Vergleichende Germanische Philologie und Skandinavistik: Festschrift für Otmar Werner [Reprint 2015 ed.] 9783110931259, 9783484730311

The volume contains 19 articles corresponding in their spectrum to the broad academic interests of Otmar Werner. They de

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German Pages 318 [316] Year 1997

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Table of contents :
Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner
Kausativierung und Dekausativierung: Zu Fragen der verbparadigmatischen Markierung in der Germania
miß- als Wortbildungsbestandteil
Indirekte Objekte im Deutschen und im Norwegischen
Sprachgeschichte und Kulturgeographie in Skandinavien
Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?
Variation and Reduction in Modern Faroese Vowels
Die Länge einfacher deutscher Aussagesätze im typologischen Vergleich
Ein mitteldeutsches Tempusparadigma in textökonomischer Sicht
Der definite positive Bescheid
Antitheta, Oxymora: Semantische Figuren in altnordischer Poetik und Poesie
"Entspricht den neuen amtlichen Richtlinien..." - Zur Umsetzung der Orthografiereform in den Rechtschreib-Wörterbüchern von Bertelsmann und Duden (1996)
Schriftinduzierter Lautwandel: Synchrone und diachrone Auswirkungen im Deutschen
Reglementierte Kreativität bei der Schaffung neuer Familiennamen - Die Prinzipien von Namenwahl und Namenwandel in Schweden
Germanische Runen und venetische Phonetik
Sprachökonomie und Wortschöpfung
Xavier Marmier, et ukendt faerøsk visehåndskrift og visen Altgast
Außersprachliche Determinanten im phonologischen System der deutschen Hochlautung
Dialogic Competence and Consciousness
Natürlicher grammatischer Wandel, 'unsichtbare Hand' und Sprachökonomie - Wollen wir wirklich so Grundverschiedenes?
Korrespondenzanschriften der Beiträger
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Vergleichende Germanische Philologie und Skandinavistik: Festschrift für Otmar Werner [Reprint 2015 ed.]
 9783110931259, 9783484730311

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Vergleichende germanische Philologie und Skandinavistik

» 9.9.1932

t i m Juli 1997

Vergleichende germanische Philologie und Skandinavistik Festschrift für Otmar Werner

Herausgegeben von Thomas Birkmann, Heinz Klingenberg Damaris Nübling und Elke Ronneberger-Sibold

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vergleichende germanische Philologie und Skandinavistik : Festschrift für Otmar Werner / hrsg. von Thomas Birkmann ... - Tübingen : Niemeyer, 1997 ISBN 3-484-73031-5 © Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Heinr. Koch, Tübingen

Inhaltsverzeichnis Einleitung Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

VII 1

Werner Abraham Kausativierung und Dekausativierung: Zu Fragen der verbparadigmatischen Markierung in der Germania

13

Hans Altmann miß- als Wortbildungsbestandteil

29

John Ole Askedal Indirekte Objekte im Deutschen und im Norwegischen

49

Oskar Bandle Sprachgeschichte und Kulturgeographie in Skandinavien

67

Thomas Birkmann Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?

81

James E. Cathey Variation and Reduction in Modern Faroese Vowels

91

Gertraud Fenk-Oczlon Die Länge einfacher deutscher Aussagesätze im typologischen Vergleich

101

Rüdiger Harnisch Ein mitteldeutsches Tempusparadigma in textökonomischer Sicht

111

Franz Hundsnurscher Der definite positive Bescheid

129

Heinz Klingenberg Antitheta, Oxymora: Semantische Figuren in altnordischer Poetik und Poesie

143

Wilfried Kürschner "Entspricht den neuen amtlichen Richtlinien..." - Zur Umsetzung der Orthografiereform in den Rechtschreib-Wörterbüchern von Bertelsmann und Duden (1996)

173

VI

Inhaltsverzeichnis

Christer Lindqvist Schriftinduzierter Lautwandel: Synchrone und diachrone Auswirkungen im Deutschen

193

Damaris Nübling Reglementierte Kreativität bei der Schaffung neuer Familiennamen Die Prinzipien von Namenwahl und Namenwandel in Schweden

213

Helmut Rix Germanische Runen und venetische Phonetik

231

Elke Ronneberger-Sibold Sprachökonomie und Wortschöpfung

249

Povl Skärup Xavier Marmier, et ukendt faeresk visehändskrift og visen Aligast

263

Aleksander Szulc Außersprachliche Determinanten im phonologischen System der deutschen Hochlautung

275

Edda Weigand Dialogic Competence and Consciousness

287

Wolfgang Ullrich Wurzel Natürlicher grammatischer Wandel, 'unsichtbare Hand' und Sprachökonomie - Wollen wir wirklich so Grundverschiedenes?

295

Korrespondenzanschriften der Beiträger

309

Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

1. Selbständige Veröffentlichungen Die Mundarten des Frankenwaldes. Eine lautgeographische Untersuchung. XXII + 329 S. - Kallmünz 1961 (= Schriften des Instituts für fränkische Landesforschung 10). [Zugleich Diss. Erlangen (1959).] Friesen, Landkreis Kronach (Oberfranken). 53 S. - Göttingen 1964 (= Lautbibliothek der deutschen Mundarten 31). Einführung in die strukturelle Beschreibung des Deutschen. I. Teil. X + 96 S. - Tübingen 1970 (= Germanistische Arbeitshefte 1). [Zweite, überarbeitete u. erweiterte Auflage 1973, X + 110 S.] Phonemik des Deutschen. IX + 90 S. - Stuttgart 1972 (= Sammlung Metzler 108). Orthographie und Aussprache im Färäischen am Beispiel der Eigennamen. 24 S. - Kiel 1995 (= Schriftenreihe des Deutsch-Färöischen Freundeskreises e.V. 4).

2. Habilitationsschrift Studien zur Lautgeographie und Lautgeschichte des Färäischen und Isländischen. I. Vokalismus. 366 S., 16 Karten. - [Typoskript, unveröffentlicht.]

3. Ubersetzungen Louis Hjelmslev: Die Sprache. Aus dem Dänischen übersetzt, für deutsche Leser eingerichtet und mit einem Nachwort versehen von Otmar Werner. 183 S. - Darmstadt 1968. [Dänisches Original: Sproget. En introduktion. - Kopenhagen 1963.] Bäröur Jakupsson: Föroya Fornminnissavn/Historisches Museum der Färöer. Führer durch das Museum. 30 S. - Törshavn 1987. [Färöisches Original: Vegleidari tilframsyningarnar. - Törshavn o.J.] Jens Pauli Heinesen: Ein Kind hier auf Erden. Ein Roman von den Färbern. 171 S. - Veröffentlichung demnächst. [Färöisches Original: Nu ert tü mansbam dfoldum. - Törshavn 1980.]

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Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

4. Aufsätze Zus. mit Siegfried Beyschlag: "Ostfranken erzählen. Tonbandaufnahmen aus Feuchtwangen und Umgebung". - In: Festschrift Ernst Schwarz. II, S. 197-223. - Kallmünz 1961 (= Jahrbuch für fränkische Landesforschung 21). "Aspiration und stimmlose Nasale/Liquide im phonologischen System des Färingischen". In: Phonetica 9, S. 79-107. - Basel, New York 1963. "Die Substantiv-Suffixe -es/-as in den ostfränkischen Mundarten. Zur Bedeutung von diaund synchronischer Betrachtungsweise in der Wortbildungslehre". - In: ZeitschriftfürMundartforschung 30, S. 221-IIS. - Wiesbaden 1964. "Zu den schwachtonigen Endungsvokalen im Färingischen. Miszellen im Anschluß an Björn Hagström, Frö3skaparrit 10". - In: Arkiv för nordiskftlologi79, S. 247-255. - Lund 1964. '"Wie heißen die kleinen Küchlein, die aus geriebenen rohen Kartoffeln bereitet und in der Pfanne gebacken werden?' Eine wortgeographische Studie aus der Arbeitsstelle des Ostfränkischen Wörterbuchs". - In: Jahrbuchfürfränkische Landesforschung 24, S. 411-454. - Neustadt/ Aisch 1964. "Die Erforschung der färingischen Sprache. Ein Bericht über Stand und Aufgaben". - In: Orbis 13, S. 481-544. - Louvain 1964. "[Nachtrag zu:] Die Erforschung der färingischen Sprache. Ein Bericht über Stand und Aufgaben". - In: Orbis 14, S. 75-87. - Louvain 1965. "Vom Formalismus zum Strukturalismus in der historischen Morphologie. Ein Versuch, dargestellt an der Geschichte deutscher Indikativ-Konjunktiv-Bildungen". - In: Zeitschrift für deutsche Philologie 84, S. 100-127. - Berlin 1965. [Um ein Nachwort erweitert erneut in: Vorschlägefür eine strukturelle Grammatik des Deutschen, hg. v. Hugo Steger, S. 349-384. - Darmstadt 1970 (= Wege der Forschung CXLVI).] "Entwicklungstendenzen in der mittelhochdeutschen Verserzählung zur dramatischen Form. Studien zum Stricker: 'Das heiße Eisen'". - In: Zeitschrift für deutsche Philologie 85, S. 369406. - Berlin 1966. "Welche Stufen phonematischer Reduktion sind für die Dialektgeographie sinnvoll? Das Vokalwesen des Färöischen". - In: Verhandlungen des Zweiten Internationalen Dialektologenkongresses, Marburg/Lahn 1965, hg. v. Ludwig Erich Schmitt. Bd. II, S. 861-870. - Wiesbaden 1968.

Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

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"Die Erforschung des Inselnordischen". - In: Germanische Dialektologie. Festschrift Walther Mitzka zum 80. Geburtstag. Bd. II, S. 459-519. - Wiesbaden 1968 (= Zeitschrift fur Mundartforschung, Beihefte N F 6). "Das deutsche Pluralsystem. Strukturelle Diachronie". - In: Sprache, Gegenwart und Geschichte. Jahrbuch 1968, S. 92-128. - Düsseldorf 1969 (= Sprache der Gegenwart, Schriften des Instituts für deutsche Sprache V). "Die Vokalisierung von v im Färöischen". - In: The Nordic languages and modern linguistics. Proceedings of the International Conference of Nordic and General Linguistics, University of Iceland, Reykjavik July 6-11,1969, hg. v. Hreinn Benediktsson, S. 599-616. - Reykjavik 1970. "Linguistische Überlegungen zur mittelhochdeutschen Metrik". - In: Formen mittelalterlicher Literatur. Festschrift Siegfried Beyschlag, hg. v. Otmar Werner u. Bernd Naumann, S. 109-130. - Göppingen 1970. "Die Präteritopräsentien im Färöischen". - In: FröÖskaparrit 18, Festschrift Christian Matras, S. 333-346. - Törshavn 1970. "Probleme der Phonotaktik - diskutiert am Deutschen". - In: Jahrbuch fur Internationale Germanistik IV/1, S. 41-75. - Frankfurt 1972. "Von Chomskys Aspects-Modell zu einer linearen Dependenzgrammatik". - In: Folia Linguistica 6, S. 62-88. - Den Haag 1973. "[Einleitung zur] Sektion I [Lautstruktur und Geschichte]". — In: Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft. Vorträge und Berichte der Stuttgarter Germanistentagung 1972, hg. v. Walter Müller-Seidel, S. 93-96. - München 1974. "Appellativa - Nomina propria. Wie kann man mit einem begrenzten Vokabular über unbegrenzt viele Gegenstände sprechen?" - In: Proceedings of the Eleventh International Congress of Linguists, Bologna 1972, hg. v. Luigi Heilmann. Bd. II, S. 171-187. - Bologna 1974. "Flexion und Morphophonemik im Färöischen". - In: The Nordic Languages and Modern Linguistics 2. Proceedings ofthe Second International Conference ofNordic and General Linguistics, University ofUmeä, June 14-19, 1973, hg. v. Karl-Hampus Dahlstedt, S. 774-792. - Stockholm 1975. "Transformationen". - In: Deutsch als Fremdsprache und neuere Linguistik, hg. v. Otmar Werner u. Gerd Fritz, S. 112-131. - München 1975. "Zum Problem der Wortarten". - In: Sprachsystem und Sprachgebrauch, Festschrift Hugo Moser zum 65. Geburtstag, hg. v. Ulrich Engel u. Paul Grebe. Teil 2, S. 432-471. - Düsseldorf 1975.

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Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

"Zum Genus im Deutschen". - In: Deutsche Sprache 1/1975, S. 35-58. - Berlin 1975. "Suppletivwesen durch Lautwandel". - In: Akten der 2. Salzburger Frühlingstagung fttr Linguistik, hg. v. Gaberell Drachman, S. 269-283. - Tübingen 1977. "Schwa-Schwund und Phonotaktik im Deutschen". - In: Studia Linguistica Alexandra Vasilii filio Issatschenko a Collegis Amicisque oblata, hg. v. Henrik Birnbaum et aL, S. 471-486. - Lisse 1978. "Der bestimmte Artikel als ALL-Quantor". - In: Sprache in Gegenwart und Geschichte. Festschrift ftir Heinrich Matthias Heinrichs zum 65. Geburtstag, hg. v. Dietrich Hartmann et aL, S. 215-235.-Köln 1978. "Kongruenz wird zu Diskontinuität im Deutschen". - In: Studies in diachronic, synchronic, and typological linguistics. Festschriftfor Oswald Szemerinyi on the Occasion of his 65th Birthday, hg. v. Bela Brogyanyi, Part II, S. 959-988, Amsterdam 1979. "Schwedisch dorn revisited". - In: Papers from the Fifth Scandinavian Conference ofLinguistics, Frostavallen April 27-29,1979. Part I. Section Papers, ed. by Thore Pettersson, S. 373-382. Stockholm 1979. "Zur germanistischen Linguistik seit den 60er Jahren". - In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 27/4, S. 1-3. - Frankfurt 1980. "Nochmals schwedisch dorn". - In: Arkiv fir nordiskfilologi96, S. 137-168. - Lund 1981. "Warum ist das gesprochene Dänisch für uns so schwierig?" - In: Akten der Vierten Arbeitstagung der Skandinavisten des deutschen Sprachgebiets 1979 in Bochum, hg. v. Fritz Paul, S. 3771. - Hattingen 1981. "Kontrastive Phonologie: Deutsch auf ägyptisch-arabischem Hintergrund". - In: Deutsche Sprache 1981, S. 193-223. "Kongruenz in den nordischen Sprachen". - In: Akten der Fünften Arbeitstagung der Skandinavisten des deutschen Sprachgebiets, 1981 in Kungälv, hg. v. Heiko Uecker, S. 219-243. - St. Augustin 1983. "Historische Morphologie". - In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hg. v. Werner Besch et aL, S. 409-418. - Berlin 1984. "Prinzipien und Methoden historischer Morphologie". - In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hg. v. Werner Besch et aL, S. 535546. - Berlin 1984.

Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

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"Die Entwicklung der Substantiv-Flexion im Färöischen". - In: Skandinavistik 14 (1984), S. 130-154. "Morphologische Entwicklungen in den germanischen Sprachen". - In: Das Germanische und die Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache. Akten des Freiburger Kolloquiums der Indogermanischen Gesellschaft 1981, hg. v. Jürgen Untermann u. Bela Brogyanyi, S. 181-226. Amsterdam 1984. "Tristan sprach auch Altnordisch. Fremdsprachen in Gottfrieds Roman". - In: Zeitschriftfür deutsches Altertum 114 (1985), S. 166-187. "Neuere schwedische Modalverben und ihre deutschen Entsprechungen". - In: Festschriftfür Oskar Bandle, hg. v. Hans-Peter Naumann, S. 89-106. - Basel 1986 (= Beiträge zur Nordischen Philologie 15). "Eigennamen im Dialog". - In: Dialoganalyse. Referate der 1. Arbeitstagung, Münster 1986, hg. v. Franz Hundsnurscher u. Edda Weigand, S. 297-315. - Tübingen 1986. [Erneut in: Reader zur Namenkunde. I. Namentheorie, hg. v. Friedhelm Debus u. Wilfried Seibike, S. 181-200. Hildesheim 1989. "Ubersetzungsprobleme bei Sprachmischungen und Sprachschichtungen. Am Beispiel von Lars Anderssons Roman 'Snöljus'". - In: Arbeiten zur Skandinavistik. 7. Arbeitstagung der Skandinavisten des Deutschen Sprachgebietes: 1985 in Skjeberg/Norwegen, hg. v. Ulrich Groenke, S. 291-321. - Frankfurt 1987. "The aim of morphological change is a good mixture - not a uniform language type". - In: Papers from the 7th International Conference on Historical Linguistics, hg. v. Anna Giacalone Ramat et al., S. 591-606. - Amsterdam 1987. "Wie regulär/irregulär geht Lautwandel vor sich? Die Reduktion der färöischen Kuizdiphthonge". - In: The Nordic Languages and Modern Linguistics 6. Proceedings of the Sixth International Conference of Nordic Languages and General Linguistics, Helsinki 1986, hg. v. Pirkko Lilius and Mitja Saari, S. 437-458. - Helsinki 1987. "Natürlichkeit und Nutzen morphologischer Irregularität". - In: Beiträge zum 3. Essener Kolloquium über Sprachwandel und seine bestimmenden Faktoren, Essen 1987 [recte 1986\, hg. v. Norbert Boretzky et al, S. 289-316. - Bochum 1987. "Mundartliche Enklisen bei Schmeller und heute". - In: Johann Andreas Schmeller und der Beginn der Germanistik, hg. v. Ludwig M. Eichinger u. Bernd Naumann, S. 127-147. München 1988.

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Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

"Irregulärer Lautwandel im lexikalischen Rahmen? An. e - nisl. je". - In: Nordeuropa Studien 23, S. 116-125. - Greifswald 1988. "Sprachökonomie und Natürlichkeit im Bereich der Morphologie". - In: Zeitschriftfür Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 42 (1989), S. 34-47. "Wie sich Sprachen ständig verändern". - In: Badische Zeitung 9.5.1989. "Die starken Präterita im Luxemburgischen. Ideale Analogie oder vergeblicher Rettungsversuch?" - I n : German Life and Letters 43 (1990), Special Number for R.E. Keller, S. 182-190. "Isländische Nominalparadigmen. Wenn keine 'Morphologische Natürlichkeit' - was dann?" - In: Spielarten der Natürlichkeit - Spielarten der Ökonomie. Beiträge zum 5. Essener Kolloquium über 'Grammatikalisierung: Natürlichkeit und Systemökonomie'. Bd. 2/2, hg. v. Norbert Boretzky et al., S. 157-183. - Bochum 1990. "The incorporation of Old Norse personal pronouns into Middle English. Suppletion by loan". — In: Language Contact in the British Isles. Proceedings of the Eighth International Symposium on Language Contact in Europe, Douglas, Isle of Man, 1988, hg. v. P. Sture Ureland u. George Broderick, S. 369-401. - Tübingen 1991. "Sprachliches Weltbild und/oder Sprachökonomie". - In: Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Tokyo 1990, hg. v. Eijiro Iwasaki. Bd. 4, hg. v. Yoshinori Shichiji, S. 305-315. - München 1991. "Färöer". - In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, hg. v. Heinrich Beck et aL, Bd. 8, Lieferung 1/2, S. 118-135. - Berlin 1991. "Komprimierung und Differenzierung in der Verbflexion des Westfriesischen". - In: Philologica FrisicaAnno 1990, Lezingen fan it Tolfte Filologekongres, S. 167-193. - Ljouvert, Leeuwarden 1992. "Schwache Verben ohne Dental-Suffix im Friesischen, Färöischen und im Nynorsk". - In: Sprachwandel und Sprachgeschichte. Festschrift für Helmut Lüdtke, hg. v. Jürgen SchmidtRadefeldt u. Andreas Harder, S. 221-237. - Tübingen 1993. "Motiviertheit des Reims. Vom traditionellen Textsortenmerkmal zum individuellen Ikon". In: Von der Sprache zur Literatur. Motiviertheit im sprachlichen und im poetischen Kode, hg. v. Christoph Küper, S. 81-96. - Tübingen 1993. "Wieweit hängen die Orthographie-Prinzipien vom sprachlichen System ab? Am Beispiel nordischer Schriftsprachen". - In: Probleme der Graphie, hg. v. Otmar Werner, S. 121-165. Tübingen 1994.

Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

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"Auch Paradigmen entstehen und vergehen". - In: Funktionale Untersuchungen zur deutschen Nominal- und Verbalmorphologie, hg. v. Klaus-Michael Kopeke, S. 5-28. - Tübingen 1994. "Erfahrungen beim Ubersetzen eines faröischen Romans. Jens Pauli Heinesen: 'Nü ert tu mansbarn a foldum"'. - In: Arbeiten zur Skandinavistik. 11. Arbeitstagung der deutschsprachigen Skandinavistik, 8.-14. August 1993 in Sigtuna, hg. v. Hans Schottmann, S. 48-84. - Münster 1994. [Erneut in: Tjaldur 13, Mitteilungsblatt des Deutsch-Färöischen Freundeskreises, S. 5-23. - K i e l 1994.] "Was da sich ölles aahotmüßhör! "Was der sich alles hat anhören müssen!' AmriliarInkorporation im Ostfränkisch-Thüringischen". - In: Texttyp, Sprechergruppe, Kommunikationsbereich. Studien zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Hugo Steger zum 65. Geburtstag, hg. v. Heinrich Löfiler, Karlheinz Jakob u. Bernhard Kelle, S. 343361. - Berlin 1994. "Pragmatik der Eigennamen (Uberblick)". - In: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik, hg. v. Ernst Eichler et al., S. 476-484. - Berlin 1995. '"Näja, lustigt och lustigt'. Ein eigenartiges Idiom der nordischen Sprachen". - In: Folia Scandinavica Posnaniensia 3 (1996), S. 221-241. "Old Norse in the Faroes (with special reference to palatalization)". - In: Language contact across the North Atlantic. Proceedings of the Working Groups held at University College, Gal-way (Ireland), August 29 - September 3,1992 and the University of Göteborg (Sweden), August 16-21, 1993, hg. v. P. Sture Ureland u. Iain Clarkson, S. 35-59. - Tübingen 1996.

