Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 108 April 1908 [Reprint 2021 ed.] 9783112468081, 9783112468074


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Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 108 April 1908 [Reprint 2021 ed.]
 9783112468081, 9783112468074

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Werhandkungen, Willeikungen und

Berichte des

Ceutlalmbandrs Deutschkl IndilgneUer. As.

108.

Herausgegeben M. A. Durch, geschäftsführendem Mitglied im Direktorium,

Berlin ID., Karlsbad ^a. Telephon: Nr. 2527, Amt VI

April 1908.

Berlin 1908. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Inhaltsverzeichnis. Seite

I. Sitzung -es Ausschusses am 13. Marz 1908 zu Berlin. Vorsitzender Landrat Roetger.. Rechnungsprüfung............................. Kooptation in den Ausschuß...................................................... Diskussion des Entwurfs eines Gesetzes über die Arbeits­ kammern ................................................................................... Diskussion des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Ab­ änderung der Gewerbeordnung.......................................

7 7 7 7

11

II. Versammlung -er Delegierten am 13. März 1908 zu Berlin. Vorsitzender Landrat Roetger . . . 15 Begrüßung durch den Vorsitzenden 15 Huldigung für den Kaiser.................................................................15 Telegramm an Major Vopelius.................................................. 16 Ergänzungswahlen in den Ausschuß.......................... 16

Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern.

Bericht von Bueck...................................................... Anträge . .

17 48

Diskussion. Dr. Büttner-Augsburg .... ... 49 Dr. Beumer-Düsseldorf.................... 55 Stumpf-Osnabrück............................. ... 56 Krabler-Essen............................................................................... 61 Vorsitzender ........................ 61 Bueck-Berlin . . ................................................. 61 Annahme der Anträge.......................................................................... 61

Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Ge­ werbeordnung. Anträge............................................................................................. 62 Bericht von Dr. Leidig . .... 64

r

4 Diskussion. Seite Vorsitzender......................................................................... 83 Steller-Köln......................................................................... 84 Vorsitzender......................................................................... 85 Steller-Köln......................................................................... 85 Dr. Leidig-Berlin.................................................................85 Steller-Köln......................................................................... 66 Vorsitzender......................................................................... 86 Stumpf-Osnabrück.................................................................86 Dr. Leidig-Berlin.................................................................87 Stumpf-Osnabrück.................................................................87 Vorsitzender......................................................................... 87 Steller-Köln......................................................................... 87 Haasemann-Bremen............................................................ 87 Dr. Leidig-Berlin.................................................................88 Sartorius-Bielefeld . . . 89 Langen-M.-Gladbach............................................................ 89 Dr. Leidig-Berlin ................................................................ 90 Meyer-Hamburg......................... . 90 Ditges-Berlin ............................................................ 91 Dr. Beumer-Düsseldorf........................................................ 91 Dittmar-Magdeburg.............................................................91 Vorsitzender.............................................. 92 Hummel-Ettlingen................................................................. 92 Langen- M.-Gladbach............................................................ 92 Vorsitzender......................... 93 van Delden-Gronau . 93 Dr. Leidig-Berlin . ............................................................. 93 Steller-Köln..................... 93 Haasemann-Bremen ............................................................. 93 Vorsitzender . 94 Steller-Köln..........................................................................94 Dr. Leidig-Berlin................................. 94 Haasemann-Bremen............................................................ 94 Göhring- Spindlers feld........................................................ 94 Stark-Chemnitz..................................................................... 95 Haasemann-Bremen....................................................... 96 Stark-Chemnitz.......................................... 96 Dr. Leidig-Berlin.................................................................96 Haasemann-Bremen............................................................ 97 Stark-Chemnitz...................................... 97 Vorsitzender.................................................................... 97 Sartorius-Bielefeld............................................................ 97 Vorsitzender......................................................................... 97 Sartorius-Bielefeld............................................................ 98 Vorsitzender..........................................................................98 Dr. Beumer- Düsseldorf ......................................................... 98 Neubarth-Forst..................................................................... 98 Dr. Leidig-Berlin . . . .............................. 98

-

5



Haasemann-Bremen . . Vorsitzender........................ Stumpf-Osnabrück. . . Dr. Leidig-Berlin ... Prüssing - Schönebeck ... Vorsitzender (Schlußwort).

Seile 98 99 99 99 99 100

...

HI. Beschlüsse der Delegierten»«ersammlung.................. IV. Entwurf eines Gesetzes über dieArbeitskammern. Dessen Begründung.

101

.

.

107

116

V. Die Novelle zur Gewerbeordnung............................................. 131 VI.Die gültige Gewerbeordnung im Vergleich zur Novelle . 155 VII. Präsenzliste der Ausschutzsitzung............................ . . 201 Vin. Präsenzliste der Delegiertenversammlung............................... 206 IX. Verzeichnis des Ausschusses des Centralverbandes . . 218 X. Das Debckele des holländischen Arbeitskammer-Gesetzes . 224

Sitzung -es Ausschusses im Aünstlerhause

Berlin ant US. Mär; 1908.

Der Vorsitzende Landrat a. D. Roetger-Essen eröffnet die Sitzung um 9y2 Uhr und teilte zum ersten Punkt der Tagesordnung, geschäft­ liche Angelegenheiten, mit, daß die Revision der Rechnung des Jahres 1907 von den zur Prüfung ausgewählten Herren am 5. März geprüft und Entlastung erteilt worden ist. Das Wort wird hierzu

nicht gewünscht. Zum nächsten Punkt der Tagesordnung macht das Direktorium folgende Vorschläge für die Kooptation in den Ausschuß: Seine Hoheit Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, der seit einiger Zeit

dem Centralverbande als wirkliches Mitglied beigetreten ist; Herr Mundt von der Firma H. Kühn in Berlin, dessen Zuwahl vom

Ausschuß der Ton-, Zement- und Kalkvereine beantragt worden ist; der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Lausitzer Brikett - VerkaufsVereinigung, Direktor der „Eintracht"-Brikett-Fabriken, Herrn Schaaf­ hausen und Dr. Graf von Brockdorf, Syndikus der Handelskammer von Oppeln; ohne Debatte werden die genannten Herren kooptiert. Sodann wird zum nächsten Punkt derTagesordnung übergegangen:

Entwurf eines Gesetzes über Arbeitstammern. Bueck-Berlin, geschäftsführendes Mitglied im Direktorium, verliest die Anträge, welche vom Direktorium zur Vorlage bestimmt worden sind (f. Seite 48/49), und bemerkt, daß der Sinn der Begründung, welche er in der Delegiertenversammlung zu geben haben werde, ziemlich deutlich erkennbar aus den Resolutionen und Anträgen hervorgehe.

Der Borfitzende stellte sodann diese zur Diskussion. Zunächst

warf Professor Budde-Berlin

die Frage

auf,

ob,

wenn der Bundesrat die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf nicht, wie die Anträge wünschen, verweigert, später noch Gelegenheit sein wird, sich über denselben und die einzuschlagende Politik zu äußern.

8 Bueck-Berlin erwidert, daß, sobald das Direktorium von etwaigen Aenderungen, welche Bundesrat oder Reichstag an dem Entwurf vor­ nehmen würden, Kenntnis erhält, es wie regelmäßig bei der Be­ handlung wichtiger Gesetze jedenfalls die Organe des Centraloerbandes berufen wird, um in den weiteren Stadien des Fortschritts zum Gesetz Stellung zu nehmen. Abg. Dr. Beumer-Düsseldorf macht noch besonders darauf auf­

merksam, daß es sich hier nur um einen Gesetzentwurf handelt, der an den Bundesrat gelangt ist, und der vorläufig lediglich zur Beratung innerhalb des Bundesrats steht. Das also, was wir hier zu beraten und zu beschließen haben, richtet sich zunächst an die Adresse der einzelnen Bundesregierungen, und wird dort hoffentlich seine Würdi­ gung finden, bevor ein

endgültiger Gesetzentwurf an den Reichstag

gelangt.

Generalsekretär Steller-Köln bemerkt, die Arbeitskammervorlage sei eine solche, die in der öffentlichen Meinung jedenfalls einen starken Rückhalt habe. Daß der Entwurf in dieser Fassung unmöglich an­ genommen werden könne, das zu betonen habe die Industrie ja voll­ ständig das Recht und jedenfalls alle Veranlassung. Die größten Bedenken beständen, daß der Entwurf im Reichstag noch eine erheb­ liche Verschlechterung in unserem Sinne erfahren werde. Der Centralverbanb möge sich also nicht völlig ablehnend verhalten, und noch

betonen: wir begrüßen jedes Mittel, das geeignet erscheint, den Frieden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen, wenn wir uns von ihm auch keinen Erfolg versprechen können in der vorliegenden Fassung. Generalsekretär Stumpf - Osnabrück erklärt sich meinen mit dem Inhalt der Resolution einverstanden;

einige redaktionelle Aenderungen

vor,

im allge­ er schlägt

welche angenommen

werden,

und bemerkt noch: wenn im Sinne des Kaiserlichen Erlasses den Arbeitern eine gesetzlich sanktionierte Vertretung gegeben werden solle,

möge man sie ihnen so geben, daß sie unbeeinflußt von anderen Seiten und Stellen unter sich zu der Klarstellung ihrer Interessen und Wünsche kommen.

Es wäre erklärlich, wenn die Reichsregierung nicht mit Organisationen ver­

und überhaupt die Staatsbehörden

handeln wollen, welche die ganze bürgerliche Ordnung leugnen und umstürzen wollen, wenn die Regierung also Organisationen haben

wolle, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen. in der Resolution Ausdruck finden können. Der Vorsitzende Landrat Roetger-Essen

Dieser Gedanke hätte erklärt zu den Be­

merkungen der beiden Herren Vorredner allgemein:

9 Das Direktorium hat nach sehr eingehender Erörterung

dieser

Frage sich gesagt, daß es im gegenwärtigen Moment nach der Ge­ schäftslage nicht richtig sein dürfte, die taktischen Momente in den Vordergrund treten zu lassen. (Sehr richtig!) Das Direktorium ist davon ausgegangen, daß die Erörterung dieser für die Industrie hoch­ wichtigen Frage in diesem Zeitpunkt innerhalb des Schoßes des

Centralverbandes Deutscher Industrieller, wie überhaupt innerhalb des

Schoßes

der deutschen Industrie lediglich

vom sachlichen Gesichts­

punkte auszugehen habe, aus dem Grunde, weil die Industrie alle Veranlassung dazu hat, im gegenwärtigen Moment, wo wir in dieser Frage an einem Scheidewege stehen, auch ein für allemal ihre Auf­ fassung niederzulcgen und in markanter Weise zum Ausdruck zu

bringen. Es entspricht diese Auffassung auch durchaus dem bisherigen Verhalten des Centralverbandes in solchen wichtigen Fragen.

Der Vorsitzende erklärt weiter, der Gesichtspunkt, es möchte zum Ausdruck kommen, daß auf feiten der Vertretung der Industrie durchaus das Verständnis besteht für die Absicht der Regierung, alles zu tun, was in der Richtung der Herstellung eines guten Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitern getan werden kann, habe wohl unser aller Sympathie. Dieser Gesichtspunkt solle in der Begründung auSgesührt werden. Das geschäftsführende Mitglied im Direktorium, Bueck-Berlin betont, daß wir uns wegen des Erfolges nicht in unserer Ueber­ zeugung stören lassen dürfen. Der öffentlichen Meinung, die etwas sehr Schwankendes sei, dürfe man nicht zu viel Rechnung tragen. Wenn beklagt werde, daß wir nicht gewissermaßen eine positive Stellung den Vertretungskörperschaften gegenüber eingenommen haben, da es doch wünschenswert und gut wäre, wenn diese von dem Einfluß der Sozialdemokraten und der Organisationen befreit werden könnten, so erwidert Bueck: „Glaubt denn einer von Ihnen, daß in

absehbarer Zeit dieser Einfluß der Sozialdemokratie und der Organi­

sationen der Arbeiter irgendwie durch derartige Körperschaften aus­ geschaltet werden könnte? Ich glaube es nicht." Generaldirektor Werminghosf-Berlin führt aus, auch ihm scheine es angezeigt,

in der Resolution den Wunsch auszusprechen,

daß eine

Verständigung herbeigeführt werde, und eventuell in welcher Richtung diese Verständigung zu finden sei. Kommerzienrat Funcke-Hagen erkennt die Notwendigkeit an, mit

den Organisationen der Arbeiter rechnen zu müssen. Aber wir fassen wahrscheinlich alle die heutigen Arbeiterorganisationen in dem Sinne

auf, daß sie das Wohl der Arbeiter nur als Deckmantel zur Er-

10 langung politischer

Ziele und politischer Macht benutzen.

Redner

möchte, daß das in der Resolution zum Ausdruck gelange.

Bneck-Berlin hebt, auf einen früheren Redner zurückkommend, hervor, daß der Centralverband sich noch nie gefürchtet habe und nach wie vor das festeste Bollwerk gegen die Sozialdemokratie bleiben müsse. Das muß uns den Mut geben, auch offen auszusprechen, was wir meinen. Generalsekretär Dr. Boltz-Kattowitz tritt dafür ein, daßwir im Central­ verband ausschließlich unsere wirtschaftliche Ueberzeugung zum Ausdruck bringen und uns nicht darum kümmern sollen, wohin die öffentliche Meinung geht, und ob unsere Stellungnahme etwas nützt oder nicht. Redner hält, unter schroffer Verwerfung der vorgeschlagenen Arbeits­

kammern, es durchaus nicht am Platze, irgendwelche Gegenvorschläge zu machen. Auch Generalsekretär Dr. Tille-St Johann-Saar erklärt sich mit der negativen Fassung der Resolution ganz einverstanden. Generalsekretär Dr. Steller-Köln führt u. a. an, tatsächlich sei die Ansicht in manchen Kreisen der Industrie verbreitet, daß man mit einem solchen Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern etwas Gutes erreichen könne, wenn die Einrichtung richtig getroffen sei. Das sei ja leider hier nicht der Fall. Man sollte den ungeeigneten Vor­

schlägen etwas Positives entgegensetzen. Abg. Dr. Beumer-Düsseldorf glaubt, daß das noch zu erstattende Referat des Herrn Bueck alle Bedenken zerstreuen werden er habe mit

Herrn Bueck wiederholt Gelegenheit gehabt, über die Sache zu sprechen. Die Tendenz gehe tatsächlich dahin, daß jedes Institut auch vom Central­

verband begrüßt wird, das den Frieden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern fördern kann, daß aber der geplante Gesetzentwurf nicht das richtige Mittel dazu ist.

Syndikus Dr. Dietrich-Plauen möchte kurz zum Ausdruck bringen, daß die Handelskammer Plauen ebenfalls zur Ablehnung des Entwurfs gekommen ist, aber aus einem etwas anderen Gesichtspunkte.

Nach weiteren Bemerkungen der Herren Professor Budde, des Vorsitzenden, Generalsekretär Ditges, Steller, Stumpf und Bueck

wird die Diskussion geschlossen.

Der Borfitzende gibt ein Resumo. Darauf wird der Antrag des Direktoriums mit einigen aus den Debatten des Ausschusses hervorgegangenen Aenderungen ein­

stimmig angenommen.

11 Zum nächsten Punkt der Tagesordnung:

Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung referiert Regierungsrat Professor Dr. Leidig.

Er weist darauf hin,

daß es hier wohl angebracht sei, sich auf die hauptsächlichsten Fragen

zu beschränken, da es nachher in der Delegiertenversammlung möglich sein werde, Einzelheiten ausführlich zu besprechen. Wir haben 6 Punkte herausgenommen: einmal die Konkurrenzklausel, dann die Fortbildungs­

schulen, den Zehnstundentag, die Hausindustrie und zwei allgemeine Punkte, Verschärfung der Strafbestimmungen usw. Redner geht auf Stellungnahme des Centralverbandes und die Beschlüsse Delegiertenversammlung vom 28. Oktober 1907 kurz ein.

die

der

Auf Anfrage des Vorsitzenden wird auf eine Generaldiskussion überhaupt verzichtet und nur in eine Spezialdiskussion über einzelne Punkte ein getreten, wobei Herr Bueck, mit Rücksicht auf die nach­ folgende Delegiertenversammlung, entsprechende Beschränkung empfiehlt. Die Erörterung betreffs der Konkurrenzklausel, an welcher sich die Herren Stumpf, Steller, Leidig, Brandt, Tille, Dietrich, Budde beteiligen, dreht sich hauptsächlich um die Frage, ob und in­ wieweit der Angestellte sich durch Zahlung einer verabredeten Kon­ ventionalstrafe von seiner Verpflichtung entledigen darf. Gegen die einfache Beseitigung dieser Möglichkeit werden Bedenken geäußert. Darauf bemerkt der Referent Dr. Letdig-Berlin: Es handelt sich ledig­ lich darum, daß nach unserem Vorschlag in jedem einzelnen Falle mit

dem Angestellten vereinbart werden kann resp, zu vereinbaren ist: der Richter hat auszulegen, was ist unter Konventionalstrafe zu ver­ stehen, soll sie die Verletzung des Vertrauensbruchs ablösen oder soll der Betroffene nachweisen können, daß der Schaden größer gewesen ist. Nummer 1 der Vorschläge des Direktoriums wird darauf mit einigen Aenderungen angenommen. Bei Nummer 2 handelt es sich um die neue Bestimmung, daß jetzt auch für weibliche Arbeiter die Fortbildungsschule, und zwar bis zum 18. Jahre eingeführt werden kann. Referent Dr. Leidig weist darauf hin, daß namentlich von der Textilindustrie die Be­ kämpfung dieser Bestimmung lebhaft gewünscht wird. Verschiedene Vertreter der Textilindustrie bringen dafür ihre Gründe vor. Namentlich führt Herr Direktor Haasemaun-Bremen aus:

Wir fürchten in der Regierung der weiblichen

der Textilindustrie durch die neuen Vorschläge

betreffend den obligatorischen Fortbildungsunterricht Arbeiter sehr geschädigt zu werden. Diese führen

12

namentlich zu Ungerechtigkeiten, weil das Inkrafttreten der Vor­ schriften in das Belieben der einzelnen Gemeinden gestellt wird. Nehmen Sie beispielsweise die thüringische Textilindustrie, wo ganz gleichartige und konkurrierende Fabriken, räumlich nicht weit von ein­ ander entfernt, in anderen Gemeinden und sogar in anderen Bundes­

staaten liegen. Werden nun seitens einer Gemeinde, vielleicht unter dem Druck der betreffenden Regierung des «inen Bundesstaates, die vorgeschlagenen Bestimmungen der Fortbildung-schulen eingeführt, während in der naheliegenden Gemeinde des anderen Bundesstaates dieses nicht geschieht, so wird gewiß ein Abwandern der Arbeiterinnen

von den Fabriken der einen Gemeinde in die Fabriken der anderen eintreten. Durch eine einfache Gemeinde-Verfügung kann also das Bestehen großer Fabriken in Frage gestellt werden. Redner befürwortet entschieden den Wunsch, daß die obligatorische Begrenzung nicht über das 16. Lebensjahr hinausgehe, und ferner, daß die für Fabrikarbeiterinnen in Frage kommende Fortbildungs­ schulzeit nicht in die Berufsarbeitszeit falle. Kommerzienrat Stark-Chemnitz steht ziemlich auf demselben Stand­ punkt wie der Vorredner. Wenn durch Ortsstatut zu verschiedenen Stunden die Fortbildungsschulzeit angesetzt werden könne, so könne man 8 bis 10 verschiedene Fortbildungsschulstunden haben, falls man seine Arbeiter aus 8 bis 10 Orten herausnimmt. Es müßte möglich sein, daß in größeren Bezirken einheitlich durch die Behörde die Zeit festgesetzt wird. Hier haben wir schon eine Durchlöcherung der sechzig­ stündigen Arbeitszeit, man kommt so auf 58 bis 56 Stunden herunter. Dr. Brandt-Düsseldorf meint, auf der anderen Seite könnte man sagen, es sei gerade eine wohltätige Einrichtung, daß man die Gemeinden mit der Festsetzung der Unteriichtsstunden betraue; denn in der Ge­

meinde werde es dem Unternehmer viel leichter möglich sein, die Zeit

in Anpassung an die praktischen Bedürfnisse festzulegen. Wenn aber die Gemeinde diese ganze Unterrichtseinrichtung zu treffen hat, könnte

sie dazu übergehen, die allgemeine gewerbliche Fortbildungsschule auch für Mädchen einzurichten. Das würde Redner für eine nicht gerade sehr glückliche Sache halten. Er befürwortet eine Bestimmung, wonach es erwünscht ist, im Unterricht für die Mädchen die hauswirtschaftliche Belehrung in den Vordergrund zu stellen. Regierungsrat Dr. Leidig-Berlin bemerkt, es werde nicht angehen, eine Resolution dahin zu fassen, daß der Fortbildungsschulzwang nicht in die Tagesstunden zu legen ist. Der Centraloerband habe das stets für eine Bildungsfrage erklärt, in welche die Großindustrie nach der Richtung nicht hineingreifen könne. Redner hebt ferner hervor, es sei

13 ja nichts geändert am gegenwärtigen Zustand.

Für die männlichen jugendlichen Arbeiter wird der Fortbildungsschulzwang durch Ortsstatut cingeführt. Nun soll das für die weiblichen anders gemacht werden? Wir können doch nicht sagen: für die weiblichen geht es nicht, für die männlichen geht es. Was die anderen Bedenken anlangt hinsichtlich der zuständigen Behörde, so sei das ja nicht die Gemeindebehörde. In Preußen ist es der Regierungspräsident, und durch diese Bestimmung will man der Industrie entgegenkommen. Man will die Möglichkeit

geben, den veränderten Verhältnissen entsprechend die Stunden anders zu legen.

C. O. Langen-M.-Gladbach führt aus, der Umstand, daß in ein­ zelnen Bundesstaaten (Süddeutschland) der Fortbildungsschulzwang für wetbltche Arbeiter schon besteht, sei doch nicht zwingend, auch für andere Bundesstaaten solchen einzuführen. Die Textilindustrie werde durch diese Bestimmung schwer geschädigt. Dr. Tille-St. Johann-Saar weist darauf hin, daß der Handels­ minister vor zwei Jahren einen Erlaß über die Handelsfortbildungs­ schule herausgegeben hat; danach muß der Unterricht zwischen 8 Uhr

morgens und 8 Uhr abends gelegt werden. Es sei absolut aus­ geschlossen, daß in Preußen davon abgegangen werde. Auf Anregung des Vorsitzende» werben mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit die weiteren Erörterungen in die Delegiertenver­ sammlung verlegt, ohne daß im Ausschuß eine Abstimmung stattfindet. In eine Erörterung des Vereinsgesetzes wird nicht eingetreten.

Der Vorsitzende schließt nach 12 Uhr die Ausschußsitzung.

Delegierten - Versammlung des

(Lentralverbandes Deutscher Industrieller, Areitcrg, den 13. März 1908, 12'"/4 Wbr. Vorsitzender Landrat Roetger-Essen: Ich eröffne die DclegiertenVersammlung des Centralverbandes Deutscher Industrieller und heiße die Herren Delegierten namens des Direktoriums herzlich willkommen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, gleichzeitig willkommen heißen zu können einen Vertreter der preußischen Staatsregierung in der Person des Herrn Geh. Oberregierungsrat Neumann, welchen der Herr Minister für Handel und Gewerbe zu unserer heutigen Versammlung

deputiert hat. Wir sind dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe dankbar dafür, daß er uns durch die Entsendung des Herrn Geheimrats einen Beweis gegeben hat für das hohe Interesse an unseren Verhandlungen, und ich hoffe, daß der Herr Geheimrat aus den heutigen Verhandlungen mancherlei Anregungen mitnehmen wird,

die vielleicht für die preußische Staatsregierung, als den bedeutendsten

Faktor in unserem Bundesrat, nicht ganz unwesentlich sein werden. Des weiteren habe ich zu begrüßen die Herren Vertreter der uns in Interessengemeinschaft verbundenen Verbände. Ich heiße auch diese Herren namens des Direktoriums herzlich willkommen. Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten,

allen Bedürfnis,

ist es uns wie wir es jederzeit bei unseren Versammlungen

getan haben, einen Aufblick zu tun zu unserem hohen Herrn, welcher die Größe und Stärke unseres Vaterlandes verkörpert, zu dem mächtigen erhabenen Schutzherrn aller gewerblichen Arbeit in deutschen Landen, insonderheit unserer gesamten Industrie in allen ihren Zweigen und

allen ihren Faktoren.

hurra! hurra!

Seine Majestät der deutsche Kaiser Hurra!

16 Des weiteren habe ich der Delegierter-Versammlung mitzuteilen, daß unser verehrter Vorsitzender, Herr Major VopeliuS, durch Krank­

heit verhindert ist, an der heutigen Sitzung teilzunehmen und, wie ge­ wöhnlich, den Vorsitz zu führen. Herr Major VopeliuS weilt seit mehreren Wochen im Auslande um seiner Gesundheit willen. Wir haben erfreulicherweise die allerbesten Nachrichten über die Besserung seines Befindens, und ganz neuerdings die Mitteilung, daß er sich bereits wieder auf dem Wege in die Ebene befindet, herab von den sonnigen Höhen von St. Moritz, um Ende düses Monats wieder in

Berlin zu sein und hier als Mitglied des Herrenhauses seiner Pflicht zu genügen; ein Beweis, daß es ihm wesentlich besser geht.

Das

Direktorium

des

Centralverbandes

möchte

den

Herren

Delegierten empfehlen, an den verehrten Herrn Vorsitzenden ein Tele­ gramm abgehen zu lassen. Ich habe hier einen Entwurf vor mir, den ich mir die Ehre gebe zu verlesen. Das Telegramm lautet: Berlin, 13. März 1908.

Major Richard VopeliuS,

Zürich, Hotel Bauer au lac. Bedauernd, ihren bewährten Vorsitzenden heute nicht auf seinem Platze begrüßen zu können, gibt die Delegiertenversammlung be£ Centralverbandes ihrer lebhaften Freude Ausdruck, daß nach den ihr gemachten Mitteilungen sich Ihr Gesundheitszustand wesentlich gebessert hat. Die Delegierten hoffen und wünschen, daß Sie recht bald voll genesen, in alter Kraft und Frische Ihre wirkungsvolle Tätigkeit im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben wieder aufnehmen möchten. Roetger.

Ich darf annehmen,

Bueck.

daß die Herren mit der Absendung dieses

Telegramms einverstanden sind.

(Zustimmung.)

Nun bitte ich zu Punkt 1 der Tagesordnung Herrn Bueck, das Wort zu nehmen.

Bueck-Berlin: Es haben zwei Ergänzungen zu unserem Ausschuß stattzufinden.

Es ist erforderlich die Besetzung der Stelle eines Stell­

vertreters für Herrn Fabrikbesitzer Brückner-Calbe a. S., den Vor­ sitzenden des Vereins der Papier-Industriellen, und das Direktorium erlaubt sich, Ihnen Herrn Kommerzienrat Euler in Bensheim vorzuschlagen, der auch der Papierindustrie angehört. Zweitens ist ein wirkliches Mitglied des Ausschusses zu wählen, und zwar ein Textilindustrieller. Diese Stelle war früher besetzt durch den Ihnen vielleicht

allen

bekannten

Herrn

Kommerzienrat

Frey

in

Mül-

17 Hausen. Es wurde darauf Herr Köchlin gewählt, der die Wahl abgelehnt hat. Aber in Erwägung, daß die elsässische Textilindustrie

außerdem noch genügend in unserem Ausschuß vertreten ist, und mit Rücksicht darauf, daß namentlich neuerdings warme Beziehungen mit

erlaubt sich Ihnen einen Textilindustriellen aus Württemberg

der größeren Industrie in Württemberg angeknüpft sind,

das Direktorium,

vorzuschlagen, und zwar den Herrn Kommerzienrat A. Melchior in Nürtingen. Weitere Vorschläge sind in dieser Beziehung nicht zu machen.

Vorsitzender: Ich darf annehmen, daß, wenn niemand der Herren sich zum Wort meldet — das ist nicht der Fall —, die Herren mit den Vorschlägen einverstanden sind. Dann gehen wir zum zweiten Punkt der Tagesordnung über:

Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern. Der Gedanke, auf dem Boden der Gleichberechtigung Einrichtungen zu schaffen, zur Verhand­ lung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern war schon in dem Aufruf enthalten, den Dr. Max Hirsch im Oktober 1868 an die Arbeiter behufs Bildung von Gewerkoereinen richtete. Dieser junge Schrift­ steller kam damals von einer Studienreise in England erfüllt mit Be­ wunderung über die Tätigkeit der englischen Trabe Unions nach Deutschland zurück und versuchte sie hier einzuführen. Augenscheinlich hatte er das ganze Wesen dieser Institutionen nur unvollkommen erfaßt. Seine Wirksamkeit wird den Aeltesten unter Ihnen noch erinnerlich sein aus der Geschichte des unglücklichen Waldenburger Streiks in Schlesien. Die erste Anregung, solchen Einrichtungen einen behörd­ lichen Charakter zu geben, war von dem Tübinger Professor Bueck-Berlin: Sehr geehrte Herren!

Schönberg, dem späteren, jetzt verstorbenen Kanzler der Universität Tübingen von Schönberg, ausgegangen. Er schlug die Errichtung Oberämtern mit einem Reichsarbeitsamt an der Spitze, jedoch ohne die Mitwirkung von Arbeitgebern und Arbeitern, vor.

von Arbeitsämtern,

Im Reichstage war die Einführung von Körperschaften zur Vertretung der an der gewerblichen Produktion Beteiligten Kreise zuerst in der I. Session der 3. Legislaturperiode 1877 durch einen Antrag der Sozialdemokraten Fritzsche und Bebel angeregt worden.

Der

Antrag verlangte die Einführung der Gewerbekammern. Diese sollten die Interessen des Gewerbes und der Arbeiter vertreten, Berichte an die Behörden erstatten, Anträge an sie stellen und die gemeinsamen gewerblichen Einrichtungen und Fachbildungsanstalten überwachen. Zu diesem Zweck sollten in gleicher Zahl Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahlen entsendet Heft 108.

18 werden. Wahlberechtigt sollten alle selbständigen Gewerbetreibenden und alle dispositionsfähigen Lohnarbeiter und Arbeiterinnen sein. Dieser Antrag, sowie weitere in den Sessionen 1885 und 1886 von den Sozialdemokraten in ähnlichem Sinne eingebrachten Anträge wurden teilweise an Kommissionen verwiesen, teilweise der Regierung zur Berücksichtigung empfohlen; sie blieben jedoch alle unerledigt. Der letztbezeichnete Antrag war in die Form eines vollständigen Gesetz­ entwurfs gekleidet; er betraf alle Gebiete des Arbeiterschutzes und die Errichtung von paritätischen Arbeitskammern, Arbeitsämtern und eines Reichsarbeitsamtes. Der auf die Einführung von Verireterkörperschasten gerichtete Gedanke hatte sich aber Bahn gebrochen, er fand prägnanten Ausdruck in dem kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar 1890, und zwar in folgendem Satze: „Für die Pflege des Friedens zwischen Arbeit­ gebern und Arbeitnehmern sind gesetzliche Bestimmungen über die Formen in Aussicht zu nehmen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten be­ teiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Ver­ handlungen mit den Arbeitgebern und mit Organen Meiner Regierung befähigt werden." Im Reichstag wurde erst in der III. Session der 9. Legislatur­ periode 1894/95 von den Abgeordneten Dr. Hitze und Dr. Lieber an diese bedeutungsvolle Anregung des Kaisers erinnert. Die Ab­ geordneten fragten an, „ob die Vorlage eines Gesetzentwurfs, betreffend die gesetzliche Anerkennung der Berufsvereine und über die Errichtung einer geordneten Vertretung der Arbeiter (Arbeiterkammern) zum freien und friedlichen Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden auch gegen­ über den Staatsbehörden zu erwarten sei". Diese Anfrage hatte dreitägige Verhandlungen, aber kein weiteres Ergebnis zur Folge. Mit der Einführung von Arbeitskammern, Arbeitsämtern und einem Reichsarbeitsamt beschäftigte sich der Reichstag auf Anregung von Petitionen oder Interpellationen seitens der Parteien fast in jeder folgenden Session. Diese besonders vom Zentrum und von den Nationalliberalen ausgegangenen Anregungen fanden im Reichstage lebhafte und wachsende Zustimmung. Die verbündeten Regierungen verhielten sich ihnen gegenüber jedoch ziemlich kühl, bis endlich auf Grund einer von den Abgeordneten Trimborn, Hitze, Gröber und Genossen mit Berufung auf den erwähnten kaiserlichen Erlaß gestellten Interpellation der Staatssekretär des Innern, Graf von

19

Posadowsky,

am 30. Januar 1904 die Bereitwilligkeit

der ver­

bündeten Regierungen erklärte,

zubauen,

„die Arbeitervertretungen weiter aus­ welche den allgemeinen Grundlagen des genannten Kaiser­

lichen Erlasses entsprächen". Weitere, die Materie betreffende Anträge und Petitionen wurden in der Session 1905/06 der Regierung als Material und zur Be­ rücksichtigung überwiesen. Der vielfach und fast einstimmig vom Reichstag geforderte Gesetzentwurf erschien aber nicht. Endlich in der I. Session der laufenden 12. Legislaturperiode am 9. März 1907

erklärte, auf eine Interpellation des Zentrums, der Staatssekretär deInnern, Graf von Posadowsky, daß ein betreffender Gesetzentwurf

in der nächsten Session vorgelegt werden solle. Diese Zusage ist eingehalten worden. Der Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern ist in der ersten Beilage Nr. 30 des „Deutschen Reichsanzeigers und Königlich Preußischen Staats­ anzeigers" vom 4. Februar 1908, also genau 18 Jahre nach dem Erscheinen des kaiserlichen Erlasses, veröffentlicht worden. Daß die Regierung eine so lange Zeit hatte verstreichen lassen, ohne auf diesem Gebiete tatsächlich vorzugehen, hatte ihr die schmählichsten Vorwürfe eingetragen. Man beschuldigte sie des mangelnden politischen Ver­ ständnisses und Eifers, auch der zu großen Schwäche und Nach­ giebigkeit dem Scharsmachertum gegenüber. Das sind wir, meine Herren. Und dennoch war das Zögern der Regierung zu verstehen und wohl angebracht; denn nur hinsichtlich des Verlangens nach den in Rede stehenden Institutionen bestand im Reichstag wie in den sonstigen sozialistischen Kreisen Uebereinstimmung. Ueber die Art und das Wesen dieser Einrichtungen aber gingen die Ansichten in der

Wissenschaft, in den politischen Parteien, in den Arbeiterorganisationen nicht nur weit auseinander, sondern sie wechselten auch in stetem Fluß der Meinungen und Forderungen. Nicht einmal über die Grundfrage, ob Arbeits- oder Arbeitcrkammcrn zu errichten seien, herrschte Uebereinstimmung, und von den im Auslande bestehenden

Vorbildern sagte selbst die sehr weit links stehende „Soziale Praxis" bei Besprechung des vorliegenden Gesetzentwurfs, daß von ihnen die Regierung nur hätte lernen können, wie Deutschland es nicht zu

machen habe. Dieser Zustand vielfach voneinander abweichender Ansichten, der auch jetzt noch, nach Veröffentlichung des Gesetzes, sortbesteht, sowie das lange Zögern der Regierung, lassen die Annahme zu, daß die verbündeten Regierungen mit der Ausarbeitung und Einbringung dieses Gesetzes nicht ihrer Ueberzeugung von der Notwendigkeit, in



20

-

gegenwärtiger Zeit derartige Vertretungskörperschaften zu errichten, gefolgt sind, sondern daß sie lediglich dem jahrelangen äußersten Druck

der Parteien im Reichstage nachgegeben haben.

Meine Herren! Durch das Gesetz sollen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Anlehnung an die Einteilung der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Unfallversicherung der Arbeiter pari­ tätische und rechtsfähige Acbeitskammern errichtet werden. Die soziale Gesetzgebung der neueren Zeit hat bereits einige paritätische Institutionen zugunsten der Arbeiter geschaffen; deren bedeutendste sind die Gewerbegerichte. Diese kommen besonders in Betracht, da ihnen in der späteren, 1890 gegebenen Ausgestaltung be­ deutende Funktionen bereits zugewiesen sind, mit denen jetzt die zu bildenden Arbeitskammern ausgestaltet werden sollen. So wurden

die Gewerbegerichte berechtigt, in gewerblichen Fragen Anträge an die Behörden, an Vertretungen von Kommunalverbänden und an die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten und des Reiches zu richten, und befugt, als Einigungsämter zu wirken. Demgemäß war die anfängliche Absicht der verbündeten Regierungen zu verstehen, die paritätischen Gewerbegerichte im Sinne des kaiserlichen Erlasses zu Vertretungskörperschaften der Arbeiter auszugestalten. Meine Herren! Ich muß hier besonders heroorheben, daß der Centralverband Deutscher Industrieller der Errichtung der Gewerbe­ gerichte gegenüber eine durchaus freundliche und entgegenkommende

Stellung eingenommen hat. In seiner Delegiertenversammlung am 21. und 22. Mai 1890 äußerte sich der Referent wie folgt: „Der Gesetzgeber nahm unzweifelhaft an, daß mit der Er­ richtung von Gewerbegerichten den Arbeitern eine Wohltat erwiesen werde. Von diesem Gesichtspunkt aus erachtet das Direktorium und die Versammlung es nicht für zweckmäßig, die Entscheidung darüber, ob ein Gewerbegecicht errichtet werden soll, in das Be­ lieben der Gemeinde zu stellen. Die Gegner der zwangsweisen Einrichtung von Gewerbegerichten hätten darauf hingewiesen, daß in wesentlichen Teilen des Landes eine gewerbliche Tätigkeit fehle. Das träfe nicht zu, Handwerk werde überall getrieben, und selbst in landwirtschaftlichen Bezirken sei vielfach ein industrielles Ge­ werbe mit der Landwirtschaft verbunden, und

solle die Wohltat nicht entzogen werden." Der Centralverband hat zwar einzelnen

diesen Arbeitern

Bestimmungen

der

späteren Novelle widerstrebt; in seiner betreffenden Eingabe an den Reichstag vom 5. Mai 1900 hatte er aber gesagt: „Dabei gestehen wir unumwunden zu, daß wir durchaus nicht grundsätzlich Stellung

21 gegen das Gewerbegericht als Einigungsamt nehmen wollen. Wir erkennen, wie gesagt, vollkommen an, daß diese Einigungsämter, wenn sie ausreichende Garantien für objektives unparteiisches Handeln ge­

währen, ganz besonders für das Kleingewerbe als eine höchst zweck­ mäßige und wohltätige Einrichtung angesehen werden müssen, die im einzelnen gegebenen Falle auch Bedeutung für die größeren Gewerbe­ treibenden erlangen könnte." Wieweit die Voraussetzung des objektiven unparteiischen Handelns in Erfüllung gegangen ist, will ich hier nicht eingehender erörtern; in dieser Beziehung sind vielfach Zweifel erhoben worden. Ein schlagendes Beispiel des Gegenteils aus der Hauptstadt des Reiches möchte ich

hier anführen: „Am 18. Februar d. I. sollte der Gesamtausschuß des Berliner Gewerbegerichts über einen von den Arbeitgebern eingebrachten, an die gesetzgebenden Körperschaften zu richtenden Antrag beschließen, § 394 BGB. dahin abzuändern, daß eine Aufrechnung von Schadenersatzforderungen gegen Lohnforderungen solchen Arbeitern gegenüber zulässig sei, die ihre Arbeitgeber durch Diebstahl ge­ schädigt haben. Man sollte meinen, daß jeder billig und ehrlich denkende Mensch diesem Anträge ohne weiteres zustimmen würde. Die Arbeitnehmer-Beisitzer machten aber die Beratung dieses An­ trages dadurch unmöglich, daß sie den Sitzungssaal verließen und dadurch die Abstimmung verhinderten." Dieses Verhalten wird man nicht als objektiv und unparteiisch, sondern als in hohem Maße verwerflich bezeichnen müssen. Der Centralverband würde heute vielleicht den Gewerbegerichten gegenüber eine andere Stellung einnehmen. Hier aber kommt es mir lediglich darauf an, festzustcllen, daß der Centralverband den auf der Grund­ lage der Parität errichteten Institutionen zur Förderung des wirt­

schaftlichen Friedens und zur Vertretung der gewerblichen Interessen gegenüber durchaus keine prinzipiell ablehnende, sondern eine durchaus wohlwollende Stellung eingenommen hat. Bevor wir nunmehr zu der Entschließung gelangen, welche Stellung wir zu dem vorliegenden Gesetzentwurf über Arbeitskammern einnehmen, müssen wir erstens die Grundlage, den Umfang und die Zusammensetzung der geplanten Arbeitskammern ins Auge fassen und

dabei die Frage erörtern, wie sich diese Zusammensetzung im Verlaufe

der Zeit voraussichtlich gestalten werde. Wir müssen zweitens die Aufgaben und Ziele dieser neuen Organisation betrachten und drittens prüfen, ob nach den grundlegenden Prinzipien und nach der neueren Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse, die Lösung der gestellten Auf-

22 gaben beziv. die Erreichung der gesteckten Ziele zu erwarten sei. Da­ bei werden wir die voraussichtlichen Nebenwirkungen des Gesetzes zu berücksichtigen haben.

Meine Herren!

Die Arbeitskammern sollen, wie ich bereits be­

merkt habe, nach Anlehnung an die Bezirke der gewerblichen Berufs­ genossenschaften für die Unfallversicherungen der Arbeiter errichtet, also fachlich gegliedert werden. Dem Bundesrat ist es überlassen, zu beschließen über die Gewerbszweige, für welche Arbeitskammern errichtet werden sollen, sowie über den Bezirk, den Namen und den Sitz der Kammern. Zu dieser Bestimmung hat die Erwägung ge­ führt, daß in erster Linie diejenigen Erfahrungen nutzbar zu machen sind, die zu dem Ausbau der gleichfalls fachlich eingerichteten gewerb­ lichen Berufsgenossenschaften geführt haben, ferner der Umstand, daß bei diesem Aufbau die Angehörigen der einzelnen Gewerbszweige

wesentlich bestimmend mitgewirkt haben. Ich glaube, wer nach dem Erlaß des betreffenden Gesetzes bei der Organisation und Einführung der Unfallversicherung mitgewirkt hat, der wird es als eines der größten Verdienste des dahingegangenen ersten Präsidenten des Reichs­ versicherungsamtes, Boediker, anerkennen, daß er den Berufsgenossen, als den zunächst Beteiligten, ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht mit Bezug auf ihren Zusammenschluß zu den Berufsgenossenschaften eingeräumt hat. Nur in den wenigen Fällen, in denen das Ver­ ständnis der betreffenden Gewerbetreibenden nicht ausreichte, um den Geist und Sinn des Gesetzes voll zu erfassen, und demzufolge Ab­ grenzungen verlangt wurden, die mit jenem Geiste unvereinbar waren, hat der erste Präsident des Reichsverficherungsamtes, dessen Verdienste um die Arbeiterversicherung unvergänglich sind, von den ihm durch das Gesetz erteilten Berechtigungen Gebrauch gemacht. Die Anlehnung an die Berufsgenossenschaften mag wohl auch deswegen gewählt worden sein, weil die vorhandenen Organisationen auch Erleichterungen mit Bezug auf die Regelung des Wahlverfahrens zu bieten schienen. Es bestehen im Reiche 66 gewerbliche Berufs­ genossenschaften; 46 derselben sind in Sektionen eingeteilt,

deren cs 349 gibt. 20 Berufsgenossenschaften haben keine Sektionen, sie er­ strecken sich demgemäß ohne jede weitere Gliederung über das Gebiet des ganzen Reiches. Da eine Organisation über das ganze Reich als Arbeitskammer wohl von vornherein als undenkbar angenommen worden ist, so ist es dem Bundesrat vorbehalten zu entscheiden, ob nicht in einzelnen Fällen die Errichtung mehrerer Arbeitskammern für den Bezirk einer Berufsgenossenschaft oder einer Sektion sich als

notwendig erweist;

andererseits ob

eine Arbeitskammer für mehrere

23 Berufsgenossenschasten oder Sektionen

zu

bilden sei.

Außerdem ist

noch vorgesehen, in den Arbeitskammern Ausschüsse und Fach­ abteilungen zu bilden. Es treten jedoch bezüglich der Angliederung der Arbeitskammern an die Berufsgenossenschaften anscheinend recht erhebliche Schwierigkeiten hervor, die ich im Verlaufe meiner Dar­

legungen noch zu erwähnen haben werde. Für die fachliche Gliederung, meine Herren, wird angeführt, daß die Beratungen und Beschlüsse einer lebenskräftigen Organisation auf tatsächlichen, ihren Mitgliedern aus eigener Erfahrung vertrauten Verhältnissen fußen müssen. Nur bei streng durchgeführter fachlicher

und beruflicher Begrenzung sei in der Arbeitskammer die erforderliche Sachkunde, die gerechte Würdigung der verschiedenen Standpunkte, die verständnisvolle Förderung der beruflichen Interessen, überhaupt

eine gedeihliche praktische Arbeit zu erwarten. Mit Bezug auf die fachliche Gliederung im Gegensatz zur lokalen Begrenzung und dem­ gemäß Zusammenfassung aller von dem Gesetz erfaßten Gewerbe in der lokalbegrenzten Organisation gehen die Ansichten weit auseinander. Auch in den Kreisen unserer Mitglieder besteht in dieser Beziehung keine vollständige Uebereinstimmung. Das hervorragendste Organ des Zentrums, die „Kölnische Volkszeitung", tritt mit großer Entschiedenheit für allgemeine, lokalbegrenzte Arbeitskammern ein. Die Zeitung führt eine Reihe von Aufgaben an, beispielsweise die Arbeitslosenfürsorge, die Arbeitsvermittelung, den Wohnungsbau, das Logierwesen, die Wohlfahrtsbestrebungen und anderes mehr, die vielmehr in lokal­ begrenzten Kammern behandelt werden können, weil nur in diesen die Verhältnisse dem einfachen Arbeiter naheliegen und von ihm übersehen werden können; denn es handle sich nicht lediglich um die Lösung reiner Berufs- und Jnteressenfragen, sondern auch um die Erfüllung

weiterer,

allgemeiner,

wirtschaftlicher

und

sozialer Aufgaben.

Die

„Soziale Praxis" hält die vorgeschlagene Angliederung an die Berufs­ genossenschaft zwar für durchführbar, sie verweist aber doch auf die

Gefahr, daß bei der Einengung nur auf das Fachgebiet „die Arbeits­ kammern den Zusammenhang mit dem breiten vielgestaltigen Leben der gesamten Volkswirtschaft und dem ganzen sozialen Körper der Nation einbüßen könnten; jede einseitige Beschränkung auf ein ein­ seitiges Fachgebiet hemmt die Weite des Blickes und die Größe der Ziele, und diesen Verlust wiegen noch so gründliche Detailkenntnisse

nicht auf". Weiler wird von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, daß sich die an die Berufsgenossenschaften anlehnenden Arbeitskammern

wohl nicht Berufung

selten über große Gebiete erstrecken werden, wodurch die praktische Arbeit der Kammer wesentlich erschwert

und

werden dürfe.

24 In dieser Beziehung, meine Herren, möchte ich noch hervorheben, daß Arbeitskammern, die sich über große Gebiete erstrecken, Industrie­ bezirke mit ganz verschiedenen Grundbedingungen für die Lebenshaltung

der Arbeiter umfassen können, in denen sich daher die Löhne verschieden

gestaltet haben. Dieser Umstand könnte, bei dem dauernden Zusammen­ wirken der Arbeiter aus diesen verschiedenen Bezirken, leicht zu der Forderung führen, die Löhne, und zwar nach oben, gleichmäßig zu gestalten. Aus diesem Umstande könnten leicht erhebliche Störungen des wirtschaftlichen Friedens sich entwickeln. In der sozialdemokratischen Presse wird auch darauf hingewiesen, daß die Berufsgenossenschaften Unternehmervereinigungen sind, lediglich gebildet für ein einziges eng umschriebenes Gebiet, die Ver­

sicherung der Arbeiter gegen Unfall. Dabei sei von einer Interessen­ gemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der Be­ rufsgenossenschaft keine Rede. In der bürgerlichen Presse wird hervorgehoben, daß alle neueren sozialpolitischen Institutionen aus dem Zusammenwirken von Arbeit­ gebern und Arbeitnehmern beruhten, wie beispielsweise die Gewerbeund die Kaufmannsgerichte, die gemeinnützigen Arbeitsnachweise, die Rentenstellen, die Ausschüsse der Invalidenversicherung, die Organe der Krankenkassen; „nur bei den Berufsgenossenschaften sitzen die Arbeit­ geber allein im Regiment". Man könnte versucht sein, hier die Frage aufzuwerfen, ob nicht gerade, weil es so ist, wie vorhin gesagt, die Berufsgenossenschasten sich als so außerordentlich leistungsfähig erweisen und die Unfallversicherung am besten und am zufriedenstellendsten arbeitet. (Sehr richtig!) Die Zweckmäßigkeit der Angliederung an die Berufsgenossen­ schaften wird aber selbst von bürgerlichen Stimmen bezweifelt mit dem Hinweis darauf, daß die Berufsgenossenschaften bei den Arbeitern

wenig beliebt seien. Von den Sozialdemokraten wird die Angliede­ rung an die Genossenschaften der ausbeutenden, kapitalistischen Unter­ nehmer mit brutaler Entschiedenheit zurückgewiesen. Die Vorschriften über den Umfang der Arbeitskammern enthält der § 7 des Gesetzentwurfs. Danach gelten als Arbeitgeber die Unternehmer solcher Betriebe, die als gewerbliche im Sinne der Ge­

werbeordnung anzusehen sind, mindestens einen Arbeiter regelmäßig das Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigen. Den Unternehmern sollen ihre gesetzlichen Vertreter und die bevoll­ mächtigten Leiter ihrer Betriebe gleichstxhen. Ausdrücklich einbezogen in die Wirksamkeit des Gesetzes sind der Bergbau und das Hütten-

und Salinenwesen, und zwar auch die staatlichen Betriebe dieser Art.

25 Als

Arbeiter im Sinne

des Gesetzes

gelten die gewerblichen

Arbeiter des Titel VII der Gewerbeordnung einschließlich der Heim­ arbeiter. Durch den Wortlaut dieser Bestimmung sind selbstverständlich ausgeschlossen die in der Landwirtschaft, der Fischerei und der Gärtnerei

und

in häuslichen Diensten beschäftigten Personen,

ausdrücklich sind

durch das Gesetz ausgeschlossen die Arbeiter und Angestellten in den Handelsgeschäften, im Handwerke und im Eisenbahnwesen. Begründet wird der Ausschluß der im Handwerk arbeitenden Personen mit dem Hinweis auf die ihnen in den Gesellenausschüssen

bei den Innungen gegebenen Vertretungen. Diese Begründung wird von allen Seiten als unzutreffend zurückgewiesen, da die Mitwirkung der Gesellenausschüsse auf ein äußerst begrenztes Gebiet beschränkt ist, wesentlich auf die sie selbst und das Lehrlingswesen betreffenden Angelegenheiten. Der Ausschluß des Handwerks dürfte überhaupt zu sehr unklaren Verhältnissen und demgemäß zu Differenzen führen, da ein sehr großer Teil der handwerksmäßigen Betriebe den gewerblichen Berufs­ genossenschaften angehört und eine bestimmte Grenze zwischen Hand­ werk und Fabrik bisher nicht gezogen ist. Ein Versuch, sie zu ziehen, soll erst mit der neuen, dem Reichstag vorliegenden Novelle zur Gewerbeordnung gemacht werden; sie würde aber nur für die von ihr betroffenen Gebiete Geltung haben. Den Handlungsgehilfen wird eine besondere Organisation zur Vertretung ihrer Interessen zugesagt; welcher Art sie sein soll, ist weder in dem Gesetz, noch in der Begründung gesagt. Den Werk­ meistern, Technikern und Betriebsbeamten wird zwar auch eine be­

sondere Vertretung in Aussicht gestellt,

vorläufig aber sollen sie diese

Vertretung in den Arbeitskammern haben, und zwar in der Kategorie der Arbeitnehmer. Meine Herren, ich glaube, es ist nicht zu erwarten, daß Mit­ glieder der soeben erwähnten Berufe aus den Wahlen hervorgehen werden. Ich glaube, daß ein derartiger Fall kaum eintreten wird. Sie rangieren unter die Arbeiter und werden von diesen auch wohl kaum als ihre Vertreter betrachtet und gewählt werden. Sollte aber doch einer oder der andere gewählt werden, so glaube ich, daß sie sehr leicht in Konflikt

mit

den

wirklichen Vertretern

der Arbeiter

kommen können — Konflikte, die Erbitterung erregen, und diese Er­ bitterung könnte leicht in die Betriebe hineingetragen werden. Daraus

ist zu ersehen, meine Herren, daß schon auf einzelnen Gebieten, die ich nur flüchtig berühre, die Arbeitskammer genau das Gegenteil hervorrufen wird von dem, wozu sie bestimmt ist.

26 In die Arbeitskammer sollen ferner nicht einbezogen werden die in den Werkstätten der Heeres- und Marineverwaltung beschäftigten

Arbeiter. In dieser Gestaltung und im Hinblick auf den Umstand, daß in den meisten Berufsgenossenschaften die größeren Arbeitgeber maßgebenden Einfluß ausüben, also auch in Berücksichtigung des vor­ geschriebene» Wahlverfahrens, wird vielfach

angenommen, daß eine

Berücksichtigung der kleineren und mittleren Betriebe kaum zu erwarten sei. Es werden die nach dem Gesetz zu bildenden Arbeitskammern

demgemäß vielfach als solche der Großindustrie, insbesondere deS Bergbaues, der Eisen- und Stahlindustrie und der Textilindustrie, bezeichnet. Die „Soziale Praxis" gibt ihrer außerordentlichen Befriedigung darüber Ausdruck, daß gerade die Vertreter dieser großen Industrien, deren sozialer Sinn in der Entfaltung weit zurückgeblieben sei, und bei denen das aus freiwilliger Initiative hervorgehende Zusammenwirken

von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf dem Boden der Gleich­ berechtigung die geringsten Erfolge aufzuweisen habe, jetzt gezwungen

werden sollen, in eine Gemeinschaft mit den Arbeitern zu treten. Dabei hebt das Blatt insbesondere noch die abweisende Haltung der Groß­ industrie den Tarifverträgen gegenüber hervor. Mit Befriedigung verweist das Blatt auf die große Verbreitung dieser Tarifverträge im

Gewerbe und auf den Buchdruckertarif, der als glänzendes Beispiel auch für die Großindustrie angesehen werden könne. Auch von anderen Seiten wird dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß der Gesetz­ entwurf die Arbeitskammern nicht mit größeren Befugnissen ausgestattet hat zur Förderung des Abschlusses von Tarifverträgen. Nun, meine Herren, möchte ich doch behaupten, daß die nicht zu leugnende große Verbreitung der Tarifverträge im Kleingewerbe hauptsäch­ lich zurückgeführt werden muß auf die Schwäche der Arbeitgeber und auf die große Uebermacht und den schweren Druck, den die Organisationen der Arbeiter auf das Kleingewerbe ausüben. (Sehr richtig!) Die Richtigkeit meiner Behauptung geht schon daraus hervor, daß in neuerer Zeit,

namentlich im Baugewerbe und in ähnlichen gewerblichen Betrieben, in denen die herabsteigende Konjunktur eine gewisse Stockung hervor­ gebracht hat, sehr deutliche Anzeichen von dem Bestreben der Arbeitgeber

zu beobachten sind, diese Tarifverträge, wenn auch nicht sofort abzu­

schütteln, so doch sie wesentlich zu modifizieren. (Sehr richtig!) Und was den vielberühmten Tarifvertrag der Buchdrucker anbetrifft, so hat die Art seiner Erneueruug von Periode zu Periode dahingeführt, daß das Buchdruckergewerbe sich heute vollständig unter der Herrschaft der Organisierten der Gehilfen und der dazu gehörenden anderen Arbeiter-

27

kategorien befindet.

(Sehr richtig!) Die Buchdrucker stehen heute unter

dem Joch dieser Organisation.

Jeder Versuch aber,

dieses Joch zu

mildern oder abzuschütteln, würde sofort einen Kampf Hervorrufen, in dem die Buchdrucker aller Voraussicht nach unterliegen würden. Denn sie haben die Organisation ihrer Arbeiter, die nach dem großen Streik in den ersten 90er Jahren außerordentlich zusammengeschrumpft war,

mit dem Abschluß der Tarifverträge so groß gezogen, daß sie jetzt eine Macht ersten Ranges in ihrer Art geworden ist. Die Organisation,

die über ein Kapital von 8 000 000 Mark verfügt, ist in der Lage, alle im deutschen Buchdruck beschäftigten Arbeiter und deren An­ gehörige 4 bis 5 Wochen zu unterhalten. Halten Sie, meine Herren, den Zustand für denkbar, daß im ganzen Deutschen Reiche auch nur acht Tage lang alle Buchdruckerpressen stille stehen? Ich glaube, das würde einen Sturm geben, von dem jeder Widerstand der Buch­ druckerprinzipale hinweggeweht werden würde. Ueber diese verzweifelte Lage scheinen die Buchdrucker sich allmählich klar zu werden, wenigstens deuten das die Beklemmungen an, welche die deutsche Buchdrucker­ zeitung kürzlich zu erkennen gab. Das hätten sich die großen Betriebe aber vorher überlegen sollen, als sie bei jedem neuen Abschluß des Tarifvertrages, um sich die Nachgiebigkeit der Gehilsenorganisation in der Lohnfrage zu erkaufen, Schritt für Schritt in den Machtfragen, auf welche die Gehilfen das größere Gewicht legten, zurückwichen und nachgaben. Dieser Buchdruckertarif, durch den die großen Betriebe sich ein bequemes Leben mit ihren Arbeitern verschaffen wollten, jedoch ohne die Folgen zu berücksichtigen, ist nur dazu geeignet, abschreckend

auf die Großindustrie zu wirken. Diese wird sich wohlweislich hüten, die Organisation in den Arbeiterkreisen in ähnlicher Weise durch Tarif­ verträge groß zu ziehen und mächtig zu machen, wie es die Buch­ drucker getan haben.*)

Die Zusammensetzung der Arbeitskammern wird weiter abhängen von dem vorgeschlagenen Wahlmodus. Wie ich überhaupt der Ansicht bin, daß die verbündeten Regierungen die Absicht verfolgt haben, die Vorlage, die sie, dem langjährigen Drucke der Parteien nachgebend, nun einmal geglaubt haben vorlegen zu müssen, so ungefährlich wie möglich zu gestalten, so nehme ich auch an, daß sie diese Absicht auch bei *) Diese Bemerkungen scheinen den großen Buchdrnckereien recht peinlich gewesen zu sein. Eine der bedeutendsten Zeitungen wendete sich sofort nach dem Erscheinen meines Berichtes in der Presse gegen sie, wußte aber gegen meine Darlegungen nichts weiter zu sagen, als daß ich von diesen Sachen nichts verstehe. Damit hatte sie sich freilich die Widerlegung recht leicht ge­ macht. H. A. Bueck.

28 der Gestaltung des Wahlverfahrens haben zur Ausführung bringen wollen. Wir im Centralverbande, meine Herren, haben immer die

Ansicht

vertreten,

daß jede allgemeine Wahl die

Sozialdemokratie

fördert, indem sie ihr Gelegenheit bietet, eine Schau über ihre Truppen abzuhalten, diese gleichsam wie in einem Manöver zu exerzieren. Ich nehme an, daß sich die verbündeten Regierungen dieser Ansicht zu­ geneigt und daher ein Modus aufgestellt haben, bei dem neue allgemeine Wahlen vermieden werden. Bei der Angliederung an die Berufsgenossenschaften lag der Gedanke wohl nahe, die Vertreter der Arbeitgeber für die Arbeits­ kammer von den Vorständen der Berufsgenossenschaften bezw. deren Sektionen wählen zu lassen, wie es denn auch der Gesetzentwurf bestimmt. Die Schwierigkeit der Ausführung, welche schon aus der Tatsache hervorgeht, daß bei nicht wenigen Berufsgenossenschaften, wie beispielsweise bei den 12 Bauberussgenossenschaften, zahlreiche Mit­ glieder zum Handwerk gehören, will ich hier nur beiläufig erwähnen. Die Vertreter der Arbeiter sollen zu einer Hälfte gewählt werden von den Mitgliedern der ständigen Arbeiterausschükse derjenigen im Bezirk gelegenen gewerblichen Unternehmungen, die den in den Arbeitskammern vertretenen Gewerben angehören. Die andere Hälfte soll gewählt werden von denjenigen Vertretern der Arbeitnehmer, die

gemäß § 114 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes zur Beratung und Beschlußfassung über Unfallvcrhütungsvorschriften und zur Begut­

achtung gewisser den Arbeiterschutz betreffenden Gewerbeordnung (§ 120c Absatz 2) gewählt sind.

Bestimmungen

der

Sind in dem Bezirk einer Arbeitskammer Wahlberechtigte nach der ersten Bestimmung,

also Arbeiterausschüsse,

nicht vorhanden,

so

werden die Wahlen von den nach der zweiten Bestimmung Wahl­ berechtigten vollzogen. An die Spitze der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung ist der Kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 gestellt und gesagt, den in dem Erlasse ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen. Bevor ich einige kritische Bemerkungen an das Wahlverfahren knüpfe, möchte ich den ersten Satz des Kaiserlichen daß der Entwurf bestimmt sei,

Erlasses in Ihr Gedächtnis zurückrufen, der besagt, daß „zur Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesetzliche Be­ stimmungen über die Formen in Aussicht zu nehmen sind, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten beteiligt und zur Wahr­ nehmung ihrer Interessen bei Verhandlungen mit den Arbeitgebern und mit den Organen Meiner Regierung befähigt werden." Meine

29 Herren, ich betone hier das ausdrückliche Verlangen des Kaisers, daß die Vertreter

der Arbeiter

das

Vertrauen

ihrer

Mitarbeiter

besitzen müssen. Wenn ich zunüchst die Wahl durch die Arbeiterausschüsse betrachte,

so ist es Ihnen ja bekannt, daß deren Errichtung fakultativ ist, d. h., die Errichtung der Arbeiterausschüsse ist dem Ermessen der Arbeitgeber überlassen worden. Nur im Bergbau sind durch die im Jahre 1905 vorgenommenen Aenderungen des Berggesetzes die Arbeiterausschüsse für Betriebe mit mehr als 100 Arbeiter obligatorisch eingeführt worden. Die Ansichten über die Zweckmäßigkeit der Arbeiterausschüsse sind in den Industrien geteilt; sie sind daher nur zum Teil in den Betrieben eingeführt worden, und zwar mehr in den mittleren als in

den großen, und mehr in der Textilindustrie als in den Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie. In den kleinen Betrieben, in denen der Arbeitgeber in unmittelbarer Fühlung mit der geringen Zahl seiner Arbeiter steht, haben sie keinen Ziveck. Mit der Tatsache, daß nur in einem Teil der zu einer Arbeitskammer gehörenden Betriebe Arbeiter­ ausschüsse vorhanden sein werden, rechnet auch die Begründung. Sie geht aber verhältnismäßig leicht darüber hinweg, wenn sie sagt: „Wenngleich zurzeit Arbeiterausschüsse noch nicht in der wünschens­ werten Zahl bestehen, so fehlt es doch nicht an Anzeichen, daß ihre Errichtung in zunehmendem Maße als zweckmäßig erkannt wird. Zudem darf angenommen werden, daß infolge der Vorlage die Einrichtung von Arbeiterausschüssen eine wesentliche Förderung er­ fahren wird." Aus der Tatsache des Fehlens von Arbeiterausschüssen in sehr zahlreichen Betrieben folgt aber unbedingt, daß ein größerer oder kleinerer Teil der Arbeiter, dem das Gesetz das Recht gewährt, durch Wahl in der Arbeitskammer vertreten zu sein, seines Wahlrechts ver­ lustig gehen wird. Dieser Teil wird sehr groß sein. Nach der Gewerbezählung von 1895 gab es unter den mehr als 2000000 in­ dustriellen Hauptbetrieben

mit

über

8000000 Arbeitern nur rund

18000 Betriebe mit insgesamt 2900000 Arbeitern, die mehr als 50 Arbeiter ständig beschäftigten. Da die Betriebe unter 50 Arbeiter schwerlich Arbeiterausschüsse haben, so würden damals über 5000000 Arbeiter sicher nicht zur Wahl berechtigt gewesen sein, ganz abgesehen davon, daß auch von den 18000 größeren Betrieben doch

nur ein Teil mit Arbeiterausschüssen

ausgestattet gewesen sein wird.

