nachweist (vgl. Löw 2001: 20). In der Relativitätstheorie wird Raum als RaumZeit-Struktur gedacht und nicht mehr als Behälter (Container), sondern als Lagerungsqualität von z.B. Körpern (vgl. Einstein 2006). Mit Einsteins Raumbegriff gelten absolute Denkmuster als aufgelöst, eine Annahme, die sich in der heutigen Raumdebatte jedoch nicht vollends bestätigt. Erkenntnisse und Reflexionen zum Raum sind im Verlauf der Geschichte nachweislich in den Kontext ihrer jeweiligen Zeitqualität eingebunden. Auch Einsteins Erkenntnisse korrespondieren mit dem Geschehen und Wissensfortschritt seiner Zeit, wie z.B. dem Aufkommen des Kubismus, der in der Kunst eine neue, revolutionäre Ausdrucksform darstellt. In der Biologie wird beispielsweise auf dem Gebiet der Neurologie die Erforschung des Systems Mensch und des menschlichen Bewusstseins vorangetrieben. Dazu gehört auch die Entwicklung der Psychotherapie von Sigmund Freud und seinen Kollegen (vgl. Löw 2001), die eine neue Konstruktion sozialen Handelns und des mentalen Raums mit sich bringt. Das Weltbild verändert sich mit diesen neuen Einsichten, bringt diese gleichzeitig aber auch hervor. Wesentlich ist, dass die Erde nicht mehr – wie bei Aristoteles, dessen Einfluss bis ins 17. Jahrhundert verfolgt werden kann – als Mittelpunkt oder Ausgangspunkt des Universums begriffen wird, sondern als Bestandteil eines ungewissen, ständig in Veränderung begriffenen Weltalls, in der die Frage nach der »Bedeutung« der Erde eine Frage des Standpunkts und der Perspektive ist. Ein wesentlicher Aspekt von Einsteins Relativitätstheorie sind daher nicht nur seine physikalischen Erkenntnisse, sondern die sich daraus auch für soziologische Erkenntnisse ergebende Relativität und Perspekti-

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venvielfalt, auf die auch heutige Theorien aufsetzen.2 Ich werde auf diesen für ein neues Raumverständnis relevanten Aspekt der Vielfalt später noch detaillierter eingehen. Aufgrund dieser neuen Denkbewegungen wird die Relativitätstheorie in vielen soziologischen Untersuchungen als Ursprung für »homologe Denkmodelle« gesehen und mit dem Beginn eines neuen Denkens über den Raum gleichgesetzt, denn »Raum ist für ihn [Einstein, Anm. C.H.] eine begriffliche Konstruktion vom Verständnis der Welt« (Löw 2001: 23). Einstein selbst inszeniert sich gerne als Philosoph oder Denker, wie z.B. in seinem erstmals 1934 herausgebrachten Buch, das bezeichnenderweise »Mein Weltbild« und nicht z.B. »Meine Erkenntnisse zur Relativitätstheorie« heißt und philosophische und politische Einsichten und Ansichten vereint (vgl. Einstein 2005). Er nimmt darin Stellung zu vielen politischen und philosophischen Fragestellungen und erklärt erst im zweiten Teil die Grundlagen der Relativitätstheorie. Die wesentlichen Unterschiede aus den klassischen Raumtheorien können abschließend – stark vereinfacht – so beschrieben werden: Ein absolutes Raumverständnis operiert mit einem als vorhanden angenommenen Raum und konstruiert ein duales Prinzip von Raum und Körper. Diese Dualität zieht andere Gegensätze mit sich, beispielsweise die Dualität von Innen und Außen oder die Dualität von Handlung und Hintergrund. Ein relativistisches Verständnis begreift Raum als ein soziales Konstrukt, das immer wieder neu entsteht und sich je nach Standpunkt oder Verknüpfungen anders konstruiert. Dabei handelt es sich um ein monistisches Konzept, in dem Körper, ihre Relationen und die Raumkonstruktion als Einheit betrachtet werden (vgl. Löw 2001: 17/18). Mit einem Verständnis von Raum als sozial konstruiert hat sich der relativistische Raumbegriff von den starren Prinzipien absoluten Raumdenkens gelöst. Die prozessualen Raumkonstitutionen in virtuellen Strukturen sowie die gesellschaftlichen Transformationsprozesse durch Globalisierung und moderne Technologien lassen sich jedoch auch mit einem relativistischen Raumverständnis nicht mehr ausreichend erklären und analysieren. Ein relativistisches Raumverständnis basiert vor allem auf naturwissenschaftlichen Grundelementen und Überlegungen. Als sozialwissenschaftliche Maßeinheit wird der Raum, der in der Physik häufig als Universum, auf jeden Fall aber als Form oder Substanz gedacht wird, nun zum sozialen Raum, »d.h. man beschäftigt sich in jedem Fall mit auf der Erde stattfindenden Phänomenen« (Löw 2001: 21). 2 | Der Aspekt der Perspektivenvielfalt wird betont beispielsweise bei Beck (vgl. 2007), bei Löw (vgl. Löw 2001) oder bei Massey: »[…] through philosophical debates, space has come to have attached to it a range of unhelpful associations which hinder a full recognition of the challenge posed by practical socio-political space. More positively what emerged (through questioning those positions, Anm. C.H.) was an argument for space as the dimension of dynamic simultaneous multiplicity« (Massey 2005: 61).

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Die vielfach auf physikalischen Erkenntnissen basierenden Raumforschungen erfahren dadurch eine »Sinnverschiebung« (ebd.: 21). Der relativistische Raumbegriff ist somit ein gutes Ausgangsmodell, liefert aber nicht alle Komponenten sozialen Handelns, die für ein Erklärungsmodell moderner gesellschaftlicher Strukturen notwendig sind. Um einen entsprechenden sozialen Raumbegriff zu formulieren, der dem räumlichen Beziehungsgefüge und allen Komponenten von sozialer Handlung und Ordnung in einer vernetzten Gesellschaft, d.h. in einer von simultanen und vielfältigen Prozessen gesteuerten Gesellschaft, eine konzeptionelle und begriffliche Struktur gibt, bedarf es einer Rekonstruktion der bestehenden Raumverständnisse.

1.2.3 Der relationale Raumbegriff Martina Löw hat mit der Raumsoziologie einen Vorschlag für ein neues Raumverständnis entwickelt, der das Konzept eines relationalen Raumbegriffs einführt. Der relationale Raumbegriff nimmt Bezug auf die prozessuale Gestalt gesellschaftlicher Realität und stellt eine »Überschreitung« (Löw 2001: 156) der bisherigen relativistischen Sichtweise dar. Anthony Giddens‹ Konzept der Dualität von Struktur wird raumsoziologisch zu einer Dualität von Raum entwickelt. Aufbauend auf der dualen Struktur aus Handlung und Ordnung fokussiert ein relationales Raumverständnis auf die Beziehungsgefüge im Konstitutionsprozess gesellschaftlicher Strukturen. Raum wird als »relationale (An)ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an Orten« (Löw 2001: 224) entworfen. Da »erst die miteinander verknüpften sozialen Güter und Menschen zu Raum werden, muss der Relationenbildung große theoretische Aufmerksamkeit gewidmet werden. Daher bezeichne ich den hier entwickelten Raumbegriff als relationalen Raumbegriff« (ebd.: 156). Im Mittelpunkt der raumsoziologischen Betrachtungen steht der Prozess der Raumkonstitution, der prozessual konzipiert ist und die Wechselwirkung von sozialer Raumkonstitution und gesellschaftlichem Handeln in modernen Gesellschaften anerkennt und deren Erforschung ermöglicht. Löw unterscheidet zwischen zwei Prozessen der Raumkonstitution: »Erstens konstituiert sich Raum durch das Plazieren von sozialen Gütern und Menschen, bzw. das Positionieren primär symbolischer Markierungen, um Ensembles von Gütern und Menschen als solche kenntlich zu machen […]. Dieser Vorgang wird im Folgenden Spacing genannt. […] Es ist ein Positionieren in Relation zu anderen Platzierungen […] Zweitens […] bedarf es zur Konstitution von Raum aber auch einer Syntheseleistung, das heißt, über Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse werden Güter und Menschen zu Räumen zusammengefasst« (ebd.: 158/159).

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Der relationale Raum wird dabei aus sozialwissenschaftlicher Sicht entwickelt und verstanden. Integriert in die Theorienbildung sind verschiedene Kategorien, die in den Konstitutionsprozess räumlicher Strukturen einbezogen werden können. Ergänzt wird die Kategorienbildung durch die Definition von Elementen als Atmosphären, die es erlauben, soziale Strukturierungen zu analysieren. »Atmosphären sind demnach die in der Wahrnehmung realisierte Außenwirkung sozialer Güter und Menschen in ihrer räumlichen (An)Ordnung. Das bedeutet, Atmosphären entstehen durch die Wahrnehmung von Wechselwirkungen zwischen Menschen oder/und aus der Außenwirkung sozialer Güter im Arrangement« (Löw 2001: 205). Macht beispielsweise wird ebenfalls als Atmosphäre und als relationale Kategorie verstanden, die »jeder Beziehung immanent ist« (ebd.: 164). Raum konstituiert sich dabei immer in Abhängigkeit zu den Bedingungen einer Handlungssituation; diese setzt sich sowohl aus materiellen als auch aus symbolischen Komponenten zusammen (vgl. Löw 2001). Ein wichtiger Aspekt des relationalen Raumbegriffs ist daher, dass physisch-materielle und soziale Räume in ihm zusammengedacht werden. Materialität wird als eine − mögliche − Eigenschaft von Raum verhandelt, Raum kann mathematisch-physisch konstruiert sein oder auch nicht. Wesentlich ist, dass ein sozialer Raum in diesem Verständnis sowohl die Kategorie des sozialen Handelns als auch die Kategorie des materiellen Ausdrucks enthält. Mit der Integration unterschiedlicher Kategorien, die bisher zu gegensätzlichen Positionen geführt haben, scheint der relationale Raumbegriff denklogisch aus der bisherigen Polarität von relativ und absolut befreit. Materielle euklidisch definierte Räume werden ebenso in den Konstitutionsprozess hineingedacht wie sich ständig verändernde soziale Konstellationen und Raumkonfigurationen. Damit werden Verknüpfungen und Interpretationen, die − zugeordnet zu einem absoluten oder relativistischem Verständnis von Raum − in den bisherigen Raumverständnissen zu gegensätzlichen Raumpositionen führen, gemeinsam in einem Raumbegriff verortet. »Durch diese Entwicklung verliert die tradierte Vorstellung vom Raum nicht gleichzeitig ihre Plausibilität« (Löw 2001: 267). Nicht das Endergebnis Raum, sondern die Bestimmung des Konstitutionsprozesses durch die jeweiligen, ihn konstituierenden Elemente, Kategorien und Relationen steht im Fokus der Theorie. Beziehungen und (An)Ordnungen werden dabei als gleichzeitig und als einander wechselseitig konstituierend konzipiert. Die in der Raumsoziologie definierten Grundlagen sind umfassender, als nur ein weiterer Vorschlag zu vielen möglichen Raumbegriffen zu sein. Die Transformation herkömmlicher Raumverständnisse und Raumpositionen erfolgt in einem relationalen Verständnis durch Integration in einen einheitlichen Raumbegriff. Dies könnte die »bestehenden Spaltungen und Gegensätze auflösen« (Löw 2001: 271), die bisher mit der Frage nach dem Raum verbunden sind. Diese Gegensätze ergeben sich aus den vielfältigen Konzeptionen und Ver-

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knüpfungen, die auf unterschiedlichen Ebenen mit dem Raumbegriff bestehen und führen somit zu einer permanenten Begriffsverwirrung. Martina Löw fragt daher nach einem einheitlichen soziologischen Raumbegriff, um Raum als Ergebnis und Voraussetzung gesellschaftlichen Handelns erforschen zu können. Sie betont, dass − wenn weiterhin mit verschiedenen Raumbegriffen gearbeitet wird − »[…] die permanente Verständigungsunsicherheit zusätzlich verschärft wird« (ebd.: 270/271). Ein einheitliches Raumverständnis könnte zudem vor einem »Raumdeterminismus« bewahren, der in der soziologischen Debatte um den Raum »immer wieder vorzufinden ist« (vgl. Schroer 2003: 234). Auf der Suche nach einem Raumverständnis, mit dem die Entwicklungen der Gegenwart angemessen analysiert werden können, gibt es auch andere Vorschläge, wie Raum denklogisch und begrifflich gefasst werden könnte. Die Entwicklung eines topologischen Raumbegriffs zielt darauf ab, den Begrenzungen durch die anhaltenden Verknüpfungen mit klassischen Raumverständnissen zu entkommen. Der Konflikt, einen einheitlichen Raumbegriff im Spannungsfeld zwischen Substanzorientierung und Determinationsgedanken zu finden, wird aufgelöst, indem der Begriff Raum durch den Aspekt der Räumlichkeit ersetzt wird. »Für kultur- und medienwissenschaftliche Fragestellungen relevant ist nicht der Raum als Begriff einer physikalischen Entität, sondern die Möglichkeit einer Beschreibung räumlicher Verhältnisse hinsichtlich kultureller und medialer Aspekte. Diese bedeutet, dass der Blick gewendet wird von dem, wie Raum bedingt ist, hin zu dem, wie Räumlichkeit bedingt ist« (Günzel 2007: 13). Ein Raumverständnis, das mit der Fokussierung auf einen Zustand − den Zustand der Räumlichkeit − eigentlich ein Qualitätsverständnis ist, oder einem raumsoziologischen Verständnis zufolge als Atmosphäre behandelt werden kann, jedoch kein Subjektverständnis mehr darstellt, wird als »Topologie des Raumes« entworfen. Das duale Prinzip, das mit der Frage nach dem Raum verknüpft zu sein scheint, wird dadurch jedoch nicht aufgelöst, da räumliche Aspekte gegeneinander gestellt und hierarchisiert werden. Als Argumentation für die gedankliche Bewegung hin zu einem topologischen Begriff wird angegeben, dass dieser »der räumlichen Struktur oder Lagebeziehung Vorrang gibt vor der Substanz in der räumlichen Ausdehnung« (Günzel 2007: 1). Die von Günzel beschriebene Loslösung von einer Substanzvorstellung von Raum, wird getragen durch die Vorstellung, dass Raum keine eigenständige Entität darstellt, sondern durch die Funktionsbeziehung Natur-Kultur hervorgebracht wird. Darin sieht er eine Analogie zur jüngeren Raumreflexion, die Raum als sozial konstruiert begreift. Ebenso wie Löw weist Günzel darauf hin, dass das neue Raumdenken ständigen Verunsicherungen ausgesetzt ist, da der Raumbegriff mit vielen unterschiedlichen Bedeutungen, Erfahrungen und Interpretationen konnotiert ist (vgl. Günzel 2007). Der topologische Raumbegriff entzieht sich der Auseinandersetzung mit diesen vielfältigen Bedeutungen und Definitionen, indem der Begriff des Rau-

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mes vernachlässigt wird. Die Konsequenz einer Fokussierung auf den Begriff der Räumlichkeit kann »daher der Verzicht auf eine Bestimmung dessen sein« was der Raum ist (Günzel 2007: 16). Anstelle über Raum oder Zeit zu diskutieren, (was in der Tat zu einer häufig angewendeten Konstruktion einer Opposition von Raum vs. Zeit geführt hat) oder »die Substanzraumvorstellung zu rehabilitieren« (ebd.: 16), schlägt Günzel vor, ein topologisches Verhältnis von Räumlichkeit anzunehmen, das den Containerbegriff hinter sich lässt und darauf basiert, dass Raum anhand von relational zueinander bestimmten Elementen beschrieben wird. Darin stimmt er mit anderen relationalen Raumkonzepten überein. Obwohl der Begriff Raum gebraucht wird, um den Vorschlag zu erläutern, wird er jedoch nicht definiert. Die wiederholte Interpretation, was Raum im Zusammenhang mit Räumlichkeit sei, und die Herleitung verschiedener Definitionen von Raum in der Argumentation macht jedoch deutlich, dass für eine vollständige Klärung auch der topologische Theorieansatz ohne eine Bestimmung des Raumbegriffs nicht auskommt. Indem »die soziale Konstruiertheit von Raum völlig ausgegrenzt« wird (Löw 2001: 270) und Raum als soziologische Kategorie negiert wird, führt der topologische Begriff dazu, dass die Definition räumlicher Aspekte auf eine andere – oder spätere – Diskussion verschoben wird. Es geht bei der Suche nach einem neuen Raumbegriff jedoch weniger darum, einen neuen Begriff zu definieren, als vielmehr darum, die Dynamik der sozialen Raumkonstitution erklären zu können. »Begriffe sind (daher) nicht falsch oder richtig« sondern deren Aufschlüsselung sollten »der Erklärungsnutzen für empirisch beobachtbare Phänomene und die theoretische Konsistenz der Begriffsbildung« (Löw 2001: 15) sein. Ein relationales Raumdenken impliziert folglich nicht Auflösungs- bzw. Ablösungsprozesse neuer Raumbegriffe gegen tradierte Raumbegriffe. Dessen analytische Ausgangsposition ist ein sozialer Raum, der sowohl materielle als auch symbolische Komponenten hat. Beziehungen und An(ordnungen) werden in einem solchen raumsoziologischen Verständnis als gleichermaßen relevant für die Raumkonstitution erachtet und als einander wechselseitig konstituierend gedacht. Ein relationales Raumdenken ermöglicht es somit, den Kontext architektonischer Räume analytisch neu zu bestimmen und diese von der Gesellschaft aus zu denken. Wenngleich auch der topologische Ansatz kein ausreichendes Erklärungsmodell für die Konstitution von Raum liefert, mit dem Spaltungen und Gegensätze aufgelöst werden können, so gibt dessen Argumentationslogik einen wertvollen Hinweis darauf, wie nachhaltig und vielfältig der Raumbegriff – auch auf kollektiver Ebene – mit spezifischen Konnotationen verknüpft wird, die sich scheinbar nur schwer auflösen lassen und auch nicht immer bewusst sind. Ich wende mich daher nun im Folgenden der Rolle des physischen Raums bei der Etablierung von Raumverständnissen zu.

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1.3 S OZIALE R ÄUME UND PHYSISCHE R ÄUME Mit den kollektiven Annahmen zum Raumbegriff hat sich auch die Humangeographin Doreen Massey intensiv auseinandergesetzt und nimmt Bezug auf Henri Lefebvres Raumtheorien: »Henri Lefebvre points out […], that we often use that word space, in popular discourse or in academic, without being fully conscious of what we mean by it. We have inherited an imagination so deeply ingrained that it is often not actively thought. Based on assumptions no longer recognised as such, it is an imagination with the implacable force of the patently obvious. That is the trouble« (Massey 2005: 17). Wie bereits bei der Beschreibung des euklidischen Raumverständnisses aufgezeigt, ist ein Verständnis von Raum als Substanz, als physischer Raum, als körperlich erfahrbar, grundsätzlich eine der dominanten Verknüpfungen bei der Etablierung von Raumverständnissen. Körper und physischer Raum bilden den sichtbaren Teil der sozialen Welt. Konzepte eines sozial konstruierten Raums geraten daher mit der Wahrnehmung von räumlichen Arrangements in Konflikt, die auf visuellen, haptischen und anderen körperlichen Erfahrungen beruht. Solche räumlichen Arrangements scheinen über die direkte Körpererfahrung a priori als Räume definiert und festgelegt zu sein. Zu solchen spezifischen Raumerfahrungen gehört der Prozess der Raumaneignung bei der Nutzung des architektonischen Raumes in Gebäuden. Wohnräume, Büroräume, Warteräume, Stadträume sind Bestandteil des alltäglichen Raumerlebens. Sowohl private als auch öffentliche Räume − ob als Gebäuderäume oder Räume, die sich aus der Anordnung von gebauter Umwelt ergeben − werden durch Nutzungen angeeignet, visuell wahrgenommen und strukturieren Handlungsabläufe durch die Formen, Wege, Bewegungen, die sie vorgeben. Andere spezifische Raumerfahrungen ergeben sich aus dem Umgang mit festgelegten Territorien. Das können Länder ebenso sein wie andere soziale Konfigurationen, die abgeschlossene Bereiche darstellen, wie z.B. Firmengelände oder Gebäude, deren Grenzen durch Sicherheitsvorkehrungen, Kontrollen oder Zutrittsbeschränkungen erfahrbar werden. Grenzübergänge werden häufig verstärkt erlebbar durch den mit dem Übergang verbundenen Wechsel in Sprache, Kulturen oder Ritualen. Räume werden auch durch ihre Grenzen definiert. Mit Grenzerleben verbunden ist die Erfahrung von Innen-Außen-Konstruktionen, erlebbar beispielsweise über Temperaturen (innen geheizt, draußen kalt). Einem relationalen Raumdenken steht die permanente Erfahrung insbesondere mit physischen Grenzen jedoch im Weg, denn sie ist ein Grund dafür, »dass der absolute Raumbegriff aufgrund seiner Sicherheit und klar definierten Grenzziehungen stillschweigend geduldet« (Schroer 2006: 69) wird. Der physische Raum ist aufgrund seiner substantiellen, mathematischen Eigenschaften per se an ein absolutes Verständnis gekoppelt, in welchem er als statischer Hintergrund für soziale Handlungen fungiert. Als Funktionsgebäude

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sind beispielsweise Museen mit ihren wechselnden Inhalten vor stets gleichem, konstruktivem Rahmen ein gutes Beispiel für einen absoluten Raum. Auch die gegebene Schwere und Statik von gebautem Raum tragen dazu bei, ihn nur über ein absolutes Verständnis zu begreifen. Die Idee der »Ausstattung« und Innendekoration von Häusern, als »Innenarchitektur« oder »Inneneinrichtung« mit einer Komposition aus festem Hintergrund und variabler Ausstattung im gesellschaftlichen Bewusstsein fest verankert, spiegelt und manifestiert dieses Verständnis ebenfalls. Die Frage nach dem Raum wird »immer noch« von der Grundannahme aus behandelt, dass »Raum [ausschließlich, Anm. C.H.] ein materielles Produkt ist« (Castells 2001: 466). Durch die direkte Körpererfahrung ist ein absolutes Raumverständnis von gebautem Raum als Containerraum quasi in menschkörperliche Wahrnehmung und mentale Vorstellungen eingeschrieben. Vorstellungen vom Raum sind daher begleitet von einer permanenten, resistenten Substanzvorstellung von physischem Raum, die Massey als »static time slices« (Massey 2005: 113) bezeichnet. Diese Prägungen und Beeinflussungen durch spezifische Raumerfahrungen wirken auch auf die Etablierung von Raumbegriffen. Architektonische Räume, als die physischen Räume der Gesellschaft, sind daher vielfach an Vorannahmen und Imaginationen geknüpft, die einem absoluten Raumdenken entsprechen: bestimmbar, abgegrenzt, sicher und berechenbar und unabhängig davon, ob sich Körper in ihm bewegen oder nicht, vorhanden. In der tradierten dreidimensionalen Vorstellung von Raum als ein konstruierter, physischer Raum kann auch eine Ursache liegen, warum es schwer ist, jenseits eines abstrakten, wissenschaftlichen Verständnisses von Raum in physikalischen oder philosophischen Theorien, Raum als soziales Konstrukt zu akzeptieren und vor allem auf alle Ebenen, auch die materiellen, der gesellschaftlichen Realität anzuwenden. Soziale Räume werden nicht unbedingt direkt körperlich wahrgenommen, sondern stellen – konzeptionelle − Maßeinheiten für gesellschaftliche Strukturen dar. Raum als soziale Analysekategorie oder Ordnungsstruktur zu denken, erfordert im Zusammenhang mit der Erfahrung von physischen Räumen somit eine hohe Abstraktionsleistung. »Die Unterscheidung zwischen einem erlebbaren und einem nur vorstellbaren Raum hat erhebliche Auswirkungen auch für die soziologischen Vorstellungen von Raum« (Schroer 2006: 10). Die besondere Leistung einer Raumsoziologie mit einem relationalen Raumbegriff liegt genau darin, auch die materiellen Strukturen einer Gesellschaft jedoch nicht als vorgegeben, sondern als integrativen Bestandteil der Strukturen sozialen Handelns zu sehen. Es scheint daher wichtig zu sein, für ein umfassendes Verständnis von Raum in der Gesellschaft nach den Grundlagen der gemeinsamen oder differierenden Konzeptionen von sozialen und physischen Räumen und deren Entstehung und Konstruktion zu fragen. Der Konstitutionsprozess des architektonischen − oder gebauten Raumes − im Kontext gesellschaftlicher Handlung ist jedoch aus sozialwissenschaftlicher Sicht wenig erforscht. Es gibt zwar eine

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Vielzahl von Forschungen zu Nutzungsmöglichkeiten des gebauten Raums, aber »kaum Ideen über das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren: räumliche Strukturen, Handeln, Symbolik etc.« (Löw 2001: 13). Das Verhältnis von physischem Raum und sozialen Räumen bleibt undefiniert. »Nicht nur das Verhältnis von Synthese und Materialität bleibt in der wissenschaftlichen Fachliteratur ungeklärt. Auch die Verknüpfung von materiellem Substrat und Handeln bzw. gesellschaftlicher Praxis kann häufig nicht hergestellt werden« (ebd.: 140). Bei der Erforschung der Theoriemodelle zum sozialen und zum physischen Raum prallen Denklogiken aus unterschiedlichen Disziplinen gesellschaftlichen Lebens aufeinander. Architekturdisziplin – vorrangig zuständig für den physischen Raum − und Sozialwissenschaften – zuständig für die sozialräumliche Dimension − produzieren unterschiedliche (differierende, abweichende) Konzepte zu Raumvorstellungen und Raumproduktionen. Soziologische Untersuchungen beschäftigen sich daher häufig nur mit den Auswirkungen materieller Strukturen auf soziale Handlungen, selten jedoch damit, in welcher Form die Konstruktion physischer Räume von sozialen Handlungen und gesellschaftlicher Strukturierung bestimmt wird. Das führt häufig zu einer Unterscheidung und Abgrenzung zwischen Raumkonstitution, als Begriff für soziale Prozesse, und Raumproduktion, als Begriff für physische Konstruktion, womit eine trennende Theoriegestalt entworfen oder manifestiert wird. Ein Raumbegriff, der die Analyse der gesamten gesellschaftlichen Realität ermöglicht, muss daher kulturelle und disziplinäre Grenzen überwinden, damit er die physischen Komponenten gesellschaftlicher Strukturen ebenso beinhalten kann wie soziale Kategorien. Die Interaktion des physischen Raums mit gesellschaftlichem Handeln ist jedoch kein vollkommen blinder Fleck in der Soziologie. Es gibt auch frühe soziologische Untersuchungen, die sich mit dem materiellen Raumaspekt in der Gesellschaft auseinandersetzen. Georg Simmel beschäftigt sich als einer der ersten Soziologen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts mit den sozialen Folgen materieller und urbaner Strukturen. Er gilt unter den »Klassikern der Soziologie« (Schroer 2006: 60) als derjenige, der das Raumthema am ausführlichsten behandelt hat. Seine Untersuchungen haben die Sozialökologie, die als Vorläufer der Stadtsoziologie gilt, durch seinen Schüler Ezra Parks maßgeblich geprägt. Simmel verweist in seinen Untersuchungen darauf, dass soziale Tatsachen wie Herrschaft und ihre speziellen Ausformungen jeweils in einen physisch-räumlichen Ausdruck (vgl. Simmel 2006: 306) münden: »Die wirkliche Struktur einer Vergesellschaftung wird keineswegs durch ihr soziologisches Hauptmotiv allein bestimmt, sondern durch eine sehr große Anzahl von Verbindungsfäden und Verknotungen derselben, von Verfestigungen und Flüchtigkeiten […]« (ebd.: 308). Simmel entwickelt zwar ein relationales oder relativistisches Verständnis

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der Beziehungen in der Gesellschaft und fordert als Grundvoraussetzung für eine soziologische Herangehensweise, Gesellschaft in »Wechselwirkungen« (Simmel 1992: 20) zu denken und nicht zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden: »Eine soziale Form kann so wenig eine von jedem Inhalt gelöste Existenz gewinnen, wie eine räumliche Form ohne eine Materie bestehen kann deren Form sie ist« (ebd.: 19). Soziale Formierungen und gesellschaftliche oder soziale Tatsachen denkt er durchaus räumlich. Er beschreibt seelische Zustände als räumliche Tatsachen (vgl. ebd.: 44) und denkt damit einen sozialen Raum, er greift jedoch auch immer wieder auf eine gegensätzliche Konstruktion von Materie und Sozialstruktur zurück. Den physischen Raum versteht er weitestgehend als ein geometrisches, mathematisches Konstrukt, da »erst die Geometrie bestimmt, was an den räumlichen Dingen wirklich ihre Räumlichkeit ist« (Simmel 1992: 25). Obwohl er von den räumlichen Gestaltungen sozialer Formen spricht, wird der Begriff »Raum« letztendlich immer auf den physischen Raum bezogen, Raum wird nicht als soziale Maßeinheit oder soziologische Kategorie für die Konfigurationen sozialen Lebens verwendet. Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch darin, dass er einerseits bei der Frage nach der Bedeutung des Raumes den Raum als die »an sich wirkungslose Form bezeichnet« (ebd.: 687), andererseits in Bezug auf die ihm so wichtige Wechselwirkung konstatiert, dass »der Raum überhaupt nur eine Tätigkeit der Seele ist« (ebd.: 688). Absolute Raumverständnisse und relativistische Ansätze sind, insbesondere in seiner Abhandlung »Der Raum und die räumlichen Ordnungen der Gesellschaft« (vgl. Simmel 1992: 687ff.), miteinander verwoben und gleichermaßen vorhanden. Simmels Untersuchungen stellen dennoch einen wesentlichen Ansatz zur sozialwissenschaftlichen Erforschung der Interdependenzen von physischem Raum mit Leben und Konfigurationen von sozialen Gruppen dar. So beobachtet er mit der Entstehung der Großstadt die Entwicklung eines speziellen Menschentypus, dem er spezifische Eigenschaften und Handlungsweisen zuschreibt.3 In seiner Untersuchung über »die Großstädte und das Geistesleben« (vgl. Simmel 1995) beschreibt er, wie das Leben in der Großstadt menschliches Handeln und Sein verändert. Urbanität und Verstädterung wird von ihm jedoch nicht als normatives Konzept ausgewiesen, sondern er bezieht sich auf die »räumlichen Bestimmtheiten einer Gruppe durch ihre sozialen Gestaltungen und Energien« (Schroer 2006: 61). Simmel beschreibt im Zusammenhang mit der Konstitution von Gesellschaft auch die Relevanz eines Denkens in Wechselwirkungen und macht in 3 | Simmel beschreibt z.B. die »großstädterische Blasiertheit« als eine »Seelenstimmung die den getreuen subjektiven Reflex der völlig durchgedrungenen Geldwirtschaft« darstellt (1995: 20). Auf diese Kapitalgebundenheit sozialer Strukturen bezieht sich später, sehr viel differenzierter, auch Bourdieu (vgl. 1991) und sehr viel später, in einem anderen Kontext, Castells (vgl. 2001).

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seinen Untersuchungen darauf aufmerksam, dass die materiellen Strukturen der Gesellschaft auf soziales Handeln, sowohl im Kollektiv als auch beim Individuum, wirken. Gesellschaft existiert für ihn da »wo mehrere Individuen in Wechselwirkung treten« (Simmel 1992: 17). Er löst in gewissem Sinn den Hintergrundgedanken von Raum auf, da er physischen Raum in gesellschaftliche Konstitutionsprozesse einbezieht, auch wenn er diesen Raum als geometrischen, substantiellen Container versteht. Aus seinen Reflexionen kann die Erkenntnis gezogen werden, dass er zum einen Raum als eine soziale Tatsache denkt, zum anderen bestätigt er jedoch auch die Annahme, dass der Raumbegriff durch die Erfahrung mit gebauten, körperlich erfahrbaren Räumen a priori als physischer oder gebauter Raum definiert ist. Daher wird bei ihm Raum dennoch immer wieder als Rahmen beschrieben, der soziale Gruppen bestimmt und eingrenzt (vgl. Simmel 1992: 703ff.). Auch Pierre Bourdieu, auf den Löw in einigen Bereichen ihrer raumsoziologischen Thesen aufbaut, setzt sich mit der Beziehung von materiellem Raum und sozialem Raum auseinander. Er betont den Aspekt der menschkörperlichen Erfahrung bei der sozialen Strukturierung gesellschaftlicher Realität und untersucht, welche Rolle der physische Raum bei der Manifestation von gesellschaftlichen Schichten und Gruppierungen spielt. Der materielle, physische Raum wird als Manifestation sozialer Strukturierungen dargestellt. Im Umkehrschluss strukturiert die Beschaffenheit des physischen Raums, d.h. »eine im physischen Raum objektivierte soziale Teilung« (Bourdieu 1991: 27), über die körperliche Einschreibung der sozialen Ordnung soziale Strukturen indem sie als »mentale Struktur funktioniert« (ebd.: 27). Obwohl Bourdieu davon ausgeht, dass »soziale Strukturen in Raumstrukturen verwandelt« (ebd.: 27) werden, beschreibt er den physischen Raum auch als objektiv und geht konzeptionell von einer »klaren Trennung« von physischem und sozialem Raum aus. Der begrifflichen Unklarheit bei der Verwendung des Raumbegriffs sowohl für soziale als auch für physische Raumstrukturen versucht Bourdieu zu entkommen, indem er den sozialen Raum in Teilräume strukturiert, die er, wenn auch nicht durchgängig, als Felder bezeichnet. Seine Felder stehen für unterschiedliche soziale Strukturen, die mit Ansprüchen, Kämpfen und Verteidigungsmechanismen verbunden sind; es wird um die Kräfteverhältnisse in gesellschaftlichen Schichten gerungen (vgl. Bourdieu 1985: 74). Die Schichten sind so konstruiert, dass sie als gegeben, begrenzt und vorhanden wahrgenommen werden und entsprechen einem absoluten Raumdenken. Diese Beschreibung fixierter sozialer Strukturen wird durch Beobachtungen untermauert, etwa wenn er von der Unwahrscheinlichkeit spricht, dass sich Menschen (Akteure) aus unterschiedlichen Feldern heiraten. Die Felder, stark hierarchisch in oben und unten gegliedert, beispielsweise durch unterschiedliche Kapitalanhäufungen, sind als Macht- und Dominanzstrukturen angelegt. »Die Fähigkeit, den angeeigneten Raum zu dominieren, und zwar durch (materielle oder sym-

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bolische) Aneignung der in ihm verteilten (öffentlichen oder privaten) seltenen Güter, hängt ab vom jeweiligen Kapital« (Bourdieu 1991: 30). Eine ähnliche Beschreibung von sozialen Strukturen findet sich auch bei Castells Beschreibungen zur sozialen Aufteilung in der Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2001), auf die ich später noch ausführlicher eingehen werde. Bourdieu nimmt somit zwar eine »Verhältnisbestimmung des sozialen zum physischen Raum« vor (Schroer 2006: 85), konzentriert sich dabei jedoch weniger auf die prozessuale Wechselwirkung von physischem Raum und sozialem Raum. Die Frage, wie soziale Räume entstehen, kommt gar nicht erst auf, da er soziale Tatsachen als durch den physischen Raum bewiesen und festgelegt ansieht. Seine Untersuchungen konzentrieren sich somit auf die Beobachtung sozialer Differenzierungen und darauf, wie sich soziale Unterschiede und soziale Strukturierungen im physischen Raum manifestieren (Bourdieu 1991: 32). Es bleibt unklar, ob physische Strukturen sich als räumlicher Bestandteil in der Präsenz von Architekturen, über körperliche Erfahrbarkeit durch Grenzen und Ausschlusskonstruktionen, oder visuell über die Symbolik materieller Räume in menschliche Erfahrungen einschreiben. Die Dualität von absolutem und relativem Raumdenken löst er nicht auf, sondern greift auf beide zurück: »Bourdieu verwendet einen absolutistischen und einen relativistischen Raumbegriff. Über die Beziehungen bestimmt ist der soziale Raum. Der physische Raum wird nicht zum Raum durch die Anordnungen, sondern in ihm werden die relationalen Anordnungen realisiert […] Bourdieu stellt demnach zwei Räume gegenüber, der metaphorisch gemeinte soziale Raum und der sozial angeeignete geographische Raum« (Löw 2001: 182).

Im Vordergrund seiner Überlegung steht die Frage nach der Kausalität − wer prägt was – eine Frage, die sich aufgrund ihrer linearen Logik immer an einer zeitlichen Strukturierung orientiert oder über diese operiert, aber Relationen oder Überlagerungen im Sinne von Gleichzeitigkeit und Simultanität nicht mit einbezieht. Wie bereits ausgeführt, ist für die Analyse der momentanen Wandlungsprozesse ein relationaler Raumbegriff aber gerade deshalb so wesentlich, weil er es erlaubt, physische und soziale Strukturen nicht nur kausal, und damit einseitig, sondern miteinander und wechselseitig zu denken (vgl. Löw 2001). Die Erforschung gesellschaftlicher Strukturierungen auf der Basis eines relationalen Raumdenkens, das verstanden werden kann als »a social ontology in which space matters from the beginning« (Soja 1989: 7), erfordert ein Verständnis, in dem Raum auf allen Ebenen, bzw. in dem alle Komponenten räumlicher Realität, auch die materielle Komponente, sozial konstruiert sind und im Umkehrschluss sozial strukturierend sind. Ausgehend von dieser Annahme lassen sich das Zusammenspiel von physischem Raum und sozialen Strukturen und die

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prozesshafte Raumkonstitution in vernetzten Strukturen mit Bourdieus Thesen nicht vollständig analysieren. Von Bourdieu kann jedoch gelernt werden, dass physische Räume eine wesentliche Rolle bei der Etablierung von sozialem Bewusstsein spielen und dass sich die Wahrnehmung dieser Räume in körperliches Bewusstsein einschreibt. Ebenso macht er mit seiner räumlichen Analyse sozialer Strukturen sehr deutlich, welche gesellschaftlichen Dynamiken sozialer Raumkonstitution, beispielsweise durch Ausgrenzung oder Kapitalgebundenheit, zugrunde liegen und ist damit in der Art, wie er die soziale Strukturierung von Gesellschaft denkt. Bourdieu ist somit ein Wegbereiter für ein relationales Raumdenken und auch für die weitere Analyse der Zusammenhänge von Machtstrukturen und architektonischer Raumproduktion. Obwohl bei Simmel und bei Bourdieu physisch-räumliche Arrangements erwähnt werden und beide Ansätze sehr hilfreich dafür sind, Raum als soziale Tatsache wahrzunehmen, wird der physische Raum als bereits vorhanden behandelt. In welcher Form und in welchen Prozessen die räumlichen Arrangements durch gesellschaftliches Handeln konstruiert werden, und welche gesellschaftlichen Dynamiken ihrer Produktion zugrunde liegen, wird jedoch nicht analysiert. Handeln wird nicht als raumkonstituierend begriffen, sondern bezieht seine Raumorientierung daher, dass es in Räumen stattfindet und durch Prägungen wie beispielsweise Status − ausgedrückt durch Lage, Symbolik, Gebäudeform − definiert ist (vgl. Bourdieu 1991). Dennoch können die Ansätze in den Untersuchungen von Bourdieu und Simmel als eine relevante Annäherung daran angesehen werden, bei der Betrachtung von Gesellschaft materielle Strukturen als eingebunden in soziale Konstitutionsprozesse zu verhandeln. Da insbesondere Simmel und teilweise auch Bourdieu, einen Großteil ihrer Untersuchungen vor dem Aufkommen und der Verbreitung digitaler Ströme verfasst haben, waren sie noch nicht der Wirkmächtigkeit der gesellschaftspolitischen Veränderungen durch eine medientechnische Revolution ausgesetzt. Das mag erklären, dass sie der Relationenbildung und einer prozessualen Wechselwirkung sozialer und physischer Raumkonstitutionen nur in Teilbereichen Aufmerksamkeit geschenkt haben. Aus diesem Grunde wende ich mich im Folgenden den Bereichen der Soziologie zu, die sich direkt als »Raumdisziplinen« im Sinne von Stadtforschung oder Architekturforschung verstehen, um den aktuellen Stand zum Verhältnis physischer Raum und sozialer Raum zu untersuchen.

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1.4 R AUMDISZIPLINEN DER S OZIOLOGIE Sowohl die Betrachtungen von Simmel als auch von Bourdieu haben jeweils auf spezifische Weise Stadt- und Architektursoziologie beeinflusst. Simmels Betrachtungen über das Wesen der Großstadt und seine »Soziologie des Raumes« liefern bis heute relevante Grundlagen für Stadtsoziologie und Architektursoziologie, die jeweils Bereiche der Soziologie darstellen, die sich am spezifischsten der sozialwissenschaftlichen Untersuchung des physischen Raumes verschrieben haben. Als Beginn der Stadtsoziologie gilt die Chicago School of Sociology, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts der Erforschung der Wechselwirkung von materieller Strukturierung und sozialer Klassifizierung in der Großstadt Chicago gewidmet hat. Die Stadtsoziologie geht aus der Humanökologie hervor und setzt sich mit den Strukturen und Ursprüngen benachteiligter und sozial schwacher Gruppen in Städten, insbesondere und ursprünglich in Chicago, auseinander. Als Leitfiguren und Begründer der Disziplin gelten Ezra Park, der Schüler von Georg Simmel ist, und William Thomas (vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2006: 31). Durch Parks Interesse an den Zusammenhängen von sozialen Handlungen und räumlich-städtischen Strukturen werden neue Analysemethoden entwickelt. Im Rahmen von spezifischen Zielsetzungen werden durch seinen Kollegen Ernest Burgess neue Formen der Analyse von sozialen und urbanen Strukturen eingeführt, die als community studies in verschiedenen Stadtteilen Chicagos durchgeführt werden. Diese Studien beinhalten die Rekonstruktion von städtischen Zonierungen und urbanen Strukturen anhand der Verwendung sozialtheoretischer Modelle, die von empirischen Daten gestützt werden, was in diesem Forschungsbereich eine Neuerung darstellt. Dabei führt Park einen Raumbegriff ein, um sich »von der bloßen Betrachtung von geografischen Grenzen und physikalischen Entfernungen zu distanzieren und stattdessen das Gesamtgebilde […] in den Blick zu nehmen« (Löw/Steets/Stoetzer 2007: 35). Raum – und räumliche Gestaltung − verwendet Park als ordnende Logik, die es ihm erlaubt, strukturelle und physische Gestaltungen zusammenzudenken. Der Unterschied zu einem relationalen Raumdenken liegt darin, dass in der vorrangigen Beschäftigung mit der Dynamik von Segregation und Ausgrenzung in bestimmten Teilen Chicagos der urbane Raum und dessen Struktur als gegeben angenommen werden. Es wird somit eigentlich nur dessen sich wandelnde Aufteilung und soziale Zuordnung analysiert und nicht, wie sich die sozialen Räume wechselseitig mit physischen Strukturen konstituieren. Diese Vorgehensweise ist jedoch für viele Analysen der Stadtsoziologie symptomatisch. Stadt wird vor allem im Hinblick auf die darin feststellbaren Differenzierungen und sozialen Dynamiken untersucht, weniger im Hinblick auf wechselseitige Raumkonstitutionen von physischem Raum und sozialem Raum. »Die Frage, wie Handlungs- und Wahrnehmungsmuster durch Bebauungsformen

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und Architekturen, […] oder durch materialisierte soziale Figurationen verändert und beeinflusst werden, ist noch lange nicht beantwortet« (Löw/Steets/ Stoetzer 2007: 37). Die Verwobenheit räumlicher und materieller Ausdrucksformen mit lokalen Gegebenheiten, wirtschaftlichen oder klimatischen Rahmenbedingungen, historischen Prägungen und städtischer Kultur ist so komplex, dass häufig entweder auf die soziale oder auf die architektonische Dimension fokussiert wird. Um dieser Einseitigkeit zu entkommen und »um die Dynamik der Räume, ihre Prozesshaftigkeit ihr Gewordensein, ihre Vielfältigkeit aber auch ihre Strukturierungskraft zu begreifen« (Schäfers 2003: 63), scheint daher auch für die Analyse der komplexen Dynamik von Städten eine Rekonstruktion des bisherigen Raumdenkens erforderlich zu sein, die bauliche Strukturen nicht als gegeben begreift. Noch spezifischer als die Stadtsoziologie widmet sich die Architektursoziologie dem physischen Raum in der Beschäftigung mit dem architektonischen Raum. Bei der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen, die Architektursoziologie weitestgehend bestimmen (vgl. Schäfers 2003), wird jedoch klar, dass auch hier Raum bzw. die unterschiedlichen räumlichen Aspekte der Gesellschaft nicht wechselseitig und miteinander gedacht werden. Raum wird zwar als Grundkategorie in anderen Disziplinen erwähnt und die Definitionen daraus werden als erkenntnistheoretisch relevant ausgewiesen, jedoch nicht auf die Produktion architektonischer Räume angewandt. Damit wird das Verständnis von architektonischem Raum von den Raumverständnissen anderer Disziplinen abgespalten. Es finden sich in der Architektursoziologie zwar Hinweise in der Tradition einer Simmelschen Denkweise, in der sich damit auseinandergesetzt wird, wie sich soziales Verhalten über Raum ausdrückt und davon bestimmt wird: »Das Soziale selbst ist ohne räumliche Fixierungen nicht denkbar« (ebd.: 31). Wie jedoch die verschiedenen Denklogiken aus Architektur und Soziologie jenseits der »Gemeinsamkeit« des Raumbegriffs – denn »[…] aus Sicht der Soziologie gibt es zur Architektur […] keine direktere Verbindungslinie als den Raum« (ebd.: 31) − zusammengespannt werden können, darauf gibt die Architektursoziologie keine Antwort. Sozial konstruierte Räume werden anerkannt, sind jedoch Konstrukte anderer Disziplinen und werden als nicht wesentlich für die Architekturproduktion erachtet. Vielmehr führt Schäfers Beispiele aus der Architektenzunft an, die Gegenstimmen zur Anwendung des Begriffs Raum in Verbindung mit Architektur darstellen (vgl. Schäfers 2003). Die Grundannahmen bestätigen, dass Raum aus Sicht der Architektursoziologie ausschließlich als substanzieller Raumbegriff definiert wird und − was wesentlich ist −, dass seine Produktion ausschließlich auf gestalterischen, ästhetischen und geometrischen Prinzipien der Architekturdisziplin beruht und nicht als soziale Tatsache verstanden wird. Sowohl Stadtsoziologie als auch Architektursoziologie lassen sich bei ihrer Einordnung von architektonischem Raum in Gesellschaft von einem euklidischen Verständnis leiten und nicht von einer

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gesamtgesellschaftlichen Sicht auf Architektur als Komponente gesellschaftlicher Realität. Architektonische Raumkonzeption ist in diesem Verständnis Ergebnis der Entwurfskonstruktionen des Architekten. Damit bleiben gesellschaftliches Handeln und physischer Raum dual konzipiert. Für eine Auflösung der bestehenden Gegensätze aus physisch und sozial, aus absolut und relativ, lassen sich weder in der Stadt- noch in der Architektursoziologie Argumente finden, da in beiden Disziplinen Raum und Handlung vorrangig kausal und weder wechselseitig noch integrierend verstanden werden. Die Verknüpfung von Stadtsoziologie mit den relationalen und wechselseitigen Konzepten der Raumsoziologie könnte jedoch ein erster Schritt zur Auflösung der binär angelegten Denktraditionen sein (vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2007). Daher scheint es mir erforderlich, zum besseren Verständnis der Bedeutung von Raumbegriffen für die Analyse gesellschaftlicher Konstitutionsprozesse noch weitere raumtheoretische Überlegungen heranzuziehen, die eine relationale Raumtheorie, wie sie in der Raumsoziologie von Martina Löw beschrieben wird, mit einer reflexiven Theoriebildung unterlegen.

1.5 E IN NEUER R ÄUMLICHER P ROZESS Mit der Untersuchung der vielfältigen Aspekte des Raumbegriffs und der damit verknüpften Disziplinen wird deutlich, dass die »Feststellung einer bedeutsamen Beziehung zwischen Gesellschaft und Raum« eine grundlegende Komplexität verbirgt (Castells 2001: 466). In einer Denkstruktur, in der Raum gleich Gesellschaft ist (vgl. ebd.: 2001), werden »räumliche Formen und Prozesse durch die Dynamik der gesamten gesellschaftlichen Struktur« geformt (ebd.: 466). Wie komplex die Wechselbeziehung von Raum und sozialer Handlung ist und welche Rolle dabei die Hartnäckigkeit von differierenden Assoziationen mit dem Raumbegriff spielt, die oftmals zu binären Konstruktionen führt, wird auch in neueren Untersuchungen deutlich, in denen ein relational-räumliches Raumverständnis bereits vorausgesetzt und verwendet wird. So liefert etwa Markus Schroer mit seiner Untersuchung der räumlichen Konstruktion gesellschaftlicher Veränderung am Beispiel der räumlichen Strukturen des Internets eine umfassende Beschreibung für die Dynamik relationaler Raumkonstitution. Im Hinblick auf die Organisation räumlicher Prozesse in einer vernetzten Gesellschaft versteht er das Internet als erkenntnistheoretisch relevante und spezifische Konstruktion: »Die entscheidende Leistung des Internets für ein zeitgenössisches Verständnis von Raum liegt m.E. gerade darin, dass es die Einsicht befördert, dass wir es nicht mit einem einmal gegebenem Raum zu tun haben, […] sondern mit einem Raum, der durch die Aktivitäten der Netzuser permanent wächst und sich ausdehnt« (Schroer 2003: 233). Obwohl er im Zusammenhang mit einem relationalen Raumdenken ausdrücklich

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auf die Beweglichkeit und Flexibilisierung von traditionellen Fixierungen (vgl. ebd.: 232) hinweist, zeigen sich in seinen Untersuchungen jedoch auch Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die Interpretation eines relationalen Raumverständnisses, die von Konnotationen mit den jeweiligen Raumkonzepten gesteuert sind. Schroer bezeichnet tradierte, absolut geprägte Vorstellungen als »altes Denken« und stellt dieses als Gegensatz zu neueren relativistischen oder relationalen Denkmodellen dar. Dabei fällt jedoch auf, dass er Strukturen mit relational-räumlicher Beschaffenheit, d.h. über prozessuale Verknüpfungen miteinander verbundene Strukturen, als einem absoluten Raumdenken unterlegen beschreibt. So stellt er beispielsweise die virtuellen, sozial konstruierten Räume des Cyberspace als nach und nach von der Realität aufgeteilt parzelliert und erobert dar (ebd.: 229). Mit virtuellen Mauern als firewalls; durch Codes, Passwörter sowie Eintrittsgebühren erfolgt eine Angleichung an das reale Leben mit seinen Herrschaftsräumen, Begrenzungen und sozialen Unterschieden, wodurch ähnliche Grenzerfahrungen und Übertrittsbeschränkungen wie im realen Raum politischer Realitäten (vgl. ebd.: 2003) entstehen. Damit ist für ihn der Beweis erbracht, dass das alte Denken mächtiger ist als das neue, relationale Denken; das duale Prinzip zweier unterschiedlicher Raumkonzepte wird in eine Machtund Dominanzstruktur eingelagert. Ein solches Verständnis der verschiedenen Raumkonzeptionen impliziert, dass dort, wo ein absolutes Raumdenken existiert, kein anderer Raum sein kann. Die Auswirkung des alten Denkens auf soziales Handeln ist daher auch, dass absolute Raumvorstellungen Festlegungen und Positionen hervorbringen, die zu einer Entweder-oder-Haltung (vgl. Schroer 2003) zwingen. In Bezug auf die Anordnungen und Strukturen des Internets bedeutet dies, dass mit der Macht des alten Denkens eine Zunahme von Grenzsituationen und Raumgrenzen erfolgt, mit denen die ursprüngliche – vermeintliche − Offenheit des Cyberspace nun wieder zurückgenommen wird. Offenheit und Freiheit wird dabei von ihm mit relationaler Raumkonstitution gleichgesetzt. Als Gegensatz zu einer Entweder-oder-Haltung, die absolute Raumvorstellungen kennzeichnet, steht eine Sowohl-als-auch-Haltung für die Offenheit und Integrationsfähigkeit relationalen Raumdenkens. Das alte Denken spiegelt eine seiner Ansicht nach häufig zu beobachtende Tatsache, dass Raumverständnisse in den Sozialwissenschaften bisher durch ein sehr spezifisches, auf dem Territorialitätsprinzip und der nationalstaatlichen Form aufliegendes (vgl. Schroer 2006: 19) Verständnis geprägt waren. Im Gegensatz zu Löw, die Macht oder Territorialität als Kategorien integriert, stellt bei Schroer ein absoluter Raum, beispielsweise ein Territorium oder Nationalstaat ebenso wie die Parzellierungen im Internet, eine Beschränkung und Begrenzung relationaler Prozesse dar. Durch seine Konstruktion bringt er die politische Dimension in die Frage nach der Bedeutung von Raum in der Gesellschaft und den damit verbundenen Interpretationen ein, in der die Macht des Absoluten sich in territorial gebundenen oder stark abgegrenzten Raumvorstellungen zeigt. Die Bedeutung der Raum-

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frage für politische Konflikte wird auch bei Bourdieu thematisiert. Mit entsprechenden Grenzen, Raumannexionen und Zutrittsbeschränkungen führt ein absoluter Raumanspruch zu politischen Konflikten, die im eigentlichen Sinne Raumkonflikte darstellen. In Bezug auf die damit verbundene Logik stellt sich jedoch die Frage, in welcher Form und aufgrund welcher Dynamiken ein relationales Verständnis, das in einem raumsoziologischen Denken als ordnende Instanz absolute Raumvorstellungen als Kategorien integriert, vom Absoluten dominiert werden kann. Diese Frage ist auch in Bezug auf die gegensätzlichen Raumvorstellungen, die mit architektonischen und mit sozialen Räumen verbunden sind, bedeutsam. Ulrich Beck, der die Welt als zunehmend kosmopolitisiert entwirft, bezieht sich ebenfalls mit einer anderen Argumentationsstrategie, aber mit denselben Begriffen auf die binären Positionen unterschiedlicher Raumvorstellungen und Haltungen. Er sieht ein relationales Raumdenken und ein simultanes Verständnis der momentanen gesellschaftlichen Veränderungen als unausweichlich an: »In allen Dimensionen […] ist Gleichzeitigkeit an zwei Orten nicht nur denkbar, sondern praktikabel. Die Grundlage der Realität eines Entweder-oder wird Zug-um-Zug durch eine Realität des Sowohl-als-auch ersetzt« (Beck 2007: 255). Er gibt jedoch auch zu bedenken: »Nur wenige Ansätze versuchen aktuell diesen Ansatz zu realisieren […]« (ebd.: 255). Ein relational-räumliches Denken ist demnach Behinderungen ausgesetzt, auch wenn bei Schroer und Beck Einigkeit über die Relevanz von Raumkonzepten für politische Konflikte besteht. Aus den Beschreibungen ergibt sich die Schlussfolgerung, dass mit unterschiedlichen Raumverständnissen unterschiedliche Möglichkeiten für gesellschaftliches Handeln verbunden sind, die je nach Kontext begrenzend oder öffnend sind. Auch Doreen Massey folgert, dass das Räumliche immer auch politisch ist. Die gleiche Denkweise, mit der Raum gedacht wird, ist ebenfalls dafür verantwortlich, wie politische Fragen gestellt werden, wie bereits bestehende Fragen beantwortet werden sowie dafür, wie die politische Sphäre in Zukunft gesehen werden kann (vgl. Massey 2005). Massey entwirft eine Theorie der konsequenten Anwendung eines relationalen Raumdenkens auf verschiedene Aspekte der gesellschaftlichen Raumkonstitution, bestätigt jedoch auch die Hartnäckigkeit dualer Positionen aus tradierten Raumvorstellungen. Einer einheitlichen und relationalen Konstruktion von Raum stehen Raumassoziationen gegenüber, die, auf »geografische(r) Imagination und spezifische(n) Raumbilder(n)« beruhend, »konzeptionell inkohärent und politisch gefährlich« (Massey 2006: 28) seien. Diesen Positionen stellt sie die These entgegen, dass Raum als »discrete multiplicity« (Massey 2005: 55) betrachtet werden kann. Voraussetzung ist die Relationenbildung und vice versa: »[…] not only might we productively conceptualise space in terms of relations but also relations can only be fully recognised by thinking fully spatially« (ebd.: 39). Das bedeutet, dass Raum niemals vor Identi-

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tät oder Relationen existiert, sondern dass Identitäten, Einheiten und Beziehungen auf allen Ebenen einander konstituierend sind. Eine integrative und ganzheitliche, relationale Raumkonstitution ist in Masseys Verständnis vor allem durch Offenheit und die Anerkennung von Vielfalt geprägt. Das bedeutet auf politischer Ebene, dass Raum als ein soziales Konstrukt, als always in process, niemals die Bezeichnung für ein geschlossenes System sein kann. Sowohl politische Diskurse als auch Kategorien wie Zukunft, Vergangenheit oder Globalisierung werden damit als offen verstanden: »Only if the future is open is there any ground for a politics which can make a difference« (Massey 2005: 11). Ähnlich wie in den raumsoziologischen Thesen bei Martina Löw, in denen alle Komponenten von Raumkonstitution als Kategorien oder Atmosphären in einen Ordnungsbegriff integriert werden, ist auch bei Massey Raum ein Ordnungsbegriff für einen sich ständig erneuernden, nicht vorhersehbaren und in Bewegung befindlichen Prozess; nur sind die von ihr verwendeten Kategorien anders definiert und gesellschaftspolitisch spezifischer. Im Gegensatz zur Konstruktion des Verhältnisses verschiedener räumlicher Vorstellungen bei Schroer, versucht Massey ein neues Raumdenken und tradierte Raumkonzepte nicht als einander begrenzend zu konstruieren. Damit versteht sie diese auch nicht mehr zwangsläufig als Oppositionen, sondern als unterschiedliche Formen eines umfassenden neuen räumlichen Prozesses gesellschaftlicher Konstitutionen. Räumliche Aspekte, wie eine Grenze oder eine Parzellierung, können auf unterschiedlichen Ebenen Bedeutungsträger in einem sich ständig entwickelnden Prozess oder in einem »andauernden Projekt« sein, »dessen Identität sich in Beziehungen und Praktiken bildet« (Massey 2006: 28). In einer solchen Denkbewegung braucht es auch kein weiteres Raumverständnis, das die Gegensätze auflöst. Sojas Argument, dass der soziale Raum eine Herausforderung des dualen Prinzips der kartesianischen Denktradition von mental vs. physisch darstellt, weil er quasi als dritte Kategorie fungiert, wird mit dieser Raumdefinition obsolet, denn »a third term is only needed if you have a binary logic« (Massey 2005: 30). Mit der Skizzierung eines räumlichen Prozesses, in dem Raum (space) als »always under construction« (Massey 2005: 9) verstanden wird, bestärkt Massey die raumsoziologischen Thesen von Löw, auch wenn sich ihre Thesen weniger auf das Verhältnis von physischem Raum und sozialen Raum beziehen, sondern in einer sehr umfassenden, auch philosophisch untermauerten Herangehensweise auf die gesamte räumliche Konstruktion von Gesellschaft. Meine Untersuchung kann die komplexen politischen Zusammenhänge, die mit der räumlichen Konstruktion und Konzeptionalisierung von politischen Konflikten und Aspekten wie beispielsweise Territorialansprüchen verbunden sind, nicht klären, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Es ist mir jedoch bewusst, und das wird durch die hier dargelegten Zusammenhänge sehr deutlich, dass die Analyse der architektonischen Räume der Gesellschaft vor dem Hinter-

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grund einer zunehmenden Vernetzung immer auch eine politische Dimension hat. Da ich diese hier nicht umfassend analysieren und in Bezug setzen kann, gehe ich zum besseren Verständnis der Zusammenhänge davon aus, dass die politische Ebene eine soziale Ebene ist und stelle über diese Deutung die Verbindung zum soziologischen Kontext meiner Arbeit her. Auch wenn Masseys Ausführungen sich oftmals auf politische Kategorien beziehen, weisen sie auf die Notwendigkeit eines relationalen Raumdenkens in Zeiten einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation hin. Ebenso verdeutlichen sie, aus einer anderen Perspektive, die vielfältigen nach wie vor bestehenden Assoziationen von Raum, die ein einheitliches Raumdenken behindern. »The hope is to contribute to a process of liberating space form its old chain of meaning and to associate it with a different one in which it might have more […] potential« (Massey 2005: 55). Ihre Raumlogik liefert daher eine weitere Theoriegestalt, die ich neben der Raumsoziologie von Martina Löw als eine wesentliche erkenntnistheoretische Grundlage für die Konstruktion meiner Arbeit ansehe.

