Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung: Unter besonderer Berücksichtigung von Gemeinwohlerwägungen in der AGB-Kontrolle [1 ed.] 3428190378, 9783428190379

Bezahlbares Bauland wird nahezu überall in Deutschland enorm nachgefragt. Trotzdem bleibt das Angebot gering. Der Markt

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German Pages 238 [239] Year 2023

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Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung: Unter besonderer Berücksichtigung von Gemeinwohlerwägungen in der AGB-Kontrolle [1 ed.]
 3428190378, 9783428190379

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 567

Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung Unter besonderer Berücksichtigung von Gemeinwohlerwägungen in der AGB-Kontrolle

Von

Leonard Eric Schmitz

Duncker & Humblot · Berlin

LEONARD ERIC SCHMITZ

Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 567

Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung Unter besonderer Berücksichtigung von Gemeinwohlerwägungen in der AGB-Kontrolle

Von

Leonard Eric Schmitz

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2023 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-19037-9 (Print) ISBN 978-3-428-59037-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Dezember 2022 abgeschlossen. Für die Veröffentlichung wurden Literatur und Rechtsprechung bis Juli 2023 berücksichtigt. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger, die mich zu diesem Vorhaben ermutigte und mir an ihrem Lehrstuhl die persönliche und wissenschaftliche Freiheit gewährte, welche für das Gelingen der Arbeit maßgeblich war. Auf ihre großzügige Unterstützung und Hilfe konnte ich mich stets verlassen. Herrn Notar Priv.-Doz. Dr. Patrick Meier danke ich nicht nur für die überaus zügige Erstellung des Zweitgutachtens, sondern auch für die wertvollen Hinweise während der gesamten Entstehungszeit der Arbeit. Durch seine Verbindung von Wissenschaft und notarieller Praxis hat er zu dem konzeptionellen Ansatz dieser Studie entscheidend beigetragen. Für die zahlreichen Grundstückskaufverträge danke ich allen beteiligten Gemeinden und dem Deutschen Notarinstitut. Darüber hinaus möchte ich der Studienstiftung des deutschen Volkes danken, durch die ich mit einem Promotionsstipendium gefördert wurde und der ich auf vielfältige Weise verbunden bin. Die Schulze-Fielitz Stiftung Berlin und die Studienstiftung ius vivum haben mich insbesondere bei der Drucklegung unterstützt. Auch dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Meine liebe Tante Vera hat die Mühen des Korrekturlesens auf sich genommen, wofür ich ihr sehr danke. Für verbleibende Fehler trage ich die alleinige Verantwortung. Schließlich gilt der größte und tiefste Dank meinen Eltern, meiner Schwester Marianna und meiner Partnerin Laura, die mich alle voller Liebe und Hingabe unterstützt haben, mir über jede Hürde hinweggeholfen und die Entstehung dieser Arbeit durch ihren bedingungslosen Rückhalt erst ermöglicht haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Düsseldorf, im Sommer 2023

Leonard Eric Schmitz

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Baulandpreise in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Relevanz des AGB-Rechts für die Veräußerung von kommunalen Grundstücken III. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 19 23 24 26

Erster Teil Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme § 2 Bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergabekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaufvertragsgestaltung anhand von Beispielsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik an der Rechtsprechung zur bisherigen Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Beachtung der europarechtlichen Dimension bei der vergünstigten Grundstücksvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle . . . . . . . .

29 29 29 32 33 34 34

Zweiter Teil Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht § 3 Europarechtliche Dimension der vergünstigten Grundstücksvergabe . . . . . . . . . . . . . I. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsverletzungsverfahren 2006/4271 der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EuGH, Urteil vom 8. 5. 2013 – C-197/11, C-203/11 (Flämisches Dekret) . . . . 3. Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des Einheimischenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Würdigung in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. BGH, Urteil vom 15. 2. 2019 – V ZR 77/18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtigkeit einzelner Klauseln gemäß § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Leitlinien als gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB 4. Ergänzende (europarechtskonforme) Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 37 37 39 41 42 44 47 48 49 51 52

10

Inhaltsverzeichnis III. Folgen für die kommunale Kaufvertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Interessensgruppen in der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigene Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessen des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessen des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drittinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz und Begriff des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinwohlinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompetenz zur Bestimmung des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Außerstaatliche Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Innerstaatliche Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinwohlbindung der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . cc) Landesverfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gemeinwohlbindung Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Berücksichtigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sektionsklauseln in Krankenhausaufnahmeverträgen . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Pauschalierte Schadensersatzansprüche zur Abwehr von Submissionsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vertragsstrafen der Treuhandanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Probleme der bisherigen Sichtweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 61 61 62 63 65 65 66 67 69 70 70 73 73 74 77 77 78 79 80 81 85 85 86 87 89 92 93 96 98 100 102 104 105 110 110 114 117

Inhaltsverzeichnis

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Dritter Teil Gestaltungsvorschläge für die künftige kommunale Grundstücksvergabe § 5 Vertragliche Gestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Grundstücksspekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Instrumente außerhalb des Kaufvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaufvertragliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bauverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bebauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiederkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Dingliche Absicherung durch Rückauflassungsvormerkung . . . . . . (a) Rückauflassungsvormerkung und Interessen der Finanzierungsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Löschung der Rückauflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragsstrafe und Nachzahlungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . (a) BGH, Urteil vom 20. 4. 2018 – V ZR 169/17 . . . . . . . . . . . . . . . (b) Folgen für die Gestaltung der Nachzahlungsklauseln bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Übertragbarkeit auf die Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Dingliche Absicherung durch Sicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Veräußerung zum Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Veräußerung unter Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiederkaufsrecht und Rückauflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachzahlungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Veräußerung zum Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Veräußerung unter Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 118 119 119 121 127 128 129 130 130 132 133 133 133 135 140 141 142 142 142 144 145 146 147 148 151 152 153 153 154 157 157 163 163 165 165 167

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Inhaltsverzeichnis 3. Weiterveräußerungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Veräußerung zum Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Veräußerung unter Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiederkaufsrecht und Rückauflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rückauflassungsvormerkung im Rahmen der Zustimmungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eintragung des Schuldnerwechsels in das Grundbuch . . . . . . . . . . . bb) Mehrerlösklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Veräußerung zum Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Veräußerung unter Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vierter Teil Praktische Umsetzbarkeit trotz beschränkter finanzieller Ressourcen der Kommunen § 6 Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problem der leeren Kommunalhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Lösung durch Wiederkaufsrechte zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finanzielle Lösung durch Art. 104d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergrund der Verfassungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für die Finanzierbarkeit von Wiederkaufsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Exkurs: Grundsteuer C für baureife Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergrund und Inhalt der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187 187 190 190 192 192 193 194 198 201 202 204 207

§ 7 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. AcP a. E. a. F. AG AGB AGG AöR Art. AT Az. BauGB BayGT BB BBSR Begr. BetrKV BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BMJV BR BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWNotZ ca. CDU CSU ders. d. h. dies.

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14 DIW DJT DNotI DNotZ DÖV DRB DRiZ Drs. DS DStR DV DVBl DWW ebd. E.L. Rev ErbbauZ etc. EU EuGH EuR EuZW f. F.A.S. F.A.Z. FDP ff. Fn. FS GBO gem. GG ggf. GPR GRUR GS GVBl. h. M. IMR insb. i. S. d. i. V. m. IW Jg. JR JuS JZ Kap. KommJur

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Abkürzungsverzeichnis KSzW lit. LMK MDR MittBayNot MittRhNotK m. w. N. n. F. NJOZ NJW NJW-RR notar NVwZ NZM ORDO OVG RabelsZ RefE RegE RGBl. Rn. S. s. o. sog. SPD SSRN StGB S.Z. Tz. u. a. Var. VerwArch vgl. Vor WD WuB WuM z. B. ZEuP ZfBR ZfIR ZfPW ZfRV ZG ZGR ZHR ZIP

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Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht littera Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Oberverwaltungsgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt Randnummer Seite siehe oben sogenannte(n) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Social Science Research Network Strafgesetzbuch Süddeutsche Zeitung Textziffer unter anderem Variante Verwaltungsarchiv vergleiche Vorbemerkung Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wohnungswirtschaft und Mietrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

16 ZUR ZWE

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht

Im Übrigen sei verwiesen auf: Kirchner, Hildebert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Aufl., Berlin 2021.

§ 1 Einführung Bezahlbares Bauland wird nahezu überall in Deutschland enorm nachgefragt. Trotzdem bleibt das Angebot gering. Das Bundesverfassungsgericht postulierte bereits im Jahr 1967 im Hinblick auf das Wirtschaftsgut Boden, dass dieses „unvermehrbar und unentbehrlich“1 sei. Kann auch bei steigender Nachfrage nicht mehr Boden produziert werden, so kann die öffentliche Hand doch immerhin neues Bauland ausweisen. Der Markt um Boden ist deshalb typischerweise ein Verkäufermarkt, in dem dieser seine Interessen leichter durchzusetzen vermag. Um zu verhindern, dass Käufer die Grundstücke nur als Geldanlage erwerben oder nach kurzer Zeit wieder mit Gewinn weiterveräußern, verwenden Gemeinden zunehmend Vertragsklauseln, die Grundstücksspekulationen verhindern sollen. Im Jahr 2018 hatte der Bundesgerichtshof in zwei Fällen Gelegenheit, zur Wirksamkeit solcher Instrumente Stellung zu nehmen. Bemerkenswert hieran ist, dass der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung des § 307 Abs. 1 BGB die Gemeinwohlerwägungen der Gemeinde in Bezug auf die Spekulationsverhinderung berücksichtigt. Dies wirft auf theoretischer Ebene die Frage auf, ob eine solche Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt zulässig sein kann und ob daneben nicht andere vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten existieren, die zum einen nicht nur das beabsichtigte Ziel der Gemeinden langfristig erreichen können, sondern zum anderen auch methodisch überzeugen. Die Lösung dieses Problems ist insbesondere deshalb relevant, weil sie am Ursprung für den akuten Mangel an günstigem Wohnraum ansetzt. Hauptursache ist dafür nach Expertenmeinung das ohnehin knappe verfügbare Bauland, in das durch Bauleitplanung und Erschließung schon erhebliche öffentliche Mittel geflossen sind, aber das aufgrund von Spekulation nicht bebaut und tatsächlich genutzt wird.2 Dadurch verteuert sich auf der einen Seite nicht nur Wohnraum, sondern auf der anderen Seite werden dabei auch öffentliche Gelder verschwendet. Bisherige Versuche des Gesetzgebers der Lage Herr zu werden, blieben oftmals ohne Ergebnis, weil sie nur darauf abzielten, die Auswirkungen der wohnungspolitischen Situation in Form von immer weiter steigenden Mieten zu bekämpfen. Nicht 1

BVerfGE 21, 73 (82 f.) = NJW 1967, 619 (620). So die Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) aus dem Jahr 2017, S. 2, 15 f., abrufbar unter: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/startseite/topmeldungen/downloads/baulandpreise. pdf?__blob=publicationFile&v=1. 2

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abschließend sollen an dieser Stelle etwa das Mietrechtsnovellierungsgesetz3 (die sogenannte „Mietpreisbremse“), das Mietrechtsanpassungsgesetz4 sowie der unlängst für verfassungswidrig erklärte fünfjährige „Mietendeckel“5 in Berlin genannt werden. Auch das Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB bezweckt nur den Schutz des Mieters vor Verdrängung aus seiner Wohnung im Zusammenhang mit der spekulativen Begründung von Wohnungseigentum und betrifft nur den kleinen Teil der Mieter, die den Kauf ihrer Mietwohnung auch finanzieren könnten.6 All diesen Vorstößen ist gemein, dass sie das Ende des Preisbildungsprozesses zu regulieren versuchen, anstatt rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der ursprünglichen Vergabe von Bauland zu nutzen und ferner sicherzustellen, dass es nicht zweckwidrig als reines Spekulationsobjekt verwendet wird. Der Verkauf kommunaler Grundstücke ist daher im besonderen Maße bedeutsam und wird sich ausweislich der Pläne der Bundesregierung in Zukunft noch weiter verstärken. Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ soll zur Schaffung von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr führen.7 Als Vorstufe soll explizit die finanzielle Unterstützung des Bundes nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch die Eigenheimförderung fortgeführt und sogar erhöht werden.8 Die dafür notwendigen Grundstückskaufverträge bieten noch nicht ausgeschöpftes Potenzial zur effektiven Verhinderung von Grundstücksspekulation, während klassischerweise für solche Regulierungsziele im ersten Zugriff Maßnahmen aus dem Öffentlichen Recht herangezogen werden. Beispielsweise kann die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gem. §§ 24 ff. BauGB als öffentlichrechtliches Instrument durchaus sinnvoll sein. Sein Anwendungsbereich ist allerdings stark eingeschränkt und kommt darüber hinaus auch erst zum Einsatz, wenn sich das Grundstück schon in privater Hand befindet und das Preisniveau bereits

3 Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG), BGBl. I 2015, S. 610. 4 Gesetz zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache (Mietrechtsanpassungsgesetz – MietAnpG), BGBl. I 2018, S. 2648; zur europarechtlichen Zulässigkeit einer Mietpreiskontrolle siehe Rapberger, ZfRV 2023, 3 (9). 5 Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung, GVBl. 2020, S. 50 f.; zur Nichtigkeit siehe BVerfGE 157, 223 = NJW 2021, 1377; a. A. Putzer, NVwZ 2019, 283. 6 Ausführlich Herrler, ZfPW 2018, 328 (329 ff.). 7 Davon sollen 100.000 öffentlich gefördert werden, siehe Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, 20. Legislaturperiode, S. 69; zur Verfehlung dieses Ziels bereits S.Z. vom 23. 05. 2022, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ wohnungen-rueckgang-klara-geywitz-1.5590432. 8 Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, 20. Legislaturperiode, S. 69.

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entsprechend hoch ist.9 Bei ungestörter Entwicklung führt dies dazu, dass nicht nur Menschen mit geringen und mittleren Einkommen immer weiter aus der Stadt verdrängt werden. Das dadurch begründete soziale Konfliktpotential liegt auf der Hand.10 Die Arbeit soll deshalb einen Beitrag dazu leisten, die bisher unzureichende Konzeption der kommunalen Grundstücksgeschäfte aufzudecken und darüber hinaus Vorschläge zu entwickeln, wie Grundstücksspekulation effektiver verhindert werden kann. Angesichts der leeren Kommunalhaushalte ist ebenfalls zu beleuchten, mithilfe welcher konkreten Lösungsansätze die vertraglichen Gestaltungsinstrumente überhaupt finanziert werden könnten. Dabei wird zugleich die Frage beantwortet, ob die zur Verfügung stehenden Mittel ausreichend sind oder ob der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert ist, um der Baulandpreisentwicklung entgegenzuwirken und eine sinnvollere Nutzung der begrenzten Ressource Boden zu erreichen.

I. Entwicklung der Baulandpreise in Deutschland Die Entwicklung der Baulandpreise kann als stärkster Treiber für die Attraktivität von Grundstücksspekulation bezeichnet werden. Auf den Punkt bringt es Martin Kment: „In einem Umfeld weltweiter Urbanisierungstendenzen und einer alternden Gesellschaft erhöhen Grundstücksspekulationen und erhebliche Preissprünge im Wohnungsbau massiv den Druck auf das Wohnraumangebot.“11 Nach ökonomischen Gesichtspunkten ist die Erklärung dafür vergleichsweise trivial, da die Bevölkerung wächst, sich in bestimmten Regionen konzentriert und die damit verbundene gestiegene Nachfrage auf ein gleichbleibendes Angebot stößt, sodass in der Folge die Baulandpreise steigen. Verschärft wurde dieser Trend noch durch die elf Jahre andauernde Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die erst mit der Zinswende im Juli 2022 ihr vorläufiges Ende gefunden hat, und eine gleichzeitig stark ansteigende Inflation.12 Grundstücke wurden dadurch zu einer der profitabelsten Assetklassen. 9 Nach einem Tätigkeitsbericht der Bundesnotarkammer beträgt die Ausübungswahrscheinlichkeit „unter 0,1 Promille“, siehe DNotZ 1997, 514 (530); aktuelle Zahlen sind – soweit ersichtlich – nicht verfügbar. 10 Schon Bo¨ ckenfo¨ rde, Wider die Bauland-Spekulation. Vorschla¨ ge zu einer Reform des Bodennutzungsrechts, Die Zeit Nr. 19 vom 12. 5. 1972, S. 54. 11 Kment, NJW-Beilage 2022, 48 (48); ders. erstattete auch ein Gutachten für den 73. DJT u. a. zu Maßnahmen für die künftige Wohnraumversorgung, siehe dazu unter E. II. 12 Zur Zinswende siehe die Pressemitteilung der EZB, abrufbar unter: https://www.ecb.euro pa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp220721~53e5bdd317.de.html; die jeweils aktuelle Inflationsrate wird auf der Website des Statistischen Bundesamts veröffentlicht, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Tabellen/Verbrau cherpreise-12Kategorien.html.

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Das Ausmaß des Problems und der Ernst der Lage treten jedoch erst dann vollkommen hervor, wenn man dazu die offiziellen Statistiken betrachtet. Dazu eignen sich besonders der Preisindex für Bauland und der Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes:

Der Preisindex für Bauland zeigt die Entwicklung der Preise für unbebaute, baureife Grundstücke ab 100 m2. Der Häuserpreisindex misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller typischen Markttransaktionen für Wohnimmobilien, also Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser. Dazu zählen sowohl neu erstellte als auch bestehende Wohnimmobilien.13 Bundesweit haben sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2020 um rund 65 % verteuert. Die Preise für Baulandgrundstücke erhöhten sich im Zeitraum 2010 bis 2020 um über 100 %. Die Inflationsrate stieg im gleichen Zeitraum um vergleichsweise geringe 14 %.14 Diese eindrucksvolle Diskrepanz dehnt sich aber noch weiter aus, wenn man nicht den

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Zu den Indizes siehe Statistisches Bundesamt, abrufbar unter: https://www.destatis.de/ DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/_inhalt.html. 14 Siehe Statistisches Bundesamt, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirt schaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/_inhalt.html.

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Bundesdurchschnitt, sondern deutsche Großstädte und Ballungszentren in den Blick nimmt:15 Baulandpreise für Eigenheime 2018 DK

Baulandpreise für Eigenheime in mittlerer Lage 2018 in je m bis unter 50 50 bis unter 100 PL

100 bis unter 150 150 bis unter 200

NL

200 bis unter 300 300 bis unter 400 400 bis unter 500 500 und mehr

BE CZ LU 78 111 71 53 77 41 21 33 Häufigkeiten

FR

AT

CH

100 km

Datenbasis: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung, Gutachterbefragung des Arbeitskreises der Oberen Gutachterausschüsse, Zentralen Geschäftsstellen und Gutachterausschüsse in der Bundesrepublik Deutschland (AK OGA) Geometrische Grundlage: Kreise und Subkreise basierend auf Gemeinden (generalisiert), 31.12.2017 © GeoBasis-DE/BKG Bearbeitung: C. Zander, J. Nielsen

Auf der Karte stechen die Regionen hervor, in denen auch die aktuelle Wohnungsnot aufgrund der hohen Baulandpreise und der damit verbundenen Mieten am größten ist. Während auf dem Schaubild nur eine Momentaufnahme zu sehen ist, lässt sich die extreme Preisentwicklung von Baugrund in Deutschland insbesondere ab dem Jahr 2010 nachverfolgen.16 Dies wird anhand der zuvor dargestellten Indizes des Statistischen Bundesamtes ebenfalls deutlich, die ab diesem Zeitpunkt ein nahezu exponentielles Wachstum aufzeigen. So sind zwischen 2011 und 2017 die Preise von baureifem Land in den sieben sog. A-Standorten17 von durchschnittlich 600 E pro m2 15 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Wohnungs- und Immobilienmärkte in Deutschland 2020, S. 99. 16 Dazu gibt es eine Vielzahl von statistischen Erhebungen, siehe z. B. die vielbeachtete Studie zum Wohnungsbautag 2019, abrufbar unter: https://www.prognos.com/sites/default/ files/2021-01/20190509_inventur_zum_bauen_und_wohnen_2019_-_prognos-wohnungsbaustudie.pdf sowie die Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2017 (Fn. 2). 17 Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart.

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auf 1.120 E pro m2 gestiegen.18 In den B-Standorten19 haben sich die Preise im selben Zeitraum von 240 E pro m2 auf 500 E pro m2 sogar mehr als verdoppelt.20 Eine gegenteilige Entwicklung ist für diese Regionen nicht in Sicht, denn die Tendenz zur Urbanisierung ist weiter steigend.21 Nur in sowieso strukturschwachen Regionen lassen sich teils fallende Bodenpreise beobachten. Ordnet man den Immobilienpreisaufschwung darüber hinaus in die Preisdynamiken der anderen europäischen Länder ein, sind die Zahlen ebenfalls bedrohlich. Die Immobilienpreise in Deutschland stiegen seit Pandemiebeginn im EU-Vergleich am stärksten.22 Im europäischen Durchschnitt haben sich die Angebotspreise seit Dezember 2019, also dem letzten Monat vor Beginn der Pandemie, bis Februar 2022 um 23,6 % erhöht.23 In Deutschland sind sie allein im Zeitraum von Dezember 2019 bis März 2021 um 45 % gestiegen.24 Es liegt es auf der Hand, dass angesichts dieser dramatischen Progression dringender Handlungsbedarf besteht. Die Spekulationsgeschäfte mit Grundstücken, wodurch die Preisspirale weiter gedreht wird, führen dazu, dass sich die Wohnkosten immer mehr von den Einkommen entkoppeln und sorgen damit für sozialen Sprengstoff. Das BVerfG stellte nicht ohne Grund fest: „Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“25 Zu welchen Bedingungen Grund und Boden im Rechtsverkehr übertragen wird und auch zulässigerweise übertragen werden kann, geschieht nach den Maßgaben des AGB-Rechts, das für die Veräußerung von kommunalen Grundstücken überragende Bedeutung besitzt.

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Studie zum Wohnungsbautag 2019 (Fn. 16), S. 17. Dabei handelt es sich um 35 Städte, vgl. die Liste im Anhang zur Studie (Fn. 16). 20 Studie zum Wohnungsbautag 2019 (Fn. 16), S. 18. 21 Kment, NJW 2018, 3692 (3692 m. w. N.). 22 Koetter/Noth, Wirtschaft im Wandel 28 (2022), 4 (4), veröffentlicht vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). 23 Koetter/Noth, Wirtschaft im Wandel 28 (2022), 4 (4); für weitere Zahlen aus dem europäischen Vergleich eignen sich die Zahlen des Hauspreisindex von Eurostat. 24 So für den verfügbaren Zeitraum Koetter/Noth, Wirtschaft im Wandel 28 (2022), 4 (4). 25 BVerfGE 21, 73 (83) = NJW 1967, 619 (620). 19

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II. Relevanz des AGB-Rechts für die Veräußerung von kommunalen Grundstücken Bei der Veräußerung von kommunalen Grundstücken kommt ein Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) zwischen dem Staat und Privaten zustande.26 Trotz der Beteiligung eines staatlichen Akteurs ist dieser notarielle Vertrag privatrechtlicher Natur, da Hauptgegenstand die Grundstücksveräußerung ist.27 Die darin gegebenenfalls vereinbarten Klauseln – etwa eine Bauverpflichtung – enthalten unstreitig städtebauliche Elemente, sodass es sich um privatrechtliche städtebauliche Verträge im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Verträgen handelt.28 An der grundsätzlichen Rechtsnatur des Vertrages ändert dies jedoch nichts. In aller Regel handelt es sich bei den einzelnen Klauseln schon aus Gleichbehandlungsgründen um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt und somit um AGB, vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Etwas anderes könnte nur ausnahmsweise gelten, wenn die Gemeinde nur ein vereinzeltes Grundstück verkauft und nicht beabsichtigt, die darin formulierten Klauseln mehrfach zu verwenden. In der Praxis wird die Gemeinde aber eine Vielzahl von Grundstücken im Rahmen eines Bebauungsplans veräußern und damit gerade dauerhaft und planmäßig am Markt agieren, mithin also gewerblich als Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB) auftreten.29 Trifft sie dann auf einen Verbraucher (§ 13 BGB) als Käufer, gelten sogar die Spezifizierungen des § 310 Abs. 3 BGB für Verbraucherverträge. In der Arbeit spielt der vergünstigte Verkauf von kommunalen Grundstücken an bestimmte Personengruppen, teilweise auch als Einheimischenmodell bezeichnet, eine ganz zentrale Rolle, da die Handlungsoptionen der Gemeinde zur Einflussnahme auf die Verwendung des Grundstücks deutlich größer sind und dementsprechend auch mehr durch AGB geregelt werden muss. Im Laufe der Zeit haben sich dafür verschiedene lokale Vorgehensweisen herausgebildet:30 Bei einem Angebotsmodell (oder auch Sicherungsmodell genannt) lässt sich die Gemeinde von den Grundstückseigentümern lediglich ein Erwerbsrecht einräumen 26 Aus rein theoretischer Sicht Abromeit, Vertragsgestaltung bei komplexen Verträgen des Staates mit Privaten, S. 53 ff. 27 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 (103); BGH 26. 6. 2015 – V ZR 271/ 14, NJW 2015, 3169 Rn. 8; BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1414 f. Rn. 9). 28 Zur Frage, ob privatrechtliche städtebauliche Verträge neben § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB auch zusätzlich der AGB-Kontrolle unterliegen, siehe § 4 I. 3. e) dd) (2). 29 Meier/Schmitz, NJW 2019, 2345 (2347); zu den Merkmalen der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit ausführlich Faber, ZEuP 1998, 854 (868 ff.). 30 Zu den verschiedenen Modellen statt aller Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, S. 242 Rn. 705.

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und verpflichtet sich zugleich, dieses Recht nicht auszuüben, sofern die Grundstückseigentümer ihr Grundstück nur zu bestimmten Bedingungen an geeignete Erwerberkreise veräußern. Das Erwerbsrecht kann dabei entweder als Angebot ausgestaltet sein (sog. Weilheimer Modell) oder als sonstiges dinglich abgesichertes Ankaufsrecht (sog. Traunsteiner Modell). Im absoluten Regelfall kauft die Gemeinde aber die Grundstücke vor der Ausweisung zunächst selbst an, falls sie nicht schon sowieso Eigentümerin ist, und veräußert sie danach mit einem Abschlag vom allgemeinen Baulandkaufpreis an geeignete Erwerberkreise weiter (Zwischenerwerbs- oder Ankaufsmodell). Für die Zwecke dieser Arbeit wird von diesem letzten Modell ausgegangen, da es sich in der Praxis durchgesetzt hat und mit Abstand am häufigsten vorkommt.31 Für die inhaltliche Zulässigkeit der jeweiligen Vertragsklauseln gegenüber den letztendlichen Erwerbern entsteht durch die abweichende Vorgehensweise der Gemeinde im Ergebnis jedenfalls kein Unterschied.

III. Stand der Forschung Die Frage, welche privatrechtlichen Gestaltungsspielräume zur Verhinderung von Grundstücksspekulation bestehen, wurde bislang nur vereinzelt im Schrifttum aufgeworfen.32 Es existiert eine Dissertation, die mit einer Bodenwertzuwachssteuer ein denkbares Mittel zur Eindämmung der Spekulation aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht beleuchtet.33 Eine umfassende Würdigung der bisherigen kommunalen Praxis zur Veräußerung von Bauland aus zivilrechtlicher Sicht existiert allerdings nicht, zumal auch die jüngste Rechtsprechung des BGH zu den Nachzahlungs- und Mehrerlösklauseln nicht hinreichend aufgearbeitet wurde. Der Problemkreis rund um den Einfluss von Interessen des Gemeinwohls in privatrechtlichen Vereinbarungen über § 307 Abs. 1 BGB findet hingegen in zahlreichen Kommentaren Erwähnung.34 Ein Aufsatz aus dem Jahr 2002 widmet sich explizit dieser Problematik, kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis, indem die Möglichkeit der Berücksichtigung von Interessen des Gemeinwohls entgegen der 31 Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, S. 242 Rn. 705; Würzburger Notarhandbuch/ders., Teil 6 Rn. 176; Schlögel, ZfIR 2016, 175 (176), ebenso Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (564); Bröll, BayGT 2008, 439 (439). 32 C. Schmidt, KommJur 2014, 367, geht nur überblicksartig auf das Einheimischenmodell ein. 33 Figel, Die Problematik einer Bodenwertzuwachssteuer in steuerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht. 34 Im Grundsatz gegen die unmittelbare Berücksichtigung etwa MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 52; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; Soergel/Fritzsche, § 307 BGB Rn. 49; Grüneberg/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 11; a. A. Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 230 f.; einschränkend Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 138.

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herrschenden Meinung bejaht wird.35 Das damit verwandte Thema der öffentlichen Verhaltenssteuerung durch Mittel des Privatrechts wurde ebenfalls unlängst durch eine Qualifikationsschrift ausführlich behandelt.36 Die Rechtsprechung hat sich in einigen Fällen in der Vergangenheit mit Dritt- und Allgemeininteressen in der AGB-Kontrolle befasst, aus denen sich jedoch kein einheitliches Wertungskonzept ergibt, sondern vielmehr weitere Sonderfälle gebildet wurden.37 Durch die beiden Urteile des BGH aus dem Jahr 2018,38 in denen die Gemeinwohlinteressen in der Interessenabwägung nach Ansicht des Senats Einfluss finden können, öffnet sich jedoch ein weites Feld, da sie eine Schnittstelle zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht betreffen. Jedoch kann und soll keine Abhandlung über das grundsätzliche Verhältnis und den gegenseitigen Einfluss dieser beiden Rechtsgebiete entstehen.39 Vielmehr beschränkt sich das Ziel der Arbeit auf die zulässige Ausgestaltung der kommunalen Grundstückskaufverträge, in denen private Interessen einerseits auf gemeinwohlorientierte Erwägungen andererseits treffen. Das Zusammenspiel von Gemeinwohl und Privatrecht ist in der Tat von besonderer Aktualität und hat bislang noch keine erschöpfende wissenschaftliche Bearbeitung erfahren.40 Dafür spricht auch die Themenwahl für die Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung 2019 in Hamburg sowie die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 2019 in Marburg.41 Eine Arbeit, die sich mit der bisherigen Vertragsgestaltung der Gemeinden durch AGB im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Ziel der Schaffung von Wohn35

Baetge, AcP 202 (2002), 972. Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 684, der u. a. § 307 BGB als Generalklausel einordnet, die durch ihren Wortlaut sowohl einem Interessenausgleich als auch der Verfolgung von Gemeinwohlbelangen dienen könne; dies meint aber nicht, dass im Rahmen des Interessenausgleichs Gemeinwohlinteressen zu berücksichtigen sind, sondern bezieht sich auf die Existenzberechtigung der Inhaltskontrolle als Einschränkung der Vertragsfreiheit. So kann eine AGB-Kontrolle der Förderung von Gemeinwohlzielen dienen, wenn der Gesetzgeber dazu dispositives Recht als Regulierungsinstrument einsetzt, vgl. ders., Regulierung und Privatrecht, S. 92 ff., 730. 37 Zu den Fallgruppen der Rechtsprechung siehe unter § 4 II. 3. e). 38 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 und BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/ 17, NJW 2018, 3012. 39 Dazu etwa Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen. 40 Dies stellt auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, fest; zu einer fehlenden systematischen Erfassung bereits Martens, AcP 177 (1977), 113 (115); für einen stärkeren Einsatz privatrechtlicher Mittel im traditionell öffentlich-rechtlichen Bereich ebenfalls Ackermann, ZEuP 2018, 741 (756), der dies nicht auf die Unionsrechtsebene begrenzt. 41 „Gemeinwohl und Privatrecht“ Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung 2019, siehe dazu G. Wagner/Dauner-Lieb, AcP 220 (2020), 453; jüngst zur privatrechtlichen Leiterzählung übergreifend Croon-Gestefeld, Gemeininteressen im Privatrecht, S. 21 ff.; „Öffentliches Recht und Privatrecht“ Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 2019, siehe etwa Schönberger, in: VVDStRL, Bd. 79 (2019), S. 291. 36

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und Arbeitsraum befasst, fehlt bislang noch. Dies überrascht auch vor dem Hintergrund, dass sich andere akademische Disziplinen wie etwa die Wirtschafts- oder Politikwissenschaft sehr eingehend mit der Thematik auseinandersetzen.42 Dabei sind es insbesondere rechtliche Fragestellungen, die ausschlaggebend für eine langfristig funktionierende Verhinderung von Grundstücksspekulation sein können. Die Klärung der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation sowie darüber hinausgehend die Finanzierbarkeit der vorgeschlagenen Sicherungsinstrumente in der Praxis soll daher Aufgabe dieser Dissertation sein. Lässt sich am Grundproblem der Bodenknappheit in Ballungszentren zwar nichts ändern, wäre damit aber ein entscheidender Beitrag zum effizienten Umgang mit dieser begrenzten Ressource geleistet, indem Grundstücke auch tatsächlich bebaut werden, folglich Wohnraum für Menschen geschaffen wird, und die Baulandpreise durch Spekulation nicht weiter angeheizt werden.

IV. Gang der Untersuchung Im folgenden Kapitel wird die bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe anhand von Beispielsklauseln veranschaulicht und danach dargestellt, welche beiden Hauptkritikpunkte daran bestehen. Zu nennen sind die fehlende Beachtung der europarechtlichen Dimension im Rahmen der vergünstigten Grundstücksvergabe sowie die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Sodann wird der primärrechtliche Hintergrund der europäischen Leitlinien fu¨ r Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken dargelegt, um im Anschluss den Inhalt und die Bindungswirkung der Leitlinien zu beurteilen. Es folgt die Untersuchung der Rechtsprechung des BGH im Hinblick darauf, ob die europarechtliche Dimension ausreichend gewürdigt wurde und welche Folgen sich aus dem Europarecht für die kommunale Kaufvertragsgestaltung ergeben. Im nächsten Schritt wird untersucht, welche Interessen in die Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 BGB einzubeziehen sind. Die verschiedenen Interessensgruppen werden einzeln aufgeschlüsselt und voneinander abgegrenzt. Damit dies gelingen kann, muss der Gemeinwohlbegriff näher konkretisiert und vor allem die Kompetenz zur Bestimmung der Gemeinwohlinteressen herausgearbeitet werden. Dies ist zentral für den späteren Lösungsansatz im AGB-Recht, da auch dort die gesetzgeberische Legitimation eine Schlüsselfunktion für die Berücksichtigungsfähigkeit der Gemeinwohlinteressen innehat. 42

Den Grundstein legte der Nationalökonom Adolf Weber, Über Bodenrente und Bodenspekulation in der modernen Stadt, 1904; zu politischen Aspekten Wolfgang Eckart, Der Boden als Anlageobjekt und Produktionsfaktor: Theorie und Politik, 1982; historische Aufarbeitung aus jüngerer Zeit von Karl Christian Führer, Die Stadt, das Geld und der Markt. Immobilienspekulation in der Bundesrepublik 1960 – 1985, 2016.

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Umgekehrt stellt sich die Frage, ob auch zugunsten Privater Gemeinwohlaspekte zu beachten wären, die dann wiederum in die Inhaltskontrolle eingebracht werden dürften. Dem könnte man entgegenhalten, dass Private nicht dem Gemeinwohl oder Grundrechten unmittelbar verpflichtet sind, aber führt damit zu der grundlegenden Problematik, ob so nicht die Gemeinwohl- und Grundrechtsbindung sogar in ihr Gegenteil verkehrt wird, wenn sie als Rechtfertigung für eine ansonsten unangemessene Benachteiligung des Bürgers dient. Im Hinblick auf die AGB-Kontrolle werden sodann die bisherige Rechtsprechung und Ansichten innerhalb der Literatur vorerst in drei Fallgruppen kategorisiert, wobei die Entscheidungen zu Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln als vierte neu hinzutreten. Die Zulässigkeit von AGB, mit denen eine Partei Gemeinwohlaspekte verfolgen will, hat die Rechtsprechung nämlich vereinzelt schon in der Vergangenheit beschäftigt. Zu nennen sind die sogenannten Sektionsklauseln in Krankenhausaufnahmevertra¨ gen, die unter bestimmten Voraussetzungen eine vorformulierte Einwilligungserkla¨ rung des Patienten in eine innere Leichenschau enthalten. Die Rechtsprechung stellt dabei auf das wissenschaftliche Interesse an der Leichenöffnung sowie auf den Beitrag zur Entwicklung der Medizin und der öffentlichen Gesundheitsvorsorge ab, hinter die das Interesse des Patienten und seiner Angehörigen an der Unversehrtheit des Leichnams für die Bestattung zurücktreten müsse. Mehrfach und besonders aktuell im Jahr 2021 hat der BGH zu Konstellationen entschieden, in denen öffentliche Auftraggeber Vertragsstrafen für den Fall in AGB vereinbaren, dass sich die Bieter kartellrechtswidrig abgesprochen haben. Auch dort stellt sich die Frage, ob Interessen der Allgemeinheit oder Eigeninteressen aufgrund der überhöhten Preise zum Tragen kommen. Eine weitere Gruppe bilden die Regelungen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (vormals: Treuhandanstalt) für Unternehmenskaufverträge über ehemalige Staatsbetriebe der DDR, die Vorgaben zur Absicherung von Arbeitsplatz- und Investitionszusagen durch Vertragsstrafen enthielten. Der BGH berücksichtigte in der Angemessenheit – damals noch im Rahmen von § 9 Abs. 1 AGBG – die öffentliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensprivatisierung. Im Anschluss wird dann die neue Rechtsprechung des BGH zu Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln im Detail beleuchtet, die im Schrifttum bislang noch nicht eingehend behandelt wurde und nach hier vertretener Ansicht einer neuen Fallgruppe zuzuordnen ist. Dies erfordert in einem ersten Schritt, die Judikatur in die bisherigen Rechtsprechungslinien einzuordnen, um sie zumindest auf innere Kohärenz zu prüfen. In einem zweiten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, ob durch den öffentlich-rechtlichen Prüfungsmaßstab (§ 11 Abs. 2 BauGB) andere Interessen zu berücksichtigen sind als im Privatrecht (§§ 305 ff. BGB), da die von der Gemeinde geschlossenen Verträge aus privatrechtlichen und städtebaulichen Elementen bestehen und die Norm des BauGB richtigerweise nur eine Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist. Zudem ist zu klären, ob beim städte-

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§ 1 Einführung

baulichen Vertrag zusätzlich eine AGB-Kontrolle durchgeführt werden muss, damit der europäische Verbraucherschutz durch die Klauselrichtlinie nicht umgangen wird. Im Rahmen dieser Betrachtung wird sich zeigen, dass die gegenwärtige kommunale Vertragsgestaltung unzureichend und die Auffassung des BGH zur Einbeziehung der Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle nicht überzeugend ist. Nach einer jeweiligen Stellungnahme wird dann im nächsten Schritt ein eigener Ansatz für die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Gemeinwohlinteressen in der Inhaltskontrolle präsentiert. Im dritten Teil sollen die Überlegungen nicht beim unbefriedigenden Befund zur kommunalen Vertragsgestaltung stehen bleiben, sondern die Möglichkeiten der Gemeinden zur effektiveren Verfolgung ihrer Ziele näher beleuchtet werden. Vorab muss dafür die Grundstücksspekulation als Zentralbegriff definiert werden, da im juristischen Kontext keine einheitliche Verwendung existiert und sich Transfers aus den Wirtschaftswissenschaften anbieten. Daneben soll ein Seitenblick auf andere als kaufvertragliche Methoden zur Verhinderung von Grundstücksspekulation erfolgen, um ihre jeweiligen Grenzen aufzuzeigen und die Vorzüge der Kaufvertragsgestaltung hervorzuheben. Sind die Instrumente außerhalb des Kaufvertragsrechts umrissen, folgen drei Gruppen an denkbaren Gestaltungen. Erstens kommt die Auferlegung einer Bauverpflichtung in Betracht, zweitens Nutzungsbeschränkungen und drittens Veräußerungsverbote. Es werden ihr jeweils zulässiger Inhalt besprochen und in einem weiteren Schritt die Sicherungsmöglichkeiten erläutert, die rechtskonform und in Auseinandersetzung mit den zuvor erzielten Erkenntnissen noch denkbar sind. Ein Augenmerk wird dabei auf die europarechtlichen Vorgaben gelegt, die bislang wenig Beachtung gefunden haben, sich aber insbesondere bei der Bindungsdauer einzelner Klauseln sowie der Nachzahlung bei vorzeitiger Weiterveräußerung auswirken. Methodisch wurden dazu auch reale Grundstückskaufverträge aus einer bayerischen Millionenstadt, einer Großstadt sowie einer Kleinstadt ausgewertet und der kommunale Haushalt im Rahmen der Finanzierbarkeit bestimmter Instrumente berücksichtigt. Der vierte Teil beschäftigt sich nämlich mit der Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltung, da dies als Problemkern für die ungenügende Ausübung von im Grunde überlegenen Instrumenten identifiziert wurde. Es folgen Lösungsvorschläge auf rechtlicher und finanzieller Ebene sowie eine Bewertung der künftig geltenden Grundsteueränderungen, die durch erhöhtes Steueraufkommen auch zur finanziellen Lösung beitragen könnten. Die Arbeit endet mit der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem Ausblick darauf, welche Wege einzuschlagen sind, um Grundstücksspekulation in Zukunft effektiver und nachhaltiger zu verhindern.

Erster Teil

Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme § 2 Bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe Damit im weiteren Verlauf konkrete Vorschläge zur Kaufvertragsgestaltung mit dem Ziel der Verhinderung von Grundstücksspekulation gemacht werden können, muss zunächst ein Blick auf die bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe geworfen werden. Dadurch sollen die Probleme der bisherigen Praxis aufgeworfen werden, die dann einer rechtlichen Beurteilung und schließlich einer Lösung zugeführt werden können. Nach der Ausweisung des Baulandes stellt sich für die Gemeinde die Frage, an wen, zu welchem Preis und zu welchem Zweck das jeweilige Grundstück veräußert werden soll. Die Einrichtung eines kommunalen Modells zur vergünstigten Vergabe von Grundstücken ist dabei das adäquate Mittel, um tendenziell diejenigen Käufer herauszufiltern, die das Grundstück nur aus spekulativen Gründen erwerben möchten. Dadurch werden Käufergruppen wie Familien oder einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung bevorzugt, die meist keinen raschen Weiterverkauf des Grundstücks erwarten lassen. Zugleich können damit soziale Ziele der Gemeinde verwirklicht werden. Darüber hinaus sollen Grundstücke nicht einfach brachliegen, sondern angesichts der steigenden Wohnungsnot in Ballungszentren bebaut werden und als Wohnraum dienen. Entscheidend ist ferner, dass die allgemeinen Grundstückspreise nicht durch Spekulation und regelmäßige Weiterverkäufe hochgetrieben werden und sich damit das Wohnen an sich verteuert. Im Folgenden werden beispielhaft die bisherigen Vergabekriterien sowie die bisherige Kaufvertragsgestaltung dargestellt, um anschließend zu erläutern, an welchen Stellen die Kritik an der dazu ergangenen Rechtsprechung ansetzt.

I. Vergabekriterien Die Ortsplanung und der Wohnungsbau sind nach Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV) freiwillige Aufgaben der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis (Art. 57 BayGO). Fu¨ r die Vergabe von gemeindlichen Baugrundstücken steht es

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1. Teil: Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme

daher den Gemeinden frei, sich Verwaltungsrichtlinien aufzuerlegen und diese umzusetzen. Im Rahmen der Vergabekriterien werden meist Familien und einkommensschwächere Personengruppen bevorzugt. Eine typische Vergaberichtlinie einer bayerischen Gemeinde sieht in etwa wie folgt aus: 1. Berücksichtigungsfähiger Personenkreis 1.1 Antragsberechtigt sind natürliche Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und das Grundstück für den Eigenbedarf erwerben. Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften zählen als ein Bewerber. Nicht zulässig sind Anträge, die stellvertretend abgegeben werden (z. B. Antrag von Eltern oder Großeltern für Kinder oder Enkelkinder). Es gilt der Grundsatz, dass der Antragsteller Vertragspartner der Gemeinde X wird. Anträge von Personen und Unternehmen, die in fremden Auftrag handeln, wie bspw. Bauunternehmen, Bauträger, Immobilienmakler etc. finden in der Regel keine Berücksichtigung. Ausnahme hierfür ist eine Bewerbung auf Grundstücke, die für Geschosswohnungsbauvorgesehen sind. 1.2 Unbeschadet von Wohnungseigentum oder Grundbesitz (bebaubare Grundstücke) ist die Antragstellung jedem möglich. 1.3 Der Antragsteller kann sich auf max. zwei Grundstücke bewerben. Jede Familie bzw. jeder Bewerber kann nur ein Baugrundstück erhalten. 2. Rangfolge innerhalb des beru¨ cksichtigungsfähigen Personenkreises Kommen mehrere Antragsteller fu¨ r den Erwerb eines Grundstu¨ cks in Betracht, entscheidet ein Punktesystem nach folgender Maßgabe: Es wird ein Bonus-System angewandt, welches von 0 bis 150 Punkten reicht. Berücksichtigt werden bei der Punktevergabe: – das Einkommen (s. Ziffer 3.1), – evtl. Behinderung des Antragsstellers bzw. eines Familienangehörigen (s. Ziffer 3.2), – die Anzahl der beru¨ cksichtigungsfähigen Kinder (s. Ziffer 3.3), – Vorhandensein von Wohnungseigentum in Gemeinde X (s. Ziffer 3.4). Die Gesamtpunktzahl entscheidet u¨ ber die Rangfolge der Bewerber im Entscheidungsfall. Bei Punktgleichstand entscheidet die höhere Kinderzahl, danach das niedrigere Einkommen. 3. Punktetabelle entsprechend Ziffer 2 der Richtlinie 3.1 Einkommensverhältnisse Bewertet wird im Rahmen dieser Richtlinie die Summe des zu versteuernden Einkommens unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge des Antragstellers. Als Nachweis ist der zuletzt ergangene Jahreseinkommensteuerbescheid maßgebend. Das Einkommen im Sinne dieser Richtlinie definiert sich gem. § 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Bis 40.000 E 30 Punkte Bis 50.000 E 20 Punkte Bis 60.000 E 10 Punkte

§ 2 Bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe

31

3.2 Behinderung des Antragstellers oder eines hinzuzurechnenden Familienangehörigen ab 50 v. H.

20 Punkte

3.3 Kinder Angerechnet werden nur Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und im Haushalt des Antragstellers wohnen und dort mit Hauptwohnsitz gemeldet sind. Die maximale Punktzahl pro Antrag fu¨ r anrechenbare Kinder beträgt 80 Punkte. 4 und mehr Kinder

80 Punkte

3 Kinder

60 Punkte

2 Kinder

40 Punkte

1 Kind

20 Punkte

3.4 Wohnungseigentum in Gemeinde X Kein Wohnungseigentum/kein Grundbesitz in Gemeinde X 20 Punkte Wohnungseigentum/Grundbesitz in Gemeinde X

0 Punkte

4. Vergünstigungen für Kinder beim Erwerb eines gemeindlichen Grundstücks Erwerber, deren maßgebliches Familieneinkommen (gegebenenfalls inklusive des hinzurechnenden Einkommens von Familienangehörigen) im Jahr vor dem Erwerb die in Art. 11 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes vom 10. April 2007 in der jeweils geltenden Fassung genannten Einkommensgrenzen nicht übersteigt, erhalten einen Preisnachlass. Maßgebend ist das zu versteuernde Jahreseinkommen gemäß dem vorzulegenden Einkommenssteuerbescheid. Der Nachlass beträgt pro Kind 5 % auf den Grundstu¨ ckspreis (ohne Kosten für Erschließung), maximal 15 %. Berücksichtigt werden Kinder, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und im Haushalt des Antragstellers wohnen und dort mit Hauptwohnsitz gemeldet sind.43

Diese oder vergleichbare Vergaberichtlinien werden also von den Gemeinden angewendet, um im ersten Schritt die möglichen Erwerber für ihre Grundstücke zu identifizieren. Im zweiten Schritt wird nun anhand von Beispielsklauseln dargestellt, welche Vereinbarungen in der Praxis getroffen werden, damit die Grundstücke bebaut, als Wohnraum genutzt und nicht nach kurzer Zeit bereits wieder weiterveräußert werden.

43 Die Vergaberichtlinien können meist auf den Webseiten der jeweiligen Gemeinden sowie im Rathaus öffentlich eingesehen werden. Der Studie liegen zahlreiche Vergaberichtlinien mit vergleichbarem Inhalt zugrunde.

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1. Teil: Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme

II. Kaufvertragsgestaltung anhand von Beispielsklauseln Um diese drei Ziele zu erreichen, vereinbaren die Gemeinden im Rahmen der Grundstückskaufverträge mit ihren Käufern Bauverpflichtungen, Nutzungsbindungen sowie Weiterveräußerungsverbote. Diese werden wiederum mit Wiederkaufsrechten und Zahlungspflichten gesichert, die allerdings nur alternativ geltend gemacht werden können.44 Zur Veranschaulichung soll eine in der Praxis weit verbreitete Beispielsklausel dienen:45 Der Käufer verpflichtet sich gegenüber der veräußernden Gemeinde, das Vertragsobjekt innerhalb einer Frist von … Jahren ab heute mit einem Wohngebäude entsprechend den bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Vorschriften bezugsfertig zu errichten und dieses sodann für die Dauer von … Jahren ab Bezugsfertigkeit als Erstwohnsitz zu nutzen. Zulässig ist die Nutzung als häusliches Arbeitszimmer oder Büro, ebenso die Fremdvermietung zu Wohnzwecken, solange die Wohnnutzung zu eigenen Zwecken, bemessen nach den betroffenen beheizten Flächen, überwiegt. Der Erwerber verpflichtet sich weiter gegenüber der Gemeinde, das Vertragsobjekt während der Errichtung sowie der anschließenden Nutzungsphase ab Bezugsfertigkeit nicht an Dritte zu veräußern; als Dritter gilt nicht der jeweilige Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner bzw. Abkömmling, sofern dieser die Eigennutzungspflicht auf die Restdauer übernimmt. Als Veräußerung gilt hierbei jedes Rechtsgeschäft, das einem Dritten die Verwertung oder Nutzung des Objekts auf eigene oder fremde Rechnung ermöglicht, auch durch bindendes Kaufangebot, Ankaufsrecht, Bestellung eines Erbbaurechts, Einräumung schuldrechtlicher Nutzungsrechte, Nießbrauchsrechte etc., sowie die Einräumung mehrheitlicher Beteiligungen an Eigentümergesellschaften. Verstößt der Erwerber gegen die vorgenannte Pflicht zur Errichtung des Gebäudes zur Selbstnutzung sowie zum Unterlassen einer Veräußerung oder wird die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung über das Objekt angeordnet – es sei denn, diese werden binnen 2 Monaten ab Anordnung wieder aufgehoben – oder wird das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet oder gibt er die Vermögenserklärung i. S. d. §§ 802c ff. ZPO ab, ist die Gemeinde zum Wiederkauf berechtigt. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts ist in Schriftform binnen eines Jahres ab Kenntnis von den das Recht auslösenden Tatsachen auszuüben. Wiederkaufspreis ist der heutige Grundstückskaufpreis, zuzüglich der vom Käufer entrichteten Erschließungs- und Anschlusskosten, zuzüglich der Wertsteigerung, die aufgrund der Investition des Käufers zur Errichtung des Gebäudes eingetreten ist. Die durch die Auslösung des Wiederkaufsrechts anfallenden Kosten und Steuern hat der heutige Käufer zu tragen. Zur Sicherung dieses bedingten Rückübereignungsanspruchs bewilligt der heutige Käufer und beantragt die Gemeinde die Eintragung einer Vormerkung, als verbundenen Antrag mit der Umschreibung des Eigentums auf den heutigen Käufer, § 16 Abs. 2 GBO. Sie erhält Rang nach den aufgrund der Finanzierungsvollmacht im heutigen Kaufvertrag bestellten Rechten. 44

BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (308) mit Verweis auf BGH 14. 1. 2000 – V ZR 386/98, NJW 2000, 1332 (1333). 45 Der Formulierungsvorschlag stammt von Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123.

§ 2 Bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe

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Die Gemeinde ist verpflichtet, mit dieser Vormerkung im Rang hinter weitere Grundpfandrechte zurückzutreten, wenn diese zugunsten von Kreditinstituten oder Versicherungen mit Sitz in der Europäischen Union eingetragen sind und durch Beteiligung der Gemeinde an der Zweckvereinbarung sichergestellt ist, dass die durch das Grundpfandrecht gesicherten Verbindlichkeiten lediglich zur Errichtung des Wohngebäudes und zur Finanzierung von Erschließungs- und Anschlussmaßnahmen am Objekt dienen. Die Rückübereignung hat frei von Miet- und Pachtverhältnissen zu erfolgen. Alternativ zur Geltendmachung des Wiederkaufsrechts ist die Gemeinde auch berechtigt, im Fall des Verstoßes gegen die Errichtungs-, Nutzungs- oder Nichtveräußerungsverpflichtung die Nachzahlung eines Kaufpreises von … Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu verlangen; auch dieses Verlangen ist binnen eines Jahres nach Kenntnis vom auslösenden Tatbestand in Schriftform auszuüben. Zur Sicherung dieser bedingten Kaufpreisnachzahlungsverpflichtung bestellt der heutige Käufer zugunsten der Gemeinde eine unverzinsliche Buchgrundschuld in Höhe von … Euro und bewilligt und die Gemeinde beantragt deren Eintragung im Rang vor der vorstehend bewilligten Vormerkung in das Grundbuch. Sie wird bereits heute gekündigt und der Erhalt der Kündigung bestätigt. Hinsichtlich der Verpflichtung zum Rangrücktritt mit dieser Grundschuld gelten die Bestimmungen zum Rangrücktritt in Bezug auf die Vormerkung entsprechend. Der Käufer unterwirft den erworbenen Grundbesitz der Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in der Weise, dass die Vollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig ist, und bewilligt und beantragt diese gem. § 800 ZPO in das Grundbuch, Zug um Zug mit der Umschreibung des Eigentums auf ihn, einzutragen. Daneben unterwirft sich der Käufer wegen eines abstrakten Schuldanerkenntnisses in Höhe der Grundschuld der Vollstreckung auch in sein sonstiges Vermögen aus dieser Urkunde. Beide Rechte sind nach Ablauf des Nutzungszeitraums ab Bezugsfertigkeit auf Antrag und Kosten des Grundstückseigentümers zur Löschung zu bewilligen.

Dieser beispielhafte Formulierungsvorschlag kann freilich nicht die gesamte Bandbreite der in der Praxis vorzufindenden Gestaltungsmöglichkeit abbilden, sondern soll nur den grundsätzlichen Aufbau und Zusammenhang von Bauverpflichtungen, Nutzungsbindungen und Weiterveräußerungsverboten illustrieren. Die jeweiligen Bindungsfristen wurden dabei nicht mit Jahreszahlen ausgefüllt, da die Zulässigkeit abhängig von der Kaufpreisreduktion ist und Gegenstand der späteren detaillierten Betrachtung sein wird. Entscheidend ist aber nunmehr, welche Kritikpunkte es an der gegenwärtig praktizierten kommunalen Grundstücksvergabe und ihrer rechtlichen Beurteilung durch die Gerichte gibt.

III. Kritik an der Rechtsprechung zur bisherigen Vertragspraxis Betrachtet man die bisherige Vertragspraxis und die dazu ergangene jüngere Rechtsprechung des BGH sind es insbesondere zwei Hauptkritikpunkte, die im Folgenden kurz aufgeworfen werden sollen.

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1. Teil: Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme

1. Fehlende Beachtung der europarechtlichen Dimension bei der vergünstigten Grundstücksvergabe Zunächst ist die fehlende Beachtung der europarechtlichen Dimension im Rahmen der vergünstigten Grundstücksvergabe kritikwürdig. Dies betrifft insbesondere die europäischen „Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des Einheimischenmodells“46 aus dem Jahr 2017, die etwa eine maximale Bindungsdauer von 10 Jahren für die Klauseln zur Sicherung des gemeindlichen Förderzwecks vorsehen. Dennoch finden sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang keine Beachtung. Vielmehr billigt der BGH auch weiterhin deutlich längere Bindungsdauer bei der vergünstigten Überlassung von Grundstücken.47 Darüber hinaus trifft die Kritik ebenfalls die Gemeinden selbst, die die europäischen Vorgaben meist nur unzureichend umsetzen und den detaillierten Anforderungen nicht gerecht werden, indem sie etwa die Zugangsvoraussetzungen zu niedrig ansetzen, die Auswahlkriterien nicht nach der Maßgabe der Leitlinien gewichten oder schließlich zu lange Bindungsfristen zur Sicherung des Förderzwecks vereinbaren. Nach den allermeisten Vergaberichtlinien kann ein Grundstück außerdem nicht nur zu einem Preis unter dem Marktpreis (mit verschiedenen Rabatten), sondern auch zum Marktpreis erworben werden. Im Hinblick auf die Kaufvertragsgestaltung muss jedoch festgestellt werden, dass dennoch meist einheitliche Bindungsklauseln für alle Veräußerungen verwendet werden. Eine solche Vorgehensweise ist problematisch, da für die AGB-rechtliche Zulässigkeit der Bindungsklauseln nach der Kaufpreishöhe differenziert werden muss.48 Dies führt allerdings zum nächsten Kritikpunkt im AGB-Recht, der darin besteht, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das Gemeinwohl in Form des kommunalen Interesses an der Verhinderung von Grundstücksspekulation in die AGB-Kontrolle miteinfließen lässt. 2. Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle Anstoß dafür haben zwei Fälle aus dem Jahr 2018 gegeben, in denen der BGH zur Wirksamkeit von Vertragsklauseln urteilte, die im Rahmen von Grundstücksverkäufen durch Gemeinden vereinbart wurden: Der ersten Entscheidung49 aus dem März 2018 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die veräußernde Gemeinde und die Grundstückserwerberin eine Mehrerlös46 Abgedruckt in BayGT 2017, 190 (191 ff.); siehe auch Klein, KommP BY 2017, 170 (171 ff.); Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (260 ff.); Patzelt, KommJur 2018, 321 (322 f.). 47 Siehe etwa BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602. Ausführlich dazu unter § 3. 48 Siehe dazu unter § 5. 49 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414.

§ 2 Bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe

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klausel vereinbart hatten, wonach für den Fall der Weiterveräußerung des Grundstücks in unbebautem Zustand innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Beurkundung der durch die Veräußerung erzielte Mehrerlös an die Gemeinde abzuführen war. Angekauft wurde das Grundstück zum Marktpreis. Der Käufer veräußerte innerhalb von fünf Jahren in unbebautem Zustand mit Gewinn weiter, woraufhin die Gemeinde den Mehrerlös auf Grundlage der vertraglich vereinbarten Klausel forderte. Der Sachverhalt des zweiten Urteils50 aus dem darauffolgenden Monat beruht auf einer im Kern ähnlich gelagerten Situation. Die beklagte Gemeinde hatte zwei Grundstücke zum Marktpreis an den Kläger und seine damalige Ehefrau veräußert. Die Erwerber verpflichteten sich, innerhalb von acht Jahren nach Vertragsschluss auf den Grundstücken ein bezugsfertiges Wohnhaus zu errichten. Darüber hinaus musste dieses acht Jahre lang selbst genutzt und die Grundstücke durften während dieser Zeit nicht veräußern werden. Im Falle eines Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht sollte eine pauschale Zuzahlung von 5,– E pro m2 und bei Verstoß gegen das Veräußerungsverbot eine solche von 25,– E pro m2 erfolgen. Die Erwerber kamen zwar der Bauverpflichtung nach, veräußerten jedoch nach ihrer Scheidung vier Jahre später die Grundstücke, woraufhin die Gemeinde die Zuzahlung forderte, obwohl der Betrag die tatsächliche Wertentwicklung der Grundstücke überstieg. Im ersten Urteil hielt der BGH die Mehrerlösklausel für wirksam, die starre Nachzahlungsklausel befand er in der zweiten Entscheidung dagegen als unwirksam. Die Unangemessenheit ergebe sich hauptsächlich daraus, dass sie nicht die tatsächliche Wertsteigerung des Bodens berücksichtige. Unabhängig vom Entscheidungsausgang ist jedoch von grundlegender Bedeutung, dass der Senat in seiner neuen Rechtsprechung bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB die Gemeinwohlerwägungen der Gemeinde als Aspekt zu ihren Gunsten berücksichtigt.51 Verwendete die Gemeinde eine Mehrerlösklausel nur zu dem Zweck, ihr Vermögen zu mehren, setzte sie nach der Judikatur des BGH ihre eigenen Interessen in unangemessener Weise auf Kosten des Käufers durch. Dies sei nur in einer Individualvereinbarung – nicht aber bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – zulässig. Eine Mehrerlösklausel könne aber zulässig sein, wenn die Gemeinde hieran ein anerkennenswertes, über die reine Abschöpfung eines Ver50

BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012. So ausdrücklich in BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28 f.).; BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13, 15); in der zweiten Entscheidung konnte der BGH offen lassen, ob die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhielte, da sie bereits nach dem weiteren Prüfungsmaßstab des § 11 Abs. 2 BauGB unwirksam war. Der Senat wendete aber dann wie selbstverständlich den „Rechtsgedanken“ des § 306 Abs. 3 BGB als Folge der Unwirksamkeit an, siehe BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3014 Rn. 18), dabei richtet sich die Unwirksamkeitsfolge nach § 139 BGB bzw. für einen öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Vertrag nach § 59 Abs. 3 VwVfG, siehe Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 11 BauGB Rn. 82. 51

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1. Teil: Ausgangslage und damit verbundene rechtliche Probleme

äußerungsgewinns hinausgehendes Interesse habe.52 Ein solches sei gegeben, wenn die Gemeinde mit der Verwendung der Klausel erreichen möchte, dass nur bauwillige Personen das Grundstück erwerben und auf diese Weise kurzfristige Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu verhindern sucht.53 Dabei ist äußerst fraglich, ob eine solche Interessenberücksichtigung in AGB zulässig sein kann, da die Gemeinde danach nahezu jedes Gemeinwohlinteresse zu ihren Gunsten geltend machen könnte und sich somit nahezu immer gegenüber den Interessen des Käufers durchsetzen würde. Es stellt sich ferner die Frage, ob die Gemeinde überhaupt die Kompetenz zur Bestimmung eines konkreten Gemeinwohlinteresses hat, um es dann in die Interessenabwägung einzubringen. Bejahte man die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle, müssten letztlich auch gemeinwohlverpflichtete Private ihrerseits Gemeinwohlinteressen einbringen können. Im folgenden Teil wird sich zeigen, dass eine solche Sichtweise nicht überzeugt und die Verhinderung von Grundstücksspekulation dementsprechend in Abkehr zur verfehlten Rechtsprechung des BGH keine Berücksichtigung in der AGB-Kontrolle finden kann.

52

BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29 f.); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13). 53 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29 f.); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13, 15).

Zweiter Teil

Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht § 3 Europarechtliche Dimension der vergünstigten Grundstücksvergabe Um die Beurteilung der europarechtlichen Dimension der vergünstigten Grundstücksvergabe vorzunehmen, werden zuerst die Leitlinien und ihre Genese vorgestellt und sodann untersucht, inwieweit diese Vorgaben im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewürdigt wurden. Dabei lässt sich die Vereinbarung der Leitlinien durchaus als aktuelle Rechtsentwicklung bezeichnen, die Kollision der vergünstigten Grundstücksvergabe vornehmlich für Einheimische mit den Grundfreiheiten kann jedoch nicht als besonders neues Thema angesehen werden.

I. Europarechtliche Vorgaben Die zuerst in Bayern praktizierten Einheimischenmodelle haben nämlich schon vor einigen Jahren europarechtliche Bedenken und Maßnahmen der EU-Kommission auf den Plan gerufen. Durch die Privilegierung Ortsansässiger mithilfe von günstigeren Grundstückspreisen wollten die Gemeinden besonders in tourismusgeprägten Gegenden einer überhandnehmenden Nachfrage von außen entgegenwirken und der ortsansässigen Bevölkerung die Zutrittsmöglichkeit zum Grundstücksmarkt erhalten.54 Die EU-Kommission hingegen sah darin einen Verstoß gegen Art. 18, 21, 45, 49 und 63 AEUV und hielt die Bundesrepublik Deutschland an, die mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu unterlassen und die Freizügigkeit der Unionsbu¨ rger, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr zu gewährleisten. 1. Vertragsverletzungsverfahren 2006/4271 der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland Die Europäische Kommission leitete deshalb bereits im Jahr 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV gegen die Bundesrepublik Deutschland 54

Bröll, BayGT 2008, 439; Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (564).

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

wegen eines Einheimischenmodells ein.55 Die Begründung ist naheliegend, denn europa¨ ische Bürger, die sich aus familia¨ ren oder beruflichen Gru¨ nden in einer dieser Gemeinden niederlassen mo¨ chten, werden dadurch gegenu¨ ber Ortsansa¨ ssigen benachteiligt und mu¨ ssen fu¨ r ein vergleichbares Eigenheim mehr zahlen als Einheimische.56 Betroffen war zunächst aber keine bayerische Kommune, sondern die nordrheinwestfälische Gemeinde Selfkant, die unmittelbar an die niederländische Stadt Sittard angrenzt. Um Gemeindebürgern gegen den externen Nachfragedruck einen Grundstückskauf zu ermöglichen, hatte sie für den Verkauf gemeindeeigener Grundstücke unterschiedliche Bedingungen festgelegt. Ortsansässige mussten im Jahr 2006 pro Quadratmeter Baugrund etwa 100 E bezahlen, Nichtortsansässige hingegen 146 E.57 In verschiedenen Stellungnahmen und Erörterungsterminen machte die Bundesregierung Zugeständnisse und teilte nunmehr die von der EUKommission vertretene Auffassung, dass die Förderung Ortsansässiger mit herabgesetzten Kaufpreisen konkret auf die Ziele der Förderung auszurichten sei, woraufhin die EU-Kommission das Verfahren zunächst ruhen ließ.58 Im Juni 2010 wurde es jedoch wieder aufgenommen und auf die Einheimischenmodelle der bayerischen Gemeinden Bernried, Seeshaupt am Starnberger See sowie der Stadt Vohburg an der Donau und Weilheim in Oberbayern erweitert.59 Vergleichbare Modelle wurden nach Schätzungen allerdings seinerzeit von rund 200 Gemeinden und Städten allein in Bayern praktiziert.60 Knackpunkt war insbesondere das für die Bauplatzinteressenten geltende Erfordernis des Wohnens in der Gemeinde für einen bestimmten Zeitraum, das die EU-Kommission nicht als Zugangskriterium, sondern nur im Rahmen der Auswahlentscheidung akzeptieren wollte.61 Im Januar 2011 drohte die EU-Kommission schließlich damit, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, ohne jedoch ihren Worten Taten folgen zu lassen.62 Wind in das Verfahren brachte erst die EuGH-Entscheidung vom 8. Mai 2013 in zwei verbundenen Rechtssachen zu einem flämischen Dekret, das nur Personen mit einer „ausreichenden Bindung“ den Erwerb von bestimmten subventionierten Liegenschaften nach bayerischem Vorbild erlaubte.

55

Vertragsverletzungsverfahren 2006/4271 der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland. 56 Ausdrücklich EU-Kommission, Pressemitteilung IP/10/820 vom 24. 06. 2010. 57 Portz, KommJur 2013, 201 (202); Grziwotz, ZfIR 2017, 761 (767). 58 Siehe zum Verfahrensgang Bröll, BayGT 2008, 439 (439 f.). 59 Busse, BayGT 2016, 117 (118); Portz, KommJur 2013, 201 (202); Grziwotz, ZfIR 2017, 761 (767). 60 Portz, KommJur 2013, 201 (202). 61 Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (259); Grziwotz, ZfIR 2017, 761 (767). 62 So Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (259); siehe bereits EU-Kommission, Pressemitteilung IP/10/820 vom 24. 06. 2010.

§ 3 Europarechtliche Dimension der vergünstigten Grundstücksvergabe

39

2. EuGH, Urteil vom 8. 5. 2013 – C-197/11, C-203/11 (Flämisches Dekret) Die flämische Region erließ im Jahr 2009 ein Dekret63 über die Grundstücks- und Immobilienpolitik, das unter anderem Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum enthielt.64 Danach dürfen in besonders nachgefragten Gebieten Grundstücke und darauf errichtete Bauten zur Verhinderung der Gentrifizierung nur an Personen übertragen werden, die nach dem Dafürhalten einer provinzialen Bewertungskommission eine ausreichende Bindung zur Gemeinde haben, also entweder erstens „mindestens sechs Jahre lang ununterbrochen in der Zielgemeinde oder in einer angrenzenden Gemeinde wohnhaft gewesen“ sind, zweitens „Tätigkeiten in der betreffenden Gemeinde verrichten, die durchschnittlich mindestens eine halbe Arbeitswoche in Anspruch nehmen“ oder drittens „aufgrund eines wichtigen und dauerhaften Umstands eine gesellschaftliche, familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindung zu dieser Gemeinde aufgebaut“ haben.65 Gegen diese Regelung sind einige Erwerbswillige sowie der belgische Grundbesitzerverband bis zum belgischen Verfassungsgerichtshof vorgegangen, der daraufhin dem EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV die Frage vorgelegt hat, ob die Art. 21, 45, 49, 56 und 63 AEUV so auszulegen seien, dass sie der Regelung entgegenstünden.66 Der EuGH stellte zunächst fest, dass im Rahmen der belgischen Maßnahme nicht an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wurde, wobei es sich um eine unmittelbare Diskriminierung (Art. 18 AEUV) gehandelt hätte, die unzulässig ist und für die es keine Rechtfertigung gibt.67 Sollten nationale Maßnahmen die Angehörigen eines Mitgliedstaates trotzdem daran hindern oder davon abhalten, diesen Staat zu verlassen, um ihr Recht auf Freizügigkeit in der Union wahrzunehmen, stellen auch diese Maßnahmen Beschränkungen der Grundfreiheiten dar. Vorliegend werden einerseits Personen ohne „ausreichende Bindung“ zu einer Zielgemeinde durch die Bestimmungen des flämischen Dekrets daran gehindert,

63

Le décret de la Région flamande du 27 mars 2009 relatif à la politique foncière et immobilière, Moniteur belge du 15 mai 2009, p. 37408. 64 Siehe zum vollständigen, vorliegend vereinfachten Sachverhalt, EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (m. Anm. Grziwotz) sowie JuS 2013, 1051 (m. Anm. Ruffert). 65 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (835). 66 Siehe auch die Anm. von Ruffert, JuS 2013, 1051, zu EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288; geprüft wurde außerdem ein Verstoß gegen Art. 22 und 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europa¨ ischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 u¨ ber das Recht der Unionsbu¨ rger und ihrer Familienangeho¨ rigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 158, S. 123; ausführlich Reynolds, Common Market Law Review 2015, 259 ff. 67 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (832 f. Rn. 38).

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Grundstücke oder darauf errichtete Bauten zu erwerben.68 Andererseits werden die Staatsbürger der Union, die in den Zielgemeinden eine Immobilie besitzen, davon abgehalten, diese Gemeinden zu verlassen, um sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufzuhalten oder dort einer Berufstätigkeit nachzugehen, weil sie dann ihre „ausreichende Bindung“ zu der betroffenen Gemeinde verlieren würden.69 Solche mittelbar diskriminierenden Eingriffe können nach der gefestigten Rechtsprechung seit der Cassis-de-Dijon-Entscheidung70 des EuGH allerdings gerechtfertigt werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird und wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, soweit sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Zu den Gemeinwohlinteressen kann auch die Bekämpfung der Preissteigerung am Grundstücksmarkt sowie die Sicherung eines ausreichenden Angebots an Wohnraum für einkommensschwache Personengruppen zählen.71 Allerdings sieht der EuGH, dass die von der Regierung vorgebrachten Interessen in Wahrheit entweder gar nicht verfolgt wurden oder jedenfalls dass die zur Erreichung dieser Ziele gewählten Bedingungen nicht mit diesen übereinstimmen. So „steht keine dieser Bedingungen in unmittelbarem Zusammenhang mit den sozioökonomischen Aspekten, die dem von der flämischen Regierung geltend gemachten Ziel entsprechen, ausschließlich die am wenigsten begüterte einheimische Bevölkerung auf dem Immobilienmarkt zu schützen. Solche Bedingungen können nämlich nicht nur von dieser am wenigsten begüterten Bevölkerung erfüllt werden, sondern auch von anderen Personen, die über ausreichende Mittel verfügen und folglich keinen besonderen Bedarf an sozialem Schutz auf dem Immobilienmarkt haben.“72 Der Gerichtshof stellte somit zwar einen Verstoß gegen Unionsrecht fest, gab aber entscheidende Hinweise zur zulässigen Ausgestaltung der vergünstigten kommunalen Grundstücksvergabe.73 Den bisherigen Kriterien der Ortsansässigkeit darf jedenfalls gegenüber den sozioökonomischen Aspekten keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen. Vielmehr müssen Letztere über den Zugang zum 68

EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (833 Rn. 39). 69 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (833 Rn. 40); krit. gegenüber der Einschränkung der Personenfreizügigkeit durch eine solche Bindung ebenfalls Carlier, Journal de droit européen 2014, 167 (169). 70 EuGH 20. 2. 1979 – C-120/78, ECLI:EU:C:1979:42 = NJW 1979, 1766 (Cassis de Dijon). 71 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (835, 844) (m. Anm. Grziwotz); siehe auch EuGH 1. 10. 2009 – C-567/07, ECLI:EU:C: 2098:593 = EuZW 2009, 829 Rn. 30. 72 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (835 Rn. 55). 73 Unerheblich ist dabei, ob die Grundstücksvergabe durch privatrechtliche Verträge oder durch Rechtsakte ausgestaltet wird; die Gemeinden müssen die Grundfreiheiten als unmittelbar geltendes Recht unabhängig von der rechtlichen Handlungsform beachten, siehe dazu ausführlich Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 159 ff. m. w. N.

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Grundstücksmarkt entscheiden, da Anlass der Förderung ja gerade die Deckung des Immobilienbedarfs der am wenigsten begüterten einheimischen Bevölkerung ist, also insbesondere junge Haushalte sowie sozial schwache oder alleinstehende Personen, die nicht in der Lage sind, ausreichendes Kapital für den Kauf oder die Miete einer Liegenschaft in den Zielgemeinden aufzubauen.74 Darüber hinaus macht der bereits erwähnte Punkt, dass Bauplatzerwerber davon abgehalten werden, die Gemeinde zu verlassen, um sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufzuhalten und dort einer Berufstätigkeit nachzugehen, deutlich, dass auch überlange Bindungsfristen europarechtlich durchaus problematisch sind.75 Diese Erkenntnisse sind dann ebenfalls Grundlage der Einigung zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland über die Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des Einheimischenmodells geworden. 3. Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des Einheimischenmodells Nach intensiven Verhandlungen konnte im Jahr 2017 eine Einigung über „Leitlinien fu¨ r Gemeinden bei der vergu¨ nstigten Überlassung von Baugrundstu¨ cken im Rahmen des so genannten Einheimischenmodells“ erzielt werden.76 Parteien dieses Übereinkommens sind aber nicht nur die Europäische Kommission und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, sondern auch die Bayerische Staatsregierung. Dies ist zunächst etwas überraschend, aber liegt wohl darin begründet, dass die Einheimischenmodelle schwerpunktmäßig in Bayern verwendet werden und auch die Leitlinien selbst auf einen Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, fu¨ r Bau und Verkehr sowie des Bayerischen Gemeinde- und Sta¨ dtetags zurückzuführen sind.77 In diesem Dokument finden sich Bedingungen, bei deren Anwendung die EUKommission in Aussicht stellt, keine Einwände mehr gegen die in Deutschland praktizierten Einheimischenmodelle zu erheben. Um die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens gesetzgeberisch zu begleiten, wurden in der letzten Novelle 74

EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (834 Rn. 50). 75 Völlig richtig Grziwotz, DNotZ 2013, 831 (845); ferner v. Harten/Fröger, Nederlands tijdschrift voor Europees recht 2013, 265 (272 f.), die darauf aufmerksam machen, dass zahlreiche kommunale Wohnraumfördermodelle nach dem EuGH-Urteil unionsrechtswidrige Bindungen verwenden. 76 Abgedruckt in BayGT 2017, 190 (191 ff.); siehe auch Klein, KommP BY 2017, 170 (171 ff.); Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (260 ff.); Patzelt, KommJur 2018, 321 (322 f.). 77 So jedenfalls Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (260).

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des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB die Wörter „des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung“ durch „der Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung“ ersetzt und damit zum Ausdruck gebracht, dass nur Letzterer Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein kann.78 Erst im Juni 2017 wurde dann aufgrund der Leitlinien und der Gesetzesänderung das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt. Es ist jedoch zu betonen, dass eine abweichende Beurteilung der europarechtlichen Zulässigkeit durch den EuGH unbenommen bleibt und auch bei mangelhafter Umsetzung des Kompromisses in der Praxis ein Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die EU-Kommission jederzeit möglich ist.79 a) Inhalt Die Kernaussagen der Leitlinien zur vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken betreffen im Grundsatz drei Schritte: erstens die Zugangsvoraussetzungen, zweitens die Auswahlkriterien und drittens die Sicherung des Förderzwecks. Als Zugangsvoraussetzungen gelten zunächst bestimmte Einkommens- und Vermögensgrenzen. Für die vergünstigte Überlassung von Baugrundstücken kommen also nur die Bewerber in Betracht, deren Vermögen und Einkommen kumulativ die jeweils von der Gemeinde vorab öffentlich bekannt gemachten Obergrenzen nicht überschreiten.80 Hinsichtlich des Vermögens darf dieses maximal in Höhe des Grundstückswertes bestehen. Der Bewerber darf ferner nicht Eigentümer eines bebaubaren Grundstücks in der betreffenden Gemeinde sein. Im Hinblick auf das Einkommen darf der Gesamtbetrag der Einkünfte maximal bei dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Steuerpflichtigen innerhalb der Gemeinde liegen. Grundlage dafür sollten die jeweils aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes bzw. des Landesamtes für Statistik sein. Durch Anwendungshinweis des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 12. Mai 2021 (Zeichen: 21-4090.16-1-2) wurde dies jedoch in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern, fu¨ r Bau und Heimat sowie der EU-Kommission dahingehend angepasst, dass der vom Statistischen Bundesamt geführte Indikator

78 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt, BGBl. I 2017, S. 1057 (1058 Nr. 12). 79 Siehe auch Anwendungshinweis des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 12. Mai 2021 (Zeichen: 21-4090.16-1-2), S. 2: „Die tatsa¨ chliche Ausgestaltung in der Anwendungspraxis wird entscheiden, ob die Europa¨ ische Kommission das Konzept des Einheimischenmodells in Deutschland noch einmal aufgreifen wird.“; Kümmerle, GPR 2013, 4 (6 f.), hielt nach den Schlussanträgen in den Rechtssachen zum Flämischen Dekret die Einheimischenmodelle noch für „verhältnismäßig“, weil diese nicht das ganze Gemeindegebiet abschotten und man dennoch dauerhaft mieten könne; dies ändert dennoch nichts daran, dass Unionsbürger bei der vergünstigten Vergabe von Grundstücken nicht unionsrechtswidrig benachteiligt werden dürfen. 80 Vgl. Ziffer 1 der Leitlinien.

