Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 117 Februar 1910 [Reprint 2021 ed.] 9783112389249, 9783112389232


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Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 117 Februar 1910 [Reprint 2021 ed.]
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Herhandlungen, Mitteilungen und

Berichte deS

Ckntralmbandks AeitHn Jitußneller. .M 117. ^erausgegeben von

H. A. Kueere Bestimmungen auf Grund des § 114 a Abs. 1 nicht erlassen sind, auf Kosten des Arbeitgebers für die minderjährigen Arbeiter Lohuzahlungsbücher einzurichten Die Bestimmung ist auf einen Be­ schluß des Reichstags hin, dem die verbündeten Regierungen bei­ getreten sind, durch die Novelle vom 21. Juni 1900 in die Ge­ werbeordnung eingefügt worden. Zu ihrer Begründung wurde in der ReichstagSkommisston auf die hohe erzieherische Bedeutung

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-



einer solchen Einrichtung hingewiesen; gerade in den Jahren, wo

für den jugendlichen Arbeiter Gefahr bestünde, auf Bahnen

der

Unbotmäßigkeit und Verschwendung zu geraten, böte sie ein treff­ liches Mittel, in dem minderjährigen Arbeiter

daS Bewußtsein

der Abhängigkeit von den Eltern und den Trieb zur Sparsam­ keit lebendig zu erhalten.

Bon den Regierungsvertretern wurde

es bereits in der Kommission als fraglich bezeichnet, ob der mit dem Antrag verfolgte Zweck sich durch die vorgeschlägene Be­

stimmung in dem Umfange erreichen laffe, wie dies angenommen

Anderseits, so wurde weiter ausgeführt, werde

werde.

die

wünschte Maßregel für Betriebe mit vielen minderjährigen beitern

eine immerhin nicht unerhebliche Belastung

gebers mit sich bringen; angesichts

sowie des Umstandes,

ge­ Ar­

des Arbeit­

zweifelhaften Erfolges

ihres

ein großer Teil der Mnderjährigen

daß

nicht bei den Eltern wohne, wäre daher zu erwägen, ob eS sich

empfehle, diese Anforderung an die Arbeitgeber zu fielen richt

der

1898=1899,

XVI. Kommission

10.

Drucksache Nr. 393

I

Legislaturperiode,

(Be

Session

S. 24).

Die inzwischen gemachten Erfahrungen haben diese Bedenken

bestätigt.

In den

Jahresberichten

der Gewerbeaussichtsbeamten

wird bis in die neueste Zeit häufig berichtet, daß sich die Lohn­ zahlungsbücher sowohl bei den Minderjährigen als auch bei ihren gesetzlichen Vertretern einer sehr geringen Beliebtheit erfreuen, daß erstere sich weigem, die Bücher mit nach Hause beziehungsweise

an sich zu nehmen, während die Eltern sich die

bücher nur ganz vereinzelt vorlegen laffen. wird mitgeteilt,

daß

die

lungsbücher bestreiten und richtung

empfinden

Arbeitgeber den Nutzen der

geschlagen, den

Lohnzah­

sie als eine belästigende zwecklose Ein­

(Jahresberichte

für 1904 Bd. IV S. 752,753, für für 1906 Bd. IV S. 538).

Lohnzahlungs­

Nicht minder häuftg

der

Gewetbeauffichtsbeamten

1905 Bd. IV

S. 694,

In dem Entwürfe wird daher

695. vor­

§ 134 Abs. 2 aufzuheben "

In der Kommission ist diese Borschrist

noch

nicht beraten

worden

Zu II, III des Entwurfs handelt ti sich lediglich

um

re­

daktionelle Aenderungen

Zu Artikel 3. Zu den Strafvorschristen war früher «msgeführt:

„Die Gruppen

vorgesehenen

Strafvorschristen

gliedern sich

in

zwei

58

Zunächst erwies sich eine Abänderung der Strafbestimmungen der Gewerbeordnung ohne Rücksicht auf die übrigen Bestimmun­ gen des Entwurfs nach folgenden Richtungen hin als erforderlich. Nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 sind Vergehen gegen die aus Grund der §§ 139, 139 a erlassenen Vorschriften mit der gleichen Strafe — mit Geldstrafe bis zu 2000 Mark und im Unver­ mögensfalle mit Gefängnis bis zu 6 Monaten — bedroht, wie Verfehlungen gegen die §§ 135 bis 137, 139 c, weil es sich auch in den ersteren Bestimmungen um die Regelung der Arbeitszeit von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiten: handelt. Dagegen ist für Verstöße gegen die auf Gtund des § 120 e erlassenen Vorschriften im § 147 Abs. 1 Nr. 4 nur Geldstrafe bis zu 300 Mark und im Unvermögensfalle Hast angedroht. Dabei entk alten jedoch die auf Grund der §§ 139, 139 a erlassenen Be­ stimmungen häufig Kontrollvorschristen, für die nach dem Strafen­ system der Gewerbeordnung die Simse zweifellos zu hoch be­ messen ist. Anderseits ist in den gemäß § 120 e ergangenen Vorschriften neben der Einrichtung der Betriebe zum Teil auch die Dauer der Arbeitszeit geregelt. Für diese stille erscheint die vorgesehene Strafe angesichts bet Strafandrohung für die ähn­ lichen Vergehen gegen §§ 135, 137, 139 c als zu niedrig. Es wird daher vorgeschlagen, für die Vorschriften der §§ 120 e, 120 t, 139, 139 a die strengere Strafe des § 146 Abs. 1 Nr. 2 inso­ weit vorzusehen, als diese Vorschriften die Verwendung der Ar­ beiter zu bestimmten Beschäftigungen untersagen, oder Arbeitszeit, Nachtruhe oder Pausen regeln, im übrigen aber mildere Be­ strafungen nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 eintreten zu lasten (I, IV). Die Strafen, die von den Gerichten wegen Zuwiderhand­ lungen gegen die Arbeiterschutzgesetze verhängt werden, sind größ­ tenteils auffallend niedrig und stehen häufig in keinem richtigen VerhAtnis zu den Erspamiffen, die dem bestraften Unternehmer aus der Zuwiderhandlung erwachsen sind. Seit Jahren wird hierüber von den Gewerbeaufsichtsbeamten geklagt. Die Klagen finden eine Bestätigung in der dem Reichstag am 20. Februar 1904 mitgeteilten Uebersicht über die zur Kenntnis der Gewerbeaufsichtsbeamten gelangten rechtskräftigen Bestrafungen aus dem Jahre 1902 wegen Zuwiderhandlungen gegen die Arbeiterschutz­ bestimmungen der Gewerbeordnung usw. (Reichstagsdrucksache Nr. 249, 11. Legislaturperiode, I. Session 1904=1905.) Es er­ scheint deshalb geboten, durch eine Erhöhung des Strafmaßes unter gleichzeitiger Einführung eines erhöhten Mindeststrchsatzes

59 für wiederholte Zuwiderhandlungen gegen wichtige Arbeiterschutz­ vorschriften dafür zu sorgen, daß Unternehmer, die auch durch eine zweimalige Bestrafung noch nicht zur Erfüllung ihrer gesetz­ lichen Pflichten gegen die Arbeiter veranlaßt werden können, durch empfindliche Strafen von der weiteren Uebertretung der Arbeiterschutzgesetze abgehalten werden. Demgemäß werden unter II, III Zusatzbestimmungen zu § 146 Abs. 1 Nr. 2 und § 146 a der Gewerbeordnung in Vorschlag gebracht. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird wegen der ander­ weiten Fassung des § 114 a eine Abänderung des § 150 Abs. 1 Nr. 2 (V) erforderlich." Die Kommission ist den Abänderungen mit der Maßgabe bei­ getreten, daß die Verschärfung der Vorschriften nur da Platz grei­ fen soll, wo es sich um vorsätzlich begangene Straftaten handelt. Auch soll die Anwendung der neuen Vorschriften ausgeschlossen bleiben, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Ver­ urteilung bis zur Begehung der neuen Straftat drei (nicht fünf) Jahre verstossen sind. Diese Beschlüsse sind berücksichtigt worden In der ursprünglichen Vorlage war beabsichtigt, Zuwider­ handlungen gegen die auf Grund des § 120 e erlassenen Be­ stimmungen über das Verhalten der Arbeiter im Betrieb unter die Strafandrohung des § 147 Abs. 1 Nr. 4 der Gewerbeordnung zu stellen. Die Kommission hat demgegenüber beschlvffen, nach dem Vorgang der §§ 112, 116 des Unfallversicherungsgesetzes Geldstrafe bis zu sechs Mark — im Unvermögensfalle Haft bis zu einem Tage — für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes anzudrohen. Diesem Beschluß ist durch eine Aenderung des § 147 Abs. 1 Nr. 4 und die Einfügung eines neuen § 150 a Rechnung getragen.

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Entwurf eines

MeUerwennttttergesetzes. Dem Reichstage vorgelegt am 8. Februar 1910.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2t. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustiminung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

§ 1.

Stellenvermittler im Sinne

dieses Gesetzes ist, wer gewerbs­

mäßig

1. die Vermittlung eines Vertrags über eine Stelle betreibt, 2. Gelegenheit zur Erlangung einer Stelle nachweist und sich zu dieseni Zwecke mit Arbeitgebern oder Arbeitnehmern in besondere Beziehungen setzt. 8 2. Wer das Gewerbe eines Stellenvermittlers betreiben will, bedarf dazu einer Erlaubnis der von der Landeszentralbehördc bezeichneten Behörde.

Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1. Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Nachsuchenden in bezug ans den beabsichtigten Gewerbe­ betrieb dartun, 2. ein Bedürfnis nach Stellenvermittlern nicht vorliegt. Ein Bedürfnis ist insbesondere nicht anzuerkennen, soweit für den Ort oder den wirtschaftlichen Bezirk ein öffent­ licher gemeinnütziger Arbeitsnachweis in ausreichendem Umfang besteht.

61 § 3. Wer das Gewerbe eines Stellenvermittlers betreibt, darf Gastwirtschaft, Schankwirtschaft, Kleinhandel mit geistigen Getränken, gewerbsmässige Vermietung von Wohn- oder Schlafstellen, Handel mit Kleidungs-, Gebrauchs- oder Verzehrungsgegenständen oder mit Lotterielosen, das Geschäft eines Geldwechslers, Pfandleihers oder Pfandvermittlers weder selbst noch durch andere betreiben. Die Landeszentralbehörde oder die von ihr bezeichneten Behörden können Ausnahmen von dieser Vorschrift zulassen. Der Stellenvermittler darf mit anderen Gewerbetreibenden der inl Abs. 1 bezeichneten Art nicht so in Geschäftsverbindung treten, daß er sich für die Ausübung seiner Tätigkeit von ihnen Vergütungen irgendwelcher Mrt gewähren oder versprechen läßt. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn die Tätigkeit des Stellenvermittlers für den eigenen Betrieb des Gewerbetreibenden in Anspruch genomnien wird.

§ 4. Für die den Stellenvermittlern zukonnnenden Gebühren können von der Landeszentralbehörde oder den von ihr bezeichneten Behörden nach Anhören von Vertretern der Stellenvermittlcr, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, Taxen festgesetzt werden. Die Gebühr ist im Zweifel von dem Arbeitgeber und dein Arbeitnehmer je zur Hälfte zu zahlen, wem: der Vertrag infolge der Vermittlung zustande kommt; eine cntgegenstehende Vereinbarnng zu Unguusten des Arbeitnehmers ist nichtig. Der Einspruch des Stcllenvermittlers auf die voni Arbeitgeber zu zahlende Hälfte erlischt, wenn der Arbeitnehmer seinen Dienst nicht zur festgesetzten Zeit antritt; die bereits gezahlte Gebühr kann zurückgefordert werden. Die Stellenvermittler sind verpflichtet, dem Stellensuchendeu vor Abschluß des Vermittlungsgeschäfts die für ihn zur Anwendnng konnnende Taxe mitzuteilen. Die Taxe ist in den Geschäftsräumen an einer in die Angen fallenden Stelle anzuschlagen.

§ 3.

Die Landeszentralbehörde kann weitere Bestimmungen über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen sowie über den Geschäftsbetrieb der Stellenvermittler erlassen. § 6-

Die Erlaubnis zum Gewerbebetriebe des Stellenvermittlers ist zurückzunehmen, wenn sich aus Handlungen oder Unterlassungen des

62 Stellenvermittlers dessen Unzuverlässigkeit in bezug aus den Gewerbe« betrieb ergibt. Unter den gleichen Voraussetzungen ist der Gewerbebetrieb Stellenvermittlern, die ihn vor dem 1. Oktober 1900 begonnen haben, zu untersagen. Die Unzuverlässigkeit ist stets anzunehmen, wenn der Stellen­ vermittler wiederholt bestraft ist, weil er die festgesetzte Gebührentaxe überschritten oder sich außer den taxmäßigen Gebühren Vergütungen anderer Art von dem Arbeitnehmer hat gewähren oder versprechen lassen, oder weil er dem Verbote des § 3 zuwider gehandelt hat.

§ 7. Der Bescheid, durch den die Erlaubnis versagt oder zurück­ genommen oder der Gewerbebetrieb untersagt wird, kann im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens angefochten werden; wo ein solches nicht besteht, gelten die §§ 20, 21 der Gewerbeordnung. § 8. Ein Abdruck dieses Gesetzes muß auf jedem deutschen Kauffahrtei­ schiff im Volkslogis zur jederzeittgen Einsicht der Schiffsleute vor­ handen sein.

§ 9.

Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Hast wird bestraft ein Stellenvermittler, der 1. den Gewerbebetrieb ohne die vorgeschriebcne Erlaubnis unternimmt oder fortfetzt, 2. einen nach § 3 Abs. 1 ihm verbotenen Gewerbebetrieb unternimmt oder fortsetzt, oder der sich von Gewerbe­ treibenden der dort bezeichneten Art für die Ausübung seiner Tättgkeit verbotene Vergütungen irgendwelcher Art gewähren oder versprechen läßt, 3. die amtlich festgesetzte Taxe überschreitet, oder sich außer den taxmäßigen Gebühren Vergütungen anderer Art von dem Arbeitnehmer gewähren oder versprechen läßt, 4. es unternimmt, einen Arbeitnehmer zum Bruche eines eingegangenen Arbeitsvertrages zu verleiten.

Die gleiche Strafe trifft Gewerbetreibende der im § 3 Ms. 1 bezeichneten Art, die es unternehmen, einen Stellenvermittler durch Gewährung oder Versprechung von Vergütungen irgendwelcher Art zu einer den Interessen des Arbeitnehmers widerstreitenden Ausübung der Vermittlertättgkeit zu bestimmen.

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War der Täter wegen der im Abs. 1, 2 bezeichneten Zuwider­ handlungen rechtskräftig verurteilt worden und begeht er innerhalb fünf Jahren wiederum eine solche Zuwiderhandlung, so wird er mit Geldstrafe von einhundert bis sechshundert Mark oder mit Haft bestraft. § 10.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Hast wird bestraft: 1. ein Stellenvermittler, der den Vorschriften des § 4 Abs. 1 oder den im § 5 bezeichneten Bestimmungen zuwiderhandelt, 2. ein Stellenvermittler oder ein Gewerbetreibender der im § 3 Ms. 1 bezeichneten Art, der im Inland den von einer zuständigen Behörde erlassenen Besümmungen zur Verhinderung des vorzeittgen Bettetens einlaufender Schiffe und des Anbordbringens von geisttgen Gettänken zuwider­ handelt, 3. ein Kapitän, der im Inland den Bestimmungen einer zuständigen Behörde, im Ausland den Anordnungen eines Secmannsamts zuwider Stellenvermittler oder Ge­ werbetreibende der im § 3 Abs. 1 bezeichneten Art an Bord läßt oder an Bord duldet, 4. ein Kapitän, der es unterläßt, dafür zu sorgen, daß ein Abdruck dieses Gesetzes im Volkslogis zugänglich ist (§ 8).

In den Fällen des Ms. 1 Nr. 3, 4 sind im Ausland für die Festsetzung der Strafe und für das weitere Verfahren die Vorschriften der §§ 5, 122 bis 125 der Seemannsordnung anzuwenden. § n.

Auf den Gewerbebetrieb des Stellenvermittlers finden die Vor­ schriften der Gewerbeordnung insoweit Anwendung, als nicht in diesem Gesetze besondere Bestimmungen getroffen sind. § 12. Die Landeszentralbehörde kann bestimmen, inwieweit die Vor­ schriften der §§ 3, 4 auf nicht gewerbsmäßig betriebene Stellen- oder Arbeitsnachweise anzuwenden sind, und weitere Bestimmungen über den Umfang der Befugniffe und Verpflichtungen sowie über den Betrieb dieser Nachweise erlassen. 8 13.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Hast werden Leiter oder Angestellte eine- nicht gewerbsmäßigen Stellen-

-bl­ öder Arbeitsnachweises bestraft, welche den auf Grund des § 12 ge­ troffenen Bestimmungen zuwiderhandeln.

§ 14.

Sind innerhalb zweier Jahre wiederholt Leiter oder Angestellte eines nicht gewerbsmäßigen Stellen- oder Arbeitsnachweises wegen Uebertretung nach § 13 rechtskräftig verurteilt, so können die Landes­ zentralbehörde oder die von ihr bezeichneten Behörden den Betrieb untersagen. § 7 gilt entsprechend. § 15. Wer den Betrieb nach der Untersagung fortsetzt oder ohne Er­ laubnis der untersagenden Behörde wieder aufnimmt, wird mit Geld­ strafe bis zu sechshundert Mark oder mit Haft bestraft. § 16.

Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1910 in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: das Gesetz, betreffend die Stellenvermittlung für Schiffs­ leute, vom 2. Juni 1902 (Reichs-Gesetzbl. S. 215), die auf die Gesindevermieter und Stellenvermittler be­ züglichen Vorschriften der §§ 34, 38, 53, 75a, § 148 Ziffer 8, § 149 Ziffer 7a der Gewerbeordnung. Urkundlich usw. Gegeben usw.