F A ZIT Mit seiner umfassenden Konstruktion als räumlicher Prozess ist der relationale Raumbegriff nicht einfach nur ein neuer Vorschlag für eine weitere, zeitgemäße Raumvorstellung, der bestehende oder tradierte Raumbegriffe ablöst, sondern ist analytisch (erkenntnistheoretisch) auf einer anderen Ebene einzuordnen. Ich sehe den relationalen Raumbegriff aufgrund seiner dargelegten Qualität als Ordnungslogik an, die – unter der Voraussetzung, dass Gesellschaft als räumlich organisiert begriffen wird −, eine neue ordnende und integrierende Struktur für die Analyse und Konzeptionalisierung der Prozesse und Interdependenzen in einer vernetzten Gesellschaft liefert. Aufgrund der dargelegten vielfältigen Vorstellungen zum Raum ist ein relationaler Raumbegriff mit sehr vielen unterschiedlichen Vorstellungen aus unterschiedlichen Disziplinen verknüpft, die zu Oppositionen und Behinderungen führen und auf dessen vollständige Adaption wirken. Aufgrund der Darlegungen in diesem Kapitel gehe ich davon aus, dass die Gegensätze aus unterschiedlichen Raumverständnissen nicht nur zu einer Verständigungsunsicherheit und einem Raumdeterminismus innerhalb der Sozialwissenschaften führen, sondern dass diese konzeptionellen Gegensätze auch zu einer Separierung von gebauter Umwelt und sozialen Strukturen beitragen. Die Definition von Übergängen, Abgrenzungen und Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Raumdisziplinen in einem einheitlichen Verständnis bedarf dabei noch genauerer Erforschung. Die Vorschläge aus der Raumsoziologie von Martina Löw könnten jedoch den Boden dafür bereiten, auch architektonische Raumproduktion in ein umfassendes relationales Verständnis von Raumkonstitution und Raumproduktion einzuglie-

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dern. Raum stellt in einem solchen Verständnis den Ordnungsbegriff für eine dynamische Simultanität dar, die auch physische Räume beinhalten kann, als Struktur jedoch veränderbar und offen ist. Daher ist die Definition eines einheitlichen ordnenden Raumbegriffs auch für die Analyse der Rolle von architektonischen Räumen in der Gesellschaft relevant. Eine Ordnungslogik, die auf den Grundlagen eines relationalen Raumbegriffs beruht, ermöglicht eine andere Bestimmung des Verhältnisses von physischen und sozialen Räumen. In einer relationalen räumlichen Logik können unterschiedliche Raumverständnisse und Raumqualitäten verortet werden, diese bilden jedoch keine gegensätzlichen Positionen mehr, sondern sind Ausdruck unterschiedlicher und − das ist besonders wichtig − vielfältiger Konstellationen und Organisationsformen. Der raumtheoretische Diskurs steht in einem engen Zusammenhang mit den Parametern kontemporärer gesellschaftlicher Entwicklung und Veränderung. Die Konstitution von Raum wird folglich unter dem Einfluss einer voranschreitenden Vernetzung und Globalisierung als wechselseitige Interaktion und als Prozess verstanden. Die Beschreibungen dieses Kapitels lassen sich dahingehend zusammenfassend deuten, dass ein räumliches Verständnis gesellschaftlicher Konstitutionsprozesse ebenso wie ein relationaler Raumbegriff auf der prozessualen Dynamik moderner Gesellschaften gründen. Um die Grundlagen, aber auch die potentiellen Behinderungen einer relational-räumlichen Konstruktion von Gesellschaft auf allen Ebenen zu verstehen, bedarf es daher einer Auseinandersetzung mit der Dynamik eines informationstechnologischen Paradigmas und den Auswirkungen und Ausdrucksformen vernetzter Strukturen auf gesellschaftliche Prozesse. Dieser Dynamik und den damit einhergehenden räumlichen Arrangements wende ich mich im nächsten Kapitel zu.

2. Raum und Vernetzung

»Genauso entscheidend für den reflexiven Umgang mit Raum ist jedoch der Einfluss neuer Technologien […].« (Löw, 2001: 93)

Wir leben in einer Zeit, in der die Welt als zunehmend vernetzt beschrieben und wahrgenommen wird. »Würde man heute ein grundlegendes Buch verfassen, das ähnlich wie Das Kapital von Karl Marx jene Basis beschreibt, auf der die moderne Welt sich entfaltet, so könnte es Das Netzwerk heißen« (Müller 2004: 121). Ausgangspunkt der modernen Vernetzungsnarrative ist die Entwicklung moderner Kommunikationstechnologien, die zu einer »medientechnischen Revolution elektronischer Kommunikation« (vgl. Berking 1998: 381) geführt haben und damit einen viel beschriebenen und viel interpretierten gesellschaftlichen Paradigmenwechsel eingeleitet haben. Im vorangegangenen Kapitel habe ich erläutert, dass dieser Paradigmenwechsel zu einem neuen räumlichen Verständnis von Gesellschaft und der Rekonstruktion von tradierten Raumbegriffen geführt hat. Auf der Grundlage der Beschreibungen und Deutungen der raumtheoretischen Reflexionen des vorangegangenen Kapitels lege ich nun im anschließenden Kapitel den Stand der Forschungen zu den Phänomenen einer voranschreitenden Globalisierung und Vernetzung dar und setze mich mit den räumlichen Folgen eines informationstechnologischen Paradigmas auseinander.

2.1 D ER W EG DER V ERNE T ZUNG Der Begriff der Vernetzung taucht erstmals im Zusammenhang mit Erkenntnissen über das menschkörperliche System auf. Der Architekt Reinhold Martin zeigt bei seiner Analyse des Organizational Complex auf, dass mit der Anerkennung der Biologie als vollwertige Wissenschaft Anfang des 19. Jahrhunderts Organisationsformen und Beziehungen menschkörperlicher Organe zueinander als vernetztes System und als in einer räumlichen Anordnung zueinander ste-

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hend bestimmt werden. Dabei beruft er sich auch auf den Historiker François Jacob: »[…] what was radically transformed at the beginning of the nineteenth century was therefore, the way in which living beings were arranged in space […]. From cell to milieu, and not withstanding the manifest distinctions between these various approaches, the organism was thus integrated into a bounded whole« (Martin 2003: 18).

Im weiteren Verlauf der biologischen Forschungen werden die Funktionsweise des menschlichen Nervensystems und ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders die Organisationsformen des menschlichen Gehirns erforscht. Beeinflusst durch die neuen Raum-Zeitbegriffe aus der Physik und der Mathematik können die Funktionsweisen menschlicher Körperorgane als räumliche Arrangements verstanden werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen die Anwendung neuer Konfigurationsmuster auf technische und technologische Entwicklungen, als Organisationsmodelle für intelligente elektronische Systeme. 1937 entwickelt der Student Claude Shannon am MIT eine These, anhand der zum ersten Mal komplexe Systeme von elektronischen Signalen − als digitale Maschinen bezeichnet – konstruiert werden können, welche die logischen Operationen menschlicher Gehirnleistungen nachbilden. Wenige Jahre später erforschen Norbert Wiener, Mathematikprofessor am MIT, und der Ingenieur Julian Bigelow die Rückkoppelungsprozesse von Flugabwehrsystemen bei der Berechnung von Flugbahnen. Diese Rückkoppelungsprozesse werden als Feedback-Loops bezeichnet und sind in ihrer Dynamik identisch mit Vorgängen, die durch den Neurophysiologen Arthur Rosenbleuth von der Harvard Medical School im menschlichen Nervensystem gefunden werden. Die Erkenntnisse aus diesen Beobachtungen führen zu interdisziplinären Studien, in denen Wiener, Bigelow und Rosenbleuth gemeinsam Maschinenprozesse entwickeln, die vorwiegend auf neurophysiologischen Untersuchungen basieren (vgl. Kubo/Salazar 2004). 1943 wird in einer Studie der amerikanischen Neurologen Warren McCullough und Walter Pitts das menschliche Gehirn als neuronales Netzwerk dargestellt, organisiert als ein System aus Kreisläufen, bestehend aus Trägersystemen (die Nervenbahnen) und Verknüpfungskreisläufen (den Synapsen und Verbindungen zwischen den Zellen), durch die Feedback und Anweisungen gesandt werden. Erstmals wird nachgewiesen, dass die untersuchten neuronalen Netzwerke adaptiv und selbstorganisierend reagieren können. Je nach momentaner Funktionsfähigkeit der jeweiligen Nervenbahnen werden für die angestrebten Verknüpfungen die gerade zur Verfügung stehenden Bereiche des Gehirns ausgewählt und genutzt. Aufbauend auf diesen Forschungen und den beobachteten Prozessen wird 1945 in einem Zusammenschluss verschiedener Wissenschaftler ENIAC, Electronic Numerical Integrator and Calculator, als die erste Version

2. R AUM UND V ERNETZUNG

eines elektronischen digitalen Computers entwickelt. Der Mathematiker John von Neumann spricht im Zusammenhang mit ENIAC von einer »general-purpose machine, that can be programmed to run different tasks, based on instructions stored in a memory – the extension of a machine exclusively meant for calculating shell trajectories to general-purpose machine that can perform tasks closer to the thought processes of the human brain« (Kubo/Salazar 2004: 5).

1946 beginnt der Mathematiker Buckminster Fuller mit seinen Studien über »Energetic Research Systems«, in deren Verlauf er das statische Verständnis von materiellen Strukturen auflöst. Er beobachtet bei Energieübertragungen geometrische Strukturen, die durch den Energiefluss zwischen einzelnen Bestandteilen Netzwerke bilden; ähnlich den molekularen Strukturen, die im Zusammenhang mit planetaren Systemen festgestellt wurden. Seine Erforschung physikalischer Systeme bildet die Grundlage zur Anerkennung intelligenter materieller Strukturen, die durch den Austausch von Energie und Informationen organisiert sind, und bildet damit auch die erkenntnistheoretische Grundlage der Quantenphysik. Auf diese baut Norbert Wiener auf, der 1948 eine bahnbrechende Studie mit dem Untertitel: »Control and Communication in the Animal and the Machine for Cybernetics« veröffentlicht (vgl. Martin 2003). Damit führt er den Begriff der Kybernetik ein und untersucht die Kontrollmechanismen bei Feedbackkreisläufen in Kommunikationssystemen. Einer der Leitgedanken der Studie ist, dass die neuen Technologien vor allem aus Kommunikation bestehen. »Media organize. To be sure, they also communicate; they transmit messages, circulate signs« (Martin 2003: 15). Im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zum communicative behavior verweist Wiener auf die Analogie zwischen biologischen und sozialen Organisationsformen bei der Erforschung von künstlicher und menschlicher Intelligenz. Kommunikation regelt sowohl die Abläufe der neuen informationsverarbeitenden Maschinen als auch die Interaktionen von Organismen. Den Begriff Kontrolle bezieht Wiener auf das Eingreifen und die dadurch mögliche Steuerung bei Unausgeglichenheiten oder Ausfällen1 in den Organisationssystemen. Vor diesem Hintergrund deklariert Wiener das age of communication and control2 (vgl. Martin 2003). Bei der Verwendung biologischer Prozesse und Organisationsformen als Modell für die 1 | Das Originalzitat lautet »the well-worn analogy between biological organization and social organization, except that the organizational systems in question have now changed« (Martin 2003: 15). 2 | Das Gesamtzitat lautet »if the seventeenth and early eighteenth centuries are the age of clocks, and the later eighteenth and nineteenth centuries constitute the age of steam engines, the present time is the age of communication and control« (Martin 2003: 16).

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Weiterentwicklung sogenannter künstlicher Kommunikationsformen wird sehr deutlich, dass es bei der Entwicklung der modernen Technologien vor allem um die Anwendbarkeit neuer Formen von Organisation und Distribution auf Kommunikationsprozesse geht. Die weitere Entwicklung der neuen Technologien bleibt ein interdisziplinäres Projekt, das die neuesten Entwicklungen und Forschungen mit Ideen aus Biologie, Mathematik und Geisteswissenschaften zusammenbringt. 1948 formuliert Claude Shannon eine zweite, ebenfalls zukunftsweisende Studie unter dem Titel: »The mathematical theory of communication«, die erstmals die Idee der Information sowie die der Information zugrunde liegenden mathematischen Prinzipien bei deren Übermittlung und Codierung beschreibt und diese mit Erkenntnissen der Logik von Energietransfer und Operationen aus Mathematik und Physik verbindet. Zusammen mit Norbert Wieners Thesen über Kybernetik entsteht die neue Disziplin der Informationstheorie; Shannons Studie wird als deren Grundlage angesehen (vgl. Kuba/Salazar 2004: 5ff.). Die beiden wesentlichen Elemente des uns heute bestimmenden Paradigmenwechsels sind benannt: Information und Kommunikation. Das Informationszeitalter hat begonnen, wenn auch noch nicht in dem Ausmaß, das heute als informationstechnologisches Paradigma definiert wird. Mit der Entwicklung und Verbreitung informationsproduzierender Maschinen entstehen neue Machtgefüge, die sich vor allem über die Verbreitung von − oder durch den Anschluss an – Wissensressourcen konstituieren und stabilisieren. Die Rolle von Kommunikationstechnologien bei der Veränderung moderner Gesellschaften wird, sehr viel später, 1991, in den Sozialwissenschaften aufgegriffen, beispielsweise von Gilles Deleuze, der im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der neuen Medien die »Societies of Control« deklariert: »the man of control is undulatory, in orbit, in a continuous network« (Deleuze 1992: 2). Deleuze löst damit denklogisch Foucaults historisch orientierte Strukturierung der »Disciplinary Societies« (Martin 2003: 17) ab. Die Auswirkungen der neuen Kommunikationstechnologien auf die Verknüpfung von Macht und Wissen sieht Deleuze skeptisch: »One can of course see how each kind of society corresponds to a particular kind of machine […]. The quest for universals of communication ought to make us shudder« (ebd.: 17). Damit reflektiert er − ähnlich wie Wiener − über die Beziehung Gesellschaft – Maschine, der Fokus seines Interesses ist jedoch ein völlig anderer. Im Gegensatz zu Wiener beziehen sich Deleuze oder auch Foucault nicht auf die Übertragbarkeit biologischer oder technischer Prozesse auf soziale Prozesse, sondern auf die Machtgefüge und die Verschiebung der Relationen von Macht und Wissen im Informationszeitalter. Der Begriff der Kontrolle hat bei Deleuze daher auch einen anderen Zusammenhang als bei Wiener. Wiener selbst hat sich im Zusammenhang mit seinen Forschungen immer gegen eine Anwendung seiner Thesen auf gesellschaftliche Veränderung gewandt. Trotzdem wird die Relevanz von Organisationsfor-

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men, die sich durch die Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien sowohl für soziale als auch für die Konzeptionalisierung biologischer Prozesse ergeben, deutlich: »[…] in theory, the means by which social imbalances might be regulated – if that were practically possible – is what Wieners subtitle identifies as control« (Martin 2003: 16). Deleuze bezieht sich in seiner Analyse nicht nur auf die soziale, sondern auch auf die räumliche Dimension der Kontrollgesellschaft, deren räumliche Qualität er mit netzwerkartigen Strukturen beschreibt. Die Regierungs- und Organisationsformen der Disciplinary Societies sieht er als räumlich eingegrenzt (confinement) und produziert statische Formen, wohingegen die räumliche Definition der Control Societies aufgrund ihrer netzwerkartigen Strukturen ein sich ständig veränderndes Konstrukt darstellt: »a modulation, like a self-transmuting molding continually changing from one moment to the next« (Martin 2003: 19). Aufgrund der neuen räumlichen und selbstorganisierenden Arrangements, die mit der Control Societies einhergehen, kann diese nicht allein auf die von ihr entwickelten Technologien reduziert werden (vgl. Deleuze 1992), sondern sie stellt ein neues System gesellschaftlicher Organisation dar. Beide Gesellschaftsformen können tradierten Raumvorstellungen zugeordnet werden. Die Raumkonfigurationen der Control Societies entsprechen einem relativistischen Raumbild, wohingegen die Disciplinary Societies als statische, territorial begrenzte Konstruktionen einem absoluten Raumverständnis entsprechen. Auch die General Systems Theory des Biologen Ludwig von Bertalanffy trägt zu einer neuen Vorstellung von gesellschaftlich relevanten, räumlich orientierten Organisationsprinzipien bei. Eine der leitenden Prinzipien der Systemtheorie ist ihr interdisziplinärer Ansatz, in dem unterschiedliche Disziplinen wie Soziologie, Biologie, Physik und Technologie auf einer gemeinsamen erkenntnistheoretischen Basis betrachtet und weiterentwickelt werden können (vgl. Kubo/Salazar 2004). Seitdem werden biologische oder naturwissenschaftliche Organisationsformen und Konfigurationen immer wieder als Modelle für soziale Organisation angewandt. Aufgrund der interdisziplinären Denkweise und der Relevanz von räumlichen Arrangements für die Erkenntnis ist mit diesen auch ein neues Verständnis der gesellschaftlichen Einbindung von Architektur verbunden: »Social, biological, technological and aesthetic space are networked together in Norbert Wiener’s age of communication and control. And architecture is right there with them, in more ways then one« (Martin 2003: 19). In den 1980er und 1990er Jahren bauen auf Organisationsmodellen, die an biologischen Prozessen angelehnt sind, architektonische Konzepte wie beispielsweise die fraktale Fabrik oder das fraktale Büro auf, die sich an den Grundprinzipien der Chaostheorie orientieren. Der Neurologe Wolf Singer vergleicht sogar die Organisationsform von Städten mit der Funktionsweise des menschlichen Gehirns und weist darauf hin, dass »beide Systeme aus einer Vielzahl eng mit einander verknüpfter Komponenten« bestehen, und »beide Systeme sind das Ergebnis eines Entwicklungsprozes-

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ses, der im wesentlichen auf Prinzipien der Selbstorganisation beruht« (Singer 1997: 1). Die prozessuale Beschreibung von städtischer Entwicklung findet sich auch in sozialwissenschaftlichen Analysen von Städten (vgl. Graham/Marvin 2001; Sassen 2000; Castells 2001; vgl. Kapitel 3 dieser Arbeit). Die Entwicklung der Computertechnologie schreitet auf der Grundlage der interdisziplinären Erkenntnisse und Forschungen weiter voran. 1959 wird von Marvin Minsky und John McCarthy das Artificial Intelligence Project am MIT gegründet, um Computer herzustellen, welche die Informationsprozesse des menschlichen Gehirns nachbilden können und miteinander kommunizieren. Leonard Kleinrocks Studie von 1961 zum Information Flow in Large Communication Nets ist ein weiterer wesentlicher Schritt zu einer simultanen, prozessualen Organisation von Informationsübermittlungen. »The flow of information is self-organizing rather than hierarchical« (Kubo/Salazar 2004: 10). Noch geht es hierbei jedoch um abgeschlossene, lokal operierende Einheiten, die (noch) nicht über geographische Distanzen hinweg miteinander kommunizieren können, jedoch bereits fließende, sich jeweils neu konstituierende räumliche Arrangements bilden. Die Überwindung von räumlicher Nähe durch die Vernetzung von mehreren Systemen, die jeweils an unterschiedlichen Orten operieren, ist Zielsetzung von ARPA, das 1962 mit John Licklider startet. ARPA als »Information Processing Techniques Office« soll die Interaktion Mensch – Computer neu definieren und Maschinen entwickeln, die mit mehreren Nutzern gleichzeitig interagieren können. Wie bei den meisten Entwicklungen in diesem Bereich ist die Grundlage der Forschungen die Optimierung und Überprüfung von Übermittlungs- und Warnsystemen für militärische Zwecke. Diese Verbindung aus Forschung, Industrie und Militär wird als Military-Industrial Complex (MIC) bekannt. Die Dominanz des Military-Industrial Complex ist in den 1950er und 1960er Jahren in den USA so mächtig, dass sogar Präsident Eisenhower in der Abschiedsrede von seiner Präsidentschaft davor warnt: »This conjunction of an immense military establishment and a large arms industry is new in the American experience. The total influence − economic, political, even spiritual − is felt in every city, every statehouse, every office of the federal government. We recognize the imperative need for this development. Yet we must not fail to comprehend its grave implications. Our toil, resources and livelihood are all involved; so is the very structure of our society. In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the militaryindustrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist. We must never let the weight of this combination endanger our liberties or democratic processes. We should take nothing for granted. Only an alert and knowledgeable citizenry can compel the proper meshing of the huge industrial and military machinery of defense with our peaceful methods and goals so that security and liberty may prosper together« (Eisenhower 1961).

2. R AUM UND V ERNETZUNG

Ein Großteil der Forschungen zur Entwicklung der modernen Computertechnologien geschehen im Kontext des Military-Industrial Complex. Aufgrund der Verwobenheit von räumlichen und wirtschaftlichen Arrangements, die in dieser Zeit eine neue Ebene erreicht, hat diese Konstellation eine große Auswirkung auf die physische Gestalt insbesondere der amerikanischen Gesellschaft. Die Interdependenzen zwischen wissenschaftlicher Forschung, technologischer Weiterentwicklung und der Stabilisierung militärischer und industrieller Macht bringen neue Muster architektonischer Gestaltung hervor (vgl. Martin 2003). Aufgrund der Analogien mit einer sich angleichenden Architekturform in einer globalen Ökonomie hat die Dynamik des Military-Industrial Complex vor dem Hintergrund der momentanen gesellschaftlichen Veränderungen eine hohe Aktualität. Ich werde deren Auswirkungen und die Gemeinsamkeiten bei der Untersuchung der physischen Gestalt einer vernetzten Gesellschaft in Kapitel 3 noch genauer darlegen. Durch die Entwicklungsarbeit von ARPA entsteht 1966 das erste Netzwerk aus mehreren, miteinander verbundenen Computersystemen. Dieses bildet 1969 die Grundlage für die Errichtung des ersten digitalen Informations-Netzwerks, dessen Bestandteile über geographische Entfernungen hinweg miteinander kommunizieren können. Es verbindet vier Universitäten in den USA: University of California Los Angeles (UCLA), die Stanford University, die Santa Barbara University und die University Utah. Das Prinzip der räumlichen Nähe für den Austausch von Information ist überwunden, die digitale Informationsübermittlung über geographische Entfernungen hinweg ist geboren. Die Netzwerkkonfiguration, die diesem Projekt zugrunde liegt, entspricht den Strukturen und Gesetzmäßigkeiten eines distributed network, wie 1942 in den Untersuchungen von Kleinrock, McCollough und Pitts mit Bezug auf die Organisationsstrukturen des menschlichen Gehirns beschrieben (vgl. Kubo/Salazar 2004): Es besitzt die wesentliche Fähigkeit zur Selbstorganisation von Informationsübermittlungen. Mit der Überwindung räumlicher Distanzen bei der Organisation von Interaktionen und Verbindungen nimmt die weltweite Vernetzung durch intelligente Kommunikationssysteme ihren Lauf. Die damit verbundene Ent-Territorialisierung, zu verstehen als Unabhängigkeit von räumlicher Nähe für den Austausch und die Distribution von Information und Kommunikation, stellt eine neue Ebene der Wechselwirkung von technologischem Fortschritt und gesellschaftlicher Veränderung dar. Die physikalischen und mathematischen Grundlagen, die zu den neuen Technologien führen, verändern auch die Vorstellungen von Materie und räumlichen Konfigurationen. Da die neuen Technologien auf einer Organisation von simultanen und vernetzten Prozessen basierend operieren, wird damit die statische Vorstellung von räumlichen Konstruktionen herausgefordert. Die Modelle räumlicher Organisation von materiellen physikalischen Strukturen wie in Buckminster Fullers Tensegrety structures oder in den Energetic Research Stud-

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ies (vgl. Kubo/Salazar 2004) definieren neuartige räumliche Arrangements, die erst durch die Erkenntnisse aus den physikalischen Grundlagen eines relativistischen Raumbegriffs ermöglicht worden sind. Diese raumrelevanten Neuerungen bleiben jedoch lange allein den Naturwissenschaften vorbehalten und werden, obwohl die Entwicklung der neuen Technologien gesellschaftliche Veränderungen verursacht, nicht auf die Konstruktion gesellschaftlicher Räume und Territorien angewendet. Die Untersuchung der räumlichen, konzeptionellen und wissenschaftlichen Parameter zeigt die Grundlagen der uns heute bestimmenden umfassenden technologischen Vernetzung auf. Es wird dabei deutlich, dass der spatial turn, der die Sozialwissenschaften in den 1990er Jahren erfasst hat, durch diese Veränderungen vorbereitet wurde und dass ein Verständnis neuer räumlicher Arrangements bereits mit den Anfängen der Computertechnologie in den 1940er Jahren eingeleitet wird.

2.2 D IE N E T Z WERKGESELLSCHAF T Die Überwindung räumlicher Nähe für Interaktion und Kommunikation bildet die Grundlage für die Konstruktion der modernen Welt als vollkommen vernetzt. Die Verbreitung der modernen Kommunikationstechnologien geht einher mit scheinbar grenzenlosen Informations-, Kommunikations- und Verbindungsmöglichkeiten. Ein weltumspannendes Trägersystem zur Distribution von Energien und Technologien sowie das Verkehrswegenetz der modernen Hochgeschwindigkeits-Transportmittel ermöglichen endlose Verbindungen, Verknüpfungen und Übermittlungen. Als Folge (er)scheint alles mit allem verbunden und verwoben zu sein. Die multiplen Formen von virtuellen Konfigurationen sowie die zeitgleiche Übertragung und Verfügbarkeit von Bildern und Informationen, die in digitalen Strömen versandt werden, evozieren darüber hinaus das Image von einer zusammengerückten Welt. Marshall McLuhans Begriff vom »Global Village«, den er in seinem Buch »Understanding Media« (vgl. McLuhan 1964) einführt, wird posteriori3 zur Metapher und zum Leitbild für die von Informationstechnologien dominierte Welt: »The notion of compression, or shrinking, is indeed present in that influential book about the shared simultaneity of media […]« (Robertson 1992: 8). Vielfach wird McLuhans Semantik daher als der Ursprung der modernen Globalisierungsnarrative bezeichnet. Die Erkenntnisse aus dieser Zeit sind bestimmt von den Reflexionen über den Paradigmenwechsel vom Produktionszeitalter in das uns heute bestimmende Kommunikationszeitalter. Das Ausmaß an Vernetzung und Globalisierung, das die 3 | McLuhan bezog diesen Terminus eigentlich auf die Entstehung und Verbreitung des Radios, nicht auf die Computertechnologien. Mit der Verbreitung des Internet erlebt diese Metapher jedoch eine Renaissance.

2. R AUM UND V ERNETZUNG

heutige Gesellschaft bestimmt, wird in den 1970er Jahren noch nicht erreicht. McLuhan verweist, ohne sich explizit auf vernetzte Strukturen zu beziehen, im Zusammenhang mit seiner Analyse der neuen Medien jedoch bereits auf vernetzte Strukturen, die neue Denkprozesse und Herangehensweisen prägen. Als Grundlage der Entwicklung sieht er die Verbreitung der Elektrizität: »In den Jahrhunderten der Mechanisierung hatten wir unseren Körper in den Raum hinaus ausgeweitet. Heute, nach mehr als einem Jahrhundert der Technik der Elektrizität, haben wir sogar das Zentralnervensystem zu einem weltumspannenden Netz ausgeweitet […]« (McLuhan 1964: 9). Dieses neue Denken führt mit der Entwicklung von mobilen, digitalen Kommunikationsgeräten und einer sich ständig weiterentwickelnden Computertechnologie zu einem informationstechnologischen Paradigma, dessen wesentliches Merkmal es ist, dass gesellschaftlich relevante Aktivitäten vielfach, aber nicht ausschließlich, in digitalen Strömen organisiert sind. Mit der Etablierung und Verbreitung des Internets entstehen völlig neue Formen von sozialer Interaktion, die neue wirtschaftliche, finanzielle und kulturelle Räume eröffnen. Zu Beginn des Internets wird dieses mit vielerlei idealistischen Erwartungen verknüpft und wird häufig gar als Gegenmodell zu den gesellschaftlichen Beschränkungen des »realen Lebens« verstanden. Dies wird deutlich in der »Declaration of Independence of Cyberspace« von John Perry Barlow, der das Internet als einen neuen Ort einer »Civilization of Mind« (Barlow 1997: 22) deklariert. Er bezieht sich dabei auch auf den relationalen Charakter des Internet: »Cyberspace consists of transactions, relationships and thought itself, arrayed like a standing wave in the web of our communication system. Ours is a world that is both everywhere and nowhere, but it is not a world where bodies live« (ebd.: 22) Das Cyberspace sieht er als Gegenentwurf zu den »weary giants of flesh and steel« die er als »increasingly hostile and colonial« (ebd.: 22) bezeichnet. Barlow entwirft das Cyberspace als losgelöst von der Dynamik der Informationsgesellschaft, und keinesfalls als deren Produkt, ein Schluss, der nahe liegen könnte. Ähnlich wie Deleuze warnt er vielmehr vor den Kontrollmechanismen der mächtigen Staaten der Welt, die sich auch in ihrer Informationsindustrie niederschlugen und sieht das Internet als Ausdrucksform einer neuen Gesellschaft an. Ähnlich idealistische Konzepte lassen sich auch in anderen Untersuchungen finden. So weist der französische Anthropologe Pierre Lévy darauf hin, dass mit der Entwicklung des Cyberspace die Möglichkeit zu einer kollektiven Intelligenz gegeben ist, die es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Das Informations-Zeitalter bezeichnet er als »Knowledge Space«; dieses löst das uns bis zu diesem Zeitpunkt bestimmende »Commodity Space« (Lévy 1997: 175ff.) ab. Das Knowledge Space ist gekennzeichnet von der alles bestimmenden Relevanz von Wissen sowie dessen Vermittlung und Weiterentwicklung, obwohl er Wissen in unterschiedlichen Abstufungen als wichtige Ressource in allen Phasen menschlichen Daseins begreift. Auch Lévy nimmt

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Bezug auf die Verwobenheit zwischen Wissenschaft, Industrie und Militär.4 Diese Verwobenheit verändert sich im Knowledge Space dadurch, dass Wissen allen Menschen gleichermaßen zugänglich und nicht mehr politischen oder wirtschaftlichen Eliten vorbehalten sei: »[…] Asking if the idea of a collective intelligence is utopian or realistic doesn’t really make much sense. The process has begun and we do not yet know, what limits it will shift of how far it will shift them […] Far from implying any form of self sacrifice it encourages us to increase the degrees of freedom of individuals and groups, to implement win-win strategies, to create synergies between knowledge and knower« (Lévy 1997: 251).

Mit der Entwicklung einer kollektiven Intelligenz, so seine Schlussfolgerung, ist für ihn die Möglichkeit auf dauerhaften Frieden und gemeinsamer humaner Entwicklung verbunden (vgl. Lévy 1997). Die Rahmenbedingungen und Organisationsprinzipien im Internet haben sich jedoch nach und nach der gesellschaftlichen Realität angeglichen; das Internet spiegelt die Gegensätze und Machtverhältnisse der realen Welt, anstatt ein Gegenentwurf zu diesen zu sein. Obwohl das Internet mit den Interaktionen und Verknüpfungen in den digitalen Strömen eine neue Ebene gesellschaftlicher Praxis hervorgebracht hat, die nach und nach immer mehr Bereiche sozialen und politischen Handelns einschließt, so sind – entgegen der ersten Hoffnungen auf eine freiheitliche Organisation des Cyberspace – auch dort gesellschaftliche Macht-Dominanzstrukturen nicht außen vor geblieben (vgl. Schroer 2003). Das Internet spielt bei den momentanen Wandlungsprozessen eine bedeutende Rolle. Obwohl die Computertechnologie in ihren Anfängen nur eine technologische Entwicklung darstellt, ist die Evolution moderner Kommunikationstechnologien, und insbesondere des Internets, für gesellschaftliche Konstitution und Veränderung wesentlich bedeutsamer, als nur eine hoch entwickelte technische Aufrüstung der Gesellschaft zu sein. Als unendlicher virtueller Raum stellt das Internet eine Plattform für die Bildung einer neuen Ausformung von sozialen, häufig transnationalen Gemeinschaften dar. Die Präsenz und Dominanz dieses Raumes bringt die Transformation sozialer Formen und Prozesse mit sich. Zudem hat es als ein sich ständig in Bewegung befindlicher, relationaler Raum eine erkenntnistheoretische Relevanz für ein räumliches Verständnis vernetzter sozialer Interaktionen. Die Metapher von einer vernetzten Welt gründet daher in hohem Maße auf der Relevanz digitaler Ströme für ge4 | »In the commodity space the subject of knowledge is the military-industrial-media-university complex, generally referred to as technoscience. Far from remaining the guardian of a restricted temple, technoscience is an engine that pulls along with it the accelerated, chaotic evaluation of contemporary societies« (Lévy 1997: 212).

2. R AUM UND V ERNETZUNG

sellschaftliches Handeln und auf die damit verbundenen Wandlungsprozesse. Manuel Castells bezeichnet 1996 seine umfangreiche Untersuchung zur gesellschaftlichen Veränderung im Informationszeitalter dementsprechend als: »The Rise of the Network Society« (vgl. Castells 2000). Die Dynamik und die Wandlungsprozesse, die er dabei untersucht, finden über viele Jahre hinweg statt und werden empirisch belegt, so dass seinen Beobachtungen eine hohe Signifikanz zugeordnet werden kann. Seine Zusammenfassende Betrachtung der momentanen Dynamik der Netzwerke lautet: »Networks constitute the new social morphology of our society, and the diffus ion of networking logic substantially modifies the operation and outcomes in processes of production, experience, power, and culture. While the networking form of social organization has existed in other times and spaces, the new information technology paradigm provides the material basis for its pervasive expansion throughout the entire social structure. Furthermore, I would argue, that this networking logic induces a social determination of a higher level than that of the specific social interests expressed through the networks: the power of flows takes precedence over the flows of power. Presence or absence in the network and in the dynamics of each network vis-á-vis others are critical sources of domination and change in our society: a society that, therefore, we may properly call the network society, characterized by the pre-eminence of social morphology over social action« (Castells 2000: 500, Hervorhebung C.H.).

Die Netzwerkgesellschaft ist gekennzeichnet von der komplexen Verwobenheit von neuen Technologien, Raum und Gesellschaft. Wie bereits anfangs erwähnt, löst eine räumliche Konzipierung gesellschaftlicher Veränderung die bisherige Dominanz einer zeitlichen Ordnungsstruktur für gesellschaftliche Prozesse auf. »Anders als die meisten klassischen Gesellschaftstheorien, die annehmen, der Raum werde von der Zeit dominiert, stelle ich die These auf, dass in der Netzwerkgesellschaft der Raum die Zeit organisiert« (Castells 2001: 431). Ermöglicht durch die Überwindung von räumlicher Nähe bei der Übermittlung von Informationen, entsteht ein weltumspannendes Netzwerk digitaler Verknüpfungen, in dem die relevanten Finanz-, Wirtschafts- und Managementnetzwerke zusammen geschlossen sind und unterschiedliche Muster räumlicher Organisation formen. Besonderes Merkmal der neuen Konfigurationen ist, dass ihre Verbindungen vorrangig auf der digitalen Kommunikation zwischen den jeweiligen Akteuren basieren. Räumliche Nähe und Lokalität sind keine wesentlichen Elemente zur Verdichtung von Interaktionen und Handlungsmustern mehr. Die daraus entstehende räumliche Logik wird von Castells als Raum der Ströme bezeichnet: »Ströme sind nicht einfach ein Element der sozialen Organisation: Sie sind der Ausdruck von Prozessen, die unser wirtschaftliches, politisches und symbolisches Leben

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beherrschen. […] Ich vertrete daher die Auffassung, dass es eine neue räumliche Form gibt, die für die Formen gesellschaftlicher Praxis charakteristisch ist, welche die Netzwerkgesellschaft beherrschen und formen: den Raum der Ströme« (Castells 2001: 467).

Die Ströme organisieren den Gesamtprozess aus Gesellschaften, Märkten und Produktionszentren, so dass ein Mosaik globaler Innovation mit verschiedenen Polen und Netzwerken entsteht. Da sich im Raum der Ströme die »zentralen und herrschenden« gesellschaftlichen Prozesse verknüpfen, sind die Ströme somit von zentraler Bedeutung für die Konstruktion der gesamten Gesellschaft und haben eine strategische Rolle bei der Gestaltung der Formen gesellschaftlicher Praxis.5 In einer durch Netzwerke organisierten Gesellschaft ist die Fähigkeit zur Herstellung relevanter Verknüpfungen wesentlich für die Positionierung der jeweiligen Akteure und definiert deren Relevanz im globalen Kontext. Die Netzwerkstruktur, die Castells beschreibt, gleicht den distributed networks aus den Anfängen der Informationstechnologie, da die Akteure im Raum der Ströme in digitalen, selbstorganisierenden Kreisläufen nach immer neuen und passenden Verbindungen suchen. Das Netzwerk ist somit ständig in Bewegung, denn die Hierarchie innerhalb des Netzwerkes ist »keineswegs stabil und garantiert« (Castells 2001: 438). Alle Interaktionen in Netzwerken lassen sich auf die Herstellung von Wissen und Information zurückführen. Dabei entstehen drei Ebenen der materiellen Organisation. Die erste Ebene ist der Kreislauf räumlicher Vermittlungen als grundlegende räumliche Konfiguration des Kommunikationsnetzwerkes der Netzwerkgesellschaft und stellt die technologische Infrastruktur der Netzwerkgesellschaft dar. Die zweite Ebene beschreibt die Entstehung von Zentren, die als Knotenpunkte (nodes) in diesen Netzwerken fungieren. Diese Knotenpunkte werden durch metropolitane Clusterungen und urbane Konfigurationen dargestellt. Die dritte Ebene der Organisation umfasst die räumlichen Manifestationen und Versorgungseinrichtungen der Führungseliten, die in den Zentren arbeiten.

5 | Das Zitat lautet vollständig: »Unter Strömen verstehe ich zweckgerichtete, repetitive, programmierbare Sequenzen des Austauschs und der Interaktion zwischen physisch unverbundenen Positionen, die soziale Akteure innerhalb der wirtschaftlichen, politischen und symbolischen Strukturen der Gesellschaft einnehmen. Herrschende Formen gesellschaftlicher Praxis sind diejenigen, die in den herrschenden gesellschaftlichen Strukturen eingebettet sind. Unter herrschenden Strukturen verstehe ich diejenigen organisatorischen und institutionellen Arrangements, deren innere Logik eine strategische Rolle bei der Gestaltung der Formen gesellschaftlicher Praxis und des sozialen Bewusstseins für die gesamte Gesellschaft spielt.« (Castells 2001: 467)

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Nach wie vor wird die moderne Gesellschaft jedoch auch von einer historisch verwurzelten räumlichen Organisation der allgemeinen Erfahrung bestimmt. Dem Raum der Ströme steht die räumliche Logik von lokal gebundenen und lokal identifizierten Räumen und Clusterungen gegenüber, die Castells als Raum der Orte bezeichnet. Aufgrund seiner wirtschaftlichen und kulturellen Überlegenheit sowie der Bündelung von relevanten Wissensressourcen stellt der Raum der Ströme die transformierende Kraft in modernen Gesellschaften dar. Die dominierende strukturelle Form der Ströme durchdringt jedoch nicht den ganzen Bereich menschlicher Erfahrung in der Netzwerkgesellschaft. Ortsgebundene städtische Strukturen, die durch räumliche Nähe und lokale Identität definiert sind, bilden jenseits der Logik der Machtströme auch weiterhin gesellschaftlich relevante Lebensformen. Diese Gemeinschaften werden zwar maßgeblich durch die Transformation der gesamten Gesellschaft und von der Dynamik der Netzwerkgesellschaft beeinflusst, haben jedoch ihre eigene Dynamik und stellen innerhalb der Netzwerkgesellschaft eine eigene räumliche Logik dar. Diese Logik muss aufgrund der Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen und kulturellen Dominanz der Ströme immer wieder neu definiert und verteidigt werden. Das Gesamtszenario, das Castells entwirft, beschreibt daher kein Miteinander unterschiedlicher Lebensformen, sondern einen existentiellen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Räumen, der zu tiefen Spaltungen und Differenzen führt. Die unterschiedlichen Logiken stellen einen dialektischen Gegensatz dar, der weit reichende Folgen für alle Ebenen gesellschaftlicher Strukturen hat.

2.3 G LOBALISIERUNG UND V ERNE T ZUNG Mit dem Image einer durch Ströme vernetzten Welt wird diese »innerhalb einer als neu imaginierten sozialräumlichen Ordnung« wahrgenommen (Berking 2006: 7). Die Veränderungsprozesse, die im Zusammenhang mit dieser neuen Ordnung auftreten, werden vielfach unter dem Begriff der Globalisierung zusammengefasst: »Kaum ein Wortbild hat unsere Vorstellungen von der Welt, in der wir leben, stärker verändert als das der Globalisierung« (ebd.: 7). Dabei bleibt vielfach ungeklärt, ob die Globalisierung als ein Sekundärphänomen der weltweiten technologischen Vernetzung verstanden wird, oder als eigenständiges Phänomen, das durch die modernen Kommunikationstechnologien eine neue Dimension erreicht hat. Es ist daher bei einigen Wissenschaftlern umstritten, den Begriff der Globalisierung allein auf die Phänomene der expansiven Verbreitung spezifischer Kultur- und Wirtschaftsformen der letzten Jahrzehnte anzuwenden. Es können auch vor der medientechnologischen Revolution Entwicklungen und Veränderungen beobachtet werden, die, je nach Interpretation, mit dem Begriff »Globalisierung« bezeichnet werden können. »The processes

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and actions to which the concept of globalization now refers have been proceeding […] for many centuries […]« (Robertson 1992: 8). Die Verbreitung von Waren, Kulturgütern und Informationen über lokale Grenzen hinaus ist ebenso wie die Bewegungen von Migrationsströmen kein neues Phänomen. Die Migrationsströme zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren relativ zur Gesamtweltbevölkerung sogar wesentlich umfangreicher als heute (vgl. Robertson 1992; vgl. King 2004). Durch die hegemoniale Expansions- und Kolonialisierungspolitik von Großmächten wie beispielsweise Spanien, Holland oder Großbritannien hat es immer wieder Vermischungen unterschiedlicher Kulturen gegeben. Die dadurch ausgelösten Veränderungen und Einflüsse auf gesellschaftliche Realität lassen sich beispielsweise sehr deutlich an den architektonischen Räumen solcher Länder ablesen. So haben die Kolonialmächte in asiatischen Ländern einen ganz eigenen Stil – den Kolonialstil – geprägt, der in verschiedenen Kulturbereichen reproduziert wird. In Südspanien zeugen arabisch oder orientalisch geprägte Stadtstrukturen und Architekturelemente wie Ornamente, Verzierungen oder Materialien von der Anwesenheit »fremder« Machthaber. Die heutige Form der Globalisierung unterscheidet sich von früheren Globalisierungstendenzen vor allem dadurch, dass ihre Dynamik von der prozessualen und simultanen Gestalt der weltweiten Vernetzung bestimmt wird. Diese führt zu einer umfassenden gesellschaftlichen Strukturtransformation und zur Neuorganisation räumlicher Formen und Prozesse. »Als Leitmotiv aller Globalisierungserzählungen gibt sich somit die Grundüberzeugung zu erkennen, es mit fundamental veränderten Raumbildungsprozessen zu tun zu haben, welche die bewährten institutionellen Arrangements sozialer Ordnung, kultureller Wissensbestände und Alltagspraktiken systematisch entwerten« (Berking 2006: 7).

Eine Folge der Globalisierungsnarrative ist, dass die Welt als Entität entworfen und wahrgenommen wird. Diese Skizzierung einer Weltgesellschaft als Vision einer »kosmopolitischen Demokratie, Weltbürgertum und globaler Zivilgesellschaft« (vgl. Beck 2006: 253) folgt der Tradition eines philosophischen Kosmopolitismus des 19. Jahrhunderts. Aufgrund der Unsicherheiten bei der Interpretation des Globalisierungsbegriffes schlägt Ulrich Beck daher den Begriff Kosmopolitisierung vor, denn: »Wir müssen systematisch enthüllen, was die black box der Globalisierung enthält und verbirgt« (ebd.: 252). Es ist nicht Sinn und Fokus der Arbeit, den Globalisierungsbegriff zu klären. Ich möchte jedoch im Zusammenhang mit der Einführung des Begriffs in meine Überlegungen mein Verständnis davon erläutern, da er im Kontext meiner Untersuchung eine spezifische Relevanz hat. Ich verwende den Begriff der Globalisierung im Zusammenhang mit den Phänomenen der Netzwerkgesellschaft und in diesem Kontext als Begriff für eine spezifische Form gesellschaftlicher Organisation, als Folge der weltweiten Vernetzung. Im Zusammenhang

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mit Globalisierung lässt sich eine globale Ökonomie definieren und eine spezifische Form neuer physischer Räume beobachten. Diese Phänomene werden in der Sekundärliteratur im Zusammenhang mit Globalisierung beschrieben und ich übernehme diesen Begriff daher als Synonym für eine spezifische moderne Form gesellschaftlicher Organisation. Der Begriff des Kosmopolitismus, den Beck vorschlägt, bietet im Hinblick auf die begriffliche Deutung keine Befreiung von etwaigen mit dem Globalisierungsbegriff verbundenen Festlegungen, da er ebenfalls mit vielfachen Konnotationen verbunden ist, die es laut Beck zu überwinden gilt. Zum einen wird Kosmopolitismus − da eng an philosophische Standpunkte des 19. Jahrhunderts gebunden − häufig mit Idealismus gleichgesetzt. Nationalismus, als Gegensatz dazu, wird mit »Realität« gleichgesetzt. Beck fordert angesichts der Entwicklung der modernen Welt und den damit verbundenen neuen Raumkonfigurationen dazu auf, diese Opposition umzukehren, was einem relational-räumlichen Verständnis und einer prozessualen Gestalt der modernen Globalisierung entsprechen würde. Nationalismus wird irreal und das Bild einer kosmopolitischen Welt wird real (vgl. Beck 2006: 252ff.). Mit der festsitzenden Idee eines Nationalstaates und dem Beharrens auf absoluten Raumvorstellungen und Raumbildern, die voneinander abgetrennte Territorien beinhalten, können seiner Ansicht nach die uns bestimmenden Wandlungsprozesse weder analysiert noch bewältigt werden. Sein Plädoyer für ein neues Verständnis von einer kosmopolitischen Welt beinhaltet somit auch ein Plädoyer für relational-räumliches Verständnis der herrschenden Dynamiken, das auf alle Bereiche gesellschaftlicher Realität ausgedehnt werden sollte, das ähnlich wie Massey dem multiplen und gleichzeitigen Charakter der momentanen Prozesse Rechnung trägt: »Die Kosmopolitisierung muss auf dieser Linie als mehrdimensionaler Prozess verstanden werden […]« (ebd.: 260). Der Begriff der Kosmopolitisierung ist für die Sozialwissenschaften deshalb von Bedeutung, weil er ein spezifisches Modell für den Umgang mit Diversität − und Becks Interpretation zufolge damit auch für Vielfalt − beinhaltet (vgl. ebd.: 2006). Die Bedeutung von Vielfalt für die räumliche Konzeption von Gesellschaft findet sich auch in den raumtheoretischen Ausführungen von Doreen Massey oder Martina Löw (vgl. Kapitel 1).

