Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 111 November 1908 [Reprint 2021 ed.] 9783112467824, 9783112467817


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Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 111 November 1908 [Reprint 2021 ed.]
 9783112467824, 9783112467817

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Herhandtungen, Mitteilungen und

Berichte des

Cenlralverbandrs Deutscher Industrieller. M 111. ^erausgegebcn M. A. Kurck, geschäftsführendenr Mitglied im Direktorium,

Berlin ID., Karlsbad Hu. Telephon: Hr. 252?, Ami VI.

Movernber 1908.

Berlin 1908. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung^ G. m. b. H.

Inhaltsverzeichnis. Seite

1. Sitzung -es Ausschusses am 7. November 1908 ..................................5 Vorsitzender: von Popelins. Etatsaufstellung für das Jahr 1909 ......... 5 Wiederwahl der Prüfungskommission ........................................... 5 Kooptation in den Ausschuß............................... 5 Die Beschlußantrüge des Direktoriums zur Reichsfinanzrcform 5 Erörterung........................... 7 Abstimmung.................................................................... 10 Rednerliste.................................................. 10

II. Versammlung -er Delegierten am 7. November 1908 Vorsitzender: von Vopelius. Begrüßung durch den Vorsitzenden vonVopelius

.

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11

...

11

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Die Reichsfinanzreform.

Bericht von Dr. Bartels-Berlin.................................. 12 Vorsitzender............................................................... 21 Bericht von H. A. Bueck-Berlin.................................. 21 Vorsitzender...................... 46 Dr. Gottstein-Breslau.................................................... 46 Vorsitzender . : ................... ..................... 47 Verlesung der Ausschußanträge durch Dr.Bartels-Berlin 47 Vorsitzender................................................... ... 49

Diskussion: Dr. Gottstein-Breslcm............................... 49 Vorsitzender............................... 53 Dr. Tille-Saarbrücken............................................. 53 Dr. Silverberg-Köln............................................. 54 Vorsitzender ............................... . 56 Dr. Fasol t-Berlin................................................................... 56 H. A. Bueck-Berlin................................................................... 57 Dr. Gottstein-Breslau...............................................................57 Vorsitzender............................................................................ 57 Dr. Fasolt-Berlin................................................................... 58 Dr. Goldschmidt-Essen.......................................................... 62 Gerstein-Hagen............................................. 63 R o et g er-Essen.............................................................................64 W. Meyer-Hannover............................................. 67 Dr. Tille-Saarbrücken ................................ 69 March- Charlotienburg............................................................... 70 Dr. Gottstein-Breslan............................... 70 Vorsitzender.............................................................................72 Koenig-Berlin.............................................................................72

4 SeiteDr. Tietze-Bre-lau................................................................... 73Dr. Silvcrberg-Kölu . 74 Dr. Fasolt-Bcrlin ....................................................................75 Vorsitzender .... ........................... 75 Stumpf- Osnabrück................................................................... 75 Vorsitzender .............................................................................76 H. A. Bueck-Berlin............................ 76 Anträge und Abstimmung. Vorsitzender .............................................................................79* Dr. Silverberg-Köln................................................. . . . 79Stumpf-Osnabrück................................................................... 79* H. A. Bueck-Berlin ........................... . . 79 Vorsitzender........................... 80 Dr. Goldschmidt-Essen.......................................................... 80 Laval-Magdeburg................................................................... 81 Vorsitzender........................................................................ 81

Die Stellung -es Ccntralverban-es zu anderen industriellen un­ wirtschaftlichen Bereinigungen. Bericht des Herrn Landrat Roetger-Essen...................... .82 Schluß derDelegiertenversammlnng durch den stellvertretenden Vorsitzenden Geheimen Negicrungsrat Koenig-Berlin 92 in« Beschlüsse der Delegiertenverfannnlung ................................... 94 IV. Die beim Festmahl gehaltenen Reden. von Vopelius...................................................................... 97 Finanzminister Freiherr von Rheinbaben.................... 9& Landrat Noetger........................... 103 Abgeordneter Dr. Beumer............................................... 105 Geh. Kommerzienrat Vogel . . .................. . 108 Abgeordneter Macco ................ 109 V. Listeder Anwesenden in der Ausschustsitzung...... 111 VI. Liste der Anwesenden in der Delegiertenversammlnng . . 116 VH. Gingabe gegen die Aufhebung der Gisenzölle................... 125

Sitzung des Ausschusses am 7. November 1908, vormittags S */2 Uhr zu Berlin, im Hotel Adlon. Der Vorsitzende, Hüttenbesitzer von Vopelins-Sulzbach, Mit­ glied des Herrenhauses, begrüßt namens des Direktoriums die zahlreich erschienenen Mitglieder des Ausschusses. Der erste Punkt der Tagesordnung betrifft geschäftliche An­

gelegenheiten. Die Etatsanfstellnng für das Jahr 1909 wird ohne Debatte genehmigt. In die Prüfungskommission der Jahresrechnung werden wiedergewählt die Herren Direktor van den Wyngaert, General­ direktor Werminghofs und Baurat Krause, sämtlich in Berlin. In den Ausschuß werden kooptiert die Herren Geheimer Oberfinauzrat Waldemar Müller von der Dresdner Bank zu Berlin und Herr Kommerzienrat Fleitmann-Schwerte. Es folgt die Vorberatung der Tagesordnung für die Versaiumluttg der Delegierten betreffend die Reichsfinanzreform. Der Herr Vorsitzende teilt mit, es sei die Absicht, ein Referat über den Inhalt der ganzen Gesetze durch Herrn Regiernngsrat Bartels und sodann die Begründung der Beschlußanträge durch Herrn Generalsekretär Bueck erstatten zu lassen. Von einem ein­ gehenden Referat im Ausschuß wird Abstand genommen,' auf Vor­ schlag des Herrn Vorsitzenden werden nur die von Herrn Bueck dem Direktorium vorgelegten und von diesem angenommenen Beschlußanträge einer Erörterung unterzogen. Die Beschlußanträge lauten: „Die Delegierten des Centralocrbandes erklären: 1. Die finanzielle Lage des Deutschen Reiches ist durch die Versagung ausreichender eigener Einnahmen höchst unbefriedigend und unwürdig geworden, in deren Folge seit Jahren die Ausgaben des Reiches die Einnahmen weit überschritten haben und daher nur gedeckt werden konnten durch große Anleihen und durch die verfassungsmäßige In­ anspruchnahme der Bundesstaaten bis zu einer für diese unerträg­ lichen, weil auch ihre Finanzlage gefährdenden, Höhe.

6 2. Als Folge dieser Defizit- und Anleihewirtschaft tut Reiche haben sich ergeben eine übermäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes, die Steigerung der Zins- und Diskontosätze, die Erschwerung und Ver­ teuerung der Deckung des Geldbedürfnisses der Bundesstaaten, Kommunen, Erwerbsgcsellschaften, überhaupt der Industrie, des Gewerbes und des Handels, der mit zahlreichen schweren Verlusten verbundene Tiefstand des Kurses der Reichs- und Staatsanleihen, endlich die Schädigung des Kredits und des Ansehens des Deutschen Reiches im Auslande und die äußerste Gefährdung der erforderlichen Finanzbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Reiches bei drohenden oder gar eintretenden kriegerischen Verwickelungen." 3.

Daher erachtet, mit den Verbündeten Regierungen, der Central­ verband die durchgreifende Reform der Finanzen des Reiches für eine unabweisbare Notwendigkeit. Durch diese Reform ist das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Reiches dadurch herzustellen, daß diesem, abgesehen von den verfassungs­ mäßigen Matrikularbeiträgen, eigene Einnahmen zugewicsen werden in ausreichender Höhe, vorläufig mindestens zur Deckung der m den nächsten fünf Jahren sicher vorberzusehenden Ausgaben. Ferner ist durch die Reform eine wirksame und gesicherte Schuldentilgung herbeizuführen.

4.

Der Centraloerband erkennt an, daß nach Maßgabe der historischen Entwickelung in den Bundesstaaten und im Reiche jene für die Deckung ihres Geldbedarfes auf die direkten Steuern, das Reich auf die Zölle und den wesentlichsten Teil der Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern angewiesen ist, daß demgemäß das Reich sich eines Eingriffes in das Gebiet der direkten Steuern tun­ lichst zu enthalten hat.

5.

Daher billigt der Centralverband vollkommen die Absicht der Ver­ bündeten Regierungen, den künftigen Geldbedarf des Reiches, ab­ gesehen von den Zöllen, in der Hauptsache zu decken durch die Erhöhung bzw. Neueinführung der Besteuerung von Massenverbrauchsartikeln und durch die Einführung neuer anderer indirekter Steuern. Dabei wird der Centralverband von der Ueberzeugung geleitet, daß, um das Reich aus seiner finanziellen Notlage zu befreien, jedermann im Volke die Pflicht hat, Opfer, vielleicht recht schwere Opfer zu bringen, daß solche Opfer den minderbemittelten Kreisen der Bevölkerung nicht ganz erspart werden können, daß die erforderlichen großen Summen nur aufgebracht werden können, wenn auch die Masse des Pylkes in Anspruch genommen wird, und daß die für die Besteuerung in Aussicht genommenen Massenverbrauchs­ artikel in der Hauptsache Genußmittel find, daß daher die Unter­ werfung unter die Steuer seitens der Verbraucher in gewisser Weise den Charakter der Freiwilligkeit trägt.

6.

Der Centraloerband erklärt daher sein Einverständnis mit den von den Verbündeten Regierungen eingebrachten Steuervorlagen und den sonst zur Gesundung der Rcichsfinanzen gemachten Vorschlägen mit Ausnahme des Entwurfs eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes.

Der Centralverband kann sein Einverständnis jedoch nur im Prinzip aussprechen; er ist nach seinen Einrichtungen nicht in der Lage, die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe so zu prüfen, wie es erforderlich wäre, um zu ihnen abschließend Stellung zu nehmen. Diese Prüfung muß der Centralverband den gesetzgebenden Faktoren überlassen.

7.

Trotzdem gegen die Einführung einer Besteuerung der zur Erzeugung wirtschaftlicher Werte unentbehrlichen Kräfte die aller schwersten, grundsätzlichen Bedenken erhoben werden müssen. erachten sich die Delegierten des Centralverbandes nicht in der Lage, schon in der gegenwärtigen Versammlung endgültig Stellung zu nehmen zu dem Entwurf eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes. Sie beauftragen daher das Direktorium, eine Kommission von Sach­ verständigen zu bilden, dieser den Gesetzentwurf zur eingehenden Prüfung zu überweisen und die Anträge dieser Kommission einer erneut zu berufenden Versammlung der Delegierten oder des Aus­ schusses zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

8.

Der Centralverband erklärt endlich sein Einverständnis auch mit der in dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aenderungen im Finanzwesen, vorgeschlagenen anderen Gestaltung der Matrikularbeiträge, weil durch die Erhöhung des ursprünglichen verfassungs­ mäßigen Beitragssatzes auf den Kopf der Bevölkerung in aus­ gleichender Weise auch den Ansichten derer Rechnung getragen wird, die verlangen, daß für das Reich auch die Einkommen, das Ver­ mögen und der Besitz in Anspruch genommen werden."

Der Vorsitzende bemerkt, daß der Ausschuß aus diesen Beschluß­ anträgen die Stellung des Direktoriums zur Sache vollkommen er­ kennen werde. Die endgültige Stellungnahme zur Elektrizitäts- und

Gassteuer sei noch vorbehalten. Es sei das der Auffassung des Vor­ sitzenden nach notwendig, weil in der kurzen Zeit seit der Einbringung des Gesetzentwurfs es den Herren Delegierten nicht möglich sein könne,

sich eingehend mit der Vorst'age zu beschäftigen, die vorhergegangenen Mitteilungen in der Presse aber teilweise unrichtig gewesen seien. Auf eine Generaldiskussion wird verzichtet und in die Besprechung

der einzelnen Punkte eingetreten. Redaktionelle Aenderungen werden verschiedentlich vorgeschlagen und allgenommen bzw. die wörtliche Fasstlng schließlich einer aus den Herren Dr. Bartels, Dr. Beumer, Dr. Stumpf und Dr. Tille zusammengesetzten Kommission übertragen.

Die Punkte 1—3 bleiben sachlich unverändert. Bei Punkt 4 ent­ spinnt sich u. a. eine Erörterung darüber, ob am Schluß das Wort „tunlichst" beizubehalten ist. Es heißt da: „Demgemäß hat das Reich sich

eines Eingriffs

in das Gebiet der direkten Steuern tunlichst zu

enthalten." Schließlich wird das Wort „tunlichst" beibehalten. Es ergeht eine Anregung dahin, wenn man sich schon für die Nachlaß-

8 steuer ausspreche, wenigstens die im Entwurf zugunsten der Landwirtschaft vorgesehenen Erleichterimgen auch für die Industrie zu bean­ spruchen. Zn Punkt 5 erhebt sich eine weitere Erörterung über das Verhältnis und die Bedeutung von indirekten und direkten Steuern,'

der Punkt wird sodann genehmigt. Zu Punkt 6 erfolgt eine längere Debatte wegen der Ausdehnung der betreffs der Nachlaßsteuer der Landwirtschaft zugestandenen Vergünstigungen auf die Industrie bzw. auf alle Eriverbsstände, wobei verschiedentlich zum Ausdruck kommt, daß die Jndusü'ie selbst ihre Interessen möglichst geltend machen müsse, da auf den Reichstag wenig Vertrauen zu setzen sei. Es wird schließlich, an Stelle der letzten Sätze des Punkt 6, nach den Worten „Der Centralocrband kann sein Einverständnis jedoch nur im Prinzip aussprechen", folgende Fassung angenommen: „Er ist heute

nicht in der Lage, die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe so zu prüfen, wie, es. erforderlich wäre, um zu ihnen abschließend Stellung

zu nehmen. Eine eingehende Prüfung muß er sich daher vorbehalten. Er spricht sich indessen schon jetzt dahin aus, daß Erleichterungen, wie sie für die Landwirtschaft in Aussicht genommen sind, auch den anderen Erwerbsständen zugebilligt werden". Punkt 7, betreffend das Elektrizitäts- und Gassteuergesetz, ruft eine sehr lebhafte Debatte hervor, wobei gegen diesen Entwurf scharfe Verurteilung oder schwere Bedenken laut werden. Es handelt sich nach vorherrschender Anschauung um die Taktik, ob heute schon eilte glatte Ablehnung auszusprechen, oder ob in einer Kommission die erst vor wenigen Tagen authentisch bekannt gewordene Vorlage eingehend zu prüfen, und darauf ein begründetes Votum abzugeben ist — wie das Direktorium vorschlägt. In der Erörterung wurde u. a. geltend gemacht: Wenn man in dieser Weise Resolutionen fasse, wie es hier der Centralverband nut Fug und Recht tue, dann setze man sich leicht der Mißdeutung aus, daß man dieses und jenes zugestehe, aber damit mit seinen Zugeständnissen noch nicht am Ende sei, daß mau eben doch etwas mehr ertragen sönne; und dieses Mehr würde der Industrie ohne weiteres ausgeladen werden. Wohl seien nicht alle

Details des

Entivurfs bekannt und auch irrige Angaben verbreitet

gewesen; aber die ganze Tendenz und Tragweite des Plans habe mau schon seit längerer Zeit genügend ermessen können, um zur sofortigen absoluten Verwerfung zu gelangen. Wenn es auch gerecht sei, daß man das Einkommen und das Vermögen besteuere, Steuern auf Massen­ artikel und Verbrauchsgegenstände lege, denen man sich

mehr oder

weniger entziehen kann, so dürfe man doch nicht die Werkzeuge besteuern, mit denen mau arbeitet und namentlich nicht einebesondere

9 Art von Werkzeugen.

Dieses Gesetz belaste die Industrie in unerträglicher

Weise, nicht bloß was die pekuniäre Last, sondern auch was die Neben­ umstände anlangt. Im einzelnen wurde in der Diskussion u. a. bemerkt, daß mit diesem Gesetz das Reich den Ländern und Gemeinden

Einnahmen wegnehmc,- daß nicht allein diejenigen Fabriken, die Kraft verbrauchen, sondern nmnentlich auch diejenigen Fabriken, welche

die Maschinen zur Krafterzeugung Herstellen, schwer getroffen werdendaß der Rückschlag auf die Maschinenfabrikation ein furchtbarer werden

könne. Es wird beantragt, den ganzen Punkt 7 oder den ersten Teil zu streichen, da in Punkt 6 der Centralverband sein Einverständnis mit der eingebrachten Steuervorlage ausgesprochen habe, mit Ausnahme der Gas- und Elektrizitätsstener. Damit sei letztere schon genügend abgelehnt. Dem ivurde von der schärferen Opposition widersprochen - es sei hier noch eine besondere, bestimmt ablehnende Erklärung notwendig. Von einem Mitglied des Direktoriums wurde geltend gemacht, selbst wenn man sachlich wie er, auf dem Standpunkt der Verwerfung der Steuer stehe, könne man Punkt 7 in der vorgcschlagenen Fassung annehmen. Damit werde gesagt: Wir haben hier im Ausschuß die allerschwersten Bedenken, aber nur halten uns doch noch nicht soweit orientiert, nm jetzt schon ein end­ gültiges Urteil abzngeben- wir wollen eine Kommission einsetzen. Speziell betonte Herr Bneck, der Vorwurf, dem Centralverband eine schwäch­ liche Stellungnahme angeraten zu haben, sei ihm bisher im Leben noch nicht gemacht worden- bisher sei er, wie er glaube, immer mit einiger Entschiedenheit ausgetreten. Er glaube nicht, daß viele der Herren aus der Versammlung die Vorlage, die allein 55 große Quartseiten umfaßt, schon gesehen haben, und glaube, daß noch viel weniger sie studiert haben. Die Delegierten des Centralverbandes hätten sich noch nicht so eingehend mit dieser außerordentlich bedeuten­ den und großen Sache befassen können, um entschieden Stellung zu nehmen, wenn man nicht schon vorgefaßte Meinungen hier zur Gel­ tung bringen wollte. Er habe überhaupt den Centr-alverband und die in ihm vertretene Industrie davor schützen wollen,

daß man ihr mit

Bezug auf die Finanzreform nachsagc, sie gehöre zu den schlechten Patrioten, indem sie sich, ohne zu prüfen, weigern zu zahlen, vielmehr sage: „Verschon' mein Haus, zünd' andere an!" Der Antrag, in

einer so sachverständig wie möglich zusammengesetzten Kommission die Vorlage in einer ausgezeichneten Weise prüfen zu lassen, sei nicht von Schwächlichkeit eingegeben, sondern aus dem Bemühen, die Interessen und das Ansehen des Centralverbandes zu wahren. — Auch von einem Redner, welcher der Kounnissionsüberweisung zustimmte, wurde erklärt,

es habe wohl kein Gesetzentivurf so sehr wie dieser den all-

10 gemeinen Widerstand der ganzen Industrie auf sich gezogen.

Anderer­

seits erklärte man eine sofortige Abweisung des Gesetzentwurfs als geboten, weil es ein kulturfeindlicher Vorgang sei, die Benutzung der

Elektrizität zu hemmen,'

einen Fortschritt dürfe man nicht besteuern.

Man könnte ja eine Kommission einsetzen, aber nur mit dem Mandat, die heute zu beschließende Ablehnung des unannehmbaren Gesetzes ein­ gehend zu begründen. Wirtschaftlich stehe es auf derselben Höhe wie

etiva eine Kohlensteuer.

Der Herr Vorsitzende konstatierte nach geschlossener Diskussion, daß folgende Anträge vorliegen: 1. von Herrn Kommerzienrat Menck, die ganze Nummer 7 zu streichen,' S. von Herrn Kommerzien­ rat Langen, den ersten Satz von Nummer 7 zu streichen, und redak­ tionell nachher den zweiten Satz entsprechend zu ändern; 3. von Herrn Dr. Gottstein, den Gesetzentwurf abznlehnen, jedoch die Einsetzung einer Kommission zu beschließen, welche die Gründe der Ablehnung eingehend motiviere. Als weitestgehender Antrag wurde vom Vor­ sitzenden mit Zustimmung der Versammlung derjenige auf Streichung der ganzen Nummer 7 zuerst zur Abstimmung gebracht. Dieser An­ trag ward ebenso wie der dann in der Abstimmung folgende, auf. Streichung des ersten Teils der Nummer 7 gehende, abgelehnt. Der Antrag Gottstein auf Ablehnung des Entwurfs einer Elektrizitäts­ und Gassteuer usw. wurde sodann mit großer Mehrheit angenommen.

Punkt 8 wurde ohne Debatte genehmigt. Der Vorsitzende schloß darauf die Sitzung des Ausschusses gegen 12 Uhr und die zur Redaktion der gefaßten Abänderungsbeschlüsse

eingesetzte Kommission ging sofort ans Werk. An der Debatte des Ausschusses hatten sich beteiligt die Herren : von Vopelius, Regierungsrat Bartels, JnstizratWandel, General­ sekretär Stumpf, Geheimer Kommerzienrat Goldberger, I)r. Gold­ schmidt, Generaldirektor Marwitz, Generalsekretär Ditges, Kom­ merzienrat Dr. Kauffmann, Kommerzienrat M enck, geschäftsführen­ des Mitglied im Direktorium des Centralverbandes Bueck, General­ sekretär Dr. Tille, Syndikus Dr. Graf von Brockdorfs, Abg. Dr. Beumer, Generaldirektor Dr. Gottstein, Geheimer Bergrat Hilger, Kommerzienrat Langen, Geheimer Kommerzienrat Vogel, General­ direktor Werminghoff, Syndikus Dr. Brandt, Kommerzienrat

Körting,

Geheimer Regierungsrat Koenig,

Baurat Dr. von Rieppel.

Fabrikbesitzer Blohm,

Versammlung -er Delegierten des

(Lentralverbandes Deutscher Industrieller am Sonnabend, de« 7. November, mittags 12 Uhr, in Berlin im Hotel Adlon.

Vorsitzender, Hüttcnbesitzer von Bopelins-Sulzbach, Mitglied des Herrenhauses: Meine Herren, Namens des Direktoriums des Central­ verbandes Deutscher Industrieller habe ich die Ehre, die Sitzung zu

eröffnen und Sie alle herzlich zu begrüßen. Meine Herren, wie im vorigen Jahre haben wir auch dieses Jahr die große Ehre und Freude, einige Herren der Königlichen Staats­ regierung, bzw. der Reichsrcgierung unter" uns zu sehen. Ich begrüße vor allem Seine Exzellenz den Herrn Minister Freiherrn von Rhein­

baben und Seine Exzellenz den Herrn Minister Delbrück. Von den anderen Herren Ressortchess sind leider die meisten Herren verhindert­ ste haben jedoch die Güte gehabt, dafür ihre Herren Unterstaatssekretäre zu uns zu senden. Ich begrüße die verschiedenen Herren. Sic ver­

wenn ich die Herren nicht alle mit Namen aufsühre, da ich momentan nicht ganz sicher bin, wer fehÜ, und ich möchte keinen als hier anwesend nennen, der tatsächlich nicht da ist. Aber jedenfalls haben wir die Ehre, zu begrüßen Exzellenz Wermuth, Henn Unter­ staatssekretär Dombois, Henn Unterstaatssekretär Richter und an zeihen,

Stelle des Herrn Staatssekretär Sydow den Herrn Ministerialdirektor Kühn. Dann habe ich die Ehre, die Henen von der Interessengemeinschaft

zu begrüßen:

die Henen von Martins, Geheimrat Goldberger,

Geheimrat Ravens, Professor Lepsius und Direktor Wenzel.

—' 12 Wie immer beginnen wir unsere Sitzung mit einem Zeichen der Ehrfurcht uud Liebe zu unserem allergnädigsten Kaiser. Seine Majestät, Kaiser Wilhelm II., er lebe hoch! (Die Anwesenden, die sich erhoben

haben, stimmen begeistert dreimal in das Hoch ein.)

Meine Herren, danach können wir in die Tagesordnung eintreten. Ich wollte mir gestatten, den ersten Punkt der Tagesordnung hinteuanzustellen, und zwar in Rücksicht darauf, daß mir eine Reihe von Herren der Königlichen Staatsregierung bei uns haben, welche sicher das Interesse für die Finanzreform hierher geführt hat.

Ich hoffe,

daß sie auch uoch für den anderen Punkt der Tagesordnung Interesse haben,- aber ob ihnen so viel Zeit gegönnt ist) nachher noch hier zu

bleiben, weiß ich nicht. Deshalb möchte ich mir erlauben, Punkt 2 vorweg zu nehmen, und ich erteile als Referenten in erster Linie Herrn

Dr. Bartels das Wort. Die Reichsfinanzreform. Erster Referent Regierungsrat Dr. jur. Bartels-Berlin: Sehr verehrte Herren, mir ist die Anfgabe übertragen worden, Ihnen rein referierend, ohne eine Kritik an dem Gesetzentwurf selbst zu üben, einen kurzen Ueberblick über den Gesamtinhalt der von den Ver­ bündeten Regierungen eingebrachtcn Gesetzesvorlage zu geben. Die Vorlage geht von der Annahme aus, daß für die nächste Zeit ein Mehrbedarf von einer halben Milliarde zu decken sein wird. Es wird darauf hingewicsen, daß die bisherigen Steuerquellen, auch

die im Jahre 1906 erschlossenen, es nicht ermöglicht haben, die Be­ dürfnisse des Reiches voll zu befriedigen. Die Verbündeten Regierungen haben sich daher veranlaßt gesehen, zur Erhöhung der Reichseinnahmen der Bevölkerung erneute Steuern aufzuerlegen, sie haben dabei in erster Linie gedacht an die Erhöhung der Steuer auf die Massen­ verbrauchsartikel, die Genußmittel Branntwein, Bier, Wein, Tabak. Sie haben aber geglaubt, zum Ausgleich dieser Masseubesteuerung auch die Besitzenden in erhöhtem Maße heranzichen zu müssen,' zu diesem Zwecke sind die Gesetzentwürfe über die Nachlaßsteuer, das

Erbrecht des Staates und einige Abänderungen der bestehenden Erbschaftssteucrgesetzgebung eingcbracht. Dazu kommen, völlig neue Gebiete berührend, die Anzeigensteuer und die Besteuerung des Gases

und der Elektrizität. Bei der Begründung

der

Vorlage

haben

die

Verbündeten

Regierungen hervorgehoben, daß sie Steuerquellen erschließen müssen, die den modernen wissenschaftlichen und sozialpolitischen Erfordernissen

entsprechen, der Ergiebigkeit, der Allgemeinheit, der Gerechtigkeit und

13 Wirtschaftlichkeit- diesen Gesichtspunkten tragen in weitestem Maße die

Steirern ans die Gennßmittel Rechnung. Meine Herren, darüber ist gar kein Streit, daß

im Deutschen

Reiche die Gennßmittel geringer als wie überall in allen Kultur­ staaten herangezogen sind, und daß deshalb diese Steuern sehr wohl

eine Erhöhung vertragen können. Aber selbst bei weiterer Erschließung dieser Steuerquellen, deren Ergebnis — ich will Zahlen möglichst ver­ meiden — von den Verbündeten Regiernngen auf 475 Millionen Mark berechnet ist, wirb es nicht möglich sein, den gesamten Fehl­

betrag zu decken. Daher ist in dem sogenannten Finanzgesetze noch eine Erhöhung der Matriknlarbeiträgc um weitere 40 Pf. für den Kopf der Bevölkerung vorgesehen. Auch hierbei ivird von der Re­ gierung ausgeführt, daß diese Erhöhung in erster Linie die Besitzenden treffen ivird, denn, weint es ja auch den Anschein hat, als wären die Matriknlarumlagen eine Kopfbesteuerung, so werden sie doch, wie bekannt ist, in den Bundesstaaten einfach aufgebracht zusammen mit dem übrigen Stenerbedarf, also vornehmlich durch erhöhte Heran­ ziehung zu den Einkommeus- und Vermögenssteueru. Weiter ist in dem Finanzgesetz vorgesehen eine erhöhte Schulden­ tilgung, die zweifellos einem dringenden Bedürfnis entspricht. Es sind dafür feste und bestimmte Grundsätze ausgestellt. Auch hier glaube ich, in Einzelheiten nicht eingehen zu müssen. Es ist ferner festgesetzt, daß für die nächsten fünf Jahre die Höchstgrenze der Matriknlarbeiträge ans 80 Pf. zu bemessen ist,- das schließt aber nicht ans, daß der Reichstag bei der Bewilligung des jährlichen Etats die

Höhe

im einzelnen Falle zu bestimmen hat.

Ferner ist auch eine

Modifikation hinsichtlich der Ueberweisungsstenern getroffen. Es ist als einzige Ueberweisungsstener nunmehr die neue Branntweinsteuer, die 220 Millionen erbringen soll, in Aussicht genommen. Das wollte ich als Einleitung voranstellen, um Ihnen nun in kurzen Strichen den Inhalt der einzelnen Steuervorlagen wiederzugeben.

Ich

komme zunächst zur Branntweinstener.

Die Brannt­

weinsteuer denkt sich der Entivnrf, tun es kurz zu charakterisieren, als ein Zwischenhandelsmonopol. Die Regierungen haben diese Form gewählt, weil sie glaubten, ans diese Weise einerseits die Produzenten und Gewerbetreibenden möglichst schonen zu können, andererseits der historischen Entwickelung, die mit unserer bundesstaatlichen Verfassung

und den Reservatrechten znsammenhängt,

am besten Rechnung tragen

zu können. Die Vorlage will namentlich einen Eingriff in die Rechte der weiter verarbeitenden Industrie und der Verbraucher verhüten.

Die Regierung will sich zwischen beide Teile stellen, sie will einen

14

bestimmten Ankaufspreis den Brennern garantieren — auf das „wie" will ich hier nicht näher eingehen — und sie will den Ver­ kaufspreis in einer Höhe festsetzen, daß dadurch nicht nur ihre Un­ kosten, namentlich diejenigen für die Verwaltung und für die auf­ zunehmende Anleihe gedeckt werden, sondern daß vor allen Dingen auch

der Ertrag der Steuer mit 220 Millionen Mark gewährleistet wird. Es sind weiter Bestimmungen vorhanden, daß das bisherige Kon­ tingent und die sogenannten Liebesgaben Wegfällen, andererseits bleibt den Brennern das Brennrecht iin wesentlichen im früheren Unifange erhalten. Auch auf diese Einzelheiten glaube ich, hier näher nicht zurückkonnnen zu dürfen. Ich hebe nur noch hervor, daß für den sogenannten „Ukberbrand" nicht derselbe Preis wie für den übrigen Ankauf gegeben wird, sondern daß er in der Regel unter den Herstellungs­ preis fallen soll. Durch die Erhöhung der Branntweinsteuer wird nach den Berechnungen der Vorlage eine Verteuerung des Trinkbranntiveins nm etwa 50 M. für das Hektoliter eiittreten; das entspricht 15 bis 20 Pf. für den Liter Alkohol von 33'/z pCt. Beseitigt sind nach der Vorlage die Maischbottich-, die Material-, die Verbrauchs- und die Brennsteuer. Ich will nun zu. der zweiten Steuer, der Brausteuer, über­ gehen. Auch hier ist in der Begründung hervorgehoben, .daß das Bier gegenüber dem unverhältnismäßig starken Verbrauch, der in Deutschland herrscht — auch da sind die Zahlen so bekannt, daß ich sie nicht anzngeben brauche — und gerade mit Rücksicht darauf, daß diese Steuer doch ganz besonders eine solche ist, die sich jeder selbst auferlcgt, bei weitem nicht den Prozentsätzen entsprechend belastet ist, die in anderen Staaten aufgebracht werden. Die Verbündeten

Regierungen glauben das Ziel einer gerechten Steuerverteilung nur durch eine erhebliche Erhöhung erreichen zu können, nachdem sie mit der Vorlage von 1906 die Erfahrung gemacht haben, daß es nicht gelungen ist, die Steuer von den Gewerbetreibenden selbst aus die Verbraucher abznwälzen. Andererseits ist in der Vorlage erwähnt,

daß in einzelnen Orten, z. B. gerade auch in Berlin, in vielen Wirt­ schaften der Bierpreis unverhältnismäßig stark verteuert worden ist. Daher wird es nicht nötig sein, überall im Einzelverkauf den Preis zu erhöhen, vielfach wird sich die Steuer durch eine Abänderung der Gemäße leicht abwälzen lassen. Die Regierung hat sich bemüht, die Steuer dadurch zweckmäßiger zu gestalten, daß sie eine vereinfachte Stenerstaffel eingeführt hat. Sie hat sich dabei an das badische

und ginnt

an das elsaß-lothringische Muster gehalten. Die Steuer be­ jetzt mit 14 M. und endigt mit 20 M. für den

15 Doppelzentner Malz. Es sind auch Bestimmungen getroffen, daß die kleinen Brauereien, die am 1. Oktober 1908 bestehen — Neu­ gründungen nach diesem Zeitpunkt sind nicht zu berücksichtigen —, nur eine geringere Abgabe zu zahlen haben, nämlich 10 M. für den Doppel­ zentner. Die Steuerfreiheit des Haustruuks soll fallen. Es wird ausgeführt, daß die Berechtigung dafür int wesentlichen hinfällig ge­ worden ist. Auch für den Haustruuk ist nur eine sehr mäßige Steuer von 4 M. für den Doppelzentner in Aussicht genommen,' ein Verkauf außer dem Hause ist verboten. Daneben ist die Besteiung des Zuckers von der Branstener beschränkt, ferner.ist der Malzwert des Zuckers anders bestimmt; endlich ist der Zoll ans auswärtiges Bier entsprechend erhöht, nämlich von 7,20 auf 9,65 M. In der Vorlage ist auch eine Einbeziehung van Elsaß-Lothringen in die Braustenergcmeinschaft in Aussicht geuonnneu. Ich brauche auf weitere Details wohl auch hierbei uictjt cinzngchen. Erwähnen will ich noch kurz, daß die Sätze für die kommunale Bierbcstcuerlmg eine entsprechende Veränderung erfahren haben. Der Gesamtmehrertrag der Branstener soll 100 Millionen Mark ausmachen. Ich komme nun znr Wcinbesteucrung. besteucrnttg int Deutschen Reiche besteht nicht.

Eine allgemeine WeinEs bestehen Laudestveinsteuern zurzeit in Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringeu. Bekannt ist Ihnen ja auch, daß die Schaunnveiusteuer als Reichssteucr vorhanden ist, die in der bekannten Abgabe von 50 Pf. für die Flasche erhoben wird. Versuche, den Wein zu besteitern, sind schon wiederholt ge­ macht worden, man hat dabei vor allen Dingen im Auge gehabt, möglichst den kleinen Winzer zu schonen. Deshalb hat sich der Entivurf an eine Besteuerttng gehalten, die vornehmlich den Händler treffen soll und eine allgemeine Flaschenstener in Aussicht genommen, die jeden Wein mit 5 Pf. für die Flasche zunächst vorbelastet. Danebett ist für

Onalitätsweine eine Staffel vorgesehen, die sich in dem Rahmen von 10 Pf. bis zn 3 M. bei Weinen beivegt, die mehr als 1 M. wert sind und bis zu 20 M. int Werte steigen,' die kleinen Weine sollen also von dieser Steuer überhaupt nicht betroffen tverden. Die Steuererhebung soll mittels der Banderole erfolgen, die sich bei der Schaumweinfteuer

bereits bewährt hat. Es ist int Rahmen dieser neuen Gesetzesvorlage auch verständlich, daß man an eine Erhöhung der Schaumweinsteuer denkt, die ja in ihrer jetzigen Gestalt ohne jede Qualifizierung und Differenzierung jeglichen Sekt mit 50 Pf. erfaßt. Es soll nunmehr auch der bessere Sekt höher besteuert werden, es ist eine Staffelung

von 20 Pf. bis zn 3 M. bei einem Sektpreise von 1 — 20 M. vor­ gesehen. Der Gesamtertrag der Weinstener soll rund 20 Millionen Mark

16

betragen. Ich möchte nur noch erwähnen, daß möglichst daraus Rücksicht genommen worden ist, daß die Privatverbraucher von Wein nicht unnötig belästigt werden. Wer seinen Wein sich selbst abzieht, braucht bloß die allgemeine Steuer zu bezahlen, er unterliegt der Zuschlagsteuer überhaupt nicht,' der Wein, den jemand vom Auslande in Flaschen bezieht, ist auch im Haushalte zuschlagspflichtig. Ich komme nunmehr zur Tabaksteuer. Auch die Tabakabgaben sind im Nahmen der jetzigen Gesetzgebung sehr roh aiisgcbilbet; sie werden lediglich nach dem Gewicht bemessen, ans Qualitäten wird keinerlei Rücksicht weder beim Zoll noch bei der Steuer genommen. Auch hier hat man sich zu einem System der Differenzierung entschlossen, ein Gedanke, der sich ja überhaupt wie ein roter Faden durch die ganze Gesetzesvorlage hindnrchzieht. Man will nichts ändern an dem Zoll für Roh-Tabak und an der Steuer für Roh-Tabak, man will nur die Fabrikate nach ihrer Feinheit höher besteuern; es sind hierfür bestimmte Staffeln vorgesehen. Nur kurz will ich folgendes erwähnen: Für Zigarren sind sechs Stufen vorgesehen, von 4 M. bis 96 M. für 1000 Stück, gleichzeitig ist eine Erhöhung der Zigaretteusteuer in Aussicht genommen, die ja sehr gute Erträge geliefert, und die mit zu diesem ganzen weiteren Vorgehen ermutigt hat. Die Zigaretten sind in sieben Stufen von 1,50 M. bis zu 24 M. für 1000 Stück weiter besteuert. Der Tabak des armen Mannes soll gänzlich frei bleiben. Dagegen wird der feingeschnittene Tabak höher versteuert und ebenso der bessere Kau- und Schnupftabak. Zur Durchführung der Besteuerung ist vorgesehen ein Verpackungszwang und die Verwendung der Bande­ role, ähnlich wie bei der Zigarettensteuer; es sind Bestimmungen getroffen, daß möglichst eine unnötige • Belästigung des Verkehrs vermieden wird, z. B. ist der Einzelverkauf unbeschränkt zngelcissen. Ich glaube auch hier nicht weitere Souderbestimmuugen anführen zu müssen, ich will nur noch mitteilen, daß der gesamte Mehrertrag 7 7 Millionen Mark erbringen soll. Ich weiche nunmehr etwas von der Vorlage, wie sie von den Verbündeten Regierungen eingebracht ist, ab, um die Aufmerksamkeit dieser Versammlung nach dem Interesse zu steigern, das die Industrie an den einzelnen Steuervorlagen nimmt. Ich komme deshalb zunächst zur Nachlaßsteuer, die verbunden ist mit der Wehrstener, dem Erbrecht des Staates und der Abänderung des Erbschaftssteuer­ gesetzes. Dies sind Besteuernngsformen, die nicht lediglich die Industrie, vielmehr sämtliche Besitzenden betreffen. Hierbei gehen die Verbündeten Regierungen von der bekannten Tatsache ans, daß die Besteuerung der Erbschaften in dem Rahmen der zurzeit bestehenden

17 Steuergesetzgebungen drei Viertel aller Erbschaften nicht umfaßt, denn

etwa dieser Prozentsatz bezieht sich auf die Nachlässe,

die auf Ehe­

Wenn also eine Nachlaß­ steuer überhaupt bedeutendere Erträge liefern soll, meint die Regierungs­ vorlage, so müsse man auch diese nächststehenden Verwandtenkreise gatten und Abkömmlinge vererbt werden.

von der Steuer mit erfassen. Als Neuster hat das englische Steuer­ system gedient, das eine allgemeine Besteuerung des Nachlasses als ganzen, nicht der einzelnen Erbteile kennt. Es soll der Nachlaß als solcher, gleichgültig an wen er gelangt, einer Bestimmten Besteuerung unterworfen werden. Daneben treten die besonderen Besteuerungs­

formen, die landesgesetzlich bereits eine Heranziehung der Abkömmlinge und Ehegatten vorsehen, sowie die sonstige Erbschaftssteuergesetzgebung als Znschlagsbesteuerung. Ich will erwähnen, daß die Steuer frei läßt die Erbschaften bis zu 20 000 M. Von den Steuersätzen will ich nur hervorheben, daß sie sich staffeln von y2 pCt. bis zu 3 pCt. bei einer Höhe des Nachlasses von über 20 000 M. bis zu 1 Million Mark und darüber, daß — um einzelne interessante Sätze herauszu­ greifen — 60 000 bis 70 000 M. mit 1 pCt. und 150 000 bis 200 000 M. mit 2 pCt. versteuert werden. Es sind besondere Ver­ günstigungen vorgesehen für land- und forstwirtschaftlich benutzte

Grundstücke. Es ist zulässig, daß dort eine Rente an Stelle der Steuer gezahlt, bzw. eine amortisierbare und verzinsliche Grundschuld ein­ getragen werden darf. Ich glaube, auch hier Einzelheiten nicht weiter berühren zu sollen. Die Wehrsteuer, die mit der allgemeinen Nachlaßsteuer in Verbindung gebracht ist, stellt sich lediglich dar als ein erhöhter Prozentsatz der allgemeinen Nachlaßsteuer, nämlich von iy2 pCt. des

Mehr oder weniger hat sie trotz des Einwandes der Begründung den Charakter einer Krüppelsteuer. Vou dem Roherträge der Nachlaßsteuer will das Reich für sich drei Viertel in Anspruch nehmen, während die Bundesstaaten statt bisher ein Drittel jetzt nur ein Viertel bekommen. Sie haben dafür aber auch Anteil an den erhöhten Einnahmen, die aus der Steuer reinen Wertes des Nachlasses.

als solcher fließen werden. Einen sehr

wichtigen

und

neuen

Gedanken,

der

in

der

Literatur und auch sonst jetzt lebhaft erörtert und umstritten worden ist, verwertet der weitere Gesetzentwurf, der unter dem Titel: „Das Erbrecht des Staates" behandelt ist. Er enthält einen erheblichen

Eingriff in die Privatrechte überhaupt, unzweifelhaft widerstrebt er dem vom BGB. ausgestellten Parentelensystem. Er macht an einer bestimmten Grenze Halt und sieht vor, daß nur bis zu einer gewissen

Heft in.

18 Grenze noch ein Jntestaterbrecht bestehen sott; zu diesem gehören nur

noch Ehegatten und Verwandte erster und zweiter Ordnung. Das heißt, es sind jetzt nur noch nach dem Gesetze zu Erben berufen: Eltern und Abkömmlinge, Geschwister, Geschwisterkinder und Großeltern; der Onkel und die Tante nicht mehr, auch der Vetter und die Kusine nicht mehr, nicht mehr die weiteren Voreltern und die Abkömmlinge der Großeltern. Erben soll der Landesfiskus nach dem bestehenden Rechtszustande; es ist auch an der gesetzlichen Konstruktion des Erb­ rechts nichts geändert, es soll sich lediglich um ein bürgerlich recht­

liches Erbrecht des Staates handeln. Die Verwaltung und Verwer­ tung der Nachlässe soll durch Landeserbschaftsämter, gegebenenfalls auch durch Gemeinden erfolgen. Ich will auch hier, glaube ich, mit besten das Eingehen auf Einzelheiten unterlassen. Der Gesamtertrag der Nachlaß- und Erbschaftssteuern soll 92 Millionen Mark ausmachen. Was die Aenderung des Erbschaftssteuergesetzes betrifft, so kann ich mich ganz kurz fassen. Es handelt sich wesentlich um Aenderungen, die durch das neue Nachlaßsteuergesetz bedingt sind. Dabei ist — wie ich hervorheben will — eine erhöhte Besteuerung der „manus mortua“ und der Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke vorgesehen. Es wird dies dadurch begründet, daß so erhebliche Ein­ griffe in das Privatrecht der nächsten Blutsverivandten auch eine er­

höhte Besteuerung der beregten Zuwendungen rechtfertigen. Ich gehe nun zur sechsten Steuervorlage über: der Jnseratenund Reklamesteuer, der sog. Anzeigensteuer. Auch hier hat die Regierung Gedanken Rechnung getragen, die in literarischen und wissenschaftlichen Kreisen erörtert worden sind. Es soll von der in der Form doch recht häufig sehr aufdringlichen Reklame, die vielfach in unangenehmer Weise belästigend wirkt (sehr richtig!), für die All­ gemeinheit ein Tribut in Anspruch genommen werden. Es soll keine Zeitungssteuer sein, wie von den Interessenten befürchtet worden ist, sondern es soll nur ein Zuschlag zur Jnseratengebühr erhoben werden. Dabei wird in die Rechte der Verleger möglichst wenig eingegriffen werden, es wird ihnen zu diesem Behufe überlassen, die Steuer selbst zu erheben, sie erhalten dafür eine Pauschale von lO pCt. der Steuer, die sie selbst einziehen. Die Sätze sind gestaffelt, je nach der Höhe der Auflage und je nach der Häufigkeit des Erscheinens von 2pCt. bis lOpCt. Ich will

auch hierbei Sonderbestimmungen nicht vortragen. Die Plakatsteuer soll die sonstige Reklame, die Bemalung von Häusern, die Aufstellung von Schildern, von Beleuchtungskörpern usw. ergreifen.

Die

Berechnung

der Steuer

erfolgt

nach dem für die

19

Reklame gezahlten Entgelt oder auch nach der eingenommenen Fläche. Die Einzelheiten glaube ich auch hier weglassen zu können.

Der Ertrag der Jnseratensteuer ist auf über 29 Millionen Mark berechnet

worden, und der Ertrag der Steuer für die sonstigen Ankündigungen auf 4 700 000 M. Nach Abzug der Unkosten soll die gesamte An­

zeigensteuer rund 33 Millionen Mark erbringen. Ich komme nunmehr zu der letzten Steuervorlage, dem Gasund dem Elektrizitätssteuergesetz, das hier in diesem Kreise sicher das meiste Interesse finden wird und das voraussichtlich wohl in den Reihen dieser Versammlung auch der schwersten Kritik unterzogen werden wird. Ich werde es meinerseits vermeiden, mich kritisch dazu zu äußern. Ich will nur einzelne von den Gesichtspunkten angeben, die die Regierung dazu bestimmt haben, überhaupt diese Steuer in Vorschlag zu bringen. Die Regierung weist darauf hin, wie die Elektrizität sich in den letzten Jahrzehnten gewissermaßen die Welt

erobert hat, wie sie jetzt in den meisten Klein- und Großbetrieben herrscht, wie die Technik es in erstaunlicher Weise verstanden hat,

diese Kraft dienstbar zu machen für fast alle Zweige unseres Erwerbs­ lebens, und namentlich wie es gelungen ist, dieses anfänglich ziemlich teuere Arbeitsmittel allmählich erheblich zu verbilligen. Letzteres

die Verbündeten Regierungen in die Wagschalc geworfen und gesagt: „die Industrie wird es wohl verstehen — ich sage das lediglich referierend —, bei einer Besteuerung der Elektrizität diese Abgabe leicht zu ertragen und zwar durch Erzielung erhöhter technischer Vorteile und Abwälzung auf die Verbraucher". Im übrigen weist die Begründung darauf hin, daß auch nur mäßige Sätze mit der Steuer in Anspruch genommen würden. namentlich

haben

Mit der Besteuerung der Elektrizität geht Hand in Hand die­ jenige des Gases. Das Gas wird, wie die Vorlage sagt, deshalb herangezogen, weil es der erheblichste Konkurrent der Elektrizität ist, und es unbillig wäre, wenn man die eine Kraft besteuern und die andere nicht belasten wollte. Im einzelnen will ich

bemerken: Gegenstand der Steuer ist die elektrische Arbeit und das brennbare Gas aller Art, die zur Verwendung im Jnlande bestimmt sind. . Dabei wird unterschieden zwischen elektrischer Arbeit und Gas, die gegen Entgelt abgegeben, und folgendes

elektrischer Arbeit und Gas, die für den eigenen Bedarf hergestellt imd ver­ braucht werden. Die elektrische Arbeit, die gegen Entgelt abgegeben wird, soll mit 5 pCt. des Abgabepreises und mit nicht mehr als 0,4 Pf. für die Kilowattstunde, und ebenso das Gas, das gegen Entgelt abgegeben wird, mit 5 pCt. des Abgabepreises und mit nicht mehr als 0,4 Pf.

20

für das Kubikmeter besteuert werden. Ich kann hier nicht darauf eingehen, warum eine Kilowattstunde gerade gleich einem Kubikmeter gesetzt ist. Das ist eine technische Frage, die in der Begründung näher erörtert

worden ist.

Die Abgabe für eigenen Bedarf beträgt 0,4 Pf. für die

Kilowattstunde bei der Elektrizität und 0,4 Pf. für das Kubikmeter beim Gas. Es sind auch gewisse Erleichterungen und Befreiungen vorgesehen. Befreit sollen sein minder ertragreiche Gase, also in erster Linie die sogenannten Gichtgase, auch solche Gase, die unmittelbar mit anderen Erzeugungsvorrichtungen in Verbindung gebracht sind, Regenerativöfen, Benzin-, Oel-, Spiritusmotoren, Laternen usw. Es sind selbstverständlich auch befreit kleine Anlagen elektrischer Art, kleine

Hausklingelanlagen, Telephonanlagen usw. Die Steuer soll bei der Umformung der Elektrizität, z. B. bei Umformung von Hoch- in Niederspannungsstrom oder umgekehrt, nur einmal erhoben werden. Die Entrichtung der Steuer soll erfolgen bei der Erzeugung im Jnlande durch den Erzeuger; bei der Einfuhr vom Auslande ist der Wiederverkäufer derjenige, der die Steuer zu tragen hat. Für die Berechnung der Steuer sind Meßapparate vorgesehen. Es ist ober zulässig, die Steuer buchmäßig nach einer entsprechend eingerichteten Geschäfts- und Buchführung zu berechnen. Steuererleichterungen sind auch im Rahmen von Abfindungen zugelassen. Ich komme nun zum zweiten Teil der Vorlage, der sich mit der Besteuerung der Beleuchtungsmittel befaßt. Die Begründung geht davon aus, daß die Besteuerung der Beleuchtungsmittel sich in dem Rahmen des ersten Teiles des Entwurfs viel schwieriger verwirklichen lasse,' dies würde eine viel bedeutendere Erschwernis für die Produzenten bedeuten und eine erheblich kompliziertere Berechnung noüvendig machen.

Es würden beispielsweise noch weitere Meßapparate, die für den einen oder für den anderen Verwendungszweck der Kraft genommen werden müssen, erforderlich werden. Deshalb haben sich die Verbündeten Re­ gierungen entschlossen, die Beleuchtungskörper als solche zu versteuern. Es sollen die elektrischen Glühlampen und Brenner, die Glühkörper für Gas, auch für Spiritus und Petroleum — als Ausgleich, damit diese nicht besonders begünstigt werden, auch weil sich das in der Praxis kaum unterscheiden lassen würde —, die Brennstifte, die Queck­

silberdampflampen und ähnliche elektrische Lampen besteuert werden. Die Höhe der Steuer für elektrische Glühlampen und Brenner bewegt sich in den Sätzen von 5 bis 50 Pf., Glühkörper sollen mit 10 Pf. für das Stück besteuert werden, die Brennstifte mit 1 M. für das Kilogramm, Ouecksilberdampf- oder ähnliche elektrische Lampen mit

1 M. für das Stück bis 100 Watt und solche von höherem Verbrauch

21

mit je 1 M. für jedes weitere angefangene Hundert Watt.

Ich glaube,

daß ich mich auf weitere Details nicht einzulassen brauche.

Ich er­ wähne, daß auch bei dieser Steuer die Banderole von der Regierung als eine bequeme Form der Besteuerung in Aussicht genommen ist. Wir wissen alle, daß die Glühkörper und ähnliche Beleuchtungskörper jetzt bereits üblicher Weise in Verpackungen verkauft werden, auf denen sich ein Steuerzeichen sehr leicht wird anbringen lassen,' bei den anderen Beleuchtungskörpern wird sich dies auch bequem ermöglichen lassen. Es sind endlich noch Bestinnnumgen vorhanden, wonach Elektrizitäts­ werke,

die durch Licferungsvertträge in ihren Sätzen gebunden sind,

doch in die Lage versetzt werden, die Steuer auf die Verbraucher ab­ wälzen zu können. Auch von bett Strafbestimmungen will ich einzelne heroorheben. Es ist eine Geldstrafe bis zirm vierfachen Betrage der Steuer vorgesehen, die sich steigern kann bis zu 50 000 M. Der voraussichtliche Reinertrag der Gas- und Elektrizitätssteuer ist auf 50 Millionen Mark berechnet. Es sollen davon entfallen: 32 pCt. auf elektrische Arbeit, 26 pCl auf Gas-Arbeit, 24 pCt. auf elektrische Beleuchtung und 18 pCt. auf d'ie Gasbeleuchtung. Hiermit will ich schließen. Ich darf hoffen, daß es mir gelungen

ist, diese große Vorlage mit tuen wenigen Umrissen, die ich gebracht habe, Ihnen wenigstens annühetrnd in ihren wesentlichsten Punkten vor Augen geführt zu haben. (Beißall.)

Vorsitzender: Meine Hernen, bevor ich dein Herrn Korreferenten, welcher den kritischeit Teil in der Behandlung der Vorlage über­ nommen hat, das Wort erteile-, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie die Resolution! in Händen haben, welche das Direk­ torium dem Ausschuß vorgelegt hat. Der Ausschuß des Central­ verbandes hat jedoch darin »einige redaktionelle, aber auch eine wesentliche materielle Aenderung vorgenommen. Diese Aenderungen liegen mir zurzeit noch nicht vor. Es war unmöglich, eine neue Drucklegung vornehmen zu lassen. Ich werde mir deshalb erlauben, am Schluffe des Referats von Herrn Bueck die Aenderungen zur

Verlesung zu bringen — oder können Sie, Herr Dr. Bartels, Aenderungen jetzt mitteilen?

die

Regierungsrat Dr. Bartels-Berlin: Ich habe leider noch nicht das authentische Exemplar zurückbekommen.

Vorsitzender: Dann behalte ich mir also vor, diese Aenderungen Ihnen nachher mitzuteilen. Ich erteile nun das Wort Herrn Generalsekretär Bueck. Zweiter Referent Herr H. A. Bueck-Berlin: Meine geehrten Herren! Nachdem mein Herr Stellvertreter Ihnen ein Bild von dem



22

Inhalte der Gesetzentwürfe betreffend hat,

fallt mir

die

Aufgabe zu,

die Reichsfinanzreform gegeben

die in Ihren Händen

befindliche

Resolution im allgemeinen zu begründen. Gestatten Sie mir eine kleine Bemerkung voranzuschicken. Es ist Ihnen allen bekannt, daß die Vorlagen — sie befinden sich hier vor meinem Platze — erst vor ganz kurzer Zeit veröffentlicht worden sind.

Ich bitte Sie daher,

gütigst zu entschuldigen,

wenn meine Aus­

führungen den Eindruck machen werden, als wenn ich dieser Sache nicht die Sorgfalt zugewendet hätte, die ihr gebührt. Die Zeit war aber zu kurz, um die ganze Materie so durchzuarbeiten, wie es hätte geschehen müssen; ich bitte Sie daher, die Mangelhaftigkeit meiner Leistung nicht dem Mangel an Sorgfalt oder Gewissenhaftigkeit zuzu­ schreiben. Meine Herren, die ungünstige Finanzlage des Reiches war schon

seit geraumer Zeit eine von allen Patrioten mit banger Sorge empfundene Tatsache. In der Bevölkerung ist in weiten Kreisen das Empfinden verbreitet, daß es so nicht weiter gehen könne. Der Mangel des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und den Aus­ gaben des Reiches hat das Reich mit einer großen Schuldensumme Seit dem Jahre 1877, als die erste Anleihe kontrahiert wurde und die Reichsschuld nur etwas über 72 Millionen Mark betrug, bis zum Jahre 1900 war die Schuld auf 2395 Millionen Mark angewachsen. Ganz unerhört war die Zunahme der Schuld in belastet.

diesem Jahrhundert — aber nicht verwunderlich, wenn man in Rechnung zieht, daß die Ausgaben des Reiches fortgesetzt die Ein­ nahmen weit übersteigen. So ist es gekommen, daß in dem Laufe dieses Jahrhunderts die Schuld sich soweit vermehrt hat, daß sie augenblicklich 4^ Milliarden beträgt. Der Reichsschuldendienst erfordert jährlich die Summe von rund 160 Millionen Mark. Meine Herren, nach der Verfassung sollten dem Deutschen Reiche

die Zölle und Verbrauchssteuern und die Erträgnisse einiger anderen Reichssteuern unverkürzt zufallen; ein etatsmäßiger Ausfall sollte durch die von den Bundesstaaten zu leistenden Matrikularbeiträge gedeckt werden. Dieses Verhältnis änderte sich, als im Jahre 1879 das Zentrum es für angemessen erachtete, seine Zustimmung zu der großen, bedeutungsvollen und für das ganze Wirtschafts- und Staatsleben enffcheidenden Aenderung unserer Wirtschafts- und Handelspolitik und zu der damit verbundenen anderen Gestaltung auch des Finanz­ wesens des Reiches abhängig zu machen von der Annahme der so­

genannten Clausula Franckenstein.

Diese besagte, daß dem Reiche

von den Zöllen unb. von der Tabaksteuer nur 130 Millionen Mark

23 zufallen sollten.