5. Rezensionen "Julius Koben Die Mundart der Stadt Suhl im Thüringer Wald, Deutsche Dialektgeographie Bd. 63, Marburg 1962". - In: Zeitschriftfür Mundartforschung 32 (1965), S. 350-353. "Georg Heike: Zur Phonologie der Stadtkölner Mundart. Eine experimentelle Untersuchung der akustischen Unterscheidungsmerkmale. Maiburg 1964". - In: Orbis 15 (1966), S. SUSIS. "Kjartan Rünar Gislason: Schillers Wirkung auf das isländische Geistesleben, Nürnberg 1964". - In: Zeitschrift fur Religions- und Geistesgeschichte 19 (1967), S. 89. "Grace Andrus de Laguna: Speech: Its function and development, Bloomington: Indiana University Press 21963. - In: Zeitschrift fir Mundartforschung 33 (1966), S. 289-292.

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Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

"Hans Kaußlen Die Mundart der Stadt Ansbach und ihrer näheren Umgebung (Lautlehre), phil. Diss. München 1961, [Bad Windsheim: Selbstverlag], 1962". - In: Zeitschriftfür Mundartforschung 34 (1967), S. 172-175. "J.C. Svabo: Dictionarium Faeroense, Faeresk-dansk-latinsk ordbog. Udgivet efter handskrifterne af Chr. Matras, Bd. I, Kabenhavn 1966". - In: Indogermanische Forschungen 72 (1968), S. 269-272. "Götz Wienold: Genus und Semantik, Meisenheim am Glan 1967". - In: Orbis 18 (1969), S. 576-581. "Björn Hagström: Andelsevokalerna i faröiskan. En fonetisk-fonologisk Studie, Acta Univ. Stockholmiensis, New Series, 6, Stockholm 1967". - In: Phonetica 21 (1970), S. 244-248. "Erich Matthes: Das Häuserlehnbuch der sächsisch-böhmischen Bergstadt Platten im Erzgebirge 1535-1570, Neustadt/Aisch 1967". - In: Beiträge zur Namenforschung NF 5 (1970), S. 78-79. "Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Jahrbuch 1966/67 = Sprache der Gegenwart, Schriften des Instituts für deutsche Sprache, Bd. II, hg. v. Hugo Moser, Düsseldorf 1968". In: Leuvense Bijdragen 59 (1970), S. 38-43 (Bijblad). "lipo Tapani Piirainen: Graphematische Untersuchungen zum Frühneuhochdeutschen, Berlin 1968". - In: Kratylos 14 (1969 [1972]), S. 194-199. "Robert D. King: Historical linguistics and generative grammar, Eaglewood Cliffs/New Jersey 1969; übers.: Historische Linguistik und generative Grammatik, Frankfurt 1971". - In: Anzeiger für deutsches Altertum 84 (1973), S. 48-56. "Robert P. Stockwell and Ronald K. S. Macaulay (eds.): Linguistic change and generative theory, Bloomington 1972". - In: Phonetica 29 (1974), S. 171-176. "Oskar Bandle: Die Gliederung des Nordgermanischen, Basel und Stuttgart 1973". - In: Beiträge zur Namenforschung NF 9 (1974), S. 302-305. "Kopenhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik 1, hg. v. Karl Hyldgaard-Jensen, Kopenhagen 1972". - In: Zeitschriftfür Dialektologie und Linguistik 42 (1975), S. 205-206. "Marthe Philipp: Phonologie de l'allemand, Paris 1970; übers.: Phonologie des Deutschen, Stuttgart 1974". - In: Phonetica 31 (1975), S. 305-311. "Helgi Gudmundsson: The pronominal dual in Icelandic, Reykjavik 1972". - In: Kratylos 19 (1974 [1975]), S. 149-153.

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"John Ole Askedal: Neutrum Plural mit persönlichem Bezug im Deutschen unter Berücksichtigung des germanischen Ursprungs, Trondheim 1973". - In: Indogermanische Forschungen 80 (1975), S. 306-310. "Bo Ralph: Phonological differentiation. Studies in Nordic language history, Göteborg 1975". - In: Indogermanische Forschungen 81 (1976), S. 392-395. "Wolfgang U. Dressler u. F.V. Mares (eds.): Phonologica 1972, München 1975". - In: Zeitschrift fur Dialektologie und Linguistik 45 (1978), S. 325-329. "Helmut Lüdtke (ed.): Kommunikationstheoretische Grundlagen des Sprachwandels, Berlin, New York 1980". - In: Indogermanische Forschungen 90 (1985). - S. 268-272. "Kristjän Ämason: Quantity in historical morphology. Icelandic and related cases, Cambridge 1980". - In: Skandinavistik 15 (1985), S. 59-63. "W.B. Lockwood: Die faröischen Sigurdlieder nach der 'Sandoyarbök'. Mit Grammatik und Glossar, Törshavn 1983". - In: PBB(T) 110 (1988), S. 473-476. "Joe Salmons: Accentual change and language contact. Comparative survey and a case study of Early Northern Europe, Stanford, California 1992". - In: PBB (T) 117 (1995), S. 112117. "Frans Plank: Paradigms. The economy of inflection, Berlin, New York 1991". - In: PBB(T) 118 (1996), S. 433-440. 6. Kurzrezensionen in der Zeitschrift Germanistik "Wolfgang Wießner: Stadt- und Landkreis Fürth, Historisches Ortsnamenbuch von Bayern. Mittelfranken. Bd. 1, München 1963". - In: Germanistik 6 (1965), S. 231-232. "Aleksander Szulc: Umlaut und Brechung. Zur inneren und äußeren Geschichte der nordischen Sprachen, Poznaii 1964". - In: Germanistik 7 (1966), S. 22-23. "Georg Stötzel: Die Bezeichnungen zeitlicher Nähe in der deutschen Wortgeographie von "dies Jahr' und "voriges Jahr', Maiburg 1963 [1964]". - In: Germanistik 7 (1966), S. 39-40. "German Weiß: Die Flurnamen des Kreises Weiden. Flurnamen und Flurbezeichnungen, Weiden 1965". - In: Germanistik 8 (1967), S. 280-281. "A. Capell: Studies in socio-linguistics, Den Haag 1966". - In: Germanistik 8 (1967), S. 485486.

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Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

"Niels Âge Nielsen: Dansk etymologisk ordbog, Kopenhagen 1966". - In: Germanistik 8 (1967), S. 492. "Oskar Bandle: Studien zur westnordischen Sprachgeographie. Haustierterminologie im Norwegischen, Isländischen und Färöischen, 2 Bde., Kopenhagen 1967". - In: Germanistik 10 (1969), S. 23-24. "Jaan Puhvel (ed.): Substance and structure of language, Berkeley, Los Angeles 1969". - In: Germanistik 11 (1970), S. 658. "Oskar Jancke: Deutsche Sprache, schwere Sprache. Ein Sprachbrevier, München 1969". In: Germanistik 11 (1970), S. 666. "Gilbert Lièbray. Das phonologische System der Oftersheimer Mundart, Marburg 1969". In: Germanistik 11 (1970), S. 673. "Ulrich Engel u. Paul Grebe (eds.): Neue Beiträge zur deutschen Grammatik. Hugo Moser zum 60. Geburtstag gewidmet, Mannheim 1969". - In: Germanistik 12 (1971), S. 37-38. "Georg Heike: Suprasegmentale Analyse, Marburg 1969". - In: Germanistik 13 (1972), S. 40. "Jiri Krâmsky: The article and the concept of definiteness in language, Den Haag 1972". - In: Germanistik 13 (1973), S. 34-35. "Didrik Arup Seip, bearb. u. erweitert v. Laurits Saltveit: Norwegische Sprachgeschichte, Berlin 1971". - In: Germanistik 15 (1974), S. 55-56. "Muhammad Hasan Ibrahim: Grammatical gender. Its origin and development, Den Haag 1973". - In: Germanistik 16 (1975), S. 342. "Klaus Fuss: Die färöischen Lieder der Nibelungensage. Text, Lesarten und Übers. Bd. 1-3, Göppingen 1985-87". - In: Germanistik 28 (1987), S. 424-425.

7. Herausgeberschaft Zus. mit Franz Hundsnurschen Germanistische Arbeitshefte. - Tübingen: Niemeyer. [Seit 1970 sind bisher die Hefte 1-9, 11-12, 14-35 u. Ergänzungsreihe Bd. 1-3 erschienen, z.T. in mehrfacher Auflage.] Zus. mit Bernd Naumann: Formen mittelalterlicher Literatur, Siegfried Beyschlag zum 65. Geburtstag von Kollegen, Freunden und Schülern. - Göppingen 1970.

Verzeichnis der Schriften von Otmar Werner

11

Zus. mit Hugo Steger u. Herbert L. Kufner: Sprachstrukturen (zunächst: Historische Sprachstrukturen). - Tübingen: Niemeyer. [Seit 1972 6 Bde.] Zus. mit Herbert Ernst Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer u. Heinz Vater: Linguistische Arbeiten. - Tübingen: Niemeyer. [Monographienreihe; Mitherausgeber von 1973-1990, bis dahin 244 Bde.] Zus. mit Gerd Fritz: Deutsch als Fremdsprache und neuere Linguistik. Referate eines Fortbildungskurses in Mannheim ... 1973. - München 1975. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 27/4. - Frankfurt 1980. Arbeiten zur Skandinavistik. 8. Arbeitstagung der Skandinavisten des Deutschen Sprachgebiets, 27.9.-3.10.1987 in Freiburg i.Br. - Frankfurt 1989. Probleme der Graphic. - Tübingen 1994 (= ScriptOralia 57).

Werner Abraham

Kausativierung und Dekausativierung: Zu Fragen der verbparadigmatischen Markierung in der Germania

1. Untersuchungsbereich und Zielsetzung Sieht man sich das Verblexikon des Englischen an und vergleicht es mit dem des Deutschen, so fallen die überwiegenden Einsilbler auf. Dies findet in der übrigen Germania keine Parallele. Wenn man dazu rechnet, daß diese Einsilbigkeit historisch durch weitgehende Synund Apokope der schwachen Silben zustandekam und daß damit vor allem der Flexionsapparat sowie die Stammumlautkombinatorik betroffen war, liegt der folgende Schluß nahe: Mit dem Verlust einer lautkombinatorisch realisierten, paradigmatischen Unterscheidung zwischen kausativen und den entsprechenden dekausativen Verben (und allgemeiner einer ableitungsmorphologischen Unterscheidung zwischen ein- und zweiwertigen Prädikaten) verfiel auch die Möglichkeit der grammatischen Objektellipsenidentifikation - sie existiert jedenfalls nicht in derselben Weise wie bei jenen Sprachen, die sich die Möglichkeit bewahrt haben, dekausativisch einwertige Verben von zweiwertigen (kausativischen) zu unterscheiden. Wir wollen in der Folge zuerst zeigen, inwieweit dies aufs Englische zutrifft, wieweit die anderen germanischen Sprachen sich vom Englischen unterscheiden bzw. wieweit sie zwischen dem Englischen und Deutschen liegen. Daraufhin werden die Folgen dieses empirischen Befundes für die Objektellipsengrammatik in den jeweiligen Sprachen ausgelotet. Dabei wird sich zeigen, daß durchaus unterschiedliche Strategien zur Objektellipsenidentifikation möglich sind, daß dabei aber ebenso unterschiedliche Verarbeitungsstrategien angewandt werden müssen. Es steht dahin, ob die weitgehende Vereinfachung der Silben- und Wortphonologie, wie sie sich im Englischen zeigt, nicht auch andere grammatische Konsequenzen zur Folge hat. Eine Dimension, die daraufhin ausgelotet wurde, zeigt, daß bei den Modalverben im Englischen - ganz im Unterschied zum Deutschen und Niederländischen - ein einschneidender Semantik- und damit einhergehender Syntaxverlust eintrat (Abraham 1994). Bisher ist diese Parallele allerdings bloß als Korrelation feststellbar. Dies auch in ursächliche Zusammenhänge zu stellen, wäre eine schöne Ergänzung zur hier angestellten Beobachtung und damit ein wesentlicher Erkenntnisgewinn zur sonst erkenntnisevolutionär etwas schmalen, sofern nicht banalen Feststellung, daß es lexikalische Einsilblerverben (Kurzverben) gibt und was aus der morphonologischen Reduktion solcher Formen grammatisch folgt.

14

Werner Abraham

2. Der Befund 2.1 Die westgermanischen und festlandskandinavischen Sprachen zwischen dem Englischen und Deutschen Im folgenden stelle ich die vier westgermanischen Sprachen und die drei nordgermanischen Sprachen des Festlands tabellarisch einander gegenüber. Das Englische und Deutsche sind dabei jeweils Leiteinträge, was die Valenzklassifikationen und die Ableitungsparadigmen betrifft. Die hier eingehaltene Zusammenstellung trifft hinsichtlich einer kritischen Auswertung keinerlei Vorgabe, sondern ist willkürlich gewählt. Es versteht sich von selbst, daß das Englische und Deutsche als Leitsprachen ausgewählt wurden, weil das Englische zwischen Ein- und Zweiwertigkeit keinerlei morphologische Unterscheidung trifft, während das Deutsche gerade unter diesem Valenzsichtbarkeitskriterium die konsequenteste Realisierung sowie die vollständigste Paradigmenreihe vorsieht.1 Die folgenden Übersichten gehen wie oben erwähnt von den Beziehungen zwischen dem Englischen und Deutschen aus. Nach Ausweis anderer hier verzeichneter Sprachen ließen sich öfters andere Zuordnungen vornehmen. (1) Paradigma der Umlautkausativa (etymolog. die schwache Klasse I) ENGLISCH

1. crack

2. melt

3. wake up

4. drtnun

(zer)springen (zer)sprengen

(er) schmilzt (er) schmelzt

aufwachen aufwecken

ertrinken ertränken

stukspringen zweiwertig loten springen

smelten doen smelten

ontwaken •wekken

verdrinken verdrinken

springe spränge

smelte lade smelte

vägne vcekke

drukne drukne

springa sprengja

brddna brada

vakna vekja

drukkna drekkja

springe sprenge

smelte smelte

väkne vekke

drukne drukne

springa spränga

smälta smalta

vakna väcka

drunkna dränka

ein-/zweiwertig

DEUTSCH einwertig

zweiwertig

DEUTSCH

NIEDERLÄNDISCH einwertig NIEDERLÄNDISCH

DÄNISCH einwertig DÄNISCH

zweiwertig

ISLÄNDISCH einwertig ISLÄNDISCH

zweiwertig

NORWEGISCH einwertig NORWEGISCH

zweiwertig

SCHWEDISCH einwertig SCHWEDISCH

zweiwertig

FRIESISCH einwertig FRIESISCH

zweiwertig

FÄRÖISCH einwertig FÄRÖISCH

zweiwertig

springe smelte, rane toekker wurde springe/barste litte rane, smelte (litte) wekker meitsje, wekje

ferdrinke,fersüpe drinz(g)je, fersüpe, ferdrinke

springa spreingja

drukna drukna

smelta smelta

vakna vekja

Dank fiir Hilfe bei den Entsprechungen in den verschiedenen germanischen Sprachen sei folgenden Personen gegenüber ausgedrückt: meinen Greilinger Kollegen H.M. Alkema, Tette Hofstra, L. Kjellström, J. Kronig, H.A. van der Liet, Gaert van der Meer, Ron Propst, G.A. van der Toom-Piebenga, Hanneke Westra, I>orbjörg Hröarsdöttir/Tromsö, Jögvan und Lon Jacobsen aus Törshavn/Feroya sowie Höskuldur Thräinsson/Reykjavik.

Kausativierung und Dekausativierung

15

(2) Paradigma der (in)txansitiven (unakkusativischen = perfektiven) Affix(oid)verben ENGLISCH ein-/zweiwertig

5. tear

6.fieeze

7. bum

8 .stop

(zer)reißen (zer)reißen

(einfrieren einfrieren

(ver)brennen verbrennen

(an)halten anhalten

einwertig verscheuren zweiwertig scheuren

(in)vriezen bevriezen

verbranden verbranden

stoppen laten stoppen

reime rive

(ned)fiyse fiyse

brande brande

standst (lade) standse

einwertig zweiwertig

rifila rifa

fijisa fiysta

brenna brenna

stödvast, stoppa stäiva, stoppa

einwertig

revne rive

fiyse fiyse

brenne brenne

stoppe stoppe

gä sonder riva

fiysa fiysa

brinna bränna

stoppa stoppa

einwertig zweiwertig

skuorre (fer)skuorre

(be-/yn)frieze ynfrieze

baarne fer-/tebaame

stopje, h&lde stopje (litte), hälde, tsjinkeare, tsinhälde

einwertig zweiwertig

rivna riva

fiysta fiysta

brenna(st) brenna

steiga steiga

9. cease

10. grow (com)

11. run (a machine)

einwertig zweiwertig

DEUTSCH DEUTSCH

NIEDERLÄNDISCH NIEDERLÄNDISCH DÄNISCH

einwertig

DÄNISCH zweiwertig ISLÄNDISCH ISLÄNDISCH

NORWEGISCH

NORWEGISCH zweiwertig SCHWEDISCH SCHWEDISCH FRIESISCH FRIESISCH

FÄRÖISCH FÄRÖISCH

einwertig zweiwertig

(3) Suppletivparadigma ENGLISCH ein-/zweiwertig

einwertig zweiwertig

DEUTSCH DEUTSCH

lopen bedienen

holde op standst

voise avie, dyrke

ktre satte i gang

batta, stoppa batta, stappa

vaxa rakta

ganga läta ganga

slutte slutte

voise dyrke

gä lagä

sluta upphàra

växa odia

gä läta gä

einwertig zweiwertig

ophälde oph&ìde litte

waakse, groeie (fer)botnoe

rinne rinne litte

einwertig zweiwertig

balda uppat steiga

vaisa vahaum,fdaatvaka

koyra koyra

NIEDERLÄNDISCH

DÄNISCH

einwertig ofhouden zweiwertig stopzetten

einwertig zweiwertig

ISLÄNDISCH ISLÄNDISCH

einwertig zweiwertig

NORWEGISCH

einwertig

NORWEGISCH zweiwertig SCHWEDISCH

einwertig

SCHWEDISCH zweiwertig FRIESISCH FRIESISCH FÄRÖISCH FÄRÖISCH

laufen bedienen

groeien telen, hoeken

NIEDERLÄNDISCH

DÄNISCH

abhören wachsen (anjhaltm, einstellen anbauen

16

Werner Abraham

(4) Paradigma des Mittelverbreflexivs ein-/zweiwertig

12. bend

13. change

14. open

15. shut

einwertig zweiwertig

sich biegen biegen

sich ändern ändern

sich öffnen öffnen

sich schließen schließen 2

(zieh) veranderen veranderen

open gaan open doen

zieh sluiten sluiten, dichtgaan

btje (sig) btje

andre (sig) andre

lukke (sig) op lukke op

lukke (sig) til/i lukke m

beygja (sig), bogna beygja

breyta(sir),breytast breyta

opnast, opna sig opna

lokast, loka str loka

ENGLISCH DEUTSCH DEUTSCH

NIEDERLÄNDISCH NIEDERLÄNDISCH DÄNISCH DÄNISCH

einwertig (zieh) buigen zweiwertig buigen

einwertig zweiwertig

ISLANDISCH ISLANDISCH

einwertig zweiwertig

NORWEGISCH

einwertig zweiwertig

btye seg btye

forandre seg äpne (seg), äpnes forandre/endre (pi) Spne

slä igen, Stenge slä igjen, Stenge

SCHWEDISCH

einwertig

böja sig, böjas

öppna (sig), öppnas slä igen, stänga(s)

SCHWEDISCH

zweiwertig

beja

(for)ändra sig, forändras forändra

öppna

slä igen, stänga

einwertig zweiwertig

bügje (fer)bügje

feroarje (jin)feroarje

iepengean iepenje

tichtgean, slute slute

FARÖISCH

einwertig zweiwertig

boyggja (seg) boyggja

broyta seg broyta

lata (seg) upp lata upp

faraaftur steingja

ENGLISCH

ein-/zweiwertig

16. split

17. turn

18. move

19. shift

einwertig zweiwertig

sich spalten spalten

sich drehen drehen

sich bewegen bewegen

sich verschieben verschieben

(zieh) draaien draaien

(zieh) bewegen bewegen

verschuiven verschuiven

dreje (sig) dreje

bevage (sig) bevage

rykke (sig) rykke

NORWEGISCH

FRIESISCH FRIESISCH FARÖISCH

DEUTSCH DEUTSCH

NIEDERLÄNDISCH NIEDERLÄNDISCH DANISCH DANISCH

einwertig splitsen zweiwertig splitsen

einwertig zweiwertig

ISLANDISCH ISLANDISCH

einwertig zweiwertig

revne (slä revner) spalte

rifrta, hlcfna, Ujiifa sigsnüa sir, snüast rlfa, kljüfa sntia

hrtyfa (sig), hreyfast fara hreyfa fara

NORWEGISCH

einwertig

kltvne seg

NORWEGISCH

zweiwertig

klryve, spalte, splitte snu (pä)

bevege seg, rare seg forskyve seg,ßytte seg, snu (seg) bevege, nrepä forskyve, flytte (pä)

SCHWEDISCH

einwertig zweiwertig

klyva sig, spaltas klyva, spalta

vrida sig vrida (pä)

röra sig röra

einwertig zweiwertig

splite, spjalte split(t)e, spjalte

(jin) omdraaie bewege omdraaie, omkeare bewege

ferskowe ferskouwe

einwertig zweiwertig

rivna, klovna rivna, kloyva

snüa sar snüa

flyta seg, vika seg flyta, vika

SCHWEDISCH FRIESISCH FRIESISCH FARÖISCH FARÖISCH

snu (seg)

(sig),farast

rtra seg rira

flytta sig flytta (pä)

Bei der dekausativen Verwendung von schließen haben wir im Deutschen die Wahl zwischen der reflexiven und der transitiv-elliptischen Version: Die Tür schließt (sich) schlecht. Obwohl die Syntaxen der beiden Versionen verschieden sind, ergibt sich derselbe Sinn. Solche morphologisch nicht signalisierten Dekausativa sind im Deutschen selten. Vgl. (6) unten. - Ich danke E. Ronneberger-Sibold fiir den Hinweis.