2.4 O PPOSITIONEN Behindert wird ein relationales Verständnis einer neuen Kosmopolitisierung − und damit im Kontext meiner Beschreibungen auch ein relational-räumliches Verständnis von gesellschaftlichen Prozessen − nicht nur von hartnäckigen territorial und nationalistisch orientierten Verknüpfungen. Eine weitere behindernde Konzeptionalisierung proklamiert, dass Globalisierung – als eine spezifische Organisationsform westlicher Prägung – die einzig mögliche und direkte

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Folgeerscheinung der technologischen Revolution sei. Globalisierung wird als lineare Bewegung konstruiert, die nach und nach alle Bereiche der Welt erfassen wird (vgl. Massey 2005). Die neue Weltgesellschaft, anhand des Phänomens einer weltweiten Vernetzung gerade zur Einheit erklärt, wird unverzüglich erneut aufgeteilt, indem es zu einer Unterscheidung von »entwickelten Ländern« − das sind die Länder, die sich mit einem globalen Lebensstil identifizieren oder ihn produzieren − und Ländern »which are just behind«, kommt. Alles, was noch nicht entsprechend eines globalen Lebensstils entwickelt ist, wird als nachrangig und als »noch zu entwickeln« verstanden (vgl. Massey 2005: 5). Das Neue erscheint interessanter, präsenter und wichtiger als das Alte. Auf der Basis dieser modernen Philosophie gewinnen Globalisierungstheorien den analytischen Rahmen dafür, die »neuartige Phänomenalität des Globalen« (Berking 2006: 8) als Gegensatz zum »dominanten Denkstil des territorialen Einschlusses von Menschen, Kulturen und Identitäten« (ebd.: 11), der das Alte verkörpert, zu betrachten. Mit der linearen Konzeption der Globalisierungsbewegung wird einer zeitlichen Strukturierung Vorrang vor der räumlichen Ordnung der kontemporären Wandlungsprozesse gegeben; es entsteht eine Opposition von zeitlichen und räumlichen Konstruktionen. Die noch nicht entwickelten Länder werden als gestrig konstruiert. Zukunft wird nicht als offen, sondern als vorhersehbar und vorgegeben verstanden, indem die Auflösung des Alten durch das Neue in sie hineinprognostiziert wird und die unterschiedlichen Formen gesellschaftlicher Realität, die durch Vernetzung und Globalisierung entstehen, als Gegensätze dargestellt werden: »Paradigmatisch für die kritische Distanz zwischen Altem und Neuem ist die für Globalisierungstheorien aller Schattierungen zu beobachtende Konstruktion zweier Modi der sozialräumlichen Vergesellschaftung« (Berking 2006: 8). Anstatt diese Modi in einer nicht-linearen Betrachtung als unterschiedliche Kategorien gesellschaftlicher Konstruktion zu verstehen, entsteht eine Dualität, die sich durch verschiedene Aspekte der Konstruktion der Netzwerkgesellschaft zieht. Diese wird aufgeteilt in zwei Räume, die sich im ständigen Wettbewerb um finanzielle, wirtschaftliche und kulturelle Relevanz in der Weltgesellschaft befinden, und schafft die Metaphern für eine binäre Logik, die sich auch im Diskurs über Raumverständnisse finden lassen (vgl. Kapitel 1). Die Definition gesellschaftlichen Lebens unter dem Einfluss einer zunehmenden Vernetzung wird von dieser dualen Logik bestimmt, die Opposition von Raum und Zeit ist Bestandteil dieser Denkbewegung. Grundlage dieser Opposition sind die gegensätzlichen Vorstellungen zum Raumbegriff (vgl. Kapitel 1; vgl. Massey 2005: 61), welche verhindern, dass die Entwicklung moderner Gesellschaften in eine übergeordnete, räumlich ausgerichtete sozio-politische Denkweise eingebunden wird. Das Verständnis von Raum oder von räumlicher Organisation gesellschaftlicher Konstitutionsprozesse ermöglicht es, über duale Strukturen hinaus die »mul-

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tiplicity of (simultaneous) trajectories« (Massey 2005: 55) wahrzunehmen, die jedoch auch erfordert, von einer radikalen Gleichzeitigkeit aller gesellschaftlichen Prozesse und Entwicklungen auszugehen. Wenn Globalisierung als lineare und zwangsläufige Konstruktion verstanden wird, die sich zeitlich, und nicht räumlich, entwickelt, wird kann die Vielfalt von Handlungsweisen und Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aus dem räumlichen und simultanen Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungen ergibt, nicht angewendet werden. Das Globale wird als etwas »out there, or certainly somewhere else« (Massey 2005: 61) verstanden. Mit diesen Strategien wird eine räumliches Verständnis von Gesellschaft behindert: »indeed they are covert means of legitimating its suppression« (ebd.: 61). Massey sieht einen Grund für duale, auf kollektiven Annahmen beruhende Denkweisen in einer festgefahrenen Vorstellung des Räumlichen als manifest sowie des Zeitlichen als beweglich. Mit einem räumlichen Verständnis der momentanen Wandlungsprozesse können die bestehenden konzeptionellen Gegensätze jedoch aufgelöst werden. Da moderne Gesellschaften sowohl zeitlich als auch räumlich organisiert sind, verstehe ich − basierend auf dem raumtheoretischen Hintergrund der Ausführungen von Doreen Massey −Zeit als Wandel und Raum als Interaktion (vgl. Massey 2005: 61). Kurzum, im Kontext dieser Überlegungen kann Globalisierung als eine Folgebewegung der weltweiten Vernetzung verstanden werden, die verschiedene Formen annehmen kann. Wird nur auf eine bestimmte Form fokussiert, nämlich auf eine Interpretation der Veränderungen als spezifische westlich orientierte Auslegung von Globalisierung, entsteht eine Linearität, die allen anderen Phänomen zeitlich strukturiert und damit alle gleichzeitigen Phänomene in eine hierarchische Ordnung bringt. Es entstehen auf politischer, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene voneinander abgeschlossene und getrennte Räume. Grundvoraussetzung für ein räumliches Verständnis der Veränderungsprozesse ist demnach die Rekonstruktion des linearen, hierarchisch geordneten Verständnisses von Gesellschaft, denn dieses beruht auf der Konstruktion von Gegensätzen, Hierarchisierungen und Macht-Dominanz-Strukturen. Im Folgenden wende ich mich daher den sich (momentan) formierenden oder damit in Verbindung stehenden dualen Konstruktionen und Oppositionen zu, da diese Aufschluss über die unterschiedlichen Raumvorstellungen und deren Relevanz für gesellschaftliche Wandlungsprozesse geben. Die Konstruktion eines multilateralen Phänomens als lineare Bewegung bringt andere, erkenntnistheoretisch relevante und widersprüchliche Konstruktionen mit sich. Das Festhalten an einem dualen Prinzip bei der Theoretisierung gesellschaftlicher Prozesse, das sich wie dargelegt bereits im Raumdiskurs nachweisen lässt, wiederholt sich somit in der Konstruktion der Globalisierungserzählung und bedeutet die Fortsetzung des bereits aufgezeigten zentralen raumtheoretischen Dilemmas auf erweiterter Stufenleiter (vgl. Berking 2006: 13). Es

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wird der Blick dafür verstellt, dass die als Gegensätze entworfenen Ebenen von Realität in einer vernetzten Welt sich nicht im Kampf befinden, sondern jeweils »zwei Seiten der gleichen Medaille« (ebd.: 13) darstellen. Als unterschiedliche Bestandteile des gleichen Phänomens, nämlich der Veränderung durch ein informationstechnologisches Paradigma, sind die verschiedenen Formen gesellschaftlicher Strukturierung per se miteinander verbunden und interdependent und nicht im Gegensatz befindlich. In einem relational-räumlichen Verständnis führen Unterschiede nicht zwangsläufig zur Entstehung von Oppositionen, sondern es kann vielmehr eine »complexity and openness« (Massey 2005: 12) bei der multiple Erscheinungsformen möglich sind. Eine verbreitete Theoriestrategie, die auf einer binären Logik aufsetzt, ist die Konstruktion einer Opposition von global und lokal als wesentliches Kennzeichen der Globalisierung. Das Image des Globalen verführt systematisch »zur Trivialisierung des Lokalen, zur Vernachlässigung und Entwertung von Orten und territorialen Vergesellschaftungsformen« (Berking 2006: 11). In einer solchen Vorstellung entstehen hierarchische Muster und lokale Anbindung wird als rückständig oder nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Diese Konstruktion beinhaltet gleichzeitig eine soziale Strukturierung, die sich daraus ergibt, dass das Globale in der Netzwerkgesellschaft mit den relevanten Machtstrukturen gekoppelt zu sein scheint. Sie führt somit zum Verständnis einer Überlegenheit des Globalen − als Ausdrucksform der herrschenden Elite − gegenüber dem Lokalen: »Eliten sind kosmopolitisch, einfache Leute sind lokal […]. Der Raum von Macht und Reichtum wird über die ganze Welt hinweg projiziert, während Leben und Erfahrungen der einfachen Leute an Orten, in ihrer Kultur und in ihrer Geschichte verwurzelt bleiben« (Castells 2001: 471). Damit wird vernachlässigt, dass auch ortsgebundene Gemeinschaften von der weltweiten Globalisierung beeinflusst werden, und sei es nur dadurch, dass ihre Lebensweise als Gegensatz zu den über die digitalen Ströme verbundenen Lebensformen konstruiert wird. Indem die lokal gebundenen Gemeinschaften über den Mangel an Ressourcen, welche die globalisierten Bereiche kennzeichnen, definiert werden, stehen sie nach wie vor mit der Globalisierung in direktem Zusammenhang. In Ermangelung aller Ressourcen und Attribute, die dem Globalisierten zugeordnet werden, erscheint das Ortsgebundene jedoch als zweitrangig und noch zu entwickeln. Diese Opposition, bei gleichzeitiger Abhängigkeit birgt zudem die Gefahr, die damit einhergehende soziale »grim inequalities of today’s hegemonic form of globalisation« (Massey 2005: 6) als gegeben und erklärbar hinzunehmen. Bestandteil einer gegensätzlichen Konstruktion von Global und Lokal ist, dass die Globalisierungsbewegung − zu verstehen als der Raum der digitalen Verknüpfungen einer globalen Kultur und Ökonomie − konzeptionell als EntTerritorialisierung bezeichnet wird (vgl. Berking 2006: 9). In einer Zeit, in der die Interaktionen in den digitalen Strömen − wie beispielsweise die finanziel-

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len Transaktionen an den Börsen oder die Aktivitäten in sozialen Plattformen wie Facebook, Second Life oder Xing − gesellschaftliches Leben bestimmten, ist lokale Gebundenheit keine Voraussetzung mehr für die Etablierung sozialer Gemeinschaften. Auch durch die Überschwemmung mit grenzübergreifenden translokalen Identifikationsangeboten insbesondere im Musik- und Konsumgüterbereich etablieren sich virtuelle Gemeinschaften, die sich alle jeweils über digitale Kommunikation stabilisieren (vgl. Berking 1998). Mit einer Theoriestrategie, in der das Globale und das Lokale als »binäre Opposition« gefasst werden, »wird die Basis für die Verräumlichung von Ausbeutungs-, Macht und Herrschaftsbeziehungen geliefert« (Berking 2006: 12). Damit wird ein Opferdiskurs eröffnet, in dem es immer Überlegene und Unterlegene gibt. Die Entwertung des Lokalen ist auch gekoppelt mit einer Entwertung des Ortes, obwohl zwischen dem Konzept des Lokalen und dem Konzept des Ortes differenziert werden muss. Die modernen Kommunikationstechnologien ermöglichen die Unabhängigkeit von einem Ort. Die Schlussfolgerung, dass das Eine − virtuelle Gemeinschaften − das Andere – territorial definierte Lebensformen − in einer linearen Bewegung ersetzen würde, kann daraus jedoch nicht gezogen werden. Die Annahme, dass Ortsgebundenheit »für die meisten die moderne Gesellschaft charakterisierenden Sozialbeziehungen eine marginale bis keine Rolle mehr spielt« (Drepper 2003: 103), unterfüttert eine »imaginäre Geografie« (Berking 2006: 13), in der lokale Vergemeinschaftungsformen als gesellschaftlich nicht mehr relevant dargestellt werden. Der Ort scheint für relevante gesellschaftliche Vorgänge entbehrlich oder zumindest vernachlässigungswürdig zu sein.6 Die Frage nach der Einordnung des Lokalen vs. des Globalen als gesellschaftlich relevante Kategorien kann daher nicht ohne die Frage nach dem Ort behandelt werden. Mit der Ent-Territorialisierungsthese wird auch ein Gegensatz von Raum und Ort konstruiert (vgl. Massey 2005; Berking 2006). Das Globale ist der virtuelle Raum, in dem die Ströme wirken, das Lokale ist mit dem Ort verknüpft, an dem Leben scheinbar unbeweglich und statisch bleibt, anstelle sich in die höheren Sphären der Ströme aufschwingen zu können. Grundlage dieser »trivialen Grundoperation« (vgl. Berking 2006: 13) – trivial, da sie ohne Zwischenbereiche und Übergänge auskommt – ist die Annahme, dass weder Raum noch Ort in der Manifestierung und Konstruktion der Globalisierung kontextgenerierend sind. Der Ort wird als statisches Element konstruiert, das den Hintergrund, oder Untergrund, für Aktionen bildet, in diese aber nicht in6 | Thomas Dreppers vollständige Aussage lautet: Die Soziologie ist sich jenseitig aller paradigmatischen Streitigkeiten darüber einig, dass die Ortsgebundenheit für die meisten die moderne Gesellschaft charakterisierenden Sozialbeziehungen eine marginale bis keine Rolle mehr spielt« (Drepper 2003: 103). Diese Position steht jedoch im Widerspruch zu den meisten Thesen, die dieser Arbeit zugrunde liegen.

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tegriert ist. Die Annahme, dass der Ort als unbewegliches Element Opfer von Globalisierungsbewegungen sei, lässt sich auch anhand der Argumentationen zum Phänomen der »Shrinking Cities« (vgl. ausführlicher Kapitel 3) stützen. So erwecken diese beispielsweise den Eindruck, als ob Globalisierung im gleichen Maße, wie sie durch den scheinbar unaufhaltsamen Zuzug in die Städte zu Megacities und den damit verbundenen Spaltungen und sozialen Problemen führt, ebenso auch Städte – als Orte – entvölkern würde. Das undefinierte »Lokale« – das damit als territorial festgelegt verstanden wird – muss dann verteidigt werden, da es ein Opfer der Ent-Territorialisierung ist. Wie bereits erwähnt, stellt in einer Denkstruktur, in der das Lokale als dem Globalen unterlegen konstruiert wird, der Begriff lokal auch eine soziale Klassifizierung dar, die angelehnt ist an Strukturen, wie sie Bourdieu anhand seiner durch Kapitalanhäufung bestimmten Felder (vgl. Bourdieu 1991; vgl. Kapitel 1) entwirft. In der Global-Lokal Theorie findet Ausgrenzung und Ausdifferenzierung über den Ausschluss aus der Möglichkeit, eine wichtige Rolle in der globalen Welt zu spielen, statt. Diese Ausgrenzung wird mit sozialer Benachteiligung und einem Mangel an Ressourcen gleichgesetzt. Lokalität, als Ortsbestimmtheit ein Gegensatz zur Raumbestimmtheit globaler Lebensformen, bedeutet in diesem Sinn nicht die Präsenz an einem Ort, sondern ist eine soziale Festlegung und eine gesellschaftliche Einordnung. Auch die physischen Manifestationen der global orientierten Eliten sind, materiell betrachtet, ortsbezogen, sie sind jedoch nicht ortsbestimmt. Denn: »Orte verschwinden nicht, aber ihre Logik und ihre Bedeutung werden im Netzwerk absorbiert […]. Der Raum der Ströme ist nicht ortlos, obwohl dies auf seine strukturelle Logik zutrifft« (Castells 2001: 468). Bei einer Entwertung des Ortes und der Klassifizierung des Lokalen wird übersehen, dass ebenso wie das Globale auf lokaler Ebene rekonfiguriert wird, lokale Strömungen auf globale Entwicklungen einwirken. Berking weist darauf hin, dass es zu fragen gilt, ob »die globalen Ströme von Menschen, Ideen, Artefakten« nicht überhaupt erst im Augenblick »ihrer lokalen Einbettung ihr symbolisches Potenzial erfahren?« Am Beispiel des internationalen Finanzsystems fragt er: »Und kann das globale Finanzsystem existieren ohne seine spezifische lokale Ausprägung an Orten wie London und New York, die das Bild eines Finanzortes geprägt haben?« (Berking 2006: 12). Lokalitäten oder das Lokale müssen daher nicht einfach nur als Opfer des Globalen angesehen werden, sondern sie stellen, im Sinne von Vielfalt (multiplicity) (vgl. Massey 2005), eine spezifische Form der gesellschaftlichen Konstitution dar, mit ebenso spezifischen Eigenschaften und eigenen Handlungspraxen und Ritualen. Was bedeutet das für die Frage nach dem Ort? Wie bereits festgestellt, sind die Raumlogiken der Globalisierung durch die prozessuale und relationale Dynamik der Vernetzung bestimmt. Ein raumsoziologisches Verständnis geht davon aus, dass »die Konstitution von Raum systematisch Orte hervorbringt, so

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wie Orte die Entstehung von Raum erst möglich machen« (Löw 2001: 273). Orte sind für gesellschaftliche Konstitution ebenso relevant wie die räumlichen Konfigurationen, die nicht nur Ent-Territorialisierungsprozesse, sondern ebenso auch Re-Territorialisierungsprozesse beinhalten. Das führt zu einem Verständnis der Beziehung zwischen Raum und Ort als wechselseitig. Der Ort kann, ebenso wie Macht oder Materialität, als relationale Kategorie integriert werden. Für die Analyse der Wandlungsprozesse im Zusammenhang mit Globalisierung bedeutet das, Gegensätze wie lokal und global als systemimmanent zu begreifen, d.h. die gegenseitige Konstruktion von lokal und global ist Bestandteil der Gesamtstruktur durch Vernetzung. Lokalitäten sind dann »partikulare Momente innerhalb dieser weit reichenden Geometrie der Macht (power-geometry)« (Massey 2006: 29). Dass sich die Bedeutung von lokalen Kulturen für die images einer globalen Welt verschoben hat, bedeutet daher nicht, dass der Ort nicht mehr relevant ist. Es geht vielmehr um ein neues Verständnis seiner Bedeutung im Kontext der Globalisierungsprozesse und um die Rolle, die er in vernetzten und ent-territorialisierten Strukturen spielt: »Die Frage, wie ein kritisches, den Phänomenen kultureller Globalisierung angemessenes Konzept des Ortes auszusehen hätte, bleibt gegenwärtig noch offen« (Berking 1998: 390). Der Anthropologe Marc Augé nähert sich den veränderten Bedeutungen des Ortes über die Definition eines neuen Ortes – dem Nicht-Ort (vgl. Augé 1995; Kapitel 3). Nicht-Orte stellen den Gegensatz zu den mit Bedeutung und Identität aufgeladenen Orten einer linear organisierten Welt dar. Seine Unterscheidung ist allerdings sehr nahe an einer Opposition von Raum und Ort: »The distinction between places and nonplaces derives from the opposition between space and place« (Augé 1995: 79). Er macht jedoch auf die verschiedenen begrifflichen Assoziationen aufmerksam, die mit space und place verbunden sind und definiert non-places als Orte, oder Nicht-Orte, die zwei Realitäten bezeichnen: »Spaces formed in relation to certain ends (transport, transit, commerce, leisure) and the relations that individuals have with these spaces (for non-places media has a whole mass of relations, which are only indirectly connected with their purposes)« (ebd.: 94). Augé weist darauf hin, dass der Ort sich mit seinem Kontext verändert. Die Formen von Ent-Territorialisierung, die mit Mobilität und Anonymität der digitalen Ströme verbunden sind, verändern lediglich den Ortsbezug, aber legen nicht per se fest, dass er unwichtig geworden sei. Der Ort ist weiterhin ein wesentliches Element in der räumlichen Konstruktion gesellschaftlicher Veränderung. Menschen leben nach wie vor an Orten, architektonische Räume entstehen an Orten. Orte sind relevant sowohl bei der physischen als auch bei der sozialen Raumkonstruktion. Die Bündelung von Interaktionen, die scheinbar ohne räumliche Nähe und lokale Strukturen auskommen, ist gekoppelt an eine Vielzahl lokaler Bewegungen. Dass die Globalisierung sowohl global als auch lokal ist, zeigt sich auch in neuen Wortkons-

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truktionen wie z.B. translokal oder glokal. Beck weist darauf hin, dass es die »glokalen« Sowohl-als-auch-Realitäten sind, denen sich die Sozialwissenschaften widmen müssen, denn: »man muss fliegen können und verwurzelt sein« (Beck 2006: 258). Ein weiterer Aspekt, der bei der Konzentration auf die räumlichen Logiken der digitalen Ströme leicht aus den Augen verloren wird, ist die Verknüpfung des Ortes mit materieller Realisation. Erst das Lokale kann das Globale sichtbar machen, was global ist, wird an Ort und Stelle lokal (vgl. Berking 1998). Deshalb sagen nicht nur die neuen globalen Räume etwas aus über den Zustand einer Gesellschaft aus, sondern ebenso die räumlich-lokalen Rekonfigurationsprozesse, die »machtvolle« Re-Territorialisierungsprozesse beinhalten (vgl. ebd.: 1998). Trotz der Relevanz digitaler Ströme werden die Konditionen gesellschaftlichen Lebens nach wie vor auch von einem lokalen Kontext bestimmt; »place matters« (Berking 1998: 381), denn: »senses of place gehören zur conditio humana« (ebd.: 390). Der Ort ist mit spezifischen menschlichen Erfahrungen verknüpft, die sich in ortlosen, virtuellen Interaktionen nicht herstellen lassen. An Orte und deren spezifische Qualität sind Erinnerungen geknüpft, persönliche Werte, und als ganz wesentliches Element die körperliche Erfahrung. Aber auch kulturelle Werte wie Schönheit, Ästhetik oder Harmonie sind nur über den Ort zu erfahren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade in zunehmend mobilen und virtuellen Strukturen die persönliche, körperliche Begegnung gerade im Bereich gesellschaftlicher Arbeit zum Programm gemacht wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Betonung von sogenannten Face-to-Face-Begegnungen, die Ende der 1990er Jahren zum Mittelpunkt neuer Bürokonzepte und Arbeitsweisen erklärt wird. In diesen Programmen wird als Gegengewicht zur Vielzahl virtueller, ent-territorialisierter Kommunikationsmöglichkeiten die ortsgebundene menschliche Begegnung als wichtiger und wertiger deklariert. »Interaktionen in Organisationen brauchen also Orte: […]. Mit Interaktionen kommt der Körper und mit ihm der Raum ins organisatorische Spiel. […] Und auch einige Managementkonzepte der letzten Jahre lassen auf Steigerungsverhältnisse zwischen höherem Abstraktions- und Anonymitätsgraden organisationaler Kommunikationsstrukturen und einem Bedarf an face-to-face-Kommunikation schließen« (Drepper 2003: 125; vgl. Kapitel 4).

Virtuelle und entterritorialisierte Kommunikation führt in diesem Fall zu einer neuen Bedeutung der ortsgebundenen »lokalen« Kommunikation. Die Untersuchungen machen deutlich, dass die relational-räumliche Qualität der Vernetzung häufig im Widerspruch zu einer dualen Konstruktion der Wandlungsprozesse und Dynamiken der Netzwerkgesellschaft zu stehen scheint. Vernetzung ist per se mit Vielfalt verbunden: »(Aber) für den Zweck

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der räumlichen Analyse […] aus der Perspektive der räumlichen Logik des neuen Systems liegt das Entscheidende in der Vielseitigkeit des Netzwerkes« (Castells 2001: 441). In einer dualen Konzeption ist die Möglichkeit der Vielfalt und der ständigen Veränderung, die einer prozessualen relationalen Struktur per se immanent ist, begrenzt. In Castells Netzwerkgesellschaft ist der Raum der digitalen Ströme ein beweglicher Raum, der sich ständig neu konstituiert. Der »Raum der Ströme« ist ein relational konstruierter Raum, der sich aus sozialen Operationen konstituiert und der – analog zur Definition eines relationalen Raumbegriffs »von einem Nebeneinander verschiedener An(ordnungen) und den Überlagerungen verschiedener sozialer Räume« (vgl. Löw 2001) gekennzeichnet ist. Er ist jedoch auch deutlich gegenüber dem Raum der Orte abgegrenzt und weist damit Qualitäten eines absoluten Raumes auf, der über das Privileg der Zugehörigkeit eine Innen-Außen-Struktur definiert. Diese wird vor allem durch kulturelle Codierungen gestaltet, die nur ihren Mitgliedern einen »Zugang zur Machtstruktur eröffnen, […] ohne dass die Elite sich erst dazu verschwören muss, den Zugang […] zu versperren. Demnach kommt es zur Konstruktion eines relativ abgeschlossenen Raumes in der ganzen Welt« (Castells 2001: 472). Das, was im Kontext absoluter Raumbegriffe mit Territorialität verbunden schien, Abgeschlossenheit, und Existenz unabhängig von sozialer Handlung, wird nun ebenso in das Virtuelle hineinprojiziert. »[Sowohl die politische, Anm. C.H.] als auch die konzeptionelle Gegenüberstellung des Lokalen und Globalen« beruht somit auf einer »konzeptionellen Dichotomie«, die es »in Frage zu stellen gilt« (Massey 2006: 28). Die Netzwerkgesellschaft, deren zugrunde liegende Organisationsform eigentlich durch die Dynamik endloser, simultaner Verknüpfungen und ständiger Veränderung bestimmt ist, wird in dieser Konstruktion zu einem »closed system« (Massey 2005: 11), das sich unweigerlich in einer Struktur von Dominanz, Macht und Herrschaft befindet. Die Abgeschlossenheit geht auch auf bestimmte gesellschaftliche Bereiche über. Um »die globale Zirkulation von Waren, Images, Menschen als jene transitorischen Zustände im sozialen Leben der Dinge, des Wissens und der Menschen zu analysieren, die erst im Augenblick ihrer selektiven Wahrnehmung und kulturellen Einbettung ihr soziales und symbolisches Potential entfalten« (Berking 1998: 390), bedarf es eines anderen Zugangs. Eine mögliche Auflösung des konzeptionellen Dilemmas kann in der Differenzierung zwischen Vernetzung und Globalisierung liegen. Diese drückt sich in der Anerkennung der Tatsache aus, dass die Welt zwar zunehmend vernetzt ist, (indeed is increasingly connected), jedoch nicht »with only one narrative as western globalization« (Massey 2005: 5). In einer Denkbewegung, in der Vernetzung nicht gleich globalisiert bedeutet, kann die westliche Form der Globalisierung als ein »Projekt« innerhalb der Vernetzung verstanden werden. Ebenso wie ein relationales Raumverständnis kann auch Vernetzung als eine neue Ordnungslogik gesellschaftlicher Entwicklung konzeptionalisiert werden,

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die simultane, selbstorganisierende und verknüpfende Prozesse produziert und organisiert (vgl. Martin 2003: 23). Vernetzung stellt dann, analog zu den erkenntnistheoretischen Anfängen der Computertechnologie eine Organisationsform mit sich ständig verändernden Konditionen und Konstellationen dar, die multiple Auswirkungen und Ausdrucksformen mit sich bringt. Die simultane Qualität der Vernetzung führt dazu, dass alle Elemente letztendlich immer nur über den momentanen Zustand der Gesamtkonfigurationen zu erfassen sind. Wesentlich für ein umfassendes räumliches und relationales Verständnis ist, wie bereits ausgeführt, different als nicht notwendigerweise gegensätzlich zu begreifen (vgl. Massey 2005) und keine abgeschlossenen Raumrealitäten zu konstruieren, denn »der Kontakt zwischen geschlossenen Räumen ist erfahrungsgemäß schwierig« (Berking 1998: 387). Das erfordert es, alle Auswirkungen und Zustände als gleichzeitig zu verstehen und zeitliche Abfolgen als eine mögliche Ordnungsstruktur zu verstehen. Die vorherrschende Konzipierung binärer Logiken birgt somit »die Gefahr, den relationalen Charakter sozialräumlicher Maßeinheiten zu unterschätzen« (Berking 1998: 385). Helmuth Berking bescheinigt daher in »Die Macht des Lokalen« allen Autoren, die sich mit differenzierten Fragen der transitorischen Ausprägung von Globalisierung und Vernetzung jenseits einer einfachen binären Logik nähern, von der »naiven Containertheorie des Raumes und dem darauf fußenden Denkstil des territorialen Einschlusses« kritischen Abstand genommen zu haben (vgl. Berking 2006). Die Akzeptanz und Annahme eines relational-räumlichen Verständnisses kontemporärer Raumkonstitution wird als Voraussetzung für eine umfassende Analyse der momentan wirkenden Einflüsse und Dynamiken vorausgesetzt. Sowohl Berking als auch Massey weisen deshalb in ihren Untersuchungen darauf hin, dass es ein einheitliches Verständnis über die räumliche Organisation der vorherrschenden sozialen Strukturen und Veränderungsprozesse braucht, um die damit verbundenen Folgen und Phänomene einzuordnen, und – was daraus folgert – darauf aufbauend Veränderungen und Konzepte definieren zu können.

F A ZIT Die Beschreibungen der Positionen zur Netzwerkgesellschaft machen deutlich, welche tragende Rolle Raumverständnisse bei der gesellschaftlichen und konzeptionellen Einordnung der Veränderungen spielen. Die Vernetzung und ihre prozessualen Organisationsformen liefern Modelle für neue räumliche Arrangements, aufgrund welcher die Relation von Handlung und Struktur in modernen Gesellschaften neu interpretiert werden kann. Es ist dabei entscheidend, welche räumlich-theoretischen Konzepte auf diese räumlichen Interpretationen angewendet werden. Die Frage beispielsweise, anhand welcher Kriterien sich

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sozialräumliche Vergesellschaftungsformen als lokal oder global identifizieren, und ob es so etwas wie ortlose Gemeinschaften in letzter, sozialer und physischer Konsequenz wirklich gibt, kann in einem Denksystem, das sich an einem Verständnis von Raum als absolut, geschlossen und territorial definiert, nicht umfassend beantwortet werden. Sobald gegensätzliche Raumbegriffe und Assoziationen wirken, entstehen duale Konstruktionen. Die dualen Konstruktionen die auf tradierten Raumverständnissen basieren, haben jedoch einen Zweck. Sie zeigen die Dynamiken auf, die nachweislich zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Zersplitterung führen. Um Antworten auf die Fragen nach der Bedeutung von räumlichen Vorstellungen im Zusammenhang mit dem informationstechnologischen Paradigma zu finden, ist ein Perspektivwechsel erforderlich, der alle Aspekte gesellschaftlicher Organisation als Bestandteil eines umfassenden Wandlungsprozesses versteht. Ein Bestandteil dieses Perspektivenwechsels ist es, die Aufmerksamkeit, die in den letzten drei Jahrzehnten fast ausschließlich globalen Konfigurationen gegolten hat, nun auch der Dynamik des Lokalen zuzuwenden. Da die lokale Realität mit dem physischen Ausdruck der Gesellschaft verbunden ist, schließt sich im folgenden Kapitel die Analyse der physischen Räume der Gesellschaft an. Auf der Basis der in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse zur raumtheoretischen Modulation der Netzwerkgesellschaft wendet sich das Forschungsinteresse nun der Frage nach den räumlichen Ausdrucksformen einer vernetzten und globalisierten Gesellschaft zu. Dabei gilt besonderes Interesse der Frage, inwieweit sich die bisher gewonnenen Erkenntnisse über räumliche Konfigurationen und Raumlogiken in der Produktion von architektonischen Räumen niederschlagen. Wie verbindet sich eine Gesellschaftstheorie, in der Raum als always under construction verstanden wird mit dem Verständnis von substantiellen, manifesten Raumkonstitutionen? Welche Einflüsse zeigen sich in der kontemporären Architekturproduktion einer globalen Ökonomie und in welcher Weise bestimmen die dargelegten dualen Konstruktionen und Raumverständnisse die Produktion von architektonischen Räumen?

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3. Die architektonische Gestalt der Netzwerkgesellschaft

»In one century the world population has gone from one to six billion, while life expectancy has doubled. The problems we share are plural. Architectural practice and education, however, are still locked to the idea of the singular.« (Mau 2006: 33)

Wie in Kapitel 2 ausführlich dargelegt, werden die heutigen Gesellschaften maßgeblich von der transformativen Kraft einer weltweiten Vernetzung und Globalisierung bestimmt. Die Dynamik einer Netzwerkgesellschaft hat neue räumliche Logiken hervorgebracht, die tief greifende gesellschaftliche Wandlungsprozesse bewirken: »Raum ist der Ausdruck der Gesellschaft. Da unsere Gesellschaften einer Strukturtransformation unterliegen, ist es eine vernünftige Annahme, dass gegenwärtige räumliche Formen und Prozesse auftreten« (Castells 2001: 466). Die neuen Raumkonstruktionen verändern auch die physische Gestalt einer Gesellschaft. Die oftmals gegensätzlichen Assoziationen, die mit tradierten Raumverständnissen verbunden sind (vgl. Kapitel 1 und Kapitel 2 dieser Arbeit), haben in der Vergangenheit dazu geführt, soziale Raumkonstitution und physische Räume als getrennt und unabhängig voneinander zu konzeptionalisieren und sie, wenn überhaupt dann über kausale Konstruktionen zu verbinden. Sozialwissenschaftler wie Bourdieu oder Simmel haben aufgezeigt, dass architektonische Räume Ausdruck sozialer Strukturierungen sind und anhand räumlicher Anordnungen und Raumstrategien auch der Zustand einer Gesellschaft ablesbar wird (vgl. Kapitel 2). Auch die Tatsache, dass sich gesellschaftliche Strukturen oftmals erst durch die Erfahrbarkeit physischer Räume in gesellschaftliches Bewusstsein einschreiben (vgl. Bourdieu 1991), kann als weitestgehend akzeptiert gelten. In einem neuen räumlichen Verständnis gesellschaftlicher Konstruktion, das sich im Zusammenhang mit den Umgestaltungen eines informationstechnologischen Paradigmas ergibt, ist Raum jedoch

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nicht nur der physische Ausdruck von Gesellschaft, sondern physischer und sozialer Raum konstruieren in wechselseitigen Konstitutionsprozessen gesellschaftliche Realität. Die Frage nach dem Zusammenwirken von sozialen und physischen Strukturen und der Bedeutung architektonischer Räume wird daher aufgrund der räumlichen Logiken eines umfassenden gesellschaftlichen Transformationsprozesses neu aufgeworfen. Manuel Castells entwirft die Beziehung zwischen sozialen und physischen Räumen und deren Bedeutung in einer vernetzten Gesellschaft dergestalt: Es ist der sozial konstruierte Raum, der »diejenigen Praxen zusammenbringt, die zeitlich simultan sind« (Castells 2001: 467). Es ist jedoch der architektonische Raum, der Veränderung sichtbar und erfahrbar macht, denn »es ist die materielle Verbindung dieser Gleichzeitigkeit […] die dem Raum gegenüber der Gesellschaft Sinn verleiht« (ebd.: 467). Auch wenn neuere sozialwissenschaftliche Raumkonzeptionen den Raum als always under construction (vgl. Massey 2005) und als Kategorie zur Organisation simultaner Praxen interpretieren, darf die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit »räumlicher Arrangements« wenn sie sich erst einmal geformt haben« (vgl. Schroer 2006: 175), – d.h. die Bedeutsamkeit physischer Räume für gesellschaftliche Konstitutionsprozesse – nicht vergessen werden. Schroer sieht in der Anwendung neuer Raumtheorien die Gefahr, dass die Relevanz physischer Räume für soziales Handeln mit dem Hinweis auf die Überholtheit der Containertheorie vernachlässigt werden könnte (vgl. ebd. 175ff.). Die Vorschläge zu einem raumsoziologischen Verständnis von physischen Räumen ermöglichen es, diese unterschiedlichen Raumvorstellungen zu integrieren. Physische Räume stellen sowohl eine Kategorie sozialer Raumkonstitution dar als auch deren Ergebnis (vgl. Kapitel 2). Aus den beiden vorangegangenen Kapiteln kann erkannt werden, dass ebenso wenig wie Raum unter dem Einfluss eines spatial turn nur noch als soziales Konstrukt verstanden werden kann, architektonische Räume nicht mehr nur als absolute Containerräume und vorrangig nur aus kulturellen oder ästhetizistischen Aspekten heraus analysiert werden können. Die Existenz unterschiedlicher Raumbilder und Raumvorstellungen bietet in diesem Verständnis die Chance, eingefahrene Raumkonzeptionen aufzulösen und mit den gegenwärtigen Einflüssen neu zu denken, ohne diese von vornherein einem Raumverständnis zuzuordnen. In einer Struktur der Simultanität und des Nebeneinanders, die für moderne Gesellschaften kennzeichnend ist (vgl. Löw 2001,) können menschliches Handeln und architektonische Räume als miteinander in Beziehung stehend begriffen werden. Anhand der leitenden Frage, inwieweit dieses Verständnis auch in der Produktion moderner architektonischer Räume erkennbar ist, werde ich in diesem Kapitel den Stand der Forschungen zur Evolution der physischen Gestalt einer Gesellschaft im Wandel darlegen.

3. D IE ARCHITEK TONISCHE G ESTALT DER N ETZWERKGESELLSCHAFT

3.1 D IE TR ANSFORMATION DER URBANEN F ORM Die Globalisierungsbewegungen der letzten Jahrzehnte haben zu vielfältigen physischen Rekonstruktionen der Konfigurationen eines globalen, virtuellen Raums geführt und verändern die physische und bauliche Gestalt moderner Gesellschaften. Diese verdichtet sich besonders signifikant in den Städten. Moderne Gesellschaften sind von einer anhaltenden Verlagerung gesellschaftlichen Lebens in die Städte gekennzeichnet, eine Entwicklung, die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begonnen hat, sich aber in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches intensiviert hat. Im Jahre 2008 lebt bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten und dieser Anteil vergrößert sich weiterhin ständig. Allein in China werden laut Prognosen in den nächsten fünfzig Jahren annähernd 600 Millionen Menschen in Städten leben.1 UN Habitat geht davon aus dass bis zum Jahr 2050 weltweit 6 Milliarden Menschen in den Städten leben werden (vgl. Un-Habitat 2006). Städte stellen somit die wesentlichen Orte2 der Vergesellschaftung (vgl. Löw 2008: 37) dar und haben eine Schlüsselrolle in der sozialen und physischen Konstruktion der modernen Gesellschaften. Als »strategisch wichtiger Raum« (Sassen 2000: 7) im neuen räumlichen Prozess einer vernetzten Gesellschaft beeinflusst ihre Entwicklung die Zukunft der Menschheit maßgeblich. Da die physische Gestalt auch Ausdruck der wesentlichen gesellschaftlichen Entwicklungen ist, lassen sich diese an der Entfaltung und Veränderung der baulichen Gestalt und Struktur der Städte ablesen. Ebenso kann in einem wechselseitigen Verständnis von Handeln und Struktur davon ausgegangen werden, dass die Gestalt der baulichen Struktur das soziale Leben in den Städten maßgeblich beeinflusst. Unterscheidungen, Ausdifferenzierungen und Raumstrategien physischer Raumkonstruktion schlagen sich demnach »mehr oder weniger strikt« (Bourdieu 1991: 26) im sozialen Raum nieder und führen durch die Manifestierung einer bestimmten Ordnung der Koexistenz von Akteuren zu sozialen Strukturierungen.

1 | Die webpage und Werbeschrift für die Retortenstadt Thamestown in der Peripherie von Shanghai spricht davon, dass aufgrund dieses prognostizierten Zuzugs der Menschen in die Städte allein in China ca. 3.000 neue Städte gebraucht werden (vgl. www. thamestown.com). Siehe dazu auch die späteren Ausführungen in diesem Kapitel. 2 | Ich verwende das Wort Ort hier so, wie es auch in der Umgangssprache verwendet wird, als Begriff für einen Standort physischer Konstruktionen und nicht als Gegensatz zu globalen Bewegungen. Ich bin mir bewusst, dass der Ortsbegriff gerade im Zusammenhang mit lokalen und globalen Bewegungen nicht geklärt ist (vgl. Berking 1998; vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit), er hat im Kontext meiner Ausführungen an dieser Stelle jedoch keine konzeptionelle oder raumtheoretisch signifikante Bedeutung.

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In vielen soziologischen Untersuchungen ist nachgewiesen worden, dass die momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse eine umfassende strukturelle Veränderung der urbanen Form einschließen, die Castells als die »weltweit wichtigste Transformation« (Castells 2001: 453ff.) der Netzwerkgesellschaft benannt hat und die auch in anderen Untersuchungen beschrieben worden ist (vgl. Sassen 2000; Graham/Marvey 2001; King 2004). Eine Folge der Umwandlungen der urbanen Form ist die Definition einer neuen Typologie von Städten, die als Global City (vgl. Sassen 1993) oder auch als Megacity (vgl. Castells 2000) beschrieben werden. Diese Stadttypen, die ihre Einordnung ihrem Wachstum und ihrer signifikanten Rolle im globalen Raum der Ströme verdanken, sind vor allem in asiatischen, nord- und südamerikanischen Ballungsräumen zu finden, wohingegen Europa trotz einiger als Global Cities angesehenen Städte wie z.B. London mehr durch metropolitane Gebiete gekennzeichnet ist (vgl. Löw 2008). Martina Löw beschreibt in ihrer »Soziologie der Städte«, dass es noch eine Vielzahl anderer Typologisierungen in Bezug auf Städte gibt, die sich aus unterschiedlichen Aspekten, wie z.B. dem Muster ökonomisch-funktionaler Hierarchien oder den Spezialisierungen in Bezug auf typische Produktstrukturen, ergeben (vgl. Löw 2008: 236ff.). Da ich mich aber vor allem auf physische Rekonfigurationsprozesse im Kontext von architektonischer Raumproduktion konzentriere, gehe ich auf diese verschiedenen Typologisierungen trotz ihrer Relevanz für die Analyse moderner Stadtentwicklungen in meinen Untersuchungen nicht näher ein. Moderne Städte bilden die Knotenpunkte im Netzwerk der relevanten Wirtschafts-, Finanz- und Dienstleistungsakteure. Die Dynamik einer globalen Ökonomie erklärt diese Städte jedoch nicht einfach beliebig zu Knotenpunkten, sondern sie müssen sich ihre Position im weltweiten Netz durch spezifische Beiträge und Ressourcen erarbeiten. Deshalb stellen aufgrund ihrer spezifischen Wissens- oder Finanzressourcen auch z.B. Frankfurt, München oder Zürich wichtige Knotenpunkte im globalen Netzwerk dar, obwohl sie nicht die flächenmäßige Größe und Einwohnerzahlen der neuen boomenden Metropolen in Südamerika und Asien erreichen (vgl. Sassen 2000: 16/17; Castells 2000). Für das Selbstverständnis moderner Städte stellt es eine wesentliche Zielsetzung dar, eine relevante Position in den Netzwerken einer globalen Ökonomie zu erlangen und diese auch zu behaupten. Diese strategische Ausrichtung hat Folgen sowohl für die soziale und bauliche Struktur von Städten und Metropolregionen als auch für das Verhältnis Stadt und Umland und führt zu vielfältigen Rekonstruktions- und Restrukturierungsprozessen. Die fortschreitende Transformation und Erneuerung städtischer Strukturen ist mit vielfältigen, teils gegensätzlichen Prognosen und Analysen definiert worden. Folgt man Lutz Ellrich, dann lassen sich die Tendenzen für die Evolution moderner Städte zu zwei »großen Erzählungen« zusammenfassen, deren Ausgang jeweils noch nicht absehbar sei (vgl. Ellrich 2002: 98). Die eine Er-

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zählung entwirft Städte, geprägt von den Folgen der informationstechnischen Revolution und wirtschaftlichen Globalisierungsprozesse, als Bild, welches anderen Skizzen zur Machtballung einen »düsteren Anstrich« (ebd.: 99) verleiht und zu einer binären gesellschaftlichen Realität führt. Die grenzüberwindende Allgegenwärtigkeit der globalen Ströme bringt zwar einen verbindenden transnationalen Raum hervor, der nationalstaatliches und territoriales Denken zu überwinden scheint. Gleichzeitig kann aber durch die Abgrenzungsmechanismen und Ausdifferenzierungsprozesse konkurrierender Räume und Raumlogiken auch eine zunehmende Spaltung beobachtet werden, die sich in den sozialen Strukturierungen und deren Architekturen in den Städten zeigt. Die zweite große Erzählung entwirft die sich wandelnden Städte als Cybermetropolen voll neuer »ungeahnter Möglichkeiten« (ebd.: 99), die sich aus dem Umgang mit und der Gestaltung durch moderne Kommunikations- und Transportsysteme ergeben. Diese Erzählung nimmt die idealisierende Grundstimmung auf, die sich beispielsweise in McLuhans Vision vom globalen Dorf (vgl. McLuhan 1964) oder in den Barlow’schen Entwürfen zum Internet als freie und gerechte Plattform sozialen Zusammenlebens findet (vgl. Barlow 1997). In einem solchen Szenario führen die technologischen Neuerungen und die Möglichkeiten einer globalisierten und vernetzten Welt vor allem zur Optimierung von Arbeits- und Lebensformen. Das zweite Szenario beruft sich dabei darauf, dass die modernen Technologien – begleitet von Schlagworten wie Mobilität, Flexibilität und Ent-Territorialisierung – die Grundlage für eine Flut von Konzepten zur Veränderung gesellschaftlicher Arbeit (vgl. Schmiede 1996; Krämer-Badoni/Kuhm 2003), für neuartige Produktionsformen oder auch für die Konstruktion neuer Städte darstellen. Ellrich konstatiert jedoch abschließend, dass beide Szenarien aufgrund der viel komplexeren Evolution moderner Städte als Mythen zu betrachten sind und empfiehlt als »Aufklärungsfibel« für eine »keineswegs nüchterne, aber immerhin abgewogene Sicht auf die Großstädte« (Ellrich 2002: 100) die Analysen Manuel Castells. Wie die Untersuchungen zeigen werden, wird die Realität in den Städten, und damit die Realität gesellschaftlichen Lebens, durch Elemente aus beiden Erzählungen geprägt, ohne dass ein einheitliches Szenario auszumachen wäre. Auf jeden Fall lässt sich festhalten, dass die Abhängigkeiten einer globalen Ökonomie ebenso wie die Evolution moderner Technologien erhebliche Auswirkungen auf die soziale und bauliche Rekonstruktion der Städte haben und sich über diese ausdrücken und manifestieren. Die andauernde Transformation der Städte der globalen Netzwerke bringt ein sich angleichendes Muster von baulicher Strukturierung und Verdichtung mit sich. Am deutlichsten erkennbar wird das an der Ausdifferenzierung von Stadtzentren und Peripherien der Städte vor allem in den Megacities. In den Zentren der Städte findet eine Bündelung der relevanten Funktionen des globalen Netzes statt, was zu einer Verdichtung des Stadtraums an den »bevorzugten Plätzen und Orten der vernetzten Weltgesellschaft« (Maresch/Werber

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2002: 23) führt. Diese ist gekoppelt mit einer Verdichtung der elektronischen Kommunikation; der elektronische Raum ist im physischen Raum eingebettet (vgl. Sassen 2000). Entgegen der Vermutung, dass die neuen Technologien eine stärkere Dezentralisierung von Funktionen bewirken würden, hat sich trotz ihrer Verbreitung »die Agglomeration von zentralen Aktivitäten immens gesteigert« (Sassen 2000: 13). Die bauliche Konzentration in den Zentren der Städte beinhaltet die architektonischen Räume der Dependancen der relevanten Akteure einer globalen Ökonomie sowie die Räume für die daran angeschlossenen Versorgungseinrichtungen. Ergänzt werden die Clusterungen durch Schulen, Dienstleistungseinrichtungen, Hotels und Konsumorte (vgl. Castells 2001). Je nach lokaler Ausprägung der globalen Ökonomie sind in das Muster der urbanen Form spezifische materiell-räumliche Konfigurationen wie z.B. Standorte für industrielle Produktion oder Forschungseinrichtungen eingewoben. Die Verdichtung führt dazu, dass in vielen Städten in den Zentren die Ansammlung von Hochhäusern deutlich zunimmt. Ein weiteres Merkmal einer fortschreitenden Vernetzung, welches Städte zunehmend verändert und prägt, sind die physischen Manifestationen der neuen Technologien. Diese bestehen aus einer Vielzahl von Infrastrukturen, wie z.B. Verkehrs- und Transportnetzen, Versorgungsleitungen, Datenkabel und den Stationen an den Schnittpunkten der Infrastrukturen. Mit der zunehmenden Bedeutung moderner Transportsysteme für eine vernetzte Gesellschaft entstehen auch mehr Transit- und Durchgangsorte. Infrastrukturen und die daran angeschlossenen Ressourcen verteilen sich jedoch selten gleichmäßig auf die Stadtbereiche.

3.2 S PALTUNGEN Innerhalb der Städte, aber auch in der Relation Stadt und Umland kann eine zunehmende Geografie der Zentralität und Marginalität beobachtet werden. Die Zentren der globalen Städte sind Hyperkonzentrationen von Infrastrukturen und Ressourcen, während weite Landstriche in weniger entwickelten Regionen, dazu zählen auch die Stadtperipherien (vgl. Graham/Marvin 2001), nur sehr dürftig versorgt sind. Saskia Sassen zeigt dies am Beispiel von New York auf, einer Stadt, welche die höchste Konzentration an Gebäuden, die ans weltweite Glasfaserkabelnetz angeschlossen sind, aufweist. Diese vernetzten Gebäude befinden sich jedoch alle im Zentrum von Manhattan, während in Harlem als sozial schwachem Gebiet – zumindest im Jahr 20003 nur ein einziges derartiges Gebäude zu finden ist (vgl. Sassen 2000). 3 | Zu dieser Erhebung ist anzumerken, dass diese aus dem Jahr 2000 stammt und sich die Anzahl der Gebäude aufgrund der voranschreitenden Vernetzung evtl. verändert hat. Es bleibt, wie auch in neueren Untersuchungen nachgewiesen (vgl. Maresch/

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Abb. 1: Verdichtete Stadtzentren von Chicago und New York

Trotz der daraus resultierenden räumlichen und sozialen Unterschiede und der damit einhergehenden sozialräumlichen Problematik führt die Aussicht auf bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu einem ständigen Zustrom in die Städte, welcher diese in ihrer sozialen und physischen Struktur insbesondere an den Rändern prägt. An den Peripherien entstehen namenlose räumliche Konfigurationen aus volatilen Strukturen und Behausungen, die in vielen Städten den Lebensraum für Millionen von Menschen darstellen. Wie am Beispiel von Jakarta in Indonesien dargestellt (vgl. Abbildung 2 und 3) werden die Flächen der sozial schwachen Außenbereiche zwar durch die räumlichen Formungen von Versorgungsleitungen und Infrastrukturen (vgl. Abbildung 2) unterteilt und durchwoben; diese versorgen jedoch vor allem die Agglomerationen der globalen Ökonomie in den Städten (vgl. Abb. 3) mit den entsprechenden Ressourcen, ohne dass die Peripherien daran angeschlossen sind. Ähnliche Bilder könnte man in vielen metropolitanen Gebieten finden, die hier ausgewählten Bilder von Jakarta sind als exemplarisch für die Entwicklungen anzusehen (vgl. hierzu auch Graham/Marvin 2001: 7).

Werber 2002; Massey 2005; Sinclair 2006) das ungleiche Verhältnis der Verteilung, das im Fokus meiner Beobachtung steht.

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Abb. 2: Slum in Jakarta, Versorgungsleitungen

Abb. 3: Innenstadt von Jakarta

Die oben beschriebenen Ausdifferenzierungsprozesse produzieren eine »Verräumlichung der Ungleichheiten« (Sassen 2000: 150), die sich sowohl in der Verteilung der Kommunikationsinfrastrukturen als auch in den sich zunehmend hierarchisch gestaltenden Geografien des elektronischen Raumes – des

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Cyberspace – zeigt (vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit). »Allen schönen Rhetoriken und Semantiken zum Trotz, die im Zusammenhang mit den neuen Technologien existieren, wächst der digital divide, die Unterteilung in information-rich und information-poor« (Maresch/Werber 2002: 23). Diese Verräumlichung der Ungleichheiten zeigt sich jedoch nicht nur in Bezug auf den Anschluss an die modernen Infrastrukturen der Vernetzung, sondern definiert auch die Konzeption und Qualität der baulichen Strukturen in den Städten. Im Gegensatz zu den repräsentativen architektonischen Räumen der Zentren werden die Bereiche der Peripherien vielfach städtebaulich nicht geplant, sondern sie entstehen einfach und augenscheinlich ungeplant. Cameron Sinclair, Architekt und Gründer von »Architecture for Humanity (AFH)«, eines Open-Source-Netzwerkes für Architektur, beschreibt diese Spaltungen und bezeichnet die Ansammlungen baulicher Strukturen an den Peripherien aufgrund einer – von ihm unterstellten – Nichtbeachtung durch die Architekturdisziplin daher als »unplanned settlement: »If you have access to the tools for creating physical change in your community, chances are you live in a privileged and highly networked community. For most of the world there is an innovation divide that continues to grow […]« (Sinclair 2006: 1). Daher sucht er nach Möglichkeiten, Planungslösungen für die Millionen von Menschen »living in the many unplanned settlements around the world« anzubieten (ebd.: 1). Auch der Architekt Rem Koolhaas sieht eine Ursache in der Spaltung, die moderne Städte kennzeichnet, im Vorhandensein (oder Nicht-Vorhandensein) von Planungsaktivitäten und stellt bei seiner Beschreibung eines neuen Urbanismus, der die Stadt ohne Eigenschaften hervorbringt, fest: »Die Wohnungsfrage ist kein Problem: Sie ist entweder gelöst oder ganz gar dem Zufall überlassen […]. Im ersten Fall Hochhäuser oder Scheiben« als geplante Architekturen und »im zweiten (als perfekte Ergänzung) eine Kruste aus behelfsmäßigen Baracken« (Koolhaas 2003a: 115). Für die Analyse der Differenzierungsprozesse und Einflussgrößen moderner Stadtentwicklung in Städten reicht dieses duale Modell nicht aus, weil es zu stark vereinfachend ist. Es sollte stattdessen, wie Martina Löw vorschlägt, in scales (vgl. Löw 2008: 134) erfolgen, um die Komplexität und Differenziertheit städtischer Strukturen begreifbar zu machen. Gleichwohl stellt die Unterteilung der baulichen Struktur des neuen urbanen Raums in die Bereiche »The Planned« and »The Unplanned« ein relevantes Element der Analyse dar, weil es auf gesellschaftliche Fokussierung und das Verhältnis Raum und Sozialstruktur aufmerksam macht. Die unterschiedlichen gebauten Bereiche können direkt aneinander stoßen, ohne sich strukturell oder gestalterisch gegenseitig zu beeinflussen, wie man sehr deutlich auf einer Abbildung einer Grenzsituation in São Paolo beobachten kann, die zeigt, wie Slumbereiche und wohlhabende Wohngebiete aneinandergrenzen (vgl. Abbildung 4). Die unterschiedlichen planerischen Parameter sind deutlich erkennbar anhand des Architekturstils und des Flächenanspruchs. Die

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vielen Swimmingpools auf den Dachterrassen und in den Gärten lassen auch die unterschiedliche technische Versorgung und den sich aus diesen Ressourcen ergebenden Komfort vermuten. Die Bereiche sind – scheinbar unüberwindbar – durch eine unsichtbare Grenze von den einfachen Behausungen auf der anderen Seite getrennt. Bauliche Strukturen machen die zunehmenden Spaltungen und soziale Ausgrenzung sichtbar: »The globe shrinks for those who own it; for the displaced or the dispossessed, the migrant or refugee, no distance is more awesome than the few feet across borders or frontiers« (Bhabha 1992 in Graham/Marvin 2001: 219). Die Grenzen (borders) die angesprochen werden, sind dabei soziale Abgrenzungen, die zu territorialen Grenzen werden, oder umgekehrt. Auch in amerikanischen Städten können solche »unsichtbaren« Grenzziehungen erlebt werden; ich habe selbst eine Zeitlang in der Nähe von Cabrini Green4 in Chicago gewohnt und kenne solche Übergänge und Grenzziehungen aus eigener Erfahrung. Spaltungen können daher, so wie hier gezeigt, auch in direkt aneinander grenzenden Bereichen der Städte aufkommen und kennzeichnen nicht nur den Unterschied zwischen Peripherie und Zentrum. Das planerische Ungleichgewicht, d.h. die Produktion – oder Nicht-Produktion – von architektonischen Räumen spiegelt eine der Netzwerkgesellschaft inhärente, duale Logik (vgl. Kapitel 2). Abb. 4: Grenzziehungen in São Paolo

4 | Cabrini Green war in den 90er Jahren ein sozial schwacher Stadtteil von Chicago mit hoher Kriminalität und schlechter infrastruktureller Versorgung.

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Exkurs: Obwohl die Verstädterung der Gesellschaft voranschreitet und die Mehrzahl der Städte und Metropolregionen, wie z.B. die San Francisco Bay Area, das Gebiet Hongkong-Macao oder in Deutschland die Regionen um Hamburg, München oder das Rhein-Main-Gebiet, sowohl in der Flächenausdehnung als auch in den Bevölkerungszahlen Wachstumstendenzen aufweisen, gibt es auch gegenläufige Entwicklungen. Städte und Regionen, oftmals traditionelle Industriezentren, die ausgeschlossen sind aus der Dynamik einer globalen Ökonomie, verfallen immer mehr. In einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes wurde das Phänomen der schrumpfenden Städte untersucht: »Aber nicht alle Städte sind an diesem Wettlauf [des Wachstums, Anm. C.H.] beteiligt. Ob in Deutschland oder den USA, in Russland oder China, in Südafrika oder Iran, überall gibt es schrumpfende Städte, die bei der ständigen Medienpräsenz von Boom-Towns und Megacities all zu leicht übersehen werden. In den vergangenen fünfzig Jahren haben etwa 370 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern vorübergehend oder dauerhaft einen Bevölkerungsverlust von mehr als 10 % hinnehmen müssen« (vgl. Shrinking Cities 2008).