Der Ueberschuß, auch das Erträgnis einiger anderer

Reichssteuern, sollte den Bundesstaaten

überwiesen

werden,

wie

es hieß. Meine Herren, damit begann die außerordentlich verhängnisvolle Finanzpolitik des Reichstages,' denn eine Partei allein kann dafür

nicht verantwortlich gemacht werden, weil bis jetzt eine Partei allein

noch nicht in unserem Reichstag die Entscheidung ganz in Händen gehabt hat. Ich sage daher, damit begann die verhängnisvolle Politik des Reichstages, die bereit war, wenn auch nach äußerstem Sträube» und harten Kämpfen, die ich in der Hauptsache als Schein­

gefechte betrachte (Heiterkeit), die größten Ausgaben zu bewilligen, in nicht wenigen Fällen selbst zu großen Ausgaben drängte, aber fast durchweg die Deckung für diese Ausgaben versagte, dem Reich eine Stärkung seiner Mittel verweigerte und überhaupt von deni Willen geleitet war, das Reich hinsichtlich seiner eigenen Mittel so knapp als möglich zu halten. Das System der Ueberweisungen war überhaupt verfehlt. Es hat ja Jahre gegeben, in denen in der Tat den einzelnen Staaten bedeutende Ueberweisungen gemacht werden konnten, die sie vielleicht in ein gewisses Gefühl der Sicherheit und in die Empfindung versetzt haben, daß das Reich sie in gewissem Grade dauernd alimentieren könnte. Im allgemeinen aber haben die Bundesstaaten auf Ueberweisungen verzichten müssen, sic haben Matrikularbeiträge zu zahlen gehabt, die zum Teil ihre eigene finan­ zielle Lage ungemein verschlechterten, ihnen schwere Opfer auferlegten, die namentlich im Laufe dieses Jahrhunderts so außerordentlich erhöht wurden, daß sie in den letzten Jahren den Bundesstaaten haben gestundet werden müssen. In den Vorlagen, die wir heute erörtern, haben die Verbündeten Regierungen unumwunden erklärt, daß eine Nachzahlung der gestundeten Beträge von den Bundesstaaten, ohne sie finanziell zu sehr zu schwächen — um den Ausdruck Ruin nicht zu gebrauchen —, überhaupt nicht verlangt werden könne. Da sieht man

die außerordentliche Rücksichtslosigkeit und Einseitigkeit der vom Reichs­ tag verfolgten Politik, die man nicht zu Unrecht selbst als reichsfeind­ lich bezeichnen könnte. Sie hat dem Reich die Mittel zur Deckung seiner Ausgaben verweigert, selbst auf die Gefahr hin, die Bundes­ staaten in einer Weise in Anspruch zu nehnien, daß sie selbst mit ihren Finanzen in die größte Notlage gerieten.

Meine Herren, dieser Zustand soll jetzt durch die Vorlagen der Verbündeten Regierungen geändert werden. Ich will Sie jetzt nicht belästigen mit einer Aufzählung der von den Verbündeten Regierungen

gemachten Versuche, diese schweren Finanzzustände im Reiche zu ändern.

24



Wiederholt haben sie im Laufe der Jahre Vorlagen beim Reichstag eingebracht, die bestimmt waren, die Einnahmen des Reiches zu ver­ mehren. Sie fanden aber keine Gegenliebe. Man wollte neue Steuern

nicht bewilligen. Meine Herren, das ist ja auch ziemlich natürlich, denn lesen Sie

unsere ganze Oppositionspresse, so werden Sie finden, daß der größte Makel, der einem Abgeordneten angehängt werden kann, der ist, wenn man von ihm sagen kann: das ist ein Steuerbewilliger, und als Steuerbewilliger gebranntmarkt wollte kein Abgeordneter gern vor seine Wähler treten. Also wurden diese Steilervorlagen der Regierung vom Reichstag immer beseitigt. Höchstens wurden dilettantenhafte Versuche gemacht, aus eigener Initiative die wohlerwogenen Vorschläge der Regierung durch Steuern auf die Seite zu drängen, die einmal sich auszeich­ neten durch ihre außerordentliche Unergiebigkeit, dann aber durch das Verfehlte ihres ganzen Systems. Ich glaube, meine Herren, ich darf auf Einzelheiten in dieser Beziehung nicht eingehen. Ich will die Frage nicht untersuchen, ob

die Verbündeten Regierungen bei ihren früheren Versuchen von der ganzen Macht und Kraft, die in ihnen ist nach Maßgabe der natür­ lichen Verhältnisse, immer den erforderlichen Gebrauch gemacht haben. Jetzt scheinen sie aber, wie ich es wenigstens auffasse, entschlossen zu sein, mit aller Entschiedenheit eine Aenderung der Verhältnisse herbei­ zuführen, die in der Tat unerträglich geworden sind, da sie unsere inneren Verhältnisse und auch die Stellung des Reiches in der ganzen

Welt im höchsten Maße ungünstig beeinflussen. Meine Herren, ich sagte: unsere inneren Verhältnisse, denn ich muß hier nachholen, daß außer der großen Schuld, die dem Deutschen

Reiche aufgeladen ist, für die Amortisation nichts geschehen ist. Freilich bestimmte ja ein Gesetz vom 3. Juni 1906, daß die Reichsschuld mit 3/s pCt. getilgt werden sollte. Es waren aber keine Mittel vorhanden, diesen Beschluß zur Ausführung zu bringen, und unzweifelhaft, meine Herren, ist es, daß der niedrige Kurs unserer Staatspapiere, den wir so sehr beklagen, auch mit zurückzuführen ist — das ist eine der Ursachen

— auf die mangelnde Amortisation unserer Staatsschuld. Aber, meine Herren, in der Hauptsache ist die Ursache der ungünstigen Verhältnisse bei uns zu erblicken in der außerordentlich starken Inanspruchnahme

des Kapitalmarktes durch die übermäßig hohen Anforderungen, die auch das Reich an ihn stellen mußte. Dadurch wurden unsere Dis­ kont- und Zinssätze ungünstig beeinflußt. Dadurch wurden ungünstig beeinflußt unsere Bundesstaaten, unsere Kommunen, die Erwerbsgesell­ schaften, überhaupt Handel und Wandel, wenn sie es nötig hatten,

25 entweder zur Verfolgung ihrer großen Kulturaufgaben oder zur Ver­

besserung oder zur Vermehrung der Produktion oder zur Erweiterung der Verkehrsverhältnisse, oder was alles in diesem Rahmen zu nennen

ist, auch an den Anlagemarkt heranzutreten, so daß sie auch nur zu ungünstigen Bedingungen ihren Bedarf befriedigen konnten. Es ist ferner aber als höchst ungünstige Wirkung dieser Ver­ hältnisse zu erwähnen, daß neue Anleihen unter diesen Umständen nur unter Kapitalverlust oder unter Erhöhung des Zinsfußes ab­ geschlossen werden können. Es ist Ihnen ja bekannt, daß wir schon

zu dein 4-prozentigen Typ haben übergehen müssen, und wenn ich mich nicht irre, daß die betreffende Anleihe auch nicht einmal zu pari hat untergebracht werden können. Meine Herren, das sind alles Umstände, die eine Aenderung als eine absolute Notwendigkeit kennzeichnen, und aus diesem Um­ stande ist wohl zu schließen, daß die Verbündeten Regierungen mit einer vielleicht bisher noch niemals bewiesenen Schärfe und Energie auf eine Aenderung der ungünstigen Finanzlage im Reiche bestehen

werden. Freilich, die Anforderungen, die gestellt werden, sind ungemein, sind selten groß. Sie müssen es aber sein, denn, meine Herren, wenn nur die Ausgaben, die zum Teil schon durch Beschlüsse für die nächsten fünf Jahre sestgelegt sind, in Rechnung gezogen werden und die übrigen Ausgaben, die von vornherein als unvermeidlich erscheinen müssen, so wird der Bedarf des Reiches seine jetzigen Einnahmen in den nächsten fünf Jahren in jedem Jahre um eine halbe Milliarde übersteigen und, meine Herren, es wird damit, wenn eine Aenderung in dm Ein­ nahmeverhältnissen des Reiches nicht stattfinden sollte, sich die Schulden­ last des Reiches in fünf Jahren wenigstens wiederum um weitere zwei

Milliarden vermehren. Meine Herren, ich möchte in bezug

auf die Schuldentilgung

noch etwas erwähnen. Wir könnten mis in dieser Beziehung hi gewissem Maße England zum Muster nehmen, obgleich man vielleicht jetzt nicht gerade geneigt sein wird, auf England mit großer Freude hinzublicken. Aber ich habe niemals Anstand genommen, darauf hin­ zuweisen, daß wir diese Nation in manchen Dingen wohl als Lehr­

meister anerkennen dürfen. Meine Herren, England amortisiert in hervorragendem Maße. Seine Staatsschuld, die im Jahre 1880 15 Vz Milliarden Mark betrug, ist bis zum Jahre 1900 auf 12,8 Milliarden Mark amortisiert worden. Dann kam der unglückliche

Transvaalkrieg, der ja England furchtbare Opfer gekostet hat. Während dieses Krieges stieg die Staatsschuld wieder auf 16 Milliarden. Aber

26 die hauptsächlichsten Kosten des Krieges wurden, wie. das gewöhnlich der Fall zu sein pflegt, nicht auf langfristige Staatsschuld, sondern

auf schwebende Schuld genommen, und die schwebende Schuld in Eng­ land vermehrte sich während des Burenkrieges zu der ungeheuren Summe von 1600 Millionen Mark, also über 1 y2 Milliarden Mark.

Aber, meine Herren, England hat von jener Zeit an schon wieder ernstlich amortisiert; die Staatsschuld ist schon von 16 Milliarden auf 15y2 zurückgegangen, und die schwebende Schuld auf etwa 900 Millio­ nen, und, meine Herren, es sind in dieser Zeit Quoten von 360 Millio­ nen in einem Jahre amortisiert worden. Nun, meine Herren, können wir nicht die deutsche Reichsschuld mit der englischen Schuld vergleichen, sondern zu einem Vergleiche eignet sich von deutscher Seite nur das Zusammenfassen der Reichs­ schuld mit den Schulden der einzelnen Staaten. Diese Schulden be­

tragen in Deutschland in diesem Jahre 19 Milliarden, und wenn Sie die Liste der einzelnen Jahre herunter verfolgen, so finden Sie keine absteigende Ziffer, sondern nur aufsteigende Ziffern, ein Zeichen, hgß

auch in den Bundesstaaten nicht oder sehr wenig — mit Ausnahme einzelner, die darin etwas mehr leisten, was aber in der Gesamtsumme verschwindet — amortisiert wird. Meine Herren, ganz anders in den anderen Staaten. Frankreich hatte im vorigen Jahre 1907 eine Nationalschuld von 24,4 Milliarden Mark; Frankreich amortisiert nicht so stark wie England, aber doch in jährlichen Beträgen von 60—80 Millionen Mark.

Nun, meine Herren, hat vielleicht die genannte Summe von 19 Milliarden Mark Staatsschulden im Deutschen Reich etwas Be­ unruhigendes für Sie. Aber zur Beunruhigung liegt absolut keine Veranlassung vor, denn unsere deutsche Staatsschuld beträgt nur 10 pCt. des sehr mäßig geschätzten Nationalvermögens. Die Staats­ schuld beträgt in Frankreich 12 y, pCt. des Nationalvennögens, in

England aber nur 5,8 pCt. des Nationalvermögens — auch wieder ein Beweis der außerordentlichen Macht und Kraft, die in diesem

Lande steckt. Meine Herren, wenn bei uns von neuen Steuern gesprochen wird,

so haben wir stets den Kampf zu hören zwischen den Vertretern der direkten und der indirekten Steuern. Wir Deutsche haben die Eigentümlichkeit, bei der Enffcheidung über Fragen, die eigentlich nur und allein vom Gesichtspunkte wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit beurteilt werden müssen,

unsere Ansicht zu regulieren nach von alters her als feststehend an­ gesehenen Schulmeinungen oder auch nach dem Dogma, das sich die einzelnen politischen Parteien aufgestellt haben.

So war es bei dem

27 Kampf um unsere Zollfragen, so war es bei dem Kampf um unsere Währung. Von Hause aus war jeder Freihändler und jeder Anhänger

der Goldwährung ein bis in die Grundfesten liberaler Mann, und derjenige, welcher wagte von Schutzzöllen zu sprechen, oder sie zu vertreten, oder vom Bimetallismus, war versunken in der äußersten wirtschaftlichen Rückständigkeit, er war ein Reaktionär vom reinsten

Wasser.

So, meine Herren, ist es

auch heute mit der Frage der

direkten und indirekten Steuern. Heute sehen wir die Feldlager ge­ schieden. Die Liberalen sind gegen die indirekten Steuern, die Liberalen

verlangen, daß nur Steuern eingeführt werden sollen, ob es nun im Bundesstaate ist oder im Reiche, die erhoben werden von dem Besitz,

von dem Vermögen, vom Einkommen — oder es ist vielleicht richtiger, die uingekehrte Reihenfolge zu nennen. Das ist ein Dogma, und von dem abzugehen, scheinen sie vorläufig noch keine große Neigung zu haben. Dabei spielt nun freilich auch die jetzt so sehr bedeutende sozialistische Richtung mit. Man hält es nicht für richtig, daß deni Unbemittelten überhaupt Steuern abgenommen werden, vor allem aber nicht von den Gegenständen seines täglichen Verbrauches,' man will eben, wie gesagt, nur den Besitz heranziehen, die sogenannten starken Schultern, und den Besitz mit einer Progression erfassen, die mancher vielleicht als eine teilweise Konfiskation des Vermögens ausehen würde. Aber das ist nun einmal bei uns nicht anders. Meine Herren, dann kommt noch ein weiterer Umstand dazu. Bei dieser Stellungnahme, durch welche namentlich auch die Rück­ sichtnahme auf die sozialen Verhältnisse so in den Vordergrund ge­ drängt wird, spielt noch ein Grund mit, und das ist der Einfluß, den die Massen der Wähler durch die Eigentümlichkeiten unseres Wahlrechts im Reiche auf die Abgeordneten erlangt haben. Meine Herren, es kommt da der Gedanke zur Geltung, dem mit so herzerstischender Offenheit der Abgeordnete Eickhoff durch den Ausruf der Worte verliehen hat: „Meine Herren, wir wollen ja alle wieder ge­ wählt werden!" (Sehr richtig!) Wie gesagt man scheut sich, mit der Bewilligung indirekter Steuern, von Steuern auf Verbrauchs­

gegenstände vor die Wähler zu treten — denn wir wollen ja alle wieder gewählt werden, und darauf ist, wie ich glaube, ein gutes Teil des Widerstandes zurückzuführen, den diese Sache findet. Meine Herren, ich bin selbst Abgeordneter gewesen und weiß, wenn bedeutende Fragen kommen, dann heißt es zuerst: Wie komnit

die Partei dabei zu liegen, wenn sie so oder so entscheidet (Heiterkeit), und dann kommt jeder einzige und sagt: Wie komme ich vor meinen Wählern zu stehen, wenn ich diese oder jene Entscheidung treffe (sehr

28 richtig und Beifall), und in dritter Reihe erst heißt es: Was erfordert das allgemeine Wohl des Staates? (Lebhafte Zustimmung.) Meine Herren, ich kann Ihnen sagen, daß diese Beobachtung nicht zum

wenigsten dazu beigetragen hat, mich zu veranlassen, mich nicht wieder wählen zu lassen, sondern mein Mandat aufzugeben. —

Meine Herren,

es ist weder durch Verfassung noch durch Gesetz

im Reiche festgestellt, welcher Art die Steuern, sein sollen, die dem Reiche zufallen. Das Reich ist berechtigt, die Steuern zu nehmen nach seiner vollkommen freien Entschließung. Aber, meine Herren, es hat sich bei uns im Reiche ein gewisses Gewohnheitsrecht aus­ gebildet, das dahin geht, daß die Bundesstaaten die sogenannten direkten Steuern für sich in Anspruch genommen haben und ihre Ein­

nahmen beziehen vom Einkommen, Vermögen und Besitz, und daß dem Reiche die indirekte Besteuerung vorbehalten bleibt. Demgemäß ist es wohl richtig, wenn sich das Reich der Eingriffe in das Steuer­

gebiet der Bundesstaaten enthält,' denn solche Eingriffe würden zur Verwirrung der Staatsfinanzen und zu unhaltbaren Zuständen sfHkkNr Wenn Sie nur das eine erwägen — von allen weiteren Gründen abgesehen, ich kann ja nicht alle Argumente anführen, ich kann mich

nur in Beispielen bewegen —: die direkten Steuern von Einkommen, Verniögcn und Besitz sind auch die Reserve der Einzelstaaten, und, meine Herren, wir haben ja in diesen Tagen das Beispiel gesehen, wie der größte Bundesstaat Preußen, um die wahrlich viel zu lange hinausgeschobene Erhöhung der Gehälter seiner Beamten nur teilweise durchzuführen — nur teilweise, weil sie eben die ganze Klasse der höheren Beamten ausscheidet — zurückgreifen muß auf diese Reserve und neue Gesetze eingebracht hat, durch welche Einkommen und Ver­ mögen in hohem Grade in Anspruch genommen und belastet werden sollen. Was sollte werden, wenn das Reich mit dem Vorgriff kommen und diese Reserve wegnehmen wollte!

Das würde — Sie werden

mir recht geben — zu unsäglichen Verwickelungen führen. Bei alledem kommen noch die Steuerzuschläge der Kommunen in

Betracht, die bei uns in Preußen, und wohl auch in anderen Staaten, ungemein hoch sind. Herr Staatssekretär Sydow hat in seiner außer­ ordentlich interessanten und belehrenden kleinen Schrift, die in der „Deut­ schen Rundschau" veröffentlicht worden ist, uns mitgeteilt, daß es in Preußen 250 Gemeinden gibt, die noch über 250 pCt., in einem Falle bis zu 425 pCt., Zuschläge erheben, und er hat uns gesagt, daß ein

Zuschlag von 200—250 pCt. eine Gesamtbelastung von 12—15 pCt. vom Einkommen ergibt. Ja, dazu kommen noch Kirchensteuerzuschläge — ich weiß nicht, wie hoch — (Zuruf: Schulsteuern!) und Schulsteuer-

29 Zuschläge, so daß da eine Gesamtbelastung herauskommt, für die ich hier auch Beispiele habe, die unglaublich klingen würden, wenn ich Sie Ihnen nennen wollten ich habe die Beweise hier, daß große Er­ werbsgesellschaften an Steuern, an Abgaben, an Leistungen für soziale Versicherung bis über 50 pCt. ihres Reinertrages schon aufzuwenden haben.

Meine Herren, das sind Verhältnisse, die es nicht gestatten, daß das Reich auf diese Gebiete noch übergreift. Meine Herren, es bleibt dann endlich — um von dieser Frage ab lassen zu können — zu envähnen, daß den Bundesstaaten die in­ direkten Steuern, soweit sie sie früher gehabt haben — und sie haben ja auch Verbrauchsabgaben gehabt; ich erinnere z. B. an die Salz­ steuer, die in Preußen erhoben wurde — mit der Begründung des Reiches entzogen worden sind, so daß also die Verbündeten Regierungen außerordentlich Unrecht tun würden, wenn sie nun einengend eingreifen wollten in das Gebiet, welches den Bundesstaaten noch allein übrig geblieben ist. Meine Herren, es ist eine alte Lehre — ich kann sie hier nicht beweisen, aber sie ist anerkannt —, daß große Beträge auf dem Wege der Steuererhebung nur zu erlangen sind, wenn auch die Massen dabei in Mitleidenschaft gezogen werden, und das kann ja nur geschehen, wenn es sich um Verbrauchsgegenstäude handelt, und es ist in vollem Maße gerechtfertigt, wenn diese Gegenstände nicht notwendige Lebens­ bedürfnisse sind, sondern wenn es sich um Genußmittel handelt, so daß es jedem Steuerzahler in die Hand gegeben ist, in welchem Grade, hoch oder niedrig, er die Steuer zahlen will, mit anderen Worten: wenn es dem Betreffenden freisteht, die Steuer zu zahlen oder sich ihr durch Enthaltsamkeit teilweise oder ganz zu entziehen. Von diesem Standpunkte ausgehend, wird man die Absicht der Regierung, die großen Verbrauchsgegenstände der Massen, Tabak,

Bier und Branntwein, mehr zur Steuer heranzuziehen, in vollem Maße billigen müssen. (Zustimmung.) Man wird sie um so mehr billigen müssen, wenn man sieht, wie die anderen Kulturstaaten, und

namentlich diejenigen, die uns ja immer wegen ihrer außerordentlich ausgebildeten freiheitlichen Einrichtungen als Muster vorgeführt wer­ den, wie Frankreich als Republik, wie ebenso als Republik die Ver­ einigten Staaten, und wie namentlich England als alter konstitutioneller Verfassungsstaat in größter Vollkommenheit — wie diese Länder ge­

rade die indirekten Steuern am allermeisten ausgebildet haben. Ich erlaube mir, Ihnen dafür ein paar Zahlen zu nennen. Ich greife dabei auch noch auf Oesterreich zurück. Meine Herren, Oesterreich

30 erhebt an indirekten Steuern auf den Kopf der Bevölkerung 23,33 M., die Vereinigten Staaten 30,22, Frankreich 32,74, England 35,12 M., Deutschland 18,15 M., also etwa die Hälfte. Wenn wir das sehen, dann werden wir den Verbündeten Re­ gierungen vollständig zustimmen können, daß sie sich hier auf einem

unter jeden Umständen zulässigen Gebiete bewegen. Ich gebe un­ bedingt zu, meine Herren, daß die Massensteuern in der Hauptsache auch von den Massen, das heißt von den mehr Unbemittelten auf­ gebracht werden, bestreite aber auf das Allerentschiedenste die immer von den liberalen Kreisen betonte Notwendigkeit, diese minder be­ güterten Klassen in steuerlicher Beziehung gewissermaßen als ein voll me tau^ero zu behandeln. (Sehr richtig!) Meine Herren, die Arbeiter, die ja heute in der Hauptsache die unteren Klassen repräsentieren und als deren Repräsentanten auch gelten wollen, geben ja selbst ein klassisches Beispiel für ihre Steuerkraft. Die gewerkschaftlich organi­ sierten Arbeiter haben im Jahre 1907 im Durchschnitt an ihre Ge­ werkschaft pro Kopf bezahlt: 27,58 M. Meine Herren, im Jahre 1891 betrug der Durchschnittsbeitrag pro Kopf der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter 6,68 M.,' er ist also in dieser Zeit auf das Vierfache gestiegen, doch entschieden ein Zeichen für die außerordent­ liche Hebung des ganzen Arbeiterstandes in bezug auf seine Lebens­ haltung und Steuerkraft. (Sehr richtig!) Die Einnahmen der Ge­ werkschaften haben im Jahre 1907 51 Millionen Mark betragen. Das haben die Arbeiter im Wege der regelmäßigen Beitragsleistung, also der Selbstbesteuerung aufgebracht. Dazu kommen noch die nicht

seltenen außerordentlichen Sammlungen und Leistungen. Das Ver­ mögen der Gewerkschaften betrug Ende 1907 33 Millionen Mark. Ja, meine Herren, soll man solche Volkskreise nicht zur Be­

steuerung heranziehen? (Sehr richtig!) Ich möchte behaupten, daß auch noch von einem anderen Gesichtspunkte aus die Besteuerung dieser Klassen notwendig ist. Wie Sie wissen, gilt den Sozialdemo­ kraten — denn das sind die Leute, von denen ich spreche — das Vaterland gar nichts, obgleich sie unter seinem Schutz und unter seiner Protektion und unter den Einrichtungen des Staates derart gedeihen, wie es diese Selbstbesteuerung erkennen läßt. Es ist aber eine allbekannte Tatsache, daß geschenkten Sachen und erwiesenen Wohltaten nicht die Bedeutung und der Wert beigelegt wird, der ihnen eigentlich gebührt. Wir sehen das an unserer ganzen Arbeiterschutz- und Arbeiterversiche­ rungsgesetzgebung, an der Beurteilung dieser Gesetzgebung seitens der

Sozialdemokratie, daß meine Behauptung richtig ist. Denn die Sozial­ demokraten haben ja nur höhnende Worte dafür, und wie beispeils-

31 weise die wohltätigen Einrichtungen der deutschen Arbeitgeber,

die ja

von der ganzen Welt angestaunt und bewundert werden, nicht einmal von den Sozialdemokraten, sondern von unseren vorgeschritten sozia­

listischen Professoren beurteilt werden, wie man die Arbeitgeber gewisser­ maßen als Verräter an ihren Arbeitern wegen dieser Wohlfahrts­ einrichtungen bezeichnet,

das hat der katheder-sozialistische Kongreß in

Mannheim ja zur Genüge gelehrt. (Lebhafte Zustimmung.) Also, meine Herren, auf das Geschenkte geben die Leute nichts und auch auf das Wohlwollen geben die Leute nichts. Aber ich möchte doch

glauben,

daß vielleicht das Staatsbewußtsein auch in den Arbeiten!

doch erhöht werden könnte, wenn sie zu der Ueberzeugung geführt werden, daß sie dein Staate gegenüber auch Pflichten zu erfüllen haben (sehr richtig!) auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung (sehr wahr!)- das könnte doch vielleicht etwas zu einer Aenderung dieser Nichtachtung des Vaterlandes beitragen. Meine Herren, unsere Arbeitgeber werden sicherlich nach alledem, ivas ich gesagt habe, den Arbeitern kein Unrecht zufügen, wenn sie sich für diese Steuervorschläge der Regierung aussprechen' denn die Arbeitgeber haben doch schließlich immer die Hauptsache von den Steuern zu tragen, die den Arbeitern auferlegt werden) das will ich hier jedoch nicht weiter ausführen. Meine Herren, ich werde mir nun erlauben, auch noch mit einigen Worten auf die einzelnen Vorlagen einzugehen. Ich bitte Sie, es zu entschuldigen, wenn ich vielleicht manches wiederhole, was mein Herr Vertreter schon ausgeführt hat. Es läßt sich aber meines Erachtens eine reinliche Scheidung nicht vornehmen. Ich komme zuerst zu dem Tabaffteuergesetz. Die jetzt bestehende Besteuerung des Tabaks wurde in der Hauptsache geregelt durch das Gesetz vom 16. Juli 1879. Es brachte damals eine wesentliche Er­ höhung der Belastung des Tabaks, und ich möchte die Herren, die so lange zurückdenken können, einmal daran erinnern, daß gleich nach dieser Zeit die Zigarren in kleinen Formaten Mode wurden.

Das ist eine

sehr bezeichnende Erscheinung, auf die ich vielleicht noch zurückkomme. Ich weiß es ganz genau, daß man vorher von den allerliebsten kleinen Zigarrenformaten noch gar keine Ahnung hatte. Erst nach deni Jahre 1879, als die Erhöhung gekommen war, wurden sie durch die Fabrikanten in die Mode gebracht, und sie existieren ja auch heute noch. Das hat aber einen sehr tiefen Gmnd und läßt erkennen, wie, wenn die Steuer den Fabrikanten trifft — was ja bei allen diesen Vorlagen nicht der Fall sein soll —, dieser doch in der Lage ist, sich mit einer gewissen Geschicklichkeit aus der Affäre zu ziehen. (Heiterkeit und Zustimmung.)

32 Meine Herren, die Steuer bringt jetzt 70 Millionen Mark und die sehr lohnende und alle Erwartungen befriedigende Zigarettensteuer 15 Millionen, so daß das Reich jetzt eine Einnahme von 85 Millionen Mark aus dem Tabak hat. Wenn mein verehrter Herr Vorredner aus naheliegenden Gründen es vermieden hat, auf diese Spezialien, die ich jetzt anführe, einzu­

gehen, so wird er es vielleicht verzeihen, wenn ich das ergänze, und es wird Ihnen vielleicht auch nicht ganz uninteressant sein. Es kommt hier nämlich auch darauf an zu zeigen, wie mäßig Deutschland bisher in dieser Art der Besteuerung gewesen ist,- denn alle anderen in Betracht kommenden Staaten, die ähnliche — auch nur ähnliche — Kulturverhältnisse haben wie wir, greifen den Tabak viel schärfer an. Meine Herren, Ungarn erhebt auf den Kopf der Bevölkerung 3,21 M., die Vereinigten Staaten 3,87 M, Italien 4,37 M., Oesterreich 4,95 M., also fast 5 M., Spanien 6,16 M., Großbritannien 6,43 M. und Frankreich 7,68 M. Meine Herren, ich glaube nicht, daß, wer in Frankreich gereist ist, die Beobachtung gemacht hat, daß die Bevölkerung abstinent vom Rauchen ist; es wird da sehr viel geraucht, auch bei einer solchen Belastung, und nun, meine Herren, wie sieht es in Deutschland aus? Wir haben bisher einen Zoll und eine Steuer pro Kopf von unserer Bevölkerung erhoben von 1,22 M.; dazu kommt jetzt in der letzten Zeit die Zigarettensteuer mit 25 Pf. Nach dieser neuen Regelung im Jahre 1906 beträgt also die Belastung pro Kopf unserer Bevölkerung 1,49 M. gegen 7,68 M. in Frankreich und 6,43 M. in England.. Meine Herren, was nun von den Verbündeten Regierungen auf diesem Gebiete verlangt wird, ist auf den Kopf der Bevölkerung ein Mehr von 1,25 M., so daß die Gesamtbelastung auf den Kopf künftig

sein würde 2,74 M., sie würde also immer noch zurückstehen hinter der geringsten Belastung der Länder, die ich mir erlaubt habe, Ihnen als Beispiele vorzuführen. Meine Herren, die Belastung auf den Kleinverkaufspreis gerechnet, steigt in den Ländern mit den hohen Quoten bis zu 80 pCt., bei uns augenblicklich, also einschließlich der Zigarettensteuer nicht ganz voll auf 14 pCt. Zu berücksichtigen ist aber auch der Umstand, daß mit

der allgemeinen Verbesserung der Lebenshaltung — das ist sehr inter­ essant in der Begründung ausgeführt — und dem wachsenden Wohl­ stand das Rauchbedürfnis sich ungemein verfeinert hat, daß der Uebergang von den gröberen zu den feineren Rauchmitteln in wirklich außerordentlich bemerkenswerter Weise sich vollzogen hat.

Das geht

aus der Fabrikation hervor, die in einzelnen Jahren, wenn eben neue

33 Vorschläge von der Regierung dem Reichstage unterbreitet wurden — die regelmäßig abgelehnt worden sind —, festgestellt worden ist. So

der Pfeifen des armen Mannes erkaltet (Heiterkeit), denn die Fabrikation von Rauchtabak, des inimer im Verhältnis billigeren Rauchnüttels, hat in dieser Zeit um ein Drittel abgenommen. Dagegen ist der Uebergang zu der feineren und anch kostspieligeren Form der Zigarre doch schon ein sehr erheb­ licher gewesen, denn in diesen 26 Jahren hat sich die Fabrikation von Zigarren um die Hälfte vermehrt. Aber gauz außerordentlich liegt sind von 1877—1903 in 26 Jahren viele

dieselbe Erscheinung vor ans dem Gebiet der Zigarette. Da hat sich in dieser Zeit die Fabrikation um das Siebzehnfache vermehrt. (Hört! hört!) Es wurden fabriziert im Jahre 1877: 187 616 Mille Zigaretten, und im Jahre Id93, in welchem eine sehr durchdachte Vorlage be­ treffend die Erhöhung der Tabaksteuer dem Reichstage von den Ver­ bi! ndeten Regierungen vorgelegt wurde — ich hatte selbst die Ehre über die damaligen Steuervorlagen im Deutschen Handelstage zu referieren, daher bin ich mit der Sache vertraut —, waren es 600 000 Mille Zigaretten, und im Jahre 1903: 3 200 000 Mille Zigaretten. Ja, das ist doch wohl der schlagendste Beweis dafür, daß die Begriindnng recht hat, wenn sie sagt: Bei einer solchen Verfeinerung, einem solchen Uebergang zu teureren Rauchformcn kann doch der Staat anch eüvas davon haben, denn, meine Herren, wo sehen Sie heute noch einen Arbeiter eine Pfeife rauchen? Das ist doch eigentlich eine sehr seltene Erscheinung. (Zustimmung.) Sie rauchen ihre Zigarre, und zwar immer eine nach der anderen (sehr richtig!), und da werden Sie den Verbündeten Regierungen recht geben, wenn sie keine zu große Zurückhaltung ausüben. Meine Herren, hauptsächlich ist bei der Tabaksteuer

jetzt der

Mangel des Systems zu beklagen, der sich in Kürze dahin ausdrücken läßt, daß bei uns die groben Tabake, die groben Rauchmittel nach einer groben Gewichtssteuer und einem groben Gewichtszoll ebenso

versteuert werden wie die feinsten Havannas, also, meine Herren, daß in bezug auf die ungemein große Verschiedenheit der Qualität und des Preises gar kein Unterschied vorhanden ist. Ein solcher Zustand läßt

sich ertragen bei einer niedrigen Steuer, er wird unerträglich, wenn die Steuer eine gewisse Höhe erreicht. Daher mußten die Verbündeten Regierungen darauf bedacht sein, ein ganz anderes System einzuführen. Das soll geschehen durch eine Fabrikatwertsteuer, beniesten nach

dem Kleinverkaufspreise. Durch diese soll eine gerechte Verteilung der Steuer und die Möglichkeit erreicht werden, die Steuer ganz sicher abzuwälzen auf die Verbraucher. Von den Verbündeten Regierungen Heft in.

3

34 wird bei allen diesen Vorlagen das Prinzip verfolgt, daß die Steuer

nicht, wie beispielsweise wegen ihrer Geringfügigkeit und unrationellen Verteilung bei der Erhöhung der Brausteuer im Jahre 1906, auf dem Gewerbe haften bleibt, sondern daß sie wirklich die Konsumenten, die Verbraucher trifft. Das soll bei dem System, welches die Regierung jetzt vorgeschlagen hat, in vollem Maße erreicht werden. Unter Frei­ lassung des Tabakgcnusses der Unbemittelteren soll also eine Fabrikat­ steuer in Form der abgcstuften Wertsteuer mit festen, nach den Werten steigenden Steuersätzen mittels Benutzung von Steuerzeichen — das heißt mittels Banderole, ein System, das sich bei der Zigarette außerordentlich bewährt hat — eingeführt werden. Es sollen, wie mein Herr Vertreter schon sagte, die Rauch-, Schnupf- und Kau­ tabake im Preise von 2 Mark pro Kilo und darunter von der Steuer frei bleiben. Beiläufig versichert die Vorlage, daß Dreiviertel des sämtlichen Rauchtabaks in diese Preislage fallen. Also diese Be­ freiung der unbemittelten Raucher ist eine recht weitgehende. Meine Herren, ich will hier gleich bemerken, daß namentlich von den Interessenten auf die Möglichkeit und Gefahr der Defraudation mit

großer Beflissentheit hingewiesen wird. Ich glaube, die Begründung tut ganz recht, wenn sie darauf hinweist, daß zu der Defraudation doch ein Einverständnis zwischen dem Produzenten, dem Verkäufer und dem Käufer notwendig ist. Dann aber, meine Herren, möchte ich mir doch erlauben, darauf hinznweisen, daß wir nicht in einer Nation von Spitzbuben und Dieben leben, sondern daß Spitzbuben und Diebe doch nur die außerordentlich geringe Ausnahme bilden, und ebensogut wie eingebrochen werden kann und gestohlen wird und wir uns dagegen nicht schützen können, ebenso werden wir es hin­

nehmen müssen, wenn auch einmal ein Dieb als Tabaksteucrdefraudant auftritt. Aber im ganzen, glaube ich, sind diese Befürchtungen nicht gerechtfertigt,' sie können durchaus nicht als ausschlaggebend ange­

sehen werden. Meine Herren, die Belastung im Verhältnis zum Kleinverkaufs­ preise wird, wie ich mir schon vorhin erlaubte anzuführen, von 13,79 auf 21,80 pCt. erhöht, und die Belastung auf den Kopf der Be­ völkerung von 1,49 auf 2,74 M. Aufgebracht sollen werden 77 Millionen Mark. Ich bin ein passionierter Raucher und rauche, wenn ich es dazu habe, auch einmal gern eine gute Zigarre. Ich

würde aber doch bereit sein, eine noch größere Belastung ans mich zu nehmen. Ich habe mich gewundert über die Zurückhaltung der Verbündeten Regierungen mit Bezug auf den Tabak. (Sehr

richtig!)

35 Meine Herren, mit Bezug auf das Thema der Verteuerung des Rauchgenusses habe ich mir noch eine kleine eigene Statistik geniacht und möchte Ihnen von dem Ergebnis hier auch noch etwas mitteilen, was Ihnen vielleicht interessant ist. Zwei meiner Herren Beamten haben sich der Mühe unterzogen, in der Hauptstraße Berlins — das

ist unverkennbar die Friedrichstraße — die vorhandenen Tabaksläden zu zählen. Es gibt da 53 derartige Läden,' die Friedrichstraße hat 250 Häuser, das macht also auf 4,72 Häuser 1 Tabaksgeschäft. Dann, meine Herren, habe ich noch eine andere Straße genommen von ganz anderem Charakter, die Köpenicker Straße. Meine Herren, in der Friedrichstraße in Berlin bewegt sich der Luxus und manches andere (Heiterkeit)- Sie kennen ja die ganze Bewegung in dieser Straße (Heiterkeit). In der Köpenicker Straße ist das Bild ein wesentlich anderes. Wenn Sie da durch die offenen Haustüren sehen in die tiefen Höfe, so reiht sich da ein Fabrikgebäude an das andere. Das ist die Fabrikstadt Berlin in des Wortes voller Be­ deutung, soweit die Fabriken da überhaupt noch Platz gefunden haben. Wenn Sie mittags die Straße entlang gehen, so glauben Sie sich nach Essen in der Zeit des Schichtwechsels versetzt, so voll ist die Straße von Arbeitern. Meine Herren, in der Köpenicker Straße sind 32 Tabaksgeschäfte, die Straße hat 190 Häuser, da sind die Tabaks­ geschäfte nicht so dicht gesät, es kommt also auf 5,94 Häuser, also rund auf jedes sechste Haus, ein Zigarrenladen. Nun kann man ja annehmen, daß einzelne dieser Geschäfte durch das Renomms, das sie sich erworben haben, einen großen Umsatz haben- aber in den meisten Fällen wird das Geschäft außerordentlich

klein sein. Ich sprach einmal mit einem Freunde darüber, der sagte: Ja, die meisten Inhaber dieser kleinen Geschäfte stehen bei gutem Wetter meistens vor ihrer Tür und rauchen so viel Zigarren, als sie den Tag über verkaufen. Nun, das wird wohl nicht ganz stimmen.

Aber, meine Herren, Scherz beiseite, der Umsatz kann nur ein ganz kleiner sein, und wenn Sie bedenken, daß diese Leute, namentlich in den teureren Gegenden, wie in der Friedrichstraße, eine außerordentlich hohe Miete zahlen und vieUeicht auch sonstige hohe Geschäftskosten haben, - und daß alle diese Leute doch selbst und wahrscheinlich auch

mit ihrer Familie von diesem kleinen Umsatz

leben, so werden Sic

erkennen, daß die größte Ursache dieser Verteuerung in der Zersplitterung des Detailhandels liegt. (Sehr richtig!) Wenn die neuen Steuergesetze

vielleicht auf diesem Gebiete etwas Wandel schaffen können, würde darin eine Nebenerscheinung zu erblicken sein, beklagen wäre. (Sehr wahr!)

dann

die nicht zu

36

Meine Herren, unsere Theoretiker haben ja in bezug auf die Behandlung des Monopolgedankens schweres Unrecht am Reiche getan, und ich möchte sagen, daß gegen diese Vertreter von Ideen, die sich einmal in ihren Köpfen festgesetzt haben, selbst die Kraft unseres große» Bismarck nichts ausrichten konnte, denn er konnte das Tabaksmonopol — ich glaube,

es war im Jahre 1882 — nicht durchsetzen.

Wenn

diese Unentwegten, die freilich mit der Eigenschaft behaftet sind, nichts zu vergessen und niemals etwas zuzulernen, es erleben, daß heute in der Schweiz, doch einem entschieden demokratisch regierten Staats­ wesen, seit Jahren das Spiritusmonopol besteht, und

daß jetzt im Bundesrat eine Vorlage betreffend die Einführung des Getreide­ monopols eingebracht ist — wie sie dann mit ihren Theorien zurecht

konmicu, wollen wir ihnen überlassen. Ich bin überzeugt, daß das Monopol den Tabak in Deutschland nicht so verteuert haben würde, wie es jetzt durch die Zersplitterung des Kleinhandels geschieht. Wenn damals aber der große Kanzler mit dem Tabaksmonopol durchgcdrungen wiire, so würden wir uns heute wohl nicht mit der Zerrüttung und Rot der Rcichsfinanzen zu beschäftigen haben. Meine Herren, ich komme zu der Aeuderltug des Brausteuer­ gesetzes. Ich möchte da auch eine kleine allgemeine Bemerkung voran­ schicken. Alle diejenigen, die wirklich mit ernster Enipfüldung die fort» wahrend sich verschlechternde Finanzlage des Reiches beobachtet haben, werden sich nianchmal mit der Ueberzeugung getröstet haben: Bei uns liegt ja das Geld ans der Straße — und es liegt tatsächlich auf der Straße infolge der Unerschlossenheit der Quellen, die unsere Rivalen im allgemeinen Wirtschaftsleben der Welt so kräftig zum Fließen haben bringen können, und zu diesen Stcuerquellen gehört auch die Bicrsteuer. Meine Herren, die Biersteuer ist, wie ich mir vorhin schon er­ laubte, anzudeuten, in ganz unzureichender Weise etwas erhöht worden im Jahre 1906. Das soll jetzt besser werden. Jetzt bringt sie auf

75 Millionen Mark, auf den Kopf der Bevölkerung 1/23 M. In England bringt die Biersteuer auf 258 Millionen oder auf den Kopf der Bevölkerung 5,87 M. und in den Vereinigten Staaten 250 Millio­ nen Mark, auf den Kopf 2,94, also beinahe 3 M. ' Meine Herren, nach der Reichsstatistik des Jahres 1906 wurden

in Deutschland in diesem Jahre 73 Millionen Hektoliter Bier aus­ getrunken, das macht auf den Kopf der Bevölkerung die liebliche Summe

von etwa 118,2 Liter. Meine Herren, wenn Sie den Hektoliter zu 30 M. im Ausschank rechnen — die Begründung sagt, daß das für Norddeutschland etwas zu wenig, für Süddentschland etwas zu viel sei — also wird das wohl der mittlere Ausgleich sein —, dann werden

37

int Deutschen Reich für Bier jährlich 2*/5 Milliarden ausgegeben, das macht auf den Kopf 36 M. Meine Herren, ich glaube, auf eine weitere Begründung brauche ich nicht einzugehen, daß hier in der Tat eine Steuerquelle vorhaitden ist, die wirkungsvoll zum Fließen gebracht werden niuß, immer in der

Voraussetzung, daß die Steuer nicht vom Gewerbe, sondern tatsächlich vom Verbraucher gezahlt wird. Gegenwärtig lastet auf der Litereinheit aller im Durchschnitt zum Ausschank kommender Biere eine Bierabgabc von 1,62 Pf. In Zukunft wird die Verteuerung 2l/2 Pf. betragen. Ich glaube, annehmen zu müssen, daß Sie gegen diese Steiler keinen

Einspruch erheben werden. Bei der dritten Steuer handelt es sich, wie mein Herr Vertreter­ ja schon gesagt hat, ivcttn man von allen Umschreibungen absieht, nm ein Monopol, um das Monopol des Reiches zum Airkanf des Brannt­ weins, zum Reinigen desselben und zum Weiterverkauf. Meine Herren, daß der Branntwein höher herangezogen werden nrnß, ist wohl auch keiner Frage unterworfen, da namentlich andere Staaten das Zwei- bis Dreifache ans ihm heransziehen. Die jetzige Bestenernng ist aus Ursachen, auf die ich einzngeheu hier nicht nötig habe, die zu erörtern auch sehr viel Zeit erfordern würde, im ganzen unübersichtlich, verwickelt nnd unbefriedigend. Es werden ihr von wirklichen Sachkennern wirtschaftliche, soziale nnd steuer­ technische Fehler uachgcsagt. Es empfahl sich daher, einen anderen Weg einzuschlagen, und die Verbündeten Regierungen haben, wie ich glaube, nach äußerst sorgfältiger Prüfung aller Schwierigkeiten, die sich anderen Wegen cntgegenstellen, sich zum Muster genommen, tvas aus privater Initiative im Jahre 1897, glaube ich, durch die Spiritnszentrale geschehen ist, die durch eine großzügige Organisation, wie es in der Begründung heißt, die ganze Branntweinerzeugung, den Brannt­ weinhandel, die Branntivcinreinigitng und den Branntweinverkauf wie

in einem Privatmonopol in ihre Hand zusammengefaßt hat. Aehnlich soll jetzt das Monopol des Staates wirken. Es soll der Staat, wie gesagt, von den Spiritnsproduzcnten allein zu kaufen berechtigt sein. Er soll den Spiritus dann raffinieren, ihn weiter an die Destillateure, an die Schankwirte, an die Gewerbe, kurz und gut, an die Verbraucher­

weiter geben.

Meine Herren, das Reich wist natürlich einen gewissen Aufschlag nehinen und tvill den Produzenten aus die Dauer einen die mittleren Herstellungskosten deckenden Preis sichern. Man will einen guten

brauchbaren Spiritus auch dauernd zur Verfügung stellen und dafür­ sorgen, daß der Trinkbranntwein in gesundheitlich zuträglicher Weise

38 geliefert wird, was jetzt vielfach nicht der Fall ist. Dabei wird nun freilich alles auf die Preispolitik des Reiches ankommen. In der

Begründung heißt es, daß wohl auch von der Industrie eine dauernd gute Beschaffenheit und die Stetigkeit des Preises begrüßt werden wird. Aber, meine Herren, in der Industrie werden so außerordentlich

große Massen von Spiritus verbraucht, daß doch der Preis eine große Rolle spielt. Bei der jetzigen Strömung ist nicht anzunehmen, daß die Landwirtschaft zu kurz kommen wird, eher vielleicht das Gegenteil. Aber, meine Herren, auch die Landwirtschaft hat keine Garantie, es kann auch einmal anders kommen, und die Industrie

würde wohl Wert darauf legen, wenn ihr irgendwelche Garantie für die Innehaltung gewisser niedriger Preise oder angängiger Preise ge­

geben wird. Jedenfalls, wenn solche Garantien nicht sollten gegeben werden können, nimmt die Regierung für die Zukunft ein außer­ ordentliches Vertrauen in Anspruch, das ihr aber wohl kaum wird verweigert werden können in Ansehung dessen, daß wir alle wohl nicht in der Lage sein werden, ein anderes Steuersystem in Vorschlag zu bringen, auch wenn wir eine Kommission dafür wählen wollten (Heiterkeit), und daß die Verhältnisse im Reich derart liegen, daß man jetzt auf eine zu peinliche Prüfung des Einzelnen nicht eingehen kann, sondern, um mich vulgär auszudrücken, auch einmal ein Auge zu­ drücken muß. Meine Herren, der Branntivein — das hat ja wohl schon mein Herr Vertreter gesagt — bringt jetzt 120 Millionen- in Zukunft soll er 100 Millionen mehr bringen. Der ganze Betrag der Brannt­ weinsteuer soll den Bundesstaaten überwiesen werden. Das Liter Trinkbranntwein zu 33'/z pCt. Alkohol wird um 15—20 Psg. ver­

teuert

werden.

Verbraucht

werden

im

Deutschen

Reich

jährlich

2,4 Millionen Hektoliter Alkohol. Meine Herren, daß bei der Verteuerung des Branntweins, wohl auch die Verbraucher nicht die ganze Last tragen werden, dafür möchte ich mir erlauben. Ihnen auch eine kleine Privatstatistik mitzu­ teilen, die ich in denselben Straßen habe aufnehmen lassen. Wenn ich als Schankstätten die Wein- und Bierstuben, die Schnapskneipen und auch die Casos bezeichne, die doch auch alkoholische Getränke verabreichen, so sind in der Friedrichstraße 117 derartige Schank­ stätten, das macht auf 2,14 Häuser 1 Schankstätte - also auf 10 Häuser kommen in der Friedrichstraße 2 Tabaksläden und 5 Schankstätten. In der Köpenicker Straße kommen auf 190 Häuser 101 Schankstätten (Bewegung), es kommt also auf 1,88 Häuser 1 Schankstätte,- aus

12 Häuser kommen 2 Tabaksläden und

6 Schankstätten.

(Zuruf:

39 Sehr interessant!) Nun, meine Herren, das muß doch ein außer­ ordentlich einträgliches Gewerbe sein, in dem gewissermaßen ein Unternehmer auf dem andern sitzt und doch seine Geschäfte machen muß. Unter diesen Umständen dürste die Schlußfolgerung nicht ganz unrichtig sein, daß, um das Gewerbe zu erhalten, der Wettbewerb zwischen bett einzelnen so nahe beieinander sitzenden Schankwirten so groß sein wird, daß sie wohl geneigt sein werden, etwas von

dieser Verteuerunss auf ihre Schultern zu nehmen. Jedenfalls wird sie die Schultern des Gewerbes nicht belasten. Meine Herren, zwischen der Luxussteuer und der Verbrauchs­ steuer steht die Weinsteuer. Auch da ist dafür Sorge getragen, daß die Winzer von der Steuer nicht getroffen werden, denn die Steuer ist soweit als tunlich von der Produktionsstätte ab- und der Ver­ brauchsstelle nahegerückt. Es ist auch dafür Sorge getragen, daß die Unbemittelteren, die ihren offenen Wein trinken, ihn steuerfrei trinken können. Es sind auch noch andere Erleichterungen getroffen worden. Kurz und gut, meine Herren, daß wir gegen die Weinsteuer irgend etivas sagen können, erachte ich für ausgeschlossen. Meine Herren, da sich die Verbündeten Regierungen, wie ich mehrere Male hervorgehoben habe, veranlaßt gesehen haben, bei Be­ messung dieser Steuern so außerordentlich vorsichtig zu verfahren, so ist es nicht möglich gewesen, bett großen Bedarf, der erforderlich war, durch die bisher von mir besprochenen Steuern 511 decken. Sie haben daher noch zu anderen Steuern schreiten müssen. Ich nenne zuerst die Anzeigensteuer, die ja von meinem Herrn Vertreter schon ziemlich eingehend erörtert worden ist. Diese Steuer stieß zunächst auf einen außerordentlichen Widerstand in der Presse,

denn die ganze Presse vermutete darin eine Sonderbesteuerung, eine Rückkehr zu der Zeitungssteuer, die ja, wie alle anderen Zeitungs­ steuern, durch das Preßgesetz vom 7. Mai 1874 aufgehoben worden sind. Mit Bedauern haben damals die Hansestädte ihre bestehende Jnseratensteuer fallen lassen. Es scheint aber jetzt in dem Blätter­ wald der Presse dieser Sturm gegen das Gesetz schon einigermaßen aufgehört zu haben, wenigstens glaube ich, soweit ich die Zeitungen gelesen habe, diese Beobachtung gemacht zu habens und das wäre ganz richtig, denn es ist ja auch schon heroorgehoben worden, daß es sich hier nicht um eine Zeitungssteuer handelt, sondern um eine Steuer auf die Inserate, daß die Jnseratensteuer getragen werden soll von

den Inserierenden, von den Anzeigenden, und daß der Verleger selbst die Steuer erheben, und dafür enffchädigt werden soll.

Im übrigen hat diese Steuer mit dem, was man im gewöhn-

40 lichen Lebe« unter Presse versteht, gar nichts zu tun; denn der Inse­ ratenteil ist in allen Zeitungen von dein Nachrichtenteil abgetrennt, und es ist doch nicht anzunehmen, daß der Nachrichtenteil durch die

dem Inseratenteil aufgelegte Steuer wesentlich leiden wird. Denn, meine Herren, das ganze Inseraten- und Reklamewesen ist ein speku­ latives Unternehmen, und jeder Mensch, der spekuliert, sieht es auf die Groschen nicht so sehr an. Da werden denn auch wohl die Beträge, die die Jnseratenstcucr in Anspruch nimmt, nicht so genau an­ gesehen werden. Der Grundgedanke dieser Steuer ist, daß durch die Inserate große Gewinne erzielt werden, und weiter, daß an diesen Gewinnen doch auch das Reich einen kleinen Anteil nehmen kann. Die Inserate, die die Steuer bringen, sind ja in der Hauptsache die­ jenigen der großen kapitalkräftigen Geschäfte. Sehen Sie doch hier in unseren Jnseratenblättern die Inserate der großen Warenhäuser an, der Schaumweinfabrikanten, Henkel Trocken und wie sie alle heißen. Sie werden finden, daß kolossale Aufwendungen gemacht werden; der Gewinn mich also ein beträchtlicher sein, und von dem kann das Reich

auch wohl einen Teil in Anspruch nehmen. Meine Herren, ohne Vorgang in unserer wirtschaftlichen Ge­ schichte ist die Elektrizitäts- und Gassteuer. (Lebhafte Zustimmung.) Es ist bisher noch nie dagewesen, daß die Kraft, die arbeiten soll, um Waren, uni Werte für unser Wirtschaftsleben, für die Steigeriing des­ selben, für unsere ganzen staatlichen Verhältnisse zu schaffen, mit einer

Steuer belegt werden soll. Dazu soll jetzt übergegangcu werden, und als der Gedanke nur verlautbart wurde, sind schon aus den ver­ schiedensten Kreisen außerordentlich lebhafte Proteste erhoben wordcii. Meine Herren, es ist nicht nur die Industrie, die dagegen remonstriert hat, die Industrie, die sich vorstcllt, daß eigentlich jedes kleine Rädchen, welches durch die viclarmige Verteilung der Elektrizität in Bewegung gesetzt ivird, nun auch besteuert werden soll durch diese Kraftsteuer. Die Industrie war es nicht allein, es. waren die großen Vereinigungen der Kommunen, es waren die Handelskainmern, es ist

das Aeltesten-Kollegiuin der Kaufinannschaft, es sind große industrielle Vereinigungen und Verbände, die diesen lauten Protest erhoben haben. Andererseits wird man sich nicht versagen können, aiich der Begründung der Regierung eine gewisse Berechtigung zuzugestehen. Diese Begründung geht in der Hauptsache dahin, daß die anderen Steuern fast gar nicht oder nur in höchst geringem Maße und sehr langsam eine Steigerung ihres Steueraufkommens ergeben werden. Da nun aber die Ausgaben des Reiches, selbst wenn die altberühmte altprcnßische Sparsamkeit im vollsten Maße. in Wirkung

41 treten wird,

steigen

doch nach Maßgabe unserer ganzen Entwickelung immer

werden

und

vielleicht

niehr

steigen werden,

als

man

es

jetzt Vorhersagen kann, legen die Verbündeten Regierungen Wert darauf, auch eine Steuer zu haben, die, wie sie sich ausdrücken, entwickelungsfähig ist, aber nicht in deni Sinne entivickelungsfähig, daß der einzelne von der Steuer Betroffene später höher heran­ gezogen werden soll, sondern entivickelungsfähig in denk Sinne, daß dieses jetzt getroffene Gewerbe eine so außerordentlich großartige Ent­ wickelung in der Zukunft vor sich hat, daß es Berufen zu feilt scheint, eine der größten Kräfte zu werden, die überhaupt in unserer Welt

bisher beobachtet worden sind, daß bei dieser Entwickelung auch die Steuer, die jetzt, wie die Vcrbündeteu Regierungeu behaupten, eine außerordentlich mäßige ist mit äußerst geringfügigen Sätzen, doch ständig mit den wachsenden Ausgaben des Reiches auch steigende Ein­ nahmen bieten wird. Es ist das eine Argumentation, meine verehrten Herren, der man eine gewisse Anerkennung nicht versagen kann. Aber, meine Herren, ich muß nochmals konstatieren, daß der Widerstand in der Industrie ein außerordentlich großer ist. Es hat

sich das auch in unserer gestrigen Sitzung des Direktoriums gezeigtda wurden Summen genannt, mit denen durch dieses Gesetz einzelne Betriebe belastet werden, die, wenn sie nicht von so hoch ehrenwerten und so hoch intelligenten Herren uns genannt wären, fast unglaublich erschienen wären. Also, meine Herren, aus die Einzelheiten gehe ich nicht ein. Ich habe mir, als mir der ehrenvolle Auftrag erteilt wurde, hier zu referieren, gedacht: Welche Stellung soll der Centralverband zu dieser Frage einnehmen, der die Verpflichtung hat, die Widerstände in der Industrie aufs äußerste zu beobachten? Da habe ich mir gesagt: Bekannt ist die Tatsache, die ich auch hier im Eingang meiner Aus­ führungen erivähnt habe, daß diese Vorlagen erst in den letzten Tagen

veröffentlicht worden sind. Ich glaube, meine Herren, es gibt nicht viele unter Ihnen, die diese Vorlagen überhaupt gesehen haben, und

ich behaupte,

daß noch viel wenigere von Ihnen Gelegenheit gehabt

haben, sie so zu studieren, um Stellung zu dieser Sache zu nehmen. Das, was ich hier gesagt habe, ist aber kein Geheimnis, sondern ist allen bekannt. In der ganzen Oeffeutlichkeit ist bekannt, daß das große Publikum — und dazu gehören wir doch auch — noch nicht Gelegenheit gehabt hat,

in ausreichendem Maße sich mit der Sache

zu beschäftigen.