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des „Bruttojahresverdienstes von im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich Beschäftigten“ gewählt wurde.81 Da ein solcher Indikator stets retrospektiv mit einem gewissen Zeitverzug ermittelt wird, müssen die Gemeinden die Werte für den konkreten Anwendungsfall entsprechend prognostizieren, wobei die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu berücksichtigen ist.82 Erfolgt der Erwerb durch ein Paar, ist das addierte Einkommen in Relation zum doppelten Durchschnittseinkommen relevant.83 Ferner lässt sich daraus schließen, dass für Paare nur ein Antrag auf Bauplatzvergabe gestellt werden kann.84 Zur Obergrenze ist ein Freibetrag in Höhe von 7.000 E je unterhaltspflichtigem Kind hinzuzurechnen, wobei sich dieser Betrag an der steuerrechtlichen Größe des Kinderfreibetrages in Deutschland orientiert und regelmäßig angepasst wird. Eine Berücksichtigung der Ortsansässigkeit als Zugangsvoraussetzung erlaubt das Leitlinienmodell als Konsequenz aus der EuGH-Rechtsprechung hingegen nicht. In der zweiten Stufe der Auswahlentscheidung ist nur zu berücksichtigen, wer die Zugangsvoraussetzungen erfüllt hat. Die Auswahlentscheidung an sich ist dann in zwei Spalten geteilt: Ortsbezugskriterien und Sozialkriterien, wobei Ortsbezugskriterien maximal zu 50 % in die Bewertung einfließen dürfen.85 Sozialkriterien dürfen hingegen stärker gewichtet werden.

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Im Jahre 2017 betrug dieser Wert 49.792 E, im Jahre 2018 51.331 E und im Jahre 2019 52.803 E, siehe Anwendungshinweis des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 12. Mai 2021 (Zeichen: 21-4090.16-1-2). 82 So der Hinweis im Anwendungshinweis des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 12. Mai 2021 (Zeichen: 21-4090.16-1-2), S. 2, wobei es von 2017 auf 2018 einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,09 % sowie von 2018 auf 2019 um 2,9 % gab. 83 Dabei verwenden die Leitlinien ausdrücklich den Terminus „Paar“, nicht etwa Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner für Partnerschaften vor dem 1. Oktober 2017, weshalb dieses Tatbestandsmerkmal im Falle eines Erwerbs durch zwei Personen entsprechend weit zu verstehen ist. Im Ergebnis auch Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (261); Grziwotz, ZfIR 2017, 761 (768), der jedoch Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (261) für die andere Ansicht anführt. 84 Dazu existiert bereits Rechtsprechung des VG Sigmaringen 21. 12. 2020 – 7 K 3840/20, BeckRS 2020, 38807 Rn. 69, das eine zu enge Formulierung („Ehepaar“) kritisierte: „Eine Person darf – auch zusammen mit einer anderen Person – nur einen Antrag stellen und auch nur einen Bauplatz erwerben. Bei verheirateten Antragstellern kann der Antrag gemeinsam oder von einer Person gestellt werden, je Ehepaar darf jedoch nur ein Antrag gestellt werden (§ 3 Ziff. 3). Diese Verfahrensregelungen sind insoweit missverständlich formuliert, als Lebenspartner oder eheähnliche Lebensgemeinschaften vom Tatbestand ausgenommen sind. Dies könnte von einem verständigen Bewerber so verstanden werden, dass insbesondere die Beschränkungen des § 3 Ziff. 3 der Bauplatzvergaberichtlinie ausschließlich auf verheiratete Eheleute zutreffen soll. Auch dies dürfte im Hinblick auf die Vorgaben transparenter Vergabekriterien bedenklich sein“; ausführlich zur Entscheidung Reiling, KommJur 2022, 161; dies., KommJur 2022, 206. 85 Vgl. auch Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (260).

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Durch die Erfüllung einzelner Kriterien lassen sich somit Punkte sammeln, die darüber entscheiden, ob man letztlich den Zuschlag für ein subventioniertes Grundstück erhält. Bei den Sozialkriterien müssen das Vermögen und Einkommen im Einzelnen betrachtet werden, das heißt also, dass diejenigen mit weniger Vermögen oder Einkommen mehr Punkte erhalten. Ferner können berücksichtigt werden: die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder oder die Pflege naher Angehöriger, eine Behinderung oder Vergleichbares.86 Im Rahmen der Ortsbezugskriterien kann die Dauer des Erstwohnsitzes, der Arbeitsstelle und der Ausübung eines Ehrenamtes in der Gemeinde einfließen. Wichtig und neu ist dabei, dass die maximale Punktzahl für die Ortsbezugskriterien bei fünf Jahren gedeckelt ist, es kann also niemand mehr Punkte sammeln, weil er etwa seit 25 Jahren im Schützenverein ist. Der dritte Schritt sieht schließlich die Sicherung des Förderzwecks vor. Wenn der Begünstigte nach dem geförderten Erwerb des Grundstücks seinen Erstwohnsitz für weniger als zehn Jahre auf diesem Grundstück hat, soll ein angemessener Teil der Vergünstigung zurückerstattet werden.87 Dieser prozentuale Anteil errechnet sich in der Regel aus dem Zeitraum, der bis zu einer Nutzung von zehn Jahren fehlt, das heißt, bei einem Verkauf nach acht Jahren sind zum Beispiel 20 % zurückzuzahlen.88 Bei der Wahl der Sicherungsmittel gibt die EU-Kommission den Gemeinden also keine engen Vorgaben,89 entscheidend ist nur erstens, dass eine maximale Bindung von zehn Jahren einzuhalten ist und zweitens, dass bei Verstoß nicht die ganze Vergünstigung zurückgezahlt werden muss, sondern nur die für den Zeitabschnitt, der bis zu der Sicherungshöchstdauer von zehn Jahren fehlt. Zwar steht in den Leitlinien „soll“, weshalb es vertretbar erscheint, dass – wie dies bislang in der Praxis in aller Regel geschieht – auch die ganze Vergünstigung zurückgefordert werden kann. Eine solche Vereinbarung wäre dann allerdings aus Sicht der Gemeinde erhöht rechtfertigungsbedürftig, da dies vom vorgesehenen Regelfall der Leitlinie abweicht. b) Bindungswirkung Damit stellt sich die ganz grundsätzliche Frage nach der Wirkung dieser Leitlinien. Zunächst einmal ist die Vorgehensweise in diesem Fall als ungewöhnlich zu 86

Siehe Ziffer 2.2 der Leitlinien. Vgl. Ziffer 3 der Leitlinien. 88 Siehe Fn. 87. 89 In diese Richtung auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 185: „Auch sieht die EU nur eine Sicherung des Förderungszwecks für 10 Jahre Bindungsdauer als mit EURecht konform an. Der BGH hatte demgegenüber nach nationalem Recht zwanzig Jahre zugelassen. Von einer Sicherung durch Rückgabe spricht das Einigungspapier gar nicht. Allerdings behandelt es auch nur einen Verstoß nach Nutzungsbeginn (während in der Praxis die Gemeinden eigentlich nur unbebaute Grundstücke zurückfordern). Auch liegt der Schwerpunkt des Papiers auf der Vergabeentscheidung der Gemeinde. Die eigentliche Einheimischenbindung und ihre Absicherung ist nur ganz am Ende und nur umrisshaft behandelt.“ 87

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bezeichnen. Durchsucht man die europäischen Datenbanken der letzten Jahre, wurde – soweit ersichtlich – bislang in keinem anderen Vertragsverletzungsverfahren das Verfahren durch den Entwurf von Leitlinien beendet, während normalerweise das Problem im Vorfeld durch informelle Absprachen geklärt wird oder der EuGH angerufen werden muss. Erschwert wird die Recherche auch dadurch, dass vergleichbare Einigungen nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Fraglich ist somit, welche Rechtsqualität, insbesondere welche Bindungswirkung diese Leitlinien besitzen. Denn Leitlinien selbst werden zwar nicht in Art. 288 AEUV genannt, sind aber auf europäischer Ebene nicht ungewöhnlich und stellen nicht rechtsverbindliche Rechtsakte dar, die normalerweise zur Konkretisierung von Rechtsakten verwendet werden. Bekannt und von praktischer Relevanz sind zum Beispiel die Leitlinien90 zur Bußgeldbemessung der Kommission im Kartellrecht oder die Leitlinien91 im Zusammenhang mit der Corporate Social Responsibility (CSR)-Richtlinie92 und ihrer Eigenschaft als ledigliches soft law. Sie führen aber zu einer Selbstbindung der sie erlassenden Organe, also in der Regel der EU-Kommission.93 Jene muss dann sachlich gerechtfertigt begründen, wenn sie von ihrer darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung abweicht oder hingegen gar neue Leitlinien erlässt.94 Vorliegend besteht aber der Unterschied, dass die Leitlinie nicht nur von der EUKommission, sondern zusammen mit einem Mitgliedstaat (und sogar noch mit dem Freistaat Bayern, vielleicht eine dritte Besonderheit dieses Falles) aufgestellt wurde. Etwas Vergleichbares kennt man sonst nur aus dem Beihilferecht, vgl. Art. 108 Abs. 1 S. 1 AEUV, nach dem die Kommission fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen überprüft. Nach Art. 108 Abs. 1 S. 2 AEUV kann sie eine der fortschreitenden Entwicklung und dem Funktionieren des Binnenmarkts „zweckdienliche Maßnahme“ vorschlagen, was meist in Form einer Leitlinie geschieht, der der jeweilige Mitgliedstaat zustimmt und dann für ihn Bindungswirkung entfaltet.95 90 Leitlinien fu¨ r das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gema¨ ß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 1. 9. 2006, ABl. C 210, S. 2. 91 Leitlinien fu¨ r die Berichterstattung u¨ ber nichtfinanzielle Informationen (Methode zur Berichterstattung u¨ ber nichtfinanzielle Informationen), Mitteilung der Kommission vom 26. 6. 2017, ABl. C 215, S. 1 sowie Leitlinien fu¨ r die Berichterstatung u¨ ber nichtfinanzielle Informationen: Nachtrag zur klimabezogenen Berichterstattung, Mitteilung der Kommission vom 18. 6. 2019, ABl. C 209, S. 1. 92 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 10. 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. L 330, S. 1. 93 Statt aller Schuhmacher/Holzweber, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 101 AEUV Rn. 875. 94 Langen/Bunte/Nolte, Kartellrecht, Nach Art. 101 AEUV Rn. 625 m. w. N. 95 Dauses/Ludwigs/Götz, EU-WirtschaftsR-HdB, H. III. Staatliche Beihilfen, Rn. 30.

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Hier könnte der Fall ähnlich liegen, da die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern nicht nur zugestimmt, sondern die Leitlinie sogar mit ausgearbeitet haben, um künftig nicht mehr gegen Primärrecht zu verstoßen. Auch sind rechtsverbindliche Handlungen der EU-Kommission weit verbreitet, da das Europarecht Beschlüsse (früher Entscheidungen) kennt, vgl. Art. 288 Abs. 1 AEUV, die an bestimmte Adressaten (wie Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Einzelpersonen) oder an die Allgemeinheit gerichtet werden können.96 Gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV sind sie in allen ihren Teilen verbindlich, wobei Beschlüsse, die an bestimmte Adressaten gerichtet sind, nur für diese verbindlich sind. Gleiches müsste dann auch für die Leitlinien adressiert an die Bundesrepublik Deutschland gelten.97 Dass diese Einigung im vorliegenden Fall gewisse Bindungswirkung entfalten soll, wird auch dann besonders augenfällig, wenn man im Gegensatz dazu recht eindeutig unverbindliche europäische Leitlinien betrachtet. So hat der EuGH erst kürzlich hinsichtlich der Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) entschieden, dass diese keine verbindliche Rechtswirkung entfalten, da sie erstens nur die Ansicht der EBA wiedergeben, zweitens allgemein nicht verbindlich formuliert sind und weil es drittens in einer Ziffer heißt, dass die zuständigen Behörden der EBA mitteilen müssen, ob sie diesen Leitlinien nachkommen oder nachzukommen beabsichtigen, und anderenfalls die Gründe nennen müssen, warum sie dies nicht tun.98 Jedenfalls die letzten beiden Punkte treffen auf die Leitlinien für die Einheimischenmodelle gerade nicht zu. Das spräche zunächst also für eine beabsichtigte Bindungswirkung für die nationalen Gerichte und die Verwaltung. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Feststellung, ob eine Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, sind auf ihre objektive Kriterien abzustellen wie z. B. den Inhalt der Handlung, gegebenenfalls den Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des Organs, der Einrichtung oder der sonstigen Stelle der Union, das bzw. die die Handlung vornimmt.99 Gegen die Bindungswirkung spricht demnach entscheidend, dass sich inhaltlich keine Rechtsgrundlage im AEUV für den Erlass solcher Leitlinien der Kommission (anders als im Beihilferecht) findet und auch völkerrechtlich eine Bindung der Organe der Bundesrepublik durch die Absprache des Bundesministeriums und der 96 Siehe dazu ausführlich Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ders., Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV Rn. 173 ff. 97 Zumal auch von vornherein rechtsverbindliche Leitlinien auf EU-Ebene existieren, z. B. die Leitlinien der EZB, Art. 12.1 EZB-Satzung, die allerdings an die nationalen Zentralbanken adressiert sind. 98 EuGH 15. 7. 2021 – C-911/19, ECLI:EU:C:2021:599 = NZG 2021, 1254 (1255 Rn. 39 ff.). Beim Conseil d’État hatte sich die Frage gestellt, ob die Fédération bancaire française Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegen diese Leitlinien hätte erheben können. 99 EuGH 15. 7. 2021 – C-911/19, ECLI:EU:C:2021:599 = NZG 2021, 1254 (1254 f. Rn. 38) m. w. N.; auf die Bezeichnung eines Rechtsaktes kommt es hingegen gerade nicht an, siehe EuGH 12. 3. 1968 – C-30/67, ECLI:EU:C:1968:14, Slg. 1968, 173 (178, 181); Biervert, Der Mißbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, S. 117; Mager, EuR 2001, 661 (678).

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Bayerischen Staatsregierung einige Probleme aufwirft.100 Es handelt sich bei diesem Dokument um einen typischen Grenzfall zwischen rechtsverbindlicher Handlung und soft law, wobei letztlich eine strikte Bindung eher bezweifelt werden muss. Im Ergebnis unterscheiden sich beide Varianten nämlich gar nicht so stark, da über die ergänzende Vertragsauslegung ebenfalls die Leitlinien herangezogen werden können und durch solche Abreden eine Art politische Bindung hervorgerufen wird.101 Deutlich wird dieser Charakter etwa im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 9. Juni 2017 (Zeichen: IIB3- 4611.10003/10): „Sie geben zwingend zu beachtende Rahmenbedingungen für die Zulässigkeit von Einheimischenmodellen vor, gewähren aber innerhalb dieser Vorgaben ein großes Maß an Gestaltungsspielraum für die Kommunen. So dezidiert der von den Leitlinien vorgegebene Rahmen einzuhalten ist, so frei können die Kommunen innerhalb dieser Grenzen das Modell selbst gestalten.“102 Vor allem ist die Abweichung und eine damit verbundene Vergabeentscheidung aber wieder einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.103 Selbst wenn man eine Bindungswirkung somit ablehnen würde, darf die Aussagekraft der Leitlinien nicht unterschätzt werden. Und zwar durch die Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV, die im Zusammenhang mit der Reaktion des BGH auf die Leitlinien im Folgenden beleuchtet werden soll.

II. Würdigung in der Rechtsprechung des BGH Nach einem solch langwierigen Verfahren und der Rezeption sowie dem mit Spannung erwarteten Ausgang in der Fachwelt könnte man annehmen, dass die europäischen Leitlinien auch einen Widerhall in der deutschen höchstrichterlichen 100

Knauff, Der Regelungsverbund: Recht und Soft Law im Mehrebenensystem, S. 407 ff., der auch ausführlich darlegt, inwieweit soft law zur problematischen Umgehung von Rechtsetzungskompetenzen und Subsidiaritätsprinzip auf europäischer Ebene führt; zu den völkerrechtlichen Aspekten siehe ferner Dreier/Heun, Art. 59 GG Rn. 42 f. 101 Vgl. auch Knauff, Der Regelungsverbund: Recht und Soft Law im Mehrebenensystem, S. 225; als „politische Absichtserklärung“ bezeichnet von Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1605a; siehe auch Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, S. 183, der nicht ausschließt, dass die Gerichte die Leitlinien künftig bei der Bestimmung der zeitlichen Zulässigkeit von Bindungsfristen einfließen lassen. 102 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, fu¨ r Bau und Verkehr vom 9. Juni 2017 (Zeichen: IIB3- 4611.10-003/10), S. 2. 103 So auch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, fu¨ r Bau und Verkehr vom 9. Juni 2017 (Zeichen: IIB3- 4611.10-003/10), S. 3; das VG Sigmaringen 21. 12. 2020 – 7 K 3840/20, BeckRS 2020, 38807, hat den Leitlinien sogar im Falle der nicht subventionierten Bauplatzvergabe eine Indizwirkung zugesprochen, siehe dazu ausführlich Reiling, KommJur 2022, 206 (207 ff.); das VG Sigmaringen 22. 05. 2023 – 14 K 704/23, BeckRS 2023, 12111 Rn. 28 ff., beachtet beispielsweise die europäischen Leitlinien und begründet dezidiert, warum der zu entscheidende Fall nicht unter den Leitlinienkompromiss fällt (keine vergünstige Überlassung von Baugrundstücken, andere Vergabezielrichtung).

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Rechtsprechung im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit einzelner Sicherungsklauseln gefunden hätten. Schließlich sind Bindungsklauseln, die ohne sozioökonomische Rechtfertigung mittelbar gegen die Grundfreiheiten verstoßen, nach § 134 BGB nichtig, da Grundfreiheiten nach ganz herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls im Verhältnis der öffentlichen Hand gegenüber Privaten als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB anzusehen sind.104 Die Erwartung an die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass sie die europarechtlichen Implikationen bei Sachverhalten im Zusammenhang mit dem vergünstigten Grundstücksverkauf erkennen würde, wurde allerdings enttäuscht. An einschlägigen Fällen und der damit verbundenen Beschäftigung des BGH mit der Materie hat es jedoch in jüngster Zeit nicht gemangelt. 1. BGH, Urteil vom 15. 2. 2019 – V ZR 77/18 So hat das Gericht noch im Jahre 2019 geurteilt, dass bei einem Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen sein könne, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen.105 Zwar stellt es dann fest, dass die Gewährung des Preisnachlasses im entschiedenen Fall in Höhe von 29 % gegenüber dem Verkehrswert dafür nicht genüge. Ein Wort zu den Leitlinien und gegebenenfalls zu beachtenden europarechtlichen Vorgaben fällt jedoch nicht.106 Vielmehr kommt der Senat zu dem

104

BVerfG 19. 7. 2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153 (3156 Rn. 44 ff., 48): „Die nach den dargestellten Grundsätzen erforderliche Auslegung dieser Bestimmung ergibt, im Gegenteil, dass die Wirksamkeit des zwischen dem Bf. und der Bekl. geschlossenen Vertrags insoweit mit der Garantie aus Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) unvereinbar ist, als der Bf. im Vergleich zu Einheimischen, die in den Genuss des Preisnachlasses kommen, schlechter behandelt wird. Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) dient der Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung. Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen sollen nicht dadurch von der Leistung der Dienste und ihrer Entgegennahme abgehalten werden, dass für sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ungünstigere Konditionen gelten als bei rein nationalen Sachverhalten. Die Bestimmung gewährt insoweit ein unmittelbar anwendbares subjektives Recht. Bliebe die Wirksamkeit des Geschäfts im in Rede stehenden Umfang vom Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unberührt, dauerte die Wirkung der Diskriminierung fort, so dass das Verbot insoweit wirkungslos wäre.“; ferner Staudinger/Seibl/Fischinger/Hengstberger, § 134 BGB Rn. 514 ff.; zur mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten siehe nur MüKo/Armbrüster, § 134 BGB Rn. 54 f. m. w. N. 105 BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602. 106 Einzig findet sich ein Hinweis auf europarechtliche Vorgaben für „im Rahmen eines so genannten Einheimischenmodells“ geschlossene Verträge, für die kurioserweise nur das EuGH-Urteil zum Flämischen Dekret zitiert wird, nicht die Leitlinien, siehe BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 Rn. 7.

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Ergebnis, dass bei einer Kaufpreisverbilligung von 20 % eine Bindungsfrist von 20 Jahren grundsätzlich noch angemessen sei.107 Man könnte bei erster Lektüre des Urteils geneigt sein, kurzerhand davon auszugehen, dass es sich im zugrundeliegenden Fall ja gar nicht um ein Einheimischenmodell im klassischen Sinne gehandelt habe und deswegen keine europarechtlichen Vorgaben zu beachten seien. Schließlich ging es um eine Kleingartenanlage, die von der Stadt in ein Wohngebiet umgewandelt wurde, woraufhin im Folgenden den Pächtern die jeweilige Parzelle subventioniert zum Kauf angeboten wurde.108 Auch der BGH scheint dies so zu sehen, obgleich er an mehreren Stellen die Rechtsprechung und Wertungen aus den Fällen zu Einheimischenmodellen direkt übernimmt.109 Dabei erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, ob die europäischen Vorgaben deshalb hier einfach missachtet werden können. 2. Nichtigkeit einzelner Klauseln gemäß § 134 BGB Vergleicht man die Interessenlage, die den EuGH und die EU-Kommission zur Monierung der Grundstücksvergabe in den Mitgliedsstaaten bewogen hat, lässt sich feststellen, dass diese ebenso auf den vom BGH entschiedenen Fall zutrifft. Im Lichte des EU-Rechts ist es – wie zuvor beschrieben – problematisch, Grundstücke an ortsansässige Bürger vergünstigt zu veräußern, wie dies jedoch vorliegend ebenfalls getan wurde. Die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern findet dadurch im gleichen Maße statt und muss daher zwingend europarechtskonform ausgestaltet werden. Die Gemeinden können sich auch nicht von den Bindungen lossagen, indem sie zwar Ortsansässigen subventioniert Grundstücke verkaufen, einen solchen Vorgang jedoch nicht als Einheimischenmodell bezeichnen und somit vermeintlich außerhalb des Anwendungsbereiches der Leitlinien agierten. So führt ebenfalls ein nicht oder nicht fehlerfrei durchgeführtes Zulassungs- und Auswahlverfahren nicht dazu, dass dann auch gleichsam die 10-Jahresfrist hinsichtlich der Zwecksicherungsmittel im Kaufvertrag nicht gelte.110 Grundsätzlich hätte die Stadt ein solches europarechtlich erforderliches Verfahren aus materiellrechtlicher Sicht der Grundfreiheiten auch schon vor dem EuGH-Urteil und dem Erlass der Leitlinien durchführen müssen, der Verstoß dagegen führt jedoch nicht etwa zur Nichtigkeit des gesamten in Rede stehenden Grundstückskaufvertrages.111 107

BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 (Ls. 2). Siehe Fn. 105. 109 BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 (2603 Rn. 10 und 15). 110 Die Stadt hätte, um eine vergünstige Vergabe der Grundstücke vor dem Hintergrund der Grundfreiheiten zu rechtfertigen, die sozioökonomischen Aspekte der Erwerber und nicht nur die Ortsansässigkeit in den Vordergrund stellen müssen. 111 So eindeutig EuGH 18. 7. 2007 – C-503/04, ECLI:EU:C:2007:432, EuZW 2007, 514, in einer Klage der Kommission gegen Deutschland aufgrund von vergaberechtswidrigen Müllentsorgungsverträgen; siehe auch der Hinweis im Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 108

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gebieten nach der Rechtsprechung des EuGH, dass im berechtigten Vertrauen der Vertragspartner geschlossene Verträge aufrechtzuerhalten sind, allerdings führt der Vertrauensschutz gerade nicht dazu, dass die Vorgehensweise der Stadt nach Abschluss dieser Verträge als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen ist.112 Die Kommunen müssen hingegen vielmehr die aus dem Urteil des EuGH und den Leitlinien folgenden Maßnahmen auch bei bereits geschlossenen Verträgen beachten und können sich in Bezug auf gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Klauseln wie eine Bindungsfrist von 30 Jahren nicht auf den Grundsatz pacta sunt servanda berufen.113 Die bisherige Billigung überlanger Fristen durch den BGH kann also im Lichte der Grundfreiheiten auch für „Altfälle“ vor dem Leitlinienkompromiss nicht aufrechterhalten werden. Dabei beschränkt es nicht nur die Grundfreiheiten, eine lange Bindung zu der Gemeinde für den Erwerb eines Grundstücks haben zu müssen, sondern auch die Bindung an das Grundstück selbst, wenn man es bereits erworben hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann es keinen Unterschied machen, da der Gerichtshof eindeutig darauf abstellt, dass Staatsbürger der Union, die in den entsprechenden Gemeinden eine Immobilie besitzen, davon abgehalten werden, diese Gemeinden zu verlassen, um sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzuhalten oder dort einer Berufstätigkeit nachzugehen.114 Beide Gestaltungen durch die Kommunen führen gleichermaßen zu diesem für den Binnenmarkt unerwünschten Ergebnis. Einzelne Bindungsklauseln, die ohne sozioökonomische Rechtfertigung mittelbar gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind somit nach § 134 BGB nichtig, da Grundfreiheiten nach ganz herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls im Verhältnis der öffentlichen Hand gegenüber Privaten als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB anzusehen sind.115 Rn. 174: „Der Notar belehrt: Selbst wenn Regelungen gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsrechte oder das Diskriminierungsverbot verstoßen sollten, dürfte dies an der Wirksamkeit des vorliegenden Vertrages wohl nichts ändern.“ 112 Ausdrücklich EuGH 10. 4. 2003 – C-20/01 und C-28/01, ECLI:EU:C:2003:220, NVwZ 2003, 1231 (1233); EuGH 18. 7. 2007 – C-503/04, ECLI:EU:C:2007:432, EuZW 2007, 514 (516). 113 Siehe für vergaberechtswidrige Verträge EuGH 18. 7. 2007 – C-503/04, ECLI:EU:C: 2007:432, EuZW 2007, 514; ausführlich auch Portz, KommJur 2007, 335 (339), in Anm. zu EuGH 18. 7. 2007 – C-503/04, ECLI:EU:C:2007:432, EuZW 2007, 514, der ebenfalls zutreffend auf Art. 104a Abs. 6 GG hinweist, der bei einer Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auf die innerstaatlichen Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Länder verweist, da für die EU-Kommission im ersten Schritt immer der Mitgliedstaat und nicht direkt die Kommune Adressat einer Maßnahme ist. 114 EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (833 Rn. 40). 115 BVerfG 19. 7. 2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153 (3156 Rn. 44 ff., 48): „Die nach den dargestellten Grundsätzen erforderliche Auslegung dieser Bestimmung ergibt, im Gegenteil, dass die Wirksamkeit des zwischen dem Bf. und der Bekl. geschlossenen Vertrags

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Der BGH hätte die Vertragsklausel zur Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung des Wiederkaufsrechts der Gemeinde entgegen dem Wortlaut auch nicht mehr europarechtskonform auslegen können.116 Es entsteht eine Vertragslücke, weil die Klausel aufgrund der haushaltsrechtlichen Gebote nicht einfach gestrichen werden könnte, sodass diese Lücke zunächst gem. § 306 Abs. 2 BGB durch die Regeln des dispositiven Rechts geschlossen werden müsste. 3. Die Leitlinien als gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB Fraglich ist daher, ob die Ziffer 3 der Leitlinien mit ihren zehn Jahren Maximalbindung als eine solche Regel des dispositiven Rechts angesehen werden kann, was bislang – soweit ersichtlich – in der Diskussion noch unbeantwortet geblieben ist. So ist der Begriff des dispositiven Gesetzesrechts deutlich weiter zu verstehen als der Wortlaut von § 306 Abs. 2 BGB mit dem Bezug auf die „gesetzlichen Vorschriften“ dies vielleicht zunächst suggerieren mag. Darunter sind nicht nur das geschriebene Sachrecht und die von der Rechtsprechung konkretisierten Generalklauseln zu verstehen, sondern auch ungeschriebene richterliche Rechtsfortbildung unter Einbezug methodischer Figuren wie Analogieschlüssen.117

insoweit mit der Garantie aus Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) unvereinbar ist, als der Bf. im Vergleich zu Einheimischen, die in den Genuss des Preisnachlasses kommen, schlechter behandelt wird. Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) dient der Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung. Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen sollen nicht dadurch von der Leistung der Dienste und ihrer Entgegennahme abgehalten werden, dass für sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ungünstigere Konditionen gelten als bei rein nationalen Sachverhalten. Die Bestimmung gewährt insoweit ein unmittelbar anwendbares subjektives Recht. Bliebe die Wirksamkeit des Geschäfts im in Rede stehenden Umfang vom Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unberührt, dauerte die Wirkung der Diskriminierung fort, so dass das Verbot insoweit wirkungslos wäre.“; ferner Staudinger/Seibl/Fischinger/Hengstberger, § 134 BGB Rn. 514 ff.; zur mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten siehe nur MüKo/Armbrüster, § 134 BGB Rn. 54 f. m. w. N. 116 Zum Wortlaut als Grenze zwischen aus Auslegung und Rechtsfortbildung Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187; siehe auch zum verbreiteten Missverständnis, dass die nationalen Gerichte europäisches Recht nicht auslegen müssten oder könnten und somit das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen BVerfG 19. 7. 2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153 (3157 Rn. 50) (m. Anm. Kottmann): „Ein eigenständiger Verstoß gegen das Willkürverbot liegt schließlich in der Annahme des OLG, es sei ,keine Frage der Auslegung des EG-Vertrags, sondern … die Frage der Anwendung auf den vorliegenden konkreten Einzelfall, die allein Aufgabe des innerstaatlichen Gerichts ist‘“. 117 Ausdrücklich Staudinger/Mäsch, § 306 BGB Rn. 35 ff. m. w. N.; so schließt der BGH eine Vertragslücke in einem Kfz-Mietvertrag, indem er als dispositives Recht § 28 Abs. 2 und 3 VVG analog anwendet, da diese Vorschrift auf das Vertragsverhältnis zwischen einem gewerblichen Kfz-Vermieter und seinem Kunden keine unmittelbare Anwendung findet, siehe BGH 14. 03. 2012 – XII ZR 44/10, VersR 2012, 1573 (1575).

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Problematisch ist allerdings, dass die Leitlinien zunächst nicht direkt für den Bürger gelten, sondern nur den Mitgliedstaat und seine Institutionen adressieren. Eine unmittelbare vertikale Wirkung des EU-Rechts für den Einzelnen kommt mangels zwingender Rechtsverbindlichkeit der Einigung nicht in Betracht.118 Auch kann aus der Regelung, dass aus europarechtlicher Sicht maximal zehn Jahre Bindungsfrist zulässig seien, keine konkrete materielle Rechtsfolge abgeleitet werden, da eine kürzere Frist zugunsten des Erwerbers ja (abhängig vom Preisnachlass) durchaus möglich ist. Damit fehlt es an der wesentlichen Voraussetzung, dass sich die vertragliche Lücke bei Anwendung einer Vorschrift im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB durch ihren Regelungsgehalt unmittelbar schließt.119 Die Bindungshöchstgrenze von zehn Jahren aus den Leitlinien als dispositives Recht einzuordnen, das gem. § 306 Abs. 2 BGB anstelle der unwirksamen Bestimmung tritt, ist daher abzulehnen. 4. Ergänzende (europarechtskonforme) Vertragsauslegung Stehen Regeln des dispositiven Rechts nicht zur Verfügung, könnte die Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden.120 Bei der ergänzenden Vertragsauslegung handelt es sich entgegen der Bezeichnung nicht um echte Vertragsauslegung, sondern um Rechtsfortbildung praeter legem.121 Unter welchen Umständen dies möglich ist, ist insbesondere im Anwendungsbereich der Klausel-RL – wie bereits angesprochen – lebhaft umstritten.122 Außerhalb der Richtlinienvorgaben ist die Zulässigkeit dieses Rechtsinstituts zur Vertragslücken-

118 So können auch etwa Beschlüsse der EU-Kommission, die sich gegen einen Mitgliedstaat richten, eine unmittelbare vertikale Wirkung gegenüber dem Einzelnen haben EuGH 10. 11. 1992 – Rs C-156/91 (Hansa Fleisch), ECLI:EU:C:1992:423 = NJW 1993, 315. 119 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 306 BGB Rn. 26 f., mit dem Negativbeispiel des § 675g Abs. 2 S. 1 BGB, der es den Vertragsparteien gestattet, eine bestimmte Regelung im Vereinbarungswege zu treffen. 120 Dabei ist umstritten, ob die ergänzende Vertragsauslegung nicht bereits über §§ 133, 157 BGB als dispositives Recht zu zählen ist, siehe zum Streitstand BeckOGK/Bonin, § 306 BGB Rn. 54.1, der jedoch richtigerweise auf die Unerheblichkeit der Diskussion im Ergebnis hinweist. 121 Siehe schon Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 53 f.; ders., ZIP 1996, 1109 (1115 f.); die autonome Qualifikation im Sinne der Klausel-RL gestaltet sich hingegen schwieriger, da die ergänzende Vertragsauslegung in anderen Mitgliedstaaten vielfach bereits im Schritt der einfachen Auslegung erfolgt, siehe mit Nachweisen aus der französischen Rechtsprechung Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 152 ff. 122 Staudinger/Mäsch, § 306 BGB Rn. 10a ff.; BeckOK/H. Schmidt, § 306 BGB Rn. 10 ff. m. w. N.

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füllung vom BGH anerkannt und auch vom BVerfG verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden.123 Nach den neuesten EuGH-Kriterien124 ließe sich vorliegend aber ebenfalls von der Möglichkeit einer Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung ausgehen: erstens ist die Bindungsklausel unwirksam, zweitens kann der restliche Vertrag nach Wegfall der Klausel aufgrund des Haushaltsrechts nicht fortbestehen, drittens hätte die Nichtigkeit des Vertrags aufgrund der dann möglichen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (bei Weiterveräußerung gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB)125 besonders nachteilige Folgen für den Verbraucher, viertens gibt es im nationalen Recht keine anwendbare dispositive Bestimmung und fünftens müsste der Verbraucher nicht den Wunsch äußern, an der missbräuchlichen Klausel festzuhalten.126 Der letzte Punkt ist in den hier betrachteten Konstellationen nahezu immer auszuschließen, da der Erwerber sich ja in aller Regel gerade gegen die überlange Bindungsfrist wehrt und diese möglichst kurz wissen möchte. Im Rahmen dieser – auch in den engen europarechtlichen Grenzen – zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung muss dann nach einer Ersatzregelung gefragt werden, welche die Parteien bei sachgerechter, objektiv-generalisierender Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.127 123 BVerfG 7. 9. 2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339 (1341); siehe zu den zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH Schmidt, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, § 306 BGB Rn. 33 f. 124 Siehe dazu EuGH 25. 11. 2020 – C-269/19 (Banca B. SA/A. A. A.), ECLI:EU:C: 2020:954 = NJW 2021, 611; auch BeckOGK/Bonin, § 306 BGB Rn. 100; krit. Wendehorst/ v. Westphalen, EuZW 2021, 229 (236 ff.). Zum Kriterium des Verbraucherschutzes durch Ersetzung der missbräuchlichen Klausel durch dispositive Vorschriften siehe EuGH 03. 03. 2020 – C-125/18 (Gómez del Moral Guasch/Bankia SA), ECLI:EU:C:2020:138 Rn. 57 ff. = RiW 2021, 141; dazu auch Kohler/Puffer/Rosch, ZEuP 2022, 366 (386). 125 Nach h. M. ist das „durch die Verfügung Erlangte“ die Gegenleistung mit eventueller Wertsteigerung, wohingegen ein Teil der Literatur darin die Schuldbefreiung aus dem Kausalgeschäft erblickt, die nicht herausgegeben werden kann, sodass über § 818 Abs. 2 BGB der objektive Verkehrswert zu ersetzen ist, siehe m. w. N. zum Streitstand MüKo/Schwab, § 816 BGB Rn. 39 ff.; anschaulich Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, § 28 Rn. 721 ff.; Harke, Besonderes Schuldrecht, Rn. 506. 126 EuGH 25. 11. 2020 – C-269/19 (Banca B. SA/A. A. A.), ECLI:EU:C:2020:954 = NJW 2021, 611; bestätigt durch EuGH 8. 12. 2022 – C-625/21, ECLI:EU:C:2022:971 (VB/GUPFINGER Einrichtungsstudio GmbH) = NJW 2023, 420; EuGH 08. 09. 2022 – C-80/21 – C-82/ 21, ECLI:EU:C:2022:646 = ZIP 2022, 1910; dazu Looschelders, ZIP 2022, 2222 (2223); siehe auch BeckOGK/Bonin, § 306 BGB Rn. 100; krit. zur Rechtsprechung des EuGH Staudinger/Mäsch, § 306 BGB Rn. 10a ff. 127 Siehe schon BGH 01. 02. 1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177 (1179); ausführlich Kötz, JuS 2013, 289 (295); im Gegensatz zur Ergänzung einer Individualvereinbarung, die sich nach den Interessen der am lückenhaften Vertrag konkret beteiligten Parteien richtet, siehe Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 306 BGB Rn. 32; vgl. auch MüKo/Fornasier, § 306 BGB Rn. 38.

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Dabei ist neben dem Interesse einer Gemeinde an einer Zwecksicherung der öffentlichen Mittel durch möglichst lange Bindung und dem Interesse eines Erwerbers an dem Erhalt eines möglichst ungebundenen Eigentums schließlich auch – anders als der BGH das getan hat – zu berücksichtigen, was nach den Grundfreiheiten, konkretisiert durch die europäischen Leitlinien, zulässig gewesen wäre. Der EuGH hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine überlange Bindung der Erwerber vor dem Hintergrund der Beschränkung von Grundfreiheiten aus Sicht des Europarechts keinen Bestand haben kann. Die EU-Kommission hat sich mit der Bundesrepublik auf zehn Jahre geeinigt, an die der EuGH selbstverständlich nicht gebunden ist, aber dennoch ein deutliches Indiz dafür darstellen, was nach Ansicht des EuGH gerade noch mit den Grundfreiheiten vereinbar ist. Schließlich sind die Leitlinien ganz wesentlich nur Ausfluss der Aussagen des EuGH. Zwar hat sich der Gerichtshof (wie üblich) auf keine starre Jahreszahl festgelegt, aber er hat beispielsweise festgestellt, dass die alternative Bedingung für eine „ausreichende Bindung“, sechs Jahre in der Gemeinde wohnhaft gewesen zu sein, einerseits von Nichtbedürftigen erfüllt werden kann und andererseits über das hinaus geht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.128 Als Reaktion darauf dürfen nach den Leitlinien erstens die zeitbezogenen Bedingungen für die Auswahl der Berechtigten nur höchstens zur Hälfte einfließen, es müssen also kumulativ noch andere sozioökonomische Bedingungen vorliegen, und zweitens ist die maximal zu erreichende Punktzahl bereits bei fünf Jahren erreicht. Es spricht also viel dafür, dass auch die 10-Jahresbindung nach Begründung des Erstwohnsitzes auf dem Grundstück vom EuGH als das im Regelfall maximal Zulässige angesehen wird. Auch die notarielle Literatur geht ganz überwiegend von der Beachtlichkeit dieser Grenze aus und weist darauf hin, dass die Beurkundung längerer Bindungsklauseln wohl der Vergangenheit angehört.129 Durch ergänzende Vertragsauslegung könnte man so unter Einbeziehung der jeweiligen Interessen, der Grundfreiheiten und Leitlinien bei einem geringen 128

EuGH 8. 5. 2013 – C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288 = DNotZ 2013, 831 (833 Rn. 54 f.). 129 Herrler/Hertel/Kesseler/Hertel, Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 347: „Dennoch werden Sie nur selten noch eine zwanzigjährige Bindungsfrist beurkunden können. Denn wieder einmal sind vorrangige Vorgaben des Europarechts zu beachten. Nach der Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission vom Februar 2017 in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist eine Sicherung des Förderungszwecks nur für zehn Jahre Bindungsdauer mit dem EU-Recht konform.“; Würzburger Notarhandbuch/ders., 5. Aufl. 2018, Teil 6 Rn. 182; neuerdings abgeschwächt durch den Zusatz in Würzburger Notarhandbuch/ders., Teil 6 Rn. 185: „Daher wird man die 10 Jahre Bindungsdauer nicht als starre Grenze, sondern als Regelfall angesichts der damals betrachteten typischen Verbilligungen ansehen.“; Krüger/Hertel/ders., Der Grundstückskauf, S. 414; Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4117, 4123; nicht ganz eindeutig BeckNotar-HdB/Grziwotz, § 10 Rn. 22, der auf bis zu 30 Jahre Bindungsmöglichkeit mit Verweis auf ein BGH-Urteil vor Erlass der Leitlinien hinweist, aber kurze Zeit später bekennt: „Überlange Bindungsfristen können auch europarechtlich bedenklich sein.“

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Preisnachlass von 20 % im Ausgangsfall zu dem Ergebnis gelangen, dass beispielsweise nur noch acht Jahre Bindung möglich und europarechtskonform sind.130 Auch wenn der BGH zum Auslegungsergebnis gekommen wäre, dass hier aufgrund von ggf. vorliegenden außergewöhnlichen Umständen eine Bindungsfrist von 20 Jahren in Ordnung sein könnte, wäre das ja für sich genommen vertretbar, aber er wäre dann als letztinstanzliches Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet vorzulegen.131 Gelangt ein nationales Gericht bei der Anwendung von Unionsrecht zu einem Auslegungsergebnis, welches in offenkundigem Widerspruch zu Kommissionsleitlinien und damit mittelbar auch der Rechtsprechung des EuGH steht, wird es die Frage regelmäßig nicht mehr als acte clair ansehen können.132 Dabei umfasst das Verständnis des Unionsrechts nicht nur Rechtsakte im Sinne von Art. 288 AEUV, sondern auch atypische Handlungsformen der Organe wie vorgenannte Leitlinien und sogar unverbindliche Handlungen wie Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 288 Abs. 5 AEUV).133 Unerheblich ist dabei auch, ob die entsprechende Handlung des Unionsorgans unmittelbare Wirkung gegenüber dem Bürger entfaltet, da auch die in Art. 288 AEUV genannten Richtlinien vorlagefähig sind, weil ihre Auslegung unabhängig von ihren Wirkungen für das nationale Gericht zweckmäßig sein kann. Dieser Vorlagepflicht kommt der BGH nicht nach und begründet auch mit keinem Wort, warum er hier aus seiner Sicht ausnahmsweise nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet sei. Es muss letztlich konstatiert werden, dass die Entwicklungen auf europäischer Ebene bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland ungewürdigt geblieben sind und sie damit in Zukunft noch für Konfliktpotenzial sorgen werden.134 Die bisherige Billigung überlanger Fristen durch den BGH135 muss im 130

Zwischen den Parteien war streitig, ob der gewährte Preisnachlass 20 % oder 29 % betrug; der BGH ging im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von einem Preisnachlass von 20 % aus, BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 (2604 Rn. 20). 131 Dies ist auch angesichts der getroffenen Feststellung des BGH, dass im Ausgangsfall gerade kein hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen, jedoch nicht überzeugend. 132 Siehe auch Thomas, EuR 2009, 423 (438). Zur sog. C. I. L. F. I. T.-Rechtsprechung jüngst EuGH 6. 10. 2021 – C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799 = NJW 2021, 3303, der – in diesem Punkt den Schlussanträgen des Generalanwalts Bobek folgend – eine detaillierte Begründung verlangt, weshalb das jeweilige nationale Gericht das Vorliegen einer Ausnahme von der grundsätzlichen Vorlagepflicht als gegeben erachtet; siehe ferner Baldus, GPR 2021, 199 (200 ff.); ders./Raff, in: Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 3 Rn. 76 ff. 133 Ausdrücklich Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 10 m. w. N.; Schwarze/Wunderlich, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, Art. 267 AEUV Rn. 9 ff.; vgl. jüngst auch EuGH 15. 7. 2021 – C-911/19, ECLI:EU:C:2021:599 = NZG 2021, 1254 (1255 Rn. 56). 134 In den Urteilen BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414, sowie BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012, wurden die Grundstücke hingegen nicht vergünstigt veräußert, sodass die Leitlinien nicht einschlägig sind.

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Lichte der Grundfreiheiten auch für „Altfälle“ vor dem Leitlinienkompromiss aufgegeben werden und europarechtskonform durch ergänzende Vertragsauslegung und nicht bloß geltungserhaltend reduziert werden. Sollten die Gerichte die EU-Vorgaben weiterhin unbeachtet lassen, erscheint ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland jedenfalls als eine mögliche Konsequenz. Da Betroffene mangels unmittelbarer Individualschutzfunktion des Vertragsverletzungsverfahrens ein solches nicht selbst erzwingen können,136 bliebe bei der willkürlichen Nichtvorlage nur noch die Möglichkeit der Urteilsverfassungsbeschwerde, mit der die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gerügt werden kann.137

III. Folgen für die kommunale Kaufvertragsgestaltung Die kommunale Kaufvertragsgestaltung im Rahmen der Veräußerung von Grundstücken unter Marktpreis muss sich folglich an den europarechtlichen Vorgaben orientieren und sogar schon im vorgelagerten Schritt der Grundstücksausschreibung die Vorschriften aus der Leitlinie zum Zulassungs- und Auswahlverfahren beachten.138 Ferner dürfen – wie bereits beschrieben – maximal zehn Jahre Bindung an eine Nutzungsbeschränkung vereinbart werden und bei Verstoß dagegen soll nur ein angemessener Teil der Vergünstigung zurückerstattet werden, der sich aus dem Zeitraum errechnet, der bis zu einer Nutzung von zehn Jahren fehlt.139 Bei 135 BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 hält im Einzelfall auch mehr als 20 Jahre für zulässig; a. A. Pauly, ZfIR 2021, 359 (363 f.), der im Ergebnis Bindungsfristen von bis zu 20 Jahren für unbedenklich hält und dabei sogar die europäischen Leitlinien erwähnt, allerdings verkennt, dass diese eine maximale Bindungsfrist von 10 Jahren vorschreiben; siehe auch Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (264), die den Konflikt erkennen, aber nicht auflösen und etwas euphemistisch davon sprechen, dass das Leitlinienmodell 10 Jahre „empfiehlt“. 136 Statt aller Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 258 Rn. 1 f., der jedoch zutreffend auf die Möglichkeit einer Beschwerde wegen einer mitgliedstaatlichen Vertragsverletzung an die Kommission hinweist. 137 BVerfGE 135, 155 (232 f. Rn. 181 ff.), das einen willkürlichen Verfassungsverstoß u. a. auch bei der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht bejaht; siehe dazu ausführlich Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 101 GG Rn. 62. 138 Darüber hinaus sind freilich auch weiterhin die nationalen Vorgaben zu berücksichtigen, insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG, zu dem das BVerfG vor wenigen Jahren ausdrücklich judizierte, dass die Privilegierung Einheimischer nur mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, wenn damit – in gewisser Übereinstimmung mit dem EuGH – legitime Ziele, wie z. B. die Förderung kultureller und sozialer Belange der örtlichen Gemeinschaft, verfolgt werden, BVerfG 19. 7. 2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153; dazu auch Waldhoff, JuS 2017, 286; ferner Langeloh, Die Zula¨ ssigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen, S. 80 ff., 140 ff.; zum Verstoß der Einheimischenmodelle gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn diese auf eine bestimmte Dauer der Ortsansässigkeit abstellen, bereits Burgi, JZ 1999, 873 (879). 139 Siehe auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 185; Herrler/Hertel/Kesseler/ ders., Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 347; jedoch an anderer Stelle für 20 Jahre noch

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einem Verstoß nach fünf Jahren wären somit nur 50 % der Vergünstigung zu erstatten. Da bislang die zulässige Bindungsfrist davon abhängig war, wie viel Preisnachlass gewährt wurde, wirft die durch EU-Recht kürzere Bindungsfrist die Frage auf, ob deshalb auch nur noch Reduktionen in der Größenordnung rund um 20 % zulässig sein können.140 Diese Befürchtung geht von der Prämisse aus, dass die bisherige BGH-Rechtsprechung weiterhin unverändert besteht. Modifizierte man sie allerdings dahingehend, dass die europarechtlich determinierten zehn Jahre als das Äußerste an zulässiger Bindung angesehen werden und dafür 30 % als der regelmäßige Preisnachlass im Einheimischenmodell angemessen sind, könnte man weiterhin attraktive Angebote für einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung schaffen. Bei 20 % Nachlass könnten dann etwa acht Jahre Bindung zulässigerweise vereinbart werden, da auch bislang die Bindung nicht linear mit der Höhe des Preisnachlasses gestiegen ist. Die Grenze dieser Anpassung ist im haushaltsrechtlichen Verbot des Unter-Wert-Verkaufs zu sehen, nach dem kein gemeindeeigenes Grundstück vergünstigt veräußert werden darf, wenn nicht die Sicherstellung des öffentlich-rechtlichen Zwecks hinreichend gewährleistet ist. Wenn es nunmehr aber durch europäische Vorgaben nicht möglich ist, eine längere Frist als zehn Jahre zu vereinbaren, ist nicht ersichtlich, warum dafür keine 30 % Nachlass vorgesehen werden könnten. Aufgrund eines Würzburger Notarhandbuch/ders., 5. Aufl. 2018, Teil 6 Rn. 171; nunmehr die europarechtliche Problematik deutlich herausstellend Würzburger Notarhandbuch/ders., Teil 6 Rn. 174: „Der Notar wies darauf hin, dass die Bindungsfrist von 15 bzw. 20 Jahren zwar mit den Vorgaben der BGH-Rechtsprechung übereinstimmt (ja bei der Höhe des Preisnachlasses wohl sogar mindestens eine derartige Bindungsfrist erforderlich ist). Nach den »Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des sogenannten Einheimischenmodells«, auf die sich Deutschland und die Europäische Kommission geeinigt hatten (veröffentlicht als Anlage zu einem Gemeinsamen Rundschreiben des Bayerischen Gemeindetags und des Bayerischen Städtetages vom 10. 3. 2017) sind aber europarechtlich nur Bindungsfristen bis zu zehn Jahren zulässig. Die Gemeinde erklärt, dass für die Länge der Bindungsfrist hier auch städtebauliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen und sie daher eine längere Bindungsfrist für zulässig hält. Der Notar belehrt: Selbst wenn Regelungen gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsrechte oder das Diskriminierungsverbot verstoßen sollten, dürfte dies an der Wirksamkeit des vorliegenden Vertrages wohl nichts ändern.“ 140 Herrler/Hertel/Kesseler/Hertel, Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 347: „Dennoch werden Sie nur selten noch eine zwanzigjährige Bindungsfrist beurkunden können. Denn wieder einmal sind vorrangige Vorgaben des Europarechts zu beachten. Nach der Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission vom Februar 2017 in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist eine Sicherung des Förderungszwecks nur für zehn Jahre Bindungsdauer mit dem EU-Recht konform. Wenn auf der einen Seite das Europarecht nur Bindungsfristen von zehn Jahren zulässt, andererseits aber das Haushaltsrecht der Länder (mit dem Verbot des Unter-Wert-Verkaufs) eine dem Preisnachlass entsprechende Absicherung durch ein Wiederkaufsrecht oÄ erfordert, so dürften bei zehn Jahren Bindungsfrist wohl nur mehr weniger als 20 % Preisnachlass zulässig sein. Da bleibt für klassische Einheimischenmodelle wenig mehr übrig.“; zurückhaltender noch Herrler/Hertel/Kesseler/ders., Aktuelles Immobilienrecht 2019, S. 318.

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

fehlenden Marktes lässt sich der angemessene Preis für nutzungsbeschränkte Grundstücke sowieso nur normativ und nicht empirisch bestimmen, zumal die Bindungen gerade darauf abzielen, die Umlauffähigkeit der entsprechenden Grundstücke zu unterbinden.141 Das Ungleichgewicht verschiebt sich damit zugunsten der einkommensschwächeren und weniger begüterten Erwerber und könnte damit die gewünschte Lenkungswirkung zu mehr Wohnraumangebot für diese Gruppe entfalten. Hingegen nicht mehr zulässig wäre es nach dem besagten haushaltsrechtlichen Grundsatz, wenn ein außergewöhnlich hoher Preisnachlass einer geringen Bindung von wenigen Jahren gegenüber stände, da in diesem Falle von einer mangelnden Zwecksicherung ausgegangen werden müsste. Unter dieser Maßgabe bleibt auch genügend Gestaltungsraum für künftige Einheimischenmodelle.142 Ganz grundsätzlich sollten die Gemeinden prozentual deutlich mehr Grundstücke vergünstigt ausweisen, wenn sie nachhaltig Grundstücksspekulation zu verhindern suchen, da sie den Erwerbern von marktüblichen Grundstücken legitimerweise keine Verwendungsbindungen auferlegen dürfen.

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle Zur Beantwortung der Frage, welche Interessen in der AGB-Kontrolle zu berücksichtigen sind, ist zunächst ein Blick auf die Akte des europäischen Gesetzgebers sowie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erforderlich, da gerade im AGB-Recht zahlreiche Vorschriften auf europäische Richtlinien zurückgehen. Maßgeblich ist insbesondere die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbra¨ uchliche Klauseln in Verbrauchervertra¨ gen (Klausel-RL).143 Aus 141

Treffend Wobst, ZWE 2019, 260 (262). Aufgrund der europäischen Entwicklung mit scherzhaftem Unterton auch bezeichnet als: „Einkommensschwächere-weniger-begüterte-Personen-der-örtlichen-Bevölkerung-Modelle“, so Grziwotz, ZfIR 2017, 221; ders., ZfIR 2017, 761 (768). 143 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95, S. 29, berücksichtigt wurden ebenfalls die zwischenzeitlichen Änderungen der Richtlinie, durch die Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/ 44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/ 577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304, S. 64) und die sog. Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/ 13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Ver142

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle

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dieser könnten sich europarechtliche Vorgaben für die Interessenberücksichtigung im Rahmen der Inhaltskontrolle ergeben, allerdings nur, wenn dem Unternehmer als Vertragspartner ein Verbraucher gegenübersteht.144 Für die richtlinienkonforme Auslegung der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB ist im Rahmen von Verbraucherverträgen hauptsächlich Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL relevant.145 Dieser legt jedoch nur fest, dass eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen ist, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.146 Über die zur Ermittlung eines Missverhältnis anzuerkennenden Interessen lässt sich somit dem Richtlinientext selbst – auch seinen Erwägungsgründen – nichts Näheres entnehmen.147 Dies kann mit dem mindestharmonisierenden148 Ziel der Klausel-RL erklärt werden und der damit verbundenen naturgemäß eher kursorischen Regelung der einzelnen Rechtsfragen, die schon allein am Textumfang deutlich wird.149 Zumindest überraschend mag jedoch sein, dass selbst der Maßstab, anhand dessen eine Klauselwirksamkeit beurteilt werden soll, nicht näher vorgegeben wird. Das liegt zunächst daran, dass das dispositive nationale Recht den Wertungshintergrund darstellt, mit dem erst ein Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten bestimmt werden kann und von dem abgewichen werden muss, um überhaupt in den Anwendungsbereich der Kontrolle zu gelangen.150 Deshalb scheint auch der Ruf nach

braucherschutzvorschriften der Union, ABl. L 328, S. 7), die einen neuen Art. 8a und Art. 8b einführten. Daneben existieren noch weitere unionsrechtliche Richtlinien, welche spezielle Vorgaben für die Inhaltskontrolle enthalten; diese entfalten für die vorliegende Untersuchung jedoch keine Auswirkungen, siehe zu den speziellen europarechtlichen Implikationen näher MüKo/Fornasier, Vor § 305 BGB Rn. 55. 144 Für die Klauselkontrolle im Rahmen von B2B-Verträgen ist die Richtlinie hingegen unbeachtlich, da diese außerhalb ihres Anwendungsbereiches liegen. Dabei darf nicht vernachlässigt werden, dass der Verbraucherbegriff autonom zu qualifizieren ist. Der Umstand, dass im nationalen Recht derselbe Begriff („Verbraucher“) verwendet wird, lässt noch nicht den Schluss zu, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie deckungsgleich verläuft, siehe Kieninger, ZEuP 1996, 468 (480). Auf die Abgrenzung im Einzelnen kommt es allerdings nicht an, wenn sich – wie vorliegend – aus dem Unionsrecht keine Unterschiede für die Interessenberücksichtigung ergeben. 145 Siehe auch zur Vorgängervorschrift § 9 AGBG Kieninger, ZEuP 1996, 468 (479 f.). 146 „Sehr allgemeiner Maßstab für die Inhaltskontrolle“ so MüKo/Fornasier, Vor § 305 BGB Rn. 19. 147 Gleiches gilt auch für den nicht rechtsverbindlichen Anhang. 148 Vgl. Art. 8 Klausel-RL. 149 Krit. auch Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, S. 88, der bezweifelt, dass die Voraussetzungen einer richtlinienkonformen Auslegung mangels hinreichend genauer Vorgaben im Richtlinientext regelmäßig vorliegen. 150 Kieninger, RabelsZ 73 (2009), 793 (799 f.); zu Klauseln, die nur einseitig den Verbraucher belasten und daher ohne Rückgriff auf die Wertungen des nationalen Rechts als

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Vollharmonisierung151 nicht zur gewünschten Einheitlichkeit der Maßstäbe richterlicher Inhaltskontrolle führen zu können, solange kein umfassendes Europäisches Vertragsrecht existiert.152 In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Klausel-RL finden sich zwar Hinweise zu prozessualen Gesichtspunkten oder Einzelheiten zum Missbräuchlichkeitsbegriff.153 Allerdings wird der Gerichtshof nicht müde festzustellen, dass die Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel nach den Richtlinienkriterien im konkreten Fall Sache der nationalen Gerichte sei.154 Damit stellt er auch die einzubeziehenden Interessen weitestgehend in das Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten und konkretisiert155 damit – über den Rekurs auf den Grundsatz von Treu und Glauben hinaus – die Maßstäbe der Missbräuchlichkeit nicht. Somit bestehen für die Frage, ob Gemeinwohlinteressen im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen sind, keine Vorgaben aus europäischen Richtlinien oder der Rechtmissbräuchlich eingestuft werden können, siehe Basedow, in: FS Hirsch, S. 51 (59 ff.), der betont, dass es sich „keineswegs um Ausnahmen“ handele. 151 Die Umstellung der Klausel-RL auf Vollharmonisierung scheint nicht mehr vorgesehen zu sein, denn mit der sog. Omnibus-RL (Fn. 143) wurde das sog. REFIT-Programm der EUKommission zur Überarbeitung zentraler verbraucherrechtlicher Richtlinien abgeschlossen, siehe Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen – Bericht der Kommission u¨ ber den Eignungstest des Verbraucher- und Marketingrechts der EU, SWD(2017) 209 vom 23. 5. 2017, durchgefu¨ hrt im Rahmen des Programms zur Gewa¨ hrleistung der Effizienz und Leistungsfa¨ higkeit der Rechtsetzung (REFIT) der Kommission; darin findet sich kein Vollharmonisierungsvorhaben mehr, das ursprünglich schon im Rahmen des Vorschlags der Verbraucherrechte-RL auf Kritik in den Mitgliedstaaten gestoßen ist, siehe nur Zypries, ZEuP 2009, 225 (228); zur problematischen Rechtsprechung des EuGH, in der die Klausel-RL im Bereich des vollständig harmonisierten europäischen Vertragsrechts als ergänzendes Instrument des Verbraucherschutzes angewendet wird, siehe treffend Fornasier, ZEuP 2022, 439 (451). 152 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die wissenschaftlichen Vorarbeiten wie die Principles of European Contract Law und der Draft Common Frame of Reference; zu Letzterem im Zusammenhang mit dem AGB-Recht siehe Kieninger, RabelsZ 73 (2009), 793 (807 ff.). 153 Siehe MüKo/Fornasier, Vor § 305 BGB Rn. 44 ff.; Basedow, in: Schulte-Nölke/ R. Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 277 (278 f.); Pfeiffer, ZEuP 2003, 141; 154 EuGH 30. 4. 2014 – C-26/13 EU:C:2014:282 = EuZW 2014, 506 Rn. 40; EuGH 26. 4.2012 – C-472/10 EU:C:2012:242 = EuZW 2012, 786 Rn. 22; EuGH 21. 3. 2013 – C-92/11 EU:C:2103:180 = NJW 2013, 2253 Rn. 42. 155 Ausgeklammert soll daher die höchst umstrittene Frage bleiben, ob und wieweit der EuGH überhaupt Generalklauseln konkretisieren kann, siehe dazu grundlegend W.-H. Roth, in: FS Drobnig, S. 135 (145 f.); Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 536 ff.; krit. dazu Basedow, in: FS Hirsch, S. 51 (57 f.); siehe weiter Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S. 120 ff.; Pfeiffer, in: FS Thode, S. 615; Remien, RabelsZ 66 (2002), 503 (519, 521, 525 ff.); Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 309 ff.; I. Wolff, Die Verteilung der Konkretisierungskompetenz für Generalklauseln in privatrechtsgestaltenden Richtlinien, S. 60 ff., 201 ff.; M. Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, S. 39; Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht, S. 206 ff.

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle

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sprechung des EuGH. Insbesondere kommt eine dahingehende richtlinienkonforme Auslegung für Verbraucherverträge nicht in Betracht.

I. Interessensgruppen in der AGB-Kontrolle Damit muss sich aus dem nationalen Recht ergeben, welche Interessen in der AGB-Kontrolle berücksichtigt werden sollen, wobei eine Einteilung in Individual-, Dritt- und Gemeinwohlinteressen vorgenommen wird. 1. Eigene Individualinteressen Nach dem Wortlaut von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Daraus lässt sich noch nicht ableiten, welche Interessen für diese Unangemessenheit maßgeblich sein sollen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Inhaltskontrolle nicht nur die missbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen zu unterbinden versucht, sondern es soll weitergehend das positive Gebot eines angemessenen Ausgleichs der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien verfolgt werden.156 Wo genau der Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen nach Ansicht des Gesetzgebers zu finden sein mag, bleibt dabei offen. Auch zur Frage, welche Interessen oder Interessengruppen zu berücksichtigen sind, schweigen die Gesetzesmaterialien.157 Daher kommen grundsätzlich alle rechtlich anerkannten Interessen in Betracht.158 Nach einhelliger Auffassung ist im Rahmen der Interessenfeststellung aber nicht auf die konkreten Vertragsparteien und die Umstände des Einzelfalls abzustellen, sondern die Interessen sind durch eine generalisierende, typisierende Betrachtungsweise festzustellen.159 Schließlich kann der Verwender bei der Formulierung seiner AGB auch nur Rücksicht auf die typischen Interessen der anderen Seite nehmen; daher müssen persönliche Umstände, in der Literatur werden meist konkrete Schutzbedürftigkeit, Geschäftserfahrenheit oder Rechtskenntnis genannt,

156

Damals noch zu § 7 AGBG-E siehe BT-Drs. 7/3919, S. 22. In der Begründung werden beispielsweise die gemeinschaftlichen Interessen dritter Vertragspartner erwähnt, siehe dazu unter I. 2. 158 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 120; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 159; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 119. 159 St. Rspr. seit BGH 6. 11. 1981 – I ZR 178/79, NJW 1982, 765; Erman/Roloff/Looschelders, § 307 Rn. 5; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 110; Staudinger/ Wendland, § 307 BGB Rn. 109; NK/Kollmann, § 307 BGB Rn. 8; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 310 f. 157

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

außen vor bleiben.160 Die Individualinteressen können allerdings je nach Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verkehrskreis differieren. Neben der Grobeinteilung in Verbraucher und Unternehmer kann auch innerhalb einer Gruppe weiter differenziert werden, wenn gruppentypische Interessenlagen feststellbar sind, so etwa die Unterteilung von Unternehmern in Kaufleute, Kleingewerbetreibende, Freiberufler, Groß- und Einzelhändler, Produzenten bestimmter Güter und so weiter.161 Sogar nach Art des Geschäftes, des Vertragstyps oder der generellen Branche können unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen sein.162 Bei Verbraucherverträgen gilt darüber hinaus ein modifizierter Maßstab, der die Bezeichnung „Individualinteressen“ im Wortsinn eher verdient, indem auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände berücksichtigt werden müssen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB).163 Dem generalisierenden, typisierenden Prüfungsmaßstab des allgemeinen AGB-Rechts tritt also ergänzend ein konkret-individueller Maßstab bei Verbraucherverträgen hinzu.164 a) Interessen des Verwenders Typische Interessen des Verwenders können naturgemäß nicht abschließend aufgezählt werden, dennoch gibt es einige wiederkehrende Interessensmuster, die veranschaulichen, welche Aspekte in der Abwägung eine Rolle spielen können. Dazu zählt insbesondere das Interesse der Rationalisierung der Geschäftsabwicklung durch einheitliche Regelungen gegenüber allen Vertragspartnern aus einem bestimmten Verkehrskreis.165 In der Abwägung ist jedoch kein Interesse als per se höherwertig im Vergleich zu anderen anzusehen und somit in seiner Berücksichtigungsfähigkeit durch die Beeinträchtigungen bei den Vertragspartnern begrenzt. So wird man beispielsweise in Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit dem Rationalisierungsinteresse keine 160

Etwa Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 110. Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 111. 162 Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 182; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 112 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 163 Vgl. Art. 4 Abs. 2 Klausel-RL und seine richtlinienkonforme Umsetzung in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, da die weiteren in der RL genannten Kriterien bereits außerhalb von Verbraucherverträgen zu berücksichtigen sind, dazu Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 116; die Vorschrift gilt schon aufgrund ihres Wortlautes nur für das Individual- und nicht für das Verbandsverfahren. 164 Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 541; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, S. 38 ff.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 41; a. A. Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 86 ff., der individuelle Umstände generell berücksichtigt und § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB kaum einen selbstständigen Anwendungsbereich belässt. 165 BGH 20. 5. 2010 – Xa ZR 68/09, NJW 2010, 2719 (2720 f.); BGH 5. 6. 2013 – VIII ZR 131/12, NZM 2013, 804 (806); Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 121; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 161. 161

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle

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Berechnungsvereinfachungen, die zu höheren Prämien der Versicherten führen, legitimieren können.166 Auch der Umkehrschluss, dass ohne die Vereinfachung in der Verwaltung höhere Prämien verlangt werden müssten, vermag nicht zu überzeugen. Dieser läuft nämlich im Ergebnis auf das grundsätzlich unzulässige Preisargument heraus, also die Kompensation nachteiliger Klauseln mit einem besonders niedrigem Preis.167 Ebenfalls nicht zu berücksichtigen soll nach einer Ansicht in der Literatur die übermäßige Interessenwahrnehmung sein, wenn Klauseln die Vertragspartner zum Beispiel in höherem Maße belasten, als es für die angemessene Interessenwahrung des Verwenders erforderlich wäre.168 Dies erscheint problematisch, weil eine Abgrenzung, wann unberechtigte Interessen des Verwenders vorliegen und wann ihnen im Rahmen der Abwägung nur kein stärkeres Gewicht beigemessen wird, kaum möglich ist. Jedenfalls ist aber der funktionswidrige Einsatz von Vertragsklauseln unzulässig: Gemeint sind Vereinbarungen, die ungeeignet sind, das damit verfolgte – oder auch nur behauptete – Interesse zu erreichen. Eine Vertragsstrafe darf einerseits als Druckmittel zur Erfüllung von Verpflichtungen169 dienen, andererseits auch als Mittel erleichterter Schadloshaltung bei Pflichtverletzung – nicht aber zur Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen.170 Diese Unterscheidung wird später noch Bedeutung erlangen, wenn die Vertragsstrafen der Gemeinden näher betrachtet werden.171 b) Interessen des Vertragspartners Die Interessen der Vertragspartner sind nicht notwendigerweise konträr zu jenen der Verwender. So kann neben dem originären Interesse an der Leistung, die nach dem Vertrag berechtigterweise erwartet werden darf, etwa das Interesse treten, das vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auch bei langfristigen Verträgen über die gesamte Laufzeit aufrechtzuerhalten.172 Weiter sind die Integrität des 166

Zutreffend BGH 16. 11. 1992 – II ZR 184/91, NJW 1993, 2442 (2444). So auch Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 123; ebenso Staudinger/ Wendland, § 307 BGB Rn. 156 a. E. Zum Preisargument statt vieler MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 45 f.; krit. im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen unter Verweis auf die gegenteilige Auffassung in ausländischer Literatur und eine Vorlage an den EuGH fordernd MüKo/Fornasier, § 310 BGB Rn. 116 f. 168 Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 158. 169 Freilich sind die Grenzen des § 309 Nr. 6 BGB zu beachten, es kann sich also nur um darin nicht genannte Verpflichtungen handeln. Eine solche Vertragsstrafe wäre aber immer noch an der Generalklausel zu messen. 170 BGH 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385 (387); BGH NJW 20. 1. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106 (2107); BGH 23. 1. 2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805 (1808). 171 Siehe dazu unter § 5 II. 1. b) bb). 172 BGH 12. 7. 1989 – VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115; BGH 21. 9. 2005 – VIII ZR 38/05, NJW-RR 2005, 1717. 167

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eigenen Vermögens und der sonstigen Rechtsgüter sowie die Erhaltung der wirtschaftlichen und persönlichen Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners als Interessen anerkannt.173 Letztere wird nicht selten durch überlange Vertragsbindungen, Abtretungsverbote oder Übersicherungen in AGB gefährdet.174 Da der Maßstab der rechtlich anerkannten Interessen wenig Kontur bietet, ist fraglich, welche Individualinteressen durch diese Einschränkung überhaupt aus der Abwägung herausfallen. So wird vertreten, dass die Beeinträchtigung eines Interesses des Vertragspartners nur zu berücksichtigen sei, wenn dies Nachteile von einigem Gewicht begründe.175 Dieser Punkt grenzt zwar keine Interessensgruppe an sich aus, sondern stellt eher auf die Eingriffsintensität im Kreis aller rechtlich anerkannten Interessen ab. Dennoch werden dadurch im Ergebnis die berücksichtigungsfähigen Interessen eingegrenzt, indem eben geringfügige Interessensbeeinträchtigungen nicht als solche vorgebracht werden können. Einen Anhalt im Wortlaut von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB findet diese Ansicht jedoch nicht. Vielmehr wird sie durch die Bezugnahme auf die Gebote von Treu und Glauben hergeleitet.176 In Erklärungsnöte gelangt diese Sichtweise aber bei den Wertstellungsklauseln der Banken, die durch die Summe kleinster Gewinne Einnahmen in erheblicher Höhe generieren, aber beim einzelnen Kunden nur einen minimalen finanziellen Nachteil auslösen.177 So wird vorgeschlagen, „dem Einzelkunden zur Überwindung des

173

BGH 12. 3. 1987 – VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931 (1933); BGH 24. 9. 1992 – VII ZR 36/92, NJW 1993, 263 (264); BGH 24. 9. 1992 – VII ZR 36/92, NJW 1985, 623; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 127; vgl. auch Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 160. 174 Vgl. Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 127. 175 So die wohl h. M. v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 143; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 128; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 177; in BT-Drs. 7/5422, S. 6, kommt zum Ausdruck, dass sich dieses Erfordernis aus der „Unangemessenheit“ ergebe; a. A. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 471; auch Grüneberg/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 12, der oftmals für die gegenteilige Auffassung angeführt wird. 176 Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 177; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, § 307 BGB Rn. 128. 177 Weitestgehende Einigkeit besteht nämlich dahingehend, dass diese Klauseln unwirksam sein sollen, siehe nur BGH 17. 1. 1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (129); BGH 30. 11. 1993 – XI ZR 80/93, NJW 1994, 318 (319); BGH 6. 5. 1997 – XI ZR 208/96, ZIP 1997, 1146 (1147); Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 92; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 130. Die Begründung des BGH ist allerdings zweifelhaft, denn der Bagatellaspekt wird zurückgewiesen, weil sich das Kreditinstitut durch die Summe der Wertstellungsgewinne zusätzliche Einnahmen in erheblicher Höhe erschließe und die Verbandsklage nicht dem Schutz des Einzelnen, sondern des Rechtsverkehrs insgesamt diene. Die Frage der unangemessenen Benachteiligung kann im Verbandsprozess jedoch nicht anders beantwortet werden als im Individualverfahren, krit. auch Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 130: „Diese Argumentation spielt auf die Berücksichtigung überindividueller oder öffentlicher Interessen an, ist allerdings insoweit weder konsequent noch überzeugend.“.

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Bagatelleinwands zu gestatten, sich auf die Summe der unberechtigten Verwendervorteile zu berufen“.178 Dies überzeugt kaum, da es einerseits auf eine Kontrolle „unangemessener“ Gewinne hinausliefe179 und andererseits den Grundsatz von Treu und Glauben gleich doppelt zur Anwendung zwingt: zunächst zur Herleitung der Erheblichkeitsschwelle auf Seiten des Vertragspartners, der deshalb keine unerheblichen Beeinträchtigungen vorbringen darf und zweitens auf Seiten des Verwenders, der diese Lage entgegen Treu und Glauben zu seinem Vorteil ausnutzt. Überzeugender scheint es hingegen, nur geringfügige Benachteiligungen nicht per se als irrelevant einzustufen, sondern sie im Normalfall durch schwerwiegendere Interessen des Verwenders in der Abwägung auszuräumen.180 Damit können auch Nachteile von minimalem finanziellen Ausmaß durch das AGB-Recht sanktioniert werden. c) Folgerungen In der Regel sind es also wirtschaftliche Interessen, die für die Vertragsparteien maßgeblich sind. Die Verfolgung ideeller Interessen ist damit aber keinesfalls ausgeschlossen.181 Insbesondere die freie Entfaltung der persönlichen Lebensgestaltung, die vor allem durch pauschale Verbote zum Vertragspartnerverhalten eingeschränkt wird, stellt ein wichtiges Interesse dar.182 Als weiteres Beispiel hat der BGH Klauseln zugelassen, die der Verwirklichung pädagogischer Konzepte183 oder Bildungsziele184 dienen. Das ist allein vor dem Hintergrund, dass Verträge eben nicht ausschließlich aus ökonomischen Zwecken heraus geschlossen werden, zutreffend. Die Berücksichtigung von ideellen Gesichtspunkten liegt aber thematisch oftmals an einem Schnittpunkt zu der Berücksichtigung von Dritt- oder Gemeinwohlinteressen, die im Folgenden näher untersucht werden sollen. 2. Drittinteressen Für die Frage, ob Drittinteressen im Rahmen der Inhaltskontrolle beachtet werden können, liefern die Gesetzesmaterialien einen ersten Anhaltspunkt. Laut dem Entwurf zum AGB-Gesetz sind auch gemeinschaftliche Interessen dritter Vertragspartner zu 178

Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 130. So der Einwand von Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 92. 180 Vgl. auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 471; krit. zum Begründungsansatz des BGH auch NK/Kollmann, § 307 BGB Rn. 12: „Augenwischerei“. 181 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 126; ähnlich Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 158; NK/Kollmann, § 307 BGB Rn. 13. 182 Prominentes Beispiel im Wohnraummietrecht ist etwa ein pauschales Tierhaltungsverbot, siehe BGH 14. 11. 2007 – VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218; auch Fuchs, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 127. 183 BGH, 28. 02. 1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585 (2587). 184 BGH 17. 1. 2008 – III ZR 74/07, WM 2008, 1883 (1885). 179

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

berücksichtigen.185 Das gelte bei kollektiv ausgerichteten Geschäftssystemen wie Versicherungen und Bausparkassen, aber auch bei Verträgen über Versorgungsleistungen (Gas, Elektrizität).186 In solchen Fällen müssen nach Treu und Glauben auch die schutzwürdigen Gesamtinteressen der Kunden des Verwenders bedacht werden. a) Grundsatz und Begriff des Dritten Dieser Verweis in den Gesetzesmaterialien kehrt aber gewissermaßen das RegelAusnahme-Verhältnis um, denn im Grundsatz sind Interessen Dritter im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Vertragsparteien unbeachtlich.187 Die Unbeachtlichkeit wird regelmäßig mit dem Wortlaut von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB begründet, wonach nur die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders zur Unwirksamkeit der AGB-Klauseln führt.188 Als zweites Argument dient die Relativität des Schuldverhältnisses, nach der nur die Vertragsparteien aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet werden.189 „Dritte“ in Bezug auf die Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB sind dabei solche Personen, die keine Rechte aus dem Vertrag herleiten können.190 Folglich sind Interessen der durch einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) oder durch einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte begünstigten Personen zu berücksichtigen. In diesen Fällen besteht zwischen dem Verwender und dem „Dritten“ eine Rechtsbeziehung, aus welcher auch eigene Ansprüche gegenüber dem Verwender hergeleitet werden kön185

Siehe BT-Drs. 7/3919, S. 23. Vgl. Fn. 185. 187 BGH 7. 10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 (180); BGH 14. 5. 1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092 (2094); missverständlich und zu pauschal daher BGH 29. 7. 2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 (3185); BGH 29. 7. 2021 – III ZR 192/20, GRUR-RS 2021, 23182; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 145; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 52; Grüneberg/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 11; HK/Schulte-Nölke, § 307 BGB Rn. 12; eingehend Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff.; Schweitzer, AcP 220 (2020), 544 (573); jurisPK/Lapp/ Salamon, § 307 BGB Rn. 18; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 469; Erman/Roloff/Looschelders, § 307 Rn. 10; NK/Kollmann, § 307 BGB Rn. 13; BeckOK/H. Schmidt, § 307 BGB Rn. 26; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 106; Wais, in: Wais/Pfeiffer, Judicial Review of Commercial Contracts, S. 139 f.; Kumkar, ZEuP 2022, 530 (552 ff.); Lehmann-Richter, in: v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 45. EL., Klauselwerke: Verwaltervertrag über Wohnungseigentum, Rn. 15; Prütting/Wegen/Weinreich/K. P. Berger, § 307 Rn. 6; diff. Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 133 f.; Wolf, in: FS Baur, S. 147 (154); a. A. Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 172 ff. 188 v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 148; Wolf, in: FS Baur, S. 147 (153); MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 52; a. A. Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 173 f., der eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Auslegung hier für möglich hält. 189 So v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 148; dies trifft grundsätzlich zu, ist aber kein Spezifikum des AGB-Rechts. 190 Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 169; v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 149. 186

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nen.191 Diese rechtliche Verbindung zwischen dem Verwender und der begünstigten Person legitimiert die Gleichstellung ihrer Interessen mit jenen des Vertragspartners.192 Ausgehend von dem genannten Begriff des Dritten überzeugt es aber in solchen Konstellationen nicht, von einer Ausnahme vom Grundsatz der Nichtberücksichtigung von Drittinteressen zu sprechen, weil es sich schon um keine Dritten in diesem Sinne handelt. Es könnten aber aufgrund der eingangs erwähnten Berücksichtigung von gemeinschaftlichen Interessen dritter Vertragspartner „echte“ Einschränkungen des besagten Grundsatzes gelten. b) Ausnahmen Wenn in der Gesetzesbegründung der Schutz von Kollektivgruppen auf Verwenderseite angeführt wird,193 muss genau danach differenziert werden, ob es sich überhaupt um Drittinteressen handelt oder ob nicht vielmehr Interessen des Verwenders selbst im Vordergrund stehen. So liegt es bei dem Vorbringen im Sinne einer Gleichbehandlung aller Kunden nahe, dass der Verwender damit das bereits erwähnte Rationalisierungsinteresse verfolgt.194 Dies ist zwar zulässig, aber eben ein eigenes Interesse des Verwenders. Folgerichtig ist eine Kostenregelung eines Versicherers unwirksam, wenn Sachverständigenkosten auf den einzelnen Versicherungsnehmer übertragen werden, und kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie ansonsten auf die Gemeinschaft der Versicherten verteilt werden müssten.195 Die Kosten gehen also zulasten des beim Versicherer angesammelten Kapitals (verteilen sich also wirtschaftlich gesehen auf die Versichertengemeinschaft) und betreffen damit sein eigenes Kostenersparnisinteresse und können nicht durch Verweis auf die Gemeinschaftsinteressen vermieden werden. Auch kann der Rekurs auf Interessen dritter Vertragspartner den Blick darauf verstellen, dass die Berücksichtigung sogar im Interesse des konkret betroffenen Vertragspartners liegt, wenn jener Teil der Kundenzielgruppe ist. Als Beispiel für dieses Phänomen kann angeführt werden, dass im Rahmen von Bausparverträgen eine gesonderte Abschlussgebühr verlangt werden darf, mit der die Werbung von Neukunden finanziert wird, da dieses Vorgehen dem gesamten System des kollektiven

191 v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 150; NK/Kollmann, § 307 BGB Rn. 13; Sekundäransprüche sind demnach ausreichend. 192 Vgl. v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 150. 193 Krit. dazu MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 53. 194 Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 148; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 135. 195 Zutr. BGH 03. 03. 1982 – IV a ZR 256/80, BGHZ 83, 169 (180) = NJW 1982, 1391 (1393), zu einer Regelung im Sachverständigenverfahren im Rahmen einer Hausratversicherung, mit dem Hinweis, dass der Versicherer auch ohne förmliches Sachverständigenverfahren die Schadenshöhe auf seine Kosten ermitteln müsste, um seine Leistung überhaupt erbringen zu können.