In Anbetracht der Entwicklungen kann das Phänomen der Shrinking Cities jedoch nicht mit dem Phänomen der Verstädterung moderner Gesellschaften und den daraus hervorgehenden Folgen des Wachstums in den großen Städten gleichgesetzt werden, da moderne Gesellschaften maßgeblich von der Verlagerung in die Städte gekennzeichnet sind. Doreen Massey und auch Helmuth Berking haben darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie der Verfall mancher Städte im Zusammenhang mit einer zunehmenden Globalisierung thematisiert wird, einen Opferdiskurs stützt (vgl. Berking 2006). Damit machen sie darauf aufmerksam, dass es – ausgehend von einer sozial-räumlichen Konzeptionalisierung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse – nicht darum geht, den momentanen Veränderungsprozessen nur spezifische selektive Entwicklungen und Phänomene zuzuschreiben. Vielmehr geht es darum alle Phänomene, die zeitgleich existieren, gleichermaßen als Folge oder Bestandteile einer Entwicklung – in diesem Fall die voranschreitende Vernetzung und Technologisierung – wahrzunehmen (vgl. Massey 2005). Wachstum und Verfall wären somit als gleichwertige Ausdrucksformen der zunehmenden Vernetzung und Globalisierung anzusehen. Shrinking Cities können in dieser Denkbewegung als particular moments in einer sich verändernden Gesellschaft betrachtet werden. Wie Martina Löw in ihrer »Soziologie der Städte« am Beispiel einer vergleichenden Studie von Ian Taylor, Karen Evans und Penny Fraser über Manchester und Sheffield (vgl. Löw 2008: 57ff.) dargelegt hat, ist der Niedergang einer Stadt keine feststehende Tatsache, sondern durchaus veränderbar (vgl. ebd.: 2008). In Bezug auf die Rolle von architektonischen Räumen bei diesen Prozessen, die im Fokus der vorlie-

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genden Untersuchung steht, ist es jedoch interessant zu beobachten, dass in den meisten Shrinking Cities in den letzten Jahren oder Jahrzehnten wenig neue Architekturen, bezogen auf Repräsentationsräume einer globalen Ökonomie, entstanden sind. Das neue Aufstreben Manchesters ist mit einer regen Bautätigkeit verbunden5, ganze Stadtbereiche wurden neu geplant und bebaut. Architekturproduktion kann daher als Seismograph für soziale und wirtschaftliche Entwicklungen angesehen werden, und den wirtschaftlichen Aufschwung und die Attraktivität von Städten verstärken. Darüber hinaus, wie Löw anhand der Studie belegt, trägt auch die spezifische räumliche Ausgestaltung von Bereichen, z.B. deren Offenheit oder Abgegrenztheit, zur Attraktivität einer Stadt bei (vgl. Löw 2008: 59/60). Die relevante Rolle von architektonischer Raumproduktion lässt sich auch anhand der Veränderungen in China bestätigen, dessen Öffnung und Einzug in die globale Ökonomie mit einer extensive Bautätigkeit und dem Import westlicher Architekturen verbunden war. Mit der umfassenden baulichen Neugestaltung großer chinesischer Städte wurde anhand der Architekturproduktion die Neuorientierung weithin sichtbar und physisch erfahrbar6. Die Frage, warum bestimmte Städte wachsen und andere nicht und welche Rolle dabei architektonische Räume spielen, ist ein sehr komplexes Thema, das im Bereich der Stadtforschung liegt und umfangreicher empirischer Untersuchungen bedarf (vgl. Löw 2008), die nicht Bestandteil dieser Arbeit sein können. Die Entwicklung von Städten stellt für mich in diesem Kontext jedoch einen wichtigen Bezugsrahmen für die Beobachtung zeitgenössischer Architekturproduktion dar. Meine Arbeit fokussiert daher auf Städte »nur« in ihrer Funktion als Knotenpunkte einer globalen Ökonomie und als Orte der Verdichtung von architektonischen Räumen. Ebenso zeigt sich meines Erachtens in den strukturellen Mustern, die Städte prägen, auch eine Parallele zu den dahinter liegenden Raumverständnissen und Modellierungen, die auch bei der Produktion architektonischer Räume erkennbar sind. 5 | In Manchester wurden in den letzten zehn Jahren viele neue Bauwerke errichtet. Die BBC hat ihren neuen Standort dort gewählt und Konferenzen und Tagungen finden bevorzugt in der Lowry, im neu geschaffenen Gebiet der Salford Quays statt. Diese bauliche Restrukturierung wird für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt mit verantwortlich gemacht (Diese Informationen sind Notizen eines Gespräches mit Michael Joroff vom MIT während einer Konferenz in Manchester, der an den Planungen beteiligt war). 6 | Die »Öffnung« in eine westliche Ökonomie war allerdings auch mit einer radikalen Auslöschung traditioneller Lebens- und Wohnräume und der Umsiedlung von Abertausenden von Menschen verbunden. Allein der Ausbau des Stadtteils Pudong, dessen Bau Mitte der 1990er Jahre begann, vernichtete Tausende traditioneller Häuser und Wohnbereiche. Weijie Yang machte diese Umwälzungen zum Thema eines Kommunikations- und Architekturprojektes (vgl. Yang 2003).

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Wie bereits festgestellt, entwickeln Städte als Knotenpunkte in einer globalen Ökonomie Angleichungsmuster in der urbanen Strukturierung. Diese Beobachtung soll die Tatsache nicht außer Acht lassen, dass es spezifische städtische Identitäten gibt. Jede Stadt hat aufgrund ihrer individuellen Mixtur von geographischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie kultureller und politischer Vergangenheit eine eigene Geschichte und Persönlichkeit. Der Wettbewerb in einer globalen Ökonomie verlangt – auch als Folge struktureller Angleichungsprozesse – verstärkt nach einer Profilierung gegenüber anderen Wettbewerbern und fördert damit Individualisierungsbestrebungen und die Ausbildung von spezifischen Alleinstellungsmerkmalen. Solche Prozesse können – wie Löw betont – jedoch nicht allein als »Reaktion auf Globalisierungszumutungen« interpretiert werden (vgl. Löw 2008: 15). Dadurch dass globale Einflüsse jedoch in einem wesentlichen Ausmaß als lokale physische Rekonfigurationen sichtbar und erfahrbar werden und somit einen maßgeblichen Einfluss auf die baulichen Strukturen in den Städten haben, gehe ich im Kontext der Frage nach städtischen Identitäten davon aus, dass diese eng mit momentanen städtischen Identitätsbildungen verknüpft sind.

3.3 A NGLEICHUNGEN Im Rahmen einer fortschreitenden Globalisierung gibt es in den Städten eine verstärkte Präsenz von architektonischen Räumen, die sich als Dependancen der Produzenten und Vertreiber global zirkulierender Konsumgüter überall angleichen. Die Verbreitung von Starbucks-Coffeeshops, die Zunahme von Internet-Cafés, die Kolonialisierung der Innenstädte durch Ladenketten wie Gap, Bodyshop und Benetton, aber auch die neuen Flagship-Stores von Apple beispielsweise gleichen sich auf der ganzen Welt an und haben das Bild einer homogenen Globalisierungsbewegung transportiert, auch wenn die dahinter liegenden Stadtidentitäten sich unterscheiden mögen. Auch ein McDonald’s am Tegernsee oder in Indien ist trotz möglicher lokaler Variationsbreite – z.B. bayrische Holzkonstruktion oder indische Leichtbauweise (vgl. Grefe/Schumann 2008) – in der Gestaltung vor allem als das Konstrukt einer zunehmenden Globalisierung wahrnehmbar. Diese Homogenisierung bezieht sich auch auf Innenräume im Konsumgüterbereich. Ein gutes Beispiel hierfür ist das traditionelle Kaufhaus Harrods in London, das sich bis vor einigen Jahren noch durch seine individuellen, typisch englischen Innenräume und Produktangebote wie Jagdkleidung und Jagdutensilien für die englische Gentry auszeichnete. Nach einer Renovierung vor einigen Jahren sieht es inzwischen innen – abgesehen vom Treppenhaus und der berühmten food hall – genauso aus wie Barney’s7 in 7 | Barney’s ist ein Nobelkaufhaus in der Madison Avenue in New York City.

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New York oder der neue Karstadt Oberpollinger in Münchens Innenstadt. Die Räume sind von den gleichen Designstandards bei Innenausstattung, Beleuchtung und Produktpräsentation bestimmt, dieselben internationalen Marken definieren das Warenangebot. Überreste der bisher als typisch geltenden Produkte, z.B. Tees und englisches Gebäck, sind im obersten Geschoss zu finden, als Mini-Disney-World für Touristen aufbereitet. Die Angleichung von Harrods zeigt, dass für die Akteure im globalen Raum die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet zu sein scheint, wenn nicht bestimmte gestalterische oder inhaltliche Anpassungen vorgenommen werden. Individualität gerät in diesem Kontext zu einem dekorativen Instrumentarium, das gezielt eingesetzt wird. Ebenso hat das Phänomen der Angleichung Aspekte, die nicht alle ohne genauere Differenzierung einer immer gleichen globalen Dynamik zugeschrieben werden können. Anthony King unterscheidet bei der Entschlüsselung einer globalen Kultur beispielsweise zwischen Deutungen, die eine globale Kultur aus einem amerikanisch geprägten Kulturimperialismus ableiten, aus einer Dekonstruktion des Nationalstaates oder dem Zusammenrücken der Welt aufgrund projizierter oder prognostizierter Desaster wie z.B. ökologische Katastrophen (vgl. King 2004: 27). Ohne auf diese verschiedenen Konzepte kultureller Veränderungen genauer einzugehen, bleibt für die Beschreibungen architektonischer Räume jedoch festzustellen, dass es Angleichungen in der physischen Gestalt moderner Gesellschaften gibt, die zu einer Konzeptionalisierung der Welt als zunehmend unter dem Einfluss einer weltweiten Globalisierung stehend beigetragen haben (vgl. Kapitel 2). Städte sind sowohl Homogenisierungs- als auch Heterogenisierungstendenzen ausgeliefert. Das Wechselspiel von Homogenisierungs- und Heterogenisierungsprozessen und die Dynamik eines globalen Wettbewerbs verstärken die auseinanderstrebenden Entwicklungen in den Städten. Der neue urbane Raum ist »einerseits zunehmend sozial differenziert«, wie anhand der Beschreibungen der unterschiedlichen Entwicklungen von Zentren und Peripherien dargelegt, und andrerseits »jenseits aller physischen Nähe verflochten« (Castells 2001: 458). Die Verflochtenheit manifestiert sich in einer symbolischen Verbindung »durch eine homogene Architektur an den Orten, die für jedes einzelne Netzwerk überall in der Welt Knoten darstellt« (Castells 2001: 473, Hervorhebung C.H.). Durch die Agglomeration der globalen Akteure in den Zentren der Städte gleicht sich dort neben Funktionen und Strukturen auch das architektonische Erscheinungsbild immer mehr an. Die Architekturen sind zwar individuell gestaltete Artefakte, trotzdem sind die Skylines von Buenos Aires, Dubai, Marseille (als europäische Stadt) oder Shanghai ohne genauere Kenntnis der einzelnen Bauwerke kaum zu unterscheiden. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass alle Bilder von einem ähnlichen Standpunkt – in diesem Fall der Blick vom Wasser – (vgl. Abbildung 5 bis 8) aufgenommen wurden. Auch die Skyline von New York hätte

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hier eingefügt werden können. Da über die Gebäude in New York unendlich viele Geschichten und Bilder im Umlauf sind, ist die Chance der Identifizierung dort jedoch relativ hoch. Trotzdem – ohne dass die Städte verwechselbar sein müssen – ist die Angleichung unter verschiedenen Gesichtspunkten eindeutig: Die Skylines konstituieren sich vorrangig aus Repräsentationsgebäuden von großen, meist global agierenden Organisationen, die als Hochhäuser ausgebildet sind und durch moderne Fassaden und den Einsatz moderner Technologien gekennzeichnet sind. Ein weiteres Merkmal der Skylines sind die stark verdichteten baulichen Strukturen, die sie zeigen. Abb. 5: Skyline des Zentrums von Buenos Aires

Abb. 6: Skyline des Zentrums von Dubai

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Abb. 7: Skyline des Zentrums von Shanghai, Pudong

Abb. 8: Geplante Skyline von Marseille

Aufgrund ihrer konvergenten Erscheinung werden diese Architekturen, die sich vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, in den Zentren verdichten, oftmals als Globalisierungsarchitekturen bezeichnet. Der Begriff Globalisierungsarchitektur ist durchaus umstritten, ich möchte daher kurz erläutern, wie ich ihn verstehe. Der Begriff Globalisierungsarchitektur impliziert weder, dass Städte, oder ihre Architekturen, nur noch als Resultat ihrer Interaktionen und Positionierungen in den globalen Netzwerken verstanden werden können. Ebenso wenig möchte ich damit unterstellen, dass die Globalisierungsbewegung auf homogenisierende Prozesse reduzierbar wäre. Unter Globalisierungsarchitekturen verstehe ich im Kontext meiner Arbeit vielmehr moderne Bauwerke – keine Privathäuser oder lokale Einrichtungen –, die für die Funktionen der globalen Akteure errichtet worden sind. In den meisten Fällen stellen diese als architektonische Räume die Verwaltungsgebäude oder Firmenzentrale großer global agierender

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Konzerne dar; der Begriff umfasst aber auch die architektonische Gestaltung moderner Transitorte, Konsumorte und moderner Produktionsgebäude. Die Wortwahl ist daher von der Annahme getragen, dass sich Gebäude und Funktionen in einer globalen Ökonomie einerseits unterscheiden, dass aber die Mitgliedschaft – oder das Anstreben der Mitgliedschaft – in einer globalen Ökonomie zu architektonischen Angleichungsprozessen führt. Ich werde auf diese Annahme im Verlauf dieses Kapitels noch genauer eingehen. Der Begriff Globalisierung bezeichnet in diesem Kontext einen weltweit aufgespannten ökonomisch und kulturell verwobenen Raum, der von den Abhängigkeiten und vielfältigen Verknüpfungen und Interaktionen einer globalen Dynamik gekennzeichnet ist. In dieser Denkbewegung ist der Begriff Globalisierungsarchitekturen für die weitere Entwicklung meiner These hilfreich und auch weiterführend, da er für mich eine Ordnungskategorie zur Definition eines spezifischen Typus von architektonischen Räumen darstellt. Wie bereits in Kapitel 2 ausgeführt, ist eine Klärung des Globalisierungsbegriffes nicht Ziel meiner Ausführungen.

3.4 P L ANUNGEN Die strukturelle Spaltung, die von Soziologen wie beispielsweise Manuel Castells, Stephen Graham und Simon Marvin oder Saskia Sassen in den Städten beobachtet wird, ist das Resultat von sozialen Ausdifferenzierungsprozessen, die auch über die Unterschiede in der baulichen Struktur – und damit auch indirekt durch die Produktion von Globalisierungsarchitekturen – manifest werden. Die damit einhergehende zunehmende räumliche und soziale Ungleichheit bezeichnen Graham/Marvin als »collapse of the integrated ideal« (Graham/Marvin 2001: 104). Der Verlust einer integrierenden Vision moderner Planungsparadigmen zeigt sich für sie in der Inflexibilität der Planungsverantwortlichen, mit den Herausforderungen durch Vernetzung und Transformation adäquat umzugehen. Die Ursache dieser Krise ist insbesondere darin zu sehen, dass die Planung des urbanen Raumes keine gesamtheitliche Syntheseleistung ist: »Urban planning has thus lost its ability to conceive of a public interest against which to justify the on-going reorganization and rationalization of urban space, modern infrastructure and urban planning« (ebd.: 105). Im Fokus der planerischen Aufmerksamkeit der Architekturdisziplin steht vor allem die Gestaltung von Artefakten, die entwickelt und geplant werden, ohne die Infrastrukturen der Vernetzung zu integrieren und ohne den Gesamtzusammenhang urbaner Strukturen zu beachten und diese so in die Anforderungen des umliegenden Kontextes einzubinden. Wie anfangs dargelegt, beeinflusst gerade der Anschluss an Ressourcen und Infrastrukturen soziale Strukturierung in hohem Maße. Auch Hans Stimmann hat darauf hingewiesen, dass es gerade in Zeiten der Globalisierung und einer zunehmenden Medialisierung von Architekturen »ganz altmodisch« darum

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ginge, die Architektur eines einzelnen Hauses in die »Gemeinschaft der Häuser der Stadt« einzufügen (Stimmann 2008: 15). Er fügt hinzu, dass dies weder »objektfixierten Architekten« noch anders ausgerichteten »Politikern, Stadtplanern oder Investoren« passe8, da diese sich dadurch in »ihren Möglichkeiten zur obsessiven Selbstdarstellung« eingeschränkt sehen könnten. Er plädiert dafür, um eine schönere gemeinsame baukulturelle Realität zu schaffen, individuelle Gestaltungswünsche zurückzustellen (vgl. ebd.: 15). Auch wenn er ähnlich wie Graham/Marvin gestalterische Selbstdarstellung und die Fokussierung auf individuelle Artefakte, die nicht im Kontext gedacht werden, kritisiert, bezieht er sich damit vor allem auf die visuelle Qualität. Graham/Marvin haben jedoch mehr die strukturelle Ungleichheit im Auge. Auch Bruce Mau fokussiert stärker auf das Fehlen einer integrativen Planungsweise, als auf die visuelle Qualität: »The contradiction embodied in the practice of architecture is that it has traditionally chosen to focus on big buildings rather than to see the big picture as the most compelling design project. Architects have tended to build pieces of city without regarding their relationship to the whole. But holistic thinking is exactly what we need here if we’re ever to develop the capacity we need to provide shelter on a global scale« (Bruce Mau 2005: 45).

Bei allen Anmerkungen wird deutlich, dass es bei der Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen auch um die Fähigkeit zur Integration von Kontext und sozialem Umfeld geht, die bei der Konstruktion moderner Architekturen abhanden gekommen zu sein scheint. Schönheit, auf die sich Hans Stimmann – auch – bezieht, ist eine subjektive Qualität, deren Vorhandensein oder Fehlen ebenfalls sozial strukturierend sein kann, aber nicht sein muss. Der wesentliche Aspekt der Beschreibungen ist jedoch, dass der Planungsprozess als ein Prozess aus Entscheidungen im Sinne von Selektions- und Ausschlussverfahren dargestellt wird, dessen Entscheidungen über die Produktion baulicher Strukturen auf den städtischen Kontext und soziale Strukturierungen bestimmend wirken. Durch die Nichtbeachtung von Kontext, sei es infrastrukturell, baulich oder sozial, wird die Beziehung des architektonischen Raumes mit seinem Umfeld nicht anerkannt und nicht gewürdigt. Die Dynamik der Netzwerkgesellschaft nimmt somit Einfluss auf »Form, Funktion, Prozess und Wert von Architektur und Design« (Castells 2001: 474). Bisher konnte dargelegt werden, dass Architekturen sich verändern, nicht aber, 8 | Damit macht Stimmann darauf aufmerksam, dass die Architekten nicht als allein verantwortlich für Stadtplanung angesehen werden können, sondern dass es sich bei öffentlichen Bauwerken oftmals um hochkomplexe und auch hochpolitische Prozesse mit vielen Beteiligten handelt, ein Aspekt, auf den ich später nochmals eingehen werde.

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wie es zu diesen Veränderungen kommt. Der Planungsprozess selbst ist in den meisten Untersuchungen ein blinder Fleck. Mit ihrer Herangehensweise an die Entwicklung von Städten als Ergebnis architektonischer Planungsprozesse machen Graham/Marvin, Bruce Mau und auch Hans Stimmann darauf aufmerksam, dass Architekturen nicht einfach da sind, sondern dass sie das Ergebnis sozialer Handlungen, unterschiedlicher Raumvorstellungen und spezifischer Aushandlungsprozesse bedeuten. »Städte sind Resultate vergangenen Handelns« (Löw 2008: 51). Indem die hier zitierten Autoren die Produktion architektonischer Räume erkenntnistheoretisch in die Dynamik einer gesellschaftlichen Veränderung einbinden, wird die wechselseitige Abhängigkeit von Handlung und Struktur deutlich. Architektonische Räume stellen so nicht einfach nur den Hintergrund sozialer Strukturierungen dar. Mit den Beschreibungen wird eine Denkbewegung ermöglicht, in der das technische Artefakt als das kleinste Modul der architektonischen Stadtkonstruktion angesehen werden kann. Damit kann ein Verständnis dafür gewonnen werden, dass »räumliche Strukturen als Teilmenge gesellschaftlicher Strukturen eine eigene Wirkungskraft entfalten. Das heißt in der Konsequenz, dass Städte als Räume vergesellschaftend wirken« (Löw 2008: 104). Jedes einzelne Gebäude, dessen Planung und Produktion, trägt zur Konstruktion spezifischer Stadtstrukturen bei und strukturiert im Umkehrschluss als formende Kraft (Soja 1989: 7; Löw 2001: 106) soziales Leben und hat somit Einfluss auf die gesamte strukturelle und soziale Entwicklung der Gesellschaft. Architektonische Räume sind das Ergebnis spezifischer Planungsentscheidungen und damit verbundener spezifischer Planungsparameter. Unter dem Einfluss der Dynamik einer Netzwerkgesellschaft werden Zielsetzungen und Planungsparameter für moderne Bauprojekte maßgeblich von den Abhängigkeiten und Gesetzmäßigkeiten eines globalen Wettbewerbs geprägt. So wirbt die Informationsschrift für die HafenCity in Hamburg mit der Notwendigkeit der Etablierung einer metropolitanen Zone, da der – scheinbar als unausweichlich anzusehende – Prozess der Globalisierung dazu auffordert: »Wissenschaft und Wirtschaft sind sich einig: Die Wachstumszentren der heutigen Wirtschaft sind nicht mehr Nationen oder Städte, sondern die Metropolregionen. Sie sind im internationalen Wettbewerb die Treibsätze des Wachstums. Die fortschreitende Globalisierung führt dazu, dass die volkswirtschaftliche und politische Bedeutung von Metropolregionen enorm wächst. Mehr denn je sind sie attraktive Standorte für international agierende Unternehmen, von außen, wie auch innerhalb einer Region. Hamburg ist Mittelpunkt einer der großen europäischen Regionen […]« (HafenCity 2008).

Damit positioniert sich Hamburg im internationalen Standortwettbewerb der Regionen. Stärkere Vernetzung sowie arbeitsteilige Zusammenarbeit in der Metropolregion sind Teile dieser Strategie. Innerregionale Entscheidungsstrukturen

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für international agierende Unternehmen wie regionale Akteure sollen optimiert und transparenter gestaltet werden (vgl. ebd.: 2008). Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass hier »ein auch in seiner Formensprache völlig neuer, moderner Teil der Innenstadt« (vgl. ebd.: 2008) heranwächst und dass Hamburg sich schon bei der Neudefinition des Areals an seiner Identität als maritime Stadt orientiert, womit spezifische lokale Rahmenbedingungen integriert werden. Das Projekt HafenCity ist Grundlage für die Bebauungspolitik einer Nettofläche von ca. 66 Hektar mit ca. 1,8-2,0 Millionen Quadratmeter BGF (Bruttogeschossfläche) und damit ein städtebaulich bedeutsames und visuell signifikantes Vorhaben. Obwohl auch auf die Orientierung an den »gewachsenen Strukturen der Innenstadt« hingewiesen wird – denn »wichtige Milieugeber sind die Speicherstadt und historische Hafenstrukturen« (ebd.: 2008) – so ist diese Orientierung auch mit einer Re-Definition für die Zukunft verbunden. Die HafenCity »interpretiert gleichzeitig ihren Ort neu und bildet dabei ein Modell für die Entwicklung der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts«. Sie gibt damit Impulswirkung für Stadt und Metropolregion. Schlussfolgerung daraus ist: »Beide [Hamburg und die HafenCity, Anm. C.H.] gehen so gestärkt in den Wettbewerb europäischer Metropolen« (ebd.: 2008). In der Beschreibung der Projektanforderungen konstruiert die Zielsetzung Metropolregion eine kausale Verbindung zwischen der Unausweichlichkeit der Globalisierung, deren spezifischer Interpretation und den daraus folgenden Planungsparadigmen für die Bebauung des Gebietes. Diese Zielsetzung definiert auch die Rahmenbedingungen für die bauliche Konstruktion der architektonischen Räume. Vorrangiges Ziel der baulichen Rekonstruktionen auf dem Areal ist es, den (interpretierten) Anforderungen dieser spezifischen Form von Globalisierung gerecht zu werden, um im Wettbewerb bestehen zu können. Da das Projekt in bestehende urbane Strukturen eingepasst wird, bestimmen die Planungsparameter auch die Rekonstruktion des gesamten Stadtbildes und der übrigen Stadtstrukturen. Die Konstruktion und Voraussetzung einer globalen Bewegung, die nach und nach die ganze Welt erfassen wird (vgl. Massey 2005), baut auf Gegensätzen und linearen Grundparametern auf und ist mit einer zeitlich konstruierten Logik verbunden. Hamburg findet demnach erst dann seinen Anschluss an die globale Ökonomie, wenn es die baulichen Rahmenbedingungen geschaffen hat, die eine international wettbewerbsfähige Metropolregion erstehen lassen. Ähnliche transnational ausgerichtete Zielsetzungen lassen sich auch bei anderen zeitgenössischen Bauprojekten finden. Das neue Shanghai World Financial Center (SWFC) in Shanghai (vgl. Abbildung 9), das derzeit – vorübergehend – das höchste Bauwerk der Welt darstellt, wird von den Betreibern so präsentiert: […] »this global magnet is also a compass, pointing the way to a brighter tomorrow for Shanghai, China, Asia and the world as a whole […] here opinion leaders gather, ex-

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change knowledge and insight, and create new forms of culture, creating a powerful influence that affects events both near and far« (Shanghai World Financial Center 2008).

Man fragt sich bei der Lektüre, wie ein einzelnes, ikonenhaftes, wenn auch gestalterisch durchaus ansprechendes Bürogebäude in Shanghai weltweit zu einer besseren Zukunft (brighter tomorrow) beitragen kann. Anhand der Zielsetzungen der neuen Bauprojekte werden zwei wesentliche Aspekte deutlich. Zum einen wird Globalisierung mit spezifischen Bedingungen assoziiert, aus denen ähnliche bauliche Parameter konstruiert werden. Zum anderen wird ersichtlich, dass moderne Bauwerke zwar auf lokaler Ebene als Funktionsgebäude für spezifische Inhalte errichtet werden, dass aber die Gebäude weit über einen lokalen Kontext hinaus in einem globalen Raum Wirkung erzielen sollen. In der Beschreibung der Ausrichtung des WFC beispielsweise findet sich keine Aussage über die Stadt Shanghai, in deren Zentrum sich das Gebäude befindet, oder über etwaige spezifische kulturelle Rahmenbedingungen, die den Standort definieren. Die Stadt Shanghai wird als gateway in die Welt verstanden, der es als physischer Standort ermöglicht, das Gebäude zu realisieren. Das städtische Umfeld in räumlicher Nähe und die Integration in bestehende Strukturen scheinen für Konstruktion und Bedeutung des Gebäudes jedoch von geringer Relevanz zu sein. Mit den sich angleichenden Zielsetzungen entsteht eine Dichotomie. Obwohl bei der Konstruktion moderner Globalisierungsarchitekturen die individuelle Gestaltung – d.h. deren technische, ästhetizistische und visuelle Qualität – als architektonisches Artefakt im Vordergrund steht, assimilieren Planungsparameter sich zunehmend und führen zu gestalterischer und struktureller Banalität. Das typische Gebäude der Globalisierung ist, wie Rem Koolhaas festgestellt hat, der Wolkenkratzer9 (vgl. Koolhaas 2003a: 115). Auf der webpage des Office for Metropolitan Architecture (OMA) wird die Tatsache der Banalität direkt in Angriff genommen: »The tragedy of the skyscraper is that it marks a place as significant, which it then occupies and exhausts with banality. […] This banality is twofold: in spite of their potential to be incubators of new cultures, programs, and ways of life, most towers accommodate merely routine activity, arranged according to predictable patterns.

9 | Koolhaas beschreibt diese Typologie im Zusammenhang mit der Stadt ohne Eigenschaften, die für ihn Ergebnis der zunehmenden Globalisierung und daraus hervorgehenden Angleichung ist »Die eigenschaftslose Stadt befindet sich auf dem Weg von der Horizontalität zur Vertikalität. Der Wolkenkratzer scheint die endgültige definitive Typologie zu werden. Er hat alles andere geschluckt […]. Konzentration in der Isolation, das ist das Ideal« (Koolhaas 2003a: 115).

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Formally, their expressions of verticality have proven to stunt the imagination: as verticality soars, creativity crashes« (Office for Metropolitan Architecture: 2008).

Ein Beispiel für die um sich greifende gestalterische Banalität und Angleichung sind die neuen Reißbrettstädte, die vor allem in China und Südostasien entstehen. Ein gutes Beispiel ist die New Songdo City, die vom gleichen New Yorker Architekturbüro geplant wurde wie das World Financial Center in Shanghai (vgl. Abbildung 9), was dazu führt, dass das höchste Gebäude der neuen Stadt (vgl. Abbildung 10) fast genau dieselbe Formensprache hat wie das World Financial Center. An der Gestaltung der Gebäude kann daher auch abgelesen werden, dass mit der Wahl internationaler Stararchitekten bewusst eine Wahl für Angleichung getroffen wird, anhand deren Symbolik Status und Positionierung im globalen Markt zum Ausdruck gebracht werden sollen. Abb. 9: World Financial Center, Shanghai

Abb. 10: North East Asia Trade Tower, New Songdo

Aufgrund einer codierten Formensprache, die dem vorrangigen Ziel dient, die Zugehörigkeit zum globalen Netzwerk deutlich zu machen, ist die Produktion von sich angleichenden Architekturformen fast unausweichlich. Wenn, wie Bernhard Schäfers anmerkt, Gebäude »dauerhafter und einprägsamer als andere Kulturgüter« (Schäfers 2003: 2) den sozialen und kulturellen Wandel einer

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Gesellschaft zeigen, so kann an den neuen architektonischen Räumen auch die Dominanz eine weltumspannenden globalen Raumes und dessen Bedeutsamkeit für gesellschaftliche Veränderungen abgelesen werden. Indem die Bewegungen eines globalen Raumes als physische Repräsentationen in einer codierten, angeglichenen Form an den relevanten Orten der globalen Ökonomie errichtet werden, lassen sie Globalisierungsprozesse als die wesentliche Form der Vergesellschaftung erscheinen. Dabei setzen sie sich der Gefahr der Versklavung durch die Dynamik einer globalen Ökonomie aus. Jean Baudrillard erkennt darin einen »gigantischen Funktionalismus«, der nicht mehr einer realen sozialen Beziehung entspringt, sondern einem »Funktionalismus des Virtuellen« in dessen Folge »der Architekt Gefahr läuft, selbst zu einer unnotwendigen Funktion zu werden« (Baudrillard 1999: 30).

3.5 R EPR ÄSENTATIONEN Die modernen Globalisierungsarchitekturen entstehen vor allem aufgrund der Verwobenheit der Architekturproduktion mit den ökonomischen Ressourcen gesellschaftlicher Teilsysteme. Die prozessuale Dynamik der globalen Ökonomie erzeugt einen ständigen Wettbewerb um Status und Positionierung, der über Images, Symboliken und zwei- und dreidimensionale bildliche Repräsentationen ausgetragen wird. Da architektonische Räume die Grundlage für adäquate Images darstellen, fördert dieser Wettbewerb die Produktion von Globalisierungsarchitekturen an all den Orten, die als Standorte der wichtigen Funktionen die Knotenpunkte im globalen Netzwerk darstellen – oder es noch werden wollen. Architektur wird zum Werkzeug strategischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zielsetzungen und Orientierungen. Ich habe bereits weiter oben auf den Zusammenhang von wirtschaftlicher Neuorientierung und Expansion mit der Produktion architektonischer Räume in chinesischen Städten hingewiesen, die sich damit erfolgreich als Knotenpunkte im globalen Netz etabliert haben. Architektonische Räume fungieren als Stabilisator wirtschaftlicher Stärke und Macht. Ebenso kann man jedoch im Umkehrschluss an Millionenstädten wie Dar es Salam oder Lagos erkennen, dass diese trotz hoher Bevölkerungszahlen, nationaler Bedeutung und sozialer Brisanz im globalen Wirtschaftssystem (noch) keine wesentliche Rolle spielen und daher auch wenig oder gar nicht im Interesse westlicher Architekturproduktion stehen. Sie sind kaum mit den üblichen repräsentativen architektonischen Artefakten bestückt und produzieren dementsprechend auch keine attraktiven, repräsentativen Bilder. Die bauliche und visuelle Präsenz einer spezifischen Architekturform signalisiert daher sowohl für Organisationen als auch für Städte ihre Bedeutung im globalen Netz. Konvergente Architekturformen als Stabilisierung wirtschaftlicher Macht und Bedeutung sind kein Novum. Es gibt auch frühere Beispiele für sich angleichen-

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de Architekturformen als Ausdruck der Verwobenheit von Kultur, Wirtschaft und Macht. Der Military-Industrial Complex (vgl. Kapitel 2) stellt in den 1950er und 1960er Jahren einen sozial konstruierten Raum dar, dessen Akteure ihrer Zugehörigkeit in diesem durch »a certain brazen visibility« (Martin 2003: 35) Ausdruck verleihen, wie man an den Gebäuden der 1960er Jahre erkennen kann, die sich weitestgehend auf den angelsächsischen Raum beziehen. Die symbolische Angleichung wird über das wichtigste gestalterische und konstruktive Merkmal des MIC, die curtain wall, erzeugt (vgl. Abbildung 11). Diese wird auf der Grundlage neuartiger technischer und technologischer Errungenschaften konstruiert und produziert und ist somit auch Ausdruck des technischen Fortschritts, der diese Zeit kennzeichnet (vgl. Martin 2003: 92). Ebenso wie die modernen Architekturen der globalen Ökonomie sind diese Gebäude immer als architektonische Artefakte10 geplant, stellen aber jeweils Repräsentationsräume eines neuen Systems dar, dass sich auch in den Unternehmensstrukturen abbildet: »[…] what all these appearances had in common, however, was the direct visual presentation of an internal organizational system. In that regard, physiognomy corresponded to anatomy in a strictly organiscist sense […]« (Martin 2003: 101). Die curtain wall ist jedoch nicht nur Transporteur und Erzeuger eines neuen Corporate Images, sondern organisiert durch ihre konstruktiven Eigenschaften auch die Räume und Raumstrukturen im Inneren der Gebäude (vgl. Abbildung 11 und 12). Abb. 11: Angeglichene Fassaden bei den Architekturen des Military-Industrial Complex im anglo-amerikanischen Raum

10 | Unter diesem Begriff verstehe ich in diesem Zusammenhang die individuelle Gestaltung des Gebäudes als singuläres »Kunstwerk«.

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Abb. 12: Raumaufteilungen durch Fassadengestaltungen

Die architektonischen Räume des Military-Industrial-Complex stellen nicht nur einen neuen architektonischen Stil dar, der typisch für die Architekturen der Moderne ist, sondern sie repräsentieren auch ein neues System gesellschaftlicher Konfigurationen. Dieses stabilisiert sich über einen Zusammenschluss von wirtschaftlicher und militärischer Macht und gründet sich auf technologische Entwicklungen. Aufgrund der Verwobenheit und der weitestgehend in diesem Raum verorteten Weiterentwicklung moderner Informationstechnologien markieren die Büro- und Verwaltungsgebäude des Military-Industrial-Complex als architektonisch angeglichene Räume auch den Wandel von der Produktionsgesellschaft in eine Informationsgesellschaft und die damit verbundene Veränderung gesellschaftlicher Arbeit. Auf Basis dieser Denkbewegung wird deutlich,

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dass die äußere Angleichung, die sich auch im Inneren fortsetzt, nicht nur ein Ergebnis eines gestalterischen Zeitgeistes ist, sondern dass diese auch gleichzeitig das Ergebnis einer wirtschaftlichen und politischen Zielsetzung ist, die sich über symbolische Codierungen stabilisiert. Auch wenn die architektonischen Räume des Military-Industrial Complex geographisch weniger ausgedehnt waren wie die heutigen Architekturen der globalen Ökonomie, so sind sie ebenso Ausdruck spezifischer gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Strukturierungen. Sowohl unter dem Aspekt der Repräsentation und der Symbolik als auch als Beispiel für die physische Komponente eines sozialen Raumes, der sich jenseits von räumlicher Nähe aufspannt, können die architektonischen Räume des MIC als Vorläufermodell für die gegenwärtigen Globalisierungsarchitekturen betrachtet werden, die ebenfalls die Zugehörigkeit der Akteure zu einem sozial konstruierten Raum und Netzwerk deutlich machen. Erkenntnistheoretisch ist der MIC nicht nur ein »anderes« Beispiel für die Verwobenheit der Produktion architektonischer Räume mit wirtschaftlicher Macht und technologischer Entwicklung, sondern er kann – angelehnt an raumsoziologische Deutungen – auch als sozialer Raum mit symbolischen und materiellen Komponenten angesehen werden. Die Formensprache der Globalisierungsarchitekturen ist auf deren repräsentative Qualität ausgerichtet und bedient sich dabei trotz individueller Gestaltung spezifischer formaler Codierungen und Symboliken, die losgelöst von spezifischen lokalen Bezügen funktionieren. Castells erkennt in den Architekturen des Raums der Ströme eine neue Typologie einer a-historischen und a-kulturellen Architektur. Auch wenn diese aufgrund der Codierungen und Symbolik einer globalen räumlichen Logik oftmals eine übersignifikante Architektur darstellen, sind sie andrerseits durch ihre kulturelle Entwurzelung im Hinblick auf lokale Anbindung und Einbindungen identitätslos. Castells bezeichnet sie daher als Architektur der Nacktheit: »Es ist die Architektur, deren Formen so neutral, so sauber, so transparent sind, dass sie überhaupt nicht vorgeben, irgendetwas zu sagen« (Castells 2001: 476). Koolhaas spricht in diesem Zusammenhang von der Stadt ohne Eigenschaften (vgl. Koolhaas 2003a). Neben der bereits aufgezeigten Angleichung von Planungsparametern durch übergeordnete, auf den globalen Wettbewerb ausgerichtete Zielsetzungen und einer codierten, global ausgerichteten Architektursprache gibt es für das Phänomen der Homogenisierung architektonischer Räume jedoch noch andere Gründe. Ebenso wie die Entwicklung der curtain wall die Räume des MIC beeinflusst und geprägt hat, sind auch die architektonischen Räume der Netzwerkgesellschaft von den neuesten technologischen Entwicklungen und Errungenschaften beeinflusst und geprägt. Neuartige Materialien sowie hochtechnologisierte Planungs-, Entwicklungs- und Produktionsverfahren ermöglichen Gebäude mit immer ungewöhnlicheren und gewagteren Ausmaßen. Die Konstruktion des World Financial Center in Shanghai beispielsweise beruht auf komplizierten

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Simulationen und Berechnungsmethoden, deren Umsetzung noch vor fünfzig Jahren in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.11 Die Höhe eines Gebäudes ist im globalen Architekturvergleich, wie Anthony King darlegt, ein Wettbewerbsfaktor, den auch Städte gegeneinander ausspielen. Da gerade asiatische Länder sich zunehmend anhand von hohen Gebäuden profilieren, mit einer Architektur, die »usually in the interest of boosterism« (vgl. King 2004: 12) geplant wird, hat die Errichtung von Wolkenkratzern jedoch nicht nur eine positive Bedeutung. Die Konstruktion des Millenium Towers in London führte dazu, dass London damit ein Status als Third World Country (ebd.: 12) bescheinigt wurde, weil der Wettbewerb um hohe Gebäude vor allem das Wachstum in sogenannten Entwicklungsländern kennzeichnet (vgl. King 2004). Die Zielsetzungen für den China Central Television Tower (CCTV) – in Beijing vom Office for Metropolitan Architecture (OMA) lauten daher differenzierter: »Instead of competing in the hopeless race for ultimate height – dominance of the skyline can only be achieved for a short period of time, and soon another, even taller building will emerge – the project proposes an iconographic constellation of two highrise structures that actively engage the city space: CCTV and TVCC« (Office for Metropolitan Architecture 2008).

Obwohl OMA sich damit gegen den Wettbewerb um Höhe wendet, ist auch der CCTV trotzdem ein überdurchschnittlich großes Gebäude und immer noch im Geiste von »Bigness« gebaut ist (vgl. Koolhaas 2004b). Das Gebäude ist jedoch auch, wie die Bilder vom Bauprozess verdeutlichen (vgl. Abbildung 13), ein Ausdruck der neuartigen konstruktiven Möglichkeiten durch technologische Entwicklungen, die zu gewagten räumlichen Konstruktionen führen. Aufgrund eines technologisierten Planungsprozesses können Gebäude im Vorfeld anders berechnet, simuliert und gedacht werden. Bereits in den Tensegrity Studies von Buckminster Fuller (vgl. Kapitel 2) entstehen aufgrund der Synthese neuer Erkenntnisse aus Physik, Kybernetik und Biologie neuartige Raumarrangements, die den Einsatz von Materialien und Raumkonfigurationen neu definieren und seitdem auch in der Architektur ständig weiterentwickelt wurden. Auch wenn als Ergebnis selten so ausgefallene Architekturen wie das CCTV entstehen, sind architektonische Räume heute komplizierte, interdisziplinär angelegte Kon-

11 | Um das Gebäude zu errichten, mussten komplizierteste Berechnungen für Fundament und Stahlkonstruktion erfolgen. Zudem ist die Fundamentlegung in Pudong aufgrund des sandigen Untergrunds per se problematisch, der für die angestrebte Höhe von 500m eine zusätzliche Herausforderung darstellte. Die Konstruktionen sind auf der webpage des SWFC in einem kurzen Film dargestellt (vgl. Shanghai World Financial Center: 2008).

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struktionen, welche die neuesten Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen und Technologien zusammenführen. Abb. 13: Dokumentation des Bauprozesses des China Central Television Towers in Beijing

Die Dynamik einer vernetzten Gesellschaft, deren Grundlagen mediation and motion sind (vgl. Berking 1998), verlangt durch ihre prozessuale Qualität nach mehr Flexibilität und Mobilität auch in physischen Strukturen. »Wir [als Architekten, Anm. C.H.] sind gezwungen, ein minimales, doch fortdauerndes System in dem phänomenalen und relativen Raum zu finden, der instabil und vergänglich ist, um Raum in Architektur zu verwandeln« (Ito 2004: 304). Auf diesem Anspruch gründen neue Prinzipien bei der Entwicklung von Gebäudetechnologien und der Einsatz neuartiger Materialien. Sogenannte Intelligente Gebäude können beispielsweise über Materialien Temperaturen fühlen und entsprechend das Innenklima von Gebäuden regeln oder Sonnenschutzelemente in Position bringen; Bewegungsmelder können Beleuchtungen an- und ausschalten und Heizungsluft wird über die sich in den Räumen bewegenden Menschen verteilt. Entwicklungen aus der Biotechnologie führen zu einer Interpretation von Vernetzung durch neuartige Membranstrukturen, die sich bewegen, öffnen und schließen können (vgl. Abbildung 16). Auch das Spiel mit der Wahrnehmung und mediale Inszenierungen suggerieren Beweglichkeit und die Auflösung von Materie. Die Architekten Diller + Scofidio haben, auch mit Bezug auf die Tensegrity Studies von Buckminster Fuller, eine architektonische Installation am Genfer See geschaffen, die sich anhand von Nebelinszenierungen dem Auge des Betrachters verschließt und nur durch das Ausmaß an räumlicher Nähe und Erfahrung wieder erschließt (vgl. Paronesso 2004). Durch die visuelle Verschleierung wird Architektur als dynamisches oder bewegliches Medium inszeniert (vgl. Abbildung 14). Eine andere Idee, Architektur beweglich zu machen, hat der Architekt David Fisher mit einem »Rotating Tower« (vgl. Abbildung 15) entwickelt, dessen Stockwerke langsam um die eigene Achse rotieren.

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Abb. 14: Blur Building in Yverdon Les Bains, das sich scheinbar im Nebel auflöst

Abb. 15: Geplanter Rotating Tower als »Dynamic Architecture« für Dubai

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Abb. 16: Vernetzte Membranstrukturen in modernen Architekturprojekten

Die Frage nach einer möglichen Flexibilität und Wandelbarkeit auch der architektonischen Räume einer mobilen und zunehmend vernetzten Gesellschaft stellt deren Planung und Produktion vor neue Herausforderungen. Neue Materialien wie beispielsweise die zunehmenden Membranstrukturen (vgl. Abbildung 16) bei Fassaden und Gebäudehüllen stellen einen weiteren Versuch dar, Vernetzung und Simultanität, auch beeinflusst durch Entwicklungen in der Biologie und Physik, für gebaute Räume neu zu interpretieren und damit die Schwere und die Statik von Materie zu überwinden. Markus Schroer, der die Flexibilität moderner – durch das Internet geprägten Gesellschaften – mit dem Prinzip des Flüssigen gleichsetzt, fragt, ob das Flüssige und Flexibilisierende des Datenmeeres nicht »längst zum Leitbild für eine zeitgenössische Architektur« geworden sei (Schroer 2003: 232) und dass das ehemals Unbewegliche und Starre (vgl. ebd.: 232) dadurch verändert werde. Mit diesen materiellen und physikalischen Interpretationen technologischer Entwicklungen entstehen weitere Grundlagen für die Angleichung von architektonischen Räumen. Auch der zunehmende Einfluss der neuen Medien in einer vernetzten Gesellschaft verändert Architektur und das Selbstverständnis von Architekten. Die holländischen Architekten Ben van Berkel und Caroline Bos12 kreieren in diesem Kontext den Begriff des Netzwerk-Architekten, der damit beschäftigt ist »die 12 | Die Arbeit von Ben van Berkel und Caroline Bos zeichnet sich durch ungewöhnliche Architekturkreationen wie die neue Mercedes-Welt in Untertürkheim aus (vgl. Kapitel 4). Berkel/Bos entstammen ähnlich wie Koolhaas, oder MVRDV, einer neuen kritischen Holländischen Architekturtradition, die versucht, Architektur im Zusammenhang mit den neuen Medien neu zu denken und neu zu interpretieren (vgl. Lampugnani 2004).

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Zukunft einzukleiden« (van Berkel/Bos 2004: 320), eine Aussage, die eine dekorierende Auslegung von Architektur impliziert. Dabei profitiert der NetzwerkArchitekt von der »gestiegenen Übertragbarkeit des Wissens« denn »[…] neue Kontrollprogramme verwandeln die unhaltbare Position eines großen Baumeisters in einen öffentlichen Wissenschaftler« (ebd.: 320). Als »Experte der öffentlichen Alltagsinformation« ist der Architekt Koordinator und Umwandler von Ideen für »Darstellungsformen für die Organisation des öffentlichen Lebens in einem endlosen, nahtlosen System« (ebd.: 320). Mit dieser Denkbewegung wird die Rolle des Architekten mit einer hohen Bedeutung aufgeladen und Architektur zu dem Medium erklärt, das die Schnittstelle von technologischer Entwicklung und öffentlichem Leben verwaltet und verkörpert, da aufgrund der Medialisierung von Architektur eine multiplizierte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für den Architekten entsteht. Im Gegensatz dazu sieht Reinhold Martin im Einfluss der zunehmenden Vernetzung eher eine – relational gedachte – Transformation von Architektur: »As it becomes one among many media, architecture also becomes one among many technologies of organization. Organization on the other hand, is not merely the inverse, some root function of architecture, or a sophisticated means of carrying out architecture’s age old assignment of imposing order. Organization belongs, in this instance to the project of naturalization as carried out through the medium of architecture« (Martin 2003: 8).

Architektur stellt in dieser von Martin beschriebenen Denkweise eine von vielen Organisationsformen menschlichen, oder organisationalen Lebens dar, ein Ansatz, der sich jedoch vom gängigen Selbstverständnis der Architekturdisziplin deutlich abhebt. Martin’s Ansatz, Architektur relational zu denken, ist jedoch eine Seltenheit in der Architekturdisziplin. Konzepte zur Integration der Auswirkungen der neuen Technologien werden vor allem durch eine zunehmende Medialisierung von Architektur interpretiert: »Relational architecture transforms the master narratives of a specific building by adding and subtracting audiovisual elements to affect it, effect it and re-contextualize it. Relational buildings have audience-activated hyperlinks to predetermined spatiotemporal settings that may include other buildings, other political or aesthetic contexts, other histories, or other physics« (Rhizome 2008).

Relationalität und Mobilität werden über mediale Fassaden oder über die wechselseitige Inszenierung von Innen- und Außenbeleuchtung hergestellt. Es gehört zu einem wiederkehrenden Phänomen in Architekturmagazinen, dass oftmals gerade Büro- und Verwaltungsgebäude nicht tagsüber, während ihrer Nutzung, photographiert werden, sondern nachts, wenn sie leer und ihrer Funktionalität

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scheinbar enthoben sind. Hans Stimmann bemerkt deshalb auch kritisch: »Dabei können auch digitalisierte Fassaden die Wand zwar nachts zum Bildschirm oder zum flackernden Kunstwerk machen, nicht aber die Architektur selbst in Bewegung setzen, nur die Bilder auf der Oberfläche« (Stimmann 2008: 13). Er zitiert dabei auch das Guggenheim-Museum in Bilbao, das in vielen Magazinen bei Nacht und hell erleuchtet abgebildet wird (vgl. Abbildung 17). Zweifelsohne kann die beleuchtete Skulptur an der Wasserfront ein schöner Anblick sein. Es geht mir auch nicht darum, den ästhetizistischen und gestalterischen Wert in Frage zu stellen, der das ein oder andere moderne Gebäude auszeichnet. Der Punkt im Zusammenhang mit meiner These ist ein anderer: Indem architektonische Räume als Projektionsflächen für multimediale Inszenierungen gedacht und genutzt werden, wird letztendlich jedoch nur die statische, unbewegliche Qualität des Materiellen betont, die im Gegensatz zu den mobilen Bildern auf der Fassadengestaltung als Hintergrund verstanden wird, was einem absoluten Verständnis von Raum als Container entspricht. Der Raum selbst bleibt statisch und wird als Hintergrund und Container behandelt, in dem sich entweder innen Körper oder vor bzw. auf dem sich außen Bilder bewegen. Abb. 17: Guggenheim Museum von Frank O’Gehry in Bilbao, Spanien

3.6 I LLUSIONEN Die Beschreibungen lassen die Deutung zu, dass in der Architekturdisziplin der Anspruch besteht, architektonische Räume aufgrund einer zunehmenden gesellschaftlichen Medialisierung durch die neuen Informationstechnologien neu zu interpretieren. Martina Löw weist in ihrem Vortrag zu »Chancen und Risiken moderner Städte« drauf hin, dass »die Globalisierung auch und gerade

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ein unendlicher Strom von Bildern« sei (Löw 2007: 5). Die Produktion adäquater Bilder und Images und deren erfolgreiche Zirkulation stellt ein wichtiges Werkzeug im globalen Wettbewerb dar. Der Status eines Unternehmens, einer Stadt oder einer Organisation, aber auch der Status der Akteure aus der Architekturdisziplin beruht in hohem Maße auf dem Erfolg der Bilder, die ihre architektonischen Räume produzieren. Die Erzeugung von Bildern und Leitbildern ist eine »soziale Herstellungsleistung […]« (vgl. Löw 2007), die – so die Feststellung aus den Beobachtungen – bei der Planung von modernen Bauwerken auf spezifischen Interpretationen der Globalisierung beruht. Bilder wirken jedoch nicht erst dann, wenn Bauwerke fertig gestellt sind, sondern prägen bereits Planungsphase und Produktion. Graphische Bilder sind in der Architekturproduktion von jeher ein wesentliches Vermittlungsmedium zur Darstellung von Utopien, Vorstellungen und Planungen. Der Umgang mit Bildern ist für die Architekturproduktion kein Novum, denn Architektur wird seit jeher vom Bild her gedacht. Der Entwurfsprozess bedarf der Bildersprache durch graphische Bilder und Zeichnungen um Ideen und Entwurfsgedanken für andere Beteiligte, außer dem Entwerfenden selbst, sichtbar und verständlich zu machen. Die persische Architektin Zaha Hadid hat ihre ersten Erfolge nicht mit gebauten Formen erreicht, sondern mit ihren Zeichnungen und Illustrationen in Wettbewerben, die als provokant – da neu im planerischen und zeichnerischen Umgang mit Materialien – und innovativ in der Formfindung erachtet wurden. Ihr Erfolg ist ein Ergebnis der überzeugenden – und der architektonischen Praxis vollkommen inhärenten – Bildproduktion. Mit den technologischen Weiterentwicklungen hat sich die graphische Bildproduktion der Architekturplanung in eine Vielzahl digitaler und multimedialer Bilder und Simulationsverfahren transformiert, die als »Emerging Realities« auch den Diskurs in der Architekturdisziplin bestimmen (vgl. GAM 2008). Gedachte und gezeichnete Architektur ist jedoch anders als gebaute Architektur, der Moment der Realisierung kommt oftmals als Schock: »Die Überführung des Spekulativen in das unleugbare, konkrete Da ist für die moderne Architektur etwas Traumatisches«. Die Formel für Architektur sieht dabei folgendermaßen aus: »Architektur = der Welt Bauwerke aufzuoktroyieren, um die sie nie gebeten hat und die vorher bloß als vage Gedankengebilde in den Köpfen ihrer Schöpfer existiert haben. Architektur ist zwangsläufig eine Form von PK – Aktivität [Paranoisch-kritische Aktivität, Anm. C.H.]« (Koolhaas 2003b: 465). Das Trauma, das sich von jeher aus dem Übergang zwischen der Unbestimmtheit eines Bildes als ein imaginiertes Konstrukt und der Realität des physischen Bauwerks ergibt, wird – zumindest denklogisch – mit der Produktion pseudo-realer Bilder durch moderne Darstellungstechnologien während des Planungsprozesses vergrößert. Durch 3D-Animationen, CAD-gestützte Perspektiven und virtuelle Rundgänge durch die geplanten, aber physisch noch nicht vorhandenen Räume entsteht eine illusorische Qualität, nicht zuletzt, weil moderne Fotomontagen

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viel realistischer aussehen als handgezeichnete Graphiken. Gebäude werden lange vor ihrer baulichen Fertigstellung als fertige Objekte präsentiert, selbst wenn diese über die Grundsteinlegung – oder noch schlimmer, aber ebenso verbreitet – über den Gesamtplanungsprozess selbst noch nicht hinausgekommen sind. Damit verschwimmt die Grenze zwischen dem Realen und dem Imaginären, das illusorische Element wird verstärkt; traditionelle Interpretationsformen von Architektur, die über das Sehen funktionieren, werden in Frage gestellt. In diesem Kontext kommentiert der amerikanische Architekt Peter Eisenman, der als einer der radikalsten Neudenker in der Architekturszene13 gilt, den Einfluss der neuen Medien kritisch: »Das elektronische Paradigma stellt eine gewaltige Herausforderung für die Architektur dar, weil es die Realität im Kontext der Medien und der Simulation definiert; es stellt Schein über Sein und das was man sehen kann über das, was ist. Nicht das Sehen, was wir bisher kannten, sondern ein Sehen, das nicht mehr länger interpretiert […] genau dieser traditionelle Begriff des Sehens wird jedoch in Frage gestellt« (Eisenman 2004: 299).