Wenn Sie heute, meine Herren, Stellung nehmen, entweder so oder so, wenn Sie den Gesetzentwurf heute annehmen, insoweit Sie

42 zur Annahme berechtigt sind, wenn Sie sich dafür aussprechen, will

ich richtiger sagen, so werden Sie in der ganzen Industrie und allen den Kreisen, die Interesse an dieser Sache haben, als leichtfertig be­

zeichnet werden, daß Sie jetzt bei mangelnder Prüfung so schnell mit Ihrem Ja zur Stelle sind, und dazu beitragen, daß der Industrie diese schwere Last auferlegt werden wird. Meine Herren, weisen Sie heute diese Vorlage unter jeden Umständen ab, dann erwecken Sie unter derselben Annahme, daß Sie noch nicht Gelegenheit gehabt haben, sich eingehend über die Sache zu informieren, den Verdacht, zu der großen Klasse unserer Bevölkerung und unserer schlechten Patrioten zu gehören, die sagen: Gezahlt muß werden, aber nicht von mir, laßt die anderen zahlen. (Zuruf: Sehr richtig!) Daher hatte ich mir erlaubt, dem Direktorium vorzuschlagen, daß Sie sich in folgenderweise heute mit Bezug auf diese Steuer entschließen möchten: daß Sie eine Kommission bilden, die ich schon sorgfältig vorbereitet habe, -indem ich es nicht darauf ankommen lassen wollte, wie häufig Kommissionen gebildet werden, daß Namen von hier und von da gerufen und ohne Prüfung dann ausgeschrieben werden. Ich habe mir erlaubt, mich cm die größeren Vereine in allen Landesteilen zu wenden, und habe sie gebeten, mir Sachverständige zu bezeichnen, mir Mitglieder zu nennen, die in diese Kommission kommen können, und, meine Herren, diese Kommission sollte beauftragt werden, den Gesetz­ entwurf eingehend zu prüfen, ihre Anträge dem Direktorium einzu­ reichen und das Direktorium sollte beauftragt werden, die Anträge der Kommission einer zweiten Versammlung der Delegierten oder des

Ausschusses zu unterbreiten. Meine Herren, dieser Antrag wurde gestern vom Direktorium angenommen/ Heute in Ihrer Ausschußsitzung ist ein anderer Beschluß gefaßt worden. Die Ausführungen, die ich mir erlaubt habe, Ihnen jetzt zu machen, sind nicht als beweiskräftig und stichhaltig angesehen worden. Man hat heute im Ausschuß beschlossen, diese Steuer direkt abzulehnen, zwar auch eine' Kommission zu ernennen, aber diese

Kommission nur zu beauftragen, die Begründung für die Ablehnung zu schreiben. Ich habe diesen Beschluß des Ausschusses — ich kann es nicht leugnen — schwer bedauert. Ich muß mich ihm fügen. Ich habe

die Ueberzeugung, und die kann mir nicht genommen werden, daß die Delegiertenversammlung sich wohl anders resolviert hätte. Meine Herren, ich habe dann noch eine Steuer zu erwähnen: die Nachlaßsteuer. Die Regierung hat geglaubt, doch bis zu gewissem

Grade den Besitz, das Vermögen in Anspruch nehmen zu sollen, und

43

hat eine Nachlaßsteuer vorgeschlagen, über die mein Herr Stellvertreter Ihnen schon berichtet hat. Sie ist der englischen Erbschaftssteuer nachgebildet, die in einer estate duty besteht, die den Nachlaß als solchen erfaßt, ohne Ansehen der Person, also von Kindern und Ehe­ gatten erhoben wird, und eine legacy duty, die eben von allen anderen Personen als von den Ehegatten und den Kindern erhoben wird, und so soll es auch in Zukimst bei uns gemacht werden. Die Erbschafts­ steuer bleibt in etwas veränderter Form bestehen' daneben wird aber die Nachlaßsteuer eingeführt, die soll auch von den Ehegatten und von den Kindern erhoben werden. Meine Herren, auch diese Steuer trifft auf einen außerordentlich großen Widerstand, namentlich bei einem Teil des Zentrums und bei den konservativen Parteien — bei den konservativen Parteien natürlich im Interesse des Grundbesitzes. Nun, meine Herren, sind für den Grundbesitz, wie mein Herr Vertreter Ihnen schon sagte, sehr weitgehende Erleichternngen ge­ schaffen worden. Er war ja nicht in der Lage, das so ausführlich ausznführen. Ich darf mir vielleicht erlauben, ein paar Minuten mehr dafür in Anspruch zu nehmen. Erstens wird der kleine Grundbesitz durch die Steuerfreiheit jedes Erbnachlasses von 20 000 M. und darunter in weitem Umfange ganz ausgeschaltet. Dann wird, wenn schon in den vorhergegangenen fünf Jahren ein Erbfall eingetreten ist, ein neuer Erbfall nicht gerechnet. Hat sich in den vorhergehenden fünf bis zehn Jahren — aber nicht über zehn Jahre hinaus — ein Erbfall ereignet, so wird nur die Hälfte berechnet. Ferner, meine Herren, wird der Wert des Grund­ besitzes nicht nach dem Verkaufswert, sondern nach dem Ertragswert gerechnet und als solcher nicht, wie es in dem Erbschaftssteuergesetz hieß, der 25fache Betrag des Reinertrages, sondern nur der 20 fache Betrag des Reinertrages angesetzt. Dann aber kommt die größte Er­ leichterung: daß es dem Grundbesitzer frei stehen soll, diese Erbschafts­ steuer als Rente eintragen zu lassen und in 20 Jahresraten ab­ zuzahlen. Weiter ist noch die Erleichterung vorgesehen, daß, wenn während dieser Abzahlungsperiode ein neuer Erbfall eintritt, die neue Rente erst nach dem Ablauf der laufenden in die Erscheinung tritt. Meine Herren, die Regierung hat ja für die Nachlaßsteuer, die auch den Ehegatten und Kindern aufgelegt werden soll, ganz gute Gründe. Ich möchte glauben, daß auch Sie um so weniger Ver­ anlassung haben, gegen diese Steuer anzukämpfen, da sie in allen Ländern mit geringen. Ausnahmen besteht. In allen europäischen und in allen amerikanischen Staaten besteht die Erbschaftssteuer, und

44 die Inanspruchnahme des Erbes der Kinder und der Ehegatten er­ folgt nur nicht in acht Kantonen der Schweiz, in Serbien, in 17 Staaten der Union, in San Salvador und in Venezuela. In Deutsch­ land haben wir sie sogar auch schon, und zwar in den Hansestädten und in Elsaß-Lothringen. Nun, meine Herren, wenn alle • anderen Staaten mit außer­ ordentlich viel höheren Beträgen diese Erben in Anspruch nehnien, so, glaube ich, sind die Gründe, die in Deutschland dagegen angeführt werden, nicht stichhaltig. Man verweist zum Beispiel daraus, daß der Familiensinn ungünstig beeinflußt werden könnte. Meine Herren, das

ist nicht wohl anzunehnien, denn das Familienleben wird sich wohl in den Hansestädten und in Elsaß-Lothringen nicht ungünstiger ge­

stalten als bei uns, und England, das eine unendlich viel höhere Steuer in Anspruch nimmt, als wir es nur im entferntesten be­ absichtigen, zeichnet sich ja gerade durch ein außerordentlich intensives Familienleben aus. Meine Herren,

mein Herr Vertreter hat Sie schon darauf auf­ merksam gemacht, daß mit der Nachlaßstener eine Wehrstcuer ver­ bunden ist. Ich kann wohl sagen, daß diese Steuer mir durchaus unsympathisch ist- denn entgegen der Ansicht der Regierung, wird ihr immer ein gewisses Odium einer Krüppelsteuer anhaften, und es gibt noch andere Zufälligkeiten, die dem einzelnen es unmöglich machen, seine Dienstpflicht zu erfüllen, und dafür sollen nachher seine Nach­ kommen büßen. Aber, meine Herren, es ist ein unbedeutender Be­ trag, um den es sich da handelt, und deshalb kann das ganze System von uns nicht zerrissen werden. Eine Steuer, die auch ernste Bedenken hervorruft, bringt der Gesetzentwurf, der das Reich unter gewissen Umständen als Erben

einsetzt. Es werden zu diesem Zwecke die Bestimmungen über die Erbfolge in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch geändert. Es sind nur

die Erben im ziveiten und dritten Grade und die Großeltern erb­ berechtigt- im übrigen tritt die Erbberechtigung nur ein, wenn ein Testament vorliegt. Sonst sollen die Erbfälle an entferntere Verwandte nicht mehr erfolgen, sondern das Erbe soll dem Reich zufallen.

Meine Herren, dafür führt die Regierung

auch

an,

daß bei

unserem jetzigen Leben der Familienzusammenhang nicht mehr so existiert wie früher, als die Blutsverwandtschaft ernst gepflegt und aufrecht erhalten wurde und in alle Verhältnisse eingriff. Man sagt sich, daß jetzt die Leute auseinandergehen, die entfernteren Verwandten kennen sich kaum, und da ist es doch nicht richtig, wenn einem oft ganz fremden Manne, der den Erblasser nicht gesehen, nicht gekannt,

Ab nichts für ihn getan hat, die Erbschaft zufällt. Ich möchte einen Einspruch dagegen nicht erheben. Es wird aber Einspruch erhoben besonders von densenigen, die den Staat als ein ganz besonderes, von deni Volke gänzlich abgetrenntes und nur mit den Regierenden, mit der Regierung verbundenes Wesen betrachten. Daß dieser Staat, daß gewissermaßen die Regierung erben soll, ist diesen Leuten ungemein bedenklich und unsympathisch. In unserer Oppositionspresse hört man sehr häufig: ja, der Regierung sollen so viel Millionen in

den Hals geworfen werden. Meine Herren, wenn man sich von dieser Auffassung abwenden kann und zil erkennen vermag, daß der Staat der Inbegriff des Volkes ist, daß, was für ihn geschieht, um sein Gedeihen, seine Wohlfahrt zu fördern und zu sichern, für das Volk in feiner Gesamtheit, für uns alle geschieht und daß die Negierenden ja nur die ausführeuden Organe find, wenn man dieser Auffassung Nanni gibt, dann wird man sich vielleicht eher damit ein­ verstanden erklären können, daß bei vorhandenen nur ganz entfernten Verivandtschaften das Erbe an die Allgemeinheit fällt. Freilich, meine Herren, können auch oft große Härten vorkonimen. Ich habe mir schon erlaubt, zu bemerken, daß dieses Erbrecht des Staates verhindert werden kann, wenn ein Testament vorlicgt. Nun gibt cs aber leider recht viele Personen, denen die Fähigkeit abgeht, ein Testament aufznstellen. Da find nun gewisse Vorkehrungen in dem Gesetz getroffen, aber nach Ansicht des Direktoriums, das sich gestern eingehend dainit beschäftigt hat, nicht in genügendem Maße. Es wird Sache derjenigen fein, die sich mit dieser Angelegenheit weiter zn beschäftigen haben, dafür zu sorgen, daß auch hier die nötigen Garantien geschaffen werden, nm unliebsame Härten zu vermeiden. Meine Herren, cs ist ja richtig, daß nicht bloß gegen die Erb­ schaftssteuer, und nicht nur gegen die Elektrizitätssteuer, sondern viel­ leicht gegen alle diese Projekte in den Kreisen unserer Mitglieder, in

den Kreisen der Industrie, die wir zu vertreten haben, Einwendungen erhoben werden. Ich bin überzeugt, daß, wenn Sie auch in dieser veränderten Fassung, die also die Ablehnung der Elektrizitätssteuer ausspricht, die übrigen Steuern aber gut heißt, erklären, Sie sind mit den gemachten Vorlagen einverstanden, wenn Sie die Resolution annehmen, auch dann der Centralverband wie ja so häufig, außer­ ordentlich schwer und hart angegriffen werden wird. Aber, meine Herren, das darf uns nicht abhalten, das zu tun, was wir für

richtig erachten, und nach meiner Ansicht, meine Herren, kommt es in der Hauptsache daraus an, wie ich vorhin schon hervorhob, daß wir

46 von der im Centralverband vereinigten Industrie das Odium ab­ wälzen, daß wir sagen: uns laß ungeschoren, nimm andere, die zahlen

können, oder, wie es ja auch ausgedrückt wird: schon' unser Haus,

zünd' andere an. Das wäre ein Odium, das ich von der im Central­ verband vertretenen Industrie unter jeden Umständen abwälzen möchte. Aber, meine Herren, es ist noch ein anderes. Wir haben oft genug in der Geschichte des Centralverbandes, wenigstens nicht selten, in sehr ernster Weise Stellung nehmen müssen gegen die Regierung. Wir sind davor nicht zurückgeschreckt, wenn es auch keine Freude für uns gewesen ist. Ich erinnere Sie daran, wie oft wir haben Stellung nehmen müssen gegen die zu große Nachgiebigkeit der Verbündeten Regierungen der sozialistischen Strömung gegenüber. Ich erinnere

Sie vor allen Dingen daran, wie energisch wir versuchten,

die Maß-

uahmen der Regierung zu ändern bei dem letzten Bergarbeiterstreik im Ruhrkohlenrevier. Aber, meine Herren, das hält uns nicht ab,

auf der anderen Seite uns auf die Seite der Regierung zu stellen, wenn wir erkennen, daß sie zum Wohle unseres großen Vaterlandes den richtigen Weg beschreitet, und namentlich, wenn es darauf an­ kommt, in solchen Lagen, in denen sich das Deutsche Reich jetzt befindet--------- , das heute schon zum Spott und Hohn des Auslandes geworden ist, wo man sich befleißigt, den deutschen Michel jetzt in

Karikaturen als den verlumpten, heruntergekommenen, verarmten Ge­ sellen darzustellen-------- , wenn es gilt, in solchen Lagen die Besserung herbeizuführen, dann der Regierung zu zeigen, daß sie sich fest aus die im Centralverband vereinigte Industrie verlassen kann. Daher bitte ich Sie, die, wenn auch etwas verstümmelten Anträge des Direktoriums und des Ausschusses hier mit Ihrem Placet zu versehen. (Lebhafter Beifall.) Vorsitzender: Meine sehr verehrten Herren! Herr Bueck hat im Eingänge seiner Rede gesagt, daß er bei der Kürze der Zeit, die er nur gehabt hat, sich mit der Materie zu beschäftigen, um Ent­

schuldigung bitten müsse, daß seine Leistung nicht den Erwartungen entsprechen könnte, welche die Delegiertenversammlung berechtigt sei, an ihn zu stellen. Ich bin der Meinung, daß das Referat ein so eingehendes, die Kritik so außerordentlich gut gewesen ist, daß er auch in früheren Zeiten es nicht besser hätte machen können. (Beifall.)

Meine Herren, wir haben die veränderte Resolution in wenigen Exemplaren hier. Ich bitte Herrn Regierungsrat Bartels, sie zu verlesen. Dr. Gottstein-Breslau (zur Geschäftsordnung): Ich wollte mir nur die Frage erlauben, ob die allgemeine Debatte, die sich an die

47 Ausführungen des Herrn Bueck knüpfen wird, vor oder nach Ver­ lesung der Resolution stattfinden soll.

Vorsitzender: Unzweifelhaft kann dies erst nachher geschehen, denn erst muß die Resolution den Herren doch bekannt sein. Das ist eine Geschüftsordnungsfrage, die ich unzweifelhaft erledigen würde in dem Moment, wenn die Tatsachen einmal glatt liegen. Regierungsrat Dr. Bartels-Berlin:

(lieft)

„Die Delegierten des Centralverbandes erklären:

1. Die finanzielle Lage des Deutschen Reiches ist durch die Versagung ausreichender eigener Einnahmen höchst unbe­ friedigend und unwürdig geworden. Seit Jahren haben die Ailsgaben des Reiches die Einnahmen weit überschritten und konnten daher mir gedeckt werden durch große Anleihen und durch die verfassungsmäßige Inanspruchnahme der Bundesstaaten bis zu einer für diese unerträglichen, weil auch ihre Finanzlage gefährdenden, Höhe. 2. Als Folge dieser Defizit- und Anleihewirtschaft im Reiche haben sich ergeben eine übermäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes, die Steigerung der Zins- und Diskontosätze, die Erschwerung und Verteuerung der Deckung des Geld­ bedürfnisses der Bundesstaaten, Kommunen, Erwerbsgesell­ schaften, überhaupt der Industrie, der Landwirtschaft, des 'Gewerbes und des Handels, der mit zahlreichen schweren Verlusten verbundene Tiefstand des Kurses der Reichs- und Staatsanleihen, endlich die Schädigung des Kredits und des Ansehens des Deutschen Reiches im Auslande und die äußerste Gefährdung der erforderlichen Finanzbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Reiches bei drohenden oder gar eintretenden kriegerischen Verwickelungen.

3. Daher erachtet, mit den Verbündeten Regierungen, der Centralverband die durchgreifende Reform der Finanzen des Reiches für eine unabweisbare Notwendigkeit. Durch diese Reform ist das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Reiches dadurch herzustellen, daß diesem, ab­ gesehen von den verfassungsmäßigen Matrikularbeiträgen, eigene Einnahmen zugewiesen werden in ausreichender Höhe, vorläufig mindestens zur Deckung der in den nächsten fünf Jahren sicher vorherzusehenden Ausgaben. Ferner ist durch die Reform eine wirksame und gesicherte Schuldentilgung herbeizuführen.

48 4. Der Centralverband erkennt mt, daß nach Maßgabe der historischen Entwickelung die Bundesstaaten für die Deckung ihres Geldbedarfes auf die direkten Steuern angewiesen sind, das Reich dagegen auf die Zölle und den wesent­ lichsten Teil der Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern. Demgemäß hat das Reich sich eines Eingriffes in das Gebiet der direkten Stenern tunlichst zu enthalten. 5. Daher billigt der Centralverband vollkommen die Absicht der Verbündeten Regierungen, den kiinftigen Geldbedarf des Reiches, abgesehen von den Zöllen, in der Hauptsache zu decken durch die Erhöhung bezw. Neneinführung der Besteuerung von Massenverbrauchsartikeln und durch die Einführung neuer anderer indirekter Steuern. Dabei wird der Centralverband von der Ueberzeugung geleitet, daß, um das Reich aus seiner finanziellen Notlage zu befreien, auch den minderbemittelten Kreisen der Bevölkerung Opfer nicht ganz erspart werden können. Die erforderlichen großen Summen können nur aufgebracht werden, wenn auch die Masse des Volkes in Anspruch genommen wird. Da die für die Besteuerung in Aussicht genommenen Massenverbrauchs­ artikel in der Hauptsache Genußmittel sind, trägt die Unter­ werfung unter die Steuer seitens der Verbraucher in gewisser Weise den Charakter der Freiwilligkeit. 6. Der Centralverband erklärt daher sein Einverständnis mit den von den Verbündeten Regierungen eingebrachten Steuer­ vorlagen und den sonst zur Gesundung der Reichsfinanzen gemachten Vorschlägen mit Ausnahme des Entwurfs eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes. Der Centralverband kann sein Einverständnis jedoch nur im Prinzip aus­ sprechen; er ist heute noch nicht in der Lage, die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe so zu prüfen, wie es erforderlich wäre, um zu ihnen abschließend Stellung zu

nehmen. Eine eingehende Prüfung muß er sich daher Vorbehalten. Er spricht sich indessen schon jetzt dahin aus, daß Erleichterungen, wie sie für die Landwirtschaft in Aussicht genommen sind, auch den anderen Erwerbsständen zugebilligt werden. 7. Gegen die Einführung einer Besteuerung der zur Erzeugung wirtschaftlicher Werte unentbehrlichen Kräfte müssen die allerschwersten, grundsätzlichen Bedenken erhoben werden. Der Centralverband hält somit den Entwurf eines

49 Gas- und Elektrizitätssteuergesetzes für unannehmbar und behält sich vor, diesen seinen Standpunkt noch eingehend zu

beauftragt daher Kommission von Sachverständigen Begründung ausarbeitet, und stellt unter Umständen die Arbeit dieser begründen.

Er

das Direktorium, eine zu bilden, welche diese dem Direktorium anheim, Kommission einer erneut

zu berufenden Versammlung der Delegierten oder des Aus­ schusses zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

8.

Der Centralverband erklärt endlich sein Einverständnis auch mit der in dein Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aende­ rungen im Finanzwesen,

vorgeschlagenen anderen Ge­

staltung der Matrikularbeiträge, weil durch die Erhöhung des ursprünglichen verfassungsmäßigen Beitragssatzes auf den Kopf der Bevölkerung in ausgleichender Weise auch beit Ansichten derer Rechnung getragen wird, die verlangen, daß für das Reich auch die Einkommen, das Vermögen und der Besitz in Anspruch genommen werden. Vorsitzender: Meine Herren, ich beabsichtige, Ihnen vor­ zuschlagen, erst eine Generaldiskussion über die Vorlage selbst und nach Beendigung derselben die Diskussion über die einzelnen Nummern zu eröffnen. Ich eröffne die Generaldiskussion und bitte um Wortmeldungen.

Dr. Gottstein-Breslau: Meine Herren, Herr Generalsekretär Bueck hat zunächst und wiederholt an unseren Patriotismus appelliert und uns klar gemacht, wir sollten nicht zu den schlechten Deutschen gehören, die, ivie es in dem Liede der Pinzgauer heißt, für die Erhaltung

ihrer Häuser beten, und singen „Zünd' lieber andere an". Meine Herren, ich glaube, ein derartiger Vorwurf kann jedenfalls weder Herrn Bueck noch dem Centralverbande gemacht werden. Die deutsche Industrie, und speziell diejenige, die hier im Centralverband ihre Vertretung hat, hat sich noch jederzeit opfermutig erwiesen. Noch in

der letzten Sitzung, wo hier erklärt wurde, daß wir die sozialen Lasten, obwohl sie tatsächlich eine sehr schwere neue Bürde mit sich bringen, ruhig auf uns nehmen, haben wir bewiesen, daß wir nicht von solchen engherzigen Gesichtspunkten erfüllt sind und, meine Herren, wenn immer gesagt wird, daß die Steuern auf Massenkonsumartikel nur den

armen Mann treffen, so ist das ein großer Irrtum. Es ist ja schon von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, daß der Wohl­ habende eine ganze Menge Köpfe ernährt und daher die Steuer für eine gauze Menge Köpfe bezahlt. Heft 111.

-

t

50 Meine Herren, wir sind aber hier als Vertreter der gesamten deutschen Industrie, und ich denke, von der deutschen Industrie hat auch Herr Generalsekretär Bueck eine viel zu hohe Meinung, als daß

er glaubt, daß wir zu allem ja sagen müssen. Wir kämpfen nicht bloß fiir unsere Interessen, sondern wir müssen uns bewußt sein, daß

wir die Interessen von mehr als dem halben Deutschland vertreten, und, meine Herren, wir bezahlen in dem Maße auch die Massenkonsumsteuern für mehr als das halbe Deutschland. Denn darüber gibt sich wohl niemand von uns einer Täuschung hin, daß wir das, was der Arbeiter in Zukunft für Tabak, Schnaps und anderes mehr­ braucht, bezahlen müssen. Das ist schon deshalb ganz selbstverständlich, da fast immer weniger Arbeiter vorhanden sind, als gebraucht werden, mit Ausnahme von vorübergehenden kurzen Perioden, denn es fehlt auch heute im Lande vielfach an Arbeitern, wenn auch in den großen

Städten da und dort nach Notstandsarbeitcn gerufen wird. Aus diesem Grunde ist es ganz selbstverständlich, daß die Erhöhungen, die die Airsgaben des Arbeiters erleiden, ihren Ausdruck im Lohn finden.

So ist es immer gewesen imb so wird es auch in Zukunft fein. Diese Lasten also, die die Massen zu tragen haben, wälzen wir nicht ab, sondern die tragen wir selber.

Meine Herren, auf einem ganz anderen Brett steht aber die Elektrizitätssteuer, und wenn hier unser verehrter Herr Bueck aus­ geführt hat, er hoffe, daß die Delegiertcnversammlung den bei­ nahe einstimmig und mit Beifall gefaßten Beschluß des Ausschusses umstoßen wird, so, glaube ich, meine Herren, täuscht er sich. Ich hoffe

es wenigstens. Meine Herren,

es ist bedauerlich,

daß die Vertreter der hohen

Staatsregierung zum Teil nicht mehr da sind, denn das Leitmotiv aus dem Vortrage des verehrten Herrn Bneck war vielleicht: „Du sprichst vergebens viel, um zu versagen, der andere hört von allem — nicht das Nein, sondern das Ja." Meine Herren, es mußte hier­

aus der Darstellung, wie sie Ihnen vorgetragen worden ist, entnommen werden, und es mußte durch sie der Anschein erweckt werden, auch bei den Herren Vertretern der Staatsregierung,

daß wir zwar tatsächlich

die Elekrizitätssteuer nicht ganz billigen, daß wir hier gewissermaßen etwas haben, wo wir uns auch etwas sperren, aber daß es uns nicht ernst ist mit der Wsage, sondern daß wir schließlich auch die Elektrizitäts­ steuer in irgendeiner Form genehmigen wollen. (Sehr richtig!). Meine Herren, man kann besteuern das Einkommen des Menschen, man kann seinen Konsum, namentlich so weit er Luxus­ artikel oder schädliche Sachen betrifft, besteuern, man kann auch das

51 Vermögen besteuern, obgleich das schon etwas zweifelhafter ist--------ich selbst stehe auf dem Standpunkt, daß das Vermögen besteuert werden soll, will ich gleich sagen, damit ich nicht für einen schlechten Patrioten gehalten werde--------- ; aber man kann nicht die Arbeits­ mittel des Menschen besteuern (lebhafte Zustimmung), und man kann namentlich nicht eine besondere Art von Arbeitsmitteln besteuern. Es ist hier hingewiesen worden auf den katheder-sozialistischen Kongreß in Mannheim, der manches Wort zutage gefördert hat, was sich geradezu

wie eine Blüte des Humors liest. Aber, meine Herren, die Folge dieser katheder-sozialistischen Weisheit, der Besetzung beinahe sämtlicher Lehrstühle mit sozialistischen Professoren, zeigt sich in unserem Beamten­ körper, zeigt sich in unserer Regierung, zeigt sich in den Gesetzen, die nns vorgelegt werden. Ich brauche Sie nur an ein einziges Gesetz zu erinnern, das eine ganz unmögliche Art der Bestencrung darstelln die Elektrizitätssteuer. Wenn ich sie durch eine Anekdote charakterisieren soll, dann möchte ich an einen Dorfschmied erinnern. Der Dorsschmied versteuert wie jedermann sein Einkommen; arbeitet er nun mit dem Blasebalg, den der Arbeiter mit großer Kraftanstrengung zieht oder tritt, nach der Art, wie Siegfried sein Schwert Nothung geschmiedet hat, dann ist die Arbeit steuerfrei. Wenn er aber iin Interesse seiner Leute einen kleinen Motor einstellt, muß er Steuer dafür zahlen. Meine Herren, nur eine einzige Art von Kraft soll besteuert werden. Die Wasserkraft wird nicht besteuert, die Dampfkraft ivird auch nicht besteuert. Wenn Sie aber elektrische Kraft anweudcn, was doch sicher im Interesse des Volkswohls zu begrüßen ist, da bekanntlich bei Transmissionen die meisten Unfälle stattfinden, und bei elektrischer Uebertragung Transmissionen großenteils veriniedcn werden, dann müssen Sie Steuer zahlen. Die Steuer ist keine kleine. Sic trifft auch nicht alle Betriebe, die elektrische Maschinen verwenden, gleich­ mäßig. Einer der Herren hat vorhin iin Ausschuß ausgeführt, es sei ja keine so große Last) er hätte bei einem ziemlich großen Betriebe

ungefähr 3000 M. zu zahlen. Das mag ja sein. Ein anderer Betrieb derselben Größe kann unter Umständen vielleicht 70—80 000 M. zu zahlen haben. Meine Herren, wer Tag und Nacht arbeitet und viel elektrische Kraft verwendet, dein kann es passieren, daß er P/2 und 2 pCt. und vielleicht auch mehr von seinem Anlagekapital an elektrischer Energie zu zahlen hat. Meine Herren, man hat nun die kleine Konzession gemacht, daß nur 5 pCt. auf Wunsch bezahlt werden sollen, wenn man durch eine

klare Buchführung einwandfrei nachweisen kann, wie hoch sich die Herstellungskosten der elektrischen Energie iin Betriebe stellen. Meine 4*

52 Herren, wer ist in der Lage, das zu beweisen?

Es ist dies wohl eine

gewisse Vergünstigung für Süddeutschland, wo man sich sonst gegen die Steuer gewehrt hätte. Wenn man eine große Wasserkraft lediglich für elektrische Kraft ausbant, dann kann man allerdings die Kosten

dieser elektrischen Krafterzeugung genau feststellen. Wenn Sic aber dieselben Dampferzeuger verwenden zur Lieferung von Dampf für elektrische Kraftübertragung, für Heizung, für Trocknung und für alle

möglichen Zwecke, wie wollen Sie dann so, daß der Steuerbeamte das als einwandfrei erkennt, nachweisen, was die elektrische Kraft kostet? Sie müssen also unweigerlich 0,4 Pf. pro Kilowattstunde zahlen, und das kann eine ganz erhebliche Last werden. Dazu kommen die mannigfachen Belästigungen, die sich in anderer Beziehung durch die Art der Steuer ergeben. Meine Herren, ob es gerade richtig ist, eine derartige Kraft, die kulturell in ihrer Entwickelung zu begünsügen ist, zu besteuern, das ist doch sehr die Frage. Sie werden eine ganze Menge Industrien in ihrer weiteren Entwickelung hemmen, andere in das Ausland ver­ weisen. Meine Herren, der Landwirtschaft soll doch in jeder Beziehung genützt werden. Tatsächlich ist die Elektrochemie jetzt auf dem Wege, der Landwirtschast großen Nutzen zu bringen. Aber die weitere Ent­ wickelung dieser Industrie wird in Deutschland auf diese Weise er­ schwert, vielleicht unmöglich gemacht. Vielleicht kann man dem Aus­ land gegenüber noch mitkommen, wo man besonders große und billige Wasserkräfte hat- aber auch das ist unter Umständen zweifelhaft. Der Ausschuß ist vorhin beinahe völlig einmütig gewesen (Widerspruch), daß wir hier ganz Kar aussprechem müssen: diese Steuerkönnen wir unmöglich annehmen. (Zuruf: Nicht einstimmigst — Es war, soweit ich sehen konnte, beinahe vollkommene Einstimmigkeit. Es mag sein, daß zwei, drei Herren opponiert haben,- aber es ivar meist nicht eine sachliche Opposition, sondern mehr eine formelle. Hier ist ja in § 6 auch schon ausgesprochen, daß der Central­ verband mit den anderen Vorschlägen einverstanden ist, mit Ausnahme des Entwurfs eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes, und es ist wohl in Nummer 7 die ursprüngliche Fassung nur durch das „trotz­ dem" etwas abgeschwächt worden. Es darf aber gar kein Zweifel

darüber bleiben — und diese Ansicht war doch in der bei weitem größten Mehrheit des Ausschusses vertret« —, daß diese Steuer in Sie ist gar nicht amendierbar. Ich gestehe auch zn, daß ich bisher noch nicht Zeit hatte, • den

jeder Beziehung unannehmbar ist.

Gesetzentwurf bis in alle Einzelheit« durchzustudier«- aber das, was

53 ich

darin gefunden habe — und das sind ungefähr die Kernpunkte,

die ich angeführt habe —, genügt, um selbst den besten Patrioten, der grade die Interessen einer weiten Mehrheit des deutschen Volkes ver­ treten will, zu einer strikten Ablehnung zu führen. Ich erinnere Sie daran: als wir damals hier für die Aus­

dehnung

der Arbeiterwohlfahrtsgesetzgebung

auf

die Witwen- und

Waisenversicherung stimmten, aber gewisse Reserven und Wünsche daran knüpften, da wurde das, was wir bewilligten, sehr wohl

registriert, während über unsere Wünsche hinweggegangen wurde. Es ist sehr sraglich, ob man unsere Wünsche erfüllen wird, wenn wir heute sagen, das Elektrizitätsgesetz stößt zwar auf Bedenken, aber in

gewissen Formen, mit gewissen Einschränkungen würden wir es an­ nehmen. Dann wird man sagen, daß die Industrie ja selbst aner­ kennt, daß sie die Lasten tragen kann,' natürlich, gewisse Bedenken hat

Aber es wird dazu führen, daß wir in Zukunft noch höhere Lasten zu tragen bekommen. Ich möchte daher bitten, daß Sie den Vorschlag des Ausschusses annchmen und trotz der vorzüglichen Vertretung seines Standpunktes durch Herrn Generalsekr-etär Bueck zu einer strikten Ablehnung kommen. Wir vertreten damit nicht das Interesse unseres Geldbeutels, sondern als gute Patrioten das Interesse des Vaterlandes. (Beifall.) ja wohl jeder.

Vorsitzender: Meine Herren, ich muß formell zuerst dagegen

Verwahrung einlegen, daß hier ein Paragraph herausgerissen worden ist, während ich nur das Wort gegeben habe zu einer Generaldiskussion.

Die ganzen Ausführungen des Herrn Vorredners haben sich ausschließ­ lich auf Nummer 7 bezogen. Dann muß ich erklären, daß ich als Vorsitzender der Ausschuß­ sitzung eine Einstimmigkeit des Beschlusses nicht konstatiert habe. (Dr.

Gottstein: Nahezu!) Ich darf daran erinnern, daß Herr Dr. Gott­ stein im Eingang seiner Rede gesagt hat: beinahe einstimmig. Auch das habe ich nicht konstatiert, und darum ist es nur eine subjektive Meinung von Herrn Dr. Gottstein. Ich habe eine andere Auffassung. Meine Herren, ich darf fragen, ob sich zur Generaldiskussion noch jemand meldet. Generalsekretär Dr. Tille-Saarbrücken: Meine Herren, es ist in den verschiedenen Paragraphen der vorgeschlagenen Resolution grund­ sätzlich der Standpunkt eingenommen, daß die indirekten Steuern dem

Reich gehören sollen und die direkten Steuern den Einzelstaaten, und die Begründung dieses Satzes weist darauf hin, daß dies vor allem auf einer historischen Entwickelung beruhe, auf einer Entwickelung von nun bald 40 Jahren im Deutschen Reich.

54 Ich

glaube,

daß

noch

ein

anderer, vielleicht noch schwerer gemacht werden kann, diese

wiegender Gesichtspunkt dafür geltend

grundsätzliche Stellung einzunehmen, und auch in der vorliegenden Erörterung ausgesprochen werden sollte, und das ist folgender: Die

Industrie ist von jeher daran gewöhnt, darauf Wert zu legen, daß die Rechte nicht von den Pflichten getrennt werden, und daß Rechte und Pflichten sich überall, wie im wirtschaftlichen Leben so auch im politischen Leben, entsprechen. Wir haben im Deutschen Reich das allgemeine gleiche Wahlrecht, und demgemäß hat sich nun auf dieser Grundlage ohne weiteres der Zustand enüvickelt, daß auch die für das Reich nötigen Mittel fast ausschließlich durch die Allgemeinheit treffende indirekte Steuern aufgebracht werden. In den Einzelstaaten haben

wir in der Mehrzahl der Fälle andere Wahlverhältnisse und daher auch ein anderes Steueroerfahren. Wir haben da die direkten Steuern, die an erster Stelle das Einkommen und nieistens auch das Vermögen 'treffen, und dementsprechend ist in den meisten Einzelstaaten auch das Wahlrecht gemäß dem Ausbringen mt direkten Steuern gestaltet. Es ist also in den beiden Staatsgebilden, im Reich und in den Einzel­ staaten, grundsätzlich der Satz durchgeführt, daß Rechte und Pflichten der Staatsbürger in einem gewissen Verhältnis stehen. Das Wahl­ recht entspricht in beiden Fällen der besonderen Form der Besteuerung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es besonders wünschenswert, daß auch der Centralverband einmal das zum Ausdruck bringt, daß er dem Reich die indirekten Steuern und den Einzelstaaten die direkten Steuern zubilligen will. Ich begrüße es mit besonderer Freude, daß dieser Satz in der Ihnen vorliegenden Entschließung deutlich aus­ gesprochen ist, und glaube, daß über denselben in industriellen Kreisen keine Meinungsverschiedenheit besteht. Dr. Silverberg-Köln: Meine Herren, ich habe mich zum Wort geineldet, weil ich vor allen Dingen dem Bedauern preußischer Mitglieder des Centralverbandes dahin Ausdruck geben wollte, daß nicht auch die preußischen Steuergesetze, besonders das Gesellschafts­ steuergesetz, zusammen mit diesen Gesetzesvorschlägen des Reiches hier zur Erörterung gestellt worden sind. Es ist selbstverständlich ver­ fassungsmäßig und theoretisch richtig, daß Reich und Staat getrennt sind. Aber es liegt hier eine sehr große Einheit nach der Richtung hin vor, daß, soweit es sich um juristische Personen handelt, die Steuerträger,

diejenigen,

die die Steuern bezahlen sollen,

dieselben

Personen sind. Wenn wir nun hier im Centralverband die Steuer­ frage, die Reichsfinanzreform jetzt zur Erörterung stellen, lassen sich

meiner

Ansicht

nach

vom

Standpunkt

der

Industrie

aus

die

55 preußischen Steuervorschläge nicht trennen von den Vorschlägen des Reiches, und da kommen wir dazu — ich weiß nicht, ob in dem Rahmen hier von dein Herrn Vorsitzenden die Erörterung gestattet

wird —, auch das Gesellschaftssteuergesetz in Preußen zusanimen mit der Reichsfinanzreform in seinen Wirkungen auf die Industrie zu prüfen. Meine Herren, ich bin vollkommen der Meinung, die hier auch von der Mehrheit des Ausschusses oder von dem Herrn Vorredner

vertreten worden ist, daß wir auch jetzt schon grundsätzlich zu dem Gesetzesvorschlage über die Besteuerung der elektrischen Kraft und die Besteuerung des Gases Stellung nehmen können. Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Frage, nämlich um eine Besteuerung der Selbstkosten. Wir haben schon einmal im Reich eine derartige Besteuerung der Selbstkosten bekommen, und zwar der Verwendungskosten durch den Frachturkundenstempel. Meine Herren, das ist eine

Besteuerung, die auch im wesentlichen die Industrie tragen muß, und vor allen Dingen auch in erster Linie wieder die schwere Industrie. Eine ebensolche Besteuerung der Selbstkosten liegt auch in dem Gesetz­ entwurf über die Besteuerung von elektrischer Energie und Gas, und

deshalb ist es unter allen Umständen richtig, auch ohne Prüfung des Details des Gesetzes jetzt schon dem aus grundsätzlichen Gründen ablehnenden Standpunkt der Industrie in schärfster Form Ausdruck zu geben. Wenn wir ins Auge fassen, daß es sich hier, soweit die Industrie

insbesondere betroffen wird, um die Selbstkosten-Besteuerung handelt, gewinnt eben das preußische Gesellschaftssteuergcsetz, das eine erhöhte Besteuerung des Ertrages einführt, ganz besonderes Interesse, und

hier müssen wir, da es sich eben vielfach um dieselben Steuerträger handelt, gegen dieses Gesellschaftssteuergesetz, in der Form wenigstens, wie es vorgeschlagen ist, auch Front machen. Es liegt hier eine um so schärfere Besteuerung des Ertrages vor, als die bisher steuer­ freien Prozente des Aktienkapitals der Aktiengesellschaften nicht mehr steuerfrei sein sollen, und vor allen Dingen auch darin, daß zu

erhöhten Steuerbelasümgen durch die Gemeinden eine erbreiterte Grundlage gegeben wird. Auch das sind Punkte, die einer ernsteren Prüfung bedürfen. Ich bedauere daher — um wenigstens in etwas in der General­ diskussion zu bleiben —, daß diese preußische Gesetzgebung nicht auch vom Centralverband zum Gegenstände der Erörterung und auch der mit der Reichsfinanzreform gemacht worden ist. um so notwendiger, als gerade in diesen beiden für die

Referate zusammen

Es ist dies

56 Industrie in Betracht kommenden Gesetzen wir die größten Leid­ tragenden sein werden, die am schärfften Betroffenen, weil unsere Selbstkosten verteuert und gleichzeitig schneidendsten Weise besteuert werden.

unsere

Erträge in der

ein­

Vorsitzender: Meine Herren, es ist der Geschäftsführung, be­ ziehungsweise

dem Direktorium der Vorwurf gemacht worden,

daß

wir die preußische Gesetzgebung nicht in unsere Beratung hier mit

ausgenommen haben, und daß wir anscheinend uns mit dieser Frage nicht beschästigen wollen. Das ist ein Irrtum. An dem Tage, nach­ dem die preußische Vorlage heransgekommen war, hat die Geschäfts­ führung sofort eine Anstage an alle wirtschaftlichen Vereine ergehen lassen (Bueck: In Preußen!), an viele in Preußen domizilierten Aktien­ gesellschaften, sie möchten Stellung zu dieser Vorlage nehmen. Vor­ gestern sind die letzten Antworten eingelaufen. Ihr Direktorium hat

daraufhin, in der Annahme, daß man naturgemäß Aenderungen wünschen würde, eine Sitzung der Interessengemeinschaft, welche besteht aus den Mitgliedern Ihres Direktoriums, aus Mitgliedern der Zentral­ stelle zur Vorbereitung von Handelsverträgen, aus der chemischen In­ dustrie und aus der elektrischen Industrie, für nächsten Dienstag ein­ berufen. Sie wollen daraus erkennen, daß auch diese Frage nicht einfach beiseite gelegt worden ist. Aber das hier in Verbindung mit den Reichssteuergesetzen zu bringen, ist deshalb wohl nicht an­ gängig, da das eine partikulare Gesetzgebung ist und das andere eben eine Reichsgesetzgebung. Die süddeutschen Herren usw. würden einfach sagen: Ja, wie kommen Sie dazu, diese Frage nun mit der anderen in Verbindung zu bringen. Was Sie (zum Vorredner) wünschen, würde von anderer Seite vielleicht abgelehnt werden. Deshalb kann

ich auch nicht zugeben,

daß die Frage der preußischen Gesetzgebung

in dm Rahmen unserer heuügen Diskussion Ausnahme findet und würde die Herrm, welche darauf eingehen würden, unterbrechen mit

dem Hinweis, daß das nicht auf der Tagesordnung steht. (Zustimmung.) Ich

Syndikus Dr. Fasolt - Berlin: Meine sehr geehrten Herren! habe mich nicht zur Generaldebatte, sondern lediglich zum

Elektrizitätssteuergesetz zum Worte gemeldet.

Vorsitzender: Dann darf ich bitten, daß Sie erst zu Nummer 7 das Wort nehmen.

Syndikus geschrieben.

Dr. Fasolt-Berlin:

Ich

habe

das

extra

daraus

Vorsitzender: Dann werde ich Sie also für Nummer 7 vormerken. Ich darf fragen, ob noch jemand das Wort zur Generaldebatte wünscht. — Das ist nicht der Fall, dann schließe ich dieselbe.

57 Referent H. A. Bneck-Berlin iui Schlußwort: Ich habe nur ein paar Worte zu sagen. Meine Her-ren, ich war doch einig ermassen

überrascht, als Herr Dr. Gottstein gesagt hat, die Vertreter der Ver­ bündeten Regierungen könnten aus meinen Ausführungen nur ein Ja herausgehört haben. Ich glaube nun doch, meine Herren, daß ich den

Herren Vertretern der Regierung eine richtigere Auffassung von dem was sie hören, imputieren darf. Ich habe diese Steuer als eine außer­ gewöhnliche, als eine ungemein harte, als eine tief in unser Wirtschafts­ leben und in die Industrie eingreifende, in recht ernsten Worten ge­ schildert, und habe ebenso eingehend uerrolesen auf den Widerstand,

der sich in der Industrie und in weiten anderen Kreisen erhoben hat. Wie man das als Ja auslegen sonnte, verstehe ich nicht. Ich habe natürlich als Referent die Verpflichtung gehabt, auch die von der Regierung angeführten besonderen Gründe für die Einführung dieser Steuer darzulegens wenn ich das nicht getan hätte, würde ich meine Pflicht verletzt haben. Aber, meine Herren, daß ich die Industrie gewissermaßen durch meine Ausführungen auf ein Ja, auf eine Zustimmung gebunden hätte, das muß ich ganz entschieden bestreiten,- das ist nicht der Fall gewesen.

Dr. Gott stein-Breslau (zur faktischen Berichtigung): Ich habe keineswegs sagen wollen — und es wird mir hier eben auch be­ stätigt, daß ich das gar nicht gesagt habe —, daß Herr General­ sekretär Bueck das Elektrizitätsgesetz oder seine Annehmbarkeit bejaht hat. Ich wandte noch das Zitat an: man spricht vergebens viel um zu versagen, der andere hört von allein nur das — Ja, also mit einer kleinen Aenderung des Zitats. Ich war mir also wohl be­ wußt, daß Herr Generalsekretär Bueck das Gesetz hier als vielleicht nicht annehmbar bezeichnet hat; aber ich sagte, seine Ausführungen

klangen so — und das wird mir auch eben von Nachbarn bestätigt —, als ob man das Ja schon leise heraus hören könnte. Ich glaube, dieser Eindruck wird sehr vielfach vorhanden gewesen sein. (Zustimmung.)

Vorsitzender: Meine Herren, wir kommen nun zu Nummer 1 der Resolution und ich eröffne die Diskussion darüber. — Es meldet sich niemand zum Wort. Daun darf ich wohl ohne besondere Ab­ stimmung die Annahme dieser Nummer 1 erklären. Auch

Ich eröffne die Diskussion über Nummer 2 der Resolution. — hier wird das Wort nicht verlangt. Ich darf auch wohl ohne

Widerspruch konstatieren, daß Sie dieselbe angenommen haben. Ich eröffne die Diskussion über Nummer 3 der Resolution. — Es meldet sich niemand zum Wort. Ich konstatiere ohne besondere Abstimmung die Annahme.

58

Ich eröffne über Nummer 4 der Resolution die Diskussion. — Schließe dieselbe, da sich niemand zum Wort meldet und konstatiere

ihre unveränderte Annahnie. Ich eröffne über Nummer 5 die Diskussion. — Auch hier meldet sich niemand. Ich darf auch wohl deren Annahme konstatieren. Ich eröffne über Nummer 6 die Diskussion.

Es meldet sich niemand zum Wort.

Dann schließe ich die Dis­

kussion und darf wohl die unveränderte Annahme der Nummer 6 konstatieren. Meine Herren, zu Nummer 7 liegt ein Antrag vor von Herrn Dr. Goldschmidt:

„Ich beantrage die Wiederherstellung der Fassung des Direktoriums." Also, meine Herren, das ist die Fassung, welche Sie in dem ursprünglichen Anträge haben, der hier auf den Stühlen lag. Ich

eröffne

die Diskussion und

gebe das Wort hierzu Herrn

Dr. Fasolt.

Syndikus Dr. Fasolt-Berlin: Meine sehr geehrten Herren! Ich kann Sie nur bitten, dem Anträge, der hier zuletzt gestellt worden ist, nicht zuzustimmcn, sondern dem Anträge, den der Ausschuß in letzter Sekunde heute morgen noch beschlossen hat. Es steht zwar in dem Anträge des Direktoriums, daß der Centralverband die

schwersten grundsätzlichen Bedenken gegen die Elektrizitätssteuervorlage hat, aber diese schweren grundsätzlichen Bedenken werden im Nachsatze sofort dadurch wieder abgeschwächt, daß das Direktorium vorschlägt, eine Kommission einzusetzen, die in eine materielle Prüfung des Gesetz­ entwurfs eintreten soll. Meine Herren, gerade dem Votum des Centralverbandes wird bei den bevorstehenden Beratungen des Reichstages, insonderheit

bei den bevorstehenden Kommissionsberatungen ein großes Gewicht beigelegt werden, und zweifellos wird man dann darauf Hinweisen, daß der Centralverband nicht derart ablehnend der Vorlage gegenüber stehe, wie die übrigen industriellen Interessenvertretungen, da er ja zur Verbesserung der Vorlage eine besondere Kommission eingesetzt habe.

Meine

sehr

geehrten

Herren!

Was

nun

die prinzipiellen

Bedenken, anbetrifft, die gegen die Vorlage zur Besteuerung von Elektrizität und Gas sprechen, so sind von Herrn Dr. Gott­ stein schon einige angeführt worden. Das Hauptbedenken liegt darin, daß die gewerbliche Antriebskraft, die gerade in den letzten Jahrzehnten eine so immense Bedeutung für unser ganzes Wirtschafts-

59 leben gewonnen hat, die Elektrizität, einer Steuer unterworfen werben soll. Meine Herren, das ist ein Novum in unserer Steuergesetzgebung, weil bis jetzt diejenigen Materialien steuerfrei gelassen worden sind, die die motorischen Kräfte für gewerbliche Zwecke liefern. Ich erinnere nur an den Spiritus- dieser ist für gewerbliche Zwecke steuerfrei. Mineralöle, die zum Betriebe von Motoren eingeführt werden, können zollfrei gelassen werden. Automobile, die gewerblichen Zwecken dienen, sind ebenfalls steuerfrei. Also, es ist ein ganz neues Prinzip, nach dem jetzt Elektrizität als motorische Kraft einer Steuer unterworfen werden soll. Mein? Herren, es hat sich bis jetzt noch kein anderer Kulturstaat bereit gefunben, in dieser Beziehung voranzugehen. Italien hat schon seit 13 Jahren eine Elektrizitätssteuer, aber sie erstreckt sich ausschließlich auf Beleuchtung und Heizung, auf die Heizung auch nur, falls sie nicht zu gewerblichen Zwecken gebraucht wird. Spanien hat eben­ falls seit einer Reihe von Jahren eine Elektrizitätssteuer, und auch hier ist die Kraft freigelassen, die in eigenen Anlagen erzeugt wirb. Seit zwei Jahren arbeitet die russische Regierung daran, eine Steuer auf Elektrizität einzuführen, und auch sie hatte zunächst die Absicht, die Kraft zu besteuern, mußte aber infolge des energischen Widerspruchs der ganzen russischen Industrie davon absehen. Deutschland würde also in dieser Beziehung sicher nicht ein Bahnbrecher des Fort­ schritts sein. Meine Herren, in der allgemeinen Begründung zu dem Entwilrf — man ist beinahe versucht anzunehmen, daß die allgemeine Begründung des Finanzgesetzes und die besondere Begründimg der Elektrizitäts­ steuer von zwei Seiten ausgegangen sind, die miteinander gar nicht in Berührung gestanden haben — in der allgemeinen Begründung zum Finanzgesetz, zum Mantelgesetz, steht, daß die Steuervorlagen von dem Gesichtspunkt aus aufgestellt worden sind, daß in die bestehenden Verhältnisse der kommunalen Verwaltungen nicht einge­ griffen werden soll. Nun, meine Herren, wird doch der energische Wider­ spruch, der gerade in kleinen kommunalen Verwaltungen gegen die Elektrizitätssteuer hervorgetreten ist, sicher der beste Beweis dafür fein, daß dieser Gesichtspunkt, der im Mantelgesetz aufgestellt worden ist, im Elektrizitätssteuergesetz nicht zur Geltung kommt. Darf ich Ihnen vielleicht in dieser Beziehung einige Zahlen neunen. Wenn die Steuer auf elektrische Energie kommen würde, die von öffentlichen Elektrizitätswerken für Beleuchtung erzeugt wird, würde sie von den Gemeinden zu 18 pCt. zu tragen sein, vom Staat zu 13pCt. Auf die Privatbeleuchtung würden nur 69 pCt. entfallen.

60 Bei der elektrischen Energie für Krastzwecke liegen die Verhältnisse etwas anders — ich bemerke aber, ich spreche nur von der Energie, die von öffentlichen Elektrizitätswerken erzeugt wird —, da haben die Gemeinde- und staatlichen Verwaltungen nur 14pCt. zu tragen. Viel höher ist wieder die Belastung der Gemeinden, soweit es sich um elektrische Straßenbahnen handelt. Von den deutschen Straßenbahnen

benötigen diejenigen, die im Privatbesitz sind, 69pCt., diejenigen, die im Gcnieindebesitz sind, rund 30 pCt. der sämtlichen für Straßenbahn­

zwecke erzeugten Energie. Meine Herren, Sie können sich daraus ein Bild machen, wie außer­ ordentlich schwer die Elektrizitätssteuer unser kommunales Verkehrs­ wesen belasten würde. Denken Sie besonders an die weiten Straßeubahnnetze, wie sie zum Beispiel in Rheinland - Westfalen bestehen.

Dort haben sich die Gemeinden zu großen Verbänden zusammen­ geschlossen, uni gemeinsam große Bahnnetze zu betreiben. Wir haben von Herrn Bueck gehört, wie in Preußen noch eine ganze Reihe von Städten vorhanden sind, die über 250 pCt. Kommunalsteuern erheben.

Das sind

gerade in der Hauptsache die rheinisch-westfälischen Städte,

und da soll noch die Elektrizitätssteuer hinzukommen. Meine Herren, ferner kommt noch in Betracht, daß die Steuer ans Elektrizität und Gas in der etwas groben Form, wie sie vorgesehen

ist, die Wirtschaftlichkeit unserer Elektrizitäts- und Gasanlagen gegen­ über den Dampfanlagen mit einem Schlage vollständig, verändern würde. Ebenso wird auch die Wirtschaftlichkeit unserer Lichtquellen mit einem Schlage von Grund auf nmgestaltet werden. Wir erzeugen in Deutschland heute noch rund 15 bis 20 Millionen Kohlenfaden­ glühlampen. Die gesamte Kohlenfadenproduktion würde mit einem Schlage vor einer schweren Krisis stehen, da dann natürlich jedermann zu den Metallfadenlampen greifen würde. Aehnlich liegen die Ver­ hältnisse hinsichtlich der Bogenlampenfabrikation. Auch hier ist heute schon ein schwerer Kampf vorhanden zwischen den Metallfadenlampen

von einigen hundert Normalkerzen, und den kleinen Bogenlampen. Es kann nicht Aufgabe der Steuergesetzgebung sein, eine technische Entwickelung, Steuer

zu

die sich langsam vollzieht, nun durch Einführung einer beschleunigen,

und

dadurch

eine

Krisis

in

einzelnen

Fabrikationszweigen herauf zu beschwören. Meine Herren! Endlich, arbeitet der Gesetzentwurf mit dem alten abgebrauchten Argument, daß die elektrische Beleuchtung ein

Vorrecht der besitzenden Klassen sei. Gerade mit demselben Argument hat vor 13 Jahren die italienische Regierung ihr Gesetz begründet,

genau mit demselben Argument hat die russische Regierung vor zwei

Gl Jahren ihre Steuer schmackhaft zu machen versucht.

Es wäre zweck­

mäßiger gewesen, wenn der Bearbeiter der Vorlage sich mehr an die

Wirklichkeit gehalten hätte. Gestatten Sie, daß ich auch 'hier einige Zahlen anführe, Zahlen,

die mein Verein voir einer größeren Zahl deutscher Elektrizitätswerke erhalten hat. Daraus ergibt sich, daß von der gesamten Lichtenergie, die von ösfentlichen Elektrizitätswerten erzeugt wird, 19 pCt. für Wohnungen, 27 pCt. für Ladengeschäfte, 17 pCt. für Fabrikwerkstätten, Bureaus usw., 18 pCt. für Gasthöfe, Theater, und 19 pCt. für öffentliche Belenchtnng verwendet werden. Meine Herren, als Luxusbeleuchtnng kannmandoch wohlnurdie Beleuchtung inWohnungenansehen, und wenn mir 19 pCt. der gesamten Lichtenergie darauf entfallen, kann man nicht behaupten^ daß in ihrer Besteuerung eine ausgleichende soziale Gerechtigkeit liegen würde, wie in der Begründung zu dem Gesetz­ entwurf glaubhaft zu machen versucht wird. MeineHerren, ich erinnere weiter daran, daß dieUeberlandzentralen, wie sie jetzt in allen Teilen Deutschlands bestehen, gerade die Land­ wirte und Kleingewerbetreibenden zu ihren Konsumenten zählen, und es hat sich gezeigt, daß je kleiner die Gemeinden sind, um so größer der Lichtanschluß ist gegenüber dem Lichtanschluß der Großstädte. Ich kann Ihnen auch hier Zahlen nennen. In Städten unter 10 000 Einwohnern beträgt der Anschlußwert für elektrisches Licht

pro 1000 Einwohner 27 Kilowatt, in Städten von 50—100 000 Ein­ wohnern nur 11,9 Kilowatt.