Wenn sich diese Gestaltung seit dem Jahre 1895 auch wesentlich geändert haben wird, so doch kaum in den Verhältnissen, die bei der Beurteilung der hier zur Erörterung stehenden Frage maßgebend sind

30

Ob der hier in Rede stehende, von der Wahl ausgeschlossene Teil der Arbeiter Vertrauen zu den von dem anderen Teil gewählten Vertretern haben wird, ist auch mindestens zweifelhaft. Meine Herren, aus diesen Tatsachen ist wohl ohne weiteres zn folgern, daß die verbündeten Regierungen aufs äußerste gedrängt werden dürften, die Errichtung von Arbeiterausschüssen obligatorisch für die gesamte Industrie zu machen. Die Nummer 108 der „Kölnischen Volkszeitung" hat denn auch bereits angekündigt, daß das Zentrum solchen Antrag zur Novelle, betreffend die Abänderung der Gewerbe­ ordnung, bringen wird. Die „Kölnische Zeitung" brachte in ihrer

Nummer 150 vom 11. Februar eine Besprechung des Gesetzentwurfs von Professor Dr. Harms in Jena. Er geht so weit, die obligatorische

Einführung von Arbeiterausschüssen für alle Betriebe mit 20 Arbeitem und mehr zu verlangen. Er begründet diese Forderung weiter mit den Worten:. „Auf diese Weise würden wir gleich einen sehr erheblichen Schritt vorwärts tun in der Richtung des konstitutionellen Systems i» der Fabrik." Herr Professor Dr. Harms hat sich sehr viel mit Arbeiterfragen und besonders mit der Einführung von Arbeitskammern bezw. Arbeiterkammern beschäftigt. Man sieht hier, daß die viele Beschäftigung mit einer Sache nicht immer Gewähr für ein sach­ gemäßes und zutreffendes Urteil bietet. Der Centralverband hat die Entscheidung darüber, ob Arbeiter­ ausschüsse zu errichten sind, stets seinen Mitgliedern überlassen und niemals Stellung gegen die Arbeiterausschüfse genommen. Aber mit

aller Entschiedenheit hat er die obligatorische Einführung der Arbeiter­ ausschüsse bekämpft, da die Einführung abhängig bleiben muß von der Verschiedenartigkeit der maßgebenden Verhällnisse, nach der sie an der einen Stelle angebracht, an der anderen hinderlich und schädlich sein können. Bei der vielfachen Bisprechung des Gesetzes in der Presse ist auch darauf hingewiesrn worden, daß selbst bei allgemeiner Ein­

führung der Arbeiterausschüsse sich diese nicht zu Wahlkörpern eignen,

da von ihnen immer angenommen werden wird,

daß sie der Beein­

flussung durch die Arbeitgeber und deren Angestellte ausgesetzt sind. Ob und inwieweit dies der Fall ist, bleibt dahingestellt. Aber un­

zweifelhaft hat der Arbeitgeber das Recht, jedes Mitglied des Arbeiter­ ausschusses nach Ablauf der vertragsmäßigen Kündigungsfrist aus der 8lib.it zu entlassen. Unverkennbar liegt in diesem Recht ein Anhalts­ punkt sür jene Behauptung und ferner für die Voraussetzung, daß, wie sich die Verhältnisse in den Kreisen der Arbeiter nun einmal gestalni haben, die Gewählten der Ausschüsse das allgemeine Vertrauen

der Arbeiter nicht genießen werden.

31

Die zweite Hälfte der Arbeiteroertreter soll von den Arbeiterbei­ räten für die Unfallverhütung gewählt werden.

Diese Beiräte gehen

aus einer Kette von einzelnen Wahloerhandlungen hervor. 1. Die Krankenkasse wählt Delegierte zur Generalversammlung (§ 37 deS Krankenkassengesetzes). 2. Die Generalversammlung der Krankenkasse wählt den Vorstand (§ 34 des Krankenkassengesetzes). Die Krankenkassenvorstände wählen die Vertreter zu den Rentenstellen der Invalidenversicherung (§ 62 des Jnvalidenversicherungsgesetzes). 4. Die Rentenstellen wählen den Ausschuß der Versicherungsanstalt

3.

(§ 76 des Jnvalidenversicherungsgesetzes). 5. Dieser Ausschuß wählt den Arbeiterbeirat für die Unfallverhütung

bei der Berufsgenossenschaft (§ 114 des Gewerbeunfalloersicherungs­ gesetzes). Erst nach dieser fünfmaligen Sichtung und Siebung werden von diesen Beiräten die Arbeitervertreter für die Arbeitskammer gewählt. Ganz abgesehen von dem Umstand, daß sich der Kieis der zu den Wahlen für die Arbcitskammern Berechtigten mit dem Kreise, der die Grundlage dieses ganzen Wahlverfahrens bildet, mit den Zugehörigen zu den Krankenkassen, durchaus nicht deckt, ist cs wohl zu verstehen, wenn dieser Modus allgemein von den Arbeitern und ihren Organisationen und von der Sozialdemokratie überhaupt mit Entrüstung und Hohn zurückgewiesen wird. Aber nicht nur von diesen Kreisen, sondern auch vom Zentrum und den weiter links stehenden bürgerlichen Parteien wird die Wahl nach dem allgemeinen gleichen und geheimen Wahlrecht verlangt. Einzelne, wie beispiels­ weise Professor Harms in dem von der „Kölnischen Zeitung" ver­

öffentlichten Gutachten,

schlagen vor,

die Arbeiterorganisationen zur

Wahl der Arbeitervertreter zu berechtigen. Nun, meine Herren, ist es mir wohl verständlich, wie

die ver­

bündeten Regierungen zu ihren Vorschlägen für den Vollzug der Wahl

gelangt sind. Augenscheinlich haben sie in dem vollberechtigten Streben gehandelt, die Sozialdemokratie und die agitatorischen Organisationen der Arbeiter überhaupt so weit als irgend tunlich von den Arbeits­ kammern fern zu halten. Daher ist auch in dem Gesetzentwurf be­ stimmt worden, daß die Arbeitervertreter wirkliche Arbeiter sein müssen,

womit die Beamten der Organisationen und die sogenannten Führer ausgeschlossen sind. Auch diese Bestimmung wird nicht allein von der Sozialdemokratie stark angegriffen, sondern auch in der bürg«rlichen Presse kann man lesen, daß mit ihr die besten Kräfte der Arbeiter der

Vertretung entzogen werden.

32 Aber, meine Herren, sollte es wirklich gelingen, die erwähnten agitatorischen Elemente von der Arbeitskammer fern zu halten?

Wo die Organisationen der Arbeiter überhaupt Fuß gefaßt haben, da stehen die Arbeiterausschüsse unter deren Einfluß, also zu­

meist unter dem Einflüsse der Sozialdemokratie. (Sehr richtig!) Ich möchte mir gestatten, in Ihre Erinnerung nur eine Tatsache zurück­ zurufen, welche beweist, wie schnell sich dieser Vorgang vollzieht. Nach der Veröffentlichung des mehrerwähnten kaiserlichen Erlasses von 1890 wurden auf den staatlichen Saargruben sofort Arbeiterausschüsse ein­ geführt. Es dauerte nicht lange Zeit, da waren diese Ausschüsse die willigen Werkzeuge der Sozialdemokratie und die Träger eines der

verheerendsten Streiks, die wir in unserer Wirtschaftsgeschichte erlebt haben. Bei allen auf dem Gebiete sozialpolitischer Maßnahmen lie­ genden Wahlen betätigen sich die sozialdemokratischen und die anderen Arbeiterorganisationen, und sie tun dies ganz besonders nach Maßgabe der politischen Gesichtspunkte. Bei der Bedeutung, die den Arbeits­ kammern beigelegt werden muß, wird diese Betätigung in wesentlich verstärktem Maße hervortreten. Es wird ganz anders, als bisher, und mit äußerster Schärfe und Erbitterung um die Wahl der Aus­ schußmitglieder in den Werken gekämpft werden, und der politische Kampf und die Erbitterung werden sich nicht nur in den Arbeiter­ ausschüssen abspielen, sondern sie werden in die Betriebe verpflanzt werden, in diesen die Verhältnisse verschlechtern und den Frieden in empfindlichster Weise stören. Und werden die so Gewählten das Vertrauen ihrer Berufs­ genossen besitzen? Die „Kreuzzeitung" sagt in dieser Beziehung ganz richtig: „Gerade bei den gelernten gewerblichen Arbeitern, für die die Arbeitskammern wesentlich in Betracht kommen, sind es die Führer der gewerkjchaftlichen Kampforganisationen, die auf einiges Vertrauen Anspruch erheben dürfen, aber auch nur innerhalb ihrer Gewerkschaft. Man versuche es einmal, in einer Arbeitskammer Angehörige der christlichen, der Hirsch-Dunckerschcn und der freien sozialdemokratischen

Gewerkschaften nebeneinander zu setzen. Wenn man dann noch etwa in Berlin einen „Lokal-Organisierten" oder gar einen „gelben Ver­ räter" oder einen „Spitzel des Reichslügenverbandes" hinzufügt, dann wird man sein blaues Wunder erleben, wie viel Vertrauen jedem einzelnen von den anderen Berufsklassen bestritten wird.

in der Arbeitskammer

Man wird

durch einen „Burgfrieden" nicht die konfessio­

nellen, gewerkschaftlichen und politischen Gegensätze unterdrücken können. Und wenn einer dieser Vertreter einmal dazu neigen sollte, diese Schranken aus sachlichen Gründen zu überschreiten, so werden sofort

33 Presse und Protestversammlungen dartun, daß dieser Mann jeden Ver­ trauens gänzlich unwürdig sei." Daß Nichtorganisierte in einer solchen Korporation als Vertrauensmänner ihres Standes angesehen werden können, ist nach

dem heutigen Stande der Arbeiterbewegung völlig

ausgeschlossen.

Wie aber jeder Anlaß selbst von verhältnismäßig geringfügiger

Bedeutung von den Organisationen der Arbeiter agitatorisch ausgenutzt wird, um sich einzuschieben bezw. um Vorteile zu erringen, dafür ein Beispiel aus der neuesten Zeit:

Im Handelsministerium sollten Sachverständige über die Frage einer anderen Regelung der Arbeitszeit bei den Hochöfen und in den Hütten- und Walzwerken vernommen werden. Der Herr Handels­ minister hatte dazu aus den verschiedenen Jndustriebezirken 10 Arbeit­ geber berufen und angeordpet, daß aus anderen 10 Betrieben von dm Arbeitem je ein Sachverständiger gewählt werden sollte. Zu diesen Betrieben gehörte auch die Halberger Hütte Rud. Böcking & Cm

In Ausführung der Anordnung des Herrn Ministers hatte die Hüttenverwaltung als Anschlag den Arbeitern folgende Mitteilung gemacht:

„Der Herr Minister für Handel und Gewerbe hat die Ab­ sicht, sachverständige Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitern

der Großeisenindustrie zu einer mündlichen Beratung in Berlin zu berufen. Die betreffenden Personen sollen genaue Auskunft über die Arbeitsverhältnisse ihres Werkes geben können; namentlich müssen sie genau Bescheid wissen über Arbeitszeiten, Pausen, Wechselschichten, Sonntagsarbeit und Ueberarbeit in den ver­ schiedenen Betriebsteilen.

Von Arbeitem wünscht der Herr Minister einen solchen der Firma Rud. Böcking & Co., Halbergerhütte bei Brebach, in Berlin zu sehen, und zwar an einem noch näher zu bestimmenden Tage. ersetzt.

Die entstehenden Unkosten werden in angemessener Weise

Unterzeichneter Kgl. Gewerbeinspektor schreibt daher im Verein mit unterzeichneter Direktion eine Wahl auf

Dienstag, den 28. d. M., nachmittags von 5 bis 7 Uhr aus. Wahllokal: Betriebsbureau der Hochöfen. Wahlberechtigte: Sämtliche Arbeiter der Kokerei und des Hoch­ ofenwerkes einschl. der Nebenbetriebe (Ammoniak- und Sulfatfabrik).

34

Gewählt wird: nur ein Arbeiter der vorgenannten Betriebs­ abteilungen zusammen als Vertreter. Ob der Gewählte der Kokerei oder dem Hochofenwerk angehört, ist gleich­ gültig. Derselbe soll mit den Arbeilsverhältnissen vertraut sein und muß verstehen, in sachlicher Weise die an ihn gerichteten Fragen in deutscher Sprache und mit klaren Worten zu beantworten. Bor allem soll er das volle Vertrauen seiner Mitarbeiter besitzen. Saarbrücken, den 24. Januar 1908. Der Kgl. Gewerbeinspektor: gez.: Gräfe.

Halbergerhütte, den 24. Januar 1908.

p. pa. Rud. Böcking & Co. gez.: F. Müller, gez. Naumann."

Daraufhin erschien in dem Organ des christlich-sozialen Metall­ arbeiterverbandes der „Saar-Post" Nr. 28 vom 4. Februar 1908 der folgende Artikel:

„Der christlich-soziale Metallarbeiterverband hat in bezug auf gesetzlichen Schutz der Hütten- und Walzwerksarbeiter den Stein ins Rollen gebracht. Die Konferenz der Hüttenarbeiter im August 1907 und der Kongreß in Berlin verfehlten ihre Wirkung nicht. Nachdem schon eine Konferenz von Gewerbeinspektoren und Ver­ tretern der Regierung stattgefunden hatte, erschien neuerdings auf der Halberger Hütte in Brebach folgender Anschlag:" ES folgt ein Auszug aus dem in der Hütte gemachten Anschlag. Der Artikel fährt dann fort: „Dieser Wunsch des Herrn Ministers dürfte auf die Forde­ rung des christlich-sozialen Metallarbeiterverbandes nach größerem Arbeiterschutz und 8stündiger Arbeitszeit zurückzuführen sein." „Als Delegierter nach Berlin wurde ein Mitglied des christ­ lichen Metallarbeiterverbandes mit großer Majorität gewählt."

„Möge die Aussprache mit dem Herrn Minister die Sache der Hütten- und Walzwerksarbeiter betreffs Verbesserung ihrer Lage einen weiteren Schritt vorwärts bringen. Da aber nicht allein die Konferenzen und Erhebungen dem Arbeiter seine Lage ver­ bessern, sondern eine energische Selbsthilfe auf gesetzlichem Boden notwendig ist, darum heißt eS: hinein in den christlich-sozialen Metallarbeiterverband Deutschlands." „Die Stimme des Kollegen, der für die Hüttenarbeiter in Berlin sprechen soll, wird um so schwerer ins Gewicht fallen, wenn alle Arbeiter der Hüttenwerke im Saarrevier hinter ihm stehen."

35 Das Organ der sozialdemokratischen Organisation

der

die Zeitung „Die deutschen Metallarbeiter" pom 15. Februar 1908 brachte unter der Ueberschrist „Zum Arbeitsschutz

Metallarbeiter,

in der schweren Industrie" folgenden Artikel: „Die vom christlichen Metallarbeiterverband eingeleitete Aktion zu Gunsten der Hütten- und Feuerarbeiter beginnt seine Wirkung auszuüben. Der Deutsche Reichstag forderte bekanntlich in einem

einstimmigen Beschluß vom

16. April 1907

die Reichsregierung

auf, „Erhebungen über die Lage und gesundheitlichen Verhältnisse der Feuer- und Hüttenarbeiter vorzunehmen". Es folgt die Aufzählung der Punkte, auf die sich die Erhebungen

erstrecken sollen. Dann heißt eS in dem Artikel weiter: „Zu diesen Vorarbeiten scheint die Regierung jetzt die ersten Schritte einzuleiten und Arbeiter aus der schweren Industrie als sachkundige Personen vernehmen zu wollen. Ein Werkanschlag der Brebacher Hütte (Saarrevier) macht ihren Arbeitern folgendes bekannt:" Auch hier wird ein Auszug aus dem Anschlag der Halberger Hütte gebracht. Der Artikel fährt dann fort: „So sehr wir uns freuen, daß die Frage des Schutzes für die Arbeiter der schweren Industrie in besseren Fluß kommt, so müssen wir es doch sehr bedauern, wenn die Auskunftspersonen, von denen eS doch in hervorragender Weise abhäygt, welches Material zutage gefördert wird — einseitig von den Werken in Vorschlag gebracht werden. In diesem Falle sollte sich die Regierung nicht bloß an die Werkleitungen, sondern auch an die in Betracht

kommenden Arbeiterorganisationen wenden. Wenn dieses nicht geschieht, darf man den ganzen zutage geförderten Arbeiten schon gewissen Mißtrauen begegnen, daß sie ein­ seitig zugunsten der Werke ausfallen werden. Zuletzt ist

mit einem

es nur der organisierte Arbeiter, welcher nicht nur über seine eigenen Verhältnisse zu urteilen in der Lage ist, sondern auch über die Gesamtheit mehr Einsicht gewinnt." „DaS Verlangen ist gewiß berechtigt,

daß die organisierten

Arbeiter an erster Stelle alSAuskunftspersonen herangezogen werden." Meine Herren, ich glaube, Sie werden mir zustimmen, daß dieser Fall charakteristisch ist. Wenn eine solche Agitation, eine solche Fülle

falscher Darstellungen

der ganzen Sache schon in die Oeffentlichkeit

kommen bei der Wahl eines einzigen Mannes von 10, die im ganzen preußischen Staate gewählt werden, welche Agitation und welche

3*

36 Machinationen werden erst zutage treten, wenn es heißt, int ganzen Reiche Vertreter der Arbeiter für die Arbeitskammern zu wählen. (Sehr richtig!) Hieraus, glaube ich, ist zu folgern, daß, möge man irgend ein beliebiges Wahlverfahren einführen, möge man die best erdachten Kautelen anwenden, die Arbeitskammern unter allen Umständen den Tummelplatz, der von den sozialdemokratischen und den anderen Organisationen der Arbeiter ausgehenden leidenschaft­ lichen politischen und sozialen Kämpfe bilden werden. Darüber, meine ich, müssen wir uns klar sein, und nachdem wir zu dieser Klarheit gelangt sind, ist es an der Zeit, die den Arbeitskammern gestellten Aufgaben zu betrachten. Diese Aufgaben sind ungemein viel­ seitig und umfassend.

Die Arbeitskammern sollen berufen sein, den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen und ein gedeihliches Verhältnis zwischen Arbeit­ gebern und Arbeitnehmern zu fördern. Sie sollen die gemeinsamen gewerblichen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeit­ nehmer der in ihnen vertretenen Gewerbszweige, sowie die auf dem gleichen Gebiete liegenden besonderen Interessen der Beteiligten Arbeiter wahrnehmen. Zu den Aufgaben der Arbeitskammern soll es weiter

gehören, die Staats- und Gemeindebehörden durch tatsächliche Mit­ teilungen und Erstattung von Gutachten in der Wahrung der gewerblichen

Interessen zu unterstützen. Sie sollen befugt sein, Erhebungen über die gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der von ihnen vertretenen Gewerbszweige in ihrem Bezirke zu veranstalten und bei solchen mitzu­ wirken. Dabei sollen sie jedoch nicht berechtigt sein, irgend welchen Zwang auszuüben, sondern sie sollen auf den guten Willen und die freiwillige Mit­

wirkung derBeteiligton angewiesen sein. Sie sollen verpflichtet fein, auf An­ suchen von Staats- und Gemeindebehörden Gutachten zu erstatten über den

Erlaß von Vorschriften mit Bezug auf die wesentlichsten, in die Betriebe eingreifenden Bestimmungen des Arbeiterschutzes, den Gerichten und Behörden über die in ihrem Bezirk für die Auslegung von Verträgen und für die Erfüllung von Verbindlichkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehende Verkehrssitte. Sie haben über Wünsche und Anträge, die ihre Angelegenheiten berühren zu beraten, Veranstaltungen

und Maßnahmen,

welche die Hebung

der wirtschaftlichen Lage und

die allgemeine Wohlfahrt der Arbeitnehmer zum Zwecke haben, anzu­ regen bezw. zu überwachen. Als solche Veranstaltungen und Maß­

nahmen werden in der Begründung als Beispiel angeführt die Ein­ richtung von Arbeitsnachweisen, natürlich paritätischen, von Rechts­ auskunftsstellen, von Versicherungskassen gegen Arbeitslosigkeit und sonstigen Hilfskassen, von Arbeiterzügen, weiter die Errichtung von

37 Arbeiterwohnungen, ferner die grundsätzliche Regelung der Arbeits­ bedingungen, wie diejenigen der Lohnzahlungen, der Akkordarbeit, der

Arbeit am Sonnabend Nachmittag, der Gewährung von Urlaub. Ferner rvird der Arbeitskammer die wichtige Befugnis erteilt, innerhalb ihres Wirkungskreises an Behörden, an Vertretungen von

Kommunalverbänden und an die gesetzgebenden Körperschaften

der

Bundesstaaten und des Reichs Anträge zu lichten. Dieses weite Betätigungsfeld der Arbeitskammern ist nur durch

zwei Schranken begrenzt. Sie dürfen nur auf dem Gebiete der in ihnen vertretenen Gewerbszweige ihre Tätigkeit ausüben, und sie haben sich von Angelegenheiten, die lediglich einzelne Betriebe betreffen, fernzuhalten,

ausgenommen

bei

Ausübung

ihrer

Tätigkeit

als

Einigungsamt. Und hiermit komme ich zu der letzten höchst bedeutungsvollen, der Arbeitskammer gestellten Aufgabe. Sie soll hinsichtlich der in ihr

vertretenen Gewerbezweige bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Einigungsamt angerufen werden können, wenn es an einem hier zuständigen Gewerbegericht fehlt oder wenn die Einigungs­ verhandlungen bei dem zuständigen Gewerbegericht erfolglos verlaufen sind. AuS den Aeußerungen in der sozialdemokratischen Presse, die aber auch in der bürgerlichen Presse zu finden sind, geht hervor, daß bei der eventuellen Beratung des Gesetze- im Reichstage darauf hin­ gearbeitet werden wird, bezüglich der Tätigkeit der Arbeitskammern als Einigungsamt den Derhandlungszwang einzuführen und den Schieds­ spruch obligatorisch zu machen. Meine Herren, wer sich nicht bereits eingehender mit dem Ent­

wurf beschäftigt hat, dem wird es schwerlich möglich geworden sein, hier aus der schnellen Darstellung die Größe, den Umfang und die

Bedeutung der den ArbeitSkamniern gestellten Aufgaben im einzelnen zu erfassen. Aber Sie alle werden den Eindruck gewonnen haben, daß die Kammern berechtigt sein werden, alle mit den wirtschaftlichen und

sozialen Verhältnissen in Zusammenhang stehenden, sowie die bedeu­ tendsten, in das öffentliche Leben der Nation eingreifenden Fragen vor ihr Forum zu ziehen und zu behandeln.

Und alle diese bedeutsamen Fragen und Gebiete werden in paritätischer Weise behandelt werden gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitern, und die verbündeten Regierungen müssen in logischer Folge ihres ganzen Handelns die Ueberzeugung hegen, daß sie auf diesem

des gewaltigen, den Arbeitskammern zugewiesenen Materials die besten Informationen und Ratschläge erhalten werden. Sollten die verbündeten Regierungen es unter diesen Umständen noch Wege bezüglich

38 für notwendig erachten, andere Organisationen zu befragen, die früher zu diesem Zwecke geschaffen worden sind und noch bestehen, wie beispielsweise die Handelskammern? Diese sollen, nach dem Wortlaut des Gesetzes, Bertretungskörperschaften von Handel und Gewerbe sein. Zu erörtern, ob sie im allgemeinen und in der Tat auch als Vertreter der Industrie anzusehcn sind, kann hier erübrigt werden. Sie werden

in der Zukunft um so weniger befragt werden, ihre Gutachten und Anträge werden um so weniger Beachtung finden, da sie nach Bildung der paritätischen Arbeitskammern sicherlich als einseitige Unternehmer­ organisationen bezeichnet und angesehen werden dürften, die sie aber nicht sind. Die Vereinigung der westfälischen Handelskammern in Essen stellt die Handelskammern ganz richtig dar: als Vertretungen nicht der Unternehmer, sondern der Unternehmungen, und sie verweist mit Recht darauf, daß die Aufgaben der Arbeitskammern tief in das bisherige Tätigkeitsgebiet der Handelskammern eingreifen und diese stark beeinträchtigen dürften. Meine Herren! Es liegt sehr nahe, in diesem Zusammenhänge auch die Stellung der freien wirtschaftlichen und industriellen Vereine und Verbände in Erwägung zu ziehen, wobei wir hier natürlich zunächst

den Centralverband ins Auge zu fassen haben. Da teile ich nun nicht das Bedenken, welches von der Vereinigung der Handelskammern in Westfalen ausgesprochen worden ist, daß nämlich die freien Vereinigungen durch die Arbeitskammern in ihrer Bedeutung vollständig zurückgedrängt und möglicherweise gänzlich ausgeschaltet werden könnten. Ich beschränke mich natürlich in meinen Aeußerungen lediglich auf den Centralverband Deutscher Industrieller. Meine Herren, wir sind in den allerwenigsten Fällen von der Regierung gefragt worden, wir sind beinahe in allen Fällen nicht gefragt worden, wo es sich um große und tief einschneidende wirtschaftliche und sozialpolitische Fragen handelte, nicht, als es sich darum handelte, die großen Aufgaben hinsichtlich der Arbeiterversicherung zu lösen, nicht, als es sich darum handelte, nach dem großen handels­ politischen Komctenjahre unser Zollwesen und unsere handelspolitischen

Beziehungen zum Auslande neu zu regeln. Wenn wir dennoch aus diesen Gebieten Arbeit geleistet haben, wenn es uns möglich gewesen

ist, in gerade nicht wenigen Fällen große Erfolge zu erzielen und der Industrie erhebliche Dienste zu leisten, so ist der Grund hierfür zu er­ blicken in der ernsten und unablässigen sachgemäßen Arbeit des Central­ verbandes. Und sich mit diesen Mitteln seine Stellung zu erhalten, trotz Arbeitskammern und sonstigen Vertretungskörperschaften, dazu wird

der Centralverband wohl auch in Zukunft in der Lage sein. Centralverband ist mir nicht bange.

(Bravo!

Sehr richtig!)

Um den

39 Wie aber wird die Arbeitskammer ihre Aufgaben erfüllen? Wir haben gesehen, daß bei den Arbeitskammern gemäß ihrer Angliederung an die Berufsgenossenschaften vornehmlich die Groß­ industrie wesentlich. in Betracht kommen wird, voraussichtlich Groß­

industrielle auS der Wahl als Vertreter der Arbeitgeber heroorgehen werden. Die Großindustriellen von heute sind ausnahmslos hoch gebildete

Männer, sie sind durchaus in der Lage, die hochbedeutungsvollen Fragen, über die sie sich nach dem umfassenden Arbeitsprogramm für

die Arbeitskammern zu äußern haben sollen, zu verstehen und zu be­ handeln, Das wird bei den Arbeitervertretern meistens nicht der Fall sein, das Verständnis wird ihnen häufig fehlen; denn wenn sie sich dieses Verständnis hätte aneignen wollen oder aneignen können, dann hätten sie aufhören müssen, Arbeiter zu sein. Daher werden sie vertreten, was die hinter ihnen stehenden Führer und Agitatoren ihrer Organisation ihnen eingeben. Die Arbeitervertreter werden sich daher meistens im Gegensatz zu den Arbeitgebern bewegen. Es ist nicht an­ zunehmen, daß die auf dem eigentlichen Gebiete ihres Wirkens durch die sich immer steigernde Intensität der wirtschaftlichen Bewegung, durch die zunehmende Komplikation der ihnen gestellten Aufgaben aufs Aeußerste angespannten Arbeitgeber großes Interesse für Verhandlungen in den Arbeitskammern betätigen werden. Dies um so weniger da die

Verhandlungen, bei der voraussichtlichen Gestaltung der Verhältnisse, als völlig frucht- und ergebnislos anzusehen sein werden. Wenn sie

unter diesen Umständen eine Wahl überhaupt annehmen werden, was fraglich ist, werden sie wohl in den meisten Fällen einen Vertreter schicken, der dann in den Kampf und Streit der Meinungen gezogen

werden wird, was sicherlich zur Förderung des Friedens in den Be­

trieben nicht beitragen kann. Die Gutachten dieses eigentümlich zusammengesetzten paritätischen Organes könnten unter Umständen für Industrie und Wirtschaft recht gefährlich werden. Da möchte ich Sie bitten, einen Blick auf unsere Bei den Ver­ handlungen über den neuen Zolltarif und über die Handelsverträge hat sich erwiesen, daß die sozialdemokratisch gesinnten Arbeiter den Handelspolitik und unsere Zollgesetzgebung zu werfen.

unbedingten Freihandel verlangen. Nun ist aber nicht zu verkennen, daß ein erheblicher Teil kleinerer, höchst leistungsfähiger und verhältnis­

mäßig in großem Umfang exportierender Industrieller gleichfalls durchaus freihändlerisch gesinnt ist. Zu dieser Ansicht sind sie gekommen, weil sie, eingeengt in ihren Anschauungen und. beschränkt auf ihren kleinen Wirkungskreis, die allgemeinen großen Verhältnisse zu erfassen nicht in der Lage find.

Sie sehen und kennen nichts weiter, als was ihren

40 Kundenkreis betrifft, und sind daher von dem Wahn erfüllt, daß Deutsch­ land nur seine Schutzzölle zu beseitigen brauche, um auch alle anderen

Länder zu veranlassen, dasselbe zu tun. Damit glauben sie größere Erleichterung für ihren Export erlangen zu können. Auf dieser Wahn­ vorstellung beruht ihre freihändlerische Ueberzeugung. Nun nehmen Sie an, daß bei einem Gutachten über unsere Handels- und Zollpolitik auf der einen Seite einstimmig die bedingungslos freihändlerischen Arbeiter sitzen; wenn sich dann auf der Seite der Arbeitgeber auch nur ein oder zwei Arbeitgeber der eben geschilderten Art befinden, so wird die Arbeitskammer ein Gutachten für die Beseitigung des Schutze» der nationalen Arbeit, für die Beseitigung unserer Zölle, kurz und gut für den bedingungslosen Freihandel abgeben. Und dieses Votum wird als der Ausdruck der Ueberzeugung der Arbeitskammer an die Regierung gehen, denn den Minoritäten soll es nicht gestattet sein, Sondergutachten abzugeben. Sollen die Regierungen nun nach Maß­ gabe dieser Gutachten handeln? Eigentlich ja, denn sie schaffen diese Körperschaften ja, um sich über die vitalen Bedürfnisse in den Ge­ werben zu informieren. Man kann an diesem Beispiele ersehen, wie gefährlich die von diesen viel gerühmten paritätischen Kammern zu er­ stattenden Gutachten werden können. Im günstigsten Falle werden hinsichtlich der zu behandelnden Fragen, der abzugebenden Gutachten und der zu stellenden Anträge Kompromisse geschlossen werden. Das erwarten wohl auch die ver­ bündeten Regierungen. Sie bauen darauf, daß durch den gegen­ seitigen Verkehr die Gegensätze wenigstens gemildert, wenn nicht aus­ geglichen werden. Soweit eS sich um Informationen für die Be­ hörden handelt, halte ich solche Kompromisse nicht für ersprießlich. Ich bin der Ansicht, daß in den unteren Instanzen das allgemeine Wohl es erfordert, daß die Ansichten, Meinungen, Forderungen und Wünsche von jeder Jnteressentengruppe unverfälscht in voller Reinheit zum Ausdruck gelangen. Kompromisse zu schließen, die Berechtigung der einzelnen Interessen gegen einander abzuwägen, das ist nicht Sache der unteren Instanzen, denn dadurch werden die Bilder verwischt. Das ist die Aufgabe der höchsten Instanz, die zu erwägen hat, in

welcher Weise und wie weit sie die Interessen der einzelnen zu be­ rücksichtigen und so das allgemeine öffentliche Wohl und Gedeihen zu wahren hat. Man hat schon einmal versucht, solche Kompromiß­ organisationen zu schaffen, Interessengemeinschaften zwischen verschiedenen Erwerbskreisen herbeizuführen. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden Vertreter der Landwirtschaft, des Handels und der Industrie zu sogenannten „wirtschaftlichen Konferenzen" berufen. Als diese

41 Aktion vorgenommen wurde, war ich in meiner Stellung in Düsseldorf, und schon damals habe ich die eben geäußerte Ansicht vertreten, daß es falsch und unzweckmäßig sei, die Bedürfnisse dieser verschiedenen, häufig genug im Interessengegensatz zu einander stehenden Erwerbs­ gruppen auf dem Wege geschlossener Kompromisse kennen zu lernen. Ich habe Recht behalten, diese „wirtschaftlichen Konferenzen" sind sehr

bald eingeschlafen und vom Erdboden verschwunden. So könnte es vielleicht auch mit den Arbeitskammern gehen, wenn nicht mit Be­ stimmtheit anzunehmen wäre, daß die Vertreter der Arbeiter von den Führern ihrer Organisation angestachelt, für politischen und sozialen Kampf und Gegensatz in den Kammern sorgen werden. Ich will nicht versuchen, bezüglich aller der so überaus weit gesteckten Aufgaben Erwägungen darüber anzustellen, ob und inwie­ weit die Arbeitskammern in der Lage sein werden, sie zu erfüllen. Ich will mich nur noch dem an die Spitze gestellten Hauptziele zuwenden, das ja auch den Grundgedanken für das Vorgehen der verbündeten Regierungen enthält. Die Arbeitskammern sollen berufen sein, den wirt­ schaftlichen Frieden zu pflegen und ein gedeihliches Ver­ hältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördernMeine Herren! Bei Beurteilung und Behandlung aller die Ver­ hältnisse der Arbeiter betreffenden Fragen ist der Centralverband immer ausgegangen von der Solidarität der Interessen der Arbeit­

geber und Arbeitnehmer. Beide sind auf einander angewiesen, ihr gemeinsames Wirken kann nur ersprießlich sein, wenn beide in ihm Befriedigung finden. Es könnte keine bessere Gewähr geben für die Erreichung der beiden vorerwähnten bedeutungsvollen Ziele, als die

volle Anerkennung der Solidarität der Interessen. Leider wird sie von den Arbeitern nicht nur nicht anerkannt, sondern aufs schärfste verleugnet. Daher ist in den gemeinsamen, an der gewerblichen Produktion beteiligten Kräften, und zwar durch das Dazwischentreten der Sozial­

demokratie, eine Scheidung eingetreten.

An die Stelle der Solidarität

der Interessen ist der Klassenkampf und der Klassenhaß getreten,

der,

von den Arbeitern auf ihre Fahne geschrieben, den Kampf gegen das Arbeitgeber- und Unternehmertum entfesselt hat.

Das nächstliegende und niemals versagende Kampfobjekt bildet der Arbeitsvertrag; dazu tritt in Verfolgung der sozialdemokratischen Ideen die Machtfrage mit dem sehr realen Ziele, den Arbeitgeber aus seiner berechtigten Stellung im Wirtschaftsleben zu verdrängen, ihn unter das Joch der Arbeiter zu zwingen.

So ist an die Stelle

der

42 Solidarität der Interessen der Gegensatz der Interessen getreten, und so sind an den wichtigsten in der Arbeiterkammer zur Entscheidung stehenden Fragen die beiden Parteien im entgegengesetzten Sinne interessiert. Nach dieser Entwickelung sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vereinigt man sie in eine Körperschaft, so wird diese, wie sich die Verhältnisse ausgebildet

zwei durchaus verschiedene Gruppen geworden.

haben, nicht einen Rahmen für die Verständigung bilden, sondern sie wird der Schauplatz sein, auf dem die Interessen zweier getrennter Gruppen aufeinanderstoßen.

Dieser Gegensatz, meine Herren, wird außerordentlich unterschätzt, wenn man glauben sollte, ihn durch akademische Erörterungen aus­ gleichen zu können. Denn hinter den Vertretern der Arbeiter steht eine andere Macht, die den wirtschaftlichen Frieden, die ein gedeihliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit aller Macht zu hintertreiben sucht, weil die Unzufriedenheit, der Klassenhaß, ein nie ruhender unversöhnlicher Kampf ihre Lebens- und Existensbedingungen sind. Diese Macht ist die Sozialdemokratie mit ihren gewerkschaftlichen Organisationen. Wenn auch die anderen Vereinigungen der Arbeiter, die Christlichen, die Hirsch-Dunkerschen, dem Staat und der Gesellschaft weniger feindlich, weniger revolutionär gegenüberstehen mögen, so haben auch sie ihren Schwerpunkt in den Organisationen. Im Wettkampf mit einander und gegen die Sozialdemokratie um die Gunst der Arbeiter sind sie gezwungen, dem Arbeitgeber- und Unternehmertum mit der­ selben Unversöhnlichkeit gegenüberzutreten, wie die Organisationen der Sozialdemokratie. Das ist genugsam erwiesen. Ich erinnere nur, daß der große Streik auf dem Eisenhüttenwerk Rothe Erde bei Aachen im vergangenen Jahre von den Hirsch-Dunkerschen angestiftet war, lediglich um den Wettbewerb gegen die Christlichen besser bestehen zu können. Ich habe, wie ich glaube, unwiderleglich nachgewiesen, daß die Vertreter der Arbeiter in den Arbeitskammern sich in der Hauptsache in Abhängigkeit von den Organisationen und unter deren Einfluß und

Leitung befinden werden. Daher wird über den wirtschaftlichen Frieden und über das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht in der Arbeitskammer entschieden werden, sondern in den Organisationen der Arbeiter, und an. diesen wird alle Liebesmühe scheitern. Meine Herren, um die deutschen Arbeiter zu bewegen, das Verhältnis zwischen ihnen und den Arbeitgebern ohne Voreingenommenheit und auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen, ist es zuvor erforderlich, sie von dem Banne der Sozialdemokratie und von dem Terrorismus der Organisationen zu befreien.

Von den Vertretem der verbündeten

43 Regierungen, wie von denen der Parteien ist nun wohl oft genug mit Worten tapfer gegen die Sozialdemokratie gestritten worden, die folgenden Aktionen aber haben ost genug dazu beigetragen, die Sozial­ demokratie und die Organisationen zu stärken und zu fördern.

Das Hauptziel und das dem ganzen Gesetzentwurf zugrunde liegende Hauptmotiv, die Pflege des wirtschaftlichen Friedens und die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird für absehbare Zeit von den Arbeitskammern nicht erreicht werden. Ebenso wenig, meine Herren, sind Erfolge von der Tätigkeit der

Arbeitskammer als Einigungsamt zu erwarten. Abgesehen von den sogenannten Machtfragen handelt es sich bei den Streitigkeiten we­ sentlich um die Bedingungen des Arbeilsvertrages, um die Lohnhöhe und die Länge der Arbeitszeit. Bei diesen Fragen handelt es sich für die Arbeitgeber meistens um Wettbewerbsvcrhältnisse im In- und Aus­ lande. Hier kommen wirtschaftliche Fragen in Betracht, die zu be­ urteilen die Arbeiter, trotz allen Bildungsdranges und trotz aller Bildungsfähigkeit, nicht kompetent sind; denn es fehlt ihnen auf diesem Gebiete die Möglichkeit der Beurteilung, oft genug auch die Neigung, objektiv zu urteilen. Dazu kommt das in sie gepflanzte große Miß­ trauen gegen alles, was die Arbeitgeber über den Zusammenhang der Produktionsbedingungen sagen mögen. Ferner ist dabei zu erwägen, daß die Arbeitgeber wohl be­

rechtigte Bedenken hegen über Dinge, die ihrer eigenen Verantwort­ lichkeit unterliegen, die sie daher auch ihrer eigenen Prüfung und Entscheidung vorbehalten wollen und müssen, in Erörterungen und Auseinandersetzungen zu treten mit unverantwortlichen Arbeitern oder

deren Vertretern. Meine Herren!

Der Druck der Arbeiterorganisationen hat Gegen­

druck erzeugt. Es haben sich die Organisationen der Arbeitgeber ge­ bildet. Diese sind viel jünger, sie scheinen aber bereits die stärkeren geworden zu fein. Die Organisationen der Arbeiter werden vorläufig nicht auf den Versuch verzichten, die Streitigkeiten nach ihren Formen, nach ihrem

System,

nach ihren langen Erfahrungen zum AuStrag zu bringen.

Die Arbeitgeberorganisationen aber werden nicht geneigt sein, die vitalen Interessen ihrer Mitglieder durch die Arbeitskammern ent­ scheiden zu lassen. Dazu kommt, daß jeder im Verhandlungswege durch Nachgiebigkeit der Arbeitgeber etwa zustande gekommene Kom­ promiß von der Presse und von den Parteien der öffentlichen Meinung

als Beweis vorherbegangenen Unrechtes gegen die Arbeiter dargestellt

44 und gegen die Arbeitgeber ausgebeutet wird.

Die Arbeitskammier als

EinigungSamt dürfte daher auf recht erheblichen Widerstand

seitens beider Organisationen stoßen. Meine Herren! Ruhe und Frieden im Gewerbe und im den Betrieben sind heute nur durch starke Waffnung zu erhalten. (Sehr

richtig!) Dieser bewaffnete Friede wird mehr und mehr durch die Organisationen der Arbeitgeber hergestellt und erhalten. Das gesteht selbst die „Kreuz-Zeitung" zu, die wahrlich nicht viel für die Jmdustrie und ihr Verhalten übrig hat,- sie sagt: „Die Arbeitgeberverbänide sind eine natürliche Folge der machtvollen Organisationen der gewerlblichen Arbeiter, und es läßt bei der Betrachtung der Lohnbewegumg der letzten Jahre sich nicht bestreiten, daß diese Gegenorganisation d«er Ar­ beitgeber vielleicht mehr zur Erhaltung des sozialen Friedens beige-trägen hat, als es ArbeitSkammem jemals vermöchten." (Sehr richtig 1) Es ließe sich noch sehr viel über die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes, über den Vorsitz, die Geschäftsführung, den Modus für die Abstimmungen und manches andere sagen; das können wir

uns aber wohl ersparen, bis zu erkennen sein wird, was der Bumdisrat und was insbesondere die Kommission des Reichstages später aus dem Gesctzentwurf machen werden. Denn, meine Herren, ich möchte nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß von der Sozial­ demokratie und von den sozialistischen bürgerlichen Parteien der Gesetz­ entwurf doch nur als die Grundlage, als der Rahmen angesehen wird, für den Aufbau eines in ihrem Sinne ausgestalteten Gesetzes. Die „Soziale Praxis" meint, daß die der Kammer gestellten Aufgaben noch erheblich erweitert und vertieft werden müßten. Für heute erachte ich unsere Aufgabe mit der Erörtemng der hauptsächlichsten Grund­ lagen des Entwurfes und der mit dieser neuen Institution verfolgten Ziele und Zwecke und mit einer allgemeinen Stellungnahme dazu für

erfüllt. Nur einige Worte möchte ich noch über die Aufbringung der Kosten sagen. Diese Kosten sollen im Hinblick auf den Anschluß der Arbeitskammern an die Berufsgenossenschaften von diesen allein, also von den Arbeitgebern gi tragen werden. Es mag bei der Einführung des Unfallversicherungsgesetzes vor rund 25 Jahren, nach Maßgabe

der damaligen Lage der Arbeiter, vielleicht , berechtigt gewesen sein, die ganzen Kosten der Unfallversicherung den Arbeitgebern aufzuerleAen, wogegen damals schon ernste Bedenken geäußert wurden, und wwzu sich die Regierung erst in ihrem dritten, dem Reichstage vorgelegsten Gesetzentwürfe entschlossen hatte. Seit jener Zeit aber haben sich

doch wesentlich geändert.

die Verhältnisse der Arbeiter

Faßt man lediglich die Tatsache ins AlUge,

45 daß die Mitglieder der sozialdemokratischen Gewerkschaften im Jahre 1906 im Durchschnitt pro Kopf an die Gewerkschaften 24,62 Mark gezahlt haben, dann wird man es nur als recht und billig erachten können, daß wenigstens ein Teil der Kosten für die lediglich in ihren

Interessen errichteten Arbeitskammern auch von den Arbeitern getragen werden. Zum mindesten sollte ein anderer Vorschlag in Berück­ sichtigung gezogen werden, der die Kosten zu gleichen Teilen auf daS Reich, die Arbeitgeber und die Arbeiter legen will. Von der Sozialdemokratie, die sich die politische, und von den Gewerkschaften, die sich die wirtschaftliche Vertretung der Arbeiter an­ gemaßt haben, wird der Gesetzentwurf in Grund und Boden verurteilt und in ihrer Weise brutal zurückgewiesen. Nach mehrfachen Schwankungen zwischen Arbeitskammern und Arbeiterkammern werden jetzt von ihrer Seite mit aller Entschiedenheit reine Vertretungskörperschaften für die

Arbeiter in der Form von lokalorganisierten Arbeiterkammern mit Arbeitsämtern und einem Reichsarbeitsamt als Spitze gefordert.

In einigen Kreisen unserer Mitglieder hat man diese Verhältnisse bereits ernst erörtert. Es wurde zunächst die Frage aufgestellt, ob die Arbeiter berechtigt sind, eine eigene Vertretung zu verlangen. Man hat diese Frage bejaht mit dem Hinweis auf die besonderen Vertretungen, die den Arbeitgebern und Unternehmern in den Landwirtschaflskammern, in den Handwerkskammern, dem Wortlaut nach für Handel und Gewerbe in den Handelskammern bereits gegeben sind. Da alle diese

Organisationen reine VertretungSkörperschaiten der Unternehmer sind, bei der geringen Bedeutung der Gestllenausschüsse auch die Hand­ werkerkammern, so hat man sich in den erwähnten Kreisen auch für die Errichtung von reinen Arbeiterkammern ausgesprochen. Ihr Direktorium, meine Herren, glaubt, dem Central-

verbande nicht empfehlen zu können, diesen Standpunkt ein­ zunehmen. Wir glauben zunächst, daß ein Erfoidernis zu der Er­ richtung der neuen Organe zur Vertretung der Interessen der Arbeiter

nicht vorliegt. Selbst die Begründung zu dem Gesetzentwurf gibt zu, „daß es bisher an Einrichtungen zu diesen Zwecken — das sind die in dem kaiserlichen Erlasse bezeichneten Zwecke — nicht gefehlt hat." „Nicht gefehlt" heißt doch, sie sind in genügendem Umfange vor­

handen. Welcher Teil des Volkes aber und welche Interessen finden eine derart umfassende energische und unablässige Vertretung seiten­

aller Parteien im Reichstag, wie diejenige der Aibeiter? Wir bitten Sie, sich dieser Auffassung anzuschließen, demgemäß die Bedürfnissrage

und auch nicht sich für Arbeit»rkammern auszuspiechen; denn die Arbeiterkammern werden nichts mehr und nichls weniger sein

zu verneinen

46 als eine staatliche Organisation der Sozialdemokratie, wohl geeignet, alle Arbeiter, die sich heute noch von den sozialdemokratischen Organi-

saüonen fernhalten, in sie hineinzutreiben (sehr richtig!) und den in neuerer Zeit erfreulicherweise hervortretenden Widerstand erheblicher Arbeitergruppen in den einzelnen Betrieben gegen die Schreckens­ herrschaft der Sozialdemokratie und ihrer Organisationen im. Keime

zu ersticken. Wir bitten Sie, Ihrer Ueberzeugung dahin Ausdruck zu geben,

daß die mit der Errichtung der Arbeitskammern verbundenen Ziele und Zwecke nicht erreicht werden können. Wir bitten Sie damit, den Gesetzentwurf zurückzuweisen. Die Ablehnung des Gesetzentwurfes ist in den Kreisen, die sich bisher geäußert haben, merkwürdig einmütig gewesen. Im günstigsten

Falle wird der Entwurf, wie ich bereits bemerkt habe, als eine dankenswerte Grundlage für den Ausbau dessen angesehen, was man verlangt und erwartet habe. Unwillkürlich drängt sich bei diesen Betrachtungen die Frage auf, wie es kommt, daß die verbündeten Regierungen, trotz ihrer besten Absichten und ihres eifrigen Bemühens, es nur zustande gebracht haben,

die Verwirklichung der von dem Kaiser in seinem Erlasse verkündeten, von weiten Kreisen damals mit jubelnder Zustimmung begrüßten Ab­ sichten in einen Gesetzentwurf zu kleiden, der fast allgemein und von allen Parteien zurückgewiesen wird. Das kommt daher, meine Herren, weil sich in den 18 Jahren seit der Veröffentlichung

jenes

Allerhöchsten

Erlasses

alle

mit

der

Arbeiterfrage

.zusammenhängenden Verhältnisse außerordentlich geändert haben. Daher habe ich bereits in Düsseldorf und auch hier vor einigen Tagen in der Vorstandssitzung des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten die Ansicht vertreten, daß die Berufung auf

den Kaiserlichen Erlaß vom 4. Februar 1890 seitens der verbündeten Negierungen wie der Parteien — und diese Berufung bildet den wesent­ lichsten Teil der Begründung — als unzeitgemäß und daher als unzulässig bezeichnet werden muß. Werfen Sie, meine Herren, einen Blick in die Verhältnisse damals und jetzt. Damals, meine Herren, in dem Jahre nach der Veröffentlichung des Kaiserlichen Crlasses, also 1891, betrug die Mitgliederzahl der sozialdemokratischen Gewerkschaften 277000, Ende des Jahres 1906: 1800000. Die -Christlichen bestanden damals noch nicht, sie traten erst 1894 in die

Erscheinung und haben es bis zu Ende des Jahres 1906 auf 220000 Mitglieder gebracht, die Hirsch-Dunckerschen auf 118000. Wir werden wohl damit rechnen können, daß gegenwärtig über drei

47 Millionen Arbeiter in diesen drei Kategorien organisiert sind. DaS ist nicht nur eine Macht der Zahl nach, sondern auch eine finanzielle

Macht; denn die sozialdemokratischen Gewerkschaften allein Hatten im Jahre 1906 eine Einnahme von 46 Vr Millionen Mark und Ende desselben Jahres einen Vermögensbestand von 31 y2 Millionen Mark. Ersichtlich haben sich seit jener Zeit die Machtvtzrhältnisse wesentlich zugunsten der Arbeiter verschoben, ihr verwerfliches Streben, die fried­ liche Arbeit zu stören, ist in immer größerem Umfange und folgeschwerer

hcrvorgetreten, und die Gegensätze haben sich unendlich verschärft. Zudem sind seit der Veröffentlichung des Allerhöchsten Erlasses auf der besonders heroorgehobenen Grundlage der Parität Institutionen verschiedener Art geschaffen worden. Ich verweise auf das gewaltige

Tätigkeitsfeld der Arbeiterversicherungsgesetze, deren paritätische Institutionen wesentlich erst nach der Zeit des Kaiserlichen Erlaffes durch die neuere Gesetzgebung geschaffen worden sind. Ich verweise auf die Gewerbegerichte, die paritätischen Arbeitsnachweise, alles An­ regungen, die den Intentionen des Kaisers enffprechen, Einrichtungen,

geschaffen, um ein ersprießliches Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitern zu ermöglichen. Der Erlaß des Kaisers vom Jahre 1890 wird als glänzendstes Zeugnis für den hohen Geist, die ideale Auffassung und das tief empfundene Wohlwollen für die arbeitenden Klassen des jungen Kaisers für alle Zeiten in unserer Geschichte sortleben. Aber ohne unserer hohen Verehrung für unseren Herrn und Kaiser, ohne unserer Liebe und Anhänglichkeit irgend Abbruch zu tun, der wir bei Beginn unserer heutigen Versammlung begeisterten Ausdruck gegeben haben, müssen wir es aussprechen: Heute sind die Berufungen auf die Kaiser­ lichen Erlasse unzeitgemäß und verfehlt. Wir vermögen sie nicht als Gmndlage und Begründung von Institutionen anzuerkennen, die

unserer Ueberzeugung nach zum Nachteil unseres wirtschaftlichen Lebens, zur Verschlechterung der sozialen Verhältnisse beitragen werden. Das, meine Herren, haben wir in dem Anträge, der Ihnen vorliegt, zum Ausdruck gebracht, und wir bitten Sie, diesen Antrag

anzunehmen.

(Lebhafter anhaltender Beifall!)

Borfitzender: Meine Herren, ehe ich die Diskussion über den vorliegenden Antrag eröffne, möchte ich Ihnen den Antrag, wie er

endgültig gefaßt ist, einmal vorlesen lassen. Sie befinden sich im Be­ sitze von Exemplaren, die vor unserer ApSschußsitzung gedruckt worden sind; es sind da einige nicht unwesentliche Veränderungen vorgenommen, die für die Diskussion doch von Wert sind. (Der abgeänderte Antrag wird verlesen.)

48 Nachdem sich das Direktorium und der Ausschuß des Central­

verbandes Deutscher Industrieller in besonderen Sitzungen eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern

beschäftigt haben, erklären die heute zahlreich zu demselben Zwecke zusammengetretenen Delegierten in voller Uebereinstimmung mit den vorbezeichneten folgendes:

Organen

namens

des

CeritralverbandeS

Die Begründung des Gesetzentwurfes enthält im Eingänge

folgende Sätze: „Der Kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 hat für

die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeit­ nehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen in Aussicht genommen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegen­ heiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und den Behörden befähigt werden sollen. Wenn es schon bisher an Einrichtungen zu diesem Zweck nicht gefehlt hat, so sind doch von verschiedenen Seiten, insbesondere auch im Reichstage, Anträge auf die Errichtung besonderer Vertretungen gestellt und zum

Beschluß erhoben worden."

Der Centraloerband teilt mit der Begründung die Ansicht, daß es schon bisher an Einrichtungen zu den in der Kaiserlichen Botschaft bezeichneten Zwecken nicht gefehlt hat, daß sie demgemäß in einem erheblichen Umsorge vorhanden sind; er kann daher die von verschiedenen Seiten, insbesondere vom Reichstage gestellten und zum Beschluß erhobenen Anträge nicht als genügende Begründung der Absicht anerkennen, paritätische Aibeitskammern zu errichten,

Organe, die einen tiefgehenden und, wie weiterhin gezeigt werden wird, dem Gemeinwohl nicht förderlichen Einfluß auf die Gestaltung

der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ausüben würden.

Ohne gegen die Parität, die in verschiedenen, im Interesse

der A, beiter errichteten Institutionen, wie beispielsweise bei

den

Gewerbegerichten, bereits eingeführt ist, prinzipiell Stellung zu nehmen, «st der Centraloerband doch der Ansicht, daß die in dem vorliegenden Gesetzentwurf geplanten Arbeitskammern nicht geeignete Organe zur befriedigenden Erfüllung und Erreichung der ihnen

zugewiesenen

unifangreichen und vielseitigen Aufgaben und sehr

weitgesteckten Ziele sein werden.

49 Insbesondere ist der Centralverband zu der festen Ueberzeugung gelangt, daß die an die Spitze gestellte bedeutungsvollste, den hauptsächlichsten Zweck und Kern der Vorlage umfassende Aufgabe, den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen und ein gedeih­ liches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeit­

nehmern zu fördern, von den Arbeitskammern nicht erfüllt werden wird und nicht erfüllt werden kann. Denn der Central­

verband glaubt unbedingt annehmen zu müssen, daß, möge das vorgeschlagene Verfahren zur Wahl der Arbeitervertreter oder irgend ein anderer Wahlmodus zur Anwendung gelangen, die Mehrzahl der Gewählten unter dem bedingungslosen Einfluß solcher gewerkschaftlichen Organisationen stehen wird, die unter dem Deck­ mantel das Wohl der Arbeiter zu fördern, politische Machtstellung, anstreben. Daher ist der Centralverband zu der weiteren Ueberzeugung gelangt, daß die. Erörterungen und Verhandlungen in den pari­ tätischen Arbeitskammern zum Gegenteile, das ist zur Förderung des wirtschaftlichen Unfriedens und zur Verschlechterung des Ver­ hältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen werden. Der Centralverband muß aber auch die als maßgebend für die im Reichstag gestellten und zum Beschluß erhobenen Anträge und für die Ausarbeitung und Einbringung dieses Gesetzentwurfes anzusehende Berufung auf den Kaiserlichen Erlaß vom 4. Februar 1890 als unzeitgemäß und daher als unzutreffend bezeichnen, da in den 18 inzivischen verlaufenen Jahren die Arbeiterverhältnisse fast überall und in den wesentlichsten Beziehungen eine durchaus andere, mit dem Inhalt und den Absichten des Erlasses nicht mehr übereinstimmende Gestaltung angenommen haben. Ohne jetzt schon auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfes weiter einzugehen, da doch in der eventuellen weiteren Behandlung durch die zuständigen Stellen wesentliche Aenderungen vorgenommen werden dürften, beschließt die Versammlung der Delegierten des Central­

verbandes, das Direktorium zu beauftragen,

sich mit der Bitte

an die Verbündeten Regierungen zu wenden, dem im Hohen Bundesrat zur Vorlage gelangten Ent­

wurf eines Gesetzes über Arbeitskammern die Zu­ stimmung zu versagen und ihn nicht weiter zu ver­ folgen. vr. Büttner-Augsburg: Hochgeehrte Herren! Bei dem Gesetzentwurf, der heute Ihrer Beratung und Begutachtung untersteht, haben Sie eS Hest 108.

50 keineswegs mit einem Entwurf zu tun, der etwa in seiner prinzipiellen Gestaltung auf Forderungen der Arbeiter basiert sein würde. Sie haben vielmehr etwas anderes, sie haben eine Errungenschaft, einen

Sieg der sozialen Theoretiker, der sozialpolitischen Illusionisten vor sich, der Herren vom Schlage der Professoren Hitze und Harms.

Diese Kreise haben es verstanden, durch eine literarische Pro­ paganda sowohl die öffentliche Meinung, wie auch den bürgerlichen Teil des Reichstages, und schließlich sogar die Reichsregierung zu der

Ueberzeugung zu bringen, daß es zur Herstellung und Sicherung des gewerblichen Friedens nichts anderes bedarf, als die gegensätzlichen Parteien zu einer gemeinschaftlichen Verhandlung unter einem beamteten

Vorsitzenden zu vereinigen. Was die Reichsregierung

mit dem Entwurf geben will,

ist

durchaus nicht das, was die Arbeiter wollen. Die Arbeiter wollen, das ist klar genug, eine Interessenvertretung — eine Interessen­ vertretung, wie die anderen Stände sie schon in den Handelskammern, Handwerkerkammern, Landwirtschaftskammern besitzen. Beweis dafür ist der Kölner Gewerkschafts-Kongreß 1905; hier wurde mit 800 000 gegen 400 000 Stimmen die Schaffung reiner Arbeiterkammern verlangt. Ich kann ja die Frage zunächst ganz offen lassen, ob eine Notwendigkeit zu einer Interessenvertretung der Arbeiter in der Form reiner Arbeiterkammern vorliegt. Jedenfalls ist sicher, daß die Arbeiter in ihrer überwältigenden Mehrheit keine paritätischen Arbeits­ kammern wollen. Es soll also mit dem Entwurf nicht das geschaffen werden, was die Arbeiter wollen. Es soll etwas ganz anderes in Szene gesetzt werden, nämlich ein neues gewerbliches EinigungsInstitut, ein sinnreich konstruierter Apparat, der dazu dient, ge­ werbliche Streitigkeiten zu schlichten.

Meine Herren, ich glaube, daß die neue Erfindung nicht patent­ fähig ist. Erstens ist sie nicht neu, sondern nur ein Abguß der Gutachter- und Einigungsausschüsse der Gewerbegerichte, und zweitens ist sie nach meiner Ansicht unbrauchbar, sie wird dieselbe Unfruchtbar­ keit und Bedeutungslosigkeit besitzen wie diese Gutachterausschüsse der Gewerbegerichte. Gleich diesen Gutachter- und Einigungsausschüssen wird auch die paritätische Arbeitskammer nicht imstande sein, das gewollte Ziel der Sicherung des gewerblichen Friedens zu erreichen.

Man spricht nun davon — und das hat ja der hochverehrte Herr Referent heute auch ausgesührt —, daß Arbeitgeber und Arbeiter gleiche Interessen haben, eine Jnteressensolidarität besitzen. Ich möchte

den schönen Worten des Herrn Bueck keinen Abbruch tun und gebe vollkommen zu, daß im höheren Sinne eine solche Interessengemeinschaft

51 besteht, daß sowohl Arbeitgeber wie Arbeiter ein Interesse daran haben, daß die Erwerbsform, die wirtschaftliche Form, in der sie tätig sind, in der sie zusammen arbeiten, prosperiert. Aber wir wollen unS doch nicht der Tatsache verschließen, daß naturgemäß ein Gegensatz besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer — und

daß dieser Gegensatz dauernd bestehen wird — darüber, wie die Er­ trägnisse der gemeinschaftlichen Arbeit sich zu verteilen haben auf die bloß manuelle Arbeit einerseits, das Kapital, den Unternehmungsgeist, die Kopfarbeit andererseits. Also diese Gegensätzlichkeit besteht, und die Fragen, die der Zuständigkeit der Arbeitskammern zugewiesen werden sollen,

sind gerade solche,

in

denen es sich um die gegen­

sätzlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern handelt. Ich erachte es aber für unmöglich, daß durch Zusammenspannung der gegensätzlichen Interessen der Friede hergestellt werden kann, oder daß mit Hinblick auf günstigere Ergebnisse einer gemeinschaftlichen Interessenvertretung die paritätische Form für die Vertretung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angezeigt erscheinen könnte. Ich bin vielmehr der Meinung, daß die Gegensätzlichkeit der Interessen, der wir nun einmal, wenn wir offenen Blickes den Tatsachen gegen­ überstehen, begegnen, durch paritätische Verhandlungen und Ein­ richtungen keineswegs aus der Welt geschafft oder gemildert werden kann. In der Begründung des Entwurfs, wie er Ihnen heute vor­ liegt, ist besonders angeführt, daß man den paritätischen Kammern den Vorzug vor reinen Arbeiterkammern deshalb gibt, weil nur in den paritätischen Kammern der eine Teil die Ansichten des anderen

kennen und von seinem Standpunkt aus würdigen lernen kann, und weil diese neue, soziale Einrichtung geeignet sein würde, dem sozialen Frieden zu dienen. Die Gründe sind offenkundig nicht stichhaltig. Es handelt sich heute nicht darum, daß der Arbeitgeber die Interessen des Arbeiters nicht kennt, und daß der Arbeiter nicht weiß, wie die Interessen des Arbeitgebers, wenigstens hinsichtlich der Gestaltung der Dienst- und Arbeiterverhältnisse liegen! In der Praxis ist heute nicht

die mangelnde Kenntnis der Verhältnisse schuld, daß es zum Kampfe kommt; Grund des Kampfes ist es, daß wir es notorisch mit gegen­ sätzlichen Interessen zu tun haben, daß die beiden an der Regelung

des Arbeitsvertrages beteiligten Faktoren eben einen von einander abweichenden Standpunkt einnehmen müssen. Das wird auch durch ein Debattieren in den paritätischen Arbeitskammern in keiner Weise aus der Welt geschafft. Der Herr Referent hat weiter in sehr zutreffender Weise hervor­ gehoben, daß ein wesentlicher Grund gegen das projektierte Einigungs-

52 institut der ist, daß der Arbeitgeber Lage ist, die wirtschaftlichen Gründe,

sehr häufig nicht in der die ihn bestimmen müssen,

gewisse Forderungen der Arbeiter abzulehnen, vor der Oeffentlichkeit, oder vor seinen Arbeitern, oder gar vor Arbeitern anderer Be­

triebe diskutieren zu lassen und auseinander zu setzen. Ein weiterer Grund ist: Auch die autoritative Stellung des Arbeitgebers, die er zur erfolgreichen Leitung seines Betriebes notwendig hat, wird nachteilig dadurch beeinflußt, daß er gezwungen sein würde, in den Arbeitskammern die Gründe seiner wirtschaftlichen Stellungnahme auseinander zu setzen. (Sehr richtig!) An der Aufrechterhaltung dieser autoritativen Stellung hat der Staat das größte Interesse. (Sehr richtig!) Es ist heute schon sehr zutreffend ausgeführt worden, daß nach wie vor zu befürchten sein wird, daß die Vertretung der Arbeiter in den Arbeitskammern trotz ihres paritätischen Charakters einseitigen Agitatoren zufallen würde. Diese würden schon aus politischen und taktischen Gründen gezwungen sein, den gewerblichen Frieden gerade mit dem Hilfsmittel der Arbcitskammer zu stören dadurch, daß sie fortgesetzt da, auf bedacht sein werden, durch Ausgrabung neuer Anträge und Wünsche die Zufriedenheit nicht aufkommcn zu lassen. (Sehr richtig!) Von diesem Gesichtspunkte aus wird gerade die paritätische Arbeitskammer ein Mittel sein zur Störung des Friedens. Was wird die Folge sein? Auch die Arbeitgeber werden gerade mit Rücksicht darauf, daß auf der anderen Seite nur Agitatoren in den Arbeits­ kammern sitzen werden, Leute mit unbeugsamem Nacken und unbeugsamen Ansichten hineinwählen. Und was wird sich hieraus ergeben? — Der Herr Staatssekretär hat das in der Reichstags-Sitzung vom 4. März gestreift: „Es werden hüben und drüben nur Leute in die Arbeitskammern hineinkommen, die von vornherein gewillt sind, nur nein zu sagen. Nun könnte man einwenden:

Wenn dem so ist,

dann kann

man sich doch mit den Arbeitskammern abfinden, sie sind dann zwar eine zwecklose und eine kostspielige, aber eine unschädliche Einrichtung. Ich halte das nicht für richtig, und zwar möchte ich zwei Haupt­ gesichtspunkte dafür anführen. Vor allem darf die Industrie mit einem gewissen berechtigten Mißtrauen darauf Hinblicken, daß die

Leitung der paritätischen Arbeitskammern einem beamteten Vorsitzenden

übertragen werden soll. Die Industrie hat schon sehr häufig Gelegenheit gehabt, die schwere Hand des Staates zu fühlen und das Eingreifen von sozialpolitisch voreingenommenen Beamten zu spüren. Ich fürchte, der beamtete Vorsitzende wird sich in der Arbeitskammer seine sozial­

politischen Sporen zu verdienen suchen, und er wird unter allen Um--

53 ständen mit der Arbeitskammer etwas schaffen wollen und durch einen mehr oder weniger schweren Druck die Arbeitgeber zu Konzessionen zu veranlassen suchen, die vielleicht in den wirtschaftlichen Verhältnissen Das ist der eine Gesichtspunkt. Der zweite ist der, daß der Entwurf eines Gesetzes über di.e Schaffung von Arbeitskammern außerordentlich entwickelungsfähig ist, nicht begründet sind.

aber im schlimmen Sinne.