Mit der zunehmenden Medialisierung werden Bilder zu bedeutsamen Identifikationsobjekten. Der Humangeograph David Harvey sieht in der zunehmenden Instrumentalisierung von Bildern und Images eine Metapher für den Wunsch nach kollektiver Identifikation mit spezifischen Werten oder Kulturformen: »In der Tat haben wir hier das fließende, oberflächliche und illusorische Mittel, durch das eine Gesellschaft von Durchreisenden ihre nostalgischen Gefühle für gemeinsame Werte kultiviert« (Harvey 1995: 53). Die Überflutung mit Images verhilft zur Inszenierung einer spezifischen Form und Gestalt von Globalisierung, in der architektonische Räume als symbolische Bilder fungieren, und, wie Marc Augé im Zusammenhang mit modernen Gesellschaften konstatiert, auch zu Manipulationszwecken eingesetzt werden (vgl. Augé 1995: 32ff.). Mit einer zunehmenden Digitalisierung und der daraus hervorgehenden neuen »Realität des Imaginären« (vgl. Gleiter 2008: 43) wird die Beziehung zwischen klassischer architektonischer Bildproduktion und Architektur auf eine andere Ebene gehoben. Die sofortige Kommunizierbarkeit der Bilder über den virtuellen Raum dient der Stabilisierung spezifischer Interessen gesellschaftlicher Teilsysteme, Organisationen, Unternehmen und auch Individuen. Im Kontext einer globalen Ökonomie und des damit verbundenen Wettbewerbs haben Bilder oder Images spezifische Funktionen zu erfüllen, denn »Unternehmen, Regierungen, politische und geistige Führer sind sämtlich daran interessiert, dass 13 | Peter Eisenman war Mitherausgeber der New Yorker Zeitschrift Oppositions und Gründer des Institute for Architecture and Urban Studies (vgl. Lampugnani 2004: 298).

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ihre Aura von Autorität und Macht durch ein stabiles (wenngleich dynamisches) Image gestützt wird« (Harvey 1995: 53). Bauwerke, als statische und substantielle Artefakte vermitteln durch ihre Präsenz diese Stabilität. Wie bereits belegt, ist die Zielsetzung vieler moderner Architekturprojekte, sich durch Raumrepräsentation im globalen Netz zu profilieren. Das erzeugte Image fungiert dabei als die Eintrittskarte für die »Mitgliedschaft« im globalen Raum der Wirtschafts-, Kultur- und Wissensressourcen. Die Konzentration auf die globale Aufmerksamkeit und die Erzeugung eines entsprechenden Bildes verstärkt wiederum die Fokussierung auf die Außenwirkung eines Gebäudes. Auch die multimediale Produktion von Bildern – das schließt die Vorwegnahme des fertigen Gebäudes während des Planungsprozesses ein – führt zu einer Überbetonung und medialen Inszenierung der Fassade. Es entsteht eine Symbiose von Technologie und Architektur, die immer wieder die Ebene des Realen überschreitet. Der holländische Architekt Wils Arets denkt ebenfalls über diese mediale Inszenierung von architektonischen Artefakten nach und stellt eine Analogie zwischen Architektur- und Filmproduktion her; Architektur wird als Drehbuch für städtische Strukturen konzipiert: »[…] von Film und Architektur zu sprechen ist nicht unbeabsichtigt; es deutet darauf hin, wie drastisch die Stadt und das städtische Leben durch die neuen Medien und Technologien verändert wurden« (Arets 2004: 308). Da die Entwicklung neuer Technologien von jeher Architekturproduktion geprägt habe, solle Architektur eben auch heute eine wesensgemäße Antwort auf die sie bestimmenden Techniken finden, denn »die heutige Produktion betrifft das Immaterielle, besonders das Kontrollieren und Versenden von Information, das Lenken und Kanalisieren von Bildern« (ebd.: 308). Dabei verändert sich die Bedeutung von Technologie für Gesellschaft: »Vor fünfzig Jahren brachte uns die Technologie Wirklichkeit. Jetzt wird sie [die Wirklichkeit, Anm. C.H.] zerstört« (ebd.: 308). Die Realität des Illusorischen, Imaginären hält Einzug in die Architekturproduktion. Die Dynamik der Netzwerkgesellschaft macht den architektonischen Raum verstärkt zur Projektionsfläche von Interpretationen, Symboliken und, je nach Kontext, zum Werkzeug spezifischer Strategien und Botschaften. In dieser veränderten Rolle von architektonischen Räumen kann auch ein Ansatz dafür gesehen werden, dass sich die »sinnhafte Beziehung zwischen Architektur und Gesellschaft verwischt« hat (Castells 2001: 474). Die endlose Reproduktion von Bildern führt dazu, dass die Kulturlandschaft moderner Gesellschaften vom Phänomen des Simulakrums14 gekennzeichnet ist. Ein Simulakrum macht die Unterscheidung zwischen Original und Kopie, Vorbild und Abbild, Realität und Imagination unmöglich. Aufgrund der Bedeu14 | »Unter einem Simulakrum ist eine Replikation von solcher Vollkommenheit gemeint, dass der Unterschied von Original und Kopie kaum noch zu erkennen ist« (Harvey 1995: 55).

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tung von adäquaten Bildern für die Positionierung in einem globalen Raum, kommt es zu einer »seriellen und rekursiven« Replikation der Identitäten von Individuen oder Gemeinschaften durch Images. Architektur erfindet »eine neue Illusion von der Stadt und vom Raum« (Baudrillard 1999: 8). Die moderne Architekturproduktion ist jedoch nicht nur durch das Simulakrum als zweidimensionale Abbildung geprägt, sondern es kann auch die Zunahme von dreidimensionalen Simulakren als Repliken kulturell signifikanter Bauwerke beobachtet werden. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür sind die Reproduktionen von Teilen von Venedig in Macao (vgl. Abbildung 18) oder die Nachbildungen des Pariser Eiffelturms (vgl. Abbildung 19) oder der New Yorker Freiheitsstatue in Las Vegas. Eine andere Form der illusorischen Darstellung kann anhand der momentanen Bauprojekte in Dubai konstatiert werden, die eine neue Form architektonischer »Disneyworld« darstellen. Eines der signifikantesten und auffälligsten Projekte ist die »Palm Jumeirah«. Dabei handelt es sich um eine Halbinsel, welche die Form einer Palme darstellt und mit Hilfe modernster Technologien dem Meer abgerungen wurde (vgl. Abbildung 20). Wie das Bild deutlich macht, ist die spezifische Konstruktion als Palme lediglich aus der Vogelperspektive, d.h. aus dem Flugzeug, dem typischen Transportmittel einer mobilen, globalisierten Gesellschaft, oder den höheren Stockwerken der Bürotürme im Zentrum von Dubai, wahrnehmbar. Zu Land, in der direkten, physischen Raumaneignung, ist die gewählte Form irrelevant, weil nicht mehr wahrnehmbar. Trotzdem hat das Bild der Palme durch seine mediale Verbreitung einen hohen Wiedererkennungswert und geht als bildliches Symbol für die fortschrittlichen Entwicklungen in Dubai um die Welt. Andere Inselbilder, z.B. in Form der Weltkugel befinden sich in Dubai entweder in Planung oder bereits in der Entstehung. Dubai ist inzwischen bei der westlichen Architekturszene zu einem der begehrtesten Orte für Architekturproduktion avanciert, um dessen bauliche Neudefinition und architektonische Ausgestaltung internationale Architekten im Wettbewerb stehen. Trotz vieler schwieriger und auch sozial problematischer Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der Import von Arbeitskräften aus Afrika und Asien, die unter teilweise unwürdigen Bedingungen die Bauwerke errichten15, sind die Planer bereit, am Aufbau einer gigantomanischen modernen Architektur-Inszenierung mitzuwirken. Die visuelle Symbolik der Architekturprojekte funktioniert trotzdem. 15 | Die Süddeutsche Zeitung berichtet im November 2008 unter dem Titel »Die Spur der Sklaven« über die Lebensbedingungen der Arbeiter bei der Errichtung der Gebäude. »Der Boom in Dubai wäre nicht möglich ohne Hunderttausende billige Arbeitskräfte aus Afrika und Asien, die alle ihre eigene Geschichte haben« (Steinberger 2008: 3). Der Artikel zeigt dabei auch Bilder von Arbeitern, die nachts auf der Baustelle, d.h. in den Hochhäusern, die sie errichten, an Ort und Stelle schlafen (vgl. Steinberger 2008).

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Abb. 18: Nachgebaute Replik von Venedig in Macao

Abb. 19: Kopie des Eiffelturms in Las Vegas

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Abb. 20: Luftaufnahme der »Palm Jumeirah« in Dubai

Die Fokussierung auf Außenwirkung und visuelle Prägnanz verstärkt ein der Architekturproduktion seit ca. 2000 Jahren inhärentes Verständnis, das weitestgehend auf die Fassade ausgerichtet ist. Die visuelle Orientierung bei der Produktion von Bauwerken lässt sich bis auf die Vitruv’sche Lehre zurückführen, in der die Fassade eine hohe Bedeutung für das Gesamtkunstwerk haben solle (vgl. Vitruv 2004). De Kerckhove, der sich mit den Auswirkungen der neuen virtuellen Konfigurationen auf ein modernes Verständnis von Architektur auseinandersetzt, beurteilt diese einseitige Aufmerksamkeit auf die Außenwirkung kritisch: »Den Hang zum Visuellen in diesem [Vitruv’schen, Anm. C.H.] Regelwerk darf man nicht als selbstverständlich betrachten, wie dies so viele, die Architektur erstellen und nutzen, bis heute tun. Da werden Bauten als Schauspiel inszeniert statt als Ort der Geborgenheit, (der) Kommunikation, sozialen Interaktion, Gesundheit und anderer physiologischer Erfordernisse. Schönheit ist in der westlichen Kunst immer für das Auge da, die übrigen Sinne bleiben ausgeschlossen […] Die Ansicht der Fassade beherrscht die Gesamtwirkung. Das Gebäude ist also buchstäblich eine Theorie, etwas zum Anschauen, ein Bühnenbild« (de Kerckhove, 2003: 11).

Er weist damit auf eine wesentliche Auswirkung der Bilderproduktion hin, nämlich dass Raumaneignung und Raumnutzung hinter der visuellen Qualität zurückbleiben, was eine Opposition von Innen und Außen nach sich zieht. Das bedeutet nicht, dass nicht auch Innenräume ebenso inszeniert und als Bilder instrumentalisiert werden, sondern es führt vor allem, wie ich auch in den exemplarischen Analysen noch aufzeigen werde, neben der konzeptionel-

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len Trennung von Innen und Außen auch zu einer permanenten Trennung von Handlung und Struktur.

3.7 Ü BERGÄNGE Unter dem Begriff der Globalisierungsarchitekturen kann ein weiterer Typus von architektonischen Räumen eingeordnet werden, der ebenfalls mit der modernen Vernetzungsnarrative verwoben ist. Wie in Kapitel 2 dargelegt, ist diese Narrative vor allem eine Auswirkung der weltweiten Verknüpfung und Vernetzung durch die digitalen Ströme eines globalen virtuellen Raumes. Vernetzung garantiert den Anschluss an Ressourcen und Technologien, deren Grundlage die weltweite Verbreitung von Elektrizität ist (vgl. McLuhan 1964). Die Etablierung eines weltweiten transnationalen Netzwerks, das eine globale Ökonomie hervorgebracht hat sowie die ubiquitäre Verfügbarkeit von Kulturund Konsumgütern, beruht jedoch nicht nur auf den Verknüpfungen und Interaktionen in den digitalen Strömen. Sie verdankt sich auch den modernen Verkehrs-, Transport- und Versorgungssystemen und ihren Infrastrukturen. Deren räumliche Manifestationen führen an den Schnittstellen der vielfältigen Infrastrukturen zur Entstehung eines neuen Raumtypus, dem Transitort, oder auch Transitionsort (vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2007), der neue Orte hervorbringt und althergebrachte Durchgangsorte neu definiert. Die architektonische Gestalt der Transitorte gleicht sich auf der ganzen Welt gestalterisch und strukturell an. Wie beispielsweise an Flughäfen erkennbar, wird das Gefühl erzeugt, sich – wenn auch geographisch nicht am selben – so doch symbolisch an einem immer gleichen Ort aufzuhalten. Transitorte sind architektonische Symbole für die Mobilität und den technischen Fortschritt moderner Gesellschaften und betonen die Relevanz moderner Transporttechnologien für die Konstitution der Netzwerkgesellschaft. Typische Transitorte sind Flughäfen, Bahnhöfe, Raststätten sowie daran angegliederte Servicedienstleistungen und Versorgungsfunktionen wie Hotels16 oder Raststätten. Der Anthropologe Marc Augé sieht in deren Aufkommen ein neues interessantes Forschungsobjekt: »A world […] where a dense network of means of transport which are also inhabited spaces is developing […] a world thus surrendered to solitary individuality, to the fleeting, the temporary and ephemeral, offers the anthropologist a new object […]« (Augé 1995: 78).

16 | Nach Anthony Kings Auffassung stellt die Verbreitung der Hotelketten in den 1970er Jahren in den USA die erste Form von Globalisierungsarchitektur dar (vgl. King 2004: 41ff.).

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Augé bezeichnet diese Räume als Nicht-Orte, da sie frei sind von der Identifikation mit der Vergangenheit, die sich in seiner Definition aus dem Praktizieren von Ritualen, Beziehungen und sozialen Handlungen ergibt und die Menschen mit einem Ort17 verbindet. Nicht-Orte sind weder historisch relevant, noch sind sie »concerned with identity« (ebd.: 78). Es sind Orte, die den Gegenpol darstellen zu den mit Bedeutung, Geschichte und Identifikation beladenen Plätzen einer spezifischen kulturellen Identität. Auch wenn diese ein neues Phänomen darstellen, dessen Erforschung noch nicht abgeschlossen ist, so weisen sie ein Spezifikum auf, das auch von Castells benannt wird: Manifestiert durch eine identitätslose, homogene Architektur konfrontieren sie die Menschen sowohl kollektiv als auch individuell mit der Einsamkeit der mobilen Lebensweise in der Netzwerkgesellschaft, »denn die Botschaft des Raumes der Ströme ist Schweigen« (Castells 2001: 476). An Nicht-Orten entsteht ein ganz eigener Mikrokosmos von Handlungen und Verhaltensmustern, der beispielsweise einprägsam in Filmen wie »Lost in Translation« oder »Terminal« dargestellt wird. Die Handlungen der Protagonisten in »Lost in Translation« sind beispielsweise durch die Strukturen eines Hotels, eines typischen Transitortes, und der damit verbundenen Identitätslosigkeit bestimmt (vgl. Lost in Translation 2003). In »The Terminal« wird der Flughafen zur Heimat des heimatlosen Protagonisten Viktor Navorski, für den sich dort ein Mikrokosmos von Beziehungen und Handlungen eröffnet, die jedoch sporadisch und temporär angelegt sind (vgl. The Terminal 2004). »The travellers space may thus be the archetype of non-place« (Augé 1995: 86). Eine Gesellschaft von Durchreisenden stabilisiert sich über eine eigene physische Realität. Diese räumlich-manifeste Realität wird nicht nur aus den überall gleichen funktionalen Paradigmen konstruiert, sondern bedient sich angeglichener gestalterischer Mittel und Konstruktionsformen. Vergleicht man die Architekturen von Flughäfen in weit auseinander liegenden Städten mit sehr unterschiedlichem kulturellem Umfeld, wie z.B. München (vgl. Abbildung 21) und Seoul (vgl. Abbildung 22), so kann man erkennen, dass diese gestalterisch kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. Auch wenn sich die Homogenisierungstendenzen teilweise über Funktionen oder den Einsatz neuartiger Materialien erklären lassen, so ist die Konvergenz in diesem Ausmaß auch auf strategische und symbolische Zielsetzungen zurückzuführen.

17 | Hier ist eine Dichotomie vorhanden: Marc Augé definiert Transiträume als die neuen Orte der Einsamkeit, obwohl er andrerseits den Begriff »Ort« aufgrund fehlender menschlicher Interaktionen für nicht mehr zutreffend hält.

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Abb. 21: Innenansicht des Airport-Center am Franz Josef Strauss Flughafen in München

Abb. 22: Innenansicht Flughafen Incheon Seoul

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Daher stellen Transitorte auch Elemente dar, anhand derer Städte oder Länder ihre Zugehörigkeit und Bedeutung im globalen Raum demonstrieren. Diese Entwicklung wird besonders an den neu gebauten asiatischen Flughäfen ablesbar, aber auch an der Rekonstruktionswelle deutscher Bahnhöfe. Nicht-Orte entstehen somit aus den veränderten Lebens- und Arbeitsformen einer zunehmend mobilen Gesellschaft, deren Habitus und räumliche Anforderungen eine weitere Grundlage für architektonische Angleichung sind. Auch die Transformation gesellschaftlicher Arbeit trägt zur Homogenisierung von architektonischen Räumen bei. Mit dem Wandel von einer Produktionsgesellschaft zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft hat sich der Schwerpunkt gesellschaftlicher Arbeit auf Bürotätigkeiten verlagert (vgl. Graham/Marvin 2001; vgl. King 2004: 40ff.; Malone 2004). Ein Großteil der modernen architektonischen Räume wird als Büroraum für die Akteure einer globalen Ökonomie oder als Raum für begleitende Servicefunktionen wie Hotels oder Konsumorte konzipiert. Die webpage des World Financial Center in Shanghai gibt Auskunft darüber, dass – neben dem höchsten Hotel der Welt (Berghotels sind in dieser Bezeichnung wahrscheinlich ausgenommen) – vor allem Büroraumfunktionen und unterstützende Einrichtungen für die Arbeitsformen globaler Unternehmen, wie Konferenzräume, Restaurants und Servicedienstleistungen, darin untergebracht sind (vgl. Shanghai World Financial Center 2008). Auch das zuvor beschriebene Gebäude für die Central Chinese Television in Beijing ist als Zentrale des größten chinesischen Fernsehsenders ein Bürogebäude. Darüber hinaus führt die Expansion der Service-, Dienstleistungs-, Entwicklungsund Administrationsfunktionen der global agierenden Konzerne mit Filialen in der ganzen Welt zu einer Verbreitung und Zunahme entsprechender Gebäude. Wie ich in Kapitel 4 belegen werde, können sich die Architekturen dabei jedoch nach Branche oder Wirtschaftsbereich in bestimmten baulichen Parametern unterscheiden. Bürogebäude folgen häufig ähnlichen räumlichen Mustern. Auch die Zielsetzungen für Innenräume gleichen sich an. Die hohe Bedeutung von Wissen und Wissensvermittlung in der Netzwerkgesellschaft führt in modernen Unternehmen zur Fokussierung auf die Herstellung von Kommunikationsprozessen. Paradoxerweise entstehen durch diese Ausrichtung auf räumlicher Ebene oftmals Varianten von Transitorten; Nicht-Orte finden sich daher auch in kleinteiligeren Strukturen. Die moderne architektonische Interpretation der »Lobby« beispielsweise, die in vielen Repräsentationsgebäuden gestalterisch betont und hervorgehoben wird, oder auch die solchen Zielsetzungen entsprechenden Kommunikationsorte in non-territorialen Bürokonzepten werden zu Durchgangsräumen und Nicht-Orten, da sie sporadischen und temporären Handlungen vorbehalten sind.

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F A ZIT Es ist deutlich geworden, dass die momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse unter dem Einfluss von Vernetzung und Globalisierung auch die physische Gestalt der Gesellschaft verändern. Die Beobachtungen können so gedeutet werden, dass die Vorschläge zur räumlichen Konzeptionalisierung aus den Sozialwissenschaften jedoch nicht dazu geführt haben, ein ganzheitliches räumliches Verständnis von architektonischen Räumen und gesellschaftlicher Strukturierung zu evozieren. Die gegenwärtigen Wandlungsprozesse beeinflussen die Konzeption und Konstruktion architektonischer Räume sowohl in ihrer strategischen Ausrichtung als auch in der räumlichen Form, somit stehen sie deutlich miteinander in Verbindung. Ebenso wird deutlich, dass physische Strukturen in hohem Maße soziale Strukturierungen prägen und diese manifestieren. Soziale Strukturierung ist jedoch mit der Aufmerksamkeit auf räumliche Nähe und dem lokalem Umfeld verbunden. Durch die Fokussierung auf den virtuellen Raum einer globalen Ökonomie – der maßgeblich über architektonische Räume symbolisiert wird, die sich über formale Codierungen angleichen und Einschluss- sowie Ausschlussmechanismen produzieren – wird das lokale Umfeld jedoch als weniger relevant angesehen. Die architektonischen Räume der globalen Ökonomie repräsentieren als Globalisierungsarchitekturen somit einen Raum, der eine ortlose Logik hat, obwohl architektonischen Räume selbst jedoch per se nicht ortlos sind. Architekturen tragen durch ihre Präsenz zur Etablierung und Konstruktion lokaler Strukturierungen bei, auch wenn – wie ersichtlich – die Zielsetzungen moderner Bauprojekte wenig oder gar nicht auf die Integration in einen lokalen Kontext ausgerichtet sind. Obwohl architektonische Räume in einem physischen Sinne lokal sind, scheint es in deren Planung und Konstruktion eine Hierarchisierung zu geben, die der globalen Repräsentation den Vorrang vor der lokalen Integration gibt. Durch die Etablierung einer spezifischen Form von Globalisierungsarchitekturen tragen diese zur Stabilisierung spezifischer Macht- und Dominanzstrukturen bei, wodurch einer Deutung von Globalisierung als eine spezifische Form westlicher Prägung Vorschub geleistet wird. Die verschiedenen Formen physischen Ausdrucks moderner Gesellschaften sind in diese Macht-Dominanz-Konstruktion verwoben und schaffen Innen-Außen-Konstellationen, mit denen soziale Unterschiede verstärkt und Gegensätze betont werden. Die Interpretation des informationstechnologischen Paradigmas beschränkt sich oftmals auf die Auseinandersetzung mit den neuen Technologien, mit der Produktion neuer Materialien und der Entwicklung und Anwendung neuer Projektions- und Herstellungsmethoden, anhand derer Architektur als Hintergrund multimedialer Inszenierungen gehandhabt wird. Initiativen wie das Open-Source-Netzwerk Architecture for Humanity, die aus den gesellschaftlichen Umwälzungen sozialräumliche Konsequenzen für die moderne Architektur-

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produktion ziehen, bleiben eine große Ausnahme. Trotz der überwältigenden sozialen Probleme gerade in den Städten und Ländern, in denen eine hohe Produktion westlich orientierter Globalisierungsarchitekturen stattfindet, wird die Architekturproduktion nicht mit sozialer Strukturierung in Verbindung gebracht. Es besteht nach wie vor eine kollektive Trennung zwischen dem physischen Raum der Gesellschaft und den sozialen Handlungen. Die duale Logik, die sich sowohl im raumtheoretischen Diskurs (vgl. Kapitel 1) als auch in den gegensätzlichen Konstruktionen von Globalisierungstheorien (vgl. Kapitel 2) finden, setzt sich in der Produktion architektonischer Räume und der baulichen Strukturierung der Städte fort. Das dabei zu erkennende Raumverständnis lässt sich daher eher einem absoluten Denken zuordnen, auch wenn durch die Dominanz eines globalen Raumes der Interaktionen und wirtschaftlichen Verknüpfungen relationale Raumbildungen alltägliche Erfahrungen darstellen. Der architektonische Raum wird daher immer noch als Gegenüber oder kausal, als Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen, gedacht und nicht wie in der Raumsoziologie vorschlagen, als Komponente sozialer Raumkonstitutionen. Trotz der vernetzten Dynamik einer globalen Ökonomie scheint die Realität in den Städten vielmehr zu sein, dass sich Spaltungen verstärken. Die Architekturdisziplin flüchtet sich in die Produktion singulärer technischer Artefakte, die Ausreizung technologischer Möglichkeiten durch immer höhere und kompliziertere Bauwerke und die Produktion illusionistischer Inszenierungen. Trotz vieler ernsthafter Ansätze, architektonische Raumproduktion in Zeiten eines informationstechnologischen Paradigmas neu zu interpretieren, ist ein durchgängiger Paradigmenwechsel analog zu einem spatial turn mit der Integration relationaler Raumkonzepte nicht erkennbar. Da auch Architekturproduktion ihren Beginn in dem reflexiven mentalen Raum des Planungsprozesses hat, über den in den Beschreibungen einer vergleichenden Übersicht von Globalisierungsarchitekturen bisher nur wenig erfahren werden konnte, werde ich die hier beschriebenen Schlussfolgerungen anhand der Analyse des Planungsprozesses in den nachfolgenden Projektbeispielen exemplarisch überprüfen.

4. Raumkonstruktionen – Exemplarische Analysen

»The complexity of architecture begins with the impossibility of questioning the nature of space and at the same time making or experiencing real space.« (Tschumi 2008: 7)

4.1 E INLEITUNG P ROJEK TANALYSE Die Dynamik der Netzwerkgesellschaft nimmt Einfluss auf »Form, Funktion, Prozess und Wert von Architektur und Design« (Castells 2001: 474). Wie in den letzten Kapiteln aufgezeigt, werden mit der Restrukturierung der Gesellschaft durch die neuen Technologien und die Dominanz digitaler Ströme veränderte Rahmenbedingungen für die Produktion architektonischer Räume geschaffen, die auch auf Anordnung und Erscheinungsform architektonischer Räume wirken. Es entstehen neue Raumkonstruktionen und Raumtypologien, die Städte und Stadtbilder verändern. Konglomerationen, Konfigurationen oder Stadtbilder sind das Ergebnis der Anordnung von einzelnen Gebäuden und deren spezifischer Gestaltung. Architektonische Räume als Gebäude können daher als Module betrachtet werden, aus denen sich bauliche Agglomerationen konstituieren. Die Planung und Konstruktion, aber auch die Platzierung, Anordnung und der Kontextbezug architektonischer Artefakte bilden die wesentliche Grundlage zur Veränderung baulicher Strukturen und damit, wie in Kapitel 3 aufgezeigt, zur Rekonstruktion und Transformation der urbanen Form. In diesem Kapitel geht es nun darum, die Beobachtungen der gesellschaftlichen und baulich-strukturellen Veränderungen anhand der Konstruktion und Planung architektonischer Räume zu überprüfen. Meine Untersuchungen werden dabei von der Annahme geleitet, dass die strukturellen Veränderungen der gebauten Umwelt ihren Anfang mit den sozialen Handlungen und Entscheidungen in individuellen Planungsprozessen nehmen. Um einen möglichst re-

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präsentativen Einblick in die Dynamik der Produktion architektonischer Räume einer globalen Ökonomie zu erlangen, habe ich für die exemplarische Analyse zwei Projektbeispiele ausgewählt, die als neue1 Gebäude Dependancen für die Akteure der globalen Ökonomie darstellen (vgl. Castells 2001). Beide Akteure stellen machtvolle deutsche, global agierende Unternehmen dar, die über die Produktion von materiellen Gütern ebenso wie durch ihre Entwicklungs- und Forschungsleistungen eine relevante Funktion in einer globalen Ökonomie innehaben. Für ein größeres Spektrum der Überprüfung und Untersuchung unterscheiden sich die Projekte sowohl in einigen Aspekten der sozialräumlichen als auch in der geplanten baulichen Struktur. Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um ein einzelnes Gebäude, das ein klassisches Artefakt darstellt. Das zweite Beispiel beinhaltet mehrere Gebäudekomplexe, die zusammen das neue Headquarter eines Technologiekonzerns bilden. Auch unterscheidet sich der Planungsprozess der beiden Objekte in einigen Bereichen; die Untersuchung wird zeigen, ob das auch Auswirkungen auf die Produktion des architektonischen Raumes hat. Zudem ist die urbane Einbettung in beiden Projekten unterschiedlich. Die Analyse von Planungsprozess, Raumproduktion und der bestimmenden Parameter soll weiteren Aufschluss über Entwicklung und mögliche Veränderung architektonischer Räume in sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen geben. Ich habe für die Analyse der Planung und Produktion von Architekturen der globalen Ökonomie zwei Projekte ausgewählt, bei deren Entwicklung ich selbst als externe Beraterin mitgewirkt habe. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, eine Vielzahl von empirischem Material – Skizzen und Pläne ebenso wie strategische Grundlagen und Rahmenbedingungen – unter der wissenschaftlichen Fragestellung dieser Arbeit und insbesondere im Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen sozialräumlicher Struktur und architektonischer Raumentwicklung neu auszuwerten. Aufgrund dieser Projektkenntnis konnte ich meine Beobachtungen – wenn die Beschreibungen es erforderten, eine Haltung oder Handlungsweise zu verdeutlichen – mit Anmerkungen von anderen Planungsbeteiligten unterlegen. Die Untersuchung von Gebäudekonstruktionen auf einer raumtheoretischen Grundlage impliziert, die architektonische Raumplanung in Zusammenhang mit ihrer sozialen Dimension zu beobachten. Der Soziologe Thomas Gieryn geht in seiner Studie »What buildings do« davon aus, dass Gebäude soziales Leben stabilisieren, Dauerhaftigkeit für soziale Netzwerke und Einprägsamkeit von Verhaltensmustern ermöglichen. Er findet es verwunderlich, dass Gebäu-

1 | »Neu« heißt in beiden Fällen, dass diese innerhalb der letzten 5 Jahre fertig gestellt wurden.

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de2 bisher nur selten als Forschungsgegenstand von Soziologen untersucht und theoretisiert wurden (vgl. Gieryn 2002: 35). In der Tat geben die meisten soziologischen Studien zu Architektur und Stadtentwicklung wenig Aufschluss über den Zusammenhang von Planungsparametern, Platzierungen und Konstruktionsprozessen von Gebäuden im Kontext gesellschaftlicher Wandlungsprozesse. Der architektonische Planungsprozess, die in ihm verwobenen Handlungen und die daraus hervorgehenden räumlichen Entscheidungen und physischen Strukturen sind als soziologisches Analyseobjekt kaum untersucht. Daher gibt es auch keine spezifischen Kriterien oder konzeptionellen Tools (vgl. Gieryn 2002: 41), die eine Analyse der Gebäude auf einer soziologisch basierten Methodologie erlauben würden. Aus diesem Grund werde ich die nachfolgenden Beispiele basierend auf den theoretischen Rahmungen aus den vorherigen Kapiteln untersuchen und orientiere mich an der Dynamik des Planungsprozesses als ordnende Struktur der Analyse. Die Analyse der Produktion von architektonischen Räumen für spezifische gesellschaftliche Teilsysteme, die als Akteure im globalen Netz tätig sind, berührt unterschiedliche Teilaspekte, wie beispielsweise das Thema der gesellschaftlichen Arbeit, Aspekte der Unternehmensorganisation sowie die Entwicklung von Konzepten für gesellschaftliche Arbeit. Daher möchte ich im Vorfeld der Untersuchungen einige momentan wirksame Rahmenbedingungen beschreiben, die neben dem übergeordneten raumtheoretischen Deutungsrahmen der Arbeit als spezifischer Kontext für die Projektanalyse fungieren. Mit der gesellschaftlichen Transformation durch Globalisierung und die neuen Informationstechnologien ist auch die Transformation von Organisations- und Managementstrukturen verbunden. Eine der wesentlichen Veränderungen ist dabei die Abkehr von postfordianischen oder tayloristischen Produktions- und Organisationsmethoden hin zu flexibleren und dezentraleren Organisationsmodellen von Produktions- und Arbeitsprozessen (vgl. Malone 2004). Im Zusammenhang mit einer seit den 1970er Jahren stetig zunehmenden Vernetzung und Mobilität in Arbeitsprozessen hat insbesondere der Begriff der Flexibilisierung von Arbeitsprozessen Bedeutung erlangt. Castells hat darauf hingewiesen, wie sich gesellschaftliche Arbeit sowie deren Organisation durch die neuen Technologien und die Interaktionen in digitalen Strömen verändert hat (vgl. Castells 2001). Das führt zu übergreifenden und branchenspezifischen Angleichungsprozessen und bewirkt Veränderungen in Unternehmens- und Organisationsstrukturen. Diese setzen sich aus organisatorischen, strategischen und sozialen Aspekten zusammen, deren Dynamik und Konstitution ich voraussetze, aber die ich nicht ausführlich behandeln werde, da dies 2 | Gieryn verwendet den Begriff »building« im Englischen und verbindet damit eine spezifische Definition: »buildings […] sit somewhere between agency and structure« (Gieryn 2002: 35).

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den Rahmen der Untersuchungen überschreiten würde. Ich gehe von der zum Zeitpunkt der Baumaßnahmen gültigen Organisationsstruktur als Ausgangsstruktur aus, ohne diese, soweit nicht für die Untersuchung relevant, weiter zu hinterfragen. Fakten, wie beispielsweise die Relationen verschiedener Unternehmensfunktionen – etwa die Anzahl der Ingenieure im Vergleich zum Anteil von Administrationsfunktionen – nehme ich als gegeben hin. Die Veränderung von Arbeitsprozessen unter dem Einfluss einer globalen Ökonomie habe ich im Bezug auf die Wechselwirkung von sozialräumlicher Struktur und räumlich-physischer Struktur im Kontext der Planungsaktivitäten beschrieben, ohne detaillierter auf organisatorische Spezifika einzugehen. Gieryns Annahme, dass »buildings, as any other machine or tool (are) simultaneously the consequence and structural cause of social practices« (Gieryn 2002: 41) sind, werde ich dabei als ordnende Leitidee überprüfen. In meinem Verständnis stellen Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse die sozialräumliche Struktur eines Unternehmens dar und sind daher ein Teil der sozialen Handlungsmuster (social practices), die für die bauliche Struktur als relevant erachtet werden. Die andere Form der sozialen Praxis ist der Planungsprozess selbst. Wie die Analyse der Beispiele zeigen wird, muss zwischen unterschiedlichen sozialen Handlungen differenziert werden, es gibt nicht nur eine einheitliche soziale Praxis, die als Grundlage – oder als Ergebnis – der Planungen angesehen werden kann. Eine der zu untersuchenden Fragen wird daher auch sein, um welche sozialen Handlungen es sich dabei handelt (siehe hierzu auch die Diagramme der Planungsparameter) und wie deren Dynamik beschaffen ist. Werden die Handlungen durch ähnliche Grundannahmen strukturiert oder müssen verschiedene soziale Positionen ausgehandelt werden und wie verbinden sich diese Handlungsstränge mit welchen Auswirkungen auf die bauliche Struktur? Die Transformation der gesellschaftlichen Arbeit (vgl. auch Kapitel 3) hat zu einer Vielzahl von sogenannten Büroraumkonzepten geführt, die sich vorwiegend über ihr Ausmaß an Flexibilität sowie über die Integration moderner Technologien definieren. Hinter Begriffen wie Virtualisierung, Telearbeit, Open-Space, Non-Territorial-Office etc. verbergen sich Arbeitsplatzkonzepte, die in unterschiedlichen Skalierungen mehr Flexibilität, mehr Mobilität, mehr moderne Kommunikationstechnologien und fast immer offenere und weniger hierarchische Raumkonzepte versprechen (vgl. Duffy 1997; Nootz/ Zinser). Die ersten offenen Bürokonzepte wurden in den 1970er Jahren zusammen mit der Flexibilisierung organisatorischer Strukturen in großen Unternehmen entwickelt. Konzepte wie Bürolandschaften oder Großraumbüros verdeutlichten die Abkehr von der stringenten Hierarchisierung und Abgetrenntheit der bis dahin vor allem in europäischen Unternehmen weitestgehend üblichen Zellenund Gruppenbüros. Mit dem Einzug des Computers, der Verbreitung digitaler

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Informationsübermittlung und mobiler Kommunikationstechnologien, sowie durch die Internationalisierung gesellschaftlicher Arbeit durch Firmenzusammenschlüsse und die Expansion internationaler Konzerne, haben sich auch die Rahmenbedingungen für die räumlichen Konzepte in den Unternehmen den Entwicklungen angepasst. Die modernen Bürokonzepte konstituieren sich immer aus denselben Kernkriterien: Der Wandel von einer Produktions- in eine Wissensgesellschaft führt dazu, das moderne Büro vor allem als Wissenspool, als Meeting- und Kommunikationsort zu interpretieren3 . Arbeitsprozesse und Raumstrukturen sollen so flexibel wie möglich organisiert sein (vgl. Drepper 2003; Zinser/Boch 2007; Schmiede 1996), um eine Vielfalt an Tätigkeiten, mit vorwiegend mobilen – oder nomadischen – Arbeitsweisen (vgl. Myerson/Ross 2003), Interaktionen und Kommunikationsprozessen, aber auch konzentrierte Wissensarbeit zu ermöglichen. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Raumangebote wie z.B. Projekträume, Meetingräume, offene Teambereiche, Kommunikationsorte und informelle Treffpunkte, Rückzugsräume oder geschlossene sogenannte Denkerzellen, sollen fortschrittliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Grundlage der räumlichen Konzepte sind die neuen Technologien, die jederzeit verfügbar und zugänglich sein müssen. Eine wichtige Zielsetzung der Konzepte ist die Förderung von informeller Kommunikation (vgl. Esche 2007; Allen 1984), eine Vorgabe, die zur programmatischen Verordnung von Kommunikations- und Begegnungsritualen geführt hat. Grundlage ist u.a. eine Untersuchung von Thomas Allen, in der ein Zusammenhang zwischen persönlicher Begegnung und der Erzeugung von Innovation in Arbeitsprozessen hergestellt wird (vgl. dazu auch die Anmerkungen zu Face-to-Face-Begegnungen in Kapitel 4.2). Die Annahme, dass sich Kreativität und Innovation aus persönlicher Kommunikation ergeben, mag stimmen, daraus die kollektive Verordnung von Kommunikation als der Maxime für Raumkonzepte abzuleiten, wird jedoch auch kritisch beurteilt: »Die Informalität wird zur Maxime erhoben und soll deshalb auch gebührenden Raum erhalten. Damit wird das Informale selbst wieder zur Routine bzw. zum Standard, was letztendlich eine paradoxale Programmierung bedeutet. Wenn Informalität regelmäßig möglich gemacht werden soll, kann sie ihren ungezwungenen, Kreativität ermöglichen-

3 | Die Fraunhofergesellschaft hat hierzu ein Buch veröffentlicht; »Auf dem Weg ins Wissenszeitalter gibt es kein Zurück. Wir befinden uns bereits inmitten eines spannenden Wandlungsprozesses von der Industriegesellschaft hin zu einer Arbeitswelt, in der Wissen zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden ist. Arbeitskräfte, die hauptsächlich geistige Arbeit leisten, sind zur größten Gruppe der Beschäftigten geworden« (Fraunhofer IAO 2008).

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den Charakter – derentwegen sie geschätzt wird – schnell einbüßen« (Drepper 2003: 122).

Trotzdem stellt die Öffnung gesellschaftlicher Arbeit hin zu mehr Kommunikation und Wissensaustausch als Ausdruck erfolgreicher Arbeitsprozesse eine Öffnung und Weiterentwicklung tradierter, streng hierarchischer und räumlich abgeschlossener Konzepte dar. Bis in die 1990er Jahre hinein bestehen kulturelle Unterschiede zwischen angelsächsischer und europäischer Bürokultur, diese haben sich jedoch in den letzten Jahren – auch aufgrund der Expansion amerikanischer Unternehmen in alle Welt sowie durch vielfältige Unternehmenszusammenschlüsse – weitestgehend aufgelöst. Bürokonzepte gleichen sich zunehmend an – obschon die Regularien für Flächenzuteilungen und Flächennutzungen in deutschen Unternehmen nach wie vor stärker territorial ausgerichtet sind, als dies in ausländischen Unternehmen der Fall ist. Dieser Umstand sorgt insbesondere bei Unternehmenszusammenschlüssen regelmäßig für Auseinandersetzungen und aufwändige Genehmigungsprocedere4 . Aus den Beobachtungen der vorhergehenden Kapitel leiten sich die folgenden Fragestellungen für die exemplarischen Analysen ab: 1. Welche Raumverständnisse und Raumvorstellungen sind mit der Planung und Konstruktion von architektonischen Räumen verknüpft? Wie beeinflussen die Prozesse multipler sozialer Raumkonstitutionen einer zunehmenden Vernetzung die Produktion architektonischer Räume in global agierenden Unternehmen? 2. Wie werden die determinierenden Planungsparameter im Planungsprozess angeordnet? Wie stehen sozialräumliche Struktur und Architekturproduktion miteinander in Beziehung? Welche Entscheidungen bestimmen die Gestaltung und Produktion architektonischer Räume. Welche Rolle spielen lokale oder globale Vorgaben in den Planungen und wie lassen sich diese zuordnen und definieren? 3. Wie in Kapitel 3 beschrieben, führt die simultane Qualität der Vernetzung auch zu einer erhöhten Medialisierung und Bildproduktion. In welcher Form und mittels welcher Kriterien und Vorgaben beeinflusst diese Entwicklung den Planungsprozess und die Produktion architektonischer Räume? Lässt sich die Annahme, dass bei kontemporärer Architekturproduktion mehr auf 4 | NokiaSiemensNetworks beispielsweise erarbeitete nach dem Abschluss des Merger in den deutschen Filialen eine aufwändige Kommunikationsstrategie. Zielsetzung war, mit dem deutschen Betriebsrat – ehemals Siemens – die Genehmigung der Arbeitsplatzkonzepte und damit verbundenen Flächenstrategien von Nokia zu verhandeln, um diese in Deutschland für NSN anwenden zu können (vgl. Hilger 2008).

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das zu erzeugende Bild als auf die Raumaneignung oder Raumnutzung fokussiert wird, bei der Analyse des Planungsprozesses architektonischer Räume verifizieren? 4. Die architektonischen Räume der globalen Akteure werden aufgrund der Angleichung von Strukturen auf der ganzen Welt mit dem Phänomen der Homogenisierung assoziiert. Wie entsteht diese Homogenisierung und Konvergenz im direkten Planungsprozess? Gibt es anhand dieser Frage spezifische Kriterien und Merkmale, die eine spezifische Globalisierungsarchitektur hervorbringen?

4.2 P ROJEK TBEISPIEL 1 – D IE E NT WICKLUNG ARCHITEK TONISCHER R ÄUME IN EINEM GLOBAL AGIERENDEN U NTERNEHMEN DER A UTOMOBILINDUSTRIE »It is within the space and form of the building in which the social is most frequently constituted.« (King 2004: 5)

Das erste Projekt meiner exemplarischen Analyse ist ein Verwaltungs- und Produktionsgebäude für die Produktsparte eines großen deutschen Automobilkonzerns. Die Automobilindustrie hat eine relevante Position in der globalen Ökonomie, die großen Automobilkonzerne stellen darin machtvolle Akteure dar. Die Entwicklung und Produktion von Automobilen ist eng mit der Industrialisierung und technischen Evolution moderner Gesellschaften verbunden. Im Automobil verkörpert sich der Mythos von Mobilität und technischem Fortschritt auf individueller Ebene, da es ein Produkt ist, das jeder erwerben kann. Auch in der deutschen Wirtschaft hat die Automobilindustrie eine wichtige Schlüsselrolle5, die sich daraus erklärt, dass es in Deutschland einige sehr große und global agierende Automobilkonzerne gibt. Einerseits lokal angebunden und aufgrund ihrer spezifischen Struktur auch lokal orientiert, produzieren die Automobilkonzerne für einen globalen Markt und unterstehen den Bedingungen eines globalen Wettbewerbs. Als Akteure einer globalen Ökonomie bewegen sie sich zwischen lokalen und globalen Vorgaben und stellen ebenso wie

5 | »Innerhalb der deutschen Industrie nimmt die Automobilindustrie eine hervorgehobene Stellung ein. Ihr Anteil an der Beschäftigung, dem Umsatz und der Wertschöpfung beträgt 12 %, beim Kapitalstock sind es sogar 14 %. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Dynamik hervorzuheben ist der beachtliche Aufwand zur Erhaltung und Entwicklung der technologischen Basis. Rund 22 % der Brutto-Anlageinvestitionen des verarbeitenden Gewerbes wurden 1998 von der Automobilindustrie aufgewendet« (DIW 2001: 1).

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andere industrielle Akteure eine – wie Castells6 belegt – »neue Verbindung globaler und lokaler Dynamiken dar« (Castells 2001: 447).

4.2.1 Transformationsprozesse in der Automobilindustrie Mit der zunehmenden Vernetzung und den vielfältigen Abhängigkeiten, die sich aus einer globalen Ökonomie ergeben, ist die Automobilindustrie weltweit und auch in Deutschland neuen Herausforderungen und Wandlungsprozessen ausgesetzt. Die Notwendigkeit, in einem globalen Markt zu bestehen, führt zu einem erhöhten Druck auf Entwicklungs- und Produktionsabläufe und erfordert die Ausdehnung in neue, weit entfernte Märkte. Eine Studie, die im innovationsreport veröffentlicht wurde, beschreibt im Jahre 2001 die Indikatoren und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen folgendermaßen: »Strukturelle Veränderungen sind auch Ergebnis der technologischen Veränderungen. Das Wachstum der nächsten zehn Jahre wird in erster Linie in Asien, Osteuropa und Südamerika (+7,5 % p.a.) stattfinden. Wer hier keine Kapazitäten und Kompetenzen aufbaut, wird nicht überleben. Von den heute ca. 15 größten Fahrzeugherstellern werden bis 2010 nur noch ca. sechs bis zehn Konzerne übrig bleiben« (Deraed 2001: 2).

Diese Prognose aus dem Jahr 2001 hat auch im Jahr 2009 ihre Gültigkeit, insbesondere wenn man an die Zusammenlegungen großer Unternehmen denkt, an die Krise beispielsweise der nordamerikanischen Autoindustrie und die Einführung von Kurzarbeit in Unternehmen wie Daimler oder BMW. Den daraus resultierenden Herausforderungen versuchen die Konzerne durch Zusammenschlüsse und umfangreiche Rekonstruktionsprozesse zu begegnen. Auch der hier als Beispiel ausgewählte Automobilkonzern hat sich Ende der 1990er Jahre mit einem großen amerikanischen Automobilkonzern zusammengeschlossen, um seine Position im globalen Netz der Automobilproduktion zu stärken. Die Restrukturierungsprozesse und Vorgaben einer globalisierten Wirtschaft verändern Produktionsabläufe und Organisationsstrukturen und führen nachweislich zu einer Angleichung von Arbeits- und Produktionsprozessen. Aufgrund der Produktionsmodelle von Henry Ford und den Organisationsprinzipien von F.W. Taylor, dessen Untersuchungen zur effizienten Arbeitsmethodik in Produktionsabläufen als »Taylorismus« lange die Produktion von Automobilen und anderen materiellen Gütern bestimmt haben (vgl. Taylor 2004), sind homogenisierende Bestrebungen in der Automobilindustrie seit dem Beginn der Produktion von Automobilen vorhanden. Diese Angleichungstendenzen 6 | Castells bezieht sein Beispiel auf klassische industrielle Standorte, aber nicht explizit auf die Automobilindustrie; seine Beschreibungen treffen jedoch, wie ich noch weiter belegen werde, auch auf die Dynamik der deutschen Automobilindustrie zu.

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werden jedoch durch die globale Vernetzung und die Expansion der Produktexporte in die ganze Welt verstärkt. Eine soziologische Untersuchung zum »Wandel von Produktionsparadigmen in internationalen Organisationen« (Weber/ Wegge 2001) stellt dazu in einer Untersuchung aus dem Jahr 2001 fest: »[…] nicht offen ist hingegen die Tendenz der gleichförmigen Organisation von Wettbewerbern in der Weltautomobilproduktion. Deutlich auszumachen ist, dass die einzelnen Hersteller für ihre Produktionsstandorte in unterschiedlichen Ländern, nicht nur in Japan, den USA und Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, ein weitgehend einheitliches Produktionskonzept verfolgen, bzw. zu realisieren trachten« (ebd.: 2).

Da sich Produktionsprozesse und auch die Produkte selbst zunehmend angleichen, ist für die Akteure der Automobilindustrie die Profilierung durch Wissen und Innovation sehr viel wichtiger geworden. Wie in Kapitel 2 belegt, stellt Wissen in der Netzwerkgesellschaft die wichtigste Ressource dar; der Anschluss an Wissensnetzwerke und eine entsprechende Innovationsfähigkeit ist von entscheidender Bedeutung dafür, wie sich Unternehmen in einer globalen Ökonomie positionieren. Das kann anhand der Aufwendungen der deutschen Automobilindustrie für Forschung und Entwicklung erkannt werden, die »doppelt so hoch sind wie im verarbeitenden Gewerbe insgesamt« (Weiß 2001: 1), der Anteil von wissensorientierten Funktionen nimmt in den Unternehmen stetig zu. Auch die zunehmende Virtualisierung und Digitalisierung von Produktionsprozessen verändert die Parameter und Rahmenbedingungen für Arbeits- und Entwicklungsprozesse. Die Produktentwicklungsprozesse werden von Prozesssimulationen und Visualisierungen bestimmt, die digitale Steuerung von Produktionsprozessen führt zu einer zunehmenden, räumlich-geographischen Trennung von Produktion und Produktentwicklung (vgl. Castells 2001). Die digitale Vernetzung von Arbeitsprozessen ermöglicht durch ihre vielfältigen Verknüpfungen den Wissensfluss zwischen geographisch getrennten Einheiten ohne die Notwendigkeit von räumlicher Nähe auch über Kontinente hinweg.

4.2.2 Die architektonischen Räume der Automobilindustrie Dass die Automobilindustrie durch Restrukturierungs- und Wandlungsprozesse bestimmt wird, ist jedoch nicht nur an Produktions- und Arbeitsprozessen ablesbar, sondern kann deutlich anhand der Gestaltung der architektonischen Räume der Automobilindustrie nachvollzogen werden. In Deutschland sind seit der ersten Produktion von Automobilen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in metropolitanen Ballungsgebieten klassische industrielle Standorte entstanden, die ihr Umfeld durch die Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen geprägt haben. Die BMW Group, deren BMW Hochhaus eine Art architektonisches Wahrzeichen der Stadt darstellt, das – obwohl nicht als solches geplant – als Symbol

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für einen Vierzylinder-Motor interpretiert wird (vgl. King 2004), hat in München ganze Stadtviertel geprägt. Die Daimler AG, vormals Mercedes Benz oder auch zwischenzeitlich DaimlerChrysler AG, ist für die Stadt Stuttgart seit der Errichtung des Stammwerkes in Untertürkheim 1904 ebenfalls von großer Bedeutung und prägt diese durch verschieden große Werksgelände sowohl visuell als auch strukturell. Auch der Standort der Volkswagen AG hat in erheblichem Maße die Entwicklung der Stadt Wolfsburg geprägt. Als wirtschaftlich machtvolle Arbeitgeber haben die Automobilkonzerne nicht nur die bauliche, sondern auch die soziale Struktur der Städte beeinflusst. An vielen Standorten der Automobilindustrie können in den letzten Jahren umfassende bauliche Rekonstruktionsprozesse beobachtet werden. Diese vollziehen sich auf zwei Ebenen. Zum einen zeigt sich der Wandel in eine wissensorientierte Gesellschaft in der Veränderung der Relation von produktions- und wissensintensiven Funktionen. Flächen für Produktion nehmen aufgrund von Automatisierungs- und Robotisierungsprozessen oder aufgrund der Auslagerung von Produktionsfunktionen in Billiglohnländer ab. Dem gegenüber nehmen die Flächen für Forschungs-, Entwicklungs- und Administrationsfunktionen zu. Fabrik- und Produktionsgebäude werden zu Büroflächen umgewidmet, neue Bürogebäude entstehen. Da es sich bei vielen Standorten der Automobilindustrie um abgeschlossene, begrenzte Bereiche mit Zugangskontrollen handelt, führt die Zunahme von Büro- und Verwaltungsräumen zudem häufig zur Verdichtung der baulichen Flächen an den jeweiligen Standorten. Die andere Ebene der Veränderung zeigt sich in der Schaffung von Erlebniswelten und einem transformativen Prozess der öffentlichen Selbstbeschreibung als Orte der Wissensvermittlung. Wesentliches Werkzeug einer öffentlich inszenierten Neudefinition sind neue attraktive architektonische Räume. Die umfassende architektonische Rekonstruktion vieler Standorte repräsentiert den Wandel, dem die Automobilindustrie als Folge der gesellschaftlichen Neugestaltungen durch das informationstechnologische Paradigma und die Dynamik einer globalen Ökonomie ausgesetzt ist. Ein besonders prägnantes Beispiel der letzten Jahre ist das Konzept der Autostadt in Wolfsburg anlässlich der EXPO 2000 in Hannover, durch die sich die Volkswagen AG erfolgreich vom Industriestandort zum Erlebnis- und Wissensort gewandelt hat. Mit der gestalterischen Aussage der Autostadt wird ein neues Image kreiert, ohne jedoch das alte Image vom klassischen industriellen Standort zu zerstören. Die neue Philosophie integriert die Tradition des Unternehmens. Die industrielle Vergangenheit offenbart sich sichtbar durch die alten Fabrikgebäude an der Mittelstraße oder die Türme des – nicht mehr betriebenen – Kohlekraftwerks, die als visuelle Einrahmung der Autostadt fungieren und die neuen architektonischen Räume durch ein visuell deutlich erkennbares, historisches Fundament ergänzen (vgl. Abbildung 1).

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Abb. 1: Alt und neu in der Autostadt in Wolfsburg

Der Anschluss an den globalen Markt und an eine neue Epoche der Automobilproduktion wird durch die Beauftragung der internationalen Akteure der Architekturbranche sowie durch die multimedialen Inszenierungen in den verschiedenen auf dem Gelände der Autostadt verteilten Gebäude quasi verkörpert. Die gestalterische Vielfalt der architektonischen Räume folgt einem städtebaulichen Konzept, in dem die Planungsparameter »gegen die Großform das Gegenmotiv des Singulären und Individuellen, dessen Daseins- und Darstellungsrecht gegenüber den Makrostrukturen« (Uhlig 2000: 11) sichern. Diese folgen damit einem »aktuellen Paradigma der Stadtplanung« (ebd.: 11), das auch die Produktion der Artefakte der Globalisierungsarchitekturen in den Städten bestimmt (vgl. hierzu auch Kapitel 3 dieser Arbeit). Mit der Autostadt als attraktiven repräsentativen Ort der Innovation und Erneuerung interpretiert die Volkswagen AG ihre Rolle als Automobilhersteller neu und löst sich in der Darstellung nach außen von der ausschließlichen Identifikation mit dem Automobil. Obwohl Forschungs- und Entwicklungsprozesse nach wie vor auf die Optimierung und Innovation von Fahrzeugtechno-

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logien, Fahrzeugproduktion und Fahrzeugnutzung, auf Qualitäten wie Sicherheit, Komfort, Umweltfreundlichkeit oder Geschwindigkeit ausgerichtet sind, so fokussiert die Inszenierung in der Autostadt – neben dem Verweis auf die industrielle Tradition als Automobilhersteller – vor allem auf das im Konzern vorhandene Wissen, auf dessen Innovationsfähigkeit und auf den globalen Status des Unternehmens. Abb. 2: Präsentation der Autostadt im Internet und in der Werbebroschüre

Die Namen der Gebäude in der Autostadt wie ZeitHaus, KonzernForum oder KundenCenter enthalten keinerlei Hinweise auf die daran angebundene Automobilproduktion. Auch Werbebroschüre und Internetauftritt der Autostadt (vgl. Abbildung 2) zeigen keine Automobile, sondern präsentieren sich über die Bilder der Architekturen und der medialen Inszenierungen in der Autostadt. Nicht der Verkauf des Automobils steht augenscheinlich im Vordergrund (was nicht ausschließt, dass dies nicht trotzdem die wichtigste strategische Zielsetzung des Konzerns ist), sondern Werte, Wissen und Erfahrung sowie die gesellschaftliche Verantwortung, die mit der Produktion von Automobilen verbunden sind. Der Architekt Gunter Henn, der für die Masterplanung und viele Gebäude in der Autostadt verantwortlich zeichnet, beschreibt das neue Image so: »Weltweit besetzen die Unternehmen Foren mit Themen wie Mobilität, Kommunikation, Gesundheit, Sicherheit, Entertainment und Wissensgenerierung und fungieren auf internationaler Ebene als globale Knotenpunkte. So ergibt sich für sie eine neue verantwortungsvolle Rolle. Der Prozess, der sich vor dieser neuen gesellschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Verantwortung abwickelt, kann nur im öffentlichen Raum stattfinden« (Henn 2000: 4).