Nun, meine Herren, ich will auf die Details der Steuervorlage hier nicht weiter eingehen. Ich habe ja auch nur wenige Stunden zur Verfügung gehabt, um sie zu studieren. Aber ich niuß doch sagen, daß man sich die Sache etwas sehr leicht gemacht hat. Man ist zwar darauf gestoßen, daß eine immense Menge von Schwierigkeiten sich bei der Durchführung der Steuervorlage ergeben würden, aber man ist sehr

bequeni darüber hinweggegangen, indem man es dem Bundesrat über­ läßt, sich mit diesen Schwierigkeiten in den zu erlassenden Ausführungs­ vorschriften auseinanderzusetzen. sein.

Ein derartiges technisches Gesetz muß von Anfang an überlegt Man darf nicht das Gesetz machen und dann den mideren

Faktoren überlassen: Seht zu, wie Ihr es durchführen könnt.

Meine Herren, ich glaube, Sie werden sich wirklich keine allzu­ großen Gewissensbisse zu machen brauchen, wenn Sie auf Grund dieser prinzipiellen Erwägungen schon heute zu einer prinzipiellen Ablehnung

des ganzen Gesetzentwurfs kommen.

Man kann nicht sagen, daß wir

62 die Vorlage nicht genügend gewürdigt hätten. Seit Wochen sind schon die Tatsachen bekannt geworden, um die es sich hier handelt. Sie sind durch die authentische Fassung des Entwurfs nur ganz unwesentlich modifiziert worden. Also jedenfalls eine oberflächliche Behandlung würde sich der Centralverband nicht zuschulden kommen lassen. (Beifall.)

Dr. Goldschmidt-Essen: Meine Herren, Sie haben die ersten sechs Punkte der vorgeschlagenen Resolution ganz glatt angenommen und damit zum Ausdruck gebracht, daß Sie sich im Prinzip mit der Regierungsvorlage einverstanden erklären, das heißt, daß die 500 Millionen Mark, die fehlen, durch Steuern aufgebracht werden sollen. Wenn Sie nun bei Nr. 7 rund 50 Millionen Mark weg­ streichen, meine Herren, so müssen Sie doch folgerichtig angeben, wo diese 50 Millionen nun in aller Welt Herkommen sollen. (Unruhe und Widerspruch.) Denn, wenn Sie das nicht tun, liegt die Gefahr vor, daß dann der Reichstag, in dem die Industrie ja bedauerlich schlecht vertreten ist, sie anderswoher nimmt, und auf was für Stcuerquellen man dann kommt, ob die Steuern nicht viel drückender

sind, als die vorgeschlagenen, wissen wir nicht. Ich erinnere nur au die Dividendensteuer, meine Herren, von der schon wiederholt in der Presse die Rede gewesen ist (Zuruf: Die ist lange nicht so schlimm!), und was in den Händen des Reichstages dabei herauskonunt, können Sie noch nicht wissen. Meine Herren, ich möchte dann weiter darauf Hinweisen, das; Sie ja, wenn Sie das wiedcrherstellen, was das Direktorium beantragt hat, gar nichts präjudizieren. Ich möchte nur bitten, hier an der Schwelle nicht abzuurteilen über einen Gesetzentwurf von derartiger Tragweite und derartigen Schwierigkeiten, wie sie gerade dieser Entwurf in sich trägt. Sie können doch nicht an der Schwelle die Besteuerung des Lichts der Reichen ablehnen, wenn Sie das Licht der Armen in Form von Petroleum besteuern. Sie haben zugestimmt, daß, wenn das Getränk des armen Mannes, der Branntwein und das Bier, besteuert wird, dann auch das Getränk der Wohlhabenden, der Wein, besteuert wird, und Sie werden hier auch die Beleuchtung

der Wohlhabenden ebenso heranziehen müssen, wie die des Armen. Das wird im Reichstag eine ganz außerordentliche Rolle spielen, und gerade, weil diese Angelegenheit so außerordentlich schwerwiegend und so konrpliziert ist, möchte ich bitten, daß Sie nicht von vornherein

die Sachverständigen ausschalten, indem Sie einfach Nein sagen, sondern daß Sie die Sachverständigen mit hören, indem Sie den Gesetzentwurf so modifizieren, daß er für die Industrie nicht die. Belästigungen und die Lasten enthält, die jetzt in ihm enthalten sind.

63 Ich möchte Ihnen daher empfehlen, den Vorschlag des Direk­ toriums wieder herzustellen. Sie können das gleiche aber auch er­ reichen durch eine kleine redaktionelle Aenderung der Nummer 7. Da heißt es jetzt:

„Gegen die Einführung einer Besteuerung der zur Erzeugung wirtschaftlicher Werte unentbehrlichen Kräfte müssen schwersten grundsätzlichen Bedenken erhoben werden."

die

aller­

Nun fährt die Resolution fort: „Der Centralverband hält somit den Entwurf eines Gasund Elektrizitätssteuergesetzes für unannehmbar und behält sich

vor, diesen seinen Standpunkt noch eingehend zu begründen."

Wenn Sie jetzt streichen „hält somit den Entwurf eines Gasund Elektrizitätssteuergesetzes für unannehmbar" und fortfahren: „Der Centralverband behält sich vor, diesen Standpunkt eingehend zu begründen", dann, meine Herren, sagen Sie, daß Sie die schwersten Bedenken haben, versagen aber nicht Ihre Mitarbeit bei der An­ gelegenheit, und darum möchte ich Sie bitten, diese nicht von vorn­ herein zn versagen. Ich glaube, daß diese letztere Fassung diejenige ist, die vielleicht allen Parteien gerecht wird. Syndikus Gersten»-Hagen: Meine Herren, der Herr Vorredner hat sich in der Hauptsache mit der Verivendung der elektrischen Energie zur Beleuchtung beschäftigt. Ich möchte nur einige Worte sprechen über Vcnvendnng zu Kraftzwecken. Die elektrische Energie für Kraft­ erzeugung wurde in Fabrikbetrieben bis vor verhältnismäßig wenigen Jahren nur in großen Fabriken verwendet, die in der Lage waren, selbst sich Zentralen zu schaffen, und ich habe eben einige Ziffern

nennen hören, die mir bestätigt haben, mit wie kolossalen Summen die Großindustrie auch heute noch durch die neue Vorlage besteuert werden soll.

In den allerletzten Jahren haben wir in meiner Heimat in Rheinland und Westfalen durch die Errichtung der großen Ueberlandzentralen, die teilweise von Erwerbsgesellschaften wie z. B. durch die bekannte rheinisch-westfälische Elektrizitäts-Gesellschaft der Herren Stinues und Thyssen, teilweise durch die großen kommunalen Elektrizitätswerke Westfalen in Bochum, Mark in Hagen u. a. errichtet worden sind, Gelegenheit gehabt, die Kleinindustrie mit elektrischer Energie zn versorgen, und es ist, glaube ich, auch von allen Seiten mit Freuden begrüßt worden, daß es möglich war, der zunehmenden Zentralisierung

der Industrie in einzelnen großen Orten mehr ent­

gegen zu wirken, als es bisher möglich war: die kleinen Betriebe auf

64 dem Lande mußten früher infolge der weiten Wege, auf denen sie die Kohlen transportieren mußten, die Kraft zu teuer erkaufen. Es haben sich tatsächlich in unserem westfälischen Kleineifenindustriegebiet die ganz kleinen Betriebe nicht weiter vermindert, die Kleinindustrie scheint sich auch auf dem Lande einigermaßen wieder zu erholen, und wir haben die Hoffnung, daß sie in diesem Sinne weiter fortschreiten kann. Die Versendung der elektrischen Energie ist nur möglich außer­ halb bestimmter Grenzen, innerhalb welcher die Krafterzengung durch

Dampf in der Nähe der Zechen oder der Bahnhöfe ebenso billig wird, wie die elektrische Energie von den Zentralen abgegeben werden kann, und wir haben tatsächlich die Erfahrung geniacht, daß nicht nur mit 0,4 Pf., wie die Vorlage hier als Steuer vorsieht, gerechnet wird, sondern mit viel kleineren Bruchteilen von Pfennigen. Wir haben bei dem großen kommunalen Elektrizitätswerk „Mark" es erlebt, daß der Königlich preußische Eigiibahnsiskus schließlich um */4 Pfennig gehandelt hat, als es sich darum handelte, ob er die elektrische Energie von dem kommunalen Elektrizitätswerk beziehen, oder ob sie der Fiskus sich selbst erzeugen soll. (Hört! hört! und sehr gut!) So steht natür­ lich die Möglichkeit der Verwendung ans der Grenze bei sehr vielen industriellen Werken, und es ist uns außerordentlich ausgefallen, daß nun gerade die Verwendung der elektrischen Energie besteuert werden soll, während die größeren, die kapitalkräftigeren Betriebe, die mit eigenen Dampfmaschinen arbeiten, nicht bestellet werden. Man emp­ findet es gerade bei den ganz kleinen Betrieben als eine Ungerechtigkeit, daß man ihnen die Kraft besteuern will, während man sie bei den mittleren Betrieben, die ja selbstverständlich in fortwährendem lebhaftem Wettbewerbe stehen, unbesteuert läßt. Ich iveiß nicht, ob diese Gesichtspunkte in Ihren: Direktorium

auch schon zur Erörterung gekommen sind. Augenscheinlich wird ja der vorliegende Antrag nicht angenommen werden, so daß die Sache noch -einmal wieder an eine Konimission zurückgcwiesen wird. Ich kann nur erklären, daß man auch in den Kreisen der kleinsten Klein­ eisenindustrie es mit Freuden begrüßen wird, wenn der Central­ verband schon heute die Vorlage auf Besteuerung der Kraftverwendung von vornherein ablehnt, und ich bitte das Direktorium, in der Begrimduug diese Gesichtspunkte nicht ganz außer, acht zu lassen, daß

die unterschiedliche Kraftbesteuernng für die -einzelnen Gattungen der Betriebe als eine Ungerechtigkeit empfunden wird.

Landrat a. D. Roetger-Essen: Meine Herren, ich möchte mit wenig Worten den Herren einmal kurz darlegen, wie wir im Direktorium zu der Stellungnahme gekommen sind, die die erste

65 Grundlage für die Diskussion über diese Frage hier für Sie bilden sollte. Sie sehen aus diesen einleitenden Worten schon, daß ich mich auf den Standpunkt der Wiederaufnahme des ursprünglichen Antrages stelle, und zwar in der Weise, daß ich bitte, wir sollten nicht auf

Grund des Antrags des Herrn Dr. Goldschmidt der Vorlage des Ausschusses eine neue Fassung geben, sondern wir sollten das ur­ sprünglich vom Direktorium Ihnen Vorgelegte als das akzeptieren, was der gegenwärtigen Situation am besten entspricht, das heißt in der vorgeschlagenen Form für den Moment das non liquet aussprechen. Ich muß Ihnen gestehen, wie wir gestern im Direktorium an die Debatte dieser Angelegenheit kamen, war ich auch zuerst in großem Zweifel, ob man diesen Weg gehen sollte, oder ob es nicht richtiger wäre, gleich die Frage so anzufassen, wie es Herr Dr. Gottstein vorher als erster Redner begründet hat. Ich habe mich aber über­ zeugen lassen, daß, wie die Situation jetzt liegt — und Herr Bueck hat ja ausgeführt, warum wir heute die Delegiertenversammlung abgehalten haben, warum wir sie nicht erst in acht Tagen abhalten--------- wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen dürfen, daß wir etwas als unsere Auffassung promulgieren wollen, was wir im Moment nicht begründen

wollen oder nicht begründen können. Die Nichtbegründung der Stellungnahme

ist auch von dem

Herrn Dr. Gottstein in dem Rahmen der Ihnen zuerst vorgelegten Resolution gebilligt worden. Ich meine, meine Herren, das entspricht nicht ganz der Bedeutung, die der Centralverband für sich in Anspruch nehmen muß, wenn er kategorisch eine verneinende Auffassung aus­ spricht und im darauffolgenden Satze sagt: Ich werde mir die Be­ gründung erst von Sachverständigen holen. (Sehr richtig!) Das ist meiner Ansicht nach der springende Punkt bei der ganzen Sache. (Sehr richtig!) Ich halte dafür, daß wir die Frage von dem Ende anzufassen haben: Sind wir im Moment in der Lage, die Begründung zu geben oder sind wir das nicht. Sind wir das nicht, dann sollen wir auf

den Boden treten, wie es

das Direktorium dem Ausschuß vorge­

schlagen hatte. Meine Herren, ich bin der Auffassung,

daß die wirtschaftliche

Seite der Sache von allen hier anwesenden Herren ohne weiteres beurteilt werden kann, aber es ist nicht allein die wirtschaftliche Seite der Sache zu beurteilen, sondern es sind noch allerhand andere Fragen, an denen, wenn man die Sache erschöpfend behandeln will, nicht vorübergegangen werden darf, und gerade dazu müßten wir die Sachverständigen zuziehen, gerade dazu müssen wir Zeit haben, gerade

Heft in.

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dazu müssen wir uns auf das Urteil von denjenigen Männern stützen, die in der Praxis stehen. Es kann mir ja nun eingewendet werden: Ja, warum habt Ihr Euch das Urteil nicht schon besorgt. Meine Herren, dazu reichte eben die Zeit nicht, und da komme ich wieder zu dem, was ich schon vorhin am Eingänge sagte. Also ich stehe ans dem Standpunkt, wir müssen heute die Sache ausschalten und müssen sie ausschalten, weil wir durchweg der Meinung

sind, daß wir sie im Moment nicht so ausreichend begründen können, wie wir sie begründen müssen, wenn wir mit der Sache heraustreten wollen. Wir müssen ja auch berücksichtigen, «teilte Herren, daß sich mit dieser Frage die Fachoerbände beschäftigen werden, und alle diese Fachverbände werden doch auch ihrerseits Stellung nehmen, und zwar in begründeten Resolutionen. Soll denn nun der Centralverband die einzige Körperschaft sein, die in dieser Sache Stellung nimmt, ohne eine Begründung aussprechen zu können? (Sehr richtig!) Meine Herren, ich kann dem nicht folgen. Ich meine, es ist doch gar kein Unglück, es vergibt sich nienmud etwas damit, ivennt in dieser Weise verfahren wird, denn alle die Bedenken, die hier in der eingehenden Diskussion zutage gefördert sind, werden selbstverständlich

pflichtgemäß von 'unserer Geschäftsführung in die Begründung der Resolution hinein verarbeitet werden, sie werden nicht verschwinden, sondern es wird in der Begründung der Resolution auf die Bedenken hingewiesen werden, die hier hervorgehoben wurden, so daß also auch den Körperschaften, den Verbündeten Regierungen, dem Reichstag usw., denen diese Resolution mit ihrer Begründung zugehen wird, kein Hehl

daraus gemacht wird, welche Widerstände in unserem Gremium vor­ handen sind. Schließlich möchte ich auf eins noch Hinweisen: Es ist heute morgen hervorgehoben worden, daß es nicht recht begreiflich wäre, warum man diesen Eingangssatz, in dem auf die allerschwersten grundsätzlichen Bedenken hingewiesen wird, in einen Nebensatz gekleidet

hat, warum man das nicht in die Form eines Hauptsatzes gekleidet hat.

Ja, meine Herren, es ist daraus uns das so ausgelegt werden, als promiß verstanden hätte. Erstens, gründung der Sache nachher ganz

sogar gefolgert worden, es könnte wenn man sich da zu einem Kom­ meine Herren, geht aus der Be­ klar und deutlich hervor, daß von

einem KomprMnttieren in diesem Falle nicht die Rede sein konnte, und zweitens bin ich auch der Ueberzeugung, daß, wer die Sache im Zusammenhänge lieft, kaum aus den Worten, aus der Satzstellung herauslesen kann, daß man da wirklich die Absicht habe, ein schwäch­ liches Zurückweichen sich vorzubehalten.

Im Gegenteil, ich meine, es

67 ist ganz nützlich, wenn diese beiden Gedanken in der Weise in Ver­ bindung

gebracht werden,

daß man sie auch

in demselben Satze

erledigt. Also ich möchte Sie bitten, meine Herren, stellen Sie den Haupt­ antrag von Herrn Dr. Goldschmidt entsprechend der ursprünglichen

Vorlage

wieder her und geben Sie damit Ihrem Direktorium die

Zeit, die auderen Fragen sachgemäß prüfen zu lassen, Sachverständige zuzuziehen, die sich nicht unter dem Eindruck befinden, daß sie bloß

dazu'da sind, nun schon einen festen Beschluß begründen zu sollen, sondern die in einer ganz anderen Weise an der Sache mitarbeiten, wenn sie wissen, daß ihre Arbeit die Vorbereitung für einen Beschluß

des Centralverbandes bedeutet. (Beifall.) Rechtsanwalt Wilhelm Meyer-Hannover:

Meine Herren, ich

kann mich den Ausführungen des Herrn Landrat Roetger nicht an­ schließen. Sie gehen im wesentlichen darauf hinaus, wenn wir jetzt die Resolution des Ausschusses annehmen, so würden wir sagen: Wir lehnen die Sache ab, aber wir sind nicht in der Lage, Gründe dafür anzugeben, wir kennen die Gründe nicht, wir wollen uns erst an Sachverständige wenden, die uns die Gründe sagen sollen. Meine Herren, das ist denn doch nicht der Fall. (Sehr richtig!) Wir wissen seit längerer Zeit, daß es in Aussicht genommen ist, eine Gas- und Elektrizitätssteuer einzuführen,' wir haben doch Zeit genug gehabt, uns mit dem Prinzip einer Gas- und Elektrizitätssteuer zu beschäftigen. Ich gebe darin durchaus recht: Wir kennen die Einzel­ heiten nicht, und wollten wir uns heute auf die Einzelheiten einlassen, dann hätten wir allerdings noch eine gehörige Prüfung nötig. Aber, nieine Herren, ich stehe auf dem Standpunkte — und es freut mich, daß sehr viele in der Versammlung die gleiche Ansicht haben —, daß im Prinzip nicht scharf genug gegen eine solche Gas- und Elektrizitäts­ steuer Front gemacht werden kann. (Sehr richtig!) Meine Herren, es ist bei dem Gesetz das neu, wie auch schon vorhin hervorgehoben worden ist, daß zum ersten Male Produktions­

mittel besteuert werden sollen. Das ist der springende Punkt in de'r ganzen Frage. (Sehr richtig!) Es ist hier schon von verschiedenen Seiten angegeben worden, wie sich die Elektrizität in anderen Industrien entivickelt hat, und wie es vielleicht mit der Elektrizitätssteuer kommen wird. Gestatten Sie, daß ich aus der Eisenindustrie auch ganz kurz etwas anführe. Es ist den Herren, die in einer schweren Eisenindustrie Bescheid wissen, bekannt, daß es in den letzten Jahren in außerordent­ licher Weise gelungen ist, die Gichtgase zu verwerten durch große Gas­ maschinen und zu einem Teil auch mittels dieser Großgasmaschinen

68 durch Elektrizität.

Meine Herren,



es steht dabei sehr häufig auf des

Messers Schneide: Ist es rationeller, Maschinen, namentlich große Walzenzugmaschinen durch Elektrizität zu betreiben, die man auf diese billige Weise durch die Hochofengase bekommen hat, ober ist es ratio­ neller dafür Dampfmaschinen beizubehalten. Ich weise daraufhin — es wird den Herren, die sich mit der Frage beschäftigt haben, bekannt sein —, daß in der Zeitschrift „Stahl und Eisen" ein längerer Schriftwechsel darüber stattgefunden hat, wo beide Standpunkte auf

das Energischste vertreten worden sind. Ja, meine Herren, steht es in vielen Fällen so auf des Messers Schneide, dann wird man sich, wenn die Elektrizität weiter verteuert wird, selbstverständlich wieder für Dampf entscheiden. (Sehr richtig!) Es wird vielleicht in manchen Fällen dazu kommen, daß man sogar da, wo man bisher Elektrizität angewendet hat, die elektrischen Maschinen stehen läßt und wieder zu dem billigeren Dampf übergeht. Die Folge wird sein, meine Herren, daß sehr große Anlagen, die in den elektrischen Maschinen gemacht sind, entwertet werden und ent­ wertet werden für nichts, und daß dadurch, daß man infolge ßeK Gesetzes weniger Elektrizität anwendet, dem Staat auch nicht die erwartete Steuer zufließt, und das ist doch die unangenehmste Folge eines solchen Gesetzes. Ich möchte aber auch noch darauf Hinweisen, daß es aus einem anderen Grunde notwendig ist, hier int Prinzip ganz entschieden Front zu machen. Wie ich vorhin schon sagte, werden hier zum erstenmal Produktionsmittel besteuert, und zwar sind Gas und Elektrizität her­ ausgegriffen. Ja, meine Herren, warum soll man denn da vor dern Dampf Haltmachen? Hat man erst Elektrizität und Gas besteuert,

bann ist es sehr leicht möglich, daß man auch zum Dampf kommt. Es will uns ja gar nicht einleuchten, daß so etwas möglich ist; aber, meine Herren, wie da die Sache kommen kann, das sehen wir bei dem

preußischen Einkommensteuergesetz und jetzt bei dem Gesellschaftssteuer­ gesetz. Ich bitte den Herrn Vorsitzenden hier um Erlaubnis, von dem Gesetz zu sprechen, ich werde auch nicht auf das Gesetz eingehen, ich will nur auf etwas exemplifizieren. Als das Einkommensteuergesetz eingeführt wurde und damit die

Aktiengesellschaften besteuert wurden, da war man sich vollständig klar, in der Regierung sowohl wie im Parlament, daß man mit der Be­ steuerung der Aktiengesellschaften eine Doppelbesteuerung einführte.

Man ließ deshalb auch 3*/2 pCt. der Dividende frei. Meine Herren, jetzt heißt es in der Begründung des Gesellschaftssteuergesetzes einfach klipp und klar:

Die Aktiengesellschaften gehen den Aktionär eigentlich

69 nichts

an, was

die verdienen,

kümmert den Aktionär nicht.

Meine

Herren, so kann es auch hier ganz leicht kommen. Ist eininal der erste Schritt getan zur Besteuerung der Produktionsmittel, dann geht es auch weiter. Deshalb bin ich dafür, daß wir von vornherein auf das Schärffte dagegen Front machen. (Beifall.) Generalsekretär Dr. Tille-Saarbrücken: Meine Herren, es ist von

einem der Herren Vorredner das Wort in die Erörterung geworfen worden, daß, wenn wir die Gas- und Elektrizitätssteuer ablehnen würden, wir notwendigerweise die Konsequenz tragen niüßten, andere Steuern an Stelle der versagten Steuer einzuführen. Ich möchte daraus Hinweisen, daß das durchaus nicht notwendig ist. Erstens haben wir uns in dieser Entschließung überhaupt nicht auf die 500 Millionen festgelegt, die für das Reich verlangt werden, und sodann ist auch an sich der Grundsatz abzulehnen, daß jemand, der eine Steuer bekämpft, dafür eine neue Steuer vorschlagen müsse. Wir alle sind uns dessen bewußt, daß die Regierung es ist, die die Steuervorlagen zu bringen hat, und nieniand kann von Interessenten, von Privatleuten verlangen, daß sie an Stelle von versagten Steuern andere vorschlagen. (Sehr richtig!)

Aber, meine Herren, selbst wenn man so weit gehen wollte, möchte ich Sie daran erinnern, daß wir uns in der Resolution unter Punkt 5 darüber bereits im allgemeinen ausgesprochen haben. Wir haben uns dort bereit erklärt, zuznstimmen, daß die Regierung die Steuern in der Hcueptsache decke durch Erhöhung bzw. Neueinführung von Steuern auf Massenverbrauchsartikel und durch Einführung neuer anderer indirekter Steuern, nicht etwa nur der anderen indirekten Steuern, die die Regierungsvorlage vorschlägt, sondern anderer in­ direkter Steuern ganz im allgemeinen, und ich glaube, wenn man diesen Satz in der Resolution stehen hat, so ist ohne weiteres klar, daß wir gegen einen weiteren Ausbau der indirekten Besteuerung nichts einzuwenden haben würden. Und wenn wir uns das vorzügliche

Referat unseres Herrn Generalsekretärs Bueck ins Gedächtnis zurück­ rufen, so werden Sie auch darin die Sätze finden, daß die Industrie nach seiner Meinung sowohl gegen eine weitere Besteuerung des

Tabaks wie des Bieres keineswegs etwas einzuwenden hätte, daß im Gegenteil diese Besteuerung gegenüber der Steuerlast, die in anderen Ländern auf diesen Artikeln liegt, eine recht bescheidene genannt wer­

den kann.

Ich glaube daher, daß eine Ablehnung der Gas- und Elektrizitäts­ steuer uns in keiner Weise verpflichten würde, irgendwie weitergehende Vorschläge zu machen, zumal wir uns bereits für einen weiteren Aus­ bau der indirekten Besteuerung im Reiche ausgesprochen haben.

70 March-Charlottenburg: Meine Herren, ich bin in ähnlicher Lage wie der Herr Landrat Roetger. Ich habe meine Meinung geändert. Ich habe im Ausschuß für den Antrag des Herrn Dr. Gottstein ge­ stimmt, muß aber sagen: ich habe mich bekehren lassen. In Sachen des Gesetzes bin ich nach wie vor dafür, daß das Gesetz fällt und nicht

zustande fomnit; aber ich habe mich davon überzeugt, daß die Taktik, die das Direktorium einschlägt, die richtigere ist, um das bcsünögliche zu erreichen. Nach meiner Auffassung ist die Sachlage so, daß, wenn wir in dieser schroffen Form vorgehen und einfach ablehnen, wir damit glatt unter den Tisch fallen. Dann geht man darüber zur Tages­ ordnung über. Wir müssen so vorgehen, daß der Reichstag auf uns

hört und daß, wie Herr Dr. Goldschmidt-Essen sagte, unsere fernere Mitarbeit für alle Fälle gesichert ist. Also ich meine, im Interesse des Zieles, welches die ganze Versammlung erreichen will, daß nämlich dieses Gesetz nicht zustande kommt oder daß wenigstens für den Fall der Annahme unsere Mitarbeit nicht ausgeschlossen wird, um das Gesetz niilder zu machen, es so weit wie möglich zu beschränken — ich will einmal sagen auf die Beleuchtung —, in diesem Sinne möchte ich mich dem Antrag des Herrn Dr. Goldschmidt anschließen.

Dr. Gottstein - Breslau: Meine Herren, eigentlich wollte ich nicht noch einmal das Wort ergreifen, aber die Ausführungen des Herrn Landrat Roetger nötigen mich doch dazu. Ich muß offen sagen, daß diese Ausführungen mir zuerst auch zu denken gegeben haben. Es sind eigentlich die ersten und einzigen Bedenken, die ich bisher gegen den Antrag des Ausschusses — denu es liegt nicht mein Antrag mehr vor, der ist vom Ausschuß genehmigt worden, es liegt hier ein Antrag des Ausschusses vor —■ gehört habe. Was das Materielle anlangt, so möchte ich konstatieren, sofern

ich nicht einen der Herren Redner etwa falsch verstanden habe, daß sämtliche Redner sich durchaus gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben, und daß nur eine gewisse Meinungsverschiedenheit darüber besteht, ob wir dieses Gesetz jetzt a limine abweisen und als unannehmbar er­ klären, oder ob wir es erst einer Kommission überiveisen, die die Ab­

lehnung begründen soll.

Ich muß nun sagen, wenn wir uns hier in

diesen längeren Resolutionen für die verschiedensten Sachen erklären, z. B. auch für die Besteuerung der Massenverbrauchsartikel, ohne daß

wir eine eingehende Begründung dazu gemacht haben (Landrat Roetger: Die kommt aber!), so sehe ich nicht ein, warum wir nicht hier die Ab­ lehnung der Elektrizitätssteuer, nachdem sich alle Herren für die Ab­ lehnung bisher ausgesprochen haben, in einer Resolution einfach er­

klären sollen, ohne diese eingehende Begründung zugleich hier anzuführcn.

71

(Sehr richtig!) Meine Herren, eine eingehende Begründung, die wir hier anschließen niiißten, würde bei der Menge von Material, das allein hier in der Versammlung schon geäußert worden ist, so weit­ schweifig werden, daß sie den Rahmen der ganzen schönen Resolutionen, die hier vom Direktorium oder von Herrn Generalsekretär Bueck aus­

gearbeitet und uns vorgelegt wurden, vollständig zerstören würde. Während die einzelnen Punkte ganz kurz unsere Entschlüsse darlegen, sollen wir hier gewissermaßen einen deutschen Aufsatz machen. Das kann niemand von uns verlangen. Wir sönnen hier ganz ruhig die

Ablehnung in Form der Resolution aussprechen und können uns vor­ behalten — nötig wäre es eigentlich kaum —, dies uoch näher zu begründen, nämlich mit denjenigen Argumenten, die hier geäußert worden sind. Ich möchte noch ein kleines Argmnent anführen. Derjenige, der nachweisen kann, was ihm die elektrische Kraft kostet, zahlt 5 pCt. Arbeitet er sehr billig mit großer Wasserkraft, so zahlt er vielleicht 0,1 Pf. per Kilowattstunde. Derjenige, der das nicht nachweisen kann oder der teure Kohlen benutzen muß, zahlt viel mehr- wenn er nicht seine Selbstkosten nachweisen kann, zahlt er 0,4 Pf., also viermal so viel als derjenige, der mit billiger Wasserkraft arbeitet. Der Aermste also, der mit teurer Kohle arbeitet, dessen Konkurrenzfähigkeit erschwert ist, zahlt eine höhere Steuer- nnd, meine Herren, welche Versuchung für den preußischen Herrn Finanzminister, der doch nicht ganz ohne Einfluß auf die Kohlenpreise ist, seinen schwerwiegenden Einfluß in die Wagschale zu werfen, um die Kohlenpreise hoch zu halten, da er da­ durch zugleich das patriotische Werk eines höheren Einkommens aus

der Elektrizitätssteuer bewirkt! Meine Herren, es gibt eine ganze Menge Gründe- man wäre gar nicht in Verlegenheit, hier eine halbe Stunde lang die Ablehnung zu begründen. Aber, meine Herren, die Befürchtungen bestehen doch unbedingt, auch wenn wir bezüglich der Elektrizitätssteuer nur sagen, es soll erst darüber beraten werden, daß doch der eine oder andere heraus liest: ja, die Industrie ist nicht für eine Ablehnung der Elektri­ zitätssteuer, sie läßt da mit sich reden, sie sperrt sich etwas, wie das sehr häufig der Fall ist, wenn man die Interessenten mit irgendeiner

Steuer belegt, und sie wird sich schließlich damit einverstanden erklären. Meine Herren, das Schlagwort von den starken Schultern der Industrie ist heute ein so allgemein verbreitetes, daß man auf diese starken Schultern mehr und mehr auftürmt, ohne sich zu fragen, ob diese starken Schultern nicht endlich zusammenbrechen, und zwar zum Nachteil unseres ganzen Volkswohls.

72 Wir kämpfen, wie ich schon gesagt habe, nicht für uns, sondern wir kämpfen dafür, daß die Industrie Deutschlands nicht mit einer ganz

unerträglichen Steuer belastet wird, die nicht nur pekuniär schwer zu ertragen ist, sondern die auch in ihrer ganzen Ausführungsform eine schwere Last darstellt und die Industrie — ich möchte keinen zu starken

Ausdruck wählen — in ihrer Wettbewerbsfähigkeit außerordentlich be­ schränkt. Bedenken Sie auch, daß die schöne Entwickelung, die unsere Dampfturbine genommen hat, damit in kurzem aufhören wird, denn wer wird heute noch, wenn er wählen kann, elektrische Uebertragung, also speziell die Dampfturbine wählen, wenn er dafür eine so hohe

Steuer zu zahlen hat, während er, wenn er einfache Transinission nimmt, nicht besteuert wird. Meine Herren, dann müssen Sie unbedingt auch den Dampf besteuern, und dann ist vielleicht der Moment gekommen, wo man der deutschen Industrie den Grabstein errichten kann. Ich möchte also bitten, daß der Antrag des Ausschusses doch an­ genommen wird, und sehe in der Annahme desselben keine Gefahr. Wir sind vollständig berechtigt, hier schon zn einer Ablehnung zu kommen. Es ist eigentlich nur ein Ornament, wenn wir einer Kommission die nähere Begründung überlassen.

(Beifall.)

Vorsitzender:

Meine Herren, es liegt ein.Schlnßantrag vor. Zum Worte sind noch gemeldet: Herr Geheimrat Koenig, Herr Dr. Tietze und Herr Dr. Fasolt (Herr Generalsekretär Stumpf: Ich hatte mich auch gemeldet!) und Herr Generalsekretär Stumpf.

Ich schlage Ihnen 'vor, diesen vier Herren noch das Wort zu geben und dann den Schlußantrag zu genehmigen. — Die Herren sind damit einverstanden. Geheimer Regierungsrat werde Sie nicht lange aufhalten.

Koenig-Berlin:

Meine Herren, ich

Zunächst möchte ich Herrn Dr. Gott­

stein doch darauf aufmerksam machen, daß wir unsere Begründungen nicht in die Resolutionen aufzunehmen pflegen. Darüber werden be­

sondere Schriftsätze den betreffenden Stellen unterbreitet. Sodann, meine Herren, habe ich nach dieser langen Diskussion

Eindruck gewonnen, daß gleichviel, ob Sie die Vorlage des Direktoriums, ob Sie die Vorlage des Ausschusses annehmen, Sie zu demselben Endergebnis kommen. Verschieden ist meines Erachtens nur die Taktik. Ueber die Sache selbst dürften wir im wesentlichen einer Meinung sein. Es fragt sich nur: auf welchem Wege erreichen wir den

am besten das, was wir wollen. Nun, meine Herren, machen wir uns doch einmal kurz klar: welches sind die Folgen, wenn die (Vorlage des Direktoriums und

welches ist die Folge, wenn der Vorschlag des Ausschusses zum Be-

73 schluß erhoben wird? Das Direktorium schlägt vor zu sagen: Wir haben die begründetsten Bedenken gegen den Entwurf eines Elektrizitäts­

steuergesetzes' wir haben aber erst vor wenigen Tagen die Vorlage, wie

sie jetzt gestaltet ist, von der Regierung bekommen; wir halten es daher für geboten, bevor wir uns äußern, eine Kommission einzusetzen, welche den Gesetzentwurf gründlich prüft. Meine Herren, in der Kommission werden nochmals alle Bedenken gegen den Gesetzentwurf erhoben und

erwogen werden,' man wird dem Centralverbande aber nicht den Vor­ wurf machen können, daß er, ohne das Gesetz gründlich zu kennen, bereits seine Meinung über dasselbe gesagt hat. Meine Herren, es kommt nicht allein darauf an, daß man ab­ lehnt, sondern auch darauf, wie mau ablehnt; wenn die Ablehnung genügend erwogen ist, pflegt sie auch gewogen zu werden, und eher und größeren Erfolg zu habe». Deshalb stehe ich, obwohl ich gestern leider nicht in der Direktorialsitzirng sein konnte, doch ganz auf dem Boden der Vorlage des Direktoriums — nicht etwa, weil ich anderer Ansicht bin wie Herr Dr. Gottstein — sondern weil ich wünsche und im Interesse der gesamten deutschen Industrie wünsche, daß dem Votum des Centralverbaudes auch das Geivicht beigelegt wird, welches ihm

gebührt. (Beifall.) Dr. Tietze-Breslau: Meine Herren, nur wenige Worte. Es ist hier angeführt worden: das Petroleum wird besteuert, die Elek­ trizität, das Licht der Reichen hingegen nicht. Meine Herren, wenn Sie den Petroleumzoll aufheben würden, so würde meines Erachtens das Petroleum nicht einmal einen Pfennig billiger werden. Es kann also nicht daran gedacht werden. Aber, meine Herren, die Elek­

trizität ist nicht das Licht der Reichen, wie so vielfach ausgeführt wird. Wandern Sie durch die schlesischen Berge, gehen Sie nach

Waldenburg, gehen Sie nach Gottesberg, gehen Sie nach Friedland; dort finden Sie überall elektrisches Licht, nicht nur in den Häusern der Reichen, sondern auch in den Wohnungen der Armen, und Sie werden dort bestätigt finden, was Herr Dr. Gottstein sagte, daß in der Tat der Schmied, der bisher mit Handbetrieb gearbeitet hat, sich einen kleinen Motor beilegt infolge der günstigen Bedingungen, die ihm die dortigen Elektrizitätszentralen stellen. Also, meine Herren, nicht nur die Großindustrie und der Reiche wird von der Elektrizitätssteuer getroffen, sondern vor allem, vielleicht am schwersten der mittlere Betrieb, der Handwerker und auch die

ärmeren Klassen der Bevölkerung. Meine Herren, ich möchte mich zu den Wenigen rechnen, von denen Herr Generalsekretär Bneck gesagt hat, daß sie den Gesetz-

74 entwurf gelesen haben.

Wenn der Entwurf für die Elektrizität, also

Kraft- und Lichtbesteuerung im ganzen genommen, nur 30,4 Millionen ausgerechnet hat, so meine ich, daß dies entschieden zu niedrig ge­

griffen ist.

Ich bin nicht in der Lage gewesen,

zelnen nachzuprüsen;

die Statistik im ein­

aber einzelne Stichproben haben mir doch ge­

zeigt, daß man den Ertrag viel zu gering annimmt, daß man die Sache viel zu harmlos darstellt. Es würde eine wesentlich höhere Belastung der Industrie herauskoinmen. Und nun, meine Herren, zu dein eigentlichen Gegenstand, von dem wir reden: Ziehen Sie die Resolution des Ausschusses, ziehen Sie die Resolution des Direktoriums vor? Meine Herren, Sie haben be­ züglich der heterogensten Steuervorlagen, von der Besteuerung des Nachlasses bis zum Branntweinmonopol, von der Banderole auf Zigarren bis zur Wehrsteuer gesagt, daß Sie im Prinzip damit ein­ verstanden sind. Meine Herren, können Sie nun nicht auch im Gegen­ satz dazu bei der Elektrizitätssteuer sagen, daß Sie im Prinzip da­ gegen sind? (Zuruf: Das steht ja drin!) Nun, meine Herren, wenn Sie im Prinzip dagegen sind, so ist es doch meines Erachtens gewisser­

maßen nur ein Umweg, den Sie wählen über das Gutachten von Sachverständigen. Diejenigen, die erbitterte Feinde des Central­ verbandes und die begeisterte Anhänger der Elektrizitätssteuer sind, werden ihm ohnehin vorwerfen: ja, der Centralvcrband ist natürlich eo ipso dagegen- ganz gleichgültig, ob Sie heute direkt die Ablehnung anssprechen oder erst später durch das Medium eines Kreises von

Sachverständigen. Es ist ja selbstverständlich, daß ein so umfang­ reiches und ein anscheinend so gründlich aufgebautes Gesetz, wie es hier vorliegt in dem Entwurf der Elcktrizitäts- und Gasbesteuerung,

nicht im einzelnen sich in einer Versammlung widerlegen läßt. Dazu gehört allerdings sachverständige Durchberatung, und ich meine, wenn Sie bereits heute dem Sachverständigen-Kollcgium die Richtschnur geben, wenn Sie bereits heute Ihre Meinung dahin aussprechen, daß Sie eo ipso gegen das Gesetz sind, so bedeutet das durchaus

keine Schädigung des Ansehens des Centralverbandes. Dr. Silverberg - Köln (zur Geschäftsordnung): Meine Herren, in Uebereinstimmung mit verschiedenen Herren möchte ich den Antrag stellen, in Nummer 7 die Bemerkung, daß überhaupt noch eine Be­ gründung später gebracht werden soll, ans der Resolution zu streichen und nur dahin zu resolvieren, daß aus prinzipiellen und sachlichen

Gründen das Gesetz für unannehmbar erklärt wird.

Es bleibt dann

ohnehin dem Direktorium überlassen, eine ausreichende und eingehende Begründung, ohne daß dies in der Resolution ausgedrückt ist, an die

75 zuständigen Stellen gelangen zu lassen. Bei den anderen Teilen der Resolution ist auch aus eine weitere Begründung für die zuständigen

wie einer der Herren Vorredner schon geäußert hat, nicht Bezug genommen, und hier, glaube ich, würde es auch voll­ kommen genügen, die Ablehnung ohne weitere Begründimg aus­ zusprechen. Die prinzipiellen Gründe sind so schwerwiegender Natur, Stellen,

daß damit vollständig der Antrag klärung der Resolution. Es bleibt lassen, die eingehende Begründung kussion erfolgten Anregungen folgen

gestützt ist und auch die Er­ sowieso dein Direktorium über­ auf Grund der hier in der Dis­ zu lassen.

Syndikus Dr. Kasolt-Berlin: Meine sehr geehrten Herren! Ich wollte Ihnen einen ähnlichen Vorschlag unterbreiten wie mein Herr Vorredner. Allerdings enthält ja die Fassung der Nr. 7, wie sie von dem Ausschuß vorgeschlageu ist, ein etwas eigenartiges Vorgehen. Es soll heute ein Beschluß gefaßt werden und außerdem soll die Begründung

nochmals einer Delegiertenversammlung unterbreitet werden. Es ist, glaube ich, nicht anzunehmen, daß diese zweite Delegiertenoersammlung lediglich sozusagen die Arbeit einer Redaktionskommission tun solle. Meine Herren, dieses Vorgehen ist gar nicht nötig. Es genügt, wenn der Centralverband seine schweren prinzipiellen Bedenken hier in einer Resolution niederlegt und cs dem Direktorium dann über­ läßt, diese Bedenken sowohl dem Reichstage wie der Reichsregierung zu unterbreiten. Ich weiß nicht, ob ich berechtigt bin, jetzt noch einen Antrag zu

stellen, nachdewl die Debatte schon geschlossen ist.

Vorsitzender: Die Debatte ist noch nicht geschlossen, sondern sie wird erst geschlossen nach den Ausführungen von Herrn Stumpf. Syndikus Dr. Fasolt-Berlin: Ich würde daun vorschlagen, daß hinter den Satz: „Der Centralverband hält somit den Entwurf einer Gas- und Elektrizitätssteuer für unannehmbar" angefügt wird: „Er

beauftragt das Direktorium, seine Bedenken unter eingehender Begrün­ dung dem Reichstag und der Reichsregicrung zu unterbreiten." Meine

Herren, die Bedenken sind ja heute schon vorhanden, sie brauchen nicht durch ein Sachverständigen-Kollegium herbeigeschafft zu werden (sehr richtig!), und infolgedessen wird es vollständig genügen, wenn in der

Weise vorgegangen wird, wie ich

es vorgeschlagen habe.

(Beifall.)

Vorsitzender: schriftlich

Ich darf Sie wohl bitten, diesen Antrag mir übergeben zu wollen, sonst ist es mir nachher bei der Ab­

stimmung nicht gut möglich, ihn zu berücksichtigen. Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Meine Herren, ich muß dem Herrn Laudrat Roetger durchaus zustimmen: Durch die Beratungen

76

und durch den Beschluß des Ausschusses hat die ursprüngliche Reso­ lution des Direktoriums eine so eigeutiimliche Fassung erhalten, daß

ich Ihnen nur den Vorschlag machen kann, diesen Satz 7 der Resolution vollständig zu streichen. Meine Herren, ich stimme auch mit Herrn Geheimrat Koenig vollständig überein. Es ist keineswegs nötig, die Begründung, die man dem Beschlusse geben will, unbedingt in die Fassung dieses Beschlusses zu bringen; denn dasjenige, was hier heute erörtert

worden ist, wird für jeden denkenden Menschen genügen zur Begründung der Auffassung des ersten Satzes in Nr. 6, wo der Centralverband sich dahin ausspricht, daß er im Prinzip mit dein Programm der Reichsfinanzreform im allgemeinen einverstanden ist „mit Ausnahme der Gas- und Elektrizitätssteuer". Meine Herren, machen Sie sich um Gottes willen nicht die fürchterliche Sorge, das; der Reichstag sich groß daran stören werde, ob wir diesen Gegenstand jetzt noch einmal einer eingehenden Prüfung unterziehen. Machen Sie sich auch nicht die Sorge, daß die Bedenken, die etwa gegen die

Gas- und Elektrizitätssteuer hier heute nicht zum Ausdruck gekommen sind, nicht von anderer Seite noch in ausgiebiger Weise zum Ausdruck gebracht werden. Ich erinnere an die Absicht des deutschen Städte­ tages, ich erinnere an die Absicht verschiedener wirtschaftlicher Vereine, die sich auch trotz der heutigen Verhandlungen vorbehalten werden, an die Beratung und Erörterung dieser Fragen und an eine Stellung­ nahme dazu heranzutreten. (Sehr richtig!) Also, meine Herren, die einzig praktische Lösung nach meiner

Ueberzeugung — die allerdings nicht für Sie maßgebend zu sein braucht; es ist, wenn Sie wollen, eine Gefühlssache — liegt augen­ blicklich darin, daß wir den ganzen Satz 7 streichen. Dann kommen wir in keine Kollision, wir stehen vor keiner Verlegenheit, wir machen nach außen keinen schlechten Eindruck, wir drücken uns klar aus, und ich bitte Sie, diesem meinem Anträge Folge zu geben.

Vorsitzender: Meine Herren, die Diskussion ist geschlossen. Schlußwort hat der Referent Herr Generalsekretär Bueck.

Das

Referent H. A. Bueck-Berlin: Meine Herren, ich muß zunächst dem Versuche des Herrn Dr. Gottstein entgegentreten, das von

Herrn Landrat Roetger angeführte Argument zu entkräften. Herr Dr. Gottstein hat darauf hingewiesen, daß wir in unseren Beschlußanträgen eine Menge Steuern angenommen haben, in mehreren

Beziehungen den Vorlagen der Regierung zugestimmt und nicht von der Begründung gesprochen haben. Ja, meine Herren, das haben wir unterlassen, weil wir uns ja klar sind, daß wir unsere Beschlüsse an

77 die betreffenden Körperschaften

mit

der erforderlichen Begründung

geben werden. Sie wollen eine ganz besondere Kommission einsetzen, um diese Begründung, die Sie jetzt nicht zu geben vermögen, erst später abzusassen. Diesen Hauptteil Ihres Antrages wollen Sie freilich, in­ folge der Ausführungen des Herrn Landrats Ro etger, jetzt fallen lassen.

Also, meine Herren, das Argument des Herrn Landrat Roetger ist in keiner Weise entkräftet. Wie gesagt, die Begründung für die von

uns gutgeheißenen Steuern wissen wir zu geben. Sie wissen die Be­ gründung für Ihren Antrag nicht zu geben, sondern Sie wollen erst eine Kommission einsetzen. Das ist eine Tatsache, die ich doch hier fest­

stellen möchte. Nun, meine Herren, haben wir hier ausgezeichnete Ausführungen zur Sache gehört von Herrn Dr. Gottstein, von Herrn Syndikus Dr. Fasolt, Ausführungen, die sehr in das Detail hineingehen und von großer Sachkenntnis Zeugnis ablegen. Freilich haben beide Herren erklärt, daß auch sie die Vorlage noch nicht genügend süldiert haben, nanientlich der letzte Herr Redner, Herr Dr. Fasolt, hat das in seiner Rede zugestanden. Also meine Auffassung über die ganze Situation ist doch im Grunde eine richtige. Aber, meine Herren, wir haben aus diesen Aeußerungen und noch aus anderen sachverständigen Reden auch heraushören müssen, daß wirklich eine' außerordentliche Beherrschung der ganzen Materie notwendig ist, um ein Votum darüber abzugeben, und, meine Herren, ein solches sachverständiges Votum wollen wir eben

erzielen durch den Antrag des Direktoriums. Meine Herren, da Sie gesehen haben, welche Sachkenntnis erforderlich ist, so müssen Sie doch Wert darauf legen, daß auch andere eminente Sachkenner hinzugezogen werden. Nehmen Sie hier die Autoritäten in Berlin, von denen sich — ich bin fest überzeugt — der eine oder andere nicht weigern wird, in unsere Kommission einzutreten. Deutschland steht heute in bezug auf die Erzeugung und Verwendung von Elektrizität an erster Stelle, und Berlin ist gewiffermaßen das Haupt, aus dem die Erkenntnis bezüglich

dieser gewaltigen Naturkraft ausstrahlt über die ganze Welt; denn wenn irgendwo in der Welt jemand etivas über Elektrizität wissen will, so

kommt er nach Berlin, um sich Rat zu holen uyd von der eminenten Sachkenntnis zu profitieren. Höchstens die Vereinigten Staaten nehmen einen Anlauf, in dieser Beziehung Berlin etwas den Rang abzulaufen^. aber bisher vergebens. Meine Herren, wenn wir solche Autoritäten, die an der Spitze der ganzen Welt stehen, zur Verfügung haben, dann

liegt es doch nahe, eine Kommission zu bilden und da die Vorlage (Sehr richtig!)

aufs genaueste prüfen zu lassen.

Meine Herren, meine ganze Motivierung ging ja dahin, die im

78 Centralverbande vereinigte Industrie vor falschen Schlußfolgerungen

zu bewahren, u. a. auch zu bewahren vor der Annahme, daß sie nicht zahlen wolle. Nun hat Herr Dr. Gottstein mit etwas großen Worten

die Opferwilligkeit und stete Bereitschaft der Industrie gerühmt, und, meine Herren, die ist so groß, daß nach meiner Ueberzeugung Herr Dr. Gottstein noch größere Worte mit Recht hätte gebrauchen können.

Das werden Sie alle anerkennen. Aber sehen Sie einmal auf unsere liebenswürdigen freunde in der Presse, auf den allergrößten Teil der verbreitetsten Presse in Deutschland, die eine sehr wenig freundliche Haltung der Industrie gegenüber einnimmt,' da werden die kleinsten Momente benutzt, die einen Anhalt geben können, der Industrie etwas am Zeuge zu flicken und ihr zu sagen: sie handelt nicht mit der Opfer­ willigkeit, sie will sich um die Steuer herumdrücken, und das würde der Fall sein, wie ich das schon dreimal heute angeführt habe, wenn wir in dieser Weise vorgehen und nach nicht genügender Prüfung — ich wiederhole, die Herren selbst haben gesagt, sie haben die Vor­ lage noch nicht genügend geprüft — einen solchen peremptorischen

Entschluß fassen wollten. Ich halte das nicht für richtig, meine Herren, und kann Ihnen auch nur im Interesse des Centralverbandes und der Industrie emp­ fehlen, sich auf den Standpunkt des Direktoriums zu stellen und den von ihm gestellten Antrag anzunehmen. Meine Herren, es wird, ich kann nicht umhin, auch das heroorznheben, in bezug auf die Elektrizitätssteuer mit großen Uebertreibungen gearbeitet. Wenn gesagt worden ist, auch von einer sehr großen Autorität: wenn diese Steuer kommt, muß die elektrische Industrie aus Deutschland auswandern, so ist das eine Uebertreibung, und diese Uebertreibung kann wohl daher rühren, daß eben das Gesetz und die ganze Situation noch nicht genügend erkannt worden war.

Zu

einer solchen richtigen Erkenntnis müssen wir aber kommen. Dann möchte ich mich zum Schluß doch dagegen sträuben, daß der Versuch gemacht wird durch die Ausführungen der Herren, mich

in eine ganz falsche Position hineinzudrängen. Die ganze Situation soll den Anschein erregen, mich so hinzustellen, als wenn ich diese

Steuer

aufs äußerste verteidige.

Ich lehne das ab.

Ich habe ver­

sucht, die nachteiligen Seiten unumwunden darzustellen,' das als Ver­ teidigung anzusehen, wäre ungerecht. Bei der ganzen Frage handelt

es sich ja nur darum: sollen wir jetzt Stellung nehmen oder sollen wir erst nach kurzer Zeit Stellung nehmen, wenn von sachverständigen Organen in eine eingehende Prüfung eingetreten ist, und .das darf

gar nicht weit hinausgeschoben werden.

Meine Herren, wenn

die

79 Kommission ihre Arbeit beendet hat, wird, glaube ich, das Direktorium und

der Herr Vorsitzende in erster Reihe bereit sein,

baldigst wieder

die betreffende Körperschaft des Ccntralvorstandes zu Berufen. Nur darum handelt es sich, nicht darum, heute sich für oder gegen die Steuer zu erklären- sondern es handelt sich nur darum, die Ent­

scheidung in durchaus begründeter und sachgemäßer Weise hinauszu­ schieben, und darnm bitte ich Sie nochmals: erklären Sie sich für den Antrag des Direktoriums. (Beifall.)

Vorsitzender: Meine Herren, es liegt nun eine Reihe von An­ trägen vor.

Zur Beschlußfassung liegt uns vor die Nr. 7 des Aus­

schusses. Demgegenüber ist von Herrn Dr. Goldschmidt der Antrag gestellt, die Nummer 7 nach der Fassung des Direktoriums wieder her­ zustellen, eventuell, sollte das nicht beliebt werden, die Worte im zweiten Absatz „hält somit den Entwurf eines Gas- und Elektrizitätssteuergesetzes für unannehmbar und" zu streichen. Dann kommen zwei Anträge von

Herrn Dr. Silverberg und Dr. Fasolt, die sich inhaltlich wohl decken. Herr Dr. Fasolt beantragt schriftlich, die Worte zu streichen „und behält sich vor" bis zum Schluß, dahingegen zu setzen: „Er beauftragt das Direktorium, seine Bedenken unter eingehender Be­ gründung der Reichsregierung und dem Reichstag zu unterbreiten." Ich glaube, das ist inhaltlich das gleiche, was Herr Dr. Silverberg gesagt hat, von dem aber ein schriftlicher Antrag nicht vorliegt. Ich frage Herrn Dr. Silverberg, ob er seinen Antrag zu­

gunsten des Antrages des Hernr Dr. Fasolt zurückzieht?

Dr. Silverberg: Jawohl, ich ziehe meinen Antrag zurück. Vorsitzender: Dann kommt der Antrag des Herrn Stumpf, die ganze Nummer 7 zu str-eichen. (Generalsekretär Stumpf: Das ist wohl der weitestgehende Antrag. — Heiterkeit.) Dieser Antrag erledigt sich

von selbst durch die Schlußabstimmung. Hat bei der Schlußabstimmung kein Antrag eine Majorität gefurrden, so ist Absatz 7 eben gestrichen. Generalsekretär Stumpf-Osnabrück (zur Geschäftsordnung): Ich

muß dem widersprechen, meine Herren.

Nach meiner Meinung ist das

ein selbstäridiger Antrag, den ich gestellt habe. Es ist der weitest­ gehende von allen Anträgen, die hier vorliegen, und nach meiner Ueberzeugung ist er demnach zu allererst zur Abstimmung zu bringen.

H. A. Bueck-Berlin: strichen werden?

Willst Du, daß beide Nummern 7

ge­

Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Die ganze Nr. 7 zu streichen.

Vorsitzender: Man kann darüber ja verschiedener Meinung sein, ob der Antrag Goldschmidt nicht weitergehend ist, weil der eine Aufhebung des Absatzes 7 involviert.

80 Generalsekretär Stumpf - Osnabrück: sammlung darüber zu befragen.

Dann bitte ich, die Ver­

Vorsitzender: (Heiterkeit.)

Ich würde das auch von selbst getan haben. Da man eben verschiedener Meinung darüber sein kann,

wie zu verfahren ist, so gebe ich ohne weiteres die Entscheidung darüber der Delegiertenversammlung anheim. Ich frage deshalb, ob der An­ trag des Herrn Stumpf in erster Linie zur Abstimmung kommen soll, und bitte diejenigen, welche demgemäß beschließen wollen, die Hand zu erheben. (Geschieht.) Ich bitte um die Gegenprobe. (Sie erfolgt.) Wir werden Hammelsprung machen müssen; wir müssen zählen. Ich bitte diejenigen, welche den Antrag Stumpf zuerst zur Abstimmung kommen lassen wollen, die Hand zn erheben. (Geschieht.) 32. Ich bitte diejenigen, welche dem Antrag Stumpf nicht die

Priorität geben wollen, die Hand zu erheben. (Geschieht.) — Meine Herren, der Antrag Stnmpf wird zuerst zur Abstimmung kommen. Ich schlage also folgende Abstimmung vor: zuerst über den An­ trag Stumpf als den weitestgehenden, dann über den Antrag Gpshs

schmidt als den nächst weitestgehenden, dann über den Eventualantrag des Herrn Dr. Goldschmidt, der sich inhaltlich mit dem anderen vollständig deckt. Wird der Antrag Stumpf angenommen, so entfällt überhaupt jede weitere Abstimmung. Wird der erste Antrag Gold­ schmidt angenommen, so entfällt auch jede weitere Abstimmung. Wird der Eventualantrag angenommen, so entfällt die weitere Abstimmung. Danach würden wir kommen zu dem Antrag des Herrn Dr. Fasolt. Wird derselbe angenommen, so steht die Redaktion des Absatzes 7 festwird derselbe abgelehnt, dann darf ich wohl ohne besondere Abstim­

mung konstatieren, daß Nummer 7 angenommen ist, wie der Ausschuß ihn vorgeschlagen hat.

Dr. Goldschmidt-Essen (zur Geschäftsordnung): Ich bitte, dann einmal über den Antrag des Ausschusses abstimmen zu lassen. Wenn der abgelehnt würde, dann würde freilich wieder der Antrag des Herrn Stumpf angenommen sein. Es bekehrt sich doch vielleicht

noch

mancher im Laufe der Abstimmung.

Vorsitzender: Ich kann es auch so machen. Also, meine Herren, ich bitte diejenigen die Hand erheben zu wollen, welche gemäß dem Anträge des Herrn Stumpf die ganze Nummer 7 streichen wollen. (Geschieht.) Meine Herren, das ist die Minorität.