Kamativierung und Deiausativierung

17

(5) Paradigma des /««¿«-Kausativs ENGLISCH ein-/zweiwertig

einwertig zweiwertig

DEUTSCH DEUTSCH

NIEDERLÄNDISCH NIEDERLÄNDISCH DÄNISCH DÄNISCH

22. fail (exam)

23.ßy (kite)

durchfallen durchfallen lassen

fliegen fliegen lassen

vallen laten vallen

zakien laten Zaiken

vliegen laten vliegen

springe lade springe

falde lade falde

dumpe lade dumpe

flyve Ude flyve

einwertig

ISLÄNDISCH zweiwertig

hoppa, boppa läta hoppa/boppa

falla fella

falla Uta falla

fljüga Utafljüga

NORWEGISCH einwertig NORWEGISCH zweiwertig

stusse, sprette stusse, sprette

dette,falle felle, la falle

stryke stryke

ßy

flyga

21. drop

alfschlagen/^prallen fallen aufichlagm/-prallen fallen lassen lassen

einwertig statten zweiwertig taten stuiten

einwertig zweiwertig

ISLÄNDISCH

20. bounce

SCHWEDISCH

einwertig

studsa

falla

SCHWEDISCH

zweiwertig

studsa

falla, läta falla

underkännas, bli underkänd underkänna

lafly

lätaflyga

FRIESISCH

einwertig zweiwertig

stuitsje stuitsje litte

valle falle litte

sakje sakje litte

fleane fleane litte

FARÖISCH

einwertig

FÄRÖISCH zweiwertig

hoppa lata hoppa

falla latafalla

dumpa { lata dumpa

flügva lataflügva

ENGLISCH ein-/zweiwertig

24. grow (beard)

25. run (water)

26. shrink (fabric)

27. run (a nuuhine)

•wachsen wachsen lassen

rinnen rinnen lassen

einlaufen, eingehen laufen, rennen einlaufen/eingehen latfen/rtraten lassen lassen

groeien laten groeien

lopen laten lopen

(in)krimpen (doen) krimpen

vokse lade vokse

Übe lade Übe

krympe krre lade krympe, skmened satte i gang

vaxa

renna

mmnka,ldtahlaupa, ganga

Uta vaxa

Uta renna

mmnka, Idtahlaupa, Uta ganga läta dragast soman

vokse la vokse

renne la renne

krympe krympe

g* lagä

växa läta växa, odla

rinna läta rinna

krympa krympa

Sä lätagä

streame, rinne waakse, groeie waakse, groeie litte streame litte

(yn)krimpe krimpe litte, ynkrimpen

Anne rinne litte

vaksa läta vaksa

ganga tödna fd at t6dna, minka Uta ganga

FRIESISCH

DEUTSCH DEUTSCH

einwertig zweiwertig

NIEDERLÄNDISCH

einwertig

NIEDERLÄNDISCH zweiwertig DÄNISCH

einwertig

DÄNISCH zweiwertig ISLÄNDISCH

einwertig

lopen laten lopen

/tMOXltf w l l r U M J H ffiMbm riwl

ISLÄNDISCH zweiwertig

NORWEGISCH

einwertig

NORWEGISCH zweiwertig SCHWEDISCH SCHWEDISCH FRIESISCH

einwertig zweiwertig

einwertig

FRIESISCH zweiwertig

FÄRÖISCH FÄRÖISCH

einwertig zweiwertig

renna Uta renna

18

Werner Abraham

(6) ADJ + inchoatives AUX bzw. + Mittelverbreflexiv ENGUSCH ein-/zweiwertig

28. heat (up)

29. warm (up)

30. liquefy

DEUTSCH einwertig

heiß werden, sich erhitzen heiß machen, erhitzen

warm werden, sich erwärmen warm machen, erwärmen

flüssig werden. hart werden, sich verflüssigen sich (ver)härten flüssig machen, hart machen, verflüssigen (ver)härten

zweiwertig

DEUTSCH

warm worden, vloeibaar worden zieh verwarmen vloeihaar maken zweiwertig heet maken, verbitten warm maken, verwarmen

NIEDERLÄNDISCH einwertig NIEDERLÄNDISCH

DANISCH einwertig DANISCH

zweiwertig

ISLÄNDISCH einwertig ISLÄNDISCH

zweiwertig

31. solidify, harden

heet worden

ver-/uitharden, zieh verharden hard maken, verharden

blruehed, hedesigop, Uwe varm, varme sig bliveflydende hidse sig op ophede, ophidse (op)varme gfre flydende

strrine, harde

verla heitur, hitna, veria volgur, volgna, Verlafljitandi hlyjasir hita sig upp hita (upp) hlyja breyta ivökva

pittast, storkna, harlna pitta, Idta storkna, breyta {fast, herla

lade sttrkne, forharde

NORWEGISCH einwertig NORWEGISCH zweiwertig

bli het opphete, hete opp

varme seg, bli varm bliflytende varme gjtreflytende

herdne herde

SCHWEDISCH einwertig

bli het

värmas (värma sig), bliflytande

härdna

h/ fIl yW1/1 & ui* i MI 7T»

SCHWEDISCH

zweiwertig

FRIESISCH einwertig FRIESISCH

zweiwertig

FARÖISCH einwertig FARÖISCH

zweiwertig

hetta upp

värma

göraflytande

härda

hjit wurde

waarm wurde, (op)warmje waarm meitsje, fer-/opwaarmje

rane, tin wurde

ferhurdzje, hurd wurde ferhurdzje

hjit meitsje, hjitsje

rane (litte), tin wurde litte

hitna

hitna, verla heitur blivaflitandi

hita (upp), heita

hita (upp), heita, verma

geraflitandi

storkna, harlna, herlast, verdaherlur lata storkna, herla

Neben diesen formal ausgezeichneten Lexembeziehungen zwischen Kausativen und Dekausativen gibt es im Deutschen eine kleine Gruppe von Verben, die wie im Englischen durchgehend keine morphologischen Derivationssignale tragen. Es handelt sich in der folgenden Übersicht wohl nicht um eine erschöpfende, aber doch repräsentative Liste. (7) Kausativ-Dekausativ-Homonyme ENGUSCH ein-/zweiwertig

loosen (up•); ride/drive (a car); break; cook; dry;fly (a plane); roll; spoil; ride

DEUTSCH ein-/zweiwertig

auflockern; fahren; (zer)brechen; kochen; trocknen;fliegen; rollen; verderben; reiten

3

Im Oberdeutschen heißt es Die Wolken lockern sitb auf, im Norddeutschen dagegen Die Wolken lockern auf.

Kausativierung und Dekausativierung

19

Trotz dieser Valenzhomonymie ist die Derivationsrichtung anhand folgender Distributionsdiagnostik eindeutig feststellbar. Die Attributdiagnostik weist kochen etwa eindeutig als Kausativ nach. Man vgl.: die gekochte Gans ist nie vom Dekausativum ableitbar, vielmehr nur vom zweiwertigen Kausativum: also nicht von die Gans hat gekocht/ sondern von X hat die Gans gekocht. Dies gilt ebenso für fahren, reiten,fliegenund rollen, also die HABEN-Verben (die ja imperfektiv sind). Bei den perfektiven Verben (mit SEIN in der Periphrase und Vorgangsebenso wie Zustandspartizip) ist die Ableitungsrichtung nicht eindeutig: das verdorbene/ zer-/gebrochene Mädchen ebenso wie die getrocknete Wäsche läßt sich ableiten vom kausativen X hat das Mädchen verdorben/gebrochen/die Wäsche getrocknet ebenso wie vom dekausativen das Mädchen ist (unter Y) zer-/gebrochen/die Wäsche ist (unter Z) getrocknet. Die echt interessanten und unter unserer Fragestellung oberflächlich nicht direkt entscheidbaren Fügungen sind also die perfektiven Intransitiva, wo Kausativität und Dekausativität unter Perfektivität zusammenfallen (s. Abraham 1996).

2.2 Auswertung: Sichtbarkeitsbedingungen Die Tabellen in (l)-(6) sollen folgendes zeigen. Das Englische hat eine Vielzahl von Verben, die Homonymie hinsichtlich der Valenzunterscheidung zeigen (d.h. transitive und intransitive Valenzen nicht unterscheiden). Das Deutsche dagegen und, freilich bereits nicht ohne merkbare Reduktion, auch das Ndl. und Friesische sowie eindeutig das Isländische machen diesen Unterschied bei beibehaltenem Verbstamm sehr wohl: das Englische setzt ein einziges Lexem, wo das Deutsche und (mit geringen, aber paradigmatisch fixierten Einschränkungen) die anderen erwähnten Sprachen ein- und zweiwertige Verben mit demselben Stamm konsequent morphologisch und mit paradigmatischer Einordnung trennen. Damit erfüllt aber das Deutsche ganz allgemein und ohne den Zwang, auf kontextuelle Schlüssel zurückzugreifen, das Prinzip "eine Form - eine Bedeutung", wogegen das Englische dazu neigt, Ein- und Zweiwertigkeit zu einer einzigen Form zusammenfließen zu lassen (vgl. bereits Hawkins 1986, etwa sein Kapitel "Basic grammatical relations and their semantic diversity" (S. 53-74)). Wir können schließen, daß die weit- und tiefreichenden moiphophonetischen Reduktionsprozesse zwischen dem Altenglischen und dem modernen Englisch sich in den Derivationsverhältnissen so ausgewirkt haben, daß für solche Sichtbarkeitssignale kein paradigmatisch fixierbarer Raum mehr bestand. (6) zeigt, daß das Ndl. in dieser Hinsicht dem Deutschen bedeutend näher steht als dem Englischen. (8) drückt dies etwas allgemeiner (unter Verwendung unterschiedlicher aktueller Terminologien) aus.

Es lohnt sich, angesichts der vielfältig unbestimmten Literatur zu diesen Erscheinungen darauf hinzuweisen, daß gerade diese imperfektiven intransitiven Verben keine Unakkusativ- bzw. Ergatiwerben sind. Man denke an die Attributdiagnostik, die bei Ergativa ja erfüllt sein sollte (vgl. Abraham 1996a).

20

Werner Abraham

ENGUSCH

DEUTSCH NIEDERLÄNDISCH WESTFRIESISCH

Thetarollensichtbarkeitsbedingung Lexembezugssichtbarkeit syntaktische Valenzsichtbarkeitsbedingung Kettenbildungsbedingung vor PF 5

-

+

Man denke an das dt. sich, das unübersehbar und konsistent als Binder der zugrundeliegenden Agens-Rolle Medialstatus signalisiert, und zwar in fester paradigmatischer Fixierung. Wenn also (8) Gültigkeit hat, dann ist daraus zu erschließen, daß jedes Verblexem, das valenzabgeleitet ist (d.h. welches kein Valenzbasisverb ist), kausativiert bzw. dekausativiert erscheint. Dies hat aber weitreichende semantische Folgen insofern, als es die Rekonstruierbarkeit auf der Ausdrucksebene (vor dem Sfelloutl) erlaubt. Bereits unter Bezug auf diesen kritischen Punkt der Schnittstelle zwischen der Syntaktischen Form (SF) und der Phonetischen Form (PF) können wir also davon ausgehen, daß das Deutsche unter allen betrachteten Sprachen die stärksten Merkmale zur Valenzunterscheidung besitzt und diese folglich vor Erreichen der PF zur Absättigung (Cbecking) bringt, diese starken morphophonemischen Formen somit in die sichtbare PF einbringt, bevor die Logische Form (LF) erreicht wird. Im Englischen ist dies nun gerade nicht der Fall: Zwar benötigt die LF zur semantischen Interpretation dieselbe Unterscheidung wie im Deutschen, doch (und nun verwenden wir den minimalistischen Jargon) stehen der L F die Unterscheidungen nur morphophonetisch unsichtbar und somit erst nach dem Spellout für Konvergenzzwecke zur Verfugung (man vgl. zu dieser algorithmischen Redeweise die ausfuhrliche Einfuhrung in Abraham et al. 1996). Aus genau diesem Unterschied der Sichtbarmachung dessen, was für die semantische Interpretation in jedem Fall, aber eben auch unsichtbar zur Verfugung stehen muß, leiten sich nun ganz unterschiedliche und harte Interpretierbarkeitsunterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen ab. Ich nehme das Ergebnis in der schärfsten Formulierung voraus. (9)

Das Englische muß bei sichtbarer Verbeinwertigkeit zur Rekonstruktion eines elliptischen DO längere grammatische und teilweise unsystematische pragmatische Rekonstruktionen einschalten, während dem Deutschen der Rekonstruktionsschritt unmittelbar, nämlich morphophonetisch sichtbar und eindeutig zugänglich ist.

Weisen wir dies im Detail anhand der Objektellipse nach. Im Englischen wird eine solche Ellipseninterpretation nie unmittelbar zugänglich sein, da ja zuerst als Normfall das Augenfälligste angenommen wird, nämlich daß das einwertige Verb vorliegt. Ganz anders im Deutschen: Die Unterscheidung zwischen Ein- und Zweiwertigen erlaubt den direkten Zugriff der semantischen Interpretation auf die LF, rein aufgrund der Verbform, die im Regelfall zwischen Ein- und Zweiwertigen unterscheidet. Technisch gesprochen sind die Ich stelle diese Valenzunterschiede hier unter Grammatikbeschreibungskriterien dar, die in der minimalistischen Theorie Chomskys eine erklärende Rolle spielen (vgl. Abraham et al. 1996).

21

Kausativierung und Dekausativierung

Objektvalenzen im Deutschen bereits aufgrund der an die spezielle und unterscheidende Derivationsmorphologie gebundenen thematischen (0-)Rollen erschließbar, somit auch die für die syntaktischen Positionen in der Gesamtsatzstruktur vorliegenden c-Kommandobeziehungen (vgl. dazu bereits Fanselow 1991:466f.). Es handelt sich hier also um einen tiefen typologischen Unterschied zwischen den beiden Sprachen; vgl. die Übersicht in (10). (10) Typologie der Argumentreduktion [iK = intransitive (Verbal-)Konstruktion (z.B. im Saal tanzen)-, mV = Medialverb (z.B. (der Baum) biegt sich)', mK = Mittelkonstruktion (z.B. (Beamte) bestechen sich leicht6 bzw. (Knuspriges Brot) bäckt sich nicht so leicht)-, V n = n-wertiges Verb; (i)tV « transitives bzw. intransitives Verb; V = Verb (V°), K = Konstruktion bzw. Konstituente (irgendeiner Maximalprojektion, XP); 9 j denotiert die semantische ("Theta-") Rolle für das externe Verbalargument, das Subjekt; 8 2 denotiert das des Objekts]

lexikalisch

tv= [ e ^ e 2 ]

=> iV:

[e^]

syntaktisch

tV: [e! e 2 ] tV: [ e ^ e j

=> passive iK:

[8,

=> m i t

[QjJ

ENGUSCH

lexikalisch

tV: [©!,

tV: [ e

e j p e j

(by 6 j ) ]

=> tV (Ellipse): [ e t , (6 2 )_] =* mV:

[6 2 , ¡ich ]

itV: [ e t , ©2_]

=> Passiv:

[(0 2 ) J

itV: [6j , (82) J

=> mK:

[(6 2 ), steh J

DEUTSCH

syntaktisch

Legende 1. Zeile:

2. Zeile: 3. Zeile:

4. Zeile:

Wechselt ein Verb im Englischen seine Valenz von tV zu iV, dann reduziert sich nicht nur seine Valenz um eine Argumentstelle (die Basissubjektstelle), sondern das frühere Objekt mit der thematischen Rolle des © 2 rückt auf jeden Fall zur neuen (abgeleiteten) Subjektstelle auf; das Verb wird normal (subjekt-)einwertig. Dies ist ein lexikalischer Prozeß, da die Ableitung über ein Ableitungsparadigma gesteuert wird. Derselbe Detransitivierungstyp läuft bei Passivierung ab mit dem Unterschied, daß der Prozeß nicht lexikalisch, sondern in der Syntax gesteuert ist. Wird ein englisches transitives Verb (tV) in einer Medialkonstruktion (mK) reanalysiert, nämlich detransitiviert, dann ergibt sich eine zu den ersten beiden Prozessen im Endergebnis identische Valenzreduktion. Realisiert ein deutsches transitives Verb (tV) oberflächlich bloß das Subjekt, nicht jedoch das Objekt (DO) dann ändert sich hinsichtlich der semantischen Inter-

Bei agentiven Subjekten würde man eher auf eine ¿¡¿»»-Konstruktion oder eine aktive unpersönliche Konstruktion mit man-Subjekt ausweichen. Trotzdem halte ich die beabsichtigte Lesart für möglich - und eben für eine typische Möglichkeit im Deutschen, übrigens im Unterschied zu allen anderen Sprachen, die hier ins Blickfeld geraten sind. Und nur auf diese prinzipielle Möglichkeit kommt es hier an - nicht darauf, ob diese Sinnsetzung auch anders (oder sogar bevorzugt anders) zum Ausdruck gebracht -werden kann.

22

Werner Abraham

pretation nichts insofern, als dem unsichtbaren VP-internen 0 seine Argumentstelle in der semantisch-syntaktischen Logischen Form nach wie vor zukommt und der semantischen Interpretationskomponente - wiewohl, da in der Artikelposition ja völlig unspezifiziert, genetisch quantifiziert - zugeführt wird. Das DO bleibt auf diese Weise stets impliziert. Dies ist wichtig für die semantische Interpretation: nach wie vor steht im syntaktischen Passiv das ursprüngliche Agens in einer ¿«rfM^Präpositionalkonstituente zur Verfügung; beim lexikalischen Prozeß dagegen ist ein solches Agens nur lexikalisch implizierbar, steht jedoch syntaktisch in einer entsprechenden Adverbialkonstituente nicht zur Verfügung. Illustrieren wir dies anhand des Verbs rush, welches stellvertretend für eine nicht geringe Klasse von Fortbewegungsverben steht; vgl. (10). (11)

a

?i/tV

b

tV

He rushed (her) to the Station Er eilte (*sie) zum Bahnhof

He rushed her to the Station Er brachte sie rasch zum Bahnhof

Als Lexem läßt sich rush sowohl transitiv wie auch intransitiv (also als itV) einsetzen. In der Satzkonstruktion (finit ebenso wie infinit) regiert das Verb jedoch unfehlbar bloß ein Subjekt (= iV). Man mag dieses iV die unmarkierte {Default-)Verwendung der phonologischen Form rush nennen (Abraham 1996). Daneben gibt es rush als tV. Dieses ist markiert insofern, als es bei koverter Verwendung (= mit verstecktem, bloß impliziertem DO, also als DO-Ellipse) stets als iV gelesen wird und zur t-Kodierung spezielle grammatische bzw. pragmatische Schlüssel voraussetzt. Koverter und overter syntaktischer Einsatz des Lexems können somit beim tV rush auseinanderklaffen - ganz im Unterschied zum iV rush, wo sich overte und koverte Verwendung stets decken: 0 j [ ]. Die koverte Verwendung ist bestimmt durch die strenge Subkategorisierung bzw. die Argumentfüllung durch semantische Rollen ( 0 Markierung) des Lexikoneintrags des Lexems: Die i-Verwendung von rush spiegelt die 0-Markierung in direkter Weise auch overt; der Einsatz des Lexems als tV dagegen läßt sich nicht durch den Lexikoneintrag direkt spiegeln, sondern er ist syntaktisch bedingt. Betrachten wir zu einer solchen abgeleiteten (markierten) Verwendung (12). (12)

I (like to) rush

the quarterback]

Der Schlüssel zur t-Dekodierbarkeit ist durch das kausativische Agens-Subjekt bzw. durch die interne Argumentsetz»mg gegeben. Der zur Dekodierung einzuleitende Ableitungsprozeß umfaßt minimal folgende Schritte: (i) die semantische Interpretation kann nicht vom Lexikoneintrag 0 j [ ] allein ausgehen - die overten und koverten Lesarten konvergieren nicht; (ii) 0 j von rush ist agentisch; somit muß die thematische Rolle in (12) ebenfalls (kann nicht geringer als) Agens sein; (iii) eine Steigerung des Themastatus von Agens ist bloß durch kausatives Agens realisierbar - was die tV-Lesart impliziert.