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Zwecksparens dienlich ist und daher im Interesse aller Kunden steht.196 Der BGH differenziert dabei ausdrücklich nicht zwischen Bestands- und Neukunden, da zwischen ihnen kein Interessengegensatz bestehe.197 Damit laufen die Interessen des Vertragspartners mit jenen der dritten Vertragspartner des Verwenders gleich, obwohl die Klausel ihn zunächst belastet. Wenn Dritte deckungsgleiche Interessen mit dem Vertragspartner haben, stellt sich die naheliegende Frage, ob Drittinteressen wenigstens mittelbar zu schützen sind. So kommt etwa die Nichtigkeit einer formularmäßigen Globalabtretung fast ausschließlich den (ungesicherten) Gläubigern des Schuldners zugute.198 Während ein solcher Schutz in der Literatur gelegentlich angenommen wird, sieht die Rechtsprechung dies zutreffenderweise als problematisch an, da die Berücksichtigung Dritter gerade nicht vom Schutzzweck des § 307 Abs. 1 BGB umfasst ist.199 Dem Gesetzgeber ging es allgemein um die Unterbindung einer missbräuchlichen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit.200 Darunter die generelle Einbeziehung von Drittinteressen zu verstehen, ginge zu weit.201 Der Missbrauchsgedanke bleibt vielmehr auf den Individualinteressenschutz des Vertragspartners begrenzt, wie viele andere Formulierungen deutlich machen, wonach die Belange der künftigen Vertragspartner zu berücksichtigen seien oder ein angemessener Ausgleich der beiderseitigen Interessen herzustellen sei.202 Im oben genannten Beispiel werden durch die Übertragung von unangemessenen Sicherheiten nicht nur die Gläubigerinteressen, sondern eben auch die Interessen des 196

BGH 7. 12. 2010 – XI ZR 3/10, NJW 2011, 1801 (1805). BGH 7. 12. 2010 – XI ZR 3/10, NJW 2011, 1801 (1805 Rn. 49); anders etwa bei Internetplattformen, die Vertragsbeziehungen mit heterogenen Nutzergruppen (z. B. Unternehmern und Verbrauchern) unterhalten; digitale Plattformen dürfen die eine Nutzergruppe daher nicht mit Berufung auf die Drittinteressen der anderen Gruppe benachteiligen, zutreffend Kumkar, ZEuP 2022, 530 (552 ff.). 198 BGH 10. 5. 1994 – XI ZR 65/93, ZIP 1994, 1010 (1011): „Nutznießer der vorgenannten Rechtsprechung, die zur Unwirksamkeit formularmäßiger Globalzessionen auch dann führt, wenn eine Übersicherung des Sicherungsnehmers nie eingetreten ist, sondern die Unterdeckung seiner Forderungen feststeht, sind in der Praxis deshalb fast ausschließlich Dritte, vor allem die (ungesicherten) Gläubiger im Konkurs des Sicherungsgebers, deren Schutz § 9 Abs. 1 AGBG nicht bezweckt. Der erkennende Senat hält die vorgenannte Rechtsprechung deshalb für problematisch.“; BGH 14. 5. 1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092 (2094). 199 BGH 14. 5. 1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092 (2094); BGH 10. 5. 1994 – XI ZR 65/93, ZIP 1994, 1010 (1011); a. A. Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 173 ff., der im Sinne einer funktionierenden Vertragsordnung die unmittelbare Berücksichtigung von Drittinteressen in AGB für geboten hält; ohne Problembewusstsein jedoch BGH 29. 7. 2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 (3185); BGH 29. 7. 2021 – III ZR 192/20, GRUR-RS 2021, 23182. 200 BT-Drs. 7/3919, S. 9 ff. 201 So aber Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 173 ff. 202 Siehe nur BT-Drs. 7/3919, S. 10, 13, 22; darauf schon hinweisend Wolf, in: FS Baur, S. 147 (153). 197

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Vertragspartners als Schuldner berührt, zu dessen Schutz die Inhaltskontrolle erfolgt. Die Unwirksamkeit der Klausel mag zwar praktisch enorme Auswirkungen bei den Gläubigern entfalten, dennoch geschieht ihre Berücksichtigung nur reflexartig und ist von der Schutzwürdigkeit der Vertragspartnerinteressen abhängig und durch diese begrenzt.203 Auch im Falle des Ausschlusses der Drittschadensliquidation in AGB ist es deshalb zu weitgehend, von einer mittelbaren Berücksichtigung der Interessen Dritter zu sprechen, werden doch die eigenen Interessen des Vertragspartners berührt, da dieser zunächst Inhaber des Schadensersatzanspruchs ist und nicht ein – in solchen Konstellationen naturgemäß – zufälliger Dritter.204 Darüber hinaus ist es nicht überzeugend, wenn angenommen wird, dass Plattformbetreiber bei Verträgen mit Wirtschaftskunden aufgrund von Art. 5 Abs. 6 S. 1 P2B-VO205 verpflichtet seien, die Interessen von nicht an den Verträgen beteiligten Verbrauchern zu berücksichtigen.206 Nach Erwägungsgrund 27 dieser Verordnung sollen die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten oder von Online-Suchmaschinen nicht verpflichtet sein, die detaillierte Funktionsweise ihrer Rankingmethoden, einschließlich der Algorithmen, offenzulegen. Ziel der Vorschrift des Art. 5 Abs. 6 S. 1 P2B-VO ist es auch, dass die Fähigkeit der Plattformbetreiber, gegen eine böswillige Manipulation des Rankings durch Dritte vorzugehen, nicht beeinträchtigt wird.207 Dies geschieht letztlich auch im Interesse der Verbraucher. Eine Berücksichtigung von Drittinteressen ist darin hingegen nicht zu sehen. c) Zwischenergebnis Möglich ist also, dass Drittinteressen als Rechtsreflex mitgeschützt werden, wenn sie mit den Interessen des Vertragspartners korrespondieren, ein eigenes in die Abwägung einzustellendes Gewicht kommt ihnen aber nicht zu.208 Die bereits erwähnten gemeinschaftlichen Interessen dritter Vertragspartner wie Versicherten-, Bausparkassen- oder Versorgungsleistungsgemeinschaften – teilweise auch als Solidargemeinschaften209 bezeichnet – haben aber schon deutlich gemacht, 203

Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 307. So aber Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 147; zurückhaltender Pfeiffer, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 168 und 172. 205 Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, ABl. L 186/57. 206 Dies vertritt Mast, JZ 2023, 287 (290). 207 Erwägungsgrund 27 P2B-VO. 208 Zutreffend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 306 f. 209 Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 230; v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 152; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 135; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 148; mittlerweile fallen darunter auch 204

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

dass Interessengruppen über jene der Vertragsparteien hinaus in Erscheinung treten. In einem weiteren Schritt gilt es daher zu untersuchen, ob noch größere Gruppen210 wie die Gesellschaft oder gar die Allgemeinheit im Sinne des Gemeinwohls Interessen verfolgen können und ob diese dann im Rahmen der Interessenabwägung gem. § 307 Abs. 1 BGB Einfluss finden können. 3. Gemeinwohlinteressen Bei der Frage der Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen wird zunächst näher auf den Begriff des Gemeinwohls eingegangen, um den Gegenstand der Untersuchung zu konkretisieren und von Drittinteressen abgrenzen zu können. a) Begriff des Gemeinwohls Der Versuch, den Begriff des öffentlichen Interesses näher zu bestimmen, erwecke ähnliche Anteilnahme wie das Erklettern der Eigernordwand, habe aber nicht die gleichen Erfolgschancen – so ein Bonmot von Luhmann.211 Dies dürfte auch für den Begriff des Gemeinwohls gelten. Allein dessen Abgrenzung zum öffentlichen Interesse kann nicht trennscharf gelingen, weshalb beides verbreitet synonym verwendet wird.212 Nutzer von sozialen Plattformen, vgl. BGH 29. 7. 2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 (3185); BGH 29. 7. 2021 – III ZR 192/20, GRUR-RS 2021, 23182. 210 Nach Neuner, JZ 2020, 269 (271), handele es sich im Unterschied zu Drittinteressen bei Gemeinwohlinteressen um überpersönliche, kollektive Belange; dies erscheint nach dem oben Gesagten allerdings kein taugliches und trennscharfes Abgrenzungskriterium. Die Abgrenzung zwischen Dritt- und Allgemeininteressen kann aufgrund des kontigenzformelhaften Charakters des Gemeinwohlbegriffs nicht inhaltlich geschehen, sondern einzig taugliches Abgrenzungskriterium muss die Inhaberschaft des Interesses sein. Das Interesse der Allgemeinheit kann nur tangiert werden, wenn der betroffene Kreis der Personen unbestimmt und unbestimmbar groß ist. Dazu kann auch der Rechtsgedanke des § 52 Abs. 1 S. 2 Abgabenordnung herangezogen werden, der für die gemeinnützigen Zwecke im Sinne des Steuerrechts negativ abgrenzt, wann keine Förderung der Allgemeinheit vorliegt. Danach ist eine Förderung der Allgemeinheit ausgeschlossen, wenn der Personenkreis, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist oder infolge seiner Abgrenzung dauerhaft nur klein sein kann. Für die Verhinderung von Grundstücksspekulation wird man daher sagen können, dass daran alle Personen ein Interesse haben, die potenziell in der Gemeinde ein Grundstück erwerben wollen oder selbst nur im Umkreis zur Miete wohnen, da sich bei einer Verteuerung der Grundstückspreise auch die Mietpreise erhöhen. 211 Luhmann, Der Staat 1 (1962), 375; aufgegriffen auch von Stolleis, VerwArch 65 (1974), 1; Nowrot, Das Republikprinzip in der Rechtsordnungengemeinschaft, S. 367 f.; Viotto, Das öffentliche Interesse, S. 11; Häberle, Europäische Rechtskultur, S. 323, der gesicherte Wege für beides sieht. 212 Dazu Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 37 f., der die Verwendung des einen oder des anderen Begriffs zur Frage des persönlichen Geschmacks erklärt und praktische Identität oder doch Parallelität feststellt; ders., Europäische Rechtskultur, S. 341 ff.; ders., in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 103; so auch

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Skepsis soll der Verwendung des Gemeinwohlbegriffs auch von Carl Schmitt entgegengebracht worden sein. So soll der umstrittene Staatsrechtslehrer gesagt haben: „Wer bonum commune sagt, will betrügen.“213 Dieses Urteil mag zwar pauschal ausfallen, allerdings bringt Schmitts Aphorismus die Maskierung auf den Punkt, mit der bestimmten Forderungen im politischen Wettbewerb ein illegitimer moralischer Vorsprung verschafft werden soll. Die Verdeckung eigener Interessen durch den Mantel der Gemeinwohlinteressen ist insbesondere auch deshalb möglich, weil es keinen feststehenden Kanon an solchen Interessen gibt, sondern sie vielmehr dem stetigen gesellschaftlichen Wandel unterliegen. So kann ein Belang ursprünglich nur von Interesse einer Minderheit sein und wenige Jahre später zu einem Hauptanliegen politischer Mehrheiten werden. Dafür existieren unzählige Beispiele, aber als besonders prominenter Beleg dafür kann aus jüngster Zeit der Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels angeführt werden.214 Während zur Zeit des „Wirtschaftswunders“ in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg der Umweltschutz noch keinen Platz auf der politischen Agenda innehatte, obgleich die Erderwärmung bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts zuverlässig gemessen wurde,215 erscheint er gegenwärtig als politisches Topthema, das auch gesetzgeberische Aktivitäten in Namen der Allgemeinheit auf den Plan ruft.216

Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 24 f.; ders., in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 179; Viotto, Das öffentliche Interesse, S. 22 f. 213 So Pieper, Noch wußte es niemand. Autobiographische Aufzeichnungen 1904 – 1945, S. 197; vgl. auch Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (95), der auf die Modifikation Schmitts des von Proudhon geprägten Wortes „Wer Menschheit sagt, will betrügen.“ hinweist. Ein solches Zitat konnte bei Schmitt hingegen nicht ermittelt werden, siehe Schmitt, Der Begriff des Politischen (Ausgabe von 1932), synoptische Darstellung hrsg. von Walter, S. 169 Fn. a. 214 Vgl. auch § 1 Abs. 5 und 6 Nr. 7 BauGB im Rahmen der Bauleitplanung als Elemente, die im Sinne des „Wohls der Allgemeinheit“ zu berücksichtigen sind. Zur Umwelt als Defizit staatlicher Gemeinwohlpflege Krüper, Gemeinwohl im Prozess, S. 254 ff.; zur Berücksichtigung von Umweltbelangen im Privatrecht Croon-Gestefeld, Gemeininteressen im Privatrecht, S. 125 ff. 215 Siehe dazu etwa m. w. N. die Einleitung von Pöttker, Klimahaftungsrecht, S. 5 ff. 216 Nennenswert ist hier insb. der „European Green Deal“, ein am 11. 12. 2019 vorgestelltes Konzept mit dem Ziel, bis 2050 in der EU die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden, siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal, COM/2019/640 final; zur Regulierung im Namen der Allgemeinheit Pöttker, Klimahaftungsrecht, S. 117; zu den durch den Klimawandel verursachten oder damit zusammenhängenden Rechtsfragen umfassend auch Kahl/Weller, Climate Change Litigation, passim; ausführlich Fellenberg/Guckelberger, in: Fellenberg/Guckelberger, KlimaschutzR, Einl. Rn. 13 ff.

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Die Wandelbarkeit217 des Gemeinwohlbegriffs und die damit verbundene Missbrauchsgefahr lassen sich somit als zentrale Kritikpunkte identifizieren, die gegen seine Verwendung vorgebracht werden.218 Gesetzgeber und Rechtsanwender haben in der juristischen Praxis dennoch regelmäßig mit diesem Begriff oder dem „öffentlichen Interesse“ zu arbeiten, weshalb der Rückzug auf die sog. „Leerformelthese“ nicht weiterhilft.219 Im Grunde handelt es sich zunächst einmal um einen ausfüllungsbedürftigen und ausfüllungsfähigen Rechtsbegriff.220 Jedoch ist er auch in Disziplinen jenseits des Rechts von enormer Bedeutung und findet sich bereits bei Klassikern von Sokrates bis Kant.221 Insbesondere als Gegenstand der politischen Philosophie hat der Gemeinwohltopos eine beträchtliche Entwicklung vollzogen, die hier nur ganz grob nachgezeichnet werden soll, um zu verstehen, wie in der heutigen Gesellschaft Gemeinwohlinteressen gebildet und folglich in der AGB-Kontrolle berücksichtigt werden könnten.222 Ursprünglich verstand man das Gemeinwohl als Kanon feststehender Werte und Ziele, der später insbesondere durch theologische Einflüsse konkrete Formen angenommen hat.223 Danach können die Gemeinwohlziele von jedem Menschen durch die göttlich verliehene Vernunft („ratio“) erkannt werden.224 Erst durch die Herausbildung einer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsform wurde deutlich, dass Gemeinwohl kein geschlossenes apriorisches Gedankenkonstrukt darstellen kann, was gewaltsam durch die jeweils Herrschenden durchgesetzt wird. Die moderne Konzeption des Gemeinwohls versteht sich vielmehr dahingehend, dass es seine Konkretisierung durch gesellschaftlich und demokratisch geformte Verfahren und Prozesse erlangt. Damit können sich nahezu alle möglichen Belange als solche des allgemeinen Wohls darstellen, die erstens aufgrund begrenzter staatlicher Ressourcen nicht alle vollends berücksichtigt werden können und zweitens miteinander im Zielkonflikt stehen.225 217

Oberflächlich Fisch/Strohm, in: FS v. Arnim, S. 73 ff. Ausführlich Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, S. 2 ff.; zu weiteren Kritikpunkten v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 5 ff. 219 Siehe auch Häberle, Europäische Rechtskultur, S. 351; Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (97). 220 Böckenförde, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 63. 221 Böckenförde, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 44 ff. 222 Die Unterscheidung zwischen der Wohlfahrt aller Einzelnen und der Gemeinschaft als Ganzer ist auch zentral bei Rousseau im Rahmen des volonté de tous und volonté générale, siehe Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe: „Gemeinwohl“, S. 247 f. 223 Insbesondere durch Thomas von Aquin siehe m. w. N. Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 240; krit. zur Übersetzung von „bonum commune“ mit „Allgemeinwohl“ Arnold, Vertrag und Verteilung, S. 56. 224 Siehe auch der ausführliche Exkurs bei Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 239 ff. 225 Unmittelbar einleuchtend kann etwa das Beispiel Brandschutz und optimale Flächennutzung innerhalb der Innenstadt genannt werden; zu Zielkonflikten der Gemeinwohlbelange auch Häberle, Europäische Rechtskultur, S. 350. 218

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Weitestgehende Einigkeit wird man also nur darüber erzielen können, dass unter Gemeinwohl überindividuelle Interessen und auch über einzelne Gruppeninteressen hinausgehende Belange verstanden werden müssen.226 Gemeinwohl erweist sich somit als „Kontingenzformel für verfassungsrechtlich vorgesehenen Interessenausgleich“.227 b) Kompetenz zur Bestimmung des Gemeinwohls Der offene Gemeinwohlbegriff ist nunmehr mit einem Kompetenz- und Verfahrensproblem behaftet.228 Zugespitzt ließe sich also die Frage formulieren: Wer bestimmt das Gemeinwohl? Bei der Beantwortung dieser Fragestellung sind zwei Dimensionen zu unterscheiden. Einerseits die Ebene der Gewaltenteilung ist also der Legislative oder der Exekutive die Gemeinwohlkompetenz zuzuordnen?229 Denkbar ist andererseits auch das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, schließlich stößt man in der Literatur immer wieder auf die Feststellung, dass der Staat kein „Gemeinwohlmonopol“ besitze.230 Dies könnte zur Schlussfolgerung verleiten, dass auch Private Gemeinwohlziele definieren und sich damit im nächsten Schritt auch im Rahmen der Inhaltskontrolle auf Gemeinwohlbelange berufen könnten. aa) Außerstaatliche Kompetenzverteilung Grundsätzlich sind Individuen, Nichtregierungsorganisationen und Verbände im weitesten Sinne sogar von staatlicher Seite zu gemeindienlichen Handlungen auf-

226 Dazu insbesondere v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 7 ff., 81 ff.; diese Feststellung stellt keinen Widerspruch dazu dar, dass nach Möllers, Staat als Argument, S. 319, auch die private und ihren Motiven nach eigennützige Grundrechtswahrnehmung des Einzelnen dem Gemeinwohl diene, da die Grundrechtswahrnehmung wiederum einen überindividuellen rechtsstaatlichen Wert an sich bildet. 227 Treffend Möllers, Staat als Argument, S. 210 Fn. 127 m. w. N.; dies darf nicht im Sinne einer „liberalen Utopie“ missverstanden werden, dass das Ergebnis des Spiels der Individuen oder Gruppen automatisch gemeinwohlkonform sei, dazu krit. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 8. 228 Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, S. 13 m. w. N.; siehe auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 242; kritisch Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (99), der in der Prozeduralisierung des Gemeinwohls in letzter Konsequenz auch eine Leerformel sieht; zur Verfahrensfunktion grundlegend Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 11 ff., der Verfahrensinhalte allerdings völlig ausklammert. 229 Zur nachgelagerten Judikative, insbesondere BVerfG siehe Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 125 (130 ff.). 230 Etwa Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 214; Isensee, in: Isensee/Kirchhoff, HdbStR, Band IV, § 71 Rn. 110; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 19 (23); Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 243.

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gerufen.231 So kann die Zivilgesellschaft ihre Vorstellungen über das für die Allgemeinheit Beste in ihrem jeweiligen Wirkungskreis und in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einbringen.232 Diese Überlegungen kommen allerdings dann zu einem Ende, wenn bei differierenden Vorschlägen eine Entscheidung getroffen werden muss, denn die finale Entscheidungskompetenz liegt unstreitig beim Staat.233 Private können – so viel sie auch in den Vorgang der Gemeinwohlkonkretisierung eingebunden werden – am Ende nicht rechtsverbindlich für die Allgemeinheit entscheiden. Damit können sie sich logischerweise auch nicht auf Gemeinwohlinteressen berufen, denn das bedeutete, dass man sich fremde Interessen in der Inhaltskontrolle zu eigen machen kann. Ausgeschlossen ist dadurch freilich nicht, dass sich öffentliche Interessen mit den eigenen überschneiden. Dann sind es aber immer noch die eigenen Interessen, auf die man sich beruft, und nicht die öffentlichen. Aber auch innerhalb des Staates mit seinen verschiedensten Verästelungen muss genau differenziert werden, welcher Teil zur Bestimmung des Gemeinwohls berechtigt ist, ansonsten könnte sich jede staatliche Stelle im Rahmen ihrer Vertragsgestaltungen mit Privaten als Vertreterin ihrer jeweiligen Vorstellung von Gemeinwohl aufschwingen und wäre dementsprechend in der Interessenabwägung deutlich privilegiert. bb) Innerstaatliche Kompetenzverteilung Nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt der Staat „durch seine gesetzgebende Gewalt die Aufgabe, Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen zu sein.“234 Die Verfassung selbst rekurriert nur an drei Stellen auf das Wohl der Allgemeinheit, entweder rein deklaratorisch235 oder zuweisend an den Gesetzgeber, um jenes Wohl näher auszugestalten.236 Durch die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 und 2 GG 231 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 23, nennt etwa Gefahrenabwehrvereine wie die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, Wohlfahrts-, Hilfs- und Betreuungsvereine nach Art des Deutschen Roten Kreuzes sowie Förderungs-, Bildungs- und Forschungsvereine nach Art des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. 232 Prominentes Beispiel sind etwa Beteiligung Privater an staatlichen Verfahren durch Öffentlichkeit oder Verbandsklage, siehe im naturschutzrechtlichen Zusammenhang Krüper, Gemeinwohl im Prozess, S. 157 ff. 233 Eindeutig Isensee, in: Isensee/Kirchhoff, HdbStR, Band IV, § 71 Rn. 113 sowie 123; siehe auch Forsthoff, in: Frey, Rechtsstaat im Wandel, S. 39 (49); dies betont auch Krüper, Gemeinwohl im Prozess, S. 242 f.; siehe ferner Bagchi, Am. J. Comp. L. 62 (2014), 687 (732): „Indeed, even characterizing a private organization as a public interest organization requires consensus on the nature of the public interest, and outside of democratic processes we lack the resources by which to so name a private preference the ,public interest‘.“ 234 BVerfGE 33, 125 (158 f.). 235 Art. 56 GG, siehe zum deklaratorischen Charakter Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 125 (132). 236 Artt. 14 Abs. 2, 3 und 87e Abs. 4 GG, siehe dazu Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 125 (133 f.).

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garantierte Eigenverantwortlichkeit der gemeindlichen Aufgabenerfüllung können die von der kommunalen Bevölkerung legitimierten Organe im Rahmen der Gesetzesbindung auch autonom örtliche Belange zu solchen des Gemeinwohls erheben.237 Im Gesetz sind die Belange der Allgemeinheit objektiviert, es gibt der Verwaltung also die Aufgaben vor und leitet dadurch ihre Erfüllung.238 Auch die Verwaltung hat eigene Konkretisierungsmöglichkeiten, im Tatbestand einer Norm regelmäßig durch unbestimmte Rechtsbegriffe und auf Rechtsfolgenseite durch Ermessen.239 Sie finden wiederum Grenzen durch ihre gerichtliche Kontrolle, wenn Ermessensfehler vorliegen oder im Rahmen der Anwendung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe dadurch, dass sie grundsätzlich vollständig gerichtlich überprüfbar sind.240 So gilt richtigerweise allein vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG mit der Rechtsprechung und überwiegenden Ansicht in der Literatur, dass bei Vorliegen unbestimmter Rechtsbegriffe die Verwaltungsbehörde keine Wahl zwischen mehreren Entscheidungen im Rechtssinne hat, sondern nur eine Entscheidung richtig sein kann (sog. Lehre von der einzig richtigen Verwaltungsentscheidung).241 In Bereichen, in denen der Gesetzgeber Lücken lässt – teilweise als gesetzesfreie Verwaltung bezeichnet242 – sind die Spielräume ebenfalls enger, als man zunächst vermuten mag, da (anders als der Begriff dies nahelegt) im Rechtsstaat kein von der

237 Dazu eingehend Suerbaum, in: Dreier, Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, S. 75 (91 f.). 238 So ausdrücklich Isensee, in: Isensee/Kirchhoff, HdbStR, Band IV, § 71 Rn. 146; Eggensperger/Lanzerath/Hollerbach, in: Görres-Gesellschaft, Staatslexikon: Gemeinwohl; krit. zur Verschiebung der „Gemeinwohlkompetenz“ von Gesetzgeber zur Verwaltung H. Hofmann, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 25, (34); ebenso deutlich krit. Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 246: „Damit droht aber die Gefahr, dass die Exekutive ihre Gemeinwohlvorstellungen verabsolutiert“. 239 Ludwigs, DÖV 2020, 405 (406), weist zutreffend darauf hin, dass unbestimmte Rechtsbegriffe nicht notwendigerweise auf der Tatbestandsseite einer Norm zu finden sind; generell krit. zur Dichotomie von unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen siehe ebd. (408 ff.). 240 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 116; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 183 m. w. N. 241 Vgl. BVerfG 27. 10. 1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 (123); BVerwG 29. 4. 1964 – I C 30/62, BVerwGE 18, 247 (251); BVerwG 16. 12. 1971 – I C 31/68, BVerwGE 39, 197 (203); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 29 f., weisen treffend darauf hin, dass sich die einzig rechtmäßige Entscheidung eben nicht immer eindeutig feststellen lässt, das ändere aber nichts daran, dass es in rechtlicher Sicht nur eine richtige Entscheidung geben kann; Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 25; Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, § 40 VwGO Rn. 84; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn. 147; a. A. Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 9 m. w. N.; Meyer, NVwZ 1986, 513 (520). 242 Ibler, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 86 GG Rn. 44 m. w. N.; genauer wäre die Bezeichnung nichtgesetzesakzessorisch etwa bei BeckOK/Suerbaum, Art. 86 GG Rn. 13.

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Gesetzesbindung freies Verwaltungshandeln existieren kann.243 Die verfassungsrechtlichen Bindungen und übrigen Gesetze (Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG) setzen der Verwaltung weiterhin Schranken; darüber hinaus sorgt die Rechtsprechung des BVerfG zur Wesentlichkeitstheorie dafür, dass lückenhafte Bereiche von vornherein selten sind.244 Selbstverständlich bedeuten die Ausführungen zur Konkretisierungskompetenz des Gesetzgebers nicht, dass Gemeinwohl einfach das ist, was demokratisch abgestimmt wurde.245 Mit den Worten von Isensee ist die Erfüllung der Kompetenz- und Verfahrensregeln eine notwendige, doch keine hinreichende Bedingung zur Verwirklichung des Gemeinwohls.246 Das Gemeinwohl lässt sich eher als materielle Zielvorstellung verstehen, die Demokratie dagegen als der Weg, der als solcher zieloffen ist.247 Der demokratische Prozess an sich erledigt nicht das Problem, ob durch ihn auch die materiellen Erfordernisse des Gemeinwohls erreicht werden.248 Für die hier gestellte Frage ist dies allerdings unschädlich, da nicht materielle Gemeinwohlziele näher untersucht werden sollen, sondern einzig maßgeblich ist, dass es primär Aufgabe des Gesetzgebers ist, sich dieser anzunehmen.249 Deshalb hält sich auch das BVerfG mit einer Definition des Gemeinwohls ausdrücklich zurück,250 sodass die Konkretisierung im Einzelfall Sache des Gesetzgebers bleibt. Nur die darin liegende Auslegung und Anwendung einer grundgesetzlichen Norm können vom Verfassungsgericht überprüft werden.251 Das darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Gemeinwohlargumente eine große Rolle in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung spielen – wenn auch nicht immer in diesem Begriffskleid. Meist finden sie sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, deren zentraler Kern ja ebenfalls wie bei § 307 BGB eine Interessenabwägung bildet.252 Auf den ersten Blick könnte man somit annehmen, dass die öffentlich 243

Zur Kritik umfassend Ibler, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 86 GG Rn. 44. Eingehend zur Wesentlichkeitstheorie Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 12 ff. 245 Siehe dazu die ausführliche Abhandlung von Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, S. 675. 246 Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (102). 247 Zum Verhältnis von Staatszwecklehre und Gemeinwohltopos Möllers, Staat als Argument, S. 210. 248 Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (102). 249 Bachmann, Private Ordnung, S. 223, sieht diese Aufgabe sogar allein bei dem Gesetzgeber. 250 So BVerfGE 24, 367 (403 f.); auch Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 125 (132); Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, S. 199. 251 BVerfGE 24, 367 (404). 252 Siehe dazu Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, S. 125 (134); Möllers, Staat als Argument, S. 210 Fn. 127, nennt Gemeinwohl eine Kontingenzformel für verfassungsrechtlich vorgesehenen Interessenausgleich. 244

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Verwaltung somit Gemeinwohlinteressen im Rahmen der AGB-Kontrolle einbringen dürfe, da sie schließlich zur Wahrung des Gemeinwohls verpflichtet ist. c) Gemeinwohlbindung der öffentlichen Verwaltung Die Verpflichtung staatlichen Handels auf das Gemeinwohl lässt sich als unumstößliche Feststellung in Rechtsprechung und Literatur häufig finden. Ihr Ursprung ist so einfach nicht. aa) Ansichten in der Literatur Meist findet sich in der Literatur die Annahme, dass die verfassungsrechtliche Grundlage der Gemeinwohlbindung im Demokratieprinzip liegt, weil staatliches Handeln dem gesamten Volk und damit dem Gemeinwohl dient.253 Andere sehen sie vielmehr im republikanischen Prinzip verankert.254 Das Republikprinzip bedeute demnach die Herrschaft für das Volk in Abgrenzung zur Herrschaft durch das Volk. Das demokratische Prinzip liege auf einer anderen Ebene als das Gemeinwohl. Demokratie sage nur, wer regiert, nicht aber, zu welchem Zweck regiert werde.255 Es gehe also um den legitimatorischen Ursprung, das Gemeinwohl hingegen bilde das Ziel der Ausübung staatlicher Gewalt, das Ziel an sich sei aber nicht demokratisch.256 Welcher Seite man den Gemeinwohltopos zuschlägt, hängt freilich davon ab, wie weit man den Bedeutungsgehalt der einzelnen Prinzipien versteht. Wenn man Demokratie nicht nur als strukturierten Prozess begreift, sondern mit gemeinwohlbezogenen Idealen auflädt, spricht vieles dafür, dass ein Rückgriff auf das Republikprinzip nicht mehr nötig ist. Versteht man Letzteres – entgegen der herrschenden Ansicht in der Literatur257 – nicht nur als Absage an die Monarchie, sondern als freiheitliche, am Gemeinwohl orientierte politische Ordnung, liegt die Einordnung im Rahmen des republikanischen Prinzips näher.258 253

Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 252 m. w. N.; in diese Richtung auch Ludwigs, in: Kühling/Zimmer, Neue Gemeinwohlherausforderungen – Konsequenzen für Wettbewerbsrecht und Regulierung, S. 11 (12). 254 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG Rn. 14; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 529 f.; dagegen Dreier/Dreier, Art. 20 GG (Republik) Rn. 20 ff. 255 Isensee, in: von Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95 (101); ders., in: Vorträge Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften (Geisteswissenschaften 407), S. 46; ders., Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 49. 256 Isensee, in: Vorträge Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften (Geisteswissenschaften 407), S. 46. 257 Siehe Dreier/Dreier, Art. 20 GG (Republik) Rn. 20 ff. m. w. N. 258 Für ein weitergehendes Verständnis könnte die Wahlcomputer-Entscheidung des BVerfG herangezogen werden, insbesondere die Aussage: „In der Republik ist die Wahl Sache des ganzen Volkes und gemeinschaftliche Angelegenheit aller Bürger.“, BVerfGE 123, 39 (69, Rn. 108); vgl. auch die Deutung bei Schiedermair, JZ 2009, S. 572 (573); Dreier/Dreier, Art. 20 GG (Republik) Rn. 20, nennt die Vermutung mit Recht keinesfalls gesichert.

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Drittens lässt sich sogar die Frage aufwerfen, ob eine solche Zuordnung überhaupt möglich ist. Nach dieser Ansicht259 entsteht die Gemeinwohlverpflichtung nicht erst durch eine positivrechtliche Normierung, vielmehr sei ihre Geltung präpositiv. Durch die normative Fixierung an Art. 20 Abs. 1 GG bestehe die Gefahr der Gleichstellung von Gemeinwohlbindung und anderen Staatszielen und -zwecken.260 Das Gemeinwohl sei somit nicht eine Staatsaufgabe unter vielen weiteren, sondern werde durch deren Erreichung erst geformt. Für die Forschungsfrage kann die genaue verfassungsnormative Einordnung jedoch im Ergebnis dahinstehen, da die Gemeinwohlbindung der vollziehenden Gewalt261 nach allen Ansichten unstreitig besteht.262 bb) Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auch das Bundesverfassungsgericht nennt eine verfassungsnormative Verankerung – soweit ersichtlich – nicht. Es stellt aber im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 3 GG fest, dass jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen grundrechtsgebunden ist, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.263 Anders gewendet: Erst gibt es einen Gemeinwohlauftrag, dann folgt daraus die Grundrechtsbindung. Die Wahrung des Gemeinwohls ist also nicht Ausfluss von Art. 1 Abs. 3 GG, sondern Zweck des Staates an sich.264 Wenn der Staat sich also nicht seiner Grundrechtsverpflichtung entledigen kann, dann erst recht nicht seiner vorgelagerten Gemeinwohlverpflichtung.265 Davon ist auch das Handeln von Gemeinden erfasst, da sie im Unterschied zum Staat keine ursprüngliche Ho-

259 Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 76; Klement, Verantwortung, S. 386 f.; Häberle, Europäische Rechtskultur, S. 341; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 577, sieht die Herkunft in der Menschenwürde, dem Sozialstaatsprinzip und der Schutzpflichtendimension der Grundrechte; Isensee, in: Isensee/Kirchhoff, HdbStR, Band IV, § 71 Rn. 67 nennt solche Bemühungen wenig sinnvoll. 260 So insbesondere Isensee, in: Isensee/Kirchhoff, HdbStR, Band IV, § 71 Rn. 67. 261 Zur Verfassungsänderung vom Begriff der „Verwaltung“ hin zum weiteren Begriff der „vollziehenden Gewalt“, siehe BT-Drs. II/2150, S. 2; zur Gemeinwohlverpflichtung im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip und der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand siehe Ehlers, JZ 1990, 1089 (1091); Röhl, VerwArch 86 (1995), 531 (571); Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), 29 (45). 262 Zum Ganzen Link, in: VVDStRL, Bd. 48 (1990), S. 7 (22 ff., 26). 263 Beispielhaft etwa BVerfGE 128, 226 (244). 264 Im Zusammenhang mit Freiheitsgrundrechten BVerfGE 42, 312 (332), siehe auch Graßhof, in: BVerfG, Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerfG, Einleitung GG, Nr. 23. 265 Siehe auch BVerwG 27. 5. 2009 – 8 C 10/08, NVwZ 2009, 1305 (1306 f.), wonach sich Gemeinden nicht ihrer „gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben“ dürfen.

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heitsgewalt besitzen, diese aber von ihm ableiten.266 Sie gelten deshalb unumstritten als Teil der Staatsgewalt.267 Für die kommunale Verwaltung als dezentrale Wahrnehmung von Staatsaufgaben bedeutet dies also nicht nur deren Grundrechtsbindung, sondern insbesondere auch Gemeinwohlverpflichtung, Gesetzesvorbehaltspflicht und die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.268 cc) Landesverfassungsrechtliche Vorgaben Am Beispiel Bayerns lässt sich darüber hinaus eine landesverfassungsrechtliche Normierung der Gemeinwohlverpflichtung feststellen: „Er [der Staat] dient dem Gemeinwohl.“ (Art. 3 Abs. 1 S. 2 BV). Ihre praktische Bedeutung ist allerdings gering, da sich aus ihr kein Grundrecht oder sonstige unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten lassen.269 So gab es im Jahr 2005 im Wege der Popularklage den Versuch, das Gesetz zur Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht270 als verfassungswidrig feststellen zu lassen.271 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) verneinte jedoch einen Verstoß gegen den Gemeinwohlauftrag. Der Inhalt des Gemeinwohlbegriffs werde in der parlamentarischen Demokratie letztlich durch den Gesetzgeber geformt; insofern sei er metajuristischer, politischer Provenienz.272 Es sei zunächst Sache des Gesetzgebers, im Rahmen seiner verfassungsrechtlich vorgegebenen Gestaltungsbefugnis, die Gerichtsorganisation im Dienst des Gemeinwohls festzulegen. Soweit er hierbei sachliche Erwägungen anstelle, die nicht eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft seien, müsse sie auch die Rechtsprechung anerkennen und dürfe sich nicht über sie hinwegsetzen. Die Wertungen und Erwägungen des Ge266

BVerfGE 83, 37 (54); bereits BVerfGE 8, 122 (132) mit Rekurs auf eine Entscheidung des hessischen Staatsgerichtshofs: „sie [die Gemeinden] besitzen als solche, unbeschadet ihrer ,Autonomie‘, vom Staat, dem sie eingegliedert sind, abgeleitete Hoheitsmacht“; siehe auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 2. Teil, A., II. 1., Rn. 7. 267 Dreier/Sauer, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 70; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 2. Teil, A., II. 1., Rn. 7; Herdegen, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 109. 268 Dazu v. Münch/Kunig/Löwer, Art. 28 GG Rn. 44; siehe auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), 317 (324). 269 Lindner, in: Lindner/Mo¨ stl/Wolff, Art. 3 BV, Rn. 7; Isensee, in: Vorträge NordrheinWestfälische Akademie der Wissenschaften (Geisteswissenschaften 407), S. 46, hält eine solche Verankerung für „keine juridisch belangvolle Aussage“. 270 Gerichtsauflösungsgesetz (BayObLGAuflG) v. 25. 10. 2004, GVBl., S. 400; das BayObLG wurde mittlerweile wieder eingeführt durch das Gesetz zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. 07. 2018, GVBl. 2018, S. 545. 271 BayVerfGH 29. 09. 2005 – Vf. 3-VII-05, 7-VIII-05, NJW 2005, 3699. 272 BayVerfGH 29. 09. 2005 – Vf. 3-VII-05, 7-VIII-05, NJW 2005, 3699 (3707 f.); Schweiger, in: Schweiger/Nawiasky/Knöpfle, Art. 3 BV Rn. 19; Geis, in: Meder/Brechmann/ Funke, Art. 3 BV Rn. 37.

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setzgebers zur Auflösung des BayObLG und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht seien indes nicht offenkundig verfehlt und verstoßen deshalb nicht gegen den Gemeinwohlauftrag nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 BV.273 Das Beispiel macht deutlich, dass solche landesverfassungsrechtlichen Verpflichtungen keine Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung entfalten, vielmehr wird die Konkretisierung des Gemeinwohls deutlich als primäre Kompetenz der Legislative ausgewiesen und erst nachrangig auf die Gerichte erstreckt. Aus den Landesverfassungen selbst – wie hier am Beispiel Bayerns274 – ergibt sich somit kein Unterschied für die Gemeinwohlverpflichtung der Verwaltung, da es sich um reine Programmsätze handelt. dd) Zwischenergebnis Die öffentliche Hand unterliegt somit beim Abschluss von Grundstückskaufverträgen umfassend ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere der hier maßgeblichen Verfolgung des Gemeinwohls. Auch der Umstand, dass die abgeschlossenen Verträge oftmals rein privatrechtlicher Natur sein können, ändert daran nichts.275 Nach der Rechtsprechung des BVerfG gelten staatliche Bindungen sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen als auch für den Einsatz privatrechtlicher Organisations- und Gesellschaftsformen.276

273

BayVerfGH 29. 09. 2005 – Vf. 3-VII-05, 7-VIII-05, NJW 2005, S. 3699 (3707 f.). Die bayerische Verfassung kennt noch weitere Programmsätze zum Gemeinwohl („Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“, Art. 151 Abs. 1 BV), für die allerdings das Gesagte ebenso gilt, vgl. auch Lindner, in: Lindner/Mo¨ stl/Wolff, Art. 151 BV, Rn. 1. 275 Dies war früher bei sog. fiskalischen Geschäften im engeren Sinne umstritten, mittlerweile aber ganz h. M., siehe m. w. N. bei Dreier/Sauer, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 74 ff.; Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 22, 29; zur noch umstrittenen Untergruppe der fiskalischen Hilfsgeschäfte, wozu das Vergaberecht zählt Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Vor §§ 97 ff. GWB, Rn. 150 ff. Die Streitentscheidung ist für die vorliegende Fragestellung allerdings nicht relevant, da spätestens seit der Entscheidung EuGH 25. 03. 2010 – C-451/08, EU:C:2010:168 = NJW 2010, 2189, feststeht, dass städtebaulich motivierte Grundstücksverkäufe nicht ausschreibepflichtig sind. Damit wurde der sog. „Ahlhorn“Rechtsprechung des OLG Düsseldorf eine Absage erteilt, wonach Grundstücksverkäufe mit Bauverpflichtung vergabepflichtig waren, siehe dazu auch Otting, NJW 2010, 2167; Gartz, NZBau 2010, 293. 276 Ausdrücklich BVerfGE 128, 226 (244); häufig wird die Formel „keine Flucht ins Privatrecht“ im Anschluss an Fritz Fleiner herangezogen, siehe nur Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 26. 274

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d) Gemeinwohlbindung Privater Dies führt zur Frage, ob in einem nächsten Schritt auch private Akteure an Ziele des Gemeinwohls gebunden sein können und sich somit die von ihnen vertretenen Interessen ändern. Eine solche Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen nicht nur auf der Seite der öffentlichen Hand, sondern auch zugunsten des privaten Vertragspartners, wäre äußerst relevant für die untersuchten Fälle zur Verhinderung von Grundstücksspekulation, denn dann würden nicht mehr die Gemeindeinteressen einseitig überwiegen, sondern insoweit ein level playing field geschaffen, auf dem der Käufer der Gemeinde wiederum andere Gemeinwohlinteressen entgegensetzen könnte. Zunächst wird man allerdings aufgrund der obigen Ausführungen geneigt sein, die Gemeinwohlbindung für Private strikt abzulehnen. Dies wäre aber zu pauschal und wird der immer stärker werdenden Verflechtung von Staat und Gesellschaft nicht gerecht.277 Deren Erscheinungsformen sind etwa Verbandsklagemöglichkeiten278, insbesondere im Verbraucher- oder Umweltschutz, oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private als Beliehene durch oder aufgrund des Gesetzes.279 Im Rahmen von Kooperationsverhältnissen zwischen dem Staat und Privaten ist es ebenfalls möglich, dass letztere sich vertraglich zur Berücksichtigung öffentlicher Interessen verpflichten. Ein prominentes Beispiel ist das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN), das am 5. Juni 1975 mit der Bundesrepublik Deutschland den sog. Normenvertrag abgeschlossen hat und damit unter anderem dem Nutzen für die Allgemeinheit und der Orientierung am Gemeinwohl als Grundprinzipien unterliegt.280

277 Dazu schon Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 105 und 148; siehe auch das Vorwort von Grziwotz, Vertragsgestaltung im Öffentlichen Recht; zur dennoch notwendigen Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft treffend Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 7 ff. 278 Etwa zur umweltrechtlichen Verbandsklage als Vehikel zu einer „Privatisierung des Gemeinwohls“ Calliess, NJW 2003, 97 (100); siehe eingehend zur übergreifenden Thematik Gu¨ ndling, Modernisiertes Privatrecht und o¨ ffentliches Recht, S. 425; zu beachten ist auch die neue europäische Verbandsklagerichtlinie (Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. L 409, S. 1), die bis zum 25. 12. 2022 in nationales Recht umgesetzt werden muss und im Vergleich zur Musterfeststellungsklage deutlich weitgehendere Klagemöglichkeiten für „qualifizierte Einrichtungen“ vorsieht. 279 Der Verwaltungshelfer wird hingegen nicht selbstständig tätig, weshalb sein Handeln unmittelbar einer Behörde zugerechnet werden kann; siehe auch Trute, in: Hoffmann-Riem/ ¨ ffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, Schmidt-Aßmann, O S. 167 (208). 280 ¨ ffentliches Recht und Privatrecht als Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, O wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (209 f.) m. w. N.

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Im Gegenzug verpflichtete sich die Bundesrepublik, ausschließlich das DIN bei Durchführung von Normungsarbeit zu konsultieren und erkannte es als zuständige Normenorganisation der Bundesrepublik an. Dennoch blieb das DIN als unabhängiger nicht-staatlicher Verein bestehen, der zur Wahrnehmung öffentlicher Gemeinwohlinteressen verpflichtet ist.281 Daneben gibt es selbstverständlich unzählige (eingetragene) Vereine und Stiftungen, die einen gemeinnützigen Zweck in ihrer Satzung verfolgen, oder gemeinnützige Kapitalgesellschaften (regelmäßig als gGmbH), die mit solchen Zielen am Markt auftreten. Auch in diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die genannten Akteure Gemeinwohlinteressen in die Abwägung im Rahmen der Inhaltskontrolle einbringen und inwieweit diese Berücksichtigung finden können. Nennenswert sind in diesem Zusammenhang ebenfalls die Auswirkungen der bereits erwähnten Fraport-Entscheidung282 des BVerfG, nach der von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen.283 Die privaten Minderheitsgesellschafter trifft dadurch zwar keine genuine Grundrechtsbindung, faktisch sie sind dennoch durch die öffentlichen Anteilseigner mitgebunden. Das BVerfG rechtfertigte diese Beeinträchtigung der Privaten damit, dass es in ihrer freien Entscheidung liege, ob sie sich an einem öffentlich beherrschten Unternehmen beteiligen oder nicht.284 Auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse erst nachträglich änderten, stehe es ihnen frei, hierauf zu reagieren.285 Sofern sie sich aber beteiligen, 281 ¨ ffentliches Recht und Privatrecht als Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, O wechselseitige Auffangordnungen, S. 167 (209 f.); die eigenen Grundsätze der Verpflichtung für den Nutzen der Allgemeinheit und Gemeinwohl wurden – wie sollte es auch anders sein – in einer DIN-Norm niedergelegt, nämlich DIN 820. 282 BVerfGE 128, 226, siehe Fn. 276. 283 Unternehmen im Alleineigentum des Staates unterliegen damit erst recht einer Grundrechtsbindung; inwieweit daraus etwa eine Gemeinwohlbindung der Deutschen Bahn AG erwächst, ist vor dem Hintergrund des Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG und der Vereinbarkeit mit der Fraport-Rechtsprechung des BVerfG höchst umstritten, siehe nur der Streitstand bei Möstl, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 87e GG Rn. 79 ff., 100 ff.; da die Bundesregierung die Eisenbahnen des Bundes von einem Gemeinwohlauftrag entbinden und ausschließlich Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen verpflichten wollten (vgl. BT-Drs. 12/5015, S. 5 f.), ist es doch mindestens widersprüchlich, dass Union und SPD eine neue Bahnreform fordern, um die Bahn mehr dem Gemeinwohl zu verpflichten und in eine GmbH umzuwandeln, siehe dazu Handelsblatt v. 10. 01. 2020 abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/verkehrskon zern-union-dringt-auf-neue-bahnreform-und-will-das-unternehmen-in-eine-gmbh-umwandeln/2 5407574.html?ticket=ST-297963-tSEPHNJiPVfvaw0Y9dfP-ap2; zumal der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2016 zum Ergebnis gekommen ist, dass „bei Wechsel der Rechtsform hin zu einer GmbH den rein gesetzlichen Vorgaben nach kein Zugewinn an Kontroll-, Überwachungs- und Einflussmöglichkeiten seitens der Gesellschafter zu erwarten ist.“, siehe WD 7–3000–029/16, S. 5. 284 BVerfGE 128, 226 (247). 285 Siehe Fn. 284.

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haben sie an den Chancen und Risiken, die sich aus den Handlungsbedingungen der öffentlichen Hand ergeben, gleichermaßen teil. Ohnehin unberührt bleibt aber ihre Rechtsstellung als Grundrechtsträger – insbesondere des Eigentumsgrundrechts – unmittelbar gegenüber den öffentlichen Anteilseignern oder sonst gegenüber der staatlichen Gewalt.286 Über diese „Mitbindung“ der Minderheitsgesellschafter hinaus sind in der jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung aber deutliche Tendenzen erkennbar hin zu einer Erstreckung der Grundrechtsbindung auf Privatrechtssubjekte. Im Stadionverbot-Beschluss wendete das BVerfG den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG erstmals unmittelbar zwischen zwei Privaten an und postulierte aber stets, dass es sich in diesen „spezifischen Konstellationen“ dennoch nur um eine mittelbare Grundrechtswirkung handele.287 Nach der bisherigen Lehre der mittelbaren Drittwirkung, begründet durch das Lüth-Urteil288 aus dem Jahr 1958, konnten Grundrechte als Teil der objektiven Werteordnung ihren Rechtsgehalt nur mittelbar durch die Auslegung zwingenden Rechts und zivilrechtlicher Generalklauseln zwischen Privaten entfalten.289 Wenn Privatrechtssubjekte einer staatsgleichen Grundrechtsbindung unterliegen und es keiner mittelbaren Wirkung über zivilrechtliche Normen mehr bedarf, kann jedoch kaum noch von einer mittelbaren Drittwirkung die Rede sein.290 In den neueren Entscheidungen des BVerfG kristallisierten sich immer weiter vier Kriterien heraus, die zu den erwähnten „spezifischen Konstellationen“ führen (Unausweichlichkeit von Situationen, strukturelles Ungleichgewicht zwischen sich gegenüberstehenden Parteien, gesellschaftliche Bedeutung bestimmter privatwirtschaftlicher Angebote und Leistungen und soziale Mächtigkeit einer Seite, etwa aufgrund eines Monopols oder einer marktbeherrschenden Stellung).291 Neben 286 Auch daraus ergibt sich unter Heranziehung des Konfusionsarguments, dass Private in dieser Konstellation keine eigene genuine Grundrechtsbindung treffen kann. 287 BVerfG 11. 4. 2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267. 288 BVerfG 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198. 289 Siehe insbesondere Leitsätze 1 und 2 aus BVerfG 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198; die Stellungnahmen dazu im Schrifttum sind schlichtweg ausufernd, ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier nur Alexy, Theorie der Grundrechte; Canaris, AcP 184 (1984), 201; ders., Grundrechte und Privatrecht; Dreier, Dimensionen der Grundrechte; Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157; Hager, JZ 1994, 373; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht; Leisner, Grundrechte und Privatrecht; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, genannt. 290 Vgl. Michl, JZ 2018, 910 (912); Muckel, in: VVDStRL, Bd. 79 (2019), S. 245 (275). 291 BVerfG 06. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, BVerfGE 152, 152 = NJW 2020, 300 (306 Rn. 77); siehe auch die neueren Stellungnahmen in der Literatur zur möglichen unmittelbaren Grundrechtswirkung Barczak, in: Scheffczyk/Wolter, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 4, S. 91; Hellgardt, JZ 2018, 901; Jobst, NJW 2020, 11; Michl, JZ 2018, 910; Neuner, NJW 2020, 1851; Ruffert, JuS 2020, 1; Schönberger, in: VVDStRL, Bd. 79 (2019), S. 291 (310); Kulick, Horizontalwirkung im Vergleich; a. A. Schröder, JZ 2019, 953; zur (un-)mittelbaren Wirkung der europäischen Grundfreiheiten und Chartagrundrechte Huber, in: FS Schröder, S. 335; Jarass, ZEuP 2017, 310; Krainer, NZA 2018, 894; Perner,

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Stadionbetreibern sind es also vor allem große Internetplattformen wie Google, Facebook und Amazon, die eine solche Stellung einnehmen könnten und sich bei Fortführung der Rechtsprechungslinie des BVerfG einer unmittelbaren Grundrechtswirkung und damit zusammenhängender Gemeinwohlbindung ausgesetzt sehen müssten.292 Es liegt auf der Hand, dass es problematisch wäre, wenn solche dominanten Akteure noch weiteren AGB-rechtlichen Gestaltungsspielraum hätten und Gemeinwohlinteressen im Rahmen der Inhaltskontrolle geltend machen könnten. Das Eigentumsgrundrecht gem. Art. 14 GG ist – auch populärwissenschaftlich293 – regelmäßig derjenige Ort, an dem eine Gemeinwohlbindung Privater am ehesten vermutet wird, schließlich ist dort an einer der wenigen Stellen in der Verfassung überhaupt Bezug zum Wohl der Allgemeinheit genommen.294 Dazu wird man zunächst anbringen müssen, dass in Rechtsprechung und Schrifttum höchst umstritten ist, welcher Gehalt Art. 14 Abs. 2 S. 1 und S. 2 GG beizumessen ist und ob es sich nur um eine Richtlinie an den Gesetzgeber handelt oder den Eigentümer selbst bestimmte Pflichten treffen.295 Jedenfalls ist die Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG aber im Unterschied zu den anderen angeführten Konstellationen keine Ausnahme vom Grundsatz, dass Private nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sondern es kann ausschließlich in dieser Art gebundenes Eigentum erworben werden. Es existiert kein ungebundenes Eigentum, sondern nur das nach Maßgabe des Art. 14 GG ausgestaltete Eigentum – wie auch immer die Garantie des Eigentums und das Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung im Einzelnen in einen gerechten Ausgleich gebracht wurde.296 Grundfreiheiten, Grundrechte-Charta und Privatrecht; Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten; Stein, Drittwirkung im Unionsrecht; Unseld, Zur Bedeutung der Horizontalwirkung von EU-Grundrechten; ausführlich Seyderhelm, Grundrechtsbindung Privater, S. 69 ff. 292 Siehe zu Facebook bereits BVerfG 22. 5. 2019 – 1 BvQ 42/19, NJW 2019, 1935 (1936): „Dabei können sich aus Art. 3 I GG jedenfalls in spezifischen Konstellationen auch gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten ergeben (vgl. BVerfGE 148, 267 [283 f.] = NJW 2018, 1667). Ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Forderungen sich insoweit auch für Betreiber sozialer Netzwerke im Internet – etwa in Abhängigkeit vom Grad deren marktbeherrschender Stellung, der Ausrichtung der Plattform, des Grads der Angewiesenheit auf eben jene Plattform und den betroffenen Interessen der Plattformbetreiber und sonstiger Dritter – ergeben, ist jedoch weder in der Rechtsprechung der Zivilgerichte noch in der Rechtsprechung des BVerfG abschließend geklärt. Die verfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen sind insoweit noch ungeklärt.“ 293 Vogel, Mehr Gerechtigkeit!, S. 49, der allerdings regelmäßig von einem nicht existierenden Art. 14 Abs. 4 GG ausgeht, siehe S. 49, 66 f.; ebenso in diese Kerbe schlagend Prantl, Eigentum verpflichtet, passim. 294 Siehe zu allen Fundstellen des Gemeinwohls im Grundgesetz Fn. 236. 295 Zum Spektrum der vertretenen Ansichten Dreier/Kempny, Art. 14 GG Rn. 209 ff.; gänzlich anders etwa Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 14 GG Rn. 415 f. 296 BVerfGE 115, 97 (114) = NJW 2006, 1191 (1193 f.).

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Daher überzeugt es nicht, eine abstrakte Gemeinwohlbindung von Eigentümern aus dem Grundgesetz herleiten zu wollen. Ebenso führen Kontrahierungszwänge für bestimmte Leistungen oder zivilrechtliche Bindungen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu einer Verpflichtung Privater im Gemeininteresse.297 Es wäre allerdings verfehlt, deshalb von einer Gemeinwohlbindung zu sprechen, da es sich nur um Ausformungen der privatautonomen Vertragsfreiheit handelt, die in der Rechtsordnung nicht absolut gilt, sondern nur in Bezug auf die Vertragsfreiheit anderer Individuen.298 Es hat sich aber gezeigt, dass zwar Private im Gegensatz zum Staat grundsätzlich keiner Gemeinwohlbindung unterliegen, in vielen Ausnahmefällen sich aber doch die Frage stellt, ob auch Privatrechtssubjekte ihre gemeinnützigen Ziele in Rahmen der Inhaltskontrolle einbringen können. Dazu wird nun die bisherige Rechtsprechung und Literatur ausgewertet und im Anschluss ein eigener Ansatz zur Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle vorgestellt, der ebenfalls eine Antwort für die Fälle einer solchen privaten „Selbstverpflichtung“ auf das Gemeinwohl bereithält. e) Berücksichtigungsfähigkeit Die Zulässigkeit von AGB, mit denen eine Partei Gemeinwohlaspekte verfolgen will, hat die Rechtsprechung vereinzelt schon in der Vergangenheit beschäftigt. aa) Sektionsklauseln in Krankenhausaufnahmeverträgen Der BGH hatte im Jahr 1990 darüber zu entscheiden, ob vorformulierte Einwilligungserklärungen für eine innere Leichenschau (sog. Sektionseinwilligung) in Krankenhausaufnahmeverträgen zulässig sind.299 Durch diese Sektionseinwilligung kann eine innere Leichenschau vorgenommen werden, wenn sie zur Feststellung der Todesursache aus ärztlicher Sicht notwendig ist oder wenn ein wissenschaftliches Interesse besteht. Der Träger des Universitätsklinikums hatte ein Widerspruchsmodell gewählt, nach dem grundsätzlich von der Einwilligung ausgegangen wird und nur von der Sektion (auch Obduktion genannt) abzusehen ist, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten widersprochen hat oder die Angehörigen innerhalb einer bestimmten Stundenfrist nach dem Tod widersprechen. Nach dem Urteil des BGH ist eine solche Klausel nach § 9 Abs. 1 AGBG (entspricht § 307 Abs. 1 BGB) nicht zu beanstanden.300 Gegen die Wirksamkeit des zweiten Teils der Klausel hinsichtlich des „wissenschaftlichen Interesses“ wurde insbesondere vorgebracht, dass dieses in 297

Siehe dazu nur der Überblick bei MüKo/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 14 ff. Dies ist ein wesentliches Verdienst der Studie von Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 653. 299 BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (m. krit. Anm. Deutsch). 300 Siehe Fn. 299. 298

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keinem inneren Zusammenhang mit dem Krankenhausaufnahmevertrag stehe.301 Dem Patienten könnten die aus der Leichenöffnung gewonnenen medizinischen Erkenntnisse nicht mehr zugute kommen. Diesen Einwand hielt der Senat für unbegründet. Der innere Zusammenhang zwischen der Einwilligung und der Krankenhausbehandlung ergebe sich nämlich daraus, dass der Patient bei Abschluss des Krankenhausaufnahmevertrages die Dienste der fortschreitenden Medizin, die auf die „wissenschaftlichen Aufschlüsse“ umfassender Sektionen unbestritten angewiesen sei, in Anspruch nehmen wolle und durch seine Behandlung auch in Anspruch nehme.302 Die Regelung trage einerseits dem berechtigten Interesse des Krankenhauses Rechnung, nicht jedem Patienten eine individuelle Einwilligung abfordern zu müssen. Andererseits achte sie das über den Tod fortwirkende Persönlichkeitsrecht der Patienten und berücksichtige – insbesondere mit dem Hinweis auf den möglichen Widerspruch – das berechtigte Interesse derjenigen Patienten, die ihren Leichnam aus Glaubens- oder sonstigen Gründen unversehrt bestattet lassen wollen.303 (1) Ansichten in der Literatur Die Zulässigkeit von Sektionsklauseln in Krankenhausaufnahmeverträgen wurde im Schrifttum überwiegend kritisch bewertet.304 Zunächst wurden sie als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB eingestuft, sodass die Bestimmungen gar nicht Vertragsbestandteil geworden wären.305 Für die hier interessierende Fragestellung wurde zudem vorgebracht, dass die abstrakte Interessenabwägung des Senats zwischen fortwirkendem Persönlichkeitsrecht und Wissenschaft unzureichend sei, denn es müssten vielmehr konkrete Interessen der Klinik, wie z. B. der Verdacht einer Infektion, toxischen Schädigungen oder Unklarheit über Todeseintritt entscheiden.306 Der allgemeine Verweis auf jedwedes wissenschaftliche Interesse genüge hingegen nicht. Teilweise wurde sogar die Sittenwidrigkeit der Sektionsklauseln nach § 138 Abs. 1 BGB angenommen, weil es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht

301

BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (2315 m. w. N.). Vgl. BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (2315). 303 BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, JZ 1990, 923 (925) (m. Anm. Ackmann). 304 Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, JZ 1990, 923 (925) (m. krit. Anm. Ackmann); BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (m. krit. Anm. Deutsch); siehe zu Sektionsklauseln ferner Staudinger/Coester (2013), § 307 BGB Rn. 412; bereits im Vorfeld der Entscheidung gegen Sektionsklauseln R. Zimmermann, NJW 1979, 569 ff. 305 Dies hatte der BGH im Rahmen der Verbandsklage, vgl. § 13 Abs. 1 AGBG (entspricht § 1 UKlaG), nicht zu prüfen, siehe die Anm. von Deutsch zu BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (2315), damals noch unter Verweis auf § 3 AGBG statt § 305c Abs. 1 BGB. 306 BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313 (2315) (m. Anm. Deutsch). 302

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Denkenden verstoße, nach dem Tod ohne zwingende Notwendigkeit und ausdrückliche Zustimmung seziert zu werden.307 Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums wurde damit argumentiert, dass wegen der gleichzeitigen Förderung des Gemeinwohls dem Verwenderinteresse zusätzliches Gewicht beigemessen werden müsse,308 wogegen allerdings der Einwand erfolgte, dass keine Rechtfertigung ersichtlich sei, warum private Verträge anlässlich der Inhaltskontrolle nun auf einmal gemeinwohlpflichtig werden müssten.309 Nur vereinzelt wurde die Vereinbarung von Sektionsklauseln im Wesentlichen unter Zuhilfenahme der oben genannten Argumente des BGH für zulässig erachtet.310 (2) Stellungnahme Die bisherige Diskussion der Interessenabwägung im Rahmen von Sektionsklauseln verfehlt den wesentlichen Punkt, weil ihr eine entscheidende Dimension fehlt: die grundrechtlichen Implikationen. Grundsätzlich ist das Universitätsklinikum als Anstalt des öffentlichen Rechts Teil des Staates und damit selbst grundrechtsgebunden.311 Ausnahmen gelten aber für juristische Personen, die einem Grundrecht zugeordnet sind, so etwa für Universitäten hinsichtlich der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG.312 Das bedeutet also, dass sich die Klinik zulässigerweise auf ihr Wissenschaftsgrundrecht gem. Art. 5 Abs. 3 GG (hier insbesondere die wissenschaftliche Forschung betreffend) berufen kann. Der Patient als Vertragspartner kann zwar nicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verweisen, da er bei der 307 BGH 31. 5. 1990 – IX ZR 257/89, JZ 1990, 923 (926) (m. Anm. Ackmann): „aufgeschlitzt und ausgenommen“, ebenfalls in dieser Diktion: „Niemand darf also künftig mehr übers Wochenende unerreichbar wegfahren, ohne Gefahr zu laufen, Montag morgens einen überraschend verstorbenen Angehörigen frisch seziert vorzufinden“. 308 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 138. 309 Zumal nicht in so sensiblen Bereichen im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht siehe Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151. 310 So Baetge, AcP 202 (2002), 972 (985 f., 993), der im Übrigen verkennt, dass der Überraschungscharakter i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, sondern zu ihrer Nichteinbeziehung führt. 311 Für Bayern etwa Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Universitätsklinika des Freistaates Bayern (Bayerisches Universitätsklinikagesetz – BayUniKlinG vom 23. Mai 2006 (GVBl., S. 285)); siehe für andere Bundesländer auch umfassend das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages „Begriff, Rechtsformen und Finanzierung der Universita¨ tskliniken in Deutschland“, WD 9–3000–087/09; jüngst im Zusammenhang mit der oben geschilderten neuen Entwicklung des BVerfG zur Drittwirkung seit dem Stadionverbot-Beschluss und „Triage“-Situationen Lindner, MedR 2020, 723 (725 ff.). 312 St. Rspr. seit BVerfGE 15, 256 (262); siehe auch mit umfangreichen Nachweisen Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 132 ff.

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Sektion bereits verstorben ist und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach ganz überwiegender Auffassung nur auf Lebende Anwendung findet, jedoch auf den postmortalen Persönlichkeitsschutz, dessen Schwerpunkt stärker in der Menschenwürde verankert ist.313 Diese Interessen müssen miteinander in Abwägung gebracht werden. Damit handelt es sich weniger um die Einbeziehung gemeinwohlbezogener Güter, sondern vielmehr um eine Frage der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in der zivilrechtlichen Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB. Dies wurde bislang wohl deshalb nicht ausreichend berücksichtigt, weil sich für die Anwendbarkeit dieser dogmatischen Figur eben in den meisten Fällen zwei Private gegenüberstehen.314 Damit kann auch der Einwand nicht durchschlagen, die Klinik müsse ihre konkreten Interessen darlegen, wie z. B. der Verdacht einer Infektion, toxischen Schädigungen oder Unklarheit über Todeseintritt, denn dies mag vielleicht wünschenswert sein, aber vor dem Hintergrund der Wissenschaftsfreiheit der Klinik keineswegs zwingend geboten, zumal man insbesondere das letztgenannte Beispiel unter die erste Alternative der Klausel subsumieren wird, wonach eine Sektion vorgenommen werden kann, wenn diese zur Feststellung der Todesursache aus ärztlicher Sicht notwendig ist. Die Problematik der Klauseln nach dem Widerspruchsmodell ergibt sich doch vor allem daraus, dass der Patient respektive seine Angehörigen aktiv widersprechen müssen und dafür vorher notwendigerweise von dieser Möglichkeit Kenntnis erlangt haben müssen. Es spricht also viel dafür, dass es mit Blick auf das gewichtige postmortale Persönlichkeitsrecht interessensgerechter wäre, wenn der Patient oder die Angehörigen aktiv einwilligen müssten.315 Daher ist es auch zu begrüßen, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Krankenhäuser (AVB)316 mittlerweile eine Regelung vorschlagen, wonach eine Obduktion vorgenommen werden kann, wenn entweder der Verstorbene zu Lebzeiten oder nach seinem Tod dessen Angehörige in die Sektion eingewilligt haben und ein entgegenstehender Wille des Verstorbenen

313 Dreier/Barczak, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 98 m. w. N.; speziell bezogen auf Sektionsklauseln auch R. Zimmermann, NJW 1979, 569 (573 f.). 314 Im Ansatz nur Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in der zivilrechtlichen Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB bei sozialen Plattformen siehe BGH 29. 7. 2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 und BGH 29. 7. 2021 – III ZR 192/20, GRUR-RS 2021, 23182. 315 Thüsing, in: v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 49. EL., Klauselwerke: Krankenhausaufnahmevertrag, Rn. 30 ff., hält zwar auch die Klausel im Widerspruchsmodell für wirksam, allerdings nur unter so vielen Einschränkungen, insb. einer wirksamen Belehrung, sodass die beiden Modelle im Ergebnis kaum Unterschiede produzieren werden. 316 Die AVB werden von der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Anwendung zwischen Patient und Krankenhaus empfohlen und erscheinen mittlerweile in der 14. Auflage, siehe Deutsche Krankenhausgesellschaft, Allgemeine Vertragsbedingungen (AVB), Behandlungsverträge und Wahlleistungsvereinbarung für Krankenhäuser.

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nicht bekannt ist.317 Mit einem solchen Einwilligungsmodell sind die unliebsamen Fälle, in denen jemand ohne sein Wissen oder Wollen nach dem Tod obduziert wird, ausgeräumt und das Klinikum muss durch überzeugende Aufklärung über die Notwendigkeit für die medizinische Forschung genügend Einwilligungen auf transparentem Wege erlangen.318 bb) Pauschalierte Schadensersatzansprüche zur Abwehr von Submissionsabsprachen Eine weitere Fallgruppe bilden die Klauseln zur Abwehr von Submissionsabsprachen. Unter Submissionsabsprachen versteht man die Verpflichtung der Beteiligten, sich bei öffentlichen Ausschreibungen zugunsten eines Kartellmitglieds eines wettbewerbsgerechten Angebots zu enthalten oder Scheinangebote abzugeben.319 Diese Vorgehensweise basiert auf der Erwartung, dass der Verzichtende bei späteren Aufträgen durch entsprechendes Verhalten der anderen Kartellmitglieder den Zuschlag erlangt und dabei von dem mangelnden Wettbewerb profitiert.320 Dabei werden die Scheinangebote derart überteuert, dass der Auftraggeber nicht annehmen wird beziehungsweise aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben den Zuschlag gar nicht erteilen darf. Schließlich macht derjenige Kartellpartner, der die Auftragserteilung erhalten soll, ein vergleichsweise günstiges, aber in Wirklichkeit immer noch überhöhtes Angebot.321 Die Submissionsabsprache dient also regelmäßig dazu, den Wettbewerb außer Kraft zu setzen und das allgemeine Preisniveau anzuheben.322 Neben kartell- und strafrechtlichen Implikationen (vgl. Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB und § 298 StGB) hat diese weit verbreitete Praxis auch im AGB-Recht Bedeutung erlangt. So haben öffentliche Auftraggeber versucht, in ihren Vertragsbedingungen Submissionsabsprachen abzuwehren, indem sie etwa vereinbart haben: „Wenn der Auftragnehmer oder die von ihm beauftragten oder für ihn tätigen Personen aus Anlaß der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen haben, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er als Schadensersatz 3 v. H. der Auftragssumme an die Stadt zu zahlen, es sei denn, daß ein höherer Schaden nachgewiesen wird.“323

317

Thüsing, in: v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 49. EL., Klauselwerke: Krankenhausaufnahmevertrag, Rn. 30. 318 Die Diskussion erinnert stark an die Organspenden-Debatte im Bundestag; zuletzt wurde der Gesetzesentwurf zur doppelten Widerspruchslösung abgelehnt, siehe BT-Drs. 19/ 11096 und 19/16214. 319 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 105. 320 MüKo/Hohmann, § 298 StGB Rn. 18 m. w. N. 321 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 105. 322 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 105. 323 Entnommen aus BGH 21. 12. 1995 – VII ZR 286/94, BGHZ 131, 356.

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Pauschalierte Schadensersatzabreden wie diese waren bereits mehrfach Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung.324 Im Jahr 1988 entschied der VII. Zivilsenat, dass eine Klausel, wonach sich die Bieter verpflichten, bei Beteiligung an einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache aus Anlass der Ausschreibung eine „Vertragsstrafe“ in Höhe von 3 v. H. der Endsumme ihres Angebots zu zahlen, nach § 9 Abs. 1 AGBG (entspricht § 307 Abs. 1 BGB) unwirksam ist.325 Die ausschreibende Klägerin hatte vorgebracht, dass sie damit in erster Linie die bereits nach dem GWB verbotenen Submissionsabsprachen möglichst wirksam bekämpfen möchte.326 Dieser Interessensverfolgung erteilte der BGH eine Absage.327 Für die von der Klägerin verfolgten Ziele seien nach dem GWB vorrangig die Kartellbehörden zuständig.328 Auch das Interesse, mögliche Schäden abzudecken, werde durch die allgemeinen Vorschriften ausreichend gesichert, da der beteiligte Bieter im Geltungsbereich der VOB329 bei einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede während des Ausschreibungsverfahrens von der Vergabe auszuschließen sei.330 Stelle sich das wettbewerbswidrige Handeln des Auftragnehmers erst während der Durchführung der Arbeiten oder später heraus, so könne der Auftraggeber den Auftrag im Wege der außerordentlichen Kündigung entziehen und die ihm nach der VOB/B zustehenden Rechte auf Mehrkosten und Schadensersatz geltend machen.331 Damit laufe das mit der Bietererklärung verfolgte Ziel der Klägerin im Kern auf die Schöpfung neuer, vom eigentlichen Sachinteresse losgelöster Geldforderungen hinaus.332

324 Insoweit unzutreffend Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151, der von Vertragsstrafen ausgeht, obgleich die Klauseln einen Schadensnachweis voraussetzen, siehe zur Abgrenzung eingehend Franck, ZHR 181 (2017), 955 (959 ff., 1003 f.). Auch Baetge, AcP 202 (2002), 972 (976), geht von einer Vertragsstrafe aus und begründet dies mit der Erzwingungsfunktion der Klausel, verkennt aber, dass sich die typische Druckfunktion der Vertragsstrafe auf die Einhaltung der vertraglichen Pflichten bezieht und weniger auf ein sonst gesetzeskonformes Verhalten des Vertragspartners. 325 BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24. 326 Die Strafbarkeit gem. § 298 StGB wurde erst 1997 eingeführt durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. 8. 1997 (BGBl. I 1997, S. 2038). 327 BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2537). 328 Siehe Fn. 327. 329 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen im Auftrag des Deutschen Vergabeund Vertragsausschuss für Bauleistungen, herausgegeben vom Deutschen Institut für Normung e.V. 330 Dieses Interesse hat die Klägerin selbst schon nicht in den Vordergrund gestellt, da sie eine Sicherung durch die Vorschriften in VOB/A und VOB/B erkennt und dies in einer anderen Ziffer der Bietererklärung zum Ausdruck bringt, siehe BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2537). 331 BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2537) unter III. 2. a). 332 BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2537) unter III. 2. b).