Der Antrag ist abgelehnt.

Ich bitte diejenigen, welche nach dem ersten Antrag des Dr. Goldschmidt, der die Wiederherstellung des Vorschlages des Direk-

81 toriums bezweckt, beschließen wollen, die Hand zu erheben.

39. Ich bitte um die Gegenprobe. (Sie erfolgt.) 40. der Antrag Goldschmidt in dieser Fassung gefallen.

(Geschieht.) Demnach ist

Nun bitte ich diejenigen die Hand zu erheben, welche entsprechend

dem Antrag des Herrn Goldschmidt die Worte: „hält somit den Entwurf einer Gas- und Elektrizitätssteuer für unannehmbar und" streichen wollen. (Geschieht.) Ich weiß nicht, ob ich ganz genau ver­ standen worden bin, denn meiner Meinung nach müssen diejenigen, die eben für den Antrag des Herrn Goldschmidt gestimmt haben, jetzt

auch die Hand erheben.

Also ich bitte diejenigen, welche diesen Passus

streichen wollen, die Hand zu erheben. 29. Meine Herren, die Sache klappt nicht. Ich bitte um die Gegenprobe. — Aber die Gegenprobe ist nicht nötig, nachdem wir festgestellt haben, daß 79 Delegierte zu­

gegen sind.

Direktor Laval - Magdeburg: Ich habe in meiner Umgebung Zweifel darüber gehört, ob jemand stimmberechtigt ist oder nicht. Ich bin hier als Delegierter des Gesamtoerbandes und habe nicht mit­ gestimmt, weil der bezügliche Passus in der Einladung sagt, daß alle mittelbaren Mitglieder, alle Mitglieder der dem Centralverbande ange­ schlossenen Vereine, Verbände usw. berechtigt sind, an der Delegierten­ versammlung teilzunehmen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und Anträge zu stellen. Ueber das Stimmrecht ist aber nichts gesagt: ich halte mich danach nicht für berechtigt, mitzustimmen. Aber ich glaube, es sind bei verschiedenen Herren doch Zweifel vorhanden, und da die Stimmen gezählt werden, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es vielleicht richtig ist, in diesem Punkte Klarheit zu schaffen.

Vorsitzender: Meine Herren, stimmberechtigt sind nur die Herren Delegierten und sollten noch andere Herren abgestimmt haben, so müßte ich allerdings die ganze Absümmung noch einmal wieder­ holen lassen. Meine Herren,

die Situation ist also so: In der Einladung

sind die Delegierten einberufen worden, sowie aber überhaupt jedes indirekte Mitglied. Die Delegierten eines Verbandes, welche als solche eingeladen sind, sind stimmberechtigt, dahingegen die Verbands­ mitglieder, welche nicht als Delegierte hier sind, sind nicht stimm­ berechtigt.

Nun muß ich also demgemäß die ganze Absümmung wieder­ holen, denn ich nehme an, meine Herren, daß manche von Ihnen als Verbandsmitglieder hier sind, ohne delegiert zu sein. Meine Herren, ich darf erst einmal diejenigen Herren bitten, die Hand zu erheben, welche Delegierte sind, um danach die Anzahl der Heft 111.

6

82 Stimmberechtigten kennen zu lernen. (Geschieht.) Meine Herren, mir haben 66 Stimmberechtigte, und demnach werden Sie mir zugeben müssen, daß wir die Abstimmung wiederholen müssen.

Ich bitte also diejenigen, welche entsprechend dem Antrag Stumpf den ganzen Absatz 7 streichen wollen, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Meine Herren, das ist die Minorität.

Wir kommen jetzt zu dem Antrag des Herrn Dr. Goldschmidt. Ich bitte diejenigen, welche gemäß dem ersten Anträge des Herrn Dr. Goldschmidt die Wiederherstellung der Vorlage Ihres Direktoriums

beschließen wollen, die Hand zu erheben. (Geschieht.) 37. Es sind 66 stimmberechtigte Mitglieder hier anwesend. 37 haben für die Fassung des Direktoriums gestimmt,- demnach ist die Fassung des

Direktoriums wieder hergestellt.

(Beifall.)

Meine Herren, wir kommen zu Nummer 8. Ich eröffne die Diskussion — schließe dieselbe und darf wohl ohne besondere Absümmung hier konstatieren, daß Nummer 8 der Vorschläge an­ genommen ist. Damit, meine Herren, ist die ganze Nummer II der Tagesord­ nung erledigt. Wir kommen zu Nummer I der Tagesordnung:

Die Stellung des Centralverbandes zu anderen in­ dustriellen nnd wirtschaftliche« Bereinigungen und ich erteile das Wort Herrn Landrat Roetger.

Landrat Roetger-Essen: Die Vorgänge, welche zu dem am 2. Mai d. I. erfolgten Austritt des Bundes der Industriellen ans der vor wenigen Jahren zwischen dem Centralverband und der Zentral­ stelle zur Vorbereitung von Handelsverträgen gebildeten und bald darauf durch den Beitritt des genannten Bundes erweiterten Interessen­ gemeinschaft führten, sind durch die Bekanntgabe des stenographischen Berichts über die Sitzung vom 2. Mai und der auf die dort behandelte Angelegenheit Bezug habenden wichtigsten Aktenstücke bereits in der allerobjektivsten Form zur Kenntnis unserer Mitglieder gebracht,' in­

dessen mit dieser Maßnahme durfte Ihr Direktorium sich nicht genügen lassen, dasselbe mußte es vielmehr für seine Pflicht erachten, bei erster sich bietender Gelegenheit der Delegiertenversammlung hierüber Bericht zu erstatten, um so mehr, als es notwendig erschien, diese Vorgänge in den großen Zusammenhang der Dinge zu stellen, um sie in ihrer vollen Bedeutung würdigen zu können. Zur Erstattung des hiernach

erforderlichen Referats wurde ich ausersehen, weil ich mit der Leitung jener Versammlung vom 2. Mai betraut war.

83 Ich werde mich bemühen, in meinem Vortrage nach Möglichkeit objektiv zu bleiben. Wo ich genötigt bin, Kritik zu üben, werde ich sie sachlich zu üben bestrebt sein und deshalb versuchen, alles Persönliche

auszuschalten, wo es aber sich nicht vermeiden läßt, persönlich zu werden, bitte ich, mir zu glauben, daß ich keincrler Zweifel an der bona fides irgendeines der Beteiligten hege. Sie kennen alle die Gründe, welche zu der Bildung der Interessen­ gemeinschaft führten, Sie haben diese Bildung alle, gemeinsam mit Ihrem Direktorium und Ihrem Ausschuß, freudig begrüßt und mit

uns die Hoffnung geteilt, daß dieses gegenseitige Entgegenkommen der industriellen Vertretungskörper eine weitere Erstarkung der auf die Wahrung der industriellen Interessen gerichteten vielseitigen Bestrebungen zur Folge haben würden Sie wissen ferner, daß der in der Interessen­ gemeinschaft verkörperte Gedanke auch bei dem hochbedeutsamen Verein zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der chemischen Industrie Deutschlands Anklang gesunden und diesen zum Eintritt in dieselbe veranlaßt hat, zufällig gerade in den Tagen, in denen jene Versammlung stattfand, der dos Ausscheiden des Bundes der Industriellen folgte. Sie wissen aber auch, alles das hak Herr Bueck in der ihm eigenen präzisen Weise im Eingänge ffciner Rede in jener Versammlung dar­ gelegt, daß zum Gelingen der Idee bei den die Interessengemeinschaft bildenden Körperschaften bzw. deren Leitern das Verständnis dafiir vorhanden sein mußte, daß chei der Behandlung der als gemeinsam erkannten Interessen mit der größten Vorsicht zu verfahren war, sofern nicht Gefahren herausbeschworen werden sollten, die ohne den Zu­ sammenschluß nicht bestanden haben. Soweit ich die Verhältnisse über­ schauen kann, ist von allen Seiten gerade 'in dieser Beziehung das Zilsammenarbeiten rege unterstützt worden, und es ist vielerlei Nützliches — ich erinnere an die Ausstellungskommission — erreicht worden und — ich darf das als meine persönliche Ueberzeugung aussprechen — es wird auch noch sehr vieles erreicht werden können. Ich lasse mich in dieser Beziehung, und glaube darin der Zustimmung unserer Freunde in der Interessengemeinschaft, von denen wir ja heute hervorragende Vertreter in unserer Mitte zu' sehen die Ehre haben, sicher zu sein, ich lasse mich in dieser Beziehung auch durch den Ausgang der Ver­

sammlung vom 2. Mai nicht irre machen.

So oft ich an Sitzungen der Interessengemeinschaft teilzunehmcn Gelegenheit hatte — es war wegen meiner sonstigen ausgedehnten Pflichten nicht gerade gar zu oftl"—, habe ich mich darüber gefreut,

wie gut die Sache marschierte, vor allem aber auch darüber, wie man sich aussprach, und wie gerade in der Richtung, die ich vorher an-

84 deutete, Verständnis vorhanden zu sein schien. Auch in der letzten, vor der großen Sitzung im Architektenhause am 2. Mai, abgehaltenen Besprechung über das in derselben zu beachtende Procedere, wurde in offenster und überzeugendster Weise darauf hingewiescn, wie diese große

Sitzung berufen sei, über das Bedürfnis der Einrichtung einer Außen­ handelsstelle zu entscheiden, unter Betonung aller der subjektiven Schwierigkeiten, die sich der Bejahung dieser Fragen entgegenstellten,

und auch der Geschäftsführung des Bundes der Industriellen sind gerade diese Schwierigkeiten sehr gegenwärtig gewesen,' ist doch von ihr aus mit verschiedenen außenstehenden, in der Sitzung erwarteten Interessenten über das Erreichbare verhandelt worden, ein Beweis mehr dafür, wie notwendig Vorsicht geboten war, und wie man Vor­ sicht erwarten durfte. Dazu konnte es der Geschäftsführung des

Bundes nicht entgangen sein, daß auch innerhalb der Interessen­ gemeinschaft die vom Bunde der Industriellen vertretene optimistische Auffassung nicht geteilt wurde, daß man namentlich im Centralverbande viel kühler dachte und unter Beachtung all der vielfachen Schwierigkeiten viel kritischer der Sache gegenüberstand. Dies tzeweist auch der einleitende Satz der Einladung, den ich mir gestatte, zu verlesen. Noch in der letzten Besprechung war ausdrücklich für jeden der beteiligten Verbände volle Freiheit der Entschließung gegenüber der Fortentwickelung vorbehalten worden.

Also, meine Herren, Rücksichtnahme nach allen Seiten, sowohl gegenüber den Freunden in der Interessengemeinschaft, wie auch den außenstehenden zur Kritik Eingeladenen, letzteres um so mehr, wenn man sich die vielfach wenig freundlichen Aeußerungen in der Presse und die in den Erlassen des Herrn Staatssekretärs des Innern gegebenen Anregungen gegenwärtig hielte wahrlich keine leichte Auf­ gabe für den Referenten, aber eine unendlich dankenswerte Aufgabe, wenn er sich in den gezogenen Schranken hielt und auch sonst der schwierigen Situation gewachsen war. Vergegenwärtigen wir uns doch, meine Herren, daß hier einer jener Ausnahmezustände gegeben war, wo alle an dem Absatz unserer Jndustrieerzeugnisse beteiligten Kreise mit ihren weitverzweigten und zum Teil kollidierenden Inter­ essen zusammengeführt werden sollten zu gemeinsamem Raten und

Tun, wo ein Samen gesät werden sollte, der weit über die vorliegende Frage hinaus Frucht bringen konnte. Meine Herren! Dieser Tag hätte ein Wendepunkt in der Entivickelung vor allem des referierenden Bundes der Industriellen werden können, der nun endlich nach Ibjährigem heißen Bemühen durch die Mithilfe der in der Interessen­ gemeinschaft verbündeten Verbände das ersehnte Ziel näher rücken sah,

85 dem er allein nicht näher gekommen war, der Tag hätte ein Tag der Freude für ihn werden können, wenn — ja wenn! Die Herren vom Bunde sagen natürlich, wenn ihnen Herr Bueck als Redner des Centralverbandes nicht den Text verdorben hätte. Ich, meine Herren, möchte kein Hehl daraus machen, daß ich nach den einleitenden Worten

des Herrn Referenten die unbehagliche Ueberzeugung gewann, daß dieser Tag kein Tag der Freude, weder für den Bund, noch für die Interessengemeinschaft werden würde, daß der Bund die große Gelegen­ heit verpaßt hatte, und daß, wenn wir nicht alle zu den Männern der verpaßten Gelegenheit geworfen werden sollten, alles versucht werden mußte, um durch Abschwächung, Richtigstellung und Ergänzung des im Referat Gesagten zu retten, was noch zu retten war. Und ich glaube, daß dies die allgemeine Auffassung im Saale war, und daß es gut war, daß unser Herr Bueck in offenster Weise sich aus­ sprach. Herr Bueck hat dem Bunde vollste Gerechtigkeit widerfahren lassen und namentlich im Schluffe seiner Ausführungen in aner­ kennendsten Worten seiner Arbeit auf diesem Gebiete gedacht, so daß es iu sachlicher Beziehung kaum seiner späteren in der Geschäfts­ ordnungsdebatte abgegebenen Versicherungen bedurft hätte. Die einzige persönliche Bemerkung, welche Herr Bueck einfließen ließ, hat den Herrn Dr. Wendtland bedauerlicherweise sofort derart in Harnisch gebracht, daß auch die nachfolgende loyale Erklärung des Herrn Bueck, mit der er seinen guten Glauben erwies und alles zurücknahm, nichts mehr fruchtete. Nun, meine Herren, für die Leitungen der in der Interessen­ gemeinschaft verbliebenen Verbände und auch wohl für die weiteren Kreise steht fest, daß das Eingreifen des Herrn Bueck uns vor einem Fiasko bewahrte; und wir haben alle die Ueberzeugung, daß gegen­ über dem erstatteten Referat das Erreichbare erreicht worden ist. Recht schmerzlich ist es, konstatieren zu müssen, daß hier ein typischer Fall vorliegt, wo sich zeigt, wie unendlich schwer es ist, eine geivisse Einigung in die industriellen Kreise hineinzubringen. Gewiß, darüber kann ja gar kein Zweifel sein, je höher entwickelt die Industrie

eines großen Wirtschaftsgebietes ist, um so mehr Reibungsflächcn sind vorhanden auch unter den einzelnen Industrien, um so s chärfcr treten zumal in Zeiten ungünstiger Konjunktur die vorhandenen Gegen sähe hervor, um so stärkere Nerven, um so mehr Ruhe gehört auf

allen Seiten dazu, um über all dem vielen Trennenden das alle Einende immer sich gegenwärtig zu halten, um so schwieriger wird cs in den großen Verbänden, wo einmal Anlaß zu Erörterungen über solche Gegensätze gegeben ist, auf allen Seiten die notwendige Objck-

86 tioität zu wahren. Aber bei einigermaßen ruhiger Ueberlegung und gerechter Würdigung auch der außerhalb des Bereiches unseres Willens und Einflusses liegenden Umstände und Ereignisse müßten doch Vor­

kommnisse wie der Austritt des Bundes der Industriellen aus der Interessengemeinschaft aus Anlässen wie der vorliegende, oder, um noch ein zweites Beispiel zu erwähnen, solche Stürme, wie sie die Aus­

einandersetzung zwischen unserem Herrn Bueck und dem Herrn Reichs­ tagsabgeordneten Dr. Stresemann in Teilen der Industrie Königreichs Sachsen heroorgerufen hat, sich vermeiden lassen.

des

Meine Herren, der Vorstand des Bundes der Industriellen hat seinen Austritt aus der Interessengemeinschaft in der General­ versammlung des Bundes nach den Angaben seines Organs „Deutsche Industrie" zu meiner großen Ueberraschung aus folgendem zu recht­ fertigen gesucht: Der Redner führte aus, daß die Mitglieder des Vor­ standes sich in der Interessengemeinschaft niemals wohlgefühlt hätten; sie hätten stets das Gefühl gehabt, daß der Centralverband in der Interessengemeinschaft das Uebergewicht erstrebe, und es hätten sich sachliche Gegensätze in ähnlicher Weise geltend gemacht, wie im liberal­ konservativen Block. Der Herr Redner schließt diesen Teil seiner Aus­

führungen mit der Erklärung, der Bund könne bedeutend besser arbeiten, da er nun wieder frei sei. Meine Herren, ich bedauere diese Erklärungen auf das allerlebhafteste. Wenn unbehagliche Gefühle vorhanden waren, warum ist denselben denn nicht offen Ausdruck gegeben worden? Wir haben — ich glaube, ich kann dies von allen Herren sagen, die an den Verhandlungen in der Interessengemeinschaft

von feiten der Zentralstelle und des Centralverbandes teilzunchmen pflegten — den Herren vom Bunde volle persönliche Sympathie

entgegengebracht und mit Interesse ihren von Sachkenntnis getragenen Ausführungen zugehört, und ich habe nie daran gezweifelt, daß die

Beratungen stets von gegenseitiger Achtung und Vertrauen zum guten Willen der anderen Beteiligten und dem allseitigen guten Willen, das

für alle Branchen herauszuholen, getragen waren. Und ist vielleicht das Eingehen des Centralverbandes auf die Wünsche wegen Errichtung einer Ausstellungskommission, deren Vorsitzender nicht dem Central-

verbande angehört, und auf die Wünsche wegen der Förderung der Außenhandelsstelle ein Beweis dafür, daß der Centralverband eine

ihm nicht zukommendc Stellung in der Interessengemeinschaft anstrebe oder angestrebt hätte? Und nun das Ueberraschendste: Der Bund könne viel besser arbeiten, da er nun wieder frei sei. Ja, warum ist er denn

der Gemeinschaft beigetreten und warum hat man so lange ausgehalten,

ohne überhaupt den Versuch, sich auszusprechen, zu machen?

87

Meine Herren!

Da sind Strömungen an die Oberfläche ge­

kommen, die es für zweckmäßiger halten, im stritten Gegensatze zu der Haltung des Bundes vor zwei Jahren das Trennende in der In­

dustrie und nicht das Einende zu betonen. Das ist das Bedauerlichste, ich möchte sagen, das Symptomatische an diesem Vorgänge, und in­ sofern hat er eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem Anderen, was ich vorher als durch die Fehde zwischen Herrn Bueck und Herrn Stresemann heroorgerufene Stürme bezeichnet habe. Meine Herren! Was war denn da geschehen? Am 28. Oktober

o. I. hatte die Delegiertenversammlung des Centralverbandes ge­ wissermaßen ihr sozialpolitisches Programm für die nächste Zeit auf­ gestellt- in

demselben dürfte für jeden billig Denkenden weitgehendes

Verständnis für das Notwendige erblickt werden müssen. Hieran auknüpfend klagte Herr Bueck in der am 16. Dezember v. I. abge­ haltenen Generalversammlung des Vereins Deutscher Eisen- uni) Stahlindustrieller über die ihm unverständliche feindselige Stellung, die gerade in Richtung der Leistungen der Industrie für die Sozial­ politik und der Bereitwilligkeit derselben zur Uebernahme dieser Lasten in der öffentlichen Meinung und besonders in den Verhandlungen des Reichstags deutlich erkennbar zum Ausdruck gelange. Das Referat der „Kölnischen Zeitung" über diese Rede fährt dann fort

(17. Dezember 1907): „Herr Dr. Stresemann hatte in seiner Reichstagsrede vom 26. November als Fraktionsredner der Nationalliberalen zu einer Interpellation über die Frage der Kohlenpreise gesprochen und in der Einleitung feiner Rede sich auch über die rheinisch-westfälische

Großindustrie unter dem Beifall seiner Fraktion abfällig geäußert und

das Gegensätzliche zwischen dieser Industrie und der ihm näherstehen­ den sächsischen Industrie scharf betont. Insbesondere ließen seine Ausführungen deutlich erkennen, daß innerhalb der Industrie nach seiner Auffassung neben wirtschaftlichen Gegensätzen auch tiefgehende Gegensätze in den sozialpolitischen Anschauungen bestehen, Ausfüh­

rungen, welche den Vorwurf sozialpolitischer Rückständigkeit der schweren Industrie in sich schlossen." Die Darlegungen des Herrn Bueck auf der Versammlung vom 16. Dezember hatten nun, ich kann wohl sagen, wider Erwarten nicht

nur eilte scharfe Erwiderung

in der

„Sächsischen Industrie" — so

heißt das Organ des Verbandes Sächsischer Industrieller — vom 25. Dezember zur Folge, sondern vor allem auch wenig erfreuliche

Zuschriften an Herrn Bueck aus den Kreisen der sächsischen Industrie. Man fühlte sich verletzt, daß Herr Bueck davon gesprochen hatte, der

88 Verband Sächsischer Industrieller umfasse besonders die kleinen und Betriebe, daß Herr Bueck das verhaßte Kohlensyndikat die Angriffe im Reichstage in Schutz genommen und vor­

mittleren

gegen

allem, daß er es gewagt hatte, die nationalliberale Fraktion zu kritisieren. Im wesentlichen brachten die Zuschriften alle dasselbe. Diese wenig freundlichen Zuschriften — ich habe einige davon gelesen — in Verbindung mit einer — ich will mal sagen — recht wenig angemessenen Behandlung in der sächsischen Presse, von

der aus die Sache auch in andere Blätter hinübergespielt wurde, haben dann Herrn Bueck veranlaßt, den Artikel vom 2. Februar in der „Deutschen Industrie-Zeitung" zu veröffentlichen, in dem er allerdings

sehr eingehend mit dem Fraktionsredner der nationalliberalen Fraktion abrechnete. Meine Herren! Ich bin fest überzeugt, hätte Herr Bueck sich mit Herrn Dr. Stresemann gar nicht, sondern nur mit dem von demselben als Fraktionsredner hauptsächlich behandelten Thema der Preispolitik des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats beschäftigt, der Sturm wäre nicht kleiner gewesen. Die schlimmen Angriffe, die dieser Sturin in der sächsischen Presse zeitigte, sind durch die Entgegnung bekannt geworden, die Herr Bueck in Nr. 9 der „Deutschen IndustrieZeitung" folgen ließ. Ich gehe auf all' dies des näheren nicht ein, will

aber doch nicht unerwähnt lassen, daß es wohl Recht und Pflicht des Geschäftsführers jedes Verbandes und so auch des Centrälverbandes Deutscher Industrieller ist, öffentliche Angriffe, namentlich wenn sie von der Tribüne des Reichstags kominen, und schiefe Darstellungen, auch wenn sie von dem Redner der nationalliberalen Reichstagsfraktion aus­ gehen, zurückzuweisen und richtigzustellen, wenn sich diese Auslassungen gegen Mitglieder des Verbandes richten.

Es ist absolut unerfindlich,

was Herrn Bireck als Geschäftsführer des Centralverbandes veranlassen sollte, die Interessen der rheinisch-westfälischen Großindustrie und speziell der dortigen Kohlenindustrie anders zu behandeln, als diejenigen anderer

Industrien. Wie er jeder Industrie, die im Centralverbande vertreten ist, gegenüber die Pflicht fühlt, sie gegen unberechtigte, auf falschen

tatsächlichen Unterlagen entstandene Angriffe zu verteidigen, so hat er diese Pflicht auch gegenüber der Großindustrie.

Man darf den Ge­

schäftsführer des Centralverbandes doch darum nicht den Anwalt der schweren Industrie gegen die sogenannte Fertigindustrie heißen, weil

er öfter Gelegenheit hat, sich publizistisch mit Angriffen auf jene zu beschäftigen. Und dann! Was hat es denn für eine Bewandtnis mit der vielfach zu hörenden Behauptung, der Einfluß der schweren Industrie sei im Centralverbande übermächtig? Sehen Sie sich die Zusammen-

89 sitzurig Ihres Direktoriums an, da haben Sie unter zwölf Mitgliedern nur drei aus dem so schwer angegriffenen Teile der Industrie (Hört!

hört!),- die Herren Geheimräte Kirdorf und Hilger, und um auf drei zu koinmen, müssen Sie mich schon zuzählen. Irgend ein besonderer Einfluß oder gar ein illegitimer von feiten der schweren Industrie ist weder vorhanden, noch wird er ge­ sucht, wohl aber ist vorhanden ein durchdringendes Verständnis nicht

nur bei den Mitgliedern des Direktoriums, sondern auch in den

weitesten Kreisen der in unserem Verbände zusammengefaßten Körper­ schaften und Firmen für die wirtschaftliche Bedeutung dieses Teiles der deutschen Industrie. Daß der Redner der nationalliberalen Reichstags­

fraktion diese Bedeutung direkt in Abrede stellte und dies unter dem Bei­ fall seiner Fraktion, das war es, was Bueck auf den Plan rief. Dem­ gegenüber verdienten die persönlichen Bemerkungen über Herrn Dr. Stresemanns Jugend wohl mehr als Vorwurf gegen die Fraktion,

nicht gegen ihren Redner aufgefaßt zu werden, nachdem diese Frak­ tion den unbewiesenen und unbeweisbaren einleitenden Angriffen des Fraktionsredncrs gegen die Großindustrie nachdrücklich zu-

gestinimt hatte. Meine § errett! In diesen Angriffen, in dieser Konstruktion eines scharfen Gegensatzes zwischen den verschiedenen Industrien, in dem Hervorheben der vorhandenen Gegensätze, wie es sich in Dr. Stresemanns Rede zeigt, liegt System, ich muß den Finger in die Wunde legen, das beweist neben vielem anderen sein Artikel in der „Neuen Revue" über „Jndustriepolitik" schlagend. In diesem Artikel will Herr Dr. Stresemann nachweisen, daß tiefgründige Interessen­ verschiedenheiten innerhalb der Industrie bestehen und zwar auf allen Gebieten, er sucht das Trennende gewissermaßen unter dem Mikroskop

heraus und was ist das Ergebnis? Er will eine Zollpolitik (S. 12),

die uns

den Weltmarkt nicht

verschließt und bei berechtigter Rücksichtnahme auf die Erhaltttng der

Landwirtschaft doch der Industrie keine Opfer zumutet, welche ihre Exportfähigkeit in Zweifel stellen könnten. Nun, wollen wir denn ettvas anderes? Ich glaube nicht, nur drücken wir — der verehrte Herr möge mir den Ausdruck nicht übel nehmen — die Sache nicht so ein­ seitig aus, wir denken nicht nur an die Exportindustrie, sondern auch, und allerdings in erster Linie, an die Kaufkraft unseres Zollgebietes, die Herr Dr. Stresemann gewiß auch nicht unterschätzen will, bereit

Bedeutung uns aber niemals veranlaßt hat, über die Forderung eines maßvollen Schutzzolles hinauszugehen. Auf diesem Gebiete kann ich also grundsätzlich Trennendes nicht sehen, wohl aber eine Menge

90 einigender Momente, neben denen die Meinungsverschiedenheiten über Einzelnes znrücktreten. Auch in bezug auf die Stellungnahme der Industrie zur Sozial­

politik habe ich ja mit Genugtuung in Dr. Stresemanns Aus­ führungen nichts grundsätzlich Trennendes finden können, trotzdem er einleitend zu diesem Kapitel (S. 14) hervorhebt, man müsse auf diesem Gebiete eine einheitliche Grundauffassung über Wesen und Art der

sozialen Fürsorge vermissen. Er konstatiert einhelliges Verständnis resp. Mitarbeit an der Ausführung der Kaiserlichen Botschaft, er

konstatiert allseitige Abneigung gegen die Vielregiererei, über die man anscheinend im Königreich Sachsen besonders lebhaft Klage führt, er verteidigt in beredten Worten, ich möchte sagen enthusiastisch, die Be­ rechtigung des Unternehmers, die ungeschmälerte Aufrechterhaltung seiner Autorität innerhalb des einzelnen Fabrikunternehmens zu fordern. Nun aber kommt es. Die Gedanken, die Herr Kommerzienrat Menck aus Altona — ich weiß nicht, ob der verehrte Herr noch unter uns weilt — in Hinsicht einer Revision des Reichstagswahlrechts ausgesprochen hat, müssen dazu dienen, auf dem Gebiete der Sozial­ politik einen Gegensatz zu konstatieren, und die Tatsache, daß die Organisation der Arbeitgeberverbände in zwei Spitzen ausläuft, woran natürlich der Starrsinn des bösen Herrn Bueck, nicht die Macht der Verhältnisse schuld ist, ebenfalls. Nun, meine Herren, die Beziehungen zwischen den beiden Spitzen der Arbeitgeberverbände sind die besten, was durch wechselseitige Hilfeleistung wiederholt erwiesen ist, und über die Frage der Revision des Reichstagswahlrechtes dürfte unter Jndustrieverbänden im Ernste wohl kein Streit entstehen. Sich hier­

über zu streiten, haben die Herren doch nicht die Zeit übrig. Die Ausführungen endlich, welche in dem Artikel über die Stellungnahme zu den Wünschen der Privatbeamten gemacht wurden, sind doch nicht geeignet, die große Bedeutung der einigenden Momente auszuschalten. Also, meine Herren, ich sehe nicht, daß Herr Dr. Stresemann gar viel des grundsätzlich Trennenden gefunden, wohl aber hat er sich

das Verdienst erworben, in dieser Untersuchung wichtige Momente der

Uebereinstimmung hervorzuheben. Trotzdem kommt er, eben weil er das Trennende, die Gegensätze, die ja naturgemäß immer bestehen bleiben, stark akzentuiert, zu dem Ergebnis, daß die heutige Organi­ sation nicht genügt, und damit auf die von ihm gewünschte Neu­

organisation der industriellen Körperschaften. Das ist der große Zusammenhang der Dinge, in den das Aus­ scheiden des Bundes der Industriellen und die verschiedenen Aktionen des Herrn Dr. Stresemann,

als Reichstagsabgeordneter wie als

91 Geschäftsführer des Verbandes Sächsischer Industrieller, gestellt werden

niüssen, und in welchen! beides zusammengehört. Es sollen die territorialen Landesverbände, soweit solche be­ stehen, als Gegenorganisation gegen den Centralverband zusamniengefaßt und unter Benutzung auch des Bundes der Industriellen weitere solche territorialen Landesverbände gegründet werden. Wir sind der Ansicht, daß die Durchführung dieser Idee eine schwere Schädigung

der gesamten deutschen Industrie bedeuten würde. Der Central­ verband ist keineswegs ein Gegner der Landesverbände, sie werden als durchaus geeignet und daher auch als notwendig erachtet, um die lokalcu Interessen und Wünsche der Industrie zu fördern und zu verwirklichen; denn es ist ihnen leichter als dem Centraloerbande, in steter Fühlung mit ihren Landesregierungen zu bleiben und daher auch Einfluß bei ihnen zu gewinnen. In diesem Sinne haben z. B. der Bayerische Jndustriellen-Verband und der Verband Sächsischer In­ dustrieller

bereits

verdienstlich

gewirkt.

Die

wirkungsvollere Ver­

tretung der sächsischen Industrie in der sächsischen Zweiten Kammer ist eine hervorragende Leisülng, die wesentlich der energischen und be­ harrlichen Tätigkeit des Herrn Dr. Stresemann zuzuschreiben ist. Das wird hier im Ceutralverbande rückhaltlos anerkannt. Anders aber­ liegen die Verhältnisse in Preußen und noch viel schwieriger im Reiche ­ in Preußen vor allem deshalb, weil hier die Industrie in wenigen verhältnismäßig kleinen Bezirken und in den größeren Städten zu­ sammengedrängt ist. Sehr weite Landesteile sind fast ohne jede industrielle Entwickelung. Andere Faktoren kommen hinzu, mit denen anderswo nicht gerechnet zu werden braucht. Aber es sind gar nicht die Verhältnisse in den Bundesstaaten, über welche die Industriellen so besonders klagen, sondern diejenigen im Reiche. Die gesamte Sozial­ und Wirtschaftspolitik, die Handels- und Zollpolitik wird doch im Reiche gemacht. Und da bedarf die deutsche Industrie einer großen zentralen

Organisation zur Vertretung ihrer Interessen in den großen das ganze Reich erfassenden Fragen, und dies um so mehr, da ihr eine genügende Vertretung im Reichstage mangelt.

Nicht von einem Konglomerat von

Landesverbänden, wie Dr. Stresemann will, in deren jedem möglichst viele Industriezweige vertreten und stimmberechtigt sein sollen, sondern

nur in einem Centralverband wie der unsere, aufgebaut in der Haupt­ sache auf starken und sachkundig geleiteten Fachoerbänden können die großen gemeinsamen Interessen der Industrie wirksam vertreten werden; dies ist bisher das einzige Mittel gewesen, um der Industrie wenigsteus einigermaßen Bei der Gesetzgebung und Bei der Regierung Gehör und Gewicht zu verschaffen. Gewiß wird an der Tätigkeit des Central-

92 Verbandes

manche Kritik geübt werden können)

aber eine derartige

zentrale Organisation, die die mannigfachsten Interessen gegeneinander abzuwägen hat, wird niemals in der Lage sein, es allen recht zu machen. Dieselben Gegensätze würden auch in jeder anderen Gesamtvertretung zutage treten,

auch in

einer Zusammenfassung der Landesverbände.

Meine Herren! Wir werden oft genug, gerade aus diese» Ge­ sichtspunkten heraus, vor ganz besonders schwierige Probleme gestellt) diese Arbeit gehört zu deni Bedeutungsvollsten, tvas der Centralverband leisten kann, und er hat im Laufe seiner Geschichte auf diesem Gebiete manches zuwege gebracht. Aber uin hier ersprießlich wirken zu können, ist, wie überall, Ver­ trauen, und zivar wechselseitiges Vertrauen erste Voraussetzung, nicht, wie es uns in diesem Jahre so oft begegnet ist, Mißtrauen, welches nicht zur Aussprache kommen läßt, sonderir niindestcits Mißverständnisse, wenn nicht schlimmeres, wie wir gesehen haben, hervorruft. Was nützen die schönst stilisierten Briese, wenn sie nicht so geschrieben sind, wie sie nach späteren mündlichen Erklärungen, ivcnn cs eben zu spät

ist, gemeint waren. Gründliche Aussprache ist das einzig richtige, wenn wirklich der Wille zur Verständigung vorhanden: ich habe diesen Weg auf ein an mich in dieser selben Angelegenheit gerichtetes Schreiben des Vorsitzenden eines unserer Mitgliedcr-Verbände beschritten und, wie ich anzunehmen berechtigt bin, mit vollem Erfolge. Wenn der Vorstand des Verbandes Sächsischer Industrieller im März d. I. mit uns mündlich sich benommen hätte, statt uns schriftlich, kurz gesagt, ein Desaveu unseres Hernr Bueck züzumuten, dann wären wir vermutlich auch mit ihnr voraugekommen. In diesem Zusamincnhange möchte ich übrigens hier vor aller Oeffentlichkeit erklären, daß der Verfasser der

Antwort auf diesen Brief des Vorstandes der Sächsischen Industriellen ebenso wie der Erklärung der Interessengemeinschaft gegenüber dem Bunde der Industriellen nicht Herr Bueck war, was iu recht unerfreulicher Form in der Presse als ganz selbstverständlich angenonnnen

wurde.

Ich bin am Ende. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen eine Resolution vorzulegen. Mein Referat hatte lediglich den Zweck, die Auffassung Ihres Direktoriums und Ihres altbewährten Geschäftsführers vor Ihnen darzulegen und

ihre Haltung zu rechtfertigen. wenn mir dies gelungen wäre.

Es würde mir Befriedigung gewähren,

(Beifall.)

Stellvertretender Vorsitzender, Geheimer Regierungsrat KoenigBerlin: Meine sehr geehrten Herren, der Herr Referent sicht, wie sehr

93 interessant seine klaren und lichtvollen Ausfühnmgen gewesen sind. Ich danke ihm für dieselben namens der Versammlung und eröffne die

Diskussion. Das Wort scheint nicht gewünscht zu werden.

Ein weiterer Punkt steht nicht auf der Tagesordnung.

Ich danke

den Her-ren für ihr Ausharren und schließe die Versammlung. Schluß nach 5 Uhr.

94

Beschlüsse -er Delegiertenversammlung. Die Beschlüsse lauten wie folgt:

Die Delegierten des Centralverbandcs erklären: 1. Die finanzielle Lage des Deutschen Reiches ist durch die Ver­ sagung ausreichender eigener Einnahmen höchst unbefriedigend nnd unwürdig geworden. Seit Jahren haben die Ausgaben des Reiches die Einnahmen weit überschritten und konnten daher nur gedeckt werden durch große Anleihen und durch die verfassungsmäßige Inanspruchnahme der Bundesstaaten bis zu einer für diese unerträglichen, weil auch ihre Finanzlage gefährdenden, Höhe. 2. Als Folge dieser Defizit- und Anleihewirtschaft im Reiche haben sich ergeben eine übermäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes, die Steigerung der Zins- und Diskontosätze, die Erschwerung und Verteuerung der Deckung des Geld­ bedürfnisses der Bundesstaaten, Kommunen, Erwerbsgesellschasten, überhaupt der Industrie, der Landwirtschaft, des Gewerbes und des Handels, der mit zahlreichen Verlustm verbundene Tiefftand des Kurses der Reichs- und Staats­ anleihen, endlich die Schädigung des Kredits und des Ansehens des Deutschen Reichs im Auslande und die äußerste Gefährdung der erforderlichen Finanzbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Reiches bei drohenden oder gar eintretenden kriegerischen Ver­ wickelungen. 3. Daher erachtet mit den Verbündeten Regierungen der Central­ verband die durchgreifende Reform der Finanzen des Reiches

95 für eine unabweisbare Notwendigkeit.

Durch diese Reforni

ist das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Reiches dadurch herzustellen, daß diesem, abgesehen von den verfassungsmäßigen Matrikularbeiträgen, eigene Einnahmen zugewiesen werden in ausreichender Höhe, vorläufig mindestens

zur Deckung der in den nächsten fünf Jahren sicher vorher- zilsehenden Ausgaben. Ferner ist durch die Reform eine wirk­ same und gesicherte Schuldentilgung herbeizuführen.

4. Der Centralverband erkennt an, daß nach Maßgabe der historischen Entwickelung die Bundesstaaten für die Deckung ihres Geldbedarfes auf die direkten Stenern angewiesen sind, das Reich dagegen auf die Zölle und den wesentlichsten Teil der Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern. Demgemäß hat das Reich sich eines Eingriffes in das Gebiet der direkten Steuern tunlichst zu enthalten. 5. Daher billigt der Centralverband vollkommen die Absicht der Verbündeten Regierungen, den künftigen Geldbedarf des Reiches, abgesehen von den Zöllen, in der Hauptsache zu decken durch die Erhöhung bzw. Neueinführung der Be­ steuerung von Masscnverbrauchsartikeln und durch die Ein­ führung neuer anderer indirekter Steuern. Dabei wird der Centralverband von der Ueberzeugung geleitet, daß, um das Reich ans seiner finanziellen Notlage zu befreien, auch den minderbeniittelten Kreisen der Bevölkerung Opfer nicht ganz erspart werden können. Die erforderlichen großen Sumnien können nur aufgebracht werden, wenn auch die Masse des Volkes in Anspruch genommen wird. Da die für die Be­ steuerung in Aussicht genommenen Massenverbrauchsartikel in der Hauptsache Genußmittel sind, trägt die Unterwerfung unter die Steuer seitens der Verbraucher in gewisser Weise den Charakter der Freiwilligkeit. 6. Der Centralverband erklärt daher sein Einverständnis mit den von den Verbündeten Regierungen eingebrachten Steuer­

vorlagen und den sonst zur Gesundung der Reichsfinanzen gemachten Vorschlägen mit Ausnahme des Entwurfes eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes.

Der Centralverband kann sein Einverständnis jedoch nur im Prinzip aussprechen,- er ist heute noch nicht in der Lage, die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe so zu prüfen, wie es erforderlich wäre, um zu ihnen abschließend Stellung zu nehmen.

Eine eingehende Prüfung muß er sich

96 daher vorbehalten.

Er spricht sich indessen schon jetzt dahin

daß Erleichterungen, wie sie für die Landwirtschaft in Aussicht genommen sind, auch den anderen Erwerbsständen aus,

zugebilligt werden. 7. Trotzdem gegen die Einführung

einer Besteuerung der zur

Erzeugung wirtschaftlicher Werte unentbehrlichen Kräfte die allerschwersten, grundsätzlichen Bedenken erhoben werden müssen, erachten sich die Delegierten des Centralverbandes nicht in der Lage, schon in der gegenwärtigen Versammlung endgülttg Stellung zu nehmen zu dem Entwurf eines Elektrizitäts- und Gassteuergesetzes. Sie beauftragen daher das Direktorium, eine Kommission von Sachverständigen zu bilden, dieser den

Gesetzentwurf zur eiugeheuden Prüfung zu überweisen und die Anträge dieser Kommission einer erneut zu berufenden Versainmlung der Delegierten oder des Ausschusses zur Be­ ratung und Beschlußfassnng zu unterbreiten. 8. Der Centralverband erklärt endlich sein Einverständnis auch mit der in dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aende­ rungen im Finanzwesen, vorgeschlagenen anderen Gestaltung der Matrikularbeiträge, weil durch die Erhöhung des ur­ sprünglichen verfassungsmäßigen Beitragssatzes auf den Kopf der Bevölkerung in ansgleichender Weise auch den Ansichten

derer Rechnung getragen wird, die verlangen, daß für das Reich auch die Einkommen, das Vermögen und der Besitz in Anspruch genommen werden.

97

Kedrn beim

Festmahle des Gentralverbandes Deutscher Industrieller am 7. Uovember 1908. Zu dem abends von der Versammlung im Hotel Adlon ver­ anstalteten Festmahl waren der Finanzminister Frhr. von Rhein­ baben, der Minister für Handel nnd Gewerbe, Delbrück, der Staats­ sekretär des Reichsschatzamts und Staatsminister Sydow und andere bereits in der Delegiertenversammlung zugegen gewesene Ehrengäste erschienen. Herr von Popelins brachte die Huldigung für den Kaiser aus, welche die Versammlung stehend anhörte. Hüttcnbesitzcr von Popelins - Sulzbach, Mitglied des Herren­ hauses : Euere Exzellenzen! Sehr geehrte Herren! Aus allen Gauen Deutschlands zusammengckommen, vereinen wir uns in Liebe und

Verehrung zu unseres Allergnädigsten Kaisers Majestät. wesenden erheben sich.)

(Die An­

Meine Herren, beim Regierungsantritt unseres Kaisers wurde von einem hervorragenden Menschenkenner der Ausspruch getan, daß der Kaiser, wenn ihm die Gelegenheit gegeben wäre, leicht geneigt sein würde, seinen Säbel zu ziehen, um kriegerische Lorbeeren ans seinen! Haupte zu sainmeln. Meine Herren, dieser Ausspruch hat sich während der zivanzigjährigen Regierung des Kaisers als von irrigen Voraussetzungen ausgehend herausgestellt. So oft auch die Gelegen­

heit gegeben ivar, hat es der Kaiser immer vorgezogen, ohne sich oder

der Nation etwas zu vergeben, auf kriegerische Lorbeeren zu verzichten. Er hat es vorgezogen, bestehende Differenzen auf friedlichem Wege

anszngleichen. Heft m.

7

98 Meine Herren, dies konnte er nur dadurch, daß er sich auf eine vortreffliche Armee und auf eine Flotte — welche vielleicht noch nicht ausreichend ist — stützen konnte. Der Wahlspruch: „Wer den Frieden will, muß sich auf den Krieg rüsten", ist auch der Wahlspruch des

Kaisers.

Die Reichseiunahmen, meine Herren, standen jedoch nicht im Verhältnis zu den Ausgaben, welche solche Kriegsrüstungen notwendig machen und deshalb steht die Reichsfinanzreform heute auf der Tages­

ordnung des Reichstages. Meine Herren, in allen nationalen Fragen hat der Central­ verband Deutscher Industrieller sich immer auf die Seite der Rcichsregienmg gestellt, und wir betrachten die Frage der Reichsfinanz­ reform als eine eminent nationale Frage. Deshalb hat sich auch die heutige Delegiertenversammlung wieder an die Seite der Reichs­ regierung gestellt. Es werden ja große Opfer von der Industrie verlangt. Sie ist aber bereit, diese Opfer zu bringen, sofern ihre Existenzfähigkeit nicht in der einen oder anderen Beziehung direkt geschädigt wird. Die Industrie weiß, daß eine gesunde Finanzlage das Fundament zum Segen und Gedeihen der Industrie, der Kom­ munen, des Staates und des Reiches ist. Um dieses zu erreichen, bedürfen wir aber eines dauernden Friedens, und wir sind unserem allergnädigsten Kaiser dankbar für seine Bestrebungen in dieser Richtung.

Meine Herren, wollen Sie die Gefühle dieser Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, indem Sie einstimmen in den Ruf: Se. Majestät, Kaiser Wilhelm II., König von Preußen, lebe hoch! (Geschieht.)

Weiterhin erhob sich der Finanzminister Freiherr von Rhein­ baben und hielt eine sehr bedeutsame Rede, aus welcher besonders

die wiederholte, festeste Versicherung, am Schutz der nationalen Arbeit festzuhalten, nicht daran rütteln zu lassen, hervorzuheben ist: Verehrte Herren! Als ältester, wenn auch noch nicht ergrauter

Minister habe ich die Ehre, im Namen meiner Kollegen zu danken für die freundlichen Worte, die mein verehrter Nachbar zur Rechten an uns gerichtet hat.

-

Meine Herren, der Dank gebührt nicht uns,

daß wir gekommen sind,

der Dank gebührt Ihnen, daß Sie die

Freundlichkeit gehabt haben, uns zu Ihren Verhandlungen und zu Ihrem Mahl zu bitten. So ehrenvoll, so vielseitig und so interessant die Tätigkeit an der Spitze der Verwaltung ist, so ist gerade das, was wir täglich als Mangel dieser Tätigkeit empfinden,

die lebendige Fühlung mit den weiten Kreisen der Bevölkerung, und je länger man hier oben zu wirken verpflichtet ist — ich will

99 einmal diesen Ausdruck gebrauchen

, je mehr muß man suchen,

diese Fühlung mit dem lebendigen Schaffen in unserem Volke aufrecht zu erhalten. (Beifall.) Nichts gibt uns mehr diese

Gelegenheit

als solche Zusammenkünfte erster Kräfte aus dem

wirtschaftlichen Leben unserer Nation und die Möglichkeit, mit ihnen über die verschiedensten Fragen Meinungsaustausch zu halten. Wenn wir also diese Gelegenheit gern wahrnehmen, so glauben wir damit nicht nur einer angenehmen Pflicht der Geselligkeit zu genügen, sondern glauben auch, damit allein das Fundament zu errichten und zu erhalten, auf dem unsere Tätigkeit gedeihlich sich entfalten kann: das Fundament der wirklichen Sach- und Personenkunde. Meine Herren, wenn Sie zu Ihrer heutigen Tagung sich versammelt haben, so können wir uns nicht verhehlen, daß die wirtschaftlichen Zeiten sich zu uugunsteu gewandelt haben. Nach einer Reihe von glänzenden Jahren hat sich die Wellenbewegung unseres wirtschaftlichen Lebens in ein Wellental verwaudelt, und einstweilen sind die Auspizien unseres wirtschaftlichen Lebens noch keineswegs als günstig zu bezeichnen. Ich brauche Ihnen das ja

nicht nahezulegen. Sie empfinden es ja an Ihrem eigenen Leibe viel mehr als wir. Ich will nicht sagen, daß ich das beklage, denn es ist viel­ leicht ganz gut, daß unserer Nation wieder einmal vor Augen geführt wird, daß auch bei uns die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es ist vielleicht ganz gut, daß auch bei uns einmal wieder eine Zeit der Einkehr eintritt, eine Einkehr in allen Kreisen der Bevölkerung, auch in den Arbeiterkreisen (Lebhafte Zustimmung und Beifall), das Gefühl, daß auch sie an dem wirtschaftlichen Aufschwung teilnehmen, daß sie sich doch aber auch bewußt sein müssen, daß dieser Aufschwung seine Grenzen hat und sich zeitweise wieder ins Gegenteil verkehrt. Ich betrachte die Sache nun trotz allen Ernstes der augen­

blicklichen wirtschaftlichen Lage nicht so, daß wir für die Dauer pessimistisch in die Zukunft unseres wirtschaftlichen Lebens, ins­ besondere der Industrie, blicken müssen, und da stützt mich die Hoffnung, daß das, was unsere deutsche Industrie bisher aus­ gezeichnet hat, auch ferner ihr Stolz, ihr charakteristisches Merkmal sein wird: die Einmütigkeit und die Opferwilligkeit. Meine Herren, was die Einmütigkeit betrifft, so meine ich,

ist es mehr wie je notwendig, diese nicht nur in Worten, sondern in Taten zu bekräftigen und in Taten vor allen Dingen darin,

100

daß an dem durch den Fürsten Bismarck uns gewordenen Schutz unserer nationalen Arbeit unter keinen Umständen gerüttelt werden darf. (Lebhafter Beifall.) Meine Herren, wenn Sie jetzt planen, dem großen Mann, der unter dem Schatten der Buchen des Sachsenwaldes von einer unvergleichlichen Lebensarbeit ausruht, ein Denkmal auf den Höhen des Rheins zu errichten, so genügen Sie damit nur einer Pflicht

der Dankbarkeit. (Beifall.) Wenn der Industrie nicht damals die helfende Hand gereicht wäre, so hätte jener Verblutungsprozeß der Industrie, von dem er einmal gesprochen hat, zur letalen Krise unserer Industrie geführt (sehr richtig!), und das, was er uns geschaffen hat, hochzuhalten, meine Herren, das ist, glaube ich, im gegenwärtigen Moment doppelt geboten. Denn wo wäre unsere Industrie in der Lage, auch iiber schlechte Zeiten hinwegzukommen, wenn er nicht, dank dem Schutzzollsystem, unserer Nation die Kraft, die wirtschaftliche Blüte gegeben hätte, deren sie sich in der letzten Zeit erfreut hat. (Beifall.) Meine Herren, Sie brauchen

nur die Ausfuhr der letzten Jahre zu sehen, um daraus zu ent­ nehmen, daß auch die Befiirchtung, daß unser Ausfuhrhandel zurückgehen würde, durchaus unbegründet ist. Ich sage aber weiter: Dieser unser Schutz der nationalen Arbeit hat sich in alle Kreise der Bevölkerung, insbesondere in die Arbeiterkreise hinein, erstreckt. Sonst würden wir uns nicht der Löhne in der Industrie und in der Landwirtschaft erfreuen, wenn der Industrie und der Landwirtschaft nicht dieser starke Schutz,

vom Reiche zuteil geworden wäre. (Sehr richtig!) Meine Herren, es ist eine der erfreulichsten Aufgaben des Finanzministers, zu konstatieren, in welchem Maße sich die Lebens­ haltung und auch die steuerliche Leistungsfähigkeit gerade der unteren Klassen unserer Bevölkerung gehoben hat. Ich las kürzlich noch eine Zusammenstellung, daß wir im Jahre 1895 8 Millionen Zensiten mit ihren Familien in den Kreisen der Steuerpflichtigen

von 900 bis 3000 M. gehabt haben und daß wir im Jahre 1907 diese Ziffer von 8 Millionen auf 15 Millionen haben anschwellen

sehen. (Hört! hört!) Also, meine Herren, in dieser kurzen Spanne Zeit sind nicht weniger als 7 Millionen unserer Bevölkerung in Lohn- und Gehaltsoerhältnisse aufgestiegen, die sie zu einkommen­ steuerpflichtigen Personen unserer Bevölkerung gemacht haben (hört!, hört!), und während im Jahre 1893 das Einkommen der Zensiten zwischen 900 und 3000 Mark — das ist überwiegend Arbeits-

einkommen — 3 Milliarden Mark betrug, so ist es im Jahre 1905

101

auf 61/, Milliarden gestiegen. (Hört! hört!) Also in dieser Spanne Zeit von etiva 14 Jahren hat sich das Einkommen in diesen

Kreisen unserer Bevölkerung mehr als verdoppelt, nm über 3 '/z Milliarden Mark gesteigert. Meine Herren, diese beiden Daten beweisen, wie groß der Weitblick des Staatsmannes war, der uns das Schutzzollsystem

geschaffen hat, und wie sehr wir gut daran tun, in seinen Bahnen zu wandeln, das mühsam Errungene mit allen Kräften festzuhalten (Beifall) und in die Festung, die er geschaffen, auch nicht eine Bresche legen zu lassen. (Lebhafter Beifall.)' Meine Herren, ich sagte, meine Hoffnung gründet sich auf die Einmütigkeit und auf die Opferwilligkeit der Industrie. In schweren Kämpfen stehen wir, vor allem mein verehrter Kollege mir gegenüber, Exzellenz Sydow, und ich. Daß es so nicht weiter gehen kann, darüber glaube ich, sind allmählich alle Kreise der Bevölkerung einig geworden, aber über die Mittel und Wege zur Abhilfe gehen die Ansichten weit auseinander, denn, meine Herren, wenn man die Erscheinungen unseres öffentlichen Lebens, wenn man die Tagespresse verfolgt, so kann einen manchmal die bange Furcht beschleichen, wo das hin soll, ob Gott uns in der Tat erst durch ernste und ernsteste Prüfungen führen soll, bis die Nation lernt, daß nur die Nation ihrer Größe wert ist, die für ihre Größe Opfer zu bringen bereit ist. (Beifall.) Von jedem Interessentenkreise wird gegen die Steuer angekämpft, die ihm drückend ist und eine Steuer ausgesonnen und uns empfohlen, die den Nachbar trifft, aber nicht ihn selber. (Heiterkeit.) Meine Herren, nach der glänzenden wirtschaftlichen Zeit, die uns Gott geschenkt hat, sollten wir alle, jeder an seinem Teil, willig die Opfer und auch die erheblichen Opfer zu tragen bereit sein, die not­ wendig sind, um das Reich nicht nur wirtschaftlich auf der Höhe zu erhalten, sondern seine politische Existenz aufrecht zu erhalten,

denn darum handelt es sich. (Sehr richtig!) Meine Herren, bei dieser Situation können wir Vertreter der Reichs- und Staats­ regierung es nur dankbarlichst begrüßen, wenn eine aus hervor­ ragenden Vertretern unseres wirtschaftlichen Schaffens bestehende Versammlung wie die heutige in ihrer Vormittagssitzung sich in allem Großen ans den Boden der Vorlage der Reichsregierung gestellt hat. Ich kann nicht umhin, Ihrem verehrten Herrn Generalsekretär, den ich mir gegenübersehe, meinen besonderen

Dank und meine lebhafte Anerkennung auszusprechen für seine Ausführungen. (Beifall.) Meine Herren, welch beneidenswertes

102 Alter! lings!

Mit 77 Jahren die Leidenschaft und die Kraft des Jüng­ (Heiterkeit und lebhafter Beifall.) Ich fürchte allerdings,

er wird den letzten Vortrag unter Ihnen gehalten haben (Rufe: Nein! Nein!), denn nach seiner glänzenden Begabung für die Finanzwissenschaften habe ich beschlossen, ihn ins Finanzministerium zu berufen. (Große Heiterkeit.) Meine Herren, es sind Bedenken

eine und die andere Steuer.

geäußert worden über die Ich will hier nicht darauf eingehen.

Ich will diese Stunde des Frohmuts nicht durch solchen Trüb­ sinn verkümmern. Allein, meine Herren, wollen Sie das bedenken:

Eine Steuer, die ein allgemeines Lustgefühl erzeugt (große Heiterkeit), ist nicht erfunden worden seit den Zeiten der alten Chaldäer. (Heiterkeit.) Vom Finanzminister in Chaldäa bis zu meinem Freunde Sydow (Heiterkeit) ist jeder Finanzminister an­ gegriffen worden, der eine Steuer vorgelegt hat, und wie ich auch schon einmal ausgesprochen habe, meine Herren, es lassen sich gegen fast jede Steuer auch berechtigte.Einwendungen erheben, denn jede Steuer greift in das wirtschaftliche Leben ein. Sie muß an der einen oder anderen Stelle Druck erzeugen, und Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck, und jeder Gegendruck macht sich auf das lebhafteste in der Presse, in Jnteressentenerklärungen bemerkbar. Meine Herren, ich will auf die Details hier nicht eingehen, aber nur das bitte ich auch sich heute und bei Ihren künftigen Beratungen gegenwärtig zu halten: Ohne Opfer, ohne erhebliche Opfer, ohne schwere Opfer, meine Herren, ist diese Kampagne nicht durchzuführen, und das möchte ich doch noch einmal betonen, daß die endliche Herstellung geordneter Finanzverhältnisse bei uns auch ein

evidentes wirtschaftliches Interesse ist. (Sehr wahr!) Denn wie unser ganzes Wirtschaftsleben unter der gegenwärtigen Finanzwirtschaft, unter den steigenden Zinssätzen leidet, meine Herren, das ist so erheblich, daß dagegen jedes Opfer, auch der Industrie, einfach verschwindet. Es ist kürzlich einmal ausgerechnet worden, in welchem Maße unser Nationalvermögen, unser Nationaleinkommen

leidet durch die permanente Steigerung des Zinssatzes, die sich aus der schlechten Finanzwirtschast, aus dem Uebermaß von Anleihen ergibt. Aber dieses nur sekundär, meine Herren. In einem Kreise so hochpatriotischer Männer, wie Sie hier versammelt sind, ist der andere Gedanke doch viel durchschlagender, daß es sich um des Reiches Größe, um des Reiches Ehre, um des Reiches Existenz

handelt, und da weiß ich Sie sicher alle einig mit mir in der Ueberzeugung, daß für diesen Zweck kein Opfer zu groß ist.