Begründung. Seit geraunter Zeit ist über den Gewerbebetrieb der Stellen­ vermittler fast aus allen Berufskreisen heraus Klage geführt. Auch nach Inkrafttreten der Novelle zur Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 321) und nach Erlaß des Gesetzes, betreffend die Stellenvermittlung für Schiffsleute, vom 2. Juni 1902 (Reichs-Gesetzbl. S. 215) sind sie nicht verstumnit. Die in diesen Gesetzen, besonders in der Gewerbeordnungsnovelle, getroffene Regelung des Stellenverinittlergewerbes hat ebensowenig wie die in früheren Novellen vorgesehenen Verschärfungen ausgereicht, um die Mißstände, deren Bekämpfung sie dienen sollten, zu beseitigen. Zahlreiche Jntcreffengruppen, u. a. auch das preußische Laudesökonomiekollegium, die Landwirtschastskammern, die Arbeitsnachweis-



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Dirbmibc, habe« den dringenden Wunsch nach Aenderung der be­ stehenden gesetzlichen Bestimmungen ausgesprochen. Insbesondere hat der Verband Deutscher Arbeitsnachweise < Schriften des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise Nr. 6) ein gewichtiges Material gegen das Geschästsgebahren der gewerbs­ mäßigen Stellenvermittler zusammengebracht, das in der Schrift „ Der gewerbsmäßige Arbeitsnachweis von Dr. Franz Ludwig, Berlin 1906" eine eingehende Darstellung erfahren hat. Die früher erhobenen Klagen wegen übermäßiger Höhe der Gebühren, Befördederung des Stellenwechsels, Verleitens zum Verlassen der Stelle und zum Kontrattbruch, Vernachlässigung der Interessen der Arbeit­ geber und Arbeitnehmer, gewissenloser Ausbeutung der Arbeitnehmer, Benachteiligung der öffentlichen Interessen, bestehen nach wie vor; es sind somit alle llbelstände, zum Teil in verschärftem Maße, noch vorhanden, die schon in den Begründungen zu den Gewerbeordnungs­ novellen vom 1. Juli 1883 und vom 30. Juni 1900 und zum Gesetze vom 2. Juni 1902 erörtert sind. Durch Verschärfung der auf Grund des § 38 der Gewerbeordnung erlaßenen Vorschriften hat man in verschiedenen Bundesstaaten den Auswüchsen zu steuern versucht, ohne einen durchschlagenden praktischen Erfolg zu erzielen. Unter diesen Umständen erscheint eine alsbaldige Änderung der Gesetzgebung erforderlich. Von verschiedenen Seiten, u. a. von Arbeitnehmern des Gastwirtsgewerbes, welche besonders unter Ausbeutung durch Stellenvermittler leiden, ist unter Hinweis auf die ftanzösische Gesetz­ gebung (Gesetz vom 14. März 1904), die eine Aufhebung der gewerb­ lichen Vermittlerbureaus gegen Entschädigung ermöglicht, gefordert worden, inan möge den Arbeitsnachweis ganz dem privaten Erwerbs­ interesse entziehen und ausschließlich den gemeinnützigen öffentlichen Arbeitsnachweis als Stellenvermittler zulaffen. Die Entschädigungs­ summen, die für die Durchführung eines dem ftanzösische» ähnlichen Gesetzes aufzubringen wären, sind für das Deutsche Reich auf zwanzig Mllionen Mark berechnet worden, wenn jeder Stellenvermittler mit der willkürlich gegriffenen Summe von durchschnittlich nur dreitausend Mark entschädigt würde. Die Entschädigungsftage würde demnach einer sofortigen Ausschaltuug der gewerbsmäßigen Stellenvermittler kaum überwindliche Hinderniffe bereiten. Der gemeinnützige öffent­ liche Arbeitsnachweis ist aber gegenwärtig auch noch nicht derart entwickelt, daß er imstande wäre, die gewerbsmäßigen Stellenvermittler ganz zu ersetzen. Diese werden insbesondere für gewiffe Berufe, bei boten der Vermittler die ihm itmewohnende Fähigkeit zum Indi­ vidualisieren besonders zu betätigen und auszubilden in der Lage

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"x

ist, ohne Schädigung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zurzeit noch nicht entbehrt werden können. Das äußerste Mittel der Ausschaltung der gewerbsmäßigen Stellenvermittler wird zudem auch dann erst in Frage kommen können, wenn alle Versuche, auf anderen Wegen den Mißständen zu begegnen, gescheitert sind. Auch die obligatorische Errichtung öffentlicher gemeinnütziger Arbeitsnachweise, die von anderer Seite gewünscht ist, erscheint zur­ zeit nicht notwendig und nicht zweckmäßig. Für die Förderung dieser Arbeitsnachweise, die der Verband Deutscher Arbeitsnachweise neuerdings nachdrücklich in Angriff genommen hat, sind erhebliche Mittel des Reichs bewilligt und weitere in Aussicht genommen. Deni Verbände dürfte es gelingen, eine sachgemäße und ausreichende AusgestalMng des öffentlichen Arbeitsnachweises ohne gesetzgeberischen Eingriff durchzuführen. Für eine Änderung der Gesetzgebung kommen in Betracht die behördliche Regelung der Gebühren, der Nachweis eines Bedürfnisses für die Konzessionierung der Stellcnvermittler, das Verbot gewisser Nebcngewerbe und die Unterstellung der Herausgeber von sogenannten Stellen- und Vakanzenlisten unter die für Stellenvermittler maß­ gebenden Vorschriften. Daneben hat es sich als notwendig erwiesen, die Möglichkeit zu schaffen, daß gewisse Vorschriften auch auf nicht gewerbsmäßig betriebene Stellen- und Arbeitsnachweise ausgedehnt werden können. Tie in Aussicht genommenen Maßnahmen lehnen sich zum Teil an das Reichsgesetz voin 2. Juni 1902, betreffend die Stellen­ vermittlung für Schiffsleute, an. Dieses Gesetz ist nebst Begründung (Anl. zu den Sten. Ber. des Reichstags 1900/02 Bd. 1 S. 130 bis 135) in Anlage II abgedruckt. Für diese Art der Stellenvermittler hat sich ebenfalls die Einführung des Bedürfnisnachweises als erwünscht erwiesen. Da für die übrigen Stellenverniittler die im Gesetze vom 2. Juni 1902 bereits vorgesehene behördliche Regelung der Tarife und das Verbot gewisser Nebengewerbe in Betracht kommen, so sind zwischen beiden Arten der Stellenvermittler nicht so erhebliche Unterschiede vorhanden, daß eine getrennte gesetzliche Neuregelung erforderlich erscheint. Es empfiehlt sich vielmehr, die Angelegenheit unter Berücksichtigung der hinsichtlich der Stellen­ vermittler für Schiffsleute notwendigen Sondervorschriften einheitlich zu regeln. Diese Sondervorschriften lassen sich, wie schon in der Begründung zu dein Gesetze vom 2. Juni 1902 hervorgehoben ist, zweckmäßig in den Rahmen der Gewerbeordnung nicht einfügen; es ist daher ein besonderes Reichsgesetz erforderlich.

67 In dein Entwürfe sind die Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juni 1902 im wesentlichen aufrechterhalten. Stuf die Begründung dieses Gesetzes sann, soweit Änderungen nicht eingetreten sind, Bezug gcnoiunten werden. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:

Zu § 1.

§ 1 enthält eine Definition des Begriffs „Stellenvermittler", die sich mit Rücksicht auf die hervorgetretene Verschiedenheit der Rcchtsanschauungen als notwendig erwiesen hat. In den Ausführungsvorschristen einzelner Bundesstaaten wird die allgemeine Auskunsterteilung über freie Stellen durch Herausgabe von Vakanzenund Stellenlisten als Stellenvermittlung angesehen. Einzelne bundes­ staatliche Gerichte sind dieser Auffaffung beigetteten. Dagegen hat das Reichsgericht in einer Entscheidung vom 2. März 1903 (R. G. E. St. XXXVI, 224) abweichend erkannt und als Voraussetzung für den Begriff der Stellenvermittlung eine Tättgkeit bezeichnet, die auf Abschluß eines Verttags über die gesuchte und angebotene Stelle, nach beiden Seiten, nach der Seite sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers hin gerichtet ist, beide einander zuzuführen, näher zu bringen und zwischen ihnen zu vermitteln sucht; der Heraus­ geber von Stellen- und Vakanzenlisten übe eine Vermtttlertättgkeit nicht aus und sei den Vorschriften über Stellenvermittler nicht unter­ worfen. Die Herausgabe von Stellenlisten ist vielfach zur Umgehung der für Stellenvermittler erlassenen Vorschriften benutzt und fiihrt mannigfache Übelstände herbei. Die Stellenlisten entstehen zum Teil infolge unmittelbarer Druckaufttäge, vielfach aber auch dadurch, daß aus verschiedenen Zeitungen die offenen Stellen abgedruckt und nach Berufen zusammengestellt werden. Unter großarttg klingenden und zu Täuschungen führenden Bezeichnungen werden die Listen in regel­ mäßigen, fast täglich wiederkehrenden Anzeigen in den Tagesblättern angepriesen oder mit verlockenden Empfehlungsschreiben den Stellen­ suchenden übersandt, um diese zu einem Bezüge der Liste zu verleiten. Der im Verhältnis zur Gegenleistung ungebührlich hohe Bezugspreis bildet die Haupteinnahmen des Herausgebers der Stellettlisten, der eine weitere Gewähr für die Erlangung einer Stellung nicht über­ nimmt. Die Wertlosigkeit solcher Stellenlisten ist von Gerichten mehrfach einwandftei festgestellt worden. ES handelt sich überwiegend um eine unlautere Anpreisung und um eine Ausbeutung der Un­ erfahrenheit und Notlage der Stellenlosen.

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Deshalb erscheint cs notwendig, den Begriff des Stellenverniittlers zu erweitern und durch eine gesetzliche Begriffsbestimmung klar zum Ausdruck zu bringen, daß anch die Herausgeber von Stellen« und Bakanzenlisten als Stellenvermittler anzusehen sind. Die unter Berücksichtigung dieses Zwecks gewählte Fassung lehnt sich an die Vorschriften über den Mäklervertrag im § 652 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften, die Anzeigen durch den Druck veröffentlichen und hierfür Druck­ gebühren erheben, aber behufs Nachweis oder Vermittlung von Stellen zu Arbeitgebern oder Arbeitnehmern in keine besonderen Be­ ziehungen treten, fallen nicht unter die Vorschriften für Stellen­ vermittler. Die im § 34 der Gewerbeordnung vorgesehene Unterscheidung zwischen Stellenvermittler und Gesindevermieter ist nicht beibehalten. Es ist die allgemeine Bezeichnung gewählt, da die Tätigkeit beider Gewerbetreibenden keine verschiedenartige ist. Der Gesindevermieter ist nichts anderes als ein Stellenvermittler. Zu § 2.

In Übereinstimmung mit den bisher geltenden Vorschriften ist eine Erlaubnis für den Beginn des Gewerbebetriebes vorgesehen, die nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu versagen ist. Die Bestimmung der für die Erteilung der Erlaubnis zuständigen Behörden wird mit Rücksicht darauf, daß für die verschiedenen Arten der Stellenvermittler verschiedene Behörden in Betracht kommen können, der Landeszentralbehörde zu übertragen sein. Die Vorschrift des Absatz 1 Nr. 2 macht die Konzessionierung der Stellenvermittler von der Bejahung der Bedürfnisfrage abhängig. Die unbeschränkte Vermehrung der Stellenvermittler und der dadurch bedingte unbeschränkte Wettbewerb bilden vielfach den Hauptgrlmd, daß die Gewerbetreibenden zu anfechtbaren Mitteln greifen, um be­ stehen zu können, und hierdurch die öffentlichen Interessen und die Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber ihrem privaten Erwerbsinteresse in den Hintergrund drängen. Die Bedürfnisfrage wird insbesondere zu verneinen sein, soweit die Gemeinde oder ein anderer öffentlicher Verband für den betreffenden Ort oder wirtschaftlichen Bezirk durch Errichtung eines gemeinnützigen Arbeitsnachweises ausreichend Sorge getragen hat. Durch diese Vorschrift wird eine zuverlässige Bemessung des Bedürftrisses er­ möglicht, eine weitere ungebührliche Vermehrung der gewerbsmäßigen Vermittler verhindert und allmählich auf ihre Ersetzung durch ge-

69 meinnützige Einrichtungen hingewirkt. Auf diese Weise werden die Bestrebungen, die öffentlichen gemeinnützigen Arbeitsnachweise zu fördern und zu kräftigen, eine nachdrückliche Unterstützung finden und die Einführung solcher Arbeitsnachweise auch dort erleichtern, wo sie bisher nicht bestehen. Die Prüfung der Bedürfnisfrage für den ganzen wirtschaftlichen Bezirk ist erforderlich, weil die StellenVermittler ihre Tätigkeit über große Bezirke auszudehnen pflegen, und weil verhindert werden muß, daß die Stellenvermittler die Er­ laubnis für Orte nachsuchen, in denen zwar gemeinnützige öffentliche Arbeitsnachweise nicht bestehen, für die aber durch Nachweise in be­ nachbarten Orten das Bedürfnis ausreichend gedeckt ist. Zu § 3.

Der gleichzeitige Betrieb gewiffer anderer Gewerbe ist für die Vermittler von Schiffsleuten in dem Gesetze vom 2. Juni 1902 be­ reits verboten, während für die nicht unter das Gesetz fallenden Stellcnvermittler das Verbot erst auf Grund des § 38 der Gewerbe­ ordnung erlassen werden konnte; hiervon haben mehrere Bundes­ staaten Gebrauch gemacht. Eine solche unterschiedliche Behandlung entbehrt der Begründung, und es erscheint erwünscht, daß nach ein­ heitlichen Grundsätzen verfahren wird. Das Verbot hat sich bewährt, und der Entwurf will e8 deshalb allgemein reichsgesetzlich einführen. Die Fassung schließt sich an die für Preußen erlassenen Vorschriften vonl 5. März 1907 (Ziffer 16) an und berücksichtigt die weitergehenden Bestinnmmgen des Gesetzes vom 2. Juni 1902, auf dessen Begründung zu § 3 Bezug genommen wird. Abweichmd von den Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juni 1902, in welchem es sich ausschließlich um die Vermittlung von Schiffs­ leuten handelt, muß es hier einem Stellenvermittler, der für Arbeit­ geber aller Art tätig ist, fteistehen, für die eigenen Betriebe der im § 3 Abs. 1 genannten gewerbetreibenden Stellen zu vermitteln und dafür Gebühren in Anspruch zu nehmen. Zu § 4. Tie bisherigen Taxvorschriften im § 75a der Gewerbeordnung haben sich als unzureichend erwiesen, da den Behörden kein Einfluß auf die Höhe der Taxe, die jederzeit einseitig geändert werden kann, eingeräumt ist. Die Einreichung der Taxe bei der Polizeibehörde und die übliche polizeiliche Abstempelung tragen vielmehr zur Täuschung der Interessenten bei, indem die falsche Vorstellung erweckt wird, als ob die Gebühren polizeilich festgestellt seien. Die Vermittler nähren

70

diese Annahme namentlich bann, wenn die Gebührensätze sehr hach sind. Übermäßig hohe Gebühren erheben gewerbsmäßige 'Vermittler in saft allen Berufen; oft werden die Gebühren durch besondere Nebenzahlungen weiter in die Höhe getrieben. Ähnliche Mißstände wie bei den Stellenvernnttlern für Schiffsleute herrschen auch bei den gesamten übrigen Stellenvermittlern. Das Gesetz vom 2. Juni 1902 schreibt die Festsetzung der Taxen obligatorisch vor; es erscheint jedoch ausreichend, nachdem für die Stellenvermittler für Schiffsleute Taxen festgesetzt find, der Landeszentralbehörde oder den von ihr bezeichneten Behörden eine Befugnis zur Regelung der Tarife zu geben, da immerhin Fälle denkbar sind, in denen eine solche Regelung nicht erforderlich ist. Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Mäklervertrag (§ 652) ist der Maklerlohn nur zu zahlen, wenn der Bertrag infolge des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags oder infolge der Vermittlung durch den Mäkler zustande kommt. Dies wird auch für die Gebühr des Stellenvermittlers fit gelten haben. Nach dem Vorgang des Gesetzes vom 2. Juni 1902 ist die Gebühr jedem Teile zur Hälfte aufzuerlegen und eine Vereinbarung, die sich zu Ungunsten des Arbeitnehmers gegen diese Bestimmung richtet, für nichtig zu erklären. Eine Halbierung kann nicht in Frage kommen, wenn der Vermittler nur die Gelegenheit zur Erlangung einer Stelle nachweist und nur mit einem Kontrahenten in Verbindung tritt, wie bei Überlassung eines Vakanzenanzeigers. Die Gewähr­ leistung für den Dienstantritt des Arbeitnehmers wird nach der in der Praxis herrschenden Anschauung dem Stellenvermittler aufzuerlegen und ein Rückforderungsrecht bereits gezahlter Gebühren für den Arbeitgeber vorzusehen sein. Durch die Aufnahme der Bestimmung in deil Entlvlirf wird selbstverständlich die Befugnis der Landeszentralbehörde, auf Grund des § 5 des Entwurfs ähnliche Bestimmungen für aildere Fälle zu treffen, nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 75a der Gewerbeordnung, wonach die Taxe dem Stellcnsuchenden mitzuteilen und sichtbar in den Ge­ schäftsräumen anzuheften ist, wird in den Entlvurf übernommen. Zu H 5.

Die im § 38 Abs. 1 der Gewerbeordmmg vorgesehene mächtigung der Landeszentralbehörden, über den Umfang der fugnisse und Verpflichtungen sowie über den Geschäftsbetrieb gewerblichen Stellenvermittler Vorschriften zu erlaffen, ist in

Er­ Be­ der den

71 Entwurf übernommen. Auf Grund dieser Ermächtigung sind unter Berücksichtigung besonderer Verhältnisse und Bedürfnisse viele nütz­ liche Anordnungen ergangen, die zwar in das allgemeine Gesetz nicht ausgenommen werden können, aber als notwendig auch für die Zukunft nicht zu entbehren sind. Zu tz 6. Die Zurücknahme der Erlaubnis zum Gewerbebetrieb ist wie bisher bei festgestellter Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden vorgesehen. Nach dem Vorgang des Gesetzes vom 2. Juni 1902 erscheint es zweckmäßig, im Gesetze selbst auszusprechen, daß die wiederholte Bestrafung wegen gewisser Vergehen (Gebührenüber­ schreitung und Zuwiderhandlung gegen § 3 des Entwurfs) als Grund für die Annahme der Unzuverlässigkeit gilt. Unter Um­ ständen wird eine Unzuverlässigkeit auch darin gefunden werden können, wenn der Stellenvermittler sich von dem Arbeitgeber außer den taxmäßigen Gebühren andere Vergütungen hat gewähren oder versprechen lassen. Den Stellenvermittlern, die vor dem 1. Oktober 1900, dem Tage des Inkrafttretens der Novelle zur Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900, den Gewerbebetrieb bereits ausübten, kann eine Erlaubnis nicht entzogen werden, da sie eine solche nicht besitzen. Für diese muß, wie bisher im § 53 der Gewerbeordnung, die Untersagung des Gewerbebetriebes vorgesehen werden.