Ich darf darauf Hinweisen, daß heute schon

von sozialpolitischen Theoretikern gesagt wird,

der jetzt vorliegende

Gesetzentwurf ist nur ein bescheidener Anfang, die weiteren Forderungen werden sehr bald kommen. Sie hören heute schon die eine: nämlich

die Einführung obligatorischer Arbeiterausschüsse in allen Betrieben. Das ist vielleicht nicht die bedeutendste. Die wichtigste Forderung, die sofort in . allen Arbeitskammern, sobald sie erst geschaffen sind, erhoben werden wird, ist die Einführung des Verhandlungszwanges und die gesetzliche Festlegung desselben. Das hat auch Professor Harms betont. Er sagt in seiner Broschüre über Arbeitskammern und Kaufmannskammern: Das ist der nächste Schritt, die notwendige Folge der Errichtung von Arbeitskawmern: es muß durch Gesetz ver­ boten werden, 1. den Arbeitern, in einen Streik einzutreten, 2. den Arbeitgebern, eine Aussperrung vorzunehmen. Professor Harms denkt dabei auch daran, wie man die Durchführung eines solchen Vorschlages sichern kann. Er kommt zu der Forderung: Um den Verhandlungs­

zwang sicher zu stellen, soll der Staat bei drohenden Differenzen in einem Gewerbe die Kassen der Arbeiter- und der Arbeitgeberorganisationen in Beschlag nehmen, (Hört, hört!) und soll ferner zivilrechtlich bestimmen, daß jede Aussperrung, über die nicht vorher in einer

paritätischen Arbeitskammer verhandelt worden

ist,

den Arbeitgeber

verpflichtet — und gegenteilige Verabredungen sollen nicht gültig sein — während der ganzen Zeit der Aussperrung den Arbeitern den Lohn

fortzuzahlen. (Hört, hört!) Das ist die notwendige Entwickelung! Stellen Sie sich vor, die Arbeitskammern sind erst geschaffen; sie werden suchen müssen, ihre Existenzfähigkeit zu beweisen. Der Vor­

sitzende wird das ©einige dazu tun. Der Appetit kommt beim Essen, und es ist ganz erklärlich, daß die Arbeitskammern sehr bald nach größerem Einfluß und nach Machtbefugnis streben werden. Heute schon ist es sicher: der nächste Schritt ist die Forderung des

Verhandlungszwanges. Daß dieser eine sehr bedenkliche Sache ist, brauche ich nicht auszuführen. Wir sehen ja schon, wohin die Reise geht. Ich fürchte zwar nicht, daß eine derartige ungeheuerliche Gesetzgebung schon heute oder morgen zur Durchführung kommt, aber

die Arbeitskammern werden von dem Moment an, wo ihre Errichtung

54 erfolgt ist, schon von selbst dafür sorgen,

wachsen.

Ich

fürchte,

daß ihre Machtbefugnisse

daß der Verhandlungszwang der erste Schritt

zum sozialen Staat und zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Staat wäre. Was dazu fehlt, ist dann nur noch ein kleiner

Schritt. (Sehr richtig!) Ich glaube, die Industrie kann nichts anderes tun, als den Gesetzentwurf, den der Herr Referent ja mit großer Liebe behandelt hat, kategorisch

abzulehnen und sich

auf die Einzelheiten des Ent­

wurfes gar nicht einzulassen. Der einzige Gedanke, daß die Arbeits­ kammer nutzlos ist, daß sie nicht zum Frieden, sondern zum Unfrieden führen muß, sollte genügen,

den ganzen Gesetzentwurf a limine ab­

zulehnen. Noch eine kleine Bemerkung. Ich möchte noch die Form der reinen Arbeiterkammern streifen, und da mache ich Ihnen das Bekenntnis, daß ich zu der schon vorhin von Herrn Bueck erwähnten Gruppe gehöre, die sich noch am ehesten für die Forderung reiner Arbeiterkammern aussprechen könnte, aus einem Grunde: Wir

haben mit dem Reichstage zu rechnen, mit dem Reichstag, der unter dem Einfluß der Masse steht, und der Reichstag, alle seine bürger­ lichen Parteien haben sich vorgenommen, den Arbeitern in irgend einer Form eine Interessenvertretung zu geben. Kommen die Arbeits­ kammern nicht, dann kommen die Arbeiterkammern. Ich erkenne in diesen die richtigere, zweckmäßigere und viel weniger bedenkliche Form als in den Arbeitskammern. Jedenfalls sind sie das kleinere von

zwei Uebeln. (Sehr richtig!) Ich gebe zu, auch die reinen Arbeiter­ kammern können, wenn sie unter radikaler Leitung stehen und zu radikalen Beschlüssen kommen, unangenehm werden. Aber schließlich

sind es gruppe.

doch nur einseitige Aeußerungen einer einseitigen Interessen­ Die Regierung wird in die Lage kommen, die Aeußerungen

der Arbeiter einerseits und die der Unternehmer, der Handelskammern der freien Vereine usw. andererseits gegen einander abzuwägen. Das Gewicht der Gründe wird entscheiden, und wir brauchen unserer­ seits nicht besorgt zu sein darum, daß wir für das, was wir wünschen, nicht stets unsere guten Gründe haben werden.

Ich gebe zu, die Ge­ fahr einer radikalen Vertretung in der Arbeiterkammer ist gegeben. Aber ich glaube, mit dem System der Proportionalwahl könnten wir dem doch bis zu einem gewissen Grade einen Riegel vorschieben. Ich

meine, daß mit dem System der Verhältniswahl die Kampforgani­ sationen der Arbeiter keine Aussicht hätten, die absolute Herrschaft in Arbeiterkammern an sich zu reißen. Gerade das System der Pro­ portionalwahl würde den Anreiz dazu geben, daß jede Gruppe von

55 Arbeitern, auch die vaterländischen Arbeitervereine, die Werkvereine, die gelben Arbeitervereine, die Nichtorganisierte Arbeiterschaft, kurz alle Gruppen nach dem Verhältnis ihrer Stimmenzahl hineinkämen. Sache verständigen Vorgehens der Industriellen würde es eben sein, die nicht organisierten Kreise der Arbeiter zu Gruppen zusammenzufassen, ivelche den Unternehmern wenigstens nicht prinzipiell feindlich gegenüber stehen. Es liegt mir selbstverständlich fern, Anregungen zu geben, die sich zu Anträgen verdichten sollen. Ich wollte das alles nur er­ wähnen, damit auch aus der Gruppe der Industriellen, die für reine Arbeiterkammern zu haben wären, einige leitende Gesichtspunkte an­ geführt werden. Es wäre auch kein Schaden für die Industrie, wenn

es ein Organ gäbe, das sich mit Recht als die Vertretung der Ge­ samtarbeiterschaft bezeichnen könnte. Heute erhebt in politischer Beziehung die Sozialdemokratie den Anspruch hierauf, in wirtschaft­ licher Beziehung die freien Gewerkschaften, und leider ist es so weit gekommen, daß die Regierungskreise die Führung der freien Gewerk­ schaften so behandeln, als wären sie die wirklichen Vertreter der Gesamtarbeiterschaft. Ein Beispiel: Die bayerische Staatsregierung hat in die oberste Stelle zur Begutachtung der wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten in Industrie und Handel, in die Königlich Bayerische Zentralstelle für Industrie, Gewerbe und Handel als Ver­ treter der Arbeiterschaft berufen den Arbeitersekretär und sozial­ demokratischen Abgeordneten Segitz! (Lebhafter Beifall.) Landtagsabgeordneter Dr. Beumer-Düsseldorf: Ich freue mich

außerordentlich, daß der verehrte Herr Vorredner von der Stellung besonderer Anträge, die sich auf die Einrichtung reiner Arbeiterkammern beziehen, abgesehen hat; und ich möchte den Wunsch und die Hoffnung

aussprechen, daß auch die folgenden Redner von solchen Anträgen absehen, weil ich der Meinung bin, daß es heute nicht unsere Aufgabe ist, an die Stelle des uns vorliegenden Gesetzentwurfes den Vorschlag eines neuen zu setzen, wir müssen uns heute vielmehr darauf beschränken, den Nachweis zu führen, daß der vorliegende Gesetzentwurf nicht

geeignet ist,

das zu erfüllen, was sich

die verbündeten Regierungen

von ihm zu versprechen scheinen. In den Düsseldorfer Verhandlungen waren wir, wie mein verehrter Freund und Kollege Bueck soeben zu erwähnen die Güte hatte, der Ansicht, daß die Industrie jede Institution freudig zu begrüßen Anlaß hat, die geeignet ist, den Frieden zwischen

Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu fördern, da letzteren im Hinblick auf die Solidarität der Interessen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern natürlich auch an dem Zustande des Friedens gelegen sein muß.

Die

Ausführungen des Referenten, sowie die ausgezeichneten Darlegungen

56 des Herrn Dr. Büttner haben uns aber überzeugend dargelegt, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine für die Förderung dieses Friedens

ganz und gar untaugliche Institution vorgeschlagen wird.

Eine kleine Bemerkung, die Herr Dr. Büttner zu Anfang gemacht hat, möchte ich doch korrigieren. Er hat gesagt, die Vertretung der Arbeiter, sei es in paritätischen oder nicht paritätischen Kammern, sei,

wenn ich es recht verstanden habe,

dadurch gerechtfertigt, daß andere

Stände bereits eine solche Vertretung besitzen, und er hat die Handels­ kammern, Landwirtschaftskammern und Handwerkerkammern genannt. Das tut auch der Entwurf, aber, wie ich glaube, ohne Berechtigung; denn in den Landwirtschaftskammern sind keine Arbeiter; in den Handelskammern sitzt bis jetzt kein Angestellter, sondern die Vertreter und wenn man bei den Handwerkskammern auf verweisen will, so ist in dem Gesetz über die die Tätigkeit der Gesellenausschüsse auf das daß sie mitreden dürfen über die Einrichtungen, getroffen sind. Wir haben also bis heute eine Vertretung der Arbeitnehmer in keiner dieser Einrichtungen, und es ist ein Irrtum der Begründung des Gesetzentwurfes, wenn sie eine solche

der Unternehmungen; die Gesellenausschüsse Handwerkskammern Minimum beschränkt, die zu ihrem Besten

Vertretung annimmt. Im übrigen möchte ich meine besondere Freude darüber aus­ sprechen, daß auch Herr Dr. Büttner auf den Professor Harms die Aufmerksamkeit gelenkt und gezeigt hat, wohin die Reise geht. Ich möchte nur darauf Hinweisen, daß Dr. Harms-Jena in der „Kölnischen

Zeitung" gefordert hat, daß die Arbeiterausschüsse für Betriebe von 20 Arbeitern und mehr obligatorisch gemacht werden, um, wie er

wörtlich fortfährt, „auf diese Weise zugleich einen sehr erheblichen Schritt in der Richtung des konstitutionellen Systems in der Fabrik

vorwärts zu tun".

(Hört, hört!)

Meine Herren,

dorthin läuft also

der Hase dieser Herren! (Beifall.) Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Ter uns vorliegende An­ trag des Berichterstatters hat in der Fassung, die uns vorgetragen ist, den großen Vorzug, daß sich nicht viel dagegen sagen läßt. Es bleibt mir daher nur übrig,

der Begründung, die mein verehrter Freund Bueck soeben uns in so vorzüglicher Weise gegeben hat, noch einige Ergänzungen hinzuzusügen oder, wie ich sagen möchte, einige Punkte etwas zu unterstreichen. Herr Dr. Büttner hat ausgeführt, der Gesetzentwurf sei im wesentlichen das Produkt unserer volkswirt­ schaftlichen Theoretiker. Ich glaube, es hat noch ein anderes Moment für das Entstehen dieser Ausgeburt gegeben. Es ist nämlich nach meinem Gefühl doch auch ein großes Stück Wahlpolitik dabei.

57 Denn wenn man sich die Entwickelung der Dinge im Reichstage an­ sieht, dann müßte man tatsächlich darüber erstaunen, wie auch sonst wirk­ lich hochintelligente und geistreiche Männer gewissermaßen einen Weit­ lauf anstellen, um Gesetzesvorschläge zu konstruieren, die neue sozial­

politische Wohltaten herbeiführen sollen, und dabei keinerlei Scheu tragen, in Verhältnisse einzugreifen, mit denen sie in ihrem Leben praktisch wohl schwerlich in nähere Berührung gekommen sind. Wir sind dahin gekommen, daß man im Reichstage) unbekümmert um die Wirkung der Maßnahmen auf die Nächstbeteiligten, Gesetzentwürfe macht, die jeder, der im praktischen Leben steht, für überflüssig, un­

zweckmäßig, schädlich und sogar für undurchführbar erachten muß. Wenn in der Begründung gesagt ist, es sei eine wesentliche Aufgabe der geplanten neuen Einrichtung, mit der Wahrnehmung der Arbeiter­ interessen in den Arbeitskammern womöglich ein gedeihliches Ver­ hältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern, dann entbehre ich zunächst den Hinweis auf diejenigen Möglichkeiten, die für die Arbeitskammern gegeben sein sollen, wirksam etwas anderes zu schaffen, als wir bisher schon haben. Mit dem guten Einvernehmen, von dessen Mangel bei den Herren Professoren und dem Reichstag immer die Rede ist, würde es schon heute viel besser stehen, wenn es nicht so viele Leute gäbe, die glauben, sich vom frühen Morgen bis zum Abend darüber abmühen zu solle», welche unerfüllbaren Forde­ rungen und klugen Einrichtungen sie zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt noch in Vorschlag zu bringen hätten. (Sehr richtig!) Das ist eine Tatsache, über welche diejenigen, die mit den Arbeitern täglich

in Berührung kommen, keinen Zweifel haben. Man spricht bei dieser Gelegenheit auch so viel von dem Segen der Arbeiterausschüsse, die man obligatorisch machen will. Auch hier übertreibt man offenbar aus Unkenntnis der Sachlage ganz bedenklich. Ich weiß nicht, ob Sie die Erfahrungen gemacht haben, wie sie mir aus verschiedenen Betrieben bekannt sind. Es sitzen in den Arbeiterausschüssen zum Teil recht tüchtige und vernünftige Leute, auch Führer der sozialdemokrati­ schen Organisationen, mit denen sich ganz ruhig und verständig reden läßt. Und wenn man sich mit diesen verständigt über Einrichtungen

und Anordnungen, die man einführen will zum Besten der Arbeiter, und es zeigt sich nachher, daß man bei der Belegschaft keinen Anklang findet, dann läßt man sich die Leute kommen, um zu erfahren, was los ist!

Hält man ihnen dann vor,

daß der Ausschuß zu der ge­

troffenen Anordnung doch sein Einverständnis erklärt habe, dann zucken sie die Achseln und sagen: ja, das ist auch jetzt noch so, aber —

auf die Arbeiter haben wir keinen Einfluß!

(Lebhafte Zustimmung.)

58 Also, der Arbeiterausschuß kann wohl etwas beschließen, aber es bleibt, je nachdem, ohne jede praktische Wirkung. Nun möchte ich noch einen Punkt berühren, in dem ich mit dem Herrn Berichterstatter nicht vollständig übereinstimme. Er hat aus­ geführt, daß man im allgemeinen in der Industrie dem Gedanken der berufsgenossenschaftlichen Organisation für die etwa zu schaffenden Arbeitskammern den Vorzug vor der territorialen Organisation gäbe.

Ich muß gestehen, daß mich das etwas überrascht hat, denn ich kenne breite Jndustriekreise, die ganz entgegengesetzter Ansicht sind, und die in der berufsgenossenschaftlichen Organisation, abgesehen davon, daß sie zum Teil unausführbar sein dürfte, sogar eine große Gefahr sehen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß man bei fachlicher Organisation

in der Arbeitskammer verleitet werden kann, in Dinge hineinzureden, welche die innersten Verhältnisse der industriellen Betriebe berühren, in die ein seiner wirtschaftlichen Verantwortung sich bewußter Unter­ nehmer Eingriffe von außen nicht gestatten kann. Das würde zur Schürung des Unfriedens jedenfalls viel mehr beitragen, als wenn es nur zu territorialen Organisationen käme, die sich wohl nicht die Befugnis anmaßen würden, in die einzelnen Betriebe sich einmischen und ein greifen zu wollen. Meine Herren, die Ansicht, als ob in den Arbeitskammern für die Arbeiter eine Vertretung geschaffen würde, ähnlich wie sie-an­ geblich für die Unternehmer in den Handelskammern besteht, ist be­ reits von Herrn Dr. Beumer widerlegt. Ich möchte in dieser Be­ ziehung nur noch auf eins Hinweisen, was mir Beachtung zu verdienen scheint. Die Handelskammern haben doch eigentlich ein recht ehr­

würdiges Alter; sie sind vor 100 Jahren ins Leben gerufen. Damals kannte man die Notwendigkeit von Unternehmerorganisationen nicht, es handelte sich vielmehr ausgesprochenermaßen um Förderung von Handel und Gewerbe, um Hebung und Mehrung des Gewerbfleißes im ganzen Lande, die ebensowohl den Arbeitern zugute kommt wie den Unternehmern, und nicht zu vergessen, auch allen übrigen Klassen des Volkes. Das ist eine Tatsache, an der sich inzwischen nichts ge­ ändert hat und die wir nicht laut genug hier aussprechen können.

Wir wissen sehr wohl, daß man uns seitens der bürgerlichen Gesell­ schaft und der Regierung stets zumutet, mit Recht, bei allen Maß­

nahmen, die wir treffen wollen, nicht nur das Interesse des Unter­ nehmers, sondern auch das Wohl des Arbeiters im Auge zu haben. Das verlangt man von uns und darf es mit Fug und Recht er­

Aber nun sehen Sie sich doch diesen Gesetzentwurf und seine Begründung an. Da steht klipp und klar darin, daß die Arbeitswarten.

59 kammern neben der Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in erster Reihe dazu dienen sollen, das Interesse und die Wohlfahrt der Arbeiter zu fördern. Ich habe ja garnichts dagegen, wenn Dutzende solcher Organisationen geschaffen

werden, die in dieser Richtung reiche Erfolge zu bringen sich geeignet erweisen. Aber bei paritätisch gedachten Arbeitskammern ist hier der im Gesetzentwurf und seiner Begründung förmlich betonte Gegen­ satz doch etwas eigentünilich. Dahingegen lesen wir in der Begründung gar kein Wort davon, daß ein Bedürfnis für diese neue Wahrnehmung der Arbeiterinteressen vorhanden wäre. Wir lesen nur, daß das Wort des Kaisers von 1890 eingelöst werden soll, und als der Kaiserliche Erlaß vor 18 Jahren veröffentlicht wurde, da hatten die Arbeiter

wirklich eine Vertretung in großen Zügen noch nicht. Denn die Ge­ werkschaften waren noch wenig ausgebildet und umfaßten nur einen geringen Bruchteil der arbeitenden Bevölkerung. Aber, sehen wir uns jetzt die seitdem vor sich gegangene Entwickelung der Dinge an, da müssen Sie zugeben, daß, ganz abgesehen von den eigenen Organi­ sationen, kein Berufsstand der bürgerlichen Gesellschaft eine solche aus­ gezeichnete Vertretung seiner Interessen sowohl bei der Regierung als im Reichstag hat als der Arbeiterstand. Es ist ja ganz recht, so weit es irgend möglich ist, müssen auch dessen Interessen gefördert werden. Aber dann soll man doch nicht nachher mit einem solchen Gesetzentwurf kommen, der nach unserer Ueberzeugung weit eher bedenkliche Folgen als wirkliche Vorteile herbeiführen wird. Und noch eins! Ich

möchte noch mit ein paar Worten auf die Stelle zurückkommen, wo es sich um den Kostenpunkt handelt. Da wird zunächst der Industrie, den Berufsgenoffenschaften ein schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt, indem man sagt, die Industrie habe sich in den letzteren auf mannig­ fachen Gebieten in der Förderung des Wohles der Arbeiter vorzüglich

bewährt und werde auch

bereit sein,

die verhältnismäßig nicht be­

deutenden Kosten zu tragen. Ja, die verhältnismäßig nicht bedeutenden

Kosten! Meine Herren, ich weiß ja einstweilen nicht, was der Ver­ fasser des Gesetzentwurfes darunter verstanden haben will. Aus der Reichstagsrede des Herrn Staatssekretärs des Innern vom 6. März habe ich mit einiger Ueberraschung entnommen, daß beispielsweise für das ganze Buchdruckgewerbe nur zwei Arbeitskammern gedacht werden,

Ja, ich verstehe dann wie viele Mitglieder eine solche Kammer haben soll und wie

die eine in Leipzig,

nicht,

die andere in Stuttgart.

man da die lokal und beruflich so außerordentlich verschiedenen Ver­ hältnisse und Interessen der deutschen Arbeiterschaft angemessen berück­ sichtigen will.

Ich nehme an,

und das stimmt ja auch mit der Be-

60

gründung des Gesetzes überein, daß man, stets vorbehalten, daß es überhaupt zu Arbeits- oder Arbeiterkammern kommt, wohl von selbst dazu schreiten wird, für die größeren Gewerbszweige jedesmal eine Kammer für das Gebiet einer Sektion zu errichten. Dann kommen wir dahin — wir habe» 66 Berufsgenossenschaften; schalten wir die

Hälfte aus, die nur ein,

zwei,

drei Arbeitskammern haben werden,

andere werden 10 oder 20 haben, es wird Orte geben, ganz abgesehen

von Berlin, die der Sitz einer Masse von Arbeitskammern sein werden —, (Herr Bueck: Berlin 26!) daß einige Hundert derartiger Organisationen auf der Bildfläche erscheinen. Ich habe mit Freunden versucht, einen kleinen Kostenanschlag aufzustellen darüber, welche Mittel jährlich etwa

in Frage kommen könnten. Dabei will ich die weitgehenden Aufgaben, Arbeitsnachweis, Auskunftsstellen usw. ganz außer acht lassen, die ja noch besondere Kosten verursachen. Wir sind dahin gekommen, daß allermindestens 10 Millionen jährlich notwendig werden - man weiß ja nicht, was gewollt wird — ebenso gut können es aber auch 25 Millionen werden. Und da sagt der Entwurf: „die verhältnismäßig nicht bedeutenden Kosten"! Ja, die Industrie kann und darf ja alles

tragen, das wissen wir. Ich erinnere an die Knappschaflsnovelle. Ich stehe in der Verwaltung eines unter recht schwierigen Arbeits­

bedingungen betriebenen Werkes, das rund 7500 Arbeiter beschäftigt, von denen vielleicht 5600 zu den Knappschaftsvereinen gehören. Die preußische Knappschaftsnovelle vom 19. Juni 1906 hat dieses Werk mit einer jährlichen Mehrleistung von 165 000 M. belastet. (Hört, hört!) Sind Sie wirklich der Meinung, daß die Herren Gesetzgeber, die diese Novelle beschlossen haben, sich über eine so weittragende und einschneidende Wirkung des Gesetzes völlig klar gewesen sind? Ich

nicht, meine Herren. Ich glaube, darüber hätte man doch einige Worte mehr im Landtag verloren. Auch die beteiligte Industrie selbst

hat eine solche Mehrbelastung vielfach nicht vorausgesehen, das sind eben Dinge, die erst später greifbar hervortreten, wenn man die Aus­ führung des Gesetzes am eigenen Leibe zu erfahren hat. Nun möchte ich noch auf eines aufmerksam machen: Es ist die Rede von der Einbeziehung der Betriesbeamten und Werkmeister in die Arbeitskammer. Dagegen müssen wir uns entschieden aussprechen im

Interesse des geiverblichen Friedens. Hier nutzt auch keine Sicherung durch Proportionalwahlen usw. Wahrscheinlich hat der Verfasser des

Entwurfs sich gesagt, daß, wenn derartige nüchterne und intelligente Männer in der Arbeitskammer sitzen, man leichter vor radikalen Beschlüssen bewahrt sein wird. Ja, das schlimme ist nur das, daß, wenn ein Betriebsbeamter

oder Werkmeister auf Seiten der Unternehmer tritt,

61 feine Stellung in der Fabrik unmöglich

ein Moment des Unfriedens mehr,

ist, und dann haben wir

der Betriebsbeamte wird zu der ihm Nachgeordneten Arbeiterschaft sofort in eine schiefe Lage denn

geraten. Ich habe diese Bemerkungen nur als Ergänzungen zu den Ausführungen geben wollen, die wir von den Herrn Bueck und

Dr. Büttner gehört haben. Im übrigen möchte auch ich nur die Bitte aussprechen, daß wir den Antrag so annehmen, tote er vorliegt. (Beifall.)

Vorsitzender: Die Rednerliste ist erschöpft. Geheimrat Krabler- Essen: Nur eine ganz kurze sachliche Berichtigung. Herr Bueck hat gesagt, wie der Herr Vorredner schon erwähnt hat, daß die ganze Industrie mit dem Gedanken einverstanden wäre, daß diese neue Einrichtung an die Berufsgenossenschaften an­

gegliedert wird. Ich kann aus dem Kreise der Berufsgenossenschaft, in der ich tätig bin, nur dagegen protestieren, daß wir mit einer der­ artigen Last, erstens einmal der Arbeit, und dann zweitens der ganz gehörigen Last der Kosten beglückt werben; ich will das nicht weiter auseinandersetzen. Es ist ja gesagt worden, wir wollen uns auf Einzelheiten nicht einlassen, aber ich wollte diese bestimmte Behauptung nicht unwidersprochen lassen.

Vorsitzender: Wenn niemand mehr das Wort wünscht, dann schließe ich die Diskussion und gebe dem Herrn Berichterstatter das Schlußwort. Bneck- Berlin: auf die letzten Worte.

Nur eine ganz kleine Bemerkung in bezug Ich habe nicht gesagt, daß die ganze Industrie

mit der fachlichen Gliederung einverstanden sei, sondern nur, soweit mir die Aeußerungen aus der Industrie bekannt geworden seien; und ich glaube mich zu entsinnen, daß in der Versammlung der Groß-

Industrie in Düsseldorf ganz bestimmt von einer Seite gesagt ist, daß die sachliche Gliederung die beste ist, und auf diese Aeußerung ist nichts erwidert worden; auf diese Wahrnehmung stützt sich meine Be­ merkung: „Soweit mir Aeußerungen bekannt sind." Gegenteilige sind mir nicht aus der Industrie bekannt geworden. Mein Urteil ist also

nur ein außerordentlich beschränktes.

Vorsitzender: Es liegt nur der eine Antrag Ihres Ausschusses vor. Ich bringe ihn zur Abstimmung. Ich darf annehmen, daß ich en bloc abstimmen lassen darf. Diejenigen Herren, die gegen den Antrag sind, bitte ich, sich zu erheben. Der Antrag ist einstimmig angenommen.

62 Dritter Punkt der Tagesordnung:

III. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Die vom Direktorium bezw. Ausschuß vorgelegten Anträge lauten:

„Der Zentralverband Deutscher Industrieller erkennt an, daß die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem Reichstage vor­ gelegt worden ist, in verschiedenen ihrer Bestimmungen Besserungen

des

bestehenden Zustandes bringt.

Vor allem ist der Central­

verband Deutscher Industrieller mit der Abschaffung der Lohn­ zahlungsbücher einverstanden. Eine Reihe anderer Vorschriften, so die Einführung der Lohnbücher, die monatliche Gehalts­ zahlung an die Bctriebsbeamten, die Bestimmung, daß die Abwesenheit vom Dienste infolge militärischer Uebungen kein Entlassungsgrund sei, geben uns überhaupt nicht, oder doch nur in Einzelheiten Anlaß zu Bedenken. Dagegen muß der Central­ verband Deutscher Industrieller in folgenden Punkten ernsten Einspruch erheben:

1.

Gegen die zu weitgehenden Vorschriften hinsichtlich der Kon­ kurrenzklausel der Angestellten. Es ist dringend notwendig, die Möglichkeit zu beseitigen, daß der Angestellte durch Zahlung der Konventionalstrafe sich seiner Verpflichtungen entledigt. Vielmehr ist der Anspruch auf Erfüllung oder Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens auch fernerhin im Gesetz zuzulassen. Ferner ist die Vorschrift, daß bei nicht durch be­ sondere Vorgänge begründeter Auflösung des Dienstverhält­ nisses durch den Arbeitgeber die Verpflichtungen aus der Konkurrenzklausel wegfallen, auszumerzen. Die erweiterte

Geltung der Konkurrenzklausel muß bereits Angestellten mit einem Einkommen von 5000 Mark an auferlegt werden

können. 2.

Die Ausdehnung des Fortbildungsschulzwanges auf weibliche Arbeiter bis zu 18 Jahren geht über das Bedürfnis

hinaus

und

schädigt die Interessen

der Industrie.

Eine

Herabsetzung der Schulpflicht bis zum Lebensalter von 16 Jahren muß verlangt werden. Ferner ist es notwendig, bei der Regelung der Schulzeit für den Fortbildungsschul­ unterricht darauf Rücksicht zu nehmen,

daß die jugendlichen

Arbeiterinnen in zahlreichen Industrien, insbesondere in der

Textilindustrie, für den geordneten Fabrikationsbetrieb unum­

gänglich erforderlich sind.

63 3.

Die Bedenken gegen die gesetzliche Einführung des ZehnstundenarbeitStageS für Arbeiterinnen bestehen im Centraloerband unverändert fort. Soll die gesetzliche Regelung nun doch durchgeführt werden, so wird dem einzelnen Werke die Möglichkeit zu geben sein, je nach seinen Betriebsbedürf­

nissen den zehnstündigen Arbeitstag oder die sechzigstündige Arbeitswoche zu wählen. Die gewährten Ausnahmen sind für die Bedürfnisse der Saison- und Ausfuhrindustrien zu gering; insbesondere ist, wie bisher, die Möglichkeit zu geben, mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde Ausnahme­ tage nach dem tatsächlichen dringenden Bedürfnisse zu erhalten. Die Uebergangszeit bis zum 1. Januar 1910 ist zu kurz, sie muß mindestens bis zum 1. Januar 1912 verlängert werden. Dringend erwünscht ist es auch, daß nach Durchführung des zehnstündigen Maximalarbeitstages für Frauen eine ander­

4.

weite Regelung der Arbeitspausen der Jugendlichen stattfindet. Der Versuch, den Arbeiterschutz auf die Hausindustrie aus­ zudehnen, wird an sich gebilligt; zahlreiche Einzelvorschriften bedürfen aber sehr sorgfältiger Prüfung, ob durch sie nicht schwere Schädigungen gerade der Bedürftigsten herbeigeführt werden. Gegen die Vorschrift, daß im Verwaltungswege einzelne Hausindustrien verboten werden können, erheben wir lebhaften Einspruch; derartige tiefe Eingriffe in das Wirt­ schaftsleben dürfen nur im Wege der Gesetzgebung durchgeführt werden. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Beobachtung der Schutzvorschriften bei den für ihn arbeitenden Hausarbeitern zu kontrollieren, ist vielfach undurchführbar, sie führt auch leicht zu unerquicklichen Gegensätzen zwischen beiden Parteien. Die Aufsicht wird daher unseres Erachtens lediglich den Be­

5.

hörden zu überweisen sein. Die Strafverschärfungen gegen die Industriellen, welche die Arbeiterschutzvorschriften verletzt haben, beruhen auf einem unverdienten und kränkenden Mißtrauen gegen die Industriellen,

die im allgemeinen die gesetzlichen Vorschriften in loyaler Weise zu erfüllen sich bemühen. Uebertretungen sind fast immer Folge von Fahrlässigkeit. Wir halten daher die in Aussicht genommenen Verschärfungen nicht für erforderlich,

6.

zumal schon das jetzt gültige Gesetz dem Richter einen genügend weiten Raum in der Strafbemessung gewährt. Allgemein protestiert der Centralverband Deutscher Industrieller gegen

die

weitgehenden

Vollmachten,

die

durch

das

64 Gesetz den unteren Verwaltungs- und Polizeibehörden zu­ gewiesen werden. Auch bei sachgemäßer Anwendung dieser Vorschriften, für die ohnehin nicht immer Gewähr gegeben ist, würde eine höchst unerwünschte Verschiedenheit der Bedin­ gungen,

unter denen die einzelnen Betriebe arbeiten können,

entstehen. Der Centralverband beantragt, alle diese Voll­ machten lediglich dem Bundesrat und den Landeszentrale

behörden zu gewähren sowie diesen Instanzen die vorherige Anhörung der Interessenten zur Pflicht zu machen. Referent Regierungsrat Professor Dr. Leidig - Berlin. Meine geehrten Herren, es ist nicht gerade leicht, nach den ein­ gehenden Erörterungen, die Sie während der vorhergegangenen Stunden in Anspruch genommen, und die Sie mitten in einen Brennpunkt unserer Sozialpolitik hineingesührt haben, jetzt eine Darlegung der zahlreichen Bestimmungen und Neuerungen zu geben, welche die Novelle zur Gewerbeordnung Ihnen bringt. Trotzdem ist es notivendig, daß Ihre Aufmerksamkeit heute noch weiter in Anspruch genommen wird; denn mögen die Arbeitskammern schädlich, oder nützlich oder lediglich ein unschädliches Ornament sein, sie liegen in der Zukunft; das, was hier die Novelle zur Gewerbeordnung vor­ schlägt, das soll in wenigen Monaten bereits geltendes Recht sein, und nach vielen Richtungen greift es tief in die Betriebsverhältnisse, in die wirtschaftlichen Bedingungen jedes einzelnen Ihrer Betriebe hinein. Meine verehrten Herren, wie ich schon sagte und wie Ihnen allen bekannt ist, erschöpft sich die Novelle zur Gewerbeordnung, die größte sozialpolitische Neuerung und Ergänzung unserer Gewerbe­

ordnung seit Anfang der 90er Jahre, in zahlreichen Einzelheiten, und es wird kaum ihrem Wunsche entsprechen, es würde auch die

weit vorgeschrittene Zeit nicht erlauben,

wenn ich jede dieser Einzel­ heiten mit gleicher Ausführlichkeit erörtern wollte. Sie finden auch in der Ihnen vorgelegten Resolution, die Sie ja alle in Händen haben, daß in den ersten beiden Absätzen eine Reihe von Neuerungen der Gewerbeordnung verhältnismäßig kurz und in Gemeinschaft abgemacht worden sind. Wir können ohne weiteres anerkennen, daß die Novelle eine Reihe von Einzelbestimmungen bringt, welche Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Zustand darstellen; andere Vorschriften, über

die man im einzelnen verschiedener Anschauung sein kann, er­ scheinen gleichfalls in ihrem Grundprinzip annehmbar und erträglich. Nur weniges hinsichtlich dieser ersten Gruppe. Ich möchte glauben, daß Sie alle damit einverstanden sind, daß es eine Besserung ist, daß der

bisher

in

der

Gesetzgebung

festgehaltene,

nach

verschiedenen

65 Richtungen zu

Schwierigkeiten,

Unzuträglichkeiten

und

Unklarheiten

Anlaß gebende Begriff der Fabrik jetzt wenigstens für den Bereich der Arbeiterschutzgesetzgebung ausgeschaltet wird und daß an seine Stelle die Bestimmung tritt, daß in Betrieben, welche regelmäßig 10 und mehr

Arbeiter und ebenso nach anderer Richtung in Betrieben, die mehr als 20 Arbeiter beschäftigen, die Arbeiterschutzbestimmungen Geltung haben

sollen.

Dadurch sind alle die vielen Schwierigkeiten, ob ein einzelner

gewerblicher Betrieb als Fabrik oder als Handwerk zu betrachten ist, ob er damit unter diese Arbeiterschutzbestimmungen fällt oder nicht, in,

wie ich glaube, sachgemäßer Weise beseitigt, und soweit wenigstens die zahlreichen Gutachten, die an den Centralverband gekommen sind, erkennen lassen, wird diese Neuerung in der Industrie durchaus gebilligt. Vielleicht noch größeren Beifall findet eine andere Be­ stimmung der Gewerbenovelle, das ist die Vorschrift, daß die unglück­ seligen Lohnzahlungsbücher, eine Quelle von Aerger für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, endlich in die verdiente Vergessenheit fallen sollen. Auch damit, glaube ich, erklären sich die Herren einverstanden. Schon bedenklicher ist die zweite Gruppe von Bestimmungen, die sich in der Novelle finden, die Bestimmungen über Abgangs­ zeugnisse der Arbeiter. Es ist da bestimmt, einem Wunsche großer Gruppen entsprechend, daß die Abgangszeugnisse nicht bloß der Arbeiter, sondern auch der gewerblichen Beamten und Angestellten nicht mehr wie bisher beim Abgang, sondern schon bei der Kündigung auszustellen sind. Es wird dies damit begründet, daß der Arbeiter und Angestellte zu dieser Zeit schon einen Nachweis haben muß, daß und weshalb er sich um eine andere Stelle bewirbt. Von der Industrie sind vielfach erhebliche Einwendungen um deswillen dagegen erhoben, weil von schwächeren Elementen zu befürchten sei, daß sie von der Kündi­ gung bis zum Abgang in ihren Leistungen erheblich nachlassen und in Differenzen mit dem Arbeitgeber gelangen könnten. Es ist deshalb aus den Kreisen der Industrie vorgeschlagen worden, daß dieses Vor­ zeugnis entweder bezeichnet werden soll als Zwischenzeugnis, das nur

Geltung haben soll bis zum Tage der Kündigung — eine Bestimmung, die vor zwei Jahren in unseren Verhandlungen von Herrn Kom­ merzienrat Kaufmann befürwortet wurde, die aber von der anderen Seite damals auch bekämpft wurde. Von anderer Seite ist vorgeschlagen, daß auch die Führung

Diese

neue

nur die Tatsache des Abgangs, nicht aber in diesen, Vorzeugnis vermerkt werden soll.

Bestimmung

ist

jedenfalls

von

nicht

unerheblicher

Wichtigkeit. Jnimerhin glaube ich, wir können heute schneller dar­ über hinweggehen, und dasselbe betrifft die Ausgestaltung der LohnHeft 108



66



bücher. Schon bisher war die Möglichkeit gegeben, Lohnbücher ein­ zuführen. Von dieser Bestimmung hat der Bundesrat bisher nur für die Konfektion Gebrauch gemacht, und es stimmen heutzutage alle darin überein, daß diese Lohnbücher höchst unpraktisch eingerichtet

gewesen sind. Es wird nunmehr entsprechend den Wünschen der zunächst Beteiligten vorgeschlagen, diese Lohnbücher anders einzu­ richten in der Weise, daß sie zu Lohnabrechnungsbüchern eingerichtet werden können. Auch hier liegt eine Reihe von Wünschen und Ein­ gaben vor, die dahin gingen, daß noch weitergehende Latitüden für die Beteiligten gegeben werden. Ein wichtiger und wesentlicher Ein­ wurf insbesondere aus Süddeutschland geht dahin, daß, nachdem sich seit Jahren und Jahrzehnten herausgestellt hat, daß die ganze Bestimmung nur für die Konfektionsindustrie Wert und Bedeutung habe, und da man kein sehr großes Vertrauen zum Bundesrat und zur Regierung nach der Richtung hat, daß sie sich nicht zu sozial­ politischen Experinienten bestimmen lassen, so solle bestimmt werden, daß die Lohnbücher nur für die Konfektion gelten sollen, bis sich ein neues Bedürfnis nach gesetzlicher Regelung Herausstellen würde. Mir scheint dieser Vorschlag ganz annehmbar zu sein; ich glaube, daß ihn die Industrie ernsthaft zur Erivägung stellen sollte. (Sehr richtig!) Endlich und damit möchte ich diese zweite Gruppe der Einzelbestimmungen schließen — finden Sie in dem Absatz eine neue Vorschrift, wonach durch öffentlich-rechtliche Vorschriften Bestimmung

getroffen werden kann über das Verhalten der Arbeiter in den Betrieben. Das ist heute nicht möglich. Heute können derartige Strafvorschriften von Staats- und Reichsbehörden nicht gegeben werden, sondern nur auf dem Umweg, daß durch Anordnung an den Unternehmer dieser gezwungen werden kann, in seiner Arbeitsordnung Strafbestimmungen festzusetzen. Das hat zu Unträglichkeiten geführt, insbesondere auch dahin, daß diese Strafoorschriften vielfach nur auf dem Papier stehen, daß die Strafe nicht eingezogen werden kann, weil andere gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, wie das Lohnbeschlaggesetz usw. Auch hiergegen sind Bedenken geäußert worden, die sich gegen diese neue

Latitüde und Ermächtigung für die Behörden wenden. Immerhin möchte ich glauben, daß die große Mehrzahl derjenigen, die sich zur

Sache geäußert haben, und wohl auch die große Mehrzahl von Ihnen diese Bestimmung für annehmbar halten wird. Damit wäre dasjenige, dem wir ohne weiteres positiv zustimmen können, wenn auch hier und da mit einigen Einschränkungen, wohl erledigt. Ich komme nun zu einer weiteren Anzahl von Bestim­

mungen,

gegen die schon recht wesentliche Einwendungen zu erheben

67 sind.

Ich komme zu dem allgemeinen Einwand, den Sie in der Re­

solutionsvorlage unter Nr. 5 finden. Die Begründung des Gesetzes sagt von den Industriellen nichts Gutes. Gutes hören wir in den Begründungen der Gesetze von der Regierung überhaupt selten, sondern immer nur in Tafelreden. Hier steht nun, daß sich erwiesen

habe, daß die Industriellen eine Vorliebe dafür haben, die Arbeiter­ schutzbestimmungen zu durchbrechen, und daß, da von Gewerbeaufsichts­ beamten hierüber fortdauernd Klage geführt werde, es dringend notwendig sei, auf dem Wege der Strafgesetzgebung dieser Neigung der Industriellen entgegenzutreten. Ich will dahingestellt sein lassen, ob cs nicht eine Reihe von Dingen des öffentlichen Lebens gibt, bei denen eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs wohl als angebrachter zu bezeichnen wäre (sehr wahr!) als hier. Immerhin will ich an­ erkennen, daß eine Begründung vorliegt, daß nämlich die Gerichte die Neigung haben, geringe Strafen zu verhängen. Nun werden Sie zugeben, daß schon das jetzt geltende Gesetz einen recht weiten Spielraum in bezug auf die Strafen gibt. Wenn nun die Gerichte bisher sich bei der Festsetzung der Strafe in der Nähe der unteren Grenzen zu halten veranlaßt fühlten, so darf man wohl annehmen, daß sie nach der Auffassung der einzelnen Straftat zu der Ueber­ zeugung gekommen sind, daß cs sich um verhältnismäßig geringe Delikte handelt, die milde zu beurteilen sind. Ob die Gerichte dazu kommen sollten, nachdem ihnen schon der jetzige Strafrahmen allzu weit erschienen ist, nunmehr über diesen Strafrahmen hmauszugehen, nachdem ihnen nun neue weitere Strafarten gegeben werden, erscheint an sich unwahrscheinlich. Immerhin, es wirkt in solchen Dingen ja auch eine gewisse Beeinflussung der öffentlichen Meinung, und wenn hier von so autoritativer Seite, von der Reichsregierung erklärt wird, mit diesen deutschen Unternehmern ist nicht viel los, es muß schärfer

gegen sie vorgegangen werden, dann ist es naheliegend, daß sich der Amtsrichter sagt: du hast sie für viel zu ehrliche Leute gehalten; die Reichsregierung bescheinigt dir, daß das nicht der Fall ist, gehen wir schärfer vor! Die Regierung hält es für nötig, in allen Fällen, in denen innerhalb zweier Jahre mehr als zwei Verstöße vorkommen, Gefängnisstrafen anzudrohen. Ich meine doch: wir müssen uns gegen

diese Begründung und gegen die Bestimmung des Gesetzes selbst aus­ sprechen als gegen ein unverdientes und kränkendes Mißtrauen gegen

die deutschen Industriellen; es widerspricht das auch dem, was von allerhöchster Seite noch nicht lange hier der Industrie gesagt worden ist. Es ist anerkannt worden von Seiner Majestät dem Kaiser und auch vom Reichskanzler, daß die deutsche Industrie, anders als andere

68 Industrien der Welt, sich in die gegebenen, ungemein schwierigen Auf­ gaben, die ihr die Arbeiterversicherung, die Arbeiterschutzgesetzgebung gestellt hat, mit größter Liebe, großem Eifer und großer Freudigkeit

hineingefunden und diese Lasten übernommen hat, Lasten, deren Größe ja auch eben an einem Beispiel von Herrn Generalsekretär Stumpf illustriert worden ist. Ich meine, daß doch ganz besondere Schwierigkeiten, ganz besondere Unzuträglichkeiten sich gezeigt haben

müssen, wenn eine Aenderung der Strafbestimmungen erforderlich werden sollte. Das ist von der Regierung bisher nicht nachgewiesen, und deshalb tun Sie gut daran, wenn Sie entsprechend Nr. 5 Protest dagegen erheben, daß, wenn vielfach nicht einmal durch Ihre Schuld, kaum mit Ihrem Wissen, eine Ueberschreitung der eng ge­ zogenen Grenzen innerhalb des Betriebes eintritt, daß dann immer das Damoklesschwert des Gefängnisses über dem einzelnen schwebt. Selbstverständlich soll bewußte und böswillige Verletzung der Arbeiterschutzbestimmungen auch ihre ausreichende Sühne finden, dazu dürfte aber der Strafrahmen des jetzigen Gesetzes genügend weit­ gezogen sein. Was nun die einzelnen Bestimmungen anlangt, so möchte ich mir erlauben, zunächst auf die Verhältnisse der Betriebsbeamten ein­ zugehen. Auch hier können wir eine Reihe von Bestimmungen und Neuerungen, wie ich glaube, verhältnismäßig kurz erledigen. Die Vor­ schrift, daß die militärischen Uebungen bis zum Bereich von acht Wochen keinen Grund geben sollen, das Arbeits- und Dienstverhältnis zu kündigen, wird, soviel mir bekannt ist, schon heute in sehr vielen Betrieben tatsächlich befolgt. Sie kann im einzelnen Falle vielleicht zu Schwierigkeiten führen, ein prinzipieller Widerspruch dagegen kann in einem Lande der allgemeinen Wehrpflicht nicht aufkommen. Aehnlich liegt es mit der zweiten Neuerung des Gesetzes, wonach künftig eine Lösung des Dienstverhältnisses auch ausgeschlossen ist, wenn durch Krankheit oder ähnliche Vorfälle der Betreffende vorüber­ gehend an seiner Dienstleistung verhindert ist bis zum Höchstmaß von sechs Wochen, und daß — und zwar soll das striktes Recht sein — ihm die Zahlung des Gehalts zu leisten ist. Während der Zeit kann

allerdings der Unternehmer die Gebührnisse abziehen, die der betreffende Angestellte auS seiner Krankenkasse oder von ähnlichen Instituten erhält. Das entspricht den Beschlüssen, die der Ausschuß bereits vor zwei Jahren gefaßt hat. Ich möchte Sie allerdings darauf aufmerksam machen, daß das zwar die Ansicht der Regierung in der Vorlage ist, daß aber verhältnismäßig sehr wenig Aussicht besteht nach der Stimmung im Reichstag, dies durchzusctzen.

Die Regierung hat ja den-

69 selben Vorschlag auch hinsichtlich des Handelsgesetzbuches gemacht, auch da will sie von dem Zustand, wie er sich herausgebildet hat — er ist Ihnen ja bekannt — abgehen; sie schlägt vor, daß zwingendes Recht sein soll die Fortzahlung des Gehalts während der sechs Wochen, daß

aber andererseits während dieser Zeit der Unternehmer die Abzüge der Kassenleistungen machen darf. Im Reichstage ist dieser Vorschlag wegen angeblicher sozialpolitischer Rückständigkeit abgelehnt, und wenn er bei den Handlungsgehilfen abgelehnt wird, können Sie sicher sein, daß er auch hier abgelehnt wird, und daß verlangt wird, daß die

der Krankheit gezahlt werden. Die Gründe, die dagegen sprechen, sind in der ganzen Industrie und im ganzen Handel ausführlich erörtert worden. Es vollen Gebührnisse auch

während

der Zeit

gibt ja in allen Berufszweigen Elemente, die sich sagen: wenn du einen Vorteil für dich erringen kannst, nimmst du ihn mit, und es ist so, daß die Versuchung hier doch ungemein groß ist, den Dienstherrn — lassen Sie mich diesen Ausdruck gebrauchen — zu schädigen. Ich brauche darauf nicht näher einzugehen; nach dieser Richtung hin wird die Industrie Protest zu erheben haben. Endlich ist bestimmt worden, daß die Gehaltszahlung künftig monatlich oder nicht länger als in Perioden von drei Monaten erfolgen soll. Das kann im einzelnen Fall zu Unzuträglichkeiten führen im Interesse der Angestellten selbst; es sind dafür Beispiele angeführt worden. Irgend einen prinzipiellen Einwand zu erheben, liegt aber kein Anlaß vor.

Anders steht es mit der Neuerung hinsichtlich der Konkurrenz­ klausel für die technischen Angestellten. Es liegt Ihnen hierzu unter Nummer 1 ein Vorschlag des Direktoriums vor, es handelt sich um fol­ gendes: Wir haben in der Delegiertenversammlung vom 28. Oktober

v. I. zum Ausdruck gebracht, daß die Industrie, soweit es möglich ist, mit einer Milderung der Konkurrenzklausel für die Angestellten ein­ verstanden ist, daß sie den Angestellten gegenüber den Standpunkt der Solidarität der Interessen betone und daß sie durchaus wünsche,

die Freiheit der Bewegung der Angestellten nur soweit zu beschränken, als es das Lebensinteresse des Betriebes erfordert. Wir haben uns aber auch dahin ausgesprochen — und ich glaube, das ist die ein­

stimmige Ansicht der Industrie —, daß daran festgehalten werden muß,

daß die Erfordernisse und Pflichten der technischen Angestellten andere sein müssen als die der Handlungsgehilfen, daß der technische An­ gestellte in ganz anderem Maße

von Betriebsgeheimnissen Kenntnis

bekommt als der Handelsangestellte, und daß, entgegen der Anschauung des Dr. Potthoff, daß es heute nichts gebe, was ein technischer Betrieb geheim zu halten habe, tatsächlich eine große Anzahl von

70 technischen Betrieben ihre ganze Existenz auf derartigen Betriebs­ geheimnissen aufbauen und aufbauen müssen. Dem entspricht es nicht, die Konkurrenzklausel für technische Angestellte auf drei Jahre festzusetzen, sondern in zahlreichen Fällen muß darüber hinausgegangen

werden können. Die Delegiertenversammlung vom 28. Oktober 1907 einigte sich — die Herren erinnern sich, daß damals noch eine kurze Diskussion stattfand — auf einen Mittelweg, wie er damals im Antrag Bassermann-Potthoff zum Ausdruck gekommen war und wie er auch teilweise im Vorschläge der Regierung vorliegt. Es sollte danach als Regel festgehalten werden, daß die Konkurrenzklausel der technischen Angestellten für eine dreijährige Frist gelten soll, es soll aber die Möglichkeit für den einzelnen Betrieb gegeben werden, sie für den einzelnen Angestellten noch weiter auszudehnen, aber dann nur unter der Bedingung, daß ihm dadurch ein Entgelt gewährt wird, daß ihm sein Gehalt während der Dauer der Konkurrenzklausel gezahlt wird. Diese Anschauung vom vorigen Jahre wird auch heute selbst­ verständlich festgehalten werden müssen. Anders dagegen liegt es

mit weiteren Bestimmungen, die sich in der Gewerbenovelle finden, und da glaubte das Direktorium Ihnen empfehlen zu sollen, gegen eine Bestimmung Einspruch zu erheben. Es handelt sich darum, daß bestimmt worden ist, daß dem einzelnen Angestellten, dem in der Regel für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel eine Konventional­ strafe auferlegt wird, die Möglichkeit gegeben wird, durch Zahlung dieser Konventionalstrafe sich jeder Beschränkung zu entledigen. Das ist bisher nicht gewesen und widerspricht auch den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und vor allem den Interessen großer Industrie­

kreise. Aber es widerspricht auch den Interessen der Sittlichkeit und des geschäftlichen Anstandes. Sie wollen vom Angestellten nicht eine Konventionalstrafe erhalten, sondern Sie wollen, daß er die Kenntnis, die er von Geheimnissen des Betriebes gewonnen hat, nicht benutzt, um Ihnen Konkurrenz zu machen, das heißt also, daß er die Pflichten, die er aus dem Vertrage übernimmt, auch erfüllt, und deshalb müssen Sie fordern, daß die Konventionalstrafe nur die Be­

deutung hat, daß Sie sagen: falls du deine Verpflichtung nicht erfüllst, dann will ich nicht den oft sehr schwierigen und zeitraubenden Nach­ weis des Schadens führen, sondern von vornherein den Mindestschaden soundso hoch festsetzen.

Haben Sie ihn zu hoch festgesetzt, dann bleibt

ja die Möglichkeit, daß der Richter ihn herabsetzt. Andererseits muß aber die Möglichkeit bleiben, darüber hinaus auch den Nachweis eines größeren Schadens zu führen. Es handelt sich leider Gottes durch­

aus nicht allein um eine Konkurrenz der Angestellten; es handelt sich

71 ivie in allen Ständen so auch in der Industrie um Unternehmungen, die nicht eine loyale Konkurrenz führen, und da ist mit Recht darauf hingewiesen, daß gewisse deutsche, vor allem aber außerdeutsche, an den Grenzen Deutschlands sich befindliche Industrien vorhanden sind, die bereit sind, das, was die deutsche Industrie durch Eifer, Treue, Fleiß und Intelligenz erarbeitet hat, über die Grenze hinüberzunehmen. Diese Möglichkeit würde erheblich erweitert werden, wenn durch Ab­

leistung der Konventionalstrafe der Angestellte auch vor seinem Ge­ wissen davor geschützt ist, sich zu sagen: du tust etwas Unrechtes, sondern wenn er vom Gesetze ermächtigt wird — und das tut doch das Gesetz mit dürren Worten —, das, was Sie erarbeitet haben, über die Grenze zu den Konkurrenten hinauszutragen. Wir glauben, daß dagegen ein Einspruch notwendig ist. Was dann den weiteren Satz der Resolution anlangt, der Ihnen unter 1. vorliegt, so möchten wir auch hier bitten, daß Sie sich der An­ schauung des Direktoriums anschließen. Es handelt sich darum, daß in der Novelle, die dem Reichstag vorgelegt ist, bestimmt wird, daß alle Beschränkungen, die durch die Konkurrenzklausel den Angestellten auferlegt werden, dann in Wegfall kommen, wenn nicht er den Dienst verläßt, sondern wenn ihm von seinem Dienstherrn gekündigt wird. Es ist dem entgegengehalten worden, und ich glaube, man wird es ans dem praktischen Leben bestätigen können, daß es einmal nicht schwer ist, den Dienstherrn dazu zu bringen, daß er kündigen muß, auch ohne daß eine direkte Verletzung des Vertrages von feiten eines Angestellten vorliegt. Wie überall, so trifft es auch hier zu, daß die Pflichten des Angestellten sich nicht mit dem Wortlaut des Vertrages decken, son­ dern daß es sich darum handelt, mit Liebe und mit Eifer für das Geschäft zu arbeiten, und daß anderenfalls eine Lösung des Vertrages notwendig wird. Dazu tritt aber, daß anerkannt werden muß, daß

aus ganz berechtigten Gründen - weil z. B. der Angestellte für die ihm gestellten Aufgaben individuell oder sonst nicht geeignet ist, seine körperliche Geschicklichkeit, sein Alter dem nicht entspricht, er nicht die genügende Begabung

hat —

dem Unternehmer doch die Möglichkeit

gegeben sein muß, eine Aenderung des Dienstverhältnisses eintreten zu lassen, ohne daß er derjenigen Schutzmaßregeln, die doch lediglich aus

den objektiven Interessen des Unternehmens getroffen worden sind, ver­ lustig geht. Wir möchten glauben, daß hier die praktischen Erscheinungen des Lebens nicht genügend in der Vorlage berücksichtigt sind und daß deshalb eine Aenderung im Interesse der Industrie eintreten muß.

Was endlich den letzten Satz anlangt: die Novelle schreibt vor, daß die Beschränkungen, die ich mir erlaubt habe, darzulegen, in



72



Wegfall kommen, es also bei dem jetzt bestehenden Zustande verbleibt, dann, wenn der Angestellte ein Einkommen von 8000 M. oder mehr im Jahre bezieht. Man kann ja über Zahlen und alle solche Be­ messungen streiten; eS ist eine rein relative Auffassung. In den Aeußerungen, die aus den Kreisen der Industrie uns zugegangen sind, ebenso auch aus einer großen Reihe von Handelskammern, die mir bekannt geworden sind, ist aber der Wunsch ausgesprochen, daß diese Grenze herabgesetzt wird. Es wird angeführt, daß ein Angestellter

mit 5000 M. insbesondere bei Unternehmungen kleineren Umfangs bereits eine derartige Vertrauensstellung besitzt, daß für ihn gleichfalls unter allen Umständen eine erweiterte Feststellung der Konkurrenz­ klausel verlangt werden müsse, und es hat uns geschienen, als wenn diese Grenze von 5000 M. die richtige sei. Sie wird Ihnen deshalb vorgeschlagen. Selbstverständlich ist das nicht etwas Absolutes, dessen Richtigkeit unter allen Umständen zu behaupten wäre. Ich komme dann, meine geehrten Herren, noch zu Erörterungen, die sich auf das Verhältnis der Arbeiter selbst beziehen, und da möchte ich mir erlauben, zunächst die Neuregelung des sanitären Arbeitstages kurz zu besprechen. Sie finden eine Andeutung darüber im letzten Absatz der Resolution, und ich gestatte mir deshalb, die Frage auch hier gleich unter allgemeinere Gesichtspunkte zu bringen. Die Bestimmungen über Beschränkung der Arbeitszeit im Interesse der Gesundheit der in den

Betrieben Beschäftigten konnten bisher durch den Bundesrat beschlossen werden. Jetzt wird hier, wie übrigens auch an einer Reihe von anderen Stellen der neuen Novelle in Aussicht genommen, diese Befug­ nisse, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu dezentralisieren. Es soll möglich sein, daß die Landeszentralbehörden, die höheren Verwaltungs­ behörden bis herunter zur Ortsbehörde Bestimmungen dieser Art treffen können, ob und in welchem Umfange die sanitären Verhältnisse im Be­ triebe zu berücksichtigen sind, und sie sollen befugt sein, je nachdem sie zu der Ueberzeugung kommen, daß Leben oder Gesundheit der Arbeiter in den Betrieben Schaden zugefügt wird, einzuschreiten. Wir glauben, daß diese Neuerung zwar eine gefährliche Neuerung, aber keine Verbesse­ rung des bestehenden Zustandes ist, daß hier im Gegenteil die Industrie, ich will nicht sagen der Willkür — das wäre ja unrichtig; wir haben in Deutschland immer vorauszusetzen, daß unsere Behörden sachlich und nach bester Auffassung objektiv urteilen —, aber eS werden über Maßnahmen, die so ungemein tief in die Lebensbedingungen der

einzelnen Industrie eingreifen, Instanzen berufen, zu urteilen, die kaum in der Lage sein werden, die einschlägigen Verhältnisse auch wirklich richtig zu beurteilen. Es würde hier eine solche Verschiedenheit der



i3



Bedingungen eintreten, unter denen die einzelnen Betriebe stehen, daß in den Konkurrenzverhältnissen der einzelnen Betriebe doch erhebliche Schäden eintreten können. Sollten derartige Bestimmungen notwendig sein für einzelne Bezirke und einzelne Gegenden, so glauben wir, daß

es nur möglich ist, sie in die Hände hochstehender Behörden zu legen. Der Bundesrat führt als einen der Gründe an, weshalb er diese Be­ fugnis auS seinen Händen in die der unteren Behörden legen will, daß er seine Vorschriften nur für den ganzen Bezirk des Reiches erlassen kann, während gewisse Uebelstände nur in einzelnen Teilen des deutschen Reiches in die Erscheinung treten. Einmal darf der Bundesrat bereits jetzt Be­

stimmungen auch nur für einzelne Teile des deutschen Reiches erlassen, und wenn es sich herausstellt, daß es sich dabei um andere rechtliche Vor­

aussetzungen handelt, so würde hier die Gelegenheit gegeben sein, die Befugnisse des Bundesrats zu erweitern. Weshalb das nicht geschehen ist, ist mir unklar. Wenn man es aber durchaus verhindern will, daß der Bundesrat eine Vorschrift erläßt, die lediglich für Detmold oder Waldeck Geltung hat und deshalb in die Verhältnisse des einzelnen Staates und seiner Behörden, in seine Befugnisse hineingreift, dann glaube ich, daß es richtig ist, zu bestimmen, daß die Anordnung von den

Landeszentralbehörden getroffen wird. Ich bin in der glücklichen Lage, mich da auf einen neueren gesetzlichen Vorgang in Preußen zu berufen, der auf dem Gebiet der Viehseuchen liegt. Da hatte bisher jeder Regierungspräsident das Recht, Verordnungen zu erlassen, und das hat zu einer derartigen Verschiedenheit der Auffassung und Handhabung geführt, daß auf den dringenden Wunsch des Land­

wirtschaftsministers eine einheitliche Regelung veranlaßt worden ist. Ich möchte glauben, daß nach dieser Richtung hin Sie dem Vorschlag zustimmen sollten, daß nur der Bundesrat und die Landeszentralbehörden diese Befugnis erhalten sollen. Ich muß leider — das ist aber nicht meine Schuld, sondern die des Gesetzentwurfs — von einer Maßnahme zur anderen springen

und Sie auf immer neue Gebiete hinüberführen. Ich glaube, daß es jetzt zweckmäßig ist, die Frage der Hausindustrie kurz zu be­ rühren. Auch da finden Sie unter Nr. 4 einen Vorschlag, der sich im wesentlichen in derselben Richtung äußert, wie Sie es am 28. Oktober bereits in der Delegiertenversammlung getan haben.

Daß in der Hausindustrie nach manchen Richtungen hin — sagen wir nach vielen Richtungen — Mißstände vorhanden sind, Schwierigkeiten, die einer Besserung bedürfen, das wird von allen Seiten zugegeben. Daß es zweckmäßig und wünschenswert ist, da mit vorsichtiger Hand einzugreifen, auch darüber sind

74 weiteste Kreise sich einig. Deshalb wird der Versuch, der hier gemacht ist, ein derartiges Rahmengesetz zu geben, auf Grund

dessen dann weitere Bestimmungen für die Hausindustrie ergehen sollen, an sich von der Industrie nicht zu beanstanden sein, und wenn die Bestimmung getroffen werden soll,

daß ein Eingreifen nur statt­

finden soll hinsichtlich derjenigen Industrien, wo eine Gefahr für Leben und Gesundheit der Arbeiter vorhanden ist, so glauben wir, daß diese Beschränkung richtig gezogen ist. Die Bedenken, die gegen die Bestimmungen des Gesetzentwurfs vorliegen, bewegen sich ziemlich auf dem Gebiet, das ich soeben kurz erörtert habe. Auch hier werden

weitgehende Befugnisse den einzelnen Ortsbchörden in die Hand ge­ geben, Befugnisse, die so weit gehen, daß der einzelne Polizeiverwalter dem Hausindustriellen die Ausübung der Hausindustrie verbieten kann, das heißt — wie mit Recht im Reichstag hervorgehoben ist; ich glaube, Naumann ist es gewesen, der es getan hat — daß der Amtsoorsteher den Hausindustriellen zum bürgerlichen Tode verur­ teilen kann. Eine derartige Befugnis gegenüber Leuten, die wirt­ schaftlich und sozial zu den schwächsten gehören, muß die Industrie, nicht in ihrem Interesse, aber im Interesse grade dieser Bevölkerungs­ kreise, der Heimarbeiter und Hausindustriellen, auf das entschiedenste zurückweisen.

Em weiteres Bedenken ist dann und, wie ich glaube, gleichfalls mit Recht erhoben gegen die Vorschrift, daß die zu zahlenden Löhne für die einzelnen Arbeiten in der Hausindustrie in den einzelnen Be­ trieben ausgehängt werden sollen. Es wird einmal dagegen aus­ geführt, daß es sich hier zum Teil um ganz undurchführbare Dinge handelt. Es ist von einzelnen Betrieben mit hausindustriellen Arbeitern mitgeteilt worden, daß sie ein Verzeichnis nicht von einer oder mehreren Seiten, sondern dicke Bücher auslegen müßten, da es sich um sehr verschiedene Akkordarbeiten usw. handelt, die sich auf Hunderte von verschiedenen Lohnsätzen erstrecken. Das wäre das wenigste; die

Hauptsache aber, ein Grund, der von Bedeutung ist, ist der, daß die Akkordlöhne in einer großen Reihe von Industrien einen so großen Teil der Gesamtaufwendungen für das

betreffende Fabrikat bilden,

daß die Kenntnis von den Löhnen nach vielen Richtungen hin eine Kenntnis der inneren Betriebseinrichtung ist und das Aushängen des

Lohnverzeichnisses daher damit gleichbedeutend ist, die Kenntnis dieser Betriebseinrichtung der Konkurrenz preiszugeben. Das wird vielfach nicht zutreffen, in einer Reihe von Fällen soll das aber tatsächlich der Fall sein, und das gibt Anlaß zu Bedenken.