103 Meine Herren, ich danke namens meiner Kollegen nochmals für die Unterstützung, die Sie uns in unserem mühevollen Be­

streben gewidmet haben. Ich hoffe, daß auch über die einzelnen Projekte, über die noch Meinungsverschiedenheiten schweben, eine Verständigung erzielt werden wird.

In einem weiß ich mich sicher eins mit Ihnen: in dem festen Willen, auch diese große Reform zum Abschluß zu bringen, und in dem Gefühl, daß Sie hinter der Regierung des Reiches und hinter der Regierung des Staates stehen. Wir danken Ihnen für diese treue Bundesgenossenschaft, wie sie bisher bestanden hat und wie sie sicher auch in Zukunft bestehen wird, und, meine Herren, zum Ausdruck dieser Bundesgenossenschaft bitte ich Sie, das Glas 511 erheben und auf das Wohl der deutschen Industrie zu trinken. Ein jeder denke an den andern und stimme in den Ruf mit mir ein: Hoch lebe die deutsche Industrie! (Lebhafter, an­

haltender Beifall.) Herr Landrat Roetger toastete auf die Ehrengäste.

Landrat a. D. Roetger-Essen: Es ist eine gute Sitte, daß in den deutschen wirtschaftlichen Vereinen nach getaner Arbeit der Geselligkeit gepflogen wird. Man hat eben das Bedürfnis, zusammen­ zukommen und nachdem man sich in mehr oder weniger parlamen­ tarischer Form (Heiterkeit), in mehr oder weniger gebundener Weise vor dem grünen Vorstandstisch ausgesprochen hat, sich zwanglos über das, was mit dem Beruf mehr oder weniger lose zusammenhängt, weiterhin zu unterhalten. In dieser Beziehung, glaube ich, ist alles in deutschen Landen, was in Vereinen, namentlich wirtschaftlicher Art, tätig ist, sich ziemlich einig, in allen Berufsständen, auch bei uns in der Industrie. Hier im Centralverband ist es weiter gute Sitte geworden, zu unseren Tagungen die Herren von der Regierung und auch die Re­ präsentanten der mit uns befreundeten Körperschaften einzuladen, sie

zu bitten, uns die Ehre zu erweisen, an unseren Verhandlungen und

an unseren Banketten, wenn ich es so nennen darf, teilzunehmen. Ich habe den Eindruck, daß die Gepflogenheit, die Dinge nicht nur in der Debatte, sondern auch nachher über Tisch zu behandeln, sowohl bei unseren Freunden, wie vor allen Dingen auch bei den Herren der Regierung Anklang findet. Ich habe den Eindruck, daß sogar in

dieser Beziehung manches über dem weißen Tischtuch förderlicher be­ handelt wird,

als

es vielleicht vor dem grünen Vorstandstisch in

langen und endlosen Debatten hätte gefördert werden können. Ich habe den Eindruck, daß die Herren von der Reichs- und Staats-

104 regierung gern die Gelegenheit wahrnehmen, uns nicht nur bei un­ seren Vormittagstagungen, sondern auch bei Gelegeuheit unserer zwanglosen Zusammenkünfte zu beehren, und wir sind den Herren dafür von Herzen dankbar. Wir wissen alle, wie große Ansprüche gerade an die Herren

Staatsminister, an die Herren von der Reichsregierung gestellt werden. Wir wissen, was es heißt, wenn unsere Herren Staatsminister und ihre nächststehenden Räte, die Herren Unterstaatssekretäre und Mini­ sterialdirektoren, sich entschließen, an unseren Verhandlungen des Vor­ mittags teilzunehmen und uns gar noch den Abend schenken. Es ist nicht unbillig, wenn darauf auch bei dieser Gelegenheit an diesem Tische hingewiesen wird, und wenn ich daran den Dank knüpfe ins­ besondere an die Herren Staatsminister, welche wir heute die Ehre haben, unter uns zu sehen.

Die Herren Staatsminister Freiherr von Rheinbaben und Delbrück sind ja alte Bekannte unter uns — so darf ich Euere

Exzellenzen wohl nennen. Wir haben häufig die Ehre gehabt zu sehen, wie Euere Exzellenzen nicht bloß aus der Ferne von der hohen Warte, auf die Sie durch die Gnade und das Vertrauen Seiner Majestät gestellt sind, unsere Interessen verfolgen, sondern wie Sie gewillt sind, in unseren Kreisen zu verkehren, durch Aussprache von Mund zu Mund unter vier Augen und in größerem Kreise sich zu unter­ richten über das, was uns bedrückt und, meine Herren, auch Seine Exzellenz der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamtes, der Herr Staats­ minister Spdow, der heute zum erstenmal unter uns weilt, ist für die allermeisten von uns nicht ein Fremder, insofern nicht ein Fremder, als, sofern wir auch vielleicht in unserer großen Mehrzahl persönlich Seiner Exzellenz heute zmn erstenmal begegnen, wir doch alle wissen, welche Bedeutung in bezug auf unser Verkehrswesen seiner stillen Arbeit iin Reichspostamt beigemessen werden muß. Meine Herren, ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich er­ daß wir in der Industrie alle niit Befriedigung die Berufung Seiner Exzellenz auf den hochverantwortlichen und im gegenwärtigen Monient so hochbedeutsamen Posten begrüßt haben, und ich glaube, kläre,

daß die sachliche Behandlung der großen Vorlage,

welche Seine Ex­ daß

zellenz jetzt herausgegeben hat, in unserem Kreise dafür spricht,

wir den Bestrebungen, die im Reichsschatzamt an der Spitze, als Motto gewissermaßen, über aller Arbeit stehen, volles Verständnis entgcgenbringen. Wir sind glücklich darüber — das darf ich hier ausdrücklich aussprechen —, daß der von Seiner Exzellenz dem Herrn Staatssekretär des Reichsschatzamtes zu unserer heutigen Sitzung ent-

105 sandte Herr Direktor im Reichsschatzamt Kühn die ganzen Verhand­ lungen über die Reichsfinanzreform mit seinem persönlichen vollsten Interesse verfolgt und ihnen bis zum Schluß beigewohnt hat. Es

gibt uns das eine Gewähr dafür, daß alle die vielfachen hin- und herwogenden Meinungsverschiedenheiten, die in der Debatte zum Aus­ druck kamen, in der sachgcmäßcsten und sachkimdigsten Weise auch zu den Ohren Seiner Exzellenz des Herrn Staatssekretärs gebracht werden.

Die großen Bedenken, die hier geäußert worden sind, ins­ besondere gegen die Steuer, welche der Judustrie eilte neue Last auf­ zuerlegen Bestimmt ist, sind dazu angetan, daß wir im Centralverband die Sache weiter prüfen. Wir find sicher, daß diese Bedenken durch den Herrn Direktor im Reichsschatzamt jetzt schon zur Kenntnis des Herrn Staatssekretärs gebracht werden. Ich habe die Ehre, dann auch die übrigen Herren, welche uns heute die Ehre geben, hier unter uns zu weilen, als unsere Gäste willkommen zu heißen, die Herren von der Staatsregierung und die Herren von unseren befreundeten Vereinen, und ich darf insbesondere an die letzteren Herren die Bitte richten, auch weiterhin alles daran zu setzen, mit uns zusammen zu arbeiten zum Besten der Industrie. Meine Herren vom Centralverbaud, ich

bitte Sic, die Gläser

zu erheben und dem Dank Ausdruck zu geben unseren Ehrengästen, indem Sie in ein Hoch einstimmen auf die Herren von der Hohen

Reichs- und Staatsregierung, die unter uns sind, an der Spitze die Herren Staatsminister, und auf unsere sonstigen Gäste. Sie leben hoch! (Lebhafter Beifall.) Sodann ergriff Herr Landtagsabgcordneter Generalsekretär Dr.

Beumer das Wort und führte zu Ehren des Direktoriums des Centralverbandes folgendes aus:

Meine verehrten Herren!

Der lebhafte Beifall, den Sie der

Rede des Herrn Finanzministers gespendet haben, hat dem Herrn Minister wohl gezeigt, daß wir doch nicht ganz so selten auch mit seinen Ansichten einverstanden sind. (Heiterer Beifall.) Daß wir uns manchmal von seinen Ansichten trennen, beruht nicht allein auf

der von ihm betonten Unlust, die jede neue Steuer erweckt, sonder» das beruht ja manchmal auch auf sehr sachlichen Motiven.

Auch heute habe» wir gegen eine von ihm hier promulgierte Aeußerung lebhaften Protest cinzulcgen: gegen die Berufung des

Herrn Bueck zum Hilfsarbeiter (Heiterkeit) oder, wie ich annehme, zum vortragenden Rat (Heiterkeit) in das Königlich Preußische

106 Finanzministerium. (Heiterer Beifall.) Wir haben ihn nämlich einst­ weilen in seinem 78. Jahre und in den folgenden, den nächsten

25 vielleicht (Heiterkeit), noch nötig in der Industrie, und ich bin fest überzeugt, daß es der Industrie gelingen wird, Herrn Bueck noch heute abend zu Bestimmen, den Lockungen (Heiterkeit) der freundlichen Stimme aus dem Finanzministerium diesmal nicht zu

folgen. (Heiterkeit.) Herr Bueck kann sich dabei gerade auf den Mann beziehen, dessen Erinnerung zu unserer großen Freude von dem Herrn Finanz­ minister Freiherrn von Rh ein b ab en wachgerufen wurde. Meine Herren, ich habe unter den vier Malen, die ich das Glück hatte, in Friedrichsruh unter dem Dache unseres Altreichskanzlers zu weilen, einmal das Glück gehabt, auch über meinen Freund, den Kollegen Bueck, ein Urteil des Altreichskanzlers zu hören, und

es ist mir, gerade weil heute das Gedächtnis an den Mann, der im Sachsenwalde ruht, wachgerufen worden ist, ein Bedürfnis, das

hier meinem 77jährigen Freunde auch öffentlich zu erzählenDer Fürst Bismarck kam mit mir in der TischunterHaltung auf die Kämpfe zu sprechen, die Mitte der 70 er Jahre tobten, als das Unglück, von dem der Herr Finanzminister sprach, über unsere

Industrie kam — ein Unglück, das sich wiederholen würde, wenn wir die Schutzzollmauer, die in mäßiger Höhe in den Tarifen von 1879 und 1902 aufgerichtet ist, durchbrechen würden —, und pr erinnerte da an die großen Verdienste, die sich damals in Rhein­ land und Westfalen gerade mein Freund und Kollege Bueck envorben habe:,daß, als seinerzeit Seine Majestät, unser Kaiser Wilhelm I., den Brief an den Reichskanzler gerichtet hatte, wonach nun endlich einmal ein Ende gemacht werden möge mit der Not, die durch die Aufhebung der Roheisenzölle herbeigeführt war —, daß da es gerade der Generalsekretär des Wirtschaftlichen Vereins in Düsseldorf und der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher

Eisen- und Stahlindustrieller, Herr Bueck, gewesen sei, der in der ersten Reihe der Kämpfer gestanden habe (Beifall), und die Verdienste dieses Mannes würde er, der Fürst Bismarck, niemals vergessen. (Beifall.) Und als ich ihn dann daran erinnerte, daß einmal aus­ gesprochen wäre, den preußischen Leutnant könne uns keine Nation

nachmachen, sagte der Fürst Bismarck: Diesen Generalsekretär macht Ihnen auch keine andere Nation nach (lebhafter Beifall), und deshalb, meine Herren, geben wir diesen Generalsekretär nicht an das Preußische Finanzministerium ab (Heiterkeit), zumal ja Seine Exzellenz, der Herr Finanzminister, auch auf die Kurse, die die

107 Staatsanleihen haben, anftnerksam gemacht hat.

Die Berufung

des Herrn Bueck würde ja über pari erfolgen müssen.

Und da

ein preußischer Finanzminister niemals über pari zu zahlen pflegt,

so wird er sich das doch noch etwas überlegen. (Heiterkeit.) Nun, meine Herren, ist der Herr Generalsekretär Bueck ja seit dem vorigen Jahre zu der Würde eines geschäftsführenden

Mitgliedes des Direktoriums aufgerückt, und ich glaube, daß alle die Herren, die mit ihm dort im Direktorium zusammen zu arbeiten haben, erfreut sind, trotz der Lebhaftigkeit und des von mir, glaube ich, bei der Tafel im vorigen Jahre hervorgehobenen Zuges, den ich damals, wenn ich nicht sehr irre, mit dem eines jugendlichen

Foxterriers verglichen habe (Heiterkeit), der sich in die einmal ge­ faßte Meinung etwas sehr fest einzubeißen sucht — da bei der

großen Sachkunde des Herrn Bueck ein angenehmes Arbeiten mit ihm stets gegeben ist. Meine Herren, die Herren vom Direktorium haben ja mit diesem bis in sein hohes Alter außerordentlich tätigen und frischen Manne große Aufgaben für unser Wirtschaftsleben zu erfüllen, und wir können uns freuen — das möchte ich doch bei dieser Gelegenheit auch hier öffentlich anssprechen —, daß sich noch Männer­

finden, die sich in den Dienst des öffentlichen Lebens stellen, weil in der Industrie leider die Neigung, an diesem öffentlichen Leben, namentlich aber an unserem politischen Leben tätig teilzunehmen, nicht sehr groß ist (lebhafte Zustimmung), und deshalb, meine

Herren, sind wir allen denen, die an der Spitze des Central­ verbandes stehen, die die Geschicke der deutschen Industrie in dem großen Teile, der im Centralverband vereinigt ist, zu leiten haben, zu außerordentlichem und aufrichtigem Danke verpflichtet (Beifall), in erster Linie dem Herrn Vorsitzenden (Beifall), in zweiter Linie

den übrigen Mitgliedern des Direktoriums und nicht zuletzt unserem Freunde Bueck, dem geschäftsführenden Mitgliede (Beifall), der ja auch schließlich in seinem eigenen Willen nicht so weit geht, wie — ich glaube, es war die Großherzogin von Hessen, von der der Fürst Bülow neulich bei einer Gelegenheit erzählt hat, daß sie immer seinem Vater gegenüber die Meinung verfochten habe, sie könne den damaligen Bundestagsgesandten Bismarck nicht

leiden, und als der Vater des Fürsten Bülow sie gefragt habe, warum denn nicht, habe sie gesagt: Der Mann macht mir immer so ein Gesicht, als wenn er viel klüger wäre als der Großherzog.

Ich glaube, wir haben unseren Freund Bneck von einer solchen Neigung nicht zu befreien. (Heiterkeit.)

(Stürmische Heiterkeit.)

108 Er, meine Herren, ist das jüngste Mitglied des Direktoriums, den Jahren nach ist er wohl das älteste. Die Mitwirkung dieses alten

jungen Mannes mit den übrigen Herren des Direktoriums lassen Sie uns hier an dieser fröhlichen Tafel heute dankbar anerkennen (Beifall) und allen diesen Herren dafür unseren herzlichsten Dank sagen, daß sie im Sinne der Politik unseres großen ersten Reichs­ kanzlers (Beifall) die Geschicke unserer Industrie zu lenken suchen,

den Dank dafür, daß sie auf diesem Wege bisher ausgehcnrt haben, mit der Bitte, weiter auf diesem Wege zu marschieren,' denn wer unter dem Wahlspruch lebt: „Hie gut Bisniarcksch allwegc", der tut dem deutschen Erwerbsleben, der tut dem nationalen Ge­ danken, der tut unserem großen lieben deutschen Daterlande den allerbesten Dienst. (Beifall.) Das bismarckisch gesinnte Direktorium des Centralverbandes einschließlich seines jüngsten Mitgliedes Bueck, es lebe hoch!

Die Festteilnehmer stimmten lebhaft in das Hoch ein. Herr Geheimer Kommerzienrat Bogel-Chemnitz: Meine Htzrrm, wenn ich als einer der Jüngsten dem Direktoriiun auf die überaus liebens­ würdigen Worte des Herrn Generalsekretärs Beumer antworte, so geschieht es, weil mir seine Rede nach verschiedener Richtung hin ganz

besonders sympathisch war. Er gedachte in allererster Linie unseres hochverehrten Mitgliedes im Direktorium, des Herrn Generalsekretärs Bueck, und unseres sehr verehrten Vorsitzenden, Herrn von Vopelius, und verband damit eine ganze Reihe Aeußerungen des Fürsten Bismarck, des Mannes, der für die deutsche Industrie Unsterbliches getan hat. Aber leider war es nicht dem ersten Kanzler und ist cs bis heute noch niemand gelungen, die deutsche Industrie so zu einigen,

daß sie in den meisten wichtigen Fragen gemeinsam und geschlossen vorging und geht. Ich glaube, dies ist auch die Ursache, daß wir in allen parlamentarischen Körperschaften so wenig Sympathien, so wenig Vertreter gerade da haben, wo wir sie am nötigsten brauchen, und daß wir leider nur auf unsere eigenen Kräfte, auf uns selbst an­ gewiesen sind. Ich glaube, der Centralverband und in erster Linie anch das Direktorium hat von jeher dahin zu wirken gesucht, daß eine

Einigung innerhalb der Industrie stattfindet, daß die bedauerliche Zer­ splitterung, die in ihr herrscht, endlich einmal bis zu einem gewissen Grade aufhöre. Meine Herren, es muß zugegeben werden, daß es unendlich schwer bei der Verschiedenheit der Industrien und deren Interessen ist, sie zu vereinigen. Aber sehen Sie auf andere Erwerbs­ stände, zum Beispiel auf die Landwirte. Welch unendliche Erfolge

109 erzielten sie auf den breitesten Gebieten dadurch, daß sie geschlossen und einheitlich unter einem Szepter vorgehen. Wenn wir dagegen heute versuchen, uns mit anderen Verbänden zu einigen, um gemeinsam

mit ihnen zu tagen, so gelingt uns in den meisten Fällen ein einiges Zusammengehen deshalb nicht, weil die Gegensätze an und für sich

Des­ der Appell an die deutsche Industrie nicht oft

viel zu groß sind und in den Vordergrund geschoben werden.

halb

glaube ich,

daß

genug ergehen kann: Einigt Euch und seid einig! Wenn Fürst Bismarck, dem die Industrie so unendlich viel

Dank schuldig ist, das viel schivcrere Werk, ein zerrissenes Deutschland zu einigen, vollbracht hat, so sollte uns auch endlich gelingen, die deutsche Industrie nach der Richtung hin zu einigen, daß sie in den haupt­

sächlichsten wirtschaftlichen Fragen gemeinsam vorgeht. (Sehr gut.) Daß diese Einigkeit in der gesamten deutschen Jndusü'ie bald bei uns erreicht werde, darauf leere ich mein Glas! Die deutsche Industrie und ihre Einigkeit sie lebe hoch!

(Leb­

hafter Beifall.)

Heir Landtagsabgeordneter Macco-Siegen: Meine Herren, der Herr Vorsitzende hat mir die Erlaubnis erteilt, auch noch einige Worte an Sie zu richten. Es ist hervorgehoben worden, daß unser Einfluß in den parlanientarischen Körperschaften so ungemein gering ist. Woher

kommt es, meine Herren, daß wir auf die Wahlen keinen Einfluß haben und daß wir bei der Gesetzgebung in der Regel das Nachsehen haben? Es ist eine schöne Sache, wenn wir hier beraten über alle diese Gegenstände und die Erfahrungen der Einzelnen zuin Ausdruck bringen, aber unsere Gedanken praktisch zur Geltung und zur Durch­ führung zu bringen, ist meiner Ansicht nach viel wichtiger, und da

müssen wir uns doch fragen,

ob die Industrie und die Vertreter der

Industrie iu den letzten Jahrzehnten dasjenige getan haben, was not»

wendig war, um den Einfluß auf die Masse, die heute in der Gesetz­ gebung eine ganz gewaltige Rolle spielt, in der erforderlichen Weise

zur Geltung zu bringen. Leider muß ich auf Gründ meiner Erfahrungen sagen, daß in dieser Beziehung ganz außerordentlich viel gesündigt worden ist. Wer in der politischen Arbeit steht und sich bemüht, auf die Masse der Wähler einzuwirken, wird in den meisten Fällen das Gefühl haben, daß er vereinsamt ist und daß ihm gerade die Unterstützung, deren er in erster Linie bedarf, des Wählers aus den gebildeten Klassen, fehlt.

Meine Herren, fragen wir uns doch ehrlich, haben die Vertreter der Jndusü'ie sich betätigt, um ihre Ansichten in den unteren Klassen

110 zur Geltung zu bringen?

Haben sie sich bemüht, mit Aufopferung

ihrer Person bei jeder Gelegenheit dort ihre Autorität zur Geltung zu bringen und ihren Einfluß auszubreiten und zu befestigen? Ich glaube, wenn Sie sich an die Brust schlagen, müssen Sie sich alle

selbst sagen,

daß dies nicht in genügendem Umfange geschehen ist

(sehr wahr!), daß wir alle in der Beziehung viel zu zurückhaltend gewesen sind, und daß, wenn wir uns nicht selbst den allergrößten Schaden tun wollen, es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit

ist, unsere Person mehr einzusetzen und die Autorität der besitzenden, der gebildeten Klassen in den unteren Schichten der Bevölkerung und ganz besonders in der Arbeiterbevölkerung mehr zur Geltung zu bringen, und, meine Herren, das möchte ich als Resums der heutigen Ver­ handlungen als das einzige Heilmittel für die Zukunft empfehlen: Scheuen Sie sich nicht in politischer Beziehung tätig zu sein und in den Versammlungen zu wirken, dann werden wir sicher viel mehr­ erreichen als mit allen Resolutionen, die wir hier fassen. Tue jeder in dieser Beziehung seine Pflicht, dann wird unsere heutige Verhand­ lung für unser ganzes Vaterland segensreich wirken. Das wünsche ich. (Beifall.)

111

We der Anwesenden in der

AusschuWtzung am 7. Uovember 1908 in Kerlin.

Mitglieder des Direktoriums: Herr von VopeliuS, R., Hüttenbesitzer, Mitglied des Herrenhauses, Vorsitzender des Verbandes der Glasindustriellen Deutsch­



lands und der Glas-Berufsgenossenschaft, Vorsitzender, Sulzbach. Roetger, Landrat a. D., Vorsitzender des Direktoriums der Akt.-Ges. Fried. Krupp, erster stellvertretender Vor­ sitzender, Essen (Ruhr). Koenig, Geh. Negierungsrat, Vorsitzender des Direktoriums des Vereins der Deutschen Zucker - Industrie, zweiter stellvertretender Vorsitzender, Berlin. von Nieppel, A., Dr.-Jng. h. c., Baurat, Generaldirektor der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschast Nürnberg, Nürnberg. Semlinger, H., Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Süd­ deutscher Baumwollindustrieller, Bamberg. Hilger, Geh. Bergrat, Generaldirektor der Vereinigten Königs­

„ „

und Laurahütte, Berlin. Vogel, Geh. Kommerzienrat, Chemnitz. Bueck, H. A., Generalsekretär, geschäftsführendes Mitglied









im

Direktorium.

Mitglieder der Geschäftsführung: Herr Bartels, Dr. jur., Regierungsrat, stellvertretender Geschäfts­



führer, Berlin. Zakrzewski, Dr., Berlin.



Ballerstedt, Dr., Berlin.

Mitglieder: Herr Beumer, Dr., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, General­ sekretär, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller und

des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaft­ lichen Interessen in Rheinland und Westfalen, Düsseldorf.

112 Herr Blohm, Herrn., Fabrikbesitzer, Hamburg. „ Borsig, Ernst, Kommerzienrat, Berlin. „ Brandt, Dr., Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisen­ gießereien, Syndikus der Handelskammer Düsseldorf, Düsseldorf. „ Brauns, H., Kommerzienrat, Eisenach. „ Graf von Brockdorff, Dr., Syndikus der Handelskammer für den Regierungsbezirk Oppeln, Oppeln. „ Buz, Hch., Kommerzienrat, Direktor der Vereinigten Maschinen­ fabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, Augsburg. „

Clouth, Franz, Fabrikbesitzer, Köln-Nippes.

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Dietel, Franz, Geh. Kommerzienrat, Coßmannsdorf. Ditges, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Papierfabrikanten und der Vereinigung Deutscher Schiffs­ werften, Berlin.



Fiebelkorn, Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ton? industrieller, Berlin. Fleitmann, R., Kommerzienrat, Düsseldorf. Flohr, Baurat, Bredow-Stettin. Fuchs, Hermann, Direktor der Norddeutschen Wagenbau­ vereinigung, Charlottenburg. Funcke, Wilhelm, Kommerzienrat, Hagen i. W.

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Goldberger, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender der Ständigen Ausstellungskommission für die deutsche Industrie, Berlin. Goldschmidt, Karl, Dr., Essen-Ruhr.



Haarmann, A., Dr.-Jng., Geh. Kommerzienrat, Osnabrück. Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat, erster stellvertretender Vor­ sitzender des Vereins Deutscher Zellstofffabrikanten, Mannheim. Hallbauer, Kommerzienrat, Lauchhammer. Heckmann, Paul, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Gesamt­ verbandes Deutscher Metallindustrieller, Berlin. Henneberg, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins deutscher



Fabriken feuerfester Produkte, Freienwalde a. O. Hirsch, W-, Syndikus der Handelskammer für den Kreis Essen,

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Essen-Ruhr. Hoeter, Ministerialdirektor a. D., Berlin. Hummel, Friedrich, Generaldirektor, Ettlingen.



Kamp, Kommerzienrat, Grünewald b. Berlin.

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113 Herr Kauffmann, Georg, Dr., Kommerzienrat, Vorsitzender der Handelskammer Schweidnitz, Wüstegiersdorf i. Schl. „ Klemme, Dr.-Jng. d. o., Bergassessor, Generaldirektor, St. Avold (Lothringen). „ Körting, Kommerzienrat, Hannover. „ Kraner, R., Direktor der Baumwollspinnerei Erlangen, Erlangen. „ Krüger, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Geschäftsführer des Vereins der Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte und des Verbandes Deutscher Maschinen­ fabrikanten für Brauerei- und Mälzerei-Anlagen, Berlin. „ Kuhlo, Dr., Syndikus des Bayerischen Jndustriellen-Verbandes, München. „





Langen, C. O., Kommerzienrat, Vorsitzender des Verbandes Rheinisch-Westfälischer Baumwollspinner, Vorsitzender der Handelskammer M.-Gladbach, M.-Gladbach. Lehmann, Professor, Dr., Syndikus der Handelskammer Aachen, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Tuchund Wollwarenfabrikanten und des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Aachen. von und zu Loewenstein, Bergassessor, Geschäftsführer des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberberg­ amtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr).



March, Alb., Fabrikbesitzer, Vorsitzender des Vereins für Ton-, Zement- und Kalkindustrie, Charlottenburg b. Berlin. Martens, Dr., Syndikus der Handelskammer Dortmund, Dortmund. Marwitz, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins der Baumwollgarn-Konsumenten, Dresden. Menck, I. A., Mitglied des Abgeordnetenhauses, Kommerzien­ rat, Vorsitzender der Handelskammer Altona, Altona. Möhlau, Adolf, Kommerzienrat, Vorsitzender der Handelskammer Düsseldorf, Düsseldorf. Mundt, Arthur, Fabrikbesitzer, Berlin.



Neubarth, Eug., Kommerzienrat, Forst i. L.



Röchling, Louis, Kommerzienrat, Völklingen a. Saar.



Schaafhausen, Direktor, Neu-Welzow (N.-L.).



Schieß, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Düsseldorf. Schott, F., Kommerzienrat, Heidelberg.



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Heft 111.

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114 Herr Schroers, 81., Kommerzienrat, erster Vorsitzender des Vereins der Deutschen Textilveredelungsindustrie, Düsseldorf, Crefeld. „ Schrödter, E., Dr.-Jng., Geschäftsführer des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten und des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Düsseldorf. „ Siemsen, Dr., Hüttendirektor, Dortmund. von Skene, Geh. Kommerzienrat, Klettendorf b. Breslau. „ Springorum, Kommerzienrat, Generaldirektor, Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Dortmund. „ Steller, Paul, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln und des Ver­ eins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Köln. „ Stumpf, Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenvereins und Syndikus der Handelskammer, Osna­ brück. „ Tille, Alexander, Dr., Geschäftsführer des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saar­ industrie und Syndikus der Handelskammer Säärbrücken, Saarbrücken. „ Uge, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisen­ gießereien, Kaiserslautern (Pfalz). „

Voltz, Dr., Geschäftsführer des Oberschlesischen berg- und hütten­ männischen Vereins und derOestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Kattowitz.

„ „ „ „

Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr). Weinlig, Generaldirektor, Burg Lede. Weisdorff, Generaldirektor, Burbacher Hütte. Weismüller, E., Kommerzienrat, stellvertretender Vorsitzender der Süddeutschen Gruppe des Vereins Deutscher Eisenund Stahlindustrieller, Auerbach (Hessen). Werminghoff, I., Generaldirektor, Berlin.



Ferner waren anwesend: Herr „ „ „ „ „ „

Gottstein, Dr. Leo, Generaldirektor, Breslau. Mathies, Regierungs- und Baurat, Dortmund. Müller, Th., Hüttendirektor, Neunkirchen, Bez. Trier. Oswald, W., Kommerzienrat, Koblenz. Reusch, Direktor, Gutehoffnungshütte, Oberhausen. von Schubert, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Berlin. Steinmann-Bucher, Herausgeber der „Deutschen IndustrieZeitung", Berlin.

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Entschuldigt haben sich: Vom Direktorium: Herr Kirdorf, E., Geh. Kommerzienrat, Generaldirektor der Gelsen­ kirchener Bergwerks-Akt.-Ges., Rheinelbe bei Gelsenkirchen. „ Jencke, H., Geh. Finanzrat, Dr.-Jng. h. c., Mitglied des Preußischen Staatsrates und der Sächsischen Ersten Kammer, Dresden. „ Vorster, Jul., Geh. Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Vorsitzender des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln, Köln. „ Schlumberger, Th., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Elsaß - Lothringischen Industriellen Syndikats, Mül­ hausen i. E. Herr „ „ „ „ „ „ „ „

„ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „

Von Mitgliedern: Böcking, Rudolf, Geh. Kommerzienrat, Halberger Hütte. Curtius, Richard, Duisburg. van Delden, Gerrit, Kommerzienrat, Gronau. Delius, Dr.-Jng. h. c., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Dietrich, Dr., Handelskammer-Syndikus, Plauen i. V. Dulon, Kommerzienrat, Magdeburg. Euler, Kommerzienrat, Bensheim. Graeßner, Generaldirektor, Leopoldshall-Staßfurt.' Heller, Dr.-Jng., Kommerzienrat, Generaldirektor, HannoverLinden. Ärabier, Geh. Bergrat, Essen (Ruhr). Krause, Baurat, Berlin. von Langen, Gottlieb, Fabrikbesitzer, Köln. Laurenz, Kommerzienrat, Ochtrup. Linke, Domänenrat, Slawentzitz. Melchior, A., Kommerzienrat, Nürtingen. Neidhardt, Vorsitzender der Handelskammer, Plauen i. D. Sartorius, Direktor, Bielefeld. Sedlmayr, Geh. Kommerzienrat, München. Selve, Geh. Kommerzienrat, Altena. Servaes, Geh. Kommerzienrat, Düsseldorf. Stark, Kommerzienrat, Chemnitz: Websky, Ernst, Fabrikb.sitzer, Tannhausen. Winkler, Kommerzienrat, Fürth i. Bayern. Zanders, Hans, Kommerzienrat, Berglsch-Gladbach. Ziegler, Kommerzienrat, Oberhausen.

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Liste -er Anwesenden in der

Delegierlenversammlung am 7. Aovember 1908 in Kerlin.

Vertreter der Reichs- und preussischen StaatsBehörden: Herr Staatsminister, Minister für Handel und Gewerbe, Delbrück, Exzellenz. „ Staats- und Finanzminister Freiherr von Rheinbaben, Exzellenz. „ Reichsschatzsekretär und Staatsminister Sydow, Exzellenz. „ Unterstaatssekretär Dr. Richter. „ „ Wirkt. Geh. Ober-Finanzrat Dombois. „ „ Wermuth. „ „ Wirkl. Geh. Rat Fleck,Exzellenz. „ Direktor im Reichsschatzamt Kühn. „ Wirkl. Admiralitätsrat Prof. Dr. E. von Halle.

An

der Sitzung nahmen

als

Vertreter von befrenndeten

industrielle« Organisationen teil: Der Zentralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen:

Herr „ „ „

Etienne, Dr., Geschäftsführer, Berlin. von Martins, Dr., Berlin. Ravenö, Geh. Kommerzienrat, Berlin. Vosberg-Rekow, Dr., Direktor, Berlin.

Des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands: Herr Wenzel, Direktor, Geschäftsführer, Berlin.

Der Ständigen Ausstellungskommission für die deutsche Industrie: Herr Goldberger, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender, Berlin.

Mitglieder des Direktoriums: Herr von VopeliuS, Hüttenbesitzer, Mitglied des Herrenhauses, Vor­ sitzender des Verbandes der Glasindustriellen Deutsch­ lands und der Glas-Berufsgenossenschaft, Vorsitzender, Sulzbach.

117 Herr Roetger, Landrat a. D., Vorsitzender des Direktoriums der Akt.-Ges. Fried. Krupp, erster stellvertretender Vorsitzender, Essen (Ruhr). „ Koenig, Geh. Regierungsrat, Vorsitzender des Direktoriums des Vereins der Deutschen Zucker-Industrie, zweiter stellver­ tretender Vorsitzender, Berlin. „ von Rieppel, A., Baurat, Dr.-Jng. h. c., Generaldirektor der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinen­ baugesellschaft Nürnberg, Nürnberg. „ Semlinger, H., Kommerzienrat, Vorsitzender des Direktoriums des Vereins Süddeutscher Baumwoll - Industrieller, Direktor der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg, Bamberg. „ Hilger, Geh. Bergrat, Generaldirektor der Vereinigten Königs­ und Laurahütte, Berlin. „ Vogel, Geh. Kommerzienrat, Chemnitz. „ Bueck, H. A., geschäftsführendes Mitglied im Direktorium, Berlin.

Mitglieder der Geschäftsführung: Herr Bartels, Dr. jur., Regierungsrat, stellvertretender Geschäfts­ führer, Berlin. „ Zakrzewski, Dr., Berlin. „ Ballerstedt, Dr., Berlin.

Mitglieder: Herr Andre, Vertreter des Vereins für die gemeinschaftlichen Inter­ essen des Hannoverschen Kalibergbaues, Hannover. „ Anhegger, Eugen, Direktor des Vereins Süddeutscher Baum­ wollspinner, Augsburg, Eßlingen. „ Beiseit, Bergassessor, Geschäftsführer des Deutschen Braunkohlen-Jndustrie-Dereins, Halle a. S. Beumer, W., Dr., M. d. A., Generalsekretär des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen und der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Düsseldorf. „ Boelcke, Dr., Berlin. „ Böteführ, i. Fa. Klingelhöfer, Gräfenbruch (Rhld.). „ Bitta, Justizrat, Neudeck (O.-Schl.). „ Blohm, Herm., Hamburg. „ Borsig, Ernst, Kommerzienrat, Berlin.

118 Herr Brandt, Dr., Syndikus der Handelskammer Düsseldorf, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisengießereien, Düsseldorf. „ Brandt, Direktor, Zwickau. „ Brauns, H., Kommerzienrat, Eisenach. „ Breuer, P., Köln. „ Graf von Brockdorff, Dr., Syndikus der Handelskammer Oppeln, Oppeln. „ Burgers, F., Gelsenkirchen. „ Buz, Hch., Kommerzienrat, Direktor der Vereinigten Maschinen­ fabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, Augsburg. „ von Caron, Rittergutsbesitzer, Eldingen bei Celle. „ Clauß, Ernst Stephan, Plaue bei Flöha in Sachsen. „ Clouth, Franz, Fabrikbesitzer, Köln-Nippes. „ Dietel, Franz, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner, Coßmannsdorf. „ Dinglinger, Schmalkalden. „ Ditges, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Papierfabrikanten und des Vereins Deutscher Schiffs­ werften, Berlin, Lützow-Ufer 13. „ Dowerg, Kneuttingen, Vertreter des Lothringer Hüttenvereins, Aumetz-Friede. „ Fahrenhorst, Dr., Hoerde. „ Fasolt, Dr., Geschäftsführer des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der deutschen Elektrotechnik, Berlin. „ Feldmann, Alfred, Dr., Vorsitzender der Gewerbekammer Bremen, Bremen. „ Fiebelkorn, Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller, Berlin, Stephanstr. 50. „ Fleitmann, R., Kommerzienrat, Düsseldorf. „ Flohr, Baurat, Bredow-Stettin. „ Frölich, Fr., Ingenieur, Vertreter des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten, Düsseldorf. „ Fuchs, H., Direktor der Norddeutschen Wagenbau-Vereinigung, Charlottenburg, Bleibtreustr. 20. „ Funcke, Bergrat, Bergwerksdirektor, Vorstandsmitglied derGelsenkirchener Bergwerksaktiengesellschaft, Camen. „ Funcke, Wilh., Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins der Märkischen Kleineisenindustrie, Hagen i. W.

119 Herr Gerstein, M., Syndikus derHandelskammer Hagen undGeschäftsführerdes Vereins derMärkischen Kleineisenindustrie, Hagen. „ Goldschmidt, Karl, Dr., Essen. „ Gottstein, Dr., Generaldirektor, Breslau. „ Götze, Emil, Generalsekretär des Verbandes der Glas­ industriellen Deutschlands und der Glasberufsgenossen­ schaft, Berlin. „ Grabenstedt, Dr., Generalsekretär des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller, Berlin. ,, Grunenberg, Dr., Bergwerksdirektor, Vorsitzender des Nieder­ schlesischen Kohlensyndikats und des Vereins für die bergbaulichen Interessen Niederschlesiens, Hermsdorf bei Waldenburg in Schlesien. » Gulden, William, Chemnitz. ,, Haarmann, A., Dr.-Jng., Geh. Kommerzienrat, Osnabrück. ,, Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat, erster stellvertretender Vor­ sitzender des Vereins Deutscher Zellstofffabrikanten, Waldhof bei Mannheim. „ Hallbauer, Kommerzienrat, Lauchhammer. „ Hampke, Dr., Geschäftsführer der Gewerbekammer Hamburg, Hamburg. „ Heckmann, Paul, Geh. Kommerzienrat, Berlin, Lützowstr. 64. „ Heckel, Georg, St.-Johann a. Saar. „ Heimann, Dr., Geschäftsführer der Ständigen Ausstellungs­ kommission für die deutsche Industrie, Berlin. „ Henneberg, Ernst, Kommerzienrat, Fabrikbesitzer, Freien­ walde a. O. „ Heymann, Hermann, Rentner, Berlin. „ Hirsch, M. d. A., Syndikus der Handelskammer Essen, Essen (Ruhr). „ Hoeter, Ministerialdirektor a. D., Berlin W, Kurfürstendamm 220. „ Hoffmann, Leberecht, Salzuflen. „ Holzweissig, Kommerzienrat, Eilenburg. „ Hummel, Friedrich, Generaldirektor, Ettlingen. „ Jaenicke, Dr., Berlin. „ Jehle, Ernst, Rechtsanwalt, Stuttgart. „ Jordan, W., Verein der Fabrikanten landwirtschaftlicherMaschinen und Geräte, Halle a. S. „ Kahle, Bayrischer Jndustrieverband, Sekt. Würzburg, Würzburg. „ Kaiser, Generaldirektor, Wetzlar. „ Kamp, Kommerzienrat, Laar bei Ruhrort.

120 Herr „ „ „ „ „

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Kampmann, Wattenscheid. Karan, Bergassessor, Magdeburg. Karcher, i. Fa. Dillinger Hüttenwerke, Dillingen, (Saar). Kauffmann, Georg, Dr., Kommerzienrat, Wüstegiersdorf in Schlesien. Kauffmann, Otto, Dr., Niedersedlitz. Keibel, Dr., Syndikus der Handelskammer Mülheim (Ruhrs­ Oberhausen, Mülheim (Ruhr). Klemme, Dr.-Jng. h. c., Generaldirektor, Bergassessor a. D., St. Avold (Lothringen). Körting, Berth., Kommerzienrat, Hannover. Kraner, Direktor, Erlangen. Kreß, Fr., Bergwerksdirektor, Potsdam. Krüger, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Geschäftsführer des Vereins der Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte, Berlin, Burggrafenstr. 13. Kuhlo, Dr., Syndikus des Bayerischen Jndustriellen-Derbandes, München. Langen, C. O., Fabrikbesitzer, M.-Gladbach. Laval, C., Fabrikdirektor, Magdeburg. Lehmann, Professor Dr., Handelskammersyndikus, Geschäfts­ führer des Vereins Deutscher Tuch- und Woll­ warenfabrikanten und des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Aachen. Levy, Max, Dr., Berlin. Lindgens, Adolf, i. Fa. Lindgens & Söhne, Mülheim (Rhein). Lochmüller, W., Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Bauniwollgarn-Verbraucher, Dresden. von und zu Loewenstein, Bergassessor, Geschäftsführer des Vereins zur Wahrung der bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr). Macco, Heinr., Ingenieur, Siegen. March, Fabrikbesitzer, Vorsitzender des Deutschen Vereins für Ton-, Zement- und Kalkindustrie, Charlottenburg, Sophienstr. 23/25. Martens, Dr., Syndikus der Handelskammer Dortmund, Dort­ mund. Marwitz, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins der Baum­ wollgarnkonsumenten, Dresden. Menck, I. A., M. d. A., Kommerzienrat, Altona. Meyer, Wilhelm, Rechtsanwalt, Hannover.

121 Herr Michaelis, Dr., Konsulent der Gewerbekammer Bremen, Bremen. „ Möhlau, Ad., Kommerzienrat, Vorsitzender der Handelskammer Düsseldorf, Düsseldorf. „ Mollat, Dr., Syndikus der Handelskammer Siegen und Ge­ schäftsführer des Berg- und.hüttenmännischen Vereins, Siegen. „ Müller, Bergrat, Neunkirchen, Bez. Trier. „ Mundt, Arthur, i. Fa. Berliner Gipswerke L. Mundt vorm. H. Kühne, Berlin SW, verl. Trebbinerstraße. „ Naumann, Halbergerhütte, Vertreter von Rud. Böcking L Cie., Erben Stumm-Halberg, und Rud. Böcking, Brebach. „ Neubarth, Eugen, Kommerzienrat, Forst i. L. „ Peltzer, Adolf Fr., Fabrikbesitzer, M.-Gladbach. „ Piatschek, Bergwerksdirektor, Halle. Rasch, E., Vertreter der Aktiengesellschaft Mix L Genest, Berlin. „ von Reiswitz, Freiherr, Hamburg. „ Röchling, Louis, Hüttenbesitzer, Völklingen a. Saar. „ Rocke, Dr., Geschäftsführer des Fabrikanten-Vereins fürHannover, Linden und die benachbarten Kreise, Hannover. „ Roesch, Fabrikbesitzer, Mülheim-Ruhr. „ Roitzsch, Ernst, Geschäftsführer des Verbandes von Arbeit­ gebern der Sächsischen Textilindustrie, Chemnitz. „ Rosenberger, Heinz, Fabrikbesitzer, Oberlangenbielau. „ Roßner, H., Dr. jur., Vertreter der Bergmann-Elektrizitäts­ werke, A.-G., Berlin. „ Saß, Vertreter der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, Berlin. „ Schaafhausen, Direktor, Neu-Welzow (Niederlausitz). „ Schäfer, Altwasser. „ Schieß, Ernst, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Düsseldorf. Schönstedt, M., Duisburg. „ Schott, Carl, Köln. „ Schott, F., Kommerzienrat, Heidelberg. „ Schroers, A., Kommerzienrat, erster Vorsitzender des Vereins der Deutschen Textilveredelungsindustrie, Düsseldorf, Crefeld. „ Schellwien, M., Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller, Berlin. „ Schlueter, Generalsekretär des Verbandes Deutscher Müller, Berlin. „ Schrö dter, E., Dr.-Jng., Ingenieur, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute und des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten, Düsseldorf.

122 Herr „ „ „ „ „ „ „ „



Schumacher, A., Vertreter der Schwarzblechvereinigung, Köln. Selve, Walter, Ingenieur, Altena i. W. Siemens, Halle a. S. Siemsen, Dr., Direktor, Dortmund. Silverberg, Dr., Köln. von Skene, Karl, Geh. Kommerzienrat, Klettendorf bei Breslau. Sorge, Direktor, Magdeburg-Buckau. Springorum, Kommerzienrat, Generaldirektor, Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Dortmund. Springorum jun., Dortmund.

Steller, Paul, Generalsekretär des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln und des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Köln. „ Stern, Spiritus-Zentrale, Berlin, Grünewald. „ Stumpf, F., Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks­ und Hütten-Vereins, Syndikus der Handelskammer zu Osnabrück, Osnabrück. „ . Sturm, Direktor, Freienwalde a. O. „ Tänzler, Dr., Syndikus der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeber­ verbände, Berlin. „ Tietz e, Dr., Vertreter des VereinsDeutscherZellstofffabriken, Breslau. „ Tille, Alexander, Dr., Syndikus der Handelskammer Saar­ brücken, Generalsekretär des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarindustrie und der Südwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, St. Johann a. d. Saar. „ Türke, Wilhelm, Direktor der Akt-Ges. H. F. Eckert, Berlin. „ Uge, Kommerzienrat, Kaiserslautern. „ Voelcker, Dr., Regierungsrat, Vertreter des Verbandes Deutscher Messingwerke, Berlin. „ Voltz, Dr., Generalsekretär des Oberschlesischen Berg- und hütten­ männischen Vereins, Kattowitz. „ Wagner, Dr., Malstatt-Bürbach. „ Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr). „ Weichelt, Carl, Eisengießereibesitzer, Leipzig. „ Weinlig, Generaldirektor, Dillingen a. d. Saar. „ Weinlig, Kommerzienrat, Siegen. „ Weisdorff, Generaldirektor, Burbacher Hütte bei Saarbrücken. „ Weise, E., Fabrikbesitzer, Halle a. S. „ Weismüller, E., Kommerzienrat, stellvertr. Vorsitzender der Süd­ deutschen Gruppe des Vereins DeutscherEisen- und StahlIndustrieller, Auerbach (Hessen), Heidelbergerstraße 55.

123 Herr „ „ „ „ „ „

Weniger, R., Magdeburger Braunkohlenbergbauverein, Helmstedt. Werminghoff, I., Generaldirektor, Berlin. Weyland, Kommerzienrat, Siegen. Wiebe, Dr., Syndikus der Handelskammer Bochum, Bochum. Wode, Direktor, Vorsitzender des Ostdeutsch-Sächsischen Hütten­ vereins, Eulau-Wilhelmshütte. Zell, Generaldirektor, Halle a. S. Ziemssen, Dr. F., Rechtsanwalt, Vertreter der Akkumulatoren Fabrik Aktien-Gesellschaft, Berlin.

Als Gäste waren anwesend: Herr Honthumb, Geh. Baurat, Berlin. „ Lepsius, Dr., Professor, Griesheim a. Main. „ von Rotzll, Landrat z. D., Kammerherr, Herausgeber der „Neuen Politischen Correspondenz", Berlin. „ Schweinburg, D., Herausgeber der „Berliner Politischen Nach­ richten", Berlin. „ Steinmann-Bucher, Herausgeber der „Deutschen IndustrieZeitung", Berlin.

Entschuldigt haben sich: Vom Direktorium: Herr Kirdorf, E., Geh. Kommerzienrat, Generaldirektor der Gelsen­ kirchener Bergwerks-Akt.-Ges., Rheinelbe bei Gelsenkirchen. „ Jencke, H., Dr.-Jng. d. o., Geh. Finanzrat a. D., Mitglied des Preußischen Staatsrats und der Sächsischen Ersten Kammer, Dresden. „ Vorster, Jul., Geh. Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Vorsitzender des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln, Köln. „ Schlumberger, Th., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Elsaß - Lothringischen Industriellen - Syndikats, Mül­ hausen i. E. Von Mitgliedern:

Herr „ „ „ „ „ „

Böcking, Rudolf, Geh. Kommerzienrat, Halberger Hütte. Curtius, Richard, Duisburg. van Delden, Gerrit, Kommerzienrat, Gronau. Delius, Dr.-Jng. h. c., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Dietrich, Dr., Handelskammer-Syndikus, Plauen i. V. Dulon, Kommerzienrat, Magdeburg. Euler, Kommerzienrat, Bensheim.

124 Herr Goecke, E., Geh. Kommerzienrat, Duisburg-Meiderich. „ Graeßner, Generaldirektor, Leopoldshall-Staßfurt. „ Heller, Dr.-Jng., Kommerzienrat, Generaldirektor, HannoverLinden. „ Hohn er, Jac., Fabrikbesitzer, Trossingen (Württemberg). „ Junk, Direktor, Chemnitz. „ Krabler, Geh. Bergrat, Essen (Ruhr). „ Krause, Baurat, Berlin. „ Küchen, Gerhard, Kommerzienrat, Mülheim (Ruhr). „ Kusel, Friedrich, Direktor, Gelenau. „ von Langen, Gottlieb, Fabrikbesitzer, Köln. „ Laurenz, Kommerzienrat, Ochtrup. „ Linke, Domänenrat, Slawentzitz. „ Melchior, A., Kommerzienrat, Nürtingen. „ Neid Hardt, Kommerzienrat, Vorsitzender der Handelskammer, Plauen i. V. „ Remy, Bergrat, Lipine (O.-L.). „ Röll, Wilh., Kommerzienrat, i. Fa. Erdmann Kircheis, Aue (Erzgebirge). „ Sartorius, Direktor, Bielefeld. „ Schniewindt, Carl, Fabrikant, Neuenrade. „ Sedlmayr, Geh. Kommerzienrat, München. „ Servaes, Geh. Kommerzienrat, Düsseldorf. „ Stahl, Dr.-Jng., Kommerzienrat, Düsseldorf. „ Stark, Kommerzienrat, Chemnitz. „ Thomee, Heinrich, Fabrikant, Werdohl. „ Websky, Ernst, Fabrikbesitzer, Tannhausen. „ Wiede, Georg E., Chemnitz. „ Winkler, Paul, Kommerzienrat, Fürth i. Bayern. „ Zanders, Hans, Kommerzienrat, Bergisch-Gladbach. „ Ziegler, Kommerzienrat, Oberhausen.

Eingabe gegen die

Aufhebung der EifenMÜe.

Berlin, den 12. November 1908.

An den Königlichen Staatsniinister und Minister für Handel und Gewerbe Herrn Delbrück,

Exzellenz

Berlin. Exzellenz! In Nachstehendem haben wir die Ehre, anläßlich Euer Exzellenz hoher Verfügungen — J.-Nr. 11b. 2763 — vom 24. April und — J.-Nr. II b. 5690 — vom 5. Juni d. I. uns gutachtlich zu der Denkschrift „Die Unzulänglichkeit der heutigen Schutzzollgesetzgebung für die Eisenindustrie" zu äußern, wobei wir auch die Behauptungen in der „Kölnischen Volkszeitung" vom 21. Juni d. I. berücksichtigt haben.

Die zu unserem Bedauern erhebliche Verzögerung dieser Begut­ achtung ist leider nicht zu vermeiden gewesen, da nach unserem Ge­

schäftsgänge diese Sache zuerst dem zu unseren Mitgliedern gehörigen Verein

Deutscher Eisen-

und

Stahlindustrieller

zur Rückäußerung

vorgelegt werden mußte. Dieser handelte durchaus im Interesse der Sache, indem er zunächst seine Gruppen zur Begutachtung heranzog,

da in diesen die maßgebenden Verhältnisse für die verschiedensten Beziehungen der Eisen und Stahl erzeugenden und verarbeitenden Gewerbe vorhanden sind. Durch die Befragung dieser verschiedenen Organe entstanden Verzögerungen, die es dem Vorstande des Vereins

126 Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller ermöglichten, erst in der ersten Hälfte des Oktober auf Grmid der eingegangenen Gutachten seinen Bericht und seine Entschließung an uns abzugeben.

Wir hoffen im Sinne Euer Exzellenz zu handeln, wenn wir außer den in den hohen Verfügungen vom 24. April und 5. Juni erwähnten Schriftstücken auch die von den reinen Walzwerken und

ihren Genossen unter dem 5. Juni d. I. an seine Exzellenz den Herrn Staatssekretär des Innern gerichtete Eingabe, in der die vor­ läufige Sistierung und spätere Aufhebung der Zölle auf Roheisen, Schrott und Halbzeug verlangt wird, sowie einige weitere in dieser Sache erschienenen Schriftstücke in den Kreis unserer Betrachtungen einbezogen haben. Die von der Christinenhütte bei Meggen verschickte Denkschrift, deren Verfasser nicht genannt ist, beschäftigt sich in den ersten vier

Abschnitten mit den Aufgaben und den Wirkungen der Schutzzoll­ gesetzgebung und mit der Preisbildung. Dabei geht die Denkschrift zunächst von der Annahme aus, daß die Schutzzollgesetzgebung des Jahres 1879 den Zweck gehabt habe, die Gewerbetreibenden durch Herbeiführung höherer Verkaufspreise für ihre Erzeugnisse, als sie unter dem Freihandel erzielt worden waren, besser zu stellen. Sie knüpft hieran die Behauptung, daß der Schutzzoll diesen Zweck nicht erfüllt habe, da er nicht allen Gewerbetreibenden die beabsichtigte

Preisaufbesserung bringen konnte, daß es demnach die Pflicht der Gesetzgebung sei, „durch Ergänzung der bestehenden Schutzzollgesetz­ gebung dafür zu sorgen, daß der Zweck derselben bei allen Gewerben tatsächlich erreicht werde".

Die in der Denkschrift vertretene Annahme bezüglich des Zweckes der Schutzzollgesetzgebung weisen wir als unzutreffend zurück. Es kann nicht der Zweck der Schutzzölle gewesen sein, bedingungs- und ausnahmslos alle Gewerbetreibenden besser zu stellen, weil dieses Ziel durchaus unerreichbar ist. Es hat immer Gewerbe gegeben, die ihre Interessen unter einer freihändlerischen Handels- und Wirtschaftspolitik für besser aufgehoben erachteten, und solche Gewerbe gibt es auch noch.

Die für die Ansicht der Denkschrift angeführten Gründe vermögen wir nicht als stichhaltig zu erachten. So wird beispielsweise auf die Notwendigkeit des Bezugs von Halbfabrikaten aus dem Auslande

hingewiesen, das durch den Zoll eine Verteuerung erleide. Dabei wird gewöhnlich übersehen, daß bei völliger Zollfreiheit die im Jnlande bestehende Herstellung der betreffenden Halbfabrikate durch den aus­ ländischen Wettbewerb in ihrer Fortentwickelung behindert, oder daß sie gänzlich unterdrückt werden könnte, so daß die betreffenden Ver-

127

brauch er dann vollkommen abhängig von den ausländischen Herstellern und deren Preisstellung werden würden. Ein weiteres Beispiel liefert eine Anzahl kleinerer und mittlerer Industrien in Süddeutschland, besonders in Württemberg, die höchst leistungsfähig sind und im Verhältnis zu ihrer Produktion stark ex­ portieren. Sie sind von dem Glauben besangen, daß, wenn Deutsch­

land seine Schutzzölle aufheben würde, alle anderen Staaten diesem Beispiel unbedingt folgen würden, und daß der Export sich dann für sie leichter und gewinnbringender vollziehen könnte. Die sowohl bei der Rückkehr zu einer maßvollen Schutzzollpolitik im Jahre 1879, wie bei der Ausstellung des neuen Zolltarifs um die Wende des Jahrhunderts geführten Kämpfe in gleichartigen Industrien, wie beispielsweise in der Textilindustrie und in der chemischen Industrie, beweisen, daß von einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gewerbe­ treibenden durch die Schutzzollgesetzgebung nicht hat die Rede sein können und auch jetzt nicht die Rede sein kann. Die Schutzzollgesetzgebung hat den Zweck gehabt, der durch den Sieg des Freihandels in größte Not geratenen nationalen Arbeit in ihrer Gesamtheit Hilfe zu leisten, vornehmlich dadurch, daß ein Ausgleich geschaffen werden sollte hinsichtlich der Verschiedenheit der Herstellungskosten in unserem Vaterlande und im wettbewerbenden Auslande. Hierbei war entscheidend das Gcsamtinteresse der Nation, hinter dem die Sonderinteressen einzelner Gewerbetreibender bzw. einzelner Gruppen solcher zurückstehen mußten. Die großartige Ent­ wickelung unserer Industrie auf der Grundlage der schutzzöllnerischen Wirtschaftspolitik und der wesentlich auf der industriellen Entwickelung

fußende gewaltige, die Welt mit Staunen und Bewunderung erfüllende Aufschwung unserer Nation in allen ihren Beziehungen liefern wohl den unumstößlichen Beweis, daß der Zweck der Schutzzollgesetzgebung, wie er nach erfüllt ist.

den

unserer Ansicht

aufgefaßt

werden muß,

vollkommen

Demgemäß vermögen wir der Denkschrift nicht zu folgen, die Versuch macht nachzuweisen, daß die Schutzzölle nicht allen

Gewerben die beabsichtigte Preisaufbesserung gebracht haben. Dies um so weniger, da die Ausführungen über die Preisbildung, die sie

zur Stütze ihres Nachweises für notwendig erachtet, durchaus un­ zutreffend sind, und doch in ihrem Endergebnis auf den natürlichen Verlauf der Dinge hinauskommen.