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Im Jahr 1995 urteilte der VII. Zivilsenat jedoch dahingehend, dass die oben genannte Klausel nicht gegen § 9 AGBG (entspricht § 307 BGB) verstößt.333 Neben der Höhe der Pauschale und der Frage, ob im unternehmerischen Verkehr ein Hinweis auf die Möglichkeit enthalten sein muss, einen tatsächlich geringeren Schaden nachzuweisen,334 nahm der BGH auch Stellung zur Interessenlage bei einer Schadenspauschalierung gegen Submissionsabsprachen. So rechtfertige die Schadensberechnung im Einzelfall und die Schwierigkeit für den Auftraggeber, Submissionsabsprachen aufzudecken und nachzuweisen, eine Pauschalierung, um dem Auftraggeber die Durchsetzung angemessener Schadensersatzforderungen in den Fällen zu ermöglichen, in denen es ihm ausnahmsweise gelingt, die Submissionsabsprache aufzudecken und zu beweisen.335 Der Auftragnehmer, der sich an einer wettbewerbswidrigen Submissionsabsprache beteiligt hat, werde durch die Pauschalierungsklausel nicht unangemessen benachteiligt, weil er darlegen und beweisen könne, dass im konkreten Fall kein oder ein geringerer Schaden entstanden sei.336 Bestärkt wurde diese Rechtsprechung durch ein Urteil aus dem Februar 2021 zum sog. Schienenkartell, in dem der BGH eine solche Klausel für angemessen hielt, sofern sie den zu erwartenden Schaden in einer Höhe pauschaliert, die nach dem typischerweise zu erwartenden hypothetischen Marktpreis, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, eine Unter- und eine Überkompensation des Schadens gleichermaßen wahrscheinlich erscheinen lässt, und dem Schädiger die Möglichkeit verbleibt, einen geringeren oder fehlenden Schaden nachzuweisen.337 Im Rahmen der Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass kartellzivilrechtliche Schadensersatzansprüche dazu dienen, die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union zu erhöhen und daraus folgend nicht nur im privaten Kompensationsinteresse, sondern auch im öffentlichen Interesse am Schutz der wettbewerblichen Marktordnung lägen.338 333 BGH 21. 12. 1995 – VII ZR 286/94, BGHZ 131, 356 = NJW 1996, 1209; so auch OLG München 29. 09. 1994 – U (K) 7111/93, NJW 1995, 733. 334 Zum Zeitpunkt des Urteils galt § 309 Nr. 5 lit. b) BGB noch in der a. A. und wurde im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung dahingehend verschärft, dass dem anderen Vertragsteil ausdrücklich der Nachweis gestattet werden muss, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Die Änderung erfolgte jedoch mit dem Ziel, die Position eines rechtsunkundigen Durchschnittskunden zu verbessern (BT-Drs. 14/6040, S. 155), sodass der BGH im B2B-Bereich richtigerweise dabei geblieben ist, dass der Unternehmer nicht ausdrücklich auf seine Gegenbeweismöglichkeit hingewiesen werden muss, siehe zu dieser Problematik eingehend MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 5 BGB Rn. 28. 335 BGH 21. 12. 1995 – VII ZR 286/94, BGHZ 131, 356 = NJW 1996, 1209 (1210). 336 Siehe Fn. 335. 337 BGH 10. 2. 2021 – KZR 63/18 – Schienenkartell VI, NZKart 2021, 350. 338 BGH 10. 2. 2021 – KZR 63/18 – Schienenkartell VI, NZKart 2021, 350 (353) mit Verweis auf EuGH 13. 6. 2006 – C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 = EuZW 2006, 529 Rn. 62 (Manfredi), der jedoch nur den Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz bei der Ausgestaltung

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(1) Ansichten in der Literatur Hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Gemeinwohlinteressen im Rahmen von Klauseln zur Abwehr von Submissionsabsprachen zeigt sich in der AGB-rechtlichen Literatur ein zweigeteiltes Bild. Einerseits wird vertreten, dass die Strafgeldklauseln einen präventiven Schutz des freien Wettbewerbs vor Kartellen und sogar die Verhinderung von Korruption öffentlicher Amtsträger bezwecken.339 Zwar sind die Ausschreibenden im Gegensatz zu den Kartellbehörden nicht durch besonderen gesetzlichen Auftrag zur Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen verpflichtet, aber dennoch sollen sie diese Interessen in die Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB einstellen können, da die Möglichkeiten der Verhängung von Bußgeldern durch die Behörden im Kampf gegen Submissionsabsprachen nicht ausreichend seien.340 Daher sei aus Sicht der Allgemeinheit eine zusätzliche Ahndungsmöglichkeit in Gestalt von privaten Strafklauseln sogar notwendig.341 Andererseits wird darauf verwiesen, dass die Klauselkontrolle nicht der richtige Ort sei, um die Wirksamkeit der Schadenshaftung als Durchsetzungsmechanismus des Kartellrechts zu erhöhen.342 Zwar wurde insbesondere durch die Siebte GWBNovelle, die EuGH-Rechtsprechung343 und die dadurch veranlasste Neufassung des § 33 GWB der Präventionsgedanke des Kartellrechts ausdrücklich in den Vordergrund gestellt.344 Auch habe sich der Unionsgesetzgeber mit der Kartellschadensersatz-Richtlinie345 ebenfalls dazu bekannt, dass die zivilrechtliche Durchsetzung der privater und individualschützender Rechte, die aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsen, betont. 339 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (991); abgeschwächt nimmt darauf auch Fuchs, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 138 Bezug: „Durch die Sanktionierung verbotener Submissionsabsprachen will der Verwender nicht nur sich selbst vor Nachteilen schützen, sondern zugleich einer nahe liegenden Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und des besonderen Vertragsschlussmechanismus der Ausschreibung entgegenwirken“; in diese Richtung ebenfalls Thomas/Bleier, KSzW 2015, 261 (266). 340 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (992). 341 Ausdrücklich Baetge, AcP 202 (2002), 972 (992 f.). 342 Franck, ZHR 181 (2017), 955 (975 ff.); Soergel/Fritzsche, § 307 BGB Rn. 53; allg. krit. zur o. g. Ansicht Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151. 343 Hingewiesen wird auf EuGH 20. 9. 2001 – C-453/99 (Courage/Crehan), ECLI:EU:C: 2001:465 Rn. 27; EuGH 6. 6. 2013 – C-536/11 (Bundeswettbewerbsbehörde/Donau Chemie u. a.), ECLI:EU:C:2013:366, Rn. 23 f.; weiterführend dazu Franck, European Competition Journal 11 (2015), 135 (154 ff.). 344 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 15/3640, S. 35: „Der Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 wird gegenu¨ ber dem geltenden Recht aufgewertet, um einen wirksamen Ausgleich fu¨ r den Geschädigten sicherzustellen und zugleich den abschreckenden Effekt zu verstärken.“; darauf macht Franck, ZHR 181 (2017), 955 (973) aufmerksam. 345 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 u¨ ber bestimmte Vorschriften fu¨ r Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen

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Wettbewerbsvorschriften durch Klagen auf Schadensersatz mit der öffentlichen Kartellrechtsdurchsetzung eine gleichermaßen wichtige Rolle spielt.346 Aber dennoch sei der Richtlinie an mehreren Stellen deutlich zu entnehmen, dass eine Überkompensation Geschädigter keinesfalls eintreten dürfe.347 Ein typischer Auftraggeber habe deshalb neben dem Ausgleich möglicher Schäden ein Interesse daran, zugleich seine Vertragspartner von vornherein durch eine wirksame Haftungsdrohung von Kartellrechtsverletzungen abzuhalten. Dieses individuelle Präventionsinteresse sei bei der Anwendung des § 307 BGB zu berücksichtigen, das Gemeininteresse an einer wirksamen Abschreckung von Kartellrechtsverletzungen fu¨ r sich besehen dürfe hierfu¨ r keine Rolle spielen.348 Das Präventionsziel finde damit seine Grenze im vollständigen individuellen Schadensausgleich.349 (2) Stellungnahme Zur Untermauerung der ersten Ansicht werden oftmals die unterschiedlichen Begründungsstränge des BGH in den beiden Grundsatzurteilen herangezogen.350 Darin aber eine Rechtsprechungsänderung zu erblicken, ist irreführend, denn die Urteile hatten unterschiedliche Sachverhalte zum Gegenstand.351 Im ersten Fall verlangte die Klägerin von allen Bietern die Erklärung, dass sie an keiner wettbewerbsbeschränkenden Absprache oder Abstimmung beteiligt sind und falls sich herausstellt, dass diese Angaben unrichtig waren, werde eine solche „Vertragsstrafe“ in Höhe von 3 % der Endsumme ihres Angebots fällig. Die nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung ergibt allerdings, dass gar kein Vertragsstrafeversprechen vorliegt. Die Vertragsstrafe hat eine doppelte Zielrichtung: erstens als Druckmittel, um den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner versprochenen Leistung anzuhalten, und zweitens als Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung im Ver-

Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europa¨ ischen Union, ABl. L 349, S. 1 (Kartellschadensersatz-RL). 346 Siehe zur immer weiter steigenden Relevanz des Private Enforcement im Kartellrecht Neruda, in: Basedow/Terhechte/Tichy´, Private Enforcement of Competition Law, S. 230 ff. 347 Etwa Erwägungsgrund 13, Art. 3 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 2 Kartellschadensersatz-RL. 348 Franck, ZHR 181 (2017), 955 (979); Soergel/Fritzsche, § 307 BGB Rn. 53. 349 Ausdrücklich Franck, ZHR 181 (2017), 955 (973). 350 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (990 f.); mit denselben Argumenten Gu¨ ndling, Modernisiertes Privatrecht und o¨ ffentliches Recht, S. 274 f.; in diese Richtung auch Ruttloff, Die Zula¨ ssigkeit von Vertragsstrafenklauseln in sta¨ dtebaulichen Vertra¨ gen im Zusammenhang mit großfla¨ chigen Einzelhandelsprojekten, S. 339. 351 So aber Baetge, AcP 202 (2002), 972 (990 f.); im Anschluss daran auch Gu¨ ndling, Modernisiertes Privatrecht und o¨ ffentliches Recht, S. 274 f.; ebenso übernommen Ruttloff, Die Zula¨ ssigkeit von Vertragsstrafenklauseln in sta¨ dtebaulichen Vertra¨ gen im Zusammenhang mit großfla¨ chigen Einzelhandelsprojekten, S. 339 Fn. 191.

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letzungsfall.352 Letztere ist ausweislich ihres Wortlautes sowie Sinn und Zweck bereits nicht gegeben, da unabhängig von einem Schaden die Zahlung verlangt werden soll. Daher kann die Klausel schon keine Schadenspauschalierung sein. Aber auch die Druckfunktion fehlt, denn wird die Erklärung vom Bieter vorgelegt, kann sie kein zukünftiges Verhalten des Wettbewerbers absichern und damit Druck auf ihn ausüben. Zugesichert wird nur ein bestimmtes Wohlverhalten in der Vergangenheit. Eine solche Erklärung kann somit nur als Garantieversprechen angesehen werden.353 Im zweiten und dritten Fall hingegen handelte es sich um einen pauschalierten Schadensersatz, denn die Klausel ist nur Bestandteil des Vertrages zwischen der Klägerin und dem beklagten Unternehmen geworden, das den Zuschlag erhalten hat, und soll einen tatsächlich eingetretenen Schaden kompensieren. Während in der Entscheidung aus 1995 Gemeinwohlinteressen nicht direkt adressiert werden, sondern stets von dem „Schadensrisiko für den Auftraggeber“ oder „Schwierigkeit für den Auftraggeber“354 die Rede ist, diese aber nach dem Erklärungsansatz der einen Ansicht in der Literatur „mitschwingen“,355 hat der BGH in seinem jüngsten Urteil öffentliche Interessen ausdrücklich in seine Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB eingestellt.356 Damit hat der BGH nicht in Abkehr seiner früheren Rechtsprechung geurteilt,357 weil Gemeinwohlbelangen in der neueren Entscheidung keine Absage mehr erteilt wurde, sondern er scheint die Berücksichtigung öffentlicher Interessen nunmehr aus dem unionsrechtlichen Gebot der effizienten Durchsetzung der Wettbewerbsregeln abzuleiten.358

352 Siehe nur BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2536 f.) m. w. N. 353 BGH 3. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 = NJW 1988, 2536 (2537). 354 BGH 21. 12. 1995 – VII ZR 286/94, BGHZ 131, 356 = NJW 1996, 1209 (1210). 355 So ausdrücklich Baetge, AcP 202 (2002), 972 (991); ebenso Gu¨ ndling, Modernisiertes Privatrecht und o¨ ffentliches Recht, S. 275. 356 BGH 10. 2. 2021 – KZR 63/18 – Schienenkartell VI, NZKart 2021, 350 (353). 357 Der BGH würde vermutlich den Fall zu den Garantieversprechen von 1988 heute genauso entscheiden. 358 Vgl. BGH 10. 2. 2021 – KZR 63/18 – Schienenkartell VI, NZKart 2021, 350 (353 Rn. 36). Problematisch ist dies schon allein, weil dem Unionsrecht ein anderes Verständnis von „öffentlich“ und „privat“ zugrunde liegt, siehe dazu treffend Schweitzer/Woeste, ssrn paper 3695965, S. 14: „Charakteristisch für das deutsche Recht bleibt dabei die Grundannahme, dass private Klagebefugnisse den Schutz individueller Interessen und gerade nicht des öffentlichen Interesses bezwecken.“; zur europäischen Ebene Schweitzer/Woeste, ssrn paper 3695965, S. 19: „Ihm [dem Unionsrecht] ist aber das Versta¨ ndnis eingeschrieben, dass die eigennu¨ tzige private Rechtsdurchsetzung im o¨ ffentlichen Unionsinteresse liegen kann.“; dazu schon grundlegend Masing, Die Mobilisierung des Bu¨ rgers fu¨ r die Durchsetzung des Rechts, S. 43 ff.; zur geringen Bedeutung der Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht im EU-Recht Jarass, ZEuP 2017, 310 (313 f.), der auch auf die geringe Relevanz im angloamerikanischen Rechtskreis hinweist.

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Keinesfalls soll bestritten werden, dass das Private Enforcement im öffentlichen Interesse steht und private Schadensersatzklagen zum Ausgleich von Wettbewerbsschädigungen beitragen.359 Jedoch kann dies nicht – wie vom BGH insinuiert – in dem Sinne verstanden werden, dass den Klägern gewissermaßen durch ihren Dienst für die Allgemeinheit als Hüter der Wettbewerbsregeln ein größerer Spielraum für die Gestaltung von pauschalierten Schadensersatzregelungen zustehen kann. Dies steht auch im Einklang mit der vom BGH zitierten EuGH-Rechtsprechung, die der Mehrfachhaftung für Kartellrechtsversto¨ ße und Überkompensation einen Riegel vorgeschoben hat.360 Es geht in den Fällen des pauschalierten Schadensersatzes eben nicht primär um Allgemeinwohlinteressen, sondern um die Eigeninteressen des Auftraggebers selber, der keine überhöhten Preisen zahlen möchte bzw. aufgrund öffentlichen Haushaltsrechts nicht darf. Zuzustimmen ist somit vielmehr der Ansicht, die Gemeinwohlbelangen keinen Wertungsgesichtspunkt im Rahmen der AGB-Kontrolle von Schadenspauschalierungsklauseln einräumt. Neben den allgemeinen Argumenten mit Blick auf die Legitimationsgrundlage der AGB-Kontrolle überhaupt sprechen dafür auch spezifisch kartellrechtliche Regulierungserwägungen. Könnte der Verwender Allgemeininteressen in Form von wettbewerblicher Präventionswirkung auf seiner Seite geltend machen und damit ansonsten unangemessene Strafgeldklauseln rechtfertigen, sei es aufgrund ihrer Höhe oder sonstiger Umstände, liefe dies auch expliziten gesetzgeberischen Wertungen zuwider. So wurden im Gesetzgebungsverfahren zur Kartellschadensersatz-RL als auch zur Neunten GWB-Novelle Modelle anderer Mitgliedstaaten und dadurch inspirierte Vorschläge diskutiert, nach denen vermutet wird, dass eine kartellbedingte Preisüberhöhung in Höhe von zehn Prozent ausfällt.361 Sowohl der europäische als auch der deutsche Gesetzgeber haben diese Möglichkeit abgewogen und dabei neben anderen Faktoren auch das Allgemeininteresse an einer effektiven Abschreckung vor Kartellrechtsverletzungen bedacht, sich letztlich aber dagegen entschieden.362 Unter Zugrundelegung der ersten Ansicht 359 Ausführlich Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662 (682 ff.); Schweitzer/Woeste, ssrn paper 3695965, S. 26. 360 Gemeint ist EuGH 13. 6. 2006 – C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 = EuZW 2006, 529 Rn. 62 (Manfredi); siehe dazu auch Schweitzer/Woeste, ssrn paper 3695965, S. 30. 361 Treffend Franck, ZHR 181 (2017), 955 (975 m. w. N.); zur deutschen Perspektive siehe den im Gesetzgebungsverfahren vielfach beachteten Vorschlag von Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie (2014/104/EU), S. 58 ff., die im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO eine Höhe von mindestens 10 % des Wertes der Gegenleistung des Geschädigten vorschlagen. 362 Zur europäischen Ebene siehe Impact Assessment Paper der EU-Kommission zur Kartellschadensersatz-RL, SWD (2013) 203 final, S. 34 f. Rn. 89: „After the existence of harm has been established, the claimant still has to prove the amount of that harm. The burden of proof for the quantification of harm normally lays with the claimant. To further facilitate this burden, one could consider introducing a rebuttable presumption that cartels lead to an overcharge of X % (with ‘X’ being a figure supported by the studies referred to above). However, such a specific presumption risks becoming a disincentive for victims of a cartel to engage in further quantification of the harm suffered. Such presumed overcharge figure may

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könnten ausschreibende AGB-Verwender ihre Gestaltungsmacht eigennützig und zulasten des Vertragspartners ausspielen, weil damit zugleich das Allgemeininteresse am Kartellschadensersatz als Präventionsinstrument gefördert werde.363 Die AGB-Kontrolle dient aber nicht der Behebung aller Defizite eines funktionierenden Marktes und kann – entgegen der teilweise vorherrschenden Auffassung – die Entwicklung hin zu dieser Ansicht auch nicht leisten. cc) Vertragsstrafen der Treuhandanstalt Die Regelungen der Treuhandanstalt (seit 1. Januar 1995: Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben)364 in Unternehmenskaufverträgen über ehemalige Staatsbetriebe der DDR enthielten Vorgaben zur Absicherung von Arbeitsplatzund Investitionszusagen durch Vertragsstrafen. Der BGH berücksichtigte in der Angemessenheit – damals noch im Rahmen von § 9 Abs. 1 AGBG – die öffentliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensprivatisierung.365 Auch bei der Veräußerung von ehemals „volkseigenen“ Grundstücken spielten sog. Mehrerlös- und Nachbewertungsklauseln eine große Rolle. Letztere können allerdings nicht als Beleg für die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen im AGB-Recht in der Rechtsprechung des BGH angeführt werden, denn diese sind als Preishauptabreden gem. § 8 AGBG schon einer Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG entzogen.366 So war zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Nachbewertungsklauseln eine endgültige Bezifferung des letztlich geschuldeten Kaufpreises noch gar nicht möglich, weil kurz nach dem Übergang von der Volkswirtschaft der

thus paradoxically lead to structural under-compensation of harm, in particular when it is at the lower end. That negative effect is increased by the fact that defendants will invest heavily into rebutting, i. e. defending the presumption, depending on whether they caused a lower or a higher overcharge harm. Therefore, this option would not even reduce litigation costs.“; darauf hinweisend Franck, ZHR 181 (2017), 955 (975 f.). 363 Vgl. auch Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 30, zur Störung des Gleichgewichts zwischen den Parteien, wenn sich eine Partei auf das Allgemeinwohl berufen könnte. 364 Siehe § 1 der Verordnung über die Umbenennung und die Anpassung von Zuständigkeiten der Treuhandanstalt (Treuhandanstaltumbenennungsverordnung – TreuhUmbenV) vom 20. Dezember 1994 (BGBl. I 1994, S. 3913). 365 Siehe im Ansatz schon BGH 3. 4. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 (2602); ausdrücklich in BGH 26. 5. 1999 – VIII ZR 102/98, BGHZ 141, 391= NJW 1999, 2662 (2664), weshalb sogar verschuldensunabhängige Vertragsstrafen für zulässig erachtet wurden; im Anschluss daran etwa BGH 29. 9. 1999 – VIII ZR 256-98, VIZ 1999, 746 (747); BGH 9. 2. 2000 – VIII ZR 55/99, ZIP 2000, 799 (802); BGH 6. 12. 2002 – V ZR 184/02, WM 2003, 839 (840). 366 BGH 26. 1. 2001 – V ZR 452/99, BGHZ 146, 331 = NJW 2001, 2399; bestätigt durch BGH 11. 05. 2001 – V ZR 491/99, WM 2001, 1305; BGH 22. 2. 2002 – V ZR 251/00, VIZ 2002, 437; § 8 AGBG entspricht nunmehr § 307 Abs. 3 S. 1 BGB.

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DDR zur Marktwirtschaft noch überhaupt kein funktionsfähiger Grundstücksmarkt existierte.367 Die Mehrerlösklauseln der Treuhandanstalt hatten regelmäßig zum Inhalt, dass der Erwerber 80 % des Mehrerlöses für den Fall des Weiterverkaufs innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre sowie 50 % des Mehrerlöses bei Verkauf bis zum Ablauf von fünf Jahren abführen muss.368 Unstreitig besteht ihr Zweck darin, für den Fall der Weiterveräußerung innerhalb einer bestimmten Frist den Spekulationsgewinn jedenfalls zum Teil abzuschöpfen. Allerdings kann aus den Judikaten des BGH nicht gefolgert werden, dass dieser innerhalb der Interessenabwägung ansonsten unangemessene Abschöpfungsklauseln mit dem öffentlich-rechtlichen Handlungsauftrag der Treuhandanstalt rechtfertigt.369 Vielmehr begrenzt der Sinn und Zweck der Mehrerlösklausel die Auslegungsmöglichkeiten etwa hinsichtlich der Frage, ob ein fiktiver Mehrerlös ebenfalls ersetzt werden müsse. So wies der BGH ausdrücklich darauf hin, dass zwar nach dem Wortlaut der streitgegenständlichen Regelung die anteilige Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem Verkehrswert des Grundstücks bei Weiterverkauf selbst dann abzuführen sei, wenn ein Mehrerlös nicht erzielt wurde und der Verkehrswert zwischen dem Kauf und dem Weiterverkauf des Grundstücks auch nicht gestiegen sei.370 Dies werde nach Auffassung des BGH aber dem Zweck der Mehrerlösklauseln und der typisierten Interessenlage der Parteien nicht gerecht.371 Erfasst werden vor dem Hintergrund der Verhinderung von Grundstücksspekulation demnach nur die Fälle, in denen der Wert der Grundstücke ohne Aufwendungen des Erwerbers steigt.372 Damit kann zwar grundsätzlich auch eine nicht realisierte Differenz zum Verkehrswert abgeschöpft werden, jedoch nicht (wie meist

367 BGH 26. 1. 2001 – V ZR 452/99, BGHZ 146, 331 (336 f.); BGH 11. 05. 2001 – V ZR 491/99, WM 2001, 1305; BGH 22. 2. 2002 – V ZR 251/00, VIZ 2002, 437 (438). 368 Siehe nur der Sachverhalt in BGH 8. 11. 2002 – V ZR 78/02, WM 2003, 1241; BGH 7. 2. 2003 – V ZR 285/02, VIZ 2003, 241; auch Kiethe, VIZ 1993, 471 (472); ders., VIZ 2003, 209 (211) m. w. N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung. 369 In diese Richtung nur das OLG Dresden 27. 10. 1999 – 18 U 1019/99, VIZ 2000, 380 (383): „ist im Übrigen davon auszugehen, dass die THA ein berechtigtes Interesse an der Nachbewertungsklausel hatte. Sie musste einen öffentlichen Auftrag erfüllen und den zum Verkauf stehenden Grund und Boden zu angemessenen Preisen veräußern.“; dort ging es allerdings nicht um eine Mehrerlös-, sondern um eine Nachbewertungsklausel, die das OLG im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH einer Inhaltskontrolle unterzog, weil es sie fälschlicherweise für eine Preiserhöhungsklausel hielt, für die aber Voraussetzung ein markgerechter Anfangspreis ist; deshalb auch unzutreffend die Einordnung bei Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151. 370 BGH 8. 11. 2002 – V ZR 78/02, VIZ 2003, 240 (240 unter II. 2. a)). 371 BGH 8. 11. 2002 – V ZR 78/02, VIZ 2003, 240 (241); im Anschluss daran auch BGH 7. 2. 2003 – V ZR 285/02, VIZ 2003, 241 (242). 372 BGH 8. 11. 2002 – V ZR 78/02, VIZ 2003, 240 (241); BGH 7. 2. 2003 – V ZR 285/02, VIZ 2003, 241.

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in den zugrunde liegenden Fällen) die Konstellation, dass bereits der Ersterwerbspreis deutlich unter dem Verkehrswert lag.373 Der gemeinwohlorientierte Auftrag, das ehemalige „volkseigene“ Vermögen vor Spekulation zu schützen, hat in den Privatisierungsverträgen im Zuge der Wiedervereinigung also bereits als Begrenzung der Gestaltungsspielräume der öffentlichen Hand im Rahmen des AGB-Rechts gedient. Damit wurde der Gemeinwohlauftrag aber ohne weitere Problematisierung des Senats in die Interessenabwägung eingestellt und wie bei den eingangs genannten Vertragsstrafen – dort allerdings den Gestaltungsspielraum erweiternd – berücksichtigt. Inwieweit diese Vorgehensweise auf Zustimmung im Schrifttum gestoßen ist, wird im Folgenden erläutert. (1) Ansichten in der Literatur Die Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt war in der Literatur lange Zeit im Verhältnis zu ihren enormen (rechts-)tatsächlichen Auswirkungen unterrepräsentiert.374 Durch die schiere Vielzahl an Vertragsschlüssen der Treuhandanstalt (es wurden allein über 14.500 Unternehmen privatisiert),375 die nicht selten im Anschluss für (gerichtliche) Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gesorgt haben, wurden mannigfaltige AGB-rechtliche Fragen aufgeworfen, denen an dieser Stelle nicht im Einzelnen nachgegangen werden kann. Die Darstellung soll daher strikt auf die Einbeziehung von Gemeinwohlinteressen beschränkt bleiben. Während der überwiegende Teil der Literatur der Ansicht ist, dass die Interessenverfolgung der Treuhandanstalt im Rahmen der AGB-Generalklausel legitim war

373 Dabei ist noch das weiter oben Erwähnte zu berücksichtigen, nämlich, dass der Verkehrswert mangels Verkehr bzw. Markt erst später gebildet wurde; der BGH spricht deshalb auch treffend von einer verdeckten Nachbewertung siehe BGH 8. 11. 2002 – V ZR 78/02, VIZ 2003, 240 (241). 374 Erst in den letzten Jahren nimmt das Thema – auch über juristische Implikationen hinaus – Fahrt auf, siehe nur die 2016 vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene Studie von den Historikern Goschler und Böick, abrufbar unter: https:// www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/wahrnehmung-bewertung-der-arbeit-dertreuhandanstalt-lang.pdf?__blob=publicationFile&v=24; auch das Bundesfinanzministerium unterstützt das umfangreiche Forschungsprojekt des Institutes für Zeitgeschichte München – Berlin zur Treuhandanstalt von 2017 bis einschließlich 2021, siehe BMF-Monatsbericht Juni 2020, S. 39 ff., abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2020/ 06/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-forschungsprojekt-treuhandanstalt-pdf.pdf?__blob=publica tionFile&v=3. 375 Siehe die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Die Treuhandanstalt im Spiegel der wissenschaftlichen Forschung“, WD 1–3000–010/19, S. 4 m. w. N.

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oder sogar gar keine Problematik darin erkennt,376 gibt es auch entschiedene Gegner dieser Rechtsprechung. Unter den Befürwortern wird der gesetzliche Auftrag zur Privatisierung des DDRVermögens hervorgehoben, der sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 Treuhandgesetz377 ergibt und durch Art. 25 Abs. 1 Einigungsvertrag378 bestätigt wurde.379 Dazu zähle insbesondere auch, die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen, somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, wie es schon in der Präambel des Treuhandgesetzes festgeschrieben ist.380 Der Treuhandanstalt oblag somit eine öffentliche, im Gemeinwohl liegende Aufgabe, zu deren Sicherung sie auch bestimmte Klauseln in ihren Verträgen verwenden durfte, bei deren Kontrolle wiederum ihre gesamtwirtschaftliche Gemeinwohlverantwortung berücksichtigt werden müsse.381 Die Gegner der vorgenannten Ansicht beklagten, dass die Treuhandanstalt unangemessene Klauseln verwende und die Gerichte eine „Sonderrechtsrechtsprechung“ zu ihren Gunsten implementiert hätten.382 Kritisiert wurde die einseitige Berücksichtigung der Interessen der Treuhandanstalt, namentlich die im Rahmen ihrer Unternehmensprivatisierung verfolgten sogenannten „weichen” Ziele volks376 So etwa Beimesche, Zahlungspflichten aus Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt, S. 314 f.; differenzierter und tendenziell für die Einbeziehung der „weichen“ Ziele Heß, Unternehmensverkäufe der Treuhandanstalt, S. 85 ff., 111 f. 377 Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermo¨ gens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR I 1990, S. 300), fortgeltendes Recht der ehem. Deutschen Demokratischen Republik gem. Art. 25 und nach Maßgabe des Art. 9 Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990, siehe nächste Fn. 378 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (BGBl. II 1990, S. 889). 379 Etwa MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 BGB, 6. Aufl. 2012, Rn. 23; Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG, 58. Aufl. 1999, Rn. 131; Baetge, AcP 202 (2002), 972 (981 f.); Arens, VIZ 1997, 393 (395). 380 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (981 f.). 381 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (982); Westermann, AcP 208 (2008), 141 (172): „durchaus nachvollziehbar“; Ruttloff, Die Zula¨ ssigkeit von Vertragsstrafenklauseln in sta¨ dtebaulichen Vertra¨ gen im Zusammenhang mit großfla¨ chigen Einzelhandelsprojekten, S. 340; im Ergebnis auch Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 138, allerdings nicht aufgrund eines besonderen öffentlichen Auftrags, sondern weil mit den Klauseln ein „auf den Abschluss oder die Durchführung des Vertrages bezogenes Defizit“ überwunden werden soll. 382 Allen voran Kiethe, VIZ 2004, 297 (298); ders., VIZ 2003, 209 (210, 212); ders., VIZ 2001, 345; ders., NZG 1999, 919 ebenfalls unter dem Stichwort „Treuhandsonderrecht“; auch in ders./Imbeck, ZIP 1994, 1250 (1251), gehen die Autoren – entgegen der teils missverstandenen Verortung, vgl. Ruttloff, Die Zula¨ ssigkeit von Vertragsstrafenklauseln in sta¨ dtebaulichen Vertra¨ gen im Zusammenhang mit großfla¨ chigen Einzelhandelsprojekten, S. 340 Fn. 196 – von der Nichtberücksichtigung öffentlicher Interessen aus, denn die angesprochene zu berücksichtigende Wertung ist jene, dass außerhalb des Anwendungsbereiches des Investitionsvorranggesetzes erst recht den Individualinteressen eines Restitutionsberechtigten Vorrang gewährt werden müsse.

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wirtschaftlicher, sozial- und strukturpolitischer Art, mit der der BGH den dogmatischen Boden des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlasse.383 Die wahrzunehmenden allgemeinen Interessen führten unzulässigerweise dazu, dass der BGH regelmäßig nicht von einer Unwirksamkeit gem. § 9 AGBG ausginge.384 (2) Stellungnahme Bei aller berechtigten Kritik, die man an der Treuhandanstalt385 und ihrer Vertragsgestaltung haben kann, muss dennoch nüchtern danach gefragt werden, inwieweit im Unterschied zu den bereits geschilderten Fallgruppen eine Berücksichtigung der Interessen der Treuhandanstalt im Rahmen der Inhaltskontrolle infrage kommt. Ins Auge fällt, dass die Treuhandanstalt als Verwenderin von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eben gesetzlich dazu verpflichtet wurde, in der konkreten Art und Weise vertraglich tätig zu werden. Dabei ist der Handlungsrahmen wie bei anderen Trägern öffentlicher Gewalt nicht etwa pauschal auf eine Gemeinwohl- oder Grundrechtsbindung aus dem Grundgesetz erstreckt, sondern begrenzt sich auf eine konkret erfasste Tätigkeit, die mit bestimmten Zielrichtungen ausgestattet ist. Die Zielrichtung, also die Neustrukturierung des maroden planwirtschaftlichen und ineffizienten Wirtschaftssystems der DDR entsprach dabei grundsätzlich dem Gemeinwohl und lag somit im öffentlichen Interesse.386 Im Treuhandgesetz wurden zwar keine präzisen Vorgaben dahingehend gemacht, wie hoch einzelne Vertragsstrafen oder wie lang spezielle Bindungsfristen sein müssen, um den proklamierten Zweck der Privatisierung und die damit erhoffte 383

Kiethe, VIZ 2001, 345 (351 f., 356) mit Bezug auf BGH 26. 5. 1999 – VIII ZR 102/98, BGHZ 141, 391 = NJW 1999, 2662 (2664); BGH 29. 9. 1999 – VIII ZR 256-98, VIZ 1999, 746 (747); BGH 9. 2. 2000 – VIII ZR 55/99, ZIP 2000, 799 (802); siehe auch ders., NZG 1999, 919 (924): es werde „die These von der Existenz eines ,Treuhandsonderrechts‘ dergestalt aufrechterhalten, daß beim Verkauf von Unternehmen und Grundstücken durch die THA/BvS verwendete formularmäßige Klauseln – und zwar namentlich Gewährleistungsausschlüsse, Verzugsregelungen, Vertragsstrafen, Nachbewertungsklauseln sowie Mehrerlösabführungsklauseln – zwar allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, aber daß sie wegen der von der THA/BvS wahrzunehmenden Allgemeininteressen i. d. R. nicht gegen § 9 AGBG verstoßen.“ 384 Kiethe, VIZ 2001, 345 (348) m. w. N.; bevor der BGH in den meisten Fällen von der Wirksamkeit der Klauseln ausging schon ders., BB 1994, 7 (12): „Die bekannten, stark restriktiven Klauseln der Treuhand-Musterverträge sind offenbar ohne Berücksichtigung des § 9 AGBG von der THA formuliert und als Verwender durchgesetzt worden. Man glaubte offensichtlich, mit äußerst nachteiligen Arbeitsplatz- und Investitionsgarantien sowie unüblichen Gewährleistungsausschlüssen die öffentlich-rechtlichen Ziele sicherzustellen, andererseits bedachte man nicht, daß gerade durch die Überzogenheit dieser Klauseln zu Lasten des Investors die Nichtigkeit der Klausel nunmehr in nicht unerheblichem Umfang eintritt.“ 385 Pointiert K.-D. Schmidt, Treuhandanstalt and investment acquisitions: how to ensure that contracts are kept?, S. 9: „No doubt, the THA has been very innovative in establishing a contractual framework reflecting her social goals.“ 386 Heß, Unternehmensverkäufe der Treuhandanstalt, S. 41 f. m. w. N.

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Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, aber dies erscheint auch als Anforderung an das Gesetz überzogen und für den Gestaltungsspielraum der Treuhand unsachgemäß.387 Hinreichend konkret ist hingegen ihr Auftrag, dass sie Kaufverträge mit Privaten abschließen und dabei öffentliche Ziele verfolgen muss, die notwendigerweise auch vertraglich ausgestaltet und gesichert werden müssen etwa durch die Arbeitsplatzgarantien, Investitionszusagen, Vertragsstrafen, Nachbewertungs- und Mehrerlösregelungen, Restitutionsvereinbarungen sowie Gewährleistungsausschlüsse und Haftungsfreizeichnungsklauseln. Dabei kann sie auch die gesamtwirtschaftliche Relevanz und die Erfüllung ihrer gesetzlich legitimierten Ziele zugunsten der Wirksamkeit einer Klausel anführen, die ein privater Akteur nicht auf seiner Seite verbuchen könnte, und damit im Einzelfall auch für die Gegenseite nachteilhaftere Bedingungen vereinbaren. Die Treuhandanstalt hat als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts keine eigenen, von ihrem Einrichtungsgrund abspaltbaren Interessen, sondern ihre Interessen, die sie auch in die Abwägung im Rahmen der AGB-Inhaltskontrolle einbringen können muss, sind die ihr gesetzlich übertragenen. Damit unterscheidet sie sich etwa von Gemeinden, die im Bereich der örtlichen Angelegenheiten im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie für unbesetzte Aufgaben ein Aufgabenerfindungsrecht innehaben.388 Die vielfach geäußerte Kritik von Kiethe entzündet sich auch weniger an der Einbeziehung der Treuhandanstaltsinteressen als solcher, sondern vielmehr an der häufigen Übergewichtung der Allgemeininteressen gegenüber jenen der Investoren.389 Dies ist aber eine Abwägungsfrage in den verschiedenen Einzelfällen, die über den hier untersuchten Gegenstand hinausginge. Ein pauschaler Hinweis auf Gemeinwohlziele kann selbstverständlich auch nach der hier vertretenen Ansicht keine ungeeigneten oder mit dem Privatisierungsziel nicht zusammenhängende Vertragsvereinbarungen legitimieren.390 Es handelt sich somit bei diesem historischen Beispiel um einen Ausnahmefall, bei dem sogar Stimmen in der Literatur, die gegen die Berücksichtigung von Allgemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle eintreten, von dem Grundsatz abrücken.391 387 Dann käme man bereits langsam in den Bereich der kontrollfreien Klauseln aufgrund von § 307 Abs. 3 BGB, siehe dazu mehr unter § 4 II. 388 Siehe dazu am Beispiel Bayerns Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 2. Teil, B. II. 2., Rn. 63 ff. 389 Daneben wird auch die fehlende Argumentation und die Ersetzung einer Begründung durch Verweis auf eigene frühere Urteile, denen durchaus ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegen kann, bemängelt, siehe Kiethe, VIZ 2001, 345 (352 ff.); zu dieser Tendenz treffend die Anm. von Altmeppen zu BGH 21. 06. 1999 – II ZR 47/98, ZIP 1999, 1352 (1355). 390 Weitere allgemeine Grenzen wie §§ 138 und 242 BGB sind ebenfalls zu beachten. 391 Etwas unentschlossen Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151: „Eine weitere Ausnahme mag auch gerechtfertigt sein für als Treuhänder des Gemeinwohls verpflichtete AGB-

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Nicht im bisherigen Kanon der Rechtsprechungsfälle, bei denen eine Gemeinwohlberücksichtigung in Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu beobachten sein soll, befindet sich eine Fallgruppe aus der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die im Folgenden dargestellt wird. dd) Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln Um der rasanten Bodenpreisentwicklung entgegenzuwirken, verwenden Gemeinden zunehmend Vertragsklauseln, die Grundstücksspekulationen verhindern sollen. Im Jahr 2018 urteilte der BGH – wie bereits erwähnt – zur Wirksamkeit solcher Instrumente in zwei Fällen: Der ersten Entscheidung392 aus dem März 2018 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die veräußernde Gemeinde und die Grundstückserwerberin eine Mehrerlösklausel vereinbart hatten, wonach für den Fall der Weiterveräußerung des Grundstücks in unbebautem Zustand innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Beurkundung der durch die Veräußerung erzielte Mehrerlös an die Gemeinde abzuführen war. Angekauft wurde das Grundstück zum Marktpreis. Der Käufer veräußerte innerhalb von fünf Jahren in unbebautem Zustand mit Gewinn weiter, woraufhin die Gemeinde den Mehrerlös auf Grundlage der vertraglich vereinbarten Klausel forderte. Der Sachverhalt des zweiten Urteils393 beruht auf einer im Kern ähnlich gelagerten Situation. Die beklagte Gemeinde hatte zwei Grundstücke zum Marktpreis an den Kläger und seine damalige Ehefrau veräußert. Die Erwerber verpflichteten sich, innerhalb von acht Jahren nach Vertragsschluss auf den Grundstücken ein bezugsfertiges Wohnhaus zu errichten. Darüber hinaus musste dieses acht Jahre lang selbst genutzt und die Grundstücke durften während dieser Zeit nicht veräußern werden. Im Falle eines Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht sollte eine pauschale Zuzahlung von 5,– E pro m2 und bei Verstoß gegen das Veräußerungsverbot eine solche von 25,– E pro m2 erfolgen. Die Erwerber kamen zwar der Bauverpflichtung nach, veräußerten jedoch nach ihrer Scheidung vier Jahre später die Grundstücke, woraufhin die Gemeinde die Zuzahlung forderte, obwohl der Betrag die tatsächliche Wertentwicklung der Grundstücke überstieg. Im ersten Urteil hielt der BGH die Mehrerlösklausel für wirksam, die starre Nachzahlungsklausel befand er in der zweiten Entscheidung dagegen als unwirksam. Die Unangemessenheit ergebe sich hauptsächlich daraus, dass sie nicht die tatsächliche Wertsteigerung des Bodens berücksichtige. Verwender“; dieses Zitat darf nicht dahingehend verstanden werden, dass es auch eine erste Ausnahme gebe, gemeint war lediglich eine allgemeine richterliche Folgenberücksichtigung im AGB-Recht. 392 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414. 393 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012.

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Unabhängig vom Entscheidungsausgang ist ein Punkt jedoch von grundlegender Bedeutung, der bislang in der Literatur unbeachtet geblieben ist.394 Der BGH berücksichtigt in seiner neuen Rechtsprechung bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB und des § 11 Abs. 2 BauGB für städtebauliche Verträge die Gemeinwohlerwägungen der Gemeinde als Aspekt zu ihren Gunsten.395 Verwendete die Gemeinde eine Mehrerlösklausel nur zu dem Zweck, ihr Vermögen zu mehren, setzte sie nach der Judikatur des BGH ihre eigenen Interessen in unangemessener Weise auf Kosten des Käufers durch. Dies sei nur in einer Individualvereinbarung – nicht aber bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – zulässig.396 Eine Mehrerlösklausel könne aber zulässig sein, wenn die Gemeinde hieran ein anerkennenswertes, über die reine Abschöpfung eines Veräußerungsgewinns hinausgehendes Interesse habe.397 Ein solches sei gegeben, wenn die Gemeinde mit der Verwendung der Klausel erreichen möchte, dass nur bauwillige Personen das Grundstück erwerben und auf diese Weise kurzfristige Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu verhindern sucht.398

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Vgl. BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, MittBayNot 2019, 86 (m. Anm. Grziwotz); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, MittBayNot 2019, 81 (m. Anm. Grziwotz); Leidner, DNotZ 2019, 83; BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, WuB 2019, 190 (m. Anm. Schinkels) und ZfIR 2018, 655 (m. Anm. Zintl/Simon) sowie IMR 2018, 385 (m. Anm. Butzmann) und LMK 2018, 411598 (m. Anm. Ulrici); im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages ist die Einbeziehung der gemeindlichen Ziele natürlich regelmäßig der Fall, allerdings ist es aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung und dem selbstverständlichen Bezug auf Rechtsgedanken aus dem AGBRecht sowie auf die Entscheidung aus dem März naheliegend, dass der BGH diese Belange auch im zweiten Fall im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB einbezogen hätte; zum zweiten Fall siehe BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, IMR 2018, 435 (m. Anm. Brinkmann) und ZfIR 2018, 745 (m. Anm. Krautzberger). 395 So ausdrücklich in BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28 f).; BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13, 15); in der zweiten Entscheidung konnte der BGH offen lassen, ob die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhielte, da sie bereits nach dem weiteren Prüfungsmaßstab des § 11 Abs. 2 BauGB unwirksam war. Der Senat wendete aber dann wie selbstverständlich den „Rechtsgedanken“ des § 306 Abs. 3 BGB als Folge der Unwirksamkeit an, siehe BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3014 Rn. 18), dabei richtet sich die Unwirksamkeitsfolge nach § 139 BGB bzw. für einen öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Vertrag nach § 59 Abs. 3 VwVfG, siehe Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 11 BauGB Rn. 82. 396 Siehe Fn. 395. 397 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29 f.); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13). 398 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29 f.); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13, 15).

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(1) Ansichten in der Literatur Wie bereits angemerkt, kann hier die Darstellung der bisherigen Ansichten in der Literatur knapp ausfallen, da die Problematik der Einbeziehung der gemeindlichen Gemeinwohlinteressen in diesen Fällen noch nicht eingehend aufgearbeitet wurde.399 Die Entscheidungen des BGH wurden zwar durchaus zahlreich im Schrifttum beachtet, da in den Urteilen viele relevante Einzelfragen thematisiert wurden wie etwa die Abgrenzung zwischen den Prüfungsmaßstäben §§ 307 ff. BGB und § 11 Abs. 2 BauGB, zwischen Preishaupt- und Preisnebenabrede, die zulässige Länge der Bindungsfristen bei Verkauf zum und unter Verkehrswert oder die Rechtsfolgen einer eventuellen Unwirksamkeit mit Blick auf das Verbot geltungserhaltender Reduktion.400 Mit Blick auf die Forschungsfrage wird an dieser Stelle allerdings die Interessenabwägung in den Vordergrund gestellt. Dabei ist noch einmal zu betonen, dass im Rahmen von städtebaulichen Verträgen einhellig davon ausgegangen wird, dass städtebauliche Allgemeininteressen einbezogen werden können, wohingegen die herrschende Meinung dies für §§ 305 ff. BGB ablehnt.401 Indem der BGH in der Entscheidung aus dem März 2018 im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ohne Vorliegen eines städtebaulichen Vertrages und der Prüfung anhand von § 11 Abs. 2 BauGB öffentliche Interessen der Allgemeinheit in die Abwägung eingestellt hat, widerspricht er der herrschenden Meinung in der Literatur.

399 Vgl. BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, MittBayNot 2019, 86 (m. Anm. Grziwotz); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, MittBayNot 2019, 81 (m. Anm. Grziwotz); Leidner, DNotZ 2019, 83; BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, WuB 2019, 190 (m. Anm. Schinkels) und ZfIR 2018, 655 (m. Anm. Zintl/Simon) sowie IMR 2018, 385 (m. Anm. Butzmann) und LMK 2018, 411598 (m. Anm. Ulrici); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, IMR 2018, 435 (m. Anm. Brinkmann) und ZfIR 2018, 745 (m. Anm. Krautzberger). 400 Übersichtliche und instruktive Darstellung bei Herrler/Hertel/Kesseler/Hertel, Aktuelles Immobilienrecht 2019, S. 307 ff.; Herrler/Hertel/Kesseler/ders., Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 341 ff. 401 BGH 7. 10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 (179 f.): „Das Bestreben des am ,grauen Markt‘ nicht beteiligten Käufers, die langen Lieferzeiten nicht durch spekulative Vorratsbestellungen anderer noch verlängern zu lassen, kann die Bekl. nicht unmittelbar geltend machen. Bei der nach § 9 AGB-Gesetz erforderlichen Interessenabwägung kann es – abgesehen von hier nicht vorliegenden Sonderfällen wie z. B. der Interessenwahrung von Versicherten durch die Versicherung – nur um die Wahrnehmung eigener Interessen der Vertragspartner gehen, nicht um diejenigen Dritter, zu deren Wahrung die Vertragspartner nicht verpflichtet und daher bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen auch nicht berechtigt sind.“; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 52; Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; Westermann, AcP 208 (2008), 141 (172 f.); Schweitzer, AcP 220 (2020), 544 (573); Prütting/ Wegen/Weinreich/K. P. Berger, § 307 Rn. 6; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 230 hält Interessen der Allgemeinheit zwar für berücksichtigungsfähig, versteht darunter aber in Rn. 231 Grundrechte und menschenrechtliche Wertungen, die ohnehin zu beachten sind und stellt dann richtig fest: „Andererseits entbindet dieser Befund nicht von der Unzulässigkeit der Auferlegung übermäßiger gesetzesfremder Lasten“.

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(2) Stellungnahme Die Begründung des BGH zur Angemessenheit der Mehrerlösklausel muss äußerst kritisch gesehen werden und vermag kaum zu überzeugen. Zunächst stellt der BGH seine ständige Rechtsprechung dar, dass eine unangemessene Benachteiligung vorliege, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.402 Zur Beurteilung bedürfe es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrags, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einzubeziehen seien.403 Auf Käuferseite führt der BGH an, dass ihm alle mit dem Eigentum verbundenen Vorteile gebühren, also auch etwaige Wertsteigerungen der Kaufsache. Dazu ließe sich noch ergänzen, dass eingetretene Wertzuwächse sogar als vermögenswerte Rechte im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu qualifizieren sind.404 Diese Rechte des Käufers schränke die Mehrerlösklausel ein, wobei dies unabhängig davon gelte, ob das Grundstück von vorneherein mit dem Ziel eines kurzfristigen, gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben wurde oder sich die Absicht der Weiterveräußerung erst nach dem Erwerb des Grundstücks eingestellt hat.405 Wie oben dargestellt, wäre es auch nach Ansicht des BGH unzulässig, wenn die Gemeinde diese Klausel aus reiner Gewinnabsicht vereinbarte, denn dann setzte sie ihre eigenen Interessen in unangemessener Weise auf Kosten des Käufers durch. Möchte sie von künftigen Bodenwertsteigerungen profitieren und das Grundstück dabei nicht selbst nutzen, gibt der BGH den Hinweis, dass sie ein Erbbaurecht an dem Grundstück vergeben müsste.406 Ausnahmsweise könne aber auch die Mehrerlösklausel zulässig sein, wenn die Gemeinde ein anerkennenswertes, nicht finanzielles Interesse habe, also hier die Verhinderung von kurzfristigen Spekulationen mit unbebauten Grundstücken.407 Dabei handelt es sich offenkundig um ein ideelles Interesse, das angesichts der weiter steigenden Grundstücks- und Häuserpreise sowie der damit zusammenhängenden

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BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 26). Siehe Fn. 402. 404 BVerwG 3. 07. 1998 – 4 CN 5.97, NVwZ 1999, 407 (409), misst die Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen an Art. 14 GG; eingehend Huber, Der planungsbedingte Wertzuwachs als Gegenstand städtebaulicher Verträge, S. 28 ff.; ders., DÖV 1999, 173 (175). 405 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 27). 406 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28). 407 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29). 403

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Preissteigerung am Mietmarkt dem Wohl der Allgemeinheit dient.408 Aus Sicht der Gemeinde trägt sie dazu bei, dass Grund und Boden in der Region nicht weiter Teil der Preisspirale werden, sondern auch Personengruppen mit mittleren Einkommen und Vermögen weiterhin in der Lage sind, dort Wohneigentum aufzubauen. Im Ergebnis soll damit verhindert werden, dass das Gemeindeleben langsam aufgrund von sinkenden Arbeits- und Freizeitaktivitäten ausstirbt und das Bauland zur bloßen Geldanlage für finanzkräftige Investoren wird. Bezüglich dieses Ziels führt der BGH dann allerdings nur aus, dass die Gemeinde erreichen möchte, dass bebaubare Grundstücke bebaut werden und verweist auf § 4 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG).409 Dort ist geregelt, dass Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und die von ihnen wirtschaftlich abhängigen Unternehmen in ausreichendem Umfang geeignete Grundstücke als Bauland für den Wohnungsbau unter Berücksichtigung der Anforderungen des Kosten und Flächen sparenden Bauens zu Eigentum oder in Erbbaurecht überlassen sollen. Die Gemeinden sollen weiter im Rahmen der Gesetze dafür Sorge tragen, dass für den Wohnungsbau erforderliche Grundstücke bebaut und erforderliche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Der BGH macht dann deutlich, dass die Gemeinde dafür nicht auf das Mittel des städtebaulichen Vertrages beschränkt sei und sich schließlich dieser Zweck aus der Lage des Grundstücks in einem Wohngebiet ergebe; weiterer Feststellungen zu den Absichten der Gemeinde bedürfe es nicht.410 Die Argumentation des BGH überzeugt nicht. Zunächst ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus dem angeführten Wohnraumförderungsgesetz eine Konsequenz für eine gemeindliche Klausel zur Verhinderung von Grundstücksspekulation ableiten lassen sollte, denn die gesetzlichen Vorgaben betreffen, wenn überhaupt, nur das Interesse der Bebauung der Grundstücke. Eine solche Baupflicht wird aber nach der Rechtsprechung des BGH sinnvollerweise mit einem Rück- bzw. Wiederkaufsrecht 408 Auch die Bundesregierung erkennt die Grundstücksspekulation als ein anzugehendes Problem an, vgl. im Zusammenhang mit der Reform der Grundsteuer C auf eine Kleine Anfrage von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BT-Drs. 19/ 2345, S. 1, 9. 409 Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG), BGBl. I 2001, S. 2376. Dies ist zumindest nicht ganz präzise, da durch die Föderalismusreform I im Jahr 2006 für den sozialen Wohnungsbau die Zuständigkeit der Länder herbeigeführt wurde, vgl. BT-Drs. 16/813, S. 9. Soweit das Wohnraumförderungsgesetz des Bundes nicht durch landesrechtliche Regelungen ersetzt wird, bleibt es allerdings weiterhin gültig, Art. 125a Abs. 1 GG. Eine Enumeration aller von den Ländern erlassenen Regelungen findet sich im Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Einzelfragen zum Stand des sozialen Wohnungsbau“, WD 7–3000–019/20, S. 11 ff.; übersehen wurde dabei der zwischenzeitliche Erlass des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Wohnraumförderungsgesetz – BbgWoFG) vom 05. 06. 2019, GVBl. I, Nr. 17. Siehe dazu unter § 6 III. 1. 410 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 30).

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abgesichert. Die Mehrerlösklausel ist hingegen völlig ungeeignet, eine Baupflicht abzusichern, da bei Verstoß gegen die Klausel nur ein Zahlungsanspruch gegen den Käufer entsteht, das Grundstück weiterhin unbebaut ist und sogar noch im Eigentum eines Dritten steht, gegen den die Gemeinde nun keinerlei vertragliche Handhabe mehr hat. Somit muss die Erwägung zur Vereinbarung dieser Bestimmung (wie der BGH ebenfalls vorher festgestellt hat)411 über die Bebauung hinaus gehen und auch die Spekulationsprävention umfassen. Zur Verhinderung von Grundstücksspekulation existieren jedoch keine gesetzlichen Vorgaben, die dieses Ziel als Aufgabe der Gemeinde ausweisen würden. Auch die Lage des Grundstücks in einem Wohngebiet ist nicht tauglich, einen solchen Klauselzweck darzulegen. Damit argumentiert die Kommune einzig und allein damit, dass sie ein Interesse der Allgemeinheit ohne gesetzliche Verpflichtung wahrnehme und aufgrund dessen ausnahmsweise Klauseln vereinbaren könne, die ein Privater nicht verwenden dürfte. Was damit als anerkennenswert gilt, ist nicht gesetzgeberisch umformt, sondern letztlich dasjenige Interesse, was die Gemeinde eben als solches vorbringt. Für nahezu jede Klausel, die die Gemeinde in ihren Verträgen als Verkäuferin, Vermieterin, Verpächterin usw. vereinbart, lassen sich Gründe finden, die die Gemeinde als Treuhänderin des Gemeinwohls verfolgt und dabei über ihr bloßes Interesse zur Erschließung neuer Einnahmequellen hinausgehen. Die Gemeinde legitimiert die ansonsten unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners mit ihrer Gemeinwohlbindung und kehrt diese Bindung damit in ihr Gegenteil, da jene zur Begrenzung der Gestaltungsmacht der öffentlichen Hand dient, nicht zur Erweiterung dessen, was am Maßstab privaten Handels unwirksam wäre.412 So könnte die Gemeinde etwa Klauseln, die eine umweltbelastende Aktivität ihrer Vertragspartner mit einer Zahlungspflicht belegen, mit dem pauschalen Verweis darauf, dass die Vertragsbestimmung schließlich dem Klimaschutz diene – was mit Sicherheit ein anerkennenswertes Interesse darstellt – zur Wirksamkeit verhelfen. Dies ginge allerdings deutlich zu weit. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Gemeinde explizit gesetzlich zum Schutz des Klimas in ihrer Vertragsgestaltung verpflichtet wäre.413 411

BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 29). Vgl. auch zur Betätigung der öffentlichen Hand in privaten Unternehmen Badura, in: FS Schlochauer, S. 3 (14): „Daraus allein, daß mit der Beteiligung das Gemeinwohl oder ein bestimmtes öffentliches Interesse angestrebt wird, erlangt die öffentliche Hand keine besonderen, den gesellschaftsrechtlich umschriebenen Rechtsstatus ändernden oder durchbrechenden Befugnisse.“; zur umgekehrten Begrenzung der Handlungsfreiheit von Privatrechtssubjekten durch „Gemeinwohlbelange, soweit ihnen vermittels gesetzlicher Vorschriften zum Durchbruch verholfen werden soll“ Habersack, AcP 220 (2020), 594 (596, 600 f.). 413 Dazu siehe unter § 4 II. 2.; das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) vom 23. 11. 2020 (GVBl., S. 598, 656) sieht keine Verpflichtungen für Kommunen, sondern nur Empfehlungen vor, vgl. Fellenberg/Guckelberger, in: Fellenberg/Guckelberger, KlimaschutzR, Einl. Rn. 21; nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) vom 12. 12. 2019 412

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Auch führt der Einwand, dass regelmäßig in Konstellationen der Veräußerung von Bauland der Gemeinden an Private ein städtebaulicher Vertrag vorliegt, nicht dazu, dass die Gemeinde öffentliche Interessen in Form von städtebaulichen Interessen in die Abwägung einstellen darf. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung oder die Deckung des Wohnbedarfs der einkommensschwächeren und weniger begüterten örtlichen Bevölkerung sein. Dies ist beispielsweise schon der Fall, wenn die Gemeinde dem Käufer eine Bauverpflichtung nach den Vorgaben eines Bebauungsplans auferlegt oder im Rahmen eines Einheimischenmodells Bauflächen unter dem Verkehrswert veräußert.414 Sodann vollzieht sich die Angemessenheitskontrolle im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags gemäß § 11 Abs. 2 BauGB, der im Gegensatz zum AGB-Recht den gesamten Vertrag in den Blick nimmt und somit nachteilhafte mit vorteilhaften Regelungen in Ausgleich bringt.415 Zwar ist bei der Prüfung nach § 307 BGB auch der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen,416 eine Kompensation wird nach der Rechtsprechung aber grundsätzlich nur durch konnexe, in Wechselbeziehung zueinander stehende Klauseln zugelassen.417 Weiter richten sich die Folgen der Unwirksamkeit einer Klausel im AGB-Recht nach § 306 BGB, wohingegen bei einem privatrechtlichen städtebaulichen Vertrag § 139 BGB bzw. bei einem öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Vertrag § 59 Abs. 3 VwVfG einschlägig ist.418 Bei Anwendung des öffentlich-rechtlichen Prüfungsmaßstabs des § 11 Abs. 2 BauGB sind städtebauliche Interessen der Gemeinde, die oft Allgemeininteressen darstellen, unstrittig einzubeziehen.419 Wenn diese im Rahmen von § 307 Abs. 1 BGB keine Berücksichtigung finden, unterscheiden sich die beiden Regime nicht nur hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen und ihrem formellen Abwägungsvorgang, sondern auch anhand der materiellen Abwägungsinteressen. Deshalb ist entscheidend, ob der (BGBl. I, S. 2513) haben Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele nur allgemein zu berücksichtigen, § 13 Abs. 1 S. 1 KSG. 414 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 (103); BGH 26. 6. 2015 – V ZR 271/ 14, NJW 2015, 3169 Rn. 8; BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1415 Rn. 9). 415 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 (102). 416 Für Verbraucherverträge ergibt sich dies sogar explizit aus Art. 4 Abs. 1 Klausel-RL, siehe MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 36; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 116. 417 BGH 01. 12. 1981 – KZR 37/80, BGHZ 82, 238 (240) = NJW 1982, 644 (646); bestätigend BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (889 f.). 418 Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 11 BauGB Rn. 81; Schwemer, NVwZ 2022, 1166 (1169); zur Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Verträgen siehe treffend BeckOK/Hoffmann, § 11 BauGB Rn. 4 f. 419 Siehe Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 11 BauGB Rn. 75 ff., 81.

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spezialgesetzliche städtebauliche Kontrollmaßstab den strengeren Maßstab der §§ 305 ff. BGB verdrängt. In einem Grundsatzurteil erklärte der BGH das in § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB kodifizierte Gebot angemessener Vertragsgestaltung für städtebauliche Verträge zu einer erschöpfenden Regelung, neben der das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung finden könne.420 Nicht entschieden wurde, ob das auch für Verbraucherverträge gilt, die nach Umsetzung der Klausel-RL abgeschlossen wurden. Seit nunmehr über 20 Jahren ließ der BGH diese Frage in allen Fällen offen. Richtigerweise muss im Anwendungsbereich der Richtlinie auch AGBRecht zur Anwendung kommen, selbst wenn es sich nach deutscher Qualifikation um einen städtebaulichen Vertrag handeln mag. Zunächst wird in den Erwägungsgründen der Richtlinie eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass diese auch für die gewerbliche Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rahmen gilt.421 Darüber hinaus lautet die Definition eines Gewerbetreibenden in Art. 2 lit. c): „eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist.“ Die Abgrenzung im deutschen Recht zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Regelungen kann nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich europäischen Verbraucherschutzrechts verändert wird.422 Damit ist die Gemeinde auch bei städtebaulichen Verträgen über Grundstücke mit Verbrauchern an den AGB-Kontrollmaßstab gebunden, was insbesondere bei Einheimischenmodellen und generell bei der Veräußerung für Wohnzwecke regelmäßig der Fall sein wird. Die Klausel-RL enthält somit – wie eingangs erwähnt – zwar keine Vorgaben für die Frage, welche Interessensgruppen in der Inhaltskontrolle zu berücksichtigen sind, führt allerdings sehr wohl auf einer vorgelagerten Ebene überhaupt erst zur Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB bei städtebaulichen Verträgen mit Verbrauchern. Auch außerhalb der europarechtlichen Vorgaben erscheint es höchst zweifelhaft, ob durch § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB beabsichtigt sein soll, den Schutzstandard für private Unternehmen in Verträgen mit der öffentlichen Hand abzusenken, weshalb auch die zivil- und sogar die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung mittlerweile dazu übergegangen sind, beide Regelungen kumulativ zu prüfen.423 Die unterschiedliche Interessenberücksichtigung der beiden Maßstäbe könnte sich sehr wohl 420

BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93. ABl. L 95, S. 29 (30). 422 Vgl. auch Grziwotz, NVwZ 2002, 391 (394). 423 Siehe zu dieser höchst umstrittenen Konstellation mit umfangreichen Nachweisen aus zivil- und verwaltungsrechtlicher Rechtsprechung sowie Literatur Krautzberger, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauGB Rn. 171 ff.; rein formell hat aber jedenfalls der BGH seine alte Rechtsprechung nicht aufgegeben; dafür ebenfalls Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen gemäß § 11 BauGB, S. 243 f. 421

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auswirken, indem eine Klausel § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB standhält, aber nicht § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wobei es im Grundsatz auch nicht überraschend ist, dass andere Interessen zu berücksichtigen sind als im Privatrecht, da die Norm des BauGB richtigerweise nur eine Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist.424 Auch darin kann ein weiteres Argument für die ebenfalls notwendige AGB-Prüfung gesehen werden, denn wenn § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB nur feststellt, was nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ohnehin schon gilt,425 wäre seine einzige konstitutive Rechtsfolge, dass auf städtebauliche Verträge das AGB-Recht nicht anwendbar sein soll. Eine solche Interpretation würde außerhalb der zulässigen Gesetzesauslegung liegen und ist aus diesem Grunde abzulehnen.426 Der Versuch der Verlagerung der öffentlichen Interessen aus der Inhaltskontrolle in die Angemessenheitsprüfung muss daher scheitern. Dies führt schließlich zur allgemeinen, grundsätzlichen Debatte um die Einbeziehung dieser öffentlichen Gemeinwohlinteressen im Rahmen der Inhaltskontrolle, die im folgenden Abschnitt behandelt werden soll.

II. Kritik und eigener Ansatz Dafür werden erst die Probleme der bisherigen Sichtweisen herausgearbeitet und im Anschluss ein eigener Vorschlag zur Lösung präsentiert. 1. Probleme der bisherigen Sichtweisen Die Rechtsprechung hat bislang keine stringente, über den Einzelfall hinausgehende Ansicht zur Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit im Rahmen der Inhaltskontrolle entwickelt, sondern berücksichtigt sie teils, andernfalls aber auch wieder nicht, was zu Rechtsunsicherheit und Widersprüchlichkeiten führt.

424 Zuletzt BGH 26. 6. 2015 – V ZR 144/14, NJW 2015, 3436 (3438); so kann auch im Rahmen der städtebaulichen Angemessenheitskontrolle das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kontrolliert werden kann, was im Rahmen der AGB-Kontrolle nicht möglich ist, siehe BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 (101); dazu auch zutreffend Niemeyer, MittBayNot 2016, 120 (124); auch Krüger, ZNotP 2010, 450 (452) geht davon aus, dass sich die beiden Kontrollmechanismen in ihren Voraussetzungen und Konsequenzen nicht ganz decken. 425 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 (98): „Die Vorschrift verleiht – ebenso wie § 56 I 2 VwVfG für öffentlich-rechtliche Verträge – lediglich für einen speziellen Regelungsbereich dem allgemeinen, verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausdruck.“ 426 So bereits Niemeyer, MittBayNot 2016, 120 (124).

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Auch das Schrifttum zeigt ein uneinheitliches Bild und wurde insbesondere durch einen Aufsatz von Baetge beeinflusst, der in einigen Kommentaren Berücksichtigung gefunden hat.427 Dort werden mehrere Argumente für die Einbeziehung von Allgemeininteressen in der Inhaltskontrolle genannt, die der Überprüfung bedürfen.428 So soll kein Gegensatz zwischen Inhalts- und Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB bestehen, bei der Interessen der Allgemeinheit unbestritten zu berücksichtigen sind, denn auch die AGB-Kontrolle müsse die rechtliche und gesellschaftliche Wertordnung beachten und dürfe sich nicht außerhalb dieser vollziehen.429 Dies kann vor dem Hintergrund des völlig anderen Normzwecks von § 138 BGB nicht überzeugen, zumal Rechtsgeschäfte, die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zuwider laufen, nicht schon aus diesem Grunde per se sittenwidrig sind, sondern auch im Rahmen von § 138 BGB besondere Umstände hinzukommen müssen wie die bewusste Vereitelung der Rechte Dritter, die Verleitung zum Vertragsbruch oder das kollusive Zusammenwirken von Vertreter und Geschäftspartner.430 Richtig ist, dass die AGB-Kontrolle die „rechtliche Wertordnung“ zu beachten hat, was beispielsweise durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 307 Abs. 3 BGB deutlich zum Ausdruck kommt, da die gesetzliche Wertung zum Bezugspunkt der Abweichung gemacht wird und nicht von Rechtsvorschriften abweichende Klauseln gar nicht kontrolliert werden können. Auch kann man die gesellschaftliche Wertordnung für relevant erachten, wenn damit die grundrechtliche Einflusswirkung über die Generalklausel gemeint ist und dadurch gesellschaftlichen Werten zur Geltung verholfen wird. Eine Einbeziehung von Allgemeininteressen kann man daraus hingegen nicht ableiten. Ein wichtiger Grund für die Beachtung der Allgemeininteressen sei das Gebot der umfassenden Interessenabwägung, dem nämlich widersprochen werde, wenn die öffentlichen Belange ausgeblendet werden.431 Diese Folgerung geht ebenfalls zu weit, da das Erfordernis der umfassenden Interessenabwägung kein taugliches Kriterium für den Schluss auf zu berücksich427

Baetge, AcP 202 (2002), 972; eingehend und überwiegend ablehnend damit auseinandergesetzt haben sich Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, § 307 BGB Rn. 137 f. 428 Zunächst wendet sich Baetge gegen das zugegebenermaßen schwache Wortlautargument siehe Baetge, AcP 202 (2002), 972 (979), und hält den Wortlaut von § 307 BGB aufgrund des Generalklauselcharakters für unerheblich („wenig bis gar keine Aussagekraft“), argumentiert sodann aber selbst mit dem Wortlaut der Norm. 429 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (980); a. A. Damm, JZ 1986, 913 (923). 430 Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 470 m. w. N.; zum Normzweck siehe MüKo/Armbrüster, § 138 BGB Rn. 1 ff. 431 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (981 f.); Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 137.

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tigende Interessengruppen darstellt. Begründet wird dieses normative Gebot mit der aus Treu und Glauben verbundenen Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, weshalb der BGH auch oft die gebotene umfassende Abwägung der berechtigten oder beteiligten Interessen formuliert.432 Wenn „umfassend“ meinte, dass alle Interessen einzubeziehen seien, wäre nicht zu erklären, warum beispielweise das Preisargument unzulässig ist.433 Die umfassende Interessenabwägung soll vielmehr verhindern, dass der Rechtsanwender die Belange einer Partei einseitig berücksichtigt oder vernachlässigt; unberechtigte Interessen können jedoch auch nicht durch den Ruf nach einer umfassenden Interessenabwägung Eingang finden.434 Schließlich findet sich daneben auch der Hinweis, dass der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung für die Berücksichtigung der Gemeinwohlbelange streite.435 Die Anführung dieses methodischen Hilfsbegriffs überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Das Ideal der Einheit der Rechtsordnung kann grundsätzlich argumentativ bei Normenwidersprüchen oder -kollisionen herangezogen werden, hingegen nicht, um divergierende Maßstäbe in unterschiedlichen Rechtsgebieten aufzulösen.436 Im Ergebnis seien öffentliche Interessen in drei Fallgruppen relevant: erstens Klauseln, die im Zusammenhang mit der Erfüllung eines besonderen öffentlichen Auftrags des Verwenders stehen; zweitens Vertragsbestimmungen, die dem Schutz öffentlicher Rechtsgüter dienen. Die dritte Fallgruppe umfasst Klauseln, die ein Eindringen in die Persönlichkeitssphäre des Vertragspartners gestatten.437 Belegt wurden die Gruppen im Wesentlichen mit den oben untersuchten Rechtsprechungsfällen, wobei sich gezeigt hat, dass diese Einteilung in dieser Weise nicht 432

Nur BGH 08. 03. 2005 – XI ZR 154/04, BGHZ 162, 294 = ZIP 2005, 798 (801); siehe für zahlreiche Nachweise Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 96: „umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner“; auch Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 174. 433 Siehe auch v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 154: „Bei dieser Abwägung dürfen aber nicht einfach alle denkbaren Gesichtspunkte auf einmal und einheitlich miteinander abgewogen werden.“ 434 Soergel/Fritzsche, § 307 BGB Rn. 48; v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 150. 435 So Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 137, der allerdings in Rn. 138 das Gesagte wieder deutlich einschränkt: „Allerdings bedarf die Berufung auf die (angebliche) Förderung von Gemeinwohlinteressen einer Begrenzung, die an die Legitimation der Inhaltskontrolle (Kompensation des gestörten Vertragsmechanismus, beschränkte Funktionsfähigkeit des Konditionenwettbewerbs) anknüpft. Daher genügt kein beliebiger oder formaler Gemeinwohlbezug wie z. B. ,besonderer öffentlicher Auftrag‘ oder ,Schutz öffentlicher Güter‘. Vielmehr muss der Vertrag bzw. die Klausel gerade dazu dienen, ein spezifisches wettbewerbliches bzw. auf den Abschluss oder die Durchführung des Vertrages bezogenes Defizit zu überwinden.“; a. A. Franck, ZHR 181 (2017), 955 (976). 436 Vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie und Juristische Methodenlehre, Rn. 774 ff. 437 Zum Ganzen Baetge, AcP 202 (2002), 972 (993).

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vorgenommen werden kann. Bei Untersuchung der gesamten Rechtsprechung allein des BGH ließen sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch weitere Einzelfälle finden, in denen das Gericht bislang unbemerkt öffentliche Gemeinwohlbelange im Rahmen der Inhaltskontrolle berücksichtigt.438 Die Konsequenzen der oben genannten Ansicht wären allerdings dramatisch: Soll so für Klauseln in einem privatrechtlichen Vertrag, den beispielweise eine Gemeinde grundsätzlich als Handlungsform439 wählen kann, ein anderer Maßstab als zwischen Privaten gelten, weil sie als Träger öffentlicher Gewalt Ziele des Gemeinwohls verfolgt und der Vertragspartner deshalb nicht unangemessen benachteiligt wird? Eine derartige Sichtweise ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Gemeinde sich bewusst auf eine Ebene mit dem Bürger begibt, um größtmögliche Flexibilität zu erlangen.440 Dennoch würde sie ihm gegenüber aber privilegiert, wenn sie grundsätzlich unangemessene Klauseln mit ihrem öffentlich-rechtlichen Handlungsauftrag rechtfertigen darf.441 Aber auch darüber hinaus könnte bei Zugrundelegung dieser Ansicht sogar jeder Private, insbesondere etwa gemeinnützige (eingetragene) Vereine, Stiftungen oder gGmbHs, unter Berufung auf den Schutz eines öffentlichen Auftrags oder Rechtsgüter weitgehendere und vorteilhaftere Klauseln in seinen Verträgen vereinbaren, als dies sonst möglich wäre. Zuzustimmen ist Baetge aber dahingehend, dass es privatrechtliche Verträge gibt, bei denen eine Partei dem Gemeinwohl verpflichtet ist und in Erfüllung eines besonderen öffentlichen Auftrags handelt.442 Dazu können insbesondere die Fälle der 438

Franck, ZHR 181 (2017), 955 (976 ff.) nimmt zB noch einen Seitenblick auf BGH-Fälle zur Transparenzkontrolle von Bankentgelten vor oder betrachtet Laufzeitklauseln, bei denen der BGH entgegen Stimmen im Schrifttum den Schutz des Wettbewerbs als maßgebliches Interesse für die Inhaltskontrolle abgelehnt hat; Baetge, AcP 202 (2002), 972 (984 f.) nennt etwa noch Fälle zum Datenschutz und ordnet diese seiner dritten Fallgruppe zu; Croon-Gestefeld, Gemeininteressen im Privatrecht, S. 277 f., zur Tendenz, dass Gerichte die mitunter von einem Interessenausgleich berührten Gemeinwohlinteressen selten ausdrücklich erwähnen. 439 Zur Formenwahlfreiheit siehe etwa BGH 12. 12. 1980 – V ZR 43/79, NJW 1981, 916; BGH 24. 06. 1983 – V ZR 167/82, NJW 1984, 924; BGH 05. 04. 1984 – III ZR 12/83, BGHZ 91, 84. 440 So entgeht sie etwa dem Koppelungsverbot im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrages siehe grundlegend dazu BVerwG 6. 7. 1973 – IV C 22/72, NJW 1973, 1895; insbesondere die Vereinbarung von Leistungs- oder Zahlungspflichten zugunsten einer beliebigen, wenn auch legitimen öffentlichen Aufgabe ist unzulässig, siehe BVerwG 16. 5. 2000 – 4 C 4/ 99, BVerwGE 111, 162 (169) sowie die Konkretisierungen des allgemeinen rechtsstaatlichen Koppelungsverbotes in § 56 Abs. 1 VwVfG oder § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB. 441 Deutlich Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 44: „Gerade in den Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand und in öffentlich-rechtlichen Verträgen findet sich eine Vielzahl bedenklicher Klauseln. Die Erfahrung zeigt, daß staatliche Körperschaften sich nicht nur gegen AGB zu wehren, sondern den Spieß vielfach umzudrehen und von sich aus mit besonderer Skrupellosigkeit unangemessene AGB zu stellen wissen.“ 442 Baetge, AcP 202 (2002), 972 (980).

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Treuhandanstalt angeführt werden.443 Dies als Ausgangspunkt genommen, soll im nächsten Abschnitt ein eigener Ansatz vorgestellt werden, der die Problematik einer konsistenten Lösung zuführt und auch unter Beachtung des Sinn und Zwecks der Inhaltskontrolle überzeugt. 2. Eigener Ansatz Schon Ludwig Raiser als einer der einflussreichsten Autoren zum modernen Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Deutschland schrieb: „Neben und über dem Interesse der Parteien auch dem der Gesamtheit der Kunden, verlangt bei der Auslegung der AGB das öffentliche Interesse stets entschiedene Rücksicht.“444

Dies könnte als Plädoyer für den Einbezug von Gemeinwohlinteressen in der AGB-Kontrolle verstanden werden. Bei weiterer Lektüre wird allerdings deutlich, dass etwas anderes damit gemeint ist: „Es ist, wie wir wissen, hier stärker im Spiel als beim gewöhnlichen Individualvertrag. Der Richter entscheidet nie bloß einen vereinzelten Streitfall, sondern seine Auslegung kann für eine große Zahl von Fällen richtunggebend werden. Dementsprechend muß er bei jeder Entscheidung das öffentliche Interesse mit im Auge behalten.“445

Raiser spricht also nicht von Gemeinwohlinteressen in der Abwägung, sondern generell von einer Folgenberücksichtigung im Zivilrecht446 und besonders der überindividuellen Schutzzweckdimension des AGB-Rechts.447 Auch für die Lösung der zuvor ausgebreiteten Probleme ist die Vergegenwärtigung der Ziele und vor allem Sinn und Zweck der Inhaltskontrolle essenziell.448 Legitimationsgrund der AGB-Kontrolle ist nach inzwischen herrschender Meinung das partielle Marktversagen aufgrund rationalen Desinteresses.449 Nach der ökonomischen Analyse in443

Siehe dazu unter § 4 I. 3. e) cc). L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 253. 445 L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 253; vgl. auch ders., in: Universität Tübingen, Summum ius, summa iniuria, S. 145 (146 ff.); ausführlich zur überindividuellen Rechtfertigung Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, S. 614 ff.; zu L. Raiser als Teil der privatrechtlichen Leiterzählung siehe Croon-Gestefeld, Gemeininteressen im Privatrecht, S. 60. 446 Dazu ausführlich Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, S. 5 ff. 447 Zu der Entwicklung in den Schutzzwecklehren ausführlich Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 540 ff.; siehe auch international zum Gemeinwohl als Schutzzweck etwa Schillig, E.L. Rev 33 (2008), 336 (338): „The Court went one step further in its most recent decision where it lifted the ,public interest underlying the protection which the Directive confers on consumers‘ into the lofty spheres of public policy.“ 448 Siehe auch zur Rückbesinnung auf die Ziele des AGB-Rechts Kieninger, AnwBl. 2012, 301 ff. 449 Nicht abschließend etwa Mu¨ Ko/Fornasier, Vor § 305 Rn. 4 ff.; ders., Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 147 ff.; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 32; 444

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vestiert der Vertragspartner vernünftigerweise keine Zeit und Geld, um entweder eine einzelne Änderung der AGB ggf. unter Heranziehung von Rechtsbeistand zu verhandeln oder andere Anbieter am Markt ausfindig zu machen, deren AGB in dem ein oder anderen Punkt eine für ihn günstigere Regelung enthalten könnten.450 Diese hohen Transaktionskosten führen dazu, dass auch in Märkten, in denen grundsätzlich Wettbewerb herrscht, kein Wettbewerb um AGB stattfindet und schließlich den staatlichen Eingriff zur Behebung dieses Marktversagens rechtfertigt. Die Inhaltskontrolle verfolgt somit das Ziel, die einseitig von dem Verwender ausgenutzte Vertragsfreiheit zu kompensieren und Vertragsgerechtigkeit wieder herzustellen.451 Die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen führte allerdings zu einer öffentlichen Vertragskontrolle, für die keine Rechtfertigung besteht und dem AGBRecht aufgrund des soeben erörterten Schutzzwecks systemfremd ist.452 Dass die Inhaltskontrolle eine Marktordnungsfunktion erfüllt und damit so gesehen im öffentlichen Interesse steht, heißt nicht, dass ihr Prüfungsmaßstab beliebig weitere Marktfunktionsdefizite aufgreifen, lösen und damit Gemeinwohlbelangen entsprechen kann.453 Gemeinwohlinteressen werden durch § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als Mechanismus zum Ausgleich gestörter Vertragsparität daher allenfalls reflexartig454 mitgeschützt und sind nicht explizit zu berücksichtigen. Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (502 ff.); ders., JZ 2010, 875 (879); Leyens/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (782 ff.); Jansen, ZEuP 2010, 69 (84 ff.); grundlegend Kötz, JuS 2003, 209 (211 ff.); krit. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 554 ff.; jüngst insbesondere zum unternehmerischen Geschäftsverkehr umfassend Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, S. 691 ff. 450 Siehe jeweils in Fn. 449; zur ökonomischen Analyse und dem hier vorliegenden Akerlof-Markt siehe umfassend Scha¨ fer/Ott, Lehrbuch der o¨ konomischen Analyse des Zivilrechts, S. 617 ff., zurückgehend auf Akerlof, Quarterly Journal of Economics 84 (1970), 488 ff.; allgemein zur Steuerungsfunktion des Privatrechts durch ökonomische Analyse G. Wagner, AcP 206 (2006), 352 (424 ff.). 451 Auch schon in der Gesetzesentwurfsbegründung zum AGBG BT-Drs. 7/3919, S. 1, 9 f. 452 Vgl. auch Staudinger/Wendland, § 307 BGB Rn. 151; ferner Grundmann, in: FS Canaris, S. 907 (948): „Dies freilich bedeutet keineswegs, dass nicht auch weiterhin Regulierung (von Gemeinwohlzielen) und privatrechtlicher Interessenausgleich in der jeweiligen Analyse und konzeptionell – als je eigene Typen von Zielen – deutlich voneinander getrennt gehalten werden sollten.“; Arnold, Vertrag und Verteilung, S. 409 ff. sieht das Vertragsrecht als Ausprägung der iustitia distributiva auch geeignet zur Verfolgung von Gemeinwohlbelangen, nennt dafür als Beispiele aber nur gesetzliche Grundlagen (im Sinne einer gesetzlichen Regulierung durch Privatrecht); AGB und § 307 BGB werden nicht genannt, da die Verwaltung nicht einfach außergesetzliche Gemeinwohlbelange bestimmen darf. 453 Treffend Franck, ZHR 181 (2017), 955 (980); gegen die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen im Rahmen der AGB-Kontrolle auch Pöschke, JZ 2020, 928 (936 Fn. 107). 454 So ausdrücklich zu §§ 307 bis 309 BGB, BGH 9. 7. 2009 – Xa ZR 19/08, NJW 2009, 3371 (3374); siehe auch BGH 13. 12. 2005 – XI ZR 82/05, NJW 2006, 762 (764); es ging dabei um die Anwendung des Art. 34 EGBGB a. F. für den grundsätzlich erforderlich war,

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2. Teil: Gestaltungsgrenzen aus dem Europa- und AGB-Recht

Was gilt aber nun für Träger öffentlicher Gewalt? Aus dem öffentlich-rechtlichen Status des Verwenders folgen nach allgemeiner Meinung keine Beschränkungen für die Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB, anders gewendet kann dann auch kein Mehr an Handlungsfreiheit für die öffentliche Hand im AGB-Recht entstehen.455 Dies gilt selbst dann, wenn der Klauselinhalt bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Verhältnisses ohne Weiteres zulässig gewesen wäre, denn das Privatrecht unterliegt eigenständigen Grundsätzen.456 Mittelbar können Interessen der Allgemeinheit aber dennoch in der Inhaltskontrolle eine Rolle spielen und zwar durch eine gesetzliche Verpflichtung – unerheblich, ob eines Privaten oder eines Träger öffentlicher Gewalt. Entscheidet sich der Gesetzgeber dazu, natürlichen oder juristischen Personen einen öffentlichen Auftrag zu erteilen, der den Abschluss von Rechtsgeschäften beinhaltet oder sonst durch Gesetz zur Wahrnehmung von bestimmten Interessen innerhalb ihrer Vertragsbeziehungen verpflichtet, müssen diese auch innerhalb der Interessenabwägung eingestellt werden können. Das steht im Einklang mit den Entscheidungen zur Treuhandanstalt, die als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts keine eigenen, von ihrem Einrichtungsgrund abspaltbaren Interessen hat. Die der Anstalt gesetzlich übertragenen Interessen bilden vielmehr ihre eigenen Interessen. Die Gemeinwohlinteressen können somit durch eine gesetzliche Manifestierung zu den eigenen Interessen der Parteien werden. Im Übrigen deckt sich dieser Ansatz mit den Wertungen aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB), im Rahmen derer ein eigenes Geschäft vorliegt, wenn der Geschäftsführer privat- oder öffentlich-rechtliche Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn oder Dritten wahrnimmt.457 Eine Selbstverpflichtung wie z. B. durch eine Satzung458 und durch Vertrag mit einem Dritten wäre allerdings nicht ausreichend für die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen, da in diesem Fall die

dass die zwingende Vorschrift nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und somit Individualbelangen dient, sondern daneben auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt, was vom BGH eindeutig abgelehnt wurde; ausführlich zu öffentlichen Interessen im Internationalen Privatrecht W.-H. Roth, AcP 220 (2020), 458 (463 ff.). 455 Staudinger/Wendland, Vor §§ 307 BGB Rn. 15 m. w. N.; siehe ferner Armbrüster/Hohendorf, JZ 2017, 221 (222 ff.), die e contrario die AGB-Kontrolle zutreffend nicht als Ort der Privilegierung gemeinnützigen Handelns im Privatrecht nennen. 456 BGH 5. 7. 2005 – X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 (2922); BGH 10. 10. 1991 – III ZR 100/ 90, BGHZ 115, 311 (317); Staudinger/Wendland, Vor §§ 307 BGB Rn. 15. 457 Siehe MüKo/Schäfer, § 677 BGB Rn. 41 m. w. N. zur st. Rspr.; jüngst etwa BGH 5. 7. 2018 – III ZR 273/16, NJW 2018, 2714 (2715 Rn. 17); wenn neben dem fremden Geschäft also eine solche Pflichtwahrnehmung erfolgt, liegt immer noch ein auch-fremdes Geschäft vor. 458 Gegen einen Vorrang von Gemeinwohlbelangen bei privatnützigen Gesellschaften durch entsprechende Auslegung des Unternehmensinteresses siehe Habersack, AcP 220 (2020), 594 (626 f. m. w. N.).