Zu weit größeren Bedenken gibt aber die Bestimmung Anlaß, die



iS



große Verpflichtungen dem Arbeitgeber hinsichtlich der Hausarbeiter, die bei ihm beschäftigt sind, auferlegt. Es ist bestimmt worden, daß die­ jenigen Arbeitgeber, welche Heimarbeiter beschäftigen, insoweit für diese Hausindustrie Bestimmungen ergangen sind, also soweit es sich um Haus­ industrie handelt, die mit Gefahren für Leben und Gesundheit der Arbeiter verknüpft sind, daß in diesen Industrien einmal der betreffende Arbeit­ geber ein Verzeichnis seiner Heimarbeiter zu führen hat. Das wird sich machen lassen, besteht ja auch tatsächlich. Zweitens aber soll er oder

sein Beauftragter die betreffenden Heimarbeiter mindestens ein- oder zweimal im Jahre besuchen und sich überzeugen, daß sie ihrerseits die Bestimmungen, die seitens der Ministerialbehörden, des Regierungs­ präsidenten, des Landrats, des Anitsvorstehers getroffen sind, auch erfüllen. Nun ist aus dem Bergischen Lande mitgeteilt, daß reiche Heimarbeiter für 12, 15 und mehr Arbeitgeber arbeiten.

zahl­ Da­

nach werden sich eine große Reihe von Arbeitgebern zu einer Art Kaffeekränzchen beim Arbeitnehmer zusammenfinden, eine Zahl von Arbeitgebern, die größer ist, als daß er sie mit dem nötigen Respekt in seiner Wohnung aufnehmen kann. Dann aber besteht die weitere Schwierigkeit, daß die Ansichten der Arbeitgeber und der Heimarbeiter über die Verpflichtungen in vielen Fällen durchaus verschieden sein werden und sich somit eine Fülle von höchst unerquicklichen Auseinander­ setzungen zwischen Arbeitgebern und Heimarbeitern daraus entwickeln wird. Weiter wird aber mitgeteilt, daß einzelne Betriebe 400, 600 und mehr Heimarbeiter beschäftigen. Auch hier wird dieses Besuchs­ prinzip, sofern es überhaupt einen Zweck haben soll, für den einzelnen Arbeitgeber absolut unmöglich. Die Industrie steht auf dem Stand­ punkt, daß es nichtAufgabe des Arbeitgebers, sondern derAufsichtsbeamten sein müsse die Aufsicht zu üben. Ich will nur daran erinnern, daß nach

dem Gesetz der Arbeitgeber geradezu das Recht haben würde, sich auch verhältnismäßig früh morgens oder spät des Abends in die Wohnung des Heimarbeiters oder der Heimarbeiterin angeblich zu Kontroll­ zwecken zu begeben, und daß sich auch da die Möglichkeit ergibt,

Schwierigkeiten herbeizuführen, die dem Arbeitgeber nicht angenehm sind. Ich glaube, daß die Behörde die Schwierigkeiten der Kontrolle auf sich nehmen muß und nicht mit dem allerdings sehr einfachen Mittel der Abschiebung auf den Arbeitgeber sich helfen darf. (Sehr richtig!) Ich habe

schon davon

gesprochen, daß man unmöglich den

unteren Verwaltungsbehörden die Befugnis geben kann, etwa den einzelnen hausindustriellen Betrieb zu verbieten. Ebenso muß auch die

Möglichkeit für die Verwaltung genommen werden, daß sie, was nach dein Gesetze auch möglich wäre, hausindustrielle Beschäftigungen über-



7ii



Haupt in einzelnen Bezirken verbieten kann.

Wir haben nur zwei Fälle, die vorbildlich sein können: das eine ist daS Verbot der Ver­ arbeitung von giftigem Phosphor; hier ist ein Gesetz ergangen, und die Betreffenden sind entschädigt worden — und das andere ist

eine Bundesratsverordnung, die die Verwendung von Maschinen verbietet, die künstliche Kaffeebohnen Herstellen; ganz mit Recht. Kaffee soll aus Kaffeebohnen und nicht aus Holz hergestellt werden. Sollte sich eine derartige Notwendigkeit ergeben — und es soll nicht verkannt werden, daß sie vielleicht vorliegen kann —, dann muß von Staats wegen, dann muß durch die Gesetzgebung eingegriffen werden, und ich möchte daran erinnern, daß ein Staat — Meiningen ist es wohl — bei Gelegenheit der Steinnußschleiferei eingegriffen hat, daß er ver­ sucht hat, diese, wie es heißt, höchst gefährliche hausindustrielle Be­ schäftigung in Fabrikbetriebe umzuwandeln oder den Arbeitern andere Existenzmöglichkeiten zu bieten. Hier ist das Gesetz zu hart, und wir

müssen uns gegen diese Ausdehnung des staatlichen Verwaltungs­ zwanges auf das entschiedenste wenden. Ich möchte mir erlauben, da­ rauf hinzuweisen, daß nach einer Mitteilung im Reichstag selbst kleine Bestimmungen und Vorschriften, die auf den ersten Blick verhältnis­ mäßig harmlos erscheinen, doch ungemein tief in die wirtschaftlichen Verhältnisse cingreifen. Der Reichstagsabgeordnete Schmidt hat bei der ersten Lesung dieser Novelle einen Fall zur Sprache gebracht, der mir ganz ungemein bezeichnend erscheint. Er teilte mit, daß für die Zigarrenindustrie früher eine Verordnung ergangen sei, welche verlangte, daß für den einzelnen Arbeiter in den Werkstätten ein Luftraum von 7 cbm vorhanden sei, in neuerer Zeit sei, ohne Fühlung mit den Beteiligten, be­ stimmt, daß jetzt 10 obwLuftraum pro Kopf vorhanden sein muß. Er fährt dann fort: „Ich will Ihnen in kurzem auseinandersetzen, was das heißt: Das ist eine Steigerung des Raumes um 42 pCt.; d. h. in einem Raume, in deni bis jetzt 100 Arbeiter haben beschäftigt werden können, dürfen in Zukunft nur noch 70 beschäftigt werden; für 30 Arbeiter müssen also neue Fabrikgebäude gebaut werden. Nehmen Sie die

Arbeiterzahl in der Zigarrenindustrie vielleicht auf 150 000 an — ohne die Hausarbeit —, so würde das den Mehraufwand erfordern, für zirka 40 bis 45 000 Arbeiter neue Fabriken zu bauen. Das würde ein Kostenaufwand sein von zirka 20 Millionen Mark. (Hört! hört! rechts. — Widerspruch in der Mitte.) Der Aufwand liegt aber nicht

bloß in den einmaligen Anlagen, sondern diese Lokalitäten müssen natürlich geheizt, beleuchtet werden, es müssen neue Werkmeister dafür

angestellt werden, kurzum, es handelt sich hierbei mindestens um eine

Mehrauflage von jährlich zirka 3 Millionen Mark.

Wir haben im

ganzen Deutschen Reich 13 Milliarden Arbeitslöhne überhaupt zu be­ zahlen; in der Zigarrenindustrie allein werden vielleicht 75 Millionen bezahlt. Diese 3 Millionen betragen von den 75 Millionen Mark

Arbeitslöhnen, die die Industrie überhaupt zu zahlen hat, 4 pCt. Meine Herren, 4 pCt- von den gesamten 13 Milliarden Arbeitslöhnen würden nicht weniger als 520 Millionen Mark sein. Nun überlegen Sie sich einmal, meine Herren, mit welcher Schwierigkeit der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamts zu kämpfen hat, um nur 250Millionen Mark zu erlangen, und hier hat der Bundesrat aus eigener Macht­ vollkommenheit eine Maßgabe verfügt, die, wenn sie allgemein für alle Industrien gelten sollte, sich auf über 500 Millionen belaufen würde. Sie wollen daraus ermessen, mit welcher Leichtigkeit über ganz be­ deutende Summen verfügt wird, ohne daß eine unbedingte Notwendig­ keit vorliegt. Ich sollte meinen, daß mindestens dahin gestrebt werden müßte, daß der Bundesrat nicht bloß seine Verordnungen dem Reichs­ tag vorzulegen hat, sondern daß auch die Protokolle mit vorgelegt werden müssen über die Verhandlungen mit den betreffenden Jnteressentengruppen, damit der Reichstag sich vergewissern kann, in welcher Weise die Verhandlungen geführt worden sind." Das mag ja vielleicht ein bißchen stark gerechnet sein, aber nehmen Sie auch nur die Hälfte davon an, dann ergibt sich auch noch ein Mehraufwand, der unserer ganzen Reichsfinanzreform überhaupt gleich kommt, und das sind tatsächlich Dinge, die zu Bedenken und ernsten Erwägungen Anlaß geben sollten. Wenn nun schon der Bundesrat derartige Bestimmungen etwas leichten Herzens trifft, dann müssen wir uns um so mehr dagegen wehren, daß nunmehr sogar die verschiedene An­ schauung der einzelnen Amtsvorsteher eine entscheidende Bedeutung für die Industrie gewinnen kann, und hier müssen wir darauf drängen, daß größere Sicherheiten gegeben werden, denn sonst würde vielfach

zweifellos das Entgegengesetzte erreicht werden: statt den Heimarbeitern zu nützen, würde ihnen ein unwiderbringlicher Schaden zugefügt werden.

Ich komme nunmehr zu den Vorschriften, wie sie unter 2 der Ihnen vorliegenden Resolution stehen. Die Novelle zur Gewerbe­ ordnung ordnet an, daß auch die weiblichen jugendlichen Arbeiter jetzt bis zum 18. Jahre dem Fortbildungsschulzwang unterworfen werden können, wenn die Anordnung selbst durch Ortsstatut des Kommunaloerbandes erfolgt ist. Die Anschauungen der Regierung

haben nach der Richtung hin gewechselt. Die Regierung hat früher — in der kleinen Schrift, die Ihnen vor der Sitzung zugegangen ist, finden

Sie die Mitteilungen darüber — die Auffassung vertreten, daß e& nicht notwendig sei, die weiblichen Arbeiter in die Fortbildungsschulen zu

78

schicken. Es ist dann später bestimmt worden, daß das nur für die weiblichen Handlungsgehilfen eingeführt werden kann, und dann hat der Rheinische Frauenverein vor einigen Jahren Petitionen beim Reichstag eingereicht und gebeten, daß dieser Fortbildungsschulzwang für alle weiblichen jugendlichen Arbeiter eingeführt werden soll. Der Reichstag hat diese Petition, wie viele hundert andere, dem Reichs­ kanzler zur Berücksichtigung überwiesen, und die Begründung der Gewerbenovelle besagt: es ist angängig, diesem Wunsche des Rheinischen Frauenvereins zu entsprechen, und infolgedessen finden Sie mit dieser ja nicht sehr ausführlichen Begründung die Bestimmung in der Novelle, daß die jugendlichen weiblichen Arbeiter dem Fortbildungs­ schulzwang unterworfen werden sollen. Wenn ich meine persönliche

Ansicht aussprechen soll, so muß ich sagen: die Einführung eines haus­ wirtschaftlichen Unterrichts für Fabrikarbeiterinnen ist nach vielfachen Richtungen hin durchaus wünschenswert. Soweit mir bekannt ist, hat auch schon heute eine große Reihe von Betrieben, welche weibliche jugendliche Arbeiter beschäftigen, derartige Einrichtungen in ihren eigenen Betrieben getroffen. Etwas anderes ist es, ob man den Fortbildungsschulzwang, über dessen Richtigkeit und Zweckmäßigkeit bis vor wenigen Jahren ja überhaupt noch gestritten worden ist, auch bei den weiblichen Arbeitern, worüber ja auch die Ansichten der Regierung durchaus hin und her schwanken, einführen soll. Wenn man ihn aber einführen will, dann möchte ich doch glauben, daß die Ausdehnung bis zum 18. Jahre zu weit gegriffen ist und daß, wenn überhaupt eine derartige Bestimmung getroffen werden soll, die Beschränkung, die wir uns erlaubt haben, unter Nr. 2 vor­ zuschlagen, bis auf das 16. Jahr das richtige ist. Besonders wenn man sich in diesem Lebensalter schon verheiraten kann, hat es wirklich keinen Zweck, das Mädchen zu zwingen, bis über die Schwelle ihrer Ehe sich in der Schule herumzudrücken. Vor allem aber liegt es im dringenden Interesse der Textilindustrie, hier eine Einschränkung zu machen. Sie wird ja in ihren wirtschaftlichen Interessen auch sehr erheblich berührt durch die Bestimmungen über den Zehnstundentag, auf den ich gleich komme. Hier wird nun aber bestimmt, daß die jugendlichen

weiblichen Arbeiter,

die in der Textilindustrie nicht etwa

eine für sich geschlossene Kolonne bilden, sondern einen integrierenden Bestandteil des ganzen Arbeitsprozesses, aus dem Betriebe heraus­ genommen werden, um die Fortbildungsschule zu besuchen. Dadurch wird der ganze Betriebsprvzeß in der Fabrik wesentlich gestört. Daß diese Störung bis auf das geringste Maß herabzusetzen ist, darüber sollte doch, zumal die Anschauungen der Regierung in kurzer Zeit hin

TU und her geschwankt haben, kein Zweifel sein, und es ist eigentlich erstaunlich, daß die Regierung diese Bestimmung getroffen hat, ohne, soviel mir wenigstens bekannt ist — und ich müßte doch etwas davon

haben — mit den Interessenten irgendwelche Fühlung zu nehmen. Der Rheinische Frauenverein in allen Ehren, aber daß seine Wünsche allein zu einem solchen Eingreifen in die Textilindustrie genügen konnten, erscheint mir doch zweifelhaft. erfahren

Ich komme dann zu den letzten Gruppen der Vorschriften über die Verhältnisse der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen. Es handelt sich da um zwei Gruppen, einmal um die Vorschriften über die elfstündige ununterbrochene Nachtruhe, die nach der Berner Konvention für die weiblichen und nach den Vorschriften der Re­ gierung nicht nur für die weiblichen jugendlichen, sondern auch für die männlichen jugendlichen Arbeiter eingeführt werden soll. Sehr

erhebliche Bedenken werden seitens der Industrie dagegen wohl nicht erhoben. Es sind auch Ausnahmebestimmungen gegeben, die den berechtigten Forderungen entsprechen. Eins allerdings muß nach der Richtung hin einmal ausgesprochen iverden. Die Berner Kon­ vention ist ja der erste Versuch, auf dem Gebiet des Arbeiter­ schutzes eine intemationale Gemeinsamkeit einzuführen. Es entspricht das den Wünschen, die in Ihren Kreisen ja häufig zum Ausdruck gekommen sind, daß dieser Arbeiterschutz in gleicher Weise in allen konkurrierenden Industrieländern eingeführt iverde. Es müßte aber doch Sicherheit vorhanden sein, daß die Berner Konvention auch vo»i allen in Frage kommenden Staaten unterzeichnet wird. — Bis jetzt ist das, soviel ich weiß, noch nicht geschehen; und weiter müßten auch Maßnahmen getroffen werden für eine gleichartige Durchführung der Arbeiterschutzbestimmungen. Das ist ungemein schwierig, und das ist auch abgelehnt worden wegen der kolossalen Schwierigkeiten, wegen

dieses Eingriffs in die innerstaatlichen Verhältnisse. Wir können uns aber doch des Eindrucks nicht erwehren, daß dieselben gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Maßes der Ausführung in Deutschland und in Japan eine ganz verschiedene Wirkung haben, und nicht nur in diesen beiden genannten Staaten, sondern auch in anderen Staaten, die ich aus internationaler Courtoisie nicht nennen will. Unser deutsches Beamtentum ist ja glücklicherweise derart organisiert, daß es

gesetzliche Bestimmungen auch durchzuführen sucht, vielleicht im einzelnen sogar etwas zu starr; in anderen Staaten bestehen elastischere Mög­ lichkeiten als wir sie haben.

Was nun die Vorschriften über die Arbeitszeit anlangt, so hat sich der Centralverband am 28. Oktober auch darüber geäußert.

Er hat

80 die Auffassung vertreten, daß wirtschaftliche Gründe, ein Bedürfnis die zehnstündige Arbeitszeit für die Arbeiter gesetzlich festzulegen, nicht besteht. Sie haben aber gesagt: wenn aus nichtwirtschaftlichen Gründen, aus Gründen der allgemeinen politischen Situation eine der­ artige Festlegung, die allerdings der Industrie Schwierigkeiten bringt infolge der starren Festlegung der Grenzen, Schwierigkeiten besonders auch in Zeiten absteigender Konjunktur, wo es gilt, neuen Export zu

schaffen — wenn diese aber bestehen sollten, dann wünschten Sie erstens

genügende Ausnahmebestimmungen und zweitens eine genügende Uebergangszeit, und Sie haben als eine derartige Uebergangszeit die Zeit von vier Jahren bezeichnet. Man weiß, daß im geschäftlichen Klein­ verkehr vielfach die Sitte des Vorschlagens besteht und die Annahme, daß man ruhig bis zur Hälfte heruntergehen kann. Die deutsche Reichsregierung hat offenbar angenommen, daß Sie noch viel mehr vorschlagen, denn sie geht bis zu 25 pCt. herunter und schlägt vor, daß die Bestimmungen nicht nach vier, sondern bereits nach einem Jahre in Kraft treten. Die Novelle wird ja erst im Herbst zur Annahme gelangen, also erst zum Oktober 1908 und schon am 1. Januar 1910 soll sie in Kraft treten. Daß das zu kurz ist, brauche ich nicht

erst darzulegen. Und wenn gesagt wird, man könnte sich ja jetzt schon darauf einrichten, so möchte ich erwidern, daß eine Verpflichtung, gesetzgeberische Vorschläge der Regierung schon als angenommen zu betrachten, für die Industrie nicht vorliegt, namentlich wenn Sie be­ rücksichtigen, daß die Ihren Anschauungen entsprechenden gesetzlichen Vorschläge der Regierung häufig nicht angenommen worden sind. Was die Vorschläge der Novelle selbst anlangt, so geht sie davon aus, daß zunächst ein lOstündiger Maximalarbeitstag eingefühlt wird. Sie gibt aber dem Reichskanzler die Möglichkeit, in den industriellen Betrieben, in denen es notwendig ist, anstelle des 10 stündigen Maximalarbeitstages eine 60 stündige Maximalarbeitswoche zu setzen. Die Wünsche der Industrie, wenn nun einmal diese Maximalarbeits­ zeit eingeführt wird, sind nicht ganz einheitlich. Ein Teil der Industrie,

auch innerhalb der Textilindustrie, hält es für zweckmäßig, wenn es einmal geschehen soll, den 10 stündigen Maximalarbeitstag einzuführen. Ich möchte glauben, die Mehrheit der Textilindustrie und auch die Mehr­ zahl der anderen Industrien, insbesondere die keramische Industrie, stehen

aber auf dem Standpunkt: wenn schon, dann die 60stündige Maximal­ arbeitswoche, aus Gründen, die ziemlich nahe liegen, weil der Industrielle dabei ein größeres Maß von freier Beweglichkeit, die Möglichkeit der Verschiebung der Arbeit von einem Tage zum anderen erhält.

Nun ist ja im Gesetz die Möglichkeit gegeben,

daß eine

derartige

81 Bestimmung

der

Einführung der 60stündigen Maximalarbeitswoche

getroffen werden kann. Wir möchten glauben, daß diese Möglichkeit allein nicht ausreicht, sondern daß entsprechend den ungemein verschiedenen Vorbedingungen, die der einzelne Betrieb in sich schließt, auch den einzelnen Betrieben die Befugnis gegeben werden sollte, zwischen diesen beiden Möglichkeiten selbst eine Wahl vorzunehmen. Ich glaube, der Mehrzahl der Industrien würde es entsprechen, wenn im Gesetz überhaupt davon abgesehen würde, die 10stündige Arbeitszeit einzuführen und nach dem Vorgänge der amerikanischen Gesetzgebung die 60stündige Arbeitswoche

eingeführt würde. Aber, wie gesagt, ich kann nicht sagen, daß die Anschauungen nach der Richtung in der Industrie einstimmig sind.

Was dann die Ausnahmen anlangt, so werden sie nach einer Richtung gegenüber dem jetzigen Zustande erweitert. Während nach dem jetzigen Zustande nur 40 Ausnahmetage von der 11 stündigen Maximalarbeitszeit zugelassen sind, sollen künftig, entsprechend dem Vorschläge der Berner Konvention 60 Ausnahmetage gewährt werden. Diese 60 Ausnahmetage haben bereits seitens verschiedener Parteien im Reichstage lebhafte Bekämpfung erfahren, und es wird zweifellos der Versuch gemacht werden, in der Kommission die Zahl herabzu­ setzen. Die Industrie kann sich ja mit dieser Ausdehnung der Zahl der AuSnahmetage auf 60 einverstanden erklären. Es besteht nur ein sehr wesentliches Bedenken. Früher war die Möglichkeit gegeben, mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörden auch über 40 Tage hinauszugehen. Diese Möglichkeit fällt jetzt fort. Es mag der Fall sein, daß bei Einführung der 60stündigen Arbeitswoche die Schwierig­ keiten geringer sind. Jedenfalls aber muß, wenn der 10 stündige Maximalarbeitstag eingeführt wird, verlangt werden, daß, entsprechend dem jetzigen Recht, auch die Möglichkeit gegeben wird, auch über 60 Tage hinaus die Erlaubnis zur Ueberarbeit zu erhalten. Diese

Erlaubnis kann ja in die Hände der höheren Verwaltungsbehörden gelegt werden, die zu prüfen hat, ob tatsächlich ein dringendes Be­ dürfnis vorliegt.

Das, meine geehrten Herren, ist das wesentlichste, was sich in der Novelle findet. In der Novelle findet sich nun eine Bestimmung nicht, die nach verschiedenen Richtungen innerhalb der Industrie, namentlich der Textilindustrie, als wesentliche Vorbedingung der Ver­ kürzung von 11 auf 10 Stunden angesehen wird. Es steht jetzt darin,

daß eine Pause von 2 Stunden für jugendliche Arbeiter, eine Mittags­ pause von einer Stunde, eine Vor- und Nachmittagspause von je einer

halben Stunde gewährt werden muß. Nach den Verhältnissen in der Textilindustrie wird befürchtet, daß bei Festhalten an diesen Pausen Heft 108

82

eine tatsächliche Verminderung der Arbeitszeit unter 10 Stunden, bis zu der für jugendliche Arbeiter bestehenden von 9 oder 9y2 Stunden, eintreten wird, und es wird gewünscht, die Möglichkeit einer Be­ schränkung der Pausen einzuführen. Ich möchte glauben, daß diese Wünsche der Textilindustrie von erheblicher Bedeutung sind und daß sie von der Reichsregierung und der Reichstagskommission mit Wohl­ wollen für die Industrie geprüft werden sollten.

Damit bin ich zum Schlüsse der Darstellung des Inhalts der Novelle gekommen. Ich habe ja nicht anders gekonnt, als Ihnen eine Reihe von Einzelheiten vorzuführen, die von der Industrie sehr verschieden beurteilt werden. Die Gesamtauffassung, mit der die

Industrie der Gewcrbeordnungsnovelle gegenübertritt, ist die, daß sie durchaus bereit ist, entsprechend den veränderten Verhältnissen an der weiteren Ausgestaltung der Sozialpolitik mitzuarbeiten, daß sie aber doch erwarten und verlangen muß, daß auch ihre Bedenken und Wünsche, wie sie sich aus den tatsächlichen Verhältnissen des praktischen Lebens, aus den tatsächlichen Betriebsverhältnissen ergeben, von den Faktoren der Gesetzgebung wohlwollend berücksichtigt werden. Freilich,

irgend welche Hoffnungen kann man nach der Richtung kaum haben, um so weniger, als ein Vorgang aus der letzten Zeit doch den Beweis erbringt, daß sich die Industrie nur auf sich selbst stützen kann. Ich war in den letzten Wochen auf Urlaubsreife und habe die Zeitungen nicht so wie sonst verfolgt, daher bestritt ich meinem verehrten vis-ä-vis Herrn Direktor Haasemann zunächst die Richtigkeit seiner Behauptung, daß der Deutsche Landwirtschaftsrat aus liebevoller Fürsorge für die deutsche Industrie sich veranlaßt gesehen hat, einen Beschluß zu fassen, worin er sich zugleich der jugendlichen Fabrikaibeiter annimmt. Er sagt: „Nachdem eine Anzahl europäischer Staaten den Schutz der jugendlichen Fabrikarbeiter bis zum vollendeten 18. Lebensjahre aus­ gedehnt hat, ist Deutschland mit seiner fast gänzlichen Schutzlosigkeit der gefährdeten Altersklassen von 16 bis 18 Jahren zurückgeblieben. Der dem Reichstag vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend Ab­ änderung der Gewerbeordnung vom 16. Dezember 1907 (Reichstags­ drucksache Nr. 552), erscheint gerade in dieter Beziehung unzulänglich. Der Deutsche Landwirtschastsrat ersucht daher die Reichsregierung,

eine Verschärfung

der Albeiterschutzgesetzgebung

für die Beschäftigung

jugendlicher gewerblicher Arbeiter möglichst bald in die Wege zu leiten."

(Hört, hört!) Man glaubt, daß dann mehr Arbeiter für die Land­ wirtschaft zur Verfügung stehen werden, wenn diese Maßnahmen durch­ geführt werden. Es ist also kein ganz ideales Eintreten zum Schutze der

Arbeiter,

sondern

ein

ziemlich

egoistischer

Standpunkt,

und

83

ich sollte meinen, daß, wenn wir in der Industrie dieselben gehen und die Landwirtschaft durchmustern wollten, es möglich ähnliche Resolutionen, vielleicht noch schärfere zu fassen, die der wirtschaft nicht sehr angenehm sein würden. Ich bedauere Vorgang.

Wege wäre, Land­ diesen

Er muß zu Verstimmungen führen, zumal allgemein be­

kannt ist, daß in der Fürsorge für die Arbeiter, wie es ja auch in dem letzten Telegramm an Se. Majestät den Kaiser hervorgehoben ist, die deutsche Industrie stets ihren Stolz darin gesehen hat, an der Spitze aller Industrien zu stehen. Einer Bevormundung seitens der Landwirtschaft bedarf sie wirklich nicht.

Nach dem, was ich Ihnen ausgeführt habe, wird man vielleicht sagen: wiederum stellt sich die Industrie auf einen rein kritischen, auf einen negativen Standpunkt, statt positiv mitzuarbeiten. Das liegt doch in den gegebenen Verhältnissen. Uns ist nicht bekannt, daß, ebenso wie die Arbeitskammernooelle auch die Gewerbenovelle in einem

früheren Stadium, ehe sie an den Reichstag kam, ehe sie an den Bundesrat ging, mit Vertretern der beteiligten gewerblichen Kreise durchgesprochen ist. Da bleibt nichts übrig, als nun den Standpunkt einzunehmen, den die Industrie aus ihren Verhältnissen zu den ein­ zelnen Bestimmungen nur einnehmen kann. Und daß er nach ver­ schiedenen Richtungen kritisierend und ablehnend sein muß, das ist nicht die Schuld der Industrie, sondern derer, die Vorschläge gemacht haben, die den berechtigten Interessen der Industrie in mehr als einer Hinsicht entschieden widersprechen, und deshalb glaube ich, ist auch diese kritisierende Tätigkeit etwas Positives und Gutes; sie muß dazu führen, daß die, die berufen sind, an der Gesetzgebung mitzuarbeiten, cs sich doch überlegen sollen, ob nicht auch die Interessen der In­ dustrie etwas mehr zu berücksichtigen sind. Wir sprechen heute so viel von Selbstverwaltung, daß die einzelnen Kreise ihre eigenen Interessen vertreten müssen und selbst an der Gestaltung der gesetzlichen Be­ stimmungen mitarbeiten sollen. Es gibt einen Berufsstand in Deutsch­

land, der davon gänzlich ausgeschaltet ist, die Industrie, denn sie hat im öffentlichen Leben gar nichts zu sagen. Daß das bald anders werden möge,

damit möchte ich meine Ausführungen vor Ihnen für (Lebh. Beifall.)

heute, und wohl für immer, schließen.

Borfitzender: Ehe ich die Diskussion über den Antrag, den Ihnen das Direktorium unterbreitet, eröffne, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß derselbe in zwei Teile zerfällt.

Der erste Teil beschäftigt

sich mit dem, was von unserer Seite als vor unserer Kritik bestehend angesehen werden kann. Der zweite Teil beginnt mit dem dritten Absatz: „Dagegen muß der Centralverband gegen folgendes ernsten «'

84 Einspruch erheben". Ich möchte Vorschlägen, daß wir die Diskussion entsprechend dieser Zweiteilung vornehmen, daß wir zunächst die beiden ersten Absätze zur Erörterung stellen, und daß vielleicht auch hierbei Gelegenheit genommen wird,

das einzuflechten,

was

generell

zu sagen ist, damit dann nachher in die Spezialdiskussion der einzelnen sechs Punkte eingetreten werden kann. Herr Regierungsrat Professor

Dr. Leidig hat in seinen sechs Punkten, wenn ich dem Vortrag recht gefolgt bin, die einzelnen Nummern wesentlich umgestellt. Ich glaube doch, daß es zweckmäßig sein wird, daß wir uns in der Diskussion

an die Reihenfolge der Nummern, wie sie in dem Anträge vorgesehen ist, halten. Ich möchte aber wiederholt bitten, daß in der Diskussion zunächst die beiden ersten Absätze behandelt werden und dabei, was

generell zu sagen ist, abgemacht wird, und dann in die einzelnen Punkte jeden für sich einzutreten.

Generalsekretär Steller-Köln: Meine Herren! Ich kann den Ausführungen des Herrn Berichterstatters im allgemeinen nur beitreten und will mir nur erlauben, einiges noch stärker zu unterstreichen. In dem ersten Teil der hier zur Erörterung gestellten Resolution ist das

gesagt worden,

was der Centralverband an der Vorlage gut findet.

Ich möchte befürworten, daß betreffs der Lohnzahlungsbücher noch stärker betont wird, daß sie sehr überflüssig und zwecklos sind, und zwar mit Rücksicht darauf, daß sie aus den Kreisen des Zentrums sehr stark verteidigt werden und der Abgeordnete Pieper sich in der ersten Lesung der Novelle zur Gewerbe-Ordnung im Reichstage für ihre Beibehaltung ausgesprochen hat. Er sagte, es würden sich Er­

leichterungen schaffen lassen, die der Ansicht, es handle sich um zwecklose Belästigung, entgegentreten können. Die Belästigung ist im jedem Falle zwecklos, selbst wenn die jetzigen unerträglichen Vorschriften, daß der Arbeitgeber persönlich unterzeichnen muß, gestrichen werden sollten. Die jugendlichen Arbeiter werfen die Bücher einfach hin, es fällt ihnen nicht ein, sie ihren Eltern oder Vormündern vorzuzeigen. Dann erscheint auch mir mit Rücksicht darauf, was Herr Professor Leidig ausgeführt hat über die Stellung des Reichstages zum § 63

des Handelsgesetzbuches, angemessen, daß wir das hier schärfer be­ tonen. Es ist hier in der Resolution überhaupt nicht erwähnt. Auch da hat der Abgeordnete Pieper schon gesagt, daß man diese durch die Vorlage ausgeschaltete Bestimmung betreffs Bezugs des gesetzlichen Krankengeldes neben dem Gehalt wieder hineinbringen müsse. Die Rücksicht auf die Verhandlungen im Reichstage, die über die Gewerbenovelle bereits stattgefunden haben, scheint mir auch zu fordern,

betreffs des zehnstündigen Arbeitstages eine Aeußerung des Freiherrn

85 von Heyl zu berücksichtigen.

Er sagte in der Sitzung des Reichstags

xDom 28. Februar — nach dem amtlichen stenographischen Bericht — und zwar muß er das Stenogramm seiner Rede doch erst durchgelesen haben: „Was den Maximalarbeitstag für Frauen anlangt, der von 11 auf 10 Stunden herabgesetzt wird, so entspricht der Inhalt der Vorlage Anträgen, wie sie aus meiner Fraktion unter meinem Namen heroorgegangen sind. Wir waren schon längst der Meinung, daß gegenüber der Tatsache, daß die deutsche Industrie die Arbeits­ zeit für Frauen und Männer schon seit lange auf 9*/2, 9, sogar auf

8*/2 bis 8 Stunden herabgesetzt hat, kein Grund mehr vorliegen könnte, den Maximalarbeitstag für Frauen einzuschränken." Der Maximalarbeitstag für Frauen soll ja lediglich auf 10 Stunden herabgesetzt werden. Er spricht aber von 97», 9, 87», 8 Stunden, die seit langem in der Industrie bestehen. Das ist tatsächlich unrichtig.

Die Arbeitszeit ist in den meisten Industrien noch 10 Stunden. Wir haben also allen Grund, diese 2 Punkte, die ich vorhin er­ wähnt hatte, in der Resolution stärker zu betonen oder überhaupt zu betonen; denn der zweite Punkt steht gar nicht darin. Man müßte also die Lohnzahlungsbücher als vollständig zwecklos bezeichnen und weiter hervorheben, daß bei Fortzahlung des Gehalts in Krankheits­ fällen das Krankengeld abgezogen werden muß. Da nach den Ausführungen des Herrn Vorsitzenden bis jetzt nicht gestattet ist, auch zu den anderen Punkten zu sprechen, so muß ich mir vorbehalten, das nachher zu tun, falls es nicht zweckmäßiger ist, es

jetzt auf einmal abzumachen.

Borfitzender: Ich möchte doch bitten, daß Sie das nachher vornehmen. Es meldet sich zu den ersten beiden Punkten niemand mehr zum Wort. Dann schließe ich die Diskussion. Es liegt von Ihrer Seite ein Antrag nicht vor, Herr Steller? Generalsekretär Steller-Köln: Ich empfehle nur vor „Lohn­ zahlungsbücher" einzufügen „der gänzlich zwecklosen". Man kann das nicht oft genug betonen.,

Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Ich möchte Vor­ schlägen, das nicht zu tun. Ich habe mir die Frage natürlich auch vorgelegt, ob es richtig ist, den in die Versenkung verschwindenden Lohnzahlungsbüchern noch einen Tritt obendrein zu geben. Mir erscheint das nicht zweckmäßig. Die Regierung sagt, sie haben sich nicht bewährt, der Reichstag sagt es auch; ich glaube, wir sehen

davon ab, etwas hinzuzufügen.

86 Generalsekretär Steller-Köln: Ich habe doch darauf hingewiescn, daß im Reichstage eine Strömung besteht und sich wahrscheinlich durch Anträge von Abgeordneten betätigen wird, die Lohnzahlungsbücher

beizubehalten.

Aber ich stelle anheim.

Vorsitzender: Ich bringe die beiden ersten Absätze zur Abstim­ mung; zunächst ohne den von Herrn Steller vorgeschlagenen Zusatz. Sollten sie in der Fassung nicht angenommen werden, dann werde ich nachher noch über den Zusatz abstimmen lassen. Die beiden ersten Absätze der Ihnen unterbreiteten Resolution

sind einstimmig angenommen. Nun kämen wir in die Spezialdiskussion der 6 Punkte, die numeriert sind. Ich eröffne die Diskussion über den ersten Punkt. Generalsekretär Steller-Köln: Die Konkurrenzklausel ist be­ kanntlich die Frage, die die chemische Industrie am meisten beschäftigt. Die chemische Industrie in meinem Bezirk ist mit den Anträgen einver­ standen. Ich möchte mir nur erlauben besonders hervorzuheben, daß der Passus:

„Ferner

ist die

Vorschrift,

daß bei Auflösung des Dienst­

verhältnisses durch den Arbeitgeber die Verpflichtungen aus der Konkurrenzklausel wegfallen, auszumerzen"

durchaus zutreffend ist und in jedem Falle aufrecht erhalten werden sollte, denn es ist ja schon von Herrn Professor Leidig hervor­ gehoben worden, daß der Beamte, der sich der Konkurrenzklausel ent­ ziehen will, den Arbeitgeber durch böswilliges oder fahrlässiges Ver­ halten, Unbotmäßigkcit, erst dazu veranlassen kann, zu kündigen, und daß er der Konkurrenzklauscl damit ledig ist. Ferner ist die Grenze von 5000 Mark damit begründet, daß es zahlreiche Angestellte gibt,

nicht nur in der chemischen, sondern auch in der mechanischen Industrie, die auch bei einem niedrigen Gehalt sehr wohl in der Lage sind, Geschäftsgeheimnisse kennen zu lernen. Ich möchte also befürworten,

daß die Nummer 1 einfach angenommen wird. Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Gegen die Nummer 1 muß ich

mich entschieden erklären. Abgesehen davon, daß wir kein Glück damit haben werden, ist die Bestimmung meines Erachtens nicht notwendig.

Sie haben soeben auf die chemische Industrie hingewiesen. Da mögen ganz besondere Verhältnisse vorliegen; ich weiß aber nicht, wie in anderen Industrien die behauptete Notwendigkeit zu begründen wäre. Mir scheint, daß, wenn wir Verträge machen, müssen wir sie so ver­ einbaren, daß wir auch eine Entschädigung einschließcn für den Fall, daß der Betreffende den Vertrag nicht hält. Aber weiter zu gehen,

87 möchte ich doch warnen. Ich würde den Absatz 1 ablehnen müssen, und zwar im Einverständnis mit zahlreichen anderen Interessenten. Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Ich glaube, die Bedenken des Herrn Generalsekretärs Stumpf heben sich doch durch

den neuen Zusatz, den wir gemacht haben. Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Ich kenne den Zusatz —, aber trotzdem!

Ich bin auch deshalb zu meiner Auffassung gekommen,

weil ich der Ansicht bin, daß schon im Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes gegen illoyale Unternehmungen ein ganz erheblicher Schutz gewährt wird.

Vorsitzender: Es hat sich niemand mehr zum Wort gemeldet. Ich schließe die Diskussion und bringe nun Nummer 1 zur Ab­ stimmung. Diejenigen Herren, die für die Annahme der Nummer 1 sind mit dem Zusatz, bitte ich die Hand zu erheben. Das ist an­ genommen. Wir kommen zum Punkt 2. Generalsekretär Steller - Köln: Die Ausdehnung des Fort­ bildungsschulunterrichts auf weibliche Arbeiter stößt nicht allein in den Kreisen der Textilindustrie, sondern auch in denen der Nahrungs­ mittelindustrie, die zum Beispiel in Köln hervorragend vertreten ist, auf sehr schwerwiegende Bedenken. Der Fortbildungsschulzwang hat schon zur Entlassung jugendlicher Arbeiter geführt. Das ist für die Heran­ bildung der Arbeiter ein sehr erheblicher Mißstand. Wir kommen aber mit dem Fortbildungsschulzwang immer weiter. In Köln und an verschiedenen anderen Orten haben wir die Aussicht, daß man den Unterricht in die Tagesstunden legen wird, einen halben Arbeitstag dafür wegnimmt. Für die Textilindustrie und auch die Schokoladen­ industrie würde der Fortbildungszwang der jugendlichen Arbeiterinnen viel schlimmer wirken, und deshalb spricht man sich in diesen Kreisen mit großer Entschiedenheit dagegen aus. Für die Nahrungsmittel­ industrie wäre er ganz außerordentlich schädlich. Schließlich kann man, wenn überhaupt ein Fortbildungsschulzwang für weibliche Arbeiter ein­

geführt werden soll, dafür nur unter der Bedingung stimmen, daß er ein hauswirtschaftlicher ist und auf das 16. Lebensjahr beschränkt wird. Direktor Haasemann-Bremen: Ich kann mich den Ausführungen der Herren Vorredner anschließen, möchte aber den Antrag stellen, daß

diese Ausführungen etwas präziser und schärfer zum Ausdruck kommen, als es in der Resolution geschehen ist.

Auch Herr Regierungsrat

Prof. Leidig hat im speziellen ausgeführt, daß den unteren Ver­ waltungsbehörden (Gemeindevertretung und Polizei) nicht so weit­ gehende Vollmachten erteilt werden dürfen, wie in der Gesetzesvorlage vorgesehen. Diese Bedenken kommen besonders bei der Frage der

88 Errichtung von Fortbildungsschulen für weibliche Arbeiter in Frage, und wir in der Textilindustrie fürchten, daß wir durch die quasi schrankenlose Verfügungsmöglichkeit der unteren Verwaltungsorgane in vitalster Weise geschädigt werden können. Da ich eine nähere Begrün­

dung schon heute in der Ausschußsitzung gegeben habe, sehe ich bei der

vorgerückten Zeit hiervon ab.

Es muß verlangt werden: Erstens, die Verpflichtung weiblicher Arbeiter zum Besuche einer Fortbildungsschule soll nur durch Verfügung der Landeszentral­

behörde ausgesprochen werden. Zweitens, die Schulpflicht geht nur bis zum 16. Lebensjahr. Drittens, die Fortbildungsschulzeit für weibliche Arbeiterinnen darf nicht in die Berufsarbeilszeit gelegt werden. Ich beantrage also in Punkt 2 der Resolution hinter dem Worte „Industrie" zu sehen: „Eine dahingehende Verpflichtung ist seitens der Landes„zentralbehörde zu erlassen. Dabei muß gleichzeitig eine „Herabsetzung der Schulpflicht bis zum Lebensalter von „16 Jahren verlangt werden. Auch ist kein gesetzlicher Zwang

„auszuüben, daß die Zeit für den Besuch der Fortbildungs„schule weiblicher Arbeiter in die Berufsarbeitszeit fällt.

Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Ich glaube, mich namens des Direktoriums gegen diese Zusätze aussprechen zu müssen. Was den ersten Vorschlag anlangt, daß die Verpflichtung durch die Landeszentralbehörde eingeführt wird, so wäre ja an sich dagegen nichts erhebliches einzuwenden; nur ist es gänzlich aussichtslos gegen­ über der schon bisher vorhandenen Einrichtung unserer Gewerbe­ ordnung, die sagt, für männliche jugendliche Arbeiter wird der Fort­ bildungsschulzwang durch Ortsstatut eingeführt, für weibliche Hand­ lungsgehilfen in derselben Weise. Wenn wir nun kommen und sagen, für die übrigen weiblichen Arbeiterinnen wollen wir das ganz anders

haben, so meine ich, es ist aussichtslos. Jeder wird doch fragen, Iveshalb sollen denn die weiblichen Arbeiter bezüglich der Einführung der Schule anders behandelt werden wie die männlichen?

Da müssen

die weiblichen über denselben Kamm geschoren werden. Wollen Sic es beschließen, erhebliche sachliche Einwände lassen sich dagegen nicht

anführen, aber die Landeszentralbehörde würde dann einfach auf Grund

eines Gemeindebeschlusses beschließen, kaum etwas anderes als bisher. sich kaum dem widersetzen, wenn schulzwang wünscht.

und Sie bekommen

tatsächlich

Die Landeszentralbehörde wird eine Stadt den Fortbildungs­

89

Was aber den zweiten Punkt anlangt, so hat da das Direktorium des Centralverbandes einen anderen Standpunkt eingenommen.

ES ist

im Laufe der letzten Jahre mehrfach der Wunsch hervorgetreten, sich bezüg­ lich der Fortbildungsschulzeit den Anregungen einesTeiles des Handwerks anzuschließen, insbesondere dem Wunsche, daß der Fortbildungsschul­

unterricht außerhalb der Arbeitszeit gelegt werde. Das hat das Direktorium stets abgelehnt. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß es sich um die Fortbildung der jugendlichen Arbeiter handelt, um die Schaffung eines geistig vorwärtsstrebenden Arbeiterstandes und daß diese Bildungsfrage eine durchaus notwendige Belastung der

Industrie bedeute. Nun will ich anerkennen, daß es bei den weiblichen Arbeitern nicht ganz so liegt. Erstens sollen sie ja nicht zu Doktoren der Philosophie gemacht werden, wenigstens die Fabrikarbeiterinnen nicht, und zweitens soll doch dieser Zweig des Unterrichts wesentlich haus­ wirtschaftlich werden, daß er dann vielfach in die Abendstunden gelegt werden kann, soll nicht bestritten werden. Aber dieser prinzipielle Standpunkt, den das Direktorium einnimmt und der auch seine Be­ rechtigung hat im Interesse der Industrie, muß, namentlich da auch ein großer Teil des Handwerks in dieser Frage auf diesem Boden steht, festgehalten werden. Erfolge werden Sie mit Ihrem Anträge nicht erzielen, aber sehr erhebliche Schwierigkeiten. Kommerzienrat Sartorius-Bielefeld: Es ist jetzt doch schon eine ziemliche Reihe von Jahren, daß die Bestimmungen unserer heute geltenden Gewerbeordnung in Kraft sind. Ich habe in diesen Jahren noch nie eine Klage gehört aus den Kreisen unserer sehr zahlreichen weiblichen Arbeiter über diese Bestimmung des § 113 Absatz 3. Die Leute sind vollständig damit zufrieden gewesen, es ist sehr gut dabei gegangen, und ich glaube, es wird auch so weitergehen können. Ich bin ganz einverstanden, daß die weiblichen jugendlichen Arbeiter auch

bis zum 18. Jahr Fortbildungsunterricht erhalten;

aber ich stimme

ganz Herrn Regierungsrat Leidig bei, daß dieser Untenicht ganz gut in den Abendstunden erteilt werden kann — das hat Herr Leidig doch soeben gesagt — und ich glaube auch nicht, daß es von unserem Arbeiterstand anders verlangt wird; und ich möchte deswegen bean­ tragen, daß sich der Centralverband einfach für die Beibehaltung der Bestimmungen der jetzigen Gewerbeordnung ausspricht.

C. O. Langen-M.-Gladbach: Ich möchte Herrn Regierungsrat Leidig nur fragen, wie er sich dann die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Betriebes in der Textilindustrie denkt, speziell in der Baumwoll­ spinnerei, wo nicht nur weibliche und männliche Arbeiter zusammen

arbeiten,

sondern

auch

die

erwachsenen

und jugendlichen

Arbeiter

90 Hand in Hand arbeiten müssen und erstere die gleichzeitige Mitarbeit der letzteren nicht entbehren können. Bei Festlegung des IO stündigen Arbeitstags für weibliche Arbeiter kommt in der Spinnerei der IO stündige Arbeitstag von selbst auch für die männlichen Arbeiter; dazu kommen nach den bisherigen Bestimmungen für die jugendlichen

Arbeiter noch zwei halbstündige Pausen. Werden diese auch ferner bei­ behalten, dann haben wir für die jugendlichen Arbeiter nur 9 Stunden Arbeitszeit. Dazu kommt dann noch der Fortbildungsunterricht, dessen Unterrichtsstunden möglicherweise für die männlichen Arbeiter andere sind wie für die weiblichen. Da ist es gar nicht mehr möglich, einen

geordneten Betrieb aufrecht zu erhalten. Konsequentcrweise müssen wir verlangen, daß nicht nur für die weiblichen, sondern auch für die männlichen jugendlichen Arbeiter der Fortbildungsunterricht nur durch die Landeszentralbehörde eingerichtet werden darf, und daß solchen zu beschließen nicht in das Belieben der Gemeinde gestellt bleibt. Auch sollte die Unterrichtszeit nicht innerhalb der Arbeitsstunden liegen dürfen. Hat der Centralverband diesen Standpunkt bisher nicht eingenommen, so müssen wir uns jetzt eben auf einen anderen Standpunkt stellen, denn in der Praxis kommen wir so nicht weiter, und die Industrie wird schwer geschädigt. Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Die Schwierigkeiten liegen doch bei den männlichen jugendlichen Arbeitern ebenso vor (Widerspruch). Ich darf Sie an eine Reihe von Werken der EisenIndustrie erinnern, die Drahtzieherei usw.; da haben Sie doch auch

das Zusammenarbeiten mit den jugendlichen Arbeitern.

DirektorMeyer-Hamburg: Ich möchte doch bitten, den Gründen des

Herrn Direktor Haasemann für die Textilindustrie größere Bedeutung beizulegen. Wenn jugendliche Arbeiterinnen bis 18 Jahren während der regulären Arbeitszeit in die Fortbildungsschule gehen dürfen, so

der ganze Betrieb stocken. Wir haben in der Spinnerei z. B. mehr als 100 Mädchen bis zu 18 Jahren als An­ spinnerinnen, Abschneiderinnen usw., und wenn diese während der Arbeitszeit in die Fortbildungsschule gehen würden, so müßte die

wird in Spinnereien

Hälfte der ganzen Spinnerei stillstehen und auch die Hälfte der an­ geschlossenen Weberei, da diese ohne Garn sein würde. Der Besuch

der Fortbildungsschule muß also außerhalb des regulären Betriebes stattfinden, also entweder abends oder Sonnabends nachmittags; es

ließe sich bei 60 stündiger wöchentlicher Arbeitszeit vielleicht ein Teil des Sonnabend nachmittags allgemein freigeben, was in Anbetracht der Sonntagsruhe sehr erwünscht wäre.

91 Generalsekretär Ditges-Berlin. Wir haben uns mit der Frage deS Fortbildungsunterrichts neulich auch im Verein Deutscher Schiffs­ werften beschäftigt. ES wurde dort auch sehr lebhaft geklagt, daß die Jungen, namentlich die Nietjungcn, die notwendig zur Aufrecht­ erhaltung des Betriebes sind, nachmittags aus den Werken heraus­ gehen, und es wurde der Antrag gestellt, den Unterricht in die Abend­ stunden zu legen (sehr richtig) — ich darf wohl bitten, das Ende ab­

zuwarten! Man einigte sich aber dahin, daß man das aus allgemeinen sozialen Gründen nicht tun dürfte. Hier läge eine Frage vor, in der die Industrie zeigen müsse, daß sie, wenn es sich um Bildungszwecke

handelte, auch nachgeben könnte. Es sollte nur verlangt werden, daß die Nietjungen nicht an verschiedenen Nachmittagen aus dem Betriebe herausgenommen würden, sondern daß ein Nachmittag in der Woche für den Fortbildungsunterricht bestimmt würde, und wenn es sein müßte, auch ein ganzer Tag. Jedenfalls hat man sich ganz entschieden durch Mehrheitsbeschluß dagegen gewendet, daß ein Antrag auf Verlegung des Fortbildungsunterrichts in die Abendstunden gestellt würde. Man hat gesagt, wenn die Jungen am Tage zehn Stunden gearbeitet haben, dann sind sie abends nicht mehr imstande, dem Fortbildungsunterricht genügend zu folgen. Das Hauptgewicht wurde darauf gelegt, daß ordentliche Lehrer angestellt würden. Es wurde geklagt, daß es hieran vielfach auch aus Kostengründen noch fehlte. Landtagsabgeordneter Dr. Beumer-Düsseldorf: Ich will die Debatte nicht verlängern. Ich will auch zugeben, daß sowohl in der Eisenindustrie als in der Textilindustrie, der Schokolade- und noch anderen Industrien allerdings die größten Schwierigkeiten dadurch entstehen. Ich möchte aber doch zu bedenken geben, daß es taktisch unrichtig ist, auf diesem Gebiete einen Beschluß zu fassen, der eine Wirkung im Reichstage nicht haben wird, der aber, wenn er vom Centralverband gefaßt, den sämtlichen wichtigen Beschlußfassungen von heute sehr schaden könnte, auch der Beschlußfassung über die Arbeits­

kammern.

Wenn Sie an die Fortbildungsschulfrage rühren,

dann

heißt es: „Also auch dagegen stemmt sich die Industrie!" Direktor Dtttmar-Magdeburg: Ich möchte doch fragen, ob es richtig

ist, sich hier auf einen prinzipiellen Standpunkt festzulegen. Was für die Schiffstechnik richtig ist, trifft für die Baumwollspinnerei nicht zu. Wer damit Bescheid weiß, wird sich sagen, daß die Möglichkeit, den Betrieb aufrecht zu erhallen, dann ganz fortfällt. Daß gute Erfolge beim Abendunterricht erzielt werden, weiß ich aus verschiedenen Fällen. Professor Dr. Zimmer-Zehlendorf hat verschiedene Haushaltungs­ schulen — und um solche kann es sich bei gewerblichen Arbeiterinnen

92 doch in erster Linie nur handeln — eingerichtet, in denen der Unter­

richt in den Abendstunden erteilt wird. Er hat niemals gehört, daß die jungen Mädchen durch Ueberarbeitung infolge langer Arbeitszeit

ermüdet und dem Unterricht nicht gefolgt seien.

Mit großem Ver­

gnügen, sagt er, haben die jungen Mädchen nach ihrer Arbeitszeit sich diesem Unterricht gewidmet. Ich möchte also dringend bitten, der Anregung Folge zu leisten und dem Ausdruck zu geben, daß während der Arbeitszeit Fortbildungsschulunterricht nicht erteilt werden soll.

Vorsitzender: Ich möchte Ihnen zur Erwägung stellen, ob nicht in Rücksicht auf die Ausführungen des Herrn Dr. Beumer der Weg gangwäre, daß die Herren aus der Textilindustrie in diesem Falle einmal die Sache gehen lassen, wie sie geht, und die besonderen Verhältnisse in Ihrer Industrie, die Sie veranlassen hier diese Anträge zu stellen, in einer besonderen Eingabe in extenso darlegen. Ich glaube, wenn Sie das tun, dies doch einen nachhaltigen Eindruck zu üben geeignet sein wird, gerade wenn Sie diese eine Sache heraus greifen und in einer Eingabe der Regierung vorstelleu. Generaldirektor Hummel-Ettlingen: Ich wollte gerade zu dem

das Wort nehmen, was mein Herr Vorredner Dittmar gesagt hat. Man unterschätzt doch die Schwierigkeiten, die der Textilindustrie durch diese Bestimmungen erwachsen. In der Textilindustrie ist die Arbeit der jugendlichen Arbeiter so innig mit derjenigen der älteren Arbeiter und der Arbeiterinnen verbunden, daß sie auf so lange Zeiten und bei so vielen Gelegenheiten, die wieder um eine vermehrt werden soll, nicht entbehrt werden können. Es müßten dann die größten Schädi­ gungen erwachsen. In den Landgemeinden z. B. wird allgemein darauf hingewirkt, den Fortbildungsunterricht am Tage während der

Arbeitsstunden abzuhalten, weil in den Schulgebäuden meistens keine Beleuchtungsanlagen vorhanden sind. Bei mir z. B., der ich auf dem Lande lebe, wäre es nur in den Tagesstunden möglich, den Fort­ bildungsunterricht aufrecht zu erhalten. Wenn nun zu den jetzigen

Schädigungen noch hinzukommt, daß die jugendlichen Arbeiterinnen den Fortbildungsunierricht besuchen müssen, daß weiter der Zwang vom 16. bis auf das 18. Jahr erweitert wird, so werden doch ganz unerträgliche Zustände geschaffen. Ich meine, darüber sollte man nicht so hinweggehen, sondem der Textilindustrie es ermöglichen, es so zu

regeln, wie es die Aufrechterhaltung ihres Betriebes erfordert.

C. O. Langen-M.-Gladbach: Ich möchte dem Herrn Vorsitzenden erwidern, daß es doch merkwürdig aussehen würde, wenn die Textil­ industrie hier dem Anträge zustimmt und nachher in einer besonderen Ein­ gabe sich auf einen anderen Standpunkt stellt.

Noch eine andere Frage.

93 Das Wort „Haushaltungsunterricht"

ist vorhin gefallen, aber wo wollen Sie die Räume, wo wollen Sie die Lehrer hernehmen? Auch dürste der Hinweis darauf wohl berechtigt sein, daß bei einem obligatorischen

für die große Zahl aller sich Kosten ergeben werden, die

Haushaltungsunterricht

Arbeiterinnen bis zum 18. Jahre, gar nicht zu übersehen sind.

Vorsitzender: Ich habe den Vorschlag nur aus dem Grunde gemacht,

weil ich in der Fassung,

die von feiten des Direktoriums

des Centralverbandes Ihnen unterbreitet ist und in der Fassung des Herrn Direktor Haasemann durchaus keinen Widerspruch sehe. Ich erblicke in dem Vorschläge des Herrn Haasemann lediglich eine Erweiterung, ein tieferes Eingehen auf die Verhältnisse, und es fragt sich, ob, wie die Verhältnisse momentan liegen — ich bin nur durch die Ausführungen des Herrn Dr. Beumer darauf gebracht worden —

es nicht richtiger ist, daß wir uns mit dieser allgemeinen Fassung begnügen und das tiefere Eingehen den Herren überlassen, oder ob wir dem Wunsche der Herren entsprechen, diese weiteren Vorschläge auch in unserem Anträge zu übernehmen. Sie dürfen also bei mir nicht die Absicht herauslesen, Ihnen etwas zur Annahme vorzuschlagen, was Ihnen gewissermaßen präjudiziert. Im Gegenteil, ich bin davon ausgegangen, daß Sie das ruhig annehmen können, ohne daß Ihrem weitergehenden Vorschlag präjudiziert wird.

Kommerzienrat van Delden-Gronau: Die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiterinnen in der Textilindustrie ist von solcher Be­ deutung, daß wir doch den Herrn Vorsitzenden bitten müssen, den

Antrag entsprechend zu fassen. Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Ich möchte Ihnen vielleicht einen Kompromißvorschlag machen. Meine Kompronnßvor-

schläge haben ja schon manchmal den Beifall der Versammlung ge­ funden. Ich möchte Ihnen Vorschlägen, daß wir den Antrag Haasemann vielleicht dahin fassen: „Insbesondere für die Textilindustrie ist es notwendig, bei der Regelung der Schulzeit für den Fortbildungs­ unterricht darauf Rücksicht zu nehmen, daß die jugendlichen Ar­

beiterinnen für den geordneten Betrieb des Unternehmens unumgänglich erforderlich sind." Generalsekretär Steller-Köln: Dann bitte ich auch die Nahrungs­

mittelindustrie hineinzunehmen.

Regierungsrat Professor Leidig: Die Nahrungsmittelindustrie hineinzunehmen, möchte ich abraten. Wenn die eine Industrie genannt wird, dann wirkt cs genau so für die anderen. So steht aber das­ selbe darin, was Herr Direktor Haasemann wünscht.

94 Direktor Haasemann-Bremen: lieber haben.

Da möchte ich meine Fassung

Vorsitzender: Es ist aber ein wesentlicher Unterschied doch insofern, als gerade auf Ihre Industrie hingewiesen wird. Generalsekretär Steller-Köln: Dann möchte ich aber bitten, daß nicht nur auf die Textilindustrie verwiesen wird, sondern auch auf

andere Industrien.

Vorsitzender: Verzeihen Sie, daß ich Sie unterbreche. Ich tue es nur mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde. Herr Professor Leidig hat schon darauf hingewiesen, daß, wenn wir eine Industrie erwähnen, es ebenso wirkt, vielleicht noch besser wirkt. Generalsekretär Steller-Köln: Entschuldigen Sie, ich habe den Auftrag, mindestens mit derselben Entschiedenheit für die Nahrungs­ mittelindustrie einzutreten, wie es für die Textilindustrie geschieht. Der eine hat hier dasselbe Recht wie der andere; die Größe der

einzelnen Industrie kann für den Centralverband, nicht bloß die schwere Industrie, sondern auch

der stets erklärt, alle anderen zu

vertreten, nicht in Betracht kommen. Vorsitzender: Ich möchte den Vorschlag

machen zu sagen,

einzelne Industrien, insbesondere die Textil-Jndustrie. Regierungsrat Professor vr.Leidig-Berlin: Ich würde Vorschlägen: „Insbesondere ist es notwendig, bei der Regelung der Schulzeit für den Fortbildungsunterricht darauf Rüctsicht zu nehmen, daß in zahl­ reichen Industrien, insbesondere der Textilindustrie" usw. (Zustimmung.)

Vorsitzender: nehmen,

Nach dem Gange der Diskussion darf ich an­ daß Sie damit einverstanden sind, wenn ich lediglich diese

Fassung zur Abstimmung bringe. Direktor Haasemann-Bremen: „Muß mindestens verlangt werden" statt „geboten werden".

Vorsitzender: Gut. Ich darf annehmen, daß die Herren mit dieser Fassung einverstanden sind. Wir kommen jetzt zu Punkt 3. Dr. Göhring-Spindlersfeld: Der Verein für die Deutsche TextilVeredelungsindustrie hat sich mit dem Maximalarbeitstag für Arbeiterinnen noch einmal ernstlich beschäftigt und ist zu dem Beschluß gekommen, daß das vor allem zum Ausdruck gebracht werden muß, daß die Uebergangszeit zu kurz ist. Für die Saisonarbeiten sind auch die im

§ 138 a vorgesehenen 60 Tage als Ausnahmebestimmungen ganz ent­ schieden zu wenig. Ich erinnere daran, daß die Färbereiindustrie und die chemische Wäscherei eine Frühjahrs- und Herbst-Saison hat. Die

Frühjahrs-Saison dauert allein 2 Monate, da wären schon die 60 Tage verbraucht, so daß für den Herbst nichts mehr bliebe. Im Reichstag

95 besteht gar noch die Tendenz, diese 60 Tage auf 40 zu verkürzen. Da die Textil-Veredelungsindustrie diejenige Industrie ist, die an dem

pekuniären Erfolge der letzten Jahre am allerwenigsten teilgenommen hat, so möchte ich um so mehr betont wissen, daß sie abermals sehr­

geschädigt wird, wenn die Behörde nicht über die 60 Tage Hinausgehen kann oder wenn die Bestimmung nicht auf mindestens „90 Tage" normiert wird. Es läßt sich darüber verschiedener Ansicht sein, ob man den bisherigen § 138a Abs. 2 nicht bestehen lassen soll, weil er die Zeit der Ueberschreitung für mehr als 40 Tage nicht beschränkt, oder ob man gleich von vornherein 90 Tage als Minimalzeit festlegen will. Kommerzienrat Stark-Chemnitz: Wir waren eigentlich in Sachsen, wie Herr Professor Leidig schon ausgeführt hat, in der Frage Zehnstundentag oder 60stündige Arbeitswoche sehr verschiedener Ansicht. Aber wir können uns alle vereinigen, wenn gesagt wird: „60stündige Arbeitswoche mit höchstens 11 stündiger Arbeitszeit für Frauen". Ich lege ganz besonderen Wert darauf, wenn das ausdrücklich gesagt wird, daß die Frauen, wenn sie 60 Stunden in der Woche im ganzen arbeiten, bis zu 11 Stunden an einzelnen Tagen arbeiten dürfen. Wie wird sich die Sache in den Fabriken gestalten? Wahrscheinlich wird ein erheblicher Teil bis Freitag 11 Stunden arbeiten und Sonnabend vielleicht um 2 Uhr Feierabend machen, dann wird der Sonnabend Nachmittag ganz frei sein. Eine sehr wohltätige Ein­ richtung, der die anderen unbedingt nachfolgen müssen, die wir aber, ist sie erst einmal da, nicht mehr wegbringen können. Dagegen ist ja der größte Teil der öffentlichen Meinung der Ueberzeugung, daß die Frauen nicht mehr als 10 Stunden in der Regel arbeiten dürfen. Es liegt die Gefahr vor, daß in der öffentlichen Meinung gesagt wird: „Ihr dürft die Frauen auch bis Freitag nicht mehr als 10 Stunden beschäftigen", und die Regierung dem nachgibt; dann kommen wir bei freiem Sonnabend-Nachmittag bis zu 52 Stunden herunter; 4 Stunden weniger als in England, und ich glaube nicht, daß unsere Industrie reich und stark genug ist, um mit der konzentrierten englischen Industrie in dieser Weise zu konkurrieren. Deshalb habe

ich mir erlaubt, diese Hinzufügung zu beantragen. Dann möchte ich empfehlen zu sagen: „Die Uebergangszeit bis 1910 ist zu kurz" und unseren alten Standpunkt einer vier­ jährigen Uebergangszeit ausdrücklich zu betonen. Ob es was hilft,

ist eine andere Frage. Wegen der Pausen für jugendliche Arbeiter kann ich mich dem, was Herr Professor Leidig schon gesagt hat, nur schärfstens an­ schließen. Wir haben so schon die verschiedensten Arbeitszeiten; ein weiterer Punkt ist noch die Erlaubnis für die verheirateten Frauen, um

96

’/s 12 nach Hause zu gehen, um das Mittagessen zu besorgen. Wenn wir nur den lOstündigen Arbeitstag haben, dann läßt sich das allesnicht mehr durchführen.