Die Denkschrift teilt die Industrien in zwei Gruppen: die reinen Jnlandsindustrien und die Exportindustrien. Schon diese Gegen­ überstellung ist durchaus willkürlich und unhaltbar,' denn es gibt —

128 abgesehen vielleicht von ganz vereinzelten Ausnahmen, die hier nicht

in Betracht kommen können — keine „Industrien", die nur für den inländischen Markt arbeiten, und keine Industrien, die nur exportieren.

Es gibt vielinehr in allen Industrien einzelne Industrielle bzw. Gewerbetreibende, die nur für den inländischen Markt arbeiten und solche, die einen größeren oder geringeren Teil ihrer Erzeugnisse ex­

portieren. Mit Bezug auf diese willkürliche Gruppierung behauptet die Denkschrift, daß für die reinen Jnlandsindustricn der Schutzzoll

immer voll zur Geltung gelange; bei den Exportindustrien lägen die Verhältnisse jedoch durchans anders. In dieser Beziehung führt die Denkschrift weiter aus, daß die Exportindnstrien, solange der Inlands­ preis höher als der Weltmarktpreis sei, danach streben werden, ihre

Erzeugnisse im Jnlynde abzusetzcn. Durch das hierbei entstehende Ueberangebot werde der Inlandspreis auf das Niveau des Welt­ marktpreises herabgedrückt und damit gehe die Wirkung des Schutz­ zolles für die Exportindustrien gänzlich verloren. Diesen Zustand bezeichnet die Denkschrift als den „normalen", als ein wirtschaft­ liches „Gesetz", dessen Gültigkeit auch nicht durch Zeiten der Hoch­

also einer starken Nachfrage auch auf dem Weltmarkt, während welcher der Schutzzoll mehr oder weniger zur Geltung komme, aufgehoben werde, da solche Hochkonjunkturen nur als Aus­ nahmezustände anzusehen seien. Dies ist zusammengefaßt der Sinn der langausgedehnten Dar­ legungen in dem II., III. und IV. Abschnitt der Denkschrift, durch die festgestellt werden soll, „daß exportierende Gewerbe unter normalen Verhältnissen vom Schutzzoll für den Verkauf ihrer Erzeugnisse keinen konjunktur,

Vorteil haben". Auch diese Darstellung niüssen wir als verfehlt bezeichnen,' denn es ist keineswegs ausgeschlossen, daß auch die reinen Jnlandsindustrien, ebensogut wie die exportierenden Industrien, durch Ueberangebot auf

dem Jnlandsmarkte die Preise bis auf einen, die Wirkung der betreffenden Schutzzölle aufhebenden Tiefstand herabdrücken können. Mit ihren Ausführungen stellt die Denkschrift nur die längst erkannte und anerkannte Tatsache fest, daß ein Ueberangebot auf dem Jnlandsmarkte die Preise bis zur Beseitigung der Wirkung des Schutzzolles und auch noch weiter, unter dem Weltmarktpreise herabdrücken kann. Als Bei­ spiel möchten wir auf die gröberen Sorten deutscher Baumwollgarne Hinweisen, die gegenwärtig auf dem Jnlandsmarkte billiger sind, als sie

von England angeboten werden. In dem IV. Abschnitt will die Denkschrift beweisen, daß zur Nutzbarmachung des Schutzzolles die Verbände notwendig sind. Der

129

erste Absatz dieses Abschnittes enthält eine Wiederholung der Behaup­ tungen, die wir vorstehend schon als haltlos dargestellt haben. Die eigentümliche Auffassung, die sich in der Denkschrift Geltung zu verschaffen sucht, tritt hierbei wieder in der Behauptung hervor, der Mißerfolg der Schutzzölle für die exportierenden Gewerbe werde dadurch erklärt, daß sie, eben weil sie exportieren müssen, mit den ausländischen Gewerben auf dem Weltmarkt uud natürlich auch zu Weltmarktpreisen den Wettbewerb aufzunehmen haben. Wer für seine Erzeugnisse Absatz auf dem Weltmarkt sucht, der muß sich selbstverständlich den Bedingungen und somit auch den Preisen

des Weltmarktes unterwerfen. Daß dies auf die zum Schutze der heimischen Arbeit erlassene Gesetzgebung keinen Einfluß ausüben kann, ist selbstverständlich, und daß dieser Umstand als der Beweis des gänzlichen Mißerfolges der Schutzzollgesetzgebung bei den exportierenden Gewerben dargestcllt wird, offenbart unverkennbar ein weitgehendes Unvermögen, selbst einfache, klarliegende Vorgänge zutreffend zu beurteilen, ein Unvermögen, das bei den weiteren Behauptungen und Urteilen der Denkschrift nicht unberücksichtigt bleiben darf. Im übrigen möchten wir hier gleichzeitig hervorheben, daß der Schutzzoll doch wohl auch den exportierenden Gewerben Nutzen bringt. Gewerbe, die ausschließlich für die Ausfuhr arbeiten, gibt es nicht. Alle exportierenden Industrien setzen einen Teil, gewöhnlich den größeren Teil ihrer Erzeugnisse im Jnlande ab. Die Stärkung, die ihnen für diesen Teil ihrer Erzeugung durch den Schutzzoll gewährt wird, setzt sie in den meisten Fällen in den Stand, den Kampf auf

dem Weltmarkt kraftvoller und erfolgreicher zu führen. Die Denkschrift schränkt ihre als wirtschaftliches „Gesetz" dar­ gestellte Behauptung, daß der Schutzzoll für die Exportindustrien nutz­ los sei, aber auch selbst ein; denn sie gibt zu, daß der Schutzzoll den Gewerbetreibenden den Weg zur Selbsthilfe, d. h. zur Bildung von Verbänden, freimache.

Die Denkschrift bezeichnet die Verbände als das einzige Wittel, um bei dem heutigen Stande unserer Gesetzgebung den Schutzzoll für die exportierenden Gewerbe nutzbar zu machen; sie hätte hinzufügen müssen: „wenn das Angebot dieser Gewerbe auf dem Jnlandsmarkt dessen Bedarf übersteigt". Sie weist den Verbänden die Aufgabe zu, den Inlandspreis über den Weltmarktpreis zu halten, dadurch den Verbandsgenossen ein

auskömmliches Dasein und den Arbeitern an­

gemessene Löhne zu sichern. Sie schließt diesen Abschnitt mit einem Rückblick auf die Entwickelung der deutschen Eisen- und Stahlindustrie vom Erlaß Heft m.

der deutschen Schutzzollgesetzgebung bis zum Jahre 1895.

130 Sie verweist

auf

die nach

Einführung

bet

Schutzzölle

einsetzende

kräftige Aufivärtsbewegung, der im Jahre 1882 eine überaus un­ günstige Konjunktur folgte mit sehr niedrigen- deit Weltmarktpreis zuweilen nicht erreichenden Preisen für die gröberen Erzeugniffe der Eisenindustrie auf dem Jnlündsmarkte. Diese höchst ungünstige Ge­

schäftslage führt die Denkschrift auf den Umstand zurück, daß damals

keine wirkungsvollen Verbände bestanden hätten,' denn die expor­ tierenden Gewerbe seien „bei Natürlichem Verlauf der Dinge ver­ urteilt, sich selbst durch gegenseitigen Wettbewerb uiit die Früchte der Schutzzollgesetzgebnng zu bringen". Das Rettungsmittel seien ledig­ lich Verbände, von diesem sei aber dmnals kein Gebrauch gemacht worden. Deswegen hätte sich die Lage der Eisenindustrie in der Periode von 1879 bis 1895 gänzlich wie unter bett Verhältnissen des Freihandels gestaltet; mit änderen Worten, der Schutzzoll sei in dieser Zeit vollkonnnen wirkungslos für die Eisen- itttb Stahlindustrie ge­ wesen. Dieses Urteil muß alle diejenigen ungemein befremden, von denen die Entwickelung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse in jener

Zeit mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt worden ist. Zunächst ist batauf aufmerksam zu machen, daß die Denkschrift

äUch hier wieder geflissentlich nur die exportierenden Gewerbe als Unter den von ihr dargestellten Verhältnissen leidettd bezeichnet;

während diese Verhältnisse doch in ganz gleicher Weise auch auf den Äbsatz im Jnlande einwirken. Diese unhaltbare Unterscheidung der

exportierenden von den Jnlandsgewerben wird von der Denkschrift augenscheinlich festgehalten, um als Argunient bei ihrer weiteren Be­ weisführung zu dienen. Ganz hinfällig ist die Behauptung, daß der Schutzzoll für die Eisen- und Stahlindustrie erst wirksam geworden sei mit der im Jahre 1895 einsetzeNdeN Bildung leistungsfähiger Verbände. Die Denkschrift hätte ihren Rückblick auf die Entwickelung der Eisenindustrie

ausdehnen sollen auf den Zeitraum von der Aufhebung des Roheisen­ zolles und der Ermäßigung anderer Eisenzölle am 1. Oktober 1873, der die Aufhebung aller Eisenzölle am 1. Januar 1877 folgte, bis zum Erlaß des Neuen schutzzöllnerischen Tarifgcsetzes vöm 15. Juli 1879. Hätte sie das getan, so hätte sie freilich feststellen müssen, daß während

der Zeit des tiefsten Niederganges und der schwersten Krisis auslän­ disches, belgisches und ganz besonders englisches Eisen den deutschen Markt derart.überschweMmte, daß ein Hüttenwerk nach dem anderen zum Erliegen kam, ein Fabrikschornstein nach dem änderen zu rauchen aufhörte.

Die Denkschrift hätte nicht übersehen sollen, daß dieser jammer­ volle Zustand, der den Anfang des Unterganges der deutschen Eiseti-

131 Industrie einzuleiten schien, selbst die Aufmerksamkeit des großen Kaisers ertegt und ihn bewogen hatte, den denkwürdigen Brief vom 22. Juli

1876 aüs Gastein an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck zu richten. Wir gestatten uns, diesen Brief des Kaiser Wilhelm, der Lei den Betrachtungen der damaligen wirtschaftlichen und handels­

politischen Verhältnisse vielfach gar nicht erwähnt und beachtet worden

ist/hier im Wüttlmit einzufügen*). Er lautet: Gastein, den 22. Juli 1876.

An den Reichskanzler Fürsten von Bismarck. .

„Bei der Kürze der Zeit in Würzburg konnte ich eilten Gegen­ stand unserer inneren Verhältnisse nicht nochmals zur Sprache bringen, der mich trotz der Vorträge von p. Delbrück und Cäntpi) stufen, Noch ehe Sie im Herbste nach Berlin kamen, fortwährend

beschäftigt und namentlich nach neueren Mitteilungen während

meiner Anwesenheit am Rhein. Es ist dies das Darniederliegen unserer Eisenindustrie. In jenen Vorträgen wurde nur nächgeivieseü, daß unser Eisenexport noch immer den Import übersteigt. Ich erwiderte, woher es denn aber komme, daß ein Eisenfabrikations-

unternehmen nach dem anderen seine Des en ausblase, seine Arbeiter entlasse, die herumlungerten, und daß dtejeuigcn, welche noch fort»

arbeiteten, dies nur mit Schaden täten, also nichts verdienten, bis auch sie die Arbeit würden cinstellen müssen. Geantwortet würde .

mir: Ja, das sei begründet, indessen bei solchen allgemeinen Kalainitäten müßten einzelne zugrunde "gehen, das sei nicht zu ändern, und wir ständen darin immer noch besser als andere Länder (Belgien). Ist das eine staatsweise Auffassung? So steht leider diese An­

gelegenheit schon seit den letzten Jahren. 9lun soll aber vom l. Januar 1877 an der Eisenimport nach Deutschland ganz zollfrei stattfinden, während Frankreich eine Prämie stuf seine Eisenausfuhr nach Deutschland einsührt! Das sinh doch so schlagende Sätze,

die nur die Folge haben können, daß unsere Eisenindustrie auch in ihren letzten Resten ruiniert werden muß! Ich verlaüge keines­ wegs ein Aufgeben des gepriesenen Freihandelssystems, aber vor Züsammentritt des Reichstages muß ich verlangen, die Früge noch-

nials zu ventilieren, „ob das Gesetz wegen der zollfreien Einfuhr des Eisens vöm Auslande nach Deutschland nicht vorläufig auf *) Abgedruckt in: „Der Centraloerband Deutscher Industrieller und seine dreißigjährige Arbeit von 1876 bis 1966", Seite 20/21.

132 ein Jahr verschoben werden muß?" Wenn Sie mit mir übereinstimmen, sehe ich Ihrem Bericht entgegen, was Sie anordnen werden. Ihr Wilhelm. Wie geht es Ihnen seit Würzburg?" Die Betrachtung der Lage der deutschen Eisenindustrie in Periode, auf die sich dieses kaiserliche Schreiben bezog, hätte Verfasser der Denkschrift und dessen Hintermänner wohl zu

-

der den der

Erkenntnis führen müssen, daß die im Jahre 1879 vollzogene Wendung unserer Wirtschaftspolitik voni Freihandel zu einem System maßvoller Schutzzölle für die deutsche Industrie, und ganz besonders für die deutsche Eisenindustrie, eine rettende Tat war. Denn es war ein Ausgleich geschaffen worden gegenüber den wesentlich niedrigen Produktionskosten der Länder, die den deutschen Markt bis dahin ungehindert als die Ablagerungsstätte ihrer Ueberproduktion benutzt hatten. Diesem unsere Industrie vernichtenden Zustand war durch die Schutzzölle ein Ziel gesteckt worden. Trotz der überaus un­ günstigen Geschäftslage in den 80 er Jahren konnte unsere Eisen­ industrie sich nicht nur halten, ihre Anlagen zeitgemäß ausgestalten und verbessern, sondern auch Fortschritte in der Eisenerzeugung mekchen. Die Denkschrift selbst stellt — Seite 14 — fest, daß die Roheisen­ erzeugung im deutschen Wirtschaftsgebiet in den Jahren 1880—1895 durchschnittlich in jedem Jahre 182 000 t zugenommen habe.

Die Behauptung der Denkschrift, daß die Verhältnisse in der Zeit von 1879—1895 denen unter der Herrschaft des Freihandels ganz gleiche gewesen seien, und daß erst mit der Bildung leistungs­ fähiger Verbände die Wirkung des Schutzzolles eingetreten sei, ist nach den vorstehenden Ausführungen durchaus hinfällig' sie ist wohl

nur aufgestellt worden, um der folgenden Beweisführung

als Stütze

zu dienen. Im Schlußabsatz des IV. Abschnittes wiederholt die Denkschrift

ihre Behauptung, daß die Nutzbarmachung des Schutzzolles durch die industriellen Verbände erst vom Jahre 1895 ab herbeigeführt worden sei. Lediglich auf diesen Umstand führt die Denkschrift den wirtschaft­ lichen Aufschwung in Deutschland zurück, von dem sie dann in der

Tat ein glänzendes Bild entwirft. Diesen Argumenten gegenüber anerkennt die Denkschrift selbst die Schwierigkeit der Aufgabe, die industriellen Verbände, als deren Folge sie den gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufschwung mit beredten Worten geschildert hat, als schädlich für die weiterverarbeitenden Gewerbe nachzuweifen. Diesen Nachweis versucht die Denkschrift im V. Abschnitt zu erbringen.

Die willkürliche Scheidung der Industrien

183 in die bereits bekannten zwei Gruppen muß diesem Zwecke dienen.

Die Denkschrift behauptet, daß der Schutzzoll die inländischen Ver­ braucher zugunsten der „reinen Jnlandsgewerbe" mit einer nicht Unbeträchtlichen Abgabe belaste. Solche Unterstützung wurde den „exportierenden Geiverben" durch den Schutzzoll nicht direkt zugewendet. Diesen Gewerben sei der Schutzzoll nur die Vor­ bedingung für die Nutzbarmachung jener Unterstützung durch die

Verbandsbildnng. In diesem künstlich konstruierten Unterschiede der Verhältnisse erblickt die Denkschrift eine ungerechte, ungleichmäßige fahrlässige Behandlung der Gewerbe durch das Gesetz. Die Verpflichtung der gesetzgebenden Faktoren zur Aenderung der jetzigen Schutzzollgesetzgebung soll hergeleitet werden arrs dein Nachweis, daß drrrch die bestehende Schutzzollgesetzgebung „die Verhältnisse großer Gruppen von Geiverbetreibenden schlechter geworden sind, als sie und

unter dem Freihandel sein würden, und zwar insoweit schlechter, daß für viele Gerverbetreibcnde der sichere Ruin in Aussicht steht".

. Unter Hinweis auf den Umstand, daß in der Regel das Er­ zeugnis irgend eines Gewerbes den Rohstoff — wohl richtiger gesagt das Material — für ein anderes »veitervcrarbeitendes Gewerbe liefert, erkennt die Denkschrift die Fürsorge der weiterverarbeiteten Erzeugnis stets einen habe. Diese Abstufung erleichtere es den Schutzzoll verteuertes Rohmaterial

Gesetzgebimg an, die dem höheren Zollschutz gewährt jedem Gewerbe, ein um zu verarbeiten, sofern es nur selbst sein Erzeugnis um den Schutzzoll teurer verkaufen kann, als der Weltmarktpreis für das betreffende Erzeugnis beträgt. 9hm aber seien fast sämtliche Gewerbe der Eisenindustrie in hervorragendem Maße exportierende Gewerbe. Eine Erhöhung der inländischen

Marktpreise ihrer Erzeugnisse sei somit durch den Schutzzoll nicht von selbst eingetreten, sondern habe nur durch die Verbandsbildung erreicht werden können. Wenn die Verbandsbildung in keinem einzigen

Gewerbe glückte, dann sei cs im wesentlichen bei den Verhältnissen des Freihandels geblieben. Dies sei die Lage in den Jahren 1879—1895 gewesen.

Die Denkschrift führt weiter aus, daß die Verbandsbildung in einem Gewerbe, von dem das Material für die Weiterverarbeitung in: einem anderen Gewerbe hergestellt wird, dieses, wenn es nicht auch einen Verband bilden könne, in eine gefährliche Lage versetze-

denn ohne einen Verband sei es genötigt,

einen um den Schutzzoll

verteuerten Rohstoff zu verarbeiten, also ein Material, das ihm teurer zu stehen komme als unter dem Freihandel, ohne für das eigene Erzeugnis mehr als den Weltmarktpreis erhalten zu können.

134 Wir müssen hier vor allein Einspruch erheben gegen die Be­ hauptung, daß cs im wesentlichen bei den Verhältnissen des Frei­

handels geblieben sein würde, wenn die Vereinsbildung in keinem einzigen Gewerbe geglückt wäre. Wir haben die Unhaltbarkeit dieser Behauptung bereits nachgewiesen bei Besprechung der schweren Krisis in den 70 er Jahren. Gegen diese Behauptung sprechen aber auch die Verhältnisse in anderen großen Industrien, wie beispielsweise der Textilindustrie. Gerade die bedeutendsten Zweige dieser Industrie haben es zu einer Verbandsbildung noch nicht bringen können,' wir haben auch bereits darauf hingewiesen, daß für gröbere Baumwoll­ garne, das Erzeugnis eines Jnlandsgewcrbes im Sinne der Denk­ schrift, gegenwärtig die Wirkung des Schutzzolles ganz aufgehoben ist,

da der Inlandspreis unter dem Weltmarktpreise steht,' dennoch würde die gesamte Textilindustrie gegen die Aufhebung der Schutzzölle,und gegen die Wiederherstellung des Freihandelszustandcs den entschie­ densten Widerspruch erheben. Die bisherigen, von uns besonders in den grundlegenden Argu­ menten als unhaltbar bezeichneten und erwiesenen Darlegungen der Denkschrift verfolgen den Zweck, gewisse weiterverarbeitende Zweige der Eisen- und Stahlindustrie deswegen als notleidend und dem Ruin verfallen darzustellen, weil sie ein durch die Verbände der erzeugenden Werke um den vollen Betrag des Schutzzolles verteuertes „Einsatz­ material" zu verarbeiten gezwungen sind. Diese Zweige der Eisenund Stahlindustrie bezeichnet die Denkschrift in ihrem VI. Abschnitt als „abhängige Gewerbe". Sic werden von ihr in zwei Gruppen geteilt' zu der ersten zählt sie die Eisen- und Stahlgießereien, die

Siemens-Martinwerke und Puddelwerke, zu der zweiten die sogenannten „reinen" Walzwerke. Die Werke der ersten Gruppe hängen nach den Ausführungen der Denkschrift von dem Roheisen und daher vop beut betreffenden Roheisensyndikat ab, dieses setzt den Preis um den vollen

Betrag des Zolles (10 M.) zuzüglich der Fracht höher an, als der Preis des englischen Roheisens von ungefähr derselben Beschaffenheit beträgt. Die hierdurch herbeigeführte Verteuerung veranschlagt die Denkschrift auf 15 bis 20 M. Zum Beweise dessen bringt sie eine von Dr. Morgenroth ausgestellte vergleichende Tabelle der Jahres­ durchschnittspreise für deutsches Gießereiroheisen Nr. 3 loko Werk

mit den Preisen des annähernd gleichwertigen Clevelandeiscns 9ty. 3 franko Middlesbrough.

Der Stahlwerksverband bestreitet in seiner Denkschrift: .„Der Antrag der reinen Werke auf Attfhebung des Schutzzolles für Roheisen und Halbzeug" die Richtigkeit dieser tabellarischen Nachweisung. Er

135

bemerkt,

daß an den angegebenen Jahresdurchschnittspreisen zunächst

auszusetzen sei, daß die englische Währung im Vergleich mit der deutschen nicht in diese umgerechnet sei. Ferner hätte berücksichtigt werden Müssen, daß die englische gross ton 1016 kg zählt. Vor allem hätte, wie der Stahlwerksverband behauptet, der Verfasser dieser Denkschrift als Fachmann aber wissen müssen, daß man nicht deutsches Gießereiroh­ eisen Nr. 3 dem englischen Cleveland-Roheisen gegenübcrstellen darf-

denn deutsches Gießereiroheisen Nr. 3 sei von bessererer Qualität als das englische Cleoeland-Roheisen Nr. 3 und stehe deshalb auch ent­ sprechend höher im Preise. Diese Tatsache wird uns von anderen

zuständigen Stellen bestätigt. Ein Vergleich zwischen den deutschen Preisen, die ab Werk gelten, und mithin noch einen Frachtzuschlag von 6—7 M. zu tragen haben würden, ustd den englischen Preisen franko Middlesbrough zeigt in

fernen Schwankungen keineswegs die Macht des Roheisensyndikats, den Inlandspreis gewöhnlich um Fracht und Zoll höher zu halten, vielmehr das Walten von Angebot und Nachfrage. Wäre Deutschland ein Land, das ein Roheisen wie z. B. Getreide

in der Hauptsache nur importiert, dann würde der Zoll im Inlands­ preis voll zum Ausdruck kommen, wobei aber die Frage offen zu lassen sei, ob auch unter diesen Umständen der inländische Verbraucher allein den Zoll zu tragen hahe, und ob der englische Exporteur bzw. Produzent nicht auch bald mehr, bald weniger daran sich Beteiligen müsse. aber stehe einer Roheiseneinfuhr

1905

von 158 700



eine Ausfuhr gegenüber.

380 824

1906

1907

408 993

443 624 t

480 575

275 170 t

So

;

Es ist uns bekamst, daß, abgesehen von der hier in Rede stehenden,- unseres Erachtens vollkommen legitimen Wirksamkest des Roheisensyndikats vielfach Klagen über dasselbe geführt mordest sind, deren Berechtigung wir hier nicht prüfen und feststellen können.

Wir möchten aber doch hervorheben, daß das Syndikat den Roheisen ver­ arbeitenden Industrien auch wesentliche Vorteile, besonders durch die Erhaltung einer gewissen Gleichmäßigkeit der Preise gebracht hat. Wir gestatten uns, drei Tabellen beizulegen:

Tabelle A.

Preise für bestes Gießerei-Moheisen, Düsseldorf, ab Werk (Start pro Tonne) in den Jahren (entnommen der amtlichen Statistik): .

■Ä

Januar .... Februar. . . . März............. April ..... Mai................ Juni............. Juli................ August .... September . . Oktober.... November. . . Dezember. . .

1895

1896

1897

1898

1899

__

65.— 65.— 65.— 65.— 65.— 65.— 65.— 65.— 65.— 65.50 66.50 67.—

67.— 67.— 67.— 67.— 67.— 67 — 67 — 67.— 67.— 67.— 67.— 67.—

67.— 67.— 67.— 67.— 67.— 67.— 67.— 67.— 67.50 68.— 68.— 68.—

68.50 69.— 69.— 74.— 77 — 77.— »)

— — __

63.— 63.— 65.— 65.— 65.— 63.67

88.— 90.— 93.50 95.— 96.—

1900

1901

1902

1903

1904

1905

1906

1907

97.— 102.— 64.50 65.25 67.50 67.50 78.— 81 — 100.— 102.— 64.50 65.50 67.50 67.50 78.— 81.— i) 102.— 66.25 66 — 67.50 67J5O 78.— 85 — 102.— 66.50 66.50 67.50 67.50 78.— 85.— *) 1) 102.— 65.75 66.50 67.50 67.50 78.— 85 — 1)1 102 — 65.— 66.50 67.50 67.50 78.— 85.— 1) 102.— 65.— 66.50 67.50 67.50 78 — 85 — 102.— 70.— 65.— 67.25 67.50 67.50 78.— 85.— 102.— 70.— 65.— 67.50 67.50 67.50 79.50 85.— 102.— 65.— 65.— 67.50 67.50 69.25 81.— 85.— 102.— 65.— 65.— 67.50 67.50 71.— 81.— 85.— 102.— 64.50 65.— 67.50 67.50 71.50 81.— 85.—

1908

79.— 79.— 76 — 76.— 76.— 76.— 72.—

— — — —

*) Für diese Monate des großen Preissturzes liegen amtliche Ziffern, da an der Börse in Düsseldorf nur nominelle Preise verzeichnet wurden, nicht vor.

2) Für diesen Monat ist ein amtlicher Preis nicht angegeben.

137

Die Tabelle A gibt die Preise für bestes Gießereiroheisen Düssel­ dorf ab Werk, Mark pro Tonne, in den Jahren 1895—1908 pro Pkvnat an. Die Zahlen sind der amtlichen Statistik entnommen. Die Tabelle B gibt die Preisbewegung in England für Cleveland­ eisen Nr. 4 Foundry (f. o. b.) in Schilling für die Jahre 1904 bis 1908 in sehr ausführlicher Darstellung an.

Die Tabelle C enthält die Preisangaben von amerikanischem Gießereiroheisen Standard loko Philadelphia iit Dollar bzw. Mark für die Tonne zu 1016 kg für die einzelnen Monate der Jahre 1904

bis 1908. Aus den Tabellen B und C ist zu ersehen, daß in England und in den Vereinigten Staaten von Anierika', in welchen Ländern der Verkauf des Roheisens vollkommen frei und unbeschränkt in den Händen der Produzenten gelegen hat, die Preise in verhältnismäßig

kurzen Fristen teilweise sehr erheblichen, fast sprunghaften Schwankungen ausgesetzt gewesen sind. Die Tabelle A zeigt, daß in Deutschland unter der Herrschaft des Syndikats eine weit größere Gleichmäßigkeit der Preise obgewaltet hat. Selbstverständlich hat auch das Syndikat den starken Schwankungen der Konjunktur folgen müssen, sowohl nach Hirten wie nach oben. Es ist aber zn ersehen, daß beispielsweise von September 1903 während des Verlaufs zweier Jahre bis zum Sep­ tember 1905, und dann nach dem sehr allmählichen konjunkturgemäßen Aufstieg von September 1907 eine Aenderung des Preises nicht statt­ gesunden hat. Es liegt auf der Hand, daß bei dem unzweifelhaft durch das Verfahren des Syndikats hervorgerufenen Vertrauen auf eine gewisse Stabilität der Preise die Produzenten bzw. die Händler bei Verkäufen auf Zeit sich mit einer geringeren Risikoprämie haben begnügen können, die den verarbeitenden Gewerben zugute kam. im

■ Es ist jedoch nicht erforderlich, hier weiter auf die Verhältnisse Roheifensyndikat einzugehen, da seine Wirksamkeit mit dem

31. Dezember 1908 aufhört. Es wird im hohen Maße interessant und lehrreich fein, zu beobachten, ob sich die Lage der Verbraucher ohne den

Einfluß des Syndikats besser oder ungünstiger gestalten wird.

;'V Auf die besonderen Verhältnisse der von der Denkschrift als erste Gruppe der von ihr sogenannten „abhängigen Gewerbe" bezeichneten Gießereien und Martinwerke behalten wir uns vor, noch zurück­

zukommen. Die zweite noch ungünstiger gelegene Gruppe wird nach der Denk­ schrift von den „reinen" Walzwerken gebildet, die sich nur mit der Aus­ walzung gekauften Halbzeugs befassen. Halbzeug hat, wie die Denk­ schrift anssührt, einen Zollschutz von 15 M., und bei Berücksichtigung

M Tabelle B. Preise für Clevelau- Nr. 4

1904. 1. 7. 21. 4. 11. 18. 25 17. 24. 31. 7. 14. 21. S.

12. 19. 2. 9. 16. 30. 14.

21. 28.

li. 18. 25. fi. 13. 20. 3. 10. 24. 1. 8.

16. 29.

Januar . . . „ . . . . Februar . . . . . März. . . . „ ... . „ ... . April. . . . „ . . . . „ ... . Mar ... . „ ... . „ ... . Juni . . . n • • • . „ ... . » . . . . Juli . . . . „ ... . „ ... . August . . . . „ . . . Oktober. . . „ . . . „ . . . November . . . Dezember . . . .

1905. 42.9 42.6 42.3 42.7% 42.6 42.9 42.6 42.9 43.6 43.9 44.— 44.6 44.3 44.6 44.3 43.9 43.3 4342.9 42.6 42.7% 42.6 42.7% 43.6 43 42.9 4343.1V, 4343.6 4445.— 46.45.9 46.— 46.6

5. 12. 19. 26. 2. 9. 16. 23. 2. 9. 16. 23. 20. 27. 5. 12. 19. 26. 1. 8. 22. 13. 27. 3. 17. 31. 14. 28, 5. 12. 19. 26. 29. 16. 23. 30. 14. 21. 28.

Januar i . . „ . . . „ . . . . Februar . . . „ . . . . . März. . . . . „ .... . „ .... . . April. . . . . . Mai .... . „ .... . „ .... . . Juni .... . „ .... . „ .... . Juli .... . „ .... . August. . . . „ ... . „ ... . September . . Oktober . . . „ . . . . „ . . . November . . . . . . Dezember . . . .

1906. 476 48.6 47 6 47.46-— 46.3 46.— 46 3 48.— 48.3 47.9 47.6 47.— 47.6 47.3 47.— 456 45 44 — 43.6 43.3 43.— 43.6 44.44.6 46.— 46.6 48.6 50.3 50.6 52.6 52.51.50.6 52.51.9 51.6 51.9 51.3 52—

4. 11. 18. 8. 15. 221. 8. 29. 5. 12. 19. 26. 3. 10. 17. 317. 14. 21. 19. 26. 2. 9. 16. 28. 30. 6. 13411. 18. 8. 15. 22. 29. 6.

1320.

Januar . - 52.9 „ . . . 53.6 . . 5L6 Februar . . 51P . 49.6 „ . 49 — März.... . 48.9 „ . . . . . 48.6 „ ......... . 48.3 April ... . 486 „ ... . 48L „ . . 48.6 „ . . . . . 49.9 Mai ... . 49 — „ .......... . 50.— , .... . 50.6 „ .... . 49.3 Juni.... . §o_ .... 503 „ .... . 499 Juli .... . 49l6 „ .... . 50.August. . . . 50.6 „ ... . 51.3 „ ... . 52.6 „ ... . 53.„ ... . 53.3 September . 53.9 . 54Oktober . . . 54.3 . 55.3 „ „ . 57.November . . 56.6 . 56L „ . 58.6 . 60.Dezember ■ . 62-

„ •

.m

. 6L-

139

Fonndry in sh. (f.o.b.) 1907.

1908.

3. Januar............. 60.9 17. „ ............ 6024. „ ................. 586 31. „ 56.9 14. Februar.............. 56.8 21. h ....................55.6 28. „ .54.6 7. März.................... 55.— 14.................................. 53.6 21. „ .................. 54.3 28................................ 53.— 11. April. . . . . . . 55.18....................... . . . 55.6 25. „ • • . .. . . . 5-7.6 jt Mai . . - . . . . 59.3 9....................... . . . . 61.16. ................. . . . 61.6 23....................... ... 60 6 30. „ ....... 61.6- Juni ...... 60.— 13. ..................... . . 57.3 . . 56.9 20. . . 57 3 27. 4. Juli............ . . 57.. . 56.3 11. . . 56.6 18. . . 57.6 25. 1. August.... . . 57 — „ . . . . . . 57.6 8„ .... . . 56.3 IS. „ .... .•. 57.22. „ .... . . 56.9 29. 5. September . . . 54.9 . . 55.— 12. . . 55.9 26. 3. Oktober . . . . . 55.6 10. . . 54.6 . . 54.3 17. . . 54 — 24. . . 52.31. 7. November. . . . 49.9 . . 51.3 14. „ . . . . 50.6 21. „ . . . . 50.28. 5. Dezember . . . . 49.6 „ . . . . 49.3 12. . . 49.9 26.

2. Januar............ 48.3 16. „ 48.23. „ ............ 47.6 6. Februar............ 48.6 20. ............ 49.— 27. , 50.12. März.................. 50.6 19.................................50.9 26. „ ■................... 51.9 2. April................... 50.3 9. „ .................. 516 16. „ .................. 50.6 23. „ .................. 5030. „ .................. 49.6 7. Mai.................. 50.— 14. ........................50.6 21.................................49.28. , ............... 493 4. Juni................... 49.6 11. ■.............. * 50 3 18. „ .................. 49.9 25. „ .................. 49.6 2. Juli..................... 50.— ft. .......................... 49.9 16. „ 49.23. „ ...................48.3 V- „ 486. August............... 49.3 13. „ 49.-

140

Tabelle C.

Vereinigte Staaten.

Preise für amerikanisches Gießerei-Roheisen Standard Nr. 2 loko Philadelphia. Dollars bzw. Mark für die Tonne zn 1016 kg. Dollar

Mark

1904. Anfang Januar . . . . Februar . . . . März............... April................ Mai............... Juni................ Juli............... August ............ September . . Oktober . . . . November. . . Dezember . . .

61.95 60.90 60.90 63.— 63.— 60.90 60.90 59.85 59.85 59.85 63.— 69.30

Anfang „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „

17.50 = 73 50 17.50 = 73.50 17.50 = 73.50 ? ?

Anfang „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „

14.75 14.50 14.50 15.— 15.14.50 14.50 14.25 14.25 14.25 15.— 16.50

= -= = = = = =

1905.

Mark

Dollar

1906. Januar . . . . Februar. . . .. März............ April............ Mai............... Juni............... Juli............... August............. September . . Oktober . . . . November. . . Dezember . . .

18.50 18.50 18 50 18.25 18.50 18 50 18.25 18.50 20.25 21.— 2250 24.50

= — — = = =

77.70 77.70 77.70 76.25 77.70 77.70 76.25 77.70 85.05 88.20 94.50 102 90

1907.

Anfang Januar .... Februar .... ,, März............. April............... Mai................ Juni................ Juli................ August ............. September . . Oktober .... November. . . Dezember . . .

9

9

p

?

16.25 16.25 16.25 17.— 18.— 18.25

= = = = =

68.25 68.25 68.25 71.40 75.60 76.65

Januar .... Februar.... März............ April............ . Mai............. . Juni............ . Juli............ August.... . September . . Oktober . . . . November. . . Dezember . . .

Dollar

Mark

1908. Anfang Januar .... 18.— ~ „ Februar .... 18.25 = „ März 18.25 = „ April 17.75 „ Mai 17.50 „ Juni 16.75 . 16.50 = Ende

75.60 76.25 76.25 74.55 73 50 70.35 69.30

25.75 — 108.15 26.50 111.30 = 107.10 24.50 = 102.90 24.50 = 102.90 25.50 = 107.10 23.50 = 98.70 22.92.40 21.- - 88.20 20. 84.— 19.- - 79.80 18.75 : 78.75

141 der Frachtverhältuisse sei daher unter gewöhnlichen Zeitverhältnissen der Rohstoff der reinen Walzwerke um ungefähr 20 M. die Tonne gegen die Frcihandelsverhältnissc verteuert,

ohne daß sie für ihre

Erzeugnisse in der Regel einen höheren Preis erzielen könnten, als unter dem Freihandel. Das aber bedeute für die reinen Walzwerke

den sicheren Ruin.

Dieser sei nur dadurch aufgehalten worden,

die „Rohstossverbände"

sich zeitweilig in

daß

der Lage befunden hätten,

auf eine volle Ausnutzung des Schutzzolles auf Halbzeug zu ver­ zichten. Die Denkschrift erkennt an, daß die unausgesetzten und viel­ seitigen Angriffe gegen den Stahlwerksverband und dessen Preispolitik imbercchtigt seien, denn es sei das gute Recht des Verbandes, sich die gleichen Vorteile, welche die Schntzzollgesetzgebnng den reinen Inlands­

industrien voir selbst biete, im Wege des Zusammenschlusses eben­ falls zu sichern. Es würden jedoch die vollkommen ausreichenden natürlichen Daseinsbedingungen der reinen Walzwerke durch die jetzige Form der Schutzzollgesetzgebung künstlich verschlechtert- daher könne nur durch eine Aenderung der Gesetzgebung Abhilfe geschaffen werden. In dem VII. Abschnitt der Denkschrift wird die Notwendigkeit des Einschreitens der Gesetzgebung weiter begründet. Da in dieser

Begründung immer wieder mit der au sich unhaltbaren scharfen Unter­ scheidung zwischen „reinen Jnlandsgewerben" und „exportierenden Gewerben" und mit der Behauptung operiert wird, daß für die letzteren der Schutzzoll wirkungslos sei, müssen wir, um nicht bereits mehrfach

Gesagtes 311 wiederholen, uns versagen, hier näher auf diese Begrün­

dung einzngcheu. Sic kommt in der Hauptsache 51t dem Schluß, daß der Schutzzoll für die exportierenden Gewerbe nur Bedeutung gewinnen könne durch den Zusammenschluß der Gewerbetreibenden zu einem Verbände. Ein solcher Zusammenschluß sei für die hier als notleidend bezeichneten Gewerbe nicht zu erreichen. Er würde auch schädigend

ans die das Fabrikat dieser Gewerbe weiter verarbeitenden Industrien Daher sei die Beschreitung des Weges der Gesetzgebung not-

wirken. ivendig.

In dem VIII. Abschnitt wird das Ziel dieses Weges näher be­ zeichnet. Die Gesetzgeber würden die Aufgabe lösen müssen: 1. die Schutzzölle auch für die tätig wirksam zu machen-

exportierenden Gewerbe selbst­

2. sämtliche Gewerbe für ihre Exportliefernngen den Rohstoff zu

Weltmarktpreisen zu sichern. Die Lösung der ersten Aufgabe wird von der Denkschrift selbst als nicht leicht bezeichnet- sie vermag auch nicht, irgendwelche Vor­ schläge zur Verwirklichung ihres Gedankens zu machen. Die 3weite

142

Aufgabe zu lösen, erscheint der Denkschrift leicht. Als das naheliegende und einzig richtige Mittel bezeichnet sie den Rückgriff auf den zoll­ freien Veredlungsverkehr. Unter besonderem Hinweis auf die Bestim­ mungen des Zolltarifgesetzes für die Ausfuhr von Mehl verlangt sie, „daß jeder, der Eisenerzeugnisse ausführt, über das zur Herstellung dieser Erzeugnisse erforderlich gewesene Rohmaterial einen auf den Inhaber lautenden Einfuhrschein erhalte". Dabei geht die Denkschrift von der Annahme aus, daß bei der notorischen Ueberproduktion von Roheisen in Deutschland es auf Grund der Einsnhrscheine zu einer tatsächlichen Einfuhr von Roheisen nicht kommen werde; denn eS würde im Interesse der Roheisenerzeuger liegen, die Eiufuhrscheiue aufzukaufen und in dem Interesse der Besitzer solcher Scheine sie den Rohstoffverbänden zu angemesseneu Preise» abzugeben. Auf diese Weise würde die jetzt von den Rohstofsverbänden freiwillig gewährte, aber ungenügende Ausfuhrvergütung in eine gesetzliche umgewandelt werden. Auf den Gedanken ist der Verfasser augenscheinlich nicht gekommen, daß solche gesetzliche Aussuhrvergütung unter Umständen vom Auslande als gesetzliche Ausfuhrprämie angesehen und mir Retorsionsmaßregeln würde beantwortet werden können. Wir behalten uns vor, auf einzelne in den letzten Abschnitten der Denkschrift enthaltene Ausführungen noch zurückzukommen. Zu­ nächst müssen wir die für die Gewährung von Einfuhrscheinen an­ gezogene Berufung auf die Anmerkung zu § 11 Ziffer 3 des Zoll­ tarifgesetzes vom 25. Dezember 1902 als durchaus verfehlt zurück­ weisen. Diese Anmerkung lautet: „Den Inhabern von Mühlen oder Mälzereien werden bei der Ausfuhr ihrer Erzeugnisse Einsnhrscheine über eine entsprechende Menge Getreide oder Hülsensrüchte erteilt. Ueber das hierbei in Rechnung zu stellende Ausbeuteverhältnis trifft der Bundesrat Bestimmlmg. Die Einsnhrscheine berechtigen den Inhaber, inner­ halb einer vom Bundesrat zu bemessenden J-rist die auf dem Einfuhrscheine benannte Warenmenge ohne Zollentrichtung einznführen." Die deutsche Landivirtschaft deckt das Bedürfnis der Bevölkerung an Brotgetreide, Weizen und Roggen, bei weitem nicht- zur Deckung dieses Bedürfnisses ist jährlich eine zwar nach dem Ausfall der in­ ländischen Ernte schwankende, aber immerhin sehr bedeutende Einfuhr dieser beiden Getreidearten erforderlich. Die Einfuhr von Weizen und Roggen betrug im Durchschnitt der Jahre 1904 bis einschließlich 1907: 2 918 500 t; an Mehl wurden ausgeführt im Durchschnitt der Jahre 1903 bis einschließlich 1907:

143

166 088 t. Für diesen Betrag, nuigerechnet nach dein vom Bundesrat festgesetzten Verhältnis ans Getreide, werden Einfuhrscheine erteilt.

Es liegt auf der Hmid,

daß bei einer jährlichen Einfuhr von rund

3 Millionen Tonnen Brotgetreide der außerordentlich geringe Betrag der auf das ausgeführte Mehl erteilten Ausfuhrscheinc auf die Wirkung des Getreidezolles bei der Preisbildung keinen Einfluß ausübeu kann. In der Tat steht, von ganz geringfügigen Schwankungen

abgesehen,

der Inlandspreis des Brotgetreides imnier um den Betrag des Zolles höher als der Weltmarktpreis. Ganz anders liegen die

Verhältnisse beim Roheisen, das in Bedarf erzeugt wird. Die Erzeugung,

Deutschland weit über den

Einfuhr und Ausfuhr von Roheisen betrug in den letzten fünf Jahren

in Tonnen: 1905

1903 Erzeugung.

.

.

.

....

288 726

198 953

497 240

607 729

527 814

316 255

498 703

613 527

385 766

i

.

1907

1906

265 4221

Mehreinfuhr +

Mehrausfuhr.

!1 ;

10085 634 10103 941 10 987 623 12478 067 13 045 760

Einfuhr...................... Ausfuhr

1904

.



262 392

27 529 i

299 750

221 963

1

116 287 i

Die Ein- und Ausfuhr von Materialeisen, Eisen- und Stahl­ waren, einschließlich Maschinen ans Eisen betrug: 1903

1904

1906

1905

1907

a) - Einfuhr......................

156 668

189 677

123 596

288075 !

344 295

Zuschlag 38*/, “/,.*) .

52 223

63 226 252 903 1 1

41 199

£6 025 384 100!

114 765

208 891

b) Ausfuhr...................... Zuschlag 33'/a 7o*) .

I

164795

3 202 098 2 721042] 2849 401 3 350 2811 ; 3529940 1 067 366 l| 907 014! 1 949 800 1 116 760 i, 1 176647

4 269 464 3 628 056 3 799 201 4 467 041

Ans

569 060

i

dieser Aufstellung geht hervor,

daß

im

4 706 587

letzten Jahrfünft

eine Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren stattgefnnden hat, die einem jährlichen Durchschnitt von etwa 4 000 000 t Roheisen entspricht, d. h.

mehr

als

ein Drittelt

der

gesamten

deutschen Hochofenerzeugnng.

,s) Behufs Zurückführung auf Roheisen.

144

Würden nun Einfuhrschcine ausgestellt,

so

wird entweder tatsächlich

ausländisches Rohmaterial herangezogen, oder die Scheine werden beim Bezüge inländischen Rohmaterials in Zahlung gegeben. Im ersteren Falle, in dem cs übrigens gleichgültig ist, ob das Material wirklich als Roheisen oder aber als Halbzeug, als Stabcisen, als Walz­

draht oder als was sonst eingeführt wird, würde als ein Drittel der

deutschen Roheisenerzeugung keinen Absatz im Inland mehr finden: die Erzeugimg müßte eingeschränkt oder ins Ausland abgesetzt werden, zu Preisen, die dann wieder den Vorwurf Hervorrufen würden, daß man durch billige Roheisenpreise die ausländische Fcrtigindustrie stärke, während die Einschränkung der Erzeugung die einheimischen Roheisen­

preise naturgemäß erhöhen

oder

gar die Hochofenindustrie in ihrer

Existenzfähigkeit untergraben würde. Dadurch aber würden nicht nur die Werke, sondern die ganze Volkswirtschaft, insbesondere die Arbeiterauf das Empfindlichste geschädigt werden. Tritt der zweite Fall ein, das Aufkäufen und Vernichten der

Schcine durch die iuländischeu Rohmaterialerzcugcr,

so würde

dies

für sie eine Ausgabe von 40 Millionen Mark, unter Zugrundelegen der Zahlen für 1907 eine solche von nahezu 50 Millionen Mark, bedeuten. Beim Halbzeug stand 1907 einer Einfuhr von 8 238 t eine Ausfuhr von rund 300 000 t der reinen Walzwerke, der Hersteller von Draht, Blech und Stabeisen zusanimengcnommen gegenüber. Es kann

nicht bezweifelt werden, daß die Gewährung von Einsuhrscheincn ge-

inäß dem in der Denkschrift gestellten Verlangen, gleichbedeutend sein würde mit der Aufhebung des Zolles ans Roheisen und Halbzeug. Das werden wohl auch die Gruppen von Industriellen eingeschen haben, in deren Interesse die Denkschrift abgefaßt worden war. Sie

ihrer weiteren Agitation entschlossen, gleich ganze Arbeit 511 machen und die sofortige Sistierung und

haben sich

daher im Verlauf

spätere Aufhebung des Zolles aus Roheisen, Schrott und Halbzeug zu verlangen. Dieses Verlangen ist gestellt worden in einer an den Herrn Staatssekretär des Innern gerichteten Eingabe voin 5. Juni d. I., sie ist von 54 Stahlformgnßwerken, Martinwerken

und reinen Walzwerken unterzeichnet worden. Diese Eingabe verweist ans die große Umgestaltung in der Eiseuindnstric, in deren Verlauf sich, entgegen der früheren „Regeln", nur einen Zweig der Eiseuherstellnug zil betreiben, große konzentrierte Be­

triebe gebildet hätten, die alle Stadien der Eiseuherstellung vom Roh­ eisen bis zuni fertigen Eisen umfassen und auch über eigene Kohlen und Erze verfügen. Da sich nicht alle Werke nach dieser Weise hätten

145 entwickeln können, stehe dieser Grnppe die Grnppe der „abhängigen"

Werke gegenüber,

die

ans

den Bezug von Roheisen und

anderen

„Einsatzmitteln" angewiesenen Martinstahlwerke, Gießereien und

reinen Walzwerke. Zwischen diesen beiden Gruppen bestehe ein tiefgehender wirt­ schaftlicher Gegensatz, der sich aus der ungünstigen Lage der ab­

hängigen Werke gegenüber den gemischten Betrieben erkläre. Die Annahmc, daß die günstigere Lage der letzteren lediglich den natürlichen Vorteilen der konzentrierten Betriebe zuzuschreiben sei, daß denigemäß die Notlage der abhängigen Werke als notwendige Folge der natur­

gemäßen wirtschaftlichen Entwickelung angesehen werden müsse, wird von- der Eingabe als irrtümlich bezeichnet. Gewiß biete der kon­ gewisse natürliche Vorteile,

besonders bei der Er­ zeugung schwerer Massengüter. Bei den Fabrikaten, die von den ab­ hängigen Werken vorwiegend hergestellt werden, treten diese Vorteile jedoch gänzlich in den Hintergrund. „Der Haupt- und fast alleinige Grund der wirtschaftlichen Ueberlcgcnheit der großen gemischten Be­ triebe liege vielmehr daran, daß sic ihre ganze Produktion bis ins zentrierte Betrieb

fertige Eisen auf ein schutzzollfreies Rohmaterial aufbauen können, indem sie, soweit sie es nicht selbst besitzen, lediglich Erz zu kaufen brauchen, welches zollfrei cingeführt werben kann."

Zur richtigen Würdigung dieser Behauptung der Denkschrift ist ein Rückblick auf die neuere Entwickelung unserer Eisen- und Stahlindnstrie zil werfen, die infolge mehrfacher neuer Erfindungen tief ein­

greifende Umgestaltungen der Betriebe erforderlich machte. In dieser Beziehung sind besonders zu erwähnen: die Einführung des Bessemer­ prozesses zur Erzeugung von Stahl, die Erfindung des basischen Prozesses der Engländer Thomas und Gilchrist, der die Verwendung der deutschen phosphorhaltigen Erze zur Herstellung eines weicheren Stahl, des Flußeisens, ermöglichte. Durch das Flußeisen besonders wurde die Verwendung von Schweißeisen auf vielen Gebieten zurück­ gedrängt. Hierzu kam in den achtziger Jahren die Einführung des Martinofens zur Herstellung von Spezialstahl in verschiedenen Härten, der besonders an Stelle des Schiveißeiscns zur Herstellung von Blechen aller Art umfassende Venvendung fand.

Diese Erfindungen hatten die allmählich immer weitere Ver­ drängung des Schweißeisens durch das Flußeisen zur Folge. Während im Jahre 1879 nur 478 000 t Fabrikate aus Flußeiscn hergestellt worden waren, war die Zahl 1906 ans 7 963 000 t gestiegen. Da­ gegen war die Herstellung von Schweißeisen im Puddelbetrieb, die im Jahre 1879 noch 1 150 000 t und im Jahre 1881 noch 1 673 000 t •test 111.

io

146

betragen hatte, im Jahre 1906 auf 693 000 t zurückgegangen. Dieser Rückgang scheint noch nicht beendet zu sein, da das Schweißeisen im Preise dem Flußeisen gegenüber nicht standhalten kann. Die Massenerzeugung im Bessemer- und Thomasbettiebe hatte zur natürlichen Folge, daß, wo diese ^Betriebe in Verbindung mit Walzwerken errichtet wurden, mehr Rohstahl erzeugt wurde, als von den eigenen Walzwerken verarbeitet werden konnte- daher mußte Halb­ zeug verkauft werden und man war zufrieden, wenn bei solchen Ver­ käufen die Selbstkosten gedeckt wurden, da die große Erzeugung das felbftoerarbeitete Material verbilligte. Durch das am Markt befind­ liche billige Material wurden viele Walzwerke veranlaßt, ihre Puddelwerke stillzulegen, die Erzeugung von eigenem Schweißeisen und Halb­

zeug aufzugeben und sich der alleinigen Verarbeitung von gekauftem Halbzeug und Flußeißen zuzuwenden. Diesen Vorgang schildert höchstanschaulich ein Nationalökonom, der Sohn des Besitzers eines heute in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ungemein gut rentierenden reinen Walzwerks.*)

Im Anschluß an eine Besprechung der vorstehend dargelegten Verhältnisse sagt Dr. Mannstaedt mit Bezug auf die reinen Walzwerke: „Man vergaß zu fragen, ob die Verhältnisse sich nicht ändern, die technische und wirtschaftliche Entwickelung nicht die Stahlwerke zwingen könnte, selbst ihr Halbzeug zu verarbeiten. Diese Wandlung fand schon in der zweiten Hälfte der 90 er Jahre statt. Entweder mußten sich die reinen Walzwerke ihren Rohstoffbezug auf die Dauer sichern oder durch Verfeinerung ihrer Produktion der Möglichkeit einer Konkurrenz mit den Walzerzeugnissen der gemischten ^Betriebe aus­ zuweichen suchen. Bekannt ist auch, daß die gesteigerte Leistungs­ fähigkeit der Werke die Absatzmöglichkeit verengte und zur Kartellbildung drängte, um zunächst die Konkurrenz auf dem Jnlandsmarkt aus­ zuschalten." Dr. Mannstaedt legt weiter dar, wieweit die Besitzer und Leiter der großen Stahlwerke ihre Einrichtungen in immer umfassenderer

Weise trafen, um das von ihnen hergestellte Halbzeug, anstatt es zu verkaufen, selbst zu Stabeisen, Walzdraht und Blechen zu verarbeiten. Wir erachten es für zweckmäßig, die Darstellungen des Dr. Mann­ staedt hier zu unterbrechen und auf die Eingabe zurückzukommen, in der behauptet wird, daß der Haupt- und fast alleinige Grund der wirtschaftlichen Ueberlegenheit der großen gemischten betriebe — das *) „Die verpaßte Gelegenheit" von vr. Heinrich Mannstaedt in Bonn: „Die Zukunft", 16. Jahrgang, Nr. 46 vom 15. August 1908, Seite 256.

147 sind die großen Hüttenwerke, von denen soeben die Rede war —darin liege, „daß sie ihre ganze Produktion bis ins fertige Eisen auf ein schutzzollfreies Rohmaterial aufbauen können". Diese Behauptung ist durchaus unzutreffend. Die Gründe der Ueberlegenheit der gemischten

Werke liegen wesentlich Gebieten.

auf technischen und anderen wirtschaftlichen

Es sei in dieser Beziehung hier nur summarisch hervor­

gehoben die Ausnutzung der Hitze des Roheisens, der Schmelzwärme der Blöcke, ganz besonders aber der Gichtgase als Betriebskraft, für

welche die reinen Walzwerke Kesselkohlen anschaffen müssen. Es sei ferner erinnert an das langsame Anwachsen der Generalunkosten im Verhältnis zur Steigerung der Produktion. Hierbei spielen z. B. eine Rolle die bessere Ausnutzung der Gas- und Wasserwerke und der Bahnanlagen, die Kosten der Werksleitung, der Aufsicht, des Bureaus, außerdem der sehr wichtige Faktor: die Ersparung an Zwischenfrüchten und Zwischengewinnen. Jedein mit den maßgebenden industriellen und wirtschaftlichen Verhältnissen einigermaßen vertrauten Mann muß es einleuchten, daß in diesen Verhältnissen die wesentlichste Grundlage für das Uebergewicht der großen gemischten Werke zu suchen ist, und daß gegen sie

der in der Zollfreiheit der Erze liegende Vorteil fast zur Bedeutungs­ losigkeit herabsinken muß. Die Eingabe behauptet freilich, daß diese natürlichen Vorteile der gemischten Werke bei den Fabrikaten, die von den abhängigen

Werken vorwiegend hergcstellt werden, ganz in den Hintergrund treten, „vor der größeren Sparsamkeit in diesen Betrieben, vor der größeren Uebersichtlichkeit derselben und vor allen Dingen vor ihrer größeren Anpassungsfähigkeit an die Wünsche und Qualitätsforderungen der Kundschaft". Hiergegen ist zunächst auf die Taffache zu verweisen, daß vor­ wiegend von den abhängigen Werken hergestellte Fabrikate in großem Umfange von den gemischten Werken produziert werden. Dann aber ist zu erwägen, daß zur Leitung dieser gewaltigen gemischten Werke ein so hohes Maß von Können, Umsicht, Tatkraft und Organisaüonstalent erforderlich und bisher auch betätigt worden ist, daß ein Zurück­ stehen in den von der Eingabe für die abhängigen Werke besonders in Anspruch genommenen Vorzügen in begründeter Weise wohl nicht

angenonmien werden kann. Wir kehren zu den Ausführungen des Dr. Mannstaedt zurück, er sagt weiter: „Nach heißem Ringen enfftand 1904 der Stahlwerks­ verband, und getreu seinem Programm reichte er zunächst den Martin­

werken die Hände.