Die neue Haltung zeigt sich auch darin, dass bei den MarkenPavillons beispielsweise ihre internationalen Wurzeln und ihre spezifische Historie betont werden, wodurch individuelles Selbstbewusstsein trotz Konzernzugehörigkeit

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signalisiert wird. Die gelungene Transformation der Selbstdarstellung vom Industriestandort in einen attraktiven Erlebnisort kann am besten daran abgelesen werden, dass – obwohl direkt an einem nach wie vor aktiven industriellen Standort gelegen – ein 5 Sterne-Hotel der exklusiven Hotelkette Ritz-Carlton die Konzeption der Autostadt vervollständigt, ausgestattet von der französischen Stardesignerin Andree Putman. Auch die infrastrukturelle Anbindung ist in die Transformation eingewoben. Die Autostadt liegt direkt an der an Wolfsburg vorbeiführenden ICE Trasse Hannover-Berlin. Seit der Eröffnung der Autostadt hält der ICE am Wolfsburger Bahnhof, der früher nur Haltestelle für regionale Bummelzüge aus Braunschweig oder Hannover war. Wolfsburg ist kein vorbeifliegender Standort mehr, der vom Zug aus vor allem anhand des Vorstandsgebäudes mit dem darauf befindlichen VW-Logo zu erkennen war, sondern eine wichtige Haltestelle auf dem Weg von Hamburg nach Berlin. Die Rekonstruktion des Standortes in einen Wissensort mit internationalem Standard hat in Wolfsburg auch jenseits des VW-Geländes weitere repräsentative Bauten nach sich gezogen. Direkt am Wolfsburger Bahnhof ist das neue Science Center »phaeno« entstanden, geplant von der international renommierten Architektin Zaha Hadid. Auf dem Gelände der VW AG ergänzt ein »MobileLife Campus« als konzerneigene Universität die Darstellung der Wissensorientierung. Die Öffentlichkeit wird als Beobachter dieser Wandlungsprozesse instrumentalisiert, die über neue architektonische Räume inszeniert werden und als Bilder in die ganze Welt versandt werden. Auch an anderen Standorten der Automobilindustrie in Deutschland sind die Rekonstruktionsprozesse durch architektonische Erneuerung sichtbar. Eine der ersten Konzerne, die ihre Selbstdarstellung durch repräsentativere und erlebnisintensivere Architekturen verändert haben, war die Audi AG in Ingolstadt mit dem Audi Forum, einem repräsentativen Gebäude zur Abholung neuer Automobile. Sehr umfangreich sind auch die Bautätigkeiten der letzten Jahre in München bei der BMW Group, die mit der Renovierung des BMW-Hochhauses, der Schaffung der »BMW-Welt«– konzipiert von dem etablierten Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au –, und mit einem neuen BMW Museum ein großes Flächenareal am Mittleren Ring, einer der Hauptverkehrsadern Münchens, komplett neu und weithin sichtbar rekonstruiert hat. Ebenso wie am Standort Wolfsburg wird mit den architektonischen Räumen der Aufbruch in eine neue Phase der Automobilproduktion signalisiert. Die Gebäudekonstruktion der BMW-Welt ist mit ihrer an Membranstrukturen angelehnten Außenhaut und einer überdimensionalen Spannweite, die nur aufgrund modernster Technologien konstruierbar war, ein typisches Beispiel moderner Globalisierungsarchitektur (vgl. Abbildung 3). Die Innenräume sind im Vergleich zum äußeren Erscheinungsbild wesentlich unspektakulärer. Andere neue architektonische Räume wie das Forschungs- und Entwicklungsgebäude FIZ I oder das neue Projekthaus, ebenfalls ein Entwi-

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cklungs- und Simulationsgebäude, repräsentieren die zunehmende Wissensausrichtung der Konzerne. Abb. 3: Die BMW-Welt in München

Auch die Standorte der Daimler AG in Stuttgart wurden in den letzten Jahren baulich rekonstruiert und umgestaltet. Das architektonische Highlight stellt die neue Mercedes-Welt (vgl. Abbildung 4) an der Einfahrt zum Werk in Untertürkheim dar. Das spektakuläre Museum wurde geplant vom holländischen Stararchitekten-Duo Ben van Berkel/Caroline Bos und ist ein ausdrucksstarkes Symbol für die bedeutsame Rolle architektonischer Räume bei der Selbstdarstellung und Neudefinition der Unternehmen. Dies kann auch bei der Porsche AG in Zuffenhausen beobachtet werden, die sich mit dem Bau eines neuen, in seiner Formensprache sehr eigenwilligen Museums architektonisch positioniert (vgl. Abbildung 5). Die offizielle Webpage der Porsche AG beschreibt die Intention: »Inmitten des Stammwerks […] erhält nun auch die Porsche-Geschichte einen neuen Platz. Gemeinsam mit dem Porsche-Werk und dem Porsche Zentrum wird es an dieser historischen Stelle zur neuen Visitenkarte des Unternehmens« (Porsche 2008). Allen Architekturen ist gemeinsam, dass sie repräsentative Bauwerke darstellen, welche das Ausmaß an Wissensorientierung, Wirtschaftskraft und Innovations- und Gestaltungsfähigkeit der Konzerne in einer globalen Wirtschaft verkörpern sollen. Auch die Wahl der Namen verdeutlicht die globale Ausrichtung, viele der Wortschöpfungen enthalten das Wort »Welt«, sowohl bei »BMWWelt«, als auch bei Daimler mit einer »Mercedes-Welt«. Die globale Orientierung wird jedoch auch über die Ausschreibung international ausgerichteter Planungswettbewerbe und die Beauftragung von global agierenden »Stararchitekten« demonstriert. Eine Voraussetzung für die Strategie der Selbstaufwertung durch neue architektonische Räume ist die Codierung spezifischer Architekturformen. Alle hier beschriebenen Architekturen enthalten Eigenschaften der momentan wirksamen Strömungen, die ich als Kriterien für Globalisie-

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rungsarchitekturen beschrieben habe (vgl. Kapitel 3). Sie sind durch den Einsatz neuester Materialien und Technologien definiert, sie werden von der Dynamik eines informationstechnologischen Paradigmas bestimmt und sie dienen der Repräsentation und Profilierung der Zielsetzungen der Akteure einer globalen Ökonomie. Ohne die Einbettung in eine funktionierende spezifische globale Symbolik und Codierung wäre die weit über den lokalen Kontext hinaus nach außen gerichtete visuelle Botschaft der architektonischen Neudefinition für die Positionierungsbestrebungen der Konzerne zwecklos. Abb. 4: Mercedes-Welt an der neu gestalteten Einfahrt zum Werk in Untertürkheim

Abb. 5: Modell des neuen Porsche Museums in Zuffenhausen

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Die Codierung architektonischer Räume als Symbol für technologischen Vorsprung und visionäre Qualität führt dazu, dass Unternehmen der Automobilindustrie die Idee groß angelegter Bauprojekte nach dem Vorbild einer Autostadt – ursprünglich eine deutsche Entwicklung – auch in Länder wie China und Südostasien exportieren. Dort entstehen eine Vielzahl ähnlicher Architekturprojekte im Umfeld der Automobilkonzerne, wie beispielsweise das neue Beijing International Automotive Expo Center oder die Autostadt in Ningbo (vgl. Henn 2006). Neben einer visuell wahrnehmbaren Omnipräsenz der Konzerne in den aufstrebenden Wirtschaften in Südostasien oder Südamerika wird durch die architektonischen Räume – bzw. durch die Distribution von deren Bildern – weltweit signalisiert, dass auch in Beijing oder Südkorea Wissensproduktion und Innovation auf einem hohen Niveau möglich sind. Architektur kann aufgrund der Codierungen in diesen Ländern instrumentalisiert werden, um »the country’s arrival as a modern industrial nation« (King 2004: 17) öffentlichkeitswirksam darzustellen.

4.2.3 Das Projekt Die Transformationsprozesse, die durch Interdependenzen und Dynamik einer globalen Ökonomie evoziert werden, stellen die Rahmenbedingungen für die strategischen Zielsetzungen der hier vorgestellten Produktsparte dar. Der globale Wettbewerb erfordert auch die Schärfung des Profils einzelner Produktsparten in den großen Konzernen. Die individuelle Profilierung konzerneigener Marken durch spezifische architektonische Räume ist in allen Bereichen der Automobilindustrie zu beobachten. Sie zeigt sich z.B. in der ausdifferenzierten architektonischen Umsetzung der MarkenPavillons in der Autostadt als auch in den Neubauten für die Marke »Mini« der BMW Group, deren Corporate Identity Standards7 sich deutlich von den Standards der BMW Group absetzen. Die Notwendigkeit einer Profilierung des Unternehmens erforderte die Etablierung eines Ortes, mit dem dieses identifiziert und an dem es lokalisiert werden konnte. An diesem Ort sollten die bisher in unterschiedlichen Gebäuden und an verschiedenen Standorten verstreuten Funktionen der Sparte räumlich zusammengeführt werden, um alle Funktionen in einem gemeinsamen Gebäude zu bündeln. Das lokale räumliche Umfeld, in dem das Projekt geplant wird, ist ein traditioneller Industriestandort, der das Stammwerk von mehreren industriellen Agglomerationen des Konzerns in einem süddeutschen metropolitanen Ballungsraum ist. Wie viele andere industrielle Standorte ist auch dieser Standort 7 | Corporate Identity Standards umfassen üblicherweise Beschreibungen zur Farbwahl, zur Verwendung von Schriftbildern und zur gesamten Gestaltung des Außenauftritts.

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strukturellen Wandlungsprozessen ausgesetzt, die Castells als Transformation vom industriellen Standort zum Innovationsmilieu beschreibt. Ein (modernes) Innovationsmilieu ist dadurch gekennzeichnet, dass Prozesse, Arbeitskultur und Zielsetzungen auf die »Schaffung neuen Wissens, neuer Prozesse und neuer Produkte ausgerichtet« sind (Castells 2001: 445). Als lokalisierte Agglomeration operiert ein Innovationsmilieu mit zwei Modi der Handlungsfokussierung: Räumliche Nähe ist aufgrund der Produktionsprozesse und der Menschen, die dort arbeiten, eine notwendige materielle Voraussetzung, die Prozesse sind jedoch »auf die Kommunikation von Ideen und Innovationen über die globalen und virtuellen sozialen Netzwerke angewiesen« (ebd.: 445). Auch an dem hier beschriebenen Standort beinhaltet die Metamorphose in ein modernes Innovationsmilieu die Zunahme von Bürofunktionen und repräsentativen Funktionen. Nach wie vor werden am Standort Fahrzeugteile produziert, aufgrund der voranschreitenden Trennung und Aufteilung von Entwicklungs- und Produktionsfunktionen haben die Produktionsfunktionen jedoch in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Das Gelände ist, wie alle Werksgelände der Automobilindustrie, ein abgeschlossener und über Zugangs- und Einfahrtskontrollen gesicherter Bereich. Auch der Zugang zu den einzelnen Gebäuden ist, je nach Sicherheitsstufe, abgesichert. Das neue Gebäude soll effektive Arbeitsprozesse ermöglichen, um durch räumliche Nähe und entsprechende Raumangebote für Begegnung und Wissensaustausch Synergien zwischen den unterschiedlichen Funktionen zu verstärken. Die einzelnen Funktionsbereiche wie die Prototypen-Produktion, Modellierung und Datenkontrollmodelle, Produktsimulationen, Entwicklungsbereiche sowie administrative Funktionen wie Marketing, Finanzen, Verkaufsfunktionen und Spartenvorstand sollten direkt und über kurze Wege miteinander kommunizieren können, um gleichermaßen an den unternehmensspezifischen Wissensressourcen zu partizipieren und diese gemeinsam weiterzuentwickeln. Der prozessuale und sozialräumliche Bezugsrahmen für das Projekt wird im Nachhinein in einer Veröffentlichung so beschrieben: »In zunehmendem Maße haben 3i-Organisationen, ausgerichtet entlang der Schlagwörter Ideen, Information und Interaktion (de Vries) traditionelle Organisationsformen überholt. Anwendung, Generierung und Austausch von Wissen sind dort die wichtigsten Faktoren für den Organisationserfolg« (Zillig 2007: 217).

Die Schaffung räumlicher Strukturen, die zur Zirkulation des vorhandenen Wissens beitragen, um ein neues kollektives Wissen aus der Synergie von Produktion und Entwicklung entstehen zu lassen, ist daher eine der wesentlichen Zielsetzungen des Projektes. Zur Erreichung dieser Zielsetzung wird der Grad

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an Kommunikation der Mitarbeiter untereinander als entscheidende Maßeinheit angesehen: »Im gleichen Maße wie die Bedeutung von Wissen steigt, nimmt auch die Bedeutung von Kommunikation zum Erwerb und zur Synchronisation von Wissen zu. Dies führt vor allem auch im Bereich des Büros zu geänderten Anforderungen an Struktur, Aufbau und Flexibilität und bedeutet, dass Büros speziell für die Charakteristika eines Unternehmens entwickelt und umgesetzt werden sollten« (ebd.: 217).

Kommunikation wird heute in vielen Konzepten für moderne Raumstrukturen als essentiell für Arbeitsprozesse und eine erfolgreiche Arbeitskultur angesehen. Die Fraunhofergesellschaft hat das moderne Bürogebäude als Kommunikationszentrale ausgerufen (vgl. Klein 2008: 2). Der Kommunikationsbegriff ist dabei jedoch häufig ebenso vage wie ein anderes Schlagwort, das im Zusammenhang mit modernen Raumkonzepten gerne genannt wird, der »Wohlfühlfaktor«8 . im Büro. In den meisten Fällen ist mit dem Begriff der Kommunikation die persönliche Begegnung gemeint und nicht die Kommunikation durch E-Mails, Telefongespräche oder in organisierten Meetings. Ein Grund für den erhöhten Kommunikationsbedarf wird in der zunehmenden Virtualisierung und Digitalisierung von Prozessen und Interaktionen gesehen, die im Gegenzug das Bedürfnis nach persönlichen Gesprächen und gemeinsamen Handlungen verstärken. Face-to-Face-Begegnungen werden als essentiell für die innovative Ideenfindung in Organisationen angesehen, 80 % der Innovationen in Organisationen ergeben sich durch die informelle persönliche Begegnung. Wesentliche Voraussetzung dafür sind offene Raumstrukturen, da diese den Sichtkontakt zwischen den Akteuren ermöglichen, die weniger als 50 m voneinander entfernt sein sollten (vgl. Allen 1984). Neben den prozessualen Zielsetzungen bestimmen die quantitativen Grundlagen der Flächenansprüche die Planungen. Das Gebäude soll ca. 1.200 Mitarbeitern Raum geben. Die Flächenanforderungen für die gesamte Sparte betragen zu Beginn 36.000 BGF qm. Das Raumprogramm enthält sowohl die Flächenanforderungen der Prüffeld-, Werkstatt-, und Logistikfunktionen als auch die Flächen für die Büroarbeitsplätze der Entwicklungs- und Administrationsbereiche. Aufgrund der zunehmenden Relevanz von Simulationen und digital gesteuerten Visualisierungen für den Produktentwicklungsprozess sollen entsprechende technologisch hochwertige Präsentations- und Simulationsräume geschaffen werden. 8 | Auf dem Weg ins Wissenszeitalter gibt es kein Zurück […]. Neue Büroformen, bahnbrechende Fortschritte in der IuK – Technologie und das Wissen um den »Erfolgsfaktor ›Mensch‹ bedürfen einer Office Performance in der die Förderung von Kreativität und die Steigerung von Wohlfühlfaktoren im Mittelpunkt stehen« (Top Office 2009).

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Der Planungsprozess basiert zu Beginn vor allem auf den quantitativen Grundlagen. Um die Dynamik des Planungsprozesses zu verdeutlichen, habe ich seine wesentlichen Schritte in einem Diagramm dargestellt (vgl. Abbildung 6) und verschiedene Kategorien definiert. Um deutlich zu machen, welche Parameter und Grundlagen den jeweiligen Planungsschritten zugrunde gelegt wurden, sind parallel zur linearen Abfolge des Planungs- und Bauprozesses Handlungsstränge definiert, welche die auf den Prozess einwirkenden sozialen Handlungen darstellen. Eine weitere Kategorie soll den Baufortschritt im Vergleich mit den Planungsaktivitäten zeigen. Dazu möchte ich den Aspekt der sozialen Handlung genauer erläutern. Der amerikanische Soziologe Thomas Gieryn hat in einer soziologischen Analyse zur Entwicklung eines Institutsgebäudes dargelegt, dass der Planungs- und Nutzungsprozess von Gebäuden sich in mehreren Stufen zwischen Handlung und Struktur bewegt (vgl. Gieryn 2002). Während des Planungsprozesses prägen soziale Handlungen die Struktur, wohingegen bei der Nutzung und Raumaneignung die – baulichen – Strukturen soziale Handlungen prägen, indem sie beispielsweise neue Verhaltensformen ermöglichen oder andere ausschließen. Das suggeriert, dass der Begriff soziale Handlung als feststehende Größe verstanden werden kann. Ich glaube jedoch, dass die Analyse des Verhältnis von sozialräumlicher Struktur und Raumproduktion es erfordert, zwischen verschiedenen Handlungssträngen zu unterscheiden, deren Verwobenheit oder Abgetrenntheit eine wichtige Rolle bei den Entscheidungen über die räumliche Struktur eines Gebäudes spielt. Daher sind diese auch im Diagramm gekennzeichnet. Strang 1 (Kreis) fasst die sozialen Handlungen der Planungsbeteiligten, d.h. Architekten, Fachplaner, Projektleiter und alle anderen im Planungsteam involvierten Akteure zusammen. Strang 2 (Quadrat) stellt die Ergebnisse aus der Evaluierung der sozialen Handlungsmuster der späteren Nutzer dar. Deren Handlungen sind in dieser Analyse nicht als Raumaneignungs- oder Nutzungsprozesse zu verstehen, sondern stehen für die Definition der räumlichen Anforderungen, die sich aus der Struktur von Arbeitsprozessen und Teambildungen und anderen Spezifika der Nutzer- und Arbeitstypologien ergeben. Strang 3 (Dreieck) steht für übergeordnete, konzerninterne Handlungen und Entscheidungen. Das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Handlungssträngen, d.h. deren gleichwertige – oder nachrangige – Integration in den Planungsprozess hat, wie ich noch aufzeigen werde, entscheidende Auswirkungen auf den Planungsprozess. Dasselbe gilt für die Hierarchisierung der Handlungsstränge, die als stellvertretend für unterschiedliche Projektparameter angesehen werden können.

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Abb. 6: Diagramm des Planungsprozesses

Der Entwurfsprozess für architektonische Räume ist ebenso wie deren Bauprozess aufgrund seiner aufeinander aufbauenden Schritte und Entscheidungen ein konstruktiver linearer Prozess. Diesem liegen Planungsentscheidungen und Projektparameter zugrunde, deren Relevanz im Verlauf des Planungs- und Baufortschrittes dahingehend abnimmt, dass die Möglichkeiten zur Veränderung einmal getroffener Entscheidungen im Verlaufe dieses linearen Prozesses immer mehr reduziert werden. Determinierende Projektparameter sind quantitative Größen wie die Anzahl der Mitarbeiter bzw. der Arbeitsplätze, die groben Flächenbedarfe sowie das finanzielle Budget, welches sich in Flächenkapazitäten umrechnen lässt. Ebenso sind die Anforderungen aus der sozialräumlichen Struktur, d.h. Organisationsstrukturen und Prozesse, soziale Handlungsmuster, Arbeitstypologien oder auch strategische Zielsetzungen determinierend. Quantitative Anforderungen werden in diesem Beispiel vor allem über Handlungsstrang 1 und 3 repräsentiert, wohingegen Handlungsstrang 2 vor allem die

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sozialräumliche Struktur repräsentiert. In einem relationalen Verständnis, so meine Annahme, können die sozialräumlichen und quantitativen Grundlagen als Beziehungsgeflecht verstanden werden, wodurch alle determinierenden Projektparameter bereits zu Beginn für den Planungsprozess relevant sind. Soziale Parameter und quantitative Anforderungen werden dann miteinander entwickelt. Geschieht hingegen die Analyse der sozialräumlichen Grundlagen erst im Verlauf des Planungsprozesses, können diese dementsprechend erst später in den Entwurfsprozess einfließen. Dieser beruht dann zu Beginn lediglich auf groben quantitativen Kalkulationen und Annahmen, so wie in dem hier analysierten Projekt. Auch hier lagen den ersten Planungsschritten nur sehr wenige sozialräumliche Parameter und Analysen zugrunde. Es hat eine zeitliche Priorisierung und Hierarchisierung der determinierenden Parameter stattgefunden, der spezifische soziale Handlungsmuster und Zielsetzungen zugrunde liegen. Deren Dynamik werde ich im Einzelnen anhand der jeweiligen Schritte und den diese definierenden Entscheidungs- und Selektionskriterien näher untersuchen. Schritt 1: Auswahl des Standortes Am Beginn des Planungsprozesses für das neue Gebäude steht die Entscheidung für den Standort. Diese Entscheidung wird von der Konzernführung getroffen (Handlungsstrang 3) unter Beteiligung einiger weniger Planungsbeteiligter (Handlungsstrang 1). Die spezifische Qualität des Ortes als territoriale Rahmung für das Projekt, d.h. die vorgegebene Form, die Lage und Einbettung innerhalb des gesamten Standortes als auch die umliegende Infrastruktur (Gebäude, Zufahrten, Parkmöglichkeiten) stellen wesentliche Projektdeterminanten dar, aus denen in diesem Projekt wichtige Vorgaben für den weiteren Entwurf hervorgehen. Der gewählte Standort ist aus verschiedenen Gründen signifikant. Als Baustreifen von 50 m ist der zur Verfügung stehende Planungsund Realisierungsspielraum für das neue Gebäude relativ eng bemessen. Die geplante Verortung des Unternehmens an dieser Stelle ermöglicht jedoch eine besonders gut sichtbare Repräsentation, da der Standort an mehreren Einfallstraßen liegt, darunter an einer der Hauptverkehrsadern, die in die Stadt führen, sowie in direkter Sichtverbindung mit der ICE-Trasse, von der aus – ca. 10 km vom Hauptbahnhof entfernt verlangsamt der Zug seine Geschwindigkeit – das Gebäude in aller Ruhe betrachtet werden kann. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen ist eine permanente visuelle Präsenz des Gebäudes gewährleistet. Konstruktiv und aufgrund seiner Kapazität birgt der Standort jedoch einige Probleme. Neben der schmalen Form und den Begrenzungen durch die Straße ist auch der Baugrund nicht optimal »Hier zu bauen war anfangs nicht denkbar, dazu brauchte es eine kühne Brückenkonstruktion und eine Pfahlplattengründung« kommentierte ein Mitarbeiter der konzerneigenen Planungsabteilung in einem Zeitungsinterview die gegebenen Rahmenbedingungen (vgl. Deutsches Architekturforum 2008). Die Projektparameter, die zu diesem Zeitpunkt offi-

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ziell das Projekt bestimmen, basieren auf der quantitativen Anforderung, 1.200 Mitarbeiter an einem Ort und in einem Gebäude unterzubringen. Der Standort wird jedoch weder im Hinblick auf die Auswirkung der räumlichen Begrenzung des schmalen Grundstückes auf die Gebäudeform noch auf damit verbundene Kapazitätseinschränkungen hin überprüft. Anforderungen aus dem Handlungsstrang 2 spielen außer über die evaluierten Mitarbeiterzahlen beim ersten Schritt keine Rolle. Schritt 2: Gebäudeentwurf Der zweite Schritt beschreibt den Gebäudeentwurf, d.h. die Festlegungen der Gebäudeumrisse für die einzelnen Geschosse, sowie die Gebäudeform selbst. Die Eingliederung in die vorhandene bauliche und infrastrukturelle Situation des gewählten Standortes – wie beispielsweise die außerhalb des Geländes verlaufende erhöhte Einfallstraße und der schmale Baustreifen – schafft spezielle Vorgaben für die Gebäudeform. Daraus ergeben sich formale Restriktionen, die dazu führen, dass das Gebäude wie ein Pilz konstruiert wird (vgl. Abbildung 9). Auf diese Weise steht in den oberen Geschossen, über der Straße, mehr Fläche zur Verfügung als in den unteren, durch Straße und Infrastruktur eingeschränkten Geschossen. Abb. 7: Schnitt durch das Gebäude

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Es entsteht ein Bauwerk von 100 Metern Länge, 70 Metern Breite und 56 Metern Höhe. Die unteren Geschosse sind für Werkstattfunktionen wie Versuchs- und Prototypenwerkstatt vorgesehen und werden rechteckig ausgebildet. Die Anlieferung von Bauteilen erfordert die Lage an werksinternen Zufahrtsstraßen. In der Mitte des Gebäudes entsteht ein Zwischenbereich für Simulations- und Präsentationsfunktionen. Darüber folgen sechs Bürogeschosse, die in Form einer auseinander geschnittenen Ellipse geplant werden. Diese Gestaltung ist vordefiniert durch die Linienführung der Einfallstraßen, die sich so nach Ansicht der Entwerfer am besten ausnützen lässt. Wie ich später noch belegen werde, hat die Entwicklung der ellipsenartigen Konfigurationen gravierende Auswirkungen auf die Innenräume. Der zweite Planungsschritt ist vor allem durch die Entscheidungen und Gestaltungen von Handlungsstrang 1 definiert und basiert auf Planungs- und Entwurfstätigkeiten sowie konzerninternen Abstimmungsprozessen. Die Anforderungen aus der sozialräumlichen Struktur aus Handlungsstrang 2 werden lediglich durch quantitative Vorgaben repräsentiert. Eine grobe Kapazitätsprüfung des Entwurfs im Hinblick auf die geplanten Funktionen ergibt anschließend, dass das Gebäude nicht genügend Kapazitäten für alle Mitarbeiter bereithält. Der Entwurf wird jedoch nicht verändert. Abb. 8: Ausschnitt Grundriss Gebäudeform

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Schritt 3: Konstruktion und Haustechnik Zeitlich eng verknüpft mit der Entwicklung der Gebäudeform ist die Entwicklung von Statik und Gebäudetechnik. Aufgrund der »Pilzkonstruktion« ergibt sich eine konstruktive Dreiteilung des Gebäudes. Das Gebäude muss von einer massiven Statikkonstruktion getragen werden: 108 Bohrpfähle verbinden sich mit einer Bodenplatte, von der aus 12 Megastützen von 1,5 m Durchmesser – ein für Stützen ungewöhnlich großes Ausmaß – die Bürogeschosse tragen, die eine Last von bis zu 10.000 Tonnen haben. Die Megastützen wirken teilweise sehr markant auf die Innenräume und Gebäudekonstruktion, dadurch beeinflussen sie an mehreren Stellen die Innenraumqualität erheblich, wie ich noch belegen werde, insbesondere da sie gestalterisch nicht integriert sind. Neben der statischen Konstruktion stellen die Infrastrukturen, d.h. Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Versorgungsleitungen, Erschließungswege sowie die Zentralen und Verteilerräume für die technische Versorgung des Gebäudes wesentliche Determinanten für Gebäudekonstruktion und Gestaltung dar. Dieser Schritt wird ebenfalls ausschließlich von den sozialen Handlungen und Überlegungen von Handlungsstrang 1 bestimmt, es erfolgt keine Integration möglicher Anforderungen aus Handlungsstrang 2. Schritt 4: Fassade und Außenwirkung Die Entwicklung der Fassade ist eng an den Entwurf der Gebäudekonstruktion angebunden. Der Wettbewerb in einer globalen Ökonomie führt bei der Produktion architektonischer Räume dazu, dass die planerischen Aktivitäten von der Zielsetzung geprägt werden, adäquate Images für die Repräsentation im globalen Raum zu kreieren (vgl. Kapitel 2 und 3). Diese Dynamik wirkt auch auf die Gestaltung der Fassade in diesem Projekt. Aufgrund der ästhetizistischen Vorstellungen der planenden Akteure ist die Fassade des ellipsenförmigen oberen Gebäudeteiles in einigen Bereichen gegliedert und abgesetzt, was sich auch auf die Form des Gebäudes und auf die Raumformen im Inneren auswirkt. Im Vergleich zur aufwändigen und repräsentativen Gestaltung der Fassade durch Glaselemente und Trennungen in den Bürogeschossen bleibt die Fassade der Gebäudeteile für Werkstätten und Prototypenbau zurückhaltend. Sie ergibt sich aus der Gebäudekonstruktion, hat weniger Fensterflächen und keinen Repräsentationsanspruch. Von der Straße außerhalb des Werksgeländes ist jedoch nur der obere, repräsentative Teil des Gebäudes sichtbar (siehe Abbildung 9) der untere Teil des Gebäudes wird durch die Mauer entlang der Schnellstraße verdeckt.

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Abb. 9: Ansichten des Gebäudes innerhalb des Werkes (links) und von der Straße (rechts)

Davon ausgehend, dass Gestaltungswille und Repräsentationsanspruch einer Fassade auch ein Indiz für die Wichtigkeit der dahinter liegenden Funktionen sind, kann darauf geschlossen werden, dass den Entwicklungsfunktionen innerhalb des Unternehmens mehr Relevanz zugeordnet wird als den Werkstattfunktionen. Die Ansicht von der Straße (vgl. Abbildung 10) zeigt die hohe visuelle Signifikanz des Standortes. Über das weithin sichtbare Gebäude erhält die Produktsparte innerhalb des Konzerngefüges einen neuen Stellenwert; durch die Präsenz und Ausdrucksweise eines repräsentativen technischen Artefaktes wird das Image des gesamten Standorts gestärkt und kann dementsprechend als Bild in die Welt gesandt werden. Da es für einen Neubau der Freisetzung eines entsprechenden Budgets innerhalb des Konzerngefüges bedarf, ist die geplante visuelle Qualität des Gebäudes auch relevant für die wirtschaftliche Durchführbarkeit. Ein Gebäude, das nur funktionale Ziele wie z.B. die Bündelung bestimmter Funktionen verfolgt, aber nicht den Gesamteindruck für den Konzern optimiert, wird durch die zunehmend kompetitiven Bedingungen in einem globalen Markt auch wirtschaftlich immer schwerer durchsetzbar sein. Obwohl die Fassade durch ihre Gestaltung Gebäudeform und Raumstrukturen beeinflusst, wird der vierte Planungsschritt ebenfalls ohne Beteiligung von Handlungsstrang 2 geplant und gründet auf den Entscheidungen – und damit auch auf den dort vorgenommenen Interpretationen – der sozialräumlichen Struktur von Handlungsstrang 1.

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Abb. 10: Sicht auf das Gebäude von der Einfahrtsstraße in die Stadt

Schritt 5: Raumstrukturen Die Raumstrukturen des neuen Gebäudes, d.h. Zuschnitt und Anordnung der Innenräume, Raumgrößen, die Relation von geschlossenen Räumen und offenen Büroflächen, Raumfunktionen wie beispielsweise Meetingräume und Nebenräume wie Toiletten oder Lagerräume werden erst geplant, als alle Parameter der Gebäudekonstruktion bereits festgelegt sind. Gebäudeform, Elemente der Gebäudeerschließung, wie die Lage der Aufzüge und Treppenkerne, aber auch Wasseranschlüsse, haustechnische Versorgungsräume sowie die Fassadengestaltung stehen fest und stellen die Rahmenbedingungen für den fünften Planungsschritt dar. Gleichwohl ist dieser Planungsschritt der erste Schritt, in dem eine direkte Einbindung der evaluierten Nutzungsprozesse und sozialräumlichen Strukturen des Unternehmens, die sich in Handlungsstrang 2 abbilden, erfolgt. Die Festlegungen aus den ersten 4 Planungsschritten führen zu einer vorperforierten Grundriss- und Gebäudeform, in die Räume und Raumstrukturen quasi nachträglich eingepasst werden müssen. Sie strukturieren damit durch die räumlichen Möglichkeiten, die sie eröffnen oder verschließen, soziales Handeln: »to some degree, every design is a blueprint for human behavior and social structure, as well as schematic for the thing itself« (Gieryn 2002: 42). Dieser blueprint lässt sich am stärksten und unmittelbarsten über die Raumstrukturen erfahren, da diese über Raumangebote und Flächenzuweisungen die Arbeitsprozesse und Handlungsmuster direkt beeinflussen. Die formalen Entscheidungen zur Gebäudeform determinieren somit menschliche Handlungen

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und Verhaltensmuster. Raumgrößen bestimmen die Größe von Teambildungen und Projektclusterungen. Entsprechende Raumangebote tragen zur Konstitution informeller und prozessrelevanter Interaktion und Kommunikation bei und können Rückzug und Konzentration ermöglichen. Sind beispielsweise nicht genügend Raumangebote für persönliche Begegnung gegeben, wirkt sich das auf die soziale Atmosphäre und die Wissensvermittlung aus, da die Bereitschaft zum Wissensaustausch an Sichtkontakt und persönliche Begegnung gebunden ist (vgl. Allen 1984). Auch die hierarchische Ordnung eines Unternehmens drückt sich in Raumund Flächengestaltungen aus und wirkt über diese auf Arbeitsprozesse und soziale Strukturierung. Wenn Raumstrukturen sehr hierarchische Flächenzuordnungen spiegeln, d.h. wenn Führungskräfte wesentlich mehr Fläche zugewiesen bekommen als Mitarbeiter in den unteren Organisationsebenen, so wie das in dem hier evaluierten Beispiel der Fall ist, werden über den physischen Raum Strukturen etabliert, die zu »praktisch wirksamen Hierarchisierungen« (Bourdieu 1991: 27) führen. Auch wenn Bourdieu sich nicht auf Unternehmensstrukturen bezieht, so können seine Beobachtungen der Zusammenhänge von physischem Raum und der Konstitution sozialer Räume auch auf die Auswirkungen von hierarchischen Raumverteilungsprozessen in Unternehmen angewandt werden. Wenn Mitarbeiter wie in diesem Beispiel in direkter räumlicher Nähe sowohl strukturell als auch visuell mit stark ausdifferenzierten Flächenzuweisungen konfrontiert werden, manifestiert sich über die körperliche Einschreibung der Raumstrukturen in die mentalen Strukturen auch eine spezifische Form sozialer Ordnung (vgl. ebd.: 27). Offene Raumstrukturen, die mit wenig Abtrennungen und angeglichenen Flächenzuweisungen auskommen, ermöglichen Kommunikationsformen und eine soziale Dynamik, die in kleinteiligen Raumstrukturen, abgeschlossenen Räumen und stark ausdifferenzierten Flächenzuweisungen nicht möglich sind. Aufgrund der Interdependenzen von Gebäudeform, Fassadenraster, Raumtiefen und Raumkonzeptionen sind Raumstrukturen in hohem Maße abhängig von Form und Konstruktion des Gebäudes. Da die Verwobenheit dieser Parameter und deren projektspezifische Anordnung im Kontext meiner Analyse besondere Bedeutung hat, möchte ich die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Aspekten von Gebäudekonstruktion nachfolgend detaillierter erläutern: Ein wesentlicher Aspekt des Gebäudeentwurfs ist die Gebäudetiefe. Diese bestimmt Raumgrößen und Raumstrukturen sowie die Anordnung von Räumen, Arbeitsplätzen und begleitenden Funktionen wie Meetingräume oder Nebenräume. Die meisten Verwaltungsgebäude haben Gebäudetiefen zwischen 10 m und 16 m. Grundsätzlich gilt: Umso geringer die Gebäudetiefe, d.h. wenn diese unter 12.50 m liegt, umso weniger Raum für horizontal angeordnete Funktionen gibt es, da die Arbeitsplätze hauptsächlich längs hintereinander angeordnet werden müssen (vgl. Abbildung 11), was die Kommunikation erschwert und

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eine Einschränkung für die Bildung größerer Teameinheiten darstellt. Daher führen geringe Gebäudetiefen in der Regel zum klassischen Ämtergrundriss aus Mittelflur und seitlich angeordneten Einzel- oder Doppelräumen. Gebäudetiefen zwischen 12 m und 15 m eignen sich sehr gut für Kombi-Office-Lösungen oder Mischlösungen, sie beinhalten jedoch, umso geringer die Gebäudetiefe ausfällt, Einschränkungen für offene Raumstrukturen. Eine Gebäudetiefe von ca. 14 m – 17.50 m eignet sich beispielsweise sehr gut für offene Bürokonzepte oder auch – begrenzt – für Kombi-Office-Lösungen9 , die aufgrund der Möglichkeit zum Wissensaustausch und auch aufgrund der wirtschaftlichen Flächennutzung immer häufiger in der Automobilbranche zum Einsatz kommen. Mitarbeiter haben sowohl in der Länge als auch in der Tiefe Sichtkontakt und können miteinander kommunizieren. Mittelzonen können als Multifunktionsbereiche genutzt werden, was lange Erschließungswege verhindert und die Flächeneffizienz optimiert. Wird ein Gebäude sehr viel tiefer als 18 m oder 19 m, so ergeben sich aufgrund der Entfernung vom Tageslicht (die in Deutschland für Dauerarbeitsplätze genormt ist) dunkle Zonen in der Mitte, die nur für Nebenfunktionen genutzt werden können. Um die Flächen dennoch zu nutzen, müssen entweder Nebenfunktionen, d.h. abgeschlossene Räume, in die Mitte gelegt werden, wodurch die Transparenz – wenn diese für Teams gewünscht wird – abnimmt, oder es nehmen die ungenutzten Flächenanteile zu, was die Flächenbilanz und damit die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes verringert. Abb. 11: Raumzuschnitte, Flächentypen und mögliche Funktionen

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9 | Ein Kombi-Office ist ein Büroraumkonzept in dem sich um einen sogenannten Allraum Räume mit Glastüren anordnen, die Einzel- oder Gruppenräume sein können. Zielsetzung ist die Möglichkeit zur Sichtverbindung (Glas) und zur Kommunikation (Allraum) bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Konzentration (Büroraum).

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Auch die Gestaltung und Skalierung von Fassadenrastern hat Auswirkungen auf Raumgrößen und Raumanordnungen, da Achsraster die Anschlussmöglichkeiten für Wände definieren. Fassadenraster ergeben sich aus der Größe von Fertigteilen und Fensterelementen. Gängige Raster sind beispielsweise 1.25 m, 1.30 m, 1.50 m oder 1.75 m; Sondermaße und Zwischenformen sind möglich. Über die Wandanschlüsse bestimmt die Fassade Raumgrößen und die Anzahl von möglichen Arbeitsplätzen in einem Raum. Projektarbeit und offene Kommunikationsstrukturen erfordern größere Raumzuschnitte als Einzeltätigkeiten. Wird die Fassade unabhängig von der Evaluierung der für die Arbeitsprozesse erforderlichen Raumzuschnitte und Arbeitsplatzkonfigurationen konstruiert, müssen sich Raumzuschnitte und Raumgrößen aus den vorgegebenen Achsmassen ergeben. Dabei kommt es auch darauf an, wie ausgefallen die Fassade ist. Runde Formen oder stark zergliederte Fassaden, die darüber hinaus den Lichteinfall beeinflussen, produzieren problematischere Vorgaben als neutrale, gleichmäßige Lösungen mit einem im gesamten Gebäude gleichmäßigen Achsmaß, in dem Raumzuschnitte einfacher herzustellen sind. Beide Aspekte, Fassadenraster und Gebäudetiefe, entscheiden somit über Raumstruktur und über Flächenqualitäten sowie darüber, welche Raumangebote für die sozialräumliche Struktur sich daraus ergeben. Sie haben zudem über die Flächeneffizienz eine direkte Auswirkung auf Kapazität und Wirtschaftlichkeit des Gebäudes. Auch in dem hier vorgestellten Beispiel sind die Möglichkeiten zur Gestaltung der Raumstrukturen durch die Festlegung der Gebäudetiefe, Gebäudeform und Fassadengestaltung vordefiniert und entsprechend eingeschränkt. Dies wirkt sich vor allem auf die Raumzuschnitte der Ellipsengeschosse und der Zwischengeschosse aus. Die Werkstattbereiche waren aufgrund ihrer funktionalen und technischen Ausrichtung weniger auf die Umsetzung sozialräumlicher Aspekte angewiesen. In einem ersten Schritt wurde von der konzerneigenen Planungsabteilung, die sowohl Handlungsstrang 2 als auch Handlungsstrang 3 zugeordnet werden kann, eine grobe Skizzierung der Raumstrukturen in den Ellipsen- und Zwischengeschossen vorgenommen. Die daraus entstehenden Festlegungen beruhen auf einer abteilungsspezifischen Anordnung von Funktionen, was sich aufgrund der daraus resultierenden mangelnden Nutzungsflexibilität als nicht zielführend erwies. Anhand der Planungen wurde jedoch deutlich, dass das Gebäude nicht die Kapazitäten besaß, alle geplanten Bürofunktionen der Sparte dort unterzubringen. Da der Planungsprozess für Gebäudeform und Konstruktion bereits abgeschlossen war und das Gebäude sich im Bau befand, konnten keine entsprechenden Änderungen mehr vorgenommen werden. In einem zweiten Planungsdurchgang durch externe Berater wurde eine modulare Raumstruktur (vgl. Abbildung 12) entwickelt, die auf den Evaluierungen zu den Arbeitsprozessen der Organisation basierte. Die Modularisierung der Flächen wurde durch die unterschiedlichen Raumtiefen einer Ellipsenform als auch

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durch die abgeschrägte Fassade erschwert, die in jedem Geschoss andere Raumgrößen hervor brachte. Trotz der Flächenersparnisse eines modularen Raumkonzeptes mussten einige Unternehmensfunktionen in benachbarte Gebäude ausgelagert werden. Diese Auslagerungen führten innerhalb der Mitarbeiter zu Konkurrenzsituationen, die ausgelagerten Mitarbeiter fühlten sich benachteiligt und nicht integriert, da zum einen das Gefühl, am Neuen teilhaben zu können verloren ging und die Gebäude zudem nur in einem Stockwerk durch eine Brückenkonstruktion miteinander verbunden wurden. Die Vorgaben zur Art der Raumstruktur zielten darauf ab, offene Büroflächen zu schaffen, da die Arbeitsprozesse in den Entwicklungsbereichen als weitestgehend homogen verstanden wurden und der Wunsch nach Synergieeffekten, Kommunikation und Wissensaustausch mit einer offenen Raumstruktur am besten umgesetzt werden konnte. Abb. 12: Planungen der Raumstrukturen Bürogeschoss

Da neben den üblichen Richtlinien auch konzerninternen Standards und Vorgaben gefolgt werden musste, welche die Umsetzung hierarchisch angelegter Flächenstandards beinhalteten, durften Führungskräfte größere Räume beanspruchen als ihre Mitarbeiter. Das führte dazu, dass in die offenen Strukturen immer wieder Einzelbüros für Team- und Projektleiter eingeplant werden mussten, die nicht bereit waren, ihren Flächenanspruch aufzugeben und mit ihren Mitarbeitern in den offenen Raumbereichen zu sitzen. Ausgenommen

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von der offenen Struktur waren zudem Meetingräume, Vorstandsbereiche und administrative Funktionen sowie Nebenräume wie Lager und WC-Räume. Die konstruktive Beschaffenheit des Gebäudes wirkte auch determinierend und vorstrukturierend auf das Zwischengeschoss (vgl. Abbildung 13). Als räumlicher Vermittler zwischen den Bürofunktionen in den Obergeschossen und den Werkstattfunktionen in den Untergeschossen hatte es im Verlauf des Prozesses den Namen »Herzstück« erhalten. Die Vermittlungs- und Verbindungsrolle des Zwischengeschosses spiegelt sich in den dort untergebrachten Funktionen wie Meetingräumen, einem Center mit modernen Simulations- und Visualisierungstechnologien sowie variabel nutzbaren Ausstellungs- und Präsentationsbereichen. Abb. 13: Formale und konstruktive Begrenzungen im Zwischengeschoss

Neben der Repräsentationsfunktion der öffentlich zugänglichen Bereiche sollen sich hier vor allem Produktentwicklung und Produktumsetzung zu einem gemeinsamen Prozess verbinden. Das Herzstück zeichnet sich durch die Unvereinbarkeit von Gebäudekonstruktion und Nutzungsanspruch aus. Die hier besonders deutlich hervortretenden voluminösen Stützen (die roten Punkte in Abbildung 13), der zerklüftete Raum und die Nähe zur Straße lassen einige der hier entstandenen Bereiche zu Nicht-Orten (vgl. Kapitel 3) werden (vgl. Abbil-

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dung 13), da die Flächen nicht dauerhaft genutzt werden können, weil sie entweder direkt an der Wand oder oberhalb der Straße liegen. Auch die Außenbereiche sind – obwohl in den Plänen als Terrassen ausgewiesen – nicht nutzbar. Man sieht auch deutlich die Krümmung im oberen Bereich des Gebäudes, die dem Verlauf der Schnellstraße angepasst ist. Auf zeitlicher Ebene führt die späte Einbeziehung der sozialräumlichen Grundlagen und das späte Nachdenken über Raumstrukturen neben der Auslagerung einiger Unternehmensfunktionen aufgrund der Fehleinschätzung der Gebäudekapazität dazu, dass – obwohl die Raumstrukturen noch entwickelt werden – der Baufortschritt trotz der Planungen immer weiter voranschreitet. Dadurch sind die zu Beginn getroffenen Festlegungen kaum mehr zu revidieren. Schritt 6: Arbeitsplätze Der letzte Prozessschritt der Planungen beinhaltet die Gestaltung und Auswahl der Arbeitsplätze. Ebenso wie bei der Planung der Raumstrukturen musste auch hier konzerninternen Standards und Vorgaben gefolgt werden. Arbeitsplätze, d.h. ihre Mindestgröße, Bewegungsspielräume, Erschließungen und Rahmenbedingungen wie Tageslichtbedarf oder Akustik sind in Deutschland und auch der EU durch »EU-Arbeitsplatzrichtlinien« sowie nationale Regularien und DIN-Vorschriften weitestgehend genormt. Diese zu planen bedeutet daher vor allem, sie sinnvoll anzuordnen, was besonders in offenen Raumstrukturen eine planerische Leistung erfordert, die impliziert, Möbeltypen und deren Ausmaße auszuwählen. In diesem Projekt musste z.B. entschieden werden, ob Schreibtischgrößen von 1.80 m x 0,90 m oder 1.00 m x 2.00 m oder Sondergrößen eingeplant werden sollten. Ergänzt werden die Möblierungen durch das Gesamtarrangement von Möbeln wie Ablageschränken, Rollcontainern oder von mobilen Trennwänden. Nach Abschluss des Projektes wird darauf hingewiesen, dass auch 700 Grünpflanzen zum Einsatz kamen, was offensichtlich als Erfolg oder als besonderes Zugeständnis an die Mitarbeiter angesehen wird (vgl. Zillig 2007). Die zu Beginn erwähnte Homogenisierung der Arbeitsprozesse in der Automobilindustrie führt zu einer konzerninternen Vereinheitlichung der Arbeitsplatzgestaltungen. Die Arbeitsplätze werden daher aus einer vorbestimmten Auswahl der konzerneigenen Planungsabteilung ausgewählt. Dies ist ein in großen Konzernen durchaus übliches Procedere, da mit externen Möbelproduzenten Programme entwickelt werden, die den konzernspezifischen Standards und Anforderungen entsprechen. Sonderwünsche und Individualisierungen bewegen sich daher in einem vorgegebenen Rahmen. Auch wenn der Arbeitsplatz in einem Bürogebäude das kleinste Modul ist, stellt er für den Arbeitsprozess ein sehr wichtiges Modul dar. Das Potential der Konfiguration und Anordnung von Arbeitsplätzen steht in direktem Zusammenhang mit den gewählten

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Raumstrukturen und ist maßgeblich eingeschränkt, wenn Räume ohne Einbeziehung der potentiellen Arbeitplatzanordnungen entwickelt werden. Trotz der aufwändigen Evaluierungen zur sozialräumlichen Struktur werden die Planungen der Arbeitsplätze – neben den räumlichen Vorgaben – von bereits vorgegebenen konzerninternen Standards dominiert, was zu Differenzen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen führte. Die spezifische Raumstruktur erschwerte zudem aufgrund der Abrundungen und Einschnitte den Einsatz der benötigten Tischgrößen, was zu weiteren Auslagerungen in die Nachbargebäude führte. Es galt somit zwischen höherer Gebäudekapazität und optimaler Arbeitsplatzausstattung abzuwägen. Nach dem Einzug in das Gebäude erfolgt eine weitere unternehmensinterne Evaluierung, in der die Mitarbeiter befragt wurden, wie sie mit den neuen Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Einige Ergebnisse daraus wurden in einem Buch, das die Wirksamkeit neuer Bürokonzepte dokumentiert, veröffentlicht (vgl. Zinser/Boch 2007). Die Evaluierungen beschränken sich jedoch auf das Kommunikationsverhalten zwischen und in den Teams und auf die Beurteilung der Raumstrukturen im Vergleich zur vorherigen Raumsituation. Parameter zur Bestimmung des Verhältnisses von umgesetzten oder nicht ermöglichten Raumpotential finden sich nicht. Die – teilweise veröffentlichte – Studie fragt daher vor allem nach der Akzeptanz des neuen Arbeitsumfeldes in Mikrostrukturen und nicht nach übergeordneten Zusammenhängen oder dem Verhältnis zwischen sozialräumlichen Strukturen und Gebäudeentwurf. Einschränkungen wie beispielsweise die Lage an der Straße, die räumliche Trennung von einigen in den Nachbargebäuden untergebrachten Funktionsbereichen, die räumlichen Auswirkungen der ungewöhnlichen Gebäudeform oder die Frage, wie sich die konstruktive Dreiteilung des Gebäudes auf Prozesse und Wahrnehmungen auswirkt werden nicht thematisiert. Die Nutzungen in dem als Herzstück recht bedeutsamen Zwischengeschoss, das durch konstruktive Vorgaben räumlich stark zergliedert ist (vgl. Abbildung 13) werden lediglich in der Abfrage der technischen Qualitäten der dort befindlichen Simulationsräume thematisiert. In den Untersuchungen werden somit keine Parameter für den Zusammenhang von Raumstruktur und Arbeitsprozess definiert, sondern es wird lediglich die Optimierung von Kommunikationsprozessen durch räumliche Nähe und durch technische Neuerungen innerhalb kleinteiliger Teamstrukturen überprüft.

4.2.4 Zusammenführende Betrachtung des Planungsprozesses Mit dem neuen Gebäude kann sich die Sparte trotz aller Einschränkungen sowohl nach außen als auch innerhalb des Konzerns positionieren. Ähnlich wie Städte, die ihren Wettbewerb untereinander auch mittels ihrer Architekturen austragen (vgl. Kapitel 3), profilieren sich auch unterschiedliche Unterneh-

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mensbereiche der großen Konzerne über ihre spezifischen architektonischen Artefakte. Ein Projektverantwortlicher betont während des Planungsprozesses mehrfach, dass es von Bedeutung sei, dass das Gebäude einen anderen repräsentativen Neubau am gleichen Standort um einige Meter überrage. Größe und architektonische Neuausrichtung demonstrieren Wichtigkeit und Macht (vgl. Kapitel 3). Das neue Gebäude stabilisiert den Status der Sparte, unabhängig von seinen inneren Qualitäten, allein durch dessen Präsenz und visuelle Prägnanz. Dieses repräsentative, visuelle Denken spiegelt sich auch in der Anordnung der Planungsgrundlagen. Obwohl die Grundlage der Planungen die intern und extern kommunizierte Zielsetzung war, alle Funktionen der Organisation an einem Ort, in einem gemeinsamen Gebäude, zu bündeln, gelang dies nicht. In den Medien präsentiert sich die Sparte jedoch über ein neues Gebäude und als an einem Ort gebündelt; dass einige hundert Mitarbeiter in einem Nebengebäude untergebracht sind, findet, wenn überhaupt, nur äußerst selten Erwähnung. Da Standortauswahl und Gebäudekonstruktion ohne zeitgleiche Integration der Parameter aus der sozialräumlichen Struktur erfolgten, konnte die Gebäudekapazität erst zu einem Zeitpunkt überprüft werden, der konstruktive Veränderungen nicht mehr zuließ. Die Priorisierung der Standortauswahl hat Auswirkungen auf die räumlichen Qualitäten im Gebäude. Durch die Auswahl eines Standortes in direkter Nähe zu einer stark befahrenen Einfallstraße (vgl. Abbildung 9 und 10) besteht eine permanente Lärmbelästigung, so dass ein Öffnen der Fenster auf der Straßenseite des Gebäudes nicht möglich ist. Auch die Außenbereiche der Zwischengeschosse, in den Grundrissplanungen als Grünflächen ausgewiesen, sind aus den gleichen Gründen nicht nutzbar (außer man liebt es, Abgase zu riechen und Autos vorbeirauschen zu hören, was selbst in einem Unternehmen der Automobilindustrie nur vereinzelt der Fall sein dürfte). Diese funktionale und prozessuale Unzulänglichkeit des Neubaus verhindert jedoch nicht die effektive Inszenierung der Produktsparte an einem sichtbaren Ort über ein repräsentatives Gebäude. Besonders auffällig in der Art der Inszenierung ist die Diskrepanz zwischen der Ansicht innerhalb des Werkes, auf der die konstruktive Dreiteilung des Gebäudes erkennbar wird (vgl. Abbildung 9, linkes Bild) und dem Bild, das der Außenwelt zugänglich gemacht wird (vgl. Abbildung 10). Das lässt darauf schließen, dass die erfolgreiche Repräsentation der Sparte nach außen das wichtigste Ziel der Neuplanung darstellte. Innerhalb dieser Denkbewegung ist es folgerichtig, dass der Fassade so viel Raum und Bedeutung zugestanden wurde, denn die Fassade gestaltet das Image der Organisation im Äußeren, die Raumform jedoch ist etwas im Inneren, das zur Repräsentation nach außen nicht beiträgt. Wie in Kapitel 3 belegt, sind Bilder und Images von Architekturen wirkungsvolle Werkzeuge, um Machtstrukturen zu stabilisieren. Die Schaffung eines adäquaten Bildes ist daher strategisch

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wichtiger als die räumliche Umsetzung der sozialräumlichen Struktur der Organisation und führt zur Hierarchisierung der Projektparameter. Diese wird durch die Tatsache verstärkt, dass zum Zeitpunkt der Innenraumplanungen die Grundsteinlegung bereits erfolgt ist. Während noch um die passende Anordnung von Flächen für Arbeitsplatzgestaltungen gerungen wird, ist das Gebäude physisch bereits im 6. Stock angelangt, was bedeutet, dass die gestalterischen Spielräume nur noch sehr gering sind. Die Untersuchungen verdeutlichen auch, dass die sozialen Handlungen, die in den unterschiedlichen Handlungssträngen ineinander laufen, durch komplexe Zusammenhänge gesteuert werden. Das Produkt »Architektur« ist in Konzernstrukturen selten allein das Ergebnis der Entwurfstätigkeit eines externen Architekten. Auch wenn Handlungsstrang 1 im weitesten Sinn für die Entscheidungen der Architekten steht, so handelt es sich doch um die Ergebnisse der Aktivitäten und der Dynamik eines großen Planungsteams, in dem sich Planungsschwerpunkte mit dem Prozess verändern. Die Planung der Konstruktion erfordert Evaluierungen zu Statik und Bautechnik, die Innenraumstruktur erfordert hingegen den Einsatz gestaltungsintensiver Planungstätigkeiten; und während der Bauphase sind andere Probleme zu lösen als in der Vorplanungsphase. Die Auswirkungen des Wettbewerbs in einer globalen Ökonomie wiederum werden am stärksten über die Handlungen und Entscheidungen von Handlungsstrang 3 abgebildet. Obwohl die sozialen Handlungen aller Handlungsstränge wichtige und spezifische Entscheidungen und Informationen für die Projektentwicklung darstellen, werden diese nicht als miteinander verwoben betrachtet und entsprechend ausgeführt. Ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung ist daher, dass die verschiedenen Handlungen und die unterschiedlichen Projektparameter nicht als Beziehungsgeflecht verstanden werden, sondern dass diese trotz ihrer Verwobenheit linear angeordnet sind. Die zeitliche und hierarchische Anordnung von Handlungssträngen und Projektparametern als bedeutsam zu verstehen, baut auf zwei Annahmen auf. Die erste Annahme ist, wie bereits aufgezeigt, dass physische Raumstrukturen den blueprint für soziale Handlungen liefern und diese nachweislich strukturieren. Ohne diese Annahme wäre die Gestaltung von Raumstrukturen relativ bedeutungslos für Arbeitsprozesse und soziale Handlungen. Die zweite Annahme, die daran anknüpft ist, dass es so etwas wie eine subjektive Raumqualität gibt, die über erfolgreiche Arbeitsprozesse oder soziale Interaktionen entscheidet, d.h. dass es Raumstrukturen gibt, die Arbeitsprozesse besser oder schlechter unterstützen, die Begegnungen verhindern oder ermöglichen. Auf die zunehmende Bedeutung von Bürokonzeptionen und deren Ansätze habe ich in der Einleitung hingewiesen. Tom Peters hat bereits in den 1990er Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass das Management von Raum ein äußert wirksames Werkzeug sei, um Lernprozesse und Innovationsprojekte in Unternehmen zu fördern, wobei für ihn ein erfolgreiches Management von

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Raum weitestgehend darauf reduziert ist, ähnlich wie in anderen Raumkonzepten, Möglichkeiten für die Kommunikation untereinander zu schaffen (vgl. Peters 1993). Die Frage nach der Raumqualität10 und der Qualität der Anordnung von Räumen führt zur grundsätzlichen Frage: Was bedeutet der Raum für eine Organisation? Drepper ist dieser Frage nachgegangen und kommt zu dem Ergebnis, dass dieser seinen »Platz und […] Stellenwert in Programmfragen, Personalangelegenheiten etc.« (Drepper 2003: 108) habe. Weiter meint er dazu: »Man kann aber auch vermuten, dass räumliche Unterscheidungen (und damit auch physische Raumstrukturen, Anmerkung C.H.) den kommunikativen Möglichkeitsraum der Organisation und damit den Entscheidungsraum der Organisation konditionieren« (ebd.: 110). Somit kommt der Raumstruktur eine wichtige Bedeutung für die soziale Organisation zu. Wie aufgezeigt, ist deren Potential jedoch sehr begrenzt, wenn sie nicht von Anfang an mit der Entwicklung des Gebäudes zusammengedacht werden. Daraus ergibt sich für das hier analysierte Projekt die Frage, wie es aus sozialräumlicher Sicht zur Hierarchisierung der Projektparameter kam und welche Denkbewegungen und Konditionierungen in Bezug auf Raumproduktion und architektonischer Gestaltung dieser Hierarchisierung zugrunde lagen? Wurde die Relevanz von Raumstrukturen für die Umsetzung der sozialräumlichen Parameter nicht erkannt oder bewusst nicht wahrgenommen? Hatte die Konstruktion eines Images für den Konzern die oberste Priorität, obwohl die Projektleitung als wichtigste Zielsetzung die Bündelung von Funktionen und die Optimierung von Arbeitsprozessen kommunizierte? Oder ist der Planungsprozess per se reine »Willkür«, wie Gieryn11 es nennt? Auch die Angleichung von Arbeitsprozessen und Arbeitsplatzkonzepten und die dominierenden konzerninternen Standards erklären die nachrangige Anordnung der Raumstrukturen nicht, zumindest nicht ausreichend. Es könnte ferner angenommen werden, insbesondere aufgrund der Priorisierung visueller und konstruktiver Aspekte, dass aufgrund einer zunehmenden Homogenisierung von Arbeitsprozessen deren gestalterische Umsetzung als beliebig empfunden wird. Dem steht gegenüber, dass die entwickelten Raumstrukturen und Arbeitsplatzkonzepte im Nachhinein als herausragendes Beispiel für eine innovative und flexible Bürokonzeption präsentiert wurden und damit sogar ein Preis in der Kategorie Best Office (vgl. Zinser/Boch 2007) gewonnen wurde. Ist 10 | Der Begriff Raumqualität kann im Kontext meiner Untersuchung als stellvertretend für die Integration und Umsetzung sozialräumlicher Anforderungen gesehen werden. Raumqualität ist kontextabhängig, und Raumqualitäten, abgesehen von ihrer strukturierenden Wirkung schwer zu bewerten. 11 | Gieryn beruft sich in seiner Analyse von Planungsprozessen für Gebäude darauf, dass das Gebäude am Ende die »arbitrariness« des Entwurfes verbirgt und dass Designentscheidungen letztendlich willkürliche Entscheidungen sind (vgl. Gieryn 2002: 63).