23

Kausativierung und Deiausativierung

Im Gegensatz zum Deutschen zeigt das Englische (freilich auch das Ndl. und das Friesische!) die Medialableitung über dem transitiven (kausativen) Basisverb nicht an. Es verfugt somit nicht über einen direkten Identifikationsprozeß für ein elliptisches D O . Damit aber nicht genug: D a das E n g l eben die einwertige Entsprechung über dem zweiwertigen Basisverb ebensowenig identifiziert, steht ihm keine unmittelbare Mediallesart zur Verfügung - es sei denn, diese ist rekonstruierbar über das unverzichtbare Qualitätsadveib. Dies aber ist notwendig nur bei der Medialkonstruktion - nicht beim Medialverb (open vs. (sich) öffnen). Es ergeben sich somit im Englischen systematisch folgende Ambiguitäten. (13)

a

T h e y liquefied

sicherlich iV; aber auch DO?

Sie verflüssigten etwas oder verflüssigten sich

b

They sold quickly

mK; aber auch DO-Ellipse?

Sie verkauften etwas oder verkauften sich

c

She opened up

tV oder mV?

Sie öffnete etwas oder sich

Generell gilt folgendes: Wenn nur ein einziges © 2 (VP-intem designierte Thetarolle) im Valenzrahmen des Verbs vorliegt, dann hat dieser einzige Aktant Objektcharakteristik (syntaktische Distributionseigenschaften), ungeachtet der Tatsache, daß diese thematische Rolle letztlich als (abgeleitetes) Subjekt in der finiten Prädikation auftaucht; vgl. Abraham 1994 (passim) zu solchen spezifischen Unterscheidungen und deren empirischer Begründung. Nur koverte (und eben nicht abgeleitete, nur overte) DO-Zweiwertigkeit mit dem lexikalischen Eintrag Q, [Q,

] läßt im Englischen die DO-Ellipse mit direktem seman-

tischem Zugang zu. Dies mag allerdings den falschen Eindruck erwecken, daß sich im Englischen in jedem Fall leicht ausmachen läßt, ob Ein- oder Zweiwertigkeit zugrundeliegt. Man vgl. Verben wie change, improve, eat, drink, wo derartige Entscheidungen kaum zu treffen sind. Damit verringert sich nur die Möglichkeit, die indizierten Ambiguitäten im Englischen auf der Basis von lexikalischer Unmarkiertheit zu entscheiden. Genau davon sind wir ja zu Beginn auch ausgegangen. Nicht die skizzierten Ableitungsprozesse etwaiger elliptischer Lesarten sind nun im Deutschen (ebenso wie im Ndl. und Friesischen, mit gewissen und sehr spezifischen Einschränkungen) anders, sondern vielmehr der Umstand, daß das Deutsche solche indirekten Entschlüsselungen erst gar nicht benötigt oder besser gesagt von vornherein ausschließt. Transitive Verben (tV) und intransitive Verben (iV) unterscheiden sich morphologisch auf jeden Fall, auch wenn sie vom selben Stamm gebildet werden (vgl. nochmals ( l ) - ( 6 ) oben). Im gleichen Maße wie im Englischen, soweit dort zutreffend, gilt ein Unterschied zwischen 7

Es geht um die virtuelle, im Grammatiksystem einer Sprache angelegte Möglichkeit - und keineswegs darum, wie man noch anders sagen könnte. Nur über die virtuellen Möglichkeiten handelt eine Linguistik in einem methodologisch interessanten Sinne, nicht dagegen über pragmatische Varianz. Bei verflüssigten sich ist also z.B. an einen Kampf außerirdischer Giganten zu denken, wo der eine den anderen in Flüssigkeit verwandeln kann. Beispiele wie Der Gentrai hat (.seinen Leuten) befohlen, den Gefangenen zu verhören gegen das englische The general has erdered *(his nun) to interrogate the prisoner illustrieren dies drastisch (Hinweis durch Th.F. Shannon, Berkeley, CA).

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Werner Abraham

Basisvalenz und abgeleiteter (d.h. durch Veibderivation induzierte) Valenz. Aber im Unterschied zum Englischen wird eine jeweilige Ableitung morphologisch signalisiert; vgl. (13) oben. Overte und koverte Valenz brauchen also im Deutschen mitnichten zusammenzufallen, da valenztechnisch und ©-semantisch Eindeutigkeit durch die Ableitungsmorphologie hergestellt wird. Valenzhomonymie gestattet sich das Deutsche nicht. Valenzellipse ebenso wie Valenzhyperstase ist in jedem Falle direkt aus der Verbform ablesbar. Dies erspart eine ganze Menge an Parsingschritten zur Sicherung der beabsichtigten semantischen Lesart. Das Deutsche, nicht jedoch das Englische folgt einem morphologischen Paradigmenidentifikationsprinzip. Etwas technischer gesprochen stehen in einem solchen deutschen Szenario die jeweiligen im Lexikoneintrag fixierten c-Kommandierrelationen unabhängig von der Oberflächenform (der overten Form) für die semantische Interpretation in direkter Weise zur Verfugung. Das Englische dagegen setzt beim Hörer/Leser Implikationsprozesse mehr oder weniger komplexen Umfangs voraus, um zur sprecherbeabsichtigten Lesart vorzustoßen. Dies ist, was Hawkins 1986:55f. meint, wenn er davon spricht, daß im Englischen mehr lexikalische Mehrdeutigkeit vorhegt. Unter entsprechender pronominaler Subjektuneindeutigkeit wie in (13) oben etwa ergeben sich im Englischen solche Aporien. Wir können von Objektellipsenunterspezifikation sprechen. Untersuchen wir dies noch etwas genauer.

3. Agensverfiiigbarkeit und Schnittstellenrelation bezüglich Spellout Wenn wir uns die zur Unterscheidung von Vorgangspassiv, Zustandspassiv, Medialverben und -konstruktionen sowie Unakkusatiwerben nötigen Kriterien verschaffen wollen, so fallt folgendes auf. Hinsichtlich der Agensverfugbarkeit im syntaktischen Sinne fallen alle Typen außer dem Vorgangspassiv aus. Nur beim Vorgangspassiv ist das demovierte Agens - als Thetamerkmal gebunden an das Passivmorphem, d.h. das 2. Partizip - syntaktisch verfügbar, um über die L F direkt in die Semantikinterpretation einzugehen. Bei allen anderen Erscheinungen ist das demovierte Agens entweder gar nicht (Ergatiwerb) oder nur indirekt, d.h. über lexikalische Implikationen (Zustandspassiv, Mittelverb, Mittelkonstruktion) interpretativ verfugbar - vgl. die folgende Übersicht, in der die morphosyntaktischen und semantischen Erscheinungen verschiedener ähnlicher abgeleiteter Konstruktionstypen einander gegenübergestellt werden. Dabei spielt der Begriff des Spellout (so viel wie Phonetisches Modul im Derivationssystem der minimalistischen Syntax; siehe Abraham et al. 1996) eine besondere Rolle.

Kausativierung und Dekausativierung (14)

25

Schnittstellencharakteristik im Deutschen Demotion des design. Subj.

Agensdemotion

Objektpromotion

syntakt. Agensverfügbarkeit

Vorgangspassiv

+

+

+ (")

+

+

Zustandspassiv

+

+

+ (")

-

+

Mittelverb

+

+

+

-

+

Mittelkonstiuktion

+

+

+ (")

-

+

ergatives Verb

0

0

0

0

0

st. Merkmal

(Pfi-Spellout)

Die Unterschiede sind aufgrund dieser Kriterien eindeutig. Worauf es allerdings in dem hier angesteuerten Zusammenhang ankommt, ist die Ellipsenverfugbarkeit bzw. die Valenzsichtbarkeit, die ja - wie wir gesagt haben - nur im Deutschen voll grammatisch geregelt ist. Was bedeutet dies nun genau? Wir wollen dazu den Jargon des generativen minimalistischen Modells gebrauchen, in dem vor allem die Schnittfläche der direkten Ausdrucksebene (des Spellout) die nötigen Unterscheidungen erlaubt, je nachdem - wie man sagt - ob starke Merkmale (dann vor dem Spellout, nämlich sichtbar in der PF) oder schwache Merkmale (dann nämlich nach dem Spellout, somit nur unsichtbar in der LF) das Verhältnis zur Schnittstelle bestimmen. Dies bezieht sich freilich nach der Modellvorstellung Chomskys (Chomsky 1993, 1995, Abraham et al. 1996) nur auf Prozesse der nominalen Kasus- und verbalen Kongruenzzuweisung. In Ausweitung solcher funktionaler Mechanistiken kann es aber eventuell auch den thematischen Status (die Spezifizität) betreffen - was ja bereits etwas grundlegend anderes ist als die Sicherung der in der Nominalund Verbalflexion ausdrückbaren Rektions- und Kongruenzbeziehungen. Fassen wir nun diesen über den rein relationsmorphologischen Bereich etwas erweiterten Raum der Schnittstellenortung noch weiter, so daß über die syntaktischen Flexionsprozesse hinaus auch paradigmatische Beziehungen der in diesem Aufsatz angesprochenen Art eingeschlossen sind. Dann gilt für die Daten, bei denen das demovierte Agens syntaktisch (über die syntaktisch ausgezeichnete Agens-PP) nicht mehr verfugbar ist, folgendes: (15)

Ergatiwerb: Agens auf keiner Ebene verfugbar, es handelt sich ja nicht um Ableitungen aus einer Aktiwersion. Agens eben erst gar nicht demoviert. Frage der Stärke von Merkmalen, die das Verhältnis zur Schnittstelle Spellout bestimmen, ebensowenig relevant.

(16)

Zustandspassiv. Agens wohl demoviert und am Morphem des 2. Partizips verfügbar, jedoch durch das Hilfsverb SEIN nur schwach markiert bzw. nicht durch das Aux stark markiert - somit erst nach dem Spellout, also in der LF aktiviert, somit den sichtbaren Prozeß zum Agens-PP nicht steuernd. Agens-PP nicht syntaktisch, sondern bestenfalls lexikalisch verfügbar {der Wagen ist *durch [AGENS] /für [BENEFAKTTV] ihn geschoben).

26

(17)

Werner Abraham

Mittelverb/Mittelkonstruktion (mK): das Reflexiv kongruiert nach Person und Numerus mit dem Mittelsubjekt {Ich/ihr unterhalte/t mich/euch doch so leicht). Es ist somit legitim, eine beschränkte Art von Bindung zur Sicherung von Koreferenz anzunehmen (mit dem Person/Numerus-D^w// sich bei fehlender Personen- und Numerussubjektbindung; vgl Es läuft sieb ja ganz weich auf diesem Eoderi). Es liegt aber eben keine lexikalische Koreferenz vor, jedenfalls nicht syntaktisch (d.h. im Sinne der Bindungstheorie über eine lokale Domäne syntaktisch absicherbar). Wir wollen sagen, daß trotzdem Bindung des demovierten und am reflexivpronominalen Demoviermorphem verfugbaren Agensmerkmals vorliegt, daß dieses Merkmal aber schwach ist und somit erst in der LF, also nach dem Spellout verfugbar ist. Damit ist die agentive Lesart ermöglicht, jedoch nicht sichtbar realisierbar.

Vor allem die Mechanismen in (16) und (17) sollten hier entwickelt werden, denn sie erlauben den Schritt zur Valenzeindeutigkeit und zur grammatischen Ellipsenlösung. Auf paradigmatische Ableitbarkeitsprozesse der hier skizzierten Art gemünzt läßt sich folgendes sagen. (18)

Im Deutschen sind die Markierungen bei paradigmatischen Ableitungen in jedem Falle stark mit der Folge, daß die Ableitungen sichtbar, also vor dem Spellout morphematisch indiziert sind. Man vgl. nochmals die Tab.(l)-(6) oben: der Ubergang von den echten tV zu abgeleiteten iV (Detransitiven oder Dekausativen) ist anhand des Reflexivums direkt signalisiert (Tab. (6)); wir müssen ihn im Deutschen nicht auf Umwegen erschließen;9 in gleicher Weise erlaubt sich das Deutsche nicht, Valenzerweiterungen auf der Grundlage von Tiefenvalenzen ableitungsmorphologisch unangezeigt zu lassen (vgl. wieder die entsprechenden Tab. (1) - (5) zum Deutschen oben).

Wir sagen also, den minimalistischen Jargon übernehmend, daß im Deutschen auch beim Valenzparadigmenwechsel starke Markierungen bei Ableitungsprozessen vorliegen, daß die beobachteten Valenzsignale entstehen. Wo sind diese Stärkemarkierungen festzumachen? In Abstimmung mit dem minimalistischen Jargon ("die attrahierende Landestelle trägt ein starkes oder schwaches Merkmal"!) sagen wir, daß die Valenzklasse, in die neu einzureihen ist, ihre Klassenmitglieder danach beurteilt, ob diese von vornherein dazu gehören (unmarkiert) oder ob sie aktuell-innovatorisch bzw. historisch-wechselnd hinzugekommen (dann nämlich markiert) sind.10 Die hier erörterten syntaktischen Valenzeigensichtbarkeitsbedingungen, die das Deutsche gegenüber dem Englischen auszeichnen, lassen sich auf der morphonologischen Ebene als Unterschiede zwischen dem Niederländischen und Deutschen ebenfalls ausmachen. Während das Ndl. im Diminutiv oder Plural aus Gründen der Homonymenflucht wechseln muß, beachtet das Deutsche auch in solchen Fällen streng das lexikalische morphonologische Gestalterhaltungsprinzip. Vgl. ndl. päd - paadje "Pfad - Pfadchen" (kurzes /a/ vs. langes /aj\, um die phonologische Nähe zupadje "Kaulquäppchen" zu vermeiden) oder weg - wegen "Weg - Wege" (kurz /e/ vs. langes /e-J). Das entscheidend Neue bei dem merkmalstärkeabhängigen Mechanismus ist der syntaxübergreifende Paradigmenbezug. Es ist äußerst fraglich, ob sich ein solcher Transfer mit Recht durchfuhren läßt, da dabei ja die Syntax verlassen wird und da Ableitung hier im Lexikon stattfindet und zwischen Verbklassen vermittelt. Ich verfolge die Frage nicht weiter. Es genügt hier, auf solche Mechanismen in einem metaphorischen Sinne hinzuweisen.

Kausativierung und Dekausativierung

27

Zu beachten ist, daß dabei zweierlei an Markierungsstärke erfüllt ist: einmal daß überhaupt eine Ableitung vorliegt; und zum anderen, welches das abgeleitete und welches das Ausgangslexem für den Derivationsprozeß, also das unmarkierte Lexem ist. Mit dieser doppelten Gestaltfixierung entsteht beim Erstsprachenlerner auch der Blick für das Inventar an Morphemen, die für derartige Ableitungen (produktiv verfügbar bzw. historisch fixiert, aber noch verständlich) sorgen. Nur wo solche Identifikationsprozesse für Valenzklassen in direkter Ablesbarkeit vorliegen, sind Objektellipsen direkt verfügbar.

4. Schluß Wir haben eingangs erwogen, ob wohl die morphonologische Reduktion des verbalen Bestands im modernen Englischen mit dazu beigetragen haben könnte, daß die Valenzunterscheidungen, wie wir gezeigt haben, weitgehend geschwunden sind. Es wurde gezeigt, daß hierbei durchaus von einer Korrelation zwischen Stammeinsilbigkeit und morphonologischem Signalschwund zwischen Kausativität und Dekausativität gesprochen werden kann.11 Die anderen germanischen Sprachen sind ja, wie gezeigt wurde, bei verbaler Mehrsilbigkeit geblieben und vermeiden - wenn auch nicht mit derselben Konsistenz wie das Deutsche - diese rigorose Valenzhomonymie des Englischen, das sich im Konzert der germanischen Sprachen als Einzelgänger zeigt. Ich meine - kann dies hier aber nicht weiter ausfuhren (vgl. Abraham 1994, 1996a) - , daß sich durchaus zeigen läßt, daß eine solche Annahme über die hier vorgeführten Erscheinungen hinaus in anderen Erscheinungsbereichen zu finden ist, und daß diese Korrelation eine tiefere Begründung mit Blick auf kausale Zusammenhänge verdient. Dies vorzulegen und dabei auf einen Forschungsweg hinzuweisen, den Otmar Werner kompetenter als ich beschritten hat, dies lag mir am Herzen.

Literatur Abraham, Werner (1994): "The aspectual source of the epistemic-root distinction of modal verbs". - Beitrag zur Albuquerque Conference on Mood and Modais, April 1994. [Teile erscheinen in der Gedenkschrift fiir Johannes Bechert sowie in der Festschrift für Wladimir Nedjalkov, beide "in Vorbereitung"; vgl. auch Kap. 10 in Abraham 1995.] — (1995): Deutsche Syntax im Sprachenvergleich. Grundlegung einer typologischen Syntax des Deutschen. Tübingen: Narr (= Studien zur deutschen Grammatik 41). — (1996a): "The aspect-case typology correlation: perfectivity triggering split ergativity". - In: Abraham, Werner, Klimonov, Wladimir (Hgg.): Folia Linguistica XXX/1-2. Aspect and Aktionsart, 5-34. 11

Diese Korrelation kann nicht, wie E. Ronneberger-Sibold, Mitherausgeberin dieses Bandes, richtig anmahnt, als kausale Folge verstanden werden. Da das moderne Englisch die meisten seiner Verbformen auf die schwache Klasse I mit umlautfähigem Wurzelvokal reduziert hat, sollte Umlautfähigkeit noch als morphologisches Desambiguierungssignal für die Kausativ-Dekausativunterscheidung übrig bleiben. Daß es dazu im Englischen allerdings nicht kam, dies paßt ebenso wie die ausfallende Numerusunterscheidung und noch allgemeiner eben die Einsilbigkeit sehr wohl zu einer abgeleiteten Eigenschaft des Englischen, nämlich seinem analytischen Typus.

28 —

Werner Abraham

(1996b): "Paradigmatic marking in German and English". - Beitrag zum Symposium über Markiertheit und Natürlichkeit an der Universität zu Maribor, Slowenien, Mai 1996. [Im Druck.] — ; Epstein, Samuel D.; Höskuldur Thräinsson; Zwart, C. Jan-Wouter Zwart (Hgg.) (1996): Minimal Ideas. Syntactic Studies in the Minimalist Framework. - Amsterdam: Benjamins. Chomsky, Noam (1993): "A Minimalist Program for Linguistic Theory". - In: Hale/Keyser, 1-52. — (1995): The Minimalist Program. - Cambridge/Mass.: MIT Press. Fanselow, Gisbert (1991): Minimale Syntax. - Groningen: Universität Groningen (= GAGL 32). Hale, Kenneth; Keyser, Samuel J. (Hgg.) (1993): The View from Building 20. Essays in linguistics in honor of Sylvain Bromherger. - Cambridge/Mass.: MIT Press. Hawkins, John (1986): A contrastive typology of English and German: unifying the contrasts. - London: Croom Helm. Pollock, Jean-Yves (1989): "Verb movement, Universal Grammar, and the structure of IF'. - Linguistic Inquiry 20,365-424.

Hans Altmann

miß- als Wortbildungsbestandteil

1. Einleitung Otmar Werner hat in seinen Schriften1 immer wieder Fälle behandelt, in denen eine syntagmatische Vereinfachung durch eine paradigmatische Komplizierung erkauft wird. Paradebeispiel dafür sind suppletive Flexionsparadigmen. Aber auch bei Wortbildungsmustern kann man diesen Grundkonflikt durch zunehmende Differenzierung der Grundmuster feststellen. Werner 1977:279 sagt dazu: Morphophonemische Differenzierungen finden ständig und in unterschiedlichen Richtungen statt. Daß sie nicht völlig überhand nehmen und die Sprache sich nicht in unüberschaubar vielen Einzelfallen oder Teilregeln verliert, dafür sorgen zahlreiche Analogien, die entweder den alten Zustand wiederherstellen - dann bleibt das Ganze im nachhinein unbemerkt-, oder sie verallgemeinern eine der neuen Alternanzen. Konkurrierende Formen gibt es ständig; sie werden aber zumeist wieder beseitigt, indem entweder nur die alte oder nur die neue Form überlebt.

Die Entwicklung der Wortbildungstypen mit miß- als Erstbestandteil könnte als Beleg für diesen Konflikt zwischen paradigmatischer und syntagmatischer Einfachheit verstanden werden. Die Konfliktlösung erfolgt allerdings, vielleicht wegen der Seltenheit der betroffenen Wortbildungsprodukte, durch Beseitigung der meisten Formen und Überleben eines kleinen, paradigmatisch weitgehend irregulären, aber syntagmatisch einfachen Restbestandes. Um diese Interpretation zu verdeutlichen, muß zunächst das Material gesichtet werden. Wer nun in den einschlägigen Wortbildungslehren des Deutschen die Abschnitte über rrtißnachschlägt, wird sehr unterschiedliche, aber kaum befriedigende Antworten auf seine Fragen bekommen. Dies soll hier nicht ausführlich dokumentiert und kritisiert werden, da der Platzverbrauch beträchtlich, der daraus zu ziehende Gewinn aber eher gering wäre. Auch die folgende Darstellung2 wird keineswegs alle Fragen beantworten können. Reizvoll an der Themenstellung scheint mir, über die oben skizzierte Fragestellung hinaus, daß hier ein Element in nicht mehr produktiven verbalen, substantivischen und adjektivischen Wortbildungsmustern vorliegt. Der Typ der einzelnen Wortbildungsmuster, also ob es es sich um Präfigierung oder Komposition usw. handelt, ist ebenso umstritten wie die Ableitungsbeziehungen zwischen Wörtern mit gleichen oder ähnlichen Bestandteilen, aber unterschiedlicher Wortart. Hier soll versucht werden, die angesprochenen Fragen durch die Ausschöpfung aller Formmerkmale, insbesondere des Wortbildungsakzents, und unter ansatzweiser Berücksichtigung der sprachgeschichtlichen Fakten einer Lösung näherzubringen. Zu diesem Zweck sollen die 1 2

Z.B. in Werner 1977,1987 und 1991. Sie verdankt Margit Lang eine Vielzahl von Hinweisen; dafür will ich mich hier nachdrücklich bedanken. Außerdem habe ich Elke Ronneberger-Sibold für zahlreiche Verbesserungsvorschläge zu danken. - Alle Fehler und Unzulänglichkeiten bleiben natürlich in meiner Verantwortung.