Ein Teil der Martinwerke weigerte sich,

an den

io-

148 Verhandlungen teilzunehmen,

man versuchte wenigstens

die

reinen

Walzwerke einmal zusammenzuschließen. Kirdorf hatte versprochen, das Verhältnis der vereinigten reinen Werke zu dem Stahlwerks­ verband zu regeln. Aber auch nur der kleinere Teil war geneigt, selbst auf ein für sie äußerst günstiges Programm hin den Weg zur Verständigung zu betreten. Einzelne, die ihre Beteiligung versprochen hatten, vergaßen, ihr Wort einzulösen. Damit war die beste Gelegenheit zur Ausgestaltung des Stahlwerksverbandes verpaßt. Die Schuld lastet auf denen, die heute gegen den Stahlwerksverband und die Zölle Sturm laufen. Damals waren die Stahlwerke zur Verbands­ bildung geneigt, damals waren sie in bedrängten Verhältnissen und die Sucht, das Halbzeug selbst auszuwalzen und das Schwergewicht mehr auf die L-Produkte (das sind die wesentlichsten Erzeugnisse der reinen Walzwerke) zu verlegen, beherrschte noch nicht die Situation .... Gewiß wären auch damals die Verhandlungen nicht glatt verlaufen, aber die Schwierigkeiten, die heute die Verbandsbildung fast zur Unmöglichkeit machen, gab es noch nicht." Diese Darstellungen der Lage und des Verhaltens der Werke, die jetzt eine so durchgreifende Aenderung unseres Zollsystems in frei­ händlerischem Sinne Beantragen, ist wohl als den Tatsachen entsprechend zn betrachten. Hinzugefügt muß noch werden, daß in den Zeiten der Ueberschwemmung des inländischen Marktes mit billigem Halbzeug viele reine Werke wesentlich erweitert und solche • Werke wieder in

Betrieb gesetzt wurden, die wegen veralteter Einrichtungen und Ertrag­ losigkeit zum Stillstand gelangt waren. Im Anschluß an die letzten Ausführungen des Dr. Mannstaedt möchten wir noch auf die Beschwerde eingehen, die in der Eingabe im ersten Absatz auf Seite 5 dahin erhoben wird, daß den reinen Walz­ werken zwar die Bildung eines Verbandes vom Stahlwerksverbande oft genug angeraten sei, daß eine solche Verbandsbildung aber gerade von Mitgliedern des Stahlwerksverbandes verhindert werde. Diese Angabe ist zutreffend und die Taffache, daß die Bildung von Verbänden

für Stabeisen und Blech durch einzelne Mitglieder des Stahlmerks­ verbandes unmöglich gemacht werde, wird sicherlich von niemand mehr bedauert, als von den leitenden Personen im Stahlwerksverbande selbst. Bisher haben aber die eingehendsten Bemühungen und Vor­ stellungen nicht vermocht, die lediglich ihre Sonderinteressen verfolgenden

ablehnenden Werke — mit Bezug auf die Bildung des so überaus wünschenswerten Verbandes für Stabeisen ist es, wenn wir recht unterrichtet sind, nur ein Werk — von ihrem ablehnenden Standpunkt abzubringen. Diese Werke vertreten aber einen so bedeutenden Teil

149 der

betreffenden Gesamtproduktion,

ohne ihre Reitwirkung

daß

die

Bildung eines Verbandes ilninöglich ist.

Die Eingabe behauptet, daß die reinen Walzwerke durch die aus durch die Schntzzollgesetzgebung beruhende Ueber-

der Begünstigung

lcgcnheit der gemischten Werke dem Ruin verfallen seien. Diese Behauptung wird von deni Stahlwcrksverband als durchaus unzutreffend bezeichnet. In seiner unter dem 15. August d. I. an den Herrn Staatssekretär des Innern gerichteten Eingabe, weist der Stahlwerks­ verband auf Seite 2 nach, daß die Menge des den reinen Walzwerken gelieferten Halbzeuges von 173 869 t im Jahre 1901 auf 363 909 t im Jahre 1906 gestiegen sei. Der unbedeutende Rückgang ün Jahre 1907 auf 338 348 t wird hinreichend durch Ursachen erklärt, die mit

einem Rückgänge der Tätigkeit der Walzwerke nicht in Beziehung stehen. Die bis zum Jahre 1907 aber festzustellende Zunahme ist ein un­ widerleglicher Beweis dafür, daß die von den reinen Walzwerken selbst

mit großer Bestimmtheit immer wieder verbreitete Prophezeiung vor ihrem unaufhaltsamen Untergang mit der tatsächlichen Entwickelung int Widerspruche steht.

Bei dieser Gelegenheit mochten wir aber noch eine andere Tat­ sache feststellen. Die reinen Walzwerke, von denen die Eingabe, be­ treffend die Aufhebung der Zölle, an bett Herrn Staatssekretär des Innern unterzeichnet worden ist, haben im Jahre 1901 .

.

.

.

23

pCt.

. .

...

26





1902 . 1903 . 1904 .

... ...

28 26

„ „

„ „

1905 . 1906 .

. .

...

26









1907 .

.

.

.

27,4 28,3

„ „

„ „

,,

des

inländischen

.

Halbzeugabsatzes

.

■ .

verbraucht,

also

im

Durchschnitt

26,4 pCt., mit anderen Worten: 73,6 pCt. der Halbzeugvcrbraucher haben keine Veranlassung gehabt und sich daher geweigert, dem An­ träge beizutretcn.

Von den reinen Walzwerken ist behauptet worben, daß die im Stahlwerksverbande vereinigten gemischten Werke absichtlich ihren Ruin herbeizuführen suchten. Dieser Ansicht hat sich auch ein Teil der Presse

angeschlossen. Auf Seite 8 der vorerwähnten Eingabe des Stahlwerks­ verbandes wird dieser Vorwurf mit großer Entschiedenheit zurück­ gewiesen.

Der Umstand schon

allein,

daß der Verband den reinen

Werken in der Zeit von 1904/05 bis 1907/08 rund 17 Millionen Mark

150 an Aussuhrvergütungen gezahlt hat, genüge wohl zur vollkommenen Entkräftung des gemachten Vorwurfs.

Auf derselben und der folgenden Seite wird in der Eingabe des Stahlwerksverbandes auch nachgewiesen, daß den reinen Walzwerken in der Zeit der Hochkonjunktur durchaus genügende Mengen Halbzeug zu angemessenen Preisen zugewiesen seien, und daß die Werke im freien Wettbewerb wenn überhaupt so doch sicher nur einen sehr viel geringeren Teil an Halbzeug erhalten haben würden, und das noch dazu zu wesent­ lich höheren Preisen. Ueber die Preispolitik des Stahlwerksverbandes den „reinen Werken" gegenüber ist uns aher noch eine neue Mitteilung zugegangen, der wir hier einen Platz einräumen möchten. Diese Mitteilung lautet: „Wir liefern heute — den 6. Oktober d. I. — diesen Werken, die ja hauptsächlich im Siegerland liegen, die vorgewalzten Blöcke zu 87 i/2 M., franko Siegen. Davon gehen herunter für das liefernde Werk etwa 6 bis 7 M. Fracht, bleiben 80 */2 bis 817, M. Ferner bekommen die Werke einen Nachlaß von 15 M. für alle für den Export ver­ brauchten Mengen. Wenn Sie also die Ausfuhrmengen allein in Betracht ziehen, bleiben nur 65bis 66 */2 M." In der Eingabe der reinen Walzwerke wird gegen den Stahl­ werksverband auch der Vorwurf erhoben, nach dem Auslande, besonders nach England, Halbzeug zu billigeren Preisen als im Jnlande verkauft und dadurch die Konkurrenten der inländischen Werke auf dem Welt­

markt gestärkt, die Behauptung des inländischen Marktes den Wett­ bewerbern des Auslandes gegenüber erschwert, ja unmöglich gemacht zu haben. Dieser Vorwurf gehört zu den beliebtesten und auch cmi häufigsten angewendeten Angriffswaffen gegen die Syndikate und Kartelle. Keiner der gewöhnlich erhobenen Angriffe ist jedoch weniger berechtigt als dieser. Der Stahlwerksverband bemerkt zunächst mit vollem Recht,

daß, wenn die deutschen Werke den Engländern nicht das in ihreni eigenen Lande in genügender Menge zur Verfügung gestellte Halbzeug liefern wollten, die Engländer doch nur veranlaßt werden würden,

ihre eigene zurückgebliebene Stahlerzeugung in schnellerem Tempo als bisher zu steigern. Das zu bewirken liege für Deutschland keine Ver­

anlassung vor. Wir möchten hinzufügen, daß für die Verkäufe im Auslande der Weltmarktpreis maßgebend ist, und daß wohl kein Exporteur, und auch der Stahlwerksverband nicht, den Weltmarktpreis um mehr unterbieten ■ wird, als unbedingt notwendig ist, um das betreffende Geschäft den

Wettbewerbern gegenüber zum Abschluß zu bringen.

151 In betreff der Stärkung der Wettbewerber auf dein Weltmarkt den inländischen exportierenden Gewerben gegenüber ist darauf zu

verweisen, daß gerade die in sehr großem Umfange und unter günstigeren Bedingungen als Deutschland Eisen und Stahl er­ zeugenden Länder auf dem Weltmarkt in schärfsteni Wettbewerbe untereinander stehen. Was Deutschland nicht liefern kann oder

liefern wollte, das würde in beliebiger Masse zu den gleichen Be­ dingungen von unseren Konkurrenten geliefert werden, wodurch die

Industrie des liefernden Landes gestärkt werden würde. Es gibt nur ein Mittel, die billigeren Verkäufe nach dem Aus­ lande ansznschalten. Dieses Mittel würde darin bestehen, daß eben nicht über den Bedarf des Inlandes Waren erzeugt werden, womit freilich die Ausfuhr überhaupt aufhören müßte. Abgesehen von dem Umstande, daß die damit verbundene wesentlich verminderte Erzeugung eine Steigerung der Selbstkosten und damit der Preise int Jnlande zur Folge haben müßte, möchten wir den Parlamentariern und der fast gesamten Presse, die den hier in Rede stehenden Vorwurf ivieder und ivieder gegen

die Syndikate und Kartelle erheben,

die Beant­

wortung der Frage vorlegen, womit Deutschland, bei der vor­ erwähnten Beschränkung seiner Produktion und Ausfuhr, seinen not­

wendigen Bedarf an ausländischen Erzeugnissen bezahlen

und womit

es seiner jährlich stark zunehmenden Bevölkerung Arbeit und Brot gewähren sollte. Es ist in hohem Maße befremdend, daß Industrielle, die selbst exportieren, den hier besprochenen Vorwurf gegen den Stahlwerksverband erheben, ein Vorwurf, der in den einfachsten volkswirtschaftlichen Vorgängen und Beziehungen seine Erklärung findet. Ans einen Umstand muß noch hingewiesen werden, der in diesen Verhältnissen schädigend wirkt. Die deutschen Eisenbahn­ verwaltungen bestellen in Zeiten der Hochkonjunktur zu viel und in Zeiten des Niedergangs zu wenig, und verschärfen damit die

Uebelstäude allzu großer und allzu geringer Nachfrage. Hier wäre eine bessere, gleichmäßiger dauernde Verteilung dringend zu wünschen. Der ans die Sistierung und Aufhebung der Zölle auf Roheisen, Schrott und Halbzeug gerichtete Antrag ist von einer Anzahl von

Stahlformgnßwerkcn, Martinwcrken und reinen Walzwerken gemeinsam Für diese drei Gruppen sind die gleichen Gründe als maß­ für den Antrag herangezogen worden. Daraus müßte geschlossen werden, daß diese drei Gruppen sich in gleicher Lage befindlich und in gleichem Maße als notleidend erachten. Das ist jedoch durchaus nicht der Fall, denn die wirtschaftliche Lage der

gestellt. gebend

Martinwerke und der Stahlformgnßwerke unterscheidet sich wesentlich

152

reinen Walzwerke. Gemeinsam die Aufhebung der betreffenden Zölle angeführt, daß die gemischten Hüttenwerke ihr Rohmaterial, das Erz, zollfrei zur Verfügung haben, daß ihnen selbst aber nur das zollgeschützte um den Betrag des Zolles verteuerte Roh­ eisen, Schrott und Halbzeug zur Verfügung stehe. Für die Stahlformgußwerke kommt nur Roheisen und Schrott in Betracht. Für die Martinwerke ist die Bezugnahme auf das den Hüttenwerken zur Verfügung stehende zollsteie Erz insofern nicht ganz zutreffend, als auch im Martinofen erhebliche Zuschläge von Erz, bis 20 pCt. des von derjenigen der sogenannten wird von den Antragstellern für

Möllers — 10 pCt. des Ausbringens, vorkommen. Mit Bezug auf die maßgebenden Verhältnisse ist ferner in Betracht zu ziehen, daß der Betrieb der Martinwerke wesentlich billiger ist als der der Hochofenund Konverterbetriebe. Schon in den Anlagekosten besteht ein un­ gemein großer Unterschied. Sechs Hochöfen zu je 200 t Tages­ erzeugung kosten rund 2 Millionen Mark, und das dazu gehörige Thomasstahlwerk etwa 6 bis 8 Millionen Mark. Martinöfen von gleicher Erzeugungsfähigkeit beanspruchen aber nur einen Bruchteil dieser Summe. Auf der Hochofenarbeit lasten, wegen des verhältnis­ mäßig geringen Eisengehaltes der verwendeten Erzeugnisse, airßerordentlich hohe Frachtkosten, bis zu 400 pCt. des Ausbringens, auf dem Einsatz zur Martinstahlerzeugung aber nur etwa der vierte Teil. Da die irgend in Betracht konimenden Lagerstätten der Erze und der Kohlen räumlich voneinander durch weite Entfernungen getrennt sind, so sind die Hochofenwerke gezwungen, je nach ihrer Lage entweder für die Anfuhr der Erze oder der Kohlen bzw. Koks außerordentlich

hohe Frachten zu verauslagen. So haben. in Lothringen belegene Hochöfen für die Tonne westfälischen Koks rund 8 M. zu zahlen, die Hochöfen in Westfalen für die von ihnen in großem Umfange verarbeiteten schwedischen Erze gleichfalls etwa 8 M. Martinstähl aber kann in der Nähe der Kohlenlager überall da verhältnismäßig billig erzeugt werden, wo örtlich größere Massen von Schrott sich an­ sammeln, also z. B. in den größeren Jndustriestätten der deutschen

Kohlengebietc. Diese Tatsachen finden ihren statistischen Ausdruck darin, daß sich seit dem Jahre 1902 die Herstellung von Martinstahl und Stahl­ formguß weit schneller entwickelt hat, als die Erzeugung von Bessemer-

und Thomasstahl. Ein Blick auf die allgemein als objektiv und zu­ treffend angesehene Statistik des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl­

industrieller liefert den bündigen Beweis dafür:

153

Flußstahlerzeugung des deutschen Zollgebietes in Rohstahl: Thomas- und Bessemer Rohblöcke im Konverter

t

1902 1903

1904 1.905 1906 1907

°/o

5 229 939 67,21 5 908 522 67,13 5 949 171 66,62 6 627 902 65,84

Rohblöcke im Martinofen

t



Stahlformguß

4

1

7.

2 434 219 31,29 116 524 1,50 2 761 237 31,37 131756 1,50 2 828 306 31,67 152 814 1,71 3 252 520 32,31 186131 1,85

7 180 492 64,49 3 765 280 33,81 189 313 1,70 7 599 574 63,00 4 252 560 35,25 211498 1,75

Summe in Rohstahl

t

7 780682

8 801515 8 930291

10066553 11135085 12 063 632

Danach stieg die Herstellung von Thomas- und Bessemerroh­ blöcken 1902—1907 nur von 5 229 939 auf 7 599 574 t, die Her­ stellung von Martinrohblöcken dagegen von 2 434 219 auf 4 252 560 t und diejenige von Stahlformguß von 116 524 auf 211498 t. Von der Gesamtsumme von Flußstahl bedeutet das folgende Prozentsätze: Konverterstahl sank von 67,21 pCt. auf 63 pCt., also um 4,21 pCt. Es stieg dagegen Martinstahl von 31,29 pCt. auf 35,25 pCt., also um 3,96 pCt. und Stahlformguß von 1,50 pCt. aus 1,75 pCt., also um 0,25 pCt. der deutschen Flußstahlerzeugung. Es fand also eine Verschiebung des Verhältnisses von Konverterstahl zu Martinstahl und Stahlforniguß von 8,42 pCt. der deutschen Erzeugung von Flußstahl statt. Von einer schwierigen Lage der Martinstahlerzeugung und der Stahlformgußerzeugung kann demnach nicht die Rede sein. Beide Stahlarten entwickeln sich zurzeit vielmehr stärker als der Konverter­ stahl und drängen diesen im deutschen und ausländischen Verbrauche zurück.

Für die Zukunft ist eine weitere Ausdehnung der Erzeugung von Martinstahl zuungunsten der Herstellung von Konvcrterstahl vor­ auszusehen. Das hauptsächlichste Einsatzmaterial für die Erzeugung von Martinstahl ist der Schrott. Die vorhandenen Schrottmengen entsprechen stets proportional den in gegebener früherer Zeit ver­

wendeten Eisenmengen,' mit der Steigerung des Verbrauchs von Eisen muß sich daher proportional in gegebener späterer Zeit die Menge des an den Markt gekommenen Schrott vermehren. Der Roheisen­ verbrauch pro Kopf der Bevölkerung ist im Deutschen Reiche gestiegen von 51,4 kg im Jahre 1876—1880 auf 197,8 „ „ „ 1906. Er wird, der stets zunehmenden Jntensivität des wirtschaftlichen Lebens in unserem Vaterlande entsprechend, auch weiter in steigendem

154 Maße zunehmen.

Wenn wir dabei noch in Erwägung ziehen,

daß

die Roheisenerzeugung in Deutschland in den letzten zehn Jahren von 7 402 717 t in 1898 auf 12 478 067 t in 1907 gestiegen ist, so wird unschwer erkannt werden, daß die Masse des an den Markt kommenden Schrott jetzt bereits außerordentlich groß sei, und in jedem Jahre stark zunehmen müsse. Es ist wohl anzunehmen, daß auf dieser Grundlage die Martinstahlerzeugung die Herstellung von Stahl im Konverter mit der Zeit überflügeln wird. Schon der Umstand, daß sich die größten Hüttenwerke große Martinstahlanlagen geschaffen haben, beweist, daß die Martinstahlerzeugung nicht nur den Wett­ bewerb mit der Erzeugung von Stahl im Konverter sehr gut bestehen kann, sondern daß sie ihr schon jetzt überlegen ist und es in der Zu­ kunft immer mehr sein wird. Müssen also die Stahlformgußwerke und die Martinwerke als nicht notleidend ausgeschiedcn werden, so bleibt nur die Gruppe der reinen Walzwerke- aber auch hinsichtlich dieser muß eine weitere Aus­ scheidung vorgenommen werden. An die reinen Walzwerke werden jährlich rund 900 0001 Halbzeug abgegeben, davon entfallen etwa 550 000 t auf die Herstellung von Walzdraht, 230 000 t auf die Erzeugung von Blechen, und nur rund 120 000 t werden zu Stabeisen verarbeitet. Danach ist die Erzeugung von Walzdraht in den reinen Werken noch immer eine recht bedeutende, obgleich im neuen Jahrhundert eine nicht unerhebliche Anzahl von Hüttenwerken zur Erzeugung von Walz­ draht übergegangen ist. Im Jahre 1904 betrug die Walzdraht­ beteiligung im Stahlwerksverbande 434 230 t, im Jahre 1907 war sie auf 741 806 t gewachsen,- sie war also größer geworden als die Herstellung von Draht in den reinen Drahtwalzwerken. Aus der vorliegenden Betrachtung aber haben die reinen Drahtwalzwerke ganz

auszuscheiden, da sie nicht zu den Beschwerdeführern gehören. Unter diesen befindet sich nur ein einziges Drahtwalzwerk: Thomoe-Werdohl (Westfalen). Sonach steht der Hauptteil der Halbzeugverarbeiter unter den reinen Walzwerken den erhobenen Beschwerden fern. Die Liste der Beschwerdeführer enthält demgemäß so gut wie ausschließlich nur reine Walzwerke von Stabeisen und Blechen,- beide Gruppen sind aber

getrennt zu betrachten. Die Blechwalzwerke unter den reinen Werken erscheinen jedoch durchaus nicht gefährdet. Die Beteiligung an Grobund Feinblech im Stahlwerksverbande betrug 1904: 714 927 t und 1907: 960 827 t; sie war also nur unerheblich gestiegen. Grobbleche machen noch den größten Teil der Beteiligung aus.

über die Blecherzeugung

Dem steht gegen­

der reinen Walzwerke von etwa 236 000 t,

155

also etwas über Vs der Gesamterzeugung. Die reinen Feinblechwalzwerke haben also auch heute noch einen ziemlich sicheren Boden, namentlich wenn sie Besonderheiten Herstellen, die jedoch vom Handel nicht in größeren Mengen ausgenommen werden,' sie werden schwerlich in absehbarer Zeit von den Hüttenwalzwerken erdrückt werden.

Die Stabeisenbeteiligung

im Stahlwerksverbande betrug 1904:

1 847 022 t und 1907: 3 304 991 t. In den reinen Stabeisen­ walzwerken werden, wie oben gezeigt, jährlich etwa 120 000 t Halb­

zeug verwalzt,

davon etwa 35 000 t' zu gewöhnlichem Stabeisen und

85 000 t zu Spezialitäten. Die Stabeisenerzeugung der reinen Walz­ werke stellt nur etwa Vs» der Stabeisenerzeugung dar. Stabeisen ist

das gröbste der in den reinen Walzwerken hergestellten Erzeugnisse. Es scheint, im Hinblick auf die wirtschaftliche und technische Ueber-

legenheit der gemischten Werke, als gewöhnliches Stabeisen, hergestellt von den reinen Walzwerken, dem Aussterben verfallen. Demgemäß ist wohl anzunehmen, daß sich in Zukunft lediglich die Speziali­ täten, deren Aufnahme den Hüttenwalzwerken nicht lohnend sein würde, weil auf diesem Gebiete eine Massenherstellung nicht möglich ist, in den reinen Stabeisenwalzwerken werden halten können, diese aber wohl dauernd. Im übrigen gestatten wir uns, darauf hinzuweisen, daß der Uebergang gewisser Erzeugungsformen aus den Händen kleinerer mehr einseitig arbeitender Produzenten an größere umfassendere Betriebe in unserer so schnell in der Entwickelung fortschreitenden Zeit durchaus nicht selten ist. Auf dem Gebiete des Handwerks hat sich dieser Vor­ gang in erheblichem Umfange vollzogen. Wir haben in dem Verlauf unserer Darstellungen die von den Bittstellern für ihren Antrag auf Beseitigung der Zölle auf Roheisen, Schrott und Halbzeug angeführten Gründe als unhaltbar zurückweisen müssen. Wir haben auch nachgewiesen, daß gewisse Gruppen der Bittsteller keineswegs als notleidend anzusehen sind. Freilich ist es eine Tatsache, daß die 54 antragstellenden Werke nur einen Bruchteil der Betriebe ihrer Art darstellen. Dennoch wollen wir keineswegs in Abrede stellen, daß eine Reihe der antragstellenden Werke durch die

neuere Entwickelung der Eisen- und Stahlerzeugung und Verarbeitung in eine schwierige, unter Umständen wohl auch in eine unhaltbare

Lage versetzt worden ist. Das muß von dem Interesse aus, das jedem einzelnen zuzuwenden ist, der mit Anspannung aller seiner Kräfte jedoch vergebens gegen die ihm entgegenstehenden machtvollen Ver­ hältnisse kämpft und daher unterliegt, wie vom allgemeinen Interesse ans lebhaft beklagt werden. Sicher aber gebietet in dem vorliegenden

156 Falle die Pflicht, zu untersuchen, ob das von den Betreffenden zur Abhilfe ihrer Not vorgeschlagene Mittel, selbst wenn man die erhoffte Wirkung zugeben wollte,

der Allgemeinheit solchen Schaden zufügen

würde, gegen den die Not der einzelnen als unerheblich verschwindet.

Wir können es nicht als unsere Aufgabe ansehen, die allgemeinen

Vorzüge einer auf der Grundlage des Systems maßvoller Schutzzölle beruhenden Handels- und Wirtschaftspolitik hier eingehend darzulegen. Der gewalüge Aufschwung, den unser Vaterland auf allen für ein forffchreitendes Volk in Betracht kommenden Gebieten in den letzten 25 Jahren genommen hat, ist, gerade im Gegensatz zu der vorher­ gegangenen Periode einer fleihändlerischen Wirtschaftspolitik, zum wesentlichsten Teil herbeigeführt und gefördert worden durch die Ab­ kehr von jener Wirtschaftspolitik und die Rückkehr zu dem Prinzip des Schutzes der nationalen Arbeit. Die Anerkennung dieser Tatsache ist so allgemein, daß der Versuch vollkommen zwecklos erscheinen muß, das Häuflein bedingungsloser Freihändler zu bekehren, die heute noch behaupten, daß die großen Forffchritte unserer Nation auf allen Ge­ bieten des wirffchaftlichen Lebens und der Kultur im allgemeinen

trotz der schädigenden Wirkungen der zur Herrschaft gelangten Schutz­ zollpolitik eingetreten sind. Wir halten es jedoch für unsere Pflicht, die Bedeutung der Eisenzölle in dieser Politik mit einigen Worten zu beleuchten. Als im Jahre 1879 der neue schutzzöllnerische Tarif in zweiter Lesung beraten wurde, begann in der 45. Sitzung des Reichstags am 15. Mai 1879*) der Abgeordnete Bamberger, ein fanatischer Ver­ treter des bedingungslosen Freihandels, eine große Rede mit dem

Ausdruck der Befliedigung darüber, daß die Behandlung der Haupt­ position des Tarifs, der Eisenzölle, die Debatte über die Prinzipien und die Anwendung des Zolltarifs herbeiführe. Im Anschluß hieran sagt er wörtlich: „In der Tat hat von jeher die Frage des Eisenzolles als Schlüssel der Position gegolten, die darüber entscheiden mußte, ob überhaupt ein Land sich in der Richtung der Entfesselung des Ver­ kehrs nach außen bewegen soll oder nicht." Mit diesem Ausspruch hatte Abgeordneter Bamberger die Lage vollkommen richtig bezeichnet. Die Eisenzölle sind immer als die hauptsächlichste Grundlage jedes Schutzzolltarifes angesehen worden. Daher hat sich der Ansturm der Freihändler immer zuerst und mit größter Kraft gegen die Eisenzölle

gerichtet- um sic sind die heftigsten Kämpfe geführt worden.

So war

*) Sten. Ber. über die Berhandl. des Reichstags, 4. Legisl. - Per-, 2. Session 1879, 2. Band, Seite 1221.

157

es auch, als im alten Deutschen Reich unter Preußens Führung nach

langer allmählicher Entwickelung die Freihandelsbewegung mit dem Abschluß des Handelsvertrages mit Frankreich vom 29. März 1862 in schnellerem Tempo ihren Siegeslauf begann. Die ganze Wucht dieser Bewegung richtete sich zuerst gegen die

Eisenzölle, besonders gegen den Zoll auf Roheisen, der damals wie auch heute noch als das Rückgrat der Eisenzölle angesehen wurde. In 11 Jahren fünfmal: 1865, 1868, 1870, 1873 und 1876, wurden die Eisenzölle geändert, d. h. bis zur schließlichen gänzlichen Auf­

hebung ermäßigt. Zuerst mußte der Zoll auf Roheisen fallen: vom 1. Oktober 1873 ging Roheisen zollfrei ein. Die Regierung hatte in ihrer Vorlage freilich den Fortfall aller Eisenzölle Beantragt; auf dem Wege des Kompromisses hatte jedoch der Reichstag am 25. Juni 1873, dem letzten Tage der Session — die Vorlage war überhaupt erst neun Tage vorher eingebracht worden —, beschlossen, die übrigen Eisenzölle noch bis zum 31. Dezember 1876 bestehen zu lassen. Sie wurden jedoch auf äußerst geringe Beträge ermäßigt: für alles Materialeisen und grobe Glrßwaren auf 1 M. und für grobe Eisen­

waren auf 2,50 M. Dieser verhängnisvolle Abschluß bedeutete den vollen Sieg der Freihändler. An dem Tage aber, an dem er gefaßt worden war, hatten sich die Verhältnisse, auf die sich die Größen des Freihandels berufen hatten, bereits gänzlich geändert, war der furchtbare Rückschlag bereits eingetreten, dem die schwere Krisis folgte, unter der die deutsche Industrie und das gesamte Wirtschaftsleben bis in die achtziger Jahre hinein und fast bis zur Vernichtung zu leiden hatten. In der Sitzung des Reichstages vom 16. Mai 1879 antwortete der Abg. Louis Berger auf die oben angezogene Rede des Abg. Dr. Bamberger. Der Abgeordnete Berger war im westfälischen Jndustriebezirke aus­ gewachsen und ansässig. Selbst praktischer Eisenhüttcnmann, kannte

er die Verhältnisse der Eisen- und Kohlenindustrie genau, er war ein überzeugter und energischer Vertreter maßvoller Schutzzölle. Er hielt dem ehemaligen Staatsminister Dr. Delbrück, der damals die Vorlage

cingebracht hatte, den Abgeordneten von Behr-Schmoldow und von Behlow-Saleske, von denen die sofortige Aufhebung der Eisenzölle beantragt, und dem Vertreter des durchaus freihändlerischen Bremens,

dem Abgeordneten Mosle, der den Antrag aufs wärmste verteidigt hatte, vor, wie sie damals die Lage und die Zukunft der deutschen Eisenindustrie und des gesamten deutschen Wirtschaftslebens in glän­ zenden Farben geschildert hätten und fuhr dann fort: „Ich frage Sie,

meine Herren, was ist aus dem allem geworden, was hat sich von

158

allen diesen Voraussetzungen, aus dem Munde so hochstehender Auto­ ritäten gekommen, nachher bewahrheitet? Nichts, nichts, nichts! Allein das hat sich bewahrheitet, was Herr Kollege Lasker damals sagte und

ich Ihnen noch einmal wiederholen muß: die Art, in welcher hier Reformfragen in bezug auf Tarif und indirekte Steuern getrieben werden, ist nicht ermunternd und wird zu keinem gedeihlichen Ziele führen!"

Und so

Der dainalige Sieg des Frei­

war es in der Tat.

handels hatte nicht nur zu keinem gedeihlichen Ziele, sondern nur zur Vernichtung der deutschen Eisenindustrie geführt. Das wird von der

vom Reichskanzler Fürsten von Bismarck zur Untersuchung der Ver­ hältnisse der Eisenindustrie eingesetzten Enquetekommission in ihrem im Jahre 1879 erstatteten Bericht bestätigt. Dort heißt es auf Seite 3:

„Alle tatsächlichen Anhaltspunkte, welche der Kommission für die Beurteilung des heutigen Standes der deutschen Eisenindustrie geboten sind, bestätigen die sehr empfindliche Notlage derselben, welche nach einem plötzlichen und beispiellosen Aufschwung in den Jahren 1872 bis 1874 seither stetig sich verschärfte. Nur wenige,

durch

ihre natürlichen Produktionsbedingungen

in hervorragender Weise begünstigte deutsche Werke sind in der Lage, bei Anrechnung der erforderlichen Amortisation ihrer Anlagen durch ihre Produktion die auf letztere verwendeten Kapitalien landesüblich zu verzinsen und darüber hinaus einen Gewinn zu ergeben,' eine be­ schränkte Zahl der Werke erreicht gerade die Verzinsung, die große

Mehrzahl arbeitet ohne finanziellen Erfolg, oder geradezu mit direktem

Verlust."

auf

Eingehend beschäftigt sich der Bericht mit dem Roheisen, und Grund der Vernehmungen von 46 Sachverständigen, Eisen­

industriellen, Bergbautreibenden, Vertretern der Eisenbahnen, Land­ wirten und Eisenhändlern, waren in dem Bericht — S. 13 — die

Herstellungskosten des Roheisens bei den rheinisch-westfälischen Werken

(ohne Amortisation und Zinsen) pro Tonne wie folgt festgestellt:

für ordinäres Puddelroheisen: Jlseder Qualität für anderes ordinäres Puddeleisen .

für Oualitäts- Puddeleisen „ Gießereiroheisen „ Bessemerroheisen

.

.

.

.

37,697 M., 45,„ 51,64 bis 60,98 M.,

58,85



63,59



61,13



70,—



Diesen Gestehungskosten waren im Bericht die Verkaufspreise gegenübergestellt.

Danach waren erzielt worden:

159 für gewöhnliches Puddeleisen:

Jlseder Qualität .... für Oualitäts-Puddeleisen . .

„ „

Gießereiroheisen Bessemerroheisen

.... ....

. . .

.

38,50 bis 39,— M.,

. .

54, 58,— 62,50

„ „ „

60, 65,— 69,-

„ „ „

Ein Vergleich dieser Verkaufspreise, welche durch die Angaben

der Roheisenkonsumenten bestätigt werden, mit den oben angeführten Gestehungskosten ergibt, daß eine sehr geringe Differenz besteht, so daß mindestens die Verzinsung und Amortisation des Anlage­ kapitals im Verkaufspreis nicht ersetzt wird, und daher mit aller Sicherheit angenommen werden kann: die Hochöfen des niederrheinisch-westfälischen Bezirkes arbeiten im Durch­ schnitt mit Verlust, insbesondere bei der Herstellung von Gießerei- und Bessemerroheisen, während die Produktion von Puddelroheisen bei den vorteilhaft arbeitenden Werken die Herstellungskosten deckt. Von der Enquetekommission waren auch die Produktionskosten in England und Belgien ermittelt worden. Sie betrugen in England:

für ordinäres Puddel-und Gießerei­ roheisen (in Cleveland) .... 36,— bis 38,— M. 2. für schottisches Gießereieisen . . 42,— „ 45,— „ 3. für Bessemerrohreisen .... 53,— „ 58,— „ 1.

sodann in Belgien: 1. 2.

für ordinäres Puddeleisen . . . für Gießereieisen............................

31,68 bis 38,52 M. 38,40 M.

Hier sind wir zu dem wesentlichsten Argument gekommen, das bei Erörterung der Frage, ob eine maßvolle Schutzzollpolitik gerecht­ fertigt und zulässig sei, und bei den hinsichtlich dieser Frage damals und auch später leidenschaftlich geführten Kämpfen die Grundlage des Streites bildete. Es ist die Frage, ob eine Industrie in einem Lande bestehen könne, deren Erzeugnisse auf dem inländischen Markte von der Industrie des Auslandes wegen der für sie günstigeren Produktions­

verhältnisse unterboten werden können, und, wenn diese Frage verneint wird, ob der Unterschied der Bedingungen für die Herstellung zugunsten der inländischen Industrie durch schützende Zölle an der Grenze tunlichst

auszugleichen sei. Diese letzte Frage ist immer nur von den bedingungslosen Frei­ händlern und deren früher freilich weit verbreiteten Anhängern verneint worden: von den Freihändlern, deren Ideal ein Phantasiegebilde, die durch geographische Grenzen nicht gestörte wirtschaftliche Welt-

160 gemeinte, war und jetzt noch ist.

Bei Beantwortung der ersten Frage

kommt es darauf an, zu beweisen, daß die deutsche Industrie im all­ gemeinen und hinsichtlich des vorliegenden Falles, insbesondere die Eisenindustrie Deutschlands unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen produziert, als die Industrien der bezüglich des Wettbewerbes besonders

in Betracht kommenden Länder. Dieser Beweis ist damals in ausgiebiger Weise erbracht worden, als es sich darum handelte, die von den leitenden deutschen Staats­ männern und ihren gesamten oberen Organen, von den Vertretern der Wissenschaft, von den politischen und wirtschaftlichen Parteien, von der Presse und der fast ungeteilten öffentlichen Meinung als einzig

richtig anerkannte Freihandelspolitik auszuschalten. Der Beweis ist erbracht worden von der vom Reichskanzler Fürsten von Bismarck eingesetzten Enquctekommission in ihrem bereits angezogenen Bericht. Diese Kommission bestand, abgesehen von dem Vorsitzenden, Obcrberghauptmann und Ministerialdirektor Dr. Serlo, der als unparteiisch angenommen werden muß, aus dem Geh. Oberregierungsrat Huber und dem Konsul H. H. Meier-Bremen, beide gehörten zu den ent­ schiedensten Vertretern des unbedingten Freihandels, und aus dem Staatsrat von Schloer und Geh. Kommerzienrat Stumm, zwei sehr­ gemäßigten Schutzzöllnern. In dem Bericht heißt es mit Bezug ans die Erzeugungskosten des Roheisens in England: „Eine Vergleichung dieser Gestehungskosten der englischen und belgischen Produktion mit denen der deuffchen zeigt, daß Deutschland ungleich teurer produziert. Die Differenz wird gegenüber den belgischen Werken, die dem deutschen Markt sehr nahe liegen, ebensowenig als gegenüber den englischen Werken, durch die höhere Fracht bis zum deuffchen Konsumtionsort ausgeglichen, indem das englische Eisen bis in die Mitte von Deutschland mittelst Wasserfracht gebracht werden kann,

die deutsche Industrie aber in dem Absatz nach dem nordöstlichen Teile Deutschlands gegenüber der englischen durch die Frachtverhältnissc wesentlich beeinträchtigt wird, da beispielsweise die Fracht von Eng­ land nach den Osffeehäfen zirka 7 M. beträgt, während die rheinischen Werke dahin 17,50 M. zu bezahlen haben. Eine Ausgleichung dieser Differenz durch eine Abmindcrung der Gestehungskosten des Roheisens in Deutschland wird einstimmig als unmöglich bezeichnet. Deutschland ist in seinen Anlagen technisch ebenso vollkommen ausgerüstet wie das Ausland, und kann nach der Ansicht der Sach­

verständigen seine Produktionskosten um so weniger weiter reduzieren,

161 iveil die Arbeitslöhne auf der zulässig niedrigsten Stufe bereits an­

gekommen sind." In ungemein bezeichnender Weise hatte der Abgeordnete Louis

Berger in der bereits angezogenen Rede auf diese Verhältnisse hin­

gewiesen. Der Abgeordnete Bamberger hatte gesagt, es sei durchaus falsch, wenn man behauptet habe, Deutschland sei nicht stark, Deutsch­ land könne bei der Eisenproduktion die Konkurrenz des Auslandes

nicht ohne mäßigen Schutz der nationalen Arbeit aushalten. Im Gegenteil, Deutschland sei wirtschaftlich stark, namentlich aber in der

Eisenindustrie. „Nur," setzte er hinzu: „nur England ist noch stärker als wir." Mit Bezug ans diese Aeußerungen fuhr der Ab­ geordnete Berger fort: „Ja, meine Herren, das Haus hat diese Worte „nur England" ntljifl. angehört, aber was würden Sie sagen, wenn ich behauptete: Bayern ist die größte Militärmacht im Deutschen Reiche, nur Preußen ist noch stärker. (Große Heiterkeit.) Meine Herren, geradeso liegt der Fall bei der Eisenproduktion. Deutschland ist stark, jawohl, stärker als Rußland, als die Schweiz, Holland, Italien, auch als Oesterreich, steht aus gleicher Linie mit Frankreich, „nur England" macht eine Ausnahme, aber eine alles überwältigende Ausnahme, denn cs ist auf dem Gebiete des Eisens drei- oder viermal so stark als wir. (Heiterkeit, sehr richtig!) Es ist noch gar nicht in dieser schon so viele Tage dauernden Debatte von den unüberwindlichen und gar nicht hoch genug zu schätzenden Vorzügen Englands in der Industrie überhaupt, namentlich aus dem Gebiete der Eisenindustrie, die Rede gewesen. ■ Wissen denn die verehrten Führer der Freihandelspartei, die ich schon vor drei Jahren danach fragte, wo die maßgebenden englischen Eiscndistrikte liegen? Wo die schottischer!, rvo Cuniberland, wo South Wales, rvo Mw Castle und endlich wo das so mächtig gewordene Cleveland liegt? Unmittelbar mit Meere! Eisen und Kohlen dicht znsanunen, so nahe am Meere, daß die Werke ihre Produkte unmittelbar in die Seeschiffe laden können.

Ich habe das an allen diesen Punkten mit

eigenen Augen gesehen, und ich wünschte lebhaft, Herr Bamberger und Genossen gingen auch einmal dahin, nm sich davon zu über­ zeugen, dann würden sie augenscheinlich von der unüberwindlichen Snperiorität der englischen Eisenindustrie und unserer notorischen und in der Nadir begründeten Inferiorität in Deutschland sicherlich eine richtige Vorstellung bekommen. Wo liegt dagegen Oberschlesien? Nun, meine Herren, an­ nähernd 100 bis 120 Meilen von der Meeresküste, umgeben von den

Heft in.

162 fast

hermetisch

(Sehr richtig!

verschlossenen

Grenzen

Oesterreichs

und Rußlands.

Wo befindet sich der Saarbrückener und Aachener Eisendistrikt? Dicht an der belgischen und französischen Grenze. Wo der westfälische? Ebenfalls wenige Meilen von der rechts.)

Grenze des Nachbarlandes,- alle aber weit entfernt vom Meere, und alle entbehren, was für Massentransport hochwichtig ist, der in England so zahlreichen Kanäle. Und da spricht man allen Ernstes davon, wir seien imstande, mit England, was uns auf allen Gebieten, namentlich aber in der Eiscnprodnktion, unendlich überlegen ist und bleibt, ohne jeden Schutz konkurrieren zu. können!" Diese Verhältnisse sind in der Hauptsache unverändert geblieben,

haben sich auch, wie beispielsweise die Verschiedenheit der geographischen Lage, nicht verändern können, sie haben daher anch heute noch vollen Anspruch auf Berücksichtigung, insbesondere im Hinblick auf die Ueberlegenheit Englands. Die außerordentliche Entwickelung der Verkehrs­ verhältnisse ist England mehr zugute gekommen als Deutschland- denn während die deutsche Industrie wesentlich auf die Eisenbahnen angciviescn ist, konnnt für die zumeist in unmittelbarer Nähe der Küste belegenen Eisenindnstriebezirke Englands die Verfrachtung auf dem Wasserwege in erster. Linie in Betracht. Diese ist in der Zwischenzeit durch die fast allgemeine Anwendung der Dampfkraft zur Fortbewegung der Schiffe, durch den zunehmenden Wettbewerb der ausnahnislos im Privatbesitz befindlichen Reedereien, ganz besonders aber durch die gewaltige Vergrößerung der Tragkraft der einzelnen Schiffskörper sehrviel billiger geworden. In Deutschland haben sich zwar die Eisenbahn­

wege ungemein vermehrt, dadurch fhib jedoch die für die Transport­ wege der Eisenindustrie einmal gcgcbenenen Entfernungen im großen und ganzen nicht wesentlich verkürzt worden. Der Umstand aber, daß

die Tarife der Eisenbahnen, auf die in der Zwischenzeit die Staaten ihre Hände gelegt haben, nicht in entsprechender Weise ermäßigt worden sind, ist bis zur Gegenwart die Ursache lebhafter Klagen seitens der deutschen Eisenindustrie gewesen. Die Verhältnisse der deutschen Eisenindustrie haben sich sogar in der neueren Zeit noch ungünstiger gestaltet durch das Auftreten eines neuen höchst gefährlichen Wettbewerbes der Eisenindustrie in den Ver­

einigten Staaten von Amerika. Zur Beurteilung der Verhältnisse dieser Industrie möchten wir uns gestatten, auf den Reisebericht des

Professor Ur. Baum über Kohle uud Eisen zu verweisen, der unlängst in der Zeitschrift „Glückauf" veröffentlicht worden ist. Er weist nach, daß schon bei der Niederbringung der Schächte zur Gewinnung des Rohmaterials, Kohlen und Erze, die günstigen Vorbedingungen für

163

Nach dem Bericht

die Industrie der Vereinigten Staaten beginnen.

befindet sich in den Vereinigten Staaten ein Kohlenschacht zwei bis drei Jahre nach dem ersten Spatenstich in voller Förderung- in

Deutschland

dagegen

mindestens fünf Jahre,

bis

vergehen

zur

Erreichung

in schwierigen Fällen,

dieses

Zieles

die nicht selten sind,

aber bis zu zehn Jahren und niehr. Die Ueberlegenheit Amerikas beim Abbau der Kohle infolge der günstigeren natürlichen Lagerung ist bekannt: es können dort Maschinen Verwendung finden, die bei

unseren anders gearteten Kohlenflözen anzuwenden unmöglich ist usw. Welchen Einfluß diese natürlichen Verschiedenheiten ausüben, geht

daraus hervor, daß die durchschnittliche Förderleistung pro Kopf und Schicht in Pennsylvanien 1900 .

. 3,32 t

Saarrevier 1906

. 0,786 t . 0,862 t . 1,166 t

Ruhrrevier 1906 Oberschlesicn 1906

. .

. . .

betrug. Ju der Zwischenzeit wird sich das Verhältnis wahrscheinlich noch wesentlich zu ungunsten Deutschlands verschoben haben. Ent­ sprechend ist der Wert einer Tonne nicht anfbereiteter Steinkohle, der im Durchschnitt 1900/1906 in Mark betrug:

in den Vereinigten Staaten 5,73 „ Deutschland .... 8,83.

Nicht anders steht es mit den Erzen. Als Mittel der Kosten für die Förderung einer Tonne Eisenerze aus dem Tagebau wird für Amerika 1,50 M. angegeben, davon 1 M. für Abgaben, dagegen nur 24 Pf. für Löhne. Dabei ist zu beachten, daß die amerikanischen Erze im allgemeinen einen Gehalt von 60 pCt. haben, während die deutschen durchschnittlich einen solchen von 34 pCt. aufweisen. Die Ueberlegenheit unserer Hauptwettbewerber setzt sich fort bei den Frachtkosten. Im Folgenden sind die Frachtsätze in Amerika und in Preußen gegenübergestellt:

Frachtsätze

(Pfg. für 1 km).

Amerika.

Preußen, a) Kohlen.

Durchschnittsfracht.

Für mittlere Entfernungen.

Jnlandsverkehr (1901)

im Osten. . Ausfuhr ...

.

. 1,15 ca. 0,6

1,9—2,3 1,3 b) Eisenstein.

Normaler Tarif 1903 .

1,74

2,47 li*

164 Preußen.

Amerika.

c) Normcrlfätze für Güter. Durchschnittsfracht. ' Für mittlere Entfernungen. Sätze der Offizial-Klaspsckation. 6—11 Stückgut

.

4,72

8,5 im Mittel

4,05 3,17 2,22

nn Mittel

n

. . .

H

.

1,89

.

1,58

I. Klasse .

II. III. IV. V. VI.

// n

Wagenladung 6—8 Tarif I » „

H HI (2,6--2,2)

7 4,5 3,5 2,4.

Die Frachtsätze sind also in Preußen im Mittel 65—70 pCt.

höher als in Amerika, d. h. die offiziellen Frachtsätze. Es ist nun aber bekannt, daß die Trusts und unter ihnen nicht zum mindesten die United States Steel Corporation infolge Beherrschung der Eisen­ bahnaktien oder durch vollkonimenen Besitz der Transportwege und -mittel

in Wirklichkeit weit geringere Frachtsätze genießen, als oben angegeben wurde. Durch diese geheimen Refaktien werden wohl die auf. den Königlich preußischen Staatsbahnen durch die Gewährung von Aus­ nahmetarifen eingetretenen Frachtermäßigungen ihren Ausgleich finden. Man wird daher in der Annahme nicht fehl gehen, daß die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten ihre Rohmaterialien durchweg zu Frachtsätzen beziehen kann, die um die Hälfte und mehr unter den in Deutschland üblichen liegen. Diese gewaltigen Unterschiede werden auch nicht durch die im allgemeinen größeren Entfernungen in den Vereinigten Staaten ausgeglichen, weil regelmäßig ein Teil, in den meisten Fällen ein großer Teil des Weges zu Wasser zurückgelegt werden kann. Dann ist zu berücksichtigen, daß die Vereinigten Staaten bezüglich der Eisenindustrie ihren Jnlandsmarkt mit einem Zollschutz umgeben haben, der fast jede Einfuhr ausschließt. Die amerikanische Eisenindustrie,

die in den Haupterzeugnissen außerdem durch

einen

machtvollen Trust den Jnlandsmarkt beherrscht, ist durch diese Ver­ hältnisse für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt mit um so größerer

Kraft ausgerüstet. Daher kann sie, wenn vorher nicht eine Verständigung mit dem Trust gelungen ist, in allen Weltteilen die Preise grundsätzlich

unterbieten. Kürzlich ist die Tatsache bekannt geworden, daß von einer amerikanischen Firma von vornherein alle in Deutschland abgeschlossenen Geschäfte ihrer Vertreter — ein süddeutsches Geschäft — gutgeheißen wurden, zu welchen Preisen sic auch immer abgeschlossen werden sollten. Freilich mich anerkannt werden, daß die deutschen Eisenindustriellen bei Ausnutzung gerade der nenesten umwälzenden Erfindungen auf deni

Gebiete der Stahlerzeugung infolge ihres größeren technischen Könnens,

165

ihrer zähen Energie und besser ausgebildeten kaufmännischen Fähig­ keiten ein gewisses Uebergewicht über ihre englischen Wettbewerber erlangt haben. Zunächst aber muß darauf hiugewiesen werden, daß diese Ueberlegcnheit nur hatte entwickelt und so 'erfolgreich betätigt werden können auf der Grundlage einer durch entsprechende Schutz­

zölle bereits gesicherten Existenz. Dann aber muß hier ganz besonders heroorgehoben werden, daß die Vorteile dieses Uebergewichtes aus­ geglichen sind zugunsten Englands durch die aus der neueren Ent­

wickelung der staatlichen Verhältnisse hervorgegangene neue schwere Belastung; wir meinen die Belastung durch die sozialpolitische Gesetz­ gebung. Zu dieser treten die Kosten der von dem Werken zum Wohle der Arbeiter freiwillig getroffenen Einrichtungen. Für die Höhe dieser Belastung gestatten wir uns, nachstehend einige Beispiele anzuführen,

in denen auch

die sonstigen Stenern und Lasten noch Eiivähnung

gefunden haben. Die Königs-

und Laurahütte wendete im Berichtsjahre 1907/08 ans: 1. zugunsten der Beamten und Arbeiter . . 3 719 605,06 M. 2.

für Stenern und Lasten

844 990,39 „ zusammen

Da der verteilbare Neingewinn des Unternehmens

4 564 595,45 M.

3 990 731,75 „

betrug, so überragen jene Ausgaben den Gewinn um

573 863,70 M.

Rechnet man die Ausgaben zu 1 und 2 dein Reingewinn zu, so erhält

man die Summe voll

.

8 555 327,20 M.

von der die Wohlfährtsausgabeu die Lasten

43,48 pCt.

9,87

53,35 pCt.

zusammen

betragen.

Der Bochumer Verein für Bergbau und fabrikatiou entrichtete im Geschäftsjahre 1907/08:

1.

Unfall-,



Gußstahl-

Kranken- und Jiroalidenversiche-

rungsbeiträge (Werksbeiträge) .... 2. Allsgaben für verschiedene Wohlfahrtsein­ richtungen, Ueberweisungen an die Bcamten-

861 226,44 M.

PensionskasseundUnterstützungen an Arbeiter

und Arbeiterfamilien 3.

Steuern

238 886,64 „

.............................

Summa

572 648,11 „

1 672 761,19 M.

Der Gesamtreingewinn für das Geschäftsjahr 1907/08 beträgt 4 436 500,17 M. und die Dividende 3 780000 M.

Die

vorstehend

166

berechneten 1 672 761,19 M. ergeben 37,70 pCt. des Reingewinns und 44,25 pCt. der zu zahlenden Dividende. Die Union, Aktiengesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahl­ industrie in Dortmund, zahlte im Geschäftsjahre 1907/08 an: Steuern .......................... 268217,65 M. Beiträgen zu den Arbeiter-Krankenkassen und zur Invaliden-, Witiven- und Waisenkasse . . 111 909,28 „ Beiträgen zu den Knappschaftskassen 307 843,39 „ Beiträgen zur Unfallversicherung der Arbeiter und Beamten 413 990,65 „ die Alters- und Jnvalidenversicherungsanstalt . . 98 043,58 „ Lebensversicherungsbeiträgen und außerordentlichen Unterstützungen der Arbeiter und Beamten 101 739,57 „

insgesamt

1 301 744,12 M.

mithin einen Betrag, der 3,10 pCt. des Aktienkapitals ausmacht. Der Reingewinn der Werke betrug 1 950 369,30 M., also nur 648 625,18 M. mehr als der Betrag für soziale Zwecke. Fried. Krupp, Aktiengesellschaft in Essen. In der Gewinn- und Berlustrechnung für 1906/07 betragen: Steuern . '. . . . . 4137 578,— M.

Arbeiterversicherung . Wohlsahrtsausgaben

.

3 391 041,— „ 4 775190,— „

zusammen 12 303 899,— M. Der Gewinn aus 1906/07 beläuft sich auf . . . 24 844 266,— M. so daß die vorgenannten Lasten fast 50pCt., fast die Hälfte des Gewinns ausmachen. Für Arbeiterversichernng und Wohlfahrts­ einrichtungen allein wurden 8 166 231 M. ausgegeben, also ungefähr 30 pCt. oder fast ein Drittel des Gewinns. Außerdem wurde von letzterem noch 1 Million für die Arbeiterstiftung verwendet. Auf die Aktien verteilt wurden 18 Millionen — 10 pCt. des Aktien­ kapitals, so daß für Steuern, Arbeiterversicherung und Wohlfahrts­ ausgaben über % von der den Aktionären zufallenden (Summe aus­ gegeben wurden. Die Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft zählte 1907 an Staats- und Gemeindesteuer 2 097 486 M., d. i. 12,14 pCl. vom Reingewinn,' für Knappschaftsgefälle 1690046 M., d. i. 9,79 pCt. vom Reingewinn,' Beitrag zu Unfallberussgenossenschaften 1864538 M, d. i. 10,79 pCt. vom Reingewinn,' Beitrag zur Invaliden- und Alters­ versicherung 351 949 M., d. i. 2,04 pCt. vom Reingewinn,' Gesamt­ summe ausschließlich der Beiträge der Arbeiter 6 004 020 M., d. i.

167

3476 pCt. vom Reingewinn.

Die Lasten auf den Kopf der be-

schiftigten Arbeiter beliefen sich auf 149 M. Phoenix,

Aktiengesellschaft

für

Bergbail

und

Hüttenbetrieb,

zatlte int Geschäftsjahr 1907/08 au: Beiträgen zu den Unfallversicherungsgenossenschaften, zu den Kraukeu-

und Jnvalidenkassen, sowie für die Jnvaliditäts- und Alters-

versichcrrmg Beträgen zu den Beamten-PensionSkassen . Unterstützungen .........................................................

2 848 936,55 M. 56 061,54 „ 64 280,85 „

De? durch die Einnahmen für die den Meistern und Arbeitern zn billigen Mietspreisen über­

lassenen Werkswohnungen nicht gedeckte Be­ trag für die Unterhaltung der Arbeiter­ kolonien und für Berzinsung der Aulageiverte beläuft sich für 1907/08 auf rund .

75 000,— „

zusammen Die Gesamtsumme der gezahlten Staats- und Kommunnlstencrn beläuft sich ans. . . . .

3 044 278,94 M.

Summa

4 940 339,62 M.

1 896 060,68 „

Der Geivinn des Geschäftsjahres 1907/08 beträgt 15263470,— M. Die für Arbeiterversicherüng und Wohlfahrtszwecke aufgeivendete Summe macht hiernach 32,37 pCt. vom Gewinn aus. Diese Beispiele zeigen die außerordentliche Vorbelastung der deutschen Industrie ihren Wettbeiverbern im Auslande gegenüber" denil

in England ist eine ähnliche den Arbeitern durch die Gesetzgebung zu­ gewendete Fürsorge erst in den Anfängen begriffen. In Belgien und den Vereinigten Staaten fehlt sie noch gänzlich. Auch die privaten,

freiwilligen Wohlfahrtseinrichtungen

stehen in

jenen Ländern weit

hinter denen auf den deutschen Werken zurück. Unzweifelhaft aber wird durch diese Vorbelastung der deutschen Industrie der Wettbewerb mit der Industrie des Auslandes und der Widerstand gegen das Ein­ dringen ausländischer Erzeugnisse ungemein erschwert. Daher ist auch in dieser Beziehung zur Erhaltung unserer Industrie ein Ausgleich durch eine angemessene Schutzzollgesetzgebung unbedingt erforderlich.

Dieser Ausgleich ist aber auch notwendig int Hinblick auf die int Auslande bestehenden Zollschranken. Wir gestatten uns, in der nächsten Tabelle eine Zusammenstellung der Zölle auf Roheisen, Eisenhalbfabrikate und schwere Eisemvaren in den hauptsächlich in Betracht kommenden Ländern zu geben,

und zivar die Zollsätze für 1 Doppel­

zentner in der Währung der betreffender! Länder:

Länder

Deutsches Reich Belgien. . . . ;

Währung

Mk. f. 1 dz

. . .