Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 112 Dezember 1908 [Reprint 2021 ed.] 9783112467848, 9783112467831


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German Pages 173 [172] Year 1909

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Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 112 Dezember 1908 [Reprint 2021 ed.]
 9783112467848, 9783112467831

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Verhandlungen, Mitteilungen und

Berichte des

Celltlalverbllildks Deutscher Industrieller. M 112. Herausgegeben von

M. A. Kueck,

geschäftsführendem Mitglied im Direktorium,

Berlin U)., Karlsbad ^a. Telephon: Nr. 2527, Amt VT.

Jezember 1908.

Berlin 1908. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Verhandlungen des vom Centralverband Deutscher Industrieller einberufenen Ausschusses zur Beratung des Entwurfs eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes am 24. November 1908

5 Eröffnung durch den Vorsitzenden von Vopelius-Sulzbach 5, 7, 15, 18, 39, 41, 47, 55, 56, 57, 59, 61, 78, 79, 82, 91 92, 94, 95, 97, 98, 99, 100 Bueck-Berlin 5, 45, 58, 89, 95, 97, 99 Verzeichnis der Eingeladenen bzw. Anwesenden ... 6 Dr. Weber-Berlin 7, 17, 18, 19, 26, 39, 49, 55, 56, 59, 68, 74 76, 78, 82, 89, 91, 100 R eusch-Oberhausen 15, 18, 41, 57, 59, 61, 69, 75, 80, 83, 93, 94 Dr. Gottstein-Breslau . . 19, 47, 57, 58, 81, 86, 93, 95, 98 Othberg-Eschweiler 29, 55, 56, 70, 94 Meyer-Hannover 30, 58 Dr. Voltz-Kattowitz . 33, 58, 64, 71, 84, 92, 94, 95, 97, 98, 99 Dr. Budde-Berlin 37, 58, 86, 90, 93, 95 Sorge-Magdeburg 43, 74, 91 van Vloten-Hoerde ........................................................................ Dr. Passavant-Berlin 50, 80, 88, 89, 95 Dr. Tille-Saarbrücken 52, 56, 57, 58, 72, 84, 95 Dowerg-Kneuttingen . 76,79,95 Agthe-Gleiwitz 81, 90 Wortlaut der angenommenen Resolution 100

Eingaben und Rundschreiben.

Petition vom 7. April 1908 zum Gesetzentwurf betr. Abände­ rung der Gewerbeordnung 101 Regelung der Frauenarbeit, Eingabe des Centralverbandes vom 30. November 1908 an den Bundesrat 113 Anlage: Einfuhr von Baumwollgarnen nach Deutschland 123 Eingabe in derselben Sache vom 2. Dezember 1908 ... 123

50



4

— Seite

Erteilung gewerblicher Konzessionen und wesentliche Aenderungen von Anlagen, Rundschreiben.......................................... 129 Beschäftigung erwachsener Arbeiter inSteinbrüchen.......................... 139

GesellschaftSfteuer........................................................................................... 141 Lohnbeschlagnahme, Eingabe an denStaatssekretärdes Innern

. 157

Hinterlegung von Generalkautionen, Eingabe an den Minister für Handel und Gewerbe.............................................................. 160

Institut für ausländisches Recht, Rundschreiben

.............................162

Organisation des langfristigen industriellen Kredits, Rundschreiben 164 Metrisches Bohrkegelsystem, Eingabe an den Minister für Handel und Gewerbe. ............................... 168 Telegramm an den Grafe« Zeppelin, Rundschreiben....................... 170

Verhandlungen des vom

Gentralverband Deutscher Industrieller einberufenen Aus­ schusses zur Keratung des Entwurfs eines GlektriMtsund Gassteuergesetzes am

Dienstag, de» 24. November 1908, vormittags 10 Uhr.

Vorsitzender Hüttenbesitzer von Vopelius-Sulzbach: Meine'Herren, gestatten Sie, daß ich die Sitzung eröffne. Sie werden wohl aus den Zeitungen entnommen haben, daß seinerzeit die Delegiertenversammlung des Centralverbandes Deutscher Industrieller Stellung zu der Reichsfinanzreform genommen hat. Zu allen den verschiedenen Vorlagen hat sie im Prinzip eine bejahende Stellung eingenommen, jedoch zu der Gas- und Elektrizitätssteuer hat sie sich das versagt. Die Delegiertenversammlung war der Meinung, daß die Frage doch von einer so außerordentlichen Be­ deutung sei, daß man ohne genaue Kenntnis von dem Gesetzentwurf und Studium der Vorlage eine Stellung pro oder contra nicht nehmen könnte. Sie hat deshalb beschlossen, eine Kommission ein« zuschen, welche dieses Studium vornehmen soll. Auf Grund dieses Beschlusses hat das Direktorium des Centralverbandes die Herren gebeten, sich hier einfinden zu wollen, und ich habe die Ehre, Sie alle zu begrüßen und Ihnen für Ihr Erscheinen zu danken.

Generalsekretär Bucck-Berlin: Ich werde mir erlauben, die Herren zu nennen, die eingeladen sind und teilweise auch von den Körperschaften bestimmt worden sind, die aufgefordert wurden, Sach­ verständige zu bezeichnen. Ich hatte die Kommiffion in der Weise vorbereitet, daß ich an einige der größeren Verbände, die dem Centralverbande angehören, schon vorher die Bitte gerichtet hatte, Sachver­ ständige zu bezeichnen, die dann auch eingeladen sind bzw. an der Versammlung teilnehmen.

6 Geh. Regierungsrat Koenig, Berlin (Verein der deutschen Zucker­ industrie), -Direktor SorgL, Magdeburg Für Kommerzienrat E r n st B o r s i g OberIngenieur Arnold, Berlin

Professor

Salomon,

Frankfurt

Verein Deutscher

(

Maschinenbau­

anstalten.

a. M.,

i. Fa. Lahmeyerwerke, entschuldigt Für Direktor Gaa Herr Prechter, i. F. Brown, Boveri & Co., Mannheim Direktor Haeffner, Frankfurt a. M., i.Fa.

Mittelrheinischer

Fabrikanten-Verein.

Voigt & Haeffner entschuldigt Direktor A g t h e i. Fa. Oberschlesische Elek­

trizitätswerke, Gleiwitz Generaldirektor Justizrat B i t t a,

Neudeck

O.-Schl. Generalsekretär Dr. Voltz, Kattowitz Kommerzienrat L. Röchling, Völklingen,

Oberschlesischer Becgu. Hüttenmännischer Verein.

entschuldigt Verein zur Wahrung Hüttendirektor Th. Müller, Neunkirchen, der gemeinsamen entschuldigt wirtschaftlichen Generalsekretär Dr. Tille, Saarbrücken Interessen der SaarGeneraldirektor D o w e r g, Kneuttingen Industrie. Hüttendirektor H i n s b e r g, Rombach Direktor Nerz i. Fa. Siemens-Schuckcrt-Werke, Nürnberg (Baye­

rischer Jndustriellen-Verband), entschuldigt. Kommerzienrat Wacker, Schachen bei Lindau (Bayerischer Jn­ dustriellen-Verband und Verein Süddeutscher Baumwoll­ industrieller), entschuldigt. Bergrat O t h b e r g, Eschweiler-Pumpe (Eschweiler Bergwerks­ verein). Rechtsanwalt W. Meyer, Hannover (Jlsederhütte). Für Dr. Fasolt Herr Hoffmann, Berlin, Vertreter der

Elektrizitätswerke Bergmann, Akt.-Ges. (Verein zur Wah­ rung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen der deutschen Elektrotechnik). Für Geh. Baurat Dr. Rathenau Dr. Passava n t, Berlin (All­

gemeine Berliner Elektrizitäts-Gesellschaft). Generaldirektor Dr. Gottstein, Breslau (Verein deutscher Zell­ stoff-Fabrikanten). Für Geh.' Bcrgrat H i l g e r, Syndikus, Assessor Lehmann, Berlin (Vereinigte Königs- und Laurahüüe).

7 Prof. Dr. Budde, Berlin (Siemens & HalLle Akt.-Ges.). Direktor van Bloten, Hoerde, Wests. (Aktien-GesellschaftPhoenix). Direktor R e u s ch, Oberhausen, Rheinland (Gutehoffnungshütte). Vorsitzender: Meine Herren, außerdem haben wir die Ehre, einen Vertreter des Reichsschatzamts, Herrn Geheimen Negierungsrat Dr. Weber, unter uns zu sehen. Herr Staatssekretär Sydow hat mich gebeten, bei Gelegen­ heit dieser Versammlung einen Herrn deputieren zu dürfen, und ich glaube, daß es im allgemeinen Interesse liegt, daß ich diese Zu­ sage dem Herrn Staatssekretär gegeben habe. Meine Herren, zweifel­ los ist es richtig, daß, wenn eine solche Vorlage von uns hier bear­ beitet werden soll, wir auch die Gründe, welche die Reichsregierung für dieses oder jenes Moment hat, mit in Berücksichtigung ziehen, bezw. sie widerlegen können. Meine Herren, ich würde Ihnen Vorschlägen, daß wir unsere Beratungen in folgender Weise vornehmen. Ich würde empfehlen, vor allen Dingen die Kraftsteuer und die Lichtsteuer zu trennen, uns tu erster Linie zur Kraftsteuer zu wenden und auch da elektrische Kraft und Gaskraft zu trennen. Ich weiß nicht, ob die Herren vielleicht andere Vorschläge machen wollen. — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich annchmen, daß Sie damit einverstanden sind, und bitte ich Herrn Geheimrat Dr. Weber, die einleitenden Erläuterungen zur Kraftsteuer in betreff der Elektrizität gütigst geben zu wollen. Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: Meine Herren, ich darf zunächst den Dank des Rcichsschatzamts zum Ausdruck bringen, daß Sic einem Vertreter der Regierung Gelegenheit gegeben haben. Ihnen Aufschlüsse über den Inhalt und über die Absichten des Ge­ setzes zu geben. Es wäre ein Mißverständnis, wenn man annehmen wollte, man hätte nicht die Tragweite übersehen, die darin liegt, eine Industrie mit steuerlichen Fesseln zu belasten, die sich über 25 Jahre hindurch völlig unbehindert hat entwickeln können. Man darf das am aller­ wenigsten. von dem jetzigen Chef des Rcichsschatzamts voraussetzen, der ja in seiner früheren Tätigkeit in naher Berührung mit der Elektrotechnik gewesen ist, und der noch in den letzten Jahren wieder­ holt bewiesen hat, wie sehr er cs zu schätzen weiß, wenn gerade die Elektrotechnik nicht durch unnötige Belästigungen in ihrer Entwicke­ lung gestört wird. Also es ist die bittere Not gewesen, die dazu drängte; Sie wissen ja, daß auch andere Steuerprojckte in großer Zahl und mit starken

8 Beträgen dem Reichstag vorgelegt sind. Aber ihr Ertrag reicht bei weitem nicht aus, um den großen Bedarf zu decken. Man hat andere Wege, die etwa geeignet wären, den Reichsfinanzen aufzuhelfen, mit großer Nachhaltigkeit geprüft; aber man ist zu dem Ergebnis ge­ kommen, daß sie nicht gangbar sind. Man mußte sich nach neueren Steuerquellen umsehen, und die hat man natürlich nicht finden­ können in solchen Gewerben oder Objekten, die durch jahrelange Gewohnheit in festen Formen erstarrt sind, sondern es mußte ein Gebiet sein, das eine gewisse Beweglichkeit aufweist, so daß es die Fähigkeit besitzt, sich neuen Bedingungen anzupassen, es mußte ein Gebiet sein, wo ein gewisser Spielraum herrscht zwischen den Gestehungspreisen und den Verkaufspreisen, zwischen den aufgewendet«n Kosten und dem Wert der Erzeugnisse, ein Gebiet, wo die Möglichkeit besteht, neue Lasten auf irgendeine Weise herauszuwirtschaften, wo eine Verteilung der Last auf viele Schultern möglich ist, und wo es trotzdem nicht ausgeschlossen erscheint, daß man die Belästigung weiter Kreise in einem gewissen Umfange vermeidet. Diese Eigenschaften finden sich in der Tat in dem Gebiet der Elektrotechnik, das heißt in dem Teil der Elektrotechnik, der sich mit der Erzeugung und Verteilung des Stromes oder mit der Erzeugung und unmittelbaren Verwendung des Stromes für eigene Zwecke befaßt. Die erwähnten Eigenschaften der Elektrotechnik brauche ich ja kaum weiter zu illustrieren. Doch ist es vielleicht gut, darauf hinzu­ weisen, wie mannigfaltig die Mittel sind, die gerade in der Elektro­ technik zur Verfügung stehen, um eine etwaige Belastung auszu­ gleichen, ganz abgesehen von der reinen Ueberwälzung auf die Kon­ sumenten.' Die Elektrizitätswerke werden allenthalben vergrößert. Nament­ lich ist man neuerdings bemüht, kleine Werke zusammenzuschließen, und es entsteht auf diese Weise schon durch die Vermehrung der Abnehmer eine bessere Ausnutzung der Maschinen, durch das Zu­ sammenschließen mehrerer Werke die Möglichkeit, das Anlagekapital zu verkleinern, die Bedienungskosten zu vermindern, einzelne Maschinen still zu setzen und sie bloß als Reserve zu benutzen usw.; zu gleicher Zeit wird durch das Zusammenschließen mehrerer Werke die Belastung Vergleichmäßigt. Man hat in der letzten Zeit hohe Spannungen sowohl für Uebertragung mit blanken Drähten als für Uebertragung mit Kabeln in viel höherem Maße und in viel weiteren Grenzen verwenden gelernt, als noch vor kurzem möglich schien. Daß ganz neue Absatzgebiete erschlossen werden, z. B. das Eindringen der

9 Elektrizität in die Landwirtschaft, kann ebenfalls nur dazu beitragen, Sie Gestehungskosten der Elektrizität im großen Ganzen zu vermindern. Was in dieser Beziehung möglich ist, das sieht man wohl am besten aus den großen Unterschieden in den Verkaufspreisen des elektrischen Stromes, wie sie jetzt schon bestehen. Sie wissen, daß diese Preise schwanken zwischen 70 Pf. für Lichtstrom und heruntergehen auf 20 Pf., auf 16 Pf., 10 Pf. für Kraftstrom, sogar bis zu 1 Pf. bei großen elektrochemischen Anlagen. Also es ist zwischen diesen Preisen jedenfalls mehr die Möglichkeit geboten, eine Steuer einzuschieben als bei anderen Erzeugnissen, wo die Verkaufspreise durch weite Gebiete starr sind und höchstens noch durch die darauf ruhende Fracht einigermaßen modifiziert werden. Man denke, daß in Berlin selbst 16 Pf/ für den Kraftstrom bezahlt werden und außerhalb Berlins in einzelnen Vororten 10 Pf. Bei solchen Unterschieden wird man nicht behaupten können, daß, wenn nun für kleine und mittlere Gewerbe, die ihren Strom beziehen, eine Steuer im Betrage von allerhöchstens ¥z Pf. darauf kommt, dadurch eine wesentliche Verschiebung im Gewerbe hcrvorgcruscn wird. Wenn sich das Gewerbe mit den bestehenden Unterschieden abgefundcn hat ohne irgendwie erhebliche Folgen, die man sichtbar aufzeigen könnte, so muß man schließen, daß auch eine solche kleine Verteuerung unmerklich bleiben wird. Man kann auf ein Beispiel Hinweisen, das wir in den letzten Jahren erlebt haben: Bei Gelegenheit der Einführung eines Ein­ heitspreises für Gas hat man in den betreffenden Städten, z. B. in Berlin und Hamburg plötzlich für das Heizgas statt 10 Pf. 13 Pf. erhoben. Ich glaube, es hat niemand nachweisen können, daß dadurch die Verwendung von Heizgasen irgendwie gelitten hätte. Für das Kleingewerbe spielen auch die Steuerkosten deswegen keine so große Rolle, weil tatsächlich das Kleingewerbe-keine so lange Benutzungsdauer aufweist wie das Großgewerbe. Im Heft 43 der Elektrotechnischen Zeitschrift findet sich eine Zusammenstellung über die tatsächlichen Verwendungszeiten von Motoren im Kleingewerbe, ausgenommen vom Elektrizitätswerk Köln und vom Elektrizitätswerk Berggeist. Da kommen für Metzgereien, Bäckereien, Buchdruckereicn, Kaffeebrennereien, Konfektionsgeschäfte, Schlossereien, Schreinereien, Stellnrachereien jährliche Benutzungsdauern von 75 bis 135 bis höchstens 600 Stunden heraus. Nur ein Orchestrion in einer Wirt­ schaft hat 1750 Stunden Benutzungsdauer. Wenn man die Strom­ kosten ausrechnet, die für einen Kilowatt-Stundenpreis, von 20 Pf. angegeben sind und sich die Steuer daneben setzt, so findet man — cs ist dort für eine Pferdestärke durchschnittlich ausgerechnet — z. B.:

10 bei der Metzgerei wird für 1 PS. an Stromkosten im ganzen Jahr bezahlt 26,60 M., die Steuer darauf beträgt 45 Pf. im Jahr pro Pferdestärke. Bei der Bäckerei sind die Stromkosten pro Pferdestärke 32 M., die Steuer 57 Pf., bei der Buchdruckerei, wo die Benutzungs­ dauern wesentlich größer sind, 600, 200 Stunden, kommen durch­ schnittlich Stromkosten heraus pro Pferdestärke von 126 M., die Steuer beträgt 2,30 M., das sind also 2 pCt. Und so geht es weiter. Bei der Schlosserei: Stromkosten 60 M., Steuer 1 M. Bei der Schreienerei Stromkostcn 183 M., Steuer 3,70 M. Das sind im Vergleich zu den Stromkosten keine Beträge, die als ruinös aufgcfaßt werden können. Man muß doch bedenken, daß einem Manne, der den Strom im Kleingewerbe in der bequemen Form bezieht, der durch die Benutzung eines elektrischen Motors statt eines Gasmotors oder einer Dampfmaschine oder eines sonstigen Antriebes in die Möglichkeit gesetzt ist, den Strom nur so lange zu benutzen, wie er ihn momentan braucht, jede Viertelstunde den Motor auszuschalten, wenn er nicht benutzt wird — daß dem die Elektrizität tatsächlich ziemlich viel wert ist. Darum bezahlt er auch 20 Pf. für die Kilowattstunde, in der bloß ein Kilogramm Kohle steckt und die von einer großen Dampf­ maschine vielleicht um'2,3 Pf. zu liefern wäre. Darum bezahlt er 20 Pf. dafür, und deswegen ist er auch imstande, die höchstens 0,4 Pf. Steuer darauf zu wenden. Etwas anders liegen die Verhältnisse in der Großindustrie. Da kommen tatsächlich sehr große Benutzungsdauern vor. Es gibt zahl­ reiche Werke, die Tag und Nacht das ganze Jahr hindurch arbeiten, also bis zu 8600 Stunden Benutzungsdaucr wirklich kommen. Hier muß man sich ja eigentlich wundern, daß der elektrische Antrieb in so großem Umfange eingeführt worden ist, denn es wird ganz sicher in der Großindustrie Fälle geben, in denen eine wirklich ziffernmäßige Ersparnis durch den elektrischen Antrieb gegenüber dem Dampf­ antrieb nicht ohne weiteres glatt nachweisbar ist. In der JngenieurVereinszeitschrift ist im vorigen Jahr erst behauptet worden, daß die neueren Dampffördermaschien den elektrischen Fördermaschinen dermaßen überlegen seien, daß die letzteren bloß dann finanziell kon­ kurrieren könnten, wenn die Kilowattstunde um 0,6 Pf. lieferbar wäre, was selbst in Westfalen, unmittelbar an den Kohlenzechen, unmöglich sei. Trotzdem haben die elektrischen Antriebe in großem Umfange sich eingeführt und sie sind fortwährend in der Zunahme begriffen. Es wird auch andere Fälle geben, wo der elektrische An­ trieb tatsächlich große Kostenersparnisse mit sich bringt. Für bestimmte Anlagen ist in Abhandlungen mitgctcilt worden, daß durch den

11 elektrischen Antrieb der Preis für die Pferdestärke-Stunde von 9 Pf. früher auf 4 oder 3 Pf. herabgemindert wäre. Wenn eine solche Herabminderung möglich ist, dann muß auch, sollte man meinen, die Steuer in dieser Ersparnis herausgewirtschaftet werden. Meistens wird man übrigens nachweisen können, daß das, was an Elektrizität bei einem solchen großen Werk verbraucht wird, sich aus die Pro­ duktionskosten, auf die Kosten des eigentlichen Produktes — die Elektrizität ist ja doch dort nicht Selbstzweck — dermaßen verteilt, daß die Steuer ganz kleine Prozentsätze von dem Wert des Produktes aus­ macht. Es ist in der Begründung hingewiescn auf ein Stahlwerk, das 400 000 Tonnen Stahl produziert, ein Beispiel, das direkt aus der Praxis genommen und von einer Firma mitgcteilt worden ist. Das Stahlwerk hat elektrischen Betrieb im ganzen eingeführt, stellt sich den Strom selbst um 2 Vs Pf. die Kilowattstunde her, und es ist uns an­ gegeben worden, daß die Steuer dort 8 Pf. auf die Tonne Stahl aus­ macht. In der Zeitschrift „Glückauf" vom 14. November 1908, also ganz neuerdings, ist auf Seite 1641 mitgeteilt, daß bei einer Kohlen­ zeche, die durchweg elektrisch eingerichtet ist, sich die Steuer auf 20 Pf. pro Tonne geförderte Kohle berechnet. Für eine Fabrik, die Holzstoff herstellt, hat sich ergeben, daß 100 Kilogramm Papierstoff, feiner Holzschliff, 140 Kilowattstunden verbrauchen. Die Steuer­ berechnet sich, wenn man die Kilowattstunde auf 2 Pf. Stromkosten anschlägt, nur auf 0,1 Pf., also bei 100 Kilogramm auf 14 Pf. Der Preis dieses Produktes ist etwa 12 M. für 100 Kilogramm, das macht also 1,16 pCt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß man einen solchen Stoff wie Papierstoff im allgemeinen nicht mit einer teuren Kraft herstellen wird. Papierstoff, Holzstoff wird meistens im Ge­ birge, in der Nähe der Wälder, wo das Holz billig ist, hergestellt, und man geht dort meistens so vor, daß man die Schleifmaschinen direkt an die Turbine anschließt — mit Wasserkraft wird ja da meistens gearbeitet. Es sind also schon besondere Verhältnisse, bei denen eine elektrische Uebertragung bei diesen Holzschleifereien nötig ist, und dazu kommt noch, daß selten eine solche Holzstoffabrik für sich besteht, sondern meistens wird sie ein weiteres, edleres Produkt herstellen, sie wird mit der Holzschleife auch eine Papiermaschine verbinden, die dann trotz ihrer Holländer, Kalander usw. doch pro Kilogramm Papier weniger Kraft verbraucht, als die Papierschleiserei, so daß die Steuer, auf das Papier ausgerechnet, nicht übermäßig sein wird. Man kann ja nicht alle Verhältnisse übersehen, wie sie sich im einzelnen stellen, und es ist sehr wohl möglich, daß da und dort eine Härte auftritt. Aber das ist bei einer Steuer niemals ganz zu der-

12 »leiden, am allerwenigsten wenn es sich um ein Objekt handelt, das bisher der steuerlichen Behandlung absolut fremd war. Wenn man sich vorstellen würde, es wäre die Zuckerindustrie, die Bierindustrie, die Branntweinindustrie noch nie besteuert worden, und man würde heute mit einer solchen Steuer Herangehen, dann würde man gewisi auf noch viel größere Schwierigkeiten stoßen, und noch viel größere Härten würden unvermeidlich sein. Solche einzelnen Härten mögen hier und da unangenehm sein, und es wird nötig sein, über sie auf irgendeine Weise hinwegzukommen. Im großen ganzen glaube ich aber, daß diese Beispiele zeigen, daß man im Durchschnitt nicht auf undurchführbare Verhältnisse stößt. Natürlich ist der Steuersatz so hcruntergesetzt worden, um eben allen diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Da ist es nun von Wichtigkeit gewesen, das Gesetz so zu formulieren, daß es möglich war, der verschiedenen Bewertung, die die elektrische Kraft je nach Art und Zweck erfährt, einigermaßen zu folgen. Bei den Werken, die den Strom verkaufen, ist ein ziemlich brauchbarer Maßstab in dem Verkaufspreise selbst gegeben, und daher die Steuer im allgemeinen Prozentisch nach dem Abgabepreis festgesetzt worden; nun hat diese Festsetzung nach dem Abgabepreis aber den Nachteil, daß das Werk, das ungünstig gelegen ist, hohe Kohlenkosten hat, schlechte Absatzverhältnifse, infolgedessen seinen Strom teurer herstellt, noch durch einen höheren Steuersatz getroffen wird. Diesen Schwierigkeiten hat man dadurch die Spitze abgebrochen, daß man den Prozentischen Steuersatz nicht vollständig durchführt, sondern ihn nach oben hin aufhören läßt mit 0,4 Pf. Also alle Werke, deren durchschnittlicher Abgabepreis mehr als 8 Pf. beträgt, erfahren eine Erleichterung. Hauptsächlich wirksam wird die Prozentische Abstufung da, wo es sich um sehr niedrige Preise, etwa von 3 oder 1 Pf. wie in Rheinfelden, handelt. Deswegen ist sie eingeführt worden. Bei den Selbsterzeugern hat man einen so einfachen Maßstab, wie den Abgabepreis nicht. Ein Einheitssatz stößt hier auch auf die Schwierigkeit, daß er nicht allen Verhältnissen Rechnung trägt. Aber es wird im großen ganzen so sein, daß, wenn man einen Stoff produziert, der keine hohen Stromkosten verträgt, man Verhältnisse aufsuchen wird, die eine billige Herstellung gestatten, z. B. für die elektrochemischen Betriebe sucht man große Wasserkräfte auf oder man setzt die Werke direkt in die Kohlenzechen oder in die Braunkohlen­ felder. Daher wird man eine solche Produktion nicht zu hart treffen, wenn man die Steuer nach den Selbstkosten des Stromes festsetzt. Daß die Festsetzung nach den Selbstkosten des Stromes große

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Schwierigkeiten hat, dessen war man sich bewußt. Man hat diesen Ausweg sehr ungern gewählt; aber man hat ihn gewählt, um den verschiedenen Verhältnissen Rechnung zu tragen, und war dabei der Ansicht, die Industrie wird ja nicht darauf ausgehen, die Steuer­ behörde zu hintergehen, sondern sie wird zur richtigen Ermittelung der Selbstkosten selbst beitragen. Denn dies kann der Industrie nur zum Vorteil gereichen. Es können überhaupt an manchen Stellen aus der Steuer ähnliche Vorteile ersprießen, wie man sie seinerzeit von der Rübensteuer erfahren hat, auch von der Biersteuer, die darauf hinge­ wirkt haben, daß das besteuerte Produkt in einer Weise ausgenutzt worden ist, die man früher nie für möglich gehalten hätte. Es ist vielleicht gerade von jenen Produkten noch zu sprechen, die, wie die elektrochemischen eine große Menge billigen Stromes ver­ brauchen. Sie finden auch da auf Seite 21 der Begründung einige Beispiele, die aus Zeitschriften entnommen sind, und denen ich noch das Beispiel des Elektrostahles anreihen möchte, wie es auf Grund von Zahlen sich darstellt, die Herr E i ch h o f f in einem Vortrage vor­ dem Verein der Deutschen Eisenhüttenleute gegeben hat. Danach berechnet sich bei der Herstellung von Elektrostahl nach Heroult je nachdem man feinen oder weniger feinen Stahl herstellt, je nachdem mein größere oder kleinere Oefen benutzt, je nachdem man den Schrott­ einsatz in kaltem Zustande hineinbringt oder schon vorher ein Vor­ schmelzen im Martin- oder Thomasprozeß vorgenommen hat, der Strombedarf auf 800 Kilowattstunden für die Tonne Stahl bis her­ unter auf 130 Kilowattstunden für die Tonne Stahl. Wenn man Selbsterzeugungskosten von 2% Pf. für die Kilowattstunde annimmt, so würde sich da ergeben eine Steuer von 72% Pf. bis etwa bei 200 Kilo­ wattstunden 25 Pf. für die Tonne Stahl im Preise von 500 M. pro Tonne. Also auch da ist es doch, wenn ich, um ein Produkt im Werte von 500 M. herzustellen, eine Steuer von 25 bis allenfalls 72% Pf. zahlen muß, kein unerträgliches Verhältnis, und dabei handelt es sich um ein Verfahren, das die Elektrizität in großen Mengen braucht, um elektrische Heizung, die man bisher als etwas ganz besonders Teures angesehen hat. Bei dem Aluminium sind ganz besonders die großen Preisschwankungen zu berücksichtigen und zu beachten. Die Preise schwanken in einem Jahre um 100 pCt. Für Stickstoffverbindungen existieren genaue und neuere Zahlen über den Arbeitsverbrauch gar nicht; die einzigen, die mir zugänglich waren, stammen aus dem Jahre 1906. Die neueren Mitteilungen sagen nur, daß die Verfahren vorteilhafter geworden seien, aber sie geben keine genauen Zahlen. Man kommt auch hier nicht auf allzu hohe Steuerbeträge. Man

14 muß natürlich voraussetzen, daß ein Stickstoffwerk mit möglichst billi­ gem Strom arbeiten wird. Ein Kilo gebundener Stickstoff braucht 60 Kilowattstunden. Diese zu je 2 Pf. Selbstkosten gerechnet, macht 6 Pf. Steuer auf das Kilo gebundenen Stickstoff. Mi Kilo gebunde­ ner Stickstoff ist ungefähr 6 Kilo Handelssalpeter, und die 6 Kilo Salpeter würden ungefähr 1,20 M. kosten, Der Salpeterpreis ist in den letzten zehn Jahren ungefähr um 43 pCt. gestiegen. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Belästigungen noch mehr als die Last die Industrie abhalten würden, in Zukunft ihre Werke elektrisch anzutreiben. Nun ist sicher, daß man in vielen Kreisen die Belästigung noch unangenehmer empfinden wird als den direkten Steuerbetrag. Es ist auch zweifellos, daß viele erschrecken vor der großen Menge von Strafbestimmungen und vor den hohen Strafen, die vorgeschrieben sind. Es ist erst vorgestern im Reichstag gesagt worden, wenn man alle die Steuerparagraphen zusammenzählt, dann kämen, glaube ich, 100 oder 200 Paragraphen heraus. Die Straf­ bestimmungen sind aber in jedem Steuergesetz dieselben, bloß je nach dem Objekt etwas abgeändert, und es sind sogar Verhandlungen mit dem Reichsjustizamt gepflogen worden, ob nicht irgendeine Verein­ fachung möglich sei. Aber die Strafbestimmungen gegen das Ver­ fälschen von Steuerzeichen, die in jedem dieser Gesetze, wo Steuer­ zeichen (Banderolen) Vorkommen, unentbehrlich sind, werden doch niemand belästigen. Ich glaube daher, das ist wirklich bloß eine Aeußerlichkeit. Tatsächlich sind die Bestimmungen über die Ileberwachung außerordentlich einfach. Es wird zum Beispiel von den Werken weiter nichts verlangt, als daß sie eine Anzeige machen und angeben, wie weit bei ihnen das Erzeugnis gegen Entgelt abgegeben oder zu eigenem Bedarf verwendet werden soll. Es wird sich dann die Ueberwachung bei den Werken, die den Strom verkaufen, im wesentlichen darauf reduzieren, daß die Bücher kontrolliert toerbc», daß alle Vierteljahr der Steuerbeamte sich mit dem Buchhalter in Verbindung setzt, und daß sie gemeinsam die Bücher durchsehen; cs wird ein Auszug aus dem Buch gemacht und der Steuerbehörde über­ geben, und es braucht ja dann nichts als 5 pCt. von der gesamten Einnahme als Steuer abgeführt zu werden; oder, wenn das Werk be­ ansprucht, nicht höher als mit 0,4 Pf. für die Kilowattstunde heran­ gezogen zu werden, dann bedarf cs allerdings noch eines Nachweises über die Zahl von Kilowattstunden, die erzeugt sind, und dazu wird im allgemeinen der Hauptstationselektrizitätszähler ausreichen. Bei den Zählern, die in den Werken und bei den.Elcktrizitätsvcrbrauchern aufzustellen sind, wird cs sich darum handeln, daß die Zähler an der

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richtigen Stelle stehen und daß sie von Zeit zu Zeit kontrolliert werden, ob sie richtig gehen. Dazu werden die betreffenden Betriebsbeamten regelmäßig Ausschreibungen machen, so daß man für jeden Tag nach­ sehen kann, ob die Zahlen miteinander stimmen. Vielleicht wird es manchmal empfehlenswert sein, noch ein Ampöremeter und ein Volt­ meter nebenbei abzulcsen, damit man eine gewisse Kontrolle über den Zähler hat. Die Aufstellung des Zählers kann einmal kontrolliert werden, und die Ablesung wird von den Werksbeamten selbst gemacht, alle Tage oder alle Woche vielleicht, und am Ende eines Monats oder eines Vierteljahres von den Steuerbeamten kontrolliert. Ich glaube nicht, daß mein einen häufigen Besuch der Werke durch die Steuer­ beamten zu erwarten hat; das wird wesentlich davon abhängen, ob sich häufige Hinterziehungen oder häufig der Verdacht von solchen Hinterziehungen ergeben wird. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann werden die Steuerbeamten sich keine unnötige Mühe machen. Auf das Licht soll ja vorläufig noch nicht eingegangen werden. (Vorsitzender: Auf das Gas auch noch nicht!) Dann würden das vielleicht zunächst in großen Zügen die wichtigsten Gesichtspunkte sein, die hervorzuheben sind. Vorsitzender: Dann darf ich die Diskussion eröffnen und gebe zunächst das Wort Herrn Generaldirektor R e u s ch von der Guten

Hosfnungshütte. Generaldirektor Reusch-Oberhausen: Meine Herren, der Herr Regierungsvcrtretcr hat versucht, uns die Elcktrizitätsstcner möglichst schmackhaft zu machen. Ich glaube nicht, daß ihm das in diesem Kreise gelungen ist. Ich bedauere, meine Herren, hier die Behauptung aufstellen zu müssen, daß sich die Verbündeten Regierungen der Trag­ weite des Gesetzentwurfs, soweit die Belastung der Großindustrie in Frage kommt, absolut nicht bewußt waren. Wenn sie dieser Be­ lastung sich bewußt gewesen wären, hätten Sie nicht auf Seite 21 der Begründung schreiben können: „In der Großindustrie liegen die Verhältnisse vielfach so, daß die im Endprodukt enthaltenen Strom­ kosten nur wenige Prozente des Verkaufspreises ausmachen. Dieser wird daher durch die Steuer nur um Bruchteile von Prozenten er­ höht, was gegenüber den Schwankungen der Löhne, der Rohstoff­ kosten und anderer Faktoren kaum in die Erscheinung tritt. Bei einem Stahlwerk, daß 400 000 Tonnen Stahl produziert und das den Strom für 2Vz Pf. die Kilowattstunde herstellt, bedeutet die Steuer 8 Pf. auf die Tonne Stahl." Meine Herren, ich habe eine Behauptung aufgestellt, die einen schweren Vorwurf den Verbündeten Regierungen gegenüber enthält.



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und ich muß. infolgedessen diese Behauptung auch beweisen. Ich werde diesen Beweis hier antreten und mich dabei ausschließlich auf Tatsachen stützen. Ich schicke voraus, daß ich meinen' Berechnungen den Satz von 0,4 Pf. pro Kilowattstunde zugrunde gelegt habe, weil ich der Ansicht bin, daß wir nach Einführung des Gesetzes bei dem Steuerfiskus nicht so viel Entgegenkommen finden werden, wie der Herr Regierungsvertreter ausgeführt hat. Der Herr Regierungs­ vertreter hat die Ansicht vertreten, daß die Industrie bei Durchführung des Gesetzes nur in geringem Maße belästigt werden dürfte; er hat ferner behauptet, daß man sich sehr leicht über die Selbstkosten des Stromes einigen wird. Meine Herren, ich glaube die gegenteilige Behauptung aufstellen zu müssen. Nach den Erfahrungen, die ich speziell bei der Verstän­ digung über Selbstkosten — ich erinnere nur an die Arbeiten der Saar-Mosel-Kanal-Kommission — gemacht habe, glaube ich nicht, daß wir uns jemals mit dem Fiskus über die Selbstkosten einigen werden. (Heiterkeit.) Meine Herren, eine Umfrage bei 26 Stahlwerken in Rheinland und Westfalen hat ergeben, daß bei modern eingerichteten Werken die Tonne Rohstahl mit ungefähr 40 bis 60 Pf. durch die Elektrizitäts­ kraftsteuer belastet wird, während der Entwurf von- 8 Pf. spricht. Ich weiß nicht, wo die Verbündeten Regierungen diese Zahl her haben; keinesfalls entspricht sie den wirklichen Verhältnissen.