Zu § 7. Wo ein Verwaltungsstreitoerfahren besteht, ist dieses zugetoffen, im übrigen sind die Vorschriften des § 54 der Gewerbe­ ordnung übernommen. Zu §§ 9, 10. Die Strasvorschristen lehnen sich an die Vorschriften der §§ 8, 9 des Gesetzes vom 2. Juni 1902 an, sie sind aber im Höchstmaße verschärft und enthalten nach dem Vorgang des dem Reichstag am 17. Dezember 1907 vorgelegten Entwurfs einer Ge­ werbeordnungsnovelle (Reichstagsdrucksache Nr. 552 12. Legislatur­ periode I. Session 1907) eine besondere Strafverschärfung für den Rückfall.

§ H. bringt wie § 1 des Gesetzes vom 2. Juni 1902 den Charakter der Vorlage als eines die Gewerbeordnung ergänzenden Sonder­ gesetzes zum Ausdruck. Die allgemeinen Vorschriften der Gewerbe-

ordnung (§ 1 Abs. 2, §§ 11 a, 41, 45 bis 47) kommen auch weiterhin zur Anwendung. Zu § 12. Der Landeszentralbehörde wird die Befugnis eingeräumt, einzelne Vorschriften des Gesetzes auf nicht gewerbsmäßig betrie­ bene Stellen- und Arbeitsnachweise auszudehnen und weitere Be­ stimmungen über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen sowie über den Betrieb dieser Nachweise zu erlassen. Es wird darüber Klage geführt, daß unter dem Deckmantel von gemein­ nützigen Vereinsbildungen die Vorschriften über ben Geschäfts­ betrieb der Stellenvermittler umgangen, daß u. a. in der Form von Vereinsbeiträgen hohe Gebühren erhoben werden, und daß die Versuche, die GewerbSmäßigkeit der Bereinstätigkeit nachzuweisen, nicht immer gelungen sind. Auch bei einzelnen Körperschaften, die anerkanntermaßen nicht gewerbsmäßig Stellen vermitteln, haben sich Gebräuche eingeschlichen, die es notwendig erscheinen lasten, gewisse Mindestforderungen durchzuführen. Der Stellen- und Ar beitsnachweis solcher Vereine und Körperschaften ist vielfach in Gast- und Schankwirtschasten, deren Besitzer mit dem Leiter des Nachweises in Verbindung stehen, untergebracht Oft wird die Besetzung einer guten Stelle von der Menge der verzehrten Nahrungs- und Genußmittel abhängig gemacht, oder es findet eine Verleitung zum Genuß alkoholischer Getränke statt. Die Möglich­ keit eines Verbotes der Unterbringung derarttger Nachweise in Gast- und Schankwirtschaften und einer gewissen polizeilichen Kon­ trolle über den Geschäftsbetrieb ist nicht zu entbehren Die im § 12 vorgeschlagene Bestimmung wird es auch er­ möglichen, gegenüber den Mißständen, die sich aus der Tätigkeit einseitiger Arbeitgeber- oder Arbeitnehmer-Arbeitsnachweise ergeben sollten, und im Interesse der ungehinderten Wirksamkeit der öffent­ lichen gemeinnützigen Arbeitsnachweise die etwa erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Zu 8s 13, 14, 15. Um die Durchführung der gemäß § 12 zu erlassenden Be­ stimmungen wirksam zu sichern, erscheint es erforderlich, auch die Angestellten, die oft ohne Aufsicht des Leiters einer Arbeitsnach­ weisstelle im Geschäftsbetriebe tätig sind, unter die Strafbestimmungen zu stellen und die Möglichkeit einer Untersagung des Be­ triebes vorzusehen. Die Wiederaufnahme des Bettiebes nach der Untersagung soll nur mit Erlaubnis der untersagenden Behörde zulässig sein.

73

Die französische Gesetzgebung. Artikel 1.

Vom Tage der BeMndigung dieses Gesetzes

an können die gewerblichen StellenvevmittlungsbureauS gegen an­

gemessene Entschädigung aufgehoben' werden. Wer

auf Grund

dieses Gesetzes

öffnet, hat

im

ein

nach Verkündigung

behördlicher Erlaubnis

Bureau für gewerbliche Stellenvermittlung er­

Falle der Aufhebung keinen Anspruch

auf

Ent­

schädigung. Artikel 2.

Bureaus für unentgeltliche Stellenvermittlung,

soweit dieselben von einer städtischen Verwaltung, von Fachorga­ nisationen der Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder beider, von Arbeits­

börsen, oder

Gesellenvereinen,

sonstigen,

Vereinen zu

gegenseitiger Unterstützung

den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Ver­

einigungen begründet sind, bedürfen einer behördlichen Erlaubnis

nicht. Artikel 3.

Stellenvermittlungsbureaus

der

im Artikel 2

benannten Art. ausgenommen die von seilen einer städtischen Ver­

waltung begründeten Bureaus, sind zu vorgängiger Hinterlegung

einer Erklärung verpflichtet, welche auf dem Rathause

derjenigen

Gemeinde, an welcher sie ihren Sitz haben, zu bewirken ist. Diese Erklärung ist bei jeder Verlegung des Bureau- zu erneuern.

Artikel 4.

In jeder Gemeinde ist auf dem Rathaus eine

der Arbeits- beziehungsweise

Liste

Stellengesuche

und -angebote

auszulegen und jedermann unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dieser Liste ist ein Verzeichnis anzuschließen, in welches persön­

lich« Bemerkungen, welche die Arbeitsuchenden ihrem Gesuche nach

Belieben beifügen können, einzuordnen sind.

als 10000 Einwohnern sind

Gemeinden mit mehr

zur Begründung

eines Gemeinde­

arbeitsnachweises verpflichtet.

Artikel 5.

Gedruckte oder ungedruckte Anschläge, soweit

sie ausschließlich Stellen- beziehungsweise Arbeit-gesuche und -an­

gebote

enthalten

Und

von

unentgeltlichen

StellenvermitflungS-

74 Bureaus im Sinne des Artikel 3 angebracht werden, sind stempelfrei. Artikel 6. Der Geschäftsführer oder Angestellte eines unentgeltlichen Stellenvermittlungsbureaus, welcher bei Vermitt­ lung einer Stelle für einen Arbeiter oder Angestellten sich irgend­ welche Vergütung geben laßt, wird gemäß Artikel 9 dieses Gesetzes bestraft. Artikel 7. Die Ortsbehörde hat über die Aufrechterhal­ tung der Ordnung, die Beobachtung der gesundheitlichen Vor­ schriften wie Über die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung in den Stellenvermittlungsbureaus zu wachen und die für diese Zwecke erforderlichen Anordnungen zu treffen. Artikel 8. Herbergswirten, Zimmervermietern, Restau­ rateuren oder Inhabern eines Ausschankes ist verboten, mit ihrem Betriebe die Unterhaltung eines Stellenvermibtlungsbureaus zu verbinden. Artikel 9. Jede Zuwiderhandlung gegen Verordnungen auf Grund von Artikel 7 oder gegen Artikel 8 wird mit Geld­ strafe von 16 bis zu 100 Franken und mit Gefängnis von sechs Tagen bis zu einem Monat oder mit einer dieser Strafen allein bestraft. Gegen denjenigen, welcher bereits innerhalb der letzten 12 Monate wegen Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen der Artikel 6 und 8 dieses Gesetzes verurteilt worden ist, ist aus das Höchstmaß beider Strafen zu erkennen. Pächter, Geschäftsführer oder Angestellte eines im gel,eimen betriebenen Stellenvermittlungsbureaus werden nach Maßgabe die­ ses Artikels bestraft. Diese Strafen werden durch etwaige Wieder­ erstattungen oder Entschädigungm, welche die strafbare Handlung nach sich zieht, nicht berührt. Auf Zuwiderhandlungen der vorbenannten Art können die Be­ stimmungen des Artikel 463 des Strafgesetzbuches (code penal) sowie diejenigen des Gesetzes vom 25. März 1891 Anwendung finden. Artikel 10. Die vorerwähnten Befugnisse der Ortsbehör­ den werden für Paris und den der Pariser Polizeipräfektur unter­ stellten Bezirk vom Pariser Polizeipräsidenten, für Lyon und die­ jenigen Gemeinden, in welchen der Präfekt des Rhone-Departements die ihm durch das Gesetz vom 24. Juni 1851 übertrage­ nen Vollmachten ausübt, von diesem mahrgenommen. Artikeln. I. Vom Tage der Verkündigung dieses Ge­ setzes an können durch eine Verordnung auf Grund Gemeinde-

ratsbeschlusses die laut Dekrets vom 25. März 1852 erteilten Kon­ zessionen mit der Maßgabe aufgehoben werden, daß bafüt eine Entschädigung zu gewähren ist, deren Höhe dem Verkaufspreis des Bureaus entspricht oder, falls sich eine Einigung darüber nicht erzielen läßt, vom Präfekturat festzusetzen ist. II. Die Höhe der Entschädigung, welche den nach Ablauf einer fünfjährigen Frist aufgehobenen gewerbsmäßigen Stellenvermittlungsburcaus zu zahlen ist, ist nach dem Stande der Bureaus zur Zeit der Verkündigung dieses Gesetzes zu bemeffen. III. Bureaus, welche nebeneinander die Stellenvermittlung für einen und denselben bestimmten Beruf betreiben, sind gleichzeitig durch dieselbe Gemeindeverordnung aufzuheben. IV. Stirbt der Inhaber eines Bureaus vor Erlaß der Ver­ ordnung, durch welche die Aufhebung verfügt wird, so ist die Ent­ schädigung dessen Rechtsnachfolgern zu gewähren und diesen aus­ zuzahlen, sobald die Verordnung erlassen ist. Vom Tage der Verkündigung dieses Gesetzes an sind die Ver­ mittlungskosten, welche in den weiterbestehenden gewerbsmäßig betriebenen Vermittlungsbureaus erwachsen, ausschließlich von den Untemehmern zu trogen, so daß von den Angestellten keinerlei Vergütung zu leisten ist. Jede Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung wird gemäß Artikel 9 dieses Gesetzes bestraft. Artikel 12. Alle diesem Gesetz entgegenstehenden Befkim-

mungen werden und bleiben außer Kraft gesetzt. Mr AmmenvermittlungSbureaus, welche durch dieses Gesetz nicht berühtt werden, gelten auch fernerhin die Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Dezember 1874, betreffend den Schutz der Kinder im ersten Lebensjahre. Theateragenturen sowie Vermittlungsbureaus für Varietes, Zirkusveranstaltungen und Musikhallen unterliegen den Vorschrif­ ten dieses Gesetzes nicht. Artikel 13. Dieses Gesetz findet auch auf Algier Anwendung.

Anlage II.

Gesetz, betreffend

die Stellenvermittlung für Schiffsleute. Vom 2. Juni 1903. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen?c. verordnen im Namm des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt: § 1. Auf die gewerbsmäßige Stellenvermittlung für Schisfsleute finden die Vorfchristen der Gewerbeordnung insoweit Anwendung, als nicht nachstehend besondere Bestimmungen getroffen sind.

§ 2. Wer die Stellenvermittlung für Schiffsleute gewerbsmäßig be­ treiben will, bedarf dazu der Erlaubnis der höheren Verwaltungs­ behörde. Die Erlaubnis ist zu versagen:

wenn Taffachm vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Nachsuchenden in bezug auf den beabsichtigten Ge­ werbebetrieb dartun; 2. wenn der Nachsuchende eines der im § 3 Abs. 1 be­ zeichneten Gewerbe betreibt; die Landeszmtralbehörden sind befugt, Ausnahmen von dieser Vorschrift zuzulasien

1.

§ 3. Wer die Stellenvermittlung für Schiffsleute gewerbsmäßig be­ treibt, darf gewerbsmäßige Vermietung von Wohn- und Schlaf­ stellen, Gastwirffchaft, Schankwirffchast, Kleinhandel mit geistigen Getränken, Handel mit Ausrüstungsgegenständen für Schiffsleute

t < und

das Geschäft

eines

selbst noch durch andere

sind befugt,



Geldwechsler-

betreiben.

oder Pfandleihers

Die

weder

Landeszentnllbehörden

Ausnahmen von dieser Vorschrift zuzulasien.

Der Stellenvermittler darf ferner mit Gewerbetreibenden

der

vorbezeichneten Art nicht dergestalt in Geschäftsverbindung treten, daß er sich für die Ausübung seiner Vermittlertäti^eit von ihnen Vergütungen irgendwelcher Art gewähren oder versprechen läßt.

§ 4. Die den Stellenvermittlern für Schiffsleute zukommenden Ge­

bühren werden durch Taxen bestimmt, welche

von

den

regierungen oder den von diesen bezeichneten Behörden höoung von Vertretern der Stellenvermitüer,

der

Landes­

nach An-

Reeder und der

Schiffsleute festgesetzt werden.

Die Gebühr ist von dem Reeder und dem Schiffsmann je zur

Hälfte zu zahlen; ein« entgegenstehende Vereinbarung zu Ungun­

sten des Schiffsmanns ist nichtig. Der Anspruch des Stellenver­

mittlers auf die vom Reeder zu zahlende HAste

erlischt,

wenn

der SchWmann seinen Dienst nicht zur festgesetzten Zeit antritt.

§ 5. Die Landesregierungen erlassen Vorschriften darüber, in wel­ cher Weise die Stellenvermitüer für SchiffSleute ihre Bücher zu

führen und welcher polizeilichen Kontrolle über den Umfang und

die Art ihres Geschäftsbetriebes sie sich zu unterwerfen haben, tz 6. Die Erlaubnis zum

Gewerbebetriebe

muß

zurückgenommen

werden, wenn aus Handlungen oder Unterlassungen des Inhabers die Unzuverlässigkeit desselben in bezug

auf den Gewerbebettieb

klar erhellt.

Die Unzuverlässigkeit in bezug auf den Gewerkebetrieb ist stets

anzunehmen, wenn der Stellenvermittler wiederholt die festgesetzte

Gebührentaxe Überschriften oder fich

außer den taxmäßigen

Ge­

bühren Vergütungen irgendwelcher Art von dem Schiffsmann hat gewähren oder versprechen lassen, oder wenn er dem Verbote des § 3 zuwiderhanhelt.

§ 7.

Wegen des Verfahrens und der Behörden, auf die

Zurücknahme

der Erlaubnis und

welche in bezug

die Untersagung

deS

78 Gewerbebetriebs maßgebend sind, §§ 20, 21 der Gewerbeordnung.

gelten

die

Vorschriften

der

§ 8. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mar? oder mit Haft wird bestraft:

1.

wer den Gewerbebetrieb eines Stellenvermittlers für Schiffsleute ohne die vorgeschriebene Erlaubnis unter­ nimmt oder fortsetzt oder von den bei Erteilung der Er­ laubnis festgesetzten Bedingungen abweicht;

2.

ein Stellenvermittler für Schiffsleute, welcher

a) einen nach § 3 Abs. 1 ihm verbotenen Gewerbebe­ trieb unternimmt oder fortsetzt, oder welcher sich von Gewerbetreibenden der dort bezeichneten Art für die Ausübung seiner Vermittlertätigkeit Vergütungen irgendwelcher Art gewähren oder versprechen läßt, b) die von der Behörde festgesetzte Taxe überschreitet, oder sich außer den taxmäßigen Gebühren Vergütungen anderer Art von dem Schiffsmanne gewähren oder versprechen läßt, c) es unternimmt, einen Schifssmann zum Bruche des cingegangenen Heuervertrages zu verleiten; 3.

ein Gewerbetreibender der im § 3 Abs. 1 bezeichneten Art, welcher es unternimmt, einen Stellenvermittler für Schiffsleute durch Gewährung oder Besprechung von Ver gütungen irgendwelcher Art zu einer den Interessen des Schiffsmanns widerstreitenden Ausübung der Vermittlertättgkeit zu bestimmen.

§ 9Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark Hast wird bestraft:

oder

mit

1.

ein Stellenvermittler für Schiffsleute, welcher § 5 bezeichneten Vorschriften zuwiderhandelt;

2.

ein Stellenvermittler für Schiffsleute oder ein Gewerbe­ treibender, der im § 3 Abs. 1 bezeichneten Art, welcher im Inland den von einer zuständigen Behörde erlassenen Vorschriften zur Verhinderung de8 vorzeitigen Betretens einlaufender Schiffe und des Anbordbringens von geisti­ gen Gettänken zuwiderhandelt;

den

im

79 3.

der Kapitän, der im Inland den Vorschriften einer zu-

ständigen Behörde,

im

Ausland den Anordnungen eines

Seemannsamts zuwider Stellenvermittler für Schiffsleme oder Gewerbetreibende der im

§ 3 Abs. 1

bezeichneten

Art an Bord läßt oder an Bord duldet;

4.

der Kapitän, welcher eS unterläßt, dafür zu sorgen, daß ein Abdruck dieses Gesetzes im VollslogiS zugänglich ist (S 10).

In den Fällen des Abs. 1 Nr. 3, 4 kommen

im Ausland

für die Festsetzung der Strafe und für das weitere Verfahren die in den

88 5, 122 bis 125

der

Seemannsordnung

enthaltenen

Vorschriften zur Anwendung.

§ 10. Ein Abdruck dieses Gesetzes muß auf jedem deutschen Kauf­

fahrteischiff im Volkslogis zur jederzettigen Einsicht der Schiffsleute vorhanden sein.

§ 11. Dieses Gesetz tritt am 1.

April 1903 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Neues Palais, den 2. Juni 1902.

Wilhelm. Graf von PofadowSky.

(SO

Kegrün-ung.