Direktor Haaseman«-Bremen: Ich kann mich den von den Vor­

rednern erhobenen Bedenken nur anschließen. Wir müssen für die Textil­ industrie bedingen, daß wir in bezug auf die Arbeitszeit gesetzlich nicht weiter eingeschränkt werden, als dieses durch eine Festlegung der Arbeits­ zeit in Stunden pro Woche der Fall ist. Ich stelle daher den Antrag, daß wir zu Punkt 3 sagen:

Soll die gesetzliche Regelung doch durchgeführt werden, so wird dabei zu bedingen sein, daß die Arbeitszeit vom 1. Januar 1912 ab nicht mehr als 60 Stunden die Woche und 11 Stunden pro Tag betragen darf. Kommerzienrat Stark-Chemnitz:

Das deckt sich vollkommen mit meiner Fassung. Die Fassung, die hier enthalten, ist nicht ganz glücklich. Wenn da gesagt ist: „60 Stunden die Woche", da kann ich doch 10 Stunden arbeiten, dann brauche ich nicht die Wahlfreiheit. Aber es gehört unbedingt in unsere Resolution, daß, wenn wir 60 Stunden sagen, die 11 stündige Arbeitszeit aufrecht und gewähr­ leistet bleibt. Regierungsrat Professor vr. Leidig-Berlin: Der Centralverband Deutscher Industrieller will doch mit seinen Beschlüssen eigentlich etwas erreichen und geht doch vom Standpunkt der praktischen Geschäftsleute aus, und infolgedessen ist auch die Formulierung so gefaßt, daß er nicht nur der öffentlichen Meinung, sondern auch der Regierung gegen­ über etwas durchsetzen kann. Wir müssen den Ausdruck: „lOstündige Arbeitszeit" irgendwie drin haben, denn die ganze Bewegung geht ja seit Jahren dahin: für die Arbeiterinnen sei die 11 stündige Arbeitszeit am Tage zu viel, gesundheitsschädlich, das lasse sich nicht durchführen, schädige die künftigen Mütter usw. Das wissen Sie ja auch alle, des­

halb soll die Arbeitszeit auf 10 Stunden herabgesetzt werden.

Wenn Sie nun sagen, der Gesetzentwurf geht davon aus, es gäbe eine Reihe von Möglichkeiten, bei denen die 60stündige Arbeitszeit angebracht ist, und innerhalb der Industrie besteht nun die Meinung, wir wollen lieber den 11 Stundentag innerhalb der 60stündigen Woche nach den Ausführungen des Herrn Direktor Stark, da bekommen wir nach

wenigen Wochen die weitere Agitation: „Mein Gott, es ist ja alles beim alten geblieben. Die Arbeiterin arbeitet nach wie vor 11 Stun­ den. Wenn es vorher ungesund war, ist es nachher auch ungesund, es muß abgekürzt werdens" Wir haben hier versucht, uns an den Gesetzentwurf anzuschließen. Da heißt es: „Der Reichskanzler hat die

97 Möglichkeit, die 60stündige Arbeitszeit zu geben." llnd wir haben da gesagt: „Drehen wir eS um, nehmen wir es aus der Hand des

Reichskanzlers und geben wir eS in die Hand der Industrie." Sie wollen doch auf den Reichstag wirken. Wenn Sie jetzt hineinsetzen, Sie wollen die 11 stündige Arbeitszeit am Tage, dann schädigen Sie Ihre Interessen aufs äußerste, und dann bekommen Sie eine Preß­ kampagne, die diejenigen Reichstagsabgeordneten, die geneigt sind, Ihrem Interesse

cntgegenzukommen,

einfach

so verschüchtert,

daß sie

dagegenstimmen. Direktor Haasemann- Bremen:

Ich ziehe meinen Antrag zurück.

Kommerzienrat Stark-Chemnitz: Sie haben das zurückgezogen? DaS muß ich sehr bedauern. Wir haben jetzt eine Arbeitszeit von 64 Stunden. Wenn wir aus 60 Stunden zurückgehen, bringt die Industrie ein Opfer, das ganz kolossal ist und unser Betriebsprodukt enorm verteuern wird. Gegenüber der englischen Konkurrenz und der Ausnutzung der halftimers in England werden wir in großem Nach­ teil sein. Verkürzen wir die Arbeitszeit auf 58 oder 57 Stunden die Woche, so glaube ich nicht, daß unsere Industrie das ertragen kann,

und das müssen wir doch berücksichtigen. Antrag anzunehmen.

Ich möchte doch bitten, den

Borfitzender: Ich möchte dazu bemerken: im Eingang der Nummer 3 ist gesagt, „die Bedenken gegen die gesetzliche Einführung des lOstündigen Arbeitstages bestehen im Centralverband unverändert fort". Das entspricht also vollkommen Ihrem Standpunkt. Dann heißt es weiter: „Soll doch durchgeführt werden usw." Es ist also ganz in dem Sinne, in dem sich Ihre Ausführungen bewegten, vom CentralverbandsDirektorium festgehalten, daß die Arbeitszeit nicht verkürzt werden darf. Wenn es aber doch geschehen soll, dann haben die Aus­ führungen des Herrn Professor Leidig Herrn Direktor Haasemann überzeugt, daß es richtiger ist, bei dieser Fassung zu bleiben. So verstehe ich die Zurückziehung seines Antrages.

Kommerzienrat Sartorins-Bielefeld: Die Ausführungen des Herrn Regierungsrats Leidig haben mich aber noch nicht überzeugt. Es heißt hier: „10 stündige Arbeitszeit oder wöchentliche Maximal­ arbeitszeit von 60 Stunden." Wenn weiter nichts gesagt ist als 60 Stunden in der Woche,

dann ist es uns ganz überlassen, in der

Woche mal vier Tage lang zwei Tage frei.

15 Stunden

Vorsitzender: Es ist aber gesagt, gearbeitet werden darf. Heft 108.

arbeiten zu lassen und

daß nicht über

11 Stunden 7

98 Kommerzienrat Sartorius - Bielefeld: Ich würde Vorschlägen, nicht über 60 Stunden in der Woche und nicht über 10*/2 Stunden am Tage; diese Arbeitszeit haben wir heute in der Ravensberger Spinnerei.

Borsitzender: Es ist Schluß der Debatte beantragt.

Es stehen noch auf der Rednerliste Herr Dr. Beumer und Herr Kommerzien­ rat Neubarth. Abg. Dr. Beumer-Düsseldorf:

Ich verzichte.

Vorsitzender: Ich halte es doch für richtig, Herrn Kommerzien­ rat Neubarth noch zu hören. Kommerzienrat Neubarth-Forst: Es liegt durchaus und sehr im Interesse der Textilindustrie, wenn Sie den Vorschlag des Herrn

Regierungsrats Leidig annehmen. Sie verschlechtern unsere Position, wenn Sie jetzt festlegen, daß die llstündige Arbeitszeit bleiben soll. Natürlich müssen wir ausdrücklich daraus aufmerksam machen, daß keine Industrie bei der Verkürzung der Arbeitszeit so große Opfer bringt wie gerade die Textilindustrie. Gerade die leidet unter der Konkurrenz des Auslandes ant meisten. Wenn Sie berücksichtigen, wie in England und in Belgien die Kinderarbeit ausgenutzt wird, dann müssen wir unbedingt zum Ausdruck bringen, daß keine Industrie so wie die Textilindustrie durch die Verkürzung der Arbeitszeit ge­ schädigt wird, und daß das Hinausziehen der weiblichen jugendlichen Arbeiter aus dem Betriebe geradezu verhängnisvoll für uns ist. Aber mit den 10 Stunden können wir uns abfinden, weil das inter­ national geregelt wird.

Borsitzender: Darf ich die Diskussion schließen und Nummer 3 zur Abstimmung bringen? Regierungsrat Professor Dr. Leidig-Berlin. Ich würde Vor­ schlägen, zu sagen: „Die gewährten Ausnahmen sind für die Be­ dürfnisse der Saison- und Ausfuhrindustrie zu gering. Insbesondere ist, wie bisher, die Möglichkeit zu geben, mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde Ausnahmetage nach dem tatsächlichen dringenden Bedürfnis zu erhalten. Die Uebergangszeit bis zum 1. Januar 1910

ist zu kurz und muß mindestens bis zum 1. Januar 1912 erweitert werden." (Zustimmung.) Direktor Haasevmnn-Bremen: Da die Debatte sich bei der vor­ gerückten Zeit zu weit ausdehnt, um die geäußerten Sonderwünsche richtig festzulegen, so erlaube ich mir, eine Ausarbeitung, in der der Verein Deutscher Jute-Industrieller zu den einzelnen Paragraphen der

Gewerbegesetz-Novelle Stellung nimmt, auf den Tisch des Hauses niederzulegen, mit der Bitte, daß der Centralverband diese Vorschläge

zur Kenntnis der gesetzgebenden Faktoren bringt.

99

Borfitzender: Also, ich bringe Nummer 3 zur Abstimmung mit dem Zusatz,

den Herr Regierung-rat Leidig uns eben verlesen hat.

Das wird einstimmig angenommen. Nummer 4: Heimarbeit.

Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Ich möchte den redaktionellen Vorschlag machen, das Wort „vielfach" zu streichen. Ich behaupte,

es ist allgemein gehalten überhaupt unausführbar.

RegierungSrat Professor Dr. Leidig-Berlin: Immer ist es nicht undurchführbar. Von Arbeitgebern der Zigarrenindustrie ist es sogar

gewünscht worden. Generalsekretär Stumpf-Osnabrück: Und gerade aus den Kreisen der Zigarrenindustrie ist bei uns mit Beispielen belegt worden, daß es undurchführbar ist.

Borsitzender: Lassen Sie doch das „vielfach" stehen. schlägt doch nichts. Die Nummer 4 ist angenommen. Nummer 5 einstimmig angenommen.

Es ver­

Nummer 6.

Dr. Prüsfing - Schönebeck a. Elbe: Herr Regierungsrat Leidig hat gefordert, daß der Bundesrat und die Landeszcntralbehörden allein diskretionäre Vollmachten besitzen dürfen; ich gehe weiter und will auch diese noch beschränken. Es sind zwei Beispiele angeführt aus der Tabakindustrie und aus der Textilindustrie von Fehl­ griffen des Bundesrates. Ich kenne ein drittes Beispiel bctr. die Arbeit in Steinbrüchen. Die hat man als gesundheitsgefährlich angenommen und hat dabei Steinmetz- und Steinbrucharbeit in eine Verfügung — vom 20. Februar 1902 — zusammengeworfen. Das ist vollkommen unbegründet. Steinmetzarbeit wird gewöhnlich unter Dach geleistet,

Steinbrucharbeit im Freien. Regnet es drei Tage in der Woche, so verliert der Steinmetz keine Arbeitszeit, der Steinbrucharbeiter die Hälfte. Bei solcher Arbeit in gesunder Luft verschlägt cs nicht, wenn

über 10 Stunden gearbeitet wird, um einen Teil des Versäumten nachzuholen. Es liegt auch im Interesse der Arbeiter, täglich bis zu zwei Ueberstunden bei höchstens 60 Arbeitsstunden in der Woche ohne Befragung der Verwaltungsbehörde zu gestatten.

Wenn wir jetzt nicht

nur noch wenige Personen in der Sitzung wären, so würde ich einen Zusatzantrag stellen. Ich will ihn in Aussicht stellen für eine Sitzung, in der wir in einer Zahl anwesend sind, daß der Beschluß auch Eindruck machen kann. Ich habe eine Broschüre vorgearbeitet für eine künftige Novelle,

die den Mitgliedern des Ausschusses vor einer

100 Woche zugegangen ist.

Ich bitte, sie nicht in den Papierkorb zu legen,

sondern zu lesen. Der Antrag wird etwa folgende Fassung haben: „Die auf Grund solcher Vollmachten erlassenen Verfügungen sollen

nur bis zur nächsten Session des Reichstages gelten, wenn sie nicht durch denselben bestätigt werden". Eine derartige Ungültigkeit ist schon eingetreten bezüglich einer vom Bundesrat verfügten Aenderung des § 16 der Gewerbe-Ordnung, betreffend Anlagen zur Herstellung von Zement,

Kalk und Gips. Ebenso würden derartige Verfügungen, die durchaus nicht berechtigt sind, wie das von Herrn Professor Leidig für die Tabak- und die Textilindustrie angegeben ist, auch für die Steinbruchindustie verschwinden müssen, wenn dcr> Reichstag nachher die Genehmigung nicht erteilt.

Vorsitzender:

Nummer 6

- genehmigt.

Damit wären wir mit diesem Punkt der Tagesordnung fertig. Nun ist es 6 Uhr. Der Saal hat sich gelichtet. Sie sind wohl damit einverstanden, daß ich einfach den letzten Punkt der Tages­

ordnung absetze. Widerspruch findet nicht statt. Dann darf ich mit dem Dank an die anwesenden Herren, ins­ besondere an den Herrn Vertreter der Königlich Preußischen Staats­ regierung, Herrn Geheimrat Neumann, für Ihre langandauernde Aufmerksamkeit die Sitzung schließen.

(Schluß nach 6 Uhr abends).

101

SeschWe der Delegiertenversammlung. Nachdem sich das Direktorium und der Ausschuß des Central­ verbandes Deutscher Industrieller in besonderen Sitzungen eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern

beschäftigt haben, erklären die heute zahlreich zu demselben Zwecke zusammengetretenen Delegierten in voller Uebereinstimmung mit den vorbezeichneten Organen namens des Centralverbandes folgendes:

Die Begründung folgende Sätze:

des Gesetzentwurfes enthält im Eingänge

„Der Kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 hat für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeit­ nehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen in Aussicht genommen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr

Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegen­ heiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und den Behörden befähigt werden sollen. Wenn es schon bisher an Einrichtungen zu diesem Zweck nicht gefehlt hat, so sind doch von verschiedenen Seilen, insbesondere auch im Reichstage, Anträge

auf die Errichtung besonderer Vertretungen gestellt Beschluß erhoben worden."

und

zum

Der Centralverband teilt mit der Begründung die Ansicht, daß es schon bisher an Einrichtungen zu den in der Kaiserlichen Botschaft bezeichneten Zwecken nicht gefehlt hat, daß sie demgemäß in einem erheblichen Umfange vorhanden sind; er kann daher die von

verschiedenen Seiten, insbesondere vom Reichstage gestellten und zum Beschluß erhobenen Anträge nicht als genügende Begründung

102 der Absicht anerkennen, paritätische Arbeitskammern zu errichten, Organe, die einen tiefgehenden und, wie weiterhin gezeigt werden wird, dem Gemeinwohl nicht förderlichen Einfluß auf die Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ausüben würden. Ohne gegen die Parität,

die in verschiedenen, im Interesse

der Arbeiter errichteten Institutionen, wie beispielsweise bei den Gewerbegerichten, bereits eingeführt ist, prinzipiell Stellung zu nehmen, ist der Centralverband doch der Ansicht, daß die in dem vorliegenden Gesetzentwurf geplanten Arbeitskammern nicht geeignete Organe zur befriedigenden Erfüllung und Erreichung der ihnen zugewiesenen umfangreichen und weitgesteckten Ziele sein werden.

vielseitigen Aufgaben und sehr

Insbesondere ist der Centraloerband zu der festen Ueberzeugung gelangt, daß die an die Spitze gestellte bedeutungsvollste, den hauptsächlichsten Zweck und Kern der Vorlage umfassende Aufgabe, den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen und ein gedeih­ liches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeit­ nehmern zu fördern, von den Arbeitskammern nicht erfüllt werden wird und nicht erfüllt werden kann. Denn der Central­ verband glaubt unbedingt annehmen zu müssen, daß, möge das vorgeschlagene Verfahren zur Wahl der Arbcitervcrtreter oder

irgend ein anderer Wahlmodus zur Anwendung gelangen, die Mehrzahl der Gewählten unter dem bedingungslosen Einfluß solcher

gewerkschaftlichen Organisationen stehen wird, die unter dem Deck­ mantel, das Wohl der Arbeiter zu fördern, politische Machtstellung anstreben. Daher ist der Centralverband zu der weiteren Ueberzeugung gelangt, daß die Erörterungen und Verhandlungen in den pari­

tätischen Arbeitskammcrn zum Gegenteile, das ist zur Förderung des wirtschaftlichen Unfriedens und zur Verschlechterung des Ver­ hältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen werden.

Der Centralverband muß aber auch

die als maßgebend für

die im Reichstag gestellten und zum Beschluß erhobenen Anträge und für die Ausarbeitung und Einbringung dieses Gesetzentwurfes

anzusehende Berufung auf den Kaiserlichen Erlaß vom 4.Februar 1890 als unzeitgemäß und daher als unzutreffend bezeichnen, da in den 18 inzwischen verlaufenen Jahren die Arbeiterverhältnisse fast überall und in den wesentlichsten Beziehungen eine durchaus andere, mit dem Inhalt und den Absichten des Erlasses nicht mehr übereinstimmende

Gestaltung angenommen haben.

103 Ohne jetzt schon aus die Einzelheiten des Gesetzentwurfes weiter einzugehen, da doch in der eventuellen weiteren Behandlung durch

die zuständigen Stellen wesentliche Aenderungen vorgenommen werden dürften, beschließt die Versammlung der Delegierten des Central­ verbandes,

das Direktorium zu beauftragen, sich mit der Bitte an die Verbündeten Regierungen zu wenden, dem im Hohen Bundesrat zur Vorlage gelangten Ent­ wurf eines Gesetzes über Arbeitskammern die Zu­ stimmung zu versagen

und

ihn

nicht weiter zu ver­

folgen.

„Der Zcntralverband Deutscher Industrieller erkennt an, daß die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem Reichstage vor­ gelegt worden ist, in verschiedenen ihrer Bestimmungen Besserungen des bestehenden Zustandes bringt. Vor allem ist der Central­ verband Deutscher Industrieller mit der Abschaffung der Lohn­ zahlungsbücher einverstanden. Eine Reihe anderer Vorschriften, so die Einführung der Lohnbücher, die monatliche Gehalts­ zahlung an die Betriebsbcamten, die Bestimmung, daß die Abwesenheit vom Dienste infolge militärischer Uebungen kein Entlassungsgrund sei, geben uns überhaupt nicht, oder doch nur

in Einzelheiten Anlaß zu Bedenken. verband Deutscher Industrieller Einspruch erheben: 1.

in

Dagegen muß der Central­ folgenden Punkten

ernsten

Gegen die zu weitgehenden Vorschriften hinsichtlich der Kon­ kurrenzklausel der Angestellten. Es ist dringend notwendig, die Möglichkeit zu beseitigen, daß der Angestellte durch Zahlung der Konventionalstrafe sich seiner Verpflichtungen entledigt. Vielmehr ist der Anspruch auf Erfüllung oder Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens auch fernerhin im Gesetz

zuzulassen. Ferner ist die Vorschrift, daß bei nicht durch be­ sondere Vorgänge begründeter Auflösung des Dienstverhält­ nisses durch den Arbeitgeber die Verpflichtungen aus der Konkurrenzklausel wegfallen,

auszumerzen.

Die erweiterte

Geltung der Konkurrenzklausel muß bereits Angestellten mit einem Einkommen von 5000 Mark an auferlegt werden

können.

104

2.

Die Ausdehnung des Fortbildungsschulzwanges auf weibliche Arbeiter bis zu 18 Jahren geht über das Bedürfnis hinaus und schädigt die Interessen der Industrie. Eine Herabsetzung der Schulpflicht bis zum Lebensalter von

16 Jahren muß verlangt werden. Ferner ist es notwendig, bei der Regelung der Schulzeit für den Fortbildungsschul­ unterricht darauf Rücksicht zu nehmen, daß die jugendlichen Arbeiterinnen in zahlreichen Industrien, insbesondere in der Textilindustrie, für den geordneten Fabrikationsbetrieb unum­ gänglich erforderlich sind. 3.

Die Bedenken gegen die gesetzliche Einführung des Zehn­ stundenarbeitstages für Arbeiterinnen bestehen im Centralverband unverändert fort. Soll die gesetzliche Regelung nun doch durchgeführt werden, so wird dem einzelnen Werke die Möglichkeit zu geben sein, je nach seinen Betriebsbedürf­ nissen den zehnstündigen Arbeitstag oder die sechzigstündige Arbeitswoche zu wählen. Die gewährten Ausnahmen sind für die Bedürfnisse der Saison- und Ausfuhrindustrien zu gering; insbesondere ist, wie bisher, die Möglichkeit zu geben, mit Zustimmung der höheren Berwaltungsbehörde Ausnahme­ tage nach dem tatsächlichen dringenden Bedürfnisse zu erhalten. Die Uebergangszeit bis zum 1. Januar 1910 ist zu kurz, sie muß mindestens bis zum 1. Januar 1912 verlängert werden. Dringend erwünscht ist es auch, daß nach Durchführung des zehnstündigen Maximalarbeitstages für Frauen eine ander­ weite Regelung der Arbeitspausen der Jugendlichen stattsindet.

4.

Der Versuch, den Arbeiterschutz auf die Hausindustrie aus­ zudehnen, wird an sich gebilligt; zahlreiche Einzelvorschristen bedürfen aber sehr sorgfältiger Prüfung, ob durch sie nicht

schwere Schädigungen gerade der Bedürftigsten herbeigeführt werden. Gegen die Vorschrift, daß int Verwaltungswege einzelne Hausindustrien verboten werden können, erheben wir lebhaften Einspruch; derartige tiefe Eingriffe in das Wirt­ schaftsleben dürfen nur im Wege der Gesetzgebung durchgeführt werden. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Beobachtung

der Schutzvorschriften bei den für ihn arbeitenden Hausarbeitern zu kontrollieren, ist vielfach undurchführbar, sie führt auch leicht zu unerquicklichen Gegensätzen zwischen beiden Parteien.

Die Aufsicht wird daher unseres Erachtens lediglich den Be­ hörden zu überweisen sein.

105 5.

Die Strafverschärfungen gegen die Industriellen, welche die Arbeiterschutzvorschriften verletzt haben, beruhen auf einem unverdienten und kränkenden Mißtrauen gegen die Industriellen, die im allgemeinen die gesetzlichen Vorschriften in loyaler

Weise zu erfüllen sich

bemühen.

Uebertretungen sind fast

immer Folge von Fahrlässigkeit. Wir halten daher die in Aussicht genommenen Verschärfungen nicht für erforderlich, zumal das schon jetzt gültige Gesetz dem Richter einen genügend

weiten Raum in der Strafbemessung gewährt.

tt.

Allgemein protestiert der Centralverband Deutscher Industrieller gegen die weitgehenden Vollmachten, die durch das Gesetz den unteren Verwaltungs- und Polizeibehörden zugeiviesen werden. Auch bei sachgemäßer Anwendung dieser Vorschriften, für die ohnehin nicht immer Gewähr gegeben ist, würde eine höchst unerwünschte Verschiedenheit der Bedin­ gungen, unter denen die einzelnen Betriebe arbeiten können, entstehen. Der Centralverband beantragt, alle diese Voll­ machten lediglich dem Bundesrat und den Landeszentral­ behörden zu gewähren sowie diesen Instanzen die vorherige Anhörung der Interessenten zur Pflicht 311 machen.

107 —

Entwurf eines Gesetzes über Hrbeitskammern. ?sit Dir. 30 des „Deutschen Reichs- und Preußischen Staats« anzcigers" vom 4. Februar d. I. ist der Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern veröffentlicht worden, welcher zunächst den verbündeten Regierungen zur Begutachtung unterbreitet ivorden ist und im Bundes­ rat zur Beratung gelangt. Der Centralverband Deutscher Industrieller hat in seiner am 13. März d. I. abgehaltenen Ausschußsitzung und Versammlung der Delegierten zu diesem Entwurf Stellung genommen. Im nachstehenden bringen wir daher den Wortlaut dieses Ent­

wurfs nebst Begründung zum Abdruck für unsere Mitglieder. Wir Wilhelm, von Gottes König von Preußen ?c.

Gnaden

Deutscher

Kaiser,

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

des

I. Errichtung, Aufgaben und Zusammensetzung der Arbeitskammern. § 1. Für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines oder mehrerer Gewerbezweige sind in Anlehnung an die Einteilung und die Bezirke

der gewerblichen Berufsgenossenschaften Arbeitskammcrn Die Arbeitskammern sind rechtsfähig.

zu errichten.

§ 2. Die Arbeitskammern sind berufen, den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen. Sie sollen die gemeinsamen gewerblichen und wirtschaft­ lichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer der in ihnen

vertretenen Gewerbezweige sonne die auf dem gleichen Gebiete liegenden

besonderen Interessen der beteiligten Arbeitnehmer wahrnehmen.

1(>8

§ 3Insonderheit gehört zu den Aufgaben der Arbeitskammern 1. ein gedeihliches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeit­ nehmern zu fördern; 2. die Staats- und Gemeindebehörden in der Förderung der im § 2 bezeichneten Interessen durch tatsächliche Mitteilungen und

Erstattung von Gutachten zu unterstützen. Sie sind befugt, Erhebungen über die gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der in ihnen vertretenen Gewerbezweige in ihrem Bezirke zu veranstalten und bei solchen mitzuwirken. Auf Ansuchen der Staats- und Gemeindebehörden

haben sie Gutachten zu erstatten über a) den Erlaß von Vorschriften gemäß §§ 105d, 105e, Abs. 1, §§ 120e, 139a, 154 Abs. 4 der Gewerbeordnung, b) die in ihrem Bezirke für die Auslegung von Verträgen und für die Erfüllung von Verbindlichkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehende Verkehrssitte; 3. Wünsche und Anträge, die ihre Angelegenheiten (§ 2) berühren, zu beraten; 4. Veranstaltungen und Maßnahmen, welche die Hebung der wirtschaftlichen Lage und der allgemeinen Wohlfahrt der Arbeitnehmer

zum Zwecke haben, anzuregen und auf Antrag der Vertreter der hierfür­ getroffenen Einrichtungen an deren Verwaltung mitzuwirken.

§ 4. Die Arbeitskammern sind befugt, innerhalb ihres Wirkungskreises (§§ 2, 3) Anträge an Behörden, an Vertretungen von Kommunal­ verbänden und an die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten oder des Reichs zu richten. § 5Angelegenheiten, die lediglich die Verhältnisse einzelner Betriebe betreffen, dürfen, vorbehaltlich der Bestimmungen im § 6, nicht in den

Bereich der Tätigkeit der Arbeitskammern einbezogen werden. § 6. Die Arbeitskammern können bei Streitigkeiten zwischen Arbeit­ gebern und Arbeitnehniern der in ihnen vertretenen Gewerbezweige über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des

Arbeitsverhältniffes als Einigungsamt angerufen werden, wenn es an einem hierfür zuständigen Gewerbegericht fehlt oder die beteiligten Arbeitnehmer in den Bezirken mehrerer Gewerbegerichte beschäftigt sind, oder wenn die Einigungsoerhandlungen bei dem zuständigen Gewerbegericht erfolglos verlaufen sind.

109 Auf das Verfahren finden die Bestimmungen der §§ 63 bis 73 des Gewerbegerichtsgesetzes vom 30. Juni 1901 (Reichsgesetzbl. S. 353) entsprechende Anwendung. Zuständig ist diejenige Arbeitskammer, in deren Bezirke die be­

teiligten Arbeitnehmer beschäftigt sind; sofern die beteiligten Arbeit­ nehmer in den Bezirken mehrerer Arbeitskammern beschäftigt sind, ist

diejenige Arbeitskammer zuständig,

welche zuerst als

Einigungsamt

angerufen worden ist. § 7. Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten die gewerb­ lichen Arbeiter (Titel VII der Gewerbeordnung) einschließlich derjenigen Personen, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der Arbeits­

stätten der letzteren mit der Anfertigung gewerblicher Erzeugnisse be­ schäftigt sind, und zwar auch dann, wenn sie die Roh- und Hilfsstoffe selbst beschaffen. Als Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes gelten die Unternehmer solcher Betriebe, welche als gewerbliche im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen sind, sofern sie mindestens einen Arbeitnehmer (Abs. 1) regelmäßig das Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigen; dabei stehen den Unternehmern ihre gesetzlichen Vertreter und die bevollmächtigten Leiter ihrer Betriebe gleich. Ausgenomnen bleiben die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in Apotheken, Handelsgeschäften und solchen gewerblichen Unternehmungen,

welche den Organisationen des Handwerks (Titel VI der Gewerbe­ ordnung) angehören und die Unternehmer solcher Betriebe. § 8. Die Errichtung der Arbeitskammern erfolgt

Bundesrats.

durch Beschluß des

In dem Beschlusse sind die Gewerbezweige, für welche

die Arbeitskammern errichtet werden, sowie Bezirk, Namen und Sitz der Arbeitskammern zu bestimmen. Dabei kann die Bildung von Abteilungen für Gewerbegruppen oder Gewerbezweige angeordnet werden. In gleicher Weise können Abänderungen vorgenommen werden. § 9. Für jede Arbeitskammer sind ein Vorsitzender und mindestens ein Stellvertreter sowie die erforderliche Zahl von Mitgliedern zu berufen. Für die Mitglieder sind Ersatzmänner zu bestellen, welche in Behindemngsfällen und im Falle des Ausscheidens für den Rest der Wahlperiode in der Reihenfolge der Wahl für die Mitglieder ein­ zutreten haben. Der Vorsitzende und seine Stellvertreter dürfen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer sein. Sie werden von der Aufsichts­ behörde (§ 26) ernannt und führen den Vorsitz auch in den Abteilungen.

110 Bestehen mehrere Arbeitskammern an einem Orte, so sind in der Regel der Vorsitzende und seine Stellvertreter für die Kammern ge­ meinsam zu bestellen, auch gemeinsame Einrichtungen für den Bureau­ dienst, die Sitzungs- und Bureauräumlichkeiten und dergleichen zu

treffen. § io. Die Mitglieder der Arbeitskammern und der Abteilungen sowie ihre Ersatzmänner müssen zur Hälfte aus den Arbeitgebern, zur Hälfte aus den Arbeitnehmern entnommen werden.

Die Vertreter der Arbeitgeber werden mittels Wahl der Arbeit­ geber, die Vertreter der Arbeitnehmer mittels Wahl der Arbeitnehmer bestellt. Die Zahl der Mitglieder der Arbeitskammern und der Abteilungen sowie die Zahl der Ersatzmänner wird durch Verfügung der Aufsichts­ behörde bestimmt. Die Mitglieder und die Ersatzmänner erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt haben, Vergütung etwaiger Reisekosten und eine Entschädigung für Zeitoersäumnis. Die Höhe der letzteren ist durch die Geschäftsordnung festzusetzen.

II. Wahlberechtigung und Wählbarkeit.

§ 11Die Vertreter der Arbeitgeber werden von den Vorständen der­ jenigen gewerblichen Berufsgenossenschaften gewählt, bei welchen die in der Arbeitskammer vertretenen versicherungspflichtigen Personen versichert sind. Sofern die Berufsgenossenschaften in Sektionen ein­ geteilt sind, treten die in dem Bezirke der Arbeitskammer bestehenden Sektionsoorstände an die Stelle der Genossenschaftsvorstände.

Die Wahlberechtigung der einzelnen Wahlkörper wird für jede Arbeitskammer durch Verfügung der Aufsichtsbehörde bestimmt. In gleicher Weise ist erforderlichenfalls das Stimmenverhältnis unter Berücksichtigung der Zahl der bei den einzelnen Wahlkörpern im Bezirke der Arbeitskammer versicherten Personen festzusetzen.

§ 12. Die Vertreter der Arbeitnehmer werden, und zwar je für die Hälfte der zu Wählenden, in gesonderter Wahlhandlung gewählt von 1. den Mitgliedern der ständigen Arbeiterausschüsse (§ 134h der Gewerbeordnung) derjenigen im Bezirke der Arbeitskammer belegenen gewerblichen Unternehmungen, welche den in den Arbeitskammern ver­

tretenen Gewerbeziveigen angehören. Wahlberechtigt sind nur die von den Arbeitnehmern aus ihrer Mitte gewählten Mitglieder der Aus-

111 schüsse. Umfaßt eine gewerbliche Unternehmung wesentliche Bestand­ teile verschiedenartiger Gewerbezweige, so wird sie demjenigen Ge­ werbezweige zugerechnet, welchem der Hauptbetrieb angehört.

Welche

Arbeiterausschüsse hiernach an der Wahl beteiligt sind, wird für jede Arbeitskammer durch Verfügung der Aufsichtsbehörde bestimmt;

2. denjenigen Vertretern der Arbeitnehmer, welche gemäß § 114

des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 (Reichsgesetzbl. S. 585) zur Beratung und Beschlußfassung über Unfall­ verhütungsvorschriften und zur Begutachtung der nach § 120 e Abs. 2

der Gewerbeordnung zu erlassenden Vorschriften gewählt sind; die Wahlberechtigung bestimmt sich nach den gemäß § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 für die Wahlen der Arbeitgeberoertreter getroffenen Festsetzungen. Die nach Abs. 1 Wahlberechiigtcn haben jeder eine Stimme. Ist die Zahl der zu Wählenden nicht durch zwei teilbar, so ist der Uebrigbleibetide von den Mitgliedern der Arbeiterausschüsse (Ziffer 1) zu wählen. Sind in dem Bezirk einer Arbeitskammer Wahlberechtigte gemäß Ziffer 1 nicht vorhanden, so sind die sämtlichen Wahlen von den gemäß Ziffer 2 Wahlberechtigten zu vollziehen.

§ 13. Wählbar sind Deutsche, welche 1. das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben; 2. im Bezirke der Arbeitskammer tätig sind; 3. seit mindestens einem Jahre denjenigen Gewerbezweigen oder denjenigen Gewerbegruppen als Arbeitgeber oder Arbeitnehnier an ge­ hören, für welche die Arbeitskammer oder die Abteilungen er­ richtet sind; 4. in dem der Wahl voraufgegangcnen Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützuug aus öffentlichen Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Unterstützung erstattet haben. Nicht wählbar ist, wer gemäß § 32 des Gerichtsverfassungs­ gesetzes zum Amte eines Schöffen unfähig ist.

III. Wahlverfahren und Dauer der Wahlperiode. § 14. Die Wahlen erfolgen unter Leitung des Vorsitzenden der Arbeite -

kammer in getrennter Wahlhandlung. Sie werden mittels schriftlicher Abstimmung nach relativer Mehrheit der Stimmen vorgenommen; bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Ueber die Feststellung des Wahl­

ergebnisses ist eine Niederschrift aufzunehmen. Das Ergebnis der Wahl

112

ist öffentlich bekannt zu machen.

Die näheren Bestimmungen über die

Wahl und das Verfahren werden durch den Bundesrat getroffen. Eine Regelung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl derart, daß neben

den Mehrheitsgruppen auch die Minderheitsgruppen entsprechend ihrer Zahl vertreten sind, ist zulässig. Hierbei kann die Stimmenabgabe auf Vorschlagslisten beschränkt werden, die bis zu einem näher zu be­ stimmenden Zeitpunkt vor der Wahl einzureichen sind. Gegen die Rechtsgültigkeit der Wahlen können innerhalb zweier Wochen nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses Einsprüche von

den Wahlberechtigten bei dem Vorsitzenden der Arbeitskammer ein­ gebracht werden. Gegen seine Entscheidung findet innerhalb zweier Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde statt. Diese entscheidet endgültig. § 15. Die Mitglieder der Arbeitskammer und die Ersatzmänner werden auf sechs Jahre gewählt. Scheiden ein Mitglied und seine sämtlichen Ersatzmänner im Laufe der Wahlperiode aus, so sind von dem Vor­ sitzenden der Arbeitskammer Ersatzwahlen für den Rest der Wahl­ periode anzuordncn. Die Wahlen werden von denjenigen Wahlkörpern (§ 11) oder derjenigen Gruppe der Wahlberechtigten (§ 12 Abs. 1) vorgenommen, welche die Ausgeschiedenen gewählt haben. Die über das Stimmenverhältnis getroffenen Festsetzungen bleiben auch für die Ersatzwahlen in Kraft. § 16. Mitglieder, hinsichtlich deren Umstände eintreten oder bekannt werden, welche die Wählbarkeit ausschließen, haben aus der Arbeits­ kammer auszuscheiden. Im Falle der Weigerung erfolgt die Ent­ hebung des Beteiligten durch Beschluß der Arbeitskammer, nachdem ihm Gelegenheit zur Aeußerung gegeben ist. Gegen den Beschluß ist innerhalb zweier Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zulässig. Diese entscheidet endgültig.

IV. Kostenaufwand. § 17. Die aus der Errichtung und Tätigkeit der Arbeitskammern er­ wachsenden Kosten werden von den gemäß § 11 wahlberechtigten

Wahlkörpern im Verhältnisse der gemäß § 11 Abs. 2 festgesetzten Stimmenzahl getragen. Dem Vorsitzenden der Arbeitskammer und seinen Stellvertretern darf eine Vergütung von der Kammer nicht ge­ währt werden. Die Verteilung Arbeitskammer.

der Kosten erfolgt durch den Vorsitzenden der Gegen die Verteilung findet dir Beschwerde an die

113

Die durch

die

Errichtung der Arbeitskammern erwachsenden Kosten sind von Aufsichtsbehörde vorzuschießen.

der

Aufsichtsbehörde statt.

Diese

entscheidet

endgültig.

§ 18. Die Arbeitskammer hat über den zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Kostenaufwand alljährlich einen Haushaltsplan auf­

zustellen. Der Haushaltsplan bedarf der Genehmigung der Aufsichts­ behörde. Vor der Genehmigung ist den gemäß § 17 zur Tragung

der Kosten Verpflichteten Gelegenheit zu einer Aeußerung zu geben. Die vorstehenden Vorschriften gelten auch für Beschlüsse, deren Aus­ führung solche Aufwendungen erforderlich machen, welche im Haus­ haltspläne nicht vorgesehen sind. Die Jahresrechnungen sind der Aufsichtsbehörde einzureichen.

V. Geschäftsführung. § 19. Die laufende Verwaltung und Führung der Geschäfte der Arbeitskammern sowie die Vertretung der Arbeitskammern liegt dem Vorsitzenden ob. Die Sitzungen werden von dem Vorsitzenden oder seinem Stell­ vertreter anberaumt. An den Sitzungen nimmt der Vorsitzende oder sein Stellvertreter mit vollem Stimmrecht teil. Auf den Antrag von zwei Dritteln der Mitglieder muß die Einberufung einer Sitzung der Arbeitskammer oder der Abteilung erfolgen.

§ 20. Die Vertreter der Arbeitnehmer haben in jedem Falle, in welchem sie zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten berufen werden, die Arbeitgeber hiervon in Kenntnis zu setzen. Die Nichtleistung der Arbeit während der Zeit, in welcher die bezeichneten Personen durch die Wahrnehmung jener Obliegenheiten an der Arbeit verhindert sind, berechtigt den Arbeitgeber nicht, das Arbeitsverhältnis vor dem Ab­

laufe der vertragsmäßigen Dauer aufzuheben. § 21. Die Arbeitskammer ist berechtigt, aus ihrer Mitte Ausschüsse zu bilden und mit besonderen regelmäßigen oder vorübergehenden Auf­

gaben zu betrauen.

Der Beschlußfassung

§ 22. der Gesamtheit der Arbeitskammer bleibt

vorbehalten: Heft 108.

8

114 1. die Wahl der Ausschüsse; 2. die Feststellung des Haushaltsplans, die Prüfung und Ab­ nahme der JahreSrechnung und die Beschlußfassung über Ausgaben,

die im Haushaltspläne nicht vorgesehen sind; 3. die Abgabe von Gutachten gemäß § 3 Ziffer 2 und die Ein­

bringung von Anträgen gemäß § 4; 4. die Beschlußfassung gemäß § 16. § 23. Die Sitzungen der Arbeitskammern und der Abteilungen sind öffentlich. Ausgenommen von der öffentlichen Verhandlung sind die­

jenigen Gegenstände, welche von dem Vorsitzenden als zur öffentlichen Beratung nicht geeignet befunden oder welche bei Erteilung von Auf­ trägen von den Behörden als für die Oeffentlichkeit nicht geeignet bezeichnet werden. Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden, wodurch ein Gegenstand von der öffentlichen Verhandlung ausgeschlossen wird, steht den Mitgliedern der Kammer die Beschwerde an die Aufsichts­ behörde zu. Diese entscheidet endgültig. Zu den Sitzungen kann die Aufsichtsbehörde einen Vertreter entsenden, der auf sein Verlangen jederzeit gehört werden muß.

§ 24. Die Beschlüsse werden durch Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist die Ladung aller Mitglieder unter Mit­ teilung der Beratungsgegenstände und die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der zurzeit der Kammer oder der Abteilung angehörenden Mitglieder erforderlich. Bei der Beschlußfassung müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl mitwirken. Sind auf der einen Seite weniger Vertreter erschienen als auf der andern, so scheidet auf dieser Seite die erforderliche Zahl von Mitgliedern mit dem an Lebens­ alter nach jüngsten beginnend aus. Ueber jede Beratung ist eine

Niederschrift aufzunehmen. Beschlüsse, welche die Befugnisse der Arbeitskammern überschreiten oder gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen, sind vom Vorsitzenden unter Angabe der Gründe mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Die Anfechtung erfolgt mittels Beschwerde an die Aufsichtsbehörde.

Diese entscheidet endgültig.

Nehmen bei Erstattung eines Gutachtens gemäß § 3 Ziffer 2 oder bei Beratung eines Antrags gemäß § 4 sämtliche Arbeitgeber einerseits und sämtliche Arbeitnehmer anderseits einen entgegengesetzten Standpunkt ein, so findet eine Beschlußfassung nicht statt.

115 § 25. Die näheren Bestimmungen über die Geschäftsführung werden

der Arbeitskamnier in einer von der Aufsichtsbehörde zu genehmigenden Geschäftsordnung getroffen. Die Geschäftsordnung muß Bestimmmigen enthalten über: 1. die Form für die Zusammenberufung der Arbeitskamnier; 2. die Beurkundung ihrer Beschlüsse; 3. die Ausstellung und Genehmigung des Haushaltsplans; 4. die Aufstellung und Abnahme der Jahresrechnung; 5. die Voraussetzungen und die Form einer Abänderung der Geschäftsordnung; 6. die öffentlichen Blätter, durch welche die Bekanntmachungen der Arbeitskamnier zu erfolgen haben.

VI. Beaufsichtigung. § 26. Die Arbeitskammern unterliegen, sofern nicht von der Landes­ zentralbehörde eine anderweite Bestimmung getroffen wird, der Auf­ sicht derjenigen höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke sie ihren Sitz haben. Erstreckt sich der Bezirk einer Arbeitskammer über mehrere Bundesstaaten, so wird die Aufsichtsbehörde vom Bundesrate bestimmt. Wenn die Arbeitskammer wiederholter Aufforderung der Auf­ sichtsbehörde ungeachtet die Erfüllung ihrer Aufgaben vernachlässigt

oder sich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder andere als die gesetzlich zulässigen Zwecke verfolgt, so kann die Aufsichtsbehörde sie auflösen und Neuwahlen anordnen. Während der Zwischenzeit werden die Geschäfte von dem Vorsitzenden der Arbeitskammer geführt. § 27. Welche Behörde in jedem Bundesstaat unter der Bezeichnung

„Höhere Verwaltungsbehörde" zu verstehen ist, wird von der Zentral­ behörde des Bundesstaats bekannt gemacht.

VII. Schluhbestimmunge«. § 28. Auf Betriebe, die unter der Heeres- oder Marineverwaltung stehen, finden die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung. § 29. Auf die Arbeitgeber in Bergwerken, Salinen, Ausbereitungs­ anstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben und die

von ihnen

beschäftigten Arbeitnehmer finden

die Bestimmungen

§§ 1 bis 27 mit folgenden Maßgaben Anwendung:

der

116 1. Die im § 3 Ziffer 2 bezeichnete Obliegenheit erstreckt sich auch

auf die Erstattung von Gutachten über den Erlaß von Bergpolizei­

verordnungen, die den Schutz des Lebens oder der Gesundheit der Arbeiter und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebs bezwecken. 2. Inwieweit den Arbeitgebern ihre gesetzlichen Vertreter und die

bevollmächtigten Leiter von Betrieben gleichstehen, wird durch An­ ordnung der Landes-Zentralbehörde bestimmt. § 30. Sofern für einen Gewerbezweig eine gewerbliche Berufsgenossen­ schaft nicht errichtet ist, finden die §§ 2 bis 10, 13 bis 16, § 17

Abs. 2 bis § 27 entsprechende Anwendung. Hinsichtlich der Wahl­ berechtigung (§§ 11, 12) und der Aufbringung der Kosten (§ 17

Absatz 1) erläßt der Bundesrat die erforderlichen Vorschriften. § 31. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem in Kraft. Urkundlich usw. Gegeben usw.

Kegriindimg. Der Kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 hat für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesetzliche Be­ stimmungen über die Formen in Aussicht genommen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten beteiligt und zur Wahrnehmung' ihrer

Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und den Behörden befähigt werden sollen. Wenn es schon bisher an Einrichtungen zu diesem Zweck nicht gefehlt hat, so sind doch von verschiedenen Seiten, insbesondere auch im Reichstage, Anträge auf die Errichtung besonderer Vertretungen gestellt und zum Beschluß erhoben worden. Durch den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über Arbeits­ kammern soll diesen Wünschen Rechnung getragen werden. Im all­ gemeinen ist hierbei von folgenden grundsätzlichen Erwägungen aus­

gegangen worden. Nachdem den Gehilfen im Handwerk durch die Errichtung des Gesellenausschusses (§ 1031 der Gewerbeordnung) mit den im § 103k a. st. O. aufgeführten Befugnissen eine ausreichende Vertretung gegeben ist, waren in erster Linie die übrigen gewerblichen Arbeiter im Sinne des Titels VII der Gewerbeordnung zu berücksichtigen. Dabei müssen

117 jedoch die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in Handelsgeschäften und

in Apotheken ausscheiden. Für die Angestellten in Apotheken ist bisher ein Bedürfnis für die Errichtung gemeinsamer Vertretungen nicht zutage getreten, und bei den Handlungsgehilfen kommen nach der Art der zu

wahrenden Interessen und auch nach den Wünschen der Beteiligten vornehmlich Einrichtungen zur Erörterung allgemeiner Standesfragen in Betracht, die in Kammern für die Gesamtheit der gewerblichen Arbeiter nicht zutreffend gewürdigt werden können. Hinsichtlich dieser Gruppen von Angestellten ist demnach ein besonderes Vorgehen in

Aussicht genommen. Das gleiche gilt auch von den Betriebsbeamten, Werkmeistern, Technikern (Titel VII Abschnitt III b a. a. O.). Hin­

sichtlich dieser Angestellten erschien es gleichwohl nicht angezeigt, sie von der Geltung dieses Gesetzes auszunehmen, da die Tätigkeit der Arbeitskammern auch ihre Verhältnisse beeinflussen wird. Als Arbeitnehmer kommen demnach mit den obigen Einschränkungen die als gewerbliche Arbeiter im Sinne des Titels VII der Gewerbe­ ordnung anzusehenden Personen in Betracht. Hierzu sollen auch solche Personen gerechnet werden, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der Jkbeitsstätten der letzteren mit der Anse, tigung gewerb­ licher Erzeugnisse beschäftigt sind, und zwar auch dann, wenn sie die Roh- und Hilfsstoffe selbst beschaffen. Als Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes sollen, abgesehen von den Inhabern von Handels­ geschäften, Apotheken und solchen Betrieben, welche den Organisationen des Handwerks angehören, die Unternehmer solcher Betriebe gelten, welche als gewerbliche im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen sind, sofern sie mindestens eine als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes zu betrachtende Person regelmäßig das Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigen; dabei werden den Unternehmern nach

dem Vorgänge des § 12 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, vom 30. Juni 1900 ihre gesetzlichen Vertreter und die bevollmächtigten Leiter ihrer Betriebe gleichzustellen sein. Was die Reichs- und Staatsbetriebe betrifft, so sollen die Be­ stimmungen des Entwurfs auf die staatlichen Bergbau-, Hütten- und Salinenbetriebe Anwendung finden. Die Betriebe der Heeres- und Marineverwaltung waren nach dem Vorgänge des § 81 des Gewerbe­ gerichtsgesetzes ausdrücklich von der Geltung des Gesetzes auszunehmen.

Für die Eisenbahnen ordnung in Betracht.

kommt die Bestimmung im § 6 der Gewerbe­ Im übrigen ist die Entscheidung der Frage,

ob es sich bei Reichs- und Staatsbetrieben um gewerbliche Betriebe im Sinne der Gewerbeordnung handelt, nach den im allgemeinen hierfür in Betracht kommenden Grundsätzen zu treffen.

118 Für die Gestaltung der Arbeitskammern mußte ihre grundlegende

Zweckbestimmung maßgebend sein, wonach sie zur Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen sollen. Danach

war zunächst von

der Errichtung einseitiger Arbeiter­

vertretungen abzusehen. Nur auf dem Wege gemeinsamer Ver­ tretungen kann es gelingen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in engere Fühlung zu bringen, und nur bei einer gemeinsamen Tätigkeit ist die

Möglichkeit gegeben, daß der eine Teil die Ansichten des andern Teils kennen und sie auch von seinem Standpunkt aus verstehen und würdigen lernt. Damit ist aber eine wesentliche Vorbedingung zur Milderung und Ausgleichung der bestehenden Gegensätze geschaffen. Hierfür mußte also in erster Linie Sorge getragen und die Einrichtung von Ver­ tretungen vorgesehen werden, die aus einer gleichen Zahl von Arbeit­ gebern und Arbeitnehmern zusammengesetzt sind. Dementsprechend war der Wirkungskreis der Kammern dahin zu bestimmen, daß sie den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen und die gemeinsamen gewerblichen

und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie die auf dem gleichen Gebiete liegenden besonderen Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen haben. Für die Gliederung der Arbeitskammern kam zunächst in Frage, ob nach örtlichen Bezirken Kammern zu errichten sind, die alle Ge­ werbezweige umfassen, oder ob eine sachliche Gliederung den Vorzug verdient. Der Entwurf hat sich für die letztere Regelung entschieden. Wenn eine lebenskräftige Organisation geschaffen werden soll, so muß dafür gesorgt werden, daß sie sich praktischer Arbeit widmet und mit ihren Beratungen und Beschlüssen auf tatsächlichen, ihren Mitgliedern aus eigener Erfahrung vertrauten Verhältnissen fußt. In der gleichen Weise hat sich bisher schon überwiegend die freiwillige Bildung von Organisationen der Arbeiter zur Vertretung

ihrer Interessen vollzogen. Auch wenn man die einzelnen Obliegenheiten, die den Arbeits­ kammern zugewiesen werden können, ins Auge faßt, so ergeben sich

mannigfache Vorzüge der fachlichen Gliederung. Bei den Beratungen der Arbeitskammern werden vielfach die besonderen Verhältnisse in einem bestimmten Gewerbezweige von entscheidender Bedeutung sein.

Es muß deshalb dahin gestrebt werden, daß in dieser Hinsicht die erforderliche Sachkunde in jeder Arbeitskammer vorhanden ist. Ferner

darf in fachlich gegliederten Arbeitskammern am ehesten die gerechte Würdigung der verschiedenen Standpunkte, sowie eine verständnisvolle Förderung der beruflichen Interessen, welche Arbeitgeber und Arbeit­ nehmer auf gewerblichem und wirtschaftlichem Gebiete miteinander

119

Auch werden die Staats- und Gemeinde­ behörden für die Lösung ihrer auf gewerblichem und wirtschaftlichem verbinden, erwartet werden.

Gebiete liegenden Aufgaben sachverständige Unterstützung in den Arbeitskammern um so besser finden, je mehr deren Mitglieder auf den jeweilig in Betracht kommenden Gebieten sachkundig sind.

Auch

im staatlichen Interesse ist daher auf die Einrichtung fachlicher Arbeits­ kammern Wert zu legen. Der Gliederung der Arbeitskammern nach Gewerbezweigen müssen das Wahlrecht und die Bedingungen der Wählbarkeit entsprechen.

Hier bietet sich der Vorteil, daß die auf dem Gebiete der Unfall­ versicherung bestehende Organisation der gewerblichen Berufsgenossen­ schaften benutzt werden kann. Diese Organisation umfaßt im wesent­ lichen das gesamte deutsche Gewerbe, soweit die einzelnen Betriebe eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigen. Sie hat sich auf den mannigfachen ihr zugewiesenen Gebieten der Förderung des Wohles der Arbeiter vorzüglich bewährt, und es darf von dem in ihr be­ tätigten opferfreudigen Gemeinsinne der Unternehmer erwartet werden, daß sie zum Besten des Gewerbezweigs und seiner Arbeiter auch bereit sein werden, die verhältnismäßig nicht bedeutenden Kosten der Arbeitskammern zu tragen. lichen,

Im übrigen sind die Bestimmungen des Entwurfs im wesent­ insbesondere hinsichtlich der Vorschriften über die Geschäfts­

führung und Beaufsichtigung, im Anschluß an die Vorschriften der Novelle zur Gewerbeordnung vom 26. Juli 1897 (Reichsgesetzbl. S. 663) über die Handwerkskammern ausgestellt, einzelne Bestimmungen sind auch gewissen Vorschriften des Gewerbe- und Kaufmannsgerichts­

gesetzes sowie der Arbeiteroersicherungsgesetze nachgebildet. Im einzelnen ist zu dem Entivurfe folgendes zu bemerken:

Unter I. Aufgaben, Errichtung und Zusammensetzung der

Arbeitskammern

sind im § 1 die Grundsätze hinsichtlich der Errichtung und Zusammen­ setzung der Arbeitskammern ausgenommen. Daran schließen sich in den §§ 2 bis 6 die Vorschriften über ihre Aufgaben und Befugnisse; der § 7 gibt die Bestimmung wegen der in den Arbeitskammern ver­ tretenen Personen, während die §§ 8 bis 10 die Einzelheiten der Er­ richtung und Zusammensetzung der Kammern regeln. Ebenso wie die Handwerkskammern unter ihrem Namen Rechte

erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und ver­ klagt werden können, wird man auch den Arbeitskammern die gleiche

120

Stellung einräumen müssen. Im § 1 Abs. 2 ist daher die Bestimmung ausgenommen, daß die Arbeitskammern rechtsfähig sind Bei der gesetzlichen Festlegung des Gebiets, auf welchem die Arbeitskammern sich betätigen sollen, sind zwei Gesichtspunkte in erster Reihe maßgebend, nämlich einmal die Wahrnehmung und Geltend­ machung berechtigter Interessen der Arbeiter auf geiverblichem und

wirtschaftlichem Gebiet und sodann die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Beide Funk­ tionen dienen der Förderung des Gewerbes, sie bedingen und begrenzen sich wechselseitig. Wie die rechtzeitige Kenntnis und billige Berück­ sichtigung berechtigter Wünsche der Arbeiter die Arbeitgeber und, soweit erforderlich, in höherer Instanz die Organe der Obrigkeit und der Gesetzgebung in den Stand setzt, das Erreichbare zur Besserung der Arbeiteroerhältnisse zu verwirklichen und dadurch die Zufriedenheit der Arbeiter zu gewinnen, so sollen auf der andern Seite die Wünsche und Forderungen zu Gunsten der Arbeiter ihr Maß finden in der Rücksicht auf die gesamte wirtschaftliche Lage des Gewerbezweigs und die in gleich hohem Grade berechtigten Interessen der Arbeitgeber. Für eine Verständigung auf dieser Grundlage sollen die Verhandlungen der Arbeitskammern zunächst die Vorarbeiten leisten; in ihrem weiteren Verlaufe sollen sie tunlichst zum friedlichen Ausgleiche führen und, soweit ein solcher nicht gelingt, die Voraussetzung für eine gerechte Entscheidung schaffen. Die gemeinsamen Beratungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Arbeitskammer führen naturgemäß zu einer persönlichen Fühlung zwischen den Angehörigen beider Gruppen. Man darf der Hoffnung Raum geben, daß diese persönliche Annäherung nicht selten eine Ab­ schwächung bestehender Gegensätze ermöglichen wird. Eine unmittel­ bare Betätigung auf diesem Gebiete soll den Arbeitskammern dadurch ermöglicht werden, daß ihnen die Zuständigkeit als Einigungsamt für solche Fälle übertragen wird, in welchen es an einem zuständigen Gewerbegerichte fehlt, oder die beteiligten Arbeitnehmer in den Be­ zirken mehrerer Gewerbegerichte beschäftigt, oder die Einigungsverhand­ lungen bei dem zuständigen Gewerbegericht erfolglos verlaufen sind. Neben der Förderung des wirtschaftlichen Friedens und eines

gedeihlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern rennt der Entwurf, zugleich als Mittel zur Erreichung dieser Ziele, die Klarstellun r der geiverblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der in der Aibeitskammer vertretenen Gewerbezweige durch tatsächliche Mitteilungen und E stattuug von Gutachten an Staats- und Gemeinde­ behörden. Für mannigfache Fragen auf dem Gebiete der Gewerbe-

121

gesetzgebung wird es für die Behörden durchaus erwünscht sein, sich an eine gesetzlich geordnete Einrichtung wenden zu können, von welcher

sachverständiger Beirat der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aus dem betreffenden Gewerbezweig eingrholt werden kann. Dieses Verfahren bietet beträchtliche Vorteile im Vergleich zu dem bisher vielfach einge­

schlagenen Weg der Anhörung von einzelnen Auskunftspersonen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen, auf welchen« die gleiche Gewähr für eine erschöpfende Auskunft nicht immer gegeben war. Neben der auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu leistenden be­ gutachtenden Tätigkeit werden die Arbeitskammern insbesondere bei der Anwendung der auf gewerblichem Gebiete den Verwaltungsbehörden

durch das Gesetz verliehenen Vollmachten mitarbeiten können. Es handelt sich hier insbesondere um die Zulassung von Ausnahmen von der gesetzlich geregelten Sonntagsruhe (§§ 105 d, 105e der Gewerbe­ ordnung), um den Erlaß von Arbeiterschutzbestimmungen, sei es durch den Bundesrat, sei es durch Verordnungen der zuständigen Polizei­

behörden (§ 120 e a. a. O.), um das Verbot oder die Einschränkung einer Verwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Arbeitern für gewisse Fabrikationszweige, welche mit besonderer Gefahr für Ge­ sundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, ferner um die Bewilligung der durch Rücksichten auf die Natur des Betriebs gebotenen Aus­ nahmen von den gesetzlichen Schutzbestimmungen für weibliche und jugendliche Aibeiter (§ 139a a. a. O.), endlich um die Ausdehnung dieser gesetzlich für Fabriken geltenden Bestimmungen auf Werkstätten (§ 154 Abs. 4 a. a. O.). Für alle Maßnahmen dieser Art wird die

für den zu regelnden Gewerbezweig sachverständige Arbeitskammer der zuständigen Behörde nützliche Aufschlüsse zu geben in der Lage sein. Endlich sollen die Arbeitskammern insbesondere auch gehalten sein, auf Ansuchen der Gerichte und sonstiger Behörden Gutachten über

die in ihren Bezirken für die Auslegung von Verträgen und für die Erfüllung von Verbindlichkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit­

nehmern bestehende Verkehrssitte abzugeben. Um ihren Aufgaben, wie sie oben dargelegt sind, in gründlicher Weise gerecht werden zu können, müssen die Arbeitskammern auch be­ fugt sein, Erhebungen über die gewerblichen und wirtschaftlichkn Ver­ hältnisse der in ihnen vertretenen Gewerbezweige in ihrem Bezirke zu veranstalten. Daß die Arbeitskammern dabei, wie andere ähnliche Einrichtungen in dem gleichen Falle, auf den guten Willen und die freiwillige Mitwirkung derjenigen angewiesen sind, auf deren Verhält­ nisse sich die Erhebungen erstrecken, kann der Bedeutung dieser Be­ fugnis keinen Abbruch tun. Bei einem verständnisvollen Vorgehen der

122 Kammern werden, ivie dies insbesondere die Erfahrungen bei den unter Mitwirkung des Beirats für Arbeiterstatistik veranstalteten Erhebungen dartun, die Beteiligten ihnen die Unterstützung nicht versagen. Eine dankbare Aufgabe der Kammern wird insbesondere darin bestehen, daß sie sich der Ermittlung der bereits oben berührten Verkehrssitte hin­

sichtlich der Auslegung von Verträgen und der Erfüllung von Ver­ bindlichkeiten unterziehen. Zur Vermeidung von gerichtlichen Streitig­ keiten und der Entstehung von Streiks wird es in hohem Maße bei­ tragen, wenn die Möglichkeit gegeben ist, sich über jene Fragen durch ein von einwandfreier Seite gesammeltes Material unterrichten zu können. Wie den Handwerkskammern (§ 103 e Absatz 1 Ziffer 4 der Ge­ werbeordnung), so wird es ferner auch den Arbeitskammern obliegen, Wünsche und Anträge, die ihre Angelegenheiten berühren, zu beraten. Auch werden die Arbeitskammern befugt sein, Veranstaltungen und Maßnahmem, welche die Hebung der wirtschaftlichen Lage und der all­ gemeinen Wohlfahrt der Arbeitnehmer zum Zwecke haben, anzuregen und auf Antrag der Vertreter der hierfür getroffenen Einrichtungen an deren Verwaltung mitzuwirken. Als solche Veranstaltungen und Maßnahmen können namentlich in Betracht kommen: die Einrichtung von Arbeitsnachweisen, von Rechtsauskunftsstellen, Versicherungskassen gegen Arbeitslosigkeit und sonstiger Hilfskassen, von Arbeiterzügen, die Errichtung von Arbeiterwohnungen, die grundsätzliche Regelung der Arbeitsbedingungen, wie diejenige der Lohnzahlungstage, der Akkord­ arbeit, der Arbeit am Sonnabendnachmittag, der Gewährung von Urlaub und dergleichen. Durch die Übertragung dieser auf Anregung und Beratung beruhenden Tätigkeit werden den Arbeitskamniern wichtige Aufgaben innerhalb der gewerblichen Wohlfahrtspflege zugewiesen, und es wird der regen Mitarbeit der Mitglieder der Arbeitskammern be­ dürfen, wenn sie ihnen in vollem Umfange gerecht werden wollen. Die gemeinsame Arbeit auf diesem Gebiete hat sich von jeher vielfach als

besonders

geeignet

erwiesen,

die bestehenden Gegensätze zu mildern

und über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus eine ver­ söhnende Wirkung auszuüben. Endlich will der Entwurf den Arbeitskammern die wichtige Be­ fugnis verleihen, innerhalb ihres Wirkungskreises Anträge an Be­

hörden, an Vertretungen von Kommunalverbänden und an die gesetz­ gebenden Körperschaften der Bundesstaaten oder des Reichs zu richten. Bei der Feststellung des Wirkungskreises der Kammern ist im

Auge zu behalten, daß sie zur Erörterung allgemeiner wirtschaftlicher Fragen ihres Gewerbezweigs berufen sind und demnach Angelegen­ heiten, die lediglich die Verhältnisse einzelner Betriebe betreffen, so-

123

weit es sich nicht um ihre Tätigkeit als Einigungsamt handelt, nicht

Gegenstand ihrer Verhandlungen bilden können. Nach dem Vorgänge

der Gesetzgebung int Ausland ist eine dahingehende ausdrückliche Vor­ schrift in den Entwurf ausgenommen worden. Bei der Errichtung der nach Gewerbezweigen

ge­ gliederten Arbeitskammern (§ 8) werden, wie schon angedeutet wurde, in erster Linie diejenigen Erfahrungen nutzbar zu machen sein, die zu dem Ausbau der gleichfalls fachlich eingerichteten gewerblichen Berufsgenossenschaften geführt haben. Bei diesem Aufbau haben die Angehörigen der einzelnen Gewerbezweige wesentlich bestimmend mit­ gewirkt; es empfiehlt sich deshalb, die hier gewählte Einteilung der Gewerbezweige und der Bezirke als Grundlage für die Errichtung der Arbeitskammern zu verwenden. Dabei muß es natürlich weiteren Erwägungen überlassen bleiben, ob man sich unter allen Umständen an jene Einteilung und Bezirke anschließen kann. Insbesondere läßt sich nicht von vornherein übersehen, ob sich nicht in einzelnen Fällen die Errichtung mehrerer Arbeitskammcrn für den Bezirk einer Berufs­ genossenschaft oder Sektion notwendig erweist, oder ob nicht etwa eine Arbeitskammer für mehrere Berufsgenossenschaften oder Sektionen zu bilden ist. Durch die Fassung des § 1 ist diesem Umstande

Rechnung getragen. Im übrigen wird, um die Verschiedenheiten der in einem Ge­ werbezweige vereinigten Gewerbegruppen berücksichtigen zu können, die

Bildung von Abteilungen für einzelne Gewerbcgruppen im Entwürfe vorgesehen. Die Errichtung selbst wird nach dem Vorgänge bei der Bildung der Berufsgenossenschaften in die Hand des Bundesrats zu legen sein, zumal voraussichtlich eine Reihe von Arbeitskammern für die Gebiete mehrerer Bundesstaaten errichtet werden muß. Sie erfolgt

durch einen Beschluß, in welchem der Gewerbezweig, für den die Kammer errichtet wird, ihr Bezirk, Namen und Sitz bestimmt wird.