§ 4 Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle

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gesetzgeberische Gemeinwohllegitimation fehlt und somit eigenmächtig Gestaltungsspielraum in AGB geschaffen werden könnte. Sollten Gemeinden durch Gesetz zur Verhinderung von Grundstücksspekulation in ihren Kaufverträgen verpflichtet werden, dürften sie dieses Interesse folgerichtig auch im Rahmen der Inhaltskontrolle einbringen.459 Es bestünde dann ein Eigeninteresse am Gemeinwohl.460 Bei hinreichend konkreten Angaben etwa hinsichtlich der Bindungslänge einzelner Klauseln wären diese bei lediglich deklaratorischer Umsetzung normativer Vorgaben aufgrund von § 307 Abs. 3 BGB sogar der Kontrolle insgesamt entzogen. Mit dieser Lösung wäre die inhärente Missbrauchsgefahr der Berufung auf Interessen der Allgemeinheit gebannt, da die zu wahrenden Interessen gesetzlich umformt wären und ein pauschaler Verweis auf Gemeinwohlbelange nicht mehr zur Zulässigkeit der AGB führt. Ein solcher Ansatz verstößt auch nicht gegen den oben ausgeführten Widerspruch, dass eine Gemeinwohlbindung eine Erweiterung des Handlungsspielraums nach sich zieht. Die gesetzliche Verpflichtung bewirkt nämlich für Gemeinden, die in der Praxis wohl den Hauptanwendungsfall ausmachen dürften, keine unangemessene Privilegierung gegenüber Privaten. So geht mit dem gesetzlichen Auftrag zwar ein Gewinn an vertraglicher Gestaltungsfreiheit einher, führt aber im Gegenzug auch hinsichtlich ihres Aufgabenerfindungsrechts zu einem Verlust an Handlungsfreiheit, da sie die ihr übertragenen Aufgaben und Interessen nunmehr erfüllen müssen. 3. Zwischenergebnis Berücksichtigungsfähige Interessen in der AGB-Kontrolle sind die eigenen Interessen der Vertragsparteien, wohingegen Drittinteressen kein eigenes Schutzbedürfnis zukommt. Bei näherem Hinsehen sind auch Interessen der Allgemeinheit nicht relevant für die Interessenabwägung. Mittelbar kann ihnen allerdings Geltung zukommen, wenn eine Vertragspartei zu ihrer Wahrung gesetzlich verpflichtet wurde. In diesem Fall handelt es sich wieder um eigene Interessen, die in der Inhaltskontrolle zu berücksichtigen sind.

459 Dies müsste aufgrund des Aufgabenübertragungsverbot vom Bund an Gemeinden (Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG) regelmäßig durch Landesgesetz geschehen. 460 Aus soziologischer Sicht Hansert, in: Becker/Franzmann/Jansen/Liebermann, Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung, S. 173 ff.; auch Sigmund, in: Becker/Franzmann/Jansen/ Liebermann, Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung, S. 213 (220) mit Verweis auf die ökonomische Theorie von Adam Smith; siehe dazu ferner Schweitzer, in: Kühling/Zimmer, Neue Gemeinwohlherausforderungen – Konsequenzen für Wettbewerbsrecht und Regulierung, S. 41 (42 f.).

Dritter Teil

Gestaltungsvorschläge für die künftige kommunale Grundstücksvergabe § 5 Vertragliche Gestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation Aus der Analyse der berücksichtigungsfähigen Interessen im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB folgte die Erkenntnis, dass der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung zu Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln die Spekulationspräventionsabsichten der Gemeinden unzulässigerweise zu deren Gunsten in die Abwägung einstellte. Auch wenn nach der hier vertretenen Ansicht Gemeinden ihre Zahlungsklauseln nicht mehr mit dem pauschalen Hinweis auf Interessen des Gemeinwohls rechtfertigen können, ist es ihnen dennoch nicht grundsätzlich verwehrt, Grundstücksspekulation durch entsprechende Ausgestaltung der Kaufverträge sinnvoll zu bekämpfen. Denn die bisherige kommunale Gestaltungspraxis ist nicht nur im Hinblick auf das AGB-Recht kritikwürdig, sondern zudem ist fraglich, ob die Gemeinde ihr Ziel der Vermeidung von Grundstücksspekulation durch diese Kautelen überhaupt auf Dauer erreichen kann. Wird gegen das ursprüngliche Veräußerungsverbot verstoßen, erhielte sie bei unterstellter Wirksamkeit der Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln zwar einen Ausgleich in Geld und der Erwerber hätte keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Das Ergebnis ist aber, dass nun ein Dritter Eigentümer des Grundstücks ist, auf den die Gemeinde in der Folge keinen Einfluss mehr hat. Dadurch wird der Umgehung von Einheimischenmodellen durch Strohmanngeschäfte Tür und Tor geöffnet. So könnte ein berechtigter Gemeindebürger das Grundstück vergünstigt erwerben und kurze Zeit später an einen Dritten veräußern, um von diesem eine davon unabhängige Provision zu erhalten, die keinen Mehrerlös darstellt und damit nicht abzuführen wäre. Eine präventive Wirkung der genannten Klauseln kann ebenfalls nicht beobachtet werden, da Erwerber mit Spekulationsabsichten durch die Verwendung solcher AGB nicht abgeschreckt werden. Es ist in der Praxis ganz überwiegend so, dass sich die Pläne der Erwerber erst nach Kauf durch neue persönliche oder arbeitsbedingte Umstände verändern und Zahlungsklauseln somit nicht zu einer Verhaltensänderung der Betroffenen führen. Auch der Blick in andere Rechtsordnungen, in denen bereits in der Vergangenheit Nachzahlungsklauseln von öffentlicher Seite in Grund-

§ 5 Vertragliche Gestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation

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stückskaufverträgen verwendet wurden, zeigt, dass diese Vorgehensweise auf viel Kritik gestoßen ist.461 Aus diesem Grunde ist zu beleuchten, ob kautelarjuristische Instrumente bestehen, die wirksam im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden und gleichzeitig effektiver Grundstücksspekulation verhindern können, als dies durch die bisherige kommunale Vertragsgestaltungspraxis der Fall ist.

I. Allgemeines Zunächst soll dafür allerdings erörtert werden, was unter dem hier verwendeten Begriff der Grundstücksspekulation überhaupt zu verstehen ist und welche anderen Instrumente außerhalb des Kaufvertragsrechts grundsätzlich auch geeignet sein könnten, sich diesem Problem zu widmen. 1. Begriff der Grundstücksspekulation Eine Legaldefinition der Grundstücksspekulation existiert nicht. Die prominenteste Stelle innerhalb der Rechtsordnung, an der Begrifflichkeiten rund um diesen Themenkreis verwendet werden, befindet sich im Steuerrecht (vgl. § 23 Einkommensteuergesetz (EStG)).462 Nach §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken einkommenssteuerpflichtig, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Die ursprüngliche Formulierung „Spekulationsgeschäft“ in der Überschrift und im Gesetzestext hatte jedoch keine normative Bedeutung im Sinne einer Spekulationsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal.463 Diesen Umstand hat der Gesetzgeber klargestellt, indem er die Überschrift in „Private Veräußerungsgeschäfte“ geändert hat und im Gesetzestext von der Formulierung „Spekulationsgeschäfte“ absah.464 Normativ ist der Begriff somit im Rückzug befindlich, wohingegen er im juristischen Sprachgebrauch, in Schrifttum und Rechtsprechung sowie vom Gesetzgeber selbst in seinen Begründungen weiter verwendet wird.465 Rechtlich kann unter Grundstücksspekulation damit ganz allgemein jeder Erwerb mit anschließender Veräußerung eines Grundstücks innerhalb einer 461 So etwa in den Niederlanden, siehe v. Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, S. 64 m. w. N. 462 Daneben verweist Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 286 ff., ebenfalls auf § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 89 BörsG a. F., nunmehr geregelt in § 49 i. V. m. § 26 BörsG, die zur Beschreibung des zivilrechtlichen Spekulationsbegriffes allerdings nicht weiterhelfen. 463 Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rn. 8; vgl. auch Aichberger, in: Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort: Spekulationsgewinne. 464 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BGBl. 1999 I, S. 402 (410). 465 Siehe nur BT-Drs. 14/23, S. 179 f.

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

bestimmten Zeitspanne verstanden werden, ohne dass weitere subjektive oder sonstige Merkmale hinzutreten müssen. Außerhalb der Rechtsordnung ist der Spekulationsbegriff meist negativ konnotiert466 und erlangt neben der Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem in der Ökonomie Bedeutung. Im Unterschied zu der gerade genannten Definition versteht die wirtschaftswissenschaftliche Literatur darunter eine risikobehaftete Ausnutzung von Preisunterschieden innerhalb eines bestimmten Zeitraums zum Zwecke der Gewinnmitnahme.467 Da Spekulanten nichts produzieren und die Güter weder behalten noch den Bedarf anderer damit decken wollen, gilt ihre Tätigkeit als unproduktiv.468 Die Spekulation erfülle jedoch insbesondere an der Börse wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben und steigere die Marktliquidität, was Anlegern praktisch jederzeit Käufe und Verkäufe von Wertpapieren ermögliche.469 Ein funktionsfähiger Sekundärmarkt sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Kapital in großem Umfang für langfristige Unternehmensfinanzierungen zur Verfügung stehe. Die Spekulation trage darüber hinaus dazu bei, die Preisvolatilität zu glätten, da Spekulanten bei niedrigen Preisen kaufen, ihre Nachfrage wiederum zum Kursanstieg führt und auf der anderen Seite bei hohen Preisen verkaufen und so mit ihrem Angebotsüberhang auf sinkende Preise hinwirken.470 Diese Überlegungen lassen sich auf die Spekulation mit Grundstücken nicht übertragen. Die positiven Effekte mögen beim börslichen Handel auftreten, bei dem jeden Tag mehrere Auf- und Abwärtsbewegungen stattfinden und Raum für einen Ausgleich der Kursschwankungen bieten. Im Immobilienmarkt hingegen sind diese – unterstellt, es gibt solche Schwankungen ebenfalls – nicht sichtbar und insgesamt aufgrund der hohen Transaktionskosten und -dauer sowie aufgrund der fehlenden Sicherheit jederzeit kaufen bzw. verkaufen zu können, nicht für kurzfristige Spe466 Bekräftigt wurde diese Konnotation durch die internationale Finanzkrise ab dem Jahr 2007, die maßgeblich durch die Spekulation mit verbrieften Subprimekrediten an den Finanzmärkten ausgelöst wurde, siehe dazu Brockhaus, Enzyklopädie, Stichwort: Subprimekrise. 467 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 289 m. w. N.; das Risiko ergibt sich aus der unsicheren Preisveränderung, im Gegensatz dazu steht die sog. Arbitrage als risikolose Ausnutzung von Preisunterschieden an unterschiedlichen (geografischen) Märkten. 468 Brockhaus, Enzyklopädie, Stichwort: Spekulation (Wirtschaft). 469 Vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, Stichwort: Spekulation (Wirtschaft). 470 Indes kann auch das gegenteilige Phänomen beobachtet werden, indem Spekulanten durch eigene Käufe Preissteigerungen in Gang zu setzen versuchen und andere ebenfalls zu Käufen anzuregen, um bei überhöhten Kursen wieder zu verkaufen. Dies kann zur Steigerung der Volatilität führen und sogar destabilisierend auf die Börsenmärkte und Gesamtwirtschaft wirken; ggf. werden dadurch Ordnungswidrigkeiten verwirklicht, vgl. § 120 Abs. 2 Nr. 3 WpHG mit Verweis auf Art. 15 i. V. m. Art. 12 MMVO (Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission – Marktmissbrauchsverordnung, ABl. L 173/1).

§ 5 Vertragliche Gestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation

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kulationen geeignet.471 Schließlich ist spekulatives Handeln nach ökonomischem Verständnis gekennzeichnet durch die Erwartung steigender oder fallender Preise, auf die an der Börse mit sogenannten Shortpositionen gewettet werden kann. Grundstücke hingegen werden von Spekulanten in aller Regel nur mit steigender Werterwartung gekauft, um so ihr Kapital mit Renditeerwartung zu investieren oder weil sie sich zumindest dort mehr Sicherheit vor Wertverfall als bei anderen Assetklassen versprechen („Betongold“). Damit werden am Immobilienmarkt keine Preisausschläge vermindert, sondern die Spirale dreht sich durch spekulatives Investorenverhalten nur weiter nach oben und führt zu den eingangs beschriebenen Problemen der Wohnraumversorgung. Die Eigenschaften des Spekulationsbegriffs aus den Wirtschafswissenschaften passen somit nicht deckungsgleich auf die gewünschte Verhinderung von Grundstücksspekulation durch Kaufvertragsgestaltung. Auch eine Übernahme der subjektiven Spekulationsabsicht für das hier verwendete Begriffsverständnis ist nicht angezeigt, da es aus Sicht der Gemeinde keinen Unterschied machen kann, ob die Gewinnerzielungsabsicht von vornherein bestand, sich erst nach Erwerb des Grundstücks eingestellt hat oder sogar zu keinem Zeitpunkt vorlag.472 In Übereinstimmung mit der oben genannten rechtlichen Definition ist damit vor allem das zeitliche Moment ausschlaggebend für die Gemeinden, die verhindern wollen, dass zwischen Erwerb und Weiterveräußerung des Grundstücks nur wenige Monate oder Jahre liegen. 2. Instrumente außerhalb des Kaufvertragsrechts Auch Instrumente außerhalb des Kaufvertragsrechts sollen nicht ausgeblendet werden, aber können in ihrem Umfang selbstverständlich nicht umfassend erörtert werden, sodass nur ein Seitenblick auf verschiedene rechtliche Hebel geworfen wird, die in die Diskussion eingebracht wurden. Immer wieder wird die Ausweitung der verschiedenen Vorkaufsrechte als Lösung der bodenpolitischen Probleme angepriesen.473 Durch das Baulandmobilisierungs471 Siehe dazu Knoll, ORDO: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 62 (2011), 115 (121). 472 Nach Ansicht des BFH ist die Spekulationsabsicht zwar kein Tatbestandsmerkmal des privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 EStG, sie werde aber gewissermaßen unwiderleglich vermutet. Deshalb müsse § 23 Abs. 1 EStG dem Steuerpflichtigen insbesondere keinen Nachweis fehlender Spekulationsabsicht offenhalten, siehe BFHE 88, 182; ferner Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 288 m. w. N.; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit umfassend BVerfGE 26, 302. 473 Zuletzt etwa S.Z. vom 29. 04. 2022, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/ geywitz-gesetzentwurf-vorkaufsrecht-1.5575538; Adrian/Bunzel/Michalski/Pätzold, Aktive Bodenpolitik: Fundament der Stadtentwicklung. Bodenpolitische Strategien und Instrumente im Lichte der kommunalen Praxis, S. 108 f.; wie voraussetzungsvoll und rechtsunsicher die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts ist, zeigt das Urteil des BVerwG 9. 11. 2021 – 4 C 1/20, NVwZ 2022, 75. Darin hatte das Gericht die Praxis der Vorkaufsrechtsausübung in

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

gesetz474 wurden ebenfalls eine Reihe von Änderungen am allgemeinen (§ 24 BauGB) und besonderen (§ 25 BauGB) Vorkaufsrecht der Gemeinden vorgenommen sowie insbesondere eine Verordnungsermächtigung zur Bestimmung von Gebieten mit einem sog. angespannten Wohnungsmarkt (§ 201a BauGB) erlassen.475 Dadurch können Gemeinden gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 BauGB im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im Innenbereich (§ 34 BauGB) an brachliegenden Grundstücken ein Vorkaufsrecht durch Satzung begründen, wenn dort vorwiegend Wohngebäude errichtet werden können und es sich zudem um ein nach § 201a BauGB bestimmtes Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt. Zur Verhinderung von Grundstücksspekulation setzt ein Vorkaufsrecht allerdings deutlich zu spät an und kann höchstens noch weiter andauernde Spekulation mit einem Grundstück verhindern. Im Grundsatz kommt mit Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen dem Eigentümer und der Gemeinde ein Vertrag mit dem Inhalt des Erstvertrages zustande, der ein dementsprechend hohes Preisniveau aufweist. Selbst wenn die Gemeinden von ihrem Recht gem. § 28 Abs. 3 S. 1 BauGB Gebrauch machen, den Kaufpreis auf den Verkehrswert (§ 194 BauGB) zu reduzieren, können sie sich oft die Ausübung zum Verkehrswert immer noch nicht leisten.476 Ferner sind die Verkäufer dann nach sozialen Erhaltungsgebieten für einen Großteil der Anwendungsfälle für rechtswidrig erkannt. Die Gemeinden nutzten das Vorkaufsrecht für den Abschluss sog. Abwendungsvereinbarungen, in denen sich Grundstückskäufer etwa dazu verpflichteten, Mietobergrenzen einzuhalten und von der Begründung von Wohnungseigentum abzusehen. Diese Vereinbarungen dürften aufgrund eines Verstoßes gegen das Koppelungsverbot gem. § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB nichtig sein, weil der Vertragspartner der Gemeinde auch ohne die Vereinbarung einen Anspruch auf die behördliche Gegenleistung hätte. Die Bundesregierung prüft, ob sich daraus gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt, siehe Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, 20. Legislaturperiode, S. 70. Krit. dazu F.A.Z. vom 19. 05. 2022, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wohnen/das-vorkaufsrecht-als-hintertuer-18042002. html?premium: „Es geht also gar nicht um das Vorkaufsrecht selbst, was sich auch empirisch belegen lässt: Kam es in der Vergangenheit zu einem Verkaufsfall, also dem Verkauf eines Mehrfamilienhauses in einem Milieuschutzgebiet, übten die Kommunen in nur rund 10 Prozent der Fälle das Vorkaufsrecht aus, zahlten dabei regelmäßig überhöhte Preise (für vorhandenen Wohnraum, statt neuen zu schaffen), und dies, ohne die Bedürftigkeit der Bewohner in irgendeiner Form zu prüfen.“ 474 Gesetz zur Mobilisierung von Bauland, BGBl. I 2021, S. 1802. 475 Siehe zu den einzelnen Änderungen Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2021, 905; vgl. auch Meier/Leidner, MittBayNot 2022, 114, mit Hinweisen zu diesbezüglichen notariellen Gestaltungsfragen. 476 Nach einem Tätigkeitsbericht der Bundesnotarkammer beträgt die Ausübungswahrscheinlichkeit „unter 0,1 Promille“, siehe DNotZ 1997, 514 (530); aktuelle Zahlen sind – soweit ersichtlich – nicht verfügbar. Krit. zu den mannigfaltigen Problemen der (dinglichen) Vorkaufsrechte ebenfalls Everts, in: FS 25 Jahre DNotI, S. 75 (76), der richtig feststellt, dass solche Instrumente nicht geeignet sind, sich eine eventuelle Wertsteigerung des Grundstücks zu sichern; nur indirekt können vorkaufsberechtigt eingetragene Private an Wertsteigerungen partizipieren, wenn sie ihre Blockadeposition im Grundbuch erkannt haben und sich dann ihr Recht teuer abkaufen lassen. Krit. auch Burgi, NVwZ 2020, 257 (263), der zutreffend vertritt, dass mit der Erweiterung der Vorkaufsrechte falsche Hoffnungen genährt würden und in Grundstücksveräußerungsverträgen größere Erfolgschancen für eine zielgenaue Verwirklichung bodenpolitischer Vorstellungen liegen.

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§ 28 Abs. 3 S. 2 BauGB berechtigt, bis zum Ablauf eines Monats nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom Vertrag zurückzutreten, was aufgrund der Dauer bei Inanspruchnahme aller ordentlichen Rechtsbehelfe mitunter Jahre dauern kann. Auch finden Vorkaufsrechte keine Anwendung bei den in der Praxis häufigen Fällen des Verkaufs von Gesellschaftsanteilen (sog. share deal), der Einbringung des Grundstücks in eine Gesellschaft und anderen Rechtsübergängen, die ohne kaufvertragliche Grundlage stattfinden.477 Deshalb ist die rechtliche Ausweitung der verschiedenen Vorkaufsrechte wirkungslos, wenn die faktischen Gegebenheiten eine echte Handhabe verhindern. Öfter genutzt werden sollte daher die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zugunsten Dritter nach § 27a BauGB auszuüben, da die Gemeinde den Kaufpreis dann nicht selbst aufbringen muss. Allerdings trifft die Gemeinde dennoch eine gesamtschuldnerische Haftung für die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag neben dem Begünstigten, vgl. § 27a Abs. 2 S. 2 BauGB i. V. m. § 421 BGB. Der begünstigte Dritte hingegen verpflichtet sich zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung des Grundstücks, § 27a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, soll die Gemeinde die Übertragung des Grundstücks zu ihren Gunsten oder zugunsten eines anderen Übernahmewilligen verlangen, vgl. § 27a Abs. 3 S. 2 BauGB. Die Ausgestaltung als „Soll-Vorschrift“ zeigt, dass die Gemeinde in der Regel zur Rückübertragung verpflichtet ist und nur in atypischen Ausnahmefällen davon absehen kann.478 Diese Wertung des Gesetzgebers lässt sich auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Vorkaufsrechten auf die Ausübung von Wiederkaufsrechten der Gemeinde übertragen und spricht dafür, dass Gemeinden häufiger als bisher in den Fällen zur Verhinderung von Grundstücksspekulation von ihrem vertraglichen Wiederkaufsrecht Gebrauch machen sollten. Nur in absoluten Härtefällen kann es angezeigt sein, dass der Erwerber das Grundstück trotz Verstoßes gegen zulässige vertragliche Bindungen nicht wieder rückübereignen muss. Ein weiteres Vehikel sind Wohnungsbesetzungsrechte (auch Wohnungsbelegungsrechte genannt), zu deren Sicherung eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) des Inhalts eingetragen werden kann, dass auf dem Grundstück errichtete Wohnungen nur an bestimmte Personenkreise, die von der berechtigten Gemeinde benannt werden, zum Gebrauch überlassen werden dürfen.479 Relevant wurden diese Gestaltungen insbesondere, weil sie im Rahmen der vereinbarten Förderung gem. § 88d II. Wohnungsbaugesetz (WoBauG) vorgesehen

477 Siehe zu weiteren internen und externen Grenzen des Vorkaufsrechts Kronisch, NVwZ 2019, 1471 (1473 ff.). 478 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 11 f.; Reidt, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, § 27a BauGB Rn. 10. 479 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1205 m. w. N.; siehe dazu Forschner, MittBayNot 2020, 107 (109 ff.), der überzeugend die Widersprüche innerhalb der Rechtsprechung zu Wohnungsbelegungsrechten aufdeckt.

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

waren, das durch das Wohnraumförderungsgesetz ersetzt wurde.480 Die Frage der Bindungsdauer spielt auch in diesem Themenkomplex eine Rolle, da zeitlich unbefristete Belegungsrechte nicht vorgesehen sind und eine darauf gerichtete schuldrechtliche Vereinbarung nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam ist, und zwar auch dann, wenn die Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat.481 Zwar wird die Eigenschaft eines Grundstücks als Spekulationsobjekt durch solche Wohnungsbelegungsrechte deutlich gemindert, allerdings leidet der soziale Wohnungsbau an einem konzeptionellen Fehler. Damit Investoren sich den Bindungen der Kommune unterwerfen, erhalten sie als Gegenleistung Zuschüsse oder zinsgünstige Darlehen, was bei dem vergangenen allgemeinen Niedrigzinsniveau angesichts der Mietpreisbindungen und langfristigen Förderzeiträume keine attraktive Perspektive war. Es müssten sich also zunächst die (gesetzlichen) Rahmenbedingungen ändern, bevor mithilfe des sozialen Wohnungsbaus Spekulation verhindert und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann. Die ab Juli 2022 eingetretene Zinswende könnte dieser Entwicklung Vorschub leisten und langfristig wieder zum vermehrten Einsatz von Wohnungsbelegungsrechten führen, da Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen bei steigenden Zinsen wieder gefragter sind. Vorgebracht wird dafür teilweise die schon lange bestehende Vorschrift des Art. 161 Abs. 2 BV, die besagt, dass Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, für die Allgemeinheit nutzbar zu machen sind.482 Hierin könnte man einen hoheitlichen Handlungsauftrag sehen und die Norm als Rechtfertigung für bayerische Gemeinden zur Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen einsetzen.483 Einem solchen Ansinnen steht jedoch entgegen, dass (neben der eher programmatischen Formulierung ohne einen unmittelbar Berechtigten) der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung umfassend von seiner Zuständigkeit für das Bodenrecht gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 18 GG durch Erlass des BauGB Gebrauch gemacht hat und dieses eine solche Regelung nicht kennt.484 In diesem Zusammenhang zu nennen ist ebenfalls das Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG), das zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau und zur Si480 Dazu auch BGH 8. 2. 2019 – V ZR 176/17, DNotZ 2019, 440 (441); BeckNotar-HdB/ Herrler, § 1 Rn. 20 f. 481 BGH 8. 2. 2019 – V ZR 176/17, DNotZ 2019, 440 (441), wonach dies sachenrechtlich allerdings keinen Bedenken begegnet, vgl. dazu auch BGH 11. 3. 1964 – V ZR 78/62, BGHZ 41, 209 (214 f.) = NJW 1964, 1226. 482 Vogel, Mehr Gerechtigkeit!, S. 71; eine solche Regelung fand sich bereits in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 155 WRV), siehe dazu Meinel, in: Boysen/Kaiser/Meinel, Verfassung und Verteilung, S. 19 (26). 483 Vgl. Kment, NJW 2018, 3692 (3694). 484 Dreier/Wittreck, Art. 74 GG Rn. 81; zu diesem Ergebnis kommt auch Kment, NJW 2018, 3692 (3694 f.).

§ 5 Vertragliche Gestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation

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cherstellung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen erlassen wurde.485 Auch dort finden sich mit der nachfolgend untersuchten Fragestellung – insbesondere zur Zulässigkeit von Nutzungsbindungen – vergleichbare Konstellationen, die aber dadurch gekennzeichnet sind, dass etwaige Sanktionsgestaltungen gesetzlich ausgestaltet sind. So wurde der Erwerber eines aus öffentlichen Mitteln des sozialen Wohnungsbaus geförderten Gebäudes zur Zahlung von Sanktionszinsen an die Förderbank gemäß § 25 Abs. 1 WoBindG wegen Vermietung an einen Nichtberechtigten verurteilt, obwohl der Erwerber gar nicht Partei des Darlehensvertrags war.486 Zunächst habe der Gesetzgeber es für erforderlich erachtet, die Einhaltung der im WoBindG enthaltenen öffentlich-rechtlichen Bindungen durch bestimmte Sanktionen (vgl. §§ 25 Abs. 1 und 2, 26 WoBindG) zu sichern.487 Daher entspreche es dem Sinn und Zweck des Gesetzes, auch den Verfügungsberechtigten, der nicht Darlehensschuldner ist oder war, aber die gesetzlichen Bindungen noch für eine Übergangszeit beachten muss, den Ahndungsmöglichkeiten des Gesetzes für den Fall der Zuwiderhandlung zu unterwerfen.488 Wenn der Erwerber bei einem Verstoß gegen die fortdauernden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht mit Sanktionen nach § 25 Abs. 1 WoBindG zu rechnen bräuchte, würde für kapitalkräftige Interessenten geradezu ein Anreiz geschaffen, geförderte Wohnhäuser zu erwerben – was wegen der geringen Rendite aufgrund der Mietbindung (vgl. § 8 WoBindG) preisgünstig geschehen könnte – und gewinnbringend für andere Zwecke zu verwenden.489 Auch anhand dieses Beispiels wird die Absicht zur Verhinderung von Grundstücksspekulation in der Argumentation deutlich, die der BGH durch eine teleologische Auslegung des Gesetzesrecht zu erreichen versucht. Schließlich werden Erbbaurechte nach dem ErbbauRG490 als Mittel gegen Grundstücksspekulation genannt.491 Hervorzuheben sind insbesondere die Vorzüge 485

Gesetz zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau und zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbauänderungsgesetz 1965 – WoBauÄndG 1965), genannt Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG), BGBl. I 1965, S. 945. Infolge der Zugehörigkeit zur konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gilt das Wohnungsbindungsgesetz nur noch bis zur Neuregelung der Wohnraumförderung durch die Länder, in Bayern etwa das BayWoBindG. 486 BGH 25. 10. 1973 – III ZR 128/71, BGHZ 61, 304 = NJW 1974, 99; siehe dazu auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 700. 487 BGH 25. 10. 1973 – III ZR 128/71, BGHZ 61, 304 = NJW 1974, 99. 488 Siehe Fn. 487. 489 So das Argument von BGH 25. 10. 1973 – III ZR 128/71, BGHZ 61, 304 = NJW 1974, 99 (100). 490 Erbbaurechtsgesetz vom 15. 01. 1919 (RGBl. I S. 72, ber. S. 122). 491 So verheißungsvoll die Vorsitzende Richterin des V. Zivilsenats am BGH a.D. Stresemann, ErbbauZ 2020, 61; ebenso Grziwotz, ErbbauZ 2022, 126 (127 ff.); das Erbbaurecht hat in den letzten Jahren eine Renaissance in der Diskussion erlebt, vgl. F.A.Z. vom 19. 12. 2019, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weg-zum-eigenheim-renaissance-des-erb

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

für die öffentliche Hand, da diese auf langfristige Planungssicherheit angewiesen ist und das Erbbaurecht mit den regelmäßig vereinbarten 99 Jahren Laufzeit genau das bietet. Ferner behalten die Gemeinden ihre Gestaltungshoheit und den Wertzuwachs eines entsprechenden Grundstücks, weil sie Eigentümerin des Grundstücks bleiben und es nur zur Bebauung oder Nutzung bei bereits erfolgter Bebauung überlassen. Die Spekulation auf eine Wertsteigerung des Rechts an sich ist hingegen nicht lukrativ, da Erbbaurechte in aller Regel weniger wert werden, je länger man zuwartet, da sich dadurch ihre Laufzeit verkürzt. Es spricht also viel dafür, dass Erwerber das Grundstück wirklich bebauen bzw. nutzen wollen, zumal der Grundstückseigentümer auch entsprechende Vorgaben machen kann, vgl. § 2 ErbbauRG. Darüber hinaus lässt sich die Umlauffähigkeit beschränken, indem vereinbart wird, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf, § 5 Abs. 1 ErbbauRG.492 Als erheblicher Vorteil aus Sicht der Gemeinde können Nutzungsbindungen – im Gegensatz zur Veräußerung des Grundstücks – auch zeitlich für die gesamte Dauer des Erbbaurechts und damit regelmäßig für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren erfolgen.493 Dem Eigentum auf der einen und dem Erbbaurecht auf der anderen Seite liegen völlig unterschiedliche gesetzliche Leitbilder zugrunde. Während das Eigentum im Grundsatz, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, unbeschränkt genutzt werden kann (§ 903 S. 1 BGB), sind langfristige Verwendungsvereinbarungen im Rahmen eines Erbbaurechts schon im Gesetz angelegt (§ 2 Nr. 1 ErbbauRG).494 Trotz all dieser Qualitäten konnte sich das Erbbaurecht bislang nicht durchsetzen und macht nur etwa 5 % der Wohnfläche in Deutschland aus.495 Die Gründe für diesen Misserfolg sind vielschichtig, liegen aber nicht zuletzt in den weit verbreiteten individualistischen Eigentumsvorstellungen und -wünschen der Menschen und der Furcht vor Beschränkungen, wenn einem der Grund, auf dem das Eigenheim steht,

baurechts-16543542.html?premium, die etwa auch durch die im Jahre 2020 vom Verlag C.H. Beck eigens gegründete Zeitschrift ErbbauZ belegt wird. 492 Eine Verfügung des Erbbauberechtigten über das Erbbaurecht und ein Vertrag, durch den er sich zu einer solchen Verfügung verpflichtet, ist unwirksam, solange nicht der Grundstückseigentümer die erforderliche Zustimmung erteilt hat, § 6 Abs. 1 ErbbauRG. Siehe aber auch zu den Einschränkungen durch die Fälle eines Anspruchs des Erbbauberechtigten auf Erteilung der Zustimmung, § 7 Abs. 1 ErbbauRG. 493 BGH 26. 6. 2015, V ZR 144/14, BGHZ 206, 120 = DNotZ 2015, 761; siehe auch Schlögel, ZfIR 2016, 175 (179), der ebenfalls erhebliche Vorteile im Hinblick auf Laufzeit und Flexibilität bei Einheimischenmodellen durch Erbbaurechte sieht. 494 So zutreffend die Anm. von Wobst, ZWE 2019, 260 (263) zu BGH 21. 9. 2018 – V ZR 68/17. 495 Siehe m. w. N. MüKo/Heinemann, Vor § 1 ErbbauRG Rn. 9; auch Grziwotz, ErbbauZ 2022, 126 (130), stellt ein gewisses Unbehagen der meisten Kommunen mit Blick auf das Erbbaurecht fest.

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nicht gehört.496 Dazu zählen ebenfalls die Rechtsfolgen nach Ablauf des Erbbaurechts, vgl. §§ 26 – 30 ErbbauRG497 und das Risiko steigender Erbbauzinsen, vgl. § 9a ErbbauRG. Unbeliebt sind Erbbaurechte aufgrund von Beleihungsproblemen auch bei Banken, weshalb die Stellung von zusätzlichen Beleihungsobjekten oder höhere Zinsen für die Finanzierung des Gebäudes notwendig werden.498 Durch den Einsatz von Erbbaurechten flächendeckend die Verhinderung von Grundstücksspekulation zu erreichen, ist daher nicht möglich und spielt in der Praxis im Vergleich zur Grundstücksveräußerung nur eine untergeordnete Rolle. Beachtenswert ist in dem Zusammenhang allerdings die Aussage der Vorsitzenden Richterin des V. Zivilsenats am BGH a.D. Christina Stresemann: „Meines Erachtens müssen sich die Kommunen auch bei der Ausgabe eines Erbbaurechts entscheiden: Wollen Sie möglichst hohen Profit aus ihren Grundstücken ziehen oder soziale Zwecke verfolgen, insbesondere den Bau preiswerten Wohnraums fördern?“499 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, allerdings trifft diese Dichotomie genauso für die kaufvertragliche Gestaltung im Rahmen der Grundstücksveräußerung zu. Ob die Gemeinden sowie die Rechtsprechung des BGH diese Gegensätzlichkeit auch in dieser Konsequenz durchhalten, soll daher im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.

II. Kaufvertragliche Instrumente Die kaufvertraglichen Instrumente zur Verhinderung von Grundstücksspekulation bestehen im Ausgangspunkt aus drei Gruppen: Bauverpflichtungen, Nutzungsbindungen sowie Weiterveräußerungsverbote. Die hier vorgeschlagenen Gestaltungen unterscheiden sich dabei insofern von den zuvor für unzulässig gehaltenen AGB, als das Gemeinwohlinteresse an der Verhinderung von Grundstücksspekulation auf Seiten der Gemeinde keine Berücksichtigung im Rahmen der Inhaltskon496

MüKo/Heinemann, Vor § 1 ErbbauRG Rn. 10 mit weiteren rechtspolitischen Problematiken des Erbbaurechts; siehe umfassend zu Reformvorschlägen der Bundesnotarkammer Oefele, DNotZ 2011, 503 (505 ff.), wodurch das Erbbaurecht kein dingliches Recht, sondern ähnlich dem WEG eine Eigentumsabspaltung wäre und damit auch keine Belastung in Abteilung II mehr darstellen würde. 497 Siehe etwa die Diskussion über auslaufende Erbbaurechtsverträge in Würzburg, abrufbar unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/erbbaurecht-wenn-sich-der-freistaat-das-zuhau se-schnappen-will,Sy3pVx4; überregional dazu auch S.Z. vom 10. 01. 2022, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/immobilien-viele-erbbaurechtsvertraege-laufen-baldaus-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220107-99-627698. 498 Vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG, wonach ein Erbbaurecht nur zur ausschließlich ersten Rangstelle bestellt werden kann; zur besseren Beleihbarkeit Oefele, DNotZ 2011, 503 (504 ff.); zur Skepsis der Banken siehe F.A.Z. vom 19. 12. 2019, abrufbar unter: https://www. faz.net/aktuell/wirtschaft/weg-zum-eigenheim-renaissance-des-erbbaurechts-16543542.html? premium. 499 Stresemann, ErbbauZ 2020, 61 (62).

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trolle mehr finden kann. Außerdem werden die Vorgaben der europäischen Grundfreiheiten in ihrer Konkretisierung durch die Leitlinien konsequent beachtet. 1. Bauverpflichtung Mit einer – regelmäßig befristeten – Bauverpflichtung im Grundstückskaufvertrag möchte die Gemeinde auf eine rasche Bebauung eines Baugebiets hinwirken. Die schützenswerten Interessen der Kommune bestehen insbesondere darin, dass sie ihre Siedlungspolitik durch Bauverpflichtungen effektiv verwirklichen sowie Baulücken schließen kann und darüber hinaus bei schleppender Bebauung in ihren weiteren Handlungsmöglichkeiten blockiert würde. Die Blockadewirkung tritt ein, weil die Ausweisung neuer Baugebiete von den Aufsichtsbehörden meist nur gestattet wird, wenn bereits ausgewiesene Flächen auch wirklich bebaut sind.500 In der Folge würde ein erhebliches Hemmnis bei der Schaffung von Wohnraum eintreten. Überdies kann mit der Aufnahme einer Bauverpflichtung wirksam der Spekulation vorgebeugt werden,501 da ein Spekulant in aller Regel kein Interesse daran hat, ein Grundstück kapital- und zeitintensiv zu bebauen, insbesondere weil ein unbebautes Grundstück leichter zu veräußern ist und die Bebauung nicht in vollem Umfang wertsteigernd wirkt. Dabei ist das Interesse der Gemeinde an Spekulationsverhinderung allerdings ausdrücklich nicht der Grund für die Zulässigkeit einer Baupflicht. Vielmehr ist schon gesetzlich in § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB die Möglichkeit der Gemeinde geregelt, den Eigentümer durch Bescheid zu verpflichten, innerhalb einer angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen. Auch außerhalb eines Bebauungsplans kann innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile gem. § 176 Abs. 2 BauGB ein Baugebot angeordnet werden, um unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen, was vor allem der Schließung von Baulücken dient.502 Bei bereits bestehendem Grundeigentum kommt § 176 BauGB nur selten 500

Vgl. auch Meier, MittBayNot 2022, 278 (281): „Hieran hat die Gemeinde ein eigenes, integrales Interesse, da zum einen Baulücken das Erscheinungsbild der Gemeinde trüben und zum anderen die Entwicklung der Gemeinde gefährdet ist, da bebaubare, aber nicht bebaute Grundstücke zumindest ein potenzielles Hindernis für die Ausweisung weiterer Baugebiete darstellen und damit die Schaffung von Wohnraum in der Gemeinde verhindern können“. 501 Siehe etwa OLG München 16. 06. 2021 – 20 U 4632/20, MittBayNot 2022, 278 Rn. 10: „Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Käufer der Bauverpflichtung nachkomme. Damit solle Wohnraum geschaffen und Bodenspekulation verhindert werden“. 502 Aus Gründen der Wohnungsknappheit in urbanen Räumen kann hingegen kein Baugebot für ein Wohngebäude ergehen, wenn eine andere Bebauung zulässig wäre, da dem Eigentümer durch § 176 BauGB keine bestimmte Nutzung vorgeschrieben werden kann, vgl. BVerwG 15. 2. 1990 – 4 C 41.87, BVerwGE 84, 335; siehe auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 176 BauGB Rn. 22a; diese Möglichkeit wurde vom Gesetzgeber aber mit dem Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 1802, durch §§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 201a BauGB i. V. m.

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zur Anwendung, da der Eigentümer gem. § 176 Abs. 4 S. 1 BauGB von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen kann, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Dadurch besteht für die Gemeinde das Risiko, dass sie das Grundstück gegen eine Entschädigung (§ 176 Abs. 4 S. 2 BauGB) übernehmen und dann selber der baulichen Nutzung zuführen muss.503 Wenn die Gemeinden bereits Eigentümerinnen der Flächen sind, vereinbaren sie in der Praxis direkt eine vertragliche Bauverpflichtung,504 anstatt ein Grundstück erst zu veräußern und den Erwerber sodann mit einem gesetzlichen Baugebot zu belegen. a) Zulässiger Inhalt Durch die Aufnahme einer Bauverpflichtung ist der Grundstückskaufvertrag als städtebaulicher Vertrag i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB zu qualifizieren, da die Gemeinde damit die mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, fördert und sichert.505 Damit ist eine grundsätzliche Einordnung des Vertrages als privat- oder öffentlich-rechtlich allerdings noch nicht geschehen, vielmehr sind einzelne Regelungen wie beispielsweise Kaufpreiszahlung, Besitzübergang und Gewährleistung privatrechtlich zu qualifizieren, wohingegen die Bauverpflichtung öffentlich-rechtlich eingeordnet werden kann. Soweit Regelungen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis, sondern bloß in einem einfachen Zusammenhang miteinander stehen, sind sie zu trennen und dem jeweiligen Rechtsgebiet zuzuordnen.506 In den hier relevanten Konstellationen liegt demnach der Hauptgegenstand im Privatrecht, sodass ein privatrechtlicher städtebaulicher Vertrag geschlossen wurde und die Bauverpflichtung auch vor diesem Hintergrund angemessen sein muss.

entsprechender Landesverordnung eingeführt. Dabei kann die Gemeinde auch ein den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechendes Maß der Nutzung anordnen (§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 BauGB). Die Rechtsverordnungen müssen spätestens mit Ablauf des 31. 12. 2026 außer Kraft treten (§ 201a S. 5 BauGB); eine aktuelle Übersicht zu den erlassenen Rechtsverordnungen findet sich bei BeckOK/Gohde, § 201a BauGB Rn. 19; siehe ferner zum Baulandmobilisierungsgesetz Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2021, 905 ff. 503 Dazu Schröer, NZBau 2007, 234 (235); krit. auch Lege, NVwZ 2005, 880 (882 f.). 504 Siehe Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4080; Grziwotz, Vertragsge¨ ffentlichen Recht, Rn. 310. staltung im O 505 Jüngst etwa BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1414 f.) mit Verweis u. a. auf BGH 26. 6. 2015 – V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 8; siehe auch Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauGB Rn. 138. 506 Siehe nur BVerwG 1. 12. 1989 – 8 C 44.88, DNotZ 1991, 309 (310): „Derart gemischte, also sowohl (teilweise) privatrechtliche als auch (teilweise) öffentlich-rechtliche Verträge abzuschließen, ist nicht nur möglich, sondern, was das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht anlangt, aus sich auch nicht bedenklich“.

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aa) Bebauung Der Erwerber verpflichtet sich gegenüber der Gemeinde in aller Regel dazu, auf dem Vertragsgrundstück ein Wohngebäude innerhalb eines bestimmten Zeitraums bezugsfertig zu errichten, das den Festsetzungen des jeweils geltenden Bebauungsplans bzw. der Baugenehmigung entspricht.507 Als zulässiger Inhalt einer Bauverpflichtung kann auch bestimmt werden, dass die Bebauung den Festsetzungen eines lediglich beschlossenen Bebauungsplanes entsprechen muss.508 Zudem kann die Verpflichtung aufgenommen werden, dass der Erwerber innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. sechs Monate) einen genehmigungsfähigen Bauantrag für ein entsprechendes Wohnhaus einreicht und nach Genehmigung mit der Bauausführung zu beginnen hat.509 bb) Frist Der Erwerber muss die Bebauung regelmäßig innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen haben. Fristbeginn ist dabei nicht etwa der Erwerbszeitpunkt des Grundstücks, sondern das Vorliegen einer Baugenehmigung bzw. Mitteilung der Baubehörde über die Genehmigungsfreiheit des Vorhabens.510 Auch das Ende der Frist, also wann genau die Bauverpflichtung erfüllt wurde, ist entscheidend und sollte geregelt werden. Es bieten sich die Bezugsfertigkeit oder die vollständige Fertigstellung an, die als Begriffe auch vom Gesetzgeber verwendet werden, vgl. § 3 Abs. 2 Makler- und Bauträgerverordnung, und dementsprechend von der Rechtsprechung konkretisiert wurden.511 Die Frist selbst muss angemessen sein und den Zeitbedarf für die Vorbereitung, das Baugenehmigungsverfahren, die Finanzierung und eigentliche Baudurchführung berücksichtigen.512 Von der Rechtsprechung akzeptiert und weit 507 ¨ ffentlichen Recht, Rn. 315; Krauß, ImmobilienGrziwotz, Vertragsgestaltung im O kaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4081. 508 Ausdrücklich Rastätter, DNotZ 2000, 17 (29) mit weiteren beurkundungsrechtlichen Hinweisen. 509 Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge, S. 118; Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4081 mit Details bei ggf. vorliegender Genehmigungsfreiheit; Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (104) weist darauf hin, dass dies bei normalen Wohnbauvorhaben anders als bei Gewerbeobjekten im Regelfall nicht erforderlich sein dürfte. 510 Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4081; Grziwotz, Vertragsgestaltung ¨ ffentlichen Recht, Rn. 311; ders., ZNotP 1998, 100 (104); Rastätter, DNotZ 2000, 17 im O (28) empfiehlt nicht mehr auf das Vorliegen einer Baugenehmigung abzustellen, nachdem die meisten Landesbauordnungen mit Einführung des Kenntnisgabe-/Anzeigeverfahrens die Zulässigkeit eines Bauvorhabens vom Vorliegen einer Baugenehmigung gar nicht mehr abhängig machen. 511 Etwa OLG Karlsruhe 19. 2. 2008 – 4 U 123/06, MittBayNot 2009, 39 (40); OLG Hamm 03. 11. 1994 – 21 W 16/92, DNotI-Report 1995, 52; zusammenfassend BeckOGK/Matkovic, § 650v BGB Rn. 94 ff., 116 ff.; vgl. auch Rastätter, DNotZ 2000, 17 (28). 512 Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (104).

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verbreitet hat sich eine Frist von mindestens drei Jahren.513 Nicht jede Überschreitung der Frist löst die Möglichkeit der Geltendmachung des Wiederkaufsrechts aus, da nach der Rechtsprechung des BGH die Nichterfüllung einer Bauverpflichtung vom Käufer im Sinne von § 276 BGB verschuldet sein muss.514 In der notariellen Literatur wird jedoch teilweise die Ansicht vertreten, dass zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten eine Gestaltung zulässig sei, die auch die unverschuldete Fristversäumung als Bedingung für die Ausübung des Wiederkaufsrechts zulässt.515 Es ist in der Tat zutreffend, dass der BGH die Abbedingung des Verschuldensgrundsatzes für zulässig hielt,516 jedoch wird in der Praxis selten ein Interesse an einer verschuldensunabhängigen Frist bestehen und sie sollte darüber hinaus aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten beim Bau ebenfalls großzügiger ausgestaltet sein als drei Jahre. Eine europarechtlich determinierte Begrenzung der Fristdauer auf eine maximale Länge von zehn Jahren durch die Leitlinien kommt schon nicht zum Tragen, da eine solche erst ab Bebauung überhaupt relevant wird.517 Vielmehr hat die Gemeinde bei der Bauverpflichtung und bei Nutzungsbindungen oder Weiterveräußerungsverboten eine umgekehrte Interessenlage: Will sie Nutzungsbindungen oder Weiterveräußerungsverbote einerseits möglichst lange bestehen lassen, so sollen Bauverpflichtungen andererseits möglichst rasch erfüllt werden.518 513 OLG Karlsruhe 14. 3. 1991 – 9 U 260/89, NJW-RR 1992, 18 (19): „Ein ernsthafter Interessent mit konkreten Bauvorstellungen kann durchaus innerhalb dieser Frist bei Einhaltung des Bebauungsplanes sein Bauvorhaben verwirklichen, zumindest damit beginnen. Ist nur die Vollendung innerhalb der Dreijahresfrist nicht erfolgt, versteht es sich nach dem Sinn dieser Regelung von selbst, daß dies ein Grund ist, die Frist angemessen zu verlängern.“; das LG Traunstein 29. 10. 1998 – 7 O 3458/98, MittBayNot 1999, 314, hält drei Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages für ein Wohnhaus im Rohbau und fünf Jahre für ein bezugsfertiges Wohnhaus für zulässig; siehe auch Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4079; ¨ ffentlichen Recht, BeckNotar-HdB/Grziwotz, § 10 Rn. 18; ders., Vertragsgestaltung im O Rn. 311; ders., ZNotP 1998, 100 (104); Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, S. 166; Rastätter, DNotZ 2000, 17 (28 f.) hingegen betont, dass auch schon Zweijahresfristen zulässig sein können und kritisiert das LG Ravensburg 25. 10. 1996 – 1 T 330/96, DNotIReport 1997, 92, das eine solche Klausel ohne Verlängerungsmöglichkeit begründunglos für unangemessen hielt; a. A. LG Memmingen 07. 07. 2022 – 34 O 509/22, DNotI-Report 2022, 134 (135), das drei Jahre inzwischen schon fast für zu knapp bemessen hält; auch Reyes y Ráfales, notar 2022, 378 (381); als großzügig zu bezeichnen ist eine Frist von acht Jahren, die dem Urteil des BGH 16. 12. 2022 – V ZR 144/21, DNotZ 2023, 198, zugrunde lag. 514 BGH 29. 5. 1970 – V ZR 131/67, DNotZ 1970, 740. 515 So Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (306 f.); anschließend Rastätter, DNotZ 2000, 17 (29). 516 BGH 29. 5. 1970 – V ZR 131/67, DNotZ 1970, 740: „Eine Abdingung dieses Verschuldensgrundsatzes sei zwar zulässig, aber hier nicht festzustellen“ ist eine Feststellung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, die der BGH aber nicht angreift. 517 Vgl. Ziffer 3 der Leitlinien („Erstwohnsitz“). 518 Zutreffend dazu Meier, MittBayNot 2022, 278 (281): „Eine zu lange Frist für die Bebauung ist daher kaum denkbar, sodass eine Unangemessenheit sich nur allenfalls daraus ergeben kann, falls die Frist derart lange gewählt ist, dass sich eine städtebauliche Zielsetzung

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b) Sicherungsmöglichkeiten Um die Bauverpflichtung abzusichern, kommen insbesondere ein Wiederkaufsrecht und eine Vertragsstrafe oder Nachzahlungsklausel als effektive Sicherungsmöglichkeiten in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass diese Instrumente in einem alternativen Verhältnis zueinander stehen und zwar gleichzeitig vereinbart, nicht aber nebeneinander geltend gemacht werden können. Bei einer vergünstigten Grundstücksveräußerung durch die Gemeinde sind diese Absicherungen nicht nur opportun, sondern für sie sogar verpflichtend. Begründet ist dieser Umstand darin, dass Kommunen grundsätzlich nichts verschenken dürfen (sog. Verbot der UnterWert-Veräußerung), vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO.519 Etwas anderes gilt nur, wenn sie ausdrücklich gesetzlich dazu ermächtigt sind oder sie damit öffentliche Aufgaben, wie etwa die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie den Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung im Rahmen der Einheimischenmodelle, vgl. Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 1 BayWoFG, verfolgen.520 Wenn die Gemeinde diese Ziele fördern will, muss sie allerdings auch dafür Sorge tragen, dass der Subventionszweck effektiv gesichert wird und dies im Rahmen ihrer Vertragsgestaltung durch entsprechende Rechte und deren Ausübung berücksichtigen.521 Die Eintragung einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Kommune kommt hingegen nicht in Betracht. Diese sind als Gestaltungsmittel für eine grundbuchliche Sicherung ungeeignet, da Inhalt einer Dienstbarkeit nicht die Pflicht zu einem positiven (aktiven) Tun sein kann, was jedoch gerade bei der Bauverpflichtung der Fall ist.522

hiermit nicht mehr verfolgen lässt und es damit an der sachlichen Rechtfertigung insgesamt fehlt“. 519 Dies gilt auch für Bund und Länder, siehe Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 156 ff. m. w. N., sowie mit einer entsprechenden Aufzählung der Regelungen aus den Kommunalgesetzen aller Länder. 520 Grundlegend BVerwG 11. 02. 1993 – 4 C 18/91, NJW 1993, 2695; Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 157; siehe auch ders., in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (170 ff.); vgl. auch BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888 (891). 521 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 24 Rn. 31; Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (202 f.); ebenso BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 20); Schwemer, NVwZ 2022, 1166 (1168); siehe auch BeckOK/ Sedlmaier Art. 75 BayGO Rn. 7 ff. 522 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1133; BGH 14. 3. 2003 – V ZR 304/02, NJW-RR 2003, 733; Odersky, in: FS 125 Jahre Bayerisches Notariat, S. 213 (224); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308).

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aa) Wiederkaufsrecht Für die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts kommt es neben allgemeinen Erwägungen vor allem auf den Preis, die Frist sowie die dingliche Absicherung durch eine Rückauflassungsvormerkung an. (1) Allgemeines Die Bauverpflichtung des Erwerbers ist nicht synallagmatisch mit der Eigentumsverschaffungspflicht der Gemeinde nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB verbunden, sodass ihr die Leistungsstörungsrechte der §§ 320 ff. BGB mit der Möglichkeit der Rückabwicklung des Vertrages nicht zustehen. Lediglich Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB könnte sie geltend machen, bei denen es regelmäßig schon am materiellen Schaden mangeln wird, da immaterielle Interessen in Form von Nichteinhaltung der städtebaulichen Verpflichtungen beeinträchtigt wurden. Um diese für die Gemeinde unbefriedigende Rechtslage zu kompensieren, wird regelmäßig die Rückübertragung des Grundstücks bei Nichteinhaltung der Bauverpflichtung vereinbart. In Betracht käme dafür grundsätzlich ein vertragliches Rücktrittsrecht, das allerdings aufgrund seiner unpassenden Rücktrittsfolgenregelungen, insbesondere der Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 2 BGB, in der Praxis selten genutzt wird.523 Verbreitet ist die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts (§§ 456 – 462 BGB), das rein schuldrechtlich wirkt. Allerdings kann der durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts entstehende künftige Auflassungsanspruch durch Vormerkung, vgl. § 883 Abs. 1 BGB, gesichert werden.524 Einzelheiten zur dinglichen Absicherung folgen am Ende des Abschnittes.525 Die Ausübung des Wiederkaufsrechts bedarf gem. § 456 Abs. 1 S. 2 BGB nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form, sodass die notarielle Beurkundung nach § 311b Abs. 1 BGB nicht erneut erforderlich ist. Eine notarielle Beglaubigung hingegen wird aus Beweisgründen oftmals gewillkürt.526 (2) Preis Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 456 Abs. 2 BGB gilt der ursprüngliche Verkaufspreis im Zweifel auch als Wiederkaufspreis. Das hat den großen Vorteil für die Gemeinde, dass zwischenzeitlich eingetretene Boden523

Siehe Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4088. Schon RG 28. 04. 1934 – V 6/34, RGZ 144, 281 (282); BGH 14. 1. 1972 – V ZR 173/69, BGHZ 58, 78 (82); BayObLG 9. 6. 1986 – BReg. 2 Z 108/85, DNotZ 1987, 213; siehe ausführlich zum Sicherungsmechanismus der Vormerkung aus rechtsvergleichender Perspektive Voß, Erwerbssicherung beim Grundstückskauf, S. 207 ff. 525 Siehe unter § 5 II. 1. b) aa) (4). 526 Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4088. 524

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preissteigerungen, die auch in nur wenigen Jahren bereits beträchtliche Höhen annehmen können, nicht kompensiert werden müssen.527 Obgleich die Parteien eine von § 456 Abs. 2 BGB abweichende Vereinbarung treffen können, etwa den Wiederkauf zum Schätzwert, vgl. § 460 BGB, ist bei einer allzu freizügigen Abweichung von der gesetzlichen Auslegungsregel insbesondere zulasten des Käufers Vorsicht geboten. So hat die Rechtsprechung einen Wiederkaufspreis nicht nur in Höhe der Hälfte des Verkehrswertes,528 sondern auch schon bei 90 % des gezahlten Kaufpreises für unzulässig in AGB erachtet.529 Der Wiederkaufspreis sollte grundsätzlich den vereinbarten Kaufpreis sowie bezahlte Erschließungskosten nach dem BauGB, Anliegerbeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) sowie Anschlusskosten umfassen.530 Eine Verzinsung wird in aller Regel ausgeschlossen.531 Die bei Rückabwicklung entstehenden beiderseitigen Kosten, Gebühren und Steuern hat standardmäßig der Wiederverkäufer zu tragen.532 Einfachheitshalber kann vereinbart werden, dass die Gemeinde berechtigt ist, derartige Beträge bei der Rückzahlung des Kaufpreises einzubehalten.533 Nach § 459 Satz 1 BGB kann der Wiederverkäufer für Verwendungen, die er auf den gekauften Gegenstand vor dem Wiederkauf gemacht hat, insoweit Ersatz verlangen, als der Wert des Gegenstandes durch die Verwendungen erhöht ist. Dies wird allerdings erst besonders dann relevant, wenn das Grundstück bebaut wurde. Auf-

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So ohne Beanstandung BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888 (891). LG Karlsruhe 13. 2. 1997 – 8 O 516/96, DNotZ 1998, 483. 529 Das OLG Koblenz 05. 11. 1997 – 7 U 370/97, DNotI-Report 1998, 25, kommt zwar zu dem richtigen Ergebnis der Unzulässigkeit, geht aber fälschlicherweise von einer Vertragsstrafe aus, die § 11 Nr. 6 AGBG unterliege. Zwar liegt trotz des Rücktrittsrechts der Gemeinde als Verwender in der Verletzung der Baupflicht das Lösen vom Vertrag, sodass § 11 Nr. 6 AGBG einschlägig sein könnte, allerdings handelt es sich bei einer solchen Gestaltung um eine Verfallklausel, die an § 9 AGBG (bzw. nunmehr 307 BGB) zu prüfen gewesen wäre. Danach ist der Vertragspartner unangemessen benachteiligt, wenn der Abschlag über die antizipierte Aufwendungs- und Schadensersatzsumme hinausgeht. Durch die Rücknahme des Grundstücks entstehen der Gemeinde Verwaltungs- und Vorhaltungskosten, die sie auch pauschal ansetzen darf, wenn dies auf einer Schätzung des typischerweise entstehenden Schadens beruht. Eine Pauschale von 3 % bis 5 % des Kaufpreises dürfte dafür allerdings ausreichen; so völlig zutreffend Rastätter, DNotZ 2000, 17 (31); anschließend Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (572 f.). 530 BeckNotar-HdB/Grziwotz, § 10 Rn. 18; ders., ZNotP 1998, 100 (104); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (304 f.); Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090. 531 Allg. Auffassung, vgl. nur Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090; dies ist sogar zulässig, wenn es sich nicht um ein Wiederkaufsrecht, sondern um eine „Rückabwicklungsregelung eigener Art“ handelt, siehe OLG Karlsruhe, 12. 1. 2006 – 9 U 125/05, DNotZ 2006, 511 (512) (m. Anm. Grziwotz). 532 Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174; Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (105); Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090. 533 Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090. 528

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wendungen wie Planungskosten beschränken sich nur auf objektive Werterhöhungen.534 (3) Frist Gemäß § 462 Satz 1 BGB kann ein Wiederkaufsrecht bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von 30 Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. § 462 Satz 2 BGB regelt, dass die Parteien diese gesetzliche Ausübungsfrist durch eine vertraglich vereinbarte ersetzen können. Sie können nicht nur eine im Vergleich zur gesetzlichen Frist kürzere, sondern auch eine längere Ausübungsfrist vereinbaren, die sogar über 30 Jahre hinaus reichen kann.535 Die Begrenzung des § 202 Abs. 2 BGB gilt nicht, da das Wiederkaufsrecht keinen Anspruch, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB), darstellt und somit nicht verjähren kann. In Betracht kommen nur Ausschlussfristen, die den Wegfall des Rechts selbst bewirken und nicht wie bei der Verjährung das Recht zwar bestehen lassen, aber dem Anspruchsgegner ein Leistungsverweigerungsrecht geben, vgl. § 214 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich wirft die Norm des § 462 BGB in ihrer Struktur daher keine großen Probleme auf. Etwas anderes gilt hingegen, wenn das Wiederkaufsrecht aufschiebend an einen Bedingungseintritt geknüpft wird, so wie hier an die Nichterfüllung einer Bauverpflichtung. Dadurch tritt neben die Ausübungsfrist notwendigerweise eine Entschließungsfrist, da ansonsten fraglich wäre, bis wann die Gemeinde nach Bedingungseintritt ihr Wiederkaufsrecht ausüben kann. Sinnvollerweise sollte also ein Zeitraum vereinbart werden, innerhalb dessen der Wiederkaufsberechtigte nach Ablauf der Frist der Baupflicht den Wiederkauf erklären muss, was bislang in der Praxis nur selten passiert.536 In Anlehnung an die Regelung in §§ 49 Abs. 3 S. 2, 48 Abs. 4 VwVfG, wonach ein begünstigender, auf eine Geldleistung oder teilbare Sachleistung gerichteter, rechtmäßiger Verwaltungsakt nur innerhalb eines Jahres zurückgenommen werden kann, nach dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, welche die Rücknahme rechtfertigen, erscheint mindestens ein solcher Zeitraum auch für die

534 Erman/Grunewald, § 459 BGB Rn. 2; MüKo/Westermann, § 459 BGB Rn. 2; Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (104). 535 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1898 II, S. 90: „Man lasse daher, da auch gegen die Zulassung einer Verlängerung der dreißigjährigen Frist gerechtfertigte Bedenken sich nicht erheben lassen, am besten dem Parteiwillen gänzlich freien Lauf.“ 536 So auch der Befund von Klühs, ZfIR 2010, 265 (269); mit dem Vorschlag einer einjährigen Ausübungsfrist Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 66 Rn. 169; Vereinbarung grundsätzlich empfehlend Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (104); Meier, MittBayNot 2022, 278 (284); ebenfalls auf diese Möglichkeit hinweisend Staudinger/Schermaier, § 462 BGB Rn. 5.

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

Vereinbarung einer Entschließungsfrist der Gemeinde sachgemäß.537 Um die Fertigstellung nach Ablauf der Bebauungsfrist noch abwarten zu können und um nicht zur Abwendung des Rechtsverlusts gezwungen zu sein, ihre Rechte auszuüben, werden auch drei bis sieben Jahre vorgeschlagen.538 Die Gemeinde kann die Ausübungsfrist im Einzelfall grundsätzlich auch nach der Eigentumsumschreibung verlängern, allerdings ist dabei die Beurkundungsbedürftigkeit aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zu beachten.539 Wird keine Frist vereinbart, ist fraglich, wie lange der Wiederkaufsberechtigte zuwarten kann, bis er sein Recht ausübt. Die Feststellung, dass das Wiederkaufsrecht bei einer Bindung an ein Ereignis in angemessener Frist ab diesem Ereignis ausgeübt werden müsse, mag zwar zutreffen, ist aber ohne Angabe eines Endtermins nicht hinreichend konkret und praktikabel.540 In der Literatur findet sich sogar die Ansicht, dass es dem Berechtigten ohne Bindung an die Fristen des Satz 1 bis zur Grenze der unzulässigen Rechtsausübung freistehe, mit der Erklärung zu warten.541 Nach Auffassung des BGH ist das Wiederkaufsrecht innerhalb der gesetzlichen dreißigjährigen Frist des § 503 Satz 1 BGB a. F. (= § 462 Satz 1 BGB n.F.) ausu¨ bbar und die Gemeinde darin frei, innerhalb der gesetzlichen Frist mit der Abgabe der Wiederkaufserklärung bis zu einem „ihr genehmen Zeitpunkt“ zu warten, beispielsweise so lange, „bis sie einen anderen Käufer für die Grundstücke gefunden hatte.“542 Die höchstrichterliche Rechtsprechung und ein Teil der Literatur543 gehen somit davon aus, dass die gem. § 462 Satz 1 BGB geltende Ausschlussfrist dann ebenfalls die maximale Entschließungsfrist darstellt. Eine eventuell bestehende europarechtlich determinierte Begrenzung der Fristdauer auf eine maximale Länge von zehn Jahren kommt auch an dieser Stelle nicht in

537 Weitergehend siehe Klühs, ZfIR 2010, 265 (269 ff.), der überzeugend darlegt, dass sich aus den genannten Normen keine gesetzliche Entschließungsfrist für Gemeinden ergibt. Zumindest soll aber bei öffentlich-rechtlichen Wiederkaufsberechtigten aus dem Rechtsgedanken der verwaltungsverfahrensrechtlichen Überlegungsfrist zumindest im Regelfall geschlossen werden, dass nach Ablauf eines Jahres seit Eintritt der aufschiebenden Bedingung das für die Verwirkung des Wiederkaufsrechts erforderliche Zeitmoment vorliegt; ebenfalls für ein Jahr ab Kenntnis des Verstoßes Leidner, MittBayNot 2021, 108 (112). 538 Mit Formulierungsvorschlag Meier, MittBayNot 2022, 278 (284). 539 Dazu ausführlich Meier/Leidner, MittBayNot 2023, 120 (131 f.). 540 So aber Erman/Grunewald, § 462 BGB Rn. 3. 541 MüKo/Westermann, § 462 BGB Rn. 2, der dafür insbesondere zwei Urteile des BGH zitiert (BGH 2. 2. 1951 – V ZR 15/50, NJW 1951, 517 und BGH 21. 4. 1967 – V ZR 75/64, BGHZ 47, 387), welche diese Ansicht allerdings nicht so recht stützen; ebenfalls verwundert Klühs, ZfIR 2010, 265 (269). 542 BGH 18. 04. 1952 – V ZR 21/51, DNotZ 1952, 539. 543 Soergel/Wertenbruch, § 462 BGB Rn. 53, der vorher auf die Möglichkeit hinweist, dass die Parteien auch den Beginn der Frist abweichend von Satz 1 verschieben können, etwa auf den Tod des Käufers, und somit insinuiert, dass bei entsprechender Vereinbarung erst ab Eintritt der aufschiebenden Bedingung 30 Jahre zu laufen beginnen.

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Betracht, da die Leitlinien544 eine Sicherung des Förderzwecks erst ab Bebauung vorsehen.545 Hier geht es aber um die Frage, wie lange das Wiederkaufsrecht ausgeübt werden kann, wenn das Grundstück nicht bebaut wird. Der Erwerber wird auch nicht dadurch benachteiligt, dass die Gemeinde über zehn Jahre lang ihr Wiederkaufsrecht ausüben könnte, wenn er ebenfalls untätig bleibt und das Grundstück nicht nutzt. Vereinzelt wird vertreten, dass auch vor Ablauf der gesetzlichen 30-Jahres-Frist der Ausübung des Wiederkaufsrechts im Einzelfall die Verwirkung entgegenstehen kann, wobei das notwendige Zeitmoment schon ab einem Jahr nach Bedingungseintritt erfüllt sein soll.546 Das Umstandsmoment könne dadurch hinzutreten, dass dem Wiederkaufsberechtigten gegebenenfalls nach Ablauf eines Jahres eine angemessene Ausu¨ bungsfrist mit der Erklärung gesetzt werde, dass nach Ablauf dieser Frist von einer Nichtausu¨ bung des Wiederkaufsrechts ausgegangen werde.547 Diese Auffassung überzeugt nicht. Zwar kann eine Verwirkung im Grundsatz natürlich schon vor dem Eintritt der Verjährung oder einer sonstigen Ausschlussfrist eintreten.548 Angesichts der gesetzgeberischen Wertung des § 462 Satz 1 BGB erscheint ein Jahr allerdings äußerst kurz, um das Zeitmoment zu begründen, und führt dazu, dass die Anforderungen an das Umstandsmoment entsprechend steigen.549 Die vorgeschlagene Fristsetzung, also nur ein weiterer Zeitablauf ohne Tätigwerden des Rechteinhabers, begründet auch kein schutzwürdiges Vertrauen für den Erwerber. Darüber hinaus wendet der BGH in den einschlägigen Fällen aufgrund der Beteiligung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft schon gar nicht das Institut der Verwirkung an, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das Übermaßverbot mit ähnlich strengen Anforderungen, sodass es vor Ablauf von 30 Jahren nur selten überhaupt in Betracht kommt, dass das Wiederkaufsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann.550 Die praktische Relevanz dieser Fristenproblematik zeigt auch ein aktuelles Urteil des OLG München,551 dem jedoch deutlich entgegengetreten werden muss. Im zu544 Die Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des so genannten Einheimischenmodells sind abgedruckt in BayGT 2017, 190 (191 ff.); siehe auch Klein, KommP BY 2017, 170 (171 ff.); Simon/Gleich, BayGT 2017, 258 (260 ff.); ebenfalls abrufbar auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr unter: https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/med/aktuell/leitlinien.pdf. 545 Vgl. Ziffer 3 der Leitlinien („Erstwohnsitz“). 546 Klühs, ZfIR 2010, 265 (271 f.). 547 Siehe Fn. 546. 548 Etwa BGH 10. 10. 2017 – XI ZR 393/16, NJW-RR 2018, 47 (48); Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 312, 314. 549 BGH 23. 1. 2018 – XI ZR 298/17, NJW 2018, 1390 Rn, 9; BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 1697. 550 Ausdrücklich BGH 21. 7. 2006 – V ZR 252/05, NJW-RR 2006, 1452. 551 OLG München 16. 06. 2021 – 20 U 4632/20, MittBayNot 2022, 278 (m. krit. Anm. Meier).

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grundeliegenden Sachverhalt hatten die Beklagten acht Jahre Zeit, ihr Grundstück zu bebauen, was jedoch unstreitig nicht geschah. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass die Gemeinde erst 20 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages und somit zwölf Jahre nach Ablauf der Bebauungsfrist ihr Rückübertragungsrecht geltend machte. Dieses Recht versagte das Gericht der Gemeinde, da die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts mit einer derart langen Ausübungsfrist mit Blick auf § 11 Abs. 2 BauGB unwirksam sei, sodass die Gemeinde aus ihr keine Rechte ableiten könne.552 Auch eine Ersetzung der unwirksamen Ausübungsfrist durch eine „moderate“ Frist, die nach der Rechtsprechung des BGH im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorgenommen werden könne, führe zu keinem anderen Ergebnis, da selbst eine moderate Frist vorliegend abgelaufen sei.553 Dieser Entscheidung kann weder in der Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden. So leitet der Senat bereits die angenommene Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht fehlerhaft her. Das OLG München geht nämlich davon aus, dass mangels ausdrücklicher Regelung im Vertrag eine Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB die Vereinbarung einer 30-jährigen Frist ergebe. Dies erweist sich als unzutreffend. Eine solche ergänzende Auslegung kommt schließlich nur in Betracht, wenn die festgestellte Vertragslücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht geschlossen werden kann.554 Solches ist aber mit § 462 Satz 2 BGB gerade gegeben, wonach eine für die Ausübung bestimmte Frist an die Stelle der gesetzlichen Frist tritt. Im Umkehrschluss gilt die gesetzliche Frist nach § 462 Satz 1 BGB, wenn nichts vereinbart worden ist. Die 30-jährige Ausübungsfrist bei Grundstücken folgt daher nicht aus einer Auslegung des Vertrags, sondern aus der unmittelbaren Gesetzesanwendung.555 Folgenschwer sieht sich der Senat dann zu der Annahme verleitet, dass eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen sein könne, wenn dem Erwerber ein 552 §§ 305 ff. BGB kamen richtigerweise nicht zur Anwendung, da es sich um einen Vertrag handelte, der vor dem 31. 12. 1994 und damit vor Inkrafttreten der Klausel-RL geschlossen wurde, vgl. dazu BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888. 553 OLG München 16. 06. 2021 – 20 U 4632/20, MittBayNot 2022, 278 (280). 554 Siehe zu den terminologischen Feinheiten zwischen Rechtsprechung und Literatur Staudinger/Roth, § 157 BGB Rn. 22 f. So scheidet nach der h. M. eine ergänzende Vertragsauslegung in der Regel aus, wenn die festgestellte Regelungslücke durch Heranziehung vorhandenen dispositiven Rechts sachgerecht geschlossen werden kann, vgl. auch MüKo/Fornasier, § 306 BGB Rn. 37; der BGH verneint bereits das Vorliegen einer Regelungslücke, wenn das Rechtsgeschäft zwar „lückenhaft“ ist, die Vertragsparteien aber bei Vertragsabschluss keine vom Gesetz abweichende Regelung treffen und die nähere Ausgestaltung den Gesetzesvorschriften überlassen, BGH 10. 7. 1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91 (103) = NJW 1963, 2071; zu den Abgrenzungsschwierigkeiten Kötz, JuS 2013, 289 (293). 555 So treffend auch Meier, MittBayNot 2022, 278 (282). Fernliegend ist daher die Formulierung des OLG München, dass die gesetzliche Frist als vereinbart gilt und damit eine Art Vereinbarungsfiktion zum Ausdruck bringt, siehe OLG München 16. 06. 2021 – 20 U 4632/20, MittBayNot 2022, 278 (279 Rn. 22).

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besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde. Es wurde jedoch unstreitig zum Verkehrswert veräußert, sodass das Gebot der Angemessenheit gem. § 11 Abs. 2 BauGB verletzt sei. Ob man im vorliegenden Fall eine nicht näher spezifizierte moderate Frist als zulässig ansehen sollte, lässt das Gericht im Anschluss offen, da die Gemeinde erst über 20 Jahre nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat und eine solche Frist somit jedenfalls abgelaufen sei.556 Dem kann nicht zugestimmt werden. Im Kern behauptet das OLG München damit nämlich, dass das Gesetz unangemessen sei. Wenn die Beteiligten in Bezug auf das vereinbarte Wiederkaufsrecht lediglich die existierende Regelung des BGB beibehalten, lässt sich darin keinesfalls ein Verstoß gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung sehen.557 Vielmehr kommen dadurch die Wertentscheidungen des Gesetzgebers zum Ausdruck, die nicht durch die Gerichte ausgehebelt werden dürfen, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. In der Entscheidung des OLG München werden somit die Kategorien der Rechtswirksamkeit und der sachlichen Zweckmäßigkeit verwechselt, denn es soll nicht bestritten werden, dass in der notariellen Praxis eine 30jährige Ausübungsfrist – wie zuvor beschrieben – nicht interessengerecht ist und daher durch die Vereinbarung einer deutlich kürzeren Frist ersetzt werden sollte. Der BGH hatte mit dem Urteil vom 16. 12. 2022 Gelegenheit, dieser Rechtsprechung entgegenzutreten.558 Der Senat betonte in aller Deutlichkeit, dass bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer zu einem marktgerechten Preis die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht unangemessen im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB ist, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart wurde und dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.559 Zutreffend verweist das Gericht darauf, dass die lange Frist zur Ausübung keine Folge einer unangemessenen vertraglichen Gestaltung ist, sondern aus dem Gesetz (§ 462 Satz 1 BGB) folgt, und die einschlägigen gesetzlichen Regelungen im Rahmen von § 11 Abs. 2 BauGB wertungsmäßig zu berücksichtigen sind. Zwar schwebte die Möglichkeit des Wiederkaufs „wie ein Damoklesschwert“ über dem Käufer, aller556

Dabei bleibt rätselhaft, wieso einem Erwerber eines subventionierten Grundstücks eine längere Schwebezeit zwischen Entstehung des Wiederkaufsrechts und dessen Ausübung zumutbar sein soll, vgl. Meier, MittBayNot 2022, 278 (282). 557 Ebenfalls Meier, MittBayNot 2022, 278 (282). 558 BGH 16. 12. 2022 – V ZR 144/21, DNotZ 2023, 198; siehe dazu auch Meier/Leidner, MittBayNot 2023, 120 (130 f.); der 24. Zivilsenat des OLG München hat nunmehr durch die Berufung (Az. 24 U 4414/22) – sollte diese nicht zurückgenommen werden oder sich sonst erledigen – in dem Verfahren des LG Memmingen 07. 07. 2022 – 34 O 509/22, DNotI-Report 2022, 134, die Möglichkeit zur Stellungnahme, ob es an der kritisierten Entscheidung des 20. Zivilsenats festhalten wird; siehe auch Reyes y Ráfales, notar 2022, 378 (382). 559 BGH 16. 12. 2022 – V ZR 144/21, DNotZ 2023, 198 (202).