30

Hans Altmann

leichter erreichbaren Daten möglichst systematisch erfaßt und dargestellt werden, so daß die Probleme möglichst klar formuliert werden können. Dazu zählt die Aufbereitung des Materials einiger ausgewählter Wörterbücher,3 nämlich: -

Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (1793-1801); Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden (1978) (= D); Duden. Deutsches Universalwörterbuch (1989) (= U); Grimm: Deutsches Wörterbuch (1854-1971); Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (221989); Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (371986); Mackensen: Deutsches Wörterbuch (1986) (= M); Paul: Deutsches Wörterbuch (91992) (= P); Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden (1982) (= B).

Die Ergebnisse werden jeweils der Übersichtlichkeit und der komprimierten Darstellung halber in tabellarischer Form dargeboten, und zwar mit folgenden Spalten: - In der ersten Spalte werden die Lemmata in ihrer orthographischen Form aufgeführt. Berücksichtigt werden nur solche Wörter, die ich für gegenwärtig (noch) geläufig halte. Es ist mir klar, daß meine diesbezüglichen Intuitionen eine Überprüfung durch geeignete Corpusarbeit erfordern, doch gestaltete sich diese wegen der geringen Frequenz weitaus der meisten betroffenen Lemmata sehr zeitraubend, so daß hier keine tragfahigen Ergebnisse vorgelegt werden können. - In der zweiten Spalte werden die Siglen derjenigen Wörterbücher aufgeführt, die das Lemma verzeichnen. Daraus ergeben sich auch Hinweise auf die Geläufigkeit des Wortes. Da hier in erster Linie eine synchrone Untersuchimg intendiert wird, werden nur die gegenwartssprachlichen Wörterbücher berücksichtigt. Die sprachgeschichtlichen Daten, insbesondere von Grimm und Adelung, werden in Hinweisen zu den einzelnen Tabellen bzw. in gesonderten Exkursen geboten. - Es folgen zwei Spalten zur Akzentposition, und zwar entweder auf miß- oder auf der (verbalen, substantivischen, adjektivischen) Basis. Dabei wird nur angeführt, welche Wörterbücher welche Akzentzuordnung treffen. Weichen meine Beobachtungen davon ab, so wird dies im Text erwähnt. - Drei Spalten sind dem Bedeutungsbeitrag von miß- gewidmet. Es versteht sich, daß dies ein sehr problematischer Punkt ist, da die meisten untersuchten Worfbildungsprodukte einen hohen Lexikalisierungsgrad aufweisen, so daß der Bedeutungsbeitrag von miß- nicht mehr ohne weiteres isoliert werden kann. Es können nur Zuordnungen zu Bedeutungstypen getroffen werden, und zwar: -

NEG = primär negierende Wirkung (etwa wie bei an-); Bedeutungsbeitrag i.S.v. 'falsch'; Bedeutungsbeitrag i.S.v. 'übel, schlecht'; Bedeutungsbeitrag i.S.v. 'verschieden' (nur bei mißfarbig).

Zu den vollständigen bibliographischen Angaben s. Literaturverzeichnis: A. Wörterbücher.

miß- als Wortbildungsbestandteil

31

Es können auch mehrere Typzuordnungen vorliegen; dabei werden die Angaben der Wörterbücher kritisch ausgewertet und durch die eigene Intuition korrigiert, ohne daß dies gesondert vermerkt wird. - Ein hoher Lexikalisierungsgrad wird durch "L" indiziert. - Die Bedeutungszuordnungen können bei der Klärung der Ableitungsbeziehungen wichtige Hinweise liefern.

-

Schließlich wird noch die vermutliche Wortbildungsbasis verzeichnet. Das Schema der Tabellen wird je nach den Bedürfnissen der untersuchten Wortgruppe abgewandelt.

2. miß- als verbales Erstglied 2.1 Synchroner Befund In der Gegenwartssprache gibt es ein gutes Dutzend Verben mit miß- als Erstbestandteil. Die Gruppe gehört zu den, wie ich sie genannt habe (s. dazu Altmann 1989), 'Partikelpräfixverben', die als Erstbestandteil durch-, hinter-, über-, um-, unter-, wi(e)der- und voll- aufweisen. Mit diesen teilt es die Eigenschaften untrennbarer Verben: nicht die genannten Erstbestandteile tragen den Wortbildungsakzent, sondern die Basis; die Verben sind bei VerbErst- und Verb-Zweit-Stellung nicht trennbar, das Part.II wird ohne ge- gebildet, die Infinitivpartikel zu wird nicht zwischen Partikelpräfix und Stamm eingeschoben, sondern den komplexen Verben vorangestellt. Allerdings ist die Bezeichnung 'Partikelpräfixverb' bei den Verben mit miß- als Erstglied wenig angemessen, da miß- nie als Partikel auftritt. - Mit der Einordnung von miß- als Partikelpräfix weiche ich ab von der Einordnung als echtes Präfix z.B. bei Drosdowski et al. 1984: §750 und Fleischer/Barz 1992:324. Nur Henzen 1965:107f. registriert den Sonderstatus von miß- und erklärt partikelverbartige Nebenformen mit der Verschiebung der Betonungsverhältnisse. Die erste Gruppe von Verben mit miß- entspricht völlig dem Muster der Partikelpräfixverben (= paradigmatisch regulär). Verb

Bedeutung

Wörterbücher Akzent auf miß- Stamm

NEG

verbale Basis trennbar?

'falsch'

mißachten

B,D,M,P,U

alle

X

achten

nein

mißbilligen

B,D,M,P,U

alle

X

billigen

nein

mißdeuten

B,D,M,U

alle

deuten

nein

mißglücken

B,D,M,U

alle

mißgönnen

B,D,M,P,U

alle

mißleiten

B,D,M,U

alle

mißtrauen

B,D,M,P,U

alle

X

glücken

nein

?

gönnen

nein

X

leiten

nein

trauen

nein

X X

X

Bei mißleiten geben D und U als Part.II auch 'mißgeleitet an (also in der Art eines trennbaren Verbs). Bei glücken und ginnen wurde das alte Präfix nicht mehr erkannt.

32

Hans Altmann

Die zweite Gruppe würde man im Gegenwartsdeutschen aufgrund ihrer Semantik auf präfigierte Basisverben beziehen (z.B. mißbrauchen auf gebrauchen, mißlingen auf gelingen), weil es die entsprechenden Simplizia entweder gar nicht mehr gibt (mhd. lingen) oder nicht mehr in der einschlägigen Bedeutung (brauchen heute nur noch i.S.v. "benötigen', nicht mehr i.S.v. 'verwenden'). Die paradigmatische Irregularität wird in Kauf genommen. Verb

Wörteibücher

Akzent auf miß-

Stamm

mißbrauchen

B,D,M,P,U

alle

mißfallen

B,D,M,P,U

alle

mißhandeln

B,D,M,P,U

alle

mißlingen

B,D,M,P,U

alle

mißraten

B,D,M,P,U

alle

Bedeutung NEG

verbale Basis trennbar?

'falsch' (ge)brauchen

nein

(gefallen

nein

handeln

nein

X

(gelingen

nein

X

(ge)raten

nein

X X

L ('übel')

Bei Grimm allerdings werden tatsächlich jeweils beide Formen verzeichnet: miszbrauchen (Bd. 12, Sp. 2279ff.) und miszgebrauchen (Bd. 12, Sp.2286), miszfallen (Bd. 12, Sp.2283f.) und miszgefallen (Bd. 12, Sp.2287), miszlingen (Bd. 12, Sp.2306) und miszgelingen (Bd. 12, Sp.2288), miszraten (Bd. 12, Sp.2308f.) und miszgeraten (Bd. 12, Sp.2288). - Es spricht vieles dafür, daß miß- ursprünglich zu den Simplexverben trat und später vorübergehend Nebenformen aus miß- und dem mit ge- präfigierten Verb geschaffen wurden. So werden bei Adelung die Verben außer mißbrauchen nicht in beiden Formen aufgeführt. Grimm bemerkt außerdem zu miszgelingen (Bd. 12, Sp.2288), es sei bei Dichtern des 17. Jhs. aufgekommen. In mhd. Zeit sind die Simplexverben noch mit einer Semantik vorhanden, die die Zuordnung zu den entsprechenden Formen mit miß- problemlos möglich macht. - Das Entstehen der Formen aus miß- + ge- + Simplexverb ist nicht leicht zu erklären: allenfalls die Bestrebung, eine synchrone Motivation zu erhalten, könnte es vielleicht erklären. Auch die Tendenz zu Akzentuierung des miß- könnte vielleicht angeführt werden. - Wären diese Argumente tragfähig, dann müßte man auch für mißhandeln eine Nebenform mißbehandeln erwarten, bei mißtrauen keine Nebenform mißvertrauen. Umgekehrt läßt sich nicht erklären, warum sich mißbehagen erhalten hat, obwohl Grimm noch die Form miszhagen (Bd. 12, Sp.2295) verzeichnet.

Daneben existiert noch eine Restgruppe, bei der synchron Präfixe zwischen miß- und dem Verb auftreten. Verb

Wöiterbücher

Akzent auf miß-

mißbehagen

B, D, M, U

alle

mißverstehen

B, D, M, P, U

alle alle

mßinterpretieren B,D

Stamm

Bedeutung NEG

verbale Basis trennbar?

'falsch' behagen

nein

X

verstehen

ja?

X

interpretieren

ja?

X

Eigentlich würde man aufgrund der Akzentuierung von miß- eher an Partikelverben denken, aber die fehlende oder zumindest problematische Trennbarkeit spricht dagegen. Dies ist auch die Konstellation, die man bei Beispielen wie unterbelichten, Übervorsorgen vorfindet, und auch hier würde man eher von einer Kombination aus Partikelpräfix und echtem Präfix sprechen.

miß- als

Wortbildungsbestandteil

33

2.2 Zur Etymologie von mißUm die Frage der Klassifikation von miß- zu klären, muß erst einmal seine Etymologie betrachtet werden. Die konsultierten etymologischen Wörterbücher, nämlich Drosdowski et al. 1989a und Kluge 1989, gehen davon aus, daß nhd. miß-, mhd. misse-, ahd. missa-lmissi-, got. missa- auf ein to-Partizip zu idg. *meit(h)- 'wechseln, tauschen' zurückgeht. Diese Partizipialbildung verschwand als selbständiges Wort. Erst aus ihr leitet sich dann nach den genannten etymologischen Wörterbüchern das Verb missen ab. Würde man also aufgrund der gegenwartssprachlichen Daten eher annehmen, daß das Präfix miß- auf das Verb missen zurückzufuhren ist, so präferieren die Wörterbücher die umgekehrte Ableitungsrichtung. Die Semantik des Ausdrucks beginnt bei 'verwechselt, vertauscht' und entwickelt zum Mhd. hin zahlreiche Varianten: 'verschieden', 'zahlreich', 'abweichend', 'gewechselt', 'verkehrt, falsch', 'übel, schlecht, böse', 'nicht' (vgl. Richter 1963:314ff.). Zum Nhd. hin ist eine Verengung des Bedeutungsbeitrags von miß- in Wortbildungen zu 'nicht', 'übel, schlecht' und 'falsch, verkehrt' zu konstatieren, nur in einem Fall ( m i ß f a r b i g ) tritt noch die Variante 'verschieden' auf.

2.3 Zur Geschichte der miß- Verben Die geschilderten Probleme bei der Akzentzuordnung und bei der Trennbarkeit führten zu Unsicherheiten im Gebrauch von miß- Verben. Das zeigt sich u.a. bei Adelung in dessen Wörterbuch. Das Merkmal der Trennbarkeit bzw. Nichttrennbarkeit stimmt normalerweise überein mit der Position des Wortbildungsakzents auf miß- bzw. auf dem Verbstamm. Allerdings wird der Akzent bei Adelung im Einzelfall anders zugeordnet als wir dies heute tun würden. So liegt er nach Adelung bei den transitiv gebrauchten Verben ("Activa" in der Diktion von Adelung) ' mißachten, 1 mißbilligen, 1 mißbrauchen, 1 mißdeuten, ' mißgönnen, 1 mißkennen und ' mißleiten auf miß-, doch erklärt sie Adelung für untrennbar. Möglicherweise hat er sie fiir Ableitungen aus einer substantivischen Zusammensetzung gehalten. - Bei den entsprechenden intransitiven Veiten (bei Adelung "Neutra" genannt) liegt der Akzent ebenfalls auf miß-, das ge- des Part.II wird eingeschoben, aber sie sind ebenfalls untrennbar dies gelte für 1 mißarten, 1 mißbiethen, 1 mißgehen, 1mißglücken, 'mißgreifen, 'mißlauten, 1mißrechnen, 'mißschwören, 'mißthun, 1mißtönen, 1mißtreten. Das Verb mißhandeln ordnet Adelung beiden Gruppen zu, da es sowohl transitiv als auch intransitiv gebraucht werden könne. Man sieht also: die Zahl der Verben mit miß- als Erstbestandteil ist deutlich größer als heute, und die zugeordneten Eigenschaften differieren beträchtlich. Möglicherweise geht Adelung hierbei mehr normierend als deskriptiv vor. Grimm konstatiert in Bd. 12, Sp.2275 fiir die Verben mit einfacher Basis eine Akzentverschiebung auf das miß-, so bei miszbrauchen und miszhandeln. Allerdings werden die Akzente bei den einzelnen Verben nicht explizit angegeben, man kann sie nur aufgrund der Form des Part.II erschließen; gerade hier werden aber oft Doppelformen angegeben. Dazu kommt, daß Grimm insgesamt 110 wwz-Verben verzeichnet, damit deutlich mehr als heute gebräuchlich. Nur miszinterpretieren kennt er nicht. Eingeschobenes ge- wird konstatiert für miszformen, miszfugen, miszfuhlen, miszgreifen, miszkaufen, miszpaaren, miszschajfen, misz-

34

Hans Altmann

schätzen, miszschildern, misztasten, miszüben, miszwenden, miszzeichnen. Über die Trennbarkeit kann keine zweifelsfreie Aussage gemacht werden. Vermutlich hält Grimm sie aber für untrennbar. - Für elf Verben werden Formen mit und ohne eingeschobenes ge- beim Part.II angegeben: miszarten, miszbilden, miszdeuten, miszgönnen, miszklingen, miszleiten, miszreden, miszscblagen, miszstimmen, miszthun, miszwachsen. Sie befinden sich wohl im Ubergang von misz- zu Verbstammbetonung. - Vorangestelltes ge- weisen im Part.II zwei Verben auf: miszbilligen, miszkennen. Sie dürften als untrennbar eingestuft worden sein. Bei vier Verben gibt Grimm alle drei denkbaren Part.II-Bildungsweisen an: miszachten (gemiszachtet, miszgeachtet, miszacbtet), miszbrauchen, miszhandeln, misztrauen. - Insgesamt elf Verben sind bei Grimm doppelt präfigiert: miszbedienen, miszbeziehen, miszerziehen, miszgebären, miszgefallen, miszgelingen, miszgeraten, miszgestalten, miszverehen, miszverstehen, miszverwandeln.4 Die heute noch existierenden miß- Verben sind also seit Adelung und Grimm fast alle von möglicher miß- zu ausschließlicher Verbstammbetonung gewechselt. Gerade deswegen ist es besonders erstaunlich, daß bei einigen von ihnen Reste des alten Musters geblieben sind, bei anderen wie z.B. mißglücken, mißgönnen, mißhandeln aber nicht. Man erhält den Eindruck, daß jedes Verb mit miß- als Erstbestandteil seine eigene Geschichte hat. Noch bei Adelung existieren drei Verbmuster, wobei die einzelnen Verben ohne erkennbaren Grund einem dieser drei Muster zugeordnet sind. Bei Grimm hingegen existieren für einzelne Verben zwei oder gar drei Muster, allerdings ohne jeden Einfluß auf die Semantik. Es handelt sich also einfach um eine Folge der großen Unsicherheit über die Formenbildung der zw//?-Verben. Darauf deutet auch die Tatsache hin, daß fast nie Beispiele mit Verberst- oder Verbzweitstellung im Präsens oder Präteritum, die eine Entscheidung bezüglich der Trennbarkeit erfordern würden, angeboten werden. Die wenigen vorliegenden Informationen weisen darauf hin, daß miß- ursprünglich als selbständiges Lexem vorlag, aber bereits im Mhd. in dieser Verwendung weitgehend ausgestorben war. Die Kombinationen von verbalen Basen mit miß- als Erstbestandteil zur Negierung und Antonymenbildung waren wohl Präfixbildungen mit dem Wortbildungsakzent auf der verbalen Basis; man vgl. dazu das Negierungspräfix un- bei Adjektiven und Substantiven. Doch war diese Bildung wegen des Kontrastakzents auf miß- bei der Antonymenbildung anfällig für eine Akzentverlagerung vom Verbstamm auf miß- (und mißentwickelte dadurch keine phonetisch abgeschwächte Form). Wegen des Fehlens eines parallelen Lexems konnten diese Verben aber nicht das Muster der Partikelverben übernehmen. Eine weitere Komplikation stellten präfigierte Verbbasen (mit ge-, ver-, zer- usw.) dar, gleichgültig, ob sie nun ursprüngliche Bildungen waren oder ob sie durch nachträgliche Einfügung eines Präfixes (um bei der inhaltlichen Differenzierung der Wortfelder durch Präfigierung die semantische Parallelität zu Verben ohne miß- wiederherzustellen) ihre Struktur erhielten. Bei Bei einigen der neueren Wörterbücher spiegelt sich teilweise noch die Vielfalt der ursprünglich wohl möglichen Formen, die aber in der Zwischenzeit im Verschwinden begriffen sind. So lassen D und U neben miß' achten auch 1 mißachten / ' mißachtete / habe ge' mißachtet gelten, also genau die bei Adelung verzeichneten Formen. P fuhrt als Part.II noch das bei Grimm neu dazugekommene 'mißgeachtet an. Bei miß'brauchen gibt P ganz nach Adelungs Schema noch ge'mißbraucht an, aber auch das nur bei Grimm verzeichnete 'mißgebraucht. Uber die erwähnten Fälle hinaus könnten noch viele ähnlich gelagerte Beispiele angegeben werden, die die unkritischen Ubernahmen aus Adelung und Grimm eindrucksvoll belegen.

miß- als Wortbildungsbestandteil

35

diesen Verben mußte wohl zu allen Zeiten der Akzent auf miß- liegen (wie heute bei unterbelichten, überversorgen), ohne daß sie ins Muster der (trennbaren) Partikelverben übergewechselt wären. Diese Formen sind jedoch syntagmatisch äußerst ungünstig, nicht nur wegen ihrer Länge, sondern auch wegen der Akzent- und Trennbarkeitsproblematik. Dieses Nebeneinander mehrerer formaler Wortbildungsmuster bei einem Wortbildungselement miß- und einer semantischen Funktion (Negierung)s wurde zur Gegenwart hin radikal vereinfacht: nur einige Beispiele mit Simplexverb als Basis und Akzent auf dem Verbstamm, also die reinen Partikelpräfixverben der ersten Gruppe und damit das syntagmatisch einfachere Muster, überlebten, die anderen wurden, bedingt vielleicht auch durch ihre niedrige Frequenz, zunehmend gemieden bis hin zum Aussterben. Daß auch miß-Verben ohne eingeschobenes Präfix untergingen, resultiert wohl aus der Doppeldeutigkeit des Part.II mit eingeschobenem ge-; mißgebraucht z.B. konnte zu trennbarem 1 mißbrauchen gehören, aber auch zu trennbarem oder untrennbarem ' mißgebrauchen. Damit ergab sich eine radikale Vereinfachung des Paradigmas. Paradigmatisch regulär ist die erste Gruppe, weil hier das miß-Verb semantisch auf das unpräfigierte Grundverb bezogen ist. - Bei der zweiten Gruppe von mißbrauchen usw. wird die paradigmatische Irregularität in Kauf genommen. Gegen diese Vereinfachung verstoßen mißbehagen, das aber schon äußerst selten geworden ist, dann mißinterpretieren (es wird nicht in die Überlegungen einbezogen, da es sich wahrscheinlich um eine Übernahme aus dem Englischen handelt, die sich wohl an das Muster der deutschen doppelt präfigierten Verben anlehnt) und mißverstehen, das sein Überleben evtl. seiner vergleichsweise hohen Frequenz verdankt. Hier stellen sich uns die Fragen, die Werner 1977:279 schon gestellt hat: "Warum werden aber einige einmalige Alternanzen nicht von Analogien erfaßt? Wieso sparen die Analogien bisweilen gerade einen Fall aus? Und warum gerade diesen?"