Bei den Erörterungen über die Reformbedürftigkeit der die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft regelnden Vorschriften ist mit besonderem Nachdruck auf die Mißstände hingewiesen worden, welche auf dem Gebiete der Stellenvermittlung für die Schiffrleute feit Jahren um sich gegriffen haben. Diese Vermittlung liegt, wie im Ausland so auch in Deutschland, zumeist in der Hand sie gewerbsmäßig betreibender Privatpersonen, der sogenannten Heuer­ base. Ihr Betrieb gestaltet sich je nach den Verkehrsverhältniffen sehr verschieden; er beschränkt seine Aufgaben an Hafenorteu mit geringem Schiffsverkehr, er erweitert sie für den regen Verkehr großer Hafenplätze. Stets umfaßt er die Registrierung von An­ gebot und Nachfrage und die Auskunstserteilung über deren Ergebnisse. Insbesondere über die Schiffe, die Reise, die Art des auszufüllenden Dienstes, die Heuerbedingunge'n der Reeder sowie anderseits über Personalien, Befähigung und Ansprüche des Schifssmanns gibt die Vermittlungsstelle Auskunft. An Plätzen mit lebhafterem Verkehre dehnt sie ihre Tätigkeit daraus aus, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzuführen, Meinungs­ verschiedenheiten auszugleichen und so das Zustandekommen des Heuervertrags zu erleichtern. Hiermit könnte eine Stellenver­ mittlung, die nur dieses sein will, ihre Tätigkeit abschließen. Unter entwickelten Verhältnisien begnügt sie sich aber mit der ver­ mittelnden Tätigkeit nicht. Die regelmäßige Wiederkehr des Be­ darfs an ost zahlreicher Mannschaft bringt es mit sich, daß der Reeder dem Stellenvermittler, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, weitgehende Vollmachten gibt und ihn für die Annahme der Mannschaften, d. i. den Abschluß des Heuervertrags und deffen Verlautbarung durch Anmusterung, dergestalt zu seinem b erollmächtigten Vertreter bestellt, daß der Reeder selbst oder sein n ä ch st e r Bevollmächtigter, der Schiffer, sich an der Anwerbung der Mannschaft unmittelbar nicht mehr be­ teiligt, vielmehr die Auswahl der sich anbietenden Arbeitskräfte

81 vollständig dem mit den Bedürfnissen der Reederei vertrauten Ver­ mittler (Heuerbafen) überläßt. Dieses Vertretungsverhällnis Pflegt weiter dahin zu führen, daß der Vermittler, unter Vorbehalt der Abrechnung mit dem Reeder, dem Schiffsmann den erforderlichen Vorschuß zahlt. Und zwar geschieht dies nicht mehr auf den Namen des Reeders, sondern des Stellenvermittlers, wenn, wie es sich in den größeren Hafenplätzen eingebürgert hat, der Ver­ mittler zugleich die Gewähr für den Dienstantritt des Schiffs­ manns übernimmt. Für das damit verbundene Risiko läßt fich der Vermittler natürlich ein Entgelt entrichten, das er aber nicht von seinem Auftraggeber, dem Reeder, sondern von dem Schiffs­ mann zu erheben pflegt. Die Mißstände, welche sich bei Ausübung dieses Gewerbe­ betriebs ergeben haben, bewegen flch wesentlich in folgenden Rich­ tungen: 1.

der Stellenvermittler läßt sich für seine Tätigkeit eine übermäßige Gebühr zahlen, die er ganz von dem Schiffs­ mann erhebt (Anlage A zur Begründung der Seemanns­ ordnung S. 132 bis 137) ;

2.

er bevorzugt denjenigen Stellenbewerber, der ihm am meisten zahlt, oder den er sonst ein Interesse hat, in bezahlter Stellung unterzubringen (a. a. O. S. 133, 134);

3.

er führt, um die Vermittlungsgebühren möglichst häufig zu gewinnen, künstlich einen Stellenwechsel herbei, in­ dem er entweder die Schiffsleute unter Vorspiegelung besserer Dienststellen zur Aufgabe des bisherigen Dienstes oder auch, »»ter dem Versprechen eines besseren Ersatzes, Schisfsführer zur Entlassung von Mannschaften bestimmt la. a. O. S. 137, 138);

4.

er verschafft sich durch die Art der Vorschußzahlung un­ erlaubte Vorteile (a. a. O S. 141);

5.

er führt die Schiffsleute anderen Gewerbetreibenden, den Herbergswirten (Schlafbasen), Händlern mit Ausrüstungs­ gegenständen u. a. zur Ausbeutung zu, um an dem diesen zufallenden Gewinne teilzunehmrn (a. a. O. S. 142, 144).

Erleichtert wird dabei die Ausbeutung der Seeleute durch die eigenartige Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse. Nach längerer, mit Entbehrung der Lebensgenüffe verbundener Reise ist der See­ mann bei der Ankunft im Hafen geneigt, sich für einige Zeit 6

82 einem ungebundenen Leben hinzugeben, und die Art der Heuer­ zahlung, welche ihn beim Abschluß der Reise in Besitz verhÄtnis-

mäßig hoher Geldsummen bringt,

Durch

ein Zusammenarbeiten

gewährt ihm die Mittel dazu.

der Heuerbase mit ben Herbergs

wirten (Schlafbasen) toitb dann dahin gewirkt, daß der Seemann

so lange in den Wirtschaften zurückgehalten und auSgebeutet wird, bis

seine

Mittel erschöpft sind.

Erst wenn nichts mehr aus ihni

herauszuziehen ist, verschafft ihm der HeuerbaS eine Stelle,

um

ihn los zu toetben, und deshalb wird nur zu häufig der leicht­ finnige

Seemann

bei

der Berschaffung

von

dem

vor

Stellen

ordentlichen, ben Wirtschaften ferngebliebenen, bevorzugt.

Die immer lauter sich

erhebenden Klagen

über diese

stände führten dazu, in Verbindung mit der Revifion

Miß­

See­

der

mannsordnung auch die BerhAtnffse aus dem Gebiete

des

see­

männischen Stellenvermittlungswesens und die zur Beseitigung der hervorgetretenen Mängel geeigneten Maßnahmen einer eingehenden

Prüfung zu unterziehen.

Im Verlaufe der darüber eingeleiteten

Verhandlungen, die im wesentlichen denselben Gang normen wie die Vorbereitungen des Entwurfs

der

neuen

Seemannsordchmg

(vgl. die Begründung zu diesem Entwürfe S. 31), hat aus An­ laß des StteikeS der Hamburger Hafenarbeiter eine besondere Er-

hübung über die Berhältniffe des Heuer- und Schlafbasenwesens

für ben Bereich der freien und Hansastadt Hamburg stattgefunden.

Das Ergebnis der im Jahre 1895 erfolgten tatsächlichen Fest­ stellungen ist in der Anlage A*) sowie, was die besondere Ham­

burger Erhebung im Jahre 1897 anlangt, in dem als Anlage B beiliegenden Auszug aus dem Berichte der SenatSkommisfion für

die Prüfung der Arbeiterverhältniffe im dergegeben.

tokolle

Hamburger Hafen wie­

Ueber die Hamburger Erhebung enthalten

der Commission

S. 188

bis 235

weiteres

die Pro­

tatsächliches

Material. Aus diesen Erhebungen ergibt fich, daß die beklagten Uebel­ stände keineswegs überall gleichmäßig, fondem, soviel Deutschland betrifft,

nur in

einzelnen Hafenplätzen,

gebiets, sich herausgebildet haben.

namentlich

des Nordsee­

Sie find hier jedoch in

einem

Maße hervorgettetm, daß es unabweiSlich erscheint, im Wege der

Reichs gesetzgebung auf ihre Beseittgung hinzuwirken^ denn nur auf diesem Wege ist, wie die in Bettacht kommenden Maßnahmen erkennen laffen, eine wirksame Abhilfe zu schaffen.

9 Die Anlagen find nicht mit abgedruckt.

83

der

Als durchgreifendstes Abhilfemittel, das auch den Wünschen beteiligten Kreise am meisten entsprechen würde, war das

Verbot

der

gewerbsmäßigen

Stellenver­

mittlung für Seeleute und deren Ersatz durch staat­ liche Heuerbureaus oder durch entsprechende Änrichtungm größerer Reederei- und seemännischer Bereinigungen, der Seemann-heime und anderer dem Wohle der Seeleute gewidmeten Anstalten in Frage gekommen (vgl. Anlage A zur Begründung der Seemann-ordnung S. 135, 136, 139, 140). Daß durch di?

Einrichtung solcher, nicht auf den

Erwerb «Zielender Heuerstellen

eine erhebliche Verbesserung der Berhältniffe erzielt werden kann, steht außer Zweifel. Die- haben die Erfahrungen mtt den Heuer­ bureaus gezeigt, welche von dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika- Linie und nach deren Vorgang im Lause der

letzten Jahre von einigen Reedereiveretnigungen insbesondere in Hamburg und Stettin errichtet worden find. Wie die beiliegende

Zusammenstellung über die GeschästStättgkeit einzelner von diesen Stellen in den Jahren 1896 bi- 1899 erkennen läßt, erfreuen die­ selben fich eine- lebhaften Zuspruch-. Machen diese von den Nächstbeteiligten errichteten Stellen eine unmittelbare Befassung des Staate- mtt gleicharttgen Einrichtungen entbehrlich, so besteht doch in den Reederetkreisen die Ueberzeugung, daß fie die Tättgkett der gewerbsmäßigen Stellenvermittler für Schiff-leute nicht völlig ersetzen können, und daß deshalb mtt dem Heuerbasenwesen al- einer dauernden und nicht zu befettigenden Einrichtung zu rechnen ist. ES ist nicht mtt die Auswahl der

geeignetsten unter dm sich meldendm Mannschaften, welche ein ordentlicher und gewissenhafter, als interessierter Letter einer Korporatton-anstalt,

die

dem

einzelnen

nicht vor

Reeder

anderen verpflichtet ist. Bor allem wird betont, daß die Ueber­ nahme der Gewähr für den ^Dienstantritt des Schiffmanns, welcher für größere Hafenplätze eine besondere Bedmtung bei­ kommt, durch keine anderen Organe so wirksam fich vollziehm könne, wie durch dm die Stellenvermittlung als Gewerbe betreibmden HmerbaS. Anderseits würbe der Versuch, die für alle

sonstigen Personalkaffm zugelaffme gewerbsmäßige Stellenvermitt­

lung für die

Schiff-leute

stehendm btrartigen

gesetzlich

Gewerbebetriebe

au»zuschlteßm zu

beseitigen,

und die be-

wmn

nicht

völlig undurchführbar, doch mit dm größtm gesetzgeberischm Schwiertgkeitm verknüpft sein. Er wäre auch zu besorgen, daß

da- Verbot des Gewerbebetrieb- vielfach UMgangm und dieser tat-

v

84 sächlich bestehen bleiben würde. Namentlich die weniger guten Elemente unter den Schiffsleuten würden bei schlechteren Führungszeugniffen eine Stelle eher durch eine gewerbsmäßige, hoch­ bezahlte Vermittlung als durch eine nicht vom Erwerbsinteresse geleitete Anstalt zu erlangen hoffen und deshalb diesen Weg suchen, so daß es Personen, die das Stcllenverinittlungsgewcrbe verbotsmäßig betreiben wollten, an Zuspruch nicht fehlen würde. Auch in dem beschränkten Maße, wie die Beteiligung der Staatsbehörden an der Stellenvermittlung in England durch die Vorschrift in Sect. 247 Nr. 1 des Merchant Shipping Act 1894 vorgesehen ist, dürfte sich ihre Einführung in Deutschland nicht empfehlen. Mit Rücksicht auf die von den vorgenommenen Aus­ kunftspersonen nach dieser Richtung geäußerten Wünsche (An­ lage A zur Begründung der Seemannsordnung S. 145, 139) ist eingehend erwogen worden, ob nicht etwa bei den See­ mannsämtern eine Art staatlichen Arbeitsnachweises dadurch zu errichten sei, daß diese Behörden verpflichtet würden, über die bei ihnen angemeldeten offenen Stellen und Stellengesuche Listen zu führen, den sich Meldenden Auskunft zu erteilen und auch sonst an Ort und Stelle Beihilfe zum Verlragsabschluffe zu ge­ währen. Auf Grund der durch die beteiligten Behörden und Interessenvertretungen erfolgten Begutachtung ist f.edoch von der weiteren Verfolgung dieser Anregung abgesehen worden, weil für die größeren Hafenplätze, wo daneben die gewerbsmäßige Stellenvermittlung stets weiter bestehen werde, namentlich wegen der Unvollständigkeit der vom Seemannsanite zu bietenden Stellen­ nachweise ein wirksamer Erfolg nicht zu erwarten sei, und weil anderseits für kleinere Hasenplätze es der Vermittlung ent­ weder überhaupt nicht bedürfe oder aber die empfohlene Einrich­ tung au# ohne gesetzliche Vorschrift getroffen werden könne. Be­ richte über die nur geringe praktische Bedeutung, welche das amt­ liche Registrierungssystem in England zu gewinnen vermocht hat, sprechen ebenfalls dafür, von einer obligatorischen Uebertragung der Einrichtung nach Deutschland abzusehen. Muß nach dem Vorstehenden mit dem Fortbestände der ge­ werbsmäßigen Stellenvermittlung für Schiffsleute gerechnet wer­ den, so hat sich das gesetzgeberische Vorgehen wesentlich auf eine Hebung und Säuberung dieses Erwerbsstandes und auf Schutz­ maßregeln gegen die ihm anhaftenden Mißbräuche zu richten. Zur Förderung der Stellenvermittluwg durch die nicht auf Erwerb ge­ richteten privaten Anstalten bedarf es gesetzlicher Maßnahmen nicht.

85 In betreff der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung für Schiffsleute wird aber ein Vorgehen nicht etwa dadurch entbehrlich, daß die Unzuträglichkeiten, welche bei der sonstigen gewerbsmäßig betriebe­ nen Stellenvermittlung fühlbar geworden find, neuerdings Veranlaffung gegeben haben, die Vorschriften der Gewerbeordnung über das Stellenvermittlungswesen im allgemeinen einer Aenderung im Sinne verschärfter Staatsaufsicht zu unterziehen (f. den unter Nr. 165 der Drucksachen von 1898-99 dem Reichstag vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbe­ ordnung). Denn es kommt für die Stellenvermittlung der Schiffs­ leute eine Reihe von besonderen Gesichtspunkten in Frage, die der Regelung erfordern. Aus diesem Grunde empfiehlt es fich auch nicht, die auf diesem Sondergebiete zu treffenden Vorschriften in den Rahmen der allgemeinen Gewerbeordnung einzufügen. Die­ selben finden Besser in einem Sondergesetze Platz, wie es laut Anlage D auch in Dänemark besteht. Ueberdies entspricht es dem praktischen Bedürfnis, dem Seemann die seine Verhältniffe be­ treffenden Vorschriften leicht zugänglich zu machen, weshalb die Seemannsordnung die Auslage von Abdrücken derselben im Volkslogi's vorschreibt. Dies wird auch von den Vorschriften dec Stellenvermittlung für Schiffsleute zu gelten haben, deren Kennt­ nis dem Secniann im geschäftlichen Verkehre mit den Vermittlern eine sichere Stellung zu verschaffen geeignet ist. Der Entwurf der Gewerbeordnungsnovelle, über welchen der als Nr. 393 der Drucksachen von 1898—99 vorliegende Kom­ missionsbericht erstattet ist, setzt denn auch, wie die Begründung zu Artikel 3 I (S. 15) ergibt, den Erlaß eines besonderen Ge­ setzes über die Stellenvermittlung für Schiffsleute voraus. Zu diesem Zwecke ist der vorliegende Entwurf aufgestellt, über deflen Inhalt vorweg das Folgende zu bemerken ist.

Bei den Verhandlungen der Technischen Kommission für See­ schiffahrt mit den Auskunfspersonen aus dem Stande der Schiffs­ leute und bei den Erhebungen über die ArbeitsverhAtnisse im Hamburger Hafen waren außerdem bereits oben erörterte Verbote der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung und deren Er­ sätze durch staatliche oder private Veranstaltungen ohne Erwerbs­ zweck noch die folgenden Maßnahmen zur Erwägung gestellt worden: 1. Verstärkung der Staatsaufsicht und Beseitigung unlaute­ rer Elemente durch Einführung der Konzessionspfltcht,

86 behördliche Regelung der Tarife, Verbot gewisser Neben­ gewerbe; 2. Maßregeln wider das sogenannte Kaperwesen, d. i. das Abfangen der Schiffsleute zu Ausbeutungszwecken bei An­ kunft der Schiffe; 3. Verbot oder Einschränkung der Vorschußnoten, Auszah­ lung der Heuern durch die Seemannsämter.

Zur Verhinderung des Kaperwesens (siehe Nr. 2), welchem in England durch das sogenannte Midge system entgegengewirkt wird (bergt. Anlage A. II. 6), sind bereits im Jahre 1890 Poli­ zeiverordnungen in den dabei allein beteiligten Nordseebundesstaa­ ten erlassen worden. Die Kaper oder Runner waren Angestellte der Schlafbase, welche das ankommende Schiff schon weit vor der Einfahrt in den Hafen besetzten, durch Verabreichung von geisti­ gen Getränken die Mannschaft sich gefügig machten, sie für die von den Kapern vertretenen Wirtschaften anwarben, die Abrechnung mit dem Schiffer an sich zogen und dann das Heuerguthaben in Empfang nahmen, um davon dem Schiffsmann wenig oder nichts zukommen zu lassen. Durch Verbreitung sinnloser Betrunkenheit unter der Mannschaft gefährdeten diese Personen zugleich die Sicherheit des Schiffes. Diesem Unfug ist durch die Polizeivor­ schriften der beteiligten Bundesseestaaten, welche dal) Betreten des Schiffes durch Unbefugte vor dem Festmachen im Hafen bei Strafe verbieten, soweit erkennbar, bereits in wirksamer Weise vorge­ beugt. Ueber Vorschußnoten und Auszählung der Heuerguthaben (siehe oben Nr. 3) trifft der Entwurf der neuen Seemannsord­ nung (§§ 42, 44) Bestimmung. Es verbleiben sonach für die gesetzliche Regelung im wesent­ lichen die oben unter Nr. 1 angeführten Punkte, welche in den §8 2 bis 4 des Entwurfs behandelt sind. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken.

§ 1 bringt den Charakter der Vorlage als eines die Gewerbeordnung ergänzenden Sondergesetzes zum Ausdruck. Unter den danach An­ wendung findenden Vorschriften der Gewerbeordnung kommen u. a. § 1 Abs. 2 (Ausschluß der rückwirkenden Kraft), § 11 a (Geschäftsfähigkeit der ein Gewerbe betreibenden Ehefrau) § 41 (Annahme von Gehilfen), § 42 (örtliche Ausdehnung der Befug­ nis zum Gewerbebetriebe), §§ 45 bis 47 (Stellvertretung und

87

Fortführung des Gewerbebetriebes nach dem Tode des Gewerbe­ treibenden), § 155 Abs. 1, 2 (Landesgesetze und Landesbehörden) in Betracht. Die Stellenvermittlung durch solche Anstalten, welche den Arbeitsnachweis nicht zum Erwerbe betreiben, unterliegt den Vor­ schriften über die gewerbsmäßige Stellenvermittlung nicht. Eine ausdrückliche Vorschrift hierüber ist jedoch aus. denjenigen Er­ wägungen, welche bei der Beratung der Gewerbeordnungsnovelle über eine ähnliche, innerhalb der Reichstagskommi ston für die allgemeine Stellenvermittlung vorgeschlagene Bestimmung regie­ rungsseitig geltend gemacht wurden — daß nämlich die Unanwend­ barkeit der für die gewerbsmäßige Stellenvermittlung geltendenVorschriften sich von selbst verstehe, und daß die Ausnahme selbst­ verständlicher Ausnahmen in das Gesetz zu fehlsamen Rückschlüsten an anderen Stellen führen könne (Kommifsionsbericht S. 6) —, in ben vorliegenden Gesetzentwurf nicht ausgenommen worden.