Wenn ich von meinem Werk einige Zahlen geben darf, so habe ich dort konstatiert, daß die Walzfabrikate durch die Kcaftsteuer mit ungefähr 20 Pf. belastet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß unsere Walzenstraßen mit geringen Ausnahmen mit Dampf an­ getrieben werden. Die Belastung von 20 Pf. rührt in der Haupt­ sache von dem Strom her, der für Transportzwecke gebraucht wird. Modern eingerichtete Werke, welche die Walzenstraßen' elektrisch an­ treiben, haben jedoch, wie ich bereits ausführte, mit einer weit höheren Belastung zu rechnen. Um eine Tonne fertigen Produktes — ich meine Stabeisen, Bleche usw. — auf elektrisch angetriebenen Straßen auszuwalzen, sind ungefähr 100 Kilowattstunden notwendig. Das entspricht allein einer Belastung von 40 Pf. pro Tonne. Das ist aber nur der Strom für die Walzenstraßen. Darin ist der Strom für die Hebezeuge, für die Transportwerkzeuge usw. nicht enthalten. Der Herr Regierungsvertreter hat dann außerdem auf die Kon­ kurrenz zwischen Dampffördermaschinen und elektrischen Förder­ maschinen hingewiesen. Meine Herren, ich bin außer Stahlerzeuger auch Maschinenfabrikant und habe den Konkurrenzkampf der elek-

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irischen und Dampf-Fördermaschinen in den letzten Jahren mit erlcbt. Dank der Konkurrenz der elektrischen Fördermaschinen hat sich die Dampffördermaschine sehr vervollkommnet, so daß heute der Tampfverbrauch bis auf 13% kg pro PS gesunken ist, während ein Tampjverbrauch von 40—50 kg bei den alten Fördermaschinen kon­ statiert wurde. Heute halten sich wohl beide Systeme ungefähr die Wage. Wenn aber die elektrische Fördermaschine durch die Steuer belastet wird, wird zweifellos die Dampffördermaschine aus dem Kampf als Siegerin hervorgehen; die elektrische Fördermaschine wird voü'tändig verdrängt werden, was im Interesse des technischen Fort­ schritts sehr zu bedauern wäre. Ich möchte mir weiter erlauben, noch eine Frage an den Herrn Regierungsvertreter zu richten. In § 5 des Gesetzentwurfs heißt es, daß eine Doppelbesteuerung nicht eintreten wird. Ich möchte nun an den Herrn Regierungsvertreter die Frage richten: Wird, wenn mittels Gasmaschinen elektrischer Strom hergestellt wird, das Gas besteuert oder wird die Elektrizität besteuert? Es ist das von einer gewißen Wichtigkeit für unsere spätere Debatte, weil wir auf diesen Punkt speziell bei der Gassteuer wieder zurückkommen müssen.

Eine weitere Frage möchte ich mir noch an den Herrn Regierungs­ vertreter erlauben. Es ist Ihnen ja bekannt, daß in den letzten Jahren der Abdampf auf den Hüttenwerksanlagen und auf den Zechen in Abdampfturbinen verwertet wird. Dieser Abdampf hat folgenden Ursprung: Gase werden unter den Kesseln verbrannt, wodurch Dampf erzeugt wird. Der Dampf wird dann in den Fördermaschinen, in den Wasserhaltungsmaschinen usw. ausgenutzt, wird von dem Aus­ puff dieser Maschinen zu der Abdampfturbine geführt und dort in' elektrischen Strom umgewandelt. Nach der Begründung des Ge­ setzentwurfs — ich habe sie eingehend studiert — glaube ich annehmen zu müssen, daß hier vielleicht doch eine Doppelbesteuerung eintreten wird, weil erstens die Gase zunächst besteuert werden, wenn sie Dampf erzeugen, und weil zweitens der Dampf, der bereits in den verschie­ denen Maschinen verwertet ist, nachher in den Abdampsturbinen wieder in Elektrizität umgewandelt wird. Er wird also doppelt aus­ genutzt. Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: Wenn ich darauf ant­ worten und' gleich auf die letzte Frage eingehen darf, so ist das so gedacht: Wenn mittels Gas Dampf erzeugt und daraus Elektrizität hergestellt wird, so wird das Produkt bloß einmal besteuert. Ich könnte mir nicht denken, daß nach dem Wortlaut des § 5 eine Doppel-

Heft 112.

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18 Besteuerung derselben Arbeit herauskommen könnte. (General­ sekretär Dr. Tille: Es steht aber „unmittelbar" da, Herr Geheim­ rat! Hier geht es erst durch Dämpf!) Also das Gas wird benutzt, um Kessel zu heizen, und mit dem durch den Kessel erzeugten Dampf wird dann Elektrizität erzeugt. Das ist ein typischer Fall.

Generaldirektor Reusch-Oberhausen: Darf ich noch einmal um das Wort bitten? Ich habe mich vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt, oder ich bin nicht recht verstanden worden. In einem Kessel wird mittels Gas, das nach dem Entwurf zweifellos steuerpflichtig ist, Dampf er­ zeugt. Dieser Dampf wird dazu benutzt, um die verschiedenen Maschinen, die auf der Werksanlage aufgestellt sind, zu betreiben, die Fördermaschine, die Wasserhaltungsmaschine usw. Der Abdampf dieser Maschinen, der bis jetzt ausgepufft ist, der also bis jetzt un­ verwertet in die Luft ging, wird in neuerer Zeit wieder gesammelt und mit einem Druck von ungefähr 1 Atmosphäre, also unter nor­ malem atmosphärischen Druck, in Abdampfturbinen geleitet, dort weiter ausgenutzt und durch eine Dampfdynamo in Elektrizität um­ gesetzt. Es wird also der Dampf zweimal ausgenutzt; infolgedessen glaube ich, daß, wenn nicht ausdrücklich in dem Gesetzentwurf her­ vorgehoben wird, daß diese Doppelbesteuerung ausgeschlossen ist, der Fiskus in diesem Falle zweimal die Steuer erheben wird; denn die Erfahrungen, die wir alle mit dem Steuerfiskus im Laufe der Jahre gemacht haben, sind nicht derart, daß wir von Hause aus an­ nehmen dürfen, von feiten der Steuerbehörde sehr entgegenkommend behandelt zu werden. Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: Im Sinne dieses Para­ graphen liegt es keineswegs. In diesem Falle würde man, wenn das Gas besteuert wird, annehmen, daß man sich um alles das, was mit diesem Gas nachher gemacht wird, nicht mehr zu kümmern braucht. Es wäre ja schließlich nicht wunderbar, wenn die Fassung der Para­ graphen den einen oder anderen Fall übrig ließe, der nicht vollständig gedeckt wirb. Solche Schwierigkeiten können ja in dem Gesetz noch beseitigt werden, zumal wenn die Industrie ihre Mithilfe dazu leihen würde. Dafür würde die Regierung ganz gewiß sehr dankbar sein.

Vorsitzender: Damit können wir diese Frage vielleicht als er­ ledigt betrachten. Ich würde dann nur Vorschlägen, daß der Herr Negierungskommissar die Güte hätte, sich vielleicht zu bemerken, daß statt: „unmittelbar" gesagt wird: „unmittelbar oder mittelbar".. Ich

19 glaube, auf diese Weise würde das getroffen werden, Keusch im Sinne hat.

was

Herr

Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: Ich habe mir das angerierkt. Es sind da verschiedene Fälle denkbar, und deswegen ist das Wort: „unmittelbar" hineingeschoben. Ich bin im Augenblick nicht in ier Lage, vollständig genau anzugeben, welcher Fall gerade ins Auge

zefaßt war. Es ist dann weiter gefragt worden, ob das Gas oder ob die Elektrizität besteuert wird. Das ist nach dem § 5 noch nicht endgültig festgesetzt. Man hat gedacht, daß, wenn das Gesetz im großen ganzen Zustimmung findet, dann die Industrie mithelfen wird, die einzelnen Fälle zu erläutern, und daß man unter der Mitwirkung der Industrie solche Ausführungsbestimmungen ausarbeiten wird, die praktisch am bequemsten zu handhaben sind und keine allzu großen Härten mit sich bringen. Die 8 Pf. für das Stahlwerk, wie sie auf Seite 21 angegeben worden sind, verdanken wir der Mitteilung einer großen elektrotechni­ schen Firma auf Grund einer, wie sie sagt, von ihr ausgeführten An­ lage. Ich muß aber bemerken, die Differenzen sind nicht so groß, wie es scheint, denn der Herr Vorredner hat zugrunde gelegt einen Steuerbetrag von 0,4 Pf. für die Kilowattstunde, während dort die Selbstkosten mit 2% Pf. und die Steuern mit 5 pCt. davon ange­ nommen sind. Wenn sich hierbei die Steuer auf 8 Pf. für die Tonne stellt, so würden bei einem Steuersatz von 0,4 Pf. etwa 30 Pf. heraus­ kommen. Der Herr Vorredner hat 40—60 Pf. angegeben. Der Unterschied ist also nicht so gewaltig, daß er die Mitteilungen der Be­ gründung als absolut abwegig erscheinen lassen könnte. Man muß immerhin noch dazu berücksichtigen, was die Tonne Stahl etwa kostet. Selbst wenn man die 8 Pf. auf 12 Pf., oder ich will sogar sagen, auf 16 Pf. erhöht, ist das doch noch kein großer Betrag. Ich glaube, so eine Tonne Rohstahl wird man auf 80 M. veranschlagen können. Dann würden 16 Pf. 0,2 pCt. ausmachen. Das ist kein hoher Betrag.

Dr. Gottstein-Breslau: Meine Herren, sämtlichen einleitenden und allgemeinen Bemerkungen des Herrn Vorredners — ich meine leider nicht des Herrn Geheimen Regierungsrats, sondern des Herrn Vorredners von der Guten Hoffnungshütte — kann ich voll und ganz beistimmen, sowohl was das Vertrauen auf die Ueberein­ stimmung mit den Steuerbeamten anlangt, wie die Bemerkung, daß die Verbündeten Regierungen sich über die Tragweste des Gesetz­ entwurfes nicht klar gewesen sind, und zwar bezieht sich dies nicht

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nur auf die Tragweite, sondern auch auf die prinzipielle Frage, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt. Die Industrie wird haupt­ sächlich von dem Gesetzentwurf getroffen. Die verschiedenen Ver­ teidigungen des Gesetzentwurfs, die wir von dem Herrn Regierungs­ vertreter gehört haben, bezogen sich aber hauptsächlich auf die Be­ steuerung des von Elektrizitätswerken abgegebenen Stromes. Schwächer war die Verteidigung der Berechtigung, auch den zum Selbstbedarf erzeugten Strom zu besteuern. Ich gebe zu, daß eine gewisse soziale Konsequenz dazu führen wird, daß, wenn wir den ver­ kauften Strom versteuern, wir auch den zum Selbstbedarf erzeugten Strom nicht steuerfrei lassen können, obwohl dies andererseits nur ein Scheingrund ist, denn das Kleingewerbe, welches hauptsächlich seinen Strom von Elektrizitätswerken bezieht und so viel mehr dafür zahlt als den Preis, zu dem der große Selbsterzeuger sich seinen Strom herstellen kann, konkurriert eben nicht mit der Großindustrie, sondern konkurriert mit dem Kleingewerbe, mit Gewerben, welche auf ganz anderer Basis arbeiten und daher auch diese höheren Strom­ kosten hineinrechnen können! Das Kleingewerbe ersetzt gewissem maßen die Menschenkraft durch den elektrischen Strom, während in der Großindustrie ganz andere Verhältnisse vorherrschen, die Groß­ industrie konkurriert eben nur mit Werken, die sich diesen Strom, resp, die Kraft auch billig herstellen und außerdem mit dem Aus­ lande, welches unbesteuerten und vielfach mit Wasserkräften er­ zeugten billigen Strom hat. Es muß daher sehr auffallen, daß gerade für die Besteuerung der .in der Großindustrie zum Selbstbedarf erzeugten Kraft nur ein einziges Beispiel, und dazu ein abnormes Beispiel, nämlich das eines sehr großen Stahlwerks, angeführt ist. Nach einer statistischen Ueber­ sicht, die ich einmal einsah, hat die Stahlwerksindustrie 1904 im Durchschnitt —ich weiß allerdings nicht, ob das richtig ist; aber es ist in Eisters Wörterbuch unter „Eisen" angegeben — nur etwa 40 000 Tonnen Stahl pro Werk erzeugt. Nun sind ja wahrschein­ lich eine Menge kleiner Stahlwerke dabei berücksichtigt. Es ist auch vielleicht nicht ganz unterschieden zwischen Rohstahl und anderem Stahl. Jedenfalls haben wir doch 6ei: 400 000 Tonnen ein ziemlich großes Stahlwerk. Nun, meine Herren, von der Abgabe von Elektrizität durch die Zentralen will die Regierung 8,4 Millionen erheben, von der zum Selbstbedarf erzeugten Elektrizität aber 14 Millionen, ' Sie' hätte ebensogut 100 Millionen hineinsetzen können. . Die 14 Millionen sind jedenfalls falsch und wahrscheinlich noch falscher als die Schätzung von 100 Millionen. Meine Herren,

21 es sieht sehr unschuldig aus, daß die Industrie bloß 14 Millionen aufbringen soll. Aber die Zahlen stimmen ganz und gar nicht. Es wird ebenso sein wie mit den 22 Millionen Zuwachs, die das Gesell­ schaftssteuergesetz aufbringen soll, wo ich auch nicht verstehe, wie man da bloß zu dem doppelten Betrage gegenüber dem seitherigen gekommen ist, obwohl keine Gesellschaft weniger als das Doppelte zu steuern haben würde, und manche vielleicht bis zum Zwanzigfachen des bisher gezahlten Betrages. Nun haben Sie aber zugrunde gelegt 2000 Millionen Kilowatt­ stunden mit 0,4 Pf. und 3000 Millionen Kilowattstunden mit 0,2 Pf. Wenn Sie aber die Begründung durchsehen, finden Sie schon drei, vier Seiten weiter, auf Seite 25, ausgesprochen: „Es dürfte jedoch auch hier in der Mehrzahl der Fälle" — es ist von den zum eigenen Bedarf arbeitenden Anlagen und einer besonders billigen Produktion die Rede, Absatz 3, Seite 25 — „der feste Satz von 0,4 Pf. für die Kilowattstunde Platz greifen."

Die Regierung rechnet selbst damit, daß wir dem Steuer­ beamten nicht gut werden nachweisen können, daß wir so billig produzieren, und doch wird uns hier von dem Herrn Vertreter der Reichsregierung auseinandergesetzt, daß unter Umständen Fälle Vor­ kommen, wo man nur 0,1 Pf. zahlt. Das wird bei süddeutschen großen Zentralen, die ihre ganze Wasserkraft in elektrischen Strom umsetzen, vielleicht Vorkommen; bei dem Gros der Industrie aber, die dieselben Dalmpfkessel benutzt, wie ich schon an anderer Stelle aus­ führte, um Dampf zum Kochen, zum Heizen, zum Trocknen, für direkten Betrieb und für elektrische Uebertragung zu erzeugen, wird dies niemand so einwandfrei ausrechnen können, daß der Herr Steuerbeamte damit einverstanden ist. Wenn Sie (zum Herrn Negie­ rungsvertreter) uns das so unschuldig darstellen, so bin ich fest über­ zeugt, daß das auch Ihre Ansicht ist; aber wir in der Praxis, die wir im allgemeinen die Auffassung der Steuerbeamten kennen, namentlich nach Verfügungen, die eine vorgesetzte Behörde erläßt, oder die schon mit dem Vorgehen eines übereifrigen Steuerbeamten zu tun gehabt haben, wir wissen ganz genau, daß wir. hier die größten Schwierigkeiten haben werden, und dabei hat man es doch beim elektrischen Strom nicht mit einer materiellen Sache, die wir unmittelbar sehen können, zu tun, sondern mit einer Erscheinung, die in ihrem Wesen noch nicht erkannt, über die die Wissenschaft sich also noch nicht im Klaren ist. Es würden somit große Schwierig­ keiten entstehen. Ferner steht auf derselben Seite 25, daß man in der Regel zu-

22 nächst den Satz von 0,4 Pf. für die Kilowattstunde entrichten muß, und daß am Ende des Jahres auf Grund der Selbstkostenaufstellung abzurechnen fein wird. Ueber die Feststellung der Selbstkosten werden vom Bundesrat einheitliche Bestimmungen zu erlassen sein. Jü, meine Herren, das ist in vielen Gesetzen so; aber ehe wir nicht wissen, was für einheitliche Bestimmungen erlassen werden, können wir uns nicht von vornherein damit einverstanden erklären, sondern es würde sehr wichtig und wünschenswert sein, daß wenn dieses, ich möchte sagen, unmögliche Gesetz — nehmen Sie es mir nicht übel, es ist eine sehr harte Behauptung; ich komme darauf zu­ rück, um das nachzuweisen — angenommen wird, dann die vom Bundesrat zu erlassenden einheitlichen Bestimmungen scholl bei der Regelung des Gesetzes, bei seiner Annahme mit geklärt werden. Es steht dann auch da: „Sie werden unter anderen auch die Fälle zu berücksichtigen haben, bei denen der Strom im Nebenbetrieb unter Benutzung einer hauptsächlich anderen Zwecken dienenden Kraftanlage erzeugt wird. Dort wird es nötig sein, den auf den Nebenbetrieb entfallenden An­ teil an Kapital- und Betriebsaufwand genau festzustellen." Das wird eine furchtbare Arbeit, und wir können nicht annehmen, daß diese Arbeit so unbeanstandet durchgehen wird. Der Herr Ver­ treter der Reichsregierung hat uns auseinandergesetzt: es ist für die Industrie sehr gut, wenn sie dadurch genötigt wird, die Kosten des elektrischen Stromes zu berechnen. Das ist sehr anerkennenswert. Aber ich glaube, daß jedes Werk heute sehr genau berechnet und sehr genau weiß, was ihm der elektrische Strom kostet, soweit bei den variierenden und stark steigenden Kohlenpreisen eine solche Berech­ nung für die Dauer überhaupt möglich ist. Aber die Berechnung, die wir aufstellen, wird durch den Herrn Steuerbeamten nicht anerkannt werden. Nun, meine Herren, wollen wir uns einmal mit der prinzipiellen Frage beschäftigen, ob überhaupt die Kraft als ein Wertmesser oder Maßstab für eine Besteuerung anerkannt werden kann oder benutz­ bar ist. Hier, der Gesetzentwurf, macht es sich leicht. Er führt für die ganze Industrie, die hauptsächlich die Steuer aufbringen soll, das eine Stahlwerk mit 400 000 Tonnen an. Es gibt ja auch noch andere Industrien, und vielleicht kann ich annehmen, daß es kein Zufall ist, vielleicht ist es meiner neulichen Opposition — die mir zwar sehr leid tat, denn die Notwendigkeit der Reichsfinanz­ reform und auch die Notwendigkeit, daß wir alle die größten Opfer bringen müssen, ist mir vollständig klar; und es ist mir daher sehr