Auf die gleiche Weise sollen Abänderungen erfolgen können. Die Kammern sollen aus einem Vorsitzenden und der erforderlichen Zahl von Mitgliedern bestehen. Die Bestellung des Vorsitzenden muß so geregelt werden, daß die unparteiische Hand­

habung seiner Befugnisse gewährleistet ist. den Arbeitgebern noch Arbeitnehmern im

Er wird daher weder aus Sinne dieses Gesetzes zu

entnehmen und von der Aufsichtsbehörde zu berufen sein. Für den Vorsitzenden ist mindestens ein Stellvertreter in gleicher Weise zu bestellen. Zur Herabminderung der entstehenden Kosten ist im An­ schluß an § 9 Abs. 3 des Kaufmannsgerichtsgesetzes eine Bestimmung vorgesehen, wonach, falls mehrere Arbeitskammern an einem Orte

124 bestehen,

der Vorsitzende und die Stellvertreter gemeinsam für die

Kammern zu bestellen, auch gemeinsam Einrichtungen für den Bureau­

dienst, die Sitzungs- und Bureauräumlichkeiten und dergleichen zu treffen sind. Unter dem Bureaudienst ist auch die Rechnungsführung einbegriffen. Für die Mitglieder sollen nach dem Entwurf im Anschluß an

die für die Handwerkskammern geltende Vorschrift des § 103a Abs. 2 der Gewerbeord« ung Ersatzmänner bestellt werden und die Mitglieder sowie die Ersatzmänner, deren Zahl von der Aufsichtsbehörde zu be­ stimmen ist, je zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitgeber, zur Hälfte aus Vertretern der Arb itnehmer bestehen. Es wird sich empfehlen, für jedes Mitglied Ersatzmänner in größerer Zahl zu bestimmen, um

Ersatzwahlen während der Wahlperiode tunlichst zu vermeiden. Die Vertreter der Arbeitgeber sollen von den Arbeitgebern, die Vertreter der Arbeitnehmer von den Arbeitnehmern gewählt werden. Die Bestimmung über die den Mitgliedern und Ersatzmännern zu gewährende Entschädigung ist dem § 20 Abs. 2 des Gewerbe­ gerichtsgesetzes nachgeblldet.

Zu II, III.

Wahlberechtigung und Wählbarkeit, Wahlverfahren und Dauer der Wahlperiode.

Entsprechend der fachlichen Ausgestaltung der Arbeitskammern war das Wahlrecht grundsätzlich den BelufSangehörigen der Ver­ tretenen zu übertragen. Zugleich war bei der Ordnung der Wahlen für die Arbeitnehmer nach der Zusage des Kaiserlichen Erlasses vom 4. Februar 1890 zu verfahren, wonach die Arbeiter durch „Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen", an den in Aussicht gestellten Ver­ tretungen beteiligt werden sollen. Dabei soll von der Einrichtung be­ sonderer Urwahlen abgesehen und das Wahlrecht bereits bestehenden Vertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer übertragen werden. Für die Arbeitgeber kommen hier die fachlich gegliederten Berufs­ genossenschaften in Betracht. Im §11 wird daher das Wahlrecht für die Arbeitgeber den Vorständen derjenigen Berufsgenossenschaften übertragen, bei welchen die Angehörigen der in den Arbeitskammern vertretenen Gewerbeziveige versichert sind. Sind die Berufsgenossen­

schaften in Sektionen geteilt, so treten die für die Bezirke der einzelnen Arbeitskammern bestehenden Sektionsvorstände an die Stelle der Ge­ nossenschaftsoorstände. Zur Vermeidung von Streitigkeiten soll die Berechtigung zur Vornahme der Wahlen für die einzelnen Arbeits­ kammern von behördlicher Seite jedesmal vor den Wahlen fest­ gestellt und erforderlichenfalls zugleich bestimmt werden, in welchem

125

Umfange die berechtigt sind.

einzelnen Vorstände zur Teilnahme an der Wahl Zu diesem Behufe soll das Stimmenverhältnis unter

Berücksichtigung der bei den einzelnen Wahlkörpern in dem Bezirke der Ardeitskammer versicherten Personen festgesetzt werden.

Bei den Wahlen

für die Arbeitnehmer waren nach den oben

dargelegten Gesichtspunkten in erster Linie die von den Arbeitern aus

ihrer Mitte gewählten Mitglieder der Arbeiterausschüsse der im Be­ zirke der Arbeitskammern belegenen, den vertretenen Gewerbezweigen angehörenden gewerblichen Unternehmungen zu berücksichtigen. Wenn­ gleich zurzeit Arbeiterausschüsse noch nicht in der wünschenswerten Zahl bestehen, so fehlt es doch nicht an Anzeichen, daß ihre Errichtung in zunehmendem Maße als zweckmäßig erkannt wird. Zudem darf angenommen werden, daß infolge der Vorlage die Einrichtung von Arbeiterausschüssen eine wesentliche Förderung erfahren wird. Daneben sollen diejenigen Arbeitnehmervertreter für wahlberechtigt erklärt werden, welche von den Berufsgenossenschafts- und Sektionsvorständen gemäß § 113 Abs. 2 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzcs bei der Begut­ achtung von Unfallverhütungsvorschriften usw. zuzuziehen sind. Diese Vertreter werden gemäß § 114 a. a. O. von den Arbeitermitgliedern in den Ausschüssen der Versicherungsanstalten geivählt, die ihrerseits von den aus Wahlen der Versicherten in den Krankeickassenvorständen nach § 62 des Jnvalidenversicherungsgesetzes hervorgegangenen Ver­ tretern der Versicherten bei den unteren Verwaltungsbehörden (§ 76 a. a. O.) gewählt sind. Da diese Personen sonach gleichfalls von Arbeitnehmern gewählt werden und überdies nach § 114 Abs. 2 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes in Betrieben der Mitglieder derjenigen

Berufsgenossenschaft beschäftigt sein müssen, für welche die Unfall­ verhütungsvorschriften erlassen werden sollen, so entsprechen auch sie den an die Wähler der Arbeitnehmervertreter für die Arbeitskammern zu stellenden Anforderungen. Im übrigen wird den wahlberechtigten

Mitgliedern

der Arbeiterausschüsse

die Wahl

der einen Hälfte,

den

genannten Arbeitnehmervertretern die Wahl der andern Hälfte der

Arbeitnehmervertreler in der Arbeitskammer übertragen werden können. Jedoch wird, falls die Zahl der zu Wählenden nicht durch zwei teilbar ist, der Uebrigbleibende von den beteiligten Mitgliedern der Arbeiter­ ausschüsse gewählt. Die hiernach Wahlberechtigten haben jeder eine Stimme.

Sind die Arbeiterausschüsse bei gewerblichen Unternehmungen errichtet, in denen Angehörige mehrerer Gewerbezweige tätig sind, so soll im Anschluß an § 28 Abs. 2 des Gewerbeunfalloersicherungs­ gesetzes und an § 100 f Abs. 3 der Gewerbeordnung die Unternehmung

126

demjenigen Gewerbezweige zugerechnet werden, welchem der Haupt­ betrieb angehört. Wenn in dem Bezirk einer Arbeitskammer an den Wahlen beteiligte Arbeiterausschüsse nicht vorhanden sind, so werden die sämtlichen Wahlen von den Wahlberechtigten der andern Gruppe

vorgenommen. Die Wahlberechtigung wird wie bei den Wahlen der Arbeitgeber­ vertreter so auch hier jedesmal vor den Wahlen behördlicherseits fest­ gestellt. Die Aufsichtsbehörde soll demnach für die einzelnen Arbeits­ kammern bestimmen, welche Arbeiterausschüsse an den Wahlen beteiligt

sind. Was die Arbeitnehmervertreter bei den Genossenschafts- und Sektionsvorständen betrifft, so erübrigt sich hier eine besondere Fest­ stellung der Wahlberechtigung; für sie kann unbedenklich diejenige Festsetzung für maßgebend erklärt werden, welche hinsichtlich der Wahl­ berechtigung desjenigen Genossenschafts- oder Sektionsvorstands ge­ troffen ist, von welchem sie zuzuziehen sind. Gegen die Feststellung der Wahlberechtigung ist in den Fällen der §§ 11, 12 lediglich die Beschwerde im Aufsichtswege zulässig. Das gleiche gilt hinsichtlich der Feststellung des Stimmenverhältnisses gemäß § 11 Abs. 2. Die allgemeinen Bestimmungen über die Wählbarkeit (§ 13) sind den Vorschriften des § 11 des Gewerbegerichtsgesetzes nachgebildet, mit der Maßgabe jedoch, daß Personen beiderlei Geschlechts wählbar sind. Ferner muß die Wählbarkeit von der Zugehörigkeit zu dem in der Arbeitskammer vertretenen Gewerbezweig oder, falls Abteilungen gebildet sind, zu den hierin vertretenen Gewerbegruppen abhängig gemacht werden. Die Wahlen erfolgen unter Leitung des Vorsitzenden der Arbeitskammer in getrennter Wahlhandlung. Danach werden sowohl die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter als auch die beiden

Hälften der Arbeitnehmervertreter besonders gewählt. Im übrigen vollziehen sich die Wahlen innerhalb der Genossenschafts- oder Sektionsvorstände nach den für die Beschlußfassung im übrigen bestehenden Bestimmungen. Die grundlegenden Bestimmungen über die Vornahme der Wahlen für die Arbeitskammer sind den Vor­

schriften des § 14 Abs. 1 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, nachgebildet. Die näheren Vorschriften über die Wahl und das Verfahren sollen von dem Bundesrat erlassen werden. Er hat insbesondere zu bestimmen, in welcher Weise die Benachrichtigung der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht und dem

Stimmenverhältnis sowie die Bekanntgabe des Wahltags zu erfolgen hat, welche Fristen für die Einreichung der Wahlergebnisse durch die Wahlkörper für die Wahlen der Arbeitgebervertreter festzusetzen, in

127 welcher Form

diese Wahlergebnisse dem Leiter der Wahlhandlung

mitzuteilen sind und dergleichen. Die Einführung der Verhältniswahl konnte für die Wahlen der Arbeitgebervertreter durch die Genossen­

schafts- oder Sektionsvorstände nicht in Betracht kommen; für die Wahlen der Arbeitnehmervertreter ist ihre Einführung wünschenswert, jedoch erscheint ihre Anwendung nicht in allen Fällen unbedenklich. Aus diesen Gründen wird der Bundesrat darüber zu entscheiden haben, ob eine Regelung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl eintreten soll. Dabei schließt die Vorschrift, daß die Wahlen unter Leitung des Vorsitzenden der Arbeitskammer erfolgen, nicht etwa die Bestellung eines Wahlausschusses aus; vielmehr würde in diesem

Falle der Vorsitzende der Arbeitskammer lediglich als Vorsitzender des Wahlausschusses zu bestellen sein.

Gegen die Rechtsgültigkeit der Wahlen können von den Wahl­ berechtigten, d. h. den Wahlkörpern für die Wahlen der Arbeitgeber­ vertreter und den wahlberechtigten Arbeitnehmern Einsprüche bei dem Vorsitzenden der Arbeitskammer einzebracht werden. Gegen seine Entscheidung findet Beschwerde an die Aufsichtsbehörde statt. Die Dauer der Wahlperiode (§ 15) ist im Anschluß an die für die Handwerkskammern geltende Vorschrift des § 103 c der Gewerbe­ ordnung auf sechs Jahre festgestellt. Zugleich sind mit Rücksicht auf die starke Bewegung der arbeitenden Bevölkerung Ersatzwahlen für den Fall vorgesehen, daß ein Mitglied und seine sämtlichen Ersatz­ männer während der Dauer der Wahlperiode ausscheiden.

Die Bestimmung im § 16 ist der für die Handwerkskammern gellenden Vorschrift des § 94b der Gewerbeordnung nachgebildet.

Zu IV.

Kostenaufwand.

Die aus der Errichtung und Tätigkeit der Arbeitskammer er­ wachsenden Kosten sollen von den gemäß § 11 wahlberechtigten Ge­ nossenschafts- oder Sektionsvorständen nach Maßgabe ihres für die Vornahme der Wahlen festgesetzten Stimnienverhältnisses getragen

werden (§ 17). Dem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern soll nach dem Vorgänge der Bestimmungen in § 107 des Jnvaliden-

versicherungsgesetzes eine Vergütung von den zur Tragung der Kosten

Verpflichteten nicht gewährt werden dürfen. Wie die Handwerkskammern (§§ 103 m, 103 n der Gewerbe­ ordnung), so werden auch die Arbeitskammern gehalten sein, einen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliegenden Haushaltsplan aus­ zustellen.

Dabei war zugleich hinsichtlich solcher Beschlüsse Bestimmung

128 — zu treffen, welche Aufwendungen erforderlich machen, die im Haushalts­

pläne nicht vorgesehen sind (§ 18).

Zu V, VI. Geschäftsführung, Beaufsichtigung. Die laufende Verwaltung und Führung der Geschäfte der Arbeitskammern soll dem Vorsitzenden obliegen. Er leitet die inneren Geschäfte der Kammer und vertritt sie nach außen; insbesondere hat er die erforderlichen Anstellungs- und Mietsverträge in ihrem Namen abzuschließen.

Die Sitzungen werden von ihm oder seinem

Stellvertreter anberaumt, und der jeweilig Vorsitzende nimmt mit vollem Stimmrecht an ihnen teil. Auf den Antrag von zwei Dritteln der Mitglieder muß die Einberufung einer Sitzung erfolgen (§ 19). Auch ist zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Behinderung der

Arbeitnehmer durch die Teilnahme an den Sitzungen im § 21 eine dem § 97 des Jnvalidenversicherungsgesetzes und § 142 des Gewerbe­ unfallversicherungsgesetzes nachgebildete Vorschrift vorgesehen. Wie den Handwerkskammern (§ 103 d Abs. 2 der Gewerbeordnung) wird auch den Arbeitskammern die Befugnis zu erteilen sein, aus ihrer Mitte Ausschüsse zu bilden und mit besonderen regelmäßigen oder vorübergehenden Aufgaben zu betrauen (§ 21). Entsprechend dem § 103 g Abs. 3 a. a. O. war demgemäß auch hier über die der Be­ schlußfassung durch die Gesamtheit der Kammern vorbehaltenen Ange­ legenheiten Bestimmung zu treffen (§ 22).

Ueber die Frage,

ob die Sitzungen

öffentlich

oder geheim sein

sollen, trifft das Handwerkergesetz keine Bestimmung. Der vorliegende Entwurf schließt sich in dieser Hinsicht in seinem § 23 Abs. 1 im wesentlichen der Vorschrift im § 17 des preußischen Gesetzes über die

Landwirtschaftskammern vom 30. Juni 1894 (Gesetzsamml. S. 126) an. Nur ist im Unterschiede von jener Bestimmung die Entscheidung darüber, ob sich eine Angelegenheit zur Behandlung in öffentlicher

Sitzung eignet,

nicht der Arbeilskammer übertragen, sondern in die

Hände des Vorsitzenden gelegt worden. Da es sich hier nicht rote bei den Landwirtschaftskammern um Vertretungen eines Berufs, sondern um gemeinsame Veitretungen der Arbeitgeber und der Arbeit­

nehmer handelt, kann die Entscheidung über diese Frage nicht von dem Beschlusse der Mehrheit abhängig gemacht werden. Sie war daher dem Vorsitzenden zu übertragen. Gegen die Entscheidung des

Vorsitzenden, wodurch ein Gegenstand von der öffentlichen Ver­ handlung ausgeschlossen wird, soll die Beschwerde an die Aufsichts­

behörde statifinden.

129 Außerdem ist in diesem Paragraphen als Abs. 2 eine Be­ stimmung dahin ausgenommen, daß die Aufsichlsbehöide einen Ver­ treter zu den Sitzungen entsenden kann, der auf sein Verlangen jeder­ zeit gehört werden muß. Die Form der Beschlußfassung (§ 24 Abs. 1) ist in Ueberein­ stimmung mit der im § 34 des preußischen Gesetzes über die Handels­ kammern vom 24. Februar 1870/19. August 1897 (Kesetzsamml. S. 355) getroffenen Bestimmung geregelt. Zugleich hat eine Be­

stimmung über die Beanstandung (§ 24 Abs. 2) die Befugnisse der Arbeitskammer überschreitender oder gesetzwidriger Beschlüsse im An­ schluß an zahlreiche ähnliche Bestimmungen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts Aufnahme gefunden. Endlich war hinsichtlich der Erstattung von Gutachten gemäß § 3 Ziffer 2 und der Beratung von Anträgen gemäß § 4 dagegen Vorsorge zu treffen, daß die Stellungnahme der Minderheit, wenn sie ausschließlich aus Arbeit­ gebern oder Arbeitnehmern besteht, den Reichs- oder Staatsbehörden unbekannt bleibt und aus diesem Grunde nicht die entsprechende Würdigung finden kann. Im § 24 Abs. 3 ist daher eine Vorschrift vorgesehen, wonach dann, wenn in solchen Fällen sämtliche Arbeit­ geber einerseits und sämtliche Arbeitnehmer anderseits einen entgegen­ gesetzten Standpunkt einnehmen, eine Beschlußfassung nicht stattfindet. Bei den Gewerbe- und Kaufmannsgcrichten ist es vielfach üblich, in der Niederschrift über die Beratungen zugleich anzugeben, wie sich die

abgegebenen Stimmen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilen. Ein derartiges Vorgehen erscheint auch neben der hier aufgenommenen Bestimmung als erwünscht.

Die näheren Bestimmungen über die Geschäftsführung werden in einer von der Aufsichtsbehörde zu genehmigenden Geschäftsordnung

getroffen werden.

Dabei ist in Anlehnung

an

die für

die Handt-

werkskammern geltenden Vorschriften des .§ 103 m der Gewerbe­ ordnung zugleich vorgeschrieben, über welche Gegenstände Bestimmungen getroffen werden müssen (§ 25). Die Aufsichtsführung liegt, sofern nicht von der Landes­ zentralbehörde eine andre Bestimmung getroffen wird, im Anschluß an § 178 des Jnvalidenversicherungsgesetzes in erster Linie derjenigen

höheren Verwaltungsbehörde ob, in deren Bezirke die Arbeitskammer ihren Sitz hat.

Nach dem Vorgänge der Gesetzgebung über ähnliche Vertretungen (Handwerkskammern, Handelskammern, Landwirtschaftskammern) erschien es ferner angezeigt, in diesem Abschnitt eine Bestimmung über die zwangsweise Auflösung der Arbeitskammern vorzusehen. Heft 108.

Sie

130 ist der für die Handwerkskammern geltenden Bestimmung

im § 103o

Abs. 3 der Gewerbeordnung nachgebildet (§ 26).

Zu VII. Schlutzbestimmungen. Im § 29 sind diejenigen Sonderbestimmungen ausgenommen, welche bei der Errichtung von Arbeitskammein für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben erforderlich werden. Zunächst soll sich

die Verpflichtung

der hierfür errichteten Arbeits­

kammern auch auf die Erstattung von Gutachten über den Erlaß von Bergpolizeiverordnungen erstrecken, die den Schutz des Lebens oder der Gesundheit der Arbeiter und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebs

bezwecken. Ferner ist im Anschluß an die Bestimmung im § 82 Abs. 2 Ziffer 5 des Gewerbegerichtsgesetzes und aus den in der Begründung zu diesem Gesetze heroorgehobenen Erwägungen eine Vorschrift des Inhalts ausgenommen worden, daß in bezug auf die Bergwerks­ betriebe die Landeszentralbehörde zu bestimmen hat, inwieweit den -Arbeitgebern ihre gesetzlichen Vertreter und die bevollmächtigten Leiter von Betrieben gleichstehen. Im § 30 war über die Errichtung von Arbeitskammern in solchen Fäll.n Bestimmung zu treffen, in welchen gewerbliche Berufs­ genossenschaften nicht bestehen. Hier sollen gleichfalls die Be­ stimmungen des vorliegenden Entwurfs Anwendung finden, mit Aus­

nahme jedoch der über die Wahlberechtigung und die Ausbringung der Kosten aufgenommenen Vorschriften, welche vom Bundesrat erlassen werden sollen. Die Ausführung des Gesetzes erfordert erhebliche Vorarbeiten; hierauf wird bei der Festsetzung des Termins für sein Inkrafttreten -Rücksicht zu nehmen sein.

131

Die Novelle zur Gewerbeordnung. Am 16. Dezember 1907 ist im Reichstage von den verbündeten Regierungen der

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abiinderung der Gewerbeordnung vorgelegt worden,

der in acht Artikeln sehr zahlreiche Aenderungen

und Zusätze der geltenden Gewerbeordnung enthält. Die Aenderungen sollen am 1. Januar 1909 in Kraft treten.

Die Technik des Gesetzentwurfes, die zahlreiche Zusätze und Abänderungen einzelner Sätze und Worte zu den in Betracht kommenden Paragraphen der Gewerbeordnung in Aussicht nimmt, bringt es mit sich, daß der Inhalt des Gesetzentwurfes recht unübersichtlich ist, und daß Umfang und Zweck der Aenderungen und Zusätze nur nach Ein­ sicht des Gesetzestextes und der Motive klar werden können. Die kleine Denkschrift, die hiermit den geehrten Mitgliedern überreicht wird, versucht deshalb, in zusammenhängender Darstellung den Inhalt der Novelle und die damit verfolgten Zwecke darznlegen; die daran angeknüpften kritischen Betrachtungen sollen nur dazu dienen, einige Gesichtspunkte heroorzuheben, die bei der Erörterung der No­ velle im Ausschuß des Centralverbandes vielleicht von Wichtigkeit sein werden. I.

Abgangszeugnisse der Arbeiter. Nach dem geltenden Recht können die gewerblichen Arbeiter beim Abgänge aus ihrer Stellung ein Zeugnis verlangen, das über die Art und

Dauer ihrer Beschäftigung Auskunft gibt. Auf Verlangen der Arbeiter ist dieses Zeugnis auch auf ihre Führung und ihre Leistungen auSzudrhnen.*) Die Novelle will diese Bestimmungen dahin ändern, daß

die Arbeiter das Zeugnis

dann,

*) § 113, Absatz 1 und 2.

wenn sie auf Kündigung eingestellt

132 sind, bereits bei der Kündigung verlangen können.

Sind sie ohne

Kündigung angestellt, so soll das Zeugnis bei Beendigung des Dienst­

verhältnisses verlangt werden können. Für den Vorschlag des Entwurfes, der einem Beschluß der ReichstagS-Komnmsion in der 2. Session 1905/07 und mehreren in der gegenwärtigen Reichstagssession vorgelegten Anträgen entspricht, führt man an, daß es für das Fortkommen der Arbeiter notwendig

sei, ihnen das Zeugnis bereits bei der Kündigung auszustellen, damit sie mit diesem Zeugnis in der Hand in der Lage seien, sich eine neue Stellung zu suchen. Dagegen wird angeführt, daß nach Ausstellung des Zeugnisses der Arbeitgeber fast jedes Mittel gegenüber übelwollen­ den Arbeitern, auf Erfüllung ihrer Pflichten während der Kündigungs­ zeit einzuwirken, verloren habe, so daß in zahlreichen Fällen der Arbeiter während dieser Zeit bis zu seinem Abgänge in der Arbeits­ leistung nachlassen werde. Es ist deshalb vorgeschlagen, die Aenderung wenigstens dahin zu beschränken, daß das bei der Kündigung ausge­

stellte Zeugnis nur Gültigkeit bis zum Abgänge des Arbeiters haben soll und dann durch ein endgültiges Zeugnis ersetzt werden müsse. Die ganze Angelegenheit ist von erheblicherer Bedeutung für die Privatbeamten als für die Arbeiter. In der Mehrzahl der Fälle lassen sich die gewerblichen Arbeiter in größeren Betrüben ohnehin nur Bescheinigungen über Art und Dauer ihrer Beschäftigung, nicht aber auch über ihre Führung und Leistungen erteilen. Bei den Privat­ beamten ist aber die Ausstellung von Zeugnissen allgemein üblich und hier dürfte deshalb, entsprechend dem Vorschläge in der Ausschußsitzung des Centralverbandes, die Einführung eines Zwischenzeugnisses in

Betracht kommen. II.

Lohnbücher und Lohnzahtungsbücher. von

1. Nach den Ergebnissen der Erhebungen, die in den 90er Jahren der Reichsregierung unter Mitwirkung der Kommission für

Arbeiterstatistik angestellt worden waren, war die Reichsregierung zu der Ueberzeugung gekommen, daß in der Kleider- und Wäschekonfektion ein dringendes Bedürfnis zur gesetzgeberischen Beseitigung der Unklar­

heiten der Arbeitsbedingungen hervorgetreten sei. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 gab deshalb dem BundeSrat

die neue Befugnis, für bestimmte Gewerbe Lohnbücher oder Arbeits­ zettel vorzuschreiben. Eine Beschränkung auf die Kleider- und Wäsche­ konsektion wurde also nicht beliebt, sondern die Ausdehnung auch auf

andre Gewerbe dem Bundesrat überlassen. Tatsächlich hat der Bundesrat aber von seiner Befugnis bisher nur gegenüber der Kleider-

133

und Wäschekonfektion Gebrauch gemacht. Durch Bekanntmachung vom 9. Dezember 1902 wurde für diese Gewerbszweige vom 1. April 1903 ab die Führung von Lohnbüchern angeordnet, deren Einrichtung ge­ mäß der gesetzlichen Vorschrift (§ 114a, Absatz 5) vom Reichskanzler

bestimmt wurde. Gegen diese Maßnahme hat die beteiligte Industrie lebhafte Klage erhoben, nicht eigentlich gegen die Einführung der Lohnbücher selbst, aber gegen ihre unpraktische Gestaltung. Eine Ab­ änderung im Verwaltungswege war indes nicht möglich, do die gesetz­ lichen Vorschriften hier Beschränkungen geschaffen hatten, die gerade den Gegenstand der Klagen bilden. Die Klagen der Industrie sind auch von der Reichsregierung im wesentlichen als berechtigt anerkannt worden, und es soll nunmehr durch Abänderung der gesetzlichen Vor­ schriften die Möglichkeit gegeben werden, die Lohnbücher, wie es ge­ wünscht worden ist, zu Abrechnungsbüchern umzugestalten. Außerdem sollen mehrere Beschränkungen, die in der Praxis zu Schwierigkeiten führten, abgeschafft werden. Bisher mußten die Lohnbücher enthalten Anschreibungen: 1. über Art und Umfang der übertragenen Arbeit, bei Akkord­ arbeit über die Stückzahl, 2. der Lohnsätze, 3. der Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugen und Stoffen zu den übertragenen Arbeiten und, soweit der Bundesrat dies anordnete, noch weiter: 4. der Bedingungen für die Gewährung von Kost und Wohnung, sofern Kost oder Wohnung als Lohn oder Teil des Lohnes gewährt wurde. Andre Eintragungen durften sie nicht enthalten. Nach den neuen Bestimmungen soll außerdem in diese Lohn­ bücher eingetragen werden: 1. der Zeitpunkt der Übertragung von Arbeiten,

2. der Zeitpunkt der Ablieferung der Arbeit sowie Art und Um­ fang der abgelieferten Arbeit, 3. der zur Auszahlung

gelangende Lohnbetrag unter Angabe

der etwa vorgenommenen Abzüge, 4. der Tag der Lohnzahlung. Dem Arbeitgeber wird gestattet, auch noch Eintragungen zu machen, welche sich auf seinen Namen, seine Firma und den Niederlassungsort,

den Namen und Wohnort des Arbeiters, die diesem übertragenen Arbeiten und die dafür vereinbarten oder gezahlten Löhne beziehen. Andre Eintragungen oder Vermerke in die Lohnbücher oder an denselben sind wie bisher auch fernerhin nicht gestaltet. Die Vor-

134 schriften, wonach die Eintragungen nicht mit einem Merkmal versehen sein dürfen, das den Inhaber des Lohnbuches günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bezweckt, bleiben aufrecht erhalten. Ebenso ist nach wie vor die Eintragung eines Urteils über die Führung oder die Leistungen des A'beiters in das Lohnbuch unzulässig.

Aus der Wäschekonfektion waren lebhafte Klagen darüber er­ hoben worden, daß alle Eintragungen in das Lohnbuch mit Tinte bewirkt werden müssen,

das führe nicht selten zur Beschädigung und

Wertlosmachung wertvoller Ware. Deshalb ist jetzt dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, für einzelne Gewerbszweige zu bestimmen,

daß die Eintragungen auch in andrer Weise, z. B. mit Tintenstift oder mit Stempel ausgeführt werden dürfen. Auch einige andre prak­ tische Schwierigkeiten, die sich auf den Zeitpunkt der Eintragungen

beziehen, werden durch die vorgeschlagenen Aenderungen beseitigt. Im allgemeinen kommen die in Aussicht genommenen Aende­ rungen Wünschen der beteiligten Kreise entgegen. Angeregt ist worden, darauf hinzuwirken, daß die Befugnis des Bundesrates zur Ein­ führung von Lohnbüchern und Arbeitszetteln auf die Konfektion be­ schränkt werde, da sich bisher nur bei dieser ein Bedürfnis zu dieser Maßnahme herausgestellt hat. 2. Durch die Novelle vom 21. Juni 1900 war auf Grund eines Beschlusses des Reichstages die Einrichtung von Lohnzahlungs­ büchern für die minderjährigen Arbeiter in allen Fabriken an­ geordnet*), für die nicht etwa vom Bundesrate Lohnbücher oder Arbeitszettel vorgeschrieben sind, was, wie erwähnt, ja nur für die Konfektion geschehen ist. Die Lohnzahlungsbücher sollten den Eltern der jugendlichen Arbeiter die Möglichkeit geben, eine Kontrolle über den von ihren Kindern verdienten Lohn zu gewinnen. Tatsächlich sind sie lediglich eine Quelle des Aergers für die Arbeitgeber gewesen und allgemein als eine belästigende und zwecklose Einrichtung empfunden worden. Es wird daher nunmehr vorgeschlagen, die Einrichtung der Lohnzahlungsbüchcr wieder aufzuheben. III.

Iortvildungsschuhivang. Bereits in der Gewerbeordnung von 1869 war die Möglichkeit gegeben, durch Ortsstalulen Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge, die das

18. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, zum Besuch einer Fort­ bildungsschule zu verpflichten, sowie den Arbeits- und Lehrherren in

*) § 134, Absatz 3.

135

diesem Falle die Verbindlichkeit aufzuerlegen, den Fortbildungsschülern die erforderliche Zeit zum Schulbesuch zu gewähren. Durch die Novelle des Jahres 1878 wurde dann allgemein angeordnet, daß den­

jenigen Arbeitern unter 18 Jahren, die eine öffentliche Fortbildungs schule besuchen, von ihren Arbeitgebern hierzu die erfoiderliche Zeit zu gewähren ist, auch wenn ein Fortbildungsschulzwang nicht ein­

geführt sei.

1891

wurden als Fortbildungsschulen, für deren frei­

willigen Besuch den Arbeitern unter 18 Jahren Zeit gelassen werden muß, auch diejenigen Anstalten anerkannt, in welchen Unterricht in

weiblichen Hand- und Hausarbeiten erteilt wird. Dagegen wurde 1891 die Möglichkeit, einen Fortbildungsschulzwang ortsstatutarisch

anzuordnen, auf die männlichen Arbeiter unter 18 Jahren beschränkt. Für Arbeiterinnen konnte also seit 1891 ein solcher Zwang ortsstamtarisch nicht mehr angeordnet werden. Diese Beschränkung ist damals durch den Reichstag eingefügt worden. In dem Kommissions­ bericht heißt es: „Alle Gefahren, die der obligatorische Besuch der Fort­ bildungsschule mit sich bringen könne, seien doppelt bedenklich gegenüber weiblichen Arbeitern. Hier sei es noch weniger gerecht­ fertigt, dieselben in Schulen zu zwingen, die vielleicht ihr religiöses

Gefühl verletzten, sie den Gefahren z. B. der Abendschulen auszu­ setzen oder sie zu zwingen, mit Mädchen zusammen zu sein, die schon sittlich verdorben seien. Der Haushaltungsunterricht sei nur da notwendig, wo die Gelegenheit zur häuslichen Ausbildung in der eigenen Familie fehle; dieses sei aber nicht überall und all­ gemein der Fall. Das Bedürfnis werde um so weniger Platz greifen, als die Elementarschulen den Handarbeitsunterricht in erfreulichem Maße pflegten. Dieser komme aber allein in Frage,

da der Kochunterricht schon wegen der Schwierigkeit der Ein­ richtung stets nur auf eine kleine Zahl von Teilnehmern sich be­

schränken werde. Jedenfalls sei diese Ausdehnung des Schul­ zwanges neu, bestehe auch in keinem Lande der Welt, und sei es jedenfalls richtiger, erst Erfahrungen zu sammeln, ehe eine solche Ausdehnung des Schulzwanges ausgesprochen werde. Daß den Arbeitgebern die Verpflichtung auferlegt werde (durch Zufügung des Absatzes 2), den Arbeiterinnen die nötige Zeit zum Besuch bestehender Schulen zu geben, wurde von dieser Seite nicht be­

kämpft, vielmehr ausdrücklich betont, daß jede moralische und materielle Unterstützung gewiß berechtigt und wünschenswert sei." Die Novelle des Jahres 1900 führte dann die Möglichkeit des Fortbildungsschulzwanges für weibliche Handlungsgehilfen und Lehr-

136

lingc ein. Jetzt schlägt die Regierung vor, allgemein wieder die Möglichkeit zu geben, den Schulzwang durch Ortsstatut auch auf Ar­ beiterinnen unter 18 Jahren auszudehnen. Anlaß dazu hat der Reichs­ regierung der Beschluß des Reichstages vom 22. November 1906 ge­ boten, durch den eine entsprechende Petition des rheinisch-westfälischen Frauenverbandes dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen worden ist. Gegen die in Aussicht genommenen Erweiterungen des Schul­ zwanges werden aus der Textil-Jndustrie lebhafte Bedenken erhoben, da namentlich für die Spinnereien, die zahlreiche weibliche jugendliche Arbeiter beschäftigen, die Herausziehung der Mädchen aus dem Be­ triebe während der Stunden des Fortbildungsschulunterrichts ganz ungemein störend wirken würde. Die jungen Spinnerinnen und Hilfs­ arbeiterinnen seien für die Textil-Jndustrie unentbehrlich, zumal da sie vielfach mit den älteren Arbeiterinnen Hand in Hand arbeiten und somit diese durch die Abwesenheit der jugendlichen Arbeiterinnen in ihrer Arbeit erheblich beeinträchtigt werden.

IV. Krveiterschutz in den Betrieben. 1. Durch die §§ 120a bis c der Gewerbeordnung sind die Unternehmer verpflichtet, in ihren Betrieben alle diejenigen Ein­ richtungen zu treffen, durch die die Arbeiter nach Möglichkeit gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt werden, oder die not­ wendig sind, die guten Sitten und den Anstand aufrecht zu erhalten. Zur Durchführung all dieser Anordnungen ist natürlich die Mit­ wirkung der Arbeiter selbst erforderlich. Bisher war nur die Mög­ lichkeit gegeben, durch Anordnungen der Arbeitgeber, die nur durch Ordnungsstrafe, schliinmsten Falls durch Entlassung des Störenfriedes Nachdruck erhalten konnten, die Arbeiter zur Beachtung der in ihrem Interesse getroffenen Maßnahmen anzuhalten. Jetzt soll der Bundes­ rat, dec schon bisher berechtigt war, Vorschriften darüber zu erlassen, welche Anforderungen in bestimmten Arien von gewerblichen Anlagen zur Durchführung des Arbelterschutzes notwendig seien, die neue Be­ fugnis erhalten, auch Bestimmungen über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe zu treffen, durch welche die Beachtung der Schutzmaß­ nahmen gesichert wird. Uebertreter können mit Geldstrafe bis zu 300 Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft werden. 2. Sanitärer Maximalarbeitstag. Bisher war die Be­ fugnis, für solche Gewerbe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird. An-

137 Ordnungen über die Gestaltung der zulässigen täglichen Arbeitszeit zu treffen, nur dem Bundesrat gegeben. Die Anordnungen des Bundes­ rates mußten sich immer gleichmäßig über ganz Deutschland erstrecken.

Das hat nach der Auffaffung der Reichsregierung zu Schwierigkeiten Anlaß gegeben; denn es hat sich herausgestellt, daß in verschiedenen Gewerbszweigen Mißstände hinsichtlich der Länge der Arbeitszeit nur

in einzelnen Gegenden, ja sogar nur an einzelnen Orten bestehen. In diesen Fällen hat bisher Abhilfe durch öffentlich-rechtliche Anord­ nung nicht getroffen werden können, weil der Bundesrat Anstand ge­ nommen hat, Verordnungen zu erlassen, die für das ganze Reich Geltung erhalten, während doch nur in einem Teil des Reiches be­ rechtigter Anlaß zum Erlaß solcher einschränkenden Verordnungen ge­ geben war. Diesem Uebelstande soll nunmehr dadurch abgeholfen werden, daß die Befugnis zum Erlaß von Verordnungen, durch welche die tägliche Arbeitszeit geregelt wird, auch den Landeszentralbehörden und in der Form von Polizeiverordnungen sogar auch den zuständigen Polizeibehörden gewährt werden soll. Nach § 120d sind die Polizeibehörden bereits jetzt befugt, im Wege der Verfügung für einzelne gewerbliche Anlagen die Aus­ führung derjenigen Maßnahmen anzuordnen, die zur Durchführung des Schutzes der Arbeiter gegen die Gefahren des Betriebes für Leben und Gesundheit, sowie zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes notwendig erscheinen, soweit diese Maßnahmen nach der Beschaffenheit der betreffenden Anlagen ausführbar sind. Die Novelle will den zuständigen Polizeibehörden auch

das Recht

geben, für einzelne Betriebe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, im Wege der Verfügung Anordnungen über die Gestaltung der täglichen Arbeitszeit zu treffen, sofern nicht bereits allgemein Bestimmungen für den ganzen Gewerbszweig, dem der Betrieb angehört, bestehen. Gegen diese Absichten der Novelle werden aus industriellen Kreisen Bedenken erhoben. Man fürchtet die Verschiedenartigkeit der Auffassung der einzelnen Behörden und damit eine Verschiebung der Konkurrenzverhältnisse in den einzelnen Gegenden Deutschlands. Man fürchtet aber noch mehr den ungenügenden Ueberblick und zu raschen

Eifer der örtlichen Behörden, denen hier sehr scharfe Machtmittel in die Hand gegeben werden. Mag die Anordnung gegenüber den einzelnen Betrieben den

örtlichen Polizeibehörden überlassen bleiben,

zumal da hier ein Beschwerdeverfahren an die Zentralbehörde ge­ geben ist, so erscheint die Möglichkeit, durch Polizeiverordnungen der

örtlichen Polizeibehörde derartige Anordnungen zu treffen,

ganz un-

138

gemein gefährlich. Es dürfte genügen, neben dem Bundesrat der Landeszentralbehörde die Möglichkeit zu derartigen Anordnungen zy gewähren, wenn diese Behörde für befugt erklärt wird, solche An­ ordnungen im Falle des Bedürfnisses auch für einzelne Teile des

Staatsgebietes zu erlassen. Noch der preußischen Berggesetznovelle werden die Vorschriften über den sanitären Maximalarbeitstag durch das Oberbergamt nach Anhörung des Gesundheitsbeirats getroffen, V.

WerHattmste der Wetrievsveamteu, Werkmeister und Techniker. 1. Die Befugnis des Arbeitgebers, den Vertrag mit seinen An­

gestellten aufzuheben, wird gegenüber dem bisherigen Rechtszustande dahin beschränkt, daß die Auflösung infolge einer militärischen Dienst­ leistung dieser Angestellten nur dann zulässig ist, wenn die Dienst­ leistung die Zeit von 8 Wochen übersteigt. 2. Nach dem jetzigen Recht behält der Angestellte den Anspruch auf die vertragsmäßige Leistung des Arbeitgebers für die Dauer von 6 Wochen, wenn er an der Verrichtung seiner Dienste durch un­ verschuldetes Unglück gehindert ist. Der Arbeitgeber duifte aber seine Leistung um denjenigen Betrag kürzen, welcher dem Angestellten aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zusteht. Diese Vorschrift ist bekanntermaßen vielfach angefochten worden, da sie insoweit den Angestellten keine Sicherheit bot, als eine vertrags­ mäßige Aenderung der ganzen Bestimmung zulässig war. Jetzt soll der Angestellte den Anspruch auf Gehalt und Unterhalt für die Dauer von 6 Wochen in jedem Falle erhalten, da eine Vereinbarung, durch

welche von diesen Vorschriften zum Nachteil des Angestellten ab­ gewichen wird, für nichtig erklärt wird. Die Zulässigkeit des Ab­ zuges der Beträge, welche dem Angestellten aus der gesetzlichen Krankenund Unfallversicherung zukommen, wird aufrecht erhalten. 3. Gehaltsauszahlung. Fortan soll den Angestellten in der Regel das Gehalt am Schlüsse jedes Monats gezahlt werden. Ab­ weichende Vereinbarungen sind insoweit nichtig, als die Gehalts­ zahlung in längeren als in vierteljährlichen Zeitabschnitten erfolgt.

Bei der Umfrage, die der Centralverband im Jahre 1906 ver­ anstaltet hat, ist diese Vorschrift im allgemeinen gebilligt worden; allerdings ist auch hervorgehoben worden, daß es Fälle gibt, nament­ lich bei hochbezahlten technischen Angestellten, in denen üblicherweise ein Teil des

gezahlt wird.

Gehalts erst am Jahresschluß in

einer Summe aus­

Dies würde künftig nicht mehr zulässig sein.

139 4.

Konkurrenzklausel.

Bisher war die Vereinbarung

der

sogenannten Konkurrenzklausel bei mindei jährigen Angestellten ver­ boten, bei volljährigen Angestellten aber im allgemeinen freigegeben,

soweit sie nicht dem Angestellten nach Zeit, Ort und Gegenstand eine so starke Beschränkung auferlegte, daß ihm dadurch sein Fortkommen

unbillig erschwert wurde. Ob diese Voraussetzung vorlag, enischied im Streitfälle der ordentliche Richter. Jetzt soll außerdem für An­ gestellte, die ein Jahresgehalt von weniger als 8000 Mark beziehen, die Beschränkung auf einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an nur dann erstreckt werden, wenn vereinbart wird, daß während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das zuletzt von ihm bezogene Gehalt weitergezahlt wird. Mit dieser neuen Beschränkung der Konkurrenzklausel hat sich die Delegiertenoersammlung des Centralverbandes vom 28. Oktober 1907 einverstanden erklärt. Dagegen geben die weiteren Vorschriften zu wesentlichen Bedenken Anlaß. Es sollen nämlich nicht nur die Rechte des Arbeitgebers dann erlöschen, wenn er bei vertragswidrigem Ver­ halten dem Angestellten Grund gibt, das Dienstverhältnis zu lösen, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber überhaupt seinerseits das Dienstverhältnis auflöst, es sei denn, daß für die Auflösung ein er­ heblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat, oder daß während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das zuletzt von ihm bezogene Gehalt weitergezahlt wird. Hiergegen ist geltend gemacht worden, daß durch diese Vor­ schriften dem Unternehmer ganz ungemeine Beschränkungen in dem

Wechsel seines Personals auferlegt werden; auch dann, wenn der An­ gestellte sich nicht brauchbar erweise, müsse er behalten werden, oder die.Konkurrenzklausel falle weg und der Angestellte habe das Recht, die gewonnenen Kenntnisse der Betriebseinrichtungen und -erfahrungen

sofort zu benutzen, sofern der Unternehmer nicht die schwere Last der Gehaltsfortzahlung auf sich nehmen will. Uebrigens sei es für den Angestellten leicht, ohne daß er gerade seinerseits gesetzlichen Grund zur Auflösung des Vertrages gebe, den Unternehmer doch gewisser­ maßen zu nötigen, den Vertrag zur Auflösung zu bringen; auch in solchen Fällen müsse der Unternehmer dann den Schutz der Kon­

kurrenzklausel entbehren. Neu ist auch die Vorschrift, daß der An­ spruch auf Innehaltung der Konkmrenzklausel oder auf Ersatz des dem Unternehmer durch die Konkurrenz entstandenen Schadens dany ausgeschlossen ist, wenn von dem Angestellten für den Fall, daß er die Verpflichtung, sich der Konkurrenz zu enthalten, nicht erfüllt, eine Strafe versprochen wird.

In diesem Falle kann der Unternehmer nur

140

die verwirkte Strafe verlangen, die übrigens durch den Richter noch

herabgesetzt werden kann, falls sie nach

dessen

Ermessen als unver­

hältnismäßig hoch erscheint. Man befürchtet, daß auch diese Vorschriften schwere Schädigungen der Industriellen mit sich bringen können, da einer unlauteren Kon­ kurrenz nunmehr die Möglichkeit gegeben ist, nach Zahlung der Konventionalstrafe

die Betriebsgeheimnisse

des konkurrierenden Be­

triebes auszunutzcn, dem sie den Angestellten wegengagiert.

Die neuen Bestimmungen, in denen der Gewerbsunternehmer den Schutz der Konkurrenzklausel verlieren soll, finden dann keine Anwendung, wenn die Angestellten ein Gehalt von mindestens 8000 M. für das Jahr beziehen. Selbstverständlich gilt diese Be­ schränkung nicht für denjenigen Fall, in dem der Gewerbsunternehmer durch vertragswidriges Verhalten seinerseits dem Angestellten Grund gibt, das Dienstverhältnis aufzulösen. Eine Herabsetzung dieser Grenze auf 5000 M. wird gefordert. Die neuen Vorschriften finden vom

1. Januar 1910 ab auch auf die schon vor ihrem Inkrafttreten getroffenen Vereinbarungen Anwendung; sie können durch Vereinbarungen nicht zuungunsten der Angestellten abgeändert werden.

VI. Meränberungen des Gettungsumfanges der Arveiterschutzvestimmungen. Die Schutzbestimmungen der Gewerbeordnung über die Be­ schränkung der Lohnverwirkung, die Arbeitslöhne und die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter finden gegenwärtig nur auf Fabriken Anwendung. Da die Beurteilung der Frage, ob es sich im einzelnen Falle um eine Fabrik handelt, dem subjektiven Er­ messen einen breiten Spielraum läßt und die Meinungen darüber

weit auseinandergehen, so hat sich in immer steigendem Maße eine Unsicherheit über die Abgrenzung der Arbeiterschutzvorschriften ergeben. Eine klare Abgrenzung des Geltungsbereichs der Arbeiterschutz­ vorschriften erscheint daher den verbündeten Regierungen notwendig, um so mehr, als die Berner Konvention vom 26. September 1906 verlangt, daß ihre Bestimmungen mindestens auf Betriebe Anwendung finden sollen, in denen mehr als zehn Arbeiter beschäftigt werden, so daß auch hier wieder eine neue Grenze für die Schutzbestimmungen eingeführt wird. Die bisherige Unsicherheit erscheint um so be­ denklicher, als die Zuwiderhandlung gegen die Schutzbestimmungen mit zum Teil hohen gerichtlichen Strafen bedroht ist.

141

Aus allen diesen Gründen schlagen die verbündeten Regierungen daher vor, den Unterschied zwischen Fabrik und Werknätte völlig aus­ zuschalten und lediglich die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeiter für die Anwendung der Arbeiterschutzbestimmungen als maß­ gebend zu erklären. Als Norm soll dabei gelten, daß die Zahl von mindestens zehn Arbeitern als hinreichend, aber auch als untere Grenze für die ausnahmslose Anwendung der Arbeiterschutzbestimmungen

anzusehen sei. Demgemäß

soll

an

Stelle

der

bisherigen

Ueberschrift

des

Abschnittes IV des Titels 7 der Gewerbeordnung IV. Verhältnisse der Fabrikarbeiter

folgende neue Ueberschrift treten: IV. Besondere Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden.

Als solche Betriebe sollen übrigens auch diejenigen gelten, in denen nur zu gewissen Zeiten des Jahres zehn Arbeiter beschäftigt werden, wenn bisse Vermehrung der Arbeiterzahl bis auf zehn darauf beruht, daß ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis zu gewissen Zeiten des Jahres für diese Betriebe regelmäßig eintritt. Die Industrie dürste gegen diese Neuordnung Einwendungen nicht zu erheben haben, da sie seit langem eine klare Abgrenzung gegenüber dem Handwerk für notwendig gehalten hat. Der Rechts­ zustand wird aber auch künftighin doch recht verwickelt bleiben. Wir geben hierunter eine tabellarische Darstellung des künftigen Rechts­

zustandes; der Arbeiterschutz findet Anwendung auf:

A. Alle gewerblichen Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden. Ausnahmen: 1. Apotheken, 2. Handelsgeschäfte, 3. Gärtnereien,

4. Bauten, 5. Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe, 6. Musikaufführungen, 7. Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder

sonstige Lustbarkeiten, teilweise:

8. Berkehrsgewerbe, 9. Bäckereien und ein Teil der Konditoreien (be­ freit von den Vorschriften der §§ 135, 2,3; 136; 138), 10. Badeanstalten (§ 137, Abs. 1).

Absatz

142

B. Gesetzliche Erweiterungen: a) in jedem Falle, auch wenn weniger als zehn Arbeiter

beschäftigt werden, stehen unter den Vorschriften des Arbeiterschutzes. 1. Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, 2. unterirdisch betriebene Brüche und Gruben,

3. 4. 5. 6. 7.

Hüttenwerke, Zimmcrplätze und andre Bauhöfe, Werften, Werkstätten der Tabakindustrie, Werkstätten, in welchem durch elementare Kraft be­ wegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Ver­

wendung kommen. Ausnahme zu 7: Durch Beschluß des Bundesrats können gewisse Arten von Betrieben von den Vorschriften der §§ 135, Abs. 2,3; 136, 137, Abs. 1-4, 138 befreit werden.

b) soweit in den Betrieben in der Regel mindestens fünf Arbeiter beschäftigt werden: 1. Ziegeleien, 2. über Tage betriebene Brüche und Gruben. C. Zulässige Erweiterungen. Die Arbeiterschutzbestimmungen können durch Beschluß des Bundesrats ganz oder teilweise ausgedehnt werden: 1'. auf alle Bauten, 2. auf alle Werkstätten. Ausnahme zu B. und C.; Den Vorschriften der §§ 133i, 135 bis 139 b unterstehen nicht, 1. Werkstätten, in denen weniger als zehn Arbeiter beschäftigt

werden,

sofern

dies

ausschließlich

zur Familie

des

Arbeitgebers gehörige Personen sind, 2. Werkstätten, in welchen eine oder mehrere Personen

gewerbliche Arbeiten verrichten, ohne von einem den Werkstättenbelrieb leitenden Arbeitgeber beschäftigt zu sein. vn.

Erweiterung des Schuhes zugunsten der Arbeiterinnen. 1. Die Berner Konvention vom 26. September 1906 ordnet die Einführung einer elfstündigen, ununterbrochenen Nachtruhe für Frauen an, die in gewerblichen Betrieben beschäftigt sind. Durch einen Zusatz zu § 137 der Gewerbeordnung wird diese Vorschrift der Berner Kon«

143

vention in das deutsche Recht

eingeführt.

Sie wird gleichzeitig ein

wenig erweitert, da nach der Konvention das Verbot der Nachtarbeit der Arbeiterinnen nur auf diejenigen gewerblichen Betriebe Anwendung findet, in denen mehr als zehn Arbeiter beschäftigt werden, während nach deutschem Recht dieses Verbot schon dann Anwendung finden soll, wenn in dem Betriebe in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden. Ausnahmen von dem Verbot der Nachtarbeit waren bisher für Fabrikationszweige zugelassen, in denen regelmäßig zu gewissen Zeilen des Jahres ein vermehrtes Arb>itsbedürfnis eintritt; doch durfte die Erlaubnis zur Nachtarbeit für mehr als 40 Tage im Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit so geregelt wurde, daß ihre täg­ liche Dauer im Durchschnitte der Betriedstage des Jahres die regel­ mäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschritt. Jetzt soll in Ueberein­ stimmung mit der Berner Konvention -die Möglichkeit gegeben werden,

Ausnahmen bis zu 60 Tagen im Jahre zuzulassen. Weitere Aus­ nahmen dürfen aber überhaupt nicht gewährt werden. In der ununterbrochenen Ruhezeit, die den Arbeiterinnen auch während dieser 60 Tage gewährt werden muß, müssen die Stunden zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens liegen, und die Ruhe­ zeit darf niemals weniger als zehn Stunden betragen. Allgemein kann der Bundesrat auch hier, in Uebereinstimmung mit der Berner Konvention, von dem Verbot bei Nachtai beit für solche Eewerbszweige absehen, in denen die Nachtarbeit zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeug­ nissen dringend erforderlich erscheint. 2. Bisher war für die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre eine Höchstdauer von elf Stunden täglich bestimmt worden.

An den Vorabenden der Sonn- und Festtage durfte nur höchstens zehn Stunden gearbeitet werden. Vom 1. Januar 1910 ab wird die Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit für Arbeiterinnen auf zehn Stunden beschränkt werden. Lassen besondere Verhältnisse es erwünscht erscheinen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen in einer andern Weise geregelt wird, so kann vom 1. Januar 1910 an auf besonderen Antrag zwar eine anderweitige

Regelung durch den Reichskanzler gestatt, t werden, doch darf auch dann die Dauer der Beschäftigung elf Stunden täglich und 60 Stunden in der Woche nicht übersteigen. Vom 1. Januar 1910 an fallen alle Ausnahmebestimmungen, welche die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeiterinnen auf mehr als 60 Stunden festsetzen, fort.

Insbesondere wird auch in Ziegeleien die

144 wöchentliche Arbeitszeit von 70 auf 60 Stunden herabgesetzt.

Al»

Ausnahmen bleiben nur folgende bestehen: a) Für Gewerbszweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, darf die

tägliche Arbeitszeit vom 1. Januar 1910 an bis zu zwölf Stunden ausgedehnt werden, doch darf diese Ausnahme zu­ sammen mit der Nachtarbeit der Arbeiterinnen für den einzelnen Betrieb nicht an mehr als 60 Tagen im Kalenderjahre statlfinden. b) Allgemein darf eine Abweichung von dem Maximalarbeitstage nach Beschluß des Bundesrates in solchen Gewerbszweigen erfolgen, in denen die Verrichtung der Nachtarbeit zur Ver­ hütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen dringend erforderlich ist. In diesen Gewerbszweigen ist also sowohl die Nachtarbeit wie eine Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden täglich zulässig, auch kann non der Vorschrift, daß den Arbeiterinnen zwischen den Arbeitsstunden eine mindestens einstündige Mittagspause ge­ währt werden soll, hier dispensiert werden. c) Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf An­ trag des Arbeitgebers die Verwaltungsbehörde die Be­ schäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre bis zehn Uhr abends an den Wochentagen außer Sonnabends unter der Voraussetzung gestatten, daß die zu gewährende ununter­ brochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. Vom 1. Januar 1910 an darf außerdem die tägliche Arbeits­ zeit auch in diesem Falle zwölf Stunden nicht überschreiten. Bis dahin ist es gestattet, die tägliche Arbeitszeit bis zu dreizehn Stunden auszudehnen.

Innerhalb eines Kalender­

jahres darf die Erlaubnis einem Arbeitgeber für seinen Be­ trieb oder für eine Abteilung seines Betriebes für mehr als 60 Tage nicht erteilt iverden.

Die Durchführung der Vorschriften der Berner Konvention über das Verbot der Nachtarbeit wird nicht zu beanstanden sein. Zu der

Einführung

des

zehnstündigen

Maximalarbeitstages

für

die

Ar­

beiterinnen hat der Centralyerband in seiner Sitzung vom 28. Ok­ tober 1907 Stellung genommen. Es heißt dort (VI d und e): Ebenso betrachtet der Centralverband Deutscher Industrieller mit schweren Bedenken di.e Bestrebungen, die bestehende Höchst­ arbeitszeit für Arbeiterinnen gesetzlich. noch weiter zu beschränken. Diese Bestrebungen berühren vor allem, aber durchaus nicht allein, die Textilindustrie.

145 Die Gewißheit, daß jede

Verkürzung der Arbeitszeit in den

Spinnereien in vollem Umfange, in den Webereien und übrigen Zweigen der Textilindustrie jedenfalls teilweise

den die

Produktionskosten erhöht, die Gefahr, daß der Wettbewerb der deutschen Textilindustrie gegen das Ausland sich in Zukunft

ungünstig gestaltet, alle diese Umstände lassen eine gesetzliche Ver­ kürzung der Arbeitszeit der Arbeiterinnen als ein wirtschaftlich

gefährliches

Vorgehen

erscheinen,

demgegenüber

es

entschieden

vorzuziehen wäre, es der Industrie zu überlassen, ob sie, wie bisher, da, wo die Verhältnisse es irgend gestatten, freiwillig auf

eine kürzere Arbeitszeit übergehen will. Sollte aber aus Gründen, die außerhalb des Kreises der wirtschaftlichen Tatsachen gelegen sind, und vielleicht dem Gebiete politischer Erwägungen angehören, eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit vorgenommen werden, so kann ihre Einführung, damit die Industrie sich auf die veränderten Verhältnisse einzurichten vermag, nur allmählich mit einer langen Uebergangsfrist erfolgen, als welche ein Zeitraum von mindestens vier Jahren angemessen erscheint, sowie nur unter sorgfältigster Berücksichtigung der Eigen­ art der einzelnen Industrien, wobei jedenfalls weitgehende Aus­ nahmevorschriften notwendig sein werden. Dem Verlangen, daß der Industrie eine mindestens vierjährige Uebergangszeit gewährt werde, ist leider nicht entsprochen worden, vielmehr wird nur eine einjährige Uebergangszeit vom Inkrafttreten des Gesetzes und selbst von der Verabschiedung des Gesetzes an höchstens eine 15/? jährige Frist zugestanden. Das ist zweifellos für

die Industrie eine zu geringe Zeit, um sich ohne Schädigung auf die neuen Verhältnisse einzurichten.

Daß jetzt die Möglichkeit gegeben wird, bis auf die Zeit von 60 Tagen im Jahre Ausnahmen gewährt zu erhalten, während dies

bisher nur für 40 Tage zulässig war,

wird

an und für sich begrüßt

werden müssen,

dagegen dürfte es bedenklich sein, daß eine Ueberschreitung dieser Grenze nunmehr überhaupt nicht mehr zulässig ist. Die Regelung der Maximalarbeitszeit für Arbeiterinnen hat gleichfalls zu Bedenken Anlaß gegeben. Es wird darauf aufmerksam

gemacht, daß die Industrie im allgemeinen die Möglichkeit, einzelne Betriebe unter besondere Vorschriften zu stellen, nicht für wünschens­ wert hält, weil dadurch die Konkurrenzverhältnisse zugunsten dieser Betriebe verschoben werden. Die Begründung führt an, daß die Maximalarbeitswoche in einzelnen Betrieben insbesondere da an Stelle der zehnstündigen Arbeitszeit gewährt werden soll, wo die zweckmäßige Heft 108.

146

Ausnutzung der Maschinen dies erwünscht erscheinen läßt. Das Bedürfnis, größte Freiheit in der Ausnutzung der Maschinen zu haben, liegt aber, wie angeführt wird, für alle Betriebe vor. Es ist vorgeschlagen, darauf hinzuwirken, daß die Befugnis des Reichskanzlers nicht für einzelne Betriebe, sondern nur für ganze Gewerbszweige oder gewisse Gegenden gewährt werden soll. Anderseits muß hervorgehoben werden, daß innerhalb der Textil-Jndustric Verschiedenheiten der Auffassung bestehen. Ein Teil der Textil-Industriellen wünscht, sofern einmal der Maximalarbeitstag für Arbeiterinnen verkürzt werden soll, die 60 stündige Arbeitswoche, ein andrer den zehnstündigen Maximalar­ beitstag als dasjenige, was noch am meisten den Bedingungen des Betriebes entspreche.

Vlll.

Erweiterung des Schutzes der jugendlichen Arbeiter «nd Arbeiterinnen. Durch die Berner Konvention ist die elfstündige ununterbrochene Nachtruhe für alle Arbeiterinnen, also selbstverständlich auch für die jugendlichen Arbeiterinnen, angeordnet worden. Der Entwurf schlägt vor, diese Ruhezeit von mindestens elf Stunden auch den männlichen jugendlichen Arbeitern zu garantieren. Nach § 139a Absatz 2 soll aber die Möglichkeit gegeben werden, daß für männliche jugendliche Arbeiter in Anlagen, die mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder die sonst in der Art des Betriebes auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie in Anlagen, deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten mit gleicher Dauer

nicht gestattet, oder aber in denen der Betrieb seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, durch Beschluß des Bundesrates

Ausnahmen können.

von

der ununterbrochenen

Ruhezeit zugelassen werden

Die Ruhepausen der jugendlichen Arbeiter während der Ar­ beit bleiben unverändert. Dies wird, aus der Industrie heraus, nicht gebilligt, da im Zusammenhang mit der Herabsetzung der höchsten Arbeitszeit für Arbeiterinnen auf zehn Stunden durch diese Pausen die Arbeitszeit der Jugendlichen tatsächlich auf neun Stunden herab­ gesetzt wird. Die Verschiedenheit der Arbeitszeit der Jugendlichen

und der Arbeiterinnen führt überall da, wo beide Kategorien zu­ sammenarbeiten, zu großen Unzuträglichkeiten und läßt befürchten, daß die Arbeitsgelegenheit für die Jugendlichen beschränkt wird.

147 IX.

Hausarbeit, ötachdem bereits im Frühling des Jahres 1907 dem Reichstage ein Gesetzentwurf über die Regelung der Hausarbeit in der ZigarrenJndustrie vorgelegt worden ist, will die Regierung nunmehr eine Grundlage dafür schaffen, allgemein in der Hausindustrie die Möglich­ keit zur Bekämpfung der Uebelstände in solchen Geiverbszweigen zu gewinnen, die mit besonderen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter verbunden sind. Bedauerlich ist, daß die

Regierung es nicht für notwendig gehalten hat, ihre Vorschläge durch tatsächliches Material zu begründen. Daher bewegen sich die Motive lediglich in allgemeinen und theoretischen Erörterungen, ohne Den Nachweis zu erbringen, daß die Notwendigkeit für die teil­ weise doch recht weitgehenden Ermächtigungen, welche dem Bundsrat und den Verwaltungsbehörden gegeben werden sollen, wirklich vorliegt. Es ist dies um so mehr zu beklagen, als zwar in weiten Kreisen die Empfindung besteht, daß in der Hansindustrie nach mancher Richtung hin Besserungen notwendig sind, wie dies ja auch in dem Beschlusse der Delegierten-Bersammlung des Centralverbandes vom 28. Oktober 1907 anerkannt worden ist, als aber anderseits doch auch gerade die angeblichen Mißstände in der Hausindustrie zum Gegenstände einer einseitigen, agitatorischen und sozial-theoretischen Bekämpfung gemacht worden sind. Es ist nicht zu ersehen, weshalb die Regierung nicht zunächst eine umfassende Untersuchung darüber angestellt und deren Ergebnisse der Oeffentlichkeit vorgelegt hat, nach welchen Richtimgen hin und in welchem Umfange sie Mißstände in der Haus­ industrie als festgestellt ansieht. Es würde doch heißen, die Sorgfalt und Unparteilichkeit der Reichsregierung sehr gering einschätzen, wenn man annehmen wollte, daß irgendwie die tendenziös zusammengestellte Heimarbeitsausstellung in Berlin den Anstoß zu den jetzigen gesetz­ geberischen Maßnahmen gegeben hätte. Auch alle von privater Seite angestellten Enqueten leiden an Unvollständigkeit und Einseitigkeit, und es ist gefährlich, daraufhin gesetzgeberische Maßnahmen zu gründen,

die in die Lebensverhältnisse gerade der bedürftigsten Schichten des deutschen Volkes ungemein scharf einzugreifen bestimmt sind. Den Vorschriften für die Hausarbeit sollen solche Werkstätten unterstellt werden, in denen 1. der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Per­ sonen beschäftigt. Hier sollen sowohl der Arbeitgeber wie die

von

ihm

beschäftigten

Personen

als

Hausarbeiter

gelten,

148 wobei es nicht darauf ankommen soll, ob zwischen den Parteien ein formeller gewerblicher Arbeitsvertrag abgeschlossen ist, sondern es genügt schon, wenn die Familienangehörigen dem Arbeitgeber bei der Arbeit tatsächlich helfen. Es sei dabei darauf aufmerksam gemacht, daß schon aus der Tabak-

Industrie auf eine Lücke, die hier besteht, hingewiesen worden ist. Es wird nicht zu selten vorkommen, daß für kürzere Zeit auch ein Fremder für die Mitarbeit hinzugezogen wird. Sollen um deswillen die Vorschriften für die Hausarbeit außer Kraft gesetzt werden? 2. Ferner sollen unter die neuen Vorschriften solche Werkstätten fallen, in denen eine oder mehrere Personen gewerbliche Arbeit verrichten, ohne von einem den Werkstattbetrieb leitenden Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Hier sollen einmal diejenigen Fälle getroffen werden, in denen die Heimarbeiter als Allein­ arbeiter tätig sind, sei es, daß sie für einen „Verleger" arbeiten, oder aber ihre Ware unmittelbar an den Verbraucher absetzen, also kleine Einzelunternehmer sind. Sodann fallen hierunter diejenigen Fälle, in denen mehrere selbständig nebeneinanderstehende Arbeiter in derselben Werkstätte für einen oder mehrere Unternehmer tätig sind. Kennzeichnend für alle diese Kategorien ist der Umstand, daß sie gewerbliche Arbeit verrichten, ohne von einem Arbeit­ geber beschäftigt zu sein, der selbst oder durch einen Beauftragten den Werkstattsbetrieb leitet. Als Werkstälte sollen auch die Räume gelten, die zum Schlafen, Wohnen oder Kochen dienen, wenn darin gewerb­ liche Arbeit verrichtet wird. Ebenso fallen im Freien gelegene

gewerbliche Arbeitsstellen unter die Vorschriften, sofern sonst

die Voraussetzung des Entwurfs gegeben ist. Die Bekämpfung der Mißstände der Hausaibeit versucht der Entwurf nun auf fünf verschiedene Weisen durchzuführen. 1. Für Gewerbezweige, die mit besonderen Gefahren für Leben

oder Gesundheit verbunden sind, können die Polizeibehörden für einzelne Werkstätten beschränkende Verfügungen erlassen und verlangen, daß in diesen Werkstätten gewisse Schutzmaß­ regeln

durchgeführt

werden.