3. miß- als Bestandteil von Substantiven Bei den Substantiven (und Adjektiven) sind Bildungen mit Miß- als Erstglied kein so großes Problem, weil die Akzentuierung von Miß- nicht zur syntagmatischen Schwierigkeit der Trennbarkeit führt. In vielen Fällen stand zudem die Uminterpretation als denominale Bildung offen. So haben viele ausgestorbene miß-Verben ihre zugehörigen Substantive und Adjektive im gegenwärtigen System zurückgelassen. Derzeit dürfte es noch ca. 45 Substantiva mit Miß- als Erstbestandteil geben. Davon sind 20 in allen fünf überprüften Wörterbüchern erfaßt. 13 sind in vier Wörterbüchern, zwei in drei Wörterbüchern und sechs in zwei Wörterbüchern verzeichnet, vier in nur einem Wörterbuch. Die Akzenturteile sind hier weitgehend unproblematisch. Die drei nur in M erwähnten Substantive Mißform, Mißurteil, Mißverstand werden hier nicht berücksichtigt, da sie wohl nicht mehr gebräuchlich sind. - In den folgenden Tabellen ist nur der Bezug auf die verbalen Basen vorherrschend; sonstige Wortbildungsmerkmale werden bewußt vernachlässigt. 5

Bei neun der 15 derzeit noch gängigen mi/?-Verben liegt negierende Funktion vor. Bei fünf dieser Verben ist allerdings Lexikalisierung zu beobachten. In weiteren fünf Fällen liegt miß- in der Bedeutung 'falsch, verkehrt' vor, in einem Fall bedeutet es 'übel, schlecht'. Dabei hat sich der Anteil der Verben mit negierender Bedeutung seit Grimm vervielfacht.

36

Hans Altmann

3.1 Synchron noch als deverbal empfundene Substantiva Darunter sind Substantiva auf -ung und solche, die der Form des Infinitiv I entsprechen: Substantiv

Wörtabücher Akzent auf Bedeutung Plural? Miß- Stamm NEG "falsch' 'übel'

Basisverb

Mißachtung

B, D, M, P, U B,D,U B,M

X

nein

Mißbilligung

B,D,M,P,U

alle

X

nein? mißbilligen

Mißdeutung

B,D,M,U

alle

X

Mißleitung

B,D,U

alle

X

Mißhandlung

B,D,M,P,U

M

Mißbrauch

B,D,M,P,U

alle

Mißfallen

B,D,M,P,U

mißdeuten

ja ja?

mißleiten

X

ja

mißhandeln

X

ja nein

mißbrauchen

> ?

alle sonst ?

alle

mißachten

mißfallen

Mißlingen

P,U

nein

mißlingen

Mißtrauen

B,D,M,P,U

alle

>

nein

mißtrauen

Mißbehagen

B,D,M,U

alle

>

nein

?mißbehagen

Mißverständnis

B,D,M,P,U

alle

ja

mißverstehen

alle

X

Bei den Akzentangaben zu Mißbilligung, Mißdeutung und Mißleitung irren sich wohl alle Wörterbücher. Mindestens wäre Miß'billigung bzw. Mißdeutung bzw. Miß' leitung hinzuzufügen. Dann wäre wohl auch die Zuordnung zu den entsprechenden Partikelpräfixverben unproblematisch. - M führt als eigenes Stichwort 'Mißhandlung 'falsche Handlung' auf, wohl in Anlehnung an Adelung (Bd.3, Sp.225) und Grimm (Bd. 12, Sp.2297f.). Heute ist es sicher nicht mehr im Gebrauch. Doch könnte seine frühere Existenz verhindert haben, daß sich bei Miß'handlung der Akzent auf das Miß- verlagerte. - Bei den Substantiva, die verbalen Infinitiven zuzuordnen sind, verschiebt sich hingegen bisweilen der Akzent: miß'fallen - 'Mißfallen, miß'trauen - 'Mißtrauen (eine Erscheinung, die auch sonst zu beobachten ist). Grimm verzeichnet außer Misxbrauch (Bd. 12, Sp.2278f.) auch Miszgebrauch (Sp.2286). Das zugehörige Verb miszgebrauchen ist ebenso ausgestorben. Ein Kompositum zur Basis Brauch scheint aufgrund der Bedeutung ausgeschlossen. - Das Verb mißfallen ist sowohl bei Adelung als auch bei Grimm stammbetont. Mit einer Akzentverschiebung beim Verb ist also die Akzentposition beim Substantiv nicht zu erklären. Von der Semantik her würde man das Substantiv gern auf gefallen Imißgefallen beziehen. Vorsilbenverlust ist bei solchen Bildungen nicht ungewöhnlich. In diesem Fall wäre die Bedeutungsfunktion von miß- rein negierend. - Daß bei Mißlingen der Akzent des parallelen Verbs unverändert beim Substantiv vorliegt, ist besonders erstaunlich mit Blick auf mißfallen - 'Mißfallen. Aber auch hier würde man wegen der Semantik das Substantiv lieber auf ein Verb mißgelingen beziehen. In diesem Fall wäre die Bedeutungsfunktion von miß- rein negierend. Man könnte aber auch vermuten, daß es sich nicht um eine lexikalische, sondern eine grammatische Konversion, also eine aktuelle Substantivierung ohne Akzentverlagerung, handelt. - Bei Mißtrauen könnte ein alter Verbakzent als Erklärung herangezogen werden: Adelung gibt zwar die Akzentuierung mit miß'trauen an, aber bei Grimm (Bd. 12, Sp.2275) heißt es: "nur misz trauen hält sich noch mehr gegen misz trau en." - Bei Mißbehagen wäre wegen des echten Präfixes be- eine andere Akzentuierung gar nicht möglich. Bei diesem Substantiv könnte es sich sowohl um eine Bildung aus miß- und Behagen als auch um eine Substantivierung von mißbehagen handeln. - Bei Mißverständnis handelt sich um eine Ableitung vom Part.II von mißverstehen. Der Akzent auf Miß- ist bedingt durch die Kombination mit dem Präfix ver-.

37

miß- als Wortbildungsbestandteil

3.2 Ursprünglich deverbale Substantiva, die zu denominalen uminterpretiert wurden Synchron existieren zu den folgenden Substantiva keine parallelen Veiten, von denen sie abgeleitet sein könnten. So ist man geneigt, sie als desubstantivisch zu klassifizieren. Im Laufe der Sprachgeschichte allerdings hat es bei fast allen parallele Verben gegeben, von denen sie (wahrscheinlich) abgeleitet wurden. Substantiv

Wörterbücher

Mißbildung

B,D,M,U

Bedeutimg

Akzent auf Miß-

Plural? verbale Basis

Stamm NEG 'falsch' 'Übel'

alle

X

ja

[miszbilden]

ja

[miszemgfinden]

Mißempfindung B,D

alle

Mißstimmung

B,D,M,P,U

alle

Mißweisung

B,D,M,U

alle

Mißartung

B,M

M

Mißgunst

B,D,M,P,U

alle

Mißgeburt

B,D,M,P,U

alle

?

X

ja

[?miszgebáren]

X

ja

[miszgreifen]

X X

ja [;miszstimmen] nein [miszweisen]

X

ja [miszarten] nein ?mißgönnen

X

B X

Mißgriff

B,D,M,P,U

alle

?

Mißklang

B,D,M,P,U

alle

}

X

Mißwuchs

B,D,M,U

alle

X

X

ja [;miszklingen] nein [miszix>achsen\

Mißviachs

M,U

alle

X

X

nein

Grimm bietet als parallele Verben miszbilden (Bd. 12, Sp.2278), miszemfßnden (Bd. 12, Sp.2283), miszstimmen (Bd. 12, Sp.2311f.), misziueisen (Bd. 12, Sp.2322) und miszarten (Bd. 12, Sp.2276) an, ohne jeweils den Wortakzent anzugeben. Da er immer auch zwei Part.Perf.-Formen erwähnt (also sowohl miszgebildet als auch miszbildet, miszgeartet und miszartet usw.), lassen sich auch daraus keine eindeutigen Schlüsse auf die Akzentposition ziehen: miszgebildtt würde auf einen Akzent auf misz- deuten (nach dem Muster der Partikelverben), miszbildet dagegen auf einen Akzent auf dem Verbstamm (nach dem Muster der (Partikel-)Präfixverben). Damit läßt sich auch über die Entwicklung des Substantivakzents nichts sagen. Bei miszemßfinden darf man wegen der Kombination mit dem echten Präfix ent- davon ausgehen, daß miß- betont war. - Bei misziueisen gibt Grimm als Bedeutung 'falsch weisen' an, und nur das paßt zur heutigen physikalischen Bedeutung 'Nadelabweichung, Deklination'. - Bei 'müxmrten setzt Adelung den Akzent auf misz-, - miszgetären wird bei Adelung (Bd.3, Sp.223) und Grimm (Bd. 12, Sp.2286) verzeichnet. Der Akzent auf Miß- läßt sich durch die Kombination mit dem Präfix ge- erklären. Synchron würde man eher an Determinativkomposita aus Miß- und Gunst bzw. Geburt denken. Das Substantiv Mißgriff ist synchron als Komposition aus miß- und Griff zu interpretieren. Grimm verzeichnet allerdings miszgreifen (Bd. 12, Sp.2293) mit dem Part.II miszgegriffen, also war das Substantiv wohl ursprünglich eine deverbale Bildung von einem Partikelverb mit dem Akzent auf misz-. - Bei MißUmng handelt es sich synchron um eine Komposition aus miß- und Klang. Bei Grimm (Bd. 12, Sp.2301f.) ist noch ein Verb miszklingen verzeichnet mit den Part.II-Formen miszgehlungen und miszklungen. Der Akzent kann also sowohl auf misz- wie auch auf dem Verbstamm plaziert gewesen sein. Aus der Bedeutungsangabe könnte man schließen, daß Grimm das Substantiv als primär und das Verb als abgelötet betrachtet. - Bei Mißv>ucbt handelt es sich synchron um ein Kompositum aus miß- und Wuchs. Grimm allerdings verzeichnet (Bd. 12, Sp.2322) das Verb misziuachsen sowohl mit den Part.II miszgeiuachsen als auch miszwacbsen.

38

Hans Altmann woraus man auf zwei Akzentuierungsmöglichkeiten schließen kann. Das Substantiv war also historisch wohl deverbal gebildet. - Mißwuchs schließlich ist ein Fachterminus aus der Landwirtschaft. Synchron ist eine Bildung aus miß- und Wachs nicht zu denken. Grimm (Bd.27, Sp.62f.) hingegen kennt dieses Substantiv noch. Eine deverbale Bildung vom Verb mtszwaebsen (s.o.) ist aber auch denkbar.

Aufgrund der Akzentposition auf Miß- bei allen diesen Substantiva würde man wegen des synchronen Befunds eher darauf schließen, daß es sich nicht um deverbale Sufligierungen handelt, sondern um Determinativkomposita mit dem Determinans Miß- und einem substantivischen Determinatum. Wenn man von dem Problem absieht, Miß- als Kompositionsglied glaubhaft zu machen (Um welches Lexem handelt es sich dabei? Welche Kategorie soll man ihm zuweisen? Evtl. Verb?), ist damit die Anlagerung an ein stabiles Wortbildungsmuster gelungen.

3.3 Erhaltene ursprünglich denominale Substantiva Das Basis-Substantiv kann dabei durchaus deverbal sein. - Ich besitze keine Informationen, ob diese alten desubstantivischen Bildungen ein eigenständiges Muster unabhängig von den verbalen Bildungen waren, und in welcher zeitlichen Relation es zu diesen steht. Substantiv

Wörterbücher Akzent auf Miß-

Mißerfolg

B, D, M, P, U alle

Mißgeschick

B,D,M,P,U

alle

Mißstand

B,D,M,P,U

alle

Mißverhältnis

B,D,M,P,U

Bedeutung

Plural? nominale Basis

Stamm NEG 'falsch' 'übel' ja

Erfolg

X

ja

Geschick

X

ja

Stand

X

Verhältnis

alle

X

X

Mißmanagement U

alle

X

X

ja nein

Management

Mißbefinden

B,D,U

alle

X

nein

Befinden

Mißvergnügen

B,D,M,U

alle

nein

Vergnügen

Mißkredit

B,D,M,P,U

alle

X

nein

Kredit

X

nein

Mißwirtschaft

B, D, M, U

alle

Mißlaut

B, D, M, U

alle

Mißernte

B,D,M,U

Mißfarbe

M,U

?

?

Wirtschaft

X

ja

Laut

alle

X

ja

Ernte

alle

X

ja

Farbe

Mißheirat

B, D, M, P, U alle

X

ja

Heirat

Mißjahr

M

alle

X

Mißlaune

M

alle

X

ja ja?

Laune

Mißmut

B,D,M,P,U

alle

X

nein

Mut

Mißton

B,D,M,U

alle

?

ja

Ton

Jahr

39

miß- ais Wortbildungsbestandteil

Mißvergnügen dürfte aus Miß- + Vergnügen, nicht zu mißvergnügt gebildet sein. - Bei Mißbeirat wäre auch die Ableitung von miszheiraten denkbar, das bei Grimm (Bd. 12, Sp.2298) verzeichnet ist. Das Basisverb heiraten aber ist denominal. - Mißton ist nicht, wie man denken könnte, von mißtönen (vgl. Grimm Bd. 12, Sp.2313) abgeleitet, sondern umgekehrt mißtönen von Mißton. - Bei Mißmmt könnte man auch an eine Zuordnung zu mißmutig denken, bei Mißfarbe an eine Zuordnung zu mißfarbig.

3.4 Deadjektivische Substantiva auf -beit, -keit, - 0

Substantiv

Wörtobücher

Akzent auf Miß-

Bedeutung

Plural? adjekt. Basis

Stamm NEG •falsch' 'übel'

Mißgelauntheit D,U

alle

X

nein? mißgelaunt

MißbeschaffenheitU

alle

X

nein

Mißhelligkeit

B,D,M,P,U

alle

X

Mißlichkeit

B, D, M, U

alle

X

Mißliebigkeit

B,D,M,U

alle

X

Mißgestalt

B,D,M,U

alle

X

tmißbeschaffen

ja (v.a.) mißheilig ja

mißlich

nein? mißliebig Ja

?mißgestalt

Bei Mißbettbaffenbeit läßt sich nicht entscheiden, ob eine Bildung aus miß- und Beschaffenheit oder aus mißbeschaffen und -heit vorliegt. - Beim Substantiv Mißgutalt ist nicht zu entscheiden, ob es die Substantivierung des Adjektivs mißgestalt darstellt, oder ob es sich um eine rein substantivische Bildung in der Art eines Determinativkompositums zur Basis Gestalt handelt. Diese letzte Analyse ist synchron aus semantischen Gründen plausibler.

3.5 Ergebnis der Einzelanalysen Die Übersicht zeigt ein buntes Gemisch von Eigenschaften. Ich will mich hier auf den Wortbildungsakzent konzentrieren. Nur bei zwei deverbalen Substantiven, nämlich Mißhandlung und Mißlingen, liegt der Akzent zweifelsfrei nicht auf miß-. In fünf Fällen kann der Akzent sowohl auf miß- als auch auf der verbalen Basis liegen. Weitaus die meisten, nämlich 38, werden auf dem Erstglied betont. Die Wortbildungsanalysen zeigen, daß die Substantive mit miß- teils Ableitungen von Verben und Adjektiven sind, die schon miß- enthalten, teils selbständige Bildungen aus mißund einem Basisnomen. Aus rein synchroner Perspektive sind 13 deverbal, sechs deadjektivisch, 25 sind aus miß- + Nomen gebildet. Bei diachroner Perspektive hingegen sind 22 Substantiva deveibal, sechs deadjektivisch, 17 bestehen aus miß- + Nomen. Das liegt daran, daß acht Verben, die als Ableitungsbasen in Frage kommen, im Laufe der Sprachentwicklung ausgestorben sind. Die von Verben und Adjektiven mit miß- abgeleiteten Substantive übernehmen die Bedeutung ihrer Basis. Dabei transportiert miß- in ca. acht Fällen die Bedeutung 'übel, schlecht', ca. sechsmal dient es zur Bezeichnung des Falschen, Verkehrten. Bei ca. acht Substantiven wurde die negierende Funktion von miß- von der Basis übernommen. - Bei den Bildungen

40

Hans Altmann

aus miß- + Substantiv dient miß- ganz überwiegend der "taxierenden Bewertung" (Drosdowski et al. 1984: § 833). In ca. zwölf Fällen bedeutet es 'übel, schlecht', einmal 'falsch, verkehrt'. Bei zwei Substantiven lassen sich diese beiden Bedeutungen nicht mehr trennen, zweimal liegt negierende Funktion von miß- vor.

3.6 Zum Status von miß- bei Substantiven Noch im Mhd. gibt es ein starkes Femininum misse, mis 'das Fehlen, Mangeln' (Lexer 1986, unter dem Lemma miss, mis). Danach liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei den nicht deverbalen Substantiven mit Miß- um Determinativkomposita aus Misse und Nomina handelt. Dagegen spricht allerdings die Semantik: die Lesart, die der oben angegebenen mhd. Bedeutung wohl am nächsten liegt, nämlich die Negation 'nicht', liegt nur bei zwei solchen Substantiva vor. Danach ist es wahrscheinlicher, daß miß- bei den Substantiven auf die gleiche Partizipialform zurückgeht wie miß- bei den Verben. Damit ließen sich alle Lesarten, die bei Substantiva vorkommen, zwanglos erklären. Dementsprechend hätte es sich ursprünglich um Determinativkomposita aus Verbform und Substantiv gehandelt. Dazu würde auch die Akzentposition, an der sich seit dem Mhd. nichts mehr geändert hat, passen. Weinrich 1993: 949, Fleischer/Barz 1992:201 und Drosdowski et al. 1984: § 832 sprechen jedoch von einem Substantivpräfix. Diese Einstufung ist schwer zu widerlegen, da bei (negierendem) miß- auch Kontrastakzent (Antonymenbildung) auftreten kann, aber nicht muß (normale Präfixe erhalten nicht den Akzent) und da man kein paralleles selbständiges Lexem (um die anfechtbare Einstufung 'freies Morphem' zu vermeiden) in annähernd der gleichen Bedeutung finden kann. Bei der Berücksichtigung sprachgeschichtlicher Daten ist aber die Einstufung als Determinativkompositum (wie bei Henzen 1965:73) plausibler. Allerdings hat sich nur bei Missetat die alte Form misse- erhalten. - Analogische Neubildungen, z.B. Mißurlaub, Mißkauf (wie sie bei Zuordnung zu Determinativkomposita eigentlich möglich sein müßten), sind synchron kaum denkbar. Aber auch der Verlust entsprechender Substantiva ist wenig wahrscheinlich, so daß man von einem ziemlich stabilen Restbestand sprechen kann.

4. Adjektive Es existieren nur noch ca. 27 Adjektiva mit miß- als Erstglied. Um den sprachgeschichtlichen Status einschätzen zu können, müßte man auch Adjektiv-Eigenschaften wie Komparierbarkeit und mögliche syntaktische Funktionen (attributiv/adverbial/prädikativ) berücksichtigen. Wenn ich die entsprechenden Informationen ebenso wie genauere Angaben zur Art der Wortbildung hier weglasse, dann deswegen, weil eine befriedigende Behandlung sehr viel Aufwand (vor allem im Umfang) erfordern würde, ohne zur Klärung der hier zentralen Themen wesentlich beizutragen.

miß- als Wortbildungsbestandteil

41

4.1 Das Adjektiv ist eine denominale Bildung (SufFigierung mit -lieh, -iscb, -ig, -eri) Adjektiv

Wörtobücher Akzent auf

Bedeutung

subst. Basis

miß- Stamm NEG •falsch' 'übel' mißbräuchlich B,D,M,P,U

alle

mißtrauisch

B,D,M,U

alle

X

mißfällig

B,D,M,P,U

alle

X

mißlaunig

B,D,M,U

alle

X

Mißlaune

mißmutig

B,D,M,P,U

alle

X

Mißmut

mißtönig

B,D,U

alle

X

Mißton

mißförmig

B,D,M

alle

X

*Mißform

mißfarbig

B,D,M,U

alle

X

Mißfarbe

mißgünstig

B,D,M,U

alle

mißfarben

B,D,U

alle

Mißbrauch

X

Mißtrauen Mißfallen

X

"vendi*

Mißgunst

X X

Mißfarbe

Nimmt man bei mißbräuchlich das Substantiv 'Mißbrauch als Basis der Ableitung an, dann erklären sich Akzentposition und Umlaut problemlos. Nähme man miß1 brauchen als Basis an, dann hätte man mit beiden Punkten Probleme. Nach den Angaben bei Grimm (Bd.2, Sp.320f.) könnte auch das damals noch vorhandene bräuchlich i.S.v. gebräuchlich die Basis fllr die Bildung mit miß- sein, eine Deutung, die synchron ausgeschlossen ist. Diese Argumentation gilt analog für mißtinend und für das veraltende mißfUKg. Allerdings läßt sich bei mißfällig (wie bei imßgütutig und mißflrmig) der Umlaut nicht problemlos erklären. Grimm verzeichnet übrigens neben mißfiillig auch mißgefällig (Bd. 12, Sp.2284 u. 2287), so daß man an eine Basis gefällig denken könnte. Es handelt sich aber wohl nur um eine Parallelform. - Bei imßUnnig könnte man auch an eine Bildung aus miß- und launig denken, doch scheidet das - zumindest synchron - aus semantischen Gründen aus. - Bei mißmutig ist Mut, beruhend auf dem mhd. Gebrauch, nicht i.S.v. Tapferkeit' gebraucht, sondern mit der Bedeutung 'Gesinnung, Stimmung'. Daraus ergibt sich die negierende Bedeutung für miß- in dieser Verwendung. - mißfSrmig ist selten und stilistisch markiert. Das Substantiv Miszform ist bei Grimm (Bd. 12, Sp.2285) noch verzeichnet, doch auch das Verb miszformen (Bd. 12, Sp.2285). - mißfarhig wird als hochsprachlich und sehr selten bezeichnet. Das Adjektiv könnte sowohl von Mißfarbe abgeleitet sein als auch aus miß- und farbig gebildet.