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peinlich, den Gesetzentwurf diskreditieren zu müssen —, vielleicht, sage ich, ist es diesem Umstande zu verdanken, daß uns heute auch eine Berechnung über Holzschliff vorgesetzt worden ist, eine Berechnung, meine Herren, die noch viel weniger stimmt als die über das Stahl­ werk. Ganz richtig ist es, daß man Holzschliff im allgemeinen mit direktem Transmissionsantrieb herstellen wird. Aber der Fall, daß die Holzschleifereien hauptsächlich in Gebirgen, an kleinen Wasser­ kräften usw. liegen, trifft heute nur noch in verschwindendem Maße zu und wird immer mehr zurücktreten durch die großen Holzschleife­ reien, die sich einzelne Papierfabriken für den eigenen Bedarf, viel­ fach mit Dampfkraft, und auch für den Verkauf eingerichtet haben. Da kommen wir auf merkwürdige Zahlen. Aber wir wollen einmal erst die Textil-Jndustrie nehmen, die braucht verhältnismäßig sehr wenig Kraft, sie wird daher, soweit sie elektrisch betrieben wird, ver­ hältnismäßig wenig betroffen. Doch kommt es vor, daß eine Textil­ fabrik — ich habe hier die Unterlagen —, die ganz besonders hoch­ wertige Fabrikate erzeugt, mit % pCt. des Umsatzes betroffen wird, also immerhin mehr, als hier beim Stahlwerk angegeben ist. Jetzt wollen wir zur Zuckerindustrie übergehen. Da habe ich von einer Zuckerfabrik eine Berechnung vorliegen. Es ist eine alte Fabrik, die schon viele Dezennien existiert und die nur in einer neueren Abteilung etwas elektrischen Kraftantrieb hat. Da berech­ nen sich die Kosten schon auf 15 Pf. pro Tonne Rohzucker. Eine andere Zuckerfabrik schreibt, daß sich bei ihr die Kosten — es ist auch 0,4 Pf. zugrunde gelegt, und das müssen wir — auf 50 Pf. pro Tonne Zucker belaufen werden, also bei derselben Industrie ganz verschiedene Abstufungen. Die eine ältere Fabrik hat ihre Schnitzel­ trocknung elektrisch betrieben, im Vertrauen darauf, daß man nicht auf die Idee kommen wird, die elektrische Kraft zu versteuern. Sie bezahlt 20 Pf. pro Tonne Trockenschnitzel und ist ganz ungehalten darüber, daß ihr Konkurrent, der die Schnitzelpressen mit der Dampf­ maschine betreibt, gar nichts zahlt. Der Entwurf ist sich über diese Gefahren ja auch klar und folgert auch, daß man eigentlich die Kohlen besteuern müsse. Da das aber aus sozialen Gründen Schwierigkeiten machen würde, könne man das nicht tun, aber es wird hinzugefügt, „die für gewerbliche Zwecke verwendeten Kohlen zu versteuern, scheitere an steuertechnischen Schwierigkeiten". Diese steuertechnischen Schwierigkeiten sind nicht so groß wie beim elek­ trischen Strom, die werden sich überwinden lasten, und Sie werden die Kohlen dann ruhig versteuern können, aber genügen wird das dann auch noch nicht, die Wasserkräfte müssen auch daran, und, meine

24 Herren, vor allem jeder Ersatz menschlicher Arbeitskraft müßte ver­ steuert werden!

Nun kommen wir zum Zement. Die eine Zementfabrik, die erst ganz neuerdings in einigen Abteilungen etwas elektrische Kraft an­ gewendet hat, zahlt 15 Pf. pro Tonne Zement, wobei die Tonne Zement nur mit einem Werte von etwa 19 M. ab Fabrik zu rechnen ist. Ihre Nachbarfabrik hat einige. Drehöfen elektrisch betrieben und zahlt 20 Pf. Nun zur Papierfabrikation. Da muß ich zunächst anführen, daß eine ziemlich große, wenn auch nicht die allergrößte Papierfabrik, für die elektrische Kraft pro Tonne Papier 3 M. zahlen würde, bei dem sehr niedrigen Preise des Papiers ist das also ein sehr viel höherer Satz, und daß sie im Jahre ungefähr etwa 60 000 M. für die elektrische Kraft allein zahlen würde. Dabei ist sie zu etwas mehr gls einem Drittel mit elektrischer Kraft versehen und sonst modern eingerichtet. Eine ganz elektrisch eingerichtete Papierfabrik im Rhein­ sande, die ohne Namensnennung neulich in dem Aufsatze in der Possischen Zeitung vom Oberbürgermeister Cuno, glaube ichwähnt wurde, würde bei einem Gesamterträge, der in guten Zeiten 150 000 M. betrug, 50 000 M. für Elektrizitätssteuer zu zahlen haben.

Mit dem Holzschliff stellt es sich noch ganz anders. Wenn der Holzschliff elektrisch erzeugt wird — und der Fall existiert schon und wird mehrfach diskutiert —, kommen wir auf 50—80 Pf. Steuer pro 100 Kilo, 5—8 M. pro Tonne; der Wert des Holzschliffs ist heute nicht mehr 12 M. ab Fabrik^ wir müssen den Wert ab Fabrik auf 8—9 M. pro 100 Kilo rechnen. Eine Holzschleiferei, die ungefähr 5000 Kilogramm pro Tag produziert und ganz elektrisch betrieben ist, würde, wenn sie gut arbeitet, bei 18- bis 20 000 M. Jahresgewinn, 8000 bis 12 000 M. an Elektrizitätssteuer zu zahlen haben. Also Sie sehen, daß der Kraftverbrauch keinen Maßstab für den Wert des Fabrikats gibt, noch weniger aber für den Gewinn, und daher ganz und gar nicht als Maßstab für eine Besteuerung betrachtet werden kann. Sie kommen da zu ganz unmöglichen Verhältnissen. Die Folge ist aber, daß schon heute niemand mehr ein größeres Werk projektieren kann, wenn nicht ganz zwingende Gründe zum Bau vor­ liegen. Denn wenn eine solche Steuer eingeführt wird, dann kann man die Fabrik natürlich in den meisten Fällen nicht elektrisch be­ treiben. Sie haben mit Recht angeführt, daß der elektrische Betrieb nicht immer eine Ersparnis ist. Er ist es sogar in den wenigsten Fällen,' möchte ich sagen. Er ist vielfach eine Bequemlichkeit, manch­ mal wird er aus hygienischen Gründen — ich will nicht heucheln, ich

25 sqe deswegen nur: manchmal — angewandt, und er erleichtert die Dzentralisierung des Fabrikbaues, was aus steuertechnischen und orderen Gründen vorteilhaft ist. Er ist aber zuweilen auch geradezu Dodesache, und es wird somit natürlich eine viel geringere Ver­ wendung des elektrischen Motors, der Dynamo und der Dampf4u.bine stattfinden, wenn wir eine derartige Steuer einführen, auch schm wegen der schrecklichen Unbequemlichkeiten, die damit verbunden siw, denn die Kontrolle ist keineswegs so unschuldiger Natur. Die Fügen davon merken wir schon jetzt in Unserem Wirtschaftsleben. .Nemand kann einen Fabrikplan vollständig entwerfen, niemand ckarn eine Rentabilitätsberechnung machen, weil er nicht weiß, ob er Elektrische Motoren anwenden kann, oder ob sich das aus solchen «Gründen nicht empfiehlt, und das ist eine Unsicherheit, die das Er­ werbsleben wahrscheinlich sehr stark beeinflußt. Es kann nicht nur ider Bau nicht erfolgen, sondertt er kann nicht einmal genau projektiert mns berechnet werden, und aus diesem Grunde schon wäre es wünschenswert, wenn sehr bald Klarheit geschaffen wird. Ich möchte auch noch auf eines aufmerksam machen: wir zählen den Bruttostrom am Schaltbrett. Sie haben aber nur 80 pCt. Nutz­ effekt im Motor, und wenn Sie, wie es in vielen Fällen wieder ist, mm 80 pCt. vom Motor auf die Maschine haben, dann sind das 64 pCt. vom Bruttobeträge, und Sie zahlen dann nicht 0,4, sondern 0,6 Pf. und mehr für die Kilowattstunde. Nun kommen aber auch abnorme Verluste vor. Es wird oft unter allen möglichen Vorkeh­ rungen ein Garantieversuch gemacht, und auf solchem Paradeversuch beruhen die Berechnungen. Aber es kommt vor, daß ein Kabel schad­ haft ist und im feuchten Sande liegt, und daß, ehe der Fehler ab­ gestellt werden kann, sehr große Stromverluste entstehen, die wir mit versteuern. Die Elemente der Doppelbesteuerung sind auch im Entwurf vorhanden und der Entwurf fühlt dies ja auch heraus; an einer Stelle wird gesagt, daß der Strom für die Kondensationspumpen der Dampfmaschinen, die mit Generatoren direkt verbunden sind, nicht miiberechnet wird. Es wäre auch gar zu merkwürdig, wenn dieser auch berechnet würde, denn die Dampfmaschine gibt um so viel weniger Kraft ab, als sie für ihre eigene Pumpe braucht, ähnlich liegt es bei den Dampfturbinen. Aber die elektrische Kraft, die ver­ wandt wird zum Heranschaffen der Kohlen, zum Betrieb der Kessel­ roste, soweit es nicht ein Elektrizitätswerk betrifft, zum Wasser­ pumpen usw., alles Arbeitsaufwendungen, die zur Erzeugung der elektrischen Kraft notwendig sind, werden besteuert.

26 . Die Elektrizitätssteuer widerspricht auch anderen steuertech­ nischen Grundsätzen. Alle Leute, die gleiches Vermögen, gleiches Einkommen haben, die gleichviel Schnaps, Bier trinken, Zigarren rauchen, die gleichviel erben, zahlen die gleiche Steuer; hier aber haben Sie nicht die gleiche Steuer für den gleichen Wert des Fabri­ kats oder den gleichen Gewinn, sondern oft ist das umgekehrte der Fall: wer billige Kraft hat, soll auch weniger Steuer zahlen, und derjenige, der ohnehin unter schwereren Erzeugungsbedingungen arbeitet, schwerer konkurrieren kann, zahlt unter Umständen höhere Abgaben für den elektrischen Strom. Es ist hier nun angeführt worden, daß wir jetzt so viel burcb verbesserte Turbinen und sonstige Maschinen ersparen, und da sind ganz fabelhafte Zahlen angeführt worden. Es wird heute nicht mehr viele Fabriken geben, die so teuer arbeiten, daß sie soviel sparen können. Wir haben auch unsere Anlagen modernisiert. Wir haben trotz aller Neuerungen viel weniger erspart, als die Verteuerung der Kohle wieder aufgezehrt hat. Also ich glaube überhaupt nicht, daß wir in Zukunft mit einer sehr bedeutenden Ersparnis an Kraft zu rechnen haben werden. Die ständig steigenden Löhne, die auch weiter steigen müssen, die neuen sozialen Lasten und die neuen Ver­ teuerungen des Konsums der Arbeiter, die die Industrie größten­ teils auf ihre Schultern nehmen muß, und ebenso die steigenden Kohlenpreise heben alle Ersparnisse, -die wir vielleicht noch — denn heute handelt es sich doch nur um Zehntel eines Prozentes pro Kilo­ watt — erzielen werden, reichlich auf.

Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: Meine Herren, daß dieser Steuergesetzentwurf außerordentliche Schwierigkeiten hat, unterliegt gar keinem Zweifel. Aber wenn durch meine vorigen Ausführungen ein größeres Gewicht auf die Elektrizitätswerke gelegt worden ist und die Selbsterzeuger etwas zurückgetreten sind, so entspricht das doch auch, wenn nicht der unmittelbaren Gegenwart, so doch ganz sicher der nächsten Zukunft. Es ist ja schon so weit, daß große Werke, ganze Hüttenwerke, ganze Zechen ihre Maschinen vollständig stillgesetzt haben und sich ihren Strom von außen genommen haben, und darin liegt ja gerade ein wichtiges Moment, daß jeder Abnehmer des Stromes, der den Strom von außen nimmt, von jeder Belästigung, von jeder Kontrolle absolut verschont ist. Die ganze Steuerüberwachung liegt dann lediglich auf dem Elektrizitätswerk, und das Hüttenwerk, die Zeche, die Papierfabrik, die den Strom von außen bezieht, ist voll­ ständig bewegungsfrei. Da liegt noch ein weiteres Moment. Die Elektrizitätswerke, die den Strom verkaufen, treiben eine besondere

27 Tarifpolitik. Sie verhandeln mit den einzelnen Abnehmern und rechnen nach seinen speziellen Verhältnissen genau auf den Hundertstel Pfennig aus, wie teuer sie dem Mann den Strom liefern können, damit er sich noch anschließt. Diese Tarispolitik macht sich der ©teuer« mtwurf zunutze, indem er bloß von den Elektrizitätswerken die Steuer nach dem Durchschnittserlös für den Strom erhebt, so daß das Elektrizitätswerk in der Lage ist, den Steuerbetrag seinerzeit wieder nach den einzelnen Zwecken zu verteilen.

Die Elektrizitätswerke rechnen ja damit, daß sie den Straßen­ bahnen, den großen Industrien den Strom fast zum Selbstkostenpreise, vielleicht sogar einmal unter dem Selbstkostenpreis, liefern können, veil sie imstande sind, ihre Generalunkosten bei den kleinen Ab­ nehmern, die den Lichtstrom teuer bezahlen, wieder herauszuwirt­ schaften. Der Entwurf hält sich das besonders zugute, daß er die Möglichkeit schafft, ein elastisches Moment zwischen dem letzten Ver­ braucher und der Steuerbehörde einzuschieben, das imstande ist, solche Härten auszugleichen, und zwar nach den Grundsätzen, die sich in der industriellen Entwicklung ganz von selbst ergeben. Wenn gesagt wurde, daß in einzelnen Industrien die Steuer außerordentlich hohe Beträge ausmacht, so muß ich allerdings noch darauf Hinweisen, daß diese Steuerbeträge, wie sie hier berechnet worden sind, meistens von dem Satze von 0,4 Pf. ausgehen und die Ermäßigung auf Grund der Selbstkosten nicht berücksichtigen. Ja, ich kann dazu nichts sagen, als daß man sich bewußt gewesen ist: die Selbstkostenberechnung hat große Schwierigkeiten, daß man sich aber auch der Hoffnung hingegeben hat, sie wird sich durchführen lassen, denn, meine Herren, man rechnet da positiv und ausgesprochenermaßen auf die Mitwirkung der Industrie. Wir müssen uns doch abgewöhnen, die Industrie einerseits und die Regierung andererseits als zwei Feinde zu betrachten, die sich immer bloß bekriegen. Wozu macht denn die Regierung diesen ganzen Gesetzentwurf? Es ist doch auch die Industrie, die unter der Finanzmisere leidet! Woher kommen denn die hohen Diskontsätze, als dadurch, daß die Regierung gezwungen war, seit Jahren immer Anleihen über Anleihen hinauszugeben. Es ist doch nicht der letzte Grund, der zu der ganzen Finanzreform führte, daß man darauf ausgeht, nun endlich einmal den Geldmarkt in Ordnung zu bringen, und das kommt doch der Industrie auch zugute. Also bei dieser Berechnung der Selbstkosten, bei den Bestimmungen des Bundesrates ist man ausgesprochenermaßen darauf ausgegangen, die Industrie mit heranzuziehen. Man hat es bei dem bisherigen Ver-

28 laufe der Dinge tatsächlich nicht früher tun können, denn die ganze Sache spielte sich ja überhaupt in außerordentlich kurzer Zeit ab. Also ich glaube, man kann dem Reichsschatzamt daraus keinen Vorwurf machen, daß es nicht früher an die Industrie herangegangen ist. Der Moment ist eben jetzt gegeben. Jetzt ist der Entwurf an den Reichstag gelangt und wird zur öffentlichen Diskussion gestellt. Zu den erwähnten hohen Steuerbeträgen wollte ich sagen: sie sind Wohl alle auf einen Einheitssatz von 0,4 Pf. berechnet und erscheinen dadurch wesentlich größer als wenn man sich die Mühe gibt, sie nach den jeweiligen Selbstkosten aufzustellen. Der Strom wird vielfach sogar von Verkaufswerken um weniger als 8 Pf. die Kilowattstunde geliefert und doch haben die Werke im ganzen keine so schlechten Resultate erzielt. Gewiß kommt es vor, daß ein Werk ein paar Jahre lang fast keinen Gewinn ausschütten kann. Wenn man aber den Durchschnitt der Gewinne nimmt, so weit man das überhaupt zu Gesicht bekommt, so sind die Ziffern nicht so sehr kleine. Leider hat man von den privaten Elektrizitätswerken sehr wenig Ziffern über die wirklichen Erträgnisse, und in die Geschäftsberichte — ich habe einen mitgebracht von den westfälischen Elektrizitätswerken — kommen so viele Finanzgeschäfte mit hinein, daß man gar nicht in der Lage ist, über den Gewinn an reiner Stromlieferung etwas Genaues zu ersehen. Man hat sich aber an die städtischen Werke halten können, und da stellt sich heraus, daß die Reingewinne, wie sie schließlich an die Stadtkasse abgeliefert werden, nach ziemlich großen Abschreibungen und nach Verzinsung, Amortisation und Reparaturen sich so ungefähr auf der Höhe von 4 Pf. pro Kilowattstunde bewegen und sie gehen hinauf — es ist in der letzten Nummer der Elektrotechnischen Zeit­ schrift erst wieder von Mainz die Rede; das ist gar keine Anlage mit großen Elektrizitätsabnehmern — auf 8 Pf. pro Kilowattstunde, die an die Stadtkasse abgeliefert werden. Aehnlich ist es bei den Gas­ werken; da bewegt sich der Gewinn pro Kubikmeter zwischen 4 und 5 Pf. Also die Aktiengesellschaften werden im großen Ganzen nicht schlechter arbeiten, und bei diesem Gewinn und bei der Abwälzung auf den Konsum und auf die Fabrikationskosten läßt sich eine Steuer noch unterbringen, wenn sie niedrig gesetzt ist, und sie ist niedrig gesetzt. Man hat sich bemüht, alle Momente, die zu einer Anpassung an die realen Verhältnisse geeignet sind, heranzuziehen. Es schwanken doch auch andere Gestehungskosten, es schwanken die Kohlenpreise. Wenn plötzlich innerhalb drei, vier Jahren die Kohlenpreise um 15 pCt. bis 20 pCt. hinaufgehen, muß das doch auch ausgeglichen werden.