Diese

Schutzmaßregeln

sind

folgende: a) Die Werkstätten, einschließlich der Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften, niüssen so eingerichtet

und unterhalten werden, daß

die Hausarbeiter gegen

149 Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Natur des Betriebs gestattet. Ins­ besondere ist für genügendes Licht, ausreichenden Luft­

Gefahren für Leben und

raum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb

entstehenden Staubes,

der dabei entwickelten

Dünste

und Gase sowie der dabei entstehenden Abfälle Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen her­ zustellen, welche zum Schutze gegen gefährliche Be­ rührungen mit Maschinen oder Maschinenteilen oder

gegen andre in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebs liegende Gefahren erforderlich sind. Dabei ist auf die Gesundheit der Arbeiter unter 18 Jahren diejenige besondere Rücksicht zu nehmen, welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten wird. b) Arbeiten, bei denen dies zur Verhütung der sonst mit ihnen verbundenen Gefahren für Leben oder Gesundheit erforderlich erscheint, dürfen nur in solchen Räumen verrichtet werden, welche ausschließlich hierfür benutzt werden. c) Für Gewerbezweige, die der Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung von Nahrungs- oder Genußmitteln dienen, kann außerdem angeordnet werden, daß die Werkstätten und Lagerräume, einschließlich der Betriebs­ vorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften so ein­ gerichtet und unterhalten werden, und der Betrieb so geregelt wird, daß Gefahren für die öffentliche Gesund­ heit ausgeschlossen sind. Außerdem kann verlangt werden, daß Räume, in denen Nahrungs- oder Genuß­

mittel hergestellt oder verarbeitet werden, zu bestimmten andern Zwecken (z. B. als Schlafräume oder als

Krankenzinlmer usw.) nicht benutzt werden dürfen. Gegen die Verfügungen der Polizeibehörde soll nur binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Ver­ waltungsbehörde, die endgültig entscheidet, gegeben sein.

Diese Vorschriften entsprechen im allgemeinen den für die Industrie gegebenen Bestimmungen der §§ 120a und folgende der Gewerbeordnung. Nach der Begründung erscheint es

nicht zweckmäßig, für Beschwerden gegen die hier in Betracht kommenden geringfügigen Anordnungen einen Instanzen­ zug bis zur Landes-Zentralbehörde vorzusehen: eine etwas merkwürdige Auffassung, da es sich unter Umständen um die

150 Existenz des Heimarbeiters handelt. ES scheint daher richtig, daß dem Heimarbeiter jedenfalls mindestens derselbe Be­ schwerdeweg, wie ihn § 120d gewährt, zugestanden wird. 2. Durch Beschluß des Bundesrats können allgemeine Vor­

schriften darüber erlassen werden,

welchen Anforderungen in

bestimmten Arten der Werkstätten zur Durchführung der Maß­

nahmen zum Schutz für Leben und Gesundheit zu genügen ist. Erläßt der Bundesrat derartige allgemeine Vorschriften nicht, so können sie durch Anordnungen der Landes-Zentral­ behörde oder auch Polizeiverordnungcn der zuständigen Polizei­ hörde erlassen werden. Diese Bestimmungen entsprechen dem § 120e der Gewerbeordnung. 3. Nach der Begründung erklären sich die vielfach äußerst niedrigen Löhne in der Hausarbeit nur zum Teil durch das Ueberangebot von Arbeitskräften, durch die geringe Leistungs­ fähigkeit vieler durch Krankheit, Invalidität oder Alter erwerbs­ beschränkter Hausarbeiter oder durch den Wettbewerb solcher Frauen und Mädchen, die sich nur einen Nebenverdienst oder ein Taschengeld erwerben wollen. Zum Teil bietet auch die Vereinzelung der Hausarbeiter gewissenlosen Unternehmern die Möglichkeit, dadurch die Löhne zu drücken, daß sie die Arbeiter in Unkenntnis über die andern Arbeitern gezahlten Löhne lassen. Ein solches Verfahren führt namentlich den­ jenigen Hausarbeitern gegenüber leicht zum Ziele, welche in dem Gewerbezweige erst kürzere Zeit tätig und daher über die Lohnverhältnisse noch nicht hinreichend unterrichtet sind. Diesem Mißstande wird dadurch Rechnung getragen werden können, daß der Aushang von Verzeichnissen über die jeweilig gezahlten Löhne angeordnet wird. Die Befugnis, für bestimmte Ge­

werbe den Aushang solcher Verzeichnisse vorzuschreiben, soll dem Bundesrate übertragen werden, da auch nach Auffassung der verbündeten Regierungen die Durchführbarkeit dieser Maßregeln für die einzelnen Gewerbe zunächst noch eingehend geprüft werden muß. Die Vorschrift ist jedenfalls nicht un­

bedenklich, und gerade hier würde es notwendig gewesen sein, eine derartige Maßregel eingehender als mit der all­ gemeinen Behauptung zu begründen, daß gewissenlose Arbeit­

geber Lohndrückerei versuchen. Es wird zu prüfen sein, ob hier nicht größere Kautelen gegen überflüssige Beschränkungen der Industrie zu verlangen sind. Zweifellos werden die veröffentlichten Lohnsätze auch einen Gegenstand gewerk-

151 schastlicher Agitation bilden und dazu führen, daß in der Arbeiterschaft unberechtigte Unzufriedenheit entsteht, weil nun­ mehr Gelegenheit gegeben ist, die Löhne verschiedener Gegenden und Industrien miteinander in Vergleich zu setzen. Dies

wird geschehen, ohne dabei die Verschiedenheit der Lebens­ verhältnisse und der Anforderungen der einzelnen Industrien an

Körperkraft und Geschicklichkeit der Arbeiter zu berücksichtigen. 4. Für die Durchführung der einzelnen Anordnungen soll in denjenigen Fällen, in denen mehrere Heimarbeiter in einer Werkstatt selbständig nebeneinander arbeiten, derjenige ver­ antwortlich sein, welcher das Derfügungsrecht über den als

Werkstätte benutzten Raum hat. Außerdem werden aber auch den Gewerbetreibenden, welche außerhalb ihrer Arbeitsstätte in Werkstätten gewerbliche Arbeit verrichten lassen, d. h. welche Heimarbeiter beschäftigen, gewisse Verpflichtungen auferlegt, sofern für die Art der von ihnen benutzten Heimarbeit vom

Bundesrat (über der Landes-Zentralbehörde oder von der zu­ ständigen Polizeibehörde) allgemeine Vorschriften erlassen sind. ")

a) Diese Gewerbetreibenden

haben ein Verzeichnis der­ jenigen Personen, denen Hausarbeit übertragen ist, unter Angabe der Werkstätte dieser Personen zu führen. Das Verzeichnis ist der Ortspolizeibehörde sowie den Gewerbe­ aufsichtsbeamten auf Erfordern jederzeit zur Einsicht vorzulegen oder einzureichen.

b) Sie müssen sich in angemessenen Zwischenräumen, min­ destens halbjährlich, persönlich oder durch Beauftragte davon unterrichten, daß die Einrichtung und der Be­ trieb der Werkstätten, in denen Hausarbeit stattfinde den gestellten Anforderungen entspricht.

c) Sie dürfen, sofern die Beschaffung eines Ausweises dar­ über vorgeschrieben ist, daß die Räume, in denen die Arbeit verrichtet wird, den an sie gestellten Anforde­ rungen genügen, Hausarbeit nur für solche Werkstätten ausgeben, für welche ihnen dieser Ausweis vorgelegt wird.

Vernachlässigung dieser Verpflichtungen kann mit Geld­ strafe bis zu 30 Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu 8 Tagen geahndet werden. Wird von dem Gewerbe­

treibenden Hausarbeit nach solchen Werkstätten gegeben,

von

denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß

*) Benil. oben Rr. 2.

152 ihre Einrichtung oder ihr Betrieb den uom Bundesrat oder den andern zuständigen Stellen erlassenen Vorschriften nicht entspricht, so kann Geldstrafe bis zu 150 M. und im Wieder­ holungsfälle sogar bis zu 300 M. oder Haft bis zu 4 Wochen festgesetzt werden.

5. Durch Beschluß des Bundesrats und, falls ein solcher nicht erlassen ist, durch Anordnung der Landes-Zentralbehörde, ja sogar durch Polizeiverordnungen der zuständigen Polizeibehörde, kann die Verrichtung solcher Arbeiten in der Hausarbeit ver­

boten werden, welche mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der Hausarbeiter oder für die öffentliche Gesundheit verbunden sind. Die Begründung sagt dazu, daß diese Ermächtigung zu völligem Verbot gewisser Arbeiten in der Hausindustrie überall da notwendig sei, wo

angesichts der bestehenden Gesundheitsgefahren nicht geduldet werden kann, daß Wohn- oder Schlafräume nahe an den Arbeitsräumen liegen. Dieselbe Befugnis sei auch dann er­ forderlich, wenn die Beschäftigung von Frauen und jugendlichen Arbeiterinnen nicht zulässig erscheine, ohne daß eine gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit stattfinde, während doch diese Begrenzung angesichts der Schwierigkeit der Kontrolle nicht durchführbar sei. Endlich lasse sich auch ein ausreichender Schutz gegen Gefahren für die Sittlichkeit nur auf dem in Aussicht genommenen Wege des Verbotes durchführen.

der Hausarbeit

Es mag zugegeben werden, daß in einzelnen Fällen die Be­ kämpfung vorhandener Mißstände nur durch das Verbot der Haus­ arbeit ausführbar ist. Auf das schärfste wird aber dagegen zu pro­ testieren sein, daß eine solche Maßnahme durch Polizeiverordnungeu einer untergeordneten Polizeibehörde eingeführt werden darf. Sofern

nicht in solchen Fällen eine Spezialgesetzgebung das Verbot ausspricht,

was grundsätzlich wohl das richtigste wäre, dürfte diese Maßnahme nur dem Bundesrate und keiner andern Instanz überlassen werden. Es ist doch nicht einzusehen, weshalb hier örtliche Verschiedenheiten maßgebend sein sollen. Sind die Mißstände in einer Hausindustrie

so erheblich, daß nur das Verbot der Hausarbeit ihre Heilung herbei­ zuführen vermag, so muß ein solches Verbot für das ganze Reichs­ gebiet ergehen. Im andern Falle werden die Industrie und die Haus­ arbeiter den wechselnden Ansichten, sowie den subjektiven Anschauungen

einzelner Behörden und Beamten preisgegeben werden. Aber auch selbst dann, wenn die Verhältnisse in einzelnen Teilen des Reichs ver-

153 schieden liegen sollten, müßte verlangt werden, daß diese tiefeingreifende

Maßnahme des Verbotes der Hausarbeit nur dem Bundesrate ge­ stattet werde, da in gleicher Weise wie im § 139 a auch hier dem Bundesrate die Ermächtigung gegeben werden könnte, seine Vorschriften

für bestimmte Bezirke zu erlassen.

Die Aufsicht über die Durchführung der Schutzvorschriften in der Hausarbeit ivird den Polizeibehörden oder den Gewerbeaufsichtsbeamten zugewiesen; sie kann aber durch Bundesratsbeschluß Landesregierung auch anders geregelt werden.

oder durch die

X.

Nach der Begründung sind die Strafen, die von den Gerichten wegen Zuwiderhandlungen gegen die Arbeiterschutzgesetze verhängt iverden, größtenteils auffallend niedrig und stehen häufig in feinem richtigen Verhältnisse zu den Ersparnissen, die dem bestraften Unter­ nehmer aus der Zuwiderhandlung erwachsen sind. Seit Jahren wird hierüber von den Gewerbeaufsichtsbeamten geklagt. Den verbündeten Regierungen erscheint es deshalb geboten, durch eine Erhöhung des Strafmaßes unter gleichzeitiger Einführung eines erhöhten Mindest­ strafsatzes für wiederholte Zuwiderhandlungen gegen wichtige Arbeiter­ schutzvorschriften dafür zu sorgen, daß Unternehmer, die auch durch eine zweimalige Bestrafung noch nicht zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten gegen die Arbeiter veranlaßt werden können, durch empfindliche Strafen

von der weiteren Uebertretung der Arbeiterschutzgesetze abgehalten werden. Es werden neue Strafbestimmungen eingeführt, nach denen namentlich auch die Haftstrafe als prinzipielle Strafe zur Anwendung kommen soll. Es wird

verwiesen.

auf die neuen Vorschriften zum § 146,

146 a und 148

154

Die Gewerbeordnung in ihrer jetzt gültigen Fassung.

§ 113 Abs. 1. Beim Abgänge können die Arbeiter ein Zeugnis über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern.

§ 114a. Für bestimmte Gewerbe kann der Bundesrat Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben. In diese sind von dem Arbeitgeber oder dem dazu Bevollmächtigten einzutragen: 1. Art und Umfang die Stückzahl;

der übertragenen Arbeit,

2. die Lohnsätze; 3. die Bedingungen für die Lieferung von Stoffen zu den übertragenen Arbeiten.

bei Akkordarbeit

Werkzeugen

und

Der Bundesrat kann bestimmen, daß in die Lohnbücher oder Arbeitszettel auch die Bedingungen für die Gewährung von Kost und Wohnung einzutragen sind, sofern Kost oder Wohnung als Lohn oder Teil des Lohnes gewährt werben sollen.

Auf die Eintragungen finden die Vorschriften des § 111 Abs. 2

bis 4 entsprechende Anwendung. Jetzige Fassung.

155

Der Entwurf zur Gewerbeordnung, der dem Reichstage am 1. Dezember 1907 vorgelegt worden ist.

§ 113 A b s. 1. Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, im Falle der Kündigung von dieser an, können die Arbeiter ein Zeugnis über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern.

§ 114a. Für bestimmte Gewerbe kann der Bundesrat Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben und die zur Ausführung erforderlichen Vorschriften erlassen. In die Lohnbücher oder Arbeitszettel sind von dem Arbeitgeber oder dem dazu Bevollmächtigten einzutragen: 1. der Zeitpunkt der Uebertragung von Arbeit, Art und Umfang der übertragenen Arbeit, bei Akkordarbeit die Stückzahl; 2. die Lohnsätze; 3. die Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugen und Stoffen zu den übertragenen Arbeiten; 4. der Zeitpunkt der Ablieferung der Arbeit, Art und Umfang der abgelieferten Arbeit; 3. der zur Auszahlung gelangende Lohnbetrag unter Angabe der etwa vorgenommenen Abzüge; 6. der Tag der Lohnzahlung. Der Bundesrat kann bestimmen, daß in die Lohnbücher oder Arbeitszettel auch die Bedingungen für die Gewährung von Kost und Wohnung einzutragen sind, sofern Kost oder Wohnung als Lohn oder Teil des Lohnes gewährt werden sollen. Im übrigen sind noch solche Eintragungen zulässig, welche sich auf den Namen, die Firma und den Nieder­ lassungsort des Arbeitgebers, den Namen und Wohnort des Arbeiters, die übertragenen Arbeiten und die dafür ver­ einbarten oder gezahlten Löhne beziehen. Auf die Eintragungen finden die Vorschriften des § 111 Abs. 3, 4 entsprechende Anwendung.

Entwurf.

156 Das Lohnbuch oder der Arbeitszettel ist von dem Arbeitgeber auf seine Kosten zu beschaffen und dem Arbeiter nach Vollziehung der vorgeschriebenen Eintragungen vor oder bei der Uebergabe der Arbeit

kostenfrei auszuhändigen.

Die Lohnbücher sind mit einem Abdruck der Bestimmungen der

§§ 115 bis 119a Abs. 1 und des § 119b zu versehen. Im übrigen wird die Einrichtung der Lohnbücher durch den Reichskanzler bestimmt.

Auf die von dem Bundesrate getroffenen Anordnungen findet die Bestimmung im § 120 e Abs. 4 Anwendung. § 120 Abs. 3. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines wei­

teren Kommunalverbandes (§ 142) kann für männliche Arbeiter unter achtzehn Jahren sowie für weibliche Handlungsgehilfen und -lehrlinge unter achtzehn Jahren die Verpflichtung zum Besuch einer Fortbil­ dungsschule, soweit diese Verpflichtung nicht landesgesetzlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden.

Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen be­ freit, welche eine Jnnungs- oder andre Fortbildungs- oder Fachschule

besuchen,

sofern der Unterricht dieser Schule von der höheren Ver­

waltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fort­ bildungsschulunterrichts anerkannt wird.

§ 120e. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von AnJetzige Fassung.

157 Das Lohnbuch oder der Arbeitszettel ist von dem Arbeitgeber auf seine Kosten zu beschaffen und dem Arbeiter sofort nach Voll­ ziehung der vorgeschriebenen Eintragungen kostenfrei auszuhändigen. Die Eintragungen sind von dem Arbeitgeber oder dem dazu be­ vollmächtigten Betriebsleiter zu unterzeichnen. Sofern nicht der Bundesrat anderweite Bestimmungen trifft, sind die in Ziffer 1 bis 3 genannten Eintragungen vor oder bei der Uebergabe der Arbeit, die in Ziffer 4 ge­ nannten bei der Abnahme der Arbeit, die in Ziffer 5, 6 vorgeschriebenen bei der Lohnzahlung mit Tinte zu bewirken und zu unterzeichnen. Die Lohnbücher sind mit einem Abdrucke der Bestimmungen des § 115 bis § 119a Abs. 1 und des § 119b zu versehen. Auf die von dem Bundesrate getroffenen Anordnungen findet die Bestimmung im § 120 g Anwendung.

§ 120 Abs. 3. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines wei­ teren Kommunalverbandes (§ 142) kann für Arbeiter unter acht­ zehn Jahren die Verpflichtung zum Besuche einer Fortbildungsschule, soweit diese Verpflichtung nicht landesgesetzlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden. Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vor­ schriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungs­ schule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Der Stundenplan wird von der hierfür nach Landesrecht zustän­ digen Behörde festgesetzt und in der für Bekanntmachungen der Gemeinde oder des weiteren Kommunalverbandes vor­ geschriebenen oder üblichen Form veröffentlicht. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche eine Jnnungsober andre Fortbildungs- oder Fachschule besuchen, sofern der Unter­ richt dieser Schule von der höheren Verwaltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildungsschulunterrichts an­ erkannt wird.

§ 120e. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von AnEntwurf.

158

lagen zur Durchführung der in den §§ 120a bis 120c enthaltenen Grundsätze zu genügen ist.

Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, können dieselben durch Anordnung der Landes-Zentral­ behörden oder durch Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher be­

rechtigten Behörden

erlassen werden.

Vor dem Erlasse solcher An­

ordnungen und Polizeiverordnungen ist den Vorständen der beteiligten Berufsgenossenschaften oder Berufsgenosfenschasts-Sektionen Gelegenheit zu einer gutachtlichen Aeußerung zu geben. Auf diese finden die Be-

sümmungen des § 113 Abs. 2, 4 und des § 115 Abs. 4 Satz 1 deo Gewerbeunfallversicherungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900 S. 573, 585)

Anwendung. Durch Beschluß des Bundesrats können für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesund­ heit der Arbeiter gefährdet ivird, Dauer, Beginn und Ende der zu­ lässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vor­

geschrieben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen werden.

Die durch Beschluß des Bundesrats erlassenen Vorschriften sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen.

§ 133c Abs. 1 Ziffer 4.

Gegenüber den im § 133 a bezeichneten Personen kann die Auf­ hebung des Dienstverhälmisses insbesondere verlangt werden: Jetzige Fassung.

159 lagen zur Durchführung der in den §§ 120a bis 120c enthaltenen Grundsätze zu genügen ist. In diese Vorschriften können auch Bestimmungen über das Verhalten der Arbeiter im Betrieb ausgenommen werden. Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, können dieselben durch Anordnung der Landes-Zentral­ behörden oder durch Polizeiverordnungen der zuständigen Polizei­ behörden erlassen werden. Vor dem Erlasse solcher Anordnungen und Polizeiverordnungen ist den Vorständen der beteiligten Berufs­ genossenschaften oder Berufsgenossenschafts-Sektionen Gelegenheit zu einer gutachtlichen Aeußerung zu geben. Ans diese finden die Be­ stimmungen des § 113 Abs. 2, 4 und des § 115 Abs. 4 Satz 1 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes fReichs-Gesetzbl. 1900 S. 573, 585) Anwendung. § 120 s. Für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter ge­ fährdet wird, können durch Beschluß des Bundesrats und soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, durch Anordnung der Landes-Zentral­ behörden oder durch Polizeiverordnungen der zuständigen Polizeibehörden Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vor­ geschrieben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen werden. Soweit solche Vorschriften nicht erlassen sind, können die zuständigen Polizeibehörden für einzelne Betriebe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, im Wege der Ver­ fügung die gleichen Vorschriften und Anordnungen erlassen. § 120(1 Abs. 4 findet hierbei entsprechende Anwendung.

§ 120g. Die durch Beschluß des Bundesrats gemäß §§ 120e, 120f erlassenen Vorschriften sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu

veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zu­ sammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. § 133c Abs. 1 Ziffer 4. Gegenüber den im § 133 a bezeichneten Personen kann die Auf­ hebung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangt werden:

Entwurf,

160

1.—3. usw.; 4. wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit an der Verrichtung

ihrer

Dienste verhindert werden;

ö. usw.

§ 133c Abs. 2.

In dem Falle zu 4 bleibt der Anspruch auf die vertragsmäßigen Leistungen des Arbeitgebers für die Dauer von sechs Wochen in Kraft, wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück ver­ hindert worden ist. Jedoch mindern sich die Ansprüche in diesem Falle um denjenigen Betrag, welcher dem Berechtigten aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Krankenversicherung oder Unfall­

versicherung zukommt.

§ 133 s. Eine Vereinbarung zwischen dem Gewerbeunternehmer und einem der im § 133a bezeichneten Angestellten, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerb­ lichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur insoweit

verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens ausgeschlossen wird.

Jetzige Fassung.

161 1.—3. usw.; 4. wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit oder durch eine die Zeit von acht Wochen übersteigende militärische Dienst­ leistung an der Verrichtung ihrer Dienste verhindert werden; 5. usw. § 133da.

Wird einer der im § 133a bezeichneten Angestellten durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste ver­ hindert, so behält er seinen Anspruch auf Gehalt und Unter­ halt, jedoch nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus. Dies gilt auch dann, wenn das Dienstverhältnis auf Grund des § 133c aufgehoben wird, weil der Angestellte durch un­ verschuldetes Unglück längere Zeit an der Verrichtung seiner Dienste verhindert ist. Eine Vereinbarung, durch welche von diesen Vor­ schriften zum Nachteile des Angestellten abgewichen wird, ist nichtig. Der Angestellte muß sich den Betrag anrechnen lassen, der ihm für die Zeit, für welche er den Anspruch auf Gehalt und Unterhalt behält, aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt. § 133db.

Die Zahlung des dem Angestellten zukommenden Ge­ halts hat am Schlüsse jedes Monats zu erfolgen. Eine abweichende Vereinbarung ist insoweit nichtig, als die Ge­ haltszahlung in längeren als in vierteljährlichen Zeit­ abschnitten erfolgen soll. § 133s. Eine Vereinbarung zwischen dem Gewerbeünternehmer und einem der im § 133a bezeichneten Angestellten, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerb­ lichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur insoweit verbindlich, als die Beschränkrmg nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens ausgeschlossen wird. Die Beschränkung kann auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an nur dann erstreckt werden, wenn vereinbart wird, daß Hest los. Entwurf. 11

162

Die Vereinbarung ist nichtig,

wenn der Angestellte zur Zeit des

Abschlusses minderjährig ist.

IV. Verhältnisse der Fabrikarbeiter.

§ 134. Auf Fabrikarbeiter finden 125

oder,

die Bestimmungen

der

§§ 121 bis

wenn die Fabrikarbeiter als Lehrlinge anzusehen sind, die

Bestimmungen der §§ 126 bis 128 Anwendung.

Jetzige Fasiuug.

163 während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das zuletzt von ihm bezogene Gehalt weitergezahlt wird. Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Angestellte zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist.

§ 133 g. Gibt der Gewerbeuntern eh in er durch vertragswidriges Verhalten dem Angestellten Grund, das Dienstverhältnis gemäß den Vorschrif en der §§ 133b, 133d aufzulösen, so kann er aus einer Vereinbarung der im § 133f bezeichneten Art Ansprüche nicht geltend machen. Das gleiche gilt, wenn der Gewerbeunternehmer das Dienstverhältnis auflöst, es sei denn, daß für die Auflösung ein erheblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat, oder daß während der Dauer der Beschränkung dem An­ gestellten das zuletzt von ihm bezogene Gehalt weiterge­ zahlt wird. Hat der Angestellte für den Fall, daß er die in der Vereinbarung übernommene Verpflichtung nicht erfüllt, eine Strafe versprochen, so kann der Gewerbeunternehmer nur die verwiikte Strafe verlangen; der Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiieren Schadens ist ausgeschlossen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe bleiben unberührt. Vereinbarungen, welche diesen Vorschriften zuwider­ laufen, sind nichtig. § 133h. Die Vorschriften des § 133f Abs. 2 und des § 133g Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung, wenn die Angestellten ein Gehalt von mindestens achttausend Mark für das Jahr beziehen. IV.

Besondere Bestimmungen für Betriebe,

in denen in

der

Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werde».

§ 133 i. Die Bestimmungen der §§ 133k bis 139aa finden An­ wendung auf Gesellen, Gehilfe», Lehrlinge und sonstige gewerbliche Arbeiter mit Ausnahme der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker (§§ 133a bis 133h). Entwurf. li*

164

Den Unternehmern von Fabriken, in welchen in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, ist untersagt, für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohns hinaus auszubedingen. Auf die Arbeitgeber und Arbeiter in solchen Fabriken finden die Bestimmungen

des § 124b keine Anwendung. In Fabriken, für welche besondere Bestimmungen auf Grund des § 114a Abs. 1 nicht erlassen sind, ist auf Kosten des Arbeitgebers für jeden minderjährigen Arbeiter ein Lohnzahlungsbuch einzunchten. In das Lohnzahlungsbuch ist bei jeder Lohnzahlung der Betrag des einzutragen; es ist bei der Lohnzahlung dem Minderjährigen oder seinem gesetzlichen Vertreter auszuhändigen und von dem Empfänger vor der nächsten Lohnzahlung zurückzureichen. Auf dos Lohnzahlungsbuch finden die Bestimmungen des § 110 Satz 1 und des § 111 Abs. 2 bis 4 Anwendung. verdienten Lohnes

§ 134a. Für jede Fabrik, in welcher in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, ist innerhalb vier Wochen nach Inkraft­ treten dieses Gesetzes ober nach der Eröffnung des Betriebs eine

Arbeitsordnung zu erlassen. Für die einzelnen Abteilungen des Be­ triebs oder für die einzelnen Gruppen der Arbeiter können besondere Arbeitsordnungen erlassen werden.

(§134« Abs. 2). Die Arbeitsordnung muß

Der Erlaß erfolgt durch Aushang

den Zeitpunkt, mit welchem sie in

Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher sie erläßt, unter Angabe des Datums unterzeichnet sein. Jetzige Fassung.

165

A,

Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden. § 133 k.

Auf Betriebe, in denen in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, finden die nach­ folgenden Bestimmungen der §§ 134 bis 134h Anwendung. Dies gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis ein­ tritt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden. § 134.

Den Unternehmern ist untersagt, für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohns hinaus auszubedingen. Auf die Arbeitgeber und Arbeiter in solchen Betrieben finden die Bestimmungen des § 124 b keine Anwendung.

§ 134 a. Für jeden Betrieb ist innerhalb vier Wochen nach Inkraft­ treten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betriebs eine Arbeitsordnung zu erlassen. Für die einzelnen Abteilungen des Be­ triebs oder für die einzelnen Gruppen der Arbeiter können besondere Arbeitsordnungen erlassen werden. Der Erlaß erfolgt durch Aushang (§ 134 e Abs. 2).

Die Arbeitsordnung muß den Zeitpunkt, mit welchem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher sie erläßt, unter Angabe des Datums unterzeichnet sein. Entwurf.

166 Abänderungen ihres Inhalts können nur durch den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise erfolgen, daß an Stelle der bestehenden

eine neue Arbeitsordnung erlassen wird.

Die Arbeit-ordnungen und Nachträge zu denselben frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung.

treten

§ 134b.

Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten:

1. über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowie der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen; 2. über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung mit der Maßgabe, daß die regelmäßige Lohnzahlung nicht am Sonn­ tage stattsinden darf. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungsbehörde zugelassen werden; 3. sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll, über die Frist der zulässigen Aufkündigung sowie über die Giünde, aus welchen die Entlassung und der Austritt aus der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen darf; 4. sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Höhe derselben, über die Art ihrer Festsetzung und, wenn sie in Geld bestehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen sie verwendet werden sollen; 5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maßgabe der Bestimmung des § 134 Abs. 2 durch Arbeitsordnung oder Arbeitsvertrag ausbedungen wird, über die Verwendung der verwirkten Beträge. Strafbestimmungen, welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht ausgenommen werden.

Geldstrafen dürfen

die Hälfte des durchschnittlichen Tagesarbeitsver-

dienstes nicht übersteigen; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten sowie gegen die zur Auf­ rechterhaltung der Ordnung des Betriebs, zur Sicherung eines gefahr­ losen Betriebs oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbe­ ordnung erlasstnen Vorschriften mit Geldstrafen bis zum vollen Betrage

des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden. Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik verwendet werden. Das Recht des Arbeitgebers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt. Dem Besitzer der Fabrik bleibt überlassen, neben den im Abs. 1 unter 1 bis 5 bezeichneten, noch weitere die Ordnung des Betriebs

und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen Jetzige Fassung.

167

Abänderungen ihres Inhalts können nur durch den Erlaß von Nachträgen ober in der Weise erfolgen, daß an Stelle der bestehenden eine neue Arbeitsordnung erlassen wird. Die ArbeitSoi dnungen und Nachträge zu denselben treten

frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung. § 134 b.

Die Arbeisordnung muß Bestimmungen enthalten: 1. über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowie der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen; 2. über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung mit der Maßgabe, daß die regelmäßige Lohnzahlung nicht am Sonn­ tage statlfiuden darf. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungsbehörde zugelassen werden; 3. sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll, über die Frist der zulässigen Aufkündigung sowie über die Gründe, aus welchen die Entlassung und der Austritt aus der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen darf; 4. sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Höhe derselben, über die Art ihrer Festsetzung und, wenn sie in Geld bestehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen sie verwendet werden sollen; 5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maßgabe der Bestimmung des § 134 Abs. 1 durch Arbeitsordnung oder Arbeitsvertrag ausbedungen wird, über die Verwendung der

verwirkten Beträge. Strafbestimmungen, welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht ausgenommen werden. Geldstrafen dürfen die Hälfte des durchschnittlichen Tagesarbeitsver­ dienstes nicht übersteigen; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten sowie gegen die zur Auf­ rechterhaltung der Ordnung des Betriebs, zur Sicherung eines gefahr­ losen Betriebs oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbe­

ordnung erlassenen Vorschriften mit Geldstrafen bis zum vollen Betrage des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden. Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter des Betriebs verwendet werden. Das Recht des Arbeitgebers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt. Dem Betriebsinhaber bleibt überlassen, neben den im Abs. 1 unter 1 bis 5 bezeichneten, noch weitere die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen

Entwurf.

168

Mit Zustimmung eines ständigen können in die Arbeitsordnung Vorschriften über

in die Arbeitsordnung aufzunehmen.

Arbeiterausschusses

das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten ge­ troffenen mit der Fabrik verbundenen Einrichtungen sowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebs ausgenommen werden. § 134d. Vor dem Erlasse der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags zu derselben ist den in der Fabrik oder in den betreffenden Abteilungen des Betriebs beschäftigten großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt derselben zu äußern.

Für Fabriken, für welche ein ständiger ArbeiterauSschuß besteht, wird dieser Vorschrift durch Anhörung des Ausschusses über den Inhalt

der Arbeitsordnung genügt.

§ 134h. Als ständige Arbeiterausschüsse im Sinne des § 134b Abs 3 und des § 134d gelten nur: 1. diejenigen Vorstände der Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen oder anderer für die Arbeiter der Fabrik bestehenden Kassen­ einrichtungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrheit von den Arbeitern aus ihrer Mitte zu wählen sind, sofern sie als

ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden; 2. die Knappschaftsältesten von Knappschaftsoereinen, welche die nicht den Bestimmungen der Berggesetze unterstehenden Betriebe eines Unternehmers umfassen, sofern sie als ständige Arbeiter­ ausschüsse bestellt werden; 3. die bereits vor dem 1. Januar 1891 errichteten ständigen Arbeiterausschüsse, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählt werden; 4. solche Vertretungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von

den volljährigen Arbeitern der Fabrik oder der betreffenden Betriebsabteilung aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Die Wahl der Vertreter kann auch nach Arbeiterklassen oder nach besonderen Abtei­ lungen des Betriebs erfolgen.

Jetzige Fassung.

169 in die Arbeitsordnung aufzunehmen. Mit Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten ge­ troffenen mit dem Betriebe verbundenen Einrichtungen sowie Vor­ schriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb

des Betriebs ausgenommen werden. § 134d. Vor dem Erlasse der Arveitsordnung oder eines Nachtrags zu derselben ist den in dem Betrieb oder in den betreffenden Betriebs­ abteilungen beschäftigten großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt derselben zu äußern. Für Betriebe, für welche ein ständiger Arbeiterausschuß besteht, wird dieser Vorschrift durch Anhörung des Ausschusses über den Inhalt der Arbeitsordnung genügt. § 134h. Als ständige Arbeiterausschüsse im Sinne des § 134b Abs. 3 und des § 134 d gelten nur: 1. diejenigen Vorstände der Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen oder anderer für die Arbeiter des Betriebs bestehender Kasseneinrichtungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrheit von den Arbeitern aus ihrer Mitte zu wählen sind, sofern sie als ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden; 2. die Knappschaftsältesten von Knappschaftsvereinen, welche die nicht den Bestimmungen der Berggesetze unterstehenden Betriebe eines Unternehmers umfassen, sofern sie als ständige Arbeiter­ ausschüsse bestellt werden; 3. die bereits vor dem 1. Januar 1891 errichteten ständigen Arbeiterausschüsse, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von

den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählt werden; 4. solche Vertretungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von den volljährigen Arbeitern des Betriebs oder der betreffenden

Betriebsabteilung aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Die Wahl der Vertreter kann auch nach Arbeiterklassen oder nach besonderen Abtei­ lungen des Betriebs erfolgen.

B. Bestimmungen für alle Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden.

§ 134i. Auf Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden, finden, unbeschadet des § 133k,

Entwurf.

170

§ 135. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen in Fabriken nicht be­ schäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahren dürfen in Fabriken nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mrhr zum Besuche der Volks­ schule verpflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten. Junge Leute zwischen vierzehn und sechzehn Jahren dürfen in Fabriken nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

§ 136. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§ 135) dürfen nicht vor fünfeinhalb Uhr morgens beginnen und nicht über achteinhalb Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugend­ lichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige sowie vor­ mittags und nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden. Eine Vor- und Nachmittagspause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unter­ brochenen Arbeitszeit am Vor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Be­ schäftigung in dem Fabrikbetrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Teile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter be­ schäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andre geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten nicht be­ schafft werden können.

Jetzige Fassung.

171 die nachfolgenden Bestimmungen der §§ 135 bis 139aa An­ wendung. Dies gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden.

§135. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahren dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten. Junge Leute zwischen vierzehn und sechzehn Jahren dürfen nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

§ 136. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§ 135) dürfen nicht vor fünfeinhalb Uhr morgens beginnen und nicht über achteinhalb Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige sowie vormittags und nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden. Eine Vor- und Nachmittagspause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit am Vor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Be­ schäftigung im Betrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in denselben die­ jenigen Teile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andre geeignete Aufent­ haltsräume ohne unoerhältnismäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den jugendlichen Arbeitern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. Entwurf.

172 An Sonn- und Festtagen sowie während der von dem ordent­ lichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beichtund Kommunionunterricht bestimmten Arbeiter nicht beschäftigt werden.

Stunden

dürfen

jugendliche

§ 137. Arbeiterinnen dürfen in Fabriken nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr abends bis fünfeinhalb Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonnund Festtage von zehn Stunden, nicht überschreiten.

Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden.

eine

Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche ein Hauswesen zu be­ sorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Nieder­ kunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies

für zulässig erklärt.

§ 138. Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter in Fabriken be­ schäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Be­ schäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige sind die Fabrik, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen sowie die Art der Beschäftigung anzugeben. Eine Aenderung hierin darf, abgesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten notwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. In jeder Fabrik hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in den Fabrikräumen, in welchen jugendliche Arbeiter be­ schäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichnis Jetzige Fassung.

173 An Sonn- und Festtagen sowie während der von dem ordent­ lichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beichtund Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. § 137.

Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr abends bis fünfeinhalb Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr nachmittags be­ schäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre darf

die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonnund Festtage von zehn Stunden, nicht überschreiten. Vom 1. Januar 1910 an darf die Dauer der Arbeitszeit zehn Stunden täglich nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine

niindestenS einstündige Mittagspause gewährt werden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den Arbeiterinnen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens

elf Stunden zu gewähren. Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche ein Hauswesen zu be­ sorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Siunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Nieder­

kunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.

§138. Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Orts­ polizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige

sind der Betrieb, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen so­

wie die Art der Beschäftigung anzugeben. Eine Aenderung hierin darf, abgesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten notwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. In jedem Betriebe hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in denjenigen Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt

werden,

an einer in

die Augen fallenden Stelle ein Verzeichnis der Entwurf.

174

der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von ter Zentralbehörde zu be­ stimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugend­ lichen Arbeitern enthält. § 138a. Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre bis zehn Uhr abends an den Wochentagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung gestatten, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden nicht überschreitet. Innerhalb eines Kalenderjahrs darf die Erlaubnis einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Ab­

teilung seines Betriebes auf mehr als vierzig Tage nicht erteilt werden.

Für eine zwei Wochen überschreitende Dauer kann

die gleiche

Erlaubnis nur von der höheren Verwaltungsbehörde und auch von dieser für mehr als vierzig Tage im Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit für den Betrieb oder die betreffende Abteilung des Betriebs so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durch-

schnitie der Betriebslage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeits­ zeit nicht überschreitet. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, aus

welchem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung sowie den Zeitraum angeben, für welchen dieselbe stattfinden soll. Der Be­ scheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu erteilen. Gegen die Versagung der Erlaubnis steht die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubnis erteilt worden ist, ein Verzeichnis zu führen, in welches der Name des Arbeitgebers und die für den schriftlichen Antrag vor­ geschriebenen Angaben einzutragen sind. Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Ar­

beiterinnen über sechzehn Jahre, welche kein Hauswesen zu besorgen

haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im § 105 c Jetzige Fassung.

175 jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage sowie des Be­ ginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehäugt ist, welche in der von der Zentralbehörde zu be­ stimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugend­ lichen Arbeiter enthält. § 138 a.

Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre bis zehn Uhr abends an den Wochentagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung gestatten, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden nicht übeischrcitet und die zu gewährende ununter­ brochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. Vom 1. Januar 1910 an darf in diesem Falle die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden nicht überschreiten. Innerhalb eines Kalenderjahrs darf die Erlaubnis einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Abteilung seines Betriebs auf mehr als sechzig Tage nicht erteilt werden. Für eine zioei Wochen überschreitende Dauer kann die gleiche Erlaubnis nur von der höheren Verwaltungsbehörde gewährt werden.

Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, aus welchem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung sowie den Zeitraum angeben, für welchen dieselbe stattfindrn soll. Der Be­ scheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu erteilen. Gegen die Versagung der Erlaubnis steht die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubnis erteilt worden ist, ein Verzeibnis zu führen, in welches der Name des Aibeiigebers und die für den schriftlichen Antrag vor­ geschriebenen Angaben einzutragen sind. Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Ar­ beiterinnen über sechzehn Jahre, welche kein Hauswesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im § 105 c Entwurf.

176 Abs. 1 unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nachmittags nach fünfeinhalb Uhr, je» doch nicht über achteinhalb Uhr abends hinaus gestatten. Die Er­

laubnis ist schriftlich zu erteilen. Eme Abschrift derselben ist in den Fabrikräumen, in welchen die Arbeiterinnen beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle auszuhängen. § 139. Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Be­ trieb einer Fabrik unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in §§ 136, 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichskanzler zu­ gelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Ver­ hütung von Unglücksfällen kann die untere Verwaltungsbehörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Aus­ nahmen gestatten. Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Fabriken es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeits­ zeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer andern als der durch §§ 136 und 137 Abs. 1, 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hmsichtlich der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im übrigen

durch den Reichskanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen

von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.

Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Ver­ fügungen müssen schriftlich erlassen werden. § 139 a. Der Bundesrat ist ermächtigt: 1. die Verwendung von

Arbeitern

für

Arbeiterinnen sowie von jugendlichen

gewisse

Fabrikationszweige,

Jetzige Fassung.

welche,

mit

177 Abs. 1 unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden

und Vorabenden von Festtagen nachmittags nach fünfeinhalb Uhr, jedoch nicht über achteinhalb Uhr abends hinaus gestatten. Die Er­ laubnis ist schriftlich zu erteilen. Eine Abschrift derselben ist in den­

jenigen Räumen,

in welchen die Arbeiterinnen beschäftigt werden,

an einer in die Augen fallenden Stelle auszuhängen.

§ 139. Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Be­ trieb einer Anlage unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in § 136, § 137 Abs. 1 bis 4 vorgesehenen

Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichskanzler zu­ gelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Ver­ hütung von Unglücksfällen kann die untere Verwaltungsbehörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Aus­ nahmen gestatten. Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Anlagen es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeits­ zeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer andern als der durch § 136 Abs. 1, 2, 4, § 137 Abs. 1, 3 vorgesehenen Weise ge­ regelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im übrigen durch den Reichskanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.

Wenn besondere Verhältnisse es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen in einer andern als der im § 137 Abs. 2 vorgesehenen Weise ge­ regelt wird, so kann vom 1. Januar 1910 Antrag eine anderweite Regelung durch gestattet werden. Jedoch darf die Dauer elf Stunden täglich und sechzig Stunden

an auf besonderen den Reichskanzler der Beschäftigung in der Woche nicht

überschreiten. Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Ver­ fügungen müssen schriftlich erlassen werden.

§ 139a. Der Bundesrat ist ermächtigt: 1. Die Verwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Arbeitern für gewisse Gewerbezweige, die mit besonderen Hcst 108.

Entwurf.

12

178 besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit ver­ bunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen; 2. für Fabriken, welche mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder welche sonst durch die Art des Betriebs auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Fabriken, deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in §§ 136, 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen nachzulassen;

3. für gewisse Fabrikationszweige, soweit die Matur des Betriebs oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vorgeschriebenen Pausen zu gestatten; 4. für Fabrikationszweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1, 2 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden, überschreitet.

an

Sonnabenden

zehn

Stunden

nicht

In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeits­

zeit für Kinder sechsunddreißig Stunden, für junge Leute sechzig, für Arbeiterinnen fünfundsechzig, in Ziegeleien für junge Leute und Arbeiterinnen siebzig Stunden nicht überschreiten. Die Nachtarbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht

Jetzige Fassung.

179 Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen; 2. für Anlagen, die mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder die sonst durch die Art des Betriebs auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Anlagen, deren Betrieb eine Einteilung in regel­ mäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den int § 135 Abs. 2, 3, § 136, § 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen nachzulassen, soweit § 136 Abs. 3 in Betracht kommt, jedoch nur für männliche jugendliche Arbeiter; 3. für gewisse Gewerbezweige, soweit die Natur des Betriebs oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vorgeschriebenen Pausen zu gestatten; 4. für Gewerbezweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, auf höchstens sechzig Tage im Kalenderjahre, Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1, 2, 4 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden, an Sonnabenden zehn Stunden nicht überschreitet und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. In der ununterbrochenen Ruhezeit müssen die Stunden zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens liegen. Vom 1. Januar 1910 an darf die tägliche Arbeitszeit in diesem Falle zwölf Stunden nicht überschreiten. 5. für Gewerbezweige, in denen die Verrichtung der Nachtarbeit zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeits­ erzeugnissen dringend erforderlich erscheint, Aus­ nahmen von den Bestimmungen im § 137 Abs. 1 bis 4 zuzulassen. In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeits­ zeit für Kinder sechsunddreißig Stunden, für junge Leute sechzig und für Arbeiterinnen fünfundsechzig Stunden nicht über­ schreiten; vom 1. Januar 1910 an darf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit auch für Arbeiterinnen sechzig Entwurf.

12*

180 überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln.

In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden

nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. In den Fällen zu 4 darf die Erlaubnis zur Ueberarbeit für

mehr als vierzig Tage im Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht

überschreitet. Die durch Beschluß des Bundesrats getroffenen Bestimmungen sind zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke er­ lassen werden. Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnis­ nahme vorzulegen.

.§ 139 b Abs. 1. Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen der §§ loba, 105b Abs. 1, der §§ 105c bis 105h, 120a bis 120e, 134 bis 139a ist ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen. Denselben stehen bei Ausübung dieser Aufsicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntnis

gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der ihrer Revision unterliegenden Anlagen zu verpflichten. § 139b Abs. 4. Die auf Grund der Bestimmungen der §§ 105a bis 105h, 120a bis 120e, 134 bis 139a auszuführenden amtlichen Revisionen müssen dre Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht,

während des Betriebes gestatten. Jetzige Fassung.

181 Stunden

nicht überschreiten.

Die Nachtarbeit darf in vierund­

zwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamt­ dauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten

und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen mindestens einstündiger

Dauer gewährt werden.

Die durch Beschluß des Bundesrats getroffenen Bestimmungen sind zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke er­ lassen werden. Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnis­

nahme vorzulegen. § 139aa.

Auf die Arbeiter in den unter Abschnitt IV fallenden Betrieben finden im übrigen die Bestimmungen der §§ 121 bis 125 oder, wenn sie als Lehrlinge anzusehen sind, die Bestimmungen der §§ 126 bis 128 Anwendung. § 139 b Abs. 1.

Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen des § 1.05a, § 105b Abs. 1, der §§ 105c bis 105h, 120a bis 120f, 133! bis 139a a ist ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen. Denselben stehen bei Ausübung dieser Aufsicht alle amt­ lichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer

gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältniffe der ihrer Revision unterliegenden Anlagen zu verpflichten. Kenntnis

§ 139b Abs. 4. Die auf Grund der Bestimmungen der §§ 105a bis 105h, 120a bis 120f, 1331 bis 139a a auszuführenden amtlichen Revisionen müssen die Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht,

während des Betriebes gestatten. Entwurf.



182

-

§ 139 h Abs. 1. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber­ erlassen werden, welchen Anforderungen die Laden-, Arbeits- und Lager­ räume und deren Einrichtung sowie die Maschinen und Gerätschaften zum Zwecke der Durchführung der im § 62 Abs. 1 des Handelsgesetz­ buchs enthaltenen Grundsätze zu genügen haben. Die Bestimmung im § 120e Abs. 4 findet Anwendung.

Jetzige Fassung.

183

§ 139 h Abs. 1.

Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen die Laden-, Arbeits- und Lager­ räume und deren Einrichtung sowie die Maschinen und Gerätschaften zum Zwecke der Durchführung der im § 62 Abs. 1 des Handelsgesetz­ buchs enthaltenen Grundsätze zu genügen haben. Die Bestimmung im § 120g findet Anwendung.

Titel Vila.

Hausarbeit. § 139 n. Die Bestimmungen der §§ 139o bis 139y finden An­ wendung auf Werkstätten, in denen 1. der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie ge­ hörige Personen beschäftigt, oder 2. eine oder mehrere Personen gewerbliche Arbeit ver­ richten, ohnevon einem den Werkstattsbetrieb leitenden Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Die vorbezeichneten Personen einschließlich der Arbeit­ geber (Ziffer 1) gelten als Hausarbeiter im Sinne der fol­ genden Bestimmungen. 5 139o.

Als Werkstätten gelten neben den Werkstätten im Sinne des § 105b Abs. 1 auch Räume, die zum Schlafen, Wohnen oder Kochen dienen, wenn darin gewerbliche Arbeit verrichtet wird, sowie im Freien gelegene gewerbliche Arbeitsstellen. $5 139p.

Für bestimmte Gewerbe kann der Bundesrat vorschreiben, daß in denjenigen Räumen, in welchen Arbeit für Haus­ arbeiter ausgegeben oder Arbeit solcher Personen abgenommen wird, an einer in die Augen fallenden Stelle eine Tafel ausgehängt wird, die in deutlicher Schrift die für die ein­ zelnen Arbeiten jeweilig gezahlten Löhne enthält. § 139 q. Für Gewerbezweige, die mit besonderen Gefahren für Leben oder Gesundheit verbunden sind, kann durch die zu­ ständigen Polizeibehörden im Wege der Verfügung für ein­ zelne Werkstätten die Ausführung derjenigen Maßnahmen Entwurf.



184



185

angeordnet werden, welche zur Durchführung der folgenden Grundsätze erforderlich erscheinen: 1. Die Werkstätten, einschließlich der Betriebsvorrich­ tungen, Maschinen und Gerätschaften, müssen so ein­ gerichtet und unterhalten werden, daß die Haus­ arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Natur des Betriebs gestattet. Insbesondere ist für genügendes Licht, aus­ reichenden Luftraum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubes, der dabei entwickelten Dünste und Gase sowie der dabei entstehenden Abfälle Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzu­ stellen, welche zum Schutze gegen gefährliche Berüh­ rungen mit Maschinen oder Maschinenteilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebs liegende Gefahren erforderlich sind. 2. Auf die Gesundheit der Hausarbeiter unter achtzehn Jahren müssen diejenigen besonderen Rücksichten ge­ nommen werden, welche durch das Alter dieser Arbei­ ter geboten sind. 3. Arbeiten, bei denen dies zur Verhütung der sonst mit ihnen verbundenen Gefahren für Leben oder Gesundheit erforderlich erscheint, dürfen nur in sol­ chen Räumen verrichtet werden, welche ausschließlich hierfür benutzt werden. § 139r. Für Gewerbezweige, die der Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung von Nahrungs- oder Genußmitteln dienen, kann durch die zuständigen Polizeibehörden im Wege der Verfügung für einzelne Werkstätten angeordnet werden, daß die Werkstätten und Lagerräume, einschließlich der Betriebs­ vorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften, so eingerichtet und unterhalten werden, und der Betrieb so geregelt wird, daß Gefahren für die öffentliche Gesundheit ausgeschlossen sind. Außerdem kann angeordnet werden, daß Räume, in denen Nahrungs- oder Genußmittel hergestellt oder ver­ arbeitet werden, zu bestimmten anderen Zwecken nicht benutzt werden dürfen. Entwurf.

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§ 139 s. Soweit die Anordnungen gemäß §§ 139 q, 139r nicht die Beseitigung einer dringenden Gefahr bezwecken, muß für die Ausführung eine angemessene Frist gelassen werden. Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden Be­ trieben gegenüber können, solange nicht eine Erweiterung oder eine wesentliche Veränderung eintritt, nur Anforde­ rungen gestellt werden, die zur Beseitigung erheblicher, das Leben oder die Gesundheit der Hausarbeiter oder die öffentliche Gesundheit gefährdender Mißstände erforderlich oder ohne unverhältnismäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen. Die Verfügungen sind im Falle des § 139 u Abs. 1 Ziffer 1 gegen den Arbeitgeber, im Falle des § 139 n Abs. 1 Ziffer 2 gegen denjenigen zu richten, welcher das Ver­ fügungsrecht über den als Werkstätte benutzten Raum hat. Gegen die Verfügungen findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde statt; diese entscheidet endgültig. § 139 t. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in be­ stimmten Arten der in §§ 139 q, 139 r bezeichneten Werk­ stätten zur Durchführung der dort aufgestellten Grundsätze zu genügen ist. Durch Beschluß des Bundesrats kann die Verrichtung solcher Arbeiten in der Hausarbeit verboten werden, welche mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der Hausarbeiter oder für die öffentliche Gesundheit verbunden sind. Soweit Vorschriften gemäß Abs. 1, 2 durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, können sie durch An­ ordnung der Landes-Zentralbehörden oder durch Polizei­ verordnungen der zuständigen Polizeibehörden erlassen werden. .. . § 139u. Auf die vom Bundesrate gemäß § 1391 erlassenen Vorschriften findet die Bestimmung im § 120g Anwendung. § 139 v. Für die Beobachtung der gemäß tztz 139q bis 139t ge­ troffenen Bestimmungen ist im Falle des § 139n Abs. 1 Entwurf.



1.88



139 Ziffer 1 der Arbeitgeber, im Falle des § 139 n Abs. 1 Ziffer 2 derjenige verantwortlich, welcher das Verfügungs­ recht über den als Werkstätte benutzten Raum hat.

§ 139 w.

Sollen Verrichtungen in der Hausarbeit vorgenommen werden, hinsichtlich deren auf Grund des § 139t Abs. 1, 3 Vorschriften erlassen sind, so hat im Falle des § 139n Abs. 1 Ziffer 1 der Arbeitgeber, im Falle des § 139n Abs. 1 Ziffer 2 derjenige, welcher das Verfügungsrecht über den als Werkstätte in Aussicht genommenen Raum hat, vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehördc unter Angabe der Lage der Werkstättc eine schriftliche Anzeige zu machen. § 139x. Soweit auf Grund des § 139t Abs. 1, 3 Vorschriften erlassen sind, unterliegen Gewerbetreibende, welche außer­ halb ihrer Arbeitsstätte in Werkstätten gewerbliche Arbeit verrichten lassen, folgenden Verpflichtungen: 1. Sie haben ein Verzeichnis derjenigen Personen, welchen Hausarbeit übertragen ist, unter Angabe der Werkstätte dieser Personen zu führen. Das Verzeichnis ist auf Erfordern der Ortspolizei­ behörde sowie den Gewerbeaufsichtsbeamten (§ 139b) jederzeit zur Einsicht vorzulegen oder einzureichen. 2. Sie müssen sich in angemessenen Zwischenräumen, mindestens halbjährlich, persönlich oder durch Be­ auftragte davon unterrichten, daß die Einrichtung und der Betrieb der Werkstätten den gestellten An­ forderungen entspricht. 3. Sie dürfen, sofern die Beschaffung eines Ausweises darüber vorgeschrieben ist, daß die Räume, in denen die Arbeit verrichtet wird, den an sie gestellten Anforderungen genügen, Hausarbeit nur für solche Werkstätten ausgeben, für welche ihnen dieser Aus­ weis vorgelegt wird. § 139y. Jusoweit nicht durch Bundesratsbeschluß oder durch die Landesregierungen die Aufsicht anderweit geregelt ist, finden die Bestimmungen des § 139b Anwendung. Entwurf.

190

Ü 146 Abs. 1 Ziffer 2. Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögens­ falle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten werden bestraft:

1. usw.; 2. Gewerbetreibende, welche den §§ 135 bis 137, 139c oder den auf Grund der §§ 139, 139 a getroffenen Verfügungen zuwiderhandeln;

3. usw.

§ 146a. Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark, im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer den §§ 105b bis 105g oder den auf

Grund derselben erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern an Sonnund Festtagen Beschäftigung gibt oder den §§ 41a, 55a, 139e, 139k Abs. 4 oder den auf Grund des § 105b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen oder den auf Grund des § 41b oder des § 139s Abs. 1 getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt.

Ietzifte Xaffuitfl.

191 Während der Nachtzeit dürfen Revisionen nur statt­ finden, wenn Tatsachen vorliegen, welche den Verdacht be­ gründen, daß gegen die auf Grund der §§ 139 q bis 139t er­ lassenen Bestimmungen verstoßen wird. § 146 Abs. 1 Ziffer 2.

Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögens­ falle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten werden bestrafte 1. usw.; 2. Gewerbetreibende, welche den §§ 135 bis 137, 139c oder welche den auf Grund der §§ 120e, 120s, 139, 139a er­ lassenen Vorschriften insoweit zuwiderhandeln, als diese Vorschriften die Verwendung der Arbeiter zu bestimmten Beschäftigungen untersagen oder Arbeits­ zeit, Nachtruhe oder Pausen regeln; 3. usw. § 146 Abs. 2.

War in den Fällen des Abs. 1 Ziffer 2 der Täter zur Zeit der Begehung der Straftat bereits zweimal wegen einer der dort bezeichneten Zuwiderhandlungen rechtskräftig verurteilt, so tritt Geldstrafe von einhundert bis dreitausend Mark oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten ein. Die Anwendung dieser Vorschrift bleibt ausgeschlossen, wenn seit dem Eintritte der Rechtskraft der letzten Verurteilung bis zur Begehung der neuen Straftat fünf Jahre ver­ flossen sind. § 146a.

Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark, im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer den §§ 105b bis 105g oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern an Sonnund Festtagen Beschäftigung gibt oder den §§ 41a, 55a, 139e, 139k Abs. 4 oder den auf Grund des § 105b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen oder den auf Grund des § 41b oder des § 139 f Abs. 1 getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt. Wer den §§ 105b bis 105g oder den auf Grund der­ selben erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern anSonnund Festtagen Beschäftigung gibt oder den auf Grund des § 105b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen zu­ widerhandelt, nachdem er bereits zweimal wegen einer Zu­ widerhandlung gegen die bezeichneten Vorschriften rechts-

Entwurf.

192

§ 147 Abs. 1 Ziffer 4, 5. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögens­ falle mit Haft wird bestraft:

1.—3. usw.; 4. wer den auf Grund der §§ 120 d, 139 g endgültig erlassenen Verfügungen oder den auf Grund der §§ 120e, 139 h er­

lassenen Vorschriften zuwiderhandelt;

5- wer eine Fabrik für welche eine steht, oder wer wegen Ersetzung

betreibt oder eine offene Verkaufsstelle hält, Arbeitsordnung (§§ 134a, 139k) nicht be­ der endgültigen Anordnung der Behörde oder Abänderung der Arbeitsordnung nicht

nachkommt.

§ 148 Abs. 1 Ziffer 12, 13. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und vermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft:

im Un=

1.— 11. usw.; 12. wer es unterläßt, der durch § 134e Abs. 1, §§ 134g, 139k Abs. 5 für ihn begründeten Verpflichtung zur Einreichung der Arbeitsordnung, ihrer Abänderungen und Nachträge nach­ zukommen;

13. usw.; 14. usw.;

Jetzige Fassung.

193 kräftig verurteilt worden ist, wird mit Geldstrafe von fünfzig bis eintausend Mark oder mit Haft bestraft. Die Vorschrift des § 146 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.

§ 147 Abs. 1 Ziffer 4, 5.

Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögens­ falle mit Hast wird bestraft: 1.—3. usw.,' 4. wer den auf Grund der §§ 120d, 139g endgültig erlassenen Verfügungen oder, abgesehen von den Fällen des § 146 Abs. 1 Ziffer 2, den auf Grund der §§ 120e, 120f, 139, 139a, 139h erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 5. wer eine gewerbliche Anlage betreibt oder eine offene Ver­ kaufsstelle hält, für welche eine Arbeitsordnung (§§ 134a, 139k) nicht besteht, öder wer der endgültigen Anordnung der Be­ hörde wegen Ersetzung oder Abänderung der Arbeitsordnung nicht nachkommt. § 148 Abs. 1 Ziffer 12, 12a, 12b, Abs. 2.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertsünfzig Mark und im Unvermögenssalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft: 1.—11. usw.; 12. w.r es unterläßt, der durch § 134e Abs. 1, § 134g, § 139k, Abs. 5 für ihn. begründeten Verpflichtung zur Einreichung der Arbeitsordnung, ihrer Abänderungen und Nachträge nach­ zukommen; 12a. wer den auf Grund der §§ 139q, 139r endgültig erlassenen Verfügungen oder den auf Grund des § 139t erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 12b. wer außerhalb seiner Arbeitsstätte gewerbliche Arbeit in solchen Werkstätten der im § 139n bezeichneten Art verrichten läßt, von denen er weiß, oder den Umständen nach annehmen muß, daß ihre Einrichtung oder ihr Betrieb den auf Grund des § 139t er­ lassenen Vorschriften nicht entspricht; 13. usw.; 14. usw.;

War in den Fällen der Ziffer 12b der Täter zur Zeit der Begehung der Straftat bereits zweimal wegen dieser Uebertretung rechtskräftig verurteilt, so tritt Geldstrafe von Hest 108. Entwurf. 13

194

§ 149 Abs. 1 Ziffer 7. Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögensfalle mit Hast bis zu acht Tagen wird bestraft: 1.—6. usw.; 7. wer eS unterläßt, den durch § 105c Abs. 2, § 134e Abs. 2, §§ 138, 138 a Abs. 5, § 139 b für ihn begründeten Ver­ pflichtungen nachzukommen; 7 a. usw. § 150 Abs. 1 Ziffer 2. Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Ge­ setzes wird bestraft: 1. usw.,2. wer äußer dem im § 146 Ziffer 3 vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher, Lohnbücher oder Arbeitszettel zuwiderhandelt;

-5. 3.

usw.

§ 154. Die Bestimmungen der §§ 105 bis 133 e, 139 c bis 139m finden auf Gehilfen und Lehrlinge in Apoiheken, die Bestimmungen der §§ 105, 106 biK 119b sowie, vorbehaltlich des § 139g Abs. 1 und der §§ 139b, 1391, 139m, die Bestimmungen der §§ 120a bis 133e auf Gehilfen und Lehrlinge in Handelsgeschäften keine Anwendung.

Jetzige Fassung.

195 dreißig bis dreihundert Mark oder Haft bis zu vier Wochen ein. Die Vorschrift des § 146 Abs. 2 Satz 2 findet An­ wendung.

§ 149 Abs. 1 Ziffer 7. Mit Geldstrafe bis zu dreißig- Mark und im Unvermögenssallc mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft: 1.—6. usw.) 7. wer es unterläßt, den durch § 105c Abs. 2, § 134e Abs. 2, § 138, § 138a Abs. 5, §§ 139b, 139.W, 139x für ihn be­ gründeten Verpflichtungen nachzukommen; 7 a. usw.

§ 150 Abs. 1 Ziffer 2, 6. Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unvermögensfallc mit Hast bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Ge­ setzes wird bestraft: 1. usw.; 2. wer außer dem im § 146 Ziffer 3 vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher, Lohnbücher oder Arbeitszettel oder den auf Grund dieser Bestimmungen erlassenen Vorschriften zuwiverhandclt; 3. -5. usw.; 6. wer den auf Grund des § 139p erlassenen Vor­ schriften zuwiderhandelt.

§ 154.

Von den Bestimmungen im Titel VII finden keine Anwendung: 1. die Bestimmungen der §§ 105 bis 139m auf Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken; 2. die Bestimmungen der §§ 105, 106 bis 119b sowie vor­ behaltlich des § 139g Abs. 1 und der §§ 139h, 1391, 139m, die Bestimmungen der §§ 120a bis 139a a auf Gehilfen und Lehrlinge in Handelsgeschäften; 3. die Bestimmungen der §§ 1331 bis 139aa auf Arbeiter in Apotheken und Handelsgeschäften, auf Gärt­ nereien, Bauten, Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe, Musikaufführungen, Schaustellungen, theatrallsche Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten sowie auf Verkehrsgewerbe; 4. die Bestimmungen des § 135 Abs. 2, 3, §§ 136, 138 auf männliche jugendliche Arbeiter, die in Bäckereien

Entwurf.

13*

196

Die Bestimmungen der §§ 134 bis 139 b finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Hüttenwerken, in Zimmerplätzen und anderen Bau­

höfen, in Werften sowie in solchen Ziegeleien, über Tage betriebenen Brüchen und Gruben, welche nicht bloß vorübergehend oder in geringem Umfange betrieben werden, entsprechende Anwendung. Da­ rüber, ob die Anlage vorübergehend oder in geringem Umfange betrieben wird, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde endgültig.

Die Bestimmungen der §§ 135 bis 139b finden auf Arbeit­ geber und Arbeiter in Werkstätten, in welchen durch elementare Kraft

Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität usw.) bewegte Trieb­ werke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Bundesrat für gewisse Arten von Betrieben Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, §§ 136,

137

Abs. 1

bis 3 und § 138

vorgesehenen Bestimmungen Nach­

lassen kann.

Auf andere Werkstätten sowie auf Bauten können durch Kaiser­ liche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Bestimmungen

der §§ 135 bis 139 b ganz oder teilweise ausgedehnt werben. Werk­ stätten, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie ge­ hörige Personen beschäftigt, fallen unter diese Bestimmungen nicht.

Die Kaiserlichen Verordnungen sowie die Ausnahmebestimmungen

des Bundesrats können auch

für bestimmte Bezirke erlassen werden.

Jetzige Fassung.