Zu

§ 2.

Wegen der Notwendigkeit, das bisherige System des kon­ zessionslosen Betriebs mit Untersagungsbefugnis der Behörde durch die Genehmigungspflicht zu ersetzen, gilt alles, was bei der Stellen­ vermittlung im allgemeinen hierfür anzuführen ist, in besonderem Maße bei der Stellenvermittlung für Schiffsleute. Der Entwurf folgt hierin dem Entwürfe zur Gewerbeordnungsnovelle (vgl. die Begründung zu Artikel 3 Nr. 1 S. 12 ff. der Reichs iagsdrucksache Nr. 165 von 1898-99), dessen Standpunkt bereits von derReichstagskommisston gebilligt ist (Drucksache Nr. 393 S. 3). Während nach §§ 21, 40 der Gewerbeordnung die Bestim­ mung über die Behörden, welche die Erlaubnis zur Ausübung eines derselben bedürfenden Gewerbebetriebes zu erteilen haben, dem Landesrecht überlasten bleibt, beruft hierzu der Entwurf von vornherein die höhere Verwaltungsbehörde, weil der Stellenver­ mittler für Schiffsleute seine Tätigkeit nicht auf den Ort seiner gewerblichen Niederlaffung zu beschränken, sondem durch Schrift­ wechsel darüber hinaus zu erstrecken Pflegt. Mit Rücksicht auf diese Art des Geschäftsbetriebes, welcher in der Nachbarschaft der großen Hafenplätze an der Elbe und der Weser häufig sogar über die Grenzen des Bundes st aats hinübergreift, konnte eine Anregung, die Befugnis zum Gewerbebetrieb auf den Be­ zirk der die Erlaubnis erteilenden Behörde zu beschränken, nicht für zweckmäßig erachtet werden.

88 In Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der Gewerbeord­ nung soll die Erlaubnis nur beim Vorliegen bestimmter Voraus­ setzungen versagt werden dürfen. Als solche Voraussetzung kommt neben der auf Grund von Tatsachen zu besorgenden Unzuver­ lässigkeit in bezug auf den Gewerbebetrieb als Stcllenvermittler auch der gleichzeitige Betrieb anderer Gewerbe in Betracht, der zwar die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in bezug auf die Stellenvermittlung nicht ohne weiteres begründet, aber in Ver­ bindung mit der Stellenvermittlung besonders leicht und in be­ sonderem Maße zur Ausbeutung des Schifssmannes gemißbraucht werden kann und erfahrungsgemäß nur zu häufig gemißbraucht wird. Für besondere Fälle ist den Landeszentralbehörden eine Ausnahmebefugnis beigelegt (vgl. zu § 3 am Schluffe). Die Frage, ob die Erlaubnis auch von dem Nachweis eines vorhandenen örtlichen Bedürfnisses abhängig zu jmachen sei, war zu verneinen. Zwar würde eine Verringerung der Zahl der Gewerbebetriebe deren polizeiliche Kontrolle erleichtern und die dann voraussichtlich eintretende Vergrößerung der Betriebe der Hebung des Standes zugute kommen. Allein dieselbe Er­ wägung, welche oben gegen die Beschränkung der Erlaubnis auf einen bestimmten Verwaltungsbezirk angeführt wurde, nämlich das Uebergreifen der Vermittlertätigkeit über enger begrenzte Bezirke, steht auch einer zuverlässigen Bemessung des Bedürfnisses im Wege. Dieser Gesichtspunkt hat bei den Beratungen der Gewerbeordnungs­ novelle auch für die sonstige Stellenvermittlung Anerkennung ge­ funden (vgl. Kommissionsbericht S. 4). Um die polizeiliche Kontrolle zu erleichtern und um den Stand der Stellenvermittler für Schiffsleute zu heben, hat die Techni­ sche Kommission für Seeschiffahrt vorgvschlagen, die zugelaffenen Stellenvermittler gleich den im § 36 der Gewerbeordnung ge­ nannten Feldmeffern, Auktionatoren und anderen Gewerbetreiben­ den öffentlich anzustellen und zu vereidigen. Jndeffen kann das Bedürfnis, welches zu der Anordnung im § 36 der Gewerbeord­ nung geführt hat, nämlich den Handlungen gewiss et Gewerbe­ treibender eine besondere Glaubwürdigkeit beizulegen, bei der Stellenvermittlung für Schiffsleute nicht wohl in Frage kommen Ueberdies würde die öffentliche Anstellung sich mit der Genehmigungspflichtigkeit des Gewerbes kaum vereinigen lasten, wie denn auch die Gewerbeordnung die öffentliche Anstellung, und zwar als eine Befugnis von Behörden und Körporationen, nur bei solchen Gewerbetreibenden kennt, deren Gewerbe dem freien Be-

— 89



triebe zugänglich ist. Darf der Gewerbebetrieb erst auf Grund einer Prüfung der persönlichen Verhältnisse mit obrigkeitlicher Er­ laubnis begonnen werden, so fehlt das Bedürfnis, daneben noch in der öffentlichen Anstellung und Vereidigung eine weitere Ge­ währ für die Zuverlässigkeit zu suchen. Zu

§ 3.

Der gleichzeitige Betrieb der hier genannten Gewerbe mit der Stellenvermittlung für Schiffsloute ist, wie in den einleiten­ den Bemerkungen ausgeführt, geeignet, schädlichen Mißbräuchen Tür und Tor zu öffnen. Das Hamburgische Stellenvermittlungs­ reglement vom 10. März 1893 *) untersagt schon jetzt auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen allen Stellenvermittlern den Betrieb der Gast- und Schankwirtschaften in oder in unmittelbarer Verbindung mit ihrem Geschäftslokale. Diese örtliche Begrenzung des Verbotes erscheint zu eng. Es wird davon um so eher ab­ gesehen werden können, als auch die Befugnis zum Gewerbebetrieb des Stellenvermittlers für Schiffsleute räumlich nicht beschränkt werden soll. Zur Verhütung von Umgehungen war es nötig, vorzuschreiben, daß der Stellenvermittler die verbotenen Gewerbe auch nicht durch andere betreiben darf, wobei namentlich ein Be­ trieb durch Stellvertreter, Angehörige oder Hausgenoffen — auch wenn er formell für deren eigene Rechnung erfolgt — in Betracht kommt. Auf diese Art der Betreibung des Gewerbes finden die Vorschriften im § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 2, § 8 Nr. 2a ebenfalls Anwendung. Um ferner der Gefahr vorzubeugen, daß der Heuerbas mit anderen Gewerbetreibenden der gedachten Art zum Nachteil des Schiffsmannes gemeinschaftliche Sache macht, wird ihm im Abs. 2 verboten, mit diesen Gewerbetreibenden dergestalt in Ge­ schäftsverbindung zu treten, daß er sich für die Ausübungseiner Vermittlertätigkeit Vergütungen irgendwelcher Art von denselben gewähren oder versprechen läßt. Die Gewerbeordnungsnovelle will Vorschriften zur Verhinde­ rung der aus dem gleichzeitigen Betriebe gewißer anderer Ge­ werbe seitens der Stellenvermittler sich ergebenden Unzuträgliche ketten, namentlich wegen der Verschiedenheit der in Betracht kom­ menden örtlichen Verhältnisse, den Landeszentralbehörden überlaffen, deren bisherige Befugnisse (§ 38 Abs. 1 und 2 der Ge*) § 7: Die Stellenvermittler dürfen weder im Geschäftslokale noch in unmittelbarer Verbindung mit demselben Gast- oder Schankwirtschaft betreiben; auch dürfen sie keine Stellensuchende bei sich in Logis uiib Kost nehmen.

90 tBerfwerbnung) deshalb entsprechend erweitert werden sollen (vgl. die Begründung zu ArtikU 3III bü V S. 16 der Drucksache

Nr. 169). Bei der engen Begrenzung deö durch den vorliegenden Entwurf zu regelnden Sachgebiet- erscheint eine solche lief er tragung der Verbotsbefugnis auf die Landesstellen nicht erforder­ lich. Sie würde auch dm Wünsch« der seemännisch« Kreise,

welche tunlichst reichsgesetzliche Festlegung der schristen erstreb«, nicht mtsprechm.

wichtigerm

In bezug aus die

Vor-

Stellm-

vermMung für Schiffsleute wird es vicknehr zweckmäßig sein, die Regel des Verbots im Gesetz auszusprechen, boneben aber die Landeszentralbehörden, soweit erforderlich, zur Zulassung

von AuSnahmm zu ermächtigen; besonders

in kleinerm

HU«

können Fälle vorkommen, in dmm die Verbindung der in Rede

stehenden Gewerbebetriebe unbedenklich ist. Zu § 4. Einer der wesentlichsten Mißstände im Hmerbasmwesen ist die Erhebung übermäßiger Vergütung« für die Stellenvermitt­

lung. Dadurch, daß daS Maß dieser Vergütung an keine Schranke gebunden ist, wird der Schiffsmann vielfach gezwungm, ganzun-

verhAtniSmäßige Beträge zu zahl«. Von dm vemommmm Aus­ kunftspersonen ist bekundet wordm, daß SchiffSlmte mit 700 Mk Jahreseinkommen im Laufe des Jahres

etwa 50 Mk.

an Ver­

mittlungsgebühr« zu entrichten pflegen (Anlage A zur Begrün­ dung der Seemannsordnung (S. 139). Für Stellen von Maschi­

nist« und Steuerleutm find Vergütungen von 50 und 100 Mk gefordert und gezahlt wordm (a. a. O. S. 134). Für die Der schaffung einer SchiffSjungmstelle wird nach den Au-sagm vor der Hamburger SmatSkommisfion fast regelmäßig eine Vergütung von 100 Mk entrichtet (Protokoll der Hamburger SenatSkomnns-

fion S. 196).

Für diese

Gebühren

Schiffahrtskreisen allgemein

eine Grenze festzusetzen,

als

Bedürfnis

wird

anerkcmnt.

Häfen der Unterweser und in Hamburg haben —

in den In

den

in Hamburg zu­

folge polizeilicher Anordnung — die Heuerbase selbst Gebührentarife aufgestellt, an welche sie sich gebundm halt«. Solche Tarife bieten jedoch insofern keine ausreichende Gewähr gegen Uebervorteilung, als sie von den Stellenvermittle« jederzeit geändert werden können. Der in Hamburg bestehmde Tarif wird aber auch von dm Schiffs-

lmtm mit Recht als zu hoch bezeichnet. Nach dem Berichte des Hamburger Seemannsamts für 1898

betrug in diesem Jahre:

dagegen beträgt die Gebühr der Heuerbase

bei Gewährung einer Monat-heuer*) al» Vorschub nach dem Tarife der Hamburger Heuerbase,

die mittlere monatliche Heuer

wenn auf demselben Schiffe wieder angemustert

JC

nach den Tarifen für da» Heuerbureau des Norddeutschen Lloyd und der HamburgAmerikanischen Paketfahrt - Aktien - Gesell­ schaft für SchtffSleut«, die noch nicht auf Schiff«« der Gesellschaft gefahren sind**)

jK,

M

2 2 8

für Jungen.............................................

18^8

„ „

Leichtmatrosen........................... . Vollmattosen..................................

82,65 65,84

„ „ „

Bootsmann........................................ 2. Steuermann 1 auf Segel- l 1. Steuermann I schiffen 1

74,53



Trimmer.............................................

64,4»

6

8 bis 4

,, Heizer...................................................

66,17

6

8 bis 4



66,«

9

Maschinistenassistent.......................

76,65 110,86



verfahrens erstreckten, haben ein durchweg günstiges Ergebnis ge­ habt." In der die Reichsversicherungsordnung begleitenden Denk­ schrift heißt es, die Erwartung des Gesetzgebers sei nicht getäuscht, „daß die Versicherungsträger bei der Renten estsetzung objektiv zu Werke gehen würden." Die Berufsgenoffenschaften finden in der Denkschrift besondere Anerkennung mit den Worten: „Die Zweifel an der Sachlichkeit der Festsetzung der Unfallrenten entbehren jeder tatsächlichen Be­ gründung." Trotz dieser unumwundenen Anerkennung erblickt die Denk­ schrift den wichtigsten Mangel, der die Reform und damit wohl auch> die Schaffung der Versicherungsämter veranlaßt hat, i n dem Verfahren betreffend die Rentenfest­ setzung. Solche Mängel kommen nur in ganz verschwin­ dendem Maße vor; das wird durch die, wohl auch dem Hohen Bundesrat bekannte Statistik über die Berufungen, die En.schei­ dungen der Schiedsgerichte und die erledigten Rekurse derart un­ zweifelhaft erwiesen, daß die erwähnten Mängel nicht als Grund für die tief eingreifenden Aenderungen des bestehenden Zustandes angesehen werden können. Als weiteren Mangel bezeichnet die Denkschrift das in den Kreisen der Arbeiter bestehende Mißtrauen. Die Denkschrift hebt in Hinsicht auf dieses Mißtrauen hervor, „daß die Zweifel an der Sachlichkeit der Festsetzung von Unfallrenten jeder tatsächlichen Begründung entbehren." Dennoch soll das Recht der Rentenfestsetzung den Versicherungs­ trägern durch, die Uebertragung erheblicher Besugnisie an die neu zu schaffenden Versicherungsämter wesentlich eingeschränkt werden Als weiteren Einwand gegen das bestehende Verfahren gibt die Denkschrift an, daß „erfahrungsgemäß zurzeit in den Streit­ sachen der Unfallversicherung die Feststellungen der Vorinstanzen, auch soweit sie rein tatsächlicher Ard sind, „nicht selten" wesentliche Lücken aufweisen, die erst durch das Eingreifen des Reichsversicherungsamtes und tin Verfolge seiner Ermittelungen beseitigt werden." Hierin Wandel zu schaf­ fen, soll die Hauptaufgabe der neuen Versicherungsämter sein. Daß solche Mängel vorkommen, soll nicht bestritten werden; sie werden aber stets von höheren Instanzen gerügt, mag es sich nm die ordentlichen Gerichte, um ein Verwaltungsstreitverfahren oder um ein sonstiges prozessuales Vorgehen handeln.

97 Auch in dieser Beziehung wird jedoch durch die Statistik der

Beweis erbracht,

daß die

in Unfallsachen

Zahl solcher Mängel

außerordentlich gering ist, so daß die Berufung auf fie zur Be­ gründung tief eingrei ender Aenderungen des Verfahrens als durch­ aus verfehlt anzusehen ist.

die Denkschrift,

Derart kommt seinen

Direktor MeeSmann

wie

„Aeußerungen zur ReichSverstcherungsordnung ♦)

in

sagt, von

unrichtigen Voraussetzungen naturgemäß zu unrichtigen Schlüffen, wobei fie ihre eigenen Voraussetzungen nachträglich noch so weit

verschiebt, daß sie von dem „Schwergewicht der tatsächlichen Fest­ stellungen spricht, das in der letzten Instanz liege, während vor­

her nur davon gesprochen war, daß „nicht selten" die Feststellun­ gen der Vorinstanzen wesentliche Mängel

und

Lücken aufweisen.

Diesem Gedankengange entspricht der Vorschlag, die Abhilfe durch die Schaffung einer umfaffenden neuen Organisation

der

Ver-

ficherungSämter herbeizuführen. unteren Verwaltungs­

Diese Aemter sollen im Bezirk einer

behörde errichtet werden und aus einem von dem Kommunalver-

bande zu bestellenden Vorsitzenden, bezw

dessen Stellvertreter und

je 10 Beisitzern aus dem Stande der Arbeitgeber und der Arbei­

ter bestehen, die

zu

abwechselnd

den

Spruchfitzungen

herange-

zogen werden sollen wird die Beschaffung

Den Versicherungsämtern

und

Fest­

stellung aller tatsächlichen Unterlagen für die Festsetzung der Ent­ schädigung zugewiesen, eine Aufgabe, die bisher hauptsächlich den unterm Verwaltungsbehördm übertragm war. Das Verstcherungsamt soll das betreffende Attenmaterial m i t

seinem Vorschlag für VerstcherungSträger zusendm. Amtes abweichm,

die Entschädigung

dem

WM dieser von dem Vorschlag des

so- hat er dem Entschädigung-berechtigten dm

Vorschlag des Amtes mitzutetlm und zu erklären, aus welchem

Gmnde er von den» Vorschlag des Amtes

abweicht.

Abgesehm

von der in diesen Bestimmungm geradezu mthaltmm Provlckation des EntschSdigungsberechtrgten,

ficherungsträger Einspmch zu

gegen die Festsetzung erhebm, bedmtm

des

Ler-

fie einm tiefen

Eingriff in die Selbstverwaltung und Organisation der Verfiche-

rungsträger,

insbesondere der BemfSgmoffmschastm,

und in die

diesen bisher zustehendm Rechte. Die Arbeitgeber,

von dmm die ganze

*) Verhandlungen, Mitteilungen und Deutscher Industrieller, Heft 115 Seite 117 ff.

Berichte

Last des

der AnfallverCentralverbandeS

98 Sicherung nicht nur hinsichllich der Kosten, sondern auch bezüglich

der mit der Verwaltung verbundenen Arbeit allein getragen wird, denen

auch wegen der in beiden Beziehungen bewiesenen Opfer­

willi gleit und Pflichttreue vou den maßgebendsten Stellen höchstes Lob und uneingeschränkte Anerkennung häufig genug ausgesprochen

Leistungen mit größter

worden ist, nehmen andererseits für ihre

Entschiedenheit das uneingeschränkte Recht

in Anspruch.

Selbstverwaltung

der

Dazu gehört in erster Reihe die Entschädigungfest­

zusetzen, und

ohne

zwar

kung der Arbeiter.

Mitwir­

irgendwelche

Wer die Verhältnisse aus der Praxis

kennt, der weiß, daß dieses Recht von bett Berufsgenossenschasten

in liberalster Weise geübt wird.

Das toitb

von

lediglich

der

Sozialdemokratie und deren bewußten und unbewußten Helfern in den bürgerlichen Parteien bestritten.

DaS durch die Verhetzung

in den Arbetterkreisen erzeugte Mißtrauen entbehrt,

toid in der

In der

Denkschrift gesagt wird, jeder tatsächlichen Begründung. Denkschrift wird jedoch

auch ausdrücklich

nqchgewiesen,

es

daß

falsch sei, eine Mitwirkung der Arbeiter bei dem die Rentenfest­

setzung betreffenden

Verfahren

zu

verlangen:

denn

„auf

allen

Rechtsgebieten gilt die Regel, daß, wer eine Verpflichtung zu er­ füllen hat, auch in der Lage sein muß, selbst zu der Forderung

Stellung zu nehmen.