29 Wir leben nicht in normalen Zeiten; da muß man sehen, daß man so etwas herauswirtschaftet. Man sagt dann, die Sache verteile sich ganz ungleichmäßig auf die Fabrikationskosten usw. Das ist ja wo anders auch der Fall. Die Frachten, die auf den Rohmaterialien oder auf den Kohlen, auf dem Hilfsmaterial oder auf dem Endprodukt liegen, verteilen sich doch auch ganz verschieden. Gewiß, man hat Frachttarife, Rohstoff­ tarife usw., man hat sie abgestuft und abgestaffelt. Aber trotzdem sind ja alle Ungleichmäßigkeiten keineswegs herausgenommen, auch andere Steuern verteilen sich ganz ungleichmäßig auf das Fabrikat. Die Branntweinsteuer z. B. wird erhoben nach Prozenten reinen Alkohols. Ja, wenn einer Cognac daraus macht, oder wenn er Cognac brennt, wird er nicht teurer versteuert, als wenn er Kartoffel­ branntwein brennt, und es sind doch sehr verschiedene Produkte. (Dr. Gottstein: Da zahlt es der Konsument!) Ja, das soll doch schließlich bei jeder Fabrikation der Konsument bezahlen. Die Ungleichheit, die darin liegt, daß das eine Werk mehr von der Elektrizität Gebrauch macht, das andere weniger, würde sich auch auf eine Kohlensteuer erstrecken. Auch eine Steuer auf die gewerbliche Kohle wird nicht frei sein von solchen Ungleichmäßigkeiten, denn die Kohle repräsentiert bei verschiedenen Fabrikationen einen sehr ver­ schiedenen Wert vom Endprodukt. Es gibt Fabrikationen, die sehr viel Kohle gebrauchen und deren Endprodukt fast nichts als eine weiter umgewandelte Kohle ist mit wenig erhöhtem Wert, und es gibt Fabrikationen, bei denen die Kohltz wesentlich erhöht wird in ihrem Wert. Unter diesen Umständen leiden alle Industrien. Das liegt in der Natur der Sache. Bergrat Othberg-Eschweiler: Im allgemeinen hat Herr General­ direktor G o t t st e i n das bereits erwähnt, was ich sagen wollte. Ich möchte aber nur noch speziell die Notwendigkeit betonen, daß die Art der Berechnung der Selbstkosten durch das Gesetz geregelt werde; ge­ rade bei großen Anlagen der Industrie, die den Strom sehr billig, erzeugen, bildet die Berechnung der Amortisation und der Zinsen die Hauptsache in den Selbstkosten, man würde aber in der Beziehung, ja ganz im Unklaren sein und die Tragweite des Gesetzes gar nicht beurteilen können, wenn man nicht weiß, in welcher Weise sich die Selbstkosten und namentlich die Amortisation der Anlage usw. be­ rechnen. Dann möchte ich darauf Hinweisen, daß doch eine große Un­ gerechtigkeit der Gesetzesvorlage darin besteht, daß auf bestehende Anlagen und Einrichtungen, die in ihren Anlagen mit dem Pfennig.

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gerechnet haben, nun hinterher eine Steuer erhoben werden soll, die die ganze Kalkulation über den Haufen wirst. Wir, der Eschweiler Bergwerks-Verein', z. B. haben eine Starkstromfernanlage gemacht von einer Gasmotorenzentrale auf 15 Kilometer nach einer Zeche, um die daselbst bestehende, mit Dampf betriebene Wasserhaltung künftig mit Elektrizität zu betreiben. Diese Anlage kostet ziemlich eine Million Mark, und wir haben da mit dem Pfennig gerechnet. Auf diese Weise würde uns aber die Kalkulation über den Haufen geworfen, und wir würden die Anlage wahrscheinlich nicht gemacht haben, wenn wir gewußt hätten, daß der Strom so versteuert werden sollte. Wie bereits der erste Herr Redner auseinandergesetzt hat hinsicht­ lich der verschiedenen Verwendungszwecke des in Dampflesseln durch Gas erzeugten Dampfes, das steuerfreie Gas vom steuerpflichtigen (je nach Verwendung des durch das Gas hergestellten Dampfes) zu unterscheiden, so ergeben sich in dieser Beziehung unlösbare Schwierig­ keiten. Das gehört aber wohl zu dem Kapitel Gas. Es ist aber ebenso bei der Elektrizität. Wir erzeugen aus dem Koksofengas Elektrizität. Wir haben eine Zentrale, die ungefähr 10 000 Kilowatt pro Stunde erzeugt. Nun wird diese Elektrizität zu den verschieden­ artigsten Zwecken verwendet und u. a. selbst auch wieder für Zwecke der Herstellung des Gases und des elektrischen Stromes. Es würde also hier sehr kompliziert sein, auseinander zu halten: welcher Strom wird hier zur Herstellung der Elektrizität erzeugt, welcher zur Her­ stellung des Gases, welches wieder zur Herstellung der Elektrizität gebraucht wird. Kurzum es ergibt sich eine so komplizierte Kontrolle und es ergeben sich jedenfalls so viel Diskussionen mit der Steuer­ behörde, daß es ganz unmöglich wird. Eine weitere Unzuträglich­ keit besteht darin: für selbstverbrauchende Werke, die lediglich für den Selbstverbrauch die Elektrizität herstellen, ist das Abwälzen auf den Konsumenten nicht möglich, die müßten alles allein tragen. Ich habe ausgerechnet: für den Eschweiler Bergwerks-Verein würde die Elektrizitätssteuer allein von' 0,4 Pf. pro Kilowatt eine Mertel­ million Mark jährlich ausmachen, also eine ganz unglaubliche Summe für ein einzelnes Werk, welches dieselbe nicht abwälzen kann. Hierzu kommt dann noch die Gassteuer.

Rechtsanwalt Meyer-Hannover: Ich wollte zunächst auf die prinzipiellen Bedenken nochmals Hinweisen, auf die Herr Gottst e i n aufmerksam gemacht hat. Ich halte es nicht für unwahrschein­ lich, daß, wenn wir eine Gas- und Elektrizitätssteuer haben, wir bann auch eine Steuer auf Dampfkraft bekommen. In der Be-

31 gründung steht schon, daß die Besteuerung von Elektrizität und Gas sich als eine gewisse Einseitigkeit darstellt. Lediglich sind es steuer­ technische Schwierigkeiten nach der Begründung, die davon abgehalten haben, jetzt schon die Dampfkraft zu besteuern. Diese steuertechnischen Schwierigkeiten werden sich überwinden lassen, und zwar um so eher überwinden lassen, als bei der Gas- und Elektrizitätssteuer die kleinen Betriebe, das kleine Gewerbe und die Landwirtschaft ganz erheblich mehr betroffen werden als das bei der Besteuerung der Dampfkraft der Fall sein würde, und bei der Strömung, die nun einmal bei uns in Deutschland besteht, wird man sich das nicht entgehen lassen, nun auch eine Steuer einzuführen, die fast nur die Industrie trifft. Es ist ja auch schon im Reichstag von konservativen Rednern und freikonser­ vativen Rednern darauf hingewiesen worden, daß eine Besteuerung der Dampfkraft unbedingt folgen müsse. Ja, meine Herren, wenn die Dampfkraft auch besteuert wird, wo soll dann die deutsche Industrie bleiben? Wie gesagt, ich lege den Hauptwert hierauf; es kann nach meiner Meinung nicht scharf genug von vornherein Front gemacht werden gegen die Besteuerung der Produktionsmittel. Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen

Norden, daß das Gesetz unvollständig ist, solange es nicht feststellt, wie die Selbstkosten berechnet werden sollen. Das ist vollständig dem Ermessen des Bundesrats überlassen. Ich stimme da Herrn Direktor Reu sch zu, daß es mindestens sehr leicht kommen kann, daß durch die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats die erleichternde Besümmung, daß nicht 0,4 Pf. erhoben werden, sondern 5 pCt. der Herstellungskosten, vollständig illusorisch gemacht wird. Ich weise z. B. auf folgendes hin: Sollen bei der Hüttenindustrie die Gicht­ gase als Wert bei der Selbstkostenberechnung in Anrechnung gebracht werden? Ich glaube nicht, daß irgendein Hüttenwerk bei der Selbst­ kostenberechnung der Elektrizität die Gichtgase in Anrechnung bringt. In der Begründung finde ich aber schon eine Andeutung, daß der Bundesrat wohl dazu kommen kann. Auf Seite 29 ist nämlich zu § 6 der Wert der Gichtgase bereits pro 1000 Kubikmeter zu 2,17 bis 2,78 M. angegeben, und zwar nach der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure. Wie man dazu kommt, diesen Wert zu be­ rechnen, weiß ich nicht. Legt man aber auch nur annähernd diesen Wert zugrunde, dann kommt die Elektrizität ganz sicher auf über 8 Pf. pro Kilowattstunde zu stehen. (Sehr richtig!) Der Herr Negierungsvertreter schüttelt den Kopf. Ich habe für die Jlseder Hütte und das Peiner Bergwerk das ausgerechnet. Wir würden auf etwa 8,5 Pf. kommen. Also diese erleichternden Bestimmungen

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werden vollständig illusorisch gemacht. Dann komme ich mit Herrn R e u s ch auch zu ungefähr denselben Zahlen. Es würde sich bei uns die Belastung pro Tonne Stahl nicht auf 8 Pf., wie hier steht, sondern auf 46 Pf. etwa stellen, und dabei sind wir mit unseren elektrischen Anlagen überhaupt noch gar nicht ausgebaut. Dieses Beispiel, wie cs auf Seite 21 steht, mag zutreffen für ein Werk, das vielleicht ein Drittel seiner Hochofengase für Elektrizität ausnutzt. Das ist nur ein Uebergangsstadium, das ja schon, glaube ich, bei den meisten

Werken überholt ist. Die Rechnung ist aufgestellt für eine Erzeugung von 25 600 000 Kilowattstunden. Wir, die wir noch nicht ausgebaut sind, haben bei einer Erzeugung von in diesem Jahre vielleicht 260000 Tonnen Stahl immerhin 27 Millionen Kilowattstunden. Also danach würde sich die Sache noch ganz anders stellen. Ist man aber erst ausgebaut, so gibt das noch eine ganz andere Belastung. Der Herr Regierungsvertreter hat jetzt noch nachgeholt, was in der Begründung fehlt, er hat nämlich berechnet, wie hoch sich die Belastung für Elektrostahl stellen würde. Aber die Zahlen, die er gibt, mögen wohl für ganz bestimmte Sorten Stahl passen. Er hät da angegeben, daß Elektrostahl die Tonne mit 500 M. verkauft wurde. Das mag für ganz bestimmte Spezialitäten zutresfen. Ich weise aber darauf hin, daß jetzt bereits Schienen aus Elektrostahl gemacht sind (sehr richtig!); für diese sind nicht 500 M. bezahlt worden, sondern es wird ein Aufpreis, wenn ich nicht irre von 20 M. pro Tonne des Produktes, bezahlt.

Die Belastung pro Tonne hat der Herr Regierungsvertreter auf 25—43,2 Pf. angegeben. (Geheimer Regierungsrat Dr. Weber: 72!) So? 72! Diese Belastung würde aber nicht auf den ganzen Preis zu rechnen sein, sondern lediglich auf den Ueberpreis von 20 M., den der Elektrostahl gegenüber dem gewöhnlichen Thomasstahl erzielt, und das gibt eine so horrende Belastung für die Tonne, daß, wenn der Entwurf Gesetz wird, diese Industrie in Deutschland nach meiner Meinung nicht möglich ist. Der Herr Regierungsvertreter hat weiter gesagt, die Vorteile der Elektrizität sind so groß, daß viele Werke auch dann Elektrizität ein­ führen, wenn sie dadurch keine Verbilligung erzielen. Das ist voll­ ständig richtig. Ich kann ihm aber auch noch einen anderen Grund sagen, der bisher nicht erwähnt ist, das ist nämlich der und der spielt für uns auch eine Hauptrolle —: wenn man durch Verwertung seiner Gichtgase mittels Elektrizität 50 000 bis 100 000 Tonnen Kohle im Jahre sparen kann, bann, macht man sich um diesen Betrag vom

33 Köhlensyndikat und vom Bergbau unabhängig, und das ist an sich ein sehr großer Vorteil. Würde die Elektrizität verteuert und man konmt wieder zur Dampfkraft, die durch Kohle erzeugt werden muß, darn ist die Anspannung des Kohlenmarktes wieder eine wesentlich größere, und ich glaube, es kann auch nicht im volkswirtschaftlichen Interesse liegen, daß die Ausnutzung von Kräften unmöglich gemacht totrb, die eine Ersparnis der Kohle bedeuten.

Generalsekretär Dr. Boltz-Kattowitz: Auch bei unserer Stellung­ nahme als K o m m i s s i o n des Centralverbandes zu dem vorliegen­ den Elektrizitäts- uni) Gas-Steuer-Gesetzentwurf muß es nach meinem Dafürhalten in allererster Linie auf die Bekämpfung des P r i n z i p s der Steuer sowie ihrer wirtschaftlichen und technischen Unrichtigkeit und Schädlichkeit ankommen, ' nicht aber auf die Erörterung und Widerlegung möglichst zahlreicher Einzelheiten. Auch dieser Einzel­ heiten wird man ja zweifellos zur B e g r ü n d u n g des p r i n z i Pi eilen Standpunktes bedürfen, und da Herr Gott st ein und andere Herren in dieser Hinsicht schon sehr viele überaus beachtens­ werte Momente vorgebracht haben, und da diese Momente von an­ derer Seite noch werden stark vermehrt werden, will ich hierauf nicht näher emgehen, sondern mich auf die ergänzende Hervorhebung einiger wichtiger Momente beschränken, die mehr allgemeiner und prinzipieller Natur sind. Hierbei sei zunächst das von den — freilich nur weni­ gen — Freundem der Steuer und auch von der Negierung gern be­ tonte Moment erlwähnt, daß die städtischen und sonstigen ElektrizitätsZentralen sechr gut und bequem und auch ohne erhebliche Schädi­ gung ihrer Abnehmer die in Frage stehende kleine Abgabe von diesen Abnehmern einzbehen können. Das ist zweifellos richtig, und es ist ferner zuzugcben, daß es eine ganze Anzahl kleiner Elektrizitäts­ und auch Gas-Konsumenten — namentlich für Lichtzwecke — gibt, welche die in Frage stehende Steuer zu tragen vermögen und sie eventuell einfach durch Minderkonsum ersparen können. Betrachtet man aber den äußer st geringen An teilandemGesamtbetragderSteuer, welcher — sogar nach dem Gesetzentwurf — von diesem Teil der Konsumenten aufgebracht werden würde, während der Löwenanteil ein der Steuer von den großen Ver­ brauchern und namentlich der G r o ß i n d u st r i e aufgebracht werden müßte — und sogar in noch viel höherem Maße, als die erheblich zu niedrigen Rechnungen der Regierungs-Vorlage das an-. nehmen —, dann wird man ohne tveiteres einsehen, wie geringfügig dieses „Z e n t r a l e n - M o m e n t" ist gegenüber den schweren prinzipiellen Bedenken gegen den Entwurf. Hest 112.

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34 Das zweite allgemeine Moment, auf das auch ich als aus •ein.' ganz besonders wichtiges noch Hinweisen möchte, ist die ge­ waltige Steigerung der Selbstkosten, welche die Steuer für zahlreiche Industrien und Industriebetriebe zur Folge hätte. Auch bedarf es hier bloß der Erinnerung an die Tatsache, daß es sich schon heute bei vielen Industriezweigen nur um Pfen­ nige bei den Selbstkosten handelt, um noch gerade ohne Zubußen arbeiten zu können und namentlich gegenüber dem Auslande wett­ bewerbsfähig zu bleiben: und man ist sich sofort klar darüber, wie überaus schädlich in diesen Fällen die neue Steuer wirken müßte. Dazu kommt, daß diese Erhöhung der Selbstkosten gerade diejenigen Betriebe treffen würde, welche aus irgendwelchen Gründen die für gewöhnlich teuerste Kraft verwenden und zwar vielfach verwenden müssen, oder welche besonders viel Kraft nötig haben. Darin würde eine weitere Steigerung und Verschärfung der ohnedies vorhandenen Unbilligkeit und Schädlichkeit stecken. Ein besonderswichtigesprinzipiellesMoment wird von denjenigen Fällen geliefert, in welchen es sich für Industrielle um die Entscheidung darüber handelt, eventuell eine bereits bestehende anderweite Kraftanlage durch die Elektrizität als Kraft zu ersetzen. Hier spielen nicht selten die Selbstkosten insofern keine allein maßgebende Rolle, als hier öfter betriebliche Vorteile, Sicherheits -Vorteile, Gesundheits -Vorteile und Vorteile anderer ähnlicher Natur, trotz eventuell etwas gesteigerter Selbst­ kosten, den Ausschlag zugunsten der Elektrizität als Betriebskraft geben können. Auch sind mir Fälle bekannt, in welchen man nur bei besonders wohlwollender Rechnung zugunsten der Elektrizität noch gerade einen ganz geringfügigen finanziellen Betriebs-Vorteil für die Elektrizität herausrechnete, in welchen man sich aber trotzdem mit Rücksicht auf jene anderweiten Vorteile zum Ersatz der vorhandenen Kraftanlage durch eine elektrische entschloß. In allen diesen Fällen würde in Zukunft eine vollkommene Wandlung eintreten, wenn bei der aufzustellenden vergleichenden Kostenrechnung noch diejenige gewaltige Belastung der Elektrizitätsanlagen' hinzu­ treten würde, welche der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht und welche nach mir gewordenen Mitteilungen bis in die Zehntausende, ja Hunderttausende für den einzelnen industriellen Betrieb allein an Steuer ausmachen kann. Die Einführung der Elektrizität als Kraft würde in diesen Fällen nicht mehr möglich sein, und so würden in zahlreichen Betrieben alle die bedeutenden betrieblichen hygienischen und sonstigen — auch Arbeiterschutz- — Vorteile verloren gehen, welche ihnen ohne Steuer zuteil geworden wären.