197 und solchen Konditoreien, in welchen neben den Konditorwaren auch Bäckerwaren hergestellt werden, unmittelbar bei der Herstellung von Waren be­ schäftigt sind. Ausgenommen bleiben Betriebe, die in regelmäßigen Tag- und Nachtschichten arbeiten;

5. das Verbot der Beschäftigung von Arbeiterinnen am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nach fünfeinhalb Uhr nachmittags auf Arbeiterinnen in Badeanstalten. Die Bestimmungen der §§ 1331, 135 bis 139b finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Hüttenwerken, in Zimmerplätzen und anderen Bauhöfen, in Werften sowie in Werkstätten der Tabak­ industrie auch dann entsprechende Anwendung, wenn in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden; auf Arbeitgeber und Arbeiter in Ziegeleien und über Tage betriebenen Brüchen und Gruben finden die Be­ stimmungen auch dann entsprechende Anwendung, wenn in diesen Betrieben in der Regel mindestens fünf Arbeiter be­ schäftigt werden. Die Bestimmungen der §§ 135 bis 139 b finden auf Arbeit­ geber und Arbeiter in Werkstätten, in welchen durch elementare Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität usw.) bewegte Trieb­ werke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen, auch wenn in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Bundesrat für gewisse Arten von Betrieben Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, § 136, § 137 Abs. 1 bis 4, § 138 vor­ gesehenen Bestimmungen nachlassen kann.

Auf andere Werkstätten, in als zehn Arbeiter beschäftigt die Bestimmungen der §§ 135 Bundesrats ganz oder teilweise

denen in der Regel weniger werden, sowie auf Bauten können bis 139b durch Beschluß des ausgedehnt werden.

Werkstätten, in denen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, sowie solche Werkstätten, in welchen eine oder mehrere Personen gewerbliche Arbeit verrichten, ohne von einem den Werkstattsbetrieb leitenden Arbeitgeber beschäftigt zu sein, fallen unter die Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 nicht. Die Bestimmungen des Bundesrats können auch für be­ stimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt

Entwurf.

198

Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen.

§ 154 a. Die Bestimmungen der §§ 115 bis 119a, 135 bis 139b, 152 und 153 finden auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben entsprechende Anwendung.

Arbeiterinnen dürfen in Anlagen der vorbezeichneten Art nicht unter Tage beschäftigt werden. Zuwiderhandlungen unterliegen der Strafbestimmung des § 146.

Jetzige Fassung.

199

zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammen­ tritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. § 154 a. Die Bestimmungen der §§ 115 bis 119a, 135 bis 139b, 152 und 153 finden auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben entsprechende Anwendung, und zwar auch für den Fall, daß in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter be­ schäftigt werden. Arbeiterinnen dürfen in Anlagen der vorbezeichneten Art nicht unter Tage beschäftigt werden. Zuwiderhandlungen unterliegen der Strafbestimmung des § 146.

Entwurf.



201



Kiste der Anwesenden in der

AusschuWtzung am 13. Mär; 1908 in Kerlin.

Mitglieder des Direktoriums: Herr Roetger, Landrat a. D., Vorsitzender des Direktoriums der Akt.-Ges. Fried. Krupp, erster stellvertretender Vor­









sitzender, Essen (Ruhr). Koenig, Geh. Regierungsrat,

Vorsitzender des Direktoriums des Vereins der Deutschen Zucker - Industrie, zweiter stellvertretender Vorsitzender, Berlin. Schlumberger, Th., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Elsaß-Lothringischen Industriellen-Syndikats, Mül­ hausen i. E. Hilger, Geh. Bergrat, Generaldirektor der Vereinigten Königs­ und Laurahütte, Berlin. Bueck, H. A., Generalsekretär, geschäftsführendes Mitglied im Direktorium.

Mitglieder der Geschäftsführung: Herr Leidig,

„ „

Regierungsrat a. D., Professor,

Dr., stellvertretender

Geschäftsführer, Berlin. ZakrzewSki, Dr., Berlin. Ballerstedt, Dr., Berlin.

Mitglieder: Herr Beumer, Dr., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, General­ sekretär, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe deS Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller und des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaft­



lichen Interessen in Rheinland und Westfalen, Düsseldorf. Borsig, Ernst, Kommerzienrat, Berlin.



Brandt, Dr.,

Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisen­

gießereien, Düsseldorf.

Syndikus

der Handelskammer Düsseldorf,

202 Herr Brauns, Kommerzienrat, Eisenach. „ Budde, Professor, Dr., Generaldirektor der Akt.-Ges. Siemens & Halske, Berlin. „ Buz, Kommerzienrat, Augsburg. „ 6oste, Kommerzienrat, Biere. „ Curtius, Richard, Fabrikbesitzer, Duisburg.

„ „ „

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„ „

van Dxlden, Gerrit, Kommerzienrat, Gronau i. W. Dietrich, Dr., Syndikus der Handelskammer Plauen, Plauen i.B. Ditges, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Papierfabrikanten und der Vereinigung Deutscher Schiffs­ werften, Berlin. Fiebelkorn, Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller, Berlin. Flohr, Baurat, Direktor der Maschinenfabrik „Vulcan", Stettin= Bredow. Fuchs, Hermann, Direktor der Norddeutschen Wagenbau­ vereinigung, Charlottenburg. Funcke, Wilhelm, Kommerzienrat, Hagen i. W. Graeßner, Generaldirektor, Vorsitzender des Kalisyndikats, Staßfurt. Haarmann, Dr.-Jng. h. c., Geh. Kommerzienrat, Osnabrück. Hirsch, Syndikus der Handelskammer Essen, Essen (Ruhr). Hummel, Generaldirektor, Ettlingen. Jüngst, Geh. Bergrat, Berlin. Knochenhauer, Bergrat, Kattowitz sO.-S.). Krabler, Geh. Bergrat, Altenessen. Krause, Max, Baurat, Berlin. Krüger, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Geschäftsführer des Vereins der Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte und des Verbandes Deutscher Maschinen­ fabrikanten für Brauerei- und Mälzerei-Anlagen, Berlin. Kuhlo, Dr., Syndikus des Bayerischen Jndustriellen-Verbandes, München. Langen, C. O., Vorsitzender des Verbandes Rheinisch-West­ fälischer Baumwollspinner, München-Gladbach. Laurenz, A., Kommerzienrat, Ochtrup i. W. Lehmann, Professor, Dr., Syndikus der Handelskammer Aachen, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Tuchund Wollwarenfabrikanten und des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Aachen.

203 Herr von und zu Loewenstein, Bergassessor, Geschäftsführer des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberberg­ amtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr). „ Neubarth, Eugen, Vorsitzender des Forster Fabrikanten-Vereins, Forst in der Lausitz. „ Sartorius, Kommerzienrat, Bielefeld. „ Schmid, Th. W., Spinnereidirektor, Hof i. B. „ Siemsen, Dr., Hüttendirektor, Dortmund. „ Springorum, Generaldirektor, Dortmund. „ Stark, Kommerzienrat, Vorsitzender der Vereinigung Sächsischer Spinnereibesitzer, Chemnitz. „ Steller, Paul, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln und des Ver­ eins deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Köln. „ Stumpf, Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks und Hüttenoereins, Syndikus der Handelskammer, Osnabrück, Osnabrück. „ Tille, Dr., Geschäftsführer des Vereins zur Wahrung der ge­ meinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarindustrie, der Südwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisenund Stahlindustrieller und Syndikus der Handels­ kammer Saarbrücken, St. Johann a. d. Saar. „ Voltz, Dr., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Geschäfts­ führer des Oberschlesischen berg- und hüttenmännischen Vereins und der Ocstlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Kattowitz. „ Websky, Ernst, Fabrikbesitzer, Tannhausen in Schlesien. „ Werminghosf, Generaldirektor, Berlin. „ Williger, Bergrat, Kattowitz. „ Winkler, Paul, Kommerzienrat, Fürth in Bayern.

Als Gäste waren anwesend: Herr Bitta, Generaldirektor, Neudeck (O.-S.). „ Dürr, Edmund, Fabrikbesitzer, Vorsitzender der Handelskammer Plauen, Plauen i. V. „ Haasemann, A., Direktor, Bremen. „ Krause, Redakteur der „Berliner Politischen Nachrichten", Berlin. „ Liebert, P., Generaldirektor, Berlin. „ von Schubert, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Berlin. „ Simon, Joh., Hüttenbesitzer, Oitilienhütte. „ Stenrmann-Bucher, Herausgeber der „Deutschen IndustrieZeitung", Berlin.

204 Herr Strecker, Dr., Herausgeber der „Deutschen Volkswirtschaftlichen Correspondenz", Berlin. „ Weidtmann, Dr., Geh. Bergrat und Generaldirektor, Schloß Rahe bei Aachen. „ Wiedermann, Kommerzienrat, Gransdorf, Bez. Liegnitz. „ Winkler, jr., Fürth in Bayern. „ Woltmann, Dr., Syndikus der Handelskammer Duisburg, Duisburg-Ruhroit. „ Ziemßen, Dr., Rechtsanwalt, Berlin.

Entschuldigt haben sich: Vom Direktorium: Herr Vopelius, R., Hüttenbesitzer, Mitglied des Herrenhauses, Vor­ sitzender des Verbandes der Glasindullriellen Deutschlands und der Glas-Berufsgenossenschaft, Vorsitzender, Sulzbach. „ Kirdorf, E., Geh. Kommerzienrat, Generaldirektor der Gelsen­ kirchener Bergwerks-Akt.-Ges., Rheinelbe bei Gelsenkirchen. „ Jencke, H., Geh. Finan;rat, Dr.-Jng. b. c., Mitglied des Preußischen Staatsrates und der Sächsischen Ersten Kammer, Dresden. „ von Rieppel, A., Baurat, Dr.-Jng. h. c., Generaldirektor der Vereinigten Maschmenfabrik Augsburg und Maschinen­ baugesellschaft Nürnberg, Nürnberg. „ Vorster, Jul., Geh. Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Vorsitzender des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln, Köln. „ Semlinger, H., Kommerzienrat, Vorsitzender des Direktoriums des Vereins Süddeutscher Baumwollindustrieller, Bamberg. „ Vogel, Geh. Kommerzienrat, Chemnitz. Herr „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ „

Von Mitgliedern: Baare, Fritz, Geh. Kommerzienrat, Bochum. Beukenberg, Baurat, Hörde i. W. Böcking, R., Geh. Kommerzienrat, Halbergerhütte. Brückner, Richard, Fabrikbesitzer, Calbe a. S. Caro, Geh. Kommerzienrat, Glciwitz. Clouth, Franz, Fabrikbesitzer, Köln-Nippes. Delius, Carl, Dr.-Jng. b. c., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Dierig, Friedrich, Kommerzienrat, Oberlangenbielau. Dietel, Franz, Geh. Kommerzienrat, Coßmannsdorf. Dulon, Kommerzienrat, Magdeburg. Goldberger, L. M., Geh. Kommerzienrat, Berlin. Graßmann, Bergrat, Essen (Ruhr). von Guilleaume, Th., Kommerzienrat, Köln.

205 Herr „ „ „ „ „ „ „ „ „

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„ „ „

„ „ „ „ „ „ „ „

Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat, Mannheim. Hallbauer, Kommerzienrat, Lauchhammer. Heckmann, Paul, Geh. Kommerzienrat, Berlin. Heller, Ernst, Dr.-Jng., Kommerzienrat, Linden-Hannover. Klemme, Dr.-Jng. b. c., Generaldirektor, St. Avold (Lolhr.). von Langen, Gottlieb, Fabrikbesitzer, Köln. Linke, Domänenrat, Slawenlzitz. Lueg, H., Dr.-Jng., Geh. Kommerzienrat, Düsseldorf. March, Albert, Fabrikbesitzer, Charlottcnburg. Meesmann, Geschäftsführer des Mittelrheinischen Fabrikanten­ vereins und der Südlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Mainz. Meyer, Ed., Fabrikbesitzer, Vorsitzender des Vereins deutscher Tuch- u. Wollwarenfabrikanten, Aachen. Meyer, Gerh. L., Geh. Kommerzienrat, Hannover. Möhlau, Adolf, Kommerzienrat, Düsseldorf. Müllensiefen, Th., Kommerzienrat, Crengeldanz. Neidhardt, Kommerzienrat, Reichenbach i. V. Rentzsch, Dr. H., Dresden-Blasewitz. Nickel, Ferd., Direktor, Harburg a. d. Elbe. Scheidtweiler, Regierungsrat, Oberhausen. Schieß, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins deutscher We> kzeugmaschinenfabrcken, Düsseldorf. Schrödter, E., Dr.-Jng., Geschäftsführer des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten und des Vereins deutscher Eisenhüttenl.ute, Düsseldorf. Sedlmayr, Gabriel, Geh. Kommerzienrat, München. Selve, Geh. Kommerzienrat, Altena. Seroaes, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins zur Wahrung der gemeins. wirtschasll. Interessen in Rheinland und Westfalen und der ?)ordwestl. Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Düsseldorf. Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr). Weinlig, Generaldirektor, Dillingen a. d. Saar. Weisdorff, Generaldirektor, Bürbach b. Saarbrücken. Weismüller, Kommerzienrat, Auerbach (Hessen). Wessel, Carl, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Syndikats Deutscher Sodasabrikanten, Bernburg. Zanders, Hans, Kommerzienrat, Bergisch-Gladbach. Ziegler, Kommerzienrat, Oberhausen. Zschille, Georg, Dresden.



206



Liste der Anwesenden in der

Delegierlenversammlung am 13. Mär; 1908 in Kerlin.

Vertreter des Herrn Ministers für Handel und Gewerbe Herr Geh. Ober-Regierungsrat Neumann, Berlin. An

der Sitzung

nahmen

als

Vertreter von befreundeten

industriellen Organisationen teil: Der Zentralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen: Herr Vosberg-Rekow, Dr., Direktor. „ Etienne, Dr., Geschäftsführer.

Des Bundes der Industriellen: Herr Schultze, SB., Direktor, Berlin. „ Wendlandt, SB., Dr., Generalsekretär, Berlin.

Des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands. Herr Brauer, Dr., Berlin. „ Kraemer, Dr., Professor, Berlin. „ Wenzel, Direktor, Geschäftsführer, Berlin.

Mitglieder des Direktoriumsr Herr Roetger, Landrat a. D., Vorsitzender des Direktoriums der Akt.-Ges. Fried. Krupp, erster stellvertretender Vorsitzender, Essen (Ruhr). „ Koenig, Geh. Regicrungsrat, Vorsitzender des Direktoriums des Vereins der Deutschen Zucker-Industrie, zweiter stellver­ tretender Vorsitzender, Berlin. „ Schlumberger, Th., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Elsaß - Lothringischen Industriellen - Syndikats, Mül­ hausen i. E. „ Bueck, H. A., geschäftsführendes Mitglied im Direktorium, Berlin.

207

Mitglieder der Geschäftsführung: Herr Leidig, Regierungsrat a. D., Professor Dr., stellvertretender Geschäftsführer, Berlin. „ Zakrzewski, Dr., Berlin. „ Ballerstedt, Dr., Berlin.

Mitglieder: Herr Bahn, Rud., Sorau (N. L.). „ Baumann, L., Direktor, Lübz. „ Beisert, Bcrgassessor, Geschäftsführer des Deutschen Braunkohlen-Jndustrie-Vereins, Halle a. S. „ Bergmann, Berlin. „ Beumer, Dr., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Geschäfts­ führer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller und des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, Düsseldorf. „ Bitta, Generaldirektor, Neudeck (O.-S.). „ Blume, Direktor, Stettin. „ Boelcke, Dr., Berlin. „ Borsig, Ernst, Kommerzienrat, Berlin. „ Brandt, Dr., Generalsekretär des Vereins Deutscher Eisen­ gießereien, Syndikus der Handelskammer Düsseldorf, Düsseldorf. „ Brauns, Kommerzienrat, Eisenach. „ Graf von Brockdorff, Dr., Syndikus der Handelskammer für den Regierungsbezirk Oppeln, Oppeln. „ Bruns, Joh., Fabrikant, Bremen. „ Budde, Professor, Dr., Generaldirektor der Aktien-Gesellschaft Siemens & Halske, Berlin. „ Buschmann, Bcrnh., Direktor, Geschäftsführer der ZiegeleiBerufsgenossenschaft, Charlottenburg. „ Busley, Geh. Regierungsrat, Professor, Berlin. „ Büttner, Dr., Syndikus der Handels- und Gewerbekammer für Schwaben und Neuburg, Augsburg. „ Buz, Kommerzienrat, Augsburg. „ Co sie, Kommerzienrat, Biere. „ Curlius, Richard, Fabrikbesitzer, Duisburg. „ van Delden, Gerrit, Kommerzienrat, Gronau i. W. „ Dietrich, Dr., Syndikus der Handelskammer Plauen, Plauen i.D.

208 Herr Ditges, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Papierfabrikanten und der Vereinigung Deutscher Schiffs­ werften, Berlin. „ Dittmar, M., Direktor, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Baumwollstrickgarn-Fabrikanten, Magdeburg. „ Dulon, R., Magdeburg. „ Dürr, Edmund, Fabrikbesitzer, Vorsitzender der Handelskammer Plauen, Plauen i. V. „ Fabarius, Erich, Kaufmann, Mitglied des Vorstandes der Bremer Baumwollbörse, Bremen. „ Fabian, Bergrat, Vorsitzender der Preisvereinigung Mittel­ deutscher Braunkohlenwerke, Halle a. S. „ Feldmann, Alfred, Dr., Vorsitzender der Gewerbekammer Bremen, Bremen. „ Fiebelkorn, Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller, Berlin. „ Flechtner, Langenbielau. „ Flohr, Baurat, Direktor der Maschinenfabrik „Vulcan", StettinBredow. „ Freytag, Ingenieur, Direktor a. D., Kötzschenbroda b. Dresden. „ Frölich, Fr., Ingenieur, Düsseldorf. „ Fuchs, Hermann, Direktor der Norddeutschen Wagenbau-Ver­ einigung, Charlottenburg. „ Funcke, Wilh., Kommerzienrat, Hagen i. W. „ Funcke, Bergrat, Bergwerksdirektor, Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Kamen. „ Goehring, C. F., Dr., Spindlersfeld. „ Götze, Emil, Generalsekretär des Verbandes der Glas­ industriellen Deutschlands und der Glasberufsgenossen­ schaft, Berlin. „ Grabenstedt, Dr., Generalsekretär des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller, Berlin. „ Graeßner, Generaldirektor, Vorsitzender des Kalisyndikats, Staßfurt. „ Grunenberg, Dr., Bergwerksdirektor, Vorsitzender des Nieder­ schlesischen Kohlensyndikats und des Vereins für die bergbaulichen Interessen Niederschlesiens, Hermsdorf bei Waldenburg in Schlesien. „ Guggenheimer, Dr., Direktor, Augsburg. ,, Gulden, William, Chemnitz. „ Guttsmann, John, Handelsrichter, Direktor, Berlin-Grunewald.

209 Herr Haarmann, Dr.-Jng. h. c., Geh. Kommerzienrat, Osnabrück. „ Haasemann, A., Direktor, Bremen. „ Hampke, Dr., Geschäftsführer der Gewerbekammer Hamburg, Hamburg. „ Hausmann, Fritz, Fabrikbesitzer, M. d. R. u. A., Berlin. „ Heidrich, Calbe a. S. „ Henneberg, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins deutscher Fabriken feuerfester Produkte, Freienwalde a. O. „ Heymann, Hermann, Rentner, Berlin. „ Hirsch, Syndikus der Handelskammer Essen, Essen (Ruhr). „ Hoff, Dr., Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes für den Bezirk der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Düsseldorf. „ Hoffmann, Fabrikdirektor, Berlin-Stralau. „ Hohlfeldt, Max, Fabrikbesitzer, Forst. „ Horbach, Oberst z. D., Spezialbevollmächtigter der Gasmotoren­ fabrik Deutz, Berlin. „ Hoeter, Ministerialdirektor a. D., Berlin. „ Hummel, Generaldirektor, Ettlingen. „ Hübner, Direktor der Akt.-Ges. Fried. Krupp, Germania-Werft, Kiel-Gaarden. „ Huesker, Otto, Fabrikbesitzer, Reichenbach i. Schlesien. „ John, W. Dr., Syndikus des Verbandes Ostdeutscher In­ dustrieller, Danzig. „ Joly, A., Ingenieur und Fabrikbesitzer, Wittenberg. „ Jüngst, Geh. Bergrat, Berlin. „ Karcher, Kommerzienrat, Frankenthal. „ Kauffmann, G., Dr., Kommerzienrat, Wüstegiersdorf. „ Keibel, Dr., Syndikus der Handelskammer Mülheim (Ruhrs­ Oberhausen, Mülheim (Ruhr). „ Keidel, Dr., Glauzig. „ Knobbe, Generalleutenant z. D., Exzellenz, Kauscha-Werk bei Petershain (Mark). „ Knochenhauer, Bergrat, Kattowitz (O.-S.). „ Kopf, C., Direktor, Mittweida. Krabler, Geh. Bergrat, Altenessen. „ Kraiger, Bergwerksdirektor für den Magdeburger Braunkohlen­ bergbau-Verein, Helmstedt. „ Kraner, R., Direktor der Baumwollspinnerei Erlangen, Erlangen. „ Krause, Max, Baurat, Berlin. „ Kreß, Fr., Bergwerksdirektor, Potsdam. Hcst 108.

14

210 Herr Kreutz, Jacob, Vorsitzender des Vereins für de» Verkauf von Siegerländer Roheisen und des Siegerländer EisensteinVereins, Siegen. „ Kroeger, Kommerzienrat, Alten bei Dessau. „ Krüger, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Geschäftsführer des Vereins der Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte und des Verbandes Deutscher Maschinen­ fabrikanten für Brauerei- und Mälzerei-Anlagen, Berlin. „ Kugel, Carl, Fabrikdirektor, Werdohl. „ Kuhlo, Dr., Syndikus des Bayerischen Jndustriellen-Verbandes, München. „ Lachmann, Dr., Justizrat, Berlin. „ Langen, Adolf, Direktor, Köln-Deutz. „ Langen, C. O., Vorsitzender des Verbandes Rheinisch-West­ fälischer Baumwollspinner, M.-Gladbach. „ Laurenz, A., Kommerzienrat, Ochtrup i. W. „ Lehmann, Professor Dr., Syndikus der Handelskammer Aachen, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Tuch- und Woll­ warenfabrikanten und des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Aachen. „ Siebert, P., Generaldirektor, Berlin. „ Lindgens, Adolf, i. Fa. Lindgens & Söhne, Mülheim a. Rhein. „ Lochmüller, W., Dr., Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Baumwollgarn-Verbraucher, Dresden. „ Loewe, Dr., Bergassessor, Geschäftsführer des Vereins der Deutschen Kaliinteressenten, Magdeburg. „ von und zu Loewenstein, Bergassessor, Geschäftsführer des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober­ bergamtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr). „ Loevy, Max, Fabrikbesitzer, Grünberg i. Schles. „ Meyer, Franz, Grubenvorstand der Oelsnitzer Bergbau-Ge­ werkschaft Glauchau. „ Meyer, Max, Direktor, Hamburg. „ Michaelis, Dr., Konsulent der Geiverbekammer, Bremen. „ Miesner, I., Fabrikant, Lübeck. „ Moldenhauer, Professor Dr., Geschäftsführer des deutschen Haftpflicht- und Versicherungs-Schutzverbandes, Köln. „ Mollat, Dr., Syndikus der Handelskammer Siegen und Ge­ schäftsführer des berg- und hüttenmännischen Vereins, Siegen. „ Müller, Bcrgrat, Gelsenkirchen.

211 Herr Mundt, Arthur, Fabrikbesitzer, Berlin. „ Nedelmann, Carl, Fabrikbesitzer, Mülheim (Ruhr). „ Neisser, Dr., Justizrat, Geschäftsführer des Verbandes Schlesischer Textilindustrieller, Breslau. „ Neubarth, Eugen, Vorsitzender des Forster Fabrikanten-Vereins, Forst (Lausitz). „ von Oechelhaeuser, Dr.-Jng., Generaldirektor, Dessau. „ Othberg, Direktor, Eschweilerau. „ Piatschek, Bergwerksdirektor, Senftenberg. „ Pinkus, Max, i. Fa. S. Fraenkel, Neustadt, Oberschlesien. „ Pohl, Dr., Syndikus der Vereinigung deutscher Baumwoll­ strickgarn-Fabrikanten, Magdeburg. „ Protzen, Kommerzienrat, Berlin. „ Prüssing, Paul, Dr., Fabrikbesitzer, Schönebeck a. d. Elbe. „ Randebrock, Generaldirektor, Rheinelbe bei Gelsenkirchen. „ Rieck, I. M., i. Fa. Heinrich Brandenburg, Schiffswerft, Hamburg. „ Rocke, Dr., Geschäftsführer des Fabrikanten-Vereins fürHannover, Linden und die benachbarten Kreise, Hannover. „ Roitzsch, Ernst, Geschäftsführer des Verbandes von Arbeit­ gebern der Sächsischen Textilindustrie, Chemnitz. „ Röll, Wilhelm, Kommerzienrat, Aue, Erzgebirge. „ Rosenberger, Heinz, Fabrikbesitzer, Oberlangenbielau. „ Rückert, Joh., Direktor der Norddeutschen Braunkohlenwerke, Frellstedt. „ Sachsenberg, Georg, Kommerzienrat, Roßlau. „ Saeftel, Hüttendirektor, Dillingen, Saar. „ Sartorius, Kommerzienrat, Bielefeld. „ Schaafhausen, Neu-Welzow (Niederlausitz). „ Schiele, Ernst, Vorsitzender der Gewerbekammer Hamburg, Hamburg. „ Schlueter, Generalsekretär des Verbandes Deutscher Müller, Berlin. „ Schmalbein, Kommerzienrat, Köln. „ Schmid, Th., W., Spinnereidirektor, Hof i. B. „ Schorer, Th., Vorsitzender der Gewerbekammer Lübeck, Lübeck. „ Schrey, Regierungrat, Generaldirektor, Danzig. „ Schröder, Dr., Konsulent der Gewerbekammer Lübeck, Lübeck. „ von Schubert, Generalleutnant z. D., Exzellenz, Berlin. „ Schürer, Richard, Kommerzienrat, Augsburg. „ Selve, Walther, Ingenieur, Altena i. Wests.

212 Herr „ „ „ „ „ „



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Siemens, Halle a. S. Siemon, Joh., Hütten besitzer, Ottilienhütte. Siemsen, Dr., Hüttendirektor, Dortmund. von Skal, Bergassessor, Bollingen in Lothringen. Skene, Geh. Kommerzienrat, Klettendorf bei Breslau. Springorum, Generaldirektor, Dortmund. Stahl, Direktor der Stettiner Maschinenbau-Aktiengesellschaft „Vulcan", Stettin-Bredow. Stark, Kommerzienrat, Vorsitzender der Vereinigung Sächsischer Spinnereibesitzer, Chemnitz. Steinegger, L., Direktor, Mittweida. Steller, Paul, Generalsekretär, Geschäftsführer des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln und des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Köln. Stumpf, Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenvereins und Syndikus der Handelskammer, Osnabrück. Tänzler, Dr., Syndikus der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeber­ verbände, Berlin. Tille, Dr., Geschäftsführer des Vereins zur Wahrung der ge­ meinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarindustrie und Syndikus der Handelskammer Saarbrücken, St. Johann (Saar). Trescher, Dr., Düsseldorf. Tschierschky, Dr., Geschäftsführer des Vereins der Deutschen Textilveredelungsindustrie, Düsseldorf. Türke, Wilhelm, Direktor der Akt.-Ges. H. F. Eckert, Berlin. Uebel, Kommerzienrat, Plauen i. V. Voelcker, Dr., Regierungsrat, Vertreter des Verbandes Deutscher Messingwerke, Berlin. Voltz, Dr., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Geschäfts­ führer des Oberschlesischen berg- und hüttenmännischen Vereins und der Oestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Kattowitz. Wachler, Dr., Oberbergrat, Berlin. Waibel, E., Kommerzienrat, Stuttgart. Weber, Hermann, Kommerzienrat, Präsident der Handelskammer Gera, Gera (Reuß). Websky, Ernst, Fabrikbesitzer, Tannhausen in Schlesien. Werminghoff, Generaldirektor, Berlin. Weichelt, Carl, Eisengießereibesitzer, Leipzig.

213 Herr Weidtmann, Dr., Geh. Bergrat und Generaldirektor, Schloß Rahe bei Aachen. „ Weigel, H. C., Bergdirektor, Oelsnitz. „ Wiebe, Dr., Syndikus der Handelskammer Bochum, Bochum. „ Wiedermann, Kommerzienrat, Gransdorf, Bezirk Liegnitz. „ Wiesen, H- C., Fabrikbesitzer i. Fa. Websky, Hartmann & Wiesen, Wüstewaltersdorf i. Schlesien. „ Wihard, Hugo, Rittmeister, Fabrikbesitzer, Liebau in Schlesien. „ Williger, Bergrat, Kattowitz. „ Winkler, Paul, Kommerzienrat, Fürth i. Bayern. „ Winkler ^r., Fürth i. Bayern. „ Wolff, Constantin, Generaldirektor, Gleiwitz. „ Wolff-Zitclmann, Bergwerksdirektor, Berlin. „ Woltmann, Dr., Syndikus der Handelskammer Duisburg, Duisburg-Ruhrort. „ Ziegler, Dr., Generalsekretär der Vereinigung der in Deutsch­ land arbeitenden Privat-Feuerversicherungsgesellschaften, Berlin. „ Ziemssen, Dr., Rechtsanwalt, Berlin.

Als Giiste waren anwesend: Herr Honthumb, Geh. Baurat, Berlin. „ Krause, Redakteur der „Berliner Politischen Nachrichten", Berlin. „ Steinmann-Bucher, Herausgeber der „Deutschen IndustrieZeitung", Berlin. „ Strecker, Dr., Herausgeber der „Deutschen Volkswirtschaftlichen Correspondenz", Berlin.

Entschuldigt haben sich: Vom Direktorium: Herr Vopelius, R., Hüttenbesitzer, Mitglied des Herrenhauses, Vor­ sitzender des Verbandes der Glasindustriellen Deutsch­ lands und der Glas-Berussgenossenschaft, Vorsitzender, Sulzbach. „ Kirdorf, E., Geh. Kommerzienrat, Generaldirektor der Gelsen­ kirchener Bergwerks-Akt.-Ges., Rheinelbe bei Gelsenkirchen. „ Jencke, H., Dr.-Jng. b. e., Geh. Finanzrat a. D., Mitglied des Preußischen Staatsrats und der Sächsischen Ersten Kammer, Dresden. „ von Rieppel, A., Dr.-Jng. d. o., Baurat, Generaldirektor der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinen­ baugesellschaft Nürnberg, Nürnberg.

214 Herr Vorster, Jul., Geh. Kommerzienrat, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Vorsitzender des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln, Köln. „ Semlinger, H., Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Süd­ deutscher Baumwollindustrieller Bamberg. „ Hilger, Geh. Bergrat, Generaldirektor der Vereinigten Königs­ und Laurahütte, Berlin. „ Vogel, Geh. Kommerzienrat, Chemnitz.

Von Mitgliedern: Herr Aust, Hermann, Kommerzienrat, München. „ Baare, Fritz, Geh. Kommerzienrat, Bochum. Baumwoll-Spinnerei Uerdingen, Uerdingen. Herr Becker, Max, Direktor, Schellmühl. „ Behnisch, A., Direktor a. D., Görlitz. „ Beindorff, Fr., Hannover. „ Beukenberg, Baurat, Hörde i. W. „ Boch, R., von, Geh. Kommerzienrat, Mettlach. „ Böcking, R., Geh. Kommerzienrat, Halbergerhütte. „ Brauns, A., Direktor, Zwickau i. S. „ Brückner, Richard, Calbe a. Saale. „ Caro, Oskar, Geh. Kommerzienrat, Gleiwitz. „ Clouth, Franz, Fabrikbesitzer, Köln-Nippes. „ Delius, Carl, Dr.-Jng., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Deutsche Asphalt-Aktien-Gesellschaft, Hannover. Herr Dierig, Christian, Kommerzienrat, Oberlangenbielau. „ Dietel, Franz, Geh. Kommerzienrat, Coßmannsdorf. Dresdener Papierfabrik, Dresden. Herr Dulon, M., Kommerzienrat, Magdeburg. „ Eheim, Karl, Maschinenfabrik, Oehringen. Eisenhütten- und Emaillierwerk, Neusalz a. O. Herr Eisner, Wilhelm, Glasfabrik, Zabrze O.-S. Elsässische Maschinenbau-Gesellschaft, Mülhausen i. Els. Herr Euler, W., Papierfabrik, Bensheim a. d. B. „ Fuld, Dr., Justizrat, Mainz. „ Garvens, E., Vorsitzender der Nordwestlichen Eisen- und StahlBerufsgenossenschaft, Hannover. „ Geins, Emil, Fabrikant, Stuttgart. Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Gelsenkirchen-Schalke. Herr Glaeser, Edmund, Neusalza. O. „ Goldberger, L. M., Geh. Kommerzienrat, Berlin.

215 Herr Graßmann, Bergrat, Essen (Ruhr). Grünberger Tuchmacher-Gewerks-Fabrik, Grünberg i. Schl. Herr von Guilleaume, Th., Kommerzienrat, Köln. „ Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat, Mannheim. „ Hallbauer, Kommerzienrat, Lauchhammer. Hannoversche Maschinenbau-Aktiengesellschaft, Hannover. Herr Hartmann, Eugen, Professor, Frankfurt a. M. „ Hecht, Dr., Felix, Geh. Hofrat, Mannheim. „ Heckmann, Paul, Geh. Kommerzienrat, Berlin. „ Heller, Ernst, Dr.-Jng., Kommerzienrat, Linden (Hannover). „ Hering, Generaldirektor, Nürnberg. „ Hermani, B., Direktor, Rombach i. Lothr. „ Höschelein, A., Halle a. S. „ Kauffmann, C., Fabrikant, Stuttgart. „ Keindorff, König!. Regierungsrat a. D., Schloß Waldenburg. „ Kintzlö, Generaldirektor, Rote Erde b. Aachen. „ Klawitter, I. W., Danzig. „ Klemme, Max, Kommerzienrat, Forst i. L. „ Klemme, Dr.-Jng. b. c., Generaldirektor, St. Avold (Lothringen). „ Kleyer, Heinrich, Generaldirektor, Frankfurt a. M. „ Kollmann, Wilh., Kommerzienrat, Bismarckhütte. „ Kuner, Wetzlar. „ Kusel, Friedrich, Gelenau. „ von Langen, Fabrikbesitzer, Gottlieb, Köln. „ Lauth, Aug., Fabrikant, Thann (Elsaß). Lindener Zündhütchen- und Thonwaren - Fabrik, Linden (Hannover). Herr Linke, Paul, Domänenrat, Slawentzitz. „ Lobe, Bergrat, Königshütte (O.-S.) „ Lovis Söhne, Th. D., Papierfabrik, Heiligenstadt (Eichsfeld). „ Lueg, H., Dr.-Jng. h. c., Geheimer Kouimerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten, Düsseldorf. „ Macco, Heinr., Ingenieur, Berlin. „ March, Albert, Fabrikbesitzer, Charlottenburg. „ Martin, Emil, Ebersbach in Württemberg. „ M assen ez, I., Ingenieur, Wiesbaden. „ Meesmann, Geschäftsführer des Mtttelrheinischen Fabrikanten­ vereins und der Südlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Mainz. „ Meyer, Eduard, Vorsitzender des Tuch- und WollwarenfabrikantenvereinS, Aachen.

216 Herr Meyer, G. L., Geh. Kommerzienrat, Hannover. „ Möhlau, Adolf, Kommerzienrat, Düsseldorf. „ Müllensiefen, Th., Kommerzienrat, Crengeldanz. „ Neidhardt, Kommerzienrat, Reichenbach i. V. „ Netter, O. L., Handelsrichter, Berlin. „ Niedt, Generaldirektor, Gleiwitz. „ Oswald, W., Kommerzienrat, Coblenz. „ Pieper, Bergassessor, Generaldirektor, Böckum. „ Remy, Bergrat, Lipine (O.-S.). „ Rentzsch, H., Dr., Dresden-Blasewitz. Rheinische Chamotte- und Dinas-Werke, Ottweiler. Herr Nickel, Direktor, Harburg a. d. Elbe. „ Scheidt, E. A., Kettwig. „ Scheidtweiler, I., Regierungsrat, Oberhausen. „ Sch ich au, F., Elbing i. Westpr. „ Schieß, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Düsseldorf. „ Scholtz, Conrad, Hamburg. „ Schrö dter, E., Dr.-Jng., Geschäftsführer des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten und des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Düsseldorf. „ Sedlmayr, Gabriel, Geh. Kommerzienrat, München. „ Selve, Geh. Kommerzienrat, Altena in Westfalen. „ Servaes, A., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen und der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl­ industrieller, Düsseldorf. „ Sorge, Direktor, Magdeburg-Buckau. Stettiner Oderwerke, A.-G., Stettin. Herr von Tielsch, Fideikommiß und Fabrikenbesitzer, Neu-Altwasser. Vereinigte Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen, Augs­ burg. Herren Wagner & Fricke, F., Lackfabrik, Hannover. Herr Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr). „ Weicker, G., Direktor, Königsberg i. Pr. „ Weinlig, Generaldirektor, Tillingen a. d. Saar. „ Weis dorff, Generaldirektor, Bürbach b. Saarbrücken. „ Weis müll er, Kommerzienrat, Auerbach (Hessen). „ Weise, R. E., Fabrikbesitzer, Halle a. S. „ Weißecker, C., Glasfabrikant, Danzig-Langfuhr.

Herr Wenzel, L., Kommerzienrat, Leipzig. „ Wessel, Carl, Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender des Syndikats Deutscher Sodafabriken, Bernburg. „ Wiegand, O., Kommerzienrat, Apolda i. Th. „ Wundsch, C., Hannover-Wülfel. „ Zanders, Hans, Kommerzienrat, Bergisch-Gladbach. „ Zeyen, Leopold, Fabrikant, Raguhn i. Anhalt. „ Ziegler, Kommerzienrat, Oberhausen (Rhld.). „ Zschille, Georg, Dresden.

218

Verzeichnisse.

Per Ausschuß des Genlratvervandes nach den Neuwahlen und Ergänzungen vom 13. Mär; 1908.

Mitglieder.

Stellvertreter.

Böcking, Rud., Geh.Kommerzien­ rat, Brebach. Brauns, H., Kommerzienrat, Eisenach.

Röchling, Louis, Hüttenbesitzer, Völklingen a. Saar. Lehmann, Professor, Dr., Han­ delskammersyndikus , Geschäfts­ führer des Vereins Deutscher Tuch- und Wollwarenfabrikanten und des Vereins für die bergund hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Aachen. Euler, W., Kommerzienrat, Bens­ heim. Selben, Gerrit van, Kommerzien­ rat, Gronau i. W. Toussaint, Direktor, Kiel.

Brückner, Rich., Fabrikbesitzer, Calbe a. Saale. Delius, Karl, Dr.-Jng.d.c., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Flohr, Baurat, Bredow-Stettin. Gärtner, R., Kommerzienrat, Freiburg i. Schl. Goldschmidt, Karl, Dr., Essen. Haarmann, A., Dr.-Jng., Geh. Kommerzienrat, Osnabrück. Hummel, Friedrich, General­ direktor, Ettlingen. Kauffmann, Georg, Dr., Kom­ merzienrat, Wüstegiersdorf in Schlesien.

Websky, Ernst, Fabrikbesitzer, Tannhausen. Curtius, Richard, Duisburg. Baare, Fritz, Geh. Kommerzien­ rat, Bochum. Kran er, Direktor, Erlangen. Stetig, Friedrich, Kommerzienrat, Oberlangenbielau.

219

Geh. Kommerzienrat, Krabler, E-, Geh. Bergrat, i Caro, Gleiwitz. Altenessen. Kraushaar, Dr., Generaldirektor, Heintze, G., Direktor, Döhren bei Hannover. Hannover. Laurenz, Anton, Kommerzienrat, Langen, C. O., Fabrikbesitzer Ochtrup i. W. M -Gladbach. Bergrat, Linke, Paul, Domänenrat, Sla- Knochen Hauer, Kattowitz. wentzitz. Lu eg, H., Dr.-Jng., Geh. Kom­ merzienrat, Düsseldorf.

Schrödter, E., Dr.-Jng., In­ genieur, Geschäftsführer des Vereins Deutscher EisenhüttenI leute und des Vereins Deutscher I Maschinenbauanstalten, Düssel­ dorf.

Melchior, A., Kommerzienrat, Nürtingen. M ey e r, Ed., Fabrikbesitzer, Aachen.

Meyer, Gerh.L., Geh.Kommerzienrat, Hannover. Mieg, Daniel, Fabrikant, Mül­ hausen i. E. Müser, Generaldirektor, Dort­ mund. Nickel, Ferd., Direktor, Harburg.

Bourcart, Fabrikbesitzer, Gebweilcr. Neubarth, Eug., Fabrikbesitzer, Forst i. L. Jüngst, Geh. Bergrat, Berlin, Kurfürstendamm 214. Kiener, Andrö, Handelskammer­ präsident, Colmar i, Els. Graß mann, Bergrat, Essen (Ruhr). Herbst, Kommerzienrat, Triebes.

Sartorius, Franz, Kommerzien­ rat, Bielefeld. Servaes, Geh. Kommerzienrat, Düsseldorf. Stark, Emil, Kommerzienrat, Chemnitz.

Möhlau, Ad., Kommerzienrat, Düsseldorf. Kamp, Kommerzienrat, Laar bei Ruhrort. Schmid, Th. W., Direktor, Hof in Bayern.

Ugo, Kommerzienrat, lautern.

Kaisers­

Stumpf, F., Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten-Vereins, Syndikus der Handelskammer zu Osnabrück, Osnabrück.

Walter, W., Direktor, HannoverLinden.

Goertz, Ed., Kommerzienrat, Mülfort bei Odenkirchen.

Weis dorff, Generaldirektor, Burbacher Hütte bei Saarbrücken.

Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr).

220 Williger, Bergrat, Kattowitz.

Voltz, Dr., M. d. A., General­

sekretär des Oberschlesischen Bergund hüttenmännischen Vereins, Kattowitz.

Winkler, Paul,

Kommerzienrat,

Müllensiesen, Th., Kommerzien­ rat, Crengeldanz.

Fürth.

Ziegler,

Ober­

Kommerzienrat,

Scheidtweiler,

Regierungsrat,

Oberhausen.

hausen.

Zugewählte Mitglieder. Beukenberg, Baurat, Hördei.W.

Beumer,

Dr.,

W.,

M. d. A.,

Generalsekretär des Vereins zur

Wahrung der gemeinsamen wirt­ schaftlichen Interessen in Rhein­ land

und

Westfalen

Nordwestlichen

Vereins

und

Gruppe

Deutscher

der des

Eisen- und

Stahl-Industrieller, Düsseldorf.

Franz,

Clouth,

Fabrikbsietzer,

Cöln-Nippes. Co sie, D., Kommerzienrat, Biere.

Dielel, Franz, Geh. Kommerzien­

rat, Coßmannsdorf. Dietrich, Dr.,

Handelskammer-

Syndikus, Plauen.

Ditgcs, Generalsekretär der Ver­

Blohm, Herm., Hamburg.

eins Deutscher Papierfabrikanten

Böker, M., Kommerzienrat, Vor­

und

sitzender

des Bergischen Fabri­

kantenvereins, Remscheid.

Dr.,

Syndikus

der

Handelskammer Düsseldorf, Ge­

schäftsführer des Vereins Deut­

scher Eisengießereien, Düsseldorf. Grafvon Brockdorff, Dr., Syn­ dikus derHandelskammerOppeln, Oppeln.

Budde, Professor, Dr., General­ direktor

der

Siemens

&

Aktiengesellschaft Halske,

Berlin,

Askanischer Platz 3. Buz, Hch., Kommerzienrat, Direktor

der Vereinigten Maschinenfabrik

Augsburg

Vereins

Deutscher

Ufer 13.

Borsig,E., Kommerzienrat,Berlin. Brandt,

des

Schiffswerften, Berlin, Lützow-

und Maschinenbau­

gesellschaft Nürnberg, Augsburg.

von

Donnersmarck,

Fürst

Guido Henckel, Neudeck (D.=©.). Dulon,

M.,

Kommerzienrat,

Magdeburg.

Evers, Ziegeleibesitzer, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Ton­

industrieller, Berlin, Gitschinerstraße 109.

Fiebelkorn, Dr.. Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller,

Berlin,

Stephan­

straße 50. Funcke,

Wilh.,

Hagen i. W.

Kommerzienrat,

221 Fuchs, H., Direktor der Nord­ deutschen Wagenbau - Vereini­

gung,

Charlottenburg,

Bleib­

treustr. 20. Goldberger, Geh. Kommerzien­

Hoeter, Ministerialdirektor a.D., Berlins., Kurfürstendamm220. Jordan, H., Dr., Bankdirektor, Elberfeld.

Junghann,

Geheimer Bergrat,

rat, Vorsitzender der Ständigen Ausstellungskommission für die

Berlin, Drakestr. 1. Kirdorf, A., Geh. Kommerzien­

deutsche Industrie, Berlin, Mark­ grafenstr. 53/54. Gräßner, Bergiverksdirektor a.D., Leopoldshall-Staßfurt.

rat, Aachen. Kleine, Bergrat, Dortmund, Vor­ sitzender des Vereins zur Wah­ rung der bergbaulichen Inter­ essen im Ober-Bergamtsbezirk

von Guilleaume, Th., Kom­ merzienrat, Cöln. Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat,

erster stellvertretender Vorsitzen­ der des Vereins Deutscher Zell­ stoffsabrikanten, Waldhof bei Mannheim. Haeffner, Ad., Fabrikbesitzer, Frankfurt a. M. Hallbauer, Kommerzienrat,

Dortmund. Klemme, Dr.-Jng. h.c., General­ direktor, Bergassessor a. D., St. Avold (Lothringen). Körting, Berth., Kommerzienrat,

merzienrat, Berlin, Lützowstr.64. Ernst, Kommerzienrat,

Hannover. Krause, Max, Baurat, Berlin, Chausseestr. 13. Kruger, Generalleutnant z. D., Exz., Geschäftsführer des Ver­ eins der Fabrikanten landwirt­ schaftlicher Maschinen und Ge­ räte, Berlin, Burggrafenstr. 13. Kuhlo, Dr., Syndikus des Baye­ rischen Jndustriellen-Verbandes,

Dr.-Jng., Direktor der Han­ noverschen Maschinenbau-Akt.-

München. Landsberg,

Lauchhammer. Hartmann, Gust., Geh. Kom­ merzienrat, Dresden. Heckmann, Paul, Geh. Kom­ Heller,

Ges. vormals Georg Egestorff, Linden-Hannover.

Henneberg, Ernst, Kommerzien­ rat, Fabrikbesitzer, Freienwalde a. O. von der Herberg, C., Direktor, Mülheim a. Rh., Vorsitzender der Verkaufsstelle des Deutschen Kupferdrahtoerbandes, Cöln. Hirsch, M. d. A., Syndikus der

Handelskammer (Ruhr).

Essen,

Essen

Heinrich,

Direktor

des Heddernheimer Kupferwerks,

vormals F. A. Hesse Söhne zu Frankfurt a. M., Vorsitzender der Verkaufsstelle des Kupfer­

blechverbandes, Kassel, von Langen, Gottlieb, Cöln. von und zu Loewenstein, Berg­

assessor, Geschäftsführer des Ver­ eins zur Wahrung der berg­ baulichen Interessen im Ober­ bergamtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr).

222

Mann, L., Handelsrichter, Vor­ sitzender des Vereins Deutscher Lackfabrikanten,Berlin,Meinecke­

Schaltenbrand, Vorsitzender des

straße 4. March, Fabrikbesitzer, Vorsitzender des Deutschen Vereins für Ton-, Cement-und Kalkindustrie, Charlottenburg, Sophienstr. 23/25.

Schieß, Ernst, Geh. Kommerzien­

Martens, Dr., Syndikus der Handelskammer Dortmund,

Dortmund. Marwitz, Kommerzienrat, Vor­ sitzender des Vereins der Baum­ wollgarnkonsumenten, Dresden. Meesmann, Geschäftsführer des Mittelrheinischen FabrikantenVereins und der Süddeutschen

Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Mainz. Menck, I. A., M. d. A., Kom­ merzienrat, Altona. Merwitz, Direktor, Vorsitzender der Verkaufsstelle des Deutschen Kupferrohrverbandes, Cöln. Mundt, Arthur, i. Fa. Berliner GipSwerke L. Mundt vorm. H. Kühne, Berlin SW., perl. Trebbinerstr. Neidhardt, Kommerzienrat, Prä­ sident der Handelskammer Plauen, Reichenbach i. V.

Offermann, Geh. Kommerzien­ rat, Leipzig. Protzen, Kommerzienrat, Berlin, Köllnischer Fischmarkt 4. Rentzsch, H., Dr.,

Blasewitz bei

Dresden. Schaafhausen, Welzow (R.-L.).

Direktoriums des Stahlwerks­ verbandes, Düsseldorf. rat, Düsseldorf.

Schimpfs, Direktor, Uhlandstr. 159.

Berlin,

zu Schleswig-Holstein, Herzog

Ernst Günther, Schloß Primkenau.

S ch o t t, F., Kommerzienrat, Heidel­ berg.

Schroers, A., Kommerzienrat, erster Vorsitzender des Vereins der deutschen Textilveredlungs­ industrie, Düsseldorf, Crefeld. Sedlmayr, Gabriel, Geh. Kom­ merzienrat, München.

Selve, Geheimer Kommerzienrat, Altena i. W. Siemsen, Dr., Direktor,

Dort­

mund. Skene, Karl, Geh. Kommerzien­ rat, Klettendorf bei Breslau.

Springorum, Generaldirektor, Dortmund, Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisenhütten­ leute, Düsseldorf.

Steller, Paul, Generalsekretär des Vereins der Industriellen

des Regierungsbezirks Cöln und des Vereins Deutscher Werkzeug­ maschinenfabriken, Cöln. Tille, Alexander, Dr., Syndikus der Handelskammer Saarbrücken, Generalsekretär des Vereins zur

Wahrung der gemeinsamen wirt­ Direktor,

Neu-

schaftlichen Interessen der Saar­ industrie und der Südwestlichen

223

Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller,

Wessel, C., Geh. Kommerzienrat, Bernburg.

St. Johann a. d. Saar.

van den Wyngaert, I.,

Weinlig, Generaldirektor,

Dil­

lingen a. d. Saar.

E., Kommerzien­ rat, stellvertr. Vorsitzender der Süddeutschen Gruppe des Ver­ eins Deutscher Eisen- und StahlIndustrieller, Auerbach (Hessen), Heidelbergerstr. 55. Wenzel, Kommerzienrat, Direktor der Kammgarnspinnerei zu Leipzig, Leipzig. Weismüller,

Werminghoff, I., General­ direktor, Berlin, Potsdamer

Straße 21.

Vor­ sitzender des Verbandes Deutscher Müller, Berlin, Bülowstr. 100.

Zanders, Hans, Kommerzienrat, i. F. I. W. Zanders, Papier­ fabriken, Bergisch-Gladbach. Zilleken, Generaldirektor, stell­ vertretender Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Neunkirchen (Bez. Trier). Zürn er, Bergrat, Generaldirektor der Maschinenbauanstalt „Hum­ boldt", Kalk b. Cöln. Zschille, Georg Herm., Dresden, Parkstr. 9.

224

Nachtrag. M Mcle ics HMWt» WritStmun-ßesktzkS. Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht das „Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands" Nr. 14 vom 4. April 1908 folgende Darlegung:

„Es ist ein sehr merkwürdiges Zusammentreffen, daß in demselben Augenblick, wo die deutsche Reichsregierung dem Reichstag einen Gesetz­ entwurf zur Einführung von Arbeitskammern unterbreitet hat (vorerst ist nur dieVerösfentlichung im „Reichsanzeiger" erfolgt. D. R.) — einen frei­ lich im bureaukratischen Geist eingesckmürten Entwurf , in Holland ein Gesetz, das schon zehn Jahre die Arbeiterklasse mit Arbeitskammern segnete, ganz und gar fallierte, wenigstens insoweit es die oberste und erste Aus­ gabe des Gesetzes betrifft: den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen. Die Geschichte des Gesetzes ist eine sehr trübselige, aber dennoch für die Gegner des Klassenkampfes eine sehr belehrende. Es war in den 90er Jahren, und die erste zehnjährige Periode der sozialistischen Bewegung, die in den Jahren 1890 —1895 sehr revolutionär war, hatte sich durch zahlreiche Streiks, durch Mani­ festationen, durch Aussperrungen gekennzeichnet. Die Arbeiterklasse war sich ihres Elends und ihrer Knechtschaft bewußt geworden, und wie

immer in den Anfangsjahren der Arbeiterbewegung waren die Streiks vielfach spontane Ausbrüche unorganisierter und undisziplinierter Arbeiter­

massen. Aber die Bourgeoisie, inner- und außerhalb des Parlaments, war vor dem elementaren Auftreten der Arbeiterklasse ganz erschreckt und meinte, „es wäre nichts anderes, als der Erfolg vom „Hetzen" der „Aufiviegler" und Agitatoren, und wenn nur die Arbeiter mit den Unternehmern zusammentreten, die Arbeitsverhältnisse ruhig besprechen und über die Konflikte mit den Unternehmern in einem gesetzlichen Kolleg im voraus unterhandeln, so würde den sozialistischen Agitatoren

der Wind aus den Segeln genommen und die Harmonie zwischen Arbeit und Kapital gerettet werden. . . ." So brachte die Regierung 1896 eine Gesetzesvorlage ins Parla­ das Wasser abgegraben,

ment zur Einführung von Arbeitskammern, zu deren Begründung die Regierung u. a., nachdem sie auf den damals im Auslande herrschen­ den Klassenkampfe gedeutet hatte, sagte: „Was in unserem eigenen Lande vorzunehmen ist, ist dahin zu arbeiten — soweit die Regierung dazu imstande ist —, daß eine gute Harmonie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefördert

225 wird, sowie eventuellem Mißverständnis zuvorzukommen, fort­ wucherndem Mißtrauen Einhalt zu tun, erbitternde Uneinigkeit zum Ausgleich zu bringen, für beide Parteien verhängnisvollen Streiks vorzubeugen und die Ueberzeugung zu begründen, daß die Parteien

einander nicht unversöhnlich gegenüberstehen, daß aber mittels gegenseitiger Ueberlegung Maßregeln in beider Interessen getroffen werden können." Und weiter noch: „Mit der Einführung von Arbeitskammern wird eine Maßregel beabsichtigt mit dem Zweck, einen nicht geringen Einfluß auf die gesell­ schaftlichen Verhältnisse auszuüben, um damit eine Versöhnung zwischen den zwei oft uneinigen Klassen der Gesellschaft herbeizuführen." In der Beleuchtung zum Artikel in bezug auf die „Versöhnungs­ arbeit" wird noch gesagt: „Ein sehr wichtiger Teil der Aufgabe, welche die Arbeits­ kammern zu erfüllen haben, ist die Arbeit des Versöhnungsrates." „Es darf für wahrscheinlich gehalten werden, daß mancher Ausstand nicht ausgebrochen wäre, oder wenigstens zu nicht so

ausgedehnten Abmessungen gelangt wäre, wenn die Gelegenheit bestanden hätte, nach Beschwerden und Klagen Untersuchungen an­ zustellen. So hatte es auch das Parlament aufgefaßt und be­ geistert dem Entwurf seine Zustimmung verliehen."

Die einzige Partei, die schon damals vor übertriebenen Er­ wartungen von der hohen und utopischen Tendenz des Gesetzes warnte,

war die Sozialdemokratie. Auf dem Kongreß von 1896 faßte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ihr Urteil zusammen in einer Reso­ lution, in welcher ausgesprochen wird: „Daß in dem Programm der Sozialdemokratischen Arbeiter­ partei gefordert werden Arbeitskammern, deren Beschlüssen zwingende Kraft verliehen ist; und dieses fundamentale Ele­

ment kommt in dem Gesetze nicht vor." Und weiter: „Die Arbeitskammern, insoweit sie als rat- und auskunft­ gebende und untersuchende Institute auftreten, dürfen nur aus Arbeitern zusammengesetzt werden, da auch die Klasse der Unternehmer in den Handels- und Jndustriekammern solche Insti­ tute schon besitzt." Aber damals gab es im Parlament noch keine Sozialdemokraten, um dem Urteil des klassenbewußten Proletariats Ausdruck zu geben,

und der Entwurf, der den Klaffenkampf, in Holland wenigstens, un­ möglich machen sollte, wurde zum Gesetz. Heft 108.

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Die Bestimmungen waren unzweifelhaft viel besser, viel liberaler, viel mehr freisinnig, wie der jetzige deutsche Gesetzentwurf. Art. 1 bestimmte, daß in jeder Gemeinde, oder für mehrere Gemeinden zu­ sammen, für jeden Betriebs?) eine Arbeitskammer errichtet werden könne. Ueber die Aufgabe der Arbeitskammern bestimmte Artikel 2, daß es an erster Stelle galt: die Interessen der Arbeitgeber und Arbeiter

dadurch in gutem Einverständnis zu wahren, daß 1. Material über die Arbeitsverhältnisse gesammelt wird; 2. Rat und Urteil über alles, was die Regierung fragt, gegeben werden, oder über alles, von dem die Kammer aus eigenem Grunde meint, die Regierung in Kenntnis setzen zu müssen; 3. Konflikte über Arbeitsstreiligkeiten verhütet oder

gelöst werden, auch mittels eines Schiedsspruches beiKonflikten zu fördern. Jede Kammer besteht aus ebensoviel Arbeitern wie Arbeitgebern,

alle gewählt von den Arbeitern in dem Betrieb und von ihren Kollegen. Die Kammern stehen unter keiner besonderen Aufsicht, und als Vorsitzender fungiert das eine Halbjahr ein Mitglied der Arbeit­ geber, das folgende Halbjahr ein Mitglied der Arbeiter. Die Mit­ glieder werden gewählt für fünf Jahre und empfangen eine Ent­ schädigung für jede Versammlung. Das Gesetz hat nun zehn Jahre lang die Gelegenheit gehabt, sich Popularität unter den Arbeitermassen zu erwerben; zehn Jahre, in denen es das ganze Land, überall, wo die „Agitatoren" und „Auf­ wiegler" ihre Lehren verkündeten und die Gewerkschaften errichtet waren, wie mit einem Netze von Arbeitskammern hätte überziehen können.

Und was war nun 1908 das Ergebnis? Das Gesetz — und die im Namen des Gesetzes errichteten Arbeitskammern — haben ein kolossales Fiasko erlebt. Um so mehr und schlimmer noch, weil das ganze Institut von dem klassenbewußten Proletariat, organisiert in den Gewerkschaften, nicht einmal sehr kräftig

bekämpft worden war — im Gegenteil, sie hatten viele gute Gewerk­ schaftsangehörige als Mitglieder in den Kammersitzungen —. Sie sind vielmehr eines sanften und natürlichen Todes gestorben, und noch jetzt, wo Kammern bestehen, zeigt sich fortwährend deren ganze

Bedeutungslosigkeit im sozialen Leben. Das ergibt sich am besten aus den Mitteilungen in dem im Februar

1908

vom

Arbeitsministerium

bericht der Arbeitskammern über

herausgegebenen Jahres­ 1906. Vom Tage des In­

krafttretens des Gesetzes, 1898 bis 1. Januar 1907, waren 104 Arbeitskammern im ganzen Lande errichtet worden; 1898: 30 Kammern, 1899: 30, 1900: 19, 1901: 7, 1902: 10, 1903: 3, 1904: 3, 1905: 2 und 1906: 0. Auch wenn alle 104 Kammern jetzt noch am Leben

227 wären und wirksam arbeiteten,

was wäre damit erreicht?

Nur in

Amsterdam waren 18 Kammern errichtet worden, in Rotterdam 11, >im Haag 6, in Utrecht 6. Das wären also in vier Städten schon 41 Kammern und bleiben für die Industriezentren und Provinzstädte nur noch 63 Kammern übrig. Und man sah, eifer schon völlig verschwunden war.

daß der Errichtungs­

Aber schlimmer war, daß man seit der Errichtung dieser 104 Kammern schon wieder 19 derselben aufhob, weil dafür kein In­ teresse mehr gehegt wurde. Und dabei waren Arbeitskammern im

Betriebe, die mehrmals im vergangenen Jahre sich bei Kämpfen be­ teiligten: die Arbeitskammer in der Diamantindustrie zu Amsterdam

wird im Jahre 1900 aufgehoben, weil kein Arbeiter sich um ihr Dasein kümmerte und die starke Gewerkschaft gar keine Kammer brauchte.

Sie wußte die Arbeitgeber auch ohne Kammer ganz gut zu Kon­ ferenzen und Konzessionen zu bringen. Die Kammer im Hafenbetrieb zu Amsterdam wurde 1900 aufgehoben, weil die Arbeitgeber sich für die Wahlen durchaus nicht mehr interessierten, und genau derselben Ursache nach wurde 1900 zu Rotterdam ebenfalls die Kammer für den Hafenbelrieb aufgelöst. In Twente, wo die größten Textilzentren Hollands liegen, wo mehrmals Konflikte zwischen Arbeitern und Groß­ industriellen entstanden, sind zwei Arbeitskammern tätig gewesen. Aber die eine, in Almelo, wurde 1905 aufgehoben, und die Kammer in Enschede spielt bei den Lohnbewegungen und Ausständen keine Rolle. Und was am meisten auffällt: am schlechtesten blühen die Arbeits­ kammern in der katholischen Gegend des Landes: in der ganzen Provinz Limburg sind zwei Kammern errichiet worden, in Maastricht,

wo große keramische Industrien sind, aber bald wurden sie wieder aufgehoben, weil ... die Millionäre-Gewerbetreibenden nicht mit Arbeitern als ihresgleichen in derselben Kammersitzung verkehren wollten! Und von den elf Kammern, die in der ebenfalls ausschließ­ lich katholischen Provinz Nord-Brabant das Licht der Welt erblickten, haben im Vorjahre 6 wieder das Zeitliche gesegnet.

Kurz — die Einrichtung der Arbeitskammern hat ein jämmer­ liches Fiasko erlitten! Wenn die Wahlen abgehalten werden, werden

sie von Arbeitern und Arbeitgebern verspottet, und es ist kein besonders schlechter Wahlgang, wenn von 1000 Wählern 30 oder 40 an die Urne kommen. . . . Welches ist die Ursache dieses Debücles? Sehr einfach: weil, wenn einerseits die Gewerkschaften sich ent­ wickeln und andererseits die Arbeitgeber sich in ihren Organisationen formieren, für Arbeitskammern im Kampf zwischen Kapital und Arbeit

228 kein Platz ist!

Wenn die Kammern ihren Schiedssprüchen zwingende

Macht beilegen könnten, würde die Lage der Sache vielleicht eine andere sein. Aber wir haben Hunderte Beispiele, daß die Arbeit­ geber sich gar 'nicht an die „moralische" Verurteilung der Arbeitskammern kehren, wenn sie Unrecht haben. Das war sogar die einzige Ursache, daß die Kammer im Rotterdamer Hafen­ betrieb aufgehoben wurde. Wir wissen es ja und die ganze Ge­ schichte der Arbeiterbewegung hat es gelehrt: der Kampf zwischen Arbeit und Kapital ist kein „Mißverständnis", ist keine Frucht der Agitation, die durch Unterredung und freundschaftliche Unterhaltung sich legen läßt, sondern ein gewaltiger Machtkampf, in dem die Arbeiter sich ein materiell und intellektuell höheres Lebensniveau er­ ringen müssen, auch wenn alle Arbeitgeber und alle unparteiischen Vorsitzenden der Arbeitskammern dagegen stimmen würden. Je größere Macht die Arbeiter haben, um so mehr Recht können sie sich erkämpfen. In der Diamantindustrie werden alle Arbeitsbedingungen in Uebereinstimmung mit der Gewerkschaft festgesetzt, weil diese riesen­ stark ist, und dies alles ohne Arbeitskammern. In der Textilindustrie zu Tilburg, Helmond und Leiden und so viel anderen Betrieben werden die niedrigsten Arbeitslöhne und die längsten Arbeitstage einfach von den Unternehmern diktiert — obgleich da Arbeitskammern bestehen!

Und bei keinem einzigen der Streiks, die im letzten Jahre die Arbeiterbewegung in Erregung brachten, hätte eine Arbeitskammer sich Geltung verschaffen können — einfach, weil die kämpfenden Parteien selbst den Streik nicht als eine Frage des Rechts auffaßten, aber ihn rein darauf basieren, wer die meiste Ausdauer besitzt. Der hat und der bekam Recht, und da hatten die Arbeitskammern nichts zu schaffen. Daher kam es,

daß der Verein der Vorsitzenden und Sekretäre

von Arbeitskammern (meist alle zu den bürgerlichen Parteien gehörend) die Regierung dringlich ersuchte, das Gesetz zu revidieren und die Kammern von der Aufgabe der „Harmonie"-Stiftung, also der

Einigung, zu entbinden. Die Kammern liefern jetzt nur noch Sammlungsarbeit für das^

statistische Bureau, und das ist ohne Zweifel eine nützliche Arbeite Aber was man mit den Arbeitskammern zu erreichen gemeint hat^ das ist ganz und gar fehlgeschlagen.

Rotterdam.

H. Spiehman."

Truck: Deutscher Lerlag (Ges. m. b. H.), Berltu8VV.il.