Es fehlt an jedem Rechtsgrunde dafür,

ungunsten der Verflchemngsträger

zu

dieser allgemeinen Regel

von

abzuweichen." Unter diesen Umständen

find die Gründe und Erwägungen

nicht zu verstehen, die dazu geführt haben, hinfichtlich der Renten­ festsetzung das Recht der Verflchemngsträger so ergreifend zu

kürzen und den geplanten BersicherungSämtern so weitgehende Be-

fugniffe zu erteilen. Wir sehen von einem näheren Eingehen

auf

den neuen Aemtem zugewiesenen Aufgaben ab.

die sonstigen,

Von

verständigsten Seiten ist bündig nachgewiesen worden, Aufgaben, wie die

fehlt find.

mit ihnen verfolgten

Zwecke

den sach

daß diese

durchaus

In den Kreilen der Sachverständigen hat

gehende und objektive Prüfung

die

zu dem Ergebnis geführt,

ver­ ein

daß

durch die neue Organisation der VerfichemngSämter, im Gegen­

satz zu den Wünschen der Interessenten und auch des Reichstags, Komvlizierung der

Ver­

waltung, nicht eine Verbilligung, sondem eine wesentüche

Ver­

nicht eine Vereinfachung,

sondem eine

teuerung, nicht eine größere Rechtssicherheit, sondern eine größere

Rechtszersplitterung,

mdlich

nicht

eine

Beschleunigung,

sondern

99 eine Verlangsamung des Verfahrens zu erwarten ist.

Die durch

die Errichtung von Versicherung-ämtern bezweckten Berbefferungen sollten, nach der von höchst sachverständiger Seite geäußerten An­ sicht, auf anderem Wege angestrebt werden, etwa

1. durch bessereAuSstattung der unterenBer-

waltungSbehörden mit

solchen

Kräften,

mit

die

sozialen Versicherungswesen vertraut sind; wenn die

dem

Landesregie­

rungen in dieser Hinsicht die nötigen Maßregeln ergreifen, könn­ ten ganz bedeutende Berbefferungen ohne erheblichen Mehraufwand

erzielt werden^

2. durch eine sübständigere Stellung der Schieds­ gerichte, die mit älteren, mit dem praktischen

Leben erfahre­

nen Vorsitzenden zu besetzen wären, und denen gewiffe AufstchtSbefugniffe, sowie namentlich die Tätigkeit einer ersten Instanz in übertragen

allen Streitigkeiten zwischen ben Berficherungsträgern werden könnten.

Würde man alsdann das Reichsversicherungsamt von solchen Rekursen entlasten,

bei

denen eS sich nur

um

die

Schätzung des Grades der Erwerbsfähigkeit und die Veränderung dieses Grades handelt, das find etwa 75 Prozent aller Fälle, f» läge gar keine Deranlaffung vor, diese mit Recht sich des allge­ meinsten Ansehens erfreuende und einheitliche Durchführung der

VerficherungSgesetze verbürgende Behörde

in

ihrer Tätigkeit

zu

schwächen und zu lähmen.

Jedoch noch andere Gründe veranlaßen uns, gegen die neue

Organisation nochmals entschiedenen Widerspruch zu erheben. Die Klagen über die Zunahme amtlicher Organe und der Zahl

der

Beamten im Reiche wie in den Einzelstaateu werden immer lauter

und nachdrücklicher erhob«.

ES sollen nun mit einem ScUage

800t bis 1QQO, nach anderer Schätzung

-iS 1200 VersicherungS

ämter, also behördliche Organe i« Reiche geschaffen weichen, die fast ausnahmslos von allen in der Praxis stehenden Sachverstän­

digen als durchaus überflüssig erachtet weichen. Die in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen

cheu Reformen und

die Einfügung

rung haken im großen und

ganzen

mung der Arbeitgeber erfahren.

reit erklärt,

die auf

der

tatsächlh-

Hinterbliebenenversiche-

die Billigung

und Zustim­

Die Industrie hat sich damit be­

Hunderte von Million« geschätzte

Mehrbe­

lastung zu übernehmen; sie will versuchen, auch diese Opfer noch

zu bringen, obgleich die durch öffentliche Abgaben aller Art und

durch sonstige sozialpolitische Maßnahmen ihr aufgelegte Belastung

T

100 bereits eine erschreckende, ihre Wettbewerbsfähigkeit weitgehend er­

schwerende Höhe erreicht hat. Die auf 20 bis

und

Vorsitzenden

geschätzten Kosten

der

abgesehen von dem Gehalt

der

30 Millionen Mark

neum Verficherungsämter sollen,

deren Stellvertreter,

von

Versicherungs­

dm

trägem, also in der Hauptsache von den Arbeitgebem, aufgebracht werden. Wir erachten eS für eine unabweisbare Pflicht

der höchsten

maßgebendm Kreise, und somit des Hohen Bundesrats, unter den vorstehmd dargelegten Verhälniffen in peinlichster Erwägung jede irgend vermeidbare weitere Belastung der Industrie zu verhüten.

Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie auf dem Wettmartt ist

eine der wesentlichsten Gmndlagen des wirtschaftlichen und sonsti­ gen Gedeihens von Staat und Gesellschaft.

Bei dem Erscheinen

immer neuer, leistungsfähiger, unendlich weniger vorbelasteter Kon

kurrenten auf dem Weltmartt entscheiden wenige Pfennige oder weniger im Preise schon den Kampf.

mehr

Unbedingt must aner­

kannt werden, daß durch die ungemein weitgehende Vorbelastung

der deutschen Industrie

deren Wettbewerbsfähigkeit bereits unge­

mein erschwert worden ist. Un'er diesen Umständm haben wir die Psticht,

Hohen

den

Bundesrat zu bitten, nochmals in emsteste Erwägung zu nehmen, ob es gerechtfertigt werden kann und angängig ist, die Industrie

mit vielen neuen Millionen für eine zum mindesten überflüssige Jnstitutton, für die neuen Verfichemngsämter, zu belasten.

Bezüglich der Krankenversicherung

find

wir

ver­

pflichtet, zunächst für die unbedingte Erhaltung der Betriebs­ krankenkassen

Vorzüge und

zittert aus

einjuhceten.

In der Denkschrift werben die

Leistungen dieser Kaffen durchaus anerkannt.

dem

Kommiffionsbericht

zum

ersten

Sie

Krankenverfiche-

rungsgeseh:

»Eine

gut eingerichtete BetriebSkrankenkaffe ist die

Arbeiter erwünschteste Form

der Krankenversicherung."

für

den

Die

Lei-

stungen der Betriebskrankenkaffen seien erheblich höher wie bieder

übrigen: schrift

auf je einen Versicherten berechnet sich nach

der

Mehrempfang

gegmüber der

für

der Denk­

Krankheitskosten

Leistung der Arbeiter bei den BetriebSkrankenkaffm

auf 8,67 Mark, bei dm OrtSkrankenkaffm dagegen nur auf 5,28

Mark (1907).

Sie sagt hierzu: »ES liegt auf der Hand, wie vor­

teilhaft diese Art der Regelung für dm Verficherten ist."

— 101 — Zurückgewiesen werden die Vorwürfe gegen den Mißbrauch

Arbeitgeberautorität

der

in

den

BetriebSkranken-

Die Denkschrift sagt in dieser Beziehung: Mn Mißbrauch

kaffen.

der Arbeitgeberautoritat ist nirgends erwiesen,

ist

den

auch bei

abgchlcktenen Besprechungen von Un Arbeitnehmervertretern

Sü­

den Vorständen der Betriebskraickenkaffen, die dazu doch am näch­

Zu dem Borwurf,

sten berufen wären, nicht behauptet worden*

BetriebSkankenkaffen

die

daß

krankenkassen

das

der

Risiko

verschlechtern,

werden

Orts­

ErAärungen

der Arbeitgeber zitiert dahingehend, daß, wenn in vielen Betrie­ ben die Arbeiter nach ihrem Gesundheitszustand auSgewähft und

zu diesem

Zweck vorher ärztlich untersucht würden,

nahme „nicht sowohl Sonderintereffen

der

diese

Maß­

B etrtebskrankenkaffen,

als vielmehr die eigenen Jntereffen der Betriebe, namentlich aber

der betreffenden Arbeiter selbst* verfolge, und daß „bog günstigere Risiko, daS sich der Kaffe etwa aus dem besseren Gesundheitszu­

stand ihrer Mitglieder zurzeit der Ausnahme darbiete, durch

er­

höhte Krankheitsgefühl des Betriebes meist mehr als ausgewogen* werde.

Die Begründung fügt hinzu: Man wird anerkennen müs­

sen, daß diese Darlegungen wenigstens auf einen großen Teil der

Sollten fie nicht alles etttätett, so wird es

FAle zutreffen.

sich

doch immer nur um eine verhältnismäßig

geringfügige Brrfchiedenheit des Risikos handeln, die gegenüber großen und leistungs­ fähigen OrtSkraickenkaffen, wie ste der Entwurf vorsteht, kaum ins Gewicht fällt*

Trotz dieser Ausführungen in der Denkschrift

wird in der

Versicherungsordnung bestimmt, daß für Errichtung einer Betriebs-

krankenkaffe eine Arbeiterzahl von mindestens 500 (bisher 50) nötig

sei.

Von der

Landeszentralbehörde soll die Zahl auf 250 herab­

gesetzt werden können; dies soll auch für bestehende Kaffen gelten.

In der von unS vertretenen Industrie besteht daS unbedingte Verlangen nach uneingeschränktem Fortbestand der Betriebskranken­

kaffen.

Wir schließen unS diesem Verlangen an und richten

an

den Hvhen BundeSrat die dringende Bitte, es in vollem Umfange

zu berücksichtigen. Die im Verlauf der letzten Jahre geführten schweren Kämpfe

haben die Bedeutung erwiesen, die der Regelung des Ver­ hältnisses der Krankenkassen zu den Aerzten

durch

die

meffm wird

halten

Reichsversicherungsordnung

beige-,

Wir erkennen an, daß bat Aerzten durch das Ver­

der unter

sozialdemokratischer

Herrschaft

stehenden

Bor-

102 stände besonders der Ortskrankenkassen Grund zur Unzufriedenheit und zu Klagen gegeben worden ist.

unwürdiger

ES ist ihnen »st genug ein

Abhäigigkeitsverhältnis

zugemutet,

willkürliche

eine

Behandlung zuteil geworden und durch Herabsetzung des Entgelts

ihre Existenz unsicher gestaltet. wordm.

Das

Der Widerstand der Aerzte gegen

zumeist von

eine solche Behandlung ist

auf die Erzwingung

der

der

Industrie

gebilligt

freien Äerztewahl

ge­

richtete Streben besonders der organisierten Aerzte ist jedoch im hohen Maße gemißbilligt wordm.

Unter freier Äerztewahl wird

verstanden, daß jeder approbiert« Arzt zu dm mit der Standes­

vertretung vereinbarkm Norinativbestimmungen zur Behandlung der Kaffmmitglieder zugelaffm werde und daß es diesen freistehen soll,

pch au- der Zahl der Aerzte dm zu wählen, der ihnen am besten paffend und geeignet erscheint. Dieser Art der Regelung des Berhältniffes der Kaffen zu den Aerzten setzen wir entschiedmm Widerstand entgegen. Mr stimmen der Denkschrift unbedingt bei, die von der freim Äerztewahl

stack

eine zu

Lockerung der Beziehungm zwischm Kaffe und Aerzten, eine

Minderung des Interesses der Aerzte an dem Gedeihen der Kaffe, eine Förderung deß SimulantentumS,

eine zu große Steigerung

der KaffenauSgaben und eine Förderung der Abhängigkeit von den

Kaffenmitgliedern befürchtet. Die RetchsversicherungSordnung will überhaupt kein bestimmtes

Arztsystem einführen, sondem sie schreibt vor, daß für jede Kaffe eine Arztordnung festzustellen sei, die nach Wahl der Kaffe mit einzelnen Aerzten, mit allm Aerzten des Bezirks

oder mit

bestimmten Aerzte-Organisationen abgeschloffen werden kann.

Ihre

Erfüllung kann im instanziellen Verfahren erzwungen werdm. Die

Beilegung von Zwistigkeiten erwackt der Entwurf in erster Linie durch aus

freier Vereinbamng

beider Parteien

Einigungskommissionen,

in

amtlichen Schiedsinstanzen,

hervorgegangene

Linie

zweiter

angelehnt an

von Be-

die

schlußauSschüffe und Beschlußkammem der Versicherungs- und Ober Bei

Bersicherungsämter.

tigkeiten soll zunächst der ordentliche Gericht

vermögensrechtlichen SchiedSauSschuß,

dann

Strei­

eventuell

entscheiden, in anderen Streitigkeiten

ist

daS die

Schiedskammer beim Ober-VersicherungSamt zweite und letzte In­ stanz.

Außerdem kann sie als letzte Instanz für alle Fälle

einbart werden.

Mr

die Vereinbarung gegenseitiger

ver­

Bedin­

gungen gilt zunächst der stete Wille der Parteien, eventuell der

Spruch der Schiedskammer.

Mr dm äußersten Fall, d. h. wenn

103 Aerzte gegen den Beschluß der SchtedSkammer die Bihandlung der Mitglieder nicht aufnehmen, soll dm Stoffen gestattet wttden, ihren Mitgliedem, statt ärztliche Hilfe zu gewähren, einm angemeffenen Barbetrag zu zahlen, und so von fich da» Odium der mangelndm Mrsorge ä^fUwälzm. Im Hinblick aus die außerordentlichen Gchwitrigkeitm, die bei einer gesetzlichen Regelung der Aerztefrage zu überwinden sind,

haben wir die in dem Entwürfe gemachtm Vorschläge al» Ane beachtenswerte Grundlage fffc eine weitere gesetzliche Ausgestal­ tung der Bestimmungen zur Regelung des hier inredestehenden Vethältniffes angesehen. Gegen die Vorschläge der ReichSverstcherunßSordnung halten

die BertrauMSmänner des Leipziger Verbandes der Aerzte Deutschland» zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Jirteressen in schärfster Weise Stellung genommen

Die Art der von dem Ver­

bände betriebenen Agitation wird gÄMnzetchnet durch die „E r 1151 u n gf, zu deren Abgabe jeder Arzt aufgefordert wurde. Die Erklärung beginnt mit folgendm Sätzen: „Hierdurch gelle ich die Erklärung üb, daß bin,

bei

der

Ein-

und

Durchführung

der

entschlofsm

ich

ReichSversicherungS-

ordnung meine Mitwirkung zu versagm und, wmn nStig, jede Tätigkeit bei Krankmkaffen einzustelltn, falls die Bestimmungm

über den ärztlichen Dimst bei dm Krankenkassen in der jetzt tor­ liegenden oder in einer gleichbedmtmden Form Gesetzeskraft er-

langm sollten.

Ich richte mich hierbei streng nach dem Urteil deS

deutschen AerztetageS, der zu entscheiden hat, ob daS

Gesetz für den deutschen bar ist oder nicht." ES folgm dann noch

annehm­

Aerztetag

in 6 Gruppen Einzelverpstichtungen

darüber, wie der Arzt gegen die

Durchführung

Krankenversicherung tätig sein soll. Diese- Vorgehen der Organisation

der

der

Aerzte

gesetzlichm

ist

in der

„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" Nr. 132 vom 9. Juni 1909 entschieden und scharf verurteilt wordm in längeren Ausführungen,

die

mit

dem

Satze beginnen:

„Noch

niemals

hat

in

Deutschland eine S t a n d e S o r g a n i s at i o n an ihre Mitglieder ein Ansinnen gestellt, das sich wie dieses gegen die staatliche

Ordnung

richtet." Bor einiger Zeit meldeten angesehme Zeitungm angeblich aus durchaus sicherer Quelle, daß bei der Umarbeitung der Reichs-

104 Versicherungsordnung im Reichsamt des Innern die Aevztefrage auf folgender veränderter Grundlage geregelt werden solle: »Bon den Bertretem der Aerzte und der Kaffen in den ein­ zelnen Regierungsbezirken werden unter Leitung der Regierung Tarifverträge vereinbart. Alle Aerzte deSBezirkes, die sich bereit erklären, zu den Bedingungen deS Tari Vertrages tätig zu sein, sind bei allen Kassen zur Behandlung der Mit­ glieder zugelaffen. Kommt ein Tarifvertrag nicht zustande, so setzt die Regierung einen solchen von Amtswegen fest. Irgendeine Verpflichtung, zu bett Bedingungen dieser Zwangstarifverträge für die Krankenkasse tätig zu sein, wird dem Aerztestande nicht auferlegt. Verweigern die Aerzte ihre Hilfe, so soll den Krankenkaffen das Recht gegeben werden, ihren kranken Mitgliedern anstelle von ärztlicher Be­ handlung einen bestimmten Geldbetrag zu gewähren. Aerzte, die auf Gmnd des Tarifvertrages Kaffenmitglieder behandeln, dürfen wegen dieser Tätigkeit nicht vor daS ärztliche Ehrengericht gestellt werden* Diese Mitteilung rief in den an den Krankenkassen besonders interessierten Kreisen der Arbeitgeber wie der Arbeiter außer­ ordentliche und nach unserer Ansicht voll berechtigte Beunruhigung hervor. Denn während in der veröffentlichten Reichfiversicherungs­ ordnung auf die freie Aerztewahl nicht eingegangen war, soll sie jetzt angeblich zur Grundlage der neuen Regelung der Aerztefrage gemacht werden. Wir glauben davon absehen zu können, die vorhin angedeu­ teten Nachteile des Systems der freien Aerztewahl für das Kran­ kenkaffenwesen hier ausführlicher darzulegen; die mit diesem System verbundenen Uebelstände stnd so oft und so eingehend erörtert worden, daß wir die volle Kenntnis dieser Verhältniffe voraus­ setzen dürfen. Wir glauben unserer Pflicht zu genügen, wenn wir dem Hohen Bundesrat aus unserer besten Kenntnis die Bersichemng abgeben, daß die von uns verttetene, in so vielseitiger und umfassender Weise an dem Krankenkaffenwesen beteiligte Industrie die gesetzliche Einführung der freien Aerztewahl für eine Unter­ grabung des Bestandes der Krankenkassen, zum mindesten für eine Einrichtung erachten, durch welche die Leistungsfähigkeit der Kaffen fett wesentlich und in höchst bedauerlicher Weise herabgedrückt werden würde. Die angebliche Aenderung der früheren Bestimmungen ruft aber auch noch andere sehr ernste Bedenken hervor. Es ist zu ver-

— 105 muten, daß es selbst unter der Leitung der {Regierung auf dem Wege der freien Vereinbarung zu dem Abschluß von Tarifver­ trägen nicht kommen wird. Die so schroff austretende Organisa-tion der Aerzte wird ihre schärfsten Männer zu den Verhand­ lungen entsenden, denen die Vertreter der Kassen, in Wahrung der ihnen anvertrauten Interessen, gezwungen sein werden, ebenso scharf gegenüber zu stehen. Der von Amtswegen festgesetzte Tarif­ vertrag wird daher vorausfichtlich die Regel bilden. Damit würde zunächst auf dem inredestestehenden Gebiete der freie Privatvertrag ausgeschaltet und durch behördliche Festsetzung der Leistung und Gegenleistung im wirtschaftlichen Leben ersetzt werden. Da­ mit würde ein weiterer Schritt in das Gebiet der sozialistischen Tendenzen gemacht werden, die eine Festsetzung aller Preise durch den Staat erstreben. Daß die Neigung nach dieser Richtung auch in maßgebenden Kreisen der Abgeordneten des Reichstages be­ steht, beweist der Beschuß der GewerbeordnungSkommisfion deS letzten Reichstages, der unter gewissen Voraussetzungen die Fest­ setzung der Arbeitslöhne in der Hausindustrie einer behördlichen Lohnkommisston übertragen wollte. Auf denselben Weg begibt sich der angebliche neue Vorschlag in der Reichsverficherungsordnung. Wir möchen im Ramm der von uns vertretenen Industrie nachdrücklichst davor warnen, ihn zn beschreiten. Dem Hohen BundeSrat könnm wir nachdrücklichst die Ver­ sicherung abgeben, daß, wenn in der Tat die durch die Presse verbreiteten neuen Vorschläge in die zur Vorlage im Reichstag bestimmte Reichsverstcherungsordnnng ausgenommen werden, sie von der gesamten Industrie und von unS entschiedm zurückgewiesen und bekämpft werden würden. Schließlich müssen wir noch Bedenken gegen dieForm der Entwurfs erbeben, die in unserer Eingabe vom 26 Mai 1909 noch nicht zum Ausdrucke gelangt find. Die ReichSverficherungs­ ordnung stellt eine Kodifikation der bestehenden Arbeiterverficherungsgesetze unter Einfügung der neuen Hinterbliebenen­ versicherung dar. Diese Behandlung der Materie bedingt erstens einen sehr großen Umfang des Werkes (1793 Paragraphen), zweitens daß man, um auch nur über eine VerficherungSart pch zu infor­ mieren, verschiedene Teile des Buche« aufschlagen mutz, so daß man über eine einzelne Frage eines einzelnm BerficherungSzweiges ost erst durch Heranziehung der verschiedensten «Stetten

106 "bis Buches Auskunft erhält.