4.2 Das Adjektiv ist eine deverbale Bildung (SufFigierung mit -ig und -lieh) Bei zwei der nachfolgend aufgeführten Adjektive ist das Basisverb ausgestorben; damit sind sie synchron nicht mehr analysierbar. Das Suffix -ig weist sie aber als denominale oder deverbale Adjektiva aus. Eine mögliche nominale Basis existiert jedoch nicht.

42

Hans Altmann Adjektiv

Wörtetbücher

A k z e n t auf miß-

Bedeutung

Stamm N E G

mißheilig

B,M,P

alle

mißliebig

B,D,M,P,U

alle

X

mißbehaglich

B,D,M,U

alle

X

mißverständlich

B,D,M,P,U

alle

'falsch'

verbale Basis 'übel' xL

[miszhellen] [miszbelieben] imißbehagen ?mißverstehen

X

Das Verb muzheUen wird bei Grimm (Bd. 12, Sp.2298) erwähnt, es ist wie das Adj. sehr alt (vgl. Lexer 1986, s.v. misse-, mis-). Das Verb bedeutet mhd. Verschieden tönen1. - Bei mißliebig lautet die alte Form mißbeliebig (Drosdowski et al. 1989a, s.v. miß-). Dazu führt Grimm (Bd. 12, Sp.2277) das Verb miszbelieben an. Es wäre aber auch die Ableitung miß- + beliebig denkbar. - mißbehaglich ist sehr selten, bereits durch unbehaglich verdrängt. Ob es sich um eine deverbale Bildung oder um eine Bildung aus miß- und behaglich handelt, kann nicht eindeutig entschieden werden. - Auch bei mißverständlich läßt sich nicht entscheiden, ob es sich um eine deverbale Bildung von mißverstehen oder um eine Verbindung von mißund verständlich handelt.

4 . 3 D a s Adjektiv ist diachron betrachtet das Partizip eines ausgestorbenen

miß-Verbs

Synchron sind die folgenden Wörter Adjektive, w e n n sie auch aufgrund ihrer F o r m als Partizipien erkennbar sind. Parallele Verben existieren aber synchron nicht mehr.

Adjektiv

Wörterbücher

A k z e n t auf miß-

mißartet

B

Stamm N E G

Bedeutung 'falsch'

X

?

Basis 'übel' X

[miszarteri]

X

[miszbilden]

mißgebildet

B,D,M,U

alle

mißgestaltet

B,D,M,U

alle

X

[miszgestalten]

mißgestimmt

B, D , M , P, U

alle

'schlecht'

[miszstimmen]

mißgewachsen

B,D,U

alle

mißwachsen

B,D,M,U

M

mißtönend

B,D,U

alle

X

B,D,U X

X X

[miszwachsen]

X

[misztönen]

mißartet ist sehr selten. Adelung (Bd.3, Sp.220) und Grimm (Bd.12, Sp.2276) verzeichnen noch das Verb miszarten. Adelung plaziert den Akzent auf miß-, Grimm rechnet aufgrund der angegebenen Partizipialformen offenbar mit Akzent sowohl auf miß- wie auf -artet. - Zu mißgebildet verzeichnet Grimm (Bd. 12, Sp.2278) noch das Verb miszbilden, bei dem er wieder, wenn man die angegebenen Partizipialformen berücksichtigt, beide möglichen Akzentpositionen unterstellt. - Bei mißgestaltet handelt es sich diachron gesehen um das Part.II des heute nicht mehr vorhandenen, bei Grimm (Bd.12, Sp.2290) aufgeführten Verbs miszgestalten, und zwar wohl auf misz- betont. - In mißgestimmt liegt diachron gesehen das Part.II des bei Grimm noch eidstierenden Verbs miszstimmen vor. Wieder sind zwei Partizipialformen und damit zwei mögliche Akzentpositionen angegeben. - Das Adjektiv mißgewachsen ist selten. Synchron könnte man am ehesten an eine Bildung aus miß- und gewachsen denken. Diachron liegt das Part.II des bei Grimm (Bd.12, Sp.2322) noch aufgeführten Verbs miszwachsen vor. - Bei mißvoachsen handelt es sich

miß- als Wortbildungsbestandteil

43

diachron gesehen um das Pait.II des bei Grimm (Bd. 12, Sp.2322) noch aufgeführten Verbs misz-machsen. Da Grimm wieder zwei Part.II-Formen angibt, ist wohl von zwei möglichen Akzentpositionen auszugehen. - Bei imßtinend liegt diachron betrachtet das Part.I des bei Adelung (Bd.3, Sp.227) und Grimm (Bd. 12, Sp.2313f.) noch verzeichneten Verbs mißtönen vor. Adelung betont 'mißtönen, über den Akzent bei Grimm läßt sich keine Aussage treffen.

4.4 Das Adjektiv ist eine Bildung aus miß- und einem Adjektiv (ohne miß-) Adjektiv

Wömeibücher

Akzent auf miß-

Bedeutung

Stamm NEG

adjekt. Basis

'falsch' 'Übel'

mißbeschaffen

M,U

alle

X

beschaffen

mißgelaunt

B,D,M,U

alle

X

gelaunt

mißvergnügt

B,D,M,U

alle

mißgestalt

B,D,M,U

alle

X

?

mißzufrieden

D,U

alle

vergnügt

X

zufrieden

X

mißbttcbaffen ist selten. Das Zweitglied wird synchron als Adjektiv gewertet, ist aber historisch gesehen das Part.II zu dem mhd. Verb beschaffen. - Bei mißgelaunt gilt gelaunt synchron als Adjektiv, ist aber eigentlich das Part.II des ausgestorbenen Verbs launen, das bei Grimm (Bd. 12, Sp.347f.) noch verzeichnet ist. - Bei mißvergnügt ist vergnügt ursprünglich das Part.II zu vergnügen. - mißgestah ist sehr selten. Diachron gesehen handelt es sich um das Part.II zu ahd. stellen.

4.5 Sonderfall: mißlich Adjektiv

WöttEibücher

Akzent auf miß-

mißlich

B,D,M,P,U

alle

Stamm NEG

verbale Basis

Bedeutung 'falsch' 'übel'

??

?missen

Möglich erscheint eine Einstufung als Suffigierung auf -lieh. Nach Drosdowski et al. 1989a (s.v. mißlich) wurde zu dem gemeingermanischen Adj. 'ga-liia 'dieselbe Gestalt habend' als Gegenwort 'missa-lika 'verschiedene Gestalt habend' gebildet. *lika 'Körper, Gestalt' war ein Substantiv, so daß *missa-lika ein durch Komposition aus der bereits erwähnten Partizipialfonn missa- und *lika entstandenes Substantiv ist. Dieses Substantiv wurde dann durch Konversion zum Adjektiv. Über got. missaleiis, ahd. missalih, mhd. misselich entwickelte es sich zum heutigen mißlich. - Die Semantik ist nur noch diachron zu klären. Ausgehend von der ursprünglichen Bedeutung 'verschiedene Gestalt habend' konnte mißlich bis ins 19. Jh. 'etwas, was verschiedenartig ausgehen kann' bezeichnen. Durch Bedeutungsverengung entwickelt sich die heutige Bedeutung von mißlich.

44

Hans Altmann

4.6 Ergebnis der Einzelanalysen Der größte Teil der Adjektiva ist stilistisch markiert und selten. Nur zwei von den 27 Adjektiven werden nicht auf miß- betont. Dabei handelt es sich um Adjektive, die ursprünglich Part.II-Formen ausgestorbener OT¿^-Verben sind (miß'artet, miß*-wachsen). - Synchron gesehen sind von den besprochenen 26 Adjektiven zwölf denominal, zwei deverbal, vier sind aus miß- und Adjektiven, drei aus miß- und dem Part.II eines Verbs (ohne miß-) gebildet. Fünf Adjektive sind nicht mehr analysierbar. Also liegt ein Wortbildungsmuster vor, das ursprünglich kein adjektivisches Wortbildungsmuster war. Die behandelten Adjektiva sind aber auch nicht primär deverbal, sondern allenfalls über nominale Zwischenstufen. - Aus diachroner Perspektive erweisen sich zehn Adjektive als denominal, vier als deverbal und sieben als Part.II eines miß-Verbs; viermal tritt miß- zum Part.II eines Verbs ohne miß-. Daraus folgt, daß miß- nur in sehr beschränktem Umfang zu Adjektiven treten kann, und dabei wohl bevorzugt zum adjektivisch gebrauchten Part.II von Verben (ohne miß-). Es konnte kein einziger Fall ermittelt werden, in dem miß- sich mit einem nicht-abgeleiteten Adjektiv verbunden hätte. Die /»¿^-Adjektiva bei Adelung und Grimm unterstützen diese Annahme: Adelung verzeichnet (außer mißlich) acht Adjektive, von denen vier denominal und drei deverbal sind. Nur einmal (mißvergnügt) liegt eine Bildung aus miß- und dem Part.II eines Verbs (ohne miß-) vor. - Grimm fuhrt (mißlich nicht mitgezählt) 59 Adjektive an, unter denen 30 denominale und 21 deverbale Ableitungen sind. Bei den acht nicht-abgeleiteten Adjektiven verbindet sich miß- in allen Fällen mit dem Part.II eines Verbs (ohne miß-). Bei den denominalen und deverbalen Adjektiven wird in neun Fällen von der Basis die Bedeutung 'übel, schlecht', in zwei Fällen die Bedeutung 'falsch, verkehrt' übernommen. Bei vier Adjektiven sind diese Bedeutungen nicht voneinander zu trennen. Fünfmal hat mißnegierende Funktion. Bei einem Adjektiv (mißfarbig) wird die alte Bedeutung 'verschieden' vom Basisverb weitergegeben. - Bei Adjektiven auf der Basis von Part.II dient miß- in drei Fällen der Bezeichnung des Pejorativen ('übel, schlecht'), zweimal der Negierung.

4.7 Zum Status von miß- bei Adjektiven Es ist möglich, miß- bei Adjektiven als Präfix zu bezeichnen (so z.B. Fleischer/Barz 1992: 270, und Weinrich 1993:1013), wenn man annimmt, daß Kontrastbetonung auf miß- und Antonymenbildung vorliegt. Dies kann aber allenfalls für sieben Adjektiva angenommen werden, wenn die vorgeschlagenen semantischen Zuordnungen zutreffen. Da aber wohl davon ausgegangen werden kann, daß miß- bei Adjektiven auf die gleiche Partizipialform zurückgeht wie miß- bei Verben und bei Substantiven, müssen die nicht abgeleiteten mi/?-Adjektive als Determinativkomposita betrachtet werden; diese Interpretation steht im Einklang mit dem Akzent der Adjektive. Auch in diesem Fall erfolgt also Anlagerung an ein problemloses Wortbildungsmuster, da hier ja ebenfalls das Trennbarkeitsproblem entfällt. Dennoch ist die Bildungsweise nicht mehr produktiv. Die Zahl der gebräuchlichen Adjektive dürfte in Zukunft weiter abnehmen.

miß- als Wortbildungsbestandtei!

45

5. Zusammenfassung Das hier ausgebreitete Material läßt kaum mehr eine übersichtliche und systematische Beschreibung und Erklärung zu. Sie soll dennoch versucht werden, wobei allerdings ein Teil der Daten, v.a. diachrone Aspekte, nicht angemessen berücksichtigt werden können. Als Ausgangspunkt muß miß- als Wortbildungsbestandteil angemessen eingeordnet werden. Ich schlage eine zweifache Einordnung vor: einmal als verbales (Partikel-)Präfix ohne Wortbildungsakzent, zum anderen als Kompositionsglied mit der Kategorie Verb; vgl. dazu missen, vermissen, mißlich. Beim verbalen Präfix miß- sind allerdings einige Störfaktoren zu beachten: eine systematische negierende Bedeutung hat sich offenbar nicht herausgebildet; darauf deutet auch hin, daß die sonst bei negierenden Präfixen wie un- mögliche Kontrastbetonung wohl nicht auftritt. Zweitens ist miß- wegen des Volltonvokalismus kein typisches echtes verbales Präfix, andererseits wegen der fehlenden parallelen freien Partikelform kein typisches Partikelpräfix und keine abtrennbare Verbpartikel. Die nur bei ein bis zwei Beispielen vorliegende Akzentuierung bei Kombination mit einem echten Verbpräfix hat Parallelen, allerdings nur bei Partikelpräfixverben. - Mit diesem Ansatz ignoriert man die Tatsache, daß es historisch gesehen viele doppelt präfigierte Parallelformen mit akzentuiertem miß-, aber ohne die üblichen Eigenschaften von Partikelverben gab. Die mit miß- präfigierten Verben sind dann Basis für deverbale Substantive und Adjektive, wobei bei den Adjektiven i.d.R. eine substantivische Zwischenstufe eingeschaltet ist. Im Normalfall zeigen diese Bildungen den Wortbildungsakzent auf der Basis; bei Nullableitungen kann aber 'Akzentumsprung' auf miß- auftreten (doch könnten diese Varianten auch von nicht mehr existierenden Verben mit Akzent auf miß- abgeleitet sein). Einige Substantiva und Adjektiva sind allerdings synchron isoliert, da die entsprechenden verbalen Vorstufen nicht mehr existieren. Alle übrigen Substantiva und Adjektiva mit betontem miß- als Erstglied müssen synchron als Determinativkomposita betrachtet werden (auch wenn es historisch gesehen verbale Vorstufen gab). Leider ordnen sich die Bedeutungsbeiträge von miß- nicht entsprechend dieser Zweiteilung, etwa in dem Sinn, daß die Präfixformen zur negierenden Funktion tendieren, die Komposita zu den Bedeutungsvarianten 'falsch', 'übel', 'verschieden'. Auf diese Weise wurde eine im Lauf der Sprachentwicklung sehr instabile Situation mit möglicher Zuordnung vieler Wortbildungsprodukte zu mehreren Wortbildungstypen i.S. der syntagmatisch einfachsten Zuordnungen gelöst.

6. Anhang: Überblick über die erfaßten Wortbildungsprodukte und ihre Zuordnung In der folgenden Übersicht sind die Verben so angeordnet wie im Text. Da die Zuordnung der Substantiva zu den Verben und der Adjektiva zu den Substantiva verdeutlicht werden soll, läßt sich deren Anordnung im Text hier nicht wiederholen. - Lexeme, die den Akzent nicht auf dem miß-, sondern auf dem Stamm aufweisen, werden in einer linken Kolumne angeordnet, Lexeme mit dem Akzent auf miß- in einer Kolumne rechts. Im Grimmschen Wörter-

46

Hans Altmann

buch verzeichnete, synchron aber nicht mehr lebendige Lexeme werden in eckige Klammern gesetzt. Die angesetzten, aber nicht immer beweisbaren Wortbildungsbeziehungen werden durch Pfeile angezeigt. Die fettgedruckten Zahlen verweisen auf die entsprechenden Textabschnitte. Sie gelten für alle Wörter der betreffenden Kolumne bis zur nächsten Zahl. VERBEN

SUBSTANTIVA

2.1 (Gruppe 1) miß'achten mißbilligen miß1 deuten miß1 glücken miß'ginnen miß leiten miß'trauen

[' miszachten\ [' miszdeuten] ['miszgönnen] [' miszhandeln\ [' miszleiten] [' misz trauen]

ADJEKTIVA

-3.1 Miß'achtung Miß'billigung Miß'deutung -4.1 'mißgünstig

'Mißgunst Miß'leitung 'Mißtrauen

'mißtrauisch

'Mißbrauch 'Mißfallen

1mißbräuchlich 'mißfällig

2.1 (Gruppe 2) miß1 brauchen miß'fallen miß'handeln mißlingen miß'raten

['miszgebrauchen] ['miszgefallen] ['miszgelingen] ['miszgeraten]

Miß'handlung Miß'Ungen

2.1 (Rertgrnppe) 'mißbehagen 'mißverstehen 'mißinterfretieren ['miszbilden] ['miszemgfmden] ['miszstimmen] ['miszweisen] l'miszarten] ['miszgebären] ['miszgreifen] ['miszkiingen] [' miszivachsen]

4.2 'mißbehaglich 'mißverständlich

'Mißbehagen 'Mißverständnis 3.2 'Mißbildung 1 Mißempfindung 'Mißstimmung 'Mißweisung 'Mißartung 'Mißgeburt 'Mißgriff 'Mißklang 1Mißwuchs 'Mißwachs - 3.3 — 'Mißerfolg 'Mißgeschick 'Mißstand 'Mißverhältnis 'Mißmanagement 'Mißbeßnden

4.3 1mißgebildet 1mißgestimmt

'mißgewachsen miß'wachsen

miß- als

Wortbildungsbestandteil

47

(2.1 (Restgruppe))

[' miszheiraten]

['misztönen]

=>

4.1 'mißfarbig 'mißfarben

'Mißbeirat 'Mißjahr 'Mißlaune 'Mißmut 'Mißton

=> => =>

'mißlaunig 'mißmutig 'mißtönig

II

'mißvergnügt

4.3 ('mißtönend) 'mißgestaltet 3.4

['Mißform]

4 1

=*

mißformig

1

4.2 ['miszhellen] [' miszhelieben]

'Mißhelligkeit 'Mißliebigkeit

dn) von Bedeutung gewesen sein kann, aber auch das Frostathing, dem Nordmare mindestens teilweise die sprachliche Zugehörigkeit zum Trendelag verdanken dürfte. Auch die Übereinstimmung zwischen Dialekträumen und Bistümern lässt sich relativ gut belegen, so diejenige zwischen dem Westnorwegischen im engeren Sinn und Bergens Stift und die Affinität des zentralen ostnorwegischen Sprachraums zum Stift Hamar, während sich die frühere Zugehörigkeit Nordnorwegens zum Bistum Trondheim/Nidaros in recht zahlreichen Beispielen (Wörtern wie lamma 'lämmern', fagerhuva 'Netzmagen', turr 'galt' u. dgl.) äussert. In einzel-' nen Fällen zeigen sich auch Parallelen zwischen Dialekträumen und Fylki des 12./13. Jahrhunderts (vor allem zwischen dem Westnorwegischen im engeren Sinn und dem Höröafylki), mittelalterlichen Syslur (deutlich in dem recht markanten Sprachgegensatz zwischen dem nördlichen und dem südlichen Rogaland) und den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Len (wiederum mit dem "Paradebeispiel" Westnorwegen im engeren Sinn). Deutlicher sind allerdings die Bezüge zu diesen politisch-administrativen und kirchlichen Einheiten in einigen Grenzabschnitten: besonders deutlich am Hochgebirgskamm zwischen West- und Ostnorwegen und in Süd- und Nordgrenze des Tröndischen, die ein Gebiet umschliessen, das recht deutlich mit Frostathing, Trondheims Len und Bistum Trondheim/Nidaros übereinstimmt (z.B. Gleichgewichtsgesetz mit Apokope), deutlich aber auch in der Westgrenze des Südostnorwegischen von Vestfold-Telemark bis gegen Hadeland (z.B. hv- > v-), wo noch die alte Grenze zwischen Tensberg und Bratsberg Len wie wohl auch zwischen EiSsiva-/ Upplanda-/Borgarthing und Gula-/Ski5uthing durchscheint. Freilich sind diese Ubereinstimmungen im allgemeinen weder besonders präzise noch sind sie auch besonders zahlreich (für weitere Einzelheiten sei hier auf Bandle 1967 und Bandle 1994 verwiesen). - Gerade in Südostnorwegen fallt auf, dass sich zwar die Westgrenze dieses Kemgebiets als Beispiel für territoriale Zusammenhänge anbietet, dass aber dessen fast ebenso starke Nordgrenze ohne solche Parallelen bleibt, und es stellt sich denn auch hier der Verdacht ein, dass die Ubereinstimmung sekundärer Natur ist, d.h. auf gemeinsamen Voraussetzungen beruht und dass die eigentlich entscheidende Determinante des Sprachlichen im Allgemein-Kulturellen, letztlich in der Verkehrsgemeinschaft (offene Gebiete an Oslofjord und Skagerrak gegen abgelegenere Gebiete im innern Südnorwegen) liegt. Ähnliches liesse sich wohl auch für die Grenze des Westnorwegischen am Hochgebirgskamm geltend machen; die strikt auf die westlichen Fjordgegenden beschränkten sprachlichen Erscheinungen und die in die östlichen Bergtäler ausgreifenden Merkmale beruhen wohl in erster Linie darauf, dass das Gebirge sowohl trennend wie verbindend wirken konnte und dass letztlich auch die politischen Verhältnisse auf

74

Oskar Bandle

diesem Doppelcharakter der grossen West/Ost-Scheide beruhen können: zum Gulathing gehörten nicht nur Westnorwegen, sondern (zeitweise) auch Hallingdal und Valdres.