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dings sei für eine fehlerhafte Ermessensausübung der Gemeinde nichts ersichtlich.560 Selbst wenn sie es unterlassen habe, den Käufer auf die bereits abgelaufene Frist zur Bebauung hinzuweisen und zur Bebauung aufzufordern, stehe der Ausübung des Wiederkaufsrechts auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen, da dieses Verhalten für die Annahme eines Umstandsmoments nicht ausreichend sei.561 (4) Dingliche Absicherung durch Rückauflassungsvormerkung Wie bereits erwähnt, wirkt das Wiederkaufsrecht (§§ 456 – 462 BGB) rein schuldrechtlich, weshalb der Käufer bei Weiterveräußerung des Grundstücks vor Ausübung des Wiederkaufsrechts dem Verkäufer lediglich nach § 457 Abs. 2 BGB zu Schadensersatz verpflichtet ist. Vom Erwerber kann der Wiederkaufsberechtigte dagegen nicht die Übertragung des Grundstücks verlangen. Allerdings ist es möglich, den durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts entstehenden künftigen Auflassungsanspruch durch Vormerkung, vgl. § 883 Abs. 1 BGB, zu sichern.562 Die Gemeinde kann es sich bei der vergünstigten Grundstücksveräußerung jedoch nicht aussuchen, ob sie eine Rückauflassungsvormerkung eintragen lässt, sondern ihre öffentlich-rechtlichen Bindungen erfordern durch die bereits genannten haushaltsrechtlichen Gebote, dass sie ihr Wiederkaufsrecht effektiv und somit in aller Regel auch dinglich absichert.563 Gemäß § 883 Abs. 2 BGB sind dann Verfügungen des Käufers gegenüber dem Wiederkaufsberechtigten insoweit unwirksam, als sie den bedingten Übereignungsanspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden. Damit bleibt der Gemeinde der Zugriff auf das Grundstück erhalten, worauf es in Anbetracht ihres Interesses an 560

Siehe Fn. 559. BGH 16. 12. 2022 – V ZR 144/21, DNotZ 2023, 198 (206 f.). 562 Schon RG 28. 04. 1934 – V 6/34, RGZ 144, 281 (282); BGH 14. 1. 1972 – V ZR 173/69, BGHZ 58, 78 (82); BayObLG 9. 6. 1986 – BReg. 2 Z 108/85, DNotZ 1987, 213. 563 Richtigerweise Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (202 f.); ders., in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 722; vgl. auch für staatseigene Grundstücke in Bayern Verwaltungsvorschrift 7.4 zu Art. 64 BayHO: „Soweit mit dem Verkauf ein besonderer Zweck verfolgt wird, ist dieser grundsätzlich dinglich zu sichern, insbesondere durch ein Wiederkaufsrecht oder durch Dienstbarkeit. Das Nähere regelt das für die staatliche Immobilienverwaltung zuständige Staatsministerium.“ Ein besonderer Zweck wird in der Regel verfolgt, wenn das Grundstück im Wege des Freihandverkaufs (ohne öffentliche Ausschreibung) veräußert wird, siehe 2.1 S. 2 der Richtlinien für den Verkehr mit staatseigenen Grundstücken. Gemäß 1.3.1 S. 3 fällt darunter auch die Grundstücksveräußerung an eine Gemeinde, die zum Zweck der Wohnungspolitik zugunsten Einkommensschwächerer und Einheimischer Land erwirbt, um es dann als Bauland zum Selbstkostenpreis an diesen Personenkreis abzugeben; Rastätter, DNotZ 2000, 17 (34) hingegen empfiehlt die Vormerkung nur dringend; bei einem nicht vormerkungsgesicherten Wiederkaufsrecht und einer durch Bürgschaft gesicherten Nachzahlungsklausel, liegt trotz vorheriger Aufgabe dinglicher Sicherungen (Vormerkung, Sicherungshypothek) nach DNotI-Report 2019, 105, keine nichtige Unter-Wert-Veräußerung vor; abwegig OLG Hamm 11. 1. 1996 – 22 U 67/95, DNotZ 1996, 541 (542), das die Vormerkung für unzulässig hielt, da sie die Beleihbarkeit des Grundstücks einschränkt. 561

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der Versorgung der einkommensschwächeren und weniger begüterten örtlichen Bevölkerung und der Verhinderung von Grundstücksspekulation gerade entscheidend ankommt. (a) Rückauflassungsvormerkung und Interessen der Finanzierungsgläubiger Die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung erschwert jedoch die Beleihungsfähigkeit des Grundstücks, da sich die Finanzierungsgläubiger aufgrund der Vormerkungswirkung regelmäßig nicht mit einer nachrangigen Eintragung des zu ihren Gunsten zu bestellenden Grundpfandrechtes (in aller Regel einer Grundschuld)564 zufriedengeben.565 Teilweise wurde deshalb kurzerhand die Eintragung der Rückauflassungsvormerkung zunächst nur bewilligt, um den Eintragungsantrag dann später bei Bedarf nach Abschluss der Baufinanzierung des Käufers zu stellen, sodass das Grundbuch bei Eintragung der Grundschuld insoweit zunächst lastenfrei ist. Von dieser Gestaltung kann aber nur abgeraten werden, da sie für die Zwischenzeit eine vermeintliche Sicherheit vortäuscht und erhebliche Risiken mit sich bringt.566 Eine Beleihung im Rang hinter der Vormerkung ist zwar denkbar, wenn der Käufer seine Ansprüche auf Zahlung des Wiederkaufspreises sowie auf Aufwendungsersatz an den Finanzierungsgläubiger abtritt und die Abtretung der Gemeinde angezeigt wird.567 In der Praxis bestehen die Kreditinstitute allerdings auf einen Rangrücktritt der Vormerkung.568 Deshalb wird regelmäßig die Verpflichtung der Gemeinde in den Kaufvertrag aufgenommen, mit ihrer Vormerkung hinter Grundpfandrechten, die der Finanzierung des Kaufpreises und des Bauvorhabens dienen, im Rang zurückzutreten.569 Zusätzlich empfiehlt sich eine Sicherungszweckabrede zwischen dem Finanzierungsgläubiger und der Gemeinde dergestalt, dass bis zur Bewilligung der Löschung der Vormerkung die Grundschuld nur zur Finanzierung des Kaufpreises und des Bauvorhabens valutiert werden darf. Von dieser Abrede kann nunmehr die Gemeinde die Abgabe der Rangrücktrittserklärung abhängig machen.570 564

Zur Verbreitung in der Praxis siehe nur MüKo/Lieder, § 1191 BGB Rn. 6 f. Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308). 566 So Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308); Rastätter, DNotZ 2000, 17 (34). 567 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; ders., NJW 1997, 237 (238); im Anschluss Rastätter, DNotZ 2000, 17 (34). 568 Hörmann, Die Grenzen städtebaulicher Verträge, S. 429 ff.; Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (203 f.); Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 66 Rn. 168; Rastätter, DNotZ 2000, 17 (34); Jachmann, MittBayNot 1994, 93 (109); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308). 569 Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (309); Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; Rastätter, DNotZ 2000, 17 (34 f.); siehe auch das Muster im Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174; Waldner, Immobilienkaufverträge, S. 248, nimmt bei Unterlassen einer solchen Vereinbarung sogar eine unangemessene Benachteiligung des Käufers an. 570 Rastätter, DNotZ 2000, 17 (35); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (309). 565

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

Auch sollte die Verpflichtung des Gläubigers zur Weitergabe dieser Einschränkung in diese Sicherungszweckabrede aufgenommen werden, sofern nicht die Abtretbarkeit der Grundschuld ohnehin ausgeschlossen wird. Der Abtretungsausschluss oder der Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gemeinde können überdies auch im Grundbuch eingetragen werden.571 (b) Löschung der Rückauflassungsvormerkung Wenn der Käufer seine Bauverpflichtung erfüllt hat, ist die Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch wieder zu löschen, jedoch wird regelmäßig vereinbart, dass er die Kosten hierfür selbst zu tragen hat.572 Darüber hinaus gilt das Wiederkaufsrecht meist ebenfalls für andere Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen,573 sodass die Löschung der Rückauflassungsvormerkung auch von der Einhaltung dieser Pflichten abhängig ist. bb) Vertragsstrafe und Nachzahlungsklausel Es stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob neben einem Wiederkaufsrecht mit Rückauflassungsvormerkung zusätzlich eine Vertragsstrafe oder Nachzahlungsklausel vereinbart werden kann, um die Erfüllung der Bauverpflichtung des Erwerbers abzusichern. (1) Allgemeines Grundsätzlich muss klargestellt werden, dass der Kern des Problemkreises rund um Nachzahlungs- und Mehrerlösklauseln im Rahmen von Einheimischenmodellen durch diese Frage noch nicht berührt wird, da diese regelmäßig an Nutzungsbindungen und Weiterveräußerungsverbote geknüpft sind.574 Ein Mehrerlös kann sowieso nur abgeschöpft werden, wenn das Grundstück zuvor veräußert wurde. Eine Nachzahlung als Konsequenz einer nichterfüllten Baupflicht in Höhe eines eingeräumten Preisvorteils stellt schon gar keine Vertragsstrafe dar, sondern nur den Widerruf der in der Kaufpreisverbilligung liegenden und an bestimmte Bedingungen geknüpften Subvention.575 Nach der Rechtsprechung des BGH muss dabei eine 571

BayObLG 3. 9. 1998 – 2Z BR 117-98, NJW-RR 1999, 309; vgl. auch MüKo/Kieninger, § 399 BGB Rn. 39, 42; Grziwotz, Baulanderschließung, S. 216 f. 572 Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090. 573 Siehe dazu unter § 5 II. 2. und 3. 574 Insoweit fehlgehend die Kritik von Grziwotz, MittBayNot 2019, 81 (85), welcher dem BGH vorwirft, dass der Gerichtshof zu Unrecht bei Bau- und Nutzungspflichten stets von Obliegenheiten ausgehe – die Kritik trifft zwar in der Sache zu, allerdings hat der BGH in der zitierten Rechtsprechung nur bezüglich Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen geurteilt, hingegen nicht bezogen auf Baupflichten; ebenfalls unzutreffend Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen gemäß § 11 BauGB, S. 338. 575 BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 20); BGH 6. 11. 2009 – V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531; Grziwotz, KommJur 2009, 376 (377); a. A. OLG München

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zwischenzeitlich eingetretene Bodenwertsteigerung auch nicht beim Eigentümer verbleiben, sondern zählt als Teil der Subvention.576 Auch dürfen von der Gemeinde entsprechende Zinsen verlangt werden.577 Ob die Abschöpfung der zwischenzeitlichen Bodenwertsteigerung tatsächlich zulässig sein sollte und die Rechtsprechung des BGH damit überzeugt, kann an dieser Stelle noch dahinstehen, da auch nach der Ansicht des V. Zivilsenats die Nachzahlung auf den tatsächlich eingetretenen Vorteil begrenzt werden muss und somit überhaupt erst nach Weiterveräußerung zum Tragen kommt.578 Muss der Eigentümer hingegen noch mehr als den eingeräumten Preisvorteil nachzahlen, handelt es sich um eine Vertragsstrafe. Dagegen spricht auch nicht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, die besagt, dass im Rahmen eines Einheimischenmodells vereinbarte Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen keine Primärverpflichtungen, sondern Obliegenheiten des Grundstückskäufers begründen.579 An Obliegenheiten kann zwar keine Vertragsstrafe geknüpft werden, da letztere die Verletzung einer Leistungspflicht voraussetzt.580 Baupflichten hingegen stellen schon keine Obliegenheit dar, sondern sind von der Gemeinde gerichtlich vollständig durchsetzbar.581 27. 06. 1994 – 30 U 974/93, MittBayNot 1994, 464, das bei einer Zahlungsklausel, die die Differenzzahlung zum Verkehrswert im späteren Zeitpunkt des Verstoßes vorsieht, schon als Vertragsstrafe ansieht. 576 BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 21); BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888. 577 Jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Verstoßes, nicht rückwirkend ab Vertragsschluss, siehe Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4095; sollen dadurch etwaige Zinsvorteile des Käufers eingezogen werden, muss beachtet werden, dass die Klausel die Möglichkeit berücksichtigt, dass keine Zinsvorteile oder sogar – in der aktuellen geldpolitischen Situation nicht mehr undenkbar – Zinsnachteile entstanden sind, siehe dazu auch der Hinweis in BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 21); weiterführend dazu Ernst, ZfPW 2015, 250; Renner, AcP 222 (2022), 218 (221 ff.). 578 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 21); BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 11). 579 Ausdrücklich BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 im 1. Leitsatz; im Anschluss BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, MittBayNot 2019, 81 (m. krit. Anm. Grziwotz). 580 Vgl. nur BGH 14. 10. 2009 – VIII ZR 272/08, NZM 2010, 39; Leuschner, in: ders., AGB-Recht Teil 3 Haftungserweiterungen Rn. 8; möglich ist allerdings die Vereinbarung eines sog. selbstständigen Strafversprechens, das sich dadurch auszeichnet, dass es sich nicht auf einen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, sondern auf Obliegenheiten, Naturalobligationen oder sonstige Verhaltensanforderungen bezieht und die §§ 339 ff. BGB nach ganz herrschender Meinung analog Anwendung finden, siehe mit zahlreichen Nachweisen BeckOGK/Ulrici, § 339 BGB Rn. 1, 68, 128 f. 581 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 12 BauGB Rn. 156; Grziwotz, MittBayNot 2019, 81 (85 m. w. N.); Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 148; es ist nur so, dass bei einer vertretbaren Handlung wie der Bebauung die Gemeinde letztlich auf die Ersatzvornahme verwiesen wird, vgl. § 887 ZPO, und die Gemeinde ja gerade kein Interesse daran hat, das Grundstück für den Erwerber zu bebauen.

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Damit könnte vertraglich auch eine Vertragsstrafe bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung vereinbart werden, die im Formularvertrag den Anforderungen des AGB-Rechts genügen muss, insbesondere nicht § 309 Nr. 6 BGB unterfällt.582 (2) § 309 Nr. 6 BGB Nach dieser Norm ist eine Bestimmung unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. In der vorliegenden Konstellation könnte die letzte Variante in Betracht kommen. Neben der ausdrücklichen Lösung vom Vertrag583 kann auch eine konkludente Lösung vorliegen, wenn der Vertragspartner Pflichten verletzt und damit eine Situation schafft, in der die weitere Durchführung des Vertrages entweder unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos ist.584 So wurde bereits entschieden, dass schon in der Verletzung der Baupflicht ein Lösen vom Vertrag liegt, selbst wenn für diesen Fall der Verwender zurücktreten kann.585 Eine bei Rücktritt des Verwenders fällig werdende Vertragsstrafe verstößt dann gegen das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB.586 Somit ist darauf zu achten, dass eine Vertragsstrafe nur als Druckmittel zur Bebauung eingesetzt wird und nicht zusätzlich zum Wiederkaufsrecht zu leisten ist.587 Unter dieser Maßgabe kollidiert eine Vertragsstrafenregelung auch nicht mit dem Klauselverbot588 aus § 309 Nr. 6 BGB und wird von der überwiegenden Ansicht für zulässig gehalten.589 582 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; Jachmann, MittBayNot 1994, 93 (95 ff.); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308); Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (212); a. A. Rastätter, DNotZ 2000, 17 (36), der die Anwendbarkeit des AGBG zwar völlig richtig bejaht, aber nicht beachtet, dass Vertragsstrafen auch ohne Vertragslösung vereinbart werden können und damit nicht mit § 11 Nr. 6 AGBG bzw. § 309 Nr. 6 BGB kollidieren. 583 Dabei ist umstritten, ob die Norm die berechtigte oder nur die unberechtigte Lösung vom Vertrag erfasst, siehe ausführlich zum Streitstand BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 92 ff. 584 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 14. 585 OLG Koblenz 05. 11. 1997 – 7 U 370/97, DNotI-Report 1998, 25. 586 Damals noch unter der Vorgängervorschrift des § 11 Nr. 6 AGBG, siehe OLG Koblenz 05. 11. 1997 – 7 U 370/97, DNotI-Report 1998, 25 (26); siehe auch BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 105; a. A. Leidner, MittBayNot 2021, 108 (110), der bei Vertragsstrafen in gemeindlichen Grundstücksgeschäften nur § 307 BGB für einschlägig hält. 587 A. A. Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308), der die AGB-rechtlichen Implikationen übersieht, obwohl er die Anwendbarkeit des AGBG an anderer Stelle grundsätzlich erkennt, ders., MittRhNotK 1996, 301 (318). 588 Siehe allg. treffend die Kritik zur Formulierung von § 309 BGB MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 24: „dass aber bei Anwendung des § 309 dem Richter jede Wertungsmöglichkeit

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(3) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB Problematischer gestaltet sich hingegen die Angemessenheit nach den § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB, deren Verhältnis zuvor erörtert wurde.590 Die Voraussetzungen für Art, Fälligkeit und Höhe der Strafe müssen ausreichend bestimmt oder bestimmbar angegeben werden.591 Vorliegend entzündet sich der Streit um die Wirksamkeit vor allem an der Höhe der Zahlung. Die Vertragsstrafe sollte fu¨ r den Ka¨ ufer einerseits so spu¨ rbar sein, dass er sich vertragsgema¨ ß verha¨ lt, darf aber andererseits weder zu einer Knebelung des Ka¨ ufers führen noch dessen wirtschaftliche Existenz übermäßig beeinträchtigen.592 Ist sie unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, vgl. § 343 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Vorschrift ist auch nicht vertraglich abdingbar, sondern dient dem zwingenden Schuldnerschutz.593 Gemäß § 348 HGB gilt sie jedoch nicht fu¨ r Vollkaufleute, die allerdings durch § 138 BGB, § 307 BGB sowie bei Geltendmachung durch § 242 BGB geschützt werden.594 Jedoch kommt es in den hier interessierenden Konstellationen auch im Verhältnis zu Verbrauchern gar nicht zur Anwendung von § 343 BGB. Zum Ersten lehnt der BGH entsprechende Zahlungsklauseln schon aufgrund ihres „strafähnlichen Charakters“ ab, ohne sie als Vertragsstrafen einzustufen und damit §§ 339 ff. BGB zur Anwendung kommen zu lassen.595 Aber selbst wenn dies der Fall wäre, kann über § 343 BGB nur eine verwirkte und damit wirksame Vertragsstrafe versagt sei, ist eine unzutreffende Behauptung, die auch dadurch nicht an Glaubwürdigkeit gewinnt, dass sie in den Gesetzestext aufgenommen worden ist“. 589 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; Jachmann, MittBayNot 1994, 93 (95 ff.); Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308); Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (212); a. A. Rastätter, DNotZ 2000, 17 (36), der die Anwendbarkeit des AGBG zwar völlig richtig bejaht, aber nicht beachtet, dass Vertragsstrafen auch ohne Vertragslösung vereinbart werden können und damit nicht mit § 11 Nr. 6 AGBG bzw. § 309 Nr. 6 BGB kollidieren; einer Mindermeinung nach sollen Vertragsstrafen zumindest gegenüber Verbrauchern „im Zweifel“ unangemessen sein, siehe Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 61; dagegen aber richtig MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 15; Fuchs/Zimmermann, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 12. 590 Siehe dazu unter § 4 I. 3. e) dd) (2). 591 Jauernig/Stadler, § 339 BGB Rn. 15 ff. 592 Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308). 593 Siehe BGH 13. 2. 1952 – II ZR 91/51, BGHZ 5, 133 (136); eine solche Herabsetzungsbefugnis sehen u. a. auch die Grundregeln des europäischen Vertragsrechts in Art. 9:509 (2) PECL sowie Rule III.-3.712 (2) DCFR vor, sie stellt auch keinen Fremdkörper im System des BGB dar, siehe tiefgehend Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 159; a. A. Staudinger/ Rieble, § 343 BGB Rn. 12 ff. 594 Im Grundsatz auch MüKo/Gottwald, § 343 BGB Rn. 4, der jedoch auch § 309 Nr. 6 BGB für anwendbar hält; diese Norm gilt allerdings nicht für den unternehmerischen Rechtsverkehr und entfaltet richtigerweise auch keine Indizwirkung, siehe MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 BGB Rn. 19 m. w. N.; ebenfalls krit. Rieländer, in: Leuschner, AGB-Recht Teil 2 § 307 BGB Rn. 49. 595 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13).

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angepasst werden, woraus sich begriffslogisch ein Vorrang der Inhaltskontrolle ergibt.596 In der Vergangenheit sollen Regelungen vereinbart worden sein, wonach die Höhe der Vertragsstrafe pauschal bei 20 % des Kaufpreises lag.597 Teilweise wurde auch vorgeschlagen, dass jährlich ein Betrag in Höhe von 2 % über dem (mittlerweile abgeschafften) jeweiligen Diskontsatz der Bundesbank bis zur Bezugsfertigkeit aus dem Gesamtgrundstückspreis zu zahlen ist.598 Es fanden sich sogar Klauseln, die einen Bruchteil des Kaufpreises fu¨ r jeden Tag der Nichteinhaltung der Bauverpflichtung als Vertragsstrafe festlegten, zum Beispiel 0,3 % des Kaufpreises täglich.599 Nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH seit 2018600 sind diese Vereinbarungen nun nicht mehr möglich. In dem entscheidenden BGH-Urteil kam es zwar nicht darauf an, ob die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhielte, da sie bereits nach dem weiteren Prüfungsmaßstab des § 11 Abs. 2 BauGB unwirksam war. Der Senat wendete aber dann wie selbstverständlich den „Rechtsgedanken“ des § 306 Abs. 3 BGB als Folge der Unwirksamkeit an.601 Die Nichtanwendung der Inhaltskontrolle darf also keinesfalls so verstanden werden, dass nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB eine solche strafähnliche Klausel weiterhin möglich wäre, sondern ist eher darin begründet, dass der BGH sich in der Frage des Verhältnisses von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB nach wie vor nicht festlegen möchte.602 (a) BGH, Urteil vom 20. 4. 2018 – V ZR 169/17 Die beklagte Gemeinde hatte zwei Grundstücke zum Marktpreis an den Kläger und seine damalige Ehefrau veräußert. Die Erwerber verpflichteten sich, innerhalb 596 Eingehend BeckOGK/Ulrici, § 339 BGB Rn. 36 m. w. N.; siehe auch BeckNotar-HdB/ ¨ ffentlichen Recht, S. 74. Grziwotz, § 10 Rn. 20; ders., Vertragsgestaltung im O 597 So Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (308); zutreffend insoweit Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen gemäß § 11 BauGB, S. 357 f., die bei Nichterfüllung des Baugebots keine Vertragsstrafe, sondern nur eine Aufzahlung in Höhe der Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorsieht. 598 Siehe bei Hörmann, Die Grenzen städtebaulicher Verträge, S. 414, mit Nachweisen der Musterverträge der Stadt Forchheim und einem Käufer. 599 Langenfeld, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 4/1, 3. Aufl. 1992, S. 111 (113); so aber nicht mehr ders./Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, 7. Aufl. 2013, S. 151 ff. sowie für den Grundstücksverkauf im Einheimischenmodell Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, S. 164 ff. 600 Gemeint ist das bereits oben erwähnte Urteil BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012. 601 Siehe BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3014 Rn. 18). 602 Siehe dazu auch eindrücklich die Ausführungen des u. a. Vorsitzenden Richters des V. Zivilsenats am BGH a.D. Krüger, ZNotP 2010, 450 ff., der für das Sachenrecht (insbesondere Grundstücksrecht, Nachbarrecht, Wohnungseigentumsrecht) zuständig ist.

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von acht Jahren nach Vertragsschluss auf den Grundstücken ein bezugsfertiges Wohnhaus zu errichten. Darüber hinaus musste dieses acht Jahre lang selbst genutzt und die Grundstücke durften während dieser Zeit nicht veräußert werden. Im Falle eines Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht sollte eine pauschale Zuzahlung von 5,– E pro m2 und bei Verstoß gegen das Veräußerungsverbot eine solche von 25,– E pro m2 erfolgen. Die Erwerber kamen zwar der Bauverpflichtung nach, veräußerten jedoch nach ihrer Scheidung vier Jahre später die Grundstücke, woraufhin die Gemeinde die Zuzahlung forderte, obwohl der Betrag die tatsächliche Wertentwicklung der Grundstücke überstieg. Der BGH entschied, dass eine solche Regelung, die den Erwerbern eine von einer Verkehrswertsteigerung des Grundstücks unabhängige Zuzahlung bei dessen Weiterverkauf innerhalb von acht Jahren nach Errichtung des Eigenheims auferlegt, gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstößt. (b) Folgen für die Gestaltung der Nachzahlungsklauseln bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung Die Entscheidung fußte zwar nicht auf einem Verstoß gegen die Bauverpflichtung, jedoch sind die Erwägungen, die zur Unwirksamkeit der Klausel geführt haben, ohne Weiteres darauf übertragbar. Aus den Angaben zum Sachverhalt kann man entnehmen, dass der Gemeinde bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung nur ein Wiederkaufsrecht eingeräumt wurde.603 Hätte die Gemeinde allerdings ebenfalls pauschale Zuzahlungen für den Baupflichtenverstoß vorgesehen, wären diese nach den Erwägungen des Senats ebenfalls dem Verdikt der Unangemessenheit anheimgefallen. Im Wesentlichen waren es zwei überzeugende Argumente des BGH, die der Klausel entgegenstanden: Erstens lasse sich eine vorteilsunabhängige Nachzahlungsklausel nicht mit dem Zweck der Verhinderung von Bodenspekulationen rechtfertigen und zweitens vermag dies ebenso wenig das Interesse der Gemeinde an einer Selbstnutzung der Immobilie durch den Käufer.604 Um Bodenspekulationen zu verhindern, sei es nach den Ausführungen des V. Zivilsenats nämlich ausreichend, eine vorteilsabhängige Nachzahlungsklausel zu vereinbaren. Die Pflicht zur Zahlung eines von der Bodenwertentwicklung unabhängigen Betrags habe dagegen einen strafähnlichen Charakter und gehe damit über das verfolgte Ziel der Verhinderung von Bodenspekulationen hinaus.605 Auch sei die Auferlegung einer – über die Abschöpfung einer gewährten Subvention hinausgehenden – Zuzahlungspflicht schon nicht geeignet, die angestrebte Selbstnutzung durch den Käufer zu erreichen. Wollte die Gemeinde langfristig Einfluss auf die Nutzerstruktur nehmen, könnte sie dies beispielsweise dadurch erreichen, dass sie

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Siehe BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012. BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013). 605 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13); ebenso Krüger, ZNotP 2010, 450 (454). 604

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mit ihrem Vertragspartner ein Wiederkaufsrecht für den Fall der vorzeitigen Veräußerung der Immobilie vereinbart.606 Diese Überlegungen lassen sich auch auf die Bauverpflichtung übertragen. Denn auch im Hinblick auf die Bauverpflichtung ist es nicht ersichtlich, weshalb diese mit strafähnlichen Klauseln belegt werden soll. Um Druck auf den Erwerber bei einem Verkauf unter Marktwert nach Ablauf der Baufrist auszuüben, ist es zulässig, auf einen Schlag oder in Raten Geldzahlungen zu verlangen, bis die Subvention vollständig zurückgezahlt wurde. Warum Zahlungen darüber hinaus notwendig sein sollen und erst dann bei dem Erwerber den Entschluss, dass er nun endlich vertragsgemäß bebaut, auslösen kann, ist nicht recht nachvollziehbar. Bei einem Verkauf zum Marktwert stellt sich die Ausgangslage als eine andere dar. Zunächst kann in diesem Falle keine Subvention abgeschöpft werden. Dort kann ebenso wenig eine vorteilsabhängige Nachzahlungsklausel vereinbart werden, weil es beim alleinigen Verstoß gegen eine Baupflicht noch keinen Vorteil (im Sinne einer Bodenwertsteigerung) gibt bzw. genauer gesagt, der Erwerber diesen Vorteil nicht realisiert hat. Übrig bleibt nur die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts, was nachhaltig Grundstücksspekulation verhindert und worauf der BGH ja sogar richtigerweise obiter dicto hinweist. (c) Übertragbarkeit auf die Vertragsstrafe Vereinzelt wird im Schrifttum eine Vertragsstrafe auch weiterhin für zulässig gehalten, weil dogmatische Unterschiede von Nachzahlungsklauseln und Vertragsstrafen bestehen und man somit die Aussagen des BGH nicht von der Nachzahlungsklausel auf die Vertragsstrafe übertragen könne.607 So wird hervorgehoben, dass die Vertragsstrafe durch eine Druck- und Ersatzfunktion gekennzeichnet sei, während es bei der Nachzahlungsklausel entweder um die Abschöpfung des Mehrerlöses im Falle des Weiterverkaufs gehe oder um die Rückforderung einer Subvention bei Ankauf von der Gemeinde unter Wert.608 Auch sei für die Bemessung des Sicherungsmittels bei der Nachzahlungsklausel der tatsächliche Grundstückswert relevant, wohingegen bei der Vertragsstrafe mehrere

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So ausdrücklich BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 14). Leidner, MittBayNot 2021, 108 (110); siehe auch Grziwotz, MittBayNot 2019, 81 (86): „Folgt man der hier vertretenen Meinung, wären entgegen der Entscheidung des BGH Vertragsstrafen zur Verfolgung städtebaulicher Ziele des Gemeinwohls zulässig.“, der insoweit anerkennt, dass das Urteil des BGH die hier genannten Konsequenzen der Unwirksamkeit der Vertragsstrafe mit sich bringt; zutreffend insoweit Leidner, MittBayNot 2021, 108: „Ein strenges Verständnis der BGH-Entscheidung hätte zur Folge, dass in gemeindlichen Grundstücksgeschäften – jedenfalls bei einer Veräußerung zum Verkehrswert – Vertragsstrafenregelungen nicht vereinbart werden könnten.“, der jedoch im Folgenden ein solch strenges Verständnis ablehnt. 608 Leidner, MittBayNot 2021, 108 (108 f.); so auch Grziwotz, MittBayNot 2019, 81 (85). 607

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Faktoren wie das Gewicht der Verletzung der Pflicht bzw. Obliegenheit, der Gewinn des Schuldners, der Kaufpreis und die Dauer des Verstoßes entscheidend seien.609 Aus diesen Differenzierungen ergibt sich bei funktionaler Betrachtungsweise keinerlei Unterschied. Die Ersatzfunktion ist mangels Verletzung materieller Interessen weniger stark ausgeprägt, weshalb auch kein pauschalierter Schadensersatzanspruch in Betracht kommt, die Druckfunktion auf der anderen Seite besteht bei beiden Klauselarten in gleicher Weise. Auch Nachzahlungsklauseln werden gerade wegen ihrer Druckfunktion auf die Erwerber, ihre öffentlich-rechtlichen Bindungen einzuhalten, eingesetzt.610 Würden sie nur zur Generierung von Einnahmen für die Gemeinde dienen, wären sie erst recht unzulässig.611 Ebenso machen die verschiedenen zu berücksichtigenden Faktoren nur auf den ersten Blick einen Unterschied aus. So muss die Gemeinde als Trägerin öffentlich-rechtlicher Gewalt nicht nur die Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beachten, sondern ist weitergehenden Bindungen unterworfen, zu denen insbesondere die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und das daraus resultierende Übermaßverbot zählen.612 Damit können die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, unter die die oben genannten Faktoren wie Dauer und Gewicht des Verstoßes, Gewinn des Schuldners sowie Kaufpreis fallen, nicht einfach bei Nachzahlungsklauseln unberücksichtigt bleiben. Vielmehr müssen sie im Rahmen der von der Gemeinde zu treffenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden, ob und inwieweit der Anspruch auf Zahlung überhaupt geltend gemacht werden soll. Darin liegt im Übrigen auch der Grund, warum es in solchen Gestaltungen einer Härtefallklausel nicht zwingend 609

Leidner, MittBayNot 2021, 108 (109); auch die Heranziehung des Beschlusses des OLG Köln 30. 11. 2018 – 3 U 53/18, BeckRS 2018, 30901, hat für die vorliegenden Konstellationen keine Aussagekraft, da das Gericht mitnichten von einer AGB-Klausel ausging, siehe dazu auch der Vorprozess vor dem LG Köln 14. 9. 2010, 5 O 102/10, BeckRS 2010, 144335. Vielmehr handelte es sich um eine individualvertraglich ausgehandelte Klausel gegenüber einem Unternehmer, bei der das OLG Köln feststellte, dass es bei der Nichterfüllung einer Bebauungsverpflichtung vereinbarten Vertragsstrafe nicht auf das Verhältnis zwischen der Vertragsstrafe und dem Kaufpreis, sondern auf das Verhältnis zwischen der Vertragsstrafe und der Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes ankäme. Dabei übernimmt das Gericht ohne den Ansatz einer Begründung eine BGH-Rechtsprechung zum Gewerberaummietrecht, vgl. BGH 12. 3. 2003 – XII ZR 18/00, BGHZ 154, 171, bei dem der Vermieter seiner Kardinalpflicht, nämlich die Fertigstellung des Mietobjekts, nicht nachkam, obwohl der Senat sogar im gleichen Judikat vorher bemerkte, dass etwa die Rechtsprechung zu AGB in Bauverträgen nicht auf Dauerschuldverhältnisse wie gewerbliche Mietverträge zu übertragen sei. So kam das OLG Köln zu dem kuriosen Ergebnis, dass der Erwerber eine Vertragsstrafe von (über einige Jahre kumulierten) 710.000 E zu zahlen hatte, und zwar bei einem Kaufpreis von 520.000 E oder 700.000 E, was sich jedoch nicht abschließend klären lässt, da sich in diesem Punkt die beiden Entscheidungen widersprechen; in jedem Falle lässt dies aber erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung aufkommen. 610 In diese Richtung auch Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen gemäß § 11 BauGB, S. 157. 611 So auch BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28). 612 Siehe nur BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (892); Krüger, ZNotP 2010, 450 (454); dies räumt auch Leidner, MittBayNot 2021, 108 (109) ein.

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bedarf; die Gemeinde ist unabhängig davon verpflichtet, ihre Rechte so auszuüben, dass im Einzelfall keine unzumutbaren Härten für ihre Vertragspartner entstehen.613 Schließlich soll als letzter Keil zwischen die zwei Rechtsinstitute das Verschuldensprinzip getrieben werden: dieses gelte bei Vertragsstrafen, bei Nachzahlungsklauseln hingegen nicht.614 Bei näherer Betrachtung ist dieser Unterschied jedoch eher künstlich und entfaltet keine praktischen Auswirkungen. Zunächst einmal sind nach einhelliger Meinung auch verschuldensunabhängige Vertragsstrafen grundsätzlich möglich und anerkannt.615 Darüber hinaus bleibt offen, wie sich das Verschulden im Einzelnen auswirken soll: Während die Nichterfüllung bei der Bauverpflichtung nach der Rechtsprechung des BGH vom Käufer sowieso verschuldet sein muss,616 stellt sich die Frage bei Nutzungspflichten schon als schwieriger dar. Ist die unterlassene Eigennutzung aufgrund von Arbeitsplatzwechsel verschuldet, wenn sich der Erwerber die neue Tätigkeit selbst ausgesucht hat und unverschuldet, wenn er von dem Dienstherren versetzt wurde?617 Wie sieht es aus, wenn die Versetzung an einen anderen Arbeitsort nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist und eine Änderungskündigung ausgesprochen wird? Völlig fragwürdig wird es dann, wenn das Verschulden bei Umzug aufgrund einer Scheidung geprüft werden soll.618 Der Blick auf das Weiterveräußerungsverbot offenbart schließlich, dass das Verschuldenskriterium auch dort völlig ungeeignet ist, um eine unterschiedliche Beurteilung von Vertragsstrafe und Nachzahlungsklausel zu rechtfertigen. Es ist nicht recht

613 Pointiert Krüger, ZNotP 2010, 450 (454); in diese Richtung auch Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (571); Schwab, Städtebauliche Verträge, S. 67 f., hält Vertragsstrafen deshalb ebenfalls für äußerst problematisch; zuletzt wieder BGH 16. 12. 2022 – V ZR 144/21, DNotZ 2023, 198 (205 f.). 614 Leidner, MittBayNot 2021, 108 (109). 615 Allerdings in AGB gegenüber Verbrauchern regelmäßig unwirksam, siehe BGH 26. 09. 1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135, und nur ausnahmsweise zulässig, wenn dies durch besondere sachliche Gründe geboten ist, BGH 24. 04. 1991 – VIII ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1013 (1015); MüKo/Gottwald, § 339 BGB Rn. 34 ff.; siehe auch ausführlich Leuschner, in: ders., AGB-Recht Teil 3 Haftungserweiterungen Rn. 8 ff., der darlegt, dass prägend für die Vertragsstrafe nicht etwa das Verschulden, sondern ihre Verhaltenssteuerungsfunktion ist. 616 Wie bereits oben beschrieben, siehe dazu BGH 29. 5. 1970 – V ZR 131/67, DNotZ 1970, 740. 617 Dazu etwa die in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Entscheidung des OLG München 27. 06. 1994 – 30 U 974/93, MittBayNot 1994, 464, zu der Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (209), richtig anmerkt: „So versuchte das OLG München in seiner Entscheidung von 1994 vergeblich zu prüfen, ob die Nutzung durch Dritte bei vorübergehender Versetzung des Erwerbers an einen anderen Ort ,schuldhaft‘ sei. Letztlich traf das OLG München eine Billigkeitsentscheidung in Abwägung der beiderseitigen Interessen.“ 618 Treffend auch Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (213): „Doch erscheint mir gekünstelt, zu prüfen, ob etwa ein Umzug des Erwerbers infolge Arbeitsplatzwechsels oder Scheidung ,verschuldet‘ ist. Schon von daher empfiehlt sich die Vereinbarung einer (verschuldensunabhängigen) periodischen Aufzahlung.“

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nachvollziehbar, wie jemand sein Grundstück überhaupt unverschuldet veräußern kann. Somit wird auch in diesen Fällen immer Verschulden vorliegen. Die genannten Unterscheidungskriterien sind also insgesamt nicht geeignet, Vertragsstrafen als so andersartig einzustufen, dass sie nicht der Rechtsprechung des BGH zu Nachzahlungsklauseln unterfielen. Für die Gestaltung der Vertragsstrafe gelten erst recht die Beschränkungen, die der BGH für die Gestaltung einer strafähnlichen Nachzahlungsklausel aufgestellt hat. (d) Zwischenergebnis Jegliche vorteilsunabhängige Zahlungsklauseln verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB, wenn eine Gemeinde im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages ein von dem Erwerber mit einem Eigenheim zu bebauendes Grundstück zum Verkehrswert veräußert. Bei Verkauf unter Verkehrswert kann die Differenz bis zum Erreichen des Verkehrswertes als Nachzahlung gefordert werden, wobei es sich empfiehlt, diesen Betrag zum Beispiel monatlich auf ein halbes oder ganzes Jahr aufzuteilen, um die Druckwirkung auf den Erwerber langsam zu steigern und ihm die Möglichkeit zu geben, der Baupflicht schnellstmöglich nachzukommen. Bei der Nachforderung des ganzen Ermäßigungsbetrags auf einmal, zumal dieser erhebliche Größen annehmen kann und ja gerade finanziell ursprünglich nicht vom Erwerber zu stemmen gewesen wäre, birgt die Gefahr, dass der Erwerber nun vollends davon absieht, die Bauverpflichtung zu erfüllen und das originäre Ziel der Gemeinde verfehlt wird. Für eine solche Nachzahlungspflicht besteht auch ein Anwendungsbereich, obwohl die herrschende Meinung davon ausgeht, dass bei unbebauten Grundstücken zumeist vom Wiederkaufsrecht als Sanktion Gebrauch gemacht werden sollte.619 Zwar mag man berechtigte Zweifel daran haben, ob derjenige, der seiner Baupflicht schon nicht nachkommt, sich im Weiteren an seine Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen halten wird und man daher gleich einen neuen gewillten Erwerber suchen sollte. Dagegen spricht aber, dass es im Einzelfall viele verschiedene Gründe haben kann, weshalb jemand seiner Bauverpflichtung nicht bzw. nicht zu diesem Zeitpunkt nachkommt, aber im weiteren Verlauf nicht beabsichtigt, auch die anderen vertraglichen Verpflichtungen zu missachten. Zusätzlich spart die Gemeinde einen gewissen Verwaltungsaufwand, der unzweifelhaft durch den Wiederkauf und den neu durchzuführenden Verkauf entsteht. Sollte allerdings die volle Subvention be619 BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (307): „Zur Absicherung des Förderzwecks hatte die Klägerin zwar nach § 3 Abs. 3 des Vertrags ein Wiederkaufsrecht, das entgegen der Darstellung der Klägerin auch bei Verstoß gegen die Wartefrist eingreift. Dieses dient aber in erster Linie der Absicherung der Bauverpflichtung.“; siehe auch aus der umgekehrten Perspektive, dass ab Bebauung Zahlungsklauseln befürwortet werden Grziwotz, ZNotP 1998, 100 (105); ders., MittBayNot 2007, 308 (309); ders., ZfIR 2020, 81 (87); Vertragsstrafen im Anwendungsbereich des AGB-Rechts völlig ausschließend Rastätter, DNotZ 2000, 17 (36), es sei denn, der Erwerber ist Kaufmann und der Erwerb gehört zum Betrieb seines Handelsgewerbes.

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reits zurückgefordert sein, führt für die Gemeinde kein Weg daran vorbei, im Rahmen ihres Ermessens das Wiederkaufsrecht auszuüben.620 (4) Dingliche Absicherung durch Sicherungshypothek Eine dingliche Absicherung der Zahlungspflichten durch ein Grundpfandrecht ist möglich und empfehlenswert – vorzugsweise durch eine akzessorische Sicherungshypothek (§ 1184 BGB), da der Anspruch nicht umlauffähig zu sein braucht.621 Dies ist neben der Rückauflassungsvormerkung nicht nur zulässig, sondern auch sinnvoll, da durch beide Instrumente unterschiedliche Rechte abgesichert werden.622 Wenn schon das Wiederkaufsrecht dinglich abgesichert wurde, ist es jedoch vor dem Hintergrund des kommunalen Haushaltsrecht bei einer vergünstigten Grundstücksvergabe nicht mehr zwingend, dass die Gemeinde auch ihren Zahlungsanspruch dinglich sichert.623 Die bereits im Rahmen der Rückauflassungsvormerkung ausgeführten Vorgaben zum Rangrücktritt sollten ebenfalls für die Sicherungshypothek vereinbart werden, da die Hypothek zwar keine Vormerkungswirkung entfaltet, aber vorrangige Grundpfandrechte Einfluss auf den Beleihungswert eines Grundstücks haben.624 Erfüllt der Käufer die Zahlungsverpflichtungen, erlischt die Forderung, § 362 Abs. 1 BGB, womit die Sicherungshypothek auf den Schuldner übergeht und sich dort in eine Eigentümergrundschuld verwandelt, vgl. §§ 1185 Abs. 2, 1163 Abs. 1 S. 2, 1177 Abs. 1 BGB.625

620

Passend dazu die Bemerkung von Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (204): „Das Wiederkaufsverlangen ist eine scharfe Waffe der Gemeinden – so scharf, daß die Gemeinden häufig zögern, es anzuwenden, obwohl die Voraussetzungen eigentlich vorlägen – und obwohl dann das gemeindliche Schenkungsverbot in vielen Fällen eine Geltendmachung erfordern würde.“ 621 Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (210 f.); Würzburger Notarhandbuch/ders., Teil 6 Rn. 179; ders., in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 2 Rn. 908; Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (310); Jachmann, MittBayNot 1994, 93 (95); Rastätter, DNotZ 2000, 17 (35, 41), der Grundschulden gleichermaßen erwähnt; ebenso Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1605; Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123, verwendet eine unverzinsliche Buchgrundschuld und in Rn. 4119 eine Sicherungshypothek mit Verweis auf die nicht notwendige Verkehrsfähigkeit; a. A. Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen gemäß § 11 BauGB, S. 287 f., die zum Ergebnis kommt, dass eine selbstschuldnerische Bürgschaft vorzugswürdig wäre. 622 Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 212. 623 In diese Richtung auch Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (210 f.). 624 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 215; ebenso Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (310); vgl. auch Rastätter, DNotZ 2000, 17 (43 f.). 625 Staudinger/Wolfsteiner, § 1185 BGB Rn. 20 ff.

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2. Nutzungsbindungen Zur Verhinderung von Grundstücksspekulation und -bevorratung ist es ferner notwendig, dass die Gemeinde eine bestimmte Nutzung des Grundstückes vorgibt und somit sicherstellt, dass ihr Ziel der Deckung des Wohnbedarfs der örtlichen Bevölkerung auch erreicht werden kann. Insbesondere hat sie Interesse daran, der Bildung von Zweitwohnungssiedlungen oder Alterswohnsitzen entgegenzuwirken oder schlicht die unter Umständen durchaus profitable Vermietung für eine gewisse Zeit zu unterbinden. a) Zulässiger Inhalt Klassischerweise verpflichtet sich der Erwerber zu einer Eigennutzung der Immobilie und der damit verbundenen Begründung und Beibehaltung der melderechtlichen Hauptwohnung, vgl. §§ 21 Abs. 2, 22 Bundesmeldegesetz (BMG)626. Die Bindungsfrist beginnt mit der Bezugsfertigkeit des Wohnhauses.627 Sinnvoll ist ebenfalls eine Regelung, dass nicht jeder – auch nur kurzzeitige – Verstoß gegen die Eigennutzungspflicht unmittelbar Rechtsfolgen auslöst, sondern dass er von gewisser Dauer sein muss. Vorgeschlagen wird etwa, dass ein Wiederkaufsrecht erst ausgeübt werden darf, wenn die Eigennutzung auch sechs Monate nach Aufforderung durch die Gemeinde noch nicht (wieder) hergestellt ist.628 Meist wird auch vereinbart, dass von der Eigennutzung ebenfalls die Bewohnung durch Ehegatten, Partner oder Kinder umfasst ist.629 Sollte ein solcher Hinweis fehlen, kann sich aber auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben, dass eine Nutzung durch dem Erwerber nahestehende Personen zulässig sein muss, denn die Gemeinde darf dem Vertragspartner keine übermäßig belastenden Klauseln auferlegen, muss Härtefälle und vor allem die persönlichen Verhältnisse der Käufer beachten.630 Nicht abschließend geklärt ist bislang, inwieweit sich die Höhe des Kaufpreises auf die Möglichkeit der Vereinbarungen von solchen Bindungen auswirkt.

626

Bundesmeldegesetz (BMG) vom 3. Mai 2013 (BGBl. I, S. 1084). Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123; Würzburger Notarhandbuch/ Hertel, Teil 6 Rn. 174. 628 Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 2 Rn. 910. 629 Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174; Grziwotz, Baulanderschließung, S. 211. 630 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888 (892); Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (193); Raebel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 5 Abschnitt 1 Rn. 211. 627

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aa) Veräußerung zum Marktpreis Zunächst stellt sich die Frage, ob Nutzungsbindungen bei einem Verkauf zum Marktpreis überhaupt zulässig sein können. Der BGH hat – wie zuvor dargestellt – bereits einen Fall entschieden, in dem der Kaufpreis dem Marktwert entsprach und die Parteien das Wohnhaus dennoch ab Bezugsfertigkeit acht Jahre lang selbst zu bewohnen hatten.631 Jedoch äußerte sich der Senat nicht zur Zulässigkeit der Eigennutzungspflicht selbst, sondern hielt die Klausel zur Sanktionierung eines Verstoßes für unwirksam und strich sie ersatzlos, weil es für die Gemeinde durchaus zumutbar sei, auch ohne Nachzahlungsverpflichtung weiter am Vertrag festgehalten zu werden.632 Somit hatte die Gemeinde eine Nutzungsbindung vorgegeben, allerdings bei Verstoß dagegen keine Sanktion mehr in der Hand, da auch eine andere Rechtsfolge wie beispielsweise ein Wiederkaufsrecht nur für den Fall des Verstoßes gegen die Bauverpflichtung vereinbart wurde.633 Damit läuft eine solche Eigennutzungspflicht praktisch leer und entfaltet keine Bindungswirkung. In der Praxis entzündet sich der Streit in aller Regel nicht an der Pflicht selbst, sondern an der an einen Verstoß geknüpften Sanktion. Untersucht werden soll dennoch in einem vorgelagerten Schritt, ob hier schon die Bindung an sich angemessen im Sinne der § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB sein kann. Im Rahmen der Interessenabwägung stellt der Senat in der erwähnten Entscheidung zunächst richtig fest, dass ein Interesse der beklagten Gemeinde an einer Selbstnutzung der Immobilie durch den Käufer die Nachzahlungsklausel nicht zu rechtfertigen vermag.634 Sodann unterläuft dem Gericht allerdings ein folgenschwerer Fehler. Es wiederholt standardmäßig den bekannten Satz: „Da eine Selbstnutzungsverpflichtung nicht eine zwangsweise durchsetzbare Primärverpflichtung des Käufers, sondern lediglich eine Obliegenheit begründet (vgl. Senat, NJW 2010, 3505 Rn. 11), ist die Auferlegung einer – über die Abschöpfung einer gewährten Subvention hinausgehenden – Zuzahlungspflicht schon nicht geeignet, die angestrebte Selbstnutzung durch den Käufer zu erreichen.“635

Der Verweis auf das Urteil vom 16. 4. 2010 – V ZR 175/09 beruht allerdings auf einem Missverständnis. In der erwähnten Randnummer wird erst ausgeführt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen seien, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter

631

BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012; in BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414, wurde schon gar keine Eigennutzungspflicht vereinbart. 632 Vgl. BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3014); siehe auch im Anschluss BGH 21. 9. 2018 – V ZR 68/17, NZM 2019, 380 (382 Rn. 18). 633 Siehe Fn. 631. 634 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 14). 635 Siehe Fn. 634.

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Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden.636 Als Folge stellt der BGH fest: „Unter Berücksichtigung der Rechtsnatur des Vertrags und der bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung eintretenden Rechtsfolgen hätte sich dem BerGer. dabei aufdrängen müssen, dass die Selbstnutzungsverpflichtung eine der Bedingungen für die Gewährung der in der Kaufpreisverbilligung liegenden Subvention beschreibt und deshalb keine Primärverpflichtung, sondern lediglich eine Obliegenheit der Käufer begründet.“637

In dem Fall acht Jahre später gab es allerdings keine Kaufpreisverbilligung, sodass im Umkehrschluss die Selbstnutzungsverpflichtung auch eine echte Rechtspflicht und keine reine Obliegenheit darstellen muss. Die Annahme einer Obliegenheit resultiert also nur aus einem fehlerhaften Verweis auf ein Urteil, dem eine ganz andere Fallgestaltung zugrunde lag. Darüber hinaus ist es mehr als fraglich, ob überhaupt noch von einer Obliegenheit gesprochen werden kann, wenn es keine negativen Konsequenzen als Folge eines bestimmten Tuns oder Unterlassens, zu dem der Schuldner aber nicht verpflichtet ist, gibt, da dies gerade Kern und Wesensmerkmal einer Obliegenheit ist.638 Auch dieser Umstand spricht für das Vorliegen einer Pflicht im Rechtssinne. Wäre diese Regelung allerdings zulässig, dann müsste bei entsprechender Pflichtverletzung der Auszug der Erwerber aus ihrem Haus im Wege der Unterlassungsklage – im Eilverfahren durch einstweilige Verfügung – unterbunden werden können.639 Dies beschränkt die Freiheit der Erwerber tiefgreifend und kann auch im Lichte der europäischen Grundfreiheiten kaum angemessen sein, zumal von der Gemeinde keinerlei Gegenleistung erbracht wurde.640

636

BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3505 Rn. 11). Siehe Fn. 636. 638 Siehe nur Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, § 13 Rn. 115 f. 639 So im Grundsatz richtig OLG Frankfurt 27. 08. 2009 – 22 U 213/07, MittBayNot 2010, 236, als Vorinstanz zu BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505. Allerdings verkennt das OLG Frankfurt, dass es sich in dem entschiedenen Fall um einen subventionierten Grundstückskauf handelte und somit hinsichtlich der Bindungen von Obliegenheiten ausgegangen werden muss; darüber hinaus kann den Ausführungen des Gerichts zur Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, nicht recht gefolgt werden, siehe dazu ebenfalls kritisch Grziwotz, ZfIR 2010, 462 (467). 640 Zu Art. 11 GG siehe BVerwG 11. 02. 1993 – 4 C 18/91, NJW 1993, 2695 (2697); Burgi, JZ 1999, 873 (877 f.); Dreier/Wollenschläger, Art. 11 GG Rn. 36 f.; Huber/ders., Einheimischenmodelle, S. 27 ff.; a. A. OLG Frankfurt 27. 08. 2009 – 22 U 213/07 MittBayNot 2010, 236; auch Haller, Die privatrechtliche Gestaltung öffentlich-rechtlicher Beziehungen am Beispiel der sogenannten Einheimischenmodelle, S. 163 ff.; Art. 109 Abs. 1 BV ist beeinträchtigt, wenn praktisch jede Möglichkeit des Zu- und Wegzugs genommen würde, BayVGH 11. 4. 1990 – 1 B 85 A. 1480, MittBayNot 1990, 259 (263). 637

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Damit sind nicht nur die Sanktionsklauseln bei Verstoß gegen Nutzungsbindungen im Rahmen eines Verkaufes zum Marktpreis unzulässig, sondern bereits die Bindungsklausel an sich.641 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Bindung des Käufers der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist – je höher also der Preisnachlass, desto längere Bindungsfristen sind möglich.642 Wird kein Preisnachlass gewährt, ist auch nicht ersichtlich, wieso der Käufer von der Gemeinde Bindungen auferlegt bekommen soll. Dieser Logik folgend müsste man bei einer nicht subventionierten Grundstücksveräußerung mit zusätzlichen Bindungen eigentlich von einem Verkauf über Marktwert sprechen, da das Grundstück durch die Beschränkungen weniger wert ist, die Gemeinde aber dennoch den Preis für ein frei nutz- und veräußerbares Grundstück ansetzt. Ob diese Gestaltung – abgesehen von der Unwirksamkeit aufgrund der europäischen Grundfreiheiten – auch vor dem Hintergrund des Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO („Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden.“) so zulässig ist, ist fraglich. Während eine Unter-Wert-Veräußerung regelmäßig zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt,643 spricht jedenfalls aufgrund des Wortlauts „zu ihrem vollen Wert“ einiges dafür, dass eine Über-WertVeräußerung ein ähnliches Schicksal teilen müsste. Das vereinzelt bemühte Argument,644 dass der Vorteil des Erwerbers bereits darin liege, dass die Gemeinde überhaupt bereit war, die Grundstücke zum Marktwert an sie zu verkaufen, kann hingegen nicht überzeugen. Maßgeblich ist allein, ob der Vertrag konkrete vorteilhafte Bestimmungen für den Erwerber enthält, nicht dagegen, ob sich der Grund-

641 Bereits richtig bezüglich der Sanktionsklauseln Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4111: „Zu beachten ist, dass die Sanktionierung eines Verstoßes gegen Verwendungsbindungen (z. B. durch Kaufpreiserhöhungsklauseln bei Nichtbeachtung des Bebauungsgebots oder Nichteinhaltung einer anschließenden Behaltensfrist von 8 Jahren) gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 11 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 134 BGB unwirksam sein kann, wenn die Gemeinde beim Verkauf eines solchermaßen ,gebundenen‘ Bauplatzes keinen Preisvorteil einräumt, sondern zum Verkehrswert veräußert.“; a. A. Leidner, DNotZ 2019, 83 (90); ders., MittBayNot 2020, 79 (83). 642 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298; BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3506 Rn. 16); zur europarechtlichen Zulässigkeit dieser Aussage siehe unter § 3 I. 3. 643 BayObLG 12. 4. 1983 – BReg. 2 Z 21/83, BayObLGZ 1983, 85; BayObLG 22. 6. 1995 – 2Z BR 42/95, BayObLGZ 1995, 225; BayObLG 5. 3. 2001 – 5Z RR 174/99, BayObLGZ 2001, 54; siehe jüngst wieder BayObLG 14. 9. 2022 – 101 ZR 180/21, MittBayNot 2023, 408; BeckOK/Sedlmaier, Art. 75 BayGO Rn. 17 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 4077. 644 So die Gemeinde als Revisionsführer in BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 f.); ebenfalls Reyes y Ráfales, notar 2022, 378 (381); Grziwotz, MittBayNot 2019, 81 (84).

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stückskauf selbst in ungewisser Zukunft möglicherweise als wirtschaftlich günstig erweisen könnte.645 bb) Veräußerung unter Marktpreis Wird hingegen ein Preisnachlass gewährt, vergrößern sich die Handlungsspielräume der Gemeinde deutlich, sodass sie im Gegenzug Eigennutzungsbindungen mit den Erwerbern vereinbaren kann. Dabei ist sie nicht nur zu dieser Vertragsgestaltung berechtigt, sondern im Falle von Subventionen auch verpflichtet: Gemeinden erfüllen mit der Bereitstellung von Bauland für einkommensschwächere und weniger begüterte ortsansässige Bürger eine öffentliche Aufgabe646 auf dem Gebiet des Städtebaurechts, vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB, wozu sie ausnahmsweise Gemeindevermögen unter Wert veräußern dürfen.647 Das kommunale Haushaltsrecht erfordert dann jedoch, dass den Begünstigten zur Wahrung des öffentlichen Zwecks entsprechend geeignete Gebote (Bauverpflichtung, Verpflichtung zur Eigennutzung, Veräußerungsverbot) auferlegt und diese von der Gemeinde hinreichend abgesichert werden.648 Diese Vorgehensweise ist auch im Hinblick auf die im vorherigen Kapitel gefundenen Ergebnisse konsistent, da die Gemeinden gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Nutzung der Grundstücke durch den geförderten Personenkreis sicherzustellen und ihnen dementsprechend auch in AGB weitergehende Möglichkeiten zustehen müssen. b) Bindungsdauer Damit wurde allerdings noch nicht die vielfach diskutierte Frage beantwortet, wie lang solche Bindungen sein dürfen, damit sie noch angemessen sind und den Grundstückseigentümer nicht überlang in seinen Rechten einschränken. Einigkeit hat man bislang dahingehend erzielen können, dass die zulässige Bindungsdauer abhängig von der Höhe des Preisnachlasses ist, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien zu erreichen.649 In der 645

In aller Deutlichkeit BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 f.); siehe auch BGH 21. 9. 2018 – V ZR 68/17, NZM 2019, 380 (381): „Der Verkauf des Grundstücks als solcher stellt keinen unbefristet fortbestehenden Vorteil dar“. 646 Vgl. für Bayern Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 1 BayWoFG. 647 Siehe nur BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (889); Brohm, JZ 2000, 321 (327); Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 157. 648 Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (190 f.); ders., in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 712. 649 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298; BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3506 Rn. 16); BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, MittBayNot 2020, 79 (82) (m. Anm. Leidner); Weber, ZNotP 2015, 268 (288); Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (570).

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Rechtsprechung hat sich durch Urteile aus den vergangenen Jahrzehnten folgendes Bild herauskristallisiert: Bei einem Nachlass von unter 20 % sind 10 Jahre Bindungsfrist unproblematisch möglich.650 Wird ein Preisabschlag zwischen 20 % und 50 % gewährt, soll eine Bindungsfrist bis zu 20 Jahre betragen können.651 Dies wird man als praktisch wichtigsten Anwendungsfall ansehen können, da üblicherweise eine Vergünstigung von bis zu 30 % gewährt wird.652 Allerdings hat der BGH bereits im Jahre 2005 einen Fall zu einem außergewöhnlich großen Rabatt entschieden: So soll bei einem Nachlass von mehr als 70 % gegenüber dem Verkehrswert eine deutlich längere, möglicherweise bis zu 30 Jahre reichende Bindung des Käufers gerechtfertigt sein.653 Jedoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass eine solch üppige Reduktion in der Praxis 650 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891), worin der Senat in einem obiter dictum darauf hinweist, dass auch 15 Jahre möglich seien, allerdings ohne einen Hinweis darauf, ob dafür der Preisnachlass vergrößert werden müsse; BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (307). 651 BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 für 50 %; BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, MittBayNot 2020, 79 (82) (m. Anm. Leidner) für 20 % und mit der Feststellung, dass für 30 Jahre Bindung 29 % Nachlass unverhältnismäßig sind; siehe auch für die Zulässigkeit von 10 Jahren bei 30 % Nachlass BayVGH 11. 4. 1990 – 1 B 85 A. 1480, MittBayNot 1990, 259. 652 Siehe die Ausführungen in BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298 (300); BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3506 Rn. 17); BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/ 18, MittBayNot 2020, 79 (81) (m. Anm. Leidner); BayVGH 11. 4. 1990 – 1 B 85 A. 1480, MittBayNot 1990, 259; Jachmann, MittBayNot 1994, 93 (107). 653 BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298; in dem Fall kam es allerdings nicht auf die vollen 30 Jahre an, da die Stadt schon nach 19 Jahren von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch machen wollte. Interessanterweise handelte es sich um den Verkauf einer Reichsheimstätte, einem nahezu vergessenen Rechtsinstitut aus dem Jahre 1920, RGBl. Nr. 7528, S. 962, später in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. November 1937 im RGBl. I, S. 1291, mit dem ein sozialgebundenes Eigentum an Immobilien („Heimstätten“) geschaffen wurde, siehe auch Kunze, in: Deutsches Institut für Urbanistik, Informationen zur modernen Stadtgeschichte. Wohnen in der Stadt, S. 24 ff. Ausgeber waren nach § 1 Abs. 1 RHG das Reich, die Länder und die Kommunen, jedoch konnten weitere gemeinnützige Unternehmen mit der Ausgebereigenschaft ausgestattet werden, vgl. § 1 Abs. 2 RHG. Bevorzugte „Heimstätter“ waren gem. § 2 RHG Kriegsteilnehmer und -opfer sowie Witwen der im Krieg Gefallenen und kinderreiche Familien; grundsätzlich konnten aber auch andere Personenkreise berücksichtigt werden. Neben dem persönlichen Schutz der Heimstätterfamilie (etwa durch nur eingeschränkte Zwangsvollstreckung, § 20 RHG) hatte dieses Rechtsinstitut den Zweck der Verhinderung einer spekulativen Verwertung durch die Eigentümer; die Verfügungsmöglichkeiten der Heimstätter waren dagegen begrenzt, zur Belastung oder Teilung brauchten sie die Zustimmung des Ausgebers, §§ 9, 17 RHG; dieser hatte bei missbräuchlicher Verwendung der Immobilie u. a. ein Rückkaufsrecht (Heimfallanspruch, § 12 RHG), auch war die Heimstätte nur eingeschränkt vererbbar, § 24 RHG. Mit dem Gesetz zur Aufhebung des Reichsheimsta¨ ttengesetzes vom 17. Juni 1993 (BGBl. I, S. 912) wurde dieses Rechtsinstitut endgültig abgeschafft, allerdings ist vor dem Hintergrund der aktuellen Notlage der Wohnraumversorgung ein in dieser Art gesetzlich ausgeformtes und sozial gebundenes Eigentum durchaus überlegenswert; ein vergleichbares Ergebnis ist durch die freihändige Gestaltung der AGB von Gemeinden jedenfalls nicht zu erreichen.

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einen absoluten Ausnahmefall bildet und nicht im Kontext eines regulären Einheimischenmodells vorzufinden ist, sondern sich durch die Besonderheit des Verkaufs einer Reichsheimstätte ergab.654 Über 30 Jahre können Erwerber in einem Eigentumsmodell nicht gebunden werden, etwas anderes gelte hingegen nur bei einer Ausgestaltung mit Erbbaurechten.655 Aber auch bei überlanger Bindung im Verhältnis zur Kaufpreisreduktion droht der Gemeinde jedoch keinerlei Gefahr. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann eine unzulässig lange Bindungsdauer unter Würdigung aller Umstände auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens auf ein zulässiges Maß reduziert und in entsprechender Anwendung des § 139 BGB mit verkürzter Laufzeit aufrechterhalten werden, wenn der Vertrag nicht insgesamt überzogen ist.656 Nicht gehindert sieht sich der BGH dabei durch das auf die Klauselrichtlinie657 zurückgehende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion in AGB.658 Dieses Verbot gelte schließlich nicht ausnahmslos. Fehlten gesetzliche Vorschriften, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten (vgl. § 306 Abs. 2 BGB), und führte die ersatzlose Streichung der Klausel zu einem Ergebnis, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise entspreche, sondern sich das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Vertragspartners des Verwenders verschieben würde, sodass diesem ein Festhalten an dem lückenhaften Vertrag nicht zuzumuten wäre, kommt auch bei unwirksamen AGB eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Diese Möglichkeit der Lückenfüllung stehe auch im Einklang mit dem Zweck von Art. 6 Abs. 1 Klausel-RL.659 Dadurch werde die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien 654 Siehe Fn. 653; auch BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, MittBayNot 2006, 324 (327 f.) (m. Anm. Deutrich). 655 BGH 21. 7. 2006, V ZR 252/05, DNotZ 2006, 910 (911 f.); BGH 29. 10. 2010, V ZR 48/ 10, MittBayNot 2012, 123 (124); BGH 21. 9. 2018 – V ZR 68/17, NZM 2019, 380 (381 f.). 656 BGH 26. 6. 2015 – V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 (3171 Rn. 21); BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298 (300); siehe dazu auch die einschlägige Rechtsprechung zum Bierlieferungsvertrag BGH 14. 06. 1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459; BGH 16./17. 9. 1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 (2090); BGH 27. 02. 1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693, 2695; BGH 8. 4. 1988 – V ZR 120/87, DNotZ 1988, 576 = NJW 1988, 2362 (2363); ferner Hertel, in: Notarielle Vertragsgestaltung für Kommunen, S. 166 (198); Würzburger Notarhandbuch/ders., Teil 6 Rn. 197; ders., in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 718. 657 Vgl. Art. 6 Abs. 1 Kausel-RL; dazu auch EuGH 14. 6.2012 – C-618/10 (Banco Español de Crédito SA/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349 = NJW 2012, 2257 (2260), worin der Gerichtshof feststellte, dass Art. 6 Abs. 1 Klausel-RL es einem nationalen Gericht verbiete, eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag im Anwendungsbereich der Richtlinie inhaltlich abzuändern, statt die Anwendung schlicht auszuschließen. 658 Anders noch die Vorinstanz OLG Düsseldorf 7. 3. 2018 – I-18 U 157/16, BeckRS 2018, 43861 Rn. 20. 659 So BGH 6. 04. 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 = NJW 2017, 320 (321 Rn. 23 ff.); dagegen EuGH 14. 6. 2012 – C-618/10 (Banco Español de Crédito SA/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349 = NJW 2012, 2257 (2260).

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unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit wiederhergestellt.660 Die ersatzlose Streichung der Klausel über die Ausübung eines Wiederkaufsrechts führte dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ohne eine solche Auslegung gemäß § 306 Abs. 3 BGB in seiner Gesamtheit keinen Bestand mehr haben könnte. Die Gemeinde hatte dem Kläger das Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußert, was ihr aus haushaltsrechtlichen Gründen wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur gestattet ist, wenn dies der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben dient und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt wird.661 Mit der Vereinbarung eines zeitlich befristeten Wiederkaufsrechts wurden die Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands daher überhaupt erst geschaffen. Die Unwirksamkeit des Vertrages hätte für den Verbraucher aber besonders nachteilige Folgen, weil dann der zwischen den Parteien geschlossene subventionierte Grundstückskaufvertrag nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln sei.662 Hierdurch würde jener – und zwar dem vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziel eines bestmöglichen Verbraucherschutzes zuwider – gegenüber einer ergänzenden Vertragsauslegung deutlich schlechter gestellt.663 Weshalb genau dies der Fall sein soll, bleibt ohne Begründung und wird noch fragwürdiger durch die weiteren Ausführungen des Senats. So erforscht er den objektivierten hypothetischen Parteiwillen und kommt zu dem Ergebnis, dass bei einem Preisnachlass von nur 20 % eine Frist von 20 Jahren ausgewogen sei.664 Schließlich veräußerte der Verbraucher das Grundstück 19,5 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages, womit die Gemeinde gerade noch zur Ausübung ihres Wiederkaufsrechtes berechtigt war.665 Verfehlt wäre aber nun die Annahme, dass dieses Ergebnis vor dem Hintergrund zu betrachten sei, dass die Gemeinde Grundstücksspekulation verhindern möchte und deshalb das Wiederkaufsrecht ausübt, um in der Folge das 660 BGH 6. 04. 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 = NJW 2017, 320 (321 Rn. 32); bereits BGH 23. 1. 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 (992 Rn. 26 ff.). 661 Vgl. § 90 Abs. 3 GO NRW, da der Fall aus dem Bezirk des OLG Düsseldorf stammt. 662 BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, MittBayNot 2020, 79 (82). 663 Siehe Fn. 662. 664 Ohne weitere Begründung BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, MittBayNot 2020, 79 (82). 665 Krit. auch die Anm. von Kappus, NZM 2019, 597 (600), der im Ergebnis richtigerweise auf eine Bindung von 10 Jahren kommt, jedoch die europarechtlichen Implikationen übersieht und sein Ergebnis auf die steuerliche Spekulationsfrist (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) sowie die „Einheit der Rechtsordnung“ stützt. Dies kann nicht überzeugen, da dieser Regelung ein ganz anderer Telos zugrunde liegt, nämlich, ab wann eine bestimmte Einkunft als Einkommen i. S. d. EStG gilt und nicht, ab wann keine Spekulation mehr vorliegt. Darüber hinaus ergibt der Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung in der vorliegenden Konstellation keinen Sinn, da dies bedeutete, dass bei einer Streichung der 10-Jahresfrist durch den Gesetzgeber dann auch eine unendliche Bindung zulässig sein müsste. Überdies sei bemerkt, dass in solchen Fällen ein Gebäude zu eigenen Wohnzwecken vorliegt, für das die Spekulationsfrist von 10 Jahren schon gar nicht gilt, vgl. § 23 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG.

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Grundstück selbst wieder vergünstigt an eine förderwürdige Person abgeben zu können. Denn im Streitfall ging es darum, dass die Gemeinde nur gegen die Ablösesumme von stolzen 47.078,78 E (bei einem bebauten Grundstückswert von 335.000 E) den Verzicht ihres Wiederkaufsrechtes erklärt hatte und der Kläger nunmehr die Rückzahlung dieses Ablösebetrages begehrte.666 Dass durch die Zahlung von fast 50.000 E und der Freigabe des Grundstücks für den freien Markt nicht einmal im Ansatz der Versuch unternommen wird, Grundstücksspekulation zu verhindern, und auch der Verbraucherschutz damit nicht bestmöglich gewahrt ist, liegt auf der Hand. Der Senat verwischt damit die Grenzen der beiden Rechtsinstitute und nimmt gerade keine ergänzende Vertragsauslegung vor, sondern reduziert die Klausel auf das gerade noch zulässige Maß und trägt den vorwiegend zu beachtenden Verbraucherinteressen nicht gebührend Rechnung.667 Die Problematik dieser europarechtlich zweifelhaften Vorgehensweise wurde durch die Konkretisierungen des EuGH in einem Urteil aus der jüngsten Vergangenheit zur Schließung von Vertragslücken aufgrund unwirksamer AGB noch weiter verschärft.668 Der Gerichtshof stellte fest, dass das nationale Gericht unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um den Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen der Gesamtnichtigkeit eines Vertrags zu schützen, wenn (1) eine Klausel unwirksam ist, (2) der restliche Vertrag nach Wegfall der Klausel nicht fortbestehen kann, (3) die Nichtigkeit des Vertrags besonders nachteilige Folgen für den Verbraucher hätte, (4) es im nationalen Recht keine anwendbare dispositive Bestimmung gäbe, die mit Zustimmung der Parteien auf den Vertrag anwendbar ist und (5) der Verbraucher nicht den Wunsch äußert, an der missbräuchlichen Klausel festzuhalten.669 Danach muss schon sehr daran gezweifelt werden, ob der BGH diesen Anforderungen an den Verbraucherschutz durch sein Judikat gerecht geworden ist und er daran in seiner weiteren Rechtsprechung festhalten können wird. Eine Vorlage durch 666

BGH 15. 2. 2019 – V ZR 77/18, MittBayNot 2020, 79. Siehe ebenfalls die Kritik von Leidner, MittBayNot 2020, 79 (83); grundsätzlich krit. zu dieser Vorgehensweise MüKo/Fornasier, § 306 BGB Rn. 39: „Freilich darf dabei nicht so verfahren werden, dass die beanstandete AGB-Klausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur so weit abgemildert wird, wie dies erforderlich ist, um sie als gerade noch tragbar erscheinen zu lassen.“ 668 EuGH 25. 11. 2020 – C-269/19 (Banca B. SA/A. A. A.), ECLI:EU:C:2020:954 = NJW 2021, 611; bestätigt durch EuGH 08. 09. 2022 – C-80/21-C-82/21, ECLI:EU:C:2022:646 = ZIP 2022, 1910; EuGH 8. 12. 2022 – C-625/21, ECLI:EU:C:2022:971 (VB/GUPFINGER Einrichtungsstudio GmbH) = NJW 2023, 420. 669 EuGH 25. 11. 2020 – C-269/19 (Banca B. SA/A. A. A.), ECLI:EU:C:2020:954 = NJW 2021, 611; siehe auch BeckOGK/Bonin, § 306 BGB Rn. 100; krit. Wendehorst/v. Westphalen, EuZW 2021, 229 (236 ff.). Zum Kriterium des Verbraucherschutzes durch Ersetzung der missbräuchlichen Klausel durch dispositive Vorschriften siehe EuGH 03. 03. 2020 – C-125/18 (Gómez del Moral Guasch/Bankia SA), ECLI:EU:C:2020:138 Rn. 57 ff. = RiW 2021, 141; dazu auch Kohler/Puffer/Rosch, ZEuP 2022, 366 (386). 667

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die nationalen Gerichte gem. Art. 267 AEUV wird bereits gefordert, da nunmehr auch die Unionsrechtskonformität von §§ 306 Abs. 2 und 3 BGB auf dem Prüfstand steht.670 Der BGH selbst hält hingegen eine Vorlage ausdrücklich nicht für erforderlich.671 Durch kürzlich ergangene Urteile sei die Auslegung von Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 Klausel-RL bereits richtungsweisend im Sinne eines acte éclairé geklärt und hier lediglich auf den Einzelfall anzuwenden. Im Übrigen wäre die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorliegend als acte clair offenkundig.672 Diese Behauptung war schon vor dem besagten Judikat des EuGH vom 25. November 2020 mehr als zweifelhaft, aber kann danach eindeutig nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr muss man konstatieren, dass es alles andere als klar ist, inwieweit die ergänzende Vertragsauslegung bei Wegfall einer missbräuchlichen Klausel zulässig sein kann, und man jene dann denselben Grundsätzen unterwerfen müsste wie der Heranziehung dispositiven Gesetzesrechts sowie ob eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags überhaupt angenommen werden darf, sofern sich eine Verschiebung der Vertragsparität lediglich zulasten des Unternehmers ergäbe.673 Damit gibt der BGH den Käufern eines solchen Grundstücks nicht nur einerseits Steine statt Brot, sondern es bleibt andererseits auch zu fragen, ob er bei dem recht freihändig gefundenen Ergebnis von 20 Jahren Bindungsdauer nicht wesentliche europarechtliche Vorgaben übersieht. Schließlich sehen die europäischen Leitlinien eine maximale Bindungsdauer von 10 Jahren zur Sicherung des Förderzwecks vor.674 Aufgrund dessen lässt sich somit auch nur eine solche Zeitspanne ohne Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten in ihrer Konkretisierung durch die Leitlinien vereinbaren.

670 Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569 (2570 f.); Wendehorst/v. Westphalen, EuZW 2021, 229 (235 ff.); Looschelders, ZIP 2022, 2222 (2225); siehe auch Pfeiffer, NJW 2014, 3069 (3072). 671 BGH 6. 04. 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 = BeckRS 2016, 11660 Rn. 48; a. A. Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569 (2570 f.); v. Westphalen, NJW 2021, 277 (279 f.); Pfeiffer, NJW 2014, 3069 (3072); dagegen auf der Linie des BGH Herresthal, NJW 2021, 589. 672 BGH 6. 04. 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 = BeckRS 2016, 11660 Rn. 48 m. w. N. 673 Vgl. BeckOGK/Bonin, § 306 BGB Rn. 100 ff.; Wendehorst/v. Westphalen, EuZW 2021, 229 (237); in diese Richtung bereits vor dem EuGH-Urteil Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569 (2570 f.); ferner Pfeiffer, NJW 2014, 3069 (3072). Diese EU-rechtliche Vorgabe kollidierte dann mit dem Verbot der Unter-Wert-Veräußerung, Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO, die dann zulasten des kommunalen Haushaltsrecht aufgelöst werden müsste. 674 Dazu ausführlich unter § 3 I. 3. Dies wird auch in der notariellen Literatur erkannt, sodass teilweise vorgeschlagen wird, eine Belehrung aufzunehmen, dass europarechtlich nur 10 Jahre Bindungsfrist zulässig sind, aber: „Die Gemeinde erklärt, dass für die Länge der Bindungsfrist hier auch städtebauliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen und sie daher eine längere Bindungsfrist für zulässig hält.“, siehe Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174. Diese formelhafte Begründung zeigt schon die Austauschbarkeit der gemeindlichen Gemeinwohlinteressen im jeweiligen Fall.

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c) Sicherungsmöglichkeiten Um die Nutzungsbindungen abzusichern, kommen insbesondere ein Wiederkaufsrecht und eine Nachzahlungsklausel als effektive Sicherungsmöglichkeiten in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass diese beiden Instrumente in einem alternativen Verhältnis zueinander stehen und nicht nebeneinander geltend gemacht werden können. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH schließen sich beide Rechte begrifflich und inhaltlich aus.675 Mit dem Wiederkaufsrecht kann der geschlossene Kaufvertrag im wirtschaftlichen Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden, wohingegen der Nachforderungsanspruch ein Festhalten an dem Vertrag voraussetzt. Im Kaufvertrag muss deshalb das Verhältnis auch nicht zwingend geregelt werden, da sich die fehlende Kumulationsmöglichkeit bereits durch objektive Auslegung ergebe.676 aa) Wiederkaufsrecht und Rückauflassungsvormerkung Wie bereits festgestellt, sind Nutzungsbindungen bei Veräußerungen zum Marktpreis unzulässig, weshalb auch eine Sanktionierung durch ein Wiederkaufsrecht, vgl. §§ 456 ff. BGB, ausscheiden muss.677 Im Rahmen von Veräußerungen unter Marktpreis hingegen sind Wiederkaufsrechte verbunden mit einer dinglichen Sicherung durch Rückauflassungsvormerkungen, vgl. § 883 Abs. 1 BGB, rechtlich möglich, aber wiederum nur zehn Jahre nach Bebauung und Begründung des Erstwohnsitzes aufgrund Ziffer 3 der europäischen Leitlinien. Zwar ist dort nur eine Zahlungspflicht des Erwerbers näher geregelt,678 aber es spricht aus Sicht der Gemeinde nichts dagegen, ebenfalls ein anderes und effektiveres vertragliches Instrument zur Sicherung des Förderzwecks zu wählen. Die Bindungsgrenze von zehn Jahren muss jedoch aufgrund der Geltung der Grundfreiheiten auch für alle anderen Instrumente zur Absicherung im Grundstückskaufvertrag gelten.679 Problematisch ist allerdings nicht die rechtliche Möglichkeit, sondern vielmehr ihre ökonomische Umsetzbarkeit. So entspricht es einer verbreiteten Ansicht, dass die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts für den Fall nach Bebauung nur noch

675

BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (308) mit Verweis auf BGH 14. 1. 2000 – V ZR 386/98, NJW 2000, 1332 (1333). 676 BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (308). 677 Siehe § 5 II. 2. a) aa). 678 Vgl. auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 185: „Auch liegt der Schwerpunkt des Papiers auf der Vergabeentscheidung der Gemeinde. Die eigentliche Einheimischenbindung und ihre Absicherung ist nur ganz am Ende und nur umrisshaft behandelt.“ 679 Allg. zum Einfluss der Grundfreiheiten auf die Inhaltskontrolle und den dadurch begründeten Schranken für die Vertragsgestaltung Wolf, in: FS 50 Jahre BGH, S. 111 (122 ff.).