Eine besondere Erschwerung in der

Handhabung des Gesetzes liegt ferner in der durch seine Anordttttftg bedingten häufigen Bezugnahme auf andere Paragraphen.

Diese Anordnung mag Vorteile für Behördm haben; für den

Laien, wie für die ehrenamtlichen Organe der Versicherungsfrage ist die Orientierung von vornherein ungemein erschwert.

Ganz

besonders wird es aber dm Arbeitern, die sich zum sehr

großen

Teile mtt den bestehenden einzelnen Gesetzen vertraut gemacht haben, schwer, mit nicht unmöglich sein, sich in den kodifizierim

Gesetzen zurecht zu finden.

DaS wird ungemein zu bedauern seln.

Mr möchten unS gestatten, mit der dringenden Bitte, unseren vorgetragmen Bedenken geneigte Berücksichtigung zuteil werdm zu laffm, dem Hoben Bundesrat zur Erwägung zu gebm, ob mcht die Zerlegung der Vorlage wieder in die einzelnen Gesetze der be­

liebten Kodifizierung im allgemeinen Interesse vorzuziehen sei. Wir gebm von vomherein zu,

daß

eine

Berück­

geneigte

sichtigung unserer hier dargestellten Bedenken, insbesondere des hier

zuletzt erwähntm Punktes, die Fertigstellung der Vorlage um lange Zeit verzögem würde.

Mr glauben jedoch, die Ansicht vertreten

zu können, daß bei einem Gesetze von so außerordentlicher

Be­

deutung für die wirtschastlichm und sozialen Verhältniffe der Na­ tion, bei einem Gesetze, daS für unabsehbare Zeiten gemacht wer­ den soll, eS auf ein Jahr oder selbst auf mehrere Jahre, die auf eine vollbefriedigte Ausgestaltung verwendet kommen kann.

werdm,

Dies zumal nicht, da die auf diesen

nicht

an­

Gebietm be­

stehenden Zustände eine Amderung keineswegs dringend erfordem.

Wir gestattm unS, dem Hohen Bundesrat hier beigehend ein Exemplar Nr.

unserer Eingabe

115 unserer

vom 26. Mai 1909

„Verhandlungen,

Mitteilungen

und daS und

Heft

Berichte"

mit den Aeußerungen des Herrn Direktor MeeSmann zur ReichSverstcherungSordnung zu überreichen.

Mit vollkommenster Hochachtung und Ehrerbietung

Centraluerband Deutscher Industrieller. Das Direktorium. Der Vorsitzende:

Das geschäftsführende Mitglied:

llStger,

H. R. Buedt.

Landrat a. D.

107

Die Kommission zur Sammlung, Verwaltung and Verwendung des industriellen Wahlfonds. Berlin, den 14. Januar 1910.

An die unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder des Centraioerbandes Deutscher Industrieller.*)

Der Ausschuß VeS Centralverbandes hat in seiner sehr zahl­

reich besuchten Sitzung am 15. Oktober 1909 einstimmig beschlossen, einen industriellen Wahlfonds auhubringen. Der sieben Absätze ent­

haltende Beschluß — hier abgedruckt

als Anhang A — gibt eine

kurze Auskunft über die bei der Beschlußfassung leitend gewesenen

Gesichtspunkte; die stenographisch aufgenommenen Verhandlungen befinden sich in dem Hefte 116 der „Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte" des Centralverbandes.

Eine kurze Begründung

des Beschlusses lassen wir hier als Anhang B folgen. Der Ausschuß des Centralverbandes hat mit der Sammlung, Verwaltung und Verwendung des Wahlfonds eine mit dem Rechte

der Zuwahl ausgestattete Kommission von 15 Mitgliedern betraut, die ihres Amtes hinfort durchaus selbständig und vollkommen unabhängig

vom Centralverbande walten soll.

Die Mit­

glieder der Kommission und die zu deren Wahl berechtig­ ten Vereine sind in Anhang C aufgeführt. Es wird ausdrück­

lich

bemerkt,

daß

bei der Auswahl der Vereine

weder Größe,

Bedeutung noch Mitgliederzahl, sondern nur die Absicht maßgebend gewesen ist, eine Vertretung aller Bezirke des Reiches, insbesondere

der Jndustriebezirke, in der Kommission herbeizuführen. *) 8 3 der Satzungen des Centralverbandes: Abs. 1. Dem Centralverbande Deutscher Industrieller können als unmittel­ bare Mitglieder beitreten Vereine, die wirtschaftliche, technische und kauf­ männische Zwecke verfolgen, Handels- und Gewerbekammern und ähnliche Ver­ bindungen, Berufsgenossenschaften, Erwerbsgesellschaften, Firmen und einzelne Personen (Industrielle und Freunde der Industrie). Abs. 6. Sämtliche Mitglieder der dem Centralverbande angehörenden Vereine, Verbände rc., soweit sie nicht für sich dem Centralverbande als unmittel­ bare Mitglieder beigetreten, sind mittelbare Mitglieder deS Centralverbandes.

108

Die Kommission hat sich am 13. d. M. konstituiert, ihre Satzungen festgestellt, die, bis die Kommission ihre eigene Geschäfts­ stelle errichtet haben wird, von der Geschäftsführung des Central­ verbandes Berlin W. 35 am Karlsbad 4 a bezogen werden können, den Unterzeichneten zum Vorsitzenden, und die Herren Th. W. Schmid, Direktor der Voigtländischen Spinnerei Hof in Bayern und G. Hertle, Direktor der Leipziger Baumwollspinnerei Leipzig-Lind mau zum ersten und zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt. Die drei Vorsitzenden mit den gleichzeitig gewählten Herren Geh. Bergrat Hilger-Berlin, Gmeraldirektor der Königs- und Laurahütte und Th. Müller, Direktor der Firma Gebr. Stumm in Neunkirchm bildm den Vorstand der Kommission.

An alle unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder des Centralverbandes richten wir nunmehr die Aufforde­ rung, von der in ihren Betrieben im Jahre 1909 veraus­ gabten Lohnsumme V2 (einhalb) vom Tausend an den industriellen Wahlfonds abzuführen und sich zu ver­ pflichten, den gleichen Satz vom Tausend im Jahre 1911 von der im Jahre 1910, und im Jahre 1912 von der im Jahre 1911 verausgabten Lohnsumme als weitere Beiträge zu dem Wahlfonds zu leisten. Die Zahlung ist zu leisten unter der Bezeichnung „Für den industriellen Wahlfonds" an die Direktion der Diskonto-Gesell­ schaft Berlin Unter den Linden 35. Bei ähnlichen Veranlassungen sind bisher die Mitglieder ge­ wöhnlich ohne Bezeichnung der Höhe der Leistung aufgefordert worden, einen beliebigen Beitrag zu geben. Dabei ist die Erfahrung gemacht worden, daß sich meistens dieselben opferwilligen Männer, bezw. Werke bereit finden, die Last auf sich zu nehmen, während die übergroße Mehrheit der Mitglieder dieses ruhig mit zuge­ knöpften Taschen geschehen läßt. Dieser verhältnismäßig kleine Kreis der Opferwilligen darf in dem vorliegenden Falle nicht wieder allein in An­ spruch genommen werden. Denn erstens würde cs gar nicht möglich sein, einen Wahlfonds in entsprechender Höhe auf diesem Wege aufzubringen; zweitens wird der Beitrag verhältnismäßig gering bemessen werden können — wie es in unserer Aufforderung

109 auch geschehen ist —, wenn angenommen wird, daß alle, oder doch mindestens die übergroße Mehrheit der Mitglieder, den Beitrag zum Wahlfonds leisten werden. Wir vertrauen auf die Einsicht und den weiten Blick der Mitglieder des Centraluerbandes, der sie die große Bedeutung

dieser Sa die erkennen lassen wird.

€s kandelt fldt hier uw die

frage, ob die Geschicke der deutschen Industrien noch länger den

wegen

mangelnder Sachkenntnis überwuchernden Anschauungen

und Beschlüssen von Theoretikern, Sozialisten, weltfremden Volks­ wirten und Parteipolltikern preisgegeben fein sollen, oder ob, anstatt des Jammerns und Klagens über den bestehenden Zustand,

ernst und tatkräftig der Versuch gemacht werden soll, Wandel

zu schaffen. Mägen sich die Mitglieder darüber klar sein, daß der Beitrag weder mit den Interessen der Kommission, noch mit denen des Centratoerbandes irgend etwas zu tun hat, sondern

daß der Beitrag lediglich und ganz allein in ihrem eigenen Interesse und zu ihrem eigenen Wohle von ihnen verlangt

wird; denn es handelt fleh um den letzten Versuch, die erwähnten beklagenswerten Zustände im Interesse der Industrie zu ändern.

ES ist unS bekannt, daß hinsichtlich der Bildung des industriellen Wahlfonds Bedenken im Hinblick auf die ähnlichm Be­ strebungen des Hansa - Bundes erhoben worden find. Diese Bedenken sind kurz in der Begründung Anhang B, eingehend in dem in der AuSschußfitzung des Centralverbandes am 16. Oktober v. I. erstatteten Referat widerlegt worden. Wir bringen die betreffende Stelle des Referats hier als Anhang D zum Abdruck. Sollte diese Aufforderung den Mitgliedern von verschiedenen Seiten zugehen, so bitten wir dies als eine Folge ihrer Mit­ gliedschaft bei verschiedenen, dem Centralverbande angeschloffenen Verbänden, Vereinen rc. anzusehen.

Die Kommission zur Sammlung, Verwaltung und Verwendung des industriellen IVablfonds. Der Vorsitzende:

Metzer, ■Rechtsanwalt, Syndikus der nieder Hütte und Vorfitjender des Vereins Deutscher €ifen- und StahlinduHrieller.

-

110

-

Anhan« A, Die BilfliM tiie$ iidiftritllti OlaMfoiOs. Der Ausschuß des Centralverbandes Deutscher Industrieller beschließt: 1. Die seit Jahrzehnten in der Gesetzgebung zum Ausdruck ge­ langte ungenügende Berücksichtigung der Industrie und Miß­ achtung ihrer berechtigten Interessen hat die weitesten Kreise der Unternehmer und Arbeitgeber mit schwerer Sorge und zunehmender Erbitterung erfüllt Eine Änderung zum Besseren ist nur zu hoffen von einer wirkungsvolleren Vertretung der Industrie in den gesetzgebenden Körperschaften, inbesondere im Reichstage. 2. Um die Wahl solcher Abgeordneten für den Reichstag und im gegebenen Falle auch für die Landtage der einzelnen Staaten zu unterstützen und zu fördern, von denen die Verttetung der Interessen der Industrie im Sinne der Stellung­ nahme des Centtalverbandes und der ihm angeschloffenen wirtschaftlichen und industtiellen Körperschaften sicher zu er­ warten ist, soll ein diesen Zwecken dienender Fonds gebildet werden. Unter den vorstehenden Voraussetzungen soll die Unterstützung aus diesem Fonds den Wahlkandidaten aller bürgerlichen Parteien zuteil werden. 3. Der Wahlfonds soll von einer Kommission zusammen mit der von ihr zu errichtenden und unter ihrer Leitung stehenden Geschäftsstelle, vollkommen unabhängig vom Centtalverbande Deutscher Industrieller, gesammelt, verwaltet und verwendet werden. Die Kommission beschließt ebenso selbständig über chre Verfassung. 4. Die Kommission wird zusammengesetzt aus 15 Mitgliedern ry»d ist berechtigt, zu ihrer Ergänzung weitere Mitglieder zuzuwählen. Der Beittag zu dem Wahlfoyds soll nach den Besttmmungen der Kommission in einem Prozentsatz von der jährlich gezahlten Lohnsumme bestehen und in vorher besttmmten Zeitabschnitten von den unmittelbaren und mittel­ baren Mitgliedern des Centtalverbandes erhoben werden. Die Untemehmer sollen diesen Beittag als eine freiwillig über­ nommene, für längere Zeit zu zahlende Steuer anfehen. 5. Die Kommission soll gehalten sein, jährlich in angemessener Weise über die Sammlung, Verwaltung und Verwendung des industriellen Wahlfonds zu berichten und diesen Bericht in

111 geeigneter Form allen zugänglich zu machen, die Beitrage zm dem Fonds leisten. 6. Der Ausschuß des Centrawerbandes beauftragt das Direk­ torium, die Ausführung dieser Beschlüsse in die Wege zu leiten. Er erwartet, daß alle zur Mitwirkung berufenen Faktoren ihr Möglichstes tun werden, um die Kommission sobald als irgendtunlich zu bilden und in Tätigkeit zu fetzen. 7. Der Ausschuß erwartet ganz besonders, daß alle Mitglieder des Centralverbandes die immer schwieriger werdende Lage der Industrie erkennen und zu deren Abhilfe die Steuer für den Wahlfonds auf sich nehmen werden, um weiteren, viel schwereren Schädigungen und Belastungen durch die Gesetz­ gebung vorzubeugen.

Znß«»- B.

Btgriiang. Die Gesetzgebung im Reiche hat seit geraumer Zeit eine den Interessen der Industrie und des Gewerbes höchst abträgige Richtung" eingeschlagen. Die Vergeblichkeit aller, selbst der dringendsten Bitten^ Mahnungen und Proteste hat die Mißstimmung in industriellem Kreisen über die ihnen zugefügten Schädigungen und über die an­ gekündigte Absicht, in wesentlichen Beziehungen die Gesetzgebung in gleicher Richtung fortzufuhren, bis zu starker Erbitterung gesteigert. Wenn auch die Sozialdemokaten sich offen zur äußerstenFeindseligkeit gegen das Arbeitgeber« und Unternehmertum bekennen, und wenn auch einzelne fortgeschrittene Sozialisten in den bürger­ lichen Parteien denselben Standpunkt einzunehmen scheinen, so darf doch nicht angenommen werden, daß die bei jener Gesetzgebung, ausschlaggebende Mehrheit der Abgeordneten sich von Feindseligkeit gegen Industrie und Gewerbe hat leiten lassen. Jene die Jntereffen der Industrie so schwer verletzenden Gesetzt sind zustande gekommen, weil im Reichstag Männer fast gänzlich fehlen, die mit den tatsächlichen Verhältniffen in den Industrien^ mit deren Jntereffen und Lebensbedingungen vertraut find, dieandererseits auch deren Bedeutung für den Staat, die Bevölkerung und das Mrtschaftsleben bis in die Einzelheiten genau kennen unbdie es verstehen, dieser Kenntnis Geltung zu verschaffen. Wir sini» überzeugt, daß bei richtiger Darstellung der tatsächlichen Verhältniße:

112 die große Mehrzahl der Abgeordneten sich von dem Banne der volkswirtschaftlichen, sozialistischen und sonstigen theoretischen An­ schauungen und der parteipolitischen Rücksichten befreien werde, unter dessen Einwirkung sie jenen Gesetzen zugestimmt haben. Reichlich ist über den Mangel sachkundiger Männer in unseren Parlamenten geklagt, auch die Ursache dieses Mangels wohl erkannt worden. Die Industrie hat keine Wähler. In den überwiegend industriellen Wahlkreisen sind ihr die Wähler durch die Arbeiter-organisationen, vornehmlich durch die der Sozialdemokratie, entzogen worden; in den anderen Wahlkreisen hat das Überwiegen der wahl­ taktischen und parteipolitischen Interessen der Vertretung industrieller Bedürfnisie keinen Raum gewährt. Hier muß eingegriffen werden, um eine Wendung zum Befferen herbeizuführen. Es muß die Mög­ lichkeit gegeben werden, im gegebenen Falle eine Verständigung zugunsten der Jntereffen der Industrie herbeizuführen. Das kann über nur geschehen, wenn die Industrie der anderen Seite auch etwas zu bieten hat. Solange politische Wahlen bestehen, ist es immer die vornehmste Aufgabe der Parteien und ihrer hervorragendsten Führer gewesen, so viel Geld als möglich zur Verwendung bei den Wahlen zusammen­ zubringen. Daraus ist zu ersehen erstens, daß mit Geld auf den Ausfall der Wahlen im Interesse derer, die es hergeben, eingewirkt werden kann und zweitens, daß die Sammlung und Verwendung von Geld zu Wahlzwecken als vollkommen legal angesehen tvird; das natürlich nur, wenn die Verwendung eine durchaus loyale ist. Erfahrungsgemäß ist bei den Wahlen sehr viel durch eine zweckmäßig geleitete, großzügige, umsaffende, an sich durchans erlaubte Agitation zu machen, die jedoch meistens sehr große Summen er­ fordert. Können diese von der Industrie zur Verftlgung gestellt werden, so ist es keineswegs ausgeschlossen, daß die Parteien bezw. die Wahlkandidaten mit ihr paktieren, um sich die Unterstützung der Industrie durch die Berücksichtigung ihrer Jntereffen zu sichern. Das kann wohl geschehen, ohne daß die Kandidaten ihre grundlegenden Überzeugungen aufgeben, ihre Ansichten wechseln oder sich gar in ein unwürdiges Abhängigkeitsverhältnis von der Industrie begeben; es werden daher auch nur solche Fälle ins Auge zu soffen sein, in denen derartige Berhältniffe von vornherein ausgeschloffen sind. Es kann auch nicht die Rede davon sein, in absehbarer Zeit auf dem hier bezeichneten Wege eine die Jntereffen der Industrie würdigende und verftetende sichere Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften zu erlangen. Sehr viel wird aber gewonnen sein,

113 wenn es gelänge, zunächst auch nur die Wahl einer kleineren Anzahl

von Männern durchzusetzen, die es verstehen, sachkundig die gewerb­ lichen Verhältnisse darzulegen und für deren Jntrreffen einzutreten.