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Das hätte aber noch einen weiteren Nachteil im Gefolge, utnbben schätze ich persönlich als vielleicht den allergrößten, Weihen bas Gesetz nach sich ziehen würbe. Jebe Mehr- Anwendung hier Elektrizität als Kraft, jebe neue elektrische Betriebs-, Arbeiti= ober sonstige Maschine Lebeutet einen inbustriellen Fortschritt, hier sowohl in Punkto Selbstkosten, alB auch in Punkto Arbeiter-Fürsmrx unb -Gesunbheit, als endlich in Punkto Wettbewerbsfähigkeit irnit dem Auslande besonders wertvoll sein kann. Alle hierin steckenbien Entwickelungs-Möglichkeiten für unsere Industrie gehen verloren, wenn man die Besteuerung dieser Fortschritte durch den vorliegenden Gesetzentwurf einführt; denn das ist ja hier der springende Punkt: erst wenn eine neue Maschine i n A u f t r a g g e g e b e n ist, wenn man sie konstruiert, unb vor allem wenn man sie bann anwendet und im Betriebe beobachtet unb studiert, — erst bann findet man, ob und inwieweit sie einen Fortschritt bedeutet, und sieht man nament­ lich, wie man eventuell die nächste Maschine anders konstruieren muß, um wirklich einen Fortschritt auf dem betreffenden Gebiete zui erzielen. Unb hieran ist natürlich nicht nur die Industrie als Verbraucherin derartiger Maschinen interessiert, sondern ebenso auch und in gewissem Sinne sogar noch mehr diejenige Industrie, welche derartige Maschinen baut, und hier wieder diese Industrie nicht nur als Lieferantin für das Inland, sondern als solche auch für das Ausland. Bedenkt man nun in diesem Zusammenhänge alle die gewaltigen Fortschritte, welche speziell unsere deutsche elek­ trische Industrie in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, und die geradezu hervorragende Stellung, welche sie hierdurch auf dem Welt­ märkte sich errungen hat, und daß dies alles durch die neue Steuer schwer beeinträchtigt und gefährdet würde, bann muß man unter diesem Gesichtspunkte allein schon sagen: eine solche Steuer ist unmöglich! Mit zwei Worten muß ich noch auf die Elektrizitäts-Zentralen zurückkommen und auf folgende Argumentationen der F r e u n d e der neuen Steuer: „E r st e n s, in diesen zum Teil sehr viel Geld verdienenden Zentralen haben wir zweifellos nicht nur ausgezeichnete SteuerSubjekte, sondern auch (in den Verbrauchsgebieten ihrer Ab­ nehmer) leicht zu erreichende und zu besteuernde Steuer- Ob­ jekte, die man unmöglich in der jetzigen Finanzlage des Reiches außer acht lassen kann," und „zweitens, alle die Schwierigkeiten bezüglich der SteuerErhebung und -Bemessung, welche man bei den industriellen Selbst3*

36 crzeugern von Elektrizität beklagt, fallen immer mehr fort, toemr, Ivie das wohl eintreten würde, die Selbsterzeuger immer mehr dazu' übergehen, ihre Kraft von Zentralen zu beziehen." Hierzu sage ich gegen die Argumentation unter 1: was schadet denn das, wenn derartige Zentralen noch etwas Geld verdienen? Es sind ja meistens städtische Zentralen, und wenn die betreffenden Städte aus dieser Steuerquelle etwas mehr Geld beziehen, brauchen sie an anderen Steuern weniger, — und schließlich ist es ja doch derselbe Steuerzahler, der bei a l l e n Steuern bluten muß, ob es sich nun um Steuern an das Reich, oder an den Staat, oder an die Gemeinde, oder an die Kreise usw. usw. handelt. Gegen die Argumen­ tation unter 2 aber sage ich: eine stärkere praktische und tat­ sächliche Verurteilung der ganzen Elektrizitäts­ steuer, als den Umstand, daß zahlreiche Industrielle, die bisher ihre Elektrizität selbst erzeugten und erzeugen konnten, sich aus Gründen dieser Steuer dazu gezwungen sehen würden, von der Selbsterzeugung Abstand zu nehmen und lieber Konsumenten von Zentralen zu werden, kann ich persönlich mir nicht denken. Es muß als ganz zweis?8ys gelten, daß im allgemeinen für den großindustriellen Betrieb die selbst­ erzeugte Elektrizität billiger ist als die von einer Zentrale bezogene, und daß deshalb schon im Interesse der eigenen gesamten SelbstkostenVerbilligung und demgemäß der eigenen Wettbewerbsfähigkeit gegen­ über dem Auslande jeder Großindustrielle bestrebt sein muß, die von ihm benötigte Elektrizität immer noch billiger selbst her­ zustellen, nicht aber sie erst von einer Zentrale, also einem ande­ ren Industriellen mit besonderem Profit daran, zu beziehen. Schon ganz allein diese Argumentation, die Steuer werde zur Vermehrung und Vergrößerung der Elektrizitäts-Zentralen auf Kosten der industriellen Elektrizitäts-Selbsterzeuger führen, beweist, wie wenig die verwickelten und schwierigen hier in Betracht kommenden industriellen Verhältnisse den Freunden der neuen Steuervorlage bekannt sind. Ich schließe nach alledem mit der Bitte, bei der endgültigen Stellungnahme des Centralverbandes bezw. bei der Begründung der­ jenigen gegnerischen Stellung, die er bereits eingenommen hat, immer wieder die gewichtigen prinzipiellen Gründe in den Vorder­ grund zu stellen und nicht etwa die bloße Geldfrage. Denn was die Notwendigkeit anlangt, auch für das Reich mehr Steuern aufzu­ bringen, so wird diese von keinem Industriellen bestritten; auch ist jeder Industrielle gern bereit, den auf ihn entfallenden Anteil an dem aufzubringenden Steuer-Mehr zu tragen; nur verlangt die Industrie,

37 umd verlangt sie das mit Recht, daß die auszubringenden Steuern prinzipiell richtige und prinzipiell gerechte und ohne Gefährdung ihrer Existenz ertragbare Steuern sein müssen. Auch wird sie an b erartigen Steuern weniger schwer 100 Millionen aufbringen, als an so durchaus unrichtigen und zwar prinzipiell und wirtschaftlich unrichtigen und schädlichen Steuern, wie der geplanten Gas- und Elektrizitätssteuer, 50 Millionen. Professor Dr. Budde-Berlin: Meine Herren, was die Einzel­ heiten angeht, von denen hier die Rede gewesen ist, so möchte ich nur in dieser Beziehung einen einzelnen Punkt hervorheben, das ist die Tatsache, daß die Hochofengase, die Gichtgase nach dem Gesetz frei sein sollen, daß aber die mit diesen Gichtgasen hergestellte Elektrizität besteuert werden soll. Aus den Hilfsbüchern der Hüttentechnik, die man ja überall findet, ergibt sich — ich habe mir das aus verschiede­ nen Quellen zusammengestellt —, daß irrt Reich 46 Milliarden Kubik­ meter armes Hochofengas produziert werden, von diesen dienen etwa 14 für Gebläse usw., es bleiben 32 Milliarden für Elektrizität. Man kann 4 Kubikmeter auf eine Kilowattstunde rechnen, das macht 8 Milliarden Kilowattstunden, die damit hergcstellt werden. Daß man nicht genau weiß, wie die Selbstkosten einer solchen Kilowatt­ stunde zu berechnen sind, haben Sie vorhin schon gehört. Nehmen wir sie möglichst billig an und denken sie besteuert mit 0,2 Pf., so macht das im Jahre 16 Millionen Mark an Steuer, das sind 20 pCt. von den Dividenlden unserer sämtlichen deutschen Hüttenwerke. Ich glaube also, wenm das Gesetz jemals zur Tat werden soll, müßte cs unbedingt einen Paragraphen enthalten, der besagt: Elektrische Energie, die mittels steuerfreier Gase hergestellt wird, ist selbst steuer­ frei. Ohne das hätten wir 16 Millionen oder mehr Millionen Mark jährlich, welche gegen die Verwendung des fortgeschrittensten techni­ schen Hilfsmittels militieren, und das wäre wahrlich keine Kleinigkeit. Weitere Einzelheiten sind schon so gründlich besprochen worden, daß ich mich nicht darauf einlasse. Ich möchte nur noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Zunächst möchte ich ein Moment hervorheben, das noch nicht hervorgehoben worden ist, nämlich daß bie Beurteilung der Wirkung in jedem einzelnen Falle wesentlich davon abhängt, wie bei Anwendung der Elektrizität die Gewinnmarge steht. Nehmen Sie zwei extreme Fälle. Der eine hat eine Damen­ schneiderei, wo er ein paar Nähmaschinen mit Elektrizität treibt. Der Mann braucht pro Nähmaschine 0,1 bis 0,5 PS. und rechnet gegen­ über seinen Kunden mit 30 bis 50 pCt. Gewinnmarge. Da kommt cs auf die Besteuerung natürlich gar nicht an; derartige kleine Gewerbe

38 kann man also außer Betracht lassen. Den entgegengesetzten Fall haben wir da, wo kolossale Mengen erzeugt werden, und wo mit einer außerordentlich geringen Gewinnmarge gerechnet wird. Ein Beispiel hat Herr Geheimrat Weber vorher angeführt, das ist geradezu klassisch. Das ist die Erzeugung künstlichen Stickstoffs. Er hat uns ausgeführt, daß pro Kilo Stickstoff 6 Pf. als Elektrizitäts­ steuer herauskommen. Nun weiß ich mich ganz wohl — denn ich habe selbst dabei mitgewirkt — aus der Zeit, wo die künstliche Stickstoff­ erzeugung entstand, der Tatsache zu entsinnen, daß die Frage, ob die Sache jemals kommerziell werden könnte, davon abhing, ob man das Kilogramm Stickstoff im künstlichen Dünger für 80 oder 90 Pf. herstellen könnte. Da machen also die 6 Pf. drei Fünftel der ge­ samten Marge aus, von der überhaupt die Rentabilität des Unter­ nehmens abhängt. Also bei aller Massenproduktion wird wahrschein­ lich die Steuer sehr schwer wirken. Dann glaube ich, daß gerade die Belästigung durch die Aufsicht in der Großindustrie doch viel schärfer sein wird, als Herr Geheimrat Weber uns das hingestellt und vorgetragen hat, denn Sie wissen ja alle, wie die Elektrizität — und niemand kann das besser beurteilen als der Elektrotechniker selbst — in alle Winkel der Werke hinein­ steigt, und wie der Herr mit der grünen Uniform überall hineinsehen muß. Diese Herren mit der grünen Uniform sind sehr ehrenwerte Leute, aber Liebenswürdigkeit ist nicht ihr Fall, das wissen wir alle. Im Gegenteil, es ist ihre Aufgabe, in vielen Fällen unliebenswürdig zu sein, und man kann deswegen auch sagen, daß sie geachtet, aber nicht so sehr beliebt sind, und ich glaube, daß gerade die Belästigungen in der Beurteilung der ganzen Steuer durch die Großindustrie ebenso stark und vielleicht noch stärker wiegen als die Rücksicht auf den Geldpunkt. Was nun den allgemeinen Standpunkt angeht — nun, wir haben ja eigentlich gar nicht die Frage zu erwägen, ob überhaupt die 50 Millionen hereingebracht werden, sondern die Frage, ob sie gerade in dem Wege der Besteuerung von Gas und Elektrizität hereingebracht werden müssen. Wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, dann würde ich sagen: in Gottes Namen, schicken wir uns darein. Aber es gibt andere Möglichkeiten, und so lange die vorhanden sind, ist der prin­ zipielle Einwand gegen diese Steuer nicht zu unterdrücken, welcher eben darin besteht, daß sie nicht ein fertiges Produkt, sondern das Produktionsmittel trifft. Besteuern Sie das, was wir fertig verdient haben, soweit es die Umstände erfordern. Soweit die Steuer ge­ tragen werden muß, wird die Industrie bereit sein, sie zu tragen.

39 Aber wenn man die Mittel besteuert, mit denen sie ihr Geld verdient, dann brjngt man'sie in die Gefahr, schwere Einbußen zu erleiden, und ganz besonders gilt dies noch für die Elektrizität, weil sie ja das fort­ geschrittenste technische Mittel ist, weil die Steuer, die auf sie gelegt wird, tatsächlich gegen einen technischen Fortschritt ankämpft. Zahlenmäßige Notizen darüber zu geben, ist der Natur der Sache nach nicht möglich. Wir Elektriker stehen der Sache ziemlich objektiv gegenüber; wir haben uns vor allen Dingen zu richten nach den Ein­ drücken, die dieses Steuerprojekt in den Kreisen der von uns beziehen­ den Industrien macht. Wir haben natürlich reichliche Gelegenheit, das zu erfahren, und da muß ich allerdings zur Steuer der Wahrheit sagen, daß die Eindrücke, die uns von außen gekommen sind, alle ohne Ausnahme gleich ungünstig lauten, und damit muß ich mich denn auch definitiv auf die Seite derjenigen stellen, die sich gegen das Gesetz aussprechen. Borsitzendcr: Meine Herren, ich möchte Sie bitten, auf die Frage der 50 Millionen und auf die übrigen Fragen, welche der ganze Ge­ setzentwurf enthält, nicht näher einzugehen, auch nicht die prinzipielle Frage weiter anzuschneiden, über die Herr Geheimrat Dr. Weber vorher schon Ausführungen gemacht hat, denn die Kommission ist hier kigentlich doch lediglich zusammenberufen worden aus Technikern, welche die Sache auf Grund ihrer Erfahrungen in der Großindustrie kennen, und wir sollten uns wohl darauf beschränken, uns lediglich mit der Materie zu beschäftigen, wie sie uns bis jetzt eben Vorgelegen bat. Es ist ja nicht unsere Aufgabe, neue Steuern zu bestimmen für die 50 Millionen, die vielleicht abgestrichen werden. Im übrigen sind wir auf den 50 Millionen noch nicht angelangt, wir kommen ja noch zur Lichtsteuer usw. Geheimer Regierungsvat Dr. Weber: Zu der prinzipiellen Frage möchte ich allerdings noch etwas sagen. Es ist vollständig richtig, daß es ein neuer Schritt ist, die Kraft zu besteuern, aber daß man sich der Tragweite dieses Schrittes nicht bewußt' gewesen sei, darf man nicht annehmen. Jedenfalls war man im Reichsschatzamt der Mei­ nung, daß es nicht möglich sei, die Steuern auf Genußmittel, wie sie ja auch in der Reichstägsvorlage enthalten sind, noch weiter auszu­ dehnen. Man muß da auch mit den politischen Verhältnissen, mit der Stellung der Parteien rechnen, und die Steuer auf Genußmittel, auf Tabak, auf Bier, auf Branntwein betrifft doch eben schließlich auch Industrien, die davon ihren Lebensunterhalt beziehen, die daraus einen Löbensberuf machen, sie trifft nicht ohne weiteres nur den Kon­ sumenten; denn ein Rückgang des Konsums tritt unter Umständen

40 ein, und der trifft direkt diese Industrien. Deshalb ist es nicht ab­ wegig, nun auch noch andere Industrien zur Steuer heranzuziehen. Uebrigens ist es nicht vollständig richtig, daß man noch niemals ein Arbeitsmittel zu den Bedürfnissen des Staates herangezogen hätte. Es ist dieselbe Sache bei den Frachten der Staatsbahnen, die ja nicht in Form einer Steuer, sondern in Form eines Gewinnes von der Cisenbahnverwaltung erhoben werden, und zwar, wie .allerdings vielfach beklagt wird, über das Maß der unmittelbaren Selbstkosten hinaus. Aber Sie wissen ja, welche große Rolle die Staatsbahnen in der preußischen Finanzverwaltung spielen, und es wäre doch heute kaum möglich für die preußische Staatsverwaltung, .auf diese Ueberschüsse zu verzichten. Das sind Ueberschüsse, die un­ mittelbar die Produktion belasten, die ein Arbeitsmittel belasten. Die Fracht, die auf einem Rohprodukt oder Mittel- oder Hilfsprodukt oder Fertigprodukt liegt, belastet die Produktion. Also, es ist nicht etwas absolut Neues. Es ist dann gesagt worden, es sei unmöglich, diese Belastung auszugleichen. Unmöglich ist es nicht. Wir haben viele Dinge, in denen wir in der Industrie auf dem Weltmarkt schlechter gestellt sind als unsere Nachbarn. Die deutsche Eisenindustrie hat es fertig gebracht, die englische Eisenindustrie zu schlagen, obgleich diese mit Eisenbahnund solche, die darüber gehen, zahlen gleich das doppelte. Das ist natürlich eine gewisse Schwierigkeit; allein anders war das nicht zu machen. Man hat nicht selbstregistrierende Heizwertmesser, nach deren Ablesung man die Steuer bemessen könnte. Doch scheint das dadurch ausgeglichen zu werden, daß viele von den Anlagen ihrer ganzen Art nach bloß eine bestimmte Art von Gas erzeugen können. Wichtig ist

60 ja hier auch der § 5, daß das Gas, das nachher zur Erzeugung von Elektrizität verwandt werden soll, nur einmal zur Steuer heranzu­ ziehen ist, und das Wort „unmittelbar" bezieht sich auf solche Elektri­ zität, die zur Herstellung von Elektrizität selbst und auf solches Gas, das zur Herstellung von Gas selbst verwandt wird. Es soll also frei bleiben das Gas, das zum Beispiel zur Heizung der Gasretorten ver­ wandt wird. Freibleiben soll dann auch das Gas, das nicht vor seiner Verwendung als solches in die Erscheinung tritt, zum Beispiel das Gas, das in Regenerativöfen zum Vorschein kommt, überhaupt die sogenannte Gasfeuerung, die zuerst den festen Gasstoff in Gas ver­ wandelt und dann unmittelbar danach in demselben Ofen dieses er­ zeugte Gas der Verbrennung zuführt. Ebenso müßte das besonders erwähnt werden bei den Benzin- und Oelmotoren. Eigentlich ist das ein Verdampfen des flüssigen Brennstoffs. Man spricht aber auch da vom Vergasen. Damit da kein Irrtum und kein Mißverständnis ent­ steht, sind die Benzin- und Oelmotoren in § 6 besonders genannt, weil eben hier dieser vergaste Brennstoff an sich nicht besonders gefaßt werden kann, also auch der Messung und der Besteuerung an sich nicht zugänglich ist. Dazu kommt, daß dieser flüssige Brennstoff meistens ic Grundsätze, nach denen die erhöhte Gesellschaftssteuer bemessen istt, erregen in den Kreisen der Beteiligten die lebhafteste Beunruhiguing.