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wenig Sinn ergebe.680 Dies wird mit ökonomischen Notwendigkeiten begründet, da die Gemeinde nicht den ursprünglichen Kaufpreis und zusätzlich noch den Gebäudewert aufbringen könne und sich daher mit reinen Zahlungsansprüchen begnügen müsse.681 Der Erwerber kann in der Tat nach § 459 Satz 1 BGB die werterhöhenden Verwendungen, die er auf den gekauften Gegenstand vor dem Wiederkauf gemacht hat, ersetzt verlangen. Nach dem engen Verwendungsbegriff682 des BGH wäre die Errichtung eines Gebäudes auf dem gekauften Grundstück zwar keine Verwendung im Sinne des § 459 BGB. Im Schrifttum wird davon bei der Errichtung von Bauwerken durch Käufer im Rahmen des Einheimischenmodells allerdings eine Ausnahme aufgrund des Vertragszwecks gemacht.683 Handele es sich bei den wesentlichen Veränderungen des Wiederkaufsgegenstands um vertragsgemäße Veränderungen, die mit dem ersten Kaufvertrag erkennbar verfolgten Zwecken notwendig waren, soll es bei einer interessengerechten Vertragsauslegung geboten sein, die Errichtungskosten von Bauwerken durch Käufer, die im Rahmen eines Einheimischenmodells ein Grundstück zum Zweck der Bebauung gekauft haben, als erstattungsfähige Verwendungen zu behandeln.684 Damit würde sich die Erstattungspflicht der Gemeinde bereits aus Gesetz ergeben, jedoch werden in aller Regel einschlägige Re680 BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (307): „Zur Absicherung des Förderzwecks hatte die Klägerin zwar nach § 3 Abs. 3 des Vertrags ein Wiederkaufsrecht, das entgegen der Darstellung der Klägerin auch bei Verstoß gegen die Wartefrist eingreift. Dieses dient aber in erster Linie der Absicherung der Bauverpflichtung. Es kann nicht wirtschaftlich sinnvoll zur Sicherung des zweiten Teils der Verpflichtung der Beklagten eingesetzt werden, das errichtete Wohnhaus innerhalb der Wartefrist als Eigenheim zu nutzen oder Bürgern von I. und den ihnen Gleichgestellten als Mietwohnraum zur Verfügung zu stellen. Als Wiederkaufspreis müsste die Klägerin nämlich nach § 3 Abs. 4 des Vertrags neben dem erhaltenen Kaufpreis für das Grundstück auch geleistete Zahlungen für Erschließungsmaßnahmen und den Wert des errichteten Eigenheims bereitstellen. Sie müsste also die Sicherung der bereits gewährten Förderung durch zusätzliche Mittel absichern. Das ist haushaltsrechtlich nicht darzustellen und scheidet als Alternative aus. Als Mittel, Verstöße gegen die Wartefrist zu verhindern, kommt deshalb in der hier vorliegenden Fallgestaltung praktisch nur die Nachforderung des Preisnachlasses in Frage.“; ebenso die Anm. von Grziwotz, MittBayNot 2007, 308 (309): „Das Wiederkaufsrecht spielt nämlich in der Praxis regelmäßig nur eine Rolle bei unbebauten Grundstücken und höchstens noch bei steckengebliebenen, weitgehend wertlosen Bauvorhaben (z. B. Beginn der Bauausführung durch Abschieben des Mutterbodens). Sind bereits wirtschaftliche Werte geschaffen, kommt dagegen nur noch die ,Auf-‘ bzw. ,Nachzahlung‘ in Betracht.“; ders., ZfIR 2020, 81 (87); in diese Richtung bereits ders., ZNotP 1998, 100 (105); a. A. für den Einsatz des Wiederkaufsrechts auch nach Bebauung treffend Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 196; mit dem richtigen Hinweis, dass Bauleistungen nur und insoweit zu vergüten sein sollten, wie sie bei einer Weiterveräußerung an Dritte wirtschaftlich verwertbar, also kaufpreiserhöhend sind, Rastätter, DNotZ 2000, 17 (32). 681 Siehe Fn. 680. 682 Statt aller Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, § 34 Rn. 874 ff. 683 Erman/Grunewald, § 459 Rn. 2; Staudinger/Schermaier, § 459 BGB Rn. 3; Rastätter, DNotZ 2000, 17 (31); Soergel/Wertenbruch, § 459 BGB Rn. 5; BeckOGK/Daum, § 459 BGB Rn. 5.1.; sogar LG Karlsruhe 13. 2. 1997 – 8 O 516/96, MittBayNot 1998, 27. 684 Siehe Fn. 683.

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gelungen über die Abgeltung des Gebäudewerts ohnehin in den Vertrag aufgenommen, sodass im Ergebnis kein Unterschied besteht.685 Dieses akute Finanzierungsproblem hält die Akteure in Zeiten von knappen Gemeindekassen davon ab, das Wiederkaufsrecht auszuüben, und soll daher nicht an dieser Stelle, sondern im folgenden Kapitel zur Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente einer Lösung zugeführt werden. bb) Nachzahlungsklausel Hinsichtlich der Nachzahlungsklauseln muss ebenfalls danach differenziert werden, ob die Veräußerung zum Marktpreis oder unter Marktpreis erfolgte. (1) Veräußerung zum Marktpreis Zunächst ist wiederum festzustellen, dass Klauseln nicht zulässig sind, wenn diese strafähnlich eine vom Verkehrswert unabhängige Zuzahlung vorsehen. Bei der Veräußerung zum Marktpreis sind Klauseln somit unwirksam, die für den Fall des Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht eine Verpflichtung der Käufer zur Zahlung von beispielsweise 5 E pro m2 vorsehen.686 Um Bodenspekulationen zu verhindern, ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erforderlich, dem Käufer eine vorteilsunabhängige Zuzahlungspflicht aufzuerlegen.687 Der BGH deutet aber in der Entscheidung vom April 2018 an, dass das Ziel der Spekulationsbekämpfung erreicht werden könne, indem sich der Zuzahlungsbetrag nach der tatsächlichen Bodenwertsteigerung bemisst.688 Die Abschöpfung der Verkehrswertsteigerung eines Grundstücks, das zum Marktpreis veräußert wurde, kann aber nach hier vertretener Ansicht nicht vorgenommen werden, da es im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung steht, wonach die Bindungen ja gerade im Gegenzug für einen Preisnachlass eingegangen werden. Gibt es keinen Preisnachlass, können die Erwerber nicht einfach zur Selbstnutzung verpflichtet werden. Der pauschale Hinweis der Gemeinde, dass sie mit der Klausel ein Gemeinwohlziel in Form der Verhinderung von Grundstücksspekulation verfolge, kann im Rahmen der Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen und wurde bereits ausführlich dargelegt.689 685 Staudinger/Schermaier, § 459 BGB Rn. 3; vgl. auch Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4121. 686 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012.; noch drastischer etwa eine Klausel der Gemeinde, die den Käufer verpflichtet, im Falle eines Verstoßes gegen seine Bindungen 300 % (!) des Kaufpreises nachzuzahlen, zur Unwirksamkeit siehe OLG Celle 29. 6. 2005 – 4 U 56/05, NJW-RR 2005, 1332, wobei sich die Gemeinde vergeblich darauf berief, dass entsprechende Klauseln üblich seien, vgl. OLG Celle 29. 6. 2005 – 4 U 56/05, NJW-RR 2005, 1332 (1334). 687 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013). 688 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13). 689 Siehe § 4 II.

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Die Aussage des BGH zur Abschöpfung der Verkehrswertsteigerung darf möglicherweise in ihrer Tragweite auch nicht überschätzt werden, da sich der Senat in einem Judikat einen Monat zuvor noch ganz anders positionierte. So konstatierte er zutreffend: „Will die Gemeinde ein Grundstück nicht selbst nutzen, wohl aber von künftigen Bodenwertsteigerungen profitieren, steht es ihr frei, ein Erbbaurecht an dem Grundstück zu vergeben.“690 Zwar weist die Vergabe von Erbbaurechten zahlreiche andere Probleme auf und kann nach aktuellem Stand die Veräußerung von Grundstücken flächendeckend nicht ersetzen, jedoch zeigt der BGH einer Gemeinde dennoch den richtigen Weg, wenn sie Einnahmen durch Bodenwertsteigerungen generieren möchte. Durch die Gewinnabschöpfung versuchen Gemeinden die finanziellen Vorteile einer Veräußerung einerseits und eines Erbbaurechts andererseits zu verknüpfen und belasten die Erwerber damit in unzulässiger Art und Weise. Auch zur Eignung der verschiedenen vertraglichen Gestaltungsinstrumente finden sich in der Entscheidung des BGH vom April 2018 zutreffende Bewertungen. Ebenso wenig wie das Interesse der Gemeinde an der Verhinderung von Grundstücksspekulation vermöge ihr Interesse an einer Selbstnutzung der Immobilie durch den Käufer eine Nachzahlungsklausel zu rechtfertigen.691 Denn die Auferlegung einer Zahlungspflicht sei schon völlig ungeeignet, die angestrebte Selbstnutzung durch den Käufer überhaupt zu erreichen.692 In einem ähnlichen Duktus präzisierte der BGH: „Will die Gemeinde langfristig Einfluss auf die Nutzerstruktur nehmen, könnte sie dies beispielsweise dadurch erreichen, dass sie mit ihrem Vertragspartner ein Wiederkaufsrecht für den Fall der vorzeitigen Veräußerung der Immobilie vereinbart.“693 Darin steckt die ganze Überlegenheit des Wiederkaufsrechts im Vergleich zu einer Zahlungsklausel, wenn die Gemeinde ihr Ziel wirklich ernsthaft verfolgen möchte. Die Kommunen werden dadurch wieder Eigentümerin des Grundstücks und können es zu günstigen Konditionen neu vergeben, während sie es ansonsten an den freien Markt verlieren und nur einen Geldbetrag erhalten. Der BGH spricht außerdem der Drohkulisse, die solchen Zahlungsklauseln ja innewohnen soll, mit dieser Aussage im Grunde ihre Wirkung ab. So ist die Klausel nach der Rechtsprechung ungeeignet, weil jemand, der nur einen strafähnlichen Geldbetrag zahlen muss, deshalb nicht zwangsläufig wieder in der entsprechenden Immobilie wohnt. Die Maßnahme kann ihr Ziel also schon gar nicht erreichen. Im Schritt zuvor wäre der Eintritt einer Zahlungspflicht ebenso ungeeignet, Grundstücksspekulation zu verhindern, da diese im Zeitpunkt der Sanktionierung ja bereits geschehen ist. Wirklich effektiv ist in beiderlei Hinsicht somit nur die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts. 690 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28); a. A. Grziwotz, ZfIR 2019, 693 (696). 691 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 13 f.). 692 BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 (3013 Rn. 14). 693 Siehe Fn. 692.

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(2) Veräußerung unter Marktpreis Anders muss die Zulässigkeit einer Nachzahlungsklausel hingegen bei der Veräußerung unter Marktpreis beurteilt werden. In diesem Falle sind Zahlungen bis zur Erreichung des Marktwertes möglich, wobei die Klausel als solche und auch die konkrete Ausübung der gemeindlichen Rechte angemessen gestaltet werden müssen (Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle).694 So wäre es etwa problematisch, die Rückzahlung eines Preisnachlasses von einigen tausend oder zehntausend Euro zu veranschlagen, wenn gegen die Selbstnutzung nur einen Monat verstoßen wird. Empfehlenswert ist es auch an dieser Stelle, die Zahlung monatlich aufzuteilen oder peu à peu ansteigen zu lassen, um die Druckfunktion möglichst zu erhalten. Die europäischen Grundfreiheiten in ihrer Konkretisierung durch die Leitlinien gebieten es hier ebenfalls, dass die Erwerber eine solche Nachzahlung nur innerhalb von zehn Jahren ab Begründung des Wohnsitzes leisten müssen und nur insoweit an die Selbstnutzungspflicht gebunden sind.695 Da nach der Rechtsprechung des BGH eine vorteilsabhängige Nachzahlungspflicht zulässig ist, könnten die Gemeinden etwaige Vorteile der Erwerber, die gegen die Selbstnutzungspflicht verstoßen, ebenfalls abschöpfen. Es ließe sich an Mieteinnahmen oder bei der unentgeltlichen Überlassung an eine vergleichbare ortsübliche Miete denken. Ist jedoch nach einigen Zahlungen die Höhe des ursprünglichen Verkehrswerts erreicht, müssen die Erwerber konsequenterweise wie reguläre Käufer behandelt werden.696 Für eine Schlechterstellung der weniger begüterten Käufer im Vergleich zu denjenigen, die direkt zum vollen Verkehrswert erwerben, ist kein Raum und kein Grund ersichtlich.697 Zur dinglichen Sicherung durch Grundpfandrechte kann auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Zahlungsklauseln bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung verwiesen werden.698 694

Statt aller Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4118. Europarechtskonform daher Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123; Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, S. 166 f. 696 Im Ergebnis richtig ist daher die Entscheidung des OLG Köln 23. 02. 2011 – 13 U 115/ 10, BauR 2011, 1673, das die „Vertragsstrafe“ auf die Höhe der gewährten Kaufpreisermäßigung begrenzt. Nach der Rechtsprechung des BGH stellt diese Nachzahlung aber richtigerweise dann keine Vertragsstrafe mehr dar, sondern nur den Widerruf der in der Kaufpreisverbilligung liegenden und an bestimmte Bedingungen geknüpften Subvention, BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 20); BGH 6. 11. 2009 – V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531. 697 Der BGH hingegen lässt eine darüber hinausgehende Abschöpfung der zwischenzeitlichen Bodenwertsteigerung zugunsten der Gemeinde – wie bereits dargestellt – auch beim Erwerb zum vollen Kaufwert zu, wenn jene ein anerkennenswertes Interesse wie die Spekulationsverhinderung vorweist, siehe BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414; vgl. auch für den Fall eines subventionierten Verkaufs BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891). 698 Vgl. § 5 II. 1. b) bb) (4). 695

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3. Weiterveräußerungsverbote Drittens sind Weiterveräußerungsverbote fester und wichtigster Bestandteil der kommunalen Kaufvertragsgestaltung zur Verhinderung von Grundstücksspekulation. Ist der Eigentümer darin beschränkt, die Grundstücke frei weiter zu veräußern, wird auch die Spekulation auf steigende Preise uninteressant. Fraglich ist aber, inwieweit Weiterveräußerungsverbote zulässig zwischen der Gemeinde und dem Erwerber vereinbart werden können. a) Zulässiger Inhalt Auch im Rahmen der Weiterveräußerungsverbote hat die Höhe des Kaufpreises Auswirkungen auf die Möglichkeit der Vereinbarungen von solchen Bindungen, weshalb es der Differenzierung zwischen der Veräußerung zum Marktpreis und unterhalb des Marktpreises bedarf. aa) Veräußerung zum Marktpreis Bei einer Veräußerung zum Marktpreis muss zunächst – wie auch schon im Hinblick auf die Nutzungsbindungen – gefragt werden, ob die Vereinbarung eines Weiterveräußerungsverbotes überhaupt zulässig sein kann. In der Rechtsprechung des BGH wurde ein fünfjähriger Zeitraum, in dem die Käuferin das Grundstück ab Beurkundung nicht weiterveräußern durfte, für angemessen erachtet, da es sich dabei um eine überschaubare Zeitspanne handele.699 Einen Monat später fällte der Senat eine Entscheidung, in der zwar die vorteilsunabhängige Nachzahlungsverpflichtung im Anschluss an den Weiterverkauf für unangemessen gehalten wurde, aber die zugrunde liegenden acht Jahre nach Errichtung des Eigenheims grundsätzlich nicht weiter beanstandet wurden.700 Es gilt auch hier wiederum zu beachten, dass sich der Rechtsstreit in der Praxis nicht an dem Weiterveräußerungsverbot selbst, sondern an den Sanktionen bei Verstoß gegen ebendieses entzündet. Jedoch muss schon auf der vorgelagerten Ebene festgestellt werden, dass ein Weiterveräußerungsverbot dem wesentlichen Grundgedanken des Eigentums und anderer Rechte widerspricht, von deren Verfügungsfreiheit das Gesetz zur Sicherung ihrer Umlauffähigkeit ausgeht.701 Auch widersprechen solche Verbote dem verkehrstypischen Leitbild des Kaufvertrags, der auf eine unbeschränkte Rechtsverschaffung gerichtet ist, und sind damit grundsätzlich unwirksam.702 Etwas anderes

699

So etwa in BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416). BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012. 701 Ausdrücklich Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Veräußerungsverbote, Rn. V3. 702 OLG Hamburg 29. 5. 2002 – 5 U 170/01, NJW-RR 2002, 1428; bereits Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Veräußerungsverbote, Rn. V3. 700

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gilt nur, wenn berechtigte Interessen des Verwenders eine Ausnahme davon rechtfertigen. So ist in der Rechtsprechung etwa anerkannt, dass im Neuwagenmarkt Weiterveräußerungsverbote für die Zeit vor Erhalt des Wagens vereinbart werden können.703 Diese Ausnahme kann aber explizit nicht durch Interessen der Allgemeinheit oder Dritter gerechtfertigt werden, sondern nur durch eigene Interessen der Verwender, etwa die Möglichkeit von Auftragsverlusten, vor allem aber das in erster Linie dem Ruf dienende Bestreben, alle Kunden möglichst gleich zu behandeln.704 Hinzu zählt ferner die durch Vorratsbestellungen verursachte Unsicherheit darüber, ob und in welchem Maße der Auftragsbestand eine Produktionsausweitung erfordern könnte.705 Die Verhinderung kurzfristiger Spekulation mit unbebauten Grundstücken im Interesse der Allgemeinheit zählt jedenfalls nicht dazu, wodurch sich der BGH auch in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung setzt.706 Liegen eine Ausnahme rechtfertigende Interessen nicht vor, bleibt es bei der grundsätzlichen Unwirksamkeit von Veräußerungsverboten.707 Damit verstößt die Vereinbarung von Weiterveräußerungsverboten im Zuge der Veräußerung zum Marktpreis nach hier vertretener Auffassung gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB, wenn die Gemeinde keine genuin eigenen Interessen für eine solche Gestaltung vorbringen kann. Dieses Ergebnis steht wiederum im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, dass die Bindung des Käufers der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist – je höher also der Preisnachlass, desto längere Bindungsfristen sind

703

Es geht um die Verhinderung von Konstellationen, in denen fabrikneue Autos gegen höhere als die Lieferpreise weiterveräußert werden, siehe grundlegend BGH 7. 10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178. 704 BGH 7. 10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 (179 f.): „Das Bestreben des am ,grauen Markt‘ nicht beteiligten Käufers, die langen Lieferzeiten nicht durch spekulative Vorratsbestellungen anderer noch verlängern zu lassen, kann die Bekl. nicht unmittelbar geltend machen. Bei der nach § 9 AGB-Gesetz erforderlichen Interessenabwägung kann es – abgesehen von hier nicht vorliegenden Sonderfällen wie z. B. der Interessenwahrung von Versicherten durch die Versicherung – nur um die Wahrnehmung eigener Interessen der Vertragspartner gehen, nicht um diejenigen Dritter, zu deren Wahrung die Vertragspartner nicht verpflichtet und daher bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen auch nicht berechtigt sind“. 705 So BGH 7. 10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 (180). 706 Siehe dazu ausführlich unter § 4 II. 707 Verträge über Software und digitale Inhalte enthalten teilweise Weiterveräußerungsverbote, die oftmals spezielle urheberrechtliche Implikationen besitzen, siehe zur ggf. Unwirksamkeit Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Veräußerungsverbote, Rn. V4a m. w. N. Generell muss aber beachtet werden, dass diese Verträge mittlerweile weniger eine dauerhafte Gebrauchsüberlassung, sondern vielmehr ein zeitlich begrenztes Zugangsrecht zum Ziel haben.

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möglich.708 Wird kein Preisnachlass gewährt, ist auch nicht ersichtlich, wieso der Käufer von der Gemeinde Bindungen auferlegt bekommen soll. bb) Veräußerung unter Marktpreis Anders stellt sich die Lage hingegen bei der Veräußerung unter Marktpreis dar. Dort kann die Gemeinde vorbringen, dass die von ihr mit der Subvention verfolgten städtebaulichen Ziele auch erreicht werden müssen und das Grundstück nicht direkt zum Marktpreis (oder mehr) weiterveräußert wird. Die Erwerber verpflichten sich daher typischerweise gegenüber der Gemeinde, das Vertragsobjekt während der Errichtung des Gebäudes sowie ab Bezugsfertigkeit bis zu zehn Jahre lang nicht an Dritte zu veräußern.709 Als Dritter gilt dabei üblicherweise nicht der jeweilige Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner oder Abkömmling, sofern jene die Eigennutzungspflicht auf die Restdauer übernehmen.710 Regelmäßig wird zudem vereinbart, dass als Veräußerung jedes Rechtsgeschäft gilt, das einem Dritten die Verwertung oder Nutzung des Objekts auf eigene oder fremde Rechnung ermöglicht, auch durch bindendes Kaufangebot, Ankaufsrecht, Bestellung eines Erbbaurechts, Einräumung schuldrechtlicher Nutzungsrechte, Nießbrauch etc., sowie die Einräumung mehrheitlicher Beteiligungen an Eigentümergesellschaften.711 Bei einer solchen Klausel liegt – etwa im klassischen Fall einer Vermietung – nicht nur ein Verstoß gegen die Nutzungsbindungen, sondern direkt auch gegen das Weiterveräußerungsverbot vor. Im Rahmen der Kaufvertragsgestaltung ist somit darauf zu achten, dass eine solche Klausel nicht verwendet wird, wenn die Vermietung im Vergleich zur Veräußerung weniger drastische Nachzahlungen auslösen soll.712 Ist eine solche Differenzierung nicht gewünscht, sollten Nutzungsbindung und Weiterveräußerungsverbot gemeinsam geregelt werden und in ihren Rechtsfolgen gleichlaufen, um Unklarheiten zu vermeiden. Umstritten war beispielsweise, ob der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung noch vom Weiterveräußerungsverbot erfasst ist und gelangte bis zum BGH.713 Die 708 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); BGH 30. 9. 2005 – V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298; BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3506 Rn. 16); zur europarechtlichen Zulässigkeit dieser Aussage siehe unter § 3 I. 3. 709 Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123; BeckNotar-HdB/Grziwotz, § 10 Rn. 18, für zehn bis 15 Jahre; a. A. auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174, 198, der aus kommunalrechtlichen Gründen entgegen des Europarechts 20 Jahre Weiterveräußerungsverbot vorschlägt. 710 Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41); Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123; Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174, auch Schwiegerkinder. 711 So das Muster von Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123. 712 Wie etwa im zugrundeliegenden Sachverhalt zu BGH 20. 4. 2018 – V ZR 169/17, NJW 2018, 3012. 713 BGH 22. 9. 1994 – IX ZR 251/93, DNotZ 1995, 204.

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Vorinstanzen hatten diese Frage noch verneint und es für „evident“ gehalten, dass der Erwerb durch Zwangsversteigerung als nicht rechtsgeschäftliche Veräußerung nicht darunter falle.714 Der BGH hat hingegen ausgeführt, dass der Begriff „Veräußerung“ jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend ausgelegt werden könne, dass darunter auch der Erwerb in der Zwangsvollstreckung zu fassen sei.715 Die Gemeinde verwende die Wiederkaufsabrede mit der Absicht, das Grundstück einer Bebauung zuzuführen und eine Weiterveräußerung zu Spekulationszwecken zu verhindern.716 Beide Ziele wären gefährdet gewesen, wenn eine Zwangsversteigerung den Wiederkaufsfall nicht ausgelöst hätte.717 Die Erstkäuferin hätte dann die Möglichkeit gehabt, das Wiederkaufsrecht zu unterlaufen, indem sie das Grundstück bis zur Grenze des Verkehrswerts belastete und es anschließend zur Zwangsversteigerung kommen lässt.718 Um diesem Problem vorzubeugen, empfiehlt sich also auch die Aufnahme einer ausdrücklichen Regelung hinsichtlich der Zwangsversteigerung in den Vertrag.719 Neben dem generellen Verbot kann die Weiterveräußerung des Grundstücks schuldrechtlich auch von der Zustimmung der Gemeinde abhängig gemacht werden.720 Verbreitet ist die Vereinbarung von sog. Weitergabeklauseln, durch die Er714

So der Hinweis in BGH 22. 9. 1994 – IX ZR 251/93, DNotZ 1995, 204 (205); vgl. auch Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (314 f.). 715 BGH 22. 9. 1994 – IX ZR 251/93, DNotZ 1995, 204 (206 f.). 716 BGH 22. 9. 1994 – IX ZR 251/93, DNotZ 1995, 204 (206). 717 Siehe Fn. 716. 718 BGH 22. 9. 1994 – IX ZR 251/93, DNotZ 1995, 204 (206). 719 Teilweise wird vorgeschlagen, dass die Gemeinde zum Wiederkauf berechtigt ist, wenn Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung über das Objekt angeordnet wird – es sei denn, diese werden binnen zwei Monaten ab Anordnung wieder aufgehoben – oder das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erwerbers eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet wird oder er die Vermögenserklärung i. S. d. §§ 802c ff. ZPO abgibt, siehe Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4123; für eine Klarstellung auch Rastätter, DNotZ 2000, 17 (40 f.). 720 Volmer, in: Mu¨ nchener Vertragshandbuch Bd. 5, S. 182; ferner OLG München 18. 11. 2020 – 34 Wx 315/19, MittBayNot 2022, 31, hinsichtlich der Zustimmung zur Veräußerung eines Erbbaurechts: Das Gericht erkennt zutreffend, dass eine Klausel, nach der die Gemeinde die Zustimmung insbesondere dann verweigern konnte, wenn der Kaufpreis den Verkehrswert des Gebäudes erheblich übersteigt, nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB und § 11 Abs. 2 BauGB verstößt. Die Erwerber hatten das Erbbaurecht kostenlos erhalten und müssen daher auch beim Weiterverkauf des Rechts nicht von einer Wertsteigerung des Grundstücks profitieren. Die Rechtsprechung zu den Verkaufsmodellen ist nicht übertragbar, sodass diese Bindung über die ganze Dauer des Erbbaurechts, in der Praxis überwiegend 99 Jahre, gilt. Die Gestaltung der Gemeinde ist dennoch fragwürdig, da sie damit ihren Zweck der sozialen Wohnungsbauförderung kaum sinnvoll erreichen kann, siehe dazu treffend die Anm. von Schlögel, MittBayNot 2022, 39 (40 f.): „Ob der gemäß den Erkenntnissen des Gerichts zugrunde gelegte Zweck, ortsansässigen bzw. am Ort tätigen, sozial schwächeren Personen/Familien mit Kindern zu einem Eigenheim zu verhelfen, mit der vorgenannten Klausel erreicht werden kann, darf durchaus bezweifelt werden, da damit i. E. nur eine grundsätzliche ,finanzielle Konkurrenzfähigkeit‘ zu sonstigen Kaufinteressenten hergestellt wird. Ob sich der Erbbauberechtigte bei mehreren Kaufinteressenten, von denen einer dem vorgenannten Kreis der sozial Schwächeren

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werber sich verpflichten, im Falle der Veräußerungen die Bindungen schuldrechtlich ihrerseits weiterzugeben.721 Jedenfalls sollte die Zustimmung von der Übernahme der Verpflichtungen abhängig gemacht werden, aber auch weitere Zustimmungsvoraussetzungen sollten vertraglich ausdrücklich geregelt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.722 So kann etwa geregelt werden, dass der Zweitkäufer ebenfalls die Kriterien der Gemeinde erfüllen muss, die für die Auswahlentscheidung in der ersten Stufe maßgeblich waren. Bei einer Weiterveräußerung des Grundstücks ist für die Entlassung des Erstkäufers aus seinen Pflichten und die vollständige Übernahme seiner Rechte und Pflichten durch den Zweitkäufer eine Vertragsübernahme unter Mitwirkung des Wiederkaufsberechtigten erforderlich.723 Die Vertragsu¨ bernahme kann durch dreiseitigen Vertrag oder durch Vereinbarung zwischen ausscheidendem und eintretendem Vertragspartner mit vorab erteilter oder vorbehaltlich nachträglicher Zustimmung der anderen Partei vorgenommen werden.724 Erfolgt die Vertragsu¨ bernahme im Wege des dreiseitigen Vertrages, ist dieser nach allgemeinen Grundsätzen insgesamt jedoch beurkundungsbedu¨ rftig.725 In der Praxis vollzieht die Übernahme sich daher meist zwischen ausscheidendem Teil und seinem Rechtsnachfolger, wodurch die Zustimmung des verbleibenden Vertragsteils formfrei ist (§ 182 Abs. 2 BGB).726 Da der verbleibende Vertragspartner keine für ihn inhaltlich neue Bindung zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücks eingeht, gebietet auch eine teleologische Auslegung des § 311b Abs. 1 BGB kein angehört, die anderen Interessenten aber wirtschaftlich solventer sind, dann für den ,Einheimischen‘ entscheiden wird, ist höchst fraglich. Würde sich der Veräußerer des Erbbaurechts für einen der anderen Interessenten entscheiden und die Kommune ausschließlich den Kaufpreis als Kriterium heranziehen, wäre offensichtlich der Zweck des Erbbaurechts in der Person der neuen Erbbauberechtigten nicht mehr gewährleistet. Wenn zudem ausschließlich der Kaufpreis Beurteilungskriterium ist, steht zu befürchten, dass der Veräußerer über Nebenabreden (etwa der Überwälzung sonstiger Nebenkosten wie Maklerprovisionen, Gebühren etc.) doch versuchen wird, ein höheres Entgelt zu erzielen. Konsequenterweise hätte die Zustimmungspflicht anhand des ermittelten Zwecks selbst im vorstehenden Sinne geprüft werden müssen, also anhand weiterer sozialer Kriterien beim Erwerber.“ 721 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 71 Rn. 185; Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4100 f.; siehe auch BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 = NJW-RR 2007, 962 (964 Rn. 21), worin der BGH feststellt, dass die Gemeinde bei pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens von der Geltendmachung ihres Nachzahlungsanspruchs absehen müsste, wenn die Beklagten ihre Verpflichtungen an die Erwerber ordnungsgemäß weitergegeben hätten. 722 Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41). 723 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1606; Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 ff.; auch Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41). 724 Siehe aus der Rechtsprechung nur BGH 20. 06. 1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88 = NJW 1985, 2528; vgl. auch MüKo/Heinemeyer, Vor § 414 BGB Rn. 8; ausführlich Klimke, Die Vertragsübernahme, S. 36 ff. 725 Dazu Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 (175) m. w. N. 726 So auch im zugrundeliegenden Fall zu BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431.

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notarielles Beurkundungserfordernis.727 Eine Anrechnung des Zeitraumes, in dem sich der Erstkäufer bereits vertragstreu verhalten hat, muss nicht erfolgen. Aus der Sicht der Gemeinde handelt es sich bei dem Zweitkäufer wiederum um einen Erwerber, der für eine angemessene Zeit in seiner Möglichkeit eines Spekulationsverkaufes des Grundstückes beschränkt werden muss.728 Sie sollte daher vereinbaren, dass im Falle einer eventuellen Vertragsübernahme die Fristen der Eigennutzungsund Weiterveräußerungsbindungen neu zu laufen beginnen.729 Entscheidend ist jedoch wiederum, das Verbot der Weiterveräußerung in einem zweiten Schritt vertraglich wirksam abzusichern. b) Sicherungsmöglichkeiten Zunächst kann zur Sicherung des Weiterveräußerungsverbotes kein Verfügungsverbot in das Grundbuch eingetragen und durch eine Dienstbarkeit gesichert werden.730 Der dingliche Ausschluss der Verfügung über ein veräußerliches Recht ist gemäß § 137 S. 1 BGB nicht möglich, wobei die Wirksamkeit einer diesbezüglichen Verpflichtung nach § 137 S. 2 BGB dadurch unberührt bleibt. Auch Dienstbarkeiten können nicht auf eine Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Verfügungs- und Verpflichtungsmacht des Eigentümers des belasteten Grundstücks gerichtet sein.731 Das Eigentumsrecht als Vollrecht ist nicht teilbar, vgl. § 903 Satz 1 BGB, weshalb dem Eigentümer des dienenden Grundstücks durch eine (Unterlassungs-)Dienstbarkeit nicht die Freiheit genommen werden darf, über das Grundstück zu verfügen.732 Eine Dienstbarkeit kann deshalb lediglich die tatsächliche Nutzung des dienenden Grundstücks einschränken.733 Ein Verbot, das dienende Grundstück zu teilen, es zu veräußern, es mit einem dinglichen Recht zu belasten, es zu verpachten 727

Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 (175). Hörmann, Die Grenzen städtebaulicher Verträge, S. 439 ff., hält eine solche Anrechnung sogar aus Gründen der Ungleichbehandlung der beiden Erwerber durch die Gemeinde für unangemessen; vgl. auch Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 71 Rn. 185, die eine Klarstellung im Vertrag empfehlen, ob eine Anrechnung erfolgen soll. 729 Zur Möglichkeit der Modifizierung der Vertragsübernahme kraft privatautonomer Vereinbarung E. Wagner, JuS 1997, 690 (693) m. w. N.; MüKo/Heinemeyer, Vor § 414 BGB Rn. 7; zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten siehe auch Klimke, Die Vertragsübernahme, S. 7 f. 730 Grziwotz, Vertragsgestaltung im Öffentlichen Recht, Rn. 121 weist darauf hin, dass dies dennoch häufig gewünscht wird. 731 Allg. Meinung, siehe etwa BGH 30. 1. 1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 (248) m. w. N.; BGH 25. 03. 1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 (344); BayObLG 8. 6. 1982 – BReg. 2 Z 36-37/82, BayObLGZ 1982, 246 (249); Staudinger/Weber, § 1018 BGB Rn. 77 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1132; MüKo/Mohr, § 1018 BGB Rn. 44. 732 MüKo/Mohr, § 1018 BGB Rn. 44 m. w. N. 733 BGH 30. 1. 1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 (248) m. w. N.; BGH 25. 03. 1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 (344); BayObLG 8. 6. 1982 – BReg. 2 Z 36-37/82, BayObLGZ 1982, 246 (249); Staudinger/Weber, § 1018 BGB Rn. 77 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1132; MüKo/Mohr, § 1018 BGB Rn. 44. 728

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

oder zu vermieten, kann jedoch nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein.734 Da die schuldrechtliche Verpflichtung hierzu möglich ist und ein praktisches Bedürfnis danach besteht, muss die Sicherung auf einem Umweg erfolgen.735 Auch hier hat sich in der notariellen Praxis die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts, §§ 456 ff. BGB (oder eines Rückforderungsrechts sui generis), durchgesetzt mit der Maßgabe, dass der durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts aufschiebend bedingte Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums mit einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Gemeinde gesichert wird.736 Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung bestehen nach ganz herrschender Meinung auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung des § 137 BGB nicht.737 Schließlich beschränkt den Eigentümer das durch Wiederkaufsrecht und Rückauflassungsvormerkung gesicherte Weiterveräußerungsverbot in seiner Dispositionsfreiheit in gleicher Weise wie eine ebenso gesicherte Nutzungsbindung.738 aa) Wiederkaufsrecht und Rückauflassungsvormerkung Wie bereits festgestellt, sind Weiterveräußerungsverbote bei Veräußerungen zum Marktpreis unzulässig, weshalb auch eine Sanktionierung durch ein Wiederkaufsrecht, vgl. §§ 456 ff. BGB, ausscheiden muss.739 Im Rahmen von Veräußerungen unter Marktpreis hingegen sind Wiederkaufsrechte verbunden mit einer dinglichen Sicherung durch Rückauflassungsvormerkungen, vgl. § 883 Abs. 1 BGB, rechtlich möglich, aber wiederum nur zehn Jahre nach Bebauung und Begründung des Erstwohnsitzes aufgrund Ziffer 3 der europäischen Leitlinien. Zwar ist dort nur eine Zahlungspflicht des Erwerbers näher geregelt,740 die Gemeinde kann aber ebenfalls andere und effektivere vertragliche sowie grundbuchliche Instrumente zur Sicherung des Förderzwecks wählen.741 Die Bindungsgrenze von zehn Jahren muss jedoch

734

Siehe Fn. 733. Grziwotz, Vertragsgestaltung im Öffentlichen Recht, Rn. 121. 736 Freuen, MittRhNotK 1996, 301 (315); anschließend Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41). 737 Grüneberg/Ellenberger, § 137 BGB Rn. 4; Staudinger/Kohler, § 137 BGB Rn. 31; OLG Düsseldorf 3. 8. 1983 – 9 U 35/83, OLGZ 1984, 90; BayObLG 18. 11. 1988 – BReg. 2 Z 99/88, DNotZ 1989, 370. 738 Zutreffend Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41). 739 Siehe § 5 II. 3. a) aa). 740 Vgl. auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 185: „Auch liegt der Schwerpunkt des Papiers auf der Vergabeentscheidung der Gemeinde. Die eigentliche Einheimischenbindung und ihre Absicherung ist nur ganz am Ende und nur umrisshaft behandelt.“ 741 Siehe rechtsvergleichend zu den grundbuchlichen Sicherungsmöglichkeiten Resch, Sicherungsinstrumente beim Grundstückserwerb, S. 446, der besonders das Grundbuch als zentrales Element der Sicherung der Interessen der Parteien im Unterschied zu dem angloamerikanischen Recht heraushebt. 735

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aufgrund der Geltung der Grundfreiheiten auch für alle anderen Instrumente zur Absicherung im Grundstückskaufvertrag gelten.742 Die Rückauflassungsvormerkung führt gem. § 883 Abs. 2 BGB dazu, dass eine trotz des Weiterveräußerungsverbotes vorgenommene Weiterveräußerung der Kommune gegenüber unwirksam ist. Sie kann dann von dem Erwerber die Zustimmung zur Eintragung im Grundbuch verlangen, § 888 Abs. 1 BGB.743 So bleibt der Gemeinde auch der effektive dingliche Zugriff auf das Grundstück gewahrt und ferner die Möglichkeit, es an neue Erwerber zu veräußern, die willens sind, ihre Bindungen einzuhalten. (1) Rückauflassungsvormerkung im Rahmen der Zustimmungsregelung Bei einer Zustimmungsregelung, wenn also die Weiterveräußerung nicht generell verboten, sondern von der Zustimmung der Gemeinde abhängig gemacht wird, ist hinsichtlich eines vormerkungsgesicherten Wiederkaufsrechts problematisch, ob eine Rückauflassungsvormerkung erneut bewilligt werden muss, weil die alte Rückauflassungsvormerkung erlöschen sein könnte. Werden die Verpflichtungen aus einem vormerkungsgesicherten Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück im Wege der befreienden Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB) von einem neuen Schuldner übernommen, ohne dass jener Eigentümer des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks wird, erlischt die Vormerkung, denn es fehlt an der notwendigen Identität zwischen dem Schuldner des vormerkungsgesicherten Anspruchs und dem Eigentümer des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks.744 Umstritten sind die Rechtsfolgen aber, wenn – wie in den Weiterveräußerungsfällen im Einheimischenmodell – zeitgleich die Verpflichtungen aus dem vormerkungsgesicherten Anspruch durch Schuld- bzw. Vertragsübernahme und das Eigentum an dem von der Vormerkung betroffenen Grundstück auf den neuen Schuldner übergehen. Die Schuldübernahme bezieht sich dabei auf die einzelne Verpflichtung, während die Vertragsu¨ bernahme die Übertragung aller Rechte und Pflichten eines Vertrages mit Eintritt des Übernehmers in die Parteistellung des Veräußerers meint.745

742 Allg. zum Einfluss der Grundfreiheiten auf die Inhaltskontrolle und den dadurch begründeten Schranken für die Vertragsgestaltung Wolf, in: FS 50 Jahre BGH, S. 111 (122 ff.). 743 § 888 Abs. 2 BGB, der die gleichen Rechtsfolgen anordnet, wenn der Anspruch durch ein Veräußerungsverbot gesichert ist, ist hingegen nicht einschlägig. Der missverständliche Wortlaut meint gerichtliche Veräußerungsverbote gemäß § 938 Abs. 2 ZPO und umfasst Verfügungsverbote im weiteren Sinne. Rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbote fallen mangels dinglicher Wirkung, § 137 BGB, hingegen nicht darunter, siehe dazu auch MüKo/Kohler, § 888 BGB Rn. 24. 744 BGH 05. 12. 1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 (188) = NJW 1997, 861 (863); BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431. 745 Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 (175) m. w. N.; zur Unterscheidung zwischen der vertraglichen Nachfolge durch Abtretung aller Rechte nach §§ 398, 413 BGB und Übernahme

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Nach einer Auffassung soll auch in diesem Fall die bisherige Vormerkung erlöschen und die Eintragung einer neuen Vormerkung erforderlich sein, weil der Anspruch aufgrund des Schuldnerwechsels inhaltlich umgestaltet werde, wenn er von Bedingungen abhänge, welche an das Verhalten des bisherigen Schuldners und Grundstückseigentümers anknüpften (z. B. Sicherung der Eigennutzung des Zweitund nicht des Ersterwerbers).746 Dem ist der BGH entgegengetreten und hat entschieden, dass es keiner neuen Vormerkung bedarf, wenn der neue Schuldner zeitgleich mit der Übernahme der Verpflichtungen aus dem vormerkungsgesicherten Anspruch das Eigentum an dem von der Vormerkung betroffenen Grundstück erlangt.747 Die Verpflichtungen betreffen demnach nicht die Voreigentümer höchstpersönlich, sondern den jeweiligen Grundstückseigentümer. Auch gehe die Schuldübernahme nicht etwa deshalb ins Leere, weil ein Teil der von den Voreigentümern übernommenen Verpflichtungen (wie z. B. die Bauverpflichtung) bereits erfüllt wurde.748 Wenn die Frist, innerhalb derer das Wiederkaufsrecht ausgeübt werden kann, noch nicht abgelaufen ist, hat die Verpflichtung der Ersterwerber bei Ausübung durch die Gemeinde dieser das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, auch noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags mit den Zweiterwerbern Bestand.749 Letztere übernehmen die Schuld identitätswahrend und nicht inhaltlich umgestaltet. Folglich lässt dies auch den Bestand der Vormerkung unberührt.750 Dagegen wird meist die Regelung in § 418 Abs. 1 S. 1 BGB ins Feld geführt, wonach die für die Forderung bestellten Bürgschaften und Pfandrechte infolge der Schuldübernahme erlöschen.751 Die Vormerkung ist in der Vorschrift nicht genannt und diese somit nicht unmittelbar anwendbar. Die Möglichkeit einer analogen Anwendung wird vom BGH jedoch explizit offengelassen.752 Denn die Analogie führte auch zu der entsprechenden Anwendung der Regelung in § 418 Abs. 1 S. 3 BGB, wonach das im ersten Satz angeordnete Erlöschen dann nicht eintritt, wenn der Bürge oder der Eigentümer des Pfandes in die Schuldübernahme einwilligen. Sind also in aller Verbindlichkeiten nach §§ 414, 415 BGB sowie der Vertragsübernahme siehe MüKo/ Kieninger, § 398 BGB Rn. 4 f.; vgl. auch MüKo/Heinemeyer, Vor § 414 BGB Rn. 7 f. 746 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1606; Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 (175 f.); Rastätter, DNotZ 2000, 17 (41); Assmann, Die Vormerkung, S. 72. 747 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431. 748 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2432). 749 Siehe Fn. 748. 750 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2432 Rn. 14). 751 Siehe m. w. N. Gutachten, DNotI-Report 1995, 173 (176). 752 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2432 Rn. 15); dafür etwa Grüneberg/Grüneberg, § 417 BGB Rn. 1; Friederich, Die Stellung des Sicherungsgebers bei der privativen Schuldübernahme nach § 418 Abs. 1 BGB, S. 221 ff.; a. A. Staudinger/Rieble, § 418 BGB Rn. 10; Assmann, Die Vormerkung, S. 72.

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dem in § 418 BGB geregelten Vier-Personen-Verhältnis sämtliche Beteiligte von vornherein mit der Schuldübernahme einverstanden, erlöschen die an der übernommenen Schuld bestehenden Sicherungsrechte nicht.753 Dasselbe gilt auch für die Vormerkung, wenn Gläubiger, Altschuldner und übernehmender Schuldner sich über die Schuldübernahme einig sind. (2) Eintragung des Schuldnerwechsels in das Grundbuch Infolgedessen stellt sich aber die Frage, ob bei einer bestehenbleibenden Vormerkung dann der Schuldnerwechsel in das Grundbuch eingetragen werden kann. Eine Auffassung hält den Schuldnerwechsel für eintragungsfähig und begründet dies mit dem Grundsatz der Grundbuchklarheit.754 Nur durch die Eintragung werde der unzutreffende Eindruck vermieden, dass der Schuldner nach wie vor der Eigentümer sei. Ferner zähle die Schuldnerstellung zu den unverzichtbaren Merkmalen einer Vormerkung, die im Grundbuch verlautbart werden müsse.755 Der BGH und die überwiegende Ansicht im Schrifttum lehnen die Eintragungsfähigkeit des Schuldnerwechsels jedoch richtigerweise ab.756 So müssen bei Eintragung einer Vormerkung der Gegenstand des Anspruchs und der Anspruchsgläubiger vermerkt werden, der Schuldner des gesicherten Anspruchs allerdings nicht.757 Schließlich darf eine Vormerkung nur unter der Voraussetzung in das Grundbuch eingetragen werden, dass sich der zu sichernde Anspruch gegen denjenigen richtet, dessen Grundstück oder Grundstücksrecht von der Vormerkung betroffen wird. Der Anspruchsschuldner muss also bei der Eintragung der Vormerkung Eigentümer des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks oder Inhaber des von ihr betroffenen Grundstücksrechts sein.758 Diese Stellung ergibt sich aus dem Grundbuch, sodass daraus auf die Person des Schuldners geschlossen werden kann. Dies kann bei einem Schuldnerwechsel in der Tat dazu führen, dass nur die Voreigentümer als Schuldner des gesicherten Anspruchs aus dem Grundbuch hervorgehen. Dass die Vormerkung nunmehr einen Anspruch sichert, der sich nicht mehr gegen denjenigen richtet, der im Zeitpunkt ihrer Eintragung als Grundstückseigentümer eingetragen war, sondern gegen den jetzigen

753

BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2432); zustimmend K. Schmidt, JuS 2015, 460 (461). 754 OLG Düsseldorf 18. 4. 2011 – I-3 Wx 85/11, DNotZ 2012, 63 (m. Anm. Reymann); Krauß, notar 2012, 317 (323). 755 Krauß, notar 2012, 317 (323). 756 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2432 Rn. 19 ff.); Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1493; Erman/Artz, § 883 Rn. 21b; Schippers, MittRhNotK 1998, 69 (81); Hoffmann, MittBayNot 1997, 10 (12). 757 Im Umkehrschluss Meikel/Böttcher, § 25 GBO, Rn. 23; auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1511. 758 BGH 05. 12. 1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 (188) = NJW 1997, 861 (863).

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Grundstückseigentümer, lässt sich dem Grundbuchinhalt hingegen nicht entnehmen.759 Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH aber auch gar nicht erforderlich. Besinnt man sich nämlich auf die Schutzzwecke einer Vormerkung, wird deutlich, dass eine Eintragung des Schuldnerwechsels nicht notwendig ist. So ist die Vormerkung nach ständiger Rechtsprechung kein dingliches Recht an dem Grundstück, sondern ein Sicherungsmittel eigener Art, das den Gläubiger eines schuldrechtlichen, auf die Änderung der dinglichen Rechtslage gerichteten Anspruchs vor dessen Vereitelung oder Beeinträchtigung durch Verfügungen des Schuldners und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger schützt.760 Außerdem müssen Dritte bei einer Vormerkung damit rechnen, dass sie später erworbene und mit dem vorgemerkten Anspruch unvereinbare Rechte wieder verlieren können (§§ 883 Abs. 2, 888 BGB). Diese Schutzzwecke werden auch dann erreicht, wenn nicht jede Änderung im Grundbuch verlautbart wird, vor allem wenn davon ausschließlich der schuldrechtliche Anspruch betroffen ist.761 Die Identität des Anspruchsschuldners spielt ausschließlich eine Rolle für das Schuldverhältnis, über das das Grundbuch nichts aussagt.762 Schon über den gesicherten Anspruch und seine Wirksamkeit gibt das Grundbuch keine Auskunft.763 Somit ist nicht ersichtlich, weshalb der Anspruchsschuldner als solcher bezeichnet werden müsste, denn auch ohne diese Angabe erfüllt das Grundbuch seine Aufgabe, eine eindeutige und vollständige Aussage über vergangene und gegenwärtige Rechtsverhältnisse zu treffen, indem es die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken, die daran bestehenden dinglichen Belastungen und deren Rangverhältnisse untereinander ausweist.764 Alternativ zur Vereinbarung eines vormerkungsgesicherten Wiederkaufsrechts kamen einige Gemeinden schließlich auf die Idee, Klauseln zu verwenden, die den Mehrerlös nach Weiterveräußerung beim Ersterwerber abschöpfen sollen. bb) Mehrerlösklausel Daher soll im Folgenden untersucht werden, inwieweit eine solche Regelung dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung entspricht oder nicht vielmehr den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt. Wiederum muss zunächst 759

BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2433). Vgl. nur BGH 15. 12. 1972 – V ZR 76/71, BGHZ 60, 46 = NJW 1973, 323 (324). 761 Krüger, in: FS Krämer, S. 475 (493). 762 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2433). 763 BGH 7. 12. 2007 – V ZR 21/07, MittBayNot 2008, 212 (213) (m. krit. Anm. Demharter); siehe etwa auch Wacke, DNotZ 1995, 507 (512). 764 BGH 13. 2. 2014 – V ZB 88/13, BGHZ 200, 179 = NJW 2014, 2431 (2433); differenziert dazu die Anm. von Amann, DNotZ 2014, 611 (613); BGH 7. 12. 2007 – V ZR 21/07, MittBayNot 2008, 212 (213). 760

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danach differenziert werden, ob das Grundstück zum Marktpreis oder darunter veräußert wurde. (1) Veräußerung zum Marktpreis Die Verwendung von Mehrerlösklauseln in einem Grundstückskaufvertrag wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung765 und jedenfalls einem Teil des Schrifttums766 bei der Veräußerung zum Marktpreis akzeptiert. Eine solche Klausel benachteilige den Käufer nicht unangemessen, wenn die Gemeinde hieran ein anerkennenswertes, über die reine Abschöpfung eines Veräußerungsgewinns hinausgehendes Interesse habe, was darin zu erblicken sein könnte, dass die Gemeinde auf diese Weise kurzfristige Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu verhindern sucht.767 Dass die von der Kommune verwendete Mehrerlösklausel diesem Zweck diente, bedürfe keiner weiteren Feststellungen zu ihren Absichten, denn dies ergebe sich schon aus der Lage des Grundstücks in einem Wohngebiet.768 Eine solche Interessenabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Die sog. „anerkennenswerten“ Interessen der Gemeinden sind jedenfalls nicht vom Gesetz anerkannt und ergeben sich auch nicht durch sonstige städtebauliche Erwägungen (es handelte sich auch nach Auffassung des BGH gerade nicht um einen städtebaulichen Vertrag, sodass § 11 BauGB nicht zur Anwendung kam).769 Die bloße Erwartung der Gemeinde, dass das Grundstück zeitnah bebaut werde, ist nicht ausreichend, um eine Mehrerlösklausel zu rechtfertigen.770 Auch führt der Senat richtig aus, dass zunächst zu berücksichtigen sei, dass dem Käufer grundsätzlich alle mit dem Eigentum an der Sache verbundenen Vorteile gebühren, sodass ihm auch etwaige Wertsteigerungen der Kaufsache in Folge einer

765

BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414. Im Anschluss an die BGH-Rechtsprechung Leidner, DNotZ 2019, 83 (87 ff.); Zintl/ Simon, ZfIR 2018, 659 (660); Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 221; Herrler/ Hertel/Kesseler/ders., Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 342; Krüger/Hertel/ders., Der Grundstückskauf, S. 422; a. A. Eckert, in: GS Sonnenschein, S. 563 (576) bezeichnet die Zulässigkeit von derartigen Mehrerlösklauseln beim Verkauf zum objektiven Verkehrswert wenigstens als fragwürdig. 767 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416). 768 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 30). 769 § 1a Abs. 2 BauGB kann dafür nicht herhalten (so könnte man Grziwotz, MittBayNot 2019, 90 (91) verstehen), da die darin kodifizierte Bodenschutzklausel die Gemeinde im Rahmen der Aufstellung der Bauleitpläne verpflichtet, mit Grund und Boden sparsam und schonend umzugehen. Eine Verpflichtung Bodenerwerbern die Spekulation mit ihrem Grundstück zu erschweren, kann daraus nicht abgeleitet werden. 770 Wäre die Bebauung ihr vornehmliches Interesse gewesen, hätte sie auch eine Bauverpflichtung vereinbaren können, was allerdings auch nach Einschätzung des BGH nicht geschehen ist, siehe BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1415 Rn. 10). 766

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Marktentwicklung zustehen.771 Dieses Recht werde durch die Mehrerlösklausel eingeschränkt. Verwendete die Gemeinde eine solche Bestimmung nur zu dem Zweck, ihr Vermögen zu mehren, würde sie als Verwenderin ihre eigenen Interessen in unangemessener Weise auf Kosten des Käufers durchsetzen.772 Dies wäre nach zutreffender Einschätzung des BGH unzulässig. Es ist hingegen aber nicht überzeugend, nur aufgrund von Allgemeininteressen, die nicht gesetzlich umformt sind, nun zu einem anderen Schluss für die Interessenabwägung im AGB-Recht – wie in Teil 1 dargelegt – zu gelangen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde vornehmlich monetär partizipieren wollte, wenn mit dem Grundstück nicht in ihrem Sinne verfahren würde. Ob überhaupt ein Wiederkaufsrecht mit Rückauflassungsvormerkung vereinbart wurde, um notfalls wieder Eigentum am Grundstück zu erlangen, lässt sich dem Sachverhalt des Urteils jedenfalls nicht entnehmen. Es liegt nahe, dass sich der Senat auch deshalb zu einer Angemessenheit der Mehrerlösklausel gedrängt gesehen hat, weil die Frist, innerhalb derer ein solcher Ausgleich hätte verlangt werden können, nur fünf Jahre betrug.773 Da die Gemeinde dem Erwerber allerdings keinerlei Vergünstigung eingeräumt hatte, ist nicht nachvollziehbar, wieso er überhaupt einer Bindung durch die Kommune unterliegen soll. Der pauschale Verweis auf öffentliche Zielsetzungen genügt dafür nicht. So könnte die öffentliche Hand als Verwenderin von AGB nahezu beliebig überzogene Klauseln rechtfertigen.774 Schon das Weiterveräußerungsverbot ist deshalb bereits nach hier vertretener Auffassung unwirksam, sodass auch solche Klauseln, die allein der Sicherung dieses Verbots dienen, mangels schutzwürdiger Interessen des Verwenders ausscheiden müssen.775 (2) Veräußerung unter Marktpreis Im Rahmen der Veräußerung unter dem marktüblichen Preis stellt sich die Lage jedoch anders dar. Bemerkt sei anfangs, dass bei den üblichen Gestaltungen zu Mehrerlösklauseln nicht der gesamte Mehrerlösbetrag verlangt wird, sondern dass vom Erwerber getätigte Investitionen einschließlich gezahlter Zinsen in Abzug zu

771

BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 27). BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 28). 773 BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414 (1416 Rn. 31): „In Abwägung zu diesem anerkennenswerten Interesse der Gemeinde hat der Käufer die mit der Klausel verbundenen Nachteile hinzunehmen. Hierbei ist insbesondere der mit fünf Jahren überschaubare Zeitraum zu berücksichtigen, für den die Erlösabführungspflicht gilt.“ 774 Vgl. zu dieser Problematik auch Grziwotz, MittBayNot 2019, 90 (91): „Insofern dürfte der davon zu unterscheidende Fall einer reinen Gewinnerzielungsabsicht seitens der Gemeinde eher selten vorliegen.“ 775 So auch Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Veräußerungsverbote, Rn. V6. 772

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bringen sind.776 Ohne die Entschädigung des Erwerbers läge die Unangemessenheit der Vertragsbestimmung auf der Hand. Wie ist es allerdings bei einer Klausel, die den Käufer verpflichtet, den durch ihn erzielten Mehrerlös abzüglich der getätigten Investitionen an die Gemeinde abzuführen? Ausgangspunkt ist auch hier wieder im ersten Schritt die mögliche und zulässige Vereinbarung eines Weiterveräußerungsverbots. Daraus folgt aber noch nicht, dass eine Mehrerlösklausel zur Absicherung dieses Verbots automatisch wirksam ist, sondern es bedarf einer eigenständigen Interessenabwägung im Rahmen des § 307 BGB.777 In den Fällen der vergünstigen Grundstücksveräußerung unterscheidet sich die Interessenlage grundlegend von der marktüblichen Konstellation. Die Erwerber erhalten einen Nachlass von in der Regel bis zu 30 % des Grundstückswertes und verpflichten sich im Gegenzug zur Einhaltung der bereits beschriebenen Bindungen. Halten sie Verpflichtungen nicht ein, die zur Erreichung des städtebaulichen Ziels der Wohnraumversorgung von einkommensschwächeren und weniger begüterten Personen notwendig sind, und macht die Gemeinde daraufhin von ihren vertraglichen Sicherungsinstrumenten Gebrauch, handelt es sich bloß um die Rückforderung einer fehlgeschlagenen Subvention. Die Kommune ist sogar aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber anderen Grundstücksbewerbern und mit Rücksicht auf das Gebot, Grundstücke nur zum tatsächlichen Wert zu veräußern, dazu verpflichtet, wenn aufseiten der Erwerber kein Grund mehr zur Subvention besteht. Dies gibt allerdings noch keine näheren Hilfestellungen zur konkreten Ausgestaltung einer solchen Mehrerlösklausel an die Hand. Unproblematisch sind zunächst die Fälle, in denen der Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verlangt wird. Eine solche Gestaltung ist zulässig und empfehlenswert. Oft sind die Gemeinden allerdings versucht, auch zukünftige Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen. Es geht also um das Delta zwischen Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Mehrerlösklausel. Die befürwortende Rechtsprechung für die Abschöpfung einer zukünftigen Bodenwertsteigerung zulasten der Erwerber argumentiert mit einer Parallelwertung zur Vereinbarung eines Wiederkaufsrechtes.778 Mache die Gemeinde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so kommt ihr ebenfalls eine zwischenzeitliche Steigerung des Bodenwerts zugute denn nach § 456 Abs. 2 BGB entspricht der Wiederkaufspreis im 776 Siehe auch den Sachverhalt zu BGH 16. 3. 2018 – V ZR 306/16, NVwZ 2018, 1414; Einzelheiten zur Berechnung eines anteiligen Mehrerlöses vgl. OLG Karlsruhe 9. 2. 2012 – 9 U 144/11, NJOZ 2013, 374 (375 f.). 777 Treffend Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Veräußerungsverbote, Rn. V6. 778 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891) m. w. N.; ebenfalls solche Mehrerlösklauseln für zulässig erachtend LG Traunstein 28. 07. 1998 – 6 O 2744/97, ZfIR 1998, 710.

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

Zweifel dem ursprünglichen Kaufpreis. Fehlten einer Gemeinde die für den Wiederkauf erforderlichen finanziellen Mittel, versuche sie, das gleiche wirtschaftliche Ergebnis durch die Vereinbarung einer Mehrerlösklausel zu erreichen, und könne daher nicht als unangemessene Benachteiligung ihres Vertragspartners angesehen werden.779 Dies überrascht, da zuvor ja nicht auf ihre wirtschaftlichen Interessen geachtet wurde und diese gerade nicht ausreichend sein sollen, um eine Mehrerlösklausel zu rechtfertigen. Vielmehr verfolgt die Gemeinde ihre städtebaulichen Ziele, die mit Ausübung des Wiederkaufsrechts effektiv gewahrt wären, indem sie das Grundstück in der Folge erneut an bereitwillige Erwerber veräußern könnte und nicht bloß eine Zahlungsklausel ausübt, durch die sie nur eine Geldzahlung erhielte und nicht mehr Eigentümerin würde. Die Gemeinde möchte damit nicht ein objektiv gleiches „wirtschaftliches Ergebnis“ erreichen, sondern ein für sie vorteilhaftes wirtschaftliches Ergebnis, da mit der Ausübung des Wiederkaufsrechts folglich zusätzliche Arbeit und Ressourcenaufwand anfallen würde. Gegen die Billigkeit einer Abführung der Bodenwertsteigerung spricht auch die Schlechterstellung von Erwerbern unter Verkehrswert gegenüber solchen, die zum Marktwert gekauft haben und nach hier vertretener Auffassung ebenfalls keine zusätzlichen Zahlungen leisten müssen. Das Einverleiben der Bodenpreissteigerungen durch die Gemeinden begegnet ferner europarechtlichen Bedenken. Ziffer 3 der Leitlinien zufolge sollen auch die Jahre nach Bebauung berücksichtigt werden, die die Erwerber dort gewohnt haben und sich ein eventueller Rückzahlungsbetrag um den Anteil mindern, der bis zu einer Nutzung von zehn Jahren fehlt.780 In der bereits abgelaufenen Zeit ist der Subventionszweck erfolgt, sodass es nach den europäischen Vorgaben unbillig wäre, den Begünstigten nach einigen Jahren die gesamte Subvention wieder zu entziehen. Wenn nun aber mit der BGH-Rechtsprechung eine Gemeinde den vollen Verkehrswert und eine zusätzliche Steigerung zurückfordert, ginge das weit über die Vorstellung der Leitlinien hinaus und spricht für eine Unwirksamkeit. Besonders deutlich zeigt sich die Unangemessenheit der Abschöpfung der Bodenwertsteigerung aber an einem Fall des BGH zum Mindererlös.781 Darin hatten die Erwerber unglücklicherweise beim Weiterverkauf einen Preis erzielt, der noch unter dem subventionierten Ursprungspreis lag, den sie hatten zahlen müssen.782 Nach779 BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); im Anschluss an Grziwotz, MittBayNot 1994, 465 (466) und Rastätter, DNotZ 2000, 17 (42). 780 Vorschläge zu einer anteiligen Rückerstattung existierten schon vorher ohne europäischen Kontext, siehe den Formulierungsvorschlag bei Grziwotz, Baulanderschließung, S. 211 f.; Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 726; ders., in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 2 Rn. 910; vgl. auch Rastätter, DNotZ 2000, 17 (42). 781 BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 = NJW-RR 2007, 962. 782 Vgl. auch die Vorinstanz OLG Stuttgart 18. 01. 2006 – 3 U 150/05, BWNotZ 2007, 16. Am Rande sei bemerkt, dass es sich um eine beliebte Gemeinde im Allgäu handelte, in der ein

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zahlen mussten sie dennoch einen Betrag von 50 DM pro m2, da dies der Differenz zum damaligen Verkehrswert entsprach.783 Der BGH hielt eine solche Klausel entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für zulässig, da die Begünstigten nur so gestellt werden, wie sie ohne Subvention gestanden hätten und ein eventueller Mehrerlös bei ihnen verblieben wäre.784 An einer solchen Gestaltung ist in der Tat nichts auszusetzen, aber offenbart dennoch die Ungerechtigkeit einer Mehrerlösklausel. So ist es überzeugend, dass die Gemeinde sich die Differenz zwischen Mindererlös und ursprünglichem Verkehrswert infolge der fehlgeschlagenen Subvention zurückholt und einen Mehrerlös aber ebenso beim Erwerber belässt. Unausgewogen ist es hingegen, wenn die Kommune im Fall der Wertsteigerung den Mehrerlös abschöpft und im Fall der Wertminderung jedenfalls die Differenz zum damaligen Verkehrswert erhält. Bei der alternativen Ausübung ihres Wiederkaufsrechts müsste sie den damaligen Kaufpreis zurückzahlen und wäre im Gegensatz dazu Eigentümerin eines weniger werthaltigen Grundstücks. Dadurch entsteht eine Privilegierung der Gemeinde und ungleiche Lastenverteilung, indem sie kein Risiko der Wertminderung trägt, wohingegen der Erwerber das volle Risiko trägt.785 Die auf den ersten Blick ausgewogen klingende Formel des BGH, dass eine Klausel, die neben der Kaufpreisverbilligung auch künftige Bodenwertsteigerung einbeziehe, nur angemessen sei, wenn sie die Möglichkeit stagnierender oder sinkender Bodenpreise berücksichtige und die Nachzahlung auf den tatsächlich eingetretenen Vorteil begrenze,786 kann bei näherer Betrachtung nicht überzeugen. Denn überlegt man sich einmal die Konsequenz dessen, was passiert, wenn die Bodenpreise einmal gefallen sind und damit ein „tatsächlich eingetretener Nachteil“ vorliegt, so wird deutlich, dass die Gemeinde einfach untätig bliebe, ihre Zahlungsklausel nicht ausüben und somit jedenfalls im Gegenzug für eine Vorteilsabschöpfung keinen Nachteilsausgleich leisten würde. Es erscheint daher angemessen, dass die Erwerber des Grundstücks als Eigentümer das Risiko für Verlust und Gewinn tragen.787 Wird bei der Weiterveräußerung starker Anstieg der Baulandpreise in der Vergangenheit zu verzeichnen war. Es ist also keinesfalls so, dass die Möglichkeit der Erzielung eines Mindererlöses von vornherein ausgeschlossen wäre. 783 Die Begünstigten behielten das Grundstück sieben Jahre, siehe BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 = NJW-RR 2007, 962. 784 BGH 13. 10. 2006 – V ZR 33/06, MittBayNot 2007, 306 (307) = NJW-RR 2007, 962 (963); so auch der damalige Vorsitzende des V. Zivilsenats Krüger, ZNotP 2010, 450 (452). 785 Vgl. auch Grziwotz, MittBayNot 2007, 308 (309): „Dies bedeutet allerdings, dass Klauseln, in denen einseitig dem Privaten das Risiko der Wertminderung zugewiesen wird, während die Wertsteigerung auf jeden Fall der Gemeinde verbleibt, bedenklich sein können.“ 786 BGH 16. 4. 2010 – V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 (3507 Rn. 21). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Gemeinde sogar auf die Idee gekommen, einfach pauschal 400 (!) DM pro m2 Nachzahlung zu verlangen. 787 Vgl. auch die Diskussion zum Umfang des Herausgabeanspruchs gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, in der die Ansicht im Schrifttum richtig liegt, die das „durch die Verfügung Erlangte“ allein in der Schuldbefreiung aus dem Kausalgeschäft erblickt und somit zur Her-

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ein Mehr- oder Mindererlös erzielt, müssen die Erwerber der Gemeinde lediglich den Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachzahlen. Um den europarechtlichen Anforderungen zu genügen, muss dieser Differenzbetrag nur innerhalb von zehn Jahren nach Bebauung gezahlt werden, da auch nur in diesem Zeitraum das Weiterveräußerungsverbot besteht, an das die Mehrerlösklausel als Sanktion geknüpft ist. Darüber hinaus sollte der Betrag abhängig von der bereits absolvierten Haltezeit prozentual gekürzt werden, sodass zum Beispiel bei einem Verkauf nach acht Jahren nur noch 20 % der Nachzahlung zu leisten sind.

III. Zwischenergebnis Es hat sich gezeigt, dass den Gemeinden im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung stehen, um Grundstücksspekulation zu verhindern, allerdings müssen sie auch einige Beschränkungen beachten. Diese ergeben sich für die Inhaltskontrolle neben den allgemeinen Zulässigkeitsmaßstäben aus dem AGB-Recht insbesondere aus europäischen Vorgaben, denen in der Praxis bislang nur ungenügend Folge geleistet wird. Während die Bauverpflichtung bei der Veräußerung unter und zum Marktwert vereinbart werden kann, muss hinsichtlich Nutzungsbindungen und Weiterveräußerungsverboten nach dem Kriterium der Kaufpreishöhe differenziert werden. Insgesamt müssen die Nachzahlungs- und Mehrerlösklauseln kritischer als bislang angenommen beurteilt werden, wohingegen durch die Ausübung von Wiederkaufsrechten am effektivsten Grundstücksspekulation verhindert werden kann. Die Relevanz dieser Sicherungsmechanismen wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, was die Rechtsfolgen einer unterlassenen Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts mit Rückauflassungsvormerkung sind. Erfolgt die Veräußerung unter dem objektiven Verkehrswert, muss neben der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben auch die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt sein.788 Fehlen solche Sicherungsinstrumente, liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Veräußerung von gemeindlichen Vermögensgegenständen unter Wert vor, vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO. Ein solcher Verstoß führt nach ständiger Rechtsprechung zur Nichtigkeit gem. § 134 BGB des Verpflichtungs- und des Verfügungsgeschäfts der Gemeinde.789 Bei Nichtigkeit der Verfügung müsste das Grundbuchamt zwar den ausgabe des objektiven Verkehrswerts gelangt, siehe ausführlich Staudinger/Lorenz, § 816 BGB Rn. 23 ff.; zuzustimmen ist MüKo/Schwab, § 816 BGB Rn. 45, nach dem es keine verallgemeinerungsfähige gesetzliche Wertung gibt, ob der Berechtigte eventuellen Gewinn abschöpfen kann und mit eventuellen Verlusten leben muss, 788 Siehe grundsätzlich BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891) m. w. N. 789 BayObLG 12. 4. 1983 – BReg. 2 Z 21/83, BayObLGZ 1983, 85; BayObLG 22. 6. 1995 – 2Z BR 42/95, BayObLGZ 1995, 225; BayObLG 5. 3. 2001 – 5Z RR 174/99, BayObLGZ 2001,

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Antrag der Gemeinde zurückweisen, § 18 GBO. In der Praxis wird es dazu allerdings nicht kommen, da in der Regel die schriftliche Feststellung des Vertretungsberechtigten der Gemeinde ausreicht, dass keine solche Veräußerung unter Wert vorliege.790 Nach § 29 Abs. 1 S. 2 GBO müsste diese Tatsache an sich durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden. Die Rechtsprechung lässt es allerdings ausnahmsweise zu, bei Prüfung dieser Frage nur Erfahrungssätze heranzuziehen und einen „formstrengen“ Nachweis erst dann zu verlangen, wenn konkrete Anhaltspunkte zu berechtigten Zweifeln Anlass geben.791 Die schriftliche Feststellung des Vertretungsberechtigten der Gemeinde, dass keine Veräußerung unter Wert vorliege, verstärke als Glaubhaftmachung den Erfahrungssatz, dass die Gemeindeordnung in der Regel eingehalten werde und ihre Nichtbeachtung sich auf Ausnahmen beschränke.792 Dieser (fragwürdige) Erfahrungssatz in Verbindung mit der Erklärung des Bürgermeisters (sog. Vollwertigkeitsbescheinigung) in der Form des § 29 Abs. 3 GBO tritt somit im Regelfall an die Stelle eines urkundlichen Nachweises für den grundbuchamtlichen Vollzug, der eigentlich nach § 29 Abs. 1 S. 2 GBO erforderlich wäre. So bliebe ein Verstoß gegen das Verbot der Veräußerung von gemeindlichen Vermögensgegenständen unter Wert mangels hinreichender kaufvertraglicher Sicherungsinstrumente oft unbeachtet. Typischerweise gebrauchen Kommunen aber eher zu viele oder zu einschneidende Klauseln als zu wenige. Die Verwendung überzogener Bestimmungen findet sich in der Praxis auch deshalb recht häufig, weil die Gemeinden keine Gefahr laufen, dass die oben beschriebenen Nichtigkeitsfolgen und eine eventuelle Rückabwicklung eintreten oder eine ersatzlose Streichung droht. Denn aufgrund der zuvor kritisierten Rechtsprechung793 des BGH werden Sicherungsklauseln trotz ihrer Eigenschaft als AGB geltungserhaltend reduziert, um die Gesamtunwirksamkeit des Kaufvertrags zu vermeiden. Dabei klingt immer wieder an, dass die Gemeinden grundsätzlich Wiederkaufsrechte ausüben wollen würden, aber aufgrund ihrer angespannten finanziellen Situation praktisch gezwungen seien, sich weitere scharfe

54; BayObLG 14. 9. 2022 – 101 ZR 180/21, MittBayNot 2023, 408; siehe auch BeckOK/ Sedlmaier, Art. 75 BayGO Rn. 17 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 4077; krit. Volmer, MittBayNot 2023, 323 (326). 790 So BayObLG 22. 6. 1995 – 2Z BR 42/95, BayObLGZ 1995, 225 (227 f.); Volmer, MittBayNot 2023, 323 (327); vgl. auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 4078 m. w. N. 791 BayObLG 22. 6. 1995 – 2Z BR 42/95, BayObLGZ 1995, 225 (227 f.); in anderen Bundesländern bedürfen Gemeinden zur Veräußerung von gemeindeeigenen Grundstücken der Genehmigung ihrer Aufsichtsbehörde, siehe die Übersicht bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 4075. 792 BayObLG 22. 6. 1995 – 2Z BR 42/95, BayObLGZ 1995, 225 (228). 793 Siehe dazu unter § 3 II.

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3. Teil: Gestaltungsvorschläge für künftige kommunale Grundstücksvergabe

Schwerter in Form von Nachzahlungs- oder Mehrerlösklauseln einfallen zu lassen.794 Der Frage, ob diese Schlussfolgerung so zwingend ist und ob es nicht andere Lösungsansätze für das Finanzierungsproblem der vertraglichen Gestaltungsinstrumente der Gemeinde gibt, soll im nächsten Teil dieser Studie nachgegangen werden.

794 So etwa in BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); Rastätter, DNotZ 2000, 17 (42); Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 723; Grziwotz, MittBayNot 1994, 464 (466).

Vierter Teil

Praktische Umsetzbarkeit trotz beschränkter finanzieller Ressourcen der Kommunen § 6 Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente Alle rechtlichen Vorschläge nützen wenig, wenn sie aufgrund von praktischen Hindernissen nicht umgesetzt werden und ihre Wirkung nicht entfalten können. Daher ist es mit dem Blick auf die rein rechtliche Gestaltung nicht getan. Vielmehr soll anhand der Möglichkeiten der Kommunalhaushalte – mit Fokus auf Bayern – untersucht werden, inwieweit Wiederkaufsrechte überhaupt ausgeübt werden können. Es soll dabei von den bestehenden Kommunalfinanzen ausgegangen werden, da der Ruf nach mehr Geld natürlich immer einfach ist, aber dieses dann entweder an anderer Stelle fehlt, durch höhere Steuerbelastung eingenommen oder durch weitere Kredite aufgenommen werden muss. Sodann folgen zwei verschiedene Lösungsansätze, die das Problem der kommunalen Bodenpolitik bei leeren Kassen zu bewältigen versuchen.

I. Problem der leeren Kommunalhaushalte Die Diskussion um kommunale Haushaltsdefizite ist keineswegs ein neues Phänomen, sondern beschäftigt Politik und Rechtswissenschaft seit einigen Jahren und führt zu einer Einschränkung an politischen Handlungsoptionen.795 Verschärft wurde die Schuldenlast des gesamten öffentlichen Haushalts in jüngster Zeit durch Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und stieg zum Jahresende 2021 auf einen neuen Höchststand von 2,3 Billionen Euro.796 Dabei stehen die Kommunen im Vergleich zu Bund und Ländern allerdings deutlich besser da und sind weitaus

795

Siehe grundlegend etwa Holtkamp, Kommunale Haushaltspolitik bei leeren Kassen: Bestandsaufnahme, Konsolidierungsstrategien, Handlungsoptionen, S. 13 ff.; Reus/Mühlhausen, Haushaltsrecht in Bund und Ländern, C. Rn. 422 ff. 796 Zahlen des Statistischen Bundesamts, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Pres se/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_136_713.html;jsessionid=533E3DFC4A62ADD548C4 5565A88A806A.live722#fussnote-1-606698.

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4. Teil: Umsetzbarkeit trotz beschränkter Ressourcen der Kommunen

weniger verschuldet.797 Deshalb das kommunale Haushaltsproblem zu unterschätzen, wäre jedoch ein Fehlschluss. Grund für die erhöhte Haushaltsdisziplin ist vor allem die Kommunalaufsicht, verbunden mit gesetzlichen Überschuldungsverboten, der grundsätzlichen Möglichkeit der Kreditaufnahme nur zur Finanzierung von Investitionen und der Einleitung eines Haushaltssanierungsverfahrens, wenn ein Haushaltsdefizit entsteht.798 Eine Lücke zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben muss mit sog. Kassenkrediten geschlossen werden, die nur zur kurzfristigen Liquiditätssicherung verwendet werden dürfen und alsbald wieder abgebaut werden müssen.799 Durch die finanzielle Notlage in vielen Kommunen, die entweder durch zu geringe Einnahmen oder zu hohe Ausgaben, meist aber durch die Korrelation zwischen geringen Steuereinnahmen und hohen Sozialausgaben bedingt ist, werden verbreitet Kassenkredite zur Finanzierung der laufenden Ausgaben und Zinsen missbraucht und häufen sich so zu einem nicht abbaubaren Schuldenberg an.800 Die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Gebot des Haushaltsausgleichs (vgl. Art. 64 Abs. 3 BayGO) haben einschneidende Sparmaßnahmen zur Folge,801 wohingegen sich Bund und Länder ohne konkrete Sanktion weiter verschulden können.802 So entstehen Einschränkungen an politischen und rechtlichen Handlungsoptionen, da meist vordergründig nach der Finanzierbarkeit der verschiedenen Möglichkeiten geschaut werden muss. Eines von unzähligen Resultaten aus dieser Problematik der leeren Kommunalhaushalte ist der nicht wirksame und nicht nachhaltige Versuch der Verhinderung von Grundstücksspekulation, indem Gemeinden insbesondere bei Verstoß gegen die kommunalen Bindungen ein ihnen vertraglich zustehendes Wiederkaufsrecht aus Kostengründen nicht ausüben. Betrachtet man einmal die Kommunalfinanzen in Bayern anhand der Jahresrechnungsstatistik, so lässt sich erkennen, dass im Jahr 2020 der Posten „Erwerb von Grundstücken“ bei allen Gemeinden und Gemeindeverbänden (einschließlich Ver797

Vgl. Zahlen des Statistischen Bundesamts, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/ Presse/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_136_713.html;jsessionid=533E3DFC4A62ADD54 8C45565A88A806A.live722#fussnote-1-606698. 798 Gröpl, in: Kahl, Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, S. 125 (144 ff. m. w. N.). 799 Gröpl, in: Kahl, Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, S. 125 (145 m. w. N.). 800 Vgl. Holtkamp, Kommunale Haushaltspolitik bei leeren Kassen: Bestandsaufnahme, Konsolidierungsstrategien, Handlungsoptionen, S. 18 ff.; Gröpl, in: Kahl, Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, S. 125 (145). 801 Zu den einzelnen Rechtsfolgen ausführlich BeckOK/Sedlmaier, Art. 64 BayGO Rn. 33 ff. 802 Zur Ungeeignetheit der Schuldenbremse aufgrund von Nachtragshaushalten und „Sondervermögen“ siehe nur Handelsblatt vom 10. 03. 2022, abrufbar unter: https://www.handels blatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-homo-oeconomicus-das-sondervermoegenbundeswehr-macht-die-schuldenbremse-zur-farce/28145110.html; zur Frage der Nachhaltigkeit des Haushaltsrechts Gröpl, in: Kahl, Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, S. 125 (131 ff.).