(3) Ethnologische Bezüge Übereinstimmungen zwischen sprachlichen und volkskundlichen Verbreitungsbildern sind auch im skandinavischen Raum offensichtlich, wenn sie auch nicht überall sehr genau sind und wenn das einschlägige Material auch noch bei weitem nicht vollständig zusammengetragen ist. Vor allem für Norwegen fehlt mir weitgehend einschlägiges ethnologisches Material, doch das, was vorliegt, bestätigt im wesentlichen das, was aus der Dialektologie hervorgeht. Vor allem hebt sich auch hier das westnorwegische Gebiet (im engem Sinn) markant heraus: Vreim 1933 nennt an charakteristischen Erscheinungen Hofanlagen in unregelmässigen Ansammlungen von Gebäuden (gegenüber Reihenhöfen im Süden und Nordwesten und Viereckhöfen im grössten Teil des östlichen Norwegens), 'Rauchofen1 (rekovri) gegen offene Feuerstelle mit Schornstein (feis) im Osten, Sparrendach (gegen östliches Balkendach und Sparrendach mit Firstbalken als Zwischenform). Erixon 1933, dessen Untersuchungen über die skandinavischen Hofanlagen schon oben als Parallele der Mundartgrossräume erwähnt wurden, fuhrt eine Reihe schwedisch-norwegischer ethnologischer Phänomene an, die Südostnorwegen entsprechend dem sprachlich-dialektalen Befund als Einfallspforte für östliche und südliche Novationen erweisen, und ein weiteres südostnorwegisches Phänomen, die "skogsfabodar", beschreibt Cabouret laut Referat von Nyman 1982. Auf volkskundliche Erscheinungen, die den südwestschwedischen und den nordschwedischen Kultur- und Sprachraum stützen, wurde bereits hingewiesen; am deutlichsten sind aber auch hier die KulturgrfiMzen. Die trotz Überlappungen scharfe Grenze zwischen West- und Ostnorwegen hat bis zu einem gewissen Grad ihre Entsprechungen auch andernorts in Skandinavien: besonders eine markante Grenze im nördlichen Angermanland wurde in letzter Zeit sowohl von archäologischer wie dialektgeographischer und namenkundlicher Seite beleuchtet - sprachliche Grenzen wie z.B. die Südgrenze norrländischer Apokope (käst) sind hier eingebettet in einen reichhaltigen namenkundlichen (z.B. Nordgrenze von -vtn, -hem, -sta) und archäologisch-ethnologischen Kontext, der letztlich siedlungsgeschichtlich begründet ist (s. zuletzt Westerdahl 1994). Man hat bisher vor allem Sachkundliches geographisch ausgewertet; es sollte jedoch im Auge behalten werden, dass u.U. auch Sozial- und Mentalitätsgeographisches mit Sprachgeographischem in Beziehung gesetzt werden kann. So hat etwa 0idne 1957 den Gegensatz zwischen West- und Ostnorwegen an mehreren mentalitätsmässigen Zügen der Bevölkerung herausgearbeitet, indem er auf den introvertiert-sensiblen Charakter des Westnorwegers im Unterschied zu dem phlegmatischen und erdnahen Ostnorweger, die verschiedenen Typen von Christentum (die westnorwegischen Frömmigkeitsbewegungen), die in Westnorwegen verbreitete Abstinenz und die Bevorzugung des Nynorsk sowie die verschiedenen politischen Sympathien hinwies. Solche Beziehungen könnten sicher noch in einem weiteren Umkreis herausgearbeitet werden; sicher ist aber jedenfalls, dass bei allen Ungenauigkeiten im Detail die Parallelen zwischen Sprachlichem und Volkskundlichem wesentlich zu einer Vertiefung und Profilierung des sprachhistorischen Geschehens beitragen können.

Sprachgeschichte und Kulturgeographie in Skandinavien

75

(4) Topographische und allgemein verkehrsgeographische Bezüge Schon oben (Punkt (2)) wurde vermutet, dass in einzelnen Fällen, wo territoriale Bezüge durchaus zu erwägen sind, letztlich natürlichen Verhältnissen und Verkehrsgeographie höhere Priorität zukomme. Sowohl Bach 1950, 1965 wie Lindqvist 1943 sehen denn auch hier die primären und wichtigsten Faktoren für die Ausbildung von Dialekträumen und Dialektgrenzen. Schon 1950 bezeichnet Bach die Verkehrsgemeinschaft als erste Voraussetzung für eine sprachliche Einheit und definiert: Unter 'Verkehr' hat man in der Mundartforschung die volle Summe der zwischenmenschlichen Beziehungen zu verstehen, die zu einer mehr oder weniger nachdrücklichen sozialen Assimilation zu fuhren vermögen und die zu ihrer Wirksamkeit in der Mundart, also der Schöpfung einer Gemeinschaft, eine von unterschiedlichen Kräften zusammengehaltene Lebens- oder Verkehrsgemeinschaft zur Voraussetzung haben [...] (S. 66).

Lindqvist 1943 betont die Ausbildung von Sprachlandschaften auch durch Naturverhältnisse (Berge, Wälder, Wasser) und durch "kommerzielle Verbindungen", ausschlaggebend sei aber samfárdseln fattad i dess vidaste mening, vartill bl.a. höra gemensamma orter för gudstjänst, rättskipning, skattebetalning, militärtjänst och sist men icke minst gemensamma handels- och marknadsorter (S. 62-64).

Dass es heute vor allem die Städte sind, die dank ihres wirtschaftlich-kulturellen Gewichtes immer mehr massgebend für die Sprachlandschaften ihrer Umgebung werden, liegt auf der Hand; wir haben aber auch schon in früheren Jahrhunderten, ganz abgesehen von territorialen Gliederungen, mit ihrer Strahlkraft zu rechnen - in Norwegen natürlich vor allem bei den drei grössten Städten Bergen (mit Ausstrahlung vor allem von Lehnwörtern und Lehnbedeutungen in Spätmittelalter und Frühneuzeit der Küste entlang bis in den hohen Norden - Beispiele manke 'Mähne', springa "bespringen1, wohl auch hoppa 'Stute'), Oslo und Trondheim, aber auch bei kleineren Städten wie Stavanger, das Mittelpunkt eines markanten Kerngebiets in Rogaland ist (z.B. -o, -ä in der bestimmten Form Singular starker und schwacher Feminina), und Marktplätzen wie z.B. Hamar, das - freilich auch als Bischofssitz - eine sammelnde Funktion im zentralen östlichen Norwegen ausübte. Gerade in einem topographisch vielfaltigen Land wie Norwegen mussten aber auch die natürlichen Verhältnisse in reichem Masse prägend sein. Das war sicher im wesentlichen der Fall bei Sprachräumen, für die kein territoriales "Vorbild" gefunden werden konnte. Für Südostnorwegen, wo nur die Westgrenze territorial einigermassen festgemacht werden konnte, war sicher der verkehrsoffene Charakter mit den relativ bedeutenden Städten wie Oslo, Tensberg usw. von entscheidender Bedeutung: das Gebiet ist gegen Süden und Osten sehr offen und konnte deshalb in Spätmittelalter und früher Neuzeit, ja bis in unsere Tage hinein, eine lange Reihe von Novationen, sowohl lautlich-formale wie lexikalische bis hinunter zu modernen Fachwörtern wie hingst, vallak oder hoppe aufnehmen und gegebenenfalls an innere Teile Norwegens weitergeben. Obwohl wir bei Trondheim die historisch-politische wie kirchliche Bedeutung nicht vergessen dürfen, waren die Stadt und ihre Umgebung ganz einfach auch der natürliche Mittelpunkt des nördlichen Norwegens, von dem Neuerungen verschiedener Art ausgehen konnten: sowohl autochthone wie von anderer Seite herangetragene, die der

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Oskar Bandle

Trandelag als sekundäres Ausbreitungsgebiet an andere Gegenden weitergegeben hat (so mit Nord- und/oder Ostnorwegen gemeinsame Neuerungen wie z.B. rumpa 'Schwanz1, gamp 'Pferd (Gattungsname)', fagerhuva 'Netzmagen'). Besonders für die sprachlichen Grossräume wie etwa den ostnorwegisch-tröndischen ist es schwer, andere als verkehrsgeographische Hintergründe auszumachen; auch der südnorwegische Sprachraum, der sich in gestaffelten Grenzen bis etwa auf die Höhe des mittleren Norwegens abzeichnet, lässt sich höchstens auf kleinere Strecken an administrativen oder kirchlichen Grenzen festmachen, so die recht markante Wortgrenze zwischen Numedal und Hallingdal an Thing-, Len- und Bistumsgrenzen (s. Bandle 1967:486). Auch für mehrere kleinere Sprachräume konnte ich weder territoriale noch im wesentlichen Ausmass ethnologische Parallelen ausfindig machen: im nordwestlichen Norwegen zwischen Nordfjord und Sunnmare, mit einigen Ausläufern bis Nordwest-Hordaland und Sar-Trendelag hat sich ein recht markantes Kerngebiet ausgebildet, das nicht nur Relikte (z.B. im Lautlichen Bewahrung von postvokalischem d als S oder d, im Lexikalischen jarma/jerma "blöken'), sondern auch Novationen ("e-mäl", im Lexikon vetrung/vintring 'einjähriges Pferd') umfasst und offensichtlich durch den Verkehr der Küste entlang und in die Fjorde hinein zustandegekommen ist; es liegt quer zu allen nachweisbaren politisch-administrativen und kirchlichen Grenzen wie Firöa-/Sunnmoerafylki, Nordfjord/Sunnmere Len, Sogn og Fjordane/M0re og Romsdal Fylke, früher auch Bistum Bergen/Trondheim. Auch ein um den nördlichen und östlichen Abschnitt der grossen Wasserscheide (Dovrefjell, Rondane und die Gebirgszüge zwischen Gauldalen und 0sterdalen) gelagertes Gebiet, das ich "Mittelnorwegen" genannt habe und das eine gewisse Übereinstimmung mit "Oustfjellmaal" bei Ross 1908 und "Sydosttrandsk" bei Reitan 1930 zeigt, besteht nicht einfach aus Relikten (z.B. ähy(en) "brünstig, von der Stute'), sondern auch aus Neuerungen (z.B. tikka/tiksa 'weibliches Schaf), liegt aber ebenfalls quer zu politischadministrativen und kirchlichen Grenzen (Trondheim/Ostnorwegen-Hedmark); da es rund um eine Gebirgsgegend gelagert ist, zeigt es zugleich den oft verbindenden Charakter von Bergen und Pässen, wie er bei allen Gegensätzen teilweise auch aus dem Verhältnis zwischen West- und Ostnorwegen hervorgeht. Gerade von der Nordistik aus gesehen mag denn der Gewinn der kulturgeographisch-kulturmorphologischen Methode nicht ganz dem entsprechen, was ihre Begründer sich darunter vorgestellt hatten, die gegenseitige Erhellung von Sprachgeschichte und Kulturund Sprachlandschaft behält aber doch auch hier ihren erheblichen Wert. Beispiele finden sich schon im Vorangehenden zur Genüge, hier sollen nur abschliessend nochmals einige Momente zusammengestellt werden. Wie die Frings'sche Schule gezeigt hat, gewinnt z.B. die rheinische Kulturlandschaft eine wesentliche Tiefendimension, wenn sie - wie von Kritikerseite kaum überzeugend bestritten worden ist - mit der hochdeutschen Lautverschiebung und anderen Sprachbewegungen in deren Fortschreiten vom Süden nach Norden (und in geringerem Mass von Norden gegen Süden) in Beziehung gesetzt wird. Für die Bedeutung der Sprachgeschichte fiir die Kulturgeographie können auch nordische Beispiele angeführt werden: etwa der Südwest/NordostGegensatz in Schweden, der in beträchtlichem Ausmass durch die sprachhistorischen Bewegungen seit der dänischen Grossmachtzeit im Hochmittelalter konstituiert wird; der nordostskandinavische Sprach- und Kulturraum, als dessen einer Kern auf Grund der sprachhisto-

Sprachgeschichte und Kulturgeographie in Skandinavien

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rischen Tatbestände (das östliche) Zentralschweden ausgemacht werden kann; der südostnorwegische Kulturraum, der auf Grund historischer Belege wie wortstratigraphischer Ergebnisse immer wieder seinen Charakter als Novationsgebiet und damit seine hervorragende Bedeutung für die norwegische Kultur- und Sprachgeschichte vor allem seit dem Spätmittelalter unter Beweis stellt. Andererseits kann kulturräumliche Betrachtungsweise immer wieder Sprachhistorisches erklären oder ergänzen, sowohl in Einzelphänomenen wie in ganzen Raumbildungen und Sprachströmungen: so zeigt die geographische Lagerung der "e-mäl" im norwegischen Süden und Nordwesten zwischen Gleichgewichtsgebieten und erhaltenem -a ebenso wie die Entwicklung II > dd zwischen dl und II im westlichen Südnorwegen sprachhistorisch die Bildung von Kompromissformen; Laute und Formen ebenso wie der Wortschatz der norwegischen Dialekte führen uns eindrücklich die Dynamik der norwegischen Sprachgeschichte vor Augen - auf zahlreiche west-östliche Bewegungen in Wikingerzeit und Hochmittelalter folgt die Aktivität des Südostens, der, wie nicht zuletzt zahlreiche Wortkarten zeigen, immer wieder Novationen aus Südosten und Osten aufnimmt und weiterträgt und so nicht wenig zur Struktur des modernen Norwegischen, vor allem des Bokmäl, beiträgt. Die Beispiele Hessen sich beträchtlich vermehren: aus dem skandinavischen Süden, wo die "konzentrischen" Kreise von mundartlichen Erscheinungen eindrücklich auf die Expansivität dieses Sprachraums im Mittelalter hinweisen (s. Bandle 1973: Karte 15); aus dem Westen, wo Dialekt- und Kulturgeographie zusammen das sprachgeschichtliche Verhältnis des Inselnordischen zum Mutterland: Einheit und Sonderentwicklung (letzteres sowohl in kulturellen Belangen wie in Teilen des Wortschatzes, z.B. Haustierterminologie) deutlich demonstrieren; aus Zentralschweden, wo der schwedische Standard im Schnittpunkt von Süd und Nord entstanden ist, usw. Über die Aktualität der dialektologisch-kulturräumlichen Betrachtungsweise mag man heute streiten: soziolinguistisch und damit vor allem städtisch orientierte Dialektologie und Sprachgeschichte scheinen ihr den Rang bereits abgelaufen zu haben, und die Entwicklung von Soziolinguistik und Dialektologie wird - in Form einer "Soziodialektologie" - sicher in dieser Richtung weiterschreiten, je mehr die alten ländlichen Dialekte aussterben oder ausgeglichen werden. Trotzdem und obwohl die Methode auf skandinavischem Gebiet nicht so ergiebig wie andernorts zu sein scheint, sollte ihre Leistung auch für die nordische Sprachgeschichte nicht vergessen werden; sie ist, wenn auch ergänzt durch die soziolinguistische Sichtweise, auch in Zukunft im Auge zu behalten.

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Thomas Birkmann

Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?

Zur intuitiv scheinbar klaren Abgrenzung von Flexionsmorphologie und Wortbildung stellte bereits Bloomfield 1933:222 fest: In languages of complex morphology we can thus observe a ranking of constructions: a complex word can be described only as though the various compoundings, affixations, modifications, and so on, were added in a certain order to the basic form. [...] the structure of a complex word reveals first, as to the more immediate constituents, an outer layer of inflectional constructions, and then an inner layer of constructions of luord-formation.

Diese Ansicht kann bis in die Gegenwart als etabliert gelten; sie liegt z.B. Bybees "relevance principle" zugrunde (z.B. in Bybee 1985:20ff. und bes. 81ff.), und sie bildet auch einen wichtigen Bestandteil der Definition in Wurzel 1984:47, als fünftes von sechs Kriterien: In den Bereich der Flexion gehören solche morphologischen Konstruktionen, [...] in denen normalerweise an das an der Wortgrenze stehende Nicht-Basismorphem überhaupt keine weiteren Morpheme oder nur noch grammatische Morpheme angefugt werden können.

Selbstverständlich gibt es darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer Kriterien zur Abgrenzung von Flexion und Derivation, auf die unten noch einzugehen sein wird. Zunächst soll nur die Reihenfolge der einzelnen Elemente den Ausgangspunkt bilden; Derivationsmorpheme sollten in der lautlichen Kette vor Flexionsmorphemen stehen. Das in der Literatur immer wieder genannte (einzige?) Gegenbeispiel stellen die deutschen Diminutive vom Typ Kind-er-Iein dar, andere periphere Fälle seien auf den Einfluß der Syntax zurückzufuhren (etwa Fürst-en-tum aus desfürsten tuom 'der Stand des Fürsten', vgl. Wurzel 1984:41). In diesem Sinne wäre das neuisländische "Mediopassiv" als ein Flexionselement anzusprechen, denn es steht in der Lautkette nach den Pers./Num.-Morphen, die ohne jede Frage der Flexion zugeordnet werden müssen. Man vergleiche die Paradigmen des Präs. und Prätlnd. fur die Verben gledja 'erfreuen', kalla 'rufen' und halda 'halten' mit den entsprechenden Formen des Mediopassivs: gleÒ gleòur gleiur gledjum gledjiÖ gleÒja

gleist gledjumst gledjist gleijast

kalla kallar kallar köllum kalliÔ kalla

kailast köllumst kallist kallast

held heldur heldur höldum haldiò halda

helst höldumst haidist haldast

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Thomas

gladdi gladdir gladdi glöddum glöddud glöddu

gladdist glöddumst glöddust M

kallaii kalladir kallaii kölluÜum kölludud kölluiu

kalladist kölludumst kiilluòust M

hélt hélst hélt héldum hélduÒ héldu

Birkmann

hélst héldumst héldust II

Das Flexionselement hat im Nisl. stets die Form -st, es tritt auch an die Formen des Konj., an den Infinitiv und an das PartPrät., nicht jedoch an das PartPräs. (außer in archaisierender Dichtersprache, vgl. Kress 1982:146, Anm. 2). Tritt das -st an eine Pers./Num.-Endung auf -r, -ö oder an -d/-t des Verbstammes, so verschmelzen diese mit dem -i, bzw. sie schwinden. Dadurch erhalten wir in allen Formen des "Mediopassivs" einen Einheitssingular, im Prät.Pl. werden zudem die Formen der 2./3.P1. homophon. Einheitssingular findet sich auch bei den starken Verben im Präs., wo theoretisch auch eine Form *heldust denkbar wäre; dies zeigt, daß es sich hierbei um einen alten morphonologischen Prozeß handelt. Verben, die dieses Element enthalten können, bezeichnet Kress 1982 als "mediale" Verben, Glendenning 1961 als "middle voice verbs", Petursson 1978 spricht vom "Medium" und setzt in der Überschrift des entsprechenden Kapitels in Klammern "Mediopassiv"; Einarsson 1949 behandelt sie als "middle voice" und "miömynd", Duppler/Van Nahl 1994 als "Mediopassiv oder Medium", das "eine Mittelform zwischen Aktiv und Passiv" sei. Fries 1976 schließlich spricht von der "reflexiv-medial form (Medium)". Da alle diese Bezeichnungen (semantische) Präsuppositionen enthalten oder diachron motiviert erscheinen, soll hier als neutraler Terminus von ¿/-Form bzw. von rf-Verben geredet werden (so auch Anderson 1990). Alle genannten Grammatiken oder Lehrbücher behandeln das Phänomen als Flexionskategorie und weisen auf den Ursprung aus dem Reflexivpronomen sik 'sich' hin, das suffigiert wurde und sich dann über -sk zu -st entwickelte. Als Bedeutung des "Mediopassivs" werden meist drei Bereiche genannt, am häufigsten die (1) reflexive Bedeutung: kladast 'sich anziehen', (2) reziproke Bedeutung: kyssast 'sich (gegenseitig) küssen' und (3) passivische Bedeutung, z.B. in sveitin byggdist 'die Gemeinde wurde besiedelt'. Dazu kommen noch (4) die Deponentien, also Verben, die nur mit der -i/-Endung vorkommen, wie z.B. abbast 'zudringlich werden'. Bei genauerer Betrachtung sind die Verhältnisse jedoch wesentlich komplizierter. Der m.W. Einzige, der die st-Verben als ein Wortbildungsphänomen behandelt, ist Anderson 1990:239:' At m i n i m u m , some relations between -st-Verbs and the basic verbs to which they are related are of the sort any analysis would treat as purely lexical, derivational connections rather than inflectional.

Diese Ansicht erscheint durchaus berechtigt, denn neben der Reihenfolge der Elemente in der Wortkette ist ein weiteres wichtiges Kriterium der Abgrenzung von Flexion und WortDie Belege, die Anderson auffuhrt, stammen allerdings meistens aus Blandal 1920-24, der mit inzwischen über 70 Jahren Abstand zur Gegenwartssprache kaum als zuverlässiger Zeuge des aktuellen Nisl. gelten kann.

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Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?

bildung die vollständige Prädiktabilität des Bedeutungsunterschiedes zwischen Grundformen und abgeleiteten Formen für die Flexion, während in der Derivation dieses Verhältnis transparent sein kann, aber nicht sein muß (Wurzel 1984:45ff.). Bei Carstairs 1987:4f. ist dieses Kriterium noch um den Aspekt der Kreativität erweitert; fiir die Flexion gelte: it expresses a meaning (or realises a property) which all members of the relevant word-class can manifest (that is, the expression of the meaning is totally 'productive');

fur Derivationsprozesse gelte dagegen: "no single property or 'meaning' can be associated with it". Hinsichtlich der Bedeutung erscheint mir jedenfalls fiir die Derivation die Annahme einer Skala, die von "reiner" Wortbildung bis zu "reiner" Lexik reicht (bei Bybee 1985:81