Nach der Vorlage der Königlichen Staatsregierung sollen die Aktiengesellschaften usw., die bisher 22 Millionen Mark Einkommen­ steuer zahlten', künftig 44 Millionen Mark entrichten. Die physischen Personell, welche im letztvergangenen Jahre insgesamt 225 Millionen Mark Einkommensteuer aufbrachten, sollen nur um 2OV2 Millionen Mark höher herangezogen werdeir. Die Aktiengesellschaften werden also um 100 pCt., die Privatpersonen um weniger als 10 pCt. ge­ steigert. Ein solches Verhältnis wird man als angemessen kaum an­ erkennen können. Die mehr akademische oder taktische Frage, ob gen:äß der Regierungsvorlage die Aktiengesellschaften aus der allflcmciiien Einkommcnbcsteuerung herauszunehmen und mit einer besonderen „Ertrags"-Steuer, der sogenannten Gesellschaftssteuer, zu

142 belegen sind, soll nun gestreift werden, sie tritt hinter den grund­ sätzlichen Bedenken zurück. Selbst wenn man annimmt, daß die Aktiengesellschaften, weil sie besondere Rechtspersönlichkeit besitzen, und diese Gesellschafts­ form besonders befähigt ist, sich Kapital und Kredit zu verschaffen, eine höhere Besteuerung vertragen, so sind dem im Interesse der Ge­ rechtigkeit und der wirtschaftlichen Entwickelung doch gewisse Grenzen gezogen. Die Klagen, daß die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte dem mobilen Kapital — wie es vornehmlich in Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien investiert ist — sich wenig günstig zeigte, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Betreffs einer angeregten Reichsdividendensteuer sagte in seiner im Oktober­ heft dieses Jahres der deutschen Rundschau veröffentlichten Darlegung Seine Exzellenz der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamts, StaatsMinister S y d o w: „Der Vorschlag entspringt wohl einer instinktiven Abneigung gegen das mobile Kapital, die ich nicht für berechtigt halte. Es geht nicht an, auf den Kapitalmarkt und seine Erscheinungsform, . die Börse, einseitig loszustürmen; er könnte sonst in Zeiten, in denen das Reich und die Staaten dringend auf ihn angewiesen

sind, wie bei kriegerischen Verwickelungen, versagen. Wirtschaft­ lich erfahrene Völker, wie z. B. Frankreich und England, denken über seinen Nutzen und die pflegliche Behandlung, die er ver­ dient, anders."

. Daß die geplante preußische Gesellschaftssteuer einer verschärften Dividendensteuer gleichkommt, dürste kaum zu bestreiten sein; es wird das in den nachfolgenden Ausführungen nachzuweisen versucht werden. Der Regierungsentwurf begründet die von ihm vorgeschlagene Höherbelastung der Gesellschaften, wie fortan hier kurz gesagt werden soll- zunächst damit, daß sie bisher nicht auch wie die physischen Personen, der Ergänzungssteuer unterliegen, „obwohl sie unzweifel­ haft ein von dem Vermögen ihrer Mitglieder verschiedenes steuer« bares Reinvermögen besäßen"., Diese Auffassung wird nicht nur aus den Kreisen der Beteiligten, sondern auch von der wissenschaftlichen und juristischen Kritik energisch bcstrstten. Es ist sehr bezeichnend, daß man auf konservativer Seite, wo man einer weiteren Belastung des mobilen Kapitals wohlgeneigt ist, dagegen die Reichsnachlaßsteuer bekämpft, einer Reichsdividendensteüer warm das Wort redet. Die Kreuzzeitung äußert sich dahin, die Gesellschaftssteuer sei der Idee nach eine vortreffliche Neuerung.

143 Das Prinzip einer Sonderbesteuerung der Aktiengesellschaften ver­ diene namentlich im sozialen Interesse die energischste Befürwor­ tung usw. Weiter aber schreibt das konservative Organ im Morgen­ blatt vom 25. Oktober: „Nur die beigegebenen Motive sind nichts weniger als stich­ haltig. Nicht weil, wie es dort heißt, der Aktionär von der Geschäfts­ führung weit entfernt ist, sondern weil der Preis der Aktien und damit die Zinsberechnung beständig schwanken, wird der Aktionär die Steuer nicht als eine ihn selbst treffende Belastung „empfinden". In vielen Fällen wird er es aber schwarz auf weiß (im Geschäfts­ berichte) zu lesen bekommen, daß die Dividende 1 pCt. oder % pCt. höher hätte bemessen werden können, wenn statt der Gesellschafts­ steuer noch die frühere Einkommensteuer zu entrichten gewesen wäre. Ferner ist es nicht schlüssig, wenn die Abstufung der Steuerleistung nach dem prozentualen Verhältnisse der Ueberschüsse zum Grund­ kapital (also eine Verbindung von Einkommensteuer und Vermögens­ steuer) damit annehmbar zu machen versucht wird, daß -die Gesell­ schaften „unzweifelhaft ein von dem Vermögen ihrer Mitglieder ver­ schiedenes steuerbares Reinvermögen besitzen". Das Gegenteil ist „unzweifelhaft". Das Vermögen der Aktiengesellschaften setzt sich lediglich aus Vermögensteilen der Aktionäre zusammen; niemand anders als die Aktionäre haben (unmittelbar oder durch ihre Bevoll­ mächtigten) über das Gesellschaftsvermögen zu bestimmen; bei der Liquidation der Gesellschaften erhalten die Aktionäre das ganze Ge­ sellschaftsvermögen ausgekehrt; im Kurse der Aktien spricht sich die Bewertung des Gesellschaftsvermögens aus, was schon daraus er­ sichtlich ist, daß viele Aktien einen hohen Kurs haben, obgleich sie keine Dividende abwerfen. Wozu also solche Motive, die keine sind Wird die von der Regierung gegebene Begründung der Gesell­ schaftssteuer selbst von deren eifrigen Befürwortern derart angefochten, so spricht das wohl auch gegen die innere Berechtigung der «Steuer selbst. Es mag nebenbei erwähnt sein, daß an demselben Tage, am 25. Oktober, aus dem entgegengesetzten Lager der „Vorwärts" sich ebenfalls grundsätzlich mit der Steuer einverstanden, aber ihre Be­ rechnung für ein „Unding" erklärte. Bei der ersten Lesung des Ent­ wurfs im Wgeordnetenhause am 30. und 31. Oktober dieses Jahres trat kein einziger Redner unbedingt für ihn ein; wohl aber äußerten alle ernste Bedenken oder verurteilten ihn völlig. Die Industrie wird gegen die in der Novelle zum Einkommen­ steuergesetz vorgeschlagene Erhöhung der Einkommensteuer im Höchst­ satz auf 5 pCt. keinen Einspruch erheben. Das ist dieser Tage von.

144 berufener Seite schon öffentlich ausgeführt worden mit der Erinne­ rung an die Tatsache, daß seinerzeit die bereits geplant gewesene Erhöhung auf 5 pCt. nicht an dem WiderstaUd der Industrie, sondern an dem Widerstand des Herrenhauses gescheitert ist. In einer vom Centralverband Deutscher Industrieller und den mit ihm in der Interessengemeinschaft verbundenen Vereinigungen bei den ihnen angehörenden preußischen Aktiengesellschaften über den Gesellschaftssteuergesetzentwurf veranlaßten Umfrage, die eine äußerst lebhafte Beteiligung gefunden hat, ist unter den vielen Ant­ worten kaum eine, welche angesichts des Geldbedürfnisses des preußischen Staates derzeit eine erhöhte Steuerleistung überhaupt ab­ lehnt. Aber es findet sich unter den Antworten keine einzige, die sich mit dem Entwürfe in der Fassung, in der er vorliegt, einverstanden erklärt. Durchweg alle bezeichnen mit mannigfachen und eindring­ lichen Beanstandungen im einzelnen die Höhe 'ber angesonnenen neuen Last -als unverhältnismäßig und ungerechtfertigt. Gewiß hat die deutsche Industrie, wesentlich dank dem vorn Fürsten Bismarck inaugurierten und bisher von den verbündeten Regierungen hochgehaltenen Schutz der nationalen Arbeit sich kraftvoll entwickelt, uNd man kann wohl sagen, zu der so großartigen Hebung des Nationalwohlstandes das meiste beigetragen. Aber gerade jetzt befindet sie sich in einer sehr gedrückten Lage, von der noch nicht ab­ zusehen ist, wann eine Neubelebung mit Herstellung normaler Ver­ hältnisse erfolgen wird. Die Kosten der neuen Handelsverträge, welche erst im dritten Jahre in Geltung sind, und die der Landwirt­ schaft wesentliche Vorteile verschafft haben, mußte die Industrie tragen. Das ist damals von den hohen Regierungsstellen offen aus­ gesprochen worden. Diese der Industrie ungünstigen Handelsverträge haben noch über neun Jahre Geltung, sie muß sich noch lange Zeit mit den ihr damit auferlegten Opfern abfinden. Aus sozialpolitischen Maßnahmen stehen der Industrie weitere sehr erhebliche Opfer bevor. So ist u. a. die gesetzliche Regelung der Witwen- und Waisenversiche­ rung bereits für das Jahr 1910 festgelegt, und die Industrie hat sich bereit erklärt, einen entsprechenden Teil der Kosten zu tragen. Welche Beschränkungen ihrer Arbeitsleistung und schließlich ihrer Kon­ kurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt aus sozialpolitischen Rücksichten für die nächste Zeit noch drohen, ist gar nicht abzusehen. Man braucht nur auf die in Aussicht gestellte Reform der Arbeiterversicherungs­ gesetzgebung und auf die Verhandlungen und Beschlüsse der zurzeit tagenden Reichstagskommission, die den Entwurf zur Abänderung der Gewerbeordnung berät, hinzuweisen. Schon vor Jahren hat der Abgeordnete Bebel höhnisch im Reichstage stigmatisiert, wie die

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bürgerlichen Parteien im sozialpolitischen Wettlauf der Sozialdemo­ kratie unlautere Konkurrenz Bereiten, und dieses Treiben ist erst dieser Tage wieder im Reichstag selbst kräftig und bezeichnend gegeißelt worden. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, daß der Entwurf eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes gleichfalls in erster Linie der Industrie schwere Lasten aufbürden will. Wir können nicht umhin, auf diese Dinge hier hinzuweisen, ob­ wohl sie mit dem Gesellschaftssteuergesetz in keinem unmittelbaren Zusammenhänge stehen, sie müssen aber berücksichtigt werden', weil aus diesem Zusammenhänge erhellt, welche schwere Belastung der Industrie im ganzen zugemutet wird. Auch die übrigen vom Reich verlangten Steuern treffen zumeist die Industrie, die erhöhten Ab­ gaben für die Massenverbrauchsartikel drücken sich erfahrungsgemäß auch in höheren Löhnen aus. Es ist dieser Tage in der öffentlichen Erörterung daran erinnert worden, wie der Abgeordnete Bebel früher einmal erklärt habe, eine Besteuerung von 12 pCt. für die Reichen sei nicht zu hoch; dem wurde entgegengehalten, daß wir jetzt stellenweise bereits bei einer höheren Besteuerung angelangt sind. Diese Tatsache möchten wir aus dem uns zur Verfügung stehenden Material durch einige Beispiele er­ härten : Die Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft zahlte 1907 an Staats- und Gemeindesteuer, sowie für Arbeiterversicherung ins­ gesamt 6 004 020 M., d. i. 34,76 pCt. vom Reingewinn. Die Lasten auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter beliefen sich auf 149 M. Die Königs- und Laurahütte wendete im Jahre 1907/08 auf zugunsten der Beamten und Arbeiter, sowie für Steuern und Lasten 4 564 595 M. Da der verteilbare Reingewinn 3 990 731 M. betrug, so über­ ragen jene Ausgaben den Gewinn um 573 863 M. Rechnet man die Ausgaben für Arbeiterfürsorge und Steuern dem Reingewinn zu, so erhält man die Summe von 8 555 327 M., von welcher Wohl­ fahrtsausgaben und Lasten 53,35 PCt. ausmachen. Bei dem Bochumer Verein stellen sich die betreffenden Summen auf 37,70 pCt. des Reingewinnes und 44,25 PCt. der zu zahlenden Dividende. In der kürzlich abgehaltenen Generalversammlung der Aktionäre be­ merkte der Generaldirektor Herr Geh. Kommerzienrat Baare unter Hinweis auf die gewaltige Belastung, welche dem Großgewerbe durch die neuen Steuervorlagen' drohe: „Wir kommen dann dahin, daß wir von Staats wegen mehr und mehr expropriiert werden. Wir arbeiten dann schließlich nur noch pour le roi de Prusse."

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Bei der Dortmunder Union beliefen sich die Ausgaben für Steuern und soziale Zwecke auf 1 301744 M., der Reingewinn auf 1 950 369 M., also nur 648 625 M. mehr. Die Aktiengesellschaft Friedr. Krupp in Essen hatte im Jahre 1906/07 für Steuern, Arbeiterversicherung und Wohlfahrtsausgaben 12 303 899 M. zu zahlen; der Reingewinn belief sich auf 24 844 266 M., so daß jene Lasten' fast 50 pCt. des Reingewinnes ausmachen. Vom Gewinn wurde außerdem noch 1 Million für die Arbeiterstiftung verwendet. Auf die Aktien wurden 18 Millionen Mark — 10 pCt. verteilt, so daß für Steuern, Arbeiterversicherung und Wohlfahrtsausgaben über zwei Drittel von der den Aktionären zufallenden Summe ausgegeben wurden. Um zu zeigen, wie unverhältnismäßig hoch gegenüber dem jetzigen Zustande die steuerliche Belastung werden würde, wenn der Entwurf des Gesellschaftssteuergesetzes Gesetzeskraft erlangt, fügen wir aus dem großen Material, das die von uns gehaltene Umfrage geliefert hat, einige Beispiele an, wie sich bei verschiedenen Unter­ nehmungen die Mehrbelastung gestalten würde. Bei der Elektrizitätsgesellschaft Siemens u. Halske in Berlin würde die Staatssteuer statt bisher 85 280 M. 215 399 M. betragen, also ungefähr das Zweieinhalbfache. Bei der Maschinen-, Werkzeugund Anlagenbaugesellschaft Gebr. Körting in Körtingsdorf bei Hannover beträgt die Staatssteuer 45 000 M. statt bisher 14 000 M., also über das Dreifache. Die Essener Bergwerks-Aktiengesellschaft König Wilhelm, die ein verhältnismäßig kleines Aktien- und ein größeres Obligationen-Kapital hat, würde etwa dveieinhalbmal so viel Staatssteuer zu zahlen haben als bisher; die Berliner Aktien­ gesellschaft für Eisengießerei und Maschinenbau 125 pCt. mehr; die Vereinigten deutschen Nickelwerke in Schwerte voraussichtlich zwei­ einhalbmal mehr. Die Anhaltischen Kohlenwerke erklären, die Staatssteuer würde sich mehr als verdreifachen. Die Aktiengesell­ schaft Phönix würde an Staatssteuern etwa 460 000 M. mehr zahlen müssen; die Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation statt 150 000 Mark 320 000 M.; die Kontinental-Kautschuk- und GuttaperchaKompagnie insgesamt mehr 119 000 M., also über das Doppelte mehr als jetzt; die Cellulosefabrik Feldmühle an Staatssteuer statt 14 000 M. 31 360 M., d. i. 124 pCt. mehr; Gewerkschaft Vcr. Kon­ stantin der Große, Bochum, 210 pCt. mehr; Voigt u. Haeffner, Aktiengesellschaft in Frankfurt-Bockenheim das Zweieindrittelfache usw.

Für Elberfeld wird von einem hervorragenden Vertreter der chemischen Industrie folgendes Beispiel gegeben, wie sich in der

147 Praxis die Steuerleistung für einen wohlhabenden Mann, der sein Vermögen zufällig in Aktien angelegt habe, gestalten würde:

Eine Aktiengesellschaft, die 18 und mehr Prozent vom Aktien­ kapital verdient, hätte zu zahlen: 1. an Staatssteuer.......................................... 7,4 v. H. 2. an Kommunalsteuer, die in Elberfeld 195 v. H. — gerade in den großen Industriegebieten Preußens, in Rheinland-Westfalen, Schlesien usw., sind derartig hohe und noch höhere Gemeinde­ steuern in Geltung — vom Staatssteuersatz be­ trägt, und zwar nach dem Entwurf von % des Ge­ winns .......................................... 10,744 v. H.