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es denkbar, dass der Anspruch an Büroraumgestaltungen so niedrig ist, dass Preise gewonnen werden können, auch wenn aus dem Planungsprozess deutlich nachweisbar eine nachrangige Priorität der Gestaltung der Raumstrukturen bei der Gebäudeplanung hervorgeht? Dem steht gegenüber, dass der Markt für innovative, flexible und kommunikative Büroraumkonzepte in den letzten 15 Jahren boomt. Diese setzt jedoch weitestgehend auf einem dekorativen Verständnis der Gestaltung und Behandlung von Innenräumen auf, was die Priorisierung der Gebäudeplanung erklärt. Eine weitere Schlussfolgerung aus der Dynamik des Planungsprozess wäre, Gleichgültigkeit gegenüber den sozialräumlichen Strukturen des Unternehmens vorauszusetzen. Aufgrund mehrerer groß angelegter Fragebogenaktionen und zahlreicher Nutzerversammlungen sowohl während des Planungsprozesses als auch nach dem Einzug kann diese Haltung jedoch ebenfalls weitestgehend ausgeschlossen werden, auch wenn bedacht werden muss, dass Handlungen in hierarchisch angelegten Organisationen immer auch mit Positionierungs- und Profilierungsprozessen zu tun haben. Ein offenes Raumkonzept, wie es hier zielführend war und auch weitestgehend implementiert wurde, in stark hierarchisierten Konzern- und Organisationsstrukturen einzuführen, stellt im Kontext eines sich im Wandel befindlichen tradierten Industrieunternehmens durchaus eine Innovation dar, mit der Führungskräfte sich profilieren und darstellen können. Diese Handlungen sind in einem tradierten Unternehmen höher zu bewerten, als beispielsweise die Einführung offener Raumstrukturen in einem jungen dot.com-Unternehmen; d.h. für die Evaluierung des Innovationspotentials spielt der kulturelle Unternehmenskontext eine wichtige Rolle. Die Planungen in dem hier untersuchten Projekt werden auch durch den Wandlungsprozess des gesamten Standortes von einem industriellen Standort in ein Innovationsmilieu bestimmt. In Bezug auf die Frage nach der Lokalität globaler Einflüsse oder der Globalität lokaler Handlungsmuster und Raumstrukturen macht die Analyse des hier untersuchten Planungsprozesses und auch der anderen vorgestellten architektonischen Räume der Automobilindustrie deutlich, dass die in Kapitel 3 ausgewiesenen Einflussgrößen einer globalen Ökonomie unverkennbar wirksam sind. Dabei ist jedoch nicht eindeutig zuzuordnen, welcher Handlungsstrang für globale und welcher für lokale Einflüsse steht. Vielmehr sind in allen Bereichen globale Einflüsse wirksam, die durch die physische Manifestation an dem gewählten Standort umgesetzt werden und damit lokal bedeutsam werden. Auf den ersten Blick ist das Gebäude daher ein lokales Konstrukt. Der prägnanteste lokale Einfluss ist bei diesem Beispiel die territoriale Rahmung – industrieller Standort im Wandel – die das Image des Gebäudes prägt, ebenso wie das Gebäude im Umkehrschluss die lokalen Strukturen verändert und so die Erzählung vom umfassenden Wandlungsprozess fortschreibt. Außer der Orientierung an andere Bautätigkeiten am Standort des Gebäudes sind im Planungsprozess jedoch wenig spezifische lokal geprägte

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Parameter feststellbar. Das Gebäude könnte, so wie es aussieht, überall auf der Welt stehen. Über seine Glasfassade transportiert es die Symboliken zeitgenössischer Globalisierungsarchitekturen, ohne jedoch in Design oder ästhetischer Aussagekraft – abgesehen von der eigenwilligen Form – besonders spezifisch zu sein.

F A ZIT Abschließend möchte ich die Ergebnisse aus der Untersuchung zusammenfassen. Das wesentliche Ordnungsprinzip der Projektparameter ist deren zeitliche Integration. Wie ich in dem Diagramm zusammenfassend dargestellt habe (vgl. Abbildung 6), folgt die Anordnung der Parameter einem spezifischen Hierarchisierungs- und Selektionsprozess. Das ist deshalb von Bedeutung, weil der Entwurfs- und Konstruktionsprozess von Gebäuden einen linearen Prozess darstellt, in dem die getroffenen Entscheidungen substantiell an Bedeutung gewinnen, d h. um so weiter fortgeschritten der Prozess, um so mehr Planungskosten und vor allem um so mehr Materie ist bewegt worden, die nicht mehr, oder nur unter sehr hohem finanziellen und sozialem Aufwand rückgängig gemacht werden können. Daher ist Zeit eine wesentliche Maßeinheit und ein entscheidendes Kriterium für die Relevanz der Projektparameter. Die zeitliche Priorisierung und Anordnung der Projektparameter und der unterschiedlichen Handlungsstränge gibt jedoch auch Auskunft über die determinierenden Raumverständnisse und das Verständnis der Relation von physischer und sozialräumlicher Struktur. Der hier aufgezeigte Planungsprozess kann als charakteristisch für Planungsprozesse global agierender Akteure betrachtet werden. Die imageorientierten Profilierungsbestrebungen, die Konstruktion einer typischen, wenn auch beliebigen Globalisierungsarchitektur, – eine Dichotomie, die ich in Kapitel 3 bereits beschreiben habe –, die Priorisierung von visueller Prägnanz gegenüber Arbeitsplatzqualitäten und Raumstruktur bestätigt den Beobachtungen zum Phänomen einer sich angleichenden Globalisierungsarchitektur. Zudem konstruieren die Produktion des Gebäudes und seine spezifische Formgebung sehr prägnante Innen-Außenkonstruktionen, die besonders signifikant sind. Gleichwohl zeigt die Analyse des Planungsprozesses, dass aufgrund der ausführlichen Mitarbeiterbefragungen und der detaillierten Planungen zu den Innenraumstrukturen weder eine gezielte Geringschätzung von Raumstrukturen noch eine Nichtachtung der sozialräumlichen Struktur vorausgesetzt werden kann. Vielmehr wird erkennbar, dass der architektonische Raum als Rahmen für soziale Handlungen verstanden wird. Das Gebäude, besser gesagt die Gebäudehülle und Gebäudekonstruktion, werden als eigenständiges Konstrukt

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und nicht als Kategorie der sozialräumlichen Struktur der Organisation verstanden. Auf Basis einer raumtheoretischen Auslegung kann die Dynamik des Planungsprozess klar so gedeutet werden, dass diesem tradierte, absolute Raumverständnisse zugrunde liegen. Dieses führt im Verlauf der Planungen zu getrennten Planungseinheiten, die aufgrund der Hierarchisierung des Planungsprozesses die Planungsbeteiligten mit Entweder-oder-Entscheidungen konfrontieren, die wiederum zugunsten von Gebäudekonstruktion und visueller Erscheinung gefällt werden. Die Interdependenzen zwischen Gebäudekonstruktion und Innenraum können in dieser Denkbewegung gar nicht erkannt werden, obwohl sie sich gegenseitig funktional und formal einschränken. Verstärkt wird diese Getrenntheit durch die Fokussierung auf die Produktion eines adäquaten Bildes von dem einen gemeinsamen Ort. Dieses Image weist illusorische Qualitäten auf, da es nicht mit den Gegebenheiten (Auslagerungen einiger Bereiche in Nachbargebäude) übereinstimmt und zudem nach außen eine repräsentative Fassade zeigt, die mit der wirklichen Gebäudekonstruktion und Gebäuderealität nicht übereinstimmt. Repräsentation und Bildproduktion beschönigen und verschleiern die sozialräumliche Realität. Ob die hier festgestellten Zusammenhänge auch bei anderen Akteuren der globalen Ökonomie zu beobachten sind, werde ich im nächsten Kapitel anhand der architektonischen Räume für ein Unternehmen der modernen Mikroelektronikindustrie überprüfen.

4.3 P ROJEK TBEISPIEL 2 – A NALYSE EINES U NTERNEHMENS IN DER TECHNOLOGIEINDUSTRIE »Science Parks are among the most potential icons among the knowledge economy which, we are constantly told, characterises today, and tomorrow’s, global capitalism. They are among the carefully chosen and designed sites of the production of an electronically connected world. They are also an element in an emerging, violently unequal, twenty-first-century geography of, a particular form of, knowledge.« (Massey 2005: 143)

Das zweite Projektbeispiel untersucht die Planungen für die Zentrale eines deutschen Unternehmens aus dem Bereich der Mikroelektronik, die eine der boomenden neuen Technologien am Ende des 20. Jahrhunderts ist. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Produktion von Mikroprozessoren, Chips und Bauteilen für moderne Kommunikationstechnologien. Ebenso wie die vorge-

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stellte Unternehmenssparte der Automobilindustrie ist es ein global agierendes Unternehmen, das im Wettbewerb mit asiatischen, indischen und anderen internationalen Unternehmen steht und den Abhängigkeiten und Gesetzmäßigkeiten einer globalen Ökonomie ausgesetzt ist. Ursprünglich hervorgegangen ist es aus einem großen deutschen Industriekonzern mit einer langen Tradition, von dem es sich Mitte der 1990er Jahre, auf dem Höhepunkt des Booms am »Neuen Markt«, über einen spektakulären Börsengang abgespalten hat.

4.3.1 Die neuen Technologieindustrien Der Boom der neuen Technologien, der in den 1970er Jahren seinen Anfang nimmt, wird ausgelöst durch Entstehung und Expansion der großen Technologieunternehmen wie z.B. Microsoft, Cisco Systems, Sun, Apple oder Hewlett Packard, von denen viele ihren Ursprung im amerikanischen Silicon Valley haben. Die Industrien der Informationstechnologien und der Mikroelektronik haben eine Schlüsselrolle in einer vernetzten Gesellschaft inne, da sie die materiellen und immateriellen Grundlagen für die Interaktionen und Verbindungen in den dominierenden digitalen Strömen produzieren. Die Expansion der Internets sowie die Weiterentwicklung und Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien führen daher insbesondere in den 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts zu teilweise rasanten Wachstumsentwicklungen der Branche. Bei Cisco Systems sind in Deutschland Ende der 1990er Jahre monatliche Wachstumsraten in der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern von 80 – 90 Prozent an der Tagesordnung.12 Die Unternehmen erreichen in den USA Größenordnungen, die traditionelle Großunternehmen wie beispielsweise General Motors in Mitarbeiterzahlen und Umsatz hinter sich lassen. Aufgrund ihrer Verwobenheit mit der Evolution des Internet werden die Unternehmen auch als dot.coms bezeichnet. Das Wachstum der neuen Technologien führt zu einer Expansion der Unternehmen mit Niederlassungen und Geschäftsbereichen in der ganzen Welt. Die Struktur der Expansion der Mikroelektronikindustrien folgt dabei, wie Castells belegt, häufig einem spezifischen bipolaren Muster, das die Industrien in mehrere Gruppen von Haupt- und Nebenfunktionen aufteilt: Eine Gruppe stellt eine »hochqualifizierte wissenschaftlich-technologische Teilbelegschaft« dar, eine andere Gruppe besteht aus der Masse unqualifizierter Arbeitskräfte, die mit Routine- und Montagearbeiten beschäftigt sind. Dazwischen gibt es noch die Gruppe der hochqualifizierten Facharbeiter. Dieses Muster definiert auch die räumlich-geographische Verteilung der Funktionen. Die Forschungs- und 12 | Diese Zahlen stammen aus einer Studie zur Evaluierung der Cisco Kultur, die 1999 und 2000 im Auftrag von Cisco Systems Deutschland durchgeführt wurde (vgl. Christina Hilger, Architektur+Kommunikation 2000).

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Entwicklungstätigkeiten sowie Vertriebs- und Servicefunktionen expandieren weltweit, während die Produktionen aus wirtschaftlichen Gründen an wenigen ausgewählten Standorten mit entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stattfinden (vgl. Castells 2001: 442). Eine spezifische Qualität der neuen Technologie-Unternehmen ist, dass ihr Rohstoff aus neuem Wissen besteht, welches sich auf strategisch wichtige Anwendungsgebiete bezieht. Dieser Wissensbezug ist von der zunehmenden Wissensorientierung, die in allen großen Konzernen auch in anderen Branchen zunehmend an Bedeutung gewinnt, zu unterscheiden. Auch wenn die Informationstechnologie-Industrie ebenso wie die Automobilindustrie darauf angewiesen ist, sich über Wissen und Innovationsfähigkeit eine relevante Position in der globalen Ökonomie zu sichern, gibt es in der Branche der neuen Technologien noch einen anderen Bezug zu Wissen und Wissensproduktion. Dies kann auf eine seit den Anfängen der Computertechnologien bestehende Verflechtung der Industrie mit Universitäten und Forschungsgruppen zurückgeführt werden. Die von Castells als »letzte informationstechnologische Industrialisierungswelle« (Castells 2001: 443) bezeichneten Forschungsaktivitäten an vorwiegend amerikanischen Universitäten haben unter anderem so bedeutende Institutionen wie das MIT Media Lab hervorgebracht, das bis heute eine wesentliche Rolle in der Erforschung und Anwendung neuer Technologien hat (vgl. Kapitel 2). Auch die neuen Technologieindustrien sind seit ihren Anfängen, insbesondere in den USA, mit Universitäten und Forschungseinrichtungen verflochten und vielfach aus diesen hervorgegangen. Mit ihrer Entstehung verbunden ist eine »culture of freedom, individual innovation, and entrepreneuralism, that grew out of the 1960’s culture of American campuses« (Castells 2000: 5). Die Nähe zu elitären Lerninstituten wie Stanford, Harvard oder dem MIT signalisiert die Relevanz von hochqualifiziertem Wissen für die Entwicklung der neuen Technologien. Lernen und ständige Weiterentwicklung stellen wesentliche Determinanten für die Firmenkulturen der neuen Technologieunternehmen dar. Der Slogan aus der Mission von Cisco Systems zur Jahrtausendwende heißt: »Changing the way we live, learn and play« (vgl. Hilger 2000) und spiegelt diese durchaus noch studentisch geprägte Philosophie. Unterstützt wird der studentische Geist auch durch äußere Merkmale. Der Casual Friday, der erlaubt, dass an Freitagen im Büro keine formelle Kleidung erforderlich ist, stellt Ende der 1990er Jahre einen geflügelten Slogan für eine neue Kultur dar, die mit dem Internet in Verbindung gebracht wird; eine Kultur, die sich – weit über das Silicon Valley hinaus – weltweit verbreitet. Firmengründer wie Steve Jobs oder Bill Gates werden auch jenseits von Freitagen eher in Sweatshirt und Jeans als im Anzug gesehen. Mit diesen Attributen, die eine deutliche Abgrenzung zu Auftreten und Habitus der Manager und Mitarbeiter traditioneller Großkonzerne erkennen lassen, wird betont, dass der Fokus

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der gemeinsamen Arbeit die Ideenfindung und das Lernen im Sinne von Forschen und Entwickeln sind. Die dabei bestimmenden Technologien sind das Internet und moderne Kommunikationstechnologien. Gleichzeitig wird damit signalisiert, dass Hierarchien und Status für die Selbstbeschreibung der Industrien weniger Bedeutung haben als dies in den »alten« Industrien der Fall ist. Diese Haltung findet ihren Ausdruck auch in der in Kapitel 2 erwähnten Declaration of Independence. Die neue Arbeits- und Darstellungskultur in den 1990er Jahren gründet in vielen Bereichen auf den Liberalisierungstendenzen der amerikanischen Gesellschaft in den 1970er Jahren, insbesondere in Kalifornien und Neuengland. Im Gegensatz zu den traditionellen Unternehmen der Automobilindustrie werden die Organisationen der neuen Technologien nicht nur durch die zunehmende Vernetzung verändert und herausgefordert, sondern sie sind selbst ein elementarer Bestandteil und Ermöglicher der Vernetzung und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderung. Die Verbreitung des informationstechnologischen Paradigmas erfolgt maßgeblich durch die Unternehmen der Informationsindustrie. Nach einer Phase der extensiven Expansion in den 1990er Jahren ist auch die Kommunikations- und Mikroelektronikindustrie Krisen und Rückschlägen ausgesetzt, die sich besonders deutlich im Zusammenbruch des »Neuen Marktes« an den Börsen zeigt. Trotzdem gehören heute die meisten Unternehmen der neuen Technologien, nach zahlreichen Zusammenschlüssen und Umstrukturierungen, zu den großen global agierenden Organisationen, sowohl was Mitarbeiterzahlen als auch was Unternehmenskapital anbetrifft. Firmen wie Nokia, Cisco Systems, Infineon, Microsoft, Google, Intel oder auch Apple sind große und bedeutende Global Player, die einen wesentlichen Einfluss auf die globale Ökonomie haben. Die Expansion der Unternehmen und die Distribution ihrer Produkte und Dienstleistungen in die ganze Welt führen auch zur Verbreitung der firmenspezifischen Arbeitskulturen. Es findet jedoch nicht nur eine moderne Form der Kolonialisierung externer Arbeitskulturen statt, sondern die Vermischung lokaler und globaler Standards führt zur Angleichung von Arbeitsprozessen und Unternehmenskulturen und damit zu einer wechselseitigen Beeinflussung der Arbeitsbedingungen sowohl in den Ursprungsländern als auch in den neu erschlossenen Ländern. Da beispielsweise Lohnkosten und Flächenstandards in asiatischen Ländern wesentlich geringer angesetzt werden, erhöht sich dadurch auch der Druck auf Unternehmen in Deutschland, effiziente Flächenstandards für Büro- und Produktionsräume einzuführen.13

13 | Während meiner Mitarbeit bei der Restrukturierung eines Elektronikkonzern stellte z.B. die Geschäftsführung die Mitarbeiter vor die Wahl, entweder weniger Fläche pro Arbeitsplatz oder die Auslagerung der Arbeitsplätze nach China in Kauf zu nehmen, wo

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Die Arbeitsprozesse in der Technologiebranche kennzeichnet ein hoher Anteil an Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die weitestgehend in Teamstrukturen stattfinden. Die Tatsache, dass Organisationsstrukturen, insbesondere in den Anfangsjahren der Technologieindustrie, wesentlich flacher und weniger hierarchisch gegliedert sind als in herkömmlichen Industrieunternehmen, ist auch an den Flächenstandards der Unternehmen ablesbar. Durch die weltweite Vernetzung der Entwicklungstätigkeiten, der expansiven Produktdistribution und den daran angekoppelten Servicefunktionen sind die Arbeitsprozesse durch eine hohe Mobilität gekennzeichnet, was dazu führt, dass die physische Verortung der Teams als Homebase eine wichtige prozessuale und soziale Funktion hat. Viele der modernen Raumkonzeptionen, die in der Branche für ihre spezifische Arbeitsweise entwickelt werden, bauen darauf auf, bei aller Flexibilität und Mobilität einen entsprechenden »Ort«14 zu schaffen, der wieder auffindbar und identifizierbar ist. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Flächenstandards und Arbeitsweisen und die Umsetzung von mobilen, flexiblen Raumkonzepten, die auf der ganzen Welt gleichermaßen anwendbar sein können, hat gerade in den Unternehmen der neuen Industrien zu einer spezifischen Aufmerksamkeit für Bürokonzepte und Raumgestaltung geführt.

4.3.2 Die architektonischen Räume der Technologieindustrie Die Verwobenheit der neuen Technologieindustrien mit Forschungseinrichtungen und Bildungsinstitutionen drückt sich auch in den von ihnen gewählten Architekturformen aus, die oftmals gestalterisch und begrifflich an campusähnliche Strukturen angelehnt sind. Der geplante Neubau für die deutsche Unternehmenszentrale von Cisco Systems, deren Bau aufgrund des Einbruchs am »Neuen Markt« 2001/2002 nicht zustande kam, lief beispielsweise unter dem Namen »Munich Campus«, und auch andere Technologieunternehmen haben ihren Standorten den Beinamen »Campus« verliehen. Angelehnt an das architektonische Leitbild der Architekturen auf einem amerikanischen Campus, stellen die Unternehmenszentralen der Technologieindustrie dementsprechend vorwiegend niedrige Gebäudeclusterungen dar. Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Architekturpräferenzen anderer, global agierender Industrien finden sich Unternehmen der Technologieindustrie selten in großen Türmen oder anderen spektakulären Architekturen. Bei der Zentrale von Cisco Systems in Arbeitsplätze damals mit ca. 2 qm veranschlagt wurden, im Gegensatz zu ca. 15 qm Hauptnutzfläche in Deutschland. 14 | Mit »Ort« ist in diesem Kontext ein Konstrukt gemeint, das einen räumlichen Identifikationspunkt in den Teams bilden kann. Der Begriff ist an dieser Stelle ohne programmatische oder erkenntnistheoretische Bedeutung.

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San Jose ist beispielsweise deutlich erkennbar, dass diese nach dem Vorbild von klassischen amerikanischen Campus-Gestaltungen errichtet (vgl. Abbildung 14 und 15) wurde. Das drückt sich in übereinstimmenden Gestaltungsmitteln wie den zusammenlaufenden Wegeführungen in den vor dem Gebäude befindlichen Parkanlagen, zentral ausgerichteten Eingangssituationen und einer niedrigen, aber selbstbewussten Bauweise aus. Einem ähnlichen Stil folgen auch die Architekturen von Wissensparks, von Institutsbauten für Forschungseinrichtungen oder Technologieparks oder den Gebäuden an anderen Orten, an denen sich Technologie und Forschung zusammenfinden. Mit der formalen Codierung einer Wissens- oder Campus-Architektur ist eine Botschaft des Lernens, der flachen Hierarchien und einer »low-key-attitude« verbunden. Es wird eine neue Ästhetik sozialräumlicher Organisation konstruiert, die weltweit als solche decodiert werden kann. Obwohl der Begriff Wissensarchitekturen aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Wissen in der Netzwerkgesellschaft in den letzten Jahren ein Schlagwort für die Planung von Architekturen unterschiedlichster Branchen geworden ist, kann die Leitidee einer wissensorientierten Architektur der symbolischen Verknüpfung von Unternehmen der New Technology mit Lerninstituten und Universitäten zugeordnet werden. Lange bevor die Förderung von Wissen und Kommunikation zur Grundlage moderner Büround Verwaltungsgebäude erklärt wurde, finden sich daher in der Planung von Universitätsgebäuden in Deutschland Hinweise auf den Zusammenhang von Wissensvermittlung und räumlichen Strukturen. Friese und Wagner zitieren in ihrer Topographie akademischer Praxis aus einem Anforderungsprofil, das 1974 für den Neubau der Uni Bielefeld verfasst wurde: »Dieser Strukturplan berücksichtigt […] die interdisziplinäre Arbeit in Forschung und Lehre […] es sind räumliche Gliederungen zu bevorzugen, die möglichst vielseitige räumliche Nachbarschaften zulassen […]. Informelle Kommunikation plant man durch eine Bevorzugung möglichst dichter Anordnung« denn »sie verkürzt die Wege und erhöht die Verkehrsdichte und damit die Chancen zu einer Begegnung« (Friese/Wagner 1993: 42).

Neben der Orientierung an Gestaltungsprinzipien von Bildungsinstituten ist ein weiteres Spezifikum der Architekturen für die neuen Technologieindustrien, dass sie aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung und horizontalen Ausrichtung nicht in den räumlich verdichteten Stadtzentren, sondern vorwiegend außerhalb der Zentren angesiedelt sind. Die Agglomeration verwandter Organisationen hat zur Etablierung neuer Standorte für Technologieunternehmen in den metropolitanen Ballungsräumen geführt.

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Abb. 14: Zentrale Cisco Systems San Jose

Abb. 15: Campus Harvard University, Blick auf die Widener Library

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4.3.3 Das Projekt Das Projekt für das hier vorgestellte Unternehmen ist an einem solchen Standort in einem süddeutschen metropolitanen Ballungszentrum angesiedelt. Durch seine weltweite Expansion ist es im Jahr 2005 auf ca. 36.000 Mitarbeiter insgesamt angewachsen. Das metropolitane Umfeld des Unternehmens wird seit Jahrzehnten von der Präsenz und Wirtschaftskraft mehrerer tradierter Konzerne der Technologie- und Konsumgüterindustrien geprägt und hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend auch zu einem bevorzugten Standort der Mikroelektronikindustrie und anderer dot.com-Unternehmen entwickelt. Mit der Ansiedlung neuer Technologieindustrien wurde kein völlig neuer Standort etabliert, denn »im Gegensatz zu dem übertriebenen Bild völlig neuer Technopole gibt es also vielmehr Kontinuität in der räumlichen Industrie- und Technikgeschichte im Informationszeitalter« (Castells 2001: 446). Die bestehenden Standorte werden jedoch erweitert und transformiert. Wie bereits im Projektbeispiel der Automobilindustrie beschrieben, sind die tradierten Unternehmen unter dem Einfluss einer globalen Ökonomie dazu aufgefordert, den Wandel in Innovationsmilieus zu vollziehen, um sich den neuen räumlichen Logiken einer vernetzten Gesellschaft zu öffnen und sich erfolgreich mit und in diesen bewegen zu können. Grundlage der Planungen für das hier vorgestellte Projekt ist der Wunsch des Unternehmens, sich nicht nur organisatorisch, sondern auch räumlich vom Mutterkonzern – der zu den großen, tradierten Industrieunternehmen vor Ort zählt – zu lösen und damit ein individuelles, in einem eigenen Standort verkörpertes Profil zu etablieren. Trotz der strategischen und organisatorischen Ablösung des Unternehmens sind bei Beginn der Planungen die Unternehmensfunktionen der jungen Organisation nach wie vor an mehreren Standorten des Mutterkonzerns innerhalb der Stadt verteilt. Der Bau einer neuen Unternehmenszentrale soll dazu beitragen, Nähe und Verknüpfung mit den alten Strukturen aufzulösen und die einzelnen Unternehmensbereiche räumlich zusammenzuführen. Mit den teilweise übernommenen alten Organisationsstrukturen und Handlungspraxen eines tradierten Konzerns und der inhaltlichen Ausrichtung auf die Dynamik der neuen Technologien muss sich das Unternehmen in einem Spannungsfeld von Tradition und Innovation zurechtfinden. Die unterschiedlichen Positionen wirken sich auch auf die Zielsetzung der Unternehmensleitung aus, sich von tradierten statusorientierten Flächenstandards zu lösen (vgl. Abbildung 16) und diese mehr an projektorientierte Strukturen anzupassen.

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Abb. 16: Zielsetzungen für eine neue Flächenverteilung

Neben dem Wunsch nach Abgrenzung vom Mutterkonzern gab es noch andere, damit in Zusammenhang stehende Zielsetzungen. Die neue Unternehmenszentrale sollte ein Image kreieren, dessen zentrale Botschaft die Kernkompetenz Wissen und Innovation transportieren sollte. Um besonders qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, sollte die Schaffung eines repräsentativen Umfelds dem Unternehmen einen Vorsprung im sogenannten war for talents (vgl. Hilger 2001) garantieren. Die Architektur sollte dementsprechend zur Profilierung und Positionierung des Konzerns beitragen. Als quantitative Anforderung sollte das neue Headquarter aufgrund der prognostizierten Expansionstendenzen bis zum geplanten Fertigstellungsjahr 2005 in mehreren Gebäuden Raum für ca. 7.000 Mitarbeiter bieten. Daraus ergab sich eine Flächenanforderung von ca. 150.000 qm, die neben Büroraumflächen auch Flächenanteile für Prüffelder und Forschungslabors beinhaltet, angeordnet auf einer Fläche von ca. 60 Hektar, was in etwa der Größe der HafenCity in Hamburg entspricht. Diese Berechnung beruht auf der zu Beginn des Projektes kommunizierten Vorgabe einen durchschnittlichen Flächenwertes von 15 qm HNF (Hauptnutzfläche) als Zielgröße; ein Wert, der deutlich unterhalb der bisherigen Flächenstandards des Mutterkonzerns liegt. Aufgrund der Unterschreitung bisheriger Standards muss im Verlauf der Planungen die Genehmigung des Betriebsrats eingeholt werden15, 15 | Neben den Vorgaben aus den Arbeitsrichtlinien und anderen Regelwerken wie beispielsweise der DIN 276 sind große deutsche Unternehmen oftmals zusätzlich von komplizierten firmeninternen Standards gekennzeichnet. Änderungen der Flächenanteile führen häufig zu Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat, was besonders nach

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was nicht zuletzt deshalb gelingt, weil aufgrund der bisherigen renovierungsbedürftigen, kleinteiligen und verstreuten Raumstrukturen die Aussichten auf ein zusammenhängendes modernes Arbeitsumfeld motivierend sind. Auch die Definition neuer Flächenstandards spiegeln den Wunsch der Ablösung vom Mutterkonzern und sollen diesen räumlich umsetzen. Das Firmenleitmotto »Never Stop Thinking« spiegelt den spezifischen Wissensbezug der Branche, der sich auch bei anderen Unternehmen der Informationstechnologiebranche in Slogans wie »Think« (IBM) oder »Think different« (Apple) (vgl. Martin 2003: 13) finden lässt. Zum Zeitpunkt der Planungen ist die Organisation in fünf Unternehmensbereiche gegliedert, die unterschiedliche Bauteile und Systeme für Kommunikations- und Informationstechnologien entwickeln und produzieren. Wie andere Technologiekonzerne auch, besteht der hier vorgestellte Konzern weitestgehend aus Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Diese Bereiche sind in sich abgeschlossene Einheiten, die in ihren Prozessen auf räumliche Nähe innerhalb der Bereiche, aber auch auf den interdisziplinären Austausch mit den Teams aus anderen Bereichen angewiesen sind. Als Matrixstruktur organisiert, stellen die administrativen Funktionen den organisatorischen Überbau da und sind mit allen fünf Forschungs- und Entwicklungsbereichen gleichermaßen verbunden. In Teilbereichen des Unternehmens sind sehr hohe Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Die prozessualen Grundlagen und Anforderungen sind jedoch in allen fünf Bereichen weitestgehend gleich. Der Planungsprozess baut auf diesen Zielsetzungen auf. Sein Ablauf wird im Diagramm (vgl. Abbildung 17) zusammenfassend dargestellt. Die Relation von räumlicher Struktur wird durch die lineare Darstellung des Planungsfortschritts und die verschiedenen Handlungsstränge repräsentiert. Da es in diesem Projektbeispiel anders als im Beispiel aus der Automobilindustrie keine übergeordneten Konzernentscheidungen gibt, die auf das Geschehen einwirken, sind nur zwei Handlungsstränge für die Planungen relevant. Der erste Handlungsstrang (Kreis) stellt die den Planungsprozess direkt konstituierenden Handlungen dar und beinhaltet die Akteure des Planungsteams, das aus externen und konzerninternen Planern besteht. Handlungsstrang 2 (Quadrat) stellt die Anforderungen der sozialräumlichen Struktur dar, die sich aufgrund der Evaluierungen der nutzerspezifischen und konzernstrategischen Handlungsweisen und Strukturen für den Planungsprozess ergeben. Es ist mir bewusst, dass auch die internen Planungsbeteiligten Bestandteil der sozialräumlichen Struktur des Unternehmens sind, es ist jedoch wichtig, zwischen beiden zu unterscheiden, da mit den Handlungssträngen auch unterschiedliche räumliche Vorstellungen und Anforderungen verbunden sind. Im Verlauf des Projektes stellte sich heraus, dass es signifikante Unterschiede zwischen den Vorstellungen der Führungskräfte über die Arbeitsprozesse und der im Verlauf Firmenzusammenschlüssen, aber auch bei Neubauten mit wirtschaftlicheren Flächenanteilen relevant wird.

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der Planungen evaluierten Struktur der Prozesse selbst gibt. Die Architekturentwürfe orientieren sich weitestgehend an den Vorstellungen des Vorstands. Nachfolgend untersuche ich die Prozessschritte im Einzelnen.

Abb. 17: Diagramm des Planungsprozesses 1SP[FTTTDISJUUF

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Schritt 1: Standortauswahl Der gewählte Standort befindet sich außerhalb des Stadtzentrums. Sein Umfeld besteht aus einer Mischbebauung von Wohngebieten, Gewerbe- und Büroflächen, es gibt keine industriellen Ansiedlungen. Daher stoßen die Planungen zu Beginn auf große Widerstände bei der Bevölkerung, denen jedoch mit einer aufwändigen Kommunikationsstrategie durch das Unternehmen begegnet wird. Die Bedenken, dass die Ansiedelung des Unternehmens mit Produktionstätigkeiten verbunden sein könnte sowie in der geplanten Größenordnung

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erhebliche Auswirkungen auf die Infrastruktur des Ortes haben wird, können entkräftigt werden. Der Standort ermöglicht die Realisierung von zwei wesentlichen Zielsetzungen: Zum einen können alle verstreuten Funktionen an einen Standort zusammengeführt werden und damit dem Unternehmen zu den angestrebten Synergieeffekten in den Arbeitsprozessen verhelfen. Zum anderen schafft das Unternehmen mit der räumlichen Entfernung zum bisherigen, vom Mutterkonzern geprägten Umfeld die Möglichkeit zur Profilierung durch ein neues individuelles Image. Diese Zielsetzung wird dadurch begünstigt, dass der neue Standort noch nicht durch die Präsenz anderer Unternehmen gestalterisch vorperforiert ist. Aufgrund der Entscheidung, auf der grünen Wiese zu bauen, ergeben sich a priori keine Einschränkungen für Gebäudeform oder Anordnungen. Da es sich um ein Mischgebiet handelt, ist eine niedrige Bebauungshöhe auf dem Grundstück vorgeschrieben, was jedoch im Einklang mit der konzernspezifischen architektonischen Leitidee einer Campusarchitektur steht. Schritt 2: Entwurfsphase Im zweiten Schritt wird der Masterplan für die Bebauung und Erschließung des Grundstücks entwickelt und es werden die Entwurfsideen für die Gebäudekomplexe definiert. Thomas Gieryn beschreibt die Entwurfsphase als social theory der zukünftigen Prozesse in architektonischer Form (vgl. Gieryn 2002: 53). Diese Theorie wird geprägt von den vorprojizierten Anforderungen aus sozialen Strukturierungen und Arbeitsprozessen sowie den strategischen Zielsetzungen des Konzerns. Während des Entwurfsprozesses definieren die Entscheidungen, Priorisierungen und räumlichen Vorstellungen der beteiligten Akteure ebenso wie soziale Konstellationen, in diesem Fall die Relation zwischen Handlungsstrang 1 und Handlungsstrang 2, die künftige Struktur des Gebäudes. Ein Teil des Handlungsprozesses ist daher Imagination, da das zukünftige Gebäude erst einmal mental und graphisch entworfen werden muss; der Entwurf ist bis zur baulichen Konstruktion des Gebäudes ein graphisches Bild. Dieses Bild wird in mehreren Varianten angefertigt, da verschiedene Planer mit der Aufgabe betreut werden, die verschiedene Deutungsmuster der Aufgabenstellung produzieren. Diese Vielfalt von Ideen und Interpretationsmöglichkeiten ein und derselben Aufgabenstellung ist die Grundlage von Architekturwettbewerben, kann jedoch auch zu Verwirrung und Konkurrenzsituationen innerhalb der Planungsbeteiligten führen. Der Vorstand entscheidet sich für ein junges Architekturbüro, das nicht zu der mit dem Mutterkonzern verwobenen lokalen Architektur- und Immobilienszene gehört. Die Entscheidung symbolisiert den Wunsch einzelner Führungskräfte nach Unabhängigkeit von den alten Strukturen des Mutterkonzerns sowie die Zielsetzung, stärker ein international ausgerichtetes Image zu etablieren. Die Entwurfskonzeption für den Masterplan des beauftragten Büros wird von der Idee geleitet, Gebäudestrukturen mit Campus-Charakter zu kreieren,

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was sich vor allem in niedrigen Gebäudeclusterungen und aufwändig geplanten Grün- und Wasserflächen ausdrückt. Neben der Orientierung an der Bauweise amerikanischer Universitäten nennt der Architekt auch urbane Strukturen als Inspirationsquelle. Mit der Schaffung urbaner Qualitäten wird künstlich wieder ein städtisches Umfeld konstruiert, das zuvor, nach der räumlichen Abgrenzung und Entfernung vom Mutterkonzern, verloren gegangen ist. Grundgedanke bei der Konzipierung der baulichen Strukturen, so der Architekt, sei es, »die formelle und vor allem auch die informelle Kommunikation zu fördern«, denn: »[…] vom Vorstand (der Firma) werden Dinge wie New Work, Toleranz und Social Neighborhood gefördert, das muss sich gerade auch in der Architektur manifestieren« (Englert 2002: 2). Mit der Form der einzelnen Gebäude wird ein sehr spezifisches Gestaltungsmittel gewählt, das sich durch viele Abwinklungen und sehr unterschiedliche Gebäudetiefen und Gebäudelängen auszeichnet (vgl. Abbildung 18). Die Raumzuschnitte, die sich aus den Gebäudetiefen ergeben, basieren vor allem auf der zweidimensionalen graphischen Idee von einer möglichen Gebäudeanordnung. Der Entwurf wird weitestgehend nach dem Konzept der Architekten gebaut und umgesetzt, obwohl die Planer, ebenso wie ein Großteil des Projektteams, im Verlauf des Planungsprozesses nochmals ausgetauscht werden. Diese permanenten Umgestaltungen sind eine Folge des im Verlauf des Projektes andauernden Kräftemessens zwischen alten und neuen Strukturen; eine Dynamik, die sich häufig bei Ablöseprozessen oder auch bei Firmenzusammenschlüssen findet, wenn unterschiedliche Kulturen um Macht und Einfluss ringen. Grundlage für die Planung der baulichen Struktur bilden – neben den Vorstellungen des Vorstands über die internen Prozesse – die zum Zeitpunkt des Entwurfs nur grob umrissene Organisationsstruktur des Unternehmens, die Mitarbeiterkapazität, die vorgegebenen Flächenstandards sowie flächen-typologische Anforderungen aus den verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise Büro- oder Laborflächen. Die spezifischen Abläufe im Unternehmen, die Dynamik der Arbeitsprozesse und andere sozialräumliche Strukturierungen sind nicht Grundlage des Entwurfs, da diese detaillierter erst im Verlauf des Projektes evaluiert werden. Der einzige Hinweis auf die spezifische Organisationsstruktur ist räumlich-konzeptionell in der Idee eines von den übrigen Funktionen baulich getrennten Vorstandsgebäudes zu finden. Dieses Konzept wird jedoch beim Einzug vier Jahre später nicht umgesetzt. Anders als bei dem ersten untersuchten Projektbeispiel (vgl. Kapitel 4.2) ist die Beschaffenheit der Gebäude konstruktiv unkompliziert. Aufgrund der niedrigen Bebauungshöhe und dem vorhandenen großzügigen Flächenangebot sind statische Konstruktionen wie voluminöse Stützen oder Fundamente nicht erforderlich. Die Fassade ist zwar aufwändig gestaltet, wird jedoch als eigene Konstruktion vor die Gebäudeteile gehängt. Auswirkungen auf Form und Raumzuschnitte durch Statik oder Haustechnik sind relativ gering. Aus diesem Grund ist keine Beschreibung eines Planungsschrittes zur Gebäudekonstruktion erforderlich.

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Abb. 18: Exemplarischer Gebäudegrundriss eines Gebäuderiegels

Schritt 3: Entwicklung der Raumstrukturen Wie bereits in Kapitel 4.1 aufgezeigt, wird die Entwicklung der Raumstrukturen vor allem durch die unterschiedlichen, in jedem Gebäude variierenden Formen und Gebäudetiefen definiert (vgl. Abbildung 5). Auch hier ist wesentliche Zielsetzung, dass die Raumstrukturen die funktionalen Anforderungen aus der prozessualen und organisatorischen Struktur des Unternehmens umsetzen sollen, die anhand von Mitarbeiterbefragungen, Workshops und Interviews evaluiert werden. Aus der Definition der Nutzertypologien werden spezifische räumliche Vorgaben entwickelt, die zur Konzeption von entsprechenden Flächentypologien und Flächenstrukturen führen. Die Analyse von Abläufen, prozessualen Interaktionen und Arbeitsumfeld schafft den sozialräumlichen Bezugsrahmen für die Raumstrukturen. Das wichtigste Ergebnis der Evaluierungen ist die Erkenntnis, dass 80 % der Mitarbeiter in Projektteams von ca. 16-20 Personen arbeiten und dafür Raumstrukturen benötigen, die den Wissensaustausch bei der Arbeit an gemeinsamen Versuchen oder Entwicklungsprojekten ermöglichen. Da auch die Teams untereinander vernetzt sind und sich austauschen müssen, lautet dementsprechend die Anforderung aus dem Kommunikationsprozess, 80 % der Flächen als offene Raumstrukturen auszubilden. Nur ein geringer Prozentsatz der Mitarbeiter, vorwiegend aus den übergeordneten Administrationsfunktionen der Matrixstruktur, gibt an, für seine Arbeitsprozesse abgeschlossene Räume zu benötigen. Räumliche Ausdifferenzierungsprozesse entstehen lediglich durch den Bedarf an Geheimhaltung bei einigen Funktionen, durch die Zutrittskontrolle in wenigen Bereichen oder den Bedarf nach direkter räumlicher Nähe zu Technikräumen, Labors oder Kundenbereichen. Aus diesen Anforderungen wird ein Raumkonzept entwickelt, das auf einer

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modularen Flächenstruktur basiert (vgl. Abbildung 19 und 20) und die Multiplikation von Teameinheiten auf Basis der ermittelten Teamgrößen vorsieht. Um die Raumstrukturen entsprechend in die Gebäude einpassen zu können, wären jedoch einige Veränderungen erforderlich, da der bisherige Entwurf auf einer Mischung aus unterschiedlichen Formen (vgl. Abbildung 5 und 8) basiert. Der Entwurf sieht Gebäudeformationen vor, die zu mehr als 50 % Gebäudetiefen aufweisen, die sich nur eingeschränkt für die räumliche Umsetzung der Arbeitsprozesse eignen. Die schmalen Gebäuderiegel sind zwischen 8 m und 11 m tief, offene Raumstrukturen lassen sich aufgrund der damit verbundenen Längsausrichtung nur sehr eingeschränkt einplanen (vgl. Kapitel 4.2 zur Interdependenz von Arbeitsprozessen und Gebäudetiefe). Neben den schmalen Gebäuderiegeln von 8 m – 11 m gibt es einige ungewöhnlich tiefe, fast quadratische Gebäudeelemente mit einer Tiefe von mehr als 20 m (vgl. Abbildung 8, Pfeile), die ebenfalls in der Nutzung und auch in der Flächenbilanz nicht günstig sind, weil beispielsweise die inneren Bereiche nicht mit ausreichend Tageslicht versorgt werden können (vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.2). Darüber hinaus gibt es einen Anteil von Gebäuderiegeln mit einer Gebäudetiefe von 12 m – 15 m, die den evaluierten Anforderungen aus der Struktur der Arbeitsprozesse entsprechen. Der Anteil dieser Flächen liegt jedoch mit weniger als 40 % deutlich unter dem erforderlichen Anteil von 80 % für offene Raumstrukturen. Raumanforderung und das durch den Entwurf vorgegebene Raumangebot weichen somit deutlich voneinander ab. Abb. 19: Modulares Grundmodul für die Gestaltung der Raum- und Arbeitsplatzstrukturen

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Abb. 20: Konzeption für die Multiplikation des räumlichen Grundmoduls

Abb. 21: Gebäuderiegel mit markierten Knotenpunkten und tiefen Gebäudeteilen

Eine weitere Herausforderung neben dem bereits erwähnten niedrigen Anteil an adäquater Gebäudetiefe ist die Vielzahl von Knotenpunkten, die sich aus der stark verwinkelten Form der Gebäude ergibt (vgl. Abbildung 8). Diese sind baulich-strukturell problematisch, da die Flächen an den Knotenpunkten (vgl. Kreise in Abbildung 21) nach deutschen Arbeitsrichtlinien nicht als dauerhafte Arbeitsplätze nutzbar sind. Aufgrund des verwinkelten Gebäudekonzeptes stellen diese Knotenpunkte immer auch die Erschließungswege

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für die einzelnen Gebäuderiegel dar, es entstehen leere und ungenutzte Bereiche. Diese verändern die Flächenbilanz, denn der Anteil an nutzbarer Fläche verringert sich. Als Folge vergrößern sich die Entfernungen zwischen den Teambereichen, die Wege zwischen den als Arbeitsräume nutzbaren Gebäudeteilen werden länger. Diese Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Entwurfsphase und der Konzeption der Raumstrukturen ist auch darauf zurückzuführen, dass das Entwurfskonzept für die Gebäude lediglich auf der Kommunikation zwischen einzelnen Vorstandsmitgliedern und den entwerfenden Architekten basierte, da der Vorstand anfangs von einem sehr viel höheren Anteil an geschlossenen Räumen ausging als sich in den Evaluierungen ergab. Von außen sind diese flächenspezifischen Einschränkungen nicht erkennbar (vgl. Abbildung 22). Die gewonnenen Erkenntnisse würden also aufgrund der Anforderungen und der im Entwurf festgelegten Flächenkonzepte eine Überarbeitung des Entwurfs erfordern. Eine Veränderung des ursprünglichen Entwurfes und der Gebäudeform erfolgt jedoch – bis auf einige wenige Optimierungen an einigen Stellen des Entwurfs – nicht. Diese Überarbeitungen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass im Verlauf der Raumplanungen anhand von Nutzungsszenarien Drittnutzung und Weitervermietbarkeit der Gebäude untersucht werden. Die Optimierung der Flächen und der Flächenbilanz beruht dabei vor allem auf finanziellen Überlegungen und weniger auf der Umsetzung und wechselseitigen Integration der sozialräumlichen Struktur. Abb. 22: Fertiggestellte Gebäudeelemente

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Obwohl der Gebäudeentwurf nicht auf die Anforderungen nach offenen Raumstrukturen ausgerichtet wurde, wird im Nachgang, nach dem Einzug in das neue Gebäude, die Gestaltung offener Raumstrukturen als leitende Zielsetzung des Projektes dargestellt: »Die Raumplanung für die neue Firmenzentrale […] sollte dem schnellen Wandel in der IT-Branche Rechnung tragen und transparent sowie kommunikativ gestaltet werden. Der Konzern entschied sich für eine offene und flexible Innengestaltung« (Top Office 2008). Doch auch mit dieser Erklärung werden die Anforderungen aus der sozialräumlichen Struktur des Konzerns nicht als entwurfsbestimmend ins Zentrum gerückt. Vielmehr kann die nachträgliche Umformulierung der Zielsetzung durch externe Planer damit erklärt werden, dass die Gestaltung offener Strukturen als typisch für die Technologiebranche angesehen wird. Die Formulierung dient damit vor allem dem Ziel, die mit dem Neubau sichtbar gewordene, vollzogene Ablösung von der tradierten industriellen Herkunft des Unternehmens evident zu machen und dieses als modernen und innovativen Technologiekonzern zu etablieren. Da offene und innovative Raumkonzepte in den Unternehmen der Informationstechnologie- und Mikroelektronikindustrie ein Instrument zur Profilierung und Darstellung sind, kann dieses nachträgliche Bekenntnis daher als strategisch motiviert angesehen werden. Schritt 4: Arbeitsplatzgestaltung Die Planung der Arbeitsplätze geht im Planungsprozess Hand in Hand mit der Raumgestaltung und orientiert sich weitestgehend an den Ergebnissen aus den Evaluierungen der Nutzeranforderungen. Analog zur Definition spezifischer Nutzertypologien werden im Verlauf der Planungen auch Arbeitstypologien definiert. Diese fügen die verschiedenen Gruppen von Arbeitsplätzen zu Clustern zusammen. In einigen Bereichen müssen beispielsweise forschungsspezifische Spezialkonstruktionen integriert werden, wie Laborarbeitsplätze, Doppelarbeitsplätze für Versuche oder überdimensionierte Bildschirmarbeitsplätze für Entwicklungsfunktionen. Schwerpunkt bei der Konzeption der Arbeitsplätze liegt auf der Unterstützung der Projektarbeit und Wissensvermittlung sowie darauf, durch deren Anordnung die Kommunikation innerhalb der Projektteams zu gewährleisten. Mit der Einführung von Desk-Sharing-Modellen in die Arbeitsplatzkonzeption, die in einem späteren Planungsdurchgang erfolgen, der nicht Bestandteil meiner Untersuchungen ist, orientiert sich das Unternehmen wiederum an Arbeitsplatzkonzepten für die mobilen Arbeitsweisen in der High-Tech-Industrie. Wie auch im ersten Projektbeispiel macht die Untersuchung des Planungsprozesses deutlich, dass der Gebäudeentwurf eine abgeschlossene Handlung ist, die sich mit den Anforderungen des Arbeitsprozesses nicht verbindet. Auch hier zeigt sich ein lineares und hierarchisches Vorgehen, was dazu führt, dass

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die wesentlichen Erkenntnisse über die sozialräumliche Struktur und die damit zusammenhängenden Flächenanforderungen nachrangig behandelt werden. Die Folgen der Hierarchisierung fallen aufgrund spezifischer Rahmenbedingungen, z.B. der Grundstückgröße, der Campusidee und der Tatsache, dass die Gebäude sowohl formal als auch konstruktiv neutraler sind als die ellipsenförmige Architektur des ersten Beispiels, weniger deutlich aus. Die konzeptionelle Trennung zwischen architektonischem Entwurf und den Planungen von Raumstruktur und Arbeitsplätzen ist jedoch ebenso vorhanden wie im ersten Beispiel und führt zu räumlichen Beeinträchtigungen, auch wenn diese erst einmal gering erscheinen. Ähnlich wie in dem Beispiel aus der Automobilindustrie wird der Gebäudeentwurf, und damit auch die bestimmende Grundstruktur für die Raumanordnungen und Raumangebote, losgelöst von der sozialräumlichen Struktur entwickelt. Es gibt kein wechselseitiges Verständnis von sozialräumlicher Struktur und Gebäudeentwurf. Architektur und Produktion des Gebäudes dienen vor allem der Umsetzung eines Symbols für die unternehmerische Eigenständigkeit und die Zugehörigkeit zu einer spezifischen Branche. Räumliche Qualitäten dienen auch hier der Zielsetzung, dass der Konzern sich als global player und als einer bestimmten Sparte zugehörig präsentiert. Auch hier kann die nachrangige Behandlung der prozessualen Anforderungen jedoch nicht allein als mangelndes Interesse an den sozialen Grundlagen des Projektes bzw. der Unternehmensstruktur gewertet werden. Das Unternehmen investierte viel Zeit und Geld in umfangreiche Evaluierungen der Arbeitsabläufe, in die Kommunikation mit den Mitarbeitern und in die Analyse von Organisationsstrukturen und prozessualen Schnittstellen, was auf ein hohes Interesse schließen lässt. Zwischen Planungsprozess und der baulichen Konstruktion und Realisierung des Projektes liegt – auch aufgrund interner organisatorischer Restrukturierungen und zwischenzeitlich auftretender finanzieller Probleme – ein ungewöhnlich langer zeitlicher Abstand von mehreren Jahren. Bedingt durch den Wechsel von Führungskräften erfolgt die Wiederholung einiger Evaluierungsund Planungsprozesse, die jedoch nicht Gegenstand meiner Untersuchungen sind. Aufgrund dieser Veränderungen und Herausforderungen ist die Bauphase zeitlich weit von der Entstehung der ersten Konzepte abgekoppelt. Dieser zeitliche Abstand hätte ebenso wie die nochmalige Evaluierung von Arbeitsprozessen eine Umarbeitung des Entwurfs sehr viel einfacher gemacht, als es Projekte, die unter hohem zeitlichen Druck stehen, zulassen können. Wenn wenig Zeit zwischen Entwurf und Konstruktion für die Überarbeitung von Entwürfen vorhanden ist, erschwert das nachträgliche Korrekturen in der Planung. Dementsprechend ist es besonders signifikant, dass trotz dieser zeitlichen Abstände und trotz der umfangreichen Evaluierungen zur sozialräumlichen Struktur – die in der Planungsphase von Schritt 3 und 4 als Ergebnis erbrachten, dass der Gebäudeentwurf einschränkende Konsequenzen für Arbeitspro-

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zesse und Sozialstrukturen hat – die Entwürfe nicht entsprechend verändert wurden. Auch die Tatsache, dass die Flächenbilanz des Gebäudes durch die vielen Verwinkelungen und unterschiedlichen Gebäudetiefen im Vergleich zur Flächeneffizienz anderer Gebäude negativer ausfällt, bewirkt keine Überarbeitung des Gebäudeentwurfs. Das ursprüngliche Entwurfskonzept bleibt während der ganzen Planungsphase weitestgehend unverändert bestehen. Anhand der Gegenüberstellung der ersten Kapazitäts- und Belegungsplanungen (vgl. Abbildung 23) und einer Aufnahme des Unternehmens, herunter geladen bei google maps im Januar 2009 (vgl. Abbildung 24) lässt sich diese Stringenz gut dokumentieren. Die weitestgehend unveränderte Form mit ihren spezifischen Abwinklungen und Formgebungen kann auf beiden Darstellungen gut erkannt werden (vgl. Abbildung 23 und 24), die Struktur der Gebäude nach dem Einzug des Unternehmen gleicht somit bis auf wenige Abweichungen – die sich jedoch nicht aus der Optimierung von Gebäudetiefen ergeben – der Skizze aus dem Jahre 2001. Abb. 23: Grundrissskizze des Gebäudes aus dem Jahre 2001

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Abb. 24: Luftaufnahme des Gebäudekomplexes, aufgenommen bei Google Maps

4.3.4 Zusammenführende Betrachtungen Die Entwurfsidee fungiert als räumliches und – durch die räumlich definierten Möglichkeiten für Arbeitsprozesse und Handlungsrituale – auch als soziales Ordnungsprinzip. Die planenden Akteure, insbesondere die Architekten, stellen trotz des Interesses an den Ergebnissen der Evaluierungen in ihrer Herangehensweise an den Entwurf den Zusammenhang zwischen Gebäudeentwurf und sozialräumlicher Struktur nicht her. Da es sich auch hier um komplexe Planungsstrukturen und unterschiedliche darin verwobene Handlungsstränge handelt und zudem interne Machtkämpfe auf den Prozess einwirken, liegt die Handlungsverantwortung jedoch keineswegs allein bei den Architekten, sondern in hohem Maße auch bei den konzerninternen Planungsbeteiligten, deren Handlungsweisen von konzerninternen Strategien und Zielsetzungen bestimmt werden. Als »potent icons of the knowledge industry« (Massey 2005: 143) stellen die großen Konzerne der Technologieindustrie machtvolle Akteure in einer globalen Ökonomie dar. Massey bezeichnet sie daher auch als wesentliche Schlüsselelemente in einer »violently unequal twenty-first-century-geography« (ebd.:

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143) bei der Verteilung von Wissensressourcen. Die Dynamik einer Verräumlichung von Ungleichheiten habe ich in Kapitel 3 ausführlicher beschrieben. Auch die Codierung der architektonischen Räume der Technologieindustrie trägt zu ihrer Manifestation bei. Im Falle der Technologieindustrie und ihrer spezifischen Wissensorientierung ist die gestalterische Codierung auf die Reproduktion eines »Silicon Valley Stils« (vgl. Massey 2005: 143) ausgerichtet. Diese Codierung stellt, da es per se in gestalterischer Hinsicht eine Vielfalt von Möglichkeiten (multiplicity of trajectories, vgl. Kapitel 2) gäbe, diese Wissensarchitekturen zu planen, ein Symbol für ein elitäres Raumverständnis dar. Ihre räumliche Form und Gestaltung basiert auf einem abgeschlossenen Raumdenken und verstärkt damit Trennungen und Ungleichheiten. Damit gehen auch geschlechtsspezifische Ausdifferenzierungsformen einher. Die oben beschriebenen Praxen beinhalten und stabilisieren eine Kultur der »exclusion of women« (Massey 2005: 144). Da trennende und hierarchische Handlungsweisen und Ausschlusskonstruktionen mit einem absoluten Raumdenken verbunden sind, kann auch eine Verbindung zwischen dem Raumdenken und der Dominanz männlicher Akteure sowohl in den Führungsetagen der globalen Ökonomie als auch in der Architekturszene hergestellt werden. »Worth mentioning, too, are the (male) architects and their multinational firms […] who have been at the forefront of the design of the world’s tallest towers« (King 2004: 15). Bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Zaha Hadid, Denise Scott-Brown oder Kate Stohr sind selten weibliche Akteure in der global agierenden Architekturszene wahrnehmbar, was mit der Kultur der exclusion of women in den global agierenden Konzernen korrespondiert. Die Soziologin Margrit Kennedy hat einige Aspekte geschlechtsspezifischer Architekturproduktion erforscht. Bei der Analyse der Unterschiede von weiblichen und männlichen Prioritäten in der Stadtplanung stellte sie fest, dass Handlungsweisen und Umsetzungsrituale durchaus geschlechtsspezifisch sind: »Damals wie heute gab bzw. gibt es Kollegen, die stärker sozial engagiert sind und meinen, dass die Bewohner und Nutzer von Architektur die wichtigsten Kriterien und Hinweise auf ihre Qualität liefern, und solche, für die der Architekt alles früher und besser weiß und für die Architektur in erster Linie ein formales, ästhetisches und technisches Problem ist. […] und gerade an diesem Punkt, nämlich ob sich Architektur in die Natur, in die Landschaft oder bestehende Stadtstrukturen einfügt, ohne gewachsene physische Bestände oder Sozialstrukturen zu zerstören, schien mir doch ein großer Unterschied zwischen Kolleginnen und Kollegen feststellbar« (Kennedy 1994: 3/5).