§ 6 Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente

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waltungsgemeinschaften) insgesamt 1.370.713.000 E803 ausmachte. Das sind in Bayern umgerechnet 2,7 % von den gesamten Brutto-Ausgaben des Verwaltungshaushaltes und pro Kopf 104,45 E.804 Nicht aufgeschlüsselt wird dabei, welcher Anteil dieser Summe auf den Rückerwerb von Grundstücken mittels Wiederkaufsrecht fällt. Angesichts der zahlreichen Hinweise in Rechtsprechung und Schrifttum zu den Finanzierungsproblemen der Kommunen bei Ausübung dieses Instruments lässt sich allerdings davon ausgehen, dass die Quote sehr gering sein muss.805 Ein Großteil des Erwerbs lässt sich zunehmend auf den noch jungen Trend zur Erweiterung des kommunalen Grundstücks- und Wohnungsbestandes zurückführen. Setzte ab Ende der 1990er Jahre hingegen eine flächendeckende Privatisierung des öffentlichen Grundstücks- und Wohnungseigentums zur Sanierung der kommunalen Haushalte ein und hat damit den heutigen angespannten Wohnungsmarkt in Ballungszentren befeuert, hat nunmehr (wenigstens teilweise) ein Umdenken stattgefunden.806 Dies ist zu begrüßen, gibt es der öffentlichen Hand schließlich wieder die Kontrolle über die Verwendung des Grund und Bodens sowie die Ausgestaltung der Art und Weise möglicher Wohnnutzungen. Bei den Verantwortlichen war eine solche Vorgehensweise allerdings unbeliebt, da sie erst einmal viel Geld kostet und die positiven Effekte erst in einigen Jahren zu spüren sein werden. Dabei ist dieses Problem keineswegs ein neues, schon im Jahr 1972 schrieb Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Was wir ferner brauchen, ist eine sinnvolle Bodenvorratspolitik der Gemeinden, die sich am Wohl der Allgemeinheit (im Unterschied zum Finanzwohl der Gemeinde) ausrichtet. Somit könnten die Gemeinden wenigstens einigermaßen dem übergroßen Druck des Preisauftriebs und der Tendenz zur Werterhöhung widerstehen, die sich aus der Nachfrage nach Bauland besonders in städtischen und stadtnahen Gebieten und aus der Unvermehrbarkeit des Bodens ergeben. Freilich müßten die Gemeinden zu dieser preisausgleichenden Bodenvorratspolitik verpflichtet werden.“807

Möglicherweise ist Abhilfe in der aktuellen Situation aber auch ohne die Forderung nach gesetzgeberischem Tätigwerden zu schaffen. Dazu sollen im Folgenden 803 Bayerisches Landesamt für Statistik, Kommunalfinanzen in Bayern, Rechnungsergebnisse 2020, S. 108. 804 Bayerisches Landesamt für Statistik, Kommunalfinanzen in Bayern, Rechnungsergebnisse 2020, S. 120. 805 Siehe etwa BGH 29. 11. 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93 = NJW 2003, 888 (891); Rastätter, DNotZ 2000, 17 (42); Hertel, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 2 Abschnitt 1 Rn. 723; Grziwotz, MittBayNot 1994, 464 (466). 806 Schollmeier, Die Gewährleistung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum als Verfassungsfrage, S. 35 ff. m. w. N. 807 Bo¨ ckenfo¨ rde, Wider die Bauland-Spekulation. Vorschläge zu einer Reform des Bodennutzungsrechts, Die Zeit Nr. 19 vom 12. 5. 1972, S. 54; ders. schickte besagten Zeitungsartikel sogar an Carl Schmitt, siehe Bo¨ ckenfo¨ rde, in: Mehring, Welch gütiges Schicksal, ErnstWolfgang Böckenförde/Carl Schmitt: Briefwechsel 1953 – 1984, S. 567.

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4. Teil: Umsetzbarkeit trotz beschränkter Ressourcen der Kommunen

zwei verschiedene Lösungsansätze auf rechtlicher und auf finanzieller Ebene vorgestellt werden, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen Verhinderung von Grundstücksspekulation leisten könnten.

II. Rechtliche Lösung durch Wiederkaufsrechte zugunsten Dritter Um keine öffentlichen Haushaltsmittel aufwenden zu müssen, kann die Gemeinde ein Wiederkaufsrecht nicht nur für sich selbst, sondern auch zugunsten Dritter vereinbaren. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zwar bislang nicht verbreitet, wird allerdings einhellig für zulässig gehalten.808 1. Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB Das Wiederkaufsrecht wird in diesem Fall durch einen Vertrag zugunsten Dritter begründet (§ 328 BGB), sodass der Dritte durch die Erklärung der Ausübung ohne Weiteres Gläubiger der Forderung und Kaufpreisschuldner aus dem Wiederkauf wird.809 Die Erklärung bedarf dabei nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form, vgl. § 456 Abs. 1 S. 2 BGB. Der „echte“ Vertrag zugunsten Dritter wird zwischen dem Versprechenden (vorliegend also dem Ersterwerber) und dem Versprechensempfänger (der Gemeinde) geschlossen.810 Der Versprechende verpflichtet sich im Deckungsverhältnis gegenüber dem Versprechensempfänger Besitz und Eigentum am Grundstück an den Dritten zu übertragen. Dem Dritten steht im Vollzugsverhältnis ein eigenes Forderungsrecht (vgl. § 328 Abs. 1 BGB) aus dem Wiederkauf gegenüber dem Ersterwerber zu.811 Eine Besonderheit liegt jedoch darin, dass die Gemeinde über die Ausübung des Wiederkaufsrechts bestimmen können soll und diese erst geschehen darf, falls die Ersterwerber gegen ihre Verpflichtungen verstoßen. Es empfiehlt sich daher eine 808 DNotI-Report 1996, 74 (75); MüKo/Westermann, § 456 BGB Rn. 7 nennt Wiederkaufsrechte zugunsten Dritter eine atypische Gestaltung; BeckOK/Faust, § 456 BGB Rn. 7; BeckOGK/Daum, § 456 BGB Rn. 22; Erman/Grunewald, § 456 BGB Rn. 8; Grüneberg/Weidenkaff, § 456 BGB Rn. 7; Jauernig/Berger, § 456 BGB Rn. 5; Leidner, MittBayNot 2021, 108 (112); Soergel/Wertenbruch, § 456 BGB Rn. 28; Staudinger/Schermaier, § 456 BGB Rn. 3. 809 DNotI-Report 1996, 74 (75); BeckOK/Faust, § 456 BGB Rn. 7; BeckOGK/Daum, § 456 BGB Rn. 22; Erman/Grunewald, § 456 BGB Rn. 8; Grüneberg/Weidenkaff, § 456 BGB Rn. 7; Jauernig/Berger, § 456 BGB Rn. 5; Soergel/Wertenbruch, § 456 BGB Rn. 28. 810 Siehe zur Abgrenzung zum „unechten“ Vertrag zugunsten Dritter sowie dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Staudinger/Klumpp, § 328 BGB Rn. 2 ff. 811 Dies ist das maßgebliche Kriterium für den Vertrag zugunsten Dritter, siehe nur Erman/ Grunewald, § 456 BGB Rn. 8.

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klarstellende Regelung, dass die Gemeinde ein Wahlrecht hat, ob sie bei Verstoß des Ersterwerbers gegen die auferlegten Bindungen das Wiederkaufsrecht selber ausüben möchte oder dem Dritten die Ausübung überlässt. Eine solche Einschränkung des Forderungsrecht ist ohne Weiteres möglich, normiert schon § 328 Abs. 2 BGB deklaratorisch, dass in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen ist, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Somit müsste man auch bei Nichtvorliegen einer ausdrücklichen Regelung aus den Umständen von einem entsprechenden Parteiwillen ausgehen. In aller Regel wird zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Wiederkaufsrechts zwischen Gemeinde und Ersterwerber die Person des Dritten noch nicht feststehen. Dies ist aber unschädlich, da der Gemeinde die spätere Bestimmung des Dritten überlassen werden kann.812 Als Bestimmungsberechtigte kann sie ihr Recht nach billigem Ermessen ausüben und nach den Kriterien (insbesondere unter Beachtung der europäischen Vorgaben) der Erstauswahl treffen. In der Praxis empfiehlt sich daher die Anfertigung entsprechender Wartelisten, um ohne große Verzögerung auf interessierte Bewerberkreise zurückgreifen zu können. Sind passende Erwerber gefunden, können diese das Wiederkaufsrecht durch eine einseitige Erklärung ausüben, durch die der Kaufvertrag zustande kommt und keinen neuen Vertragsschluss notwendig macht. Somit würden im ersten Zugriff unberücksichtigt gebliebene Personen, die in der Zwischenzeit noch kein Grundstück erworben haben oder aus anderweitigen Gründen nicht mehr die Auswahlkriterien erfüllen, doch noch ein (vergünstigtes) Grundstück zugeteilt bekommen und durch die direkte Leistung des Wiederkaufspreises (zuzüglich ggf. getätigter werterhöhender Verwendungen) an den ursprünglichen Erwerber nicht an Liquiditätsproblemen der Kommune scheitern. Im Valutaverhältnis kann die Gemeinde dem Dritten als Zweiterwerber dann wiederum ihre Bindungen auferlegen und städtebauliche Ziele verfolgen sowie erneut ein Wiederkaufsrecht für den Fall der Zuwiderhandlung vereinbaren.813 Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit ist es ferner möglich, dass auch der Anspruch zugunsten eines Dritten auf Wiederkauf durch Vormerkung gesichert wird.814 Die im Fall der Ausübung des Wiederkaufsrechts für die Rückabwicklung entstehenden Kosten, Gebühren und Steuern können auf den Ersterwerber übertragen werden, sodass dem Zweiterwerber auch insoweit keine Nachteile entstehen.815

812

Statt aller Staudinger/Klumpp, § 328 BGB Rn. 51. Mit Formulierungsvorschlag Leidner, MittBayNot 2021, 108 (112). 814 DNotI-Report 1996, 74 (75). 815 Siehe Krauß, Immobilienkaufvertra¨ ge in der Praxis, Rn. 4090; Würzburger Notarhandbuch/Hertel, Teil 6 Rn. 174. 813

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2. Steuerrechtliche Aspekte Für den Ersterwerber hingegen entstehen durch die Dreieckskonstellation steuerliche Mehrbelastungen. So sieht § 16 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) im Normalfall des Rückerwerbs aufgrund eines Wiederkaufs unter bestimmten Voraussetzungen vor, dass die Grunderwerbsteuer auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben wird. Dies geschieht insbesondere, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), wenn das dem Erwerbsvorgang zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist (Nr. 2) oder wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird (Nr. 3). In den hier besprochenen Konstellationen kommt also vornehmlich § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zum Tragen.816 Erwirbt aber nun nicht der Veräußerer das Eigentum an dem Grundstück zurück, sondern ein vom Veräußerer bestimmter Dritter, ist § 16 Abs. 2 GrEStG ausweislich seines Wortlautes nicht mehr einschlägig, da von der Identität der an den Erwerbsvorgängen Beteiligten ausgegangen wird.817 Dies bedeutet eine doppelte Belastung für den Ersterwerber, da dieser die Grunderwerbsteuer für den ursprünglichen Vorgang trägt818 und bei einem Wiederkaufsrecht zugunsten Dritter nicht von der Privilegierung des § 16 Abs. 2 GrEStG profitiert. Auch durch diesen steuerrechtlichen Unterschied kann ein Wiederkaufsrecht zugunsten Dritter auf den Ersterwerber mehr Druck zur Erfüllung seiner vereinbarten Bindungen entfalten, sofern diese nicht unangemessen sind, und leistet dadurch einen Beitrag zur Verhinderung von Grundstücksspekulation. Indem ein Dritter für den Wiederkaufspreis aufkommt, wird mithilfe dieser Konstruktion darüber hinaus der Gemeindehaushalt nicht belastet.

III. Finanzielle Lösung durch Art. 104d GG Neben dieser rechtlichen Stellschraube lassen sich auch auf Finanzierungsebene neue Möglichkeiten nutzen, die den Kommunen mehr Mittel und damit verbundene Gestaltungsmacht auf dem Gebiet der Baulandausweisung verschaffen können. Die 816 Viskorf/Loose, § 16 GrEStG Rn. 177; siehe auch Herrler/Hertel/Kesseler/Kesseler, Aktuelles Immobilienrecht 2020, S. 135 ff. 817 Vgl. zu Sonderkonstellationen ausführlich Viskorf/Loose, § 16 GrEStG Rn. 200 ff.; ferner BeckNotar-HdB/Spiegelberger, § 29 Rn. 259 ff.; für eine Analogie bleibt angesichts des Wortlauts der Norm kein Raum, siehe zu Fällen der analogen Anwendung Denninger, Die Rückabwicklung von Erwerbsvorgängen nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG, S. 178 ff. 818 Siehe nur die Muster bei Waldner, Immobilienkaufverträge, S. 270 ff.

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Neuregelung des Art. 104d GG soll deshalb ins Auge gefasst und dahingehend bewertet werden, ob aus diesem Teil der Finanzverfassung positive Folgen für die kommunale Grundstücksvergabepraxis abgeleitet werden können. 1. Hintergrund der Verfassungsänderung Um zu verstehen, welche Auswirkungen und Veränderungen die Einführung des Art. 104d GG mit sich gebracht hat, ist es zunächst notwendig, den Hintergrund der Verfassungsänderung nachzuvollziehen. Ursprünglich war das Wohnungswesen durch das I. und II. Wohnungsbaugesetz geregelt, das im Jahr 2002 vom Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) abgelöst wurde.819 Im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahr 2006 ging durch die Neufassung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG die Gesetzgebungskompetenz wieder auf die Länder über.820 Das Wohnraumförderungsund Wohnungsbindungsgesetz des Bundes gelten gem. Art. 125a Abs. 1 GG fort, bis sie durch Landesrecht ersetzt werden, was bereits in der weit überwiegenden Mehrzahl der Länder geschehen ist.821 Als Kompensation erhielten die Länder nach Art. 143c GG Beträge aus dem Haushalt des Bundes, die allerdings bis Ende 2019 befristet waren. Diese Finanzierung reichte jedoch nicht aus, um den Ländern hinreichende Maßnahmen zur Entspannung des Wettbewerbs um Wohnungen zu er-

819 Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG), BGBl. I 2001, S. 2376; konziser Überblick bei Schollmeier, Die Gewährleistung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum als Verfassungsfrage, S. 363 ff. 820 Siehe Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. 9. 2006, BGBl. I, S. 2098; Wieland, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts, § 24 Rn. 63. 821 Soweit ersichtlich: Baden-Württemberg (Landesgesetz zur Förderung von Wohnraum und Stabilisierung von Quartierstrukturen (Landeswohnraumförderungsgesetz – LWoFG) vom 11. 12. 2007, GBl. 2007, S. 581); Bayern (Gesetz über die Wohnraumförderung in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz – BayWoFG) vom 10. 04. 2007, GVBl. 2007, S. 260); Berlin (Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnraumgesetz Berlin – WoG Bln) vom 01. 07. 2011, GVBl. 2011, S. 319); Brandenburg (Gesetz über die soziale Wohnraumförderung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Wohnraumförderungsgesetz – BbgWoFG) vom 05. 06. 2019, GVBl. I 2019, Nr. 17); Bremen (Bremisches Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Bremisches Wohnungsbindungsgesetz – BremWoBindG) vom 18. 11. 2008, GBl. 2008, S. 391); Hamburg (Gesetz über die Wohnraumförderung in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgisches Wohnraumförderungsgesetz – HmbWoFG) vom 19. 02. 2008, HmbGVBl. 2008, S. 74); Hessen (Hessisches Wohnraumfördergesetz (HWoFG) vom 13. 12. 2012, GVBl. 2012, S. 600); Niedersachsen (Niedersächsisches Wohnraumfördergesetz (NWoFG) vom 29. 10. 2009, GVBl. 2009, S. 403); Nordrhein-Westfalen (Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) vom 08. 12. 2009, GV. NRW. 2009, S. 772); RheinlandPfalz (Landeswohnraumförderungsgesetz (LWoFG) vom 22. 11. 2013, GVBl. 2013, S. 472); Schleswig-Holstein (Gesetz über die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein (SchleswigHolsteinisches Wohnraumförderungsgesetz – SHWoFG) vom 25. 04. 2009, GVBl. 2009, S. 194); Thüringen (Thüringer Wohnraumfördergesetz (ThürWoFG) vom 31. 01. 2013, GVBl. 2013, S. 1).

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möglichen.822 Die Situation auf den Wohnungsmärkten verschlimmerte sich kontinuierlich in vielen Regionen und vor allem in Großstädten und zahlreichen Universitätsstädten wurde der Wohnraum immer knapper.823 Dabei orientieren sich die Gesetze der Länder zwar am Bundesrecht, allerdings konnten die Länder und die finanzschwachen Kommunen824 die Entwicklung der unzureichenden Wohnraumversorgung nicht aufhalten. Auch die Kompensationsmittel des Bundes aus der Entflechtung der Gesetzgebungszuständigkeiten unterlagen seit 2014 nur einer rechtlich nicht durchsetzbaren investiven Zweckbindung (Art. 143c Abs. 3 S. 2 GG). Einzelne Länder sollen Mittel somit teilweise auch für Zwecke außerhalb des sozialen Wohnungsbaus verwendet haben.825 Damit der Bund den Ländern wieder zweckgebundene Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren kann, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum spürbar entgegenwirken zu können, wurde Art. 104d GG im Jahr 2019 in das Grundgesetz eingefügt.826 2. Inhalt der Neuregelung Nach Art. 104d Satz 1 GG kann der Bund den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich des sozialen Wohnungsbaus gewähren. Gemäß Art. 104d Satz 2 GG gilt Art. 104b Abs. 2 S. 1 bis 5 sowie Abs. 3 GG entsprechend. Dort sind bestimmte Ausführungs- und Unterrichtungspflichten der Länder und Gemeinden geregelt. So übersichtlich der Wortlaut auch sein mag, die sich daran anschließenden Fragen müssen als vielschichtig bezeichnet werden. Wofür können Finanzhilfen im Einzelnen eingesetzt werden, was ist unter gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen zu verstehen und welche Förderungen zählen überhaupt zu dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus? Bei dem Begriff „sozialer Wohnungsbau“ mag man doch in der Regel als Erstes an sog. „Sozialwohnungen“ denken. Dies greift aber zu kurz. Das WoFG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen (vgl. etwa Art. 2 Abs. 2 S. 1 BayWoFG) sehen nämlich neben dem klassischen Wohnungsbau 822 Wieland, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts, § 24 Rn. 63. 823 Siehe BT-Drs. 19/3440, S. 2. 824 Diese dürfte es streng genommen verfassungsrechtlich gar nicht geben, da die Kommunen gem. Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 7 GG einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung gegen das jeweilige Land haben, siehe Dreier/Dreier, Art. 28 GG Rn. 146 ff.; die Finanzhilfen des Bundes untergraben diese Regelung und verwischen die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, krit. auch Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 8. 825 So jedenfalls BT-Drs. 19/3440, S. 2. 826 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104b, 104c, 104d, 125c, 143e) vom 28. 03. 2019, BGBl. I, S. 404.

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und der Förderung durch Vorzugsdarlehen, Zuschüsse, Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 WoFG) ebenso die Förderung durch Bereitstellung verbilligten Baulands vor (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 WoFG). Dadurch fallen auch Einheimischenmodelle oder sonstige Baulandprojekte, die (unter anderem) der Bildung von Wohneigentum für Haushalte dienen, die ohne Unterstützung dazu nicht in der Lage wären, unter den Begriff des sozialen Wohnungsbaus. Die Regelung wirkt sich somit – entgegen der verbreiteten Wahrnehmung – auch auf den vorliegend untersuchten Gegenstand der vergünstigten Grundstückstransaktionen zwischen öffentlicher Hand und Privaten aus. Dies vorangestellt, bleiben jedoch die Fragen nach der konkreten Ausgestaltung der Finanzhilfen sowie der Auslegung von sog. gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen. Zunächst beziehen sich Finanzhilfen nur auf die Förderung von Sachinvestitionen, nicht etwa Personal oder andere immaterielle Investitionen.827 Darüber hinaus wird man annehmen können, dass Finanzhilfen des Bundes nicht nur an die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, sondern auch letztlich an Private fließen, die diese Sachinvestitionen im Auftrag der öffentlichen Hand vornehmen.828 Folgekosten (beispielsweise Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie Verwaltungsaufwand) sind hingegen nicht umfasst.829 Die Finanzhilfen nach Art. 104d GG sollen nach der Gesetzesbegründung dem „in zahlreichen Städten und Regionen zu verzeichnenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum“ entgegenwirken.830 Weiter ist fraglich, was gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen auszeichnet, vor allem im Unterschied zu den „besonders bedeutsamen“ Investitionen aus Art. 104b GG. Die Formulierung „gesamtstaatlich bedeutsam“ findet sich ebenfalls in Art. 104c GG und hat auch dort schon im Schrifttum für Irritationen gesorgt.831 Wo genau der Unterschied zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen liegen soll, ist auch unter Heranziehung der Gesetzgebungsmaterialien völlig unklar. 827 BT-Drs. 19/3440, S. 10. Die als Zuschüsse bereitgestellten Finanzhilfen des Bundes können auch zur Finanzierung von Vorzugsbedingungen bei Gewährung von Darlehen eingesetzt werden, siehe Art. 6 Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes im Bereich des sozialen Wohnungsbaus im Programmjahr 2022 (VV Sozialer Wohnungsbau 2022); dies übersehen Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104d GG Rn. 13; v. Münch/Kunig/Heintzen, Art. 104d GG Rn. 4 mit Verweis auf v. Münch/Kunig/ ders., Art. 104b GG Rn. 7. 828 So zu Art. 104a GG BVerfGE 83, 363 (381); Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104c GG Rn. 13; zu Art. 104b GG Dreier/Heun/Thiele, Art. 104b GG Rn. 14; Jarass/ Pieroth/Kment, Art. 104b GG Rn. 2; wohl a. A. Sachs/Siekmann, Art. 104d GG Rn. 11. 829 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104b GG Rn. 16; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104d GG Rn. 13; v. Münch/Kunig/Heintzen, Art. 104d GG Rn. 4 mit Verweis auf v. Münch/Kunig/ders., Art. 104b GG Rn. 7. 830 BT-Drs. 19/3440, S. 8. 831 Ausführlich Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20; Sachs/Siekmann, Art. 104c GG Rn. 11; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104c GG Rn. 13.

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Ausweislich des Willens des Gesetzgebers sind Investitionen gesamtstaatlich bedeutsam, die in ihrer Gesamtheit von erheblichem Gewicht für die Gewährleistung eines ausreichenden Angebotes an bezahlbarem Wohnraum sind und von den Ländern und Gemeinden nicht allein finanziert werden können.832 Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass mit der Einfügung des Wortes „gesamtstaatlich“ lediglich eine Rechtfertigung für das Eingreifen des Bundes geliefert werden sollte.833 Eine solche Begründung muss vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Kompetenzordnung von Bund und Ländern gerade in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Gesamtstaat als verfehlt betrachtet werden. Danach sind für den sozialen Wohnungsbau eben die Länder zuständig. Der Schluss von einer gesamtstaatlichen Bedeutung einer Aufgabe auf die entsprechende Befugnis des Bundes ist unzulässig und missachtet die geltende Kompetenzordnung.834 Selbstverständlich müssten die Länder selbst zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben – durch entsprechende Finanzmittel – in der Lage sein und nach der grundgesetzlichen Konzeption (vgl. Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 7 GG) eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Kommunen gewährleisten. Es gäbe etliche Bereiche neben der Bildungsinfrastruktur (Art. 104c GG) und sozialem Wohnungsbau (Art. 104d GG), für die die Länder zuständig sind, die gesamtstaatliche Dimensionen aufweisen und dieser Logik folgend dann eine Finanzierungskompetenz des Bundes auslösen müssten.835 Ferner könnte man annehmen, dass ein Baulandprojekt einer kleinen Gemeinde mit ein paar Grundstücken – rein vom Wortlaut ausgehend – wohl noch nicht die Schwelle einer gesamtstaatlich bedeutsamen Investition reißen dürfte. Diese Annahme könnte auch ein Grund dafür sein, warum die Möglichkeit einer Mitfinanzierung durch den Bund nach Art. 104d GG auf diesem Gebiet bislang noch nicht weit verbreitet und bei den Städten und Gemeinden aktuell recht unbekannt ist. Dies allerdings zu Unrecht, da es nach der Definition des Gesetzgebers nicht auf das einzelne Investitionsobjekt ankommt, also etwa auf das konkrete Wohnhaus, das erbaut werden soll, sondern darauf, ob die Gesamtheit der Investitionen von erheblichem Gewicht für die Gewährleistung eines ausreichenden Angebotes an bezahlbarem Wohnraum ist. Ein Fehlschluss wäre es auch, das einzelne Baulandprojekt einer kleinen Gemeinde zu betrachten und zu dem Ergebnis zu kommen, dass dieses 832 BT-Drs. 19/3440, S. 10; zu den gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen im Rahmen von Art. 104c GG finden sich etwas zirkelschlüssige Definitionen, mit denen letztlich alle Maßnahmen das Kriterium der gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen erfüllen, siehe BTDrs. 18/11131, S. 17: „Die Sanierung und Modernisierung der Bildungsinfrastruktur ist ein wesentlicher Faktor, um die Zukunftsfa¨ higkeit des Staates zu gewährleisten. Damit ist sie auch gesamtstaatlich von besonderer Bedeutung.“ 833 So Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20. 834 Siehe nur Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 7; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104d GG Rn. 18. 835 Für Art. 104c GG treffend Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20; krit. zur Gesamtentwicklung der Mischfinanzierungstatbestände Piloty-Leskien, Legitimation von Mischfinanzierung in der Finanzverfassung des Grundgesetzes, S. 128 ff., 312 f.

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ja von den Ländern und Gemeinden allein finanziert werden könnte und somit keine gesamtstaatlich bedeutsame Investition darstelle. Denn auch was die Finanzierbarkeit betrifft, kommt es auf das Gesamtvolumen aller Investitionen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum an, welche durch die Summe der einzelnen Programme zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht mehr finanziell alleine getragen werden kann. Ansonsten hätte man auch zugegebenermaßen gewisse Schwierigkeiten, eine Bedeutsamkeit für den Gesamtstaat überhaupt jemals zu begründen, da die Zuschüsse gerade der Finanzierung grundsätzlich „normaler“ kommunaler Vorhaben dienen und nicht jeglichen finanziellen Rahmen und Bedarf in der Bevölkerung sprengen sollen.836 Damit liefe die neu eingefügte Norm leer und könnte keinerlei Finanzierungslücke schließen. Vielmehr stellt es sich so dar, dass die gesamtstaatliche Bedeutsamkeit praktisch bei jeder Investition der Länder und Gemeinden in Schaffung von Wohnraum vorliegen wird und damit als Tatbestandsmerkmal kaum begrenzende Wirkung entfaltet. Es ist nicht ersichtlich, welche Investition etwa aufgrund ihres Umfangs nicht zur Gewährleistung eines ausreichenden Angebotes an bezahlbarem Wohnraum beizutragen vermag. Genau aufgrund dieser Formulierung wurde auch schon der früher eingefügte Art. 104c GG kritisiert, was den Gesetzgeber jedoch leider nicht zu einem Umdenken bewegt hat.837 Nach Art. 104c GG fällt unter eine gesamtstaatlich bedeutsame Investition auf dem Gebiet der Bildungsinfrastruktur sogar eine Schulsanierung.838

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So auch für die Bildungsinfrastruktur Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104c GG Rn. 13: „Dagegen ist der im Gesetzentwurf angeführten Definition zur gesamtstaatlichen Bedeutsamkeit massiv zu widersprechen, wenn es dort heißt, dass es um Investitionen geht, die in allen Ländern auf vergleichbare Weise infrastrukturelle Handlungsbedarfe auslösen und von den Ländern und Schulträgern nicht allein finanziert werden können, sondern eine bundesweit abgestimmte finanzielle Hilfe erfordern. […] Mit dieser Argumentation ließe sich bei flächendeckend zu erfüllenden neuen oder ausgeweiteten Aufgaben der Länder und Kommunen stets das eine Bundesmitfinanzierung legitimierende Merkmal der gesamtstaatlichen Bedeutsamkeit bejahen, was Art. 104a Abs. 1 ebenso massiv widerspricht wie der zuvor zitierten Steuerverteilungsregelung in Art. 106 Abs. 3 und 4 GG.“; Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20; Sachs/ Siekmann, Art. 104c GG Rn. 11: „Der Gesetzgeber hätte darauf verzichten können. Wenn man aber die Begrenzungsfunktion des Merkmals ernst nahm, konnte es kaum je erfüllt sein. Es war nur sehr schwer vorstellbar, dass Investitionen einer ,finanzschwachen‘ Kommune in die Bildungsinfrastruktur für den Gesamtstaat Deutschland bedeutsam sein könnten.“; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104c GG Rn. 13. 838 BT-Drs. 19/3440, S. 1. Dabei ist inhaltlich eine Kombination von Finanzhilfen nach Art. 104c und 104d GG durchaus sinnvoll, da Bildungsinfrastruktur und Wohnungsbau, der sich insbesondere an Familien richtet (Art. 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BayWoFG), Hand in Hand gehen; in Neubausiedlungen unterbleibt nicht selten die Planung von Schulen, womit die kommunale Bildungsinfrastruktur aufgrund von Überlastung vor große Herausforderungen gestellt wird. 837

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Letztlich offenbart diese Unschärfe und fragwürdige Regelungstechnik erneut die grundsätzliche Systemwidrigkeit einer solchen Bundesfinanzierungskompetenz.839 Ein Baulandprojekt einer kleinen Gemeinde erfüllt damit die Fördervoraussetzungen aus Art. 104d GG erst recht. Die praktische Bedeutungslosigkeit des Merkmals der „gesamtstaatlich bedeutsamen Investition“ wird im Übrigen dadurch eindrucksvoll unterstrichen, dass es in der Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes im Bereich des sozialen Wohnungsbaus im Programmjahr 2022, also dem zentralen Dokument zur konkreten Ausgestaltung der auf Art. 104d GG beruhenden Finanzhilfen, nur ein einziges Mal vorkommt – an der Stelle, an der der Normtext von Art. 104d GG wiedergegeben wird.840 3. Folgen für die Finanzierbarkeit von Wiederkaufsrechten Die Norm hat von vielen Seiten heftige und berechtigte Kritik erfahren,841 sie reihe sich „als letztes Glied in eine Kette misslungener Reformen der föderalen Strukturen ein, in denen die Länder an politischer Selbstständigkeit verlieren und eine klare Verantwortungszuweisung verwischt wird“842 und mache eine Rolle rückwärts, was die Bundesfinanzierung des sozialen Wohnungsbaus betrifft.843 Überzeugender sei eine bessere finanzielle Ausstattung der Länder durch eine Anpassung der steuerlichen Verteilung in Art. 106 und Art. 107 GG.844 Vorgeschlagen wurde auch, dass Investitionshilfen des Bundes nach Art. 104d GG de constitutione ferenda daran gekoppelt werden sollten, dass zuvor der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates eine infrastrukturelle Notlage von nationaler Tragweite feststellen

839 Treffend Dreier/Thiele, Art. 104c GG Rn. 20; zum grundsätzlichen Problem der Überfrachtung des Grundgesetzes und (sprachlich) misslungenen Verfassungsbestimmungen statt aller Waldhoff, Der positive und der negative Verfassungsvorbehalt, S. 15 ff., 67 ff. 840 Siehe VV Sozialer Wohnungsbau 2022, S. 2 (Präambel). 841 Krit. zu Art. 104d GG Henneke, DVBl 2018, 817; Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (597 f.); Lange, ZG 2018, 336; dies., ZUR 2022, 67 (73); Leisner-Egensperger, DVBl 2019, 1589; Piloty-Leskien, Legitimation von Mischfinanzierung in der Finanzverfassung des Grundgesetzes, S. 312 ff.; Schollmeier, Die Gewährleistung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum als Verfassungsfrage, S. 367 f.; Hey, DVBl 2022, 440 (442 ff.); v. Münch/ Kunig/Heintzen, Art. 104d GG Rn. 5; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104d GG Rn. 4 ff.; a. A. Jarass/Pieroth/Kment, Art. 104d GG Rn. 3. 842 Plastisch Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (594). 843 Vgl. auch Wieland, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts, § 24 Rn. 63. 844 Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (598); zust. Schollmeier, Die Gewährleistung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum als Verfassungsfrage, S. 368; a. A. Jarass/Pieroth/ Kment, Art. 104d GG Rn. 3: „Dabei wird übersehen, dass die Länder keine Kompetenzeinbußen verzeichnen, sondern finanzielle Optionen erlangen. Ein festzustellender Handlungsdruck auf Länderseite ist dabei dem (selbst zu verantwortenden) Sachproblem, nicht den Ambitionen des Bundes, seinen Einfluss auszuweiten, geschuldet.“

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muss.845 Bei all den zutreffenden Einwänden gegen eine solche Regelung soll an dieser Stelle jedoch überlegt werden, ob man die Möglichkeiten, die sich durch die Einführung von Art. 104d GG bieten, nicht dennoch für die kommunale Vertragsgestaltung und -durchsetzung fruchtbar machen kann. Voraussetzung dafür wäre, dass die Länder und nachgeordnet die Gemeinden selbst entscheiden können, auf welchem Teilgebiet des sozialen Wohnungsbaus sie Förderprogramme starten und das Geld einsetzen wollen, vorliegend also insbesondere mit Fokus auf dem Erwerb von Wohnraum durch Private. Zunächst ist zu bemerken, dass der Bund die Investitionen nicht alleinig trägt. Es besteht eine Finanzierungsbeteiligung dergestalt, dass das Land eigene Mittel im Umfang von mindestens 30 % der von ihm in Anspruch genommenen Bundesmittel bereitstellt.846 Ein solches Zusätzlichkeitskriterium soll verhindern, dass die Länder ihre eigenen Investitionen reduzieren, wenn sie Finanzhilfen des Bundes erhalten.847 Die auf den ersten Blick nachvollziehbare Anreizstruktur hat jedoch auch gewisse Nachteile für die Wohnraumentwicklung in den verschiedenen Bundesländern. So führt eine solche starre Fördervoraussetzung dazu, dass die Hilfen an die Finanzkraft des einzelnen Landes gekoppelt sind. Während finanzschwache Länder aber mehr Finanzhilfen benötigen, bedarf es bei finanzstärkeren Ländern nur geringerer Finanzhilfen. Mit der Finanzierungsbeteiligung wird allerdings ein umgekehrter Effekt erreicht: Finanzstarke Länder können hohe Investitionen tätigen und dafür auch hohe Finanzhilfen erhalten. Finanzschwache Länder, die nur geringe Investitionen tätigen können, erhalten hingegen auch nur geringe Finanzhilfen, womit die Ungleichheit tendenziell verstärkt wird und dem Ziel des ausreichenden Angebotes an bezahlbarem Wohnraum im gesamten Bundesgebiet zuwiderläuft.848 An diesem Problem vermag auch die grundsätzliche Freiwilligkeit der Finanzhilfen nichts zu ändern. De jure besteht zwar kein Zwang zur Annahme der Finanzhilfen, de facto ist den Ländern aber eine Ablehnung aus politischen Gründen nahezu unmöglich.849 Dennoch ist darin nach der Rechtsprechung des BVerfG noch kein unzulässiger Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder zu erblicken, da der Bund nicht unter Ausnutzung seiner Finanzmacht durch einseitige Festlegung der Förderungsrichtlinien und des einzuschlagenden Verfahrens die gleichwertige Mitwirkungsbefugnis der Länder missachtet.850 845 Piloty-Leskien, Legitimation von Mischfinanzierung in der Finanzverfassung des Grundgesetzes, S. 316. 846 Siehe Art. 5 Abs. 2 S. 1 VV Sozialer Wohnungsbau 2022. 847 Vgl. BT-Drs. 19/3440, S. 9; krit. Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (596 ff.). 848 Dieses Argument bringen Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (597). Ebenso kritisieren sie etwa die Einschränkung der politischen Gestaltungsfreiheit der Landesparlamente sowie den Zwang zur Anpassung der Investitionsstrukturen der Länder, Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (596 f.). 849 Sogar bereits BVerfGE 41, 291 (308) = NJW 1976, 1443 (1444). 850 A. A. Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (596 ff.).

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Richtig ist, dass gem. Art. 104d Satz 2, 104b Abs. 2 S. 1 GG das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, durch Verwaltungsvereinbarung geregelt wurde. Die gleichwertige Mitwirkungsbefugnis der Länder darf laut dem Zweiten Senat nicht dadurch gefährdet werden, dass bei der Regelung des Näheren an die Stelle eines Gesetzes eine Verwaltungsvereinbarung tritt.851 Um solchen Gefahren wirksam zu begegnen, ist es aus Sicht des Gerichts unerlässlich, für Verwaltungsvereinbarungen die Möglichkeit einer nur konkludenten Angebots- oder Annahmeerklärung von Verfassungs wegen auszuschließen und die Gültigkeit der Vereinbarungen davon abhängig zu machen, dass die auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Beteiligten ausdrücklich abgegeben werden.852 Es muss sichergestellt sein, dass die Länder in diesem Fall keinen geringeren verfassungsrechtlichen Schutz erhalten, als wären die Modalitäten der Finanzhilfenverteilung durch Zustimmungsgesetz geregelt worden. Dieser Schutzstandard wurde in den Neuregelungen jedoch nicht unterschritten, vielmehr haben die Länder der Verwaltungsvereinbarung alle ausdrücklich zugestimmt.853 Die Haushaltsautonomie der Länder ist auch dadurch gewahrt, dass ihnen ein ausreichender eigener Gestaltungsspielraum für Investitionsentscheidungen verbleibt und die Finanzhilfen des Bundes für eigene Landesprogramme bestimmt sind, nicht etwa für vom Bund vorgegebene Fördermaßgaben. Der nicht zu bestreitende Handlungsdruck auf Seiten der Länder und Gemeinden ist dabei dem Sachproblem geschuldet und nicht dem Streben des Bundes nach Ausweitung seiner finanziellen Einflussmöglichkeiten.854 Somit kann im Rahmen der Landes- und Kommunalförderprogramme eigenhändig entschieden werden, auf welchem Teilgebiet des sozialen Wohnungsbaus besondere Aktivität entfaltet werden soll. Für die kommunale Ebene hat dies zur Folge, dass ein umfangreicher Fördertopf durch Art. 104d GG erschlossen wird und deutlich mehr Geld zur Bereitstellung von vergünstigtem Bauland zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die Ausübungspraxis von Wiederkaufsrechten der Gemeinden ergibt sich dadurch, dass sie endlich ihre Rechte auch unabhängig von generellen Haushaltsnotlagen, einer ggf. erfolgten Bebauung oder sonstigen finanziellen Erwägungen durchsetzen können und nicht auf AGB-rechtlich problematische Zahlungsklauseln zurückgreifen müssen. Betrachtet man aber nun einmal das bayerische Wohnraumförderkonzept, fällt auf, dass erstens der Schwerpunkt auf Mietwohnraumförderung liegt und zweitens auch im Rahmen der Eigenwohnraumförderung (vgl. §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 S. 4 BayWoFG) die Bereitstellung von vergünstigtem Bauland vernachlässigt wird, ob-

851

Zu den Voraussetzungen siehe BVerfGE 41, 291 (307 f.) = NJW 1976, 1443 (1444). BVerfGE 41, 291 (308) = NJW 1976, 1443 (1444). 853 Siehe VV Sozialer Wohnungsbau 2022, S. 1 f. 854 Jarass/Pieroth/Kment, Art. 104d GG Rn. 3; vgl. auch Schwarz, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 104d GG Rn. 30; a. A. Battis/Eder, NVwZ 2019, 592 (595 ff.). 852

§ 6 Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente

201

wohl Bauland der größte Kostenfaktor und Voraussetzung für das Wohnen im Eigenheim ist.855 Dabei steht in Bayern für die staatliche Wohnraumförderung im Jahr 2022 ein Betrag von 676,2 Millionen Euro zur Verfügung, für das kommunale Wohnraumförderungsprogramm werden nochmals 150 Millionen Euro bereitgestellt.856 Davon sind 311,2 Millionen Euro Bundesmittel,857 die sich einerseits aus der Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und andererseits aus der Verwaltungsvereinbarung über den klimagerechten sozialen Wohnungsbau zusammensetzen, die aufgrund des von der Bundesregierung am 23. Juni 2021 beschlossenen Klimaschutz-Sofortprogramms 2022 abgeschlossen wurde.858 Bei der nächsten Überarbeitung des bayerischen Wohnraumförderkonzepts wäre es somit empfehlenswert, den Anteil für die Bereitstellung von vergünstigtem Bauland signifikant zu erhöhen, um damit den Grundstein für eine nachhaltigere Verhinderung von Grundstücksspekulation der Kommunen zu legen.

IV. Exkurs: Grundsteuer C für baureife Grundstücke Abschließend soll neben den Instrumenten, die sich auf Kaufvertragsebene auswirken, noch ein Blick in die Zukunft gewagt werden und die Grundsteuerreform in die Betrachtung mit einfließen, die in der Praxis selbstverständlich eine ganz erhebliche Rolle spielt, nach der Gewerbesteuer die wichtigste Gemeindesteuer ist und auch für die Verhinderung von Grundstücksspekulation relevant werden könnte.

¨ bersicht u¨ ber die Siehe Bayerisches Staatsministerium fu¨ r Wohnen, Bau und Verkehr, U Wohnraumfo¨ rderung, Stand Mai 2022, abrufbar unter: https://www.stmb.bayern.de/assets/ stmi/wohnen/übersicht_wohnraumfoerderung_april_2022.pdf. 856 Bayerisches Staatsministerium fu¨ r Wohnen, Bau und Verkehr, abrufbar unter: https:// www.stmb.bayern.de/wohnen/foerderung/index.php. 857 Nach Angabe des Bayerischen Staatsministeriums fu¨ r Wohnen, Bau und Verkehr, abrufbar unter: https://www.stmb.bayern.de/wohnen/foerderung/index.php. 858 Die Zusammensetzung geht aus den Angaben des Bayerischen Staatsministeriums fu¨ r Wohnen, Bau und Verkehr nicht hervor, allerdings hat Bayern nach dem Königsteiner Schlüssel zunächst 155.607.200 E erhalten, Art. 2 VV Sozialer Wohnungsbau 2022. Die Verwaltungsvereinbarung über den klimagerechten sozialen Wohnungsbau im Programmjahr 2022 wurde zwar – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht, die Finanzhilfen betragen aber insgesamt für das Jahr 2022 ebenfalls 1 Milliarde Euro, siehe Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, abrufbar unter: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/ pressemitteilungen/Webs/BMWSB/DE/2022/03/klimamilliarde.html, sodass man bei der Verdopplung des Betrags für Bayern auf 311,2 Millionen Euro kommt. 855

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4. Teil: Umsetzbarkeit trotz beschränkter Ressourcen der Kommunen

1. Hintergrund und Inhalt der Neuregelung Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die bisherige Grundsteuerbemessung für verfassungswidrig erkannt hat,859 wurden im darauffolgenden Jahr die ersten Gesetze zur Umsetzung der Grundsteuerreform auf Bundesebene inklusive einer Länderöffnungsklausel verkündet.860 Teil dieses Pakets war auch das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung, wodurch § 25 Grundsteuergesetz (GrStG) ab dem 1. Januar 2025 durch einen Absatz 5 ergänzt wird.861 In § 25 GrStG wird die Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer geregelt. Nach § 25 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 GrStG muss innerhalb eines Gemeindegebiets stets der gleiche Hebesatz gelten. Künftig wird eine Gemeinde abweichend davon für sog. „baureife“ Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festsetzen können. Baureife Grundstücke sind unbebaute Grundstücke im Sinne des § 246 des Bewertungsgesetzes (BewG), die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten, § 25 Abs. 5 S. 2 GrStG n. F. Eine erforderliche, aber noch nicht erteilte Baugenehmigung sowie zivilrechtliche Gründe, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, sind nach dem Gesetz dabei unbeachtlich, § 25 Abs. 5 S. 3 GrStG n. F. Die so bestimmte Steuer wird im Unterschied zur Grundsteuer A („agrarisch“) und B („baulich“) Grundsteuer C genannt. Voraussetzung für die höhere Grundsteuer ist das Vorliegen von städtebaulichen Gründen, insbesondere die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, die Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen oder die Stärkung der Innenentwicklung.862 Diese städtebaulichen Gründe können auch nur für einen Teil der Gemeinde vorliegen, sodass der gesonderte Hebesatz auf diesen bestimmten Gemeindeteil zu beschränken ist, § 25 Abs. 5 S. 5 GrStG n. F. Ein einzelnes Grundstück reicht dafür allerdings nicht aus, vielmehr muss der Teil mindestens 10 % des gesamten Gemeindegebiets umfassen und dort müssen ebenfalls mehrere baureife Grundstücke belegen sein, § 25 Abs. 5 S. 6 GrStG n. F. Damit soll über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, um die baureifen Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Be859 BVerfGE 148, 147 = NJW 2018, 1451, wonach eine ganze Reihe von Vorschriften des Bewertungsgesetzes unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sind. 860 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b), BGBl. I 2019, S. 1546; Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG), BGBl. I 2019, S. 1794; Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung, BGBl. I 2019, S. 1875; zur ganzen Reform Bräutigam/Weber, DStR 2022, 337 (340 ff.). 861 Art. 1 und 2 Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung, BGBl. I 2019, S. 1875. 862 Siehe § 25 Abs. 5 S. 1 und 4 GrStG n. F.

§ 6 Finanzierbarkeit der vertraglichen Gestaltungsinstrumente

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bauung zuzuführen und gleichzeitig der rein finanzielle Nutzen der Grundstücke als Spekulationsobjekte verringert werden.863 Insbesondere in Ballungsgebieten werden baureife Grundstücke zwischen bebauten Grundstücken vornehmlich deshalb gekauft, um einen Wertzuwachs abzuwarten und die Grundstücke dann mit Gewinn weiter zu veräußern.864 Bekannt sind ebenfalls reine „Vorratskäufe“ zur Sicherung eines Grundstücks für die Kinder oder Enkel in der Nähe.865 Um die regional und örtlich unterschiedlichen Grundstücksmärkte zu berücksichtigen und den föderalen Wettbewerb um die besten Regelungsmodelle zu stärken, wurde eine vom Bund abweichende Regelungskompetenz der Länder in das Grundgesetz eingefügt, Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7, Art. 125b Abs. 3 GG. Von dieser Möglichkeit wurde rege Gebrauch gemacht, sodass Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen vollständig eigene Grundsteuergesetze entwickelt haben, während in den elf anderen Bundesländern grundsätzlich das Bundesmodell Anwendung findet.866 In den Bundesländern, die dem Bundesmodell ohne Abweichung folgen, steht den Gemeinden damit die Grundsteuer C als Steuerungsinstrument zur Verfügung. Darüber hinaus gilt sie aber auch ganz überwiegend in den weiteren Bundesländern. Die eigenständigen Ländermodelle in Hamburg und Niedersachsen verweisen schlicht auf § 25 GrStG n. F.867 Hessen hat die Grundsteuerregelung dahingehend modifiziert, dass auch mehrere, nach der Dauer der Baureife der Grundstücke abgestufte, gesonderte Hebesätze festgesetzt werden können.868 In Baden-Württemberg wurde auf die Grundsteuer C zunächst verzichtet, da durch den Abschlag von der Steuermesszahl in Höhe von 30 % bei überwiegender Wohnnutzung (§ 40 Abs. 3 S. 1 LGrStG BW) bereits systemimmanenter Druck zur Bebauung vorliege.869 Zwischenzeitlich wurde jedoch § 50a LGrStG BW eingeführt,870 der sich fast

863

So BT-Drs. 19/11086, S. 1 und 5. Die Gesetzesbegründung spricht sogar von „lediglich“, siehe BT-Drs. 19/11086, S. 5. 865 Dazu auch Bunzel/Niemeyer, ZfBR 2018, 743 (747); Burmeister, Praxis-HdB Städtebauliche Verträge, S. 158. 866 Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer Baden-Württemberg (LGrStG BW) vom 04. 11. 2020 (GBl. 2020, S. 974); Bayerisches Grundsteuergesetz (BayGrStG) vom 10. 12. 2021 (GVBl. 2021, S. 638); Hamburgisches Grundsteuergesetz (HmbGrStG) vom 24. 8. 2021 (HmbGVBl. 2021, S. 600); Hessisches Grundsteuergesetz (HGrStG) vom 15. 12. 2021 (GVBl. 2021, S. 905); Niedersächsisches Grundsteuergesetz (NGrStG) vom 7. 7. 2021 (GVBl. 2021, S. 502). 867 Siehe § 5 HmbGrStG und § 7 Abs. 3 NGrStG. 868 § 13 Abs. 1 – 6 HGrStG. 869 BW-Drs. 16/8907, S. 91 ff., 101. 870 Gesetz zur Änderung des Landesgrundsteuergesetzes und zur Einführung eines geson¨ ndGLGrStG) v. 22. 12. 2021 derten Hebesatzrechts zur Mobilisierung von Bauland (A (GBl. 2021, 1029). 864

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4. Teil: Umsetzbarkeit trotz beschränkter Ressourcen der Kommunen

wortgleich an § 25 GrStG n. F. orientiert und ebenfalls einen gesonderten Hebesatz für baureife Grundstücke ermöglicht.871 Einzig Bayern geht einen Sonderweg und lehnt die Möglichkeit zur Festsetzung einer Grundsteuer C in Art. 5 Abs. 2 BayGrStG explizit ab.872 Daher drängt sich die Frage auf, welche der beiden Vorgehensweisen vorzugswürdig erscheint und ob die Grundsteuer C wirklich zur beabsichtigten Verhinderung von Grundstücksspekulation beitragen kann.

2. Bewertung Um dieser Angelegenheit auf den Grund zu gehen, zeigt sich der Blick in die Historie als äußerst aufschlussreich. Eine Baulandsteuer gab es in Deutschland nämlich schon einmal in den 1960er-Jahren.873 Allerdings wurde diese nur in den Jahren 1961 und 1962 erhoben und danach vom Gesetzgeber selbst wieder abgeschafft.874 Naheliegend ist es also zu erforschen, warum die Steuer die damals gesteckten Ziele nicht erreichen konnte und ob sich diese Ausgangslage von der heutigen unterscheidet. Auch damals zielten die Änderungen darauf ab, den stetig steigenden Preisen für unbebaute und bebaubare Grundstücke entgegenzutreten.875 Dabei ist erstaunlich, wie ähnlich die Erwägungen des Gesetzgebers zu jener Zeit waren und wie sehr die Verhinderung von Grundstücksspekulation als leitendes Narrativ hervortrat.876 Zudem musste auf einen Baulandengpass reagiert werden, der vielerorts in Erscheinung getreten war.877 Die Grundsteuermessbeträge für unbebaute und baureife Grundstücke wurden progressiv gestaffelt erhöht, um den Druck für Eigentümer mit 871

Soweit ersichtlich wurde nur die 10 % Hürde der baureifen Grundstücke für einen Gemeindeteil aus § 25 Abs. 5 S. 6 GrStG n. F. nicht übernommen, vgl. § 50a Abs. 4 S. 2 LGrStG BW. 872 In der Gesetzesbegründung findet sich zu den Gründen dafür allerdings kein Wort, vgl. Bay-Drs. 18/15755. 873 Bundesbaugesetz v. 23. 6. 1960, BGBl. I, S. 341; Eisele, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 10 Rn. 2; siehe auch WD 4–3000–022/17, S. 4 ff. 874 Siehe zum Werdegang der Grundsteuer C ausführlich WD 4–3000–022/17, S. 4 ff.; BTDrs. 19/11086, S. 7. 875 So WD 4–3000–022/17, S. 4. 876 BT-Drs. 3/1794, S. 31: „Die Baulandsteuer erscheint im Gegensatz zu den verschiedenen anderen Vorschlägen, die in den letzten Jahren zur Lösung der Baulandfrage gemacht worden sind, in Verbindung mit den übrigen in diesem Entwurf vorgesehenen Maßnahmen als ein weiteres wirksames und unter dem Gesichtspunkt der praktischen Durchführbarkeit am leichtesten anwendbares Mittel zur Vermehrung des Baulandangebots. Durch eine progressiv gestaffelte Erhöhung der Grundsteuer kann der bisher bestehenden Neigung nichtbauwilliger Grundstückseigentümer, den baureifen Boden in der Hoffnung auf spätere Preissteigerungen vom Markt zurückzuhalten, entgegengewirkt und damit die derzeitige künstliche Verknappung des Angebots beseitigt werden.“ 877 Siehe Fn. 875.

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der Zeit zu steigern.878 Um eine angemessene Frist zur Bebauung zu gewährleisten, sollten die erhöhten Steuerbeträge für zwei Jahre zurückerstattet werden, wenn das Grundstück mit einem Wohngebäude bebaut worden ist.879 Weshalb ist dieses Vorhaben nun aber so rasch gescheitert? In aller Regel werden Gesetze nach so kurzer Zeit nicht vom Gesetzgeber selbst wieder abgeschafft, sondern vom BVerfG für nichtig oder im Falle von Steuergesetzen häufig für lediglich unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und zusätzlich festgelegt, ab wann sie nicht mehr angewendet werden dürfen, vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG. Das BVerfG war zwar tatsächlich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer befasst, nahm aber die Verfassungsbeschwerden gegen drei Urteile des BFH nicht zur Entscheidung an.880 Da die Baulandsteuer zum 1. Januar 1963 aufgehoben wurde, war vom Gericht die Klärung einer weiterhin bedeutsamen verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten. Den Beschwerdeführern entstünde dadurch auch kein schwerer unabwendbarer Nachteil, vgl. § 93a Abs. 2 BVerfGG. Der BFH und eine ganze Reihe anderer Gerichte hingegen hatten die Baulandsteuer vorher für verfassungsmäßig erachtet.881 Die rechtsstaatliche Ordnung werde nicht dadurch verletzt, dass eine Steuer vorwiegend wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen sucht oder in erster Linie bodenpolitische Ziele verwirklichen soll, wenn Einnahmen für ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen als Nebenzweck erhalten blieben.882 Ferner konnte der Senat keine Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot, das Rückwirkungsverbot, den Vertrauensgrundsatz, die Eigentumsgarantie, den allgemeinen Gleichheitssatz, das Willkürverbot, das Prinzip der Sozialpflichtigkeit oder gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit feststellen.883 Vielmehr wurde die Baulandsteuer abgeschafft, weil wichtige zivilgesellschaftliche Akteure die Steuer als ungerecht empfanden, da vor allem finanzschwache Bevölkerungsgruppen gezwungen waren aufgrund der höheren Steuerlast, das jeweilige Grundstück zu verkaufen und die Landesfinanzämter und Finanzgerichte in der Folge eine Welle von eingelegten Rechtsmitteln erreichte.884 Bei finanzstärkeren Bevölkerungsschichten und Unternehmen fiel die Steuer im Gegensatz dazu nicht besonders ins Gewicht. Der weitaus größte Teil der unbebauten 878

BT-Drs. 3/1794, S. 32; auch WD 4–3000–022/17, S. 5. So die Gesetzesbegründung BT-Drs. 3/1794, S. 32. 880 BVerfG, Beschluss vom 18. 12. 1968 – 1 BvR 531/68. 881 BFHE 92, 495 = BeckRS 1968, 21003632; eine Auflistung aller bisher dazu ergangenen Entscheidungen findet sich unter BFHE 92, 495 = BeckRS 1968, 21003632 III. 1. 882 BFHE 92, 495 = BeckRS 1968, 21003632 III. 3. mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG. 883 Siehe Fn. 882. 884 Etwa der Bund der Steuerzahler siehe Schupp, JR 1964, 41 (42); Stenografischer Bericht über die 64. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. März 1963, S. 2997: „Die Steuer ist – das darf ich hier ruhig einmal sagen; draußen wird es allgemein getan – zum Teil auch als unmoralisch und als unsozial bezeichnet worden.“; zum Ganzen WD 4–3000–022/17, S. 5. 879

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4. Teil: Umsetzbarkeit trotz beschränkter Ressourcen der Kommunen

Grundstücke stand jedoch im Eigentum der Gemeinden, sodass die neue Steuerpflicht zum Großteil ins Leere lief, vgl. § 3 Abs. 1 GrStG. Entscheidend war schließlich, dass sich das Grundstücksangebot entgegen den Erwartungen nicht erhöht hatte und mit einem Anstieg der Grundstückskäufe durch Spekulanten sogar das Gegenteil eingetreten war.885 Somit wurde die Baulandsteuer im Jahr 1964 ersatzlos gestrichen.886 Es ist daher schon bemerkenswert, wie die Bundesregierung – ohne dazu in der Gesetzesbegründung Stellung zu beziehen – einige Jahrzehnte später nahezu dasselbe tut und ein anderes Ergebnis erwartet. Wie soll sichergestellt werden, dass die Beweggründe, auf deren Basis die damalige Baulandsteuer abgeschafft worden ist, nicht auch auf die Grundsteuer C zutreffen? Dies fragte auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,887 woraufhin die Bundesregierung jedoch einer echten Antwort und Auseinandersetzung mit dem Sachproblem schuldig blieb.888 Zu diesem Befund kann noch ergänzt werden, dass Spekulanten regelmäßig über ausreichend Kapital verfügen, sodass eine zusätzliche Steuerbelastung wohl kaum abschreckende Effekte verbreiten kann, solange sich die Marktsituation weiterhin lukrativer darstellt. Außerdem ist unklar, weshalb während der Bauphase die Grundsteuer C anfällt, obwohl ganz offensichtlich nicht mit dem Grundstück spekuliert werden soll.889 Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass eine noch nicht erteilte Baugenehmigung keinen Hemmungsgrund für die Steuer darstellt, vgl. § 25 Abs. 5 S. 3 GrStG n. F., und gewöhnliche Baugenehmigungen mittlerweile eine

885 Vgl. WD 4–3000–022/17, S. 5; Ott, in: Rehbinder, Recht im sozialen Rechtsstaat, S. 129 (151); siehe auch Stenografischer Bericht über die 64. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. März 1963, S. 3000: „Die Grundsteuer C, die sogenannte Baulandsteuer als eines der Instrumente des Bundesbaugesetzes, scheint zu dieser Stunde im Hohen Hause nicht einen Verteidiger mehr zu finden.“; Beck, DS 2019, 48 (53): „Denn bei Einführung einer Grundsteuer C Anfang der 60-iger Jahre sahen sich viele Eigentümer wegen der Höhe der Steuer genötigt, ihr Grundstück an finanzkräftige Investoren zu verkaufen, die es aber dann nicht sofort bebauten, sondern die Grundsteuer in die späteren Herstellungskosten eingerechnet haben.“ 886 Gesetz zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften v. 10. 06. 1964, BGBl. I, S. 347; auch die Angst vor einer Entscheidung aus Karlsruhe klang in der Bundestagsdebatte an, siehe Stenografischer Bericht über die 64. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. März 1963, S. 2997: „Wir sollten uns im Parlament davor hüten, daß ein Gesetz für ungültig erklärt wird.“; Beck, DS 2019, 48 (53), hält die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer C für verfassungswidrig; a. A. Zimmermann/Schilling, KommJur 2022, 41 (45). 887 Siehe Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BT-Drs. 19/ 16189, S. 2. 888 Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 19/16698, S. 4 f. 889 Vgl. zutreffend BT-Drs. 19/15208, S. 2; krit. auch Vogelpoth, DStR 2020, 1026 (1026 f.), der allerdings eine teleologische Reduktion aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm scheitern sieht. Die teleologische Reduktion als Mittel der Rechtsfortbildung überwindet aber gerade den Wortlaut und wäre daher möglich, vgl. nur Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie und Juristische Methodenlehre, Rn. 903.

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Bearbeitungsdauer von bis zu drei Jahren haben.890 Eine Rückerstattung wie in den 1960er-Jahren ist jedenfalls nicht vorgesehen. Hinzuzufügen ist auch, dass die gezahlte Grundsteuer beim Verkauf des Grundstücks einfach mit einkalkuliert und auf den Kaufpreis aufgeschlagen werden wird. Überzeugender erscheint es daher, auf die Grundsteuer C zu verzichten – wie dies in Bayern gem. Art. 5 Abs. 2 BayGrStG der Fall ist – und dafür die Grundsteuermesszahl auf 70 % bei Wohnflächen zu ermäßigen, vgl. Art. 4 BayGrStG.891 Die vorhandenen Instrumente auf Vertragsgestaltungsebene oder Baugebote nach § 176 BauGB müssten effektiv genutzt werden und darüber hinaus ebenfalls deutlich mehr Bauland ausgewiesen werden, sodass die Preissteigerungen dank mehr Angebot gedämpft werden. Es bleibt zu hoffen, dass es im Ergebnis dann künftig nicht mehr nötig sein wird, für Kinder oder Enkel Grundstücke auf Vorrat zu erwerben und das Wohnen im Eigentum nicht davon abhängt, ob die Vorfahren dazu finanziell in der Lage waren oder nicht.

V. Zwischenergebnis Das Problem der leeren Kommunalhaushalte resultiert in einer drastischen Einschränkung der gemeindlichen Handlungsoptionen und führt sogar so weit, dass eine Gemeinde ihr zustehende vertragliche Rechte aus Kostengründen nicht ausüben kann. Einen Ausweg auf rechtlicher Ebene bietet die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts zugunsten Dritter, wodurch der Gemeindehaushalt weniger belastet wird und zudem steuerrechtlich mehr Druck auf den Ersterwerber zur Erfüllung seiner vereinbarten Bindungen entsteht. Auf finanzieller Ebene hingegen erhalten Länder und Gemeinden durch Finanzhilfen des Bundes auf Grundlage des rechtspolitisch umstrittenen Art. 104d GG deutlich mehr Unterstützung und sollten diese auch zur Verhinderung von Grundstücksspekulation einsetzen. Die künftig im Bundesgebiet mit Ausnahme Bayerns geltende Grundsteuer C verfolgt mit der Steigerung der Bebauung baureifer Grundstücke und Verringerung des rein finanziellen Nutzens der Grundstücke als Spekulationsobjekte sinnvolle Ziele. Im Ergebnis muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Steuererhöhungen die damit verbundenen Hoffnungen enttäuschen und nicht zur Erreichung dieser Zwecke führen werden. 890 BT-Drs. 19/15208, S. 2 mit Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 19/15636, S. 3, die allerdings nur darauf hinweist, dass die jeweils örtlich zuständige Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Erhebung der Grundsteuer entscheidet. 891 Krit. auch Beck, DS 2019, 48 (53); Eichholz, DStR 2020, 1217 (1226 f.); Vogelpoth, DStR 2020, 1026 (1027 ff.); Feldner/Schätzlein, DStR 2021, 512 (517).

§ 7 Schluss Die Verhinderung von Grundstücksspekulation und die damit verbundene Schaffung bezahlbaren Wohnraums stellen nicht nur Politik, sondern auch Rechtswissenschaft und Praxis vor große Herausforderungen. Die wesentlichen Ergebnisse und Lösungsansätze dieser Arbeit sollen nunmehr zusammengefasst und darüber hinaus ein Ausblick auf künftige Entwicklung in diesem Feld gegeben werden.

I. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die Baulandpreise in Deutschland sind insbesondere seit dem Jahr 2010 außergewöhnlich stark gestiegen. Im Zeitraum zwischen 2010 und 2020 haben sich die Preise für Baugrundstücke im Bundesdurchschnitt mehr als verdoppelt. In Ballungszentren ist die Marktentwicklung sogar noch extremer.892 2. Bei Grundstückstransaktionen, die Bauland betreffen, steht auf Veräußererseite meist die öffentliche Hand, weil nur diese neue Bauflächen ausweisen kann. Die in den entsprechenden Grundstückskaufverträgen vereinbarten Vertragsbestimmungen sind nahezu immer AGB, unterliegen daher der Inhaltskontrolle und besitzen somit erhebliche Relevanz für die kommunale Grundstücksvergabepraxis.893 3. Die bisherige Vertragspraxis der kommunalen Grundstücksvergabe und die dazu ergangene Rechtsprechung ist besonders deshalb problematisch, weil erstens die europäischen Grundfreiheiten in ihrer Konkretisierung durch die Leitlinien nicht in ausreichendem Maße beachtet werden und zweitens die Gemeinwohlinteressen der Gemeinde im Rahmen der AGB-Kontrolle zulasten des Vertragspartners Berücksichtigung finden.894 4. Die europarechtliche Dimension der vergünstigten Grundstücksvergabe ist vor dem Hintergrund des Vertragsverletzungsverfahrens 2006/4271 der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie dem EuGH-Urteil zum flämischen Dekret zu verstehen, die schließlich in die Erarbeitung der Leitlinien mündeten. Die darin enthaltenen Maßgaben entfalten zwar keine strikte Bindungswirkung, allerdings erlangen sie dennoch durch die Heranziehung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung erhebliche Bedeutung. Darüber hinaus trifft den BGH die Pflicht zur Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn er zu einem 892

Siehe dazu unter § 1 I. Siehe dazu unter § 1 II. 894 Siehe dazu unter § 2 III. 893

§ 7 Schluss

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Auslegungsergebnis kommt, das im Widerspruch zu den Leitlinien und damit mittelbar auch der Rechtsprechung des EuGH steht. Dieser Vorlagepflicht kommt die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht nach.895 5. Innerhalb der AGB-Kontrolle lassen sich die berücksichtigungsfähigen Interessen in drei Gruppen einteilen: Individualinteressen, Drittinteressen und Gemeinwohlinteressen. Das Europarecht macht dazu keine näheren Vorgaben. Während Individualinteressen in die Abwägung einfließen, sind Drittinteressen im Grundsatz unbeachtlich. Sie können jedoch in gewissen Ausnahmen als Rechtsreflex mitgeschützt werden.896 6. Gemeinwohlinteressen sind ebenfalls nicht vom Schutzzweck der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB umfasst. Das gilt auch dann, wenn der Verwender als Träger öffentlicher Gewalt zwar dem Gemeinwohl verpflichtet ist, aber dennoch nicht beliebige Gemeinwohlziele zulasten des Vertragspartners einbringen kann. Vielmehr bedarf es dafür einer gesetzgeberischen Legitimation, mithilfe derer Gemeinwohlinteressen mittelbar dennoch Berücksichtigung im Rahmen der AGBKontrolle finden können.897 7. Im Hinblick auf das Gemeinwohlziel der Verhinderung von Grundstücksspekulation existiert de lege lata keine solche gesetzliche Grundlage, sodass die jüngste Rechtsprechung des BGH zu Mehrerlös- und Nachzahlungsklauseln Kritik verdient. Um die Spekulation mit Grundstücken wirksam zu verhindern, existieren allerdings verschiedene Kaufvertragsgestaltungen, die insbesondere aus Bauverpflichtungen, Nutzungsbindungen und Weiterveräußerungsverboten bestehen. Diese Vertragsbestimmungen müssen ihrerseits effektiv durch Wiederkaufsrechte sowie durch verschiedene Zahlungsklauseln abgesichert werden. 8. Maßgeblich für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Gestaltungen ist die Frage, ob zum Marktpreis oder darunter veräußert wurde. Da die Gemeinwohlinteressen der Gemeinden an der Verhinderung von Grundstücksspekulation innerhalb der AGB-Kontrolle nicht berücksichtigt werden dürfen, können sie den Erwerbern bei einer Veräußerung zum Marktpreis keine Nutzungsbindungen und Weiterveräußerungsverbote auferlegen. Bei der Veräußerung unter Marktpreis ist dies als Ausgleich für die Vergünstigung hingegen möglich, allerdings müssen dort die Vorgaben der europäischen Leitlinien beachtet werden, die insbesondere eine maximale Bindungsfrist von 10 Jahren vorsehen, damit die Vertragsgestaltung nicht gegen die Grundfreiheiten verstößt.898 9. Aufgrund der Tatsache, dass Wiederkaufsrechte einerseits sehr wirksame Instrumente gegen Grundstücksspekulation darstellen, aber andererseits aus Kostengründen oftmals nicht von den Kommunen ausgeübt werden können, werden zwei 895

Siehe dazu unter § 3 I. und II. Siehe dazu unter § 4 I. und II. 1., 2. 897 Siehe dazu unter § 4 II. 3. und III. 898 Siehe dazu unter § 5 II. 2. und 3. 896

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§ 7 Schluss

Wege vorgeschlagen, wie die Finanzierung der vertraglichen Gestaltungsinstrumente verbessert werden kann. Neben der rechtlichen Lösung durch Wiederkaufsrechte zugunsten Dritter können dabei auch Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104d GG Abhilfe schaffen. Im Gegensatz dazu vermag die künftig geltende Möglichkeit der Erhebung einer Grundsteuer C auf baureife Grundstücke das Problem der steigenden Grundstückspreise und des Mangels an bezahlbarem Wohnraum nicht zu lösen.899

II. Ausblick Der Handlungsbedarf, um die weitere Verbreitung von Grundstücksspekulation einzudämmen, ist enorm. Diesem Befund positiv anzumerken ist jedoch, dass das Thema im öffentlichen Diskurs seit dem Beginn dieser Arbeit stetig an Relevanz gewonnen hat und auf das Tableau der politisch Verantwortlichen gebracht wurde. Dazu zählt vor allem der Ruf nach der Vergrößerung des Angebots an bebaubaren Grundstücken, um das Preisniveau zu senken und die Spekulation damit unattraktiver zu gestalten. Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat im Wesentlichen die Vorschläge der Expertenkommission für „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ umgesetzt.900 Durch das am 23. Juni 2021 in Kraft getretene Gesetz wurden einige Änderungen im BauGB vorgenommen, die vor allem die gemeindlichen Vorkaufsrechte, das Baugebot sowie Einzelheiten bei der Festsetzung von Bebauungsplänen betrafen.901 Auch die Rechtswissenschaft zeigt sich nicht untätig. Die öffentlich-rechtliche Abteilung des 73. Deutschen Juristentages 2022 in Bonn hat sich „Die nachhaltige Stadt der Zukunft“ zum Ziel der Bearbeitung gesetzt.902 Darunter fallen auch Maßnahmen zur Gestaltung der Wohnraumversorgung der Bevölkerung angesichts der Tatsache, dass Wohnraum als Ressource immer teurer und knapper wird.903 Zusätzlich zu all diesen Instrumenten sollte dabei jedoch nicht der Beitrag der zivilrechtlichen Hebel in öffentlich-rechtlich geprägten Diskursfeldern vernachläs-

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Siehe dazu unter § 6 I., II. und III. Siehe dazu unter § 5. I. 2. 901 Siehe dazu unter § 5 I. 2. und § 5 II. 1. 902 Kment, Verhandlungen des 73. DJT, Bd. 1, D 11 ff.; sowie die Aktualisierung ders., Verhandlungen des 73. DJT, EBd. 1, D 91 ff.; Baumgart, Verhandlungen des 73. DJT, Bd. 1, E 5 ff.; sowie die Aktualisierung dies., Verhandlungen des 73. DJT, EBd. 1, E 55 ff. 903 Kment, Verhandlungen des 73. DJT, Bd. 1, D 72 ff.; sowie die Aktualisierung ders., Verhandlungen des 73. DJT, EBd. 1, D 101 ff.; Baumgart, Verhandlungen des 73. DJT, Bd. 1, E 22 ff.; sowie die Aktualisierung dies., Verhandlungen des 73. DJT, EBd. 1, E 60 ff. 900

§ 7 Schluss

211

sigt werden.904 Dies gilt besonders auf einem Gebiet wie der kommunalen Grundstücksvergabe, in dessen Rahmen Öffentliches Recht und Privatrecht eng verzahnt sind. Es bleibt somit zu hoffen, dass diese Arbeit die Bedeutung der Kaufvertragsgestaltung für die Verhinderung von Grundstücksspekulation nun stärker in den Fokus rücken kann.

904 Siehe für das Nachhaltigkeitsziel des Art. 20a GG etwa Bach/Kieninger, JZ 2021, 1088 (1088 f.); Schirmer, ZEuP 2021, 35 (41 ff.); ders., Nachhaltiges Privatrecht, S. 2 ff.; Hellgardt/ Jouannaud, AcP 222 (2022), 163 (181 ff.).

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Stichwortverzeichnis Abtretung 64, 68, 141 f. acte clair 55, 162 Allgemeine Geschäftsbedingungen 23, 34, 58 ff., 144 ff. Angemessenheit 27, 35, 96, 102, 105, 108, 110, 139, 145, 147, 180 ff. Arbeitsplatzzusagen 27, 96, 99, 101 Ausu¨ bungsfrist 135 f., 138 f. Baugrundstück 30, 34, 41 ff., 208 Baulandmobilisierungsgesetz 128 f., 210 Baulandpreise 19 ff., 26, 208 Bauverpflichtung 128 ff., 157, 164, 167, 176, 184 Beispielsklausel 26, 32 ff. Bindungsdauer 28, 34, 157, 159, 162 Bindungsfrist 34, 41, 48 ff., 57, 100, 104, 138, 153, 156, 158, 169, 209 Bindungswirkung 44 ff., 154, 208 Binnenmarkt 50 DDR 27, 96, 99 f. Demokratieprinzip 77 ff. Dienstbarkeit 123, 132, 173 f. Dingliche Absicherung 140 ff., 152 dispositives Recht 51 f., 138 Drittinteressen 65 ff., 117, 209 Drittschadensliquidation 69 Drittwirkung 48, 51, 83 f., 88 Druckfunktion 90, 94, 149 Einbeziehung 54, 68, 88, 98, 101, 104, 110 f. Einheimischenmodell 23, 49, 57, 175 Eintragung in das Grundbuch 32 f., 132, 141, 175 ff. Entschließungsfrist 135 ff. Erbbaurecht 105 f., 125 ff., 166, 171 Ersatzfunktion 148 f. EU-Kommission 37 ff., 54 ff., 208

Europarecht 34, 37, 41 f., 46, 48 ff., 52 ff., 131, 136, 161 f., 182, 184, 208 f. europarechtskonforme Auslegung 49, 51, 55 f. Finanzhilfe 194 ff. Finanzierbarkeit 28, 187 ff., 198 ff. Finanzierungsgläubiger 141 Flämisches Dekret 39 ff. Freizu¨ gigkeit 37, 39 Gemeinwohl 25 ff., 34 ff., 40, 60, 70 ff., 92, 94 ff., 112 ff. Gemeinwohlbindung der öffentlichen Verwaltung 77 ff. Gemeinwohlbindung Privater 81 ff. Gemeinwohlinteressen 70 ff., 81 ff., 92, 98, 104, 110, 114 ff., 209 Generalklausel 88, 98, 111 gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen 194 ff. Grunderwerbsteuer 192 Grundfreiheiten 37, 39, 48 ff., 54 ff., 128, 155 f., 162 f., 167, 208 f. Grundpfandrechte 33, 152, 167 Grundrechte 83, 88 Grundschuld 33, 141 f. Grundsteuer 201 ff. Grundstücksspekulation 118 ff., 148, 160 ff., 184, 190, 192, 201 ff., 208 ff. Grundstücksvergabe 29 ff., 37 ff., 118 ff., 208, 211 Handlungsfreiheit 107, 116 f. Häuserpreisindex 20 Haushaltsrecht 51, 57 f., 140, 152, 157, 160, 162 Hebesatz 202 ff. Individualinteressen 61 f., 209 Individualvereinbarung 35, 53, 103

Stichwortverzeichnis Inhaltskontrolle 25, 27 f., 59 ff., 82, 84 f., 87, 96, 100 ff., 109 ff., 146, 184, 208 Interessenabwägung 17, 25, 35 f., 66, 70, 74, 76, 86 f., 91, 97 f., 103 f., 111 f., 116 f., 154, 165, 179 ff. Investitionen 180 f., 188, 194 ff. Kapitalverkehrsfreiheit 37 Klauselrichtlinie 28, 52, 58 ff., 109, 159, 162 Klauselverbot 144 Kommunalfinanzen 187 ff. Kommunalhaushalt 187 ff., 207 Koppelungsverbot 113, 122 Krankenhausaufnahmeverträge 85 ff. landesverfassungsrechtliche Vorgaben 29, 79 f. Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken 41 ff., 128, 131, 137, 162 f., 167, 174, 182, 208 f. level playing field 81 Löschung der Ru¨ ckauflassungsvormerkung 142 Lückenschließung 51 f. Marktpreis 34 f., 56, 91, 102, 146, 154, 156 f., 163, 165, 167 ff., 174, 179 f., 209 Mehrerlösklausel 35, 97, 102 ff., 178 ff. Mindererlös 182 ff. Mindestharmonisierung 59 missbräuchliche Klauseln 53, 68, 161 Nachfrage 17, 19, 37, 120, 189 Nachhaltigkeit 188, 210 Nachzahlungsklausel 35, 102, 132, 140, 142, 147 ff., 163, 165, 167 Nichtigkeit 49 ff., 53, 68, 100, 156, 161, 184 Niederlassungsfreiheit 37 Nießbrauch 32, 170 Nutzungsbindungen 32 f., 125 ff., 131, 142, 153 ff., 163, 168, 170, 174, 184 Nutzungsrechte 32, 170 Obliegenheit 143, 149, 154 f. öffentliche Verwaltung 77

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öffentliches Interesse 70 ff., 114 ökonomische Analyse 114 f. Ortsansässigkeit 40, 43, 49, 56 Ortsbezugskriterien 43 f. Pauschalierte Schadensersatzanspru¨ che 89 ff., 149 Personenfreizügigkeit 37, 40 Persönlichkeitsrecht 86 ff. Preisargument 63, 112 Preisnachlass 31, 48, 52, 55, 57 f., 139, 156 ff., 165, 169 Primärverpflichtung 154 f. Private Veräußerungsgeschäfte 119 Privatisierung 99 f., 189 Rationalisierung 62, 67 Rechtsfortbildung 51 f., 176, 208 Rechtsreflex 69, 209 Republikprinzip 77 richtlinienkonforme Auslegung 59, 61 f. Ru¨ ckabwicklung 53, 133 f., 185, 191 f. Ru¨ ckauflassungsvormerkung 133, 140 ff., 152, 163, 174 f., 180, 184 Sanktionen 65, 125, 151, 154, 156, 163, 166, 168, 174, 184, 188 Schienenkartell 91, 94 Schuldnerwechsel 177 Sektionsklausel 27, 85 ff. Selbstnutzungsverpflichtung 35, 102, 147, 154 f., 165, 167 Sicherungshypothek 140, 152 Sittenwidrigkeit 86 soft law 45, 47 Spekulationsobjekt 18, 124, 203 städtebaulicher Vertrag 103, 108 f., 129 strafähnliche Klausel 145, 147 f., 151, 166 Submissionsabsprachen 89 ff. teleologische Auslegung 125, 172, 206 Transaktionskosten 115, 120 Treu und Glauben 53, 59 ff., 65 f., 112, 149 Treuhandanstalt 27, 96 ff., 101, 114, 116

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Stichwortverzeichnis

Umweltschutz 41, 71, 81, 107 unangemessene Benachteiligung 27, 66, 105, 107, 182 Unternehmenskaufvertrag 27, 96 Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 159 Verbotsgesetz 48 Verbraucherschutz 28, 53, 60, 109, 160 f. Verbraucherverträge 59, 62 f. Verfassungsänderung 193 f. Vergabekriterien 29 f., 42 f. Verhältnismäßigkeit 27, 79, 110, 137 Verjährung 135, 137 Verschuldensprinzip 131, 150 f. Vertrag zugunsten Dritter 66, 190 f. Vertragsfreiheit 25, 85, 115, 191 Vertragspartner 30, 50, 59, 61, 65, 67 ff., 87, 93, 107, 113, 115, 144, 148, 150, 153, 166, 172, 178 Vertragsstrafe 63, 90, 93, 132, 142 ff. Verwender 23, 61 ff., 87, 95 f., 100, 105, 112, 115 f., 144, 159, 169, 180

Vollharmonisierung 60 Vollwertigkeitsbescheinigung 185 Vorkaufsrecht 121 ff. Vorlagepflicht 47, 55 f., 209 vorteilsabhängige Nachzahlungsklausel 147 f., 167 Wertsteigerung 32, 35, 53, 102, 122, 126, 171, 183 Wiederkaufsrecht 32 f., 48, 51, 106 f., 123, 131 ff., 163 ff., 171, 174 ff., 187 ff., 192, 198, 200, 207, 209 f. Wohnraumförderungsgesetz 106, 124, 193 Wohnraumversorgung 121, 132, 158, 181, 194, 210 Wohnungsbau 29, 106, 123 ff., 193 ff. Wohnungsbesetzungsrechte 123 f. Zinswende 19, 124 Zustimmungsregelung 175 Zwangsversteigerung 32, 170 f. Zwecksicherung 49, 54, 58