Es ist auch eingewendet worden, daß die Einwirkung in allen Wahlkreisen Unerschwingliches an Arbeit und Geld erfordern würde.

So

soll aber auch nicht vorgegangen

Mehrzahl

auf

der

Wahlkreise

diese Arbeit und Geld

verwenden würde töricht sein.

zu

sollen nur solche Wahlkreise mit zweifelhaften, heiten, in

Die überwiegende

werden.

befindet fich sozusagen in festen Händen;

Ts

schwankenden Mehr­

verschiedene Parteien um den Sieg kämpfen, der

denen

der einen oder der anderen Partei durch das Eintreten der Industrie

erleichtert oder gesichert werden

könnte,

ins Auge

gefaßt werden.

Solche Wahlkreise aufzufinden, in diesen mit Hilfe besonderer Kom­ missionen oder Vertrauensmänner tatkräftig und energisch zu wirken,

das wird die Hauptaufgabe des Geschäftsführers der für den Wahl­ fonds eingesetzten Kommission sein. Endlich

ist eingewendet

worden,

die Bildung

daß

des

in­

dustriellen Wahlfonds die ähnlichen Bestrebungen des Hansabundes

stören könnte, man hat sogar gesagt, daß der Beschluß des Ausschusses des Centralverhandes direkt gegen den Hansabund gerichtet gewesen sei.

Beides ist durchaus unrichtig und haltlos. Der Centralverband ist bei seinen Mitgliedern mit Entschieden­

heit

für den Hanfabund eingetreten; er hat feine Stellung zu ihm

in keiner Weise geändert.

konnte

Hinfichtlich der Einwirkung auf die Wahlen

der Centralverband

jedoch

die besonderen,

maßgebenden Berhältniffe nicht unbeachtet laffen.

im Hansabunde

Es ist eine offen­

kundige, in der Presse mehrfach erörterte Tatsache, daß im Hansa­

bunde

große Gruppen mit nicht nur verschiedenen,

entgegengesetzten

politischen,

vertreten

Wollte

sind.

wirtschaftlichen

und

sondern sogar

sozialen Ansichten

der Hansabund alle diesen Gruppen nahe­

stehenden Kandidaten unterstützen, weil sie die allgemeinen Ziele des Hansabundes anerkennen, so wurde mit den Mitteln, zu denen auch

die Industrie wesentlich beigesteuert hat, die Wahl von Abgeordneten gefördert

werden,

die

von

Gegner angesehen werden.

der Industrie

als

ihre

entschiedenen

Ein ähnlicher Vorgang hat sich bei den

Wahlen des Jahres 1907 vollzogen und muß für die Zukunst ver­

mieden werden. Aus diesem Grunde erachtet der Centralverband, abgesehen von besonderen und daher besonders zu behandelnden Fällen, eine all­ gemeine Einwirkung auf die Wahlen seitens deS Hansabundes für

unzulässig.

Der Centralverband ist der Überzeugung, daß der Hansa-

8

114

bund im eigenen Interesse handeln würde, wenn er die allgemeine Einwirkung auf die Wahlen den in ihm vereinigten großen Jnteressentengruppen überließe. In jedem Falle kann der Centralverband, der eine der größten dieser Gruppen umfaßt, das, was zur Wahrung der von ihm vertretenen Interessen bei den Wahlen zu geschehen hat, nicht anderen mit zum Teil entgegengesetzten Überzeugungen und An­ sichten überlassen, er muß vielmehr bestrebt sein, selbst die Wahrung auszuüben. Diese Auffassung, keineswegs irgend ein Gegensatz zuni Hansabunde, ist für den Ausschuß des Centralverbandes bei seinem Beschluß, einen industriellen Wahlfonds zu bilden, maßgebend gewesen. Als Maßstab für den Beitrag zum Wahlfonds könnte man die Zahl der durchschnittlich in einem Jahre -beschäftigten Arbeiter an­ nehmen. Dieser Modus würde jedoch Betriebe, in denen niedriger gelohnte Arbeitskräfte — weibliche und jugendliche — in größere»! Umfange beschäftigt werden, zu schwer und daher ungerecht belasten. Der Ausschuß hat daher geglaubt, in der Jahreslohnsumme einen allen Verhältnissen gleichmäßig Rechnung tragenden Maßstab auf­ stellen zu sollen.

C. ZiijMmeflettng der Kowwiffio*. Die körperschaftlichen Mitglieder des Centralverbandes, die in der Sitzung des Ausschusses vom 15. Oktober 1909 zur Benennung von Mitgliedem für die Kommission zur Bildung des industriellen Wahlfonds gewählt worden sind und die von ihnen gewählten Mitglieder: 1. Der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen in Düsseldorf: vorläufig Herr Generalsekretär Dr. BeumerDüsseldorf.

2. Der Verein für die bergbaulichen Interessen int Ober­ bergamtsbezirk Dortmund in Essen-Ruhr: Herr Geh. Kommerzienrat Funke-Essen-Ruhr. 3. Der Verein der Industriellen des Regierungsbezirks Köln in Köln: Herr Geh. Kommerzienrat Jul. Vorster-Köln. 4. Der mittelrheinische Fabrikantenverein in Mainz: Die Wahl steht noch aus.

115 5. Der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarindustrie in Saarbrücken: Herr Hüttendirektor Theodor Müller-Neun­ kirchen, Bez. Trier, 6. Das Elsaß-Lothringische industrielle Synditat in Mühl­ hausen i/Elsaß: Die Wahl steht noch aus. 7. Der Verein süddeutscher Baumwollindustrieller in Augsburg: Herr Direktor Theodor Wilhelm SchmidHof i/B. 8. Der Bayerische Jndustriellenverband in München: vorläufig Herr Syndikus Dr. Kuhlo-München. 9. Der Verband von Zlrbeitgebern der sächsischen Textil­ industrie in Chemnitz: Herr Spinnereidirektor Gustav Hertle-LeipzigLindenau. 10. Der Oberschlesische Berg- und Hüttenmännische Verein in Kattowitz: Herr Geh. Bergrat Hilger-Berlin. 11. Der Verband schlesischer Textilindustrieller in BreSlau: Herr Kommerzienrat Meißqer-Görlitz. 12. Der Verband ostdeutscher Industrieller in Danzig.: Herr Geh. Baurat Schrey-Danzig. 13. Der Verein deutscher Papierfabrikanten in Berlin: Herr Fabrikbesitzer Richard Brückner-Calbe a/S. 14. Der Verband deutscher Tonindustrieller in Berlin: Herr Kommissions- und Baurat Max EhrhardtApolda. 15. Die Norddeutsche Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller in Berlin: Herr Rechtsanwalt Meyer-Hannover, Syndi­ kus der Jlseder Hütte, Vorsitzender des Ver­ eins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller.

0. Uerhiltwis xie RaifaHeil Der Referent zu der die Bildung eines industriellen Wahlfonds betreffenden Frage in der Sitzung deS AuSschuffes des Central­ verbandes am 15. Oktober 1909, Generalsekretär Bueck, sagte über 8*

116

das Verhältnis zum Hansabunde folgendes — Heft 116 der „Ver­ handlungen, Mitteilungen und Berichte" des Centralverbandes S. 32—34: „Meine Herren, es wird hier eingewandt werden, wie es auch schon in der Presse geschehen ist, dah diese Aktion — die Begründung des industriellen Wahlfonds — gegen den Hansa­ bund gerichtet ist. Das „Tageblatt" hat geschrieben, datz wir damit dem Hansabund einen Knüppel zwischen die Beine werfen wollen. Indes, meine Herren, der Umstand allein, daß das Direktorium schon vor einem Jahr in Heidelberg diesen Beschluß gefaßt hat, als vom Hansabund noch keine Rede war, müßte genügen, uni diesen Vorwurf ganz entschieden zurückzuweisen. Aber meine Herren, auch die ganze Situation ist nicht dazu angetan. Sie haben von dem Herrn Vorsitzenden gehört — und ich kann das bestätigen —, daß die leitenden Personen im Centralverbande nicht in Aufregung über höchst unbefriedi­ gende politische Zustände, sondern als Ergebnis nüchterner, kühler, ruhiger Erwägungen den Anschluß an den Hansabund beschloffen haben. Meine Herren, wir haben unsere Mitglieder wiederholt aufgefordert, ihm sich anzuschlietzen, und die Gründe für diese Sitte und ihre Wiederholung sind von dem Herrn Vorsitzenden heute ja ausführlich unter Ihrem allgemeinen Beifall dargelegt worden.

Aber, meine Herren, auf der anderen Seite konnte die bis jetzt allein, wenn auch mit außerordentlicher Energie und Kraft auf die Organisation gerichtete Tätigkeit des Hansabundes Ihr Direktorium nicht veranlassen, von der Ausführung seines in Heidelberg gefaßten Beschlusses abzusehen. Dazu kommt, meine Herren, daß wir im Centralverbande zu der Überzeugung gelangt sind, der Hansabund sei, abgesehen von besonderen und daher auch besonders zu behandelnden Fällen, nicht die ge­ eignete Stelle, um im allgemeinen auf die Wahlen durch Verwendung eines Wahlfonds einzuwirken. Meine Herren, wollte er das tun, so würde er zwei Wege beschreiten können. Ich will etwas anderes vorausschicken. Es ist eine offen­ kundige und in der Presse vielfach besprochene Tatsache, die auch heute von -em Herrn Vorsitzenden erwähnt worden ist, daß in dem Hansabund Gruppen mit verschiedenen, sogar mit direkt entgegengesetzten Interessen vertreten sind. Meine Herren, daS ist eine Tatsache- die nicht zu bestreiten ist, und wenn be-

117 züglich dieser Tatsache der Hansabund vielleicht den einen Weg einschlagen könnte, die Kandidaten aller in sich vereinigten

Gruppen bei der Wahl zu unterstützen, dann würde er dazu kommen, Gelder gegen die Interessen derer zu verwenden, die sie hergegeben haben.

Wahlen ergangen.

So ist es der Industrie bei den letzten

Ich habe schon angedeutet,

daß die In­

dustrie damals große Fonds für den Wahlzweck zur Verfügung

gestellt hat.

Sie wurden verwendet von einem Komitee

in

Berlin derart, daß alle bürgerlichen Parteien ihren Anteil erhielten, der schematisch bemeffen wurde nach der Zahl chrer Vertreter im Reichstag.

Also, meine Herren, von dem Gelde,

das die Industrie gesammelt hatte, sind bei der Wahl Kandidaten

unterstützt worden, die die Industrie als ihre entschiedensten Gegner in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung betrachten mußte.

Meine Herren, solche Vorgänge dürfen sich nicht wieder­ holen, und die Gefahr der Wiederholung würde vorliegen, wenn

der Hqnsabund den ersten von mir bezeichnetm

beschritte.

Er kann aber auch den anderen Weg wählen. Er kann nur die Kandidaten einzelner Gruppen unterstützen, und, meine Herren, das werde» dann immer diejenigen Gruppen sein, die sich den größten Einfluß im Hansabund zu verschaffen wußten. (Sehr

richtig!)

Möge das sein, wie es wolle — die anderen aber

werden unzufrieden fein und sich dann vom Hansabunde trennen. Damit würde der Verfall dieses Bundes gegeben sein. Daher sind wir der Ueberzeugung, meine Herren, daß der Hansabund

im eigenen Interesse handeln würde, wenn er die allgemeine Einwirkung auf die Wahlen — immer abgesehen von beson­ deren und daher besonders zu behandelnden Fallen, was ich

namentlich betone — nicht selbst in die Hand nimmt, sondern sie den großen Jnteressentengruppen, die in ihm vereinigt sind, überläßt.

Eine solche und wohl die größte Jntereffentengruppe

ist die Industrie.

Ihr Direktorium hatte die unbedingte Ver­

pflichtung, dafür zu sorgen, daß die Industrie bei den Wahlen selbständig ihre Interessen vertrete. Ich hoffe, daß Sie die von

mir hierfür dargelegten Argumente würdigen und anerkennen werde«,

daß das Vorgehen des Direktoriums durchaus nicht

gegen den Hansabund gerichtet ist."

118

Berlin, den 14. ,Februar l'.NO. fln die körperschaftlichen Mitglieder des Centraloerbandes Deutscher Industrieller.

Unter Bezugnahme auf das namens des Centralverbandes Deutscher Industrieller von Herrn Generalsekretär Bneck unterm 14. Januar d. I. versandte Rundschreiben beehren wir uns, Ihnen ergebenst mitzuteilen, daß mit dem heutigen Tage die vor­ gesehene besondere Geschäftsstelle unserer Kommission in Tätigkeit getreten und der mitunterzeichenete I. Flathmann, der sich bereits viel mit Wahlangelegenheiten beschäftigt hat, in der gestrigen Sitzung der Kommission mit der Leitung der Geschäftsstelle betraut worden ist. Gleichzeitig gestatten wir uns darauf hinzuweiseu, daß der Vorschlag zur Bildung eines industriellen Wahlfonds erfteulicherweise auf fruchtbaren Boden gefallen ist, wie die fortgesetzt aus allen Teilen des Reiches eingehenden Zustimmungserklärungen und Beitragszahlungen beweisen. Es darf daher schon heute als feststehend erachtet werden, daß unser Zweck — die Sammlung eines Wahlfonds in ausreichender Höhe — erreicht werden wird. Wir machen indessen darauf aufmerksam, daß unter denjenigen körperschaftlichen Mitglieder, welche das erbetene Verzeichnis ihrer Mitglieder noch nicht eingesandt bezw. die Zahl der für ihre Mit­ glieder erforderlichen Exemplare der Aufforderung nicht angegeben haben, auch Sie sich befinden, und erlauben uns im Interesse der Sache dringend zu bitten, nnnmehr doch schleunigst das Verzeichnis einsenden zu wollen, damit wir in der Lage sind, den Mitgliedern Ihrer Vereinigung von hier aus derart die Auf­ forderung zur Zahlung eines Beitrages für den industriellen Wahl­ fonds zu übermitteln. Sollten Sie jedoch vorziehen, diese Zusendung Ihrerseits zu besorgen, so wollen Sie uns gütigst angeben, wie viele Exemplare Sie nötig haben. Ihrer freundlichst umgehenden Benachrichtigung entgegen­ setzend, zeichnen wir mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst

Kommission zur Sammlung, Verwaltung und Verwendung des industriellen IVablfonds. Rechtsanwalt Mtthek« Meyer,

). Aka1h»L«n,

Borsitzender.

Geschäftsführer.

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rtadifrag zu dem Vertrage zwischen dem Centraluerband Deutfdier Industrieller in Berlin und der Kölnischen Unfall-Verficherungs-Rhtien-Gefellfchaft in Köln, vom 17 /20. februar 1906.

§ !• Nachdem die Kölnische Unfall-Versicherungs-Aktien-Gesellschaft aus dem Verbände der Versicherungs-Gesellschaften für Unfall- und Haftpflichtversicherungen am 1. Oktober v. I. ausgeschieden ist, wird

der auf dem Prämientarife dieses Verbandes beruhende § 1

des

Hauptvertrages aufgehoben und durch die nachstehenden Bestimmungen

ersetzt. Dieselben gelten für alle nach Unterzeichnung dieses Nach­ trages zum Abschluß gelangenden Versicherungen sowohl von Mit­ gliedern des Centralverbandes Deutscher Industrieller, als auch von Mitgliedern

aller

Verbände

diesem

angehörigen

Korporationen,

Handelskammern, Bereinigungen usw. § 2.

I. Prämiensätze für die Haftpflichtversicherungen. Die Jahresprämie wird nach der Höhe der vom Versicherungsnehmer in

seinem Betriebe an sämtliche Angestellte und Arbeiter- gezahlten Jahresgehälter und Jahres löhne berechnet und beträgt bei einem Gesamtbetrag der Jahresgehälter und Jahreslöhne bis zrr JC 100 000

für Betriebe der

! ' von M 100 000 bis

über

300 000

300 000

1 1

Bekleidungsindustrie - B. G. eijd. Konfektionsgeschäfte und Waren­ häuser .............................................

JC 0,40 /oo i rnind. 10,—

B. G. der (5 Hern Industrie (excl. Patronen-, Pulver-, Petarden-, Feuerwerksfabriken, Kunstfeuerwerkereien, Schießbaumwolle-, Nitroglycerin-, Dynamit-, und Jnndhütchenfabriken und ver­ wandte Betriebe)......................

JC 0,50 0/00 Jt 0,70° oo M 0,60 °/oo , mind. JC 15,— . mind. M 70,— i mind. JC 180, —

1 JC 0,30 °/qq M 0,35 0 «, mind. M 40,— mind. JC 105,—

i

B. G. der Feinmechanik ercl. Elek­ trizitätswerke ..................................

M 0,40 ®/oo M 0,50 o oo . mind. 10,— mind. M 50,—

B. G. der Molkerei-, und Stärkerndnsrrie

Brennerei....

JC 0,70 o/oo rnind. JC 15,—

M 0,60 »/oo mind. 70,—

JC 0,50 o/oo mind. JC 180,—

B. G. der Musikinstrnmentenindustrie.............................................

JC 0,50 o/oo rnind. JC 10,—

M 0,40 »/oo mind. M 50,—

JC 0,35 o/oo mind. 120,—

Brauereien - B. G. and) Brauereiund Müllerei-B. G.......................

JC 0,80 o/oo mind. JC 15,—

M 0,70 ÖZ,, mind. M 80,—

JC 0,60 o/oo mind. JC 210,—

JC 0,35 0/00 mind. JC 120,—

120

bis zu Jt 100000

von