Steuerzahler mit einem Gesamteinkommen über 100 000 M., die ihr Vermögen, wie dies bei in Aktiengesellschaften umgewandelten Familienunternehmungen häufig vorkommt, in Aktien angelegt haben, würden dann nach der neuen Steuervorlage bezahlen:

Durch die Aktiengesellschaft.......................... 18,144 v. H. ferner selbst an Staatsstellern..................... 5 „ „ ferner an Kommunalsteuern 195 v. H., also • 9,75 „ „ an Kirchensteuern..................................... 1—1 %„ „

im ganzen Hierzu noch die Ergänzungssteuer mit % v. H. des daraus resultierenden Ein­ kommens, entspricht bei 5 v. H. Verzinsung

33,894 v. H.

1

v. H.

34,894 v. H.

Wie seit mehr als einem Menschenalter vor der Schaffung des Deutschen Reiches im Zollverein das Streben «dahin ging, Deutsch­ land als ein in sich einheitliches, geschlossenes Wirtschaftsgebiet zu behandeln, so hat Fürst Bismarck diesen natürlichen Grundsatz allgemein weiter zu verfolgen und zu entwickeln gesucht. Man kann indes nicht sagen, daß die Steuergesetz­ gebung stets entsprechend diesen Weg gegangen wäre. Jetzt will man sich mit der preußischen Gesellschaftssteuer noch weiter von ihm ent­ fernen. Die preußischen Aktiengesellschaften sollen weit ungünstiger gestellt werden als die in anderen deutschen Bundesstaaten, es wird jenen die Konkurrenz bedeutend erschwert; das ist einer der wich­ tigsten Punkte. Seine Exzellenz der Herr Finanzminister hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 31. Oktober dieses Jahres bemerkt, daß die Frage der Auswanderung wohl zu ernst aufgefaßt werde: „Wenn das der Fall wäre, daß jede stärkere Heranziehung io*



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die Aktiengesellschaften in die außerpreußischen Staaten triebe, , so hätte diese Erscheinung schon längst zutage treten müssen; denn auch bisher haben wir eine Besteuerung der Aktiengesellschaften gehabt, die durchaus nicht in allen Teilen unseres deutschen Vaterlandes in derselben Höhe stattfand, und trotzdem ist diese Auswanderung in die anderen Länder nicht erfolgt." Dem darf Wohl entgegengehalten werden, daß, wenn bisher schon die Aktiengesellschaften in Preußen steuerlich mehr belastet waren als zum Teil in anderen Bundes­ staaten, dies doch durchaus keinen Grund abgibt, ungünstige Ver­ hältnisse noch zu verschlimmern. Im Gegenteil! Und wenn bisher ein relativ wenig bedeutender Unterschied keine oder keine merkliche Abwanderung zur Folge hatte, so liegt darin noch nicht ein genügen­ der Beweis, daß ein bedeutend verschärfter Unterschied nicht doch eine solche bedenkliche Folge haben würde. Gewiß werden viele in Preußen arbeitende Aktiengesellschaften nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, ihr Domizil nach einem anderen deutschen Bundesstaat zu verlegen. Aber eine nicht unbedeutende Zahl vermag das sehr wohl zu tun', einige haben die Absicht tatsächlich bereits angekündigt. Ganz abgesehen von einer Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Abwanderung aber ist es doch Wohl Aufgabe einer weisen und ge­ rechten Finanzpolitik, den Landeskindern so viel wie immer möglich ihren Geschäftsbetrieb nicht gegenüber den anderen Bundesstaaten und namentlich' gegenüber der ausländischen Konkurrenz noch zu erschweren und der Gefahr einer Abwanderung großer Industrie­ zweige ins Ausland zu begegnen.

In' der Begründung des Gesetzentwurfs wird zu der künftigen Nichtgewährung der Zinsfreiheit von 3^2 pCt. des Aktienkapitals u. a. gesagt: „Es ergäbe sich ferner eine unterschiedliche Behandlung der­ jenigen Aktionäre von in Preußen besteuerten Aktiengesellschaften, welche in Preußen, und derjenigen, welche in anderen deutschen Bun­ desstaaten wohnen, und zwar insofern, als die Vergünstigung der Außerhebungsetzung von Steuerbeträgen nur den ersteren, da nur sie zur preußischen Einkommensteuer veranlagt sind, nicht aber auch den letzteren zuteil würde. Diese Folge wäre sehr unerwünscht, da im allgemeinen danach gestrebt wird, Ungleich­ heiten in der Besteuerung zwischen Preußen und Angehörigen anderer Bundes st aaten möglich st zu vermeiden." Ist dem so, dann muß doch vor allem in der großen Hauptsache vermieden werden, die preußischen Aktiengesellschaften überhaupt

149 durch die Gesellschaftssteuer schlechter zu stellen als die Aktiengesell­ schaften in anderen deutschen Bundesstaaten, ehe man in einer Neben­ frage der Gleichheit halber Rücksicht auf die nicht in Preußen woh­ nenden Aktionäre preußischer Aktiengesellschaften nimmt. Aber auch nach anderen Richtungen wirkt der Entwurf eines preußischen Gesellschaftssteuergesetzes ungerecht und unkonsequent. Es gibt nicht wenige Unternehmungen, welche nur oder wesentlich aus persönlichen und Familienrücksichten die Form der Vergesell­ schaftung auf Aktien angenommen haben, bei denen aber die Aktien in der Familienhand verblieben sind. Wir können auch aus unserer Umfrage eine Reihe solcher Fälle feststellen. Nun sollen auch diese, gleich anderen Aktiengesellschaften, deren Aktien weitergegeben sind, wesentlich härter vorbelastet werden als ebenso kapitalkräftige Einzelunternehmer, mit denen sie auf demselben Gebiete in Kon­ kurrenz zu treten haben. Noch einschneidender aber zeigt sich der Widerspruch bei den Gesellschaften mit beschränk­ ter Haftung. Als vor noch nicht drei Jahren diese, ebenso wie die Aktiengesellschaften der Einkommensteuer unterstellt werden sollten, und nunmehr auch unterstellt sind, hieß es in der Be­ gründung der damaligen Regierungsvorlage wörtlich: „hin­ sichtlich ihrer steuerlichen Behandlung sind sie den Aktien­ gesellschaften gleich zu st eile n". Das wurde juristisch und finanzpolitisch darzulegen gesucht und weiter gesagt: „Auch in wirtschaftlicher Hinsicht entwickeln die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sich mehr und mehr in der gleichen Richtung wie die Aktien­ gesellschaften". Daß seither eine andere Entwickelung oder eine andere Anschauung herrschend geworden, ist uns nicht bekannt, ersteres wohl auch nicht nachzuweisen. Der vorliegende Entwurf eines Ge­ sellschaftssteuergesetzes läßt beiden Gesellschaftsformen eine sehr ver­ schiedene Würdigung und steuerliche Behandlung zuteil werden. Es heißt in der Begründung:

„Zu der für die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein­ geführten Art der Besteuerung hat das Bestreben geführt, die Doppel­ besteuerung der Gesellschaftsgewinne — einmal bei den Gesellschaften und sodann bei den Gesellschaftsmitgliedern — zu vermeiden. Wäh­ rend man nun bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ins­ besondere bei denjenigen, bei welchen die Gesellschafter als Geschäfts­ führer fungieren, zugeben kann, daß eine derartige Doppelbesteuerung von den Beteiligten als Unbilligkeit empfunden werden würde, fällt dieser Grund bei den Aktiengesellschaften weg. Denn hier ist der Zusammenhang zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft derart

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lose, der Aktionär ist von der Geschäftsführung so weit entfernt, daß erböte Besteuerung der Aktiengesellschaft nicht als eine ihn selbst treffende Belastung empfindet." Es handelt sich hier speziell darum, daß bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Gesetz von 1906, welches sie in die Ein­ kommensteuer einbezog, derjenige Teil der auf die Gesellschaftsmit­ glieder veranlagten Einkommensteuer, welcher auf den bezogenen Ge­ sellschaftsgewinn entfällt, äußer Hebung gesetzt wird. Damals hielt die Königliche Staatsregierung diese Erleichterung auch für die Ge­ sellschaften mit beschränkter Haftung nicht für angebracht, und sah sie im Entwurf nicht vor, der Landtag aber setzte sie durch, weil — wie erst jetzt in der Verhandlung des Abgeordnetenhauses vom 31. Ok­ tober festgestellt wurde — alle Parteien anerkannten, daß die Frei­ lassung die vorhandene Doppelbesteuerung in etwas ausgleiche und dem elementarsten Gebote der Gerechtigkeit entspräche. Aus diesem Grunde entspricht es der Billigkeit, daß bei einer Erhöhung der Besteuerung der Aktiengesellschaften nicht diesen ein den Gesellschaften mit beschränkter Haftung zugestandener Ausgleich genommen wird. Es könnte dies nur die Folge haben, daß sich Aktiengesellschaften in Gesellschaften mit beschränkter Haftung um­ wandeln und bei Neugründungen letztere Gesellschaftsform bevor­ zugt wird. Ob ein solcher Wechsel, eine solche Unstetigkeit in der Organisation unseres Erwerbslebens von öffentlichem Nutzen ist und durch die Steuergesetzgebung befördert werden sollte, darf man be­ zweifeln. Wie in einzelnen Fällen infolge der geplanten Höherbelastung der Aktiengesellschaften solche gegenüber in Wettbewerb stehenden Ge­ sellschaften mit beschränkter Haftung offensichtlich benachteiligt werden können, gestatten wir uns, an einem Beispiel aus der Eisenindustrie Südwestdeutschlands zu erhärten. Die Burbacher Hütte schreibt uns, daß die Gesellschaftssteuer wie ein Ausnahmegesetz gegen sie wirken würde, und zwar aus folgenden Gründen. Von den 5 Saarwerken, die unter ziemlich gleichen Bedingungen arbeiten, sind drei in der Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet (Völk­ lingen, Neunkirchen, Brebach); die Dillingerhütte, die auch Aktien­ gesellschaft ist, könne wegen ihrer Ausnahmsstellung, die sie infolge ihrer Marinelieferungen einnehme, für die Beurteilung der Kon­ kurrenzverhältnisse ausscheiden. Somit würde also von den unter­ einander in Wettbewerb stehenden Eisenwerken an der Saar nur die Burbacher Hütte mit der wesentlich höheren Gesellschaftssteuer be­ legt. Dazu wird eine Berechnung aufgestellt, nach welcher die Selbst-

151 kosten der Burbacher Hütte sich gegenüber den Nachbarwerken um mindestens eine Mark pro Tonne erhöhen würden. Es ist begreiflich, daß seitens dieses Unternehmens der Wunsch laut wird: wenn ein­ mal die Gesellschaftssteuer eingeführt werde, dann ihr auch die Ge­ sellschaften mit beschränkter Haftung zu unterstellen. Uebrigens hat der Abgeordnete Gerschel in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 31. Oktober die vielfache Differenzierung durch die Vorbelastung der Aktiengesellschaften bereits an Beispielen erläutert. Es würden die Firma Borsig unter anderen Verhältnissen arbeiten wie die Aktiengesellschaft Schwartzkopff u. Co., die Schichau­ werft unter anderen wie die Aktiengesellschaft Vulkan in Stettin, die Henckel-Donnersmarckschen, die Thiele-Wincklerschen, Graf Ballestremschen und Schaffgottschen Bergwerke anders wie die Oberschlesischcn Bergwerks-Aktiengesellschaften. Es wurden gegenübergestellt die Firmen Hugo Stinnes und Thyssen den rheinischen Aktiengesell­ schaften; die Siemens-Schuckertwerke, die eine Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung ist, der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft; die große Berliner Firma Ravens der Firma Steffens u. Noelle; BankAktiengesellschaften und Privatbankiers, wie die Firma Mendels­ sohn u. Co. in Berlin und die Firma S. Bleichröder gegenüber der Deutschen Bank, alles Firmen, die von annähernd gleicher Bedeutung unter ähnlichen Verhältnissen arbeiteten. Es besteht zwar eine Doppelbesteuerung bei der von den Aktiomären und der Aktiengesellschaft zu zahlenden Einkommen­ steuer schom heute, aber sie soll noch wesentlich verschlimmert werden durch den Wegfall der steuerfreien 3*/? pCt., durch die vermehrte Steigerung der Sätze, die Heranziehung eines großen Teiles der Reserven und Abschreibungen usw. Die moderne Entwickelung hat cs mit sich gebracht, daß bedeutende Aktiengesellschaften sich immer mehr an anderen mit ihrem Arbeitskreis irgendwie in Verbindung stehenden Aktiengesellschaften durch Aktienbesitz beteiligen müssen. Hier tritt dann dreifache Besteuerung ein, nämlich beim Aktionär, bei der Gesellschaft, die bei einer dritten beteiligt ist, und bei der letzteren selbst. Durch unsere Umfrage ist uns auch gerade von einer Anzahl mittlerer und kleinerer Aktiengesellschaften bestätigt worden, daß bei ihnen die Behauptung nicht zutreffend sei, wonach der Zu­ sammenhang zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft derart lose sei, und der Aktionär von der Geschäftsführung so weit entfernt stände, daß er die Besteuerung der Aktiengesellschaft nicht als eine ihn selbst treffende Belastung empfinde. Tatsächlich haben uns eine große Anzahl von Aktiengesellschaften Berechnungen eingesandt, wo-

152 nach ihre Dividende durch die geplante Gesellschastssteuer um % Lis über 1 pCt. geschmälert werden würde. Schließlich gibt die Begründung des Gesetzentwurfs zu, daß weniger rechtliche Momente für die Nichtgewährung der Steuer­ freiheit von 3*/2 pCt. des Aktienkapitals Lei den Aktiengesellschaften', im Vergleich zu den Gesellschaften mit beschränkter Haftung, aus­ schlaggebend seien, sondern daß entscheidend die Schwierigkeit der praktischen Durchführung sei. Hiergegen ist einzuwenden, daß die Steuerfreiheit der 3l4 pCt. geltendes Recht ist und zu nennens­ werten Unzuträglichkeiten nicht geführt hat, auch bei einer Aende­ rung der Veranlagungsgrundsätze werden sich Schwierigkeiten überwinden lassen. Weitere Schärfen und Unstimmigkeiten birgt das Gesetz in den Bestimmungen, wonach als Teil des steuerpflichtigen Gewinns gelten sollen auch die zur Tilgung von Schulden oder des Grundkapitals, zur Verbesserung oder Geschäftserweiterung, sowie die zur Ansamm­ lung von Vermögen (Reservefonds) aus den Betriebseinnahmen ver­ wandten Beträge, und wonach die Steuerprogression aus dem Ver­ hältnis dieses Gewinns nur zum Grundkapital, dem Aktienkapital, bemessen wird. Dadurch wird der eine Faktor, der Gewinn, relativ zu hoch, der andere, das Grundkapital, relativ zu niedrig eingestellt, und das Ergebnis ist eine übermäßige Steuersteigerung. Durch ein solches Verfahren wird das bisher bei den deutschen Erwerbs­ gesellschaften vorherrschende System, vom Gewinn möglichst viel wieder im Betriebe selbst mrzulegen zu dessen Verbesserung und Er­ weiterung, von Grund aus gehemmt. Zahlreiche Berichte sind uns zugegangen, welche besagen: „sparsame Wirtschaft wird bestraft durch höhere Steuern." Die Gesellschaften mit kleinem Grundkapital, die auf eine sofortige weitgehende Verteilung des Gewinns an die Aktionäre verzichteten und die Ersparnisse im Betrieb mit arbeiten lassen, kommen bei der Berechnungsart des Entwurfs zu Unrecht in die hohen Steuerstufen bis zu 7% pCt. Wir müssen uns hier wieder auf die Begründung des Gesetz­ entwurfs beziehen. Dort wird bemerkt, daß die unvermeidliche Mehrbelastung der Erwerbsgesellschasten deshalb nicht wohl durch ihre Heranziehung zur Ergänzungssteuer zu erzielen sei, weil dafür in der Hauptsache die Höhe des Reservefonds maßgebend sein würde: „eine solche Besteuerungsform würde aber für die Erwerbsgesell­ schaften einen Anreiz bilden können, die Reserve st ellungen fortan auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß zu be­ schränken, und damit einer soliden Geschäftsge­ barung e n t g e g e n z u w i r k e n".

153 Hier werden also starke Reservestellungen empfohlen und für notwendig erachtet: bei der Steuerbemessung werden aber die starken Aeservestellungen durch höhere Steuer bestraft. Den Abschreibungen §eht es wenigstens teilweise ähnlich. In der Tat gibt es nicht wenige Aktiengesellschaften, welche an Reserven und Abschreibungen ebenso tiel oder gar das Mehrfache des Aktienkapitals im Betriebe arbeiten haben. Das ist noch mehr als bei den Aktiengesellschaften der Fall bei den Bergwerksgesellschaften, die oft ganze Jahresgewinne nicht verteilen. Bei ihnen sollen die sogenannten „Zubußen" als GrundLlpital zur Berechnung der Steuer dienen. Solche Einzahlungen werden aber meist nur im Notfall verlangt, ein Jahrcsgewinn über­ steigt hier manchmal das „Grundkapital". Obwohl regierungsseitig bisher das Streben der Erwcrbsgesellschaften nach starken Reserven und Abschreibungen nicht grund­ sätzlich gehemmt worden ist, hat es doch bisher schon unter dem Ein­ kommensteuergesetz übergenug Steuerprozesse, behördliche Ein­ mischungen und Belästigungen wegen des Begriffs „Betricbsgewinns" gegeben. Künftig sind solche unter dem Gesellschaftssteuergesetz noch mehr zu befürchten; dagegen muß entsprechend Vorsorge getroffen werden. Seine Exzellenz der Herr Finanzminister hat bei der ersten Lesung im Abgeordnetenhause erklärt, in einem Punkte den vorgcbrachten Einwänden recht geben zu müssen und gesagt: „Es ist, wenn man will, nicht ganz korrekt, daß die Steuer von der Dividende in dem Verhältnis berechnet werden soll, in dem die Dividende lediglich zum Grundkapital steht, und der Einwand ist nicht ganz ungerechtfertigt, daß man auch die Reserven, die in die Substanz des Unternehmens investiert worden sind, bei dieser Berechnung hätte mit berücksichtigen müssen." Der Herr Minister meinte, eine solche Feststellung der Reserven sei ohne lästiges Eindringen der Steuer­ behörden, und ohne daß die Gesellschaften es als allergrößten Druck empfänden, nicht tunlich. Dazu darf vielleicht bemerkt werden, daß die preußischen Erwerbsgesellschaften, wenn ihnen und ihren Be­ teiligten jetzt große Mehrbelastungen zugemutet werden, auf der