Kennedy kommt zu dem Ergebnis, dass ein integrativeres Architekturverständnis vor allem von Frauen ausgeübt wird; dass diese jedoch oftmals resigniert aufgäben, »weil sie nicht sehen konnten, wie sie ihre Anliegen unter den gegebenen Machtverhältnissen in ihren Beruf einbringen konnten« (ebd.: 6).

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Die Punkte, auf die sie aufmerksam macht, lassen sich mit unterschiedlichen Raumverständnissen hinterlegen. Ihren Untersuchungen zufolge sind männliche Planungsweisen stärker einem absoluten Raumdenken zugeneigt, eine Schlussfolgerung, bei der sie sich auch auf die Untersuchungen ihrer Kollegin Paola Pignatelli beruft, die dieses Denken »cartesianisch« nennt, weil (in einer männlichen Herangehensweise, Anm. C.H.) Raum durch »Verstand und Abstraktion« zugänglich gemacht wird »[…] dieser Raum muss von Menschen erst erobert werden […] der Mensch macht ihn sich untertan […] dies ist der Raum der Monumentalbauten, der Renaissance und der rationalistischen Architektur« (ebd.: 4). Weibliches Raumverständnis hingegen ist integrativ und wird in den Untersuchungen als »phänomenologisch« bezeichnet und denkt Raum als eine »Ressource wie Wasser und Luft« (ebd.: 4). Daraus ergeben sich voneinander abweichende räumliche Vorstellungen und Verständnisse, die zu unterschiedlichen Handlungsweisen führen. Auch in dem hier vorgestellten Projekt, wie auch in dem Projektbeispiel aus dem vorangegangenen Kapitel handelt es sich bei den Planungsbeteiligten fast ausschließlich um männliche Akteure. Dieser Umstand kann nicht als alleinige Ursache für die Dynamik des Planungsprozesses und die Konstruktion abgetrennter Realitäten gedeutet werden. Im Hinblick auf die gesellschaftliche Einordnung von architektonischen Räumen, der Dynamik einer globalen Ökonomie und der Zuordnung von Raumverständnissen stellt er jedoch möglicherweise ein weiteres Puzzleteil bei der Erkundung der Konstellationen dar, die dem Planungsprozess architektonischer Räume einer globalen Ökonomie zugrunde liegen.

F A ZIT Das hier vorgestellte Unternehmen ist maßgeblich vom Wissensaustausch in vernetzten Strukturen bestimmt und hat eine Schlüsselfunktion im globalen Raum inne. Doch obwohl gerade die Unternehmen der neuen Technologieindustrien mächtige Akteure in einer globalen Ökonomie darstellen und ihre Organisationsstrukturen von vernetzten Prozessen, einem hohen Maß an Mobilität und den transnationalen Interaktionen in digitalen Räumen geprägt werden, sind die Planungsprozesse durch hierarchische und lineare Ordnungsstrukturen gekennzeichnet. Es kann auch in diesem Beispiel festgestellt werden, dass der Planung der architektonischen Räume spezifische Raumverständnisse zugrunde liegen, die zu einer Trennung von Gebäudeentwurf und sozialräumlicher Struktur führen. Die Relationalität, die sich aus den Interaktionen und Verknüpfungen einer vernetzten globalen Ökonomie ergibt, wird nicht als Ordnungsprinzip für die Beziehung von sozialräumlicher und baulicher Struktur verstanden. Vielmehr bleibt die Produktion architektonischer Räume an

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ein absolutes Raumverständnis gekoppelt, in der auch die Planungsparameter hierarchisch und getrennt definiert werden. Dies führt, wenn auch nicht in so extremer Ausdrucksform wie im vorangegangenen Beispiel, zur Entstehung unterschiedlicher, voneinander abgeschlossener Raumkonstruktionen, die nicht miteinander entwickelt werden. Die Zielsetzung der Außendarstellung und die zunehmende Bildproduktion einer medialisierten Gesellschaft verstärken diese Phänomene. Der Gebäudeentwurf wird zu einem frühen Zeitpunkt im Planungsprozess als Kommunikationstool für den Dialog mit der Öffentlichkeit genutzt, womit ein Vollendungsgrad vorgetäuscht wird, den ein Entwurf in diesem frühen Stadium aufgrund der sich in einer linearen Anordnung noch entwickelnden Wissenstiefe über Zusammenhänge und Grundlagen nicht hat und auch nicht haben kann. Die Illusion eines fertigen Raumes trägt dazu bei, den Gebäudeentwurf konzeptionell von den noch später einfließenden Inhalten zu trennen und die Abgeschlossenheit des Entwurfes gegenüber den anderen determinierenden Projektinhalten zu manifestieren. Die fehlende Relationenbildung und Verbindung zwischen den Planungsbereichen wird durch eine interpretative Flexibilität ersetzt. Durch die Entwicklung von flexiblen Büroraumkonzepten wird auf die vernetzten prozessualen Arbeitsbedingungen eingegangen, die in der Branche üblich sind. Interpretationen und spezifische räumliche Konzeptionen wie Büroraumkonzepte können jedoch nur im Rahmen der bereits vorhandenen räumlichen Möglichkeiten stattfinden, die auf den Ursprungsentwurf und die Grundstruktur des Gebäudes zurückgehen. Ergebnis ist, dass es bei einer konzeptionellen Trennung zwischen Gebäude und dem, was sich in ihm bewegt, bleibt.

5. Ein spatial turn in der Architektur

»Welchen Sinn sollte es machen, einen dualistischen Standpunkt in Bezug auf Raum zu beziehen, der in der Regel nur die Schlussfolgerung zulässt, dass die selbst bestimmte Kategorie soziologisch irrelevant ist? Wenn also, wie eingangs beschrieben, gesellschaftliche Veränderungen eintreten, zu deren Erklärung die Kategorie Raum herangezogen wird, dann macht es wenig Sinn, eine Begriffsbestimmung zu wählen, die in früheren, soziologischen Arbeiten immer wieder zu der Erkenntnis führt, den Raum aus dem Handlungskontext herauszulösen. Die Prozesshaftigkeit, die jedoch der Konstitution von Raum innewohnt, bleibt daher in einem absolutistischen Raumbegriff unbenannt.« (Löw 2001: 271)

Zielsetzung der beiden vorangegangenen Kapitel war es, über die Rekonstruktion von Handlungsweisen im Planungsprozess für architektonische Räume in global agierenden Organisationen die Auswirkungen von Vernetzung und Globalisierung und die damit verbundenen Raumkonstruktionen und Raumdefinitionen zu beschreiben. In den nachfolgenden Zusammenführungen werden die Ergebnisse nun in den übergeordneten Kontext der gesamten Evaluierungen eingebunden, um daraus abschließende Thesen und Erkenntnisse für die Bedeutung raumsoziologischer Konzepte für architektonische Raumproduktion formulieren zu können. Deutungsrahmen ist die Relevanz von Raumvorstellungen und Raumverständnissen im Zusammenhang mit einem umfassenden gesellschaftlichen Wandlungsprozess durch die Evolution moderner Kommunikations- und Informationstechnologien sowie durch die Dynamik einer globalen Ökonomie.

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5.1 R AUMVERSTÄNDNISSE IN DER G ESELLSCHAF T Die Deutung des empirischen Materials aus den exemplarischen Analysen führt zu der Erkenntnis, dass trotz der vernetzten und relationalen Dynamik einer globalen Ökonomie Planung und Produktion der architektonischen Räume nach wie vor von tradierten Raumvorstellungen bestimmt werden. Beide Architekturbeispiele können dabei als charakteristisch für die architektonischen Raumproduktionen und Planungsprozesse ihrer jeweiligen Branchen, der Automobilindustrie und der neuen Informationstechnologien, angesehen werden. Obwohl strategische Zielsetzungen und Arbeitsprozesse der untersuchten Konzerne als Akteure in einer globalen Ökonomie maßgeblich von der zunehmenden Vernetzung durch moderne Technologien und den Interaktionen in digitalen Strömen bestimmt sind, wird die Konstruktion ihrer architektonischen Räume nicht von einem relationalen und prozessualen Verständnis geleitet. Diese Beobachtung verdichtet sich auch anhand der Beschreibungen zur modernen Architekturproduktion aus Kapitel 3. Vor dem Hintergrund einer in der vorliegenden Arbeit angestrebten Klärung der Relationen und Bezüge zwischen den sozialen, symbolischen und materiellen Raumaspekten von gesellschaftlicher Raumkonstitution wird deutlich, dass die Raumkonzepte aus Humangeographie und Sozialwissenschaften die Definition der konzeptionellen und theoretischen Parameter zur Produktion architektonischer Räume (noch) nicht erreicht haben. Ausgehend von den Grundlagen einer Raumsoziologie von Martina Löw und den raumtheoretischen Reflexionen von Doreen Massey kann die Konstruktion kontemporärer architektonischer Räume dahingehend gedeutet werden, dass diese von einem absoluten und auf linearen und gegensätzlichen Konstruktionen basierenden Raumdenken bestimmt werden. Dieses Denken beruht nach wie vor auf der getrennten Konstruktion von Raum als Handlungshintergrund und von Menschen und sozialen Gütern als in einem Raum befindlich. Die Vorschläge aus der Raumsoziologie (vgl. Löw 2001), physische Räume als Komponenten sozialer Raumkonstitution zu denken und physische und soziale Räume damit als einander wechselseitig konstituierend zu verstehen (vgl. Kapitel 2), werden durch ein – weitgehend unbewusst wirkendes – absolutes Raumdenken verhindert. Dies hat weitreichende Folgen für ein Verständnis von der strukturierenden Kraft physischer Raumproduktion für soziale Räume, unabhängig davon ob diese als »Ensemble von Subräumen oder Feldern« (Bourdieu 1991: 28) wirtschaftliche, intellektuelle, künstlerische, universitäre oder sonstige für gesellschaftliche Strukturen relevante Felder repräsentieren, da ein absolutes Verständnis auch die Relation von Struktur und Handeln bei der Produktion architektonischer Räume definiert. Die aus den tradierten Raumvorstellungen resultierende konzeptionelle und pragmatische Spaltung von Raum und Gesellschaft steht zudem im Widerspruch zu der – in den vorangegangenen Beschreibungen dar-

5. E IN SPATIAL TURN IN DER A RCHITEK TUR

gelegten – Relevanz der physischen Räume für eine Gesellschaft im Wandel (vgl. Kapitel und Kapitel 3). Die Konstruktion architektonischer Räume beruht auf physikalischer Ebene auf den Grundlagen einer mathematisch-euklidischen Geometrie und der Vitruv’schen Architekturlehre. Als physisch-mathematische Konstruktion muss der architektonische Raum – jedenfalls soweit es der heutige Wissensstand zulässt – berechnet und konstruiert werden, daher basieren bis zum heutigen Tag wesentliche Strategien und Regeln für architektonische Planung und materielle Raumkonstruktionen auf den Prinzipien von Euklid und Vitruv (vgl. Kapitel 3). Mit diesen Prinzipien ist ein spezifisches, substantielles Raumverständnis verbunden, das die lineare und hierarchische Anordnung von Konstruktionsbestandteilen voraussetzt, was aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten seine Berechtigung hat. Das Fundament beispielsweise stellt die physische Grundlage für die Errichtung eines Bauwerkes dar und muss daher vor dem Dach hergestellt werden, ebenso wie es erst die materielle Konstruktion des Außenraums ermöglicht, Innenräume herstellen zu können. Linearität und Hierarchisierung, Bestandteile eines absoluten Raumverständnisses, sind daher im Kontext der konstruktiven Parameter physischer Räume als Ordnungsstruktur erforderlich. Wie sich in der Dynamik der Planungsprozesse in den untersuchten Projektbeispielen gezeigt hat, werden die konstruktiven, linearen Ordnungsprinzipien physikalischer Raumvorstellungen jedoch auch als konzeptioneller Ansatz auf die Anordnung der räumlichen und sozialen Parameter der Raumplanung angewandt, was dazu führt, dass die einzelnen Planungsparameter nicht als miteinander in Beziehung stehend verstanden werden. In einem an den prozessualen und simultanen Konstitutionen einer vernetzten Gesellschaft orientierten Verständnis von Raumproduktion kommt jedoch gerade der Relationenbildung große Bedeutung zu, da »erst die miteinander verknüpften sozialen Güter und Menschen zu Raum werden« (vgl. Löw 2001: 156). Als konzeptioneller Ansatz für den Umgang mit den projektdefinierenden Parametern führt ein absolutes Raumdenken bei der Planung architektonischer Räume zu Priorisierungen, Innen-Außen-Oppositionen, voneinander getrennten Raumrealitäten durch abgeschlossene Planungselemente und zu Ausschlusskonstruktionen (vgl. Kapitel 4). Die konzeptionelle Trennung zwischen den Projektparametern in den jeweiligen Planungsprozessen zeigt sich am signifikantesten daran, dass der Entwurf der Gebäude eine in sich abgeschlossene Tatsache bildet (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3). Er bildet den gestalterischen Rahmen, und gleichzeitig auch die konstruktiv-räumliche Vorgabe für die organisatorischen Handlungen und Prozesse der Nutzer. Andere Planungselemente wie die Fassade, die statischen Konstruktionen oder die Gebäudetechnik stellen ebenfalls eine eigene Realität dar und folgen als abgeschlossene Planungsschritte jeweils eigenen Zielsetzungen. Die räumlichen Konsequenzen dieses abgetrennten Denkens sind aufgrund der eigenwilligen Formensprache

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des Gebäudes und der daraus folgenden konstruktiven Anforderungen besonders deutlich in den räumlichen Entwicklungen im Projektbeispiel der Automobilindustrie (vgl. Kapitel 4.2) erkennbar, die Spaltung ist aber in allen untersuchten Beispielen gleichermaßen vorhanden. Jeder Planungsbereich nimmt sich im physischen Sinne sein Stück »Raum«, da die Ausschlusskonstruktionen eines absoluten Denkens Entweder-oder-Konstruktionen (vgl. Kapitel 2) hervorbringen. Dadurch werden Beeinträchtigungen und Begrenzungen in den jeweils anderen Raumbereichen erzeugt, ich habe die Auswirkungen detailliert in Kapitel 4 beschrieben. Ebenso wie der absolute Raum als bereits vorhanden gedacht wird, so sind in dieser linearen Anordnung die jeweiligen Elemente des vorhergehenden Planungsschrittes auch »bereits da« und können sich nicht mit den Anforderungen der nachfolgenden Planungen entwickeln. Mit dieser linearen Anordnung wird der Planungsprozess vor allem zeitlich strukturiert, die Handlungen und sozialen Grundlagen werden nicht räumlich verstanden. Erst das relationale Verständnis ermöglicht ein räumliches Verständnis der Prozesse und Raumkonstitutionen. »Always when something is positioned in relation to something else spatiality exists« (Massey 2006: 12). Das die Netzwerkgesellschaft kennzeichnende Verständnis einer veränderten Relation von Raum und Zeit, in der Raum über Zeit bestimmt (vgl. Castells 2001) – auch wenn sowohl Raum als auch Zeit nach wie vor gleichermaßen bedeutsame Strukturhandlungselemente sind – wird damit behindert. Die zeitliche Strukturierung der determinierenden Parameter kann in diesem Kontext so gedeutet werden, dass aufgrund einer konzeptionellen Trennung eine Relationenbildung nicht als notwendiges Handlungsprinzip für die Produktion architektonischer Räume erachtet wird. Grundlage – und gleichzeitig Ergebnis – der damit verbundenen Handlungsweisen ist ein Verständnis von architektonischem Raum als Container, in dem architektonischer Raum und sozialräumliche Struktur getrennt voneinander gedacht und konzipiert werden. Obwohl – wie dargelegt – Gebäudeentwürfe wesentliche Auswirkungen auf das Potential von Raumstrukturen und Raumangeboten (vgl. Kapitel 4) – und damit auf Arbeitsprozesse und soziale Strukturen haben – sind die bestehenden räumlichen Interdependenzen für die Planungsentscheidungen nicht relevant. Dies ist mit einem Raumverständnis zu erklären, in dem der absolute Raum ohne Beziehung zu dem, was sich in ihm befindet, »stets gleich und unbeweglich« (vgl. Kapitel 2) ist; der architektonische Raum wird daher nur als Rahmen für soziale Handlungen und als feststehender Hintergrund gedacht. Handlungen finden entweder in ihm – oder außerhalb von ihm – statt, jedoch nicht durch ihn oder vice versa. Diese Grundannahme schließt relationale und prozessuale Raumkonstitutionen nicht grundsätzlich aus. Da die Arbeitsprozesse in den Konzernen der globalen Akteure unter dem Einfluss moderner Kommunikationstechnologien durch simultane und vernetzte Strukturen geprägt sind, ist ein Verständnis vernetzter und prozessualer

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Konstellationen durchaus gegeben. Diese prozessualen Aspekte fließen jedoch als Nutzeranforderungen »nur« in die Gestaltung der Arbeitsplätze und der Innenraumstrukturen ein, sie sind denklogisch aber nicht mit dem Gebäude verknüpft. Obwohl die Konstitution von Räumen, physischen Räumen ebenso wie von sozialen Räumen, immer eine Handlungsdimension (vgl. Löw 2001: 111) beinhaltet und Planungsprozesse soziale Herstellungsleistungen darstellen, führt das prozessuale Verständnis der Handlungsweisen in vernetzten Arbeitsprozessen nicht dazu, die einzelnen Planungselemente ebenfalls als vernetzt zu verstehen. Grundannahme bleibt, dass der Containerraum mit dem Inneren oder Äußeren nicht in Beziehung steht, denn der relative Raum der sozialen Handlungen gilt nur als ein beweglicher Teil des absoluten Raumes (vgl. Kapitel 1; Newton 2006: 90). Architekturentwurf und Innenraumstrukturen werden durch das im Hintergrund wirkende Containerdenken als getrennte Realitäten betrachtet. Das Gebäude wird daher vor allem als zu gestaltendes Konstrukt verstanden, dessen wesentliche determinierende Parameter ästhetizistische oder gebäudetechnische Grundlagen sind. Architektonische Räume sind jedoch mehr als nur das Ergebnis der Berechnung und Zusammenführung von gestalterischer Idee und technischer Konstruktion. Jedes Gebäude stellt auch eine social theory (vgl. Gieryn 2002) dar, anhand der sich sowohl die sozialen Handlungen und Entscheidungen der beteiligten Akteure als auch der Status kollektiver Raumverständnisse ablesen lassen. Die Deutungen aus den vorangegangenen Kapiteln lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass sich in den evaluierten Prozessen und Raumproduktionen auch die – damit in Zusammenhang stehenden – vorherrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen über die Beziehung physischer Räume und Gesellschaft (vgl. Castells 2001) zeigen. Werden diese von einem absoluten Raumdenken definiert, so verändert das nicht nur die Anordnung der Projektparameter im Planungsprozess moderner Architekturen, sondern definiert auch deren sozialräumliche Verortung in der Gesellschaft. Architektonische Räume sind – ungeachtet von welchen Raumvorstellungen sie bestimmt werden – in hohem Maß strukturierend für gesellschaftliche Realität (vgl. Kapitel 3). Die Gestaltung ihrer physisch-räumlichen Form entscheidet über die strukturelle bauliche Beschaffenheit von Städten ebenso wie über die Organisation gesellschaftlicher Arbeit durch entsprechende vorhandene oder nicht vorhandene Raumangebote in den Gebäuden (vgl. Kapitel 4). Wenn jedoch der architektonische Raum nicht in den Handlungskontext einer Gesellschaft eingebunden wird – eine Haltung, die im Planungsprozess eines jeden technischen Artefaktes oder Gebäudes kumuliert – entstehen architektonische Räume ohne Bezug zum Umfeld (vgl. Kapitel 4). Die angemahnte Kontextlosigkeit der Ikonen (vgl. Kapitel 3) einer globalen Ökonomie ist daher nicht als Folge einer individuellen, ästhetizistisch ausgerichteten Gestaltung der einzelnen Artefakte anzusehen. Deren Dominanz ist vice versa vielmehr eine Folge des Denkens

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in abgeschlossenen Raumrealitäten, in dem Raum und Handeln als zwei verschiedene Realitäten und als zwei »voneinander losgelöste Phänomene« (vgl. Löw 2001: 130) vorausgesetzt werden. Dieses Verständnis ist nachweislich gleichermaßen in der Architekturpraxis als auch in kollektiven gesellschaftlichen Annahmen verankert. Auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung gibt es trotz relationaler und räumlicher Verständnisse eine Tendenz, Gesellschaft nur aus sozialen Prozessen heraus zu erklären (vgl. Kapitel 1) und die physischen Strukturen als »räumliche Folie« zu sehen, wobei unberücksichtigt bleibt, »dass die Entstehung von (physischen, Anm. C.H.) Räumen selbst ein Moment sozialer Prozesse darstellt« (Löw 2001: 130). Aus diesen »Loslösungen« ergibt sich eine binär angelegte Gesellschaftstheorie, die weitere Konstruktionen von Gegensätzen und Oppositionen (vgl. Kapitel 2) nach sich zieht. Als Ergebnis wird die Bedeutsamkeit architektonischer Raumstrukturen als sozial strukturierende Instanz unterschätzt. Architektonische Räume werden gerade im Kontext einer globalen Ökonomie vor allem als visuelles Gestaltungsmittel betrachtet. Als dieses werden sie bewusst eingesetzt, um gesellschaftliche Teilsysteme im globalen Raum zu positionieren und wirtschaftliche Formationen zu stabilisieren; sie sind nicht nur als physische Struktur in die räumlichen Logiken und Veränderungen einer zunehmenden Vernetzung und Globalisierung eingebunden. Neben der physischen Strukturierung ist auch die symbolische Komponente moderner Globalisierungsarchitekturen von Bedeutung für gesellschaftliche Konstitution (vgl. Kapitel 3 und Kapitel 4). Als Symbole einer globalen Ökonomie machen die repräsentativen Architekturen den Einfluss machtvoller Akteure sichtbar und tragen dazu bei, eine spezifische Vorstellung von Globalisierung als worldly globe (vgl. King 2004) zu manifestieren, die als kulturell und wirtschaftlich angeglichen konstruiert wird. Die Erzählung der »gigantischen Türme einer globalen Ökonomie« konstituiert sich vor allem über deren bildliche Repräsentationen und Images (vgl. King 2004: 4). Der permanente Druck zur Präsentation und Selbstdarstellung, den der Wettbewerb im Raum der flows erzeugt, führt dazu, dass die Akteure sich aufgrund der virtuellen Qualität des globalen Raums auf die Produktion adäquater Images für eine erfolgreiche Profilierung in diesem fokussieren. Das vorrangige Ziel moderner Bauwerke ist die Repräsentation (vgl. Kapitel 3 und Kapitel 4). Da die Projektparameter nicht unter dem Aspekt der Relationenbildung verstanden werden, sondern über eine lineare Anordnung definiert sind, dominieren die Zielsetzungen der visuellen Repräsentation den Planungsprozess. Verstärkt wird diese Dominanz durch den Umstand, dass diese Zielsetzung direkt mit der Produktion und Gestaltung des Gebäudecontainers verbunden ist. Für die Produktion eines adäquaten Bildes ist die Auseinandersetzung mit dem sozialräumlichen Kontext architektonischer Räume nicht erforderlich; das Bild eines Gebäudes spiegelt nicht das Ausmaß an sozialer Verantwortung in Bezug auf das urbane Umfeld oder das Potential des

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im Gebäude befindlichen Raumangebots (vgl. Kapitel 4.2 und 4.3). Im Projektbeispiel der Automobilindustrie kann das beispielsweise daran abgelesen werden, dass ein aus vielen Gründen problematischer Standort – durch seine vorgegebene Form, durch die daran vorbeiführende, begrenzende stark befahrene Straße, durch die statischen Herausforderung aufgrund der Beschaffenheit des Baugrunds etc. – dennoch als Bauplatz ausgewählt wird, weil an diesem spezifischen Standort eine hohe Außenwirkung und ein hohes Ausmaß an öffentlicher Wahrnehmung garantiert wird (vgl. Kapitel 4.2). Die hohe Bedeutung einer visuellen Signifikanz moderner Architekturen, die sich auch im Wettbewerb um Höhe oder technologisch besonders fortschrittliche Details zeigt (vgl. Kapitel 3), stellt das Ergebnis einer architektonischen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen und Möglichkeiten eines informationstechnologischen Paradigmas dar. Die zunehmende Medialisierung einer vernetzten Gesellschaft führt zur Produktion technologiebestimmter Konzepte, in denen architektonische Räume aufgrund technischer Errungenschaften als wandelbar und flexibel interpretiert werden können (vgl. Kapitel 3). Damit soll auf die prozessuale und simultane Qualität einer vernetzten Gesellschaft reagiert werden können, um den Anforderungen aus einem violent surf of information (vgl. Koolhaas 2004a) und einer sich ständig in Bewegung befindlichen modernen Gesellschaft auch architektonisch begegnen zu können. Eine Fülle von scheinbar mobilen Raumkonzepten sowie eine zunehmende multimediale Inszenierung von Raum als Objekt (vgl. Kapitel 3), wie z.B. durch die Projektion bewegter Bilder auf Fassaden, erwecken den Eindruck eines wechselseitigen Verhältnisses von gebautem Raum und gesellschaftlichen Transformationsprozessen. Multimediale Bilder und der Einsatz hypermoderner technologischer Entwicklungen täuschen jedoch – nicht zuletzt aufgrund ihrer illusorischen Eigenschaften – darüber hinweg, dass der architektonische Raum nach wie vor über ein absolutes Denken als getrennt von gesellschaftlicher Realität gedacht wird und dass ein wechselseitiges Verständnis von einer gegenseitigen Konstitution vor allem visuell und dekorativ interpretiert wird. Medialisierung und Bildproduktion verstärken vielmehr die Vorstellung von architektonischem Raum als Container, denn mit der zunehmenden Fokussierung auf die Produktion von Objekten für eine adäquate Bildproduktion werden architektonische Räume als Hintergrund betont (vgl. Kapitel 3); die Einbindung von architektonischem Raum in gesellschaftliche Veränderungsprozesse wird auf die Fähigkeit zur Integration technologischer Entwicklungen reduziert. Die Bildkonzentriertheit moderner Gesellschaften und der globale Wettbewerb zwischen Unternehmen, Städten und Organisationen lenken von der sozialen Bedeutung gebauter Strukturen ab. Im Gegensatz zu den Erneuerungen, die sozialräumliche Positionen durch das informationstechnologische Paradigma erfahren haben, stellt die Integration technischer Innovationen in der Architekturproduktion keinen Paradigmenwechsel in Bezug auf zugrunde liegende Raumverständnisse und

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in Bezug auf das Verständnis von der Beziehung zwischen Raum und Gesellschaft dar. Da in modernen Gesellschaften die Ressourcen ungleich verteilt sind, werden durch die Verräumlichung der Ungleichheiten die bestehenden sozialen Spaltungen sowie der information-divide (vgl. Kapitel 3) verstärkt. Die sozialen Spaltungen produzieren in einem räumlichen Verständnis von gesellschaftlicher Konstitution abgeschlossene Raumrealitäten, deren Konstruktion auf der gleichen Dynamik und den gleichen Grundannahmen beruht wie die Konstruktion unterschiedlicher Raumrealitäten bei der Produktion architektonischer Räume für die Akteure einer globalen Ökonomie. Auch der globale Raum der Ströme, in dem sich eine globale Ökonomie positioniert, kann als abgeschlossene Raumrealität verstanden werden. Er konstituiert sich zwar – wie Manuel Castells ausführlich dargelegt hat (vgl. Kapitel 2) – aus den Interaktionen und Verknüpfungen der Akteure in den digitalen Strömen, verfügt jedoch gleichermaßen über Eigenschaften, die ihn als eine absolute, hierarchische Konstruktion ausweisen. Diese Eigenschaften sind auf die durch ihn wirkenden Ausschlusskonstruktionen zurückzuführen, die diesen deutlich von anderen gesellschaftlichen Realitäten der Netzwerkgesellschaft, maßgeblich vom Raum der Orte, abgrenzen (vgl. Kapitel 2). Obwohl die weltweite Vernetzung durch Kommunikations- und Transporttechnologien ständig fortschreitet, sind die an den globalen Raum und dessen vernetzte Strukturen gekoppelten Ressourcen nicht für alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen zugänglich: »The network society has exploded limits, between human and non-human, between nation states, between the cultural and the material. But, under the motive force of the global corporations in the new sectors, it has created a new border: between those included and those denied access« (Graham/Marvin 2003: 218).

Das Privileg der Zugehörigkeit zum globalen Raum wird auch durch die kulturellen Codierungen der architektonischen Räume ausgedrückt, die den Zugang zur Machtstruktur signalisieren (vgl. Kapitel 3 und Kapitel 4) sollen. Davon ausgehend, dass sich durch die Wahrnehmung physischer Räume und deren Status und Kapitalgebundenheit über das Einschreiben in körperliches Bewusstsein mentale Strukturen entwickeln (vgl. Bourdieu 1991), kann eine wesentliche Rolle von Globalisierungsarchitekturen bei der Etablierung von sozialem Bewusstsein angenommen werden. Folge dieser Bewegungen und Codierungen ist, dass es »zur Konstruktion eines relativ abgeschlossenen Raumes in der ganzen Welt« (Castells 2001: 472) kommt. Zugespitzt formuliert kann vor dem Hintergrund eines raumtheoretischen Deutungsrahmens davon ausgegangen werden, dass der gespaltenen Dynamik einer Netzwerkgesellschaft das gleiche Raumverständnis zugrunde liegt, wie es sich in der Konstruktion der gängigen Globalisierungsarchitekturen zeigt und dass es dieses zu überwinden gilt.

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Das in den Beschreibungen erkennbare duale Prinzip momentaner gesellschaftlicher Strukturierung wird auf verschiedenen Ebenen gesellschaftlicher Organisation immer wieder reproduziert (vgl. Kapitel 2 und 3) und steht im Gegensatz zu einem relational-räumlichen Verständnis von gesellschaftlicher Konstitution. Doreen Massey deutet diese Dynamik als Folge einer festgefahrenen Vorstellung des Räumlichen als manifest und des Zeitlichen als beweglich, deren Ergebnis unter anderem eine spezifische Interpretation von Globalisierung als sich zeitlich ausbreitendes und sich linear entwickelndes Phänomen ist. Diese Zwangsläufigkeit der Interpretation korrespondiert mit der Konvergenz der zunehmend sich angleichenden Globalisierungsarchitekturen. Martina Löw hat in der Raumsoziologie ausgeführt, dass Perspektivenvielfalt ein wichtiges Merkmal relativen Raumdenkens ist (vgl. Kapitel 1). Auch Doreen Massey weist immer wieder auf den Aspekt der multiplicity im Zusammenhang mit einem relational-räumlichen Verständnis von gesellschaftlichen Konstitutionsprozessen hin. Die Anwendung eines solchen Denkens würde implizieren, dass die architektonischen Räume einer vernetzten Gesellschaft nicht nur an einem spezifischen Konzept von Globalisierung ausgerichtet sind, sondern als Bestandteil einer vernetzten Gesellschaft aus einer Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten heraus konstruiert werden. »Globalization is not a single all-embracing movement […]. It is a making of space(s), an active reconfiguration and meeting-up through practices and relations of a multitude of trajectories« (Massey 2005: 83). In einem absoluten Raumdenken steht diese Vielfalt aufgrund der damit einhergehenden Entweder-oder-Konstruktionen und der zwangsläufigen Dynamik linearer Prozesse nicht zur Verfügung. Auf raumtheoretischer Ebene ist darin auch – neben den in den vorangegangenen Kapiteln ausgeführten Grundlagen – ein wesentlicher, weil in kollektives Bewusstsein eingeschriebener Grund für das Phänomen einer sich weltweit angleichenden Architekturform der globalen Ökonomie zu sehen. Auch wenn Globalisierungsarchitekturen nur einen Ausschnitt baulicher und gesellschaftlicher Realität verkörpern, sind sie in einem gesamtheitlichen sozio-technologischen Prozess verwoben und eingebunden, der direkt oder indirekt alle Bereiche moderner Gesellschaften erfasst hat. Das Ausmaß, wie architektonische Räume in gesellschaftliche Prozesse integriert werden und sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden, d.h. ob sie sich als integrativer Bestandteil oder als Gegenüber und kausale Repräsentation von Gesellschaft verstehen, entscheidet mit darüber, ob die Spaltungen in die Manifestierung paralleler Universen mündet, oder ob es gelingt, physische Brücken zu bauen, die diese Spaltungen auflösen (vgl. Castells 2001). Eine gesamtgesellschaftliche Transformation räumlicher Logiken und Vorstellungen bedarf daher aufgrund der Relevanz architektonischer Räume für gesellschaftliche Strukturierungen der Transformation der Raumverständnisse in der Architekturdisziplin. Das Festhalten an tradierten Raumvorstellungen kann

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aufgrund der Verwobenheit von Architektur, Ökonomie und kulturellem Ausdruck jedoch nicht nur der Architekturdisziplin allein angelastet werden. Der globalen Ökonomie ist es bisher, trotz ihrer simultanen, prozessualen Eigenschaften, nicht gelungen, ein kollektives Raumdenken hervorzubringen, dass auf relationalen Konstruktionen beruht oder ein räumliches Verständnis von gesellschaftlichen Konstitutionen ermöglicht. Es geht daher vor allem um die Transformation kollektiver Raumverständnisse. Da ein absolutes Raumdenken jedoch in hohem Maß von einem physikalischen Raumbegriff geprägt wird, ist gerade die Transformation der Raumbegriffe bei der Produktion architektonischer Räume ein wesentliches Element in diesem Transformationsprozess. Dass die Architekturdisziplin angesichts einer medientechnologischen Revolution und den momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen einer voranschreitenden Vernetzung auf der Suche nach neuen konzeptionellen Rahmungen ist, zeigen die Reflexionen vieler Architekten zu den stattfindenden Veränderungen (vgl. Kapitel 3). Der Ansatzpunkt für die Veränderungen scheint jedoch noch nicht gefunden zu sein. Rem Koolhaas schlägt daher vor, Architektur nur noch als reflexive Theorie zu etablieren: »Yet the word ›architecture‹ is still pronounced with a certain reverence (outside the profession). It embodies the lingering hope – or the vague memory of a hope – that shape, form, coherence could be imposed on the violent surf of information that washes over us daily. Maybe architecture doesn’t have to be stupid after all. Liberated from the obligation to construct, it can become a way of thinking about anything – a discipline that represents relationships, proportions, connections, effects, – the diagram of everything« (Koolhaas 2004a: 20).

Indem Architektur jedoch als Denkmodell interpretiert wird, sind die Probleme aufgrund der physischen Strukturierungen und der Kontextlosigkeit repräsentativer architektonischer Räume nicht gelöst, sondern nur in einen anderen Denkraum verschoben. Es kann daher nicht darum gehen, die Produktion architektonischer Räume von einer reflexiven Theorie zu trennen. Ebenso haben die vielfältigen Konzepte für technologisch perfekte Gebäude oder mobile Innenraumkonzepte gezeigt, dass es bei einem neuen Verständnis von architektonischer Raumproduktion nicht darum geht, optimierte Planungs- oder Konstruktionsprozesse zu definieren (vgl. Kapitel 3). Vielmehr geht es, so meine Schlussfolgerung aus den dargelegten Beschreibungen und Untersuchungen, um ein neues Verständnis der Relation von baulichen Strukturen, den zugrunde liegenden räumlichen Vorstellungen und den daraus entstehenden sozialen Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene. Aufgrund der Relevanz von Raumvorstellungen für gesellschaftliche Entwicklung (vgl. Kapitel 1, Kapitel 2 und Kapitel 3) besteht die Herausforderung darin, das Bewusstsein darauf zu lenken, welche Folgen ein absolutes Raumdenken

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sowohl auf der architektonischen Ebene als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene hat. Das bedeutet, dass ein »neues Denken« erfolgen muss, bevor ein »neues Bauen« folgen kann. Auch wenn die letzte Wahrheit von Architekturproduktion im gebauten Raum liegt, so sind die Grundlagen architektonischer Raumproduktion im imaginierten, reflexiven und mentalen Raum verortet. Eine Transformation von Architekturproduktion kann nur dort – im reflexiven Raum – ansetzen. Die Tatsache, dass der Raumbegriff durch seine physisch-materielle Grundqualität in der Architekturdisziplin quasi vorperforiert ist, bedeutet nicht, dass der architektonische Raum nicht auch in andere Formen räumlichen Denkens eingebunden sein kann. Ausgehend von den Konzeptionen einer Raumsoziologie ist mein Vorschlag daher – um der Dualität momentaner Entwicklungen zu entkommen – architektonische Produktionsprozesse in ein relationales Raumdenken einzubinden. Damit wird der architektonische Raum von der Gesellschaft aus gedacht: »Eine Soziologie des Raumes muss demnach [aufgrund der Prozesshaftigkeit moderner Gesellschaften, Anm. C.H.] heute die Entstehung von Raum aus der (An) Ordnung der sozialen Güter und Menschen heraus erklären und nicht als eigene Realität den Gütern und Menschen dualistisch gegenüberstehen« (Löw 2001: 271). In einem absoluten Verständnis hingegen gilt nicht der soziale Raum als Ausgangssituation, sondern es stehen die Parameter zur Konstruktion eines Artefaktes und die daraus resultierenden technischen und ästhetizistischen Vorgaben im Vordergrund und erzeugen ein dualistisches Prinzip (vgl. Kapitel 3 und Kapitel 4). Ein raumsoziologisches Verständnis setzt ein wechselseitiges prozessuales Verständnis von Architektur und Gesellschaft, von Struktur und Handlung und von sozialem Raum und physischem Raum voraus, anhand dessen Architektur als wesentliche Kategorie der Konstitution moderner Gesellschaften – und nicht als Gegenüber oder Rahmen von sozialen Räumen – verstanden werden kann. Ohne dieses relationale Verständnis kann auch der Frage nach der sozialen Verantwortung der Architekturproduktion, die sich mit der Relevanz physischer Räume in den momentanen Wandlungsprozessen aufgrund ihrer Dringlichkeit neu stellt, nicht angemessen begegnet werden. Die Vorschläge von Martina Löw oder Doreen Massey bieten die Möglichkeit, sich mit eingefahrenen Raumbildern und Raumbegriffen auf einer neuen Ebene auseinanderzusetzen und tradierte Raumvorstellungen zu transformieren und neu zu verorten. Es geht dabei nicht darum, den euklidischen Raumbegriff auszutauschen oder abzulehnen, es wäre gefährlich, analytisch in eine gespaltene Logik zu verfallen, indem die vorherrschenden – oftmals kollektiv verwurzelten – Raumverständnisse, die sich bei der Produktion von architektonischen Räum zeigen, zum einen nur der Architekturdisziplin zugeordnet werden würden oder als Feindbild verstanden würden. Damit würde dieselbe oppositionelle Logik auf den Forschungsgegenstand angewendet, die es auf-

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zulösen gilt. Absolutes Raumdenken sollte vielmehr als integrativer Bestandteil verstanden werden. Ein raumsoziologisches Verständnis einer relationalen Ordnungslogik versteht die an der euklidischen Geographie orientierten Handlungen und Bauweisen daher als Aspekte sozialer Raumkonstitution (vgl. Kapitel 1; Löw 2001: 270). Absolute Raumvorstellungen wirken als mathematisch-physikalische Grundlagen auf die Konstruktion, werden jedoch nicht mehr als die leitenden Raumvorstellungen angesehen. Analytische Ausgangsposition einer transformierten Raumvorstellung ist es, Gesellschaft als sozialen Raum bzw. als eine Konstruktion aus vielen unterschiedlichen, sich teilweise überlagernden Raumkonstruktionen zu verstehen, die sowohl materielle als auch symbolische Komponenten haben (vgl. Löw 2001: 131). Dabei wird die prozessuale und simultane Dynamik moderner Gesellschaften anerkannt (vgl. Kapitel 1 und Kapitel 2); Beziehungen und (An)ordnungen werden als gleichermaßen relevant für die Raumkonstitution erachtet; Raum wird als ein Konstrukt verstanden, das immer »in Bezug zu« etwas ist. In diesem Kontext kann die Produktion architektonischer Räume neu gedacht werden. Das leitende Forschungsanliegen dieser Arbeit war es, danach zu fragen, welche Bedeutung die neuen raumsoziologischen Erkenntnisse und die Vorschläge zu einem relationalen Raumbegriff für die Entwicklung architektonischer Räume haben. Die mit dem spatial turn in den Sozialwissenschaften und der Humangeographie einhergehende räumliche Konzeptionalisierung der momentanen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse hat bisher nicht dazu geführt, den architektonischen Raum denklogisch in die interaktive und prozessuale Qualität gesellschaftlicher Veränderung und der Konstitution sozialer Räume einzubinden. Die Forschungsfrage kann daher abschließend dahingehend beantwortet werden, dass die raumsoziologischen Konzepte – auch aufgrund der Tatsache, dass der Produktion architektonischer Räume ein umfangreiches reflexives raumtheoretisches Fundament fehlt – für die Architekturdisziplin von hoher Relevanz sind. Mit einem neuen räumlichen Verständnis kann der gesellschaftliche Kontext architektonischer Räume analytisch neu bestimmt werden. Ebenso wie architektonische Raumproduktion vom sozialen Raum aus gedacht werden kann, so kann Architekturtheorie in der Raumtheorie verortet werden. Diese Neubestimmung geschieht vor dem Hintergrund einer Gesellschaft im Wandel, in der die sozialen Spaltungen und Herausforderungen zunehmen und deren Entwicklung auch im Hinblick auf eine zunehmende Verstädterung der Gesellschaften neue integrative und gesamtheitliche Konzepte und Ordnungsstrukturen erfordert. Da es sich bei den hier dargelegten Forschungsergebnissen um ein interdisziplinär angelegtes Projekt handelt, bedarf es weiterer Untersuchungen und Forschungen, um angrenzende Bereiche wie politische, wirtschaftliche, kulturelle oder technologische Aspekte des Forschungsgegenstandes im Einzelnen genauer aufschlüsseln zu können. Gerade die Verwobenheit der Architektur-

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produktion mit den wirtschaftlichen Teilsystemen der Gesellschaft beruht auf komplexen Parametern, die weiterer empirischer Analysen bedürfen. Ebenso enthalten die hier beschriebenen Handlungsroutinen Aspekte, deren Beeinflussung durch beispielsweise geschlechtsspezifische, geographische oder kulturelle Parameter zusätzliche Untersuchungen erfordern. Die Ergebnisse aus den exemplarischen Analysen könnten durch eine quantitative empirische Absicherung noch stärker verifiziert werden. Auch wenn es sich bei den exemplarischen Analysen um typische Beispiele architektonischer Planungsprozesse für die globalen Akteure handelt und die Ergebnisse aufgrund ihrer branchenspezifischen Signifikanz als exemplarisch angesehen werden können, würde eine quantitative Unterlegung den Aussagen noch mehr Bedeutung verleihen. Ein weiterer Forschungsgegenstand ergibt sich aus einer Bestimmung von Möglichkeiten, wie die von Castells angemahnten physischen Brücken hergestellt werden könnten. Es gibt Handlungsweisen und Projekte in der Architekturproduktion, deren Zielsetzungen als Hinweis auf ein neues räumliches Verständnis interpretiert werden können. Die Organisation Architecture for Humanity (vgl. Kapitel 3) beispielsweise nutzt als Open-Source-Netzwerk die technologischen Ressourcen der Vernetzung, um z.B. Bauprojekte in Katastrophengebieten oder mit hoher sozialer Brisanz mit entsprechenden Planungsleistungen zu versorgen. Das impliziert auch die Frage nach der Auslegung und den Möglichkeiten einer neuen Form der sozialen Verantwortung in der Architekturproduktion.

5.2 A USBLICK Gerade in einer vernetzten Dynamik bleibt nichts ohne Folgen. Aber: »Je mehr Zusammenhänge wir sehen, desto größer wird unser praktischer Handlungsspielraum« (Müller 1998: 29). Die fortschreitende Vernetzung kann im Sinne eines Sichtbarmachens auch so verstanden werden, dass sie besonders deutlich macht, was auch vor dem informationstechnologischen Paradigma bereits gegeben war, nämlich dass die unterschiedlichen »Räume«, hier zu verstehen als soziale Konfigurationen, in allen Gesellschaften auf vielen Ebenen voneinander abhängig sind und deren Handlungsweisen immer in irgendeiner Form Einfluss auf Handlungen oder Konstitutionsprozesse anderer sozialer Konfigurationen nehmen. Die Abhängigkeiten, die heute vor allem einer zunehmenden Globalisierung zugeschrieben werden, entstehen nicht allein durch die Vernetzung, sondern werden durch diese auch schneller sichtbar und erfahrbar. Davon ausgehend, dass die Zusammenhänge zwischen architektonischer Raumproduktion und gesellschaftlicher Konstruktion bereits bestehen, soll architektonische Raumproduktion nicht komplett neu definiert werden, sondern die Produktion architektonischer Räume muss – die Deutlichkeit bezieht sich auf die voranschreitenden sozialen Spaltungen und den Handlungsbedarf,

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der damit einhergeht – als integrativer Bestandteil von Gesellschaft begriffen werden. Damit muss auch das Potential für soziale Strukturierungen anerkannt werden, das mit der Planung und Konstruktion architektonischer Räume einhergeht. Architektonischer Raum und gesellschaftliche Konstitution bedingen einander in dieser Denklogik. Ich gehe aufgrund der in dieser Arbeit untersuchten Aspekte daher davon aus, dass mit der Integration architektonischer Raumproduktion in eine relationale räumliche Ordnungslogik nicht um ein neues Raumverständnis gerungen werden muss, sondern dass damit eine Ordnungsstruktur anerkannt wird, die das, was bereits da ist und sich bereits bedingt, konzeptionell und erkenntnistheoretisch zusammen führt. Die zunehmende Vernetzung durch moderne Kommunikationstechnologien, die daraus hervorgehenden Globalisierungstendenzen, das Bevölkerungswachstum ebenso wie die zunehmende Verstädterung der Gesellschaft mit ihren eklatanten sozialen Spaltungen verstärken sowohl die Bedeutung als auch die Verantwortung aller Komponenten. Es ist daher in meinem Verständnis auch Bestandteil einer relationalen Ordnungslogik, gerade nicht um »richtig« oder »falsch« oder um »neu« oder »alt« zu ringen, sondern das, was ist, anzuerkennen und dieses ganzheitlich zu verknüpfen. All das bedarf eines Verständnisses von Gesellschaft, in der das Verbindende und die Unterschiede gleichermaßen und zeitgleich als interdependent wahrgenommen werden. Gesellschaftliche Erneuerung, d.h. die Chance auf eine Auflösung von Spaltungen und Trennungen, ist in dieser Denklogik in hohem Maße von der Fähigkeit zur Transformation kollektiver Grundannahmen in ein relational-räumliches Verständnis von gesellschaftlicher Konstitution abhängig. Erst diese Transformation eröffnet eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten: »In that sense, space is the social dimension. Not in the sense of exclusively human sociability, but in the sense of engagement with multiplicity. It its the sphere of the continuous production and reconfiguration of heterogeneity in all its forms – diversity, subordination, conflicting interests. As the argument develops, what begins to be addressed is what that must call forth: a relational politics for a relational space« (Massey 2005: 61).

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Mona Motakef Körper Gabe Ambivalente Ökonomien der Organspende April 2011, ca. 336 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1631-6

Imke Schmincke Gefährliche Körper an gefährlichen Orten Eine Studie zum Verhältnis von Körper, Raum und Marginalisierung 2009, 270 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1115-1

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Materialitäten Lars Frers Einhüllende Materialitäten Eine Phänomenologie des Wahrnehmens und Handelns an Bahnhöfen und Fährterminals 2007, 302 Seiten, kart., zahlr. Abb., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-806-3

Jürgen Funke-Wieneke, Gabriele Klein (Hg.) Bewegungsraum und Stadtkultur Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven 2008, 276 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1021-5

Andrea Glauser Verordnete Entgrenzung Kulturpolitik, Artist-in-ResidenceProgramme und die Praxis der Kunst

Bastian Lange Die Räume der Kreativszenen Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin 2007, 332 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-679-3

Lars Meier Das Einpassen in den Ort Der Alltag deutscher Finanzmanager in London und Singapur 2009, 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1129-8

Evelyn Lu Yen Roloff Die SARS-Krise in Hongkong Zur Regierung von Sicherheit in der Global City 2007, 166 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-89942-612-0

2009, 304 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1244-8

Tatiana Golova Räume kollektiver Identität Raumproduktion in der »linken Szene« in Berlin Februar 2011, ca. 388 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1622-4

Robert Gugutzer (Hg.) body turn Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports 2006, 370 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN 978-3-89942-470-6

Cedric Janowicz Zur Sozialen Ökologie urbaner Räume Afrikanische Städte im Spannungsfeld von demographischer Entwicklung und Nahrungsversorgung 2008, 438 Seiten, kart., zahlr. Abb., 42,80 €, ISBN 978-3-89942-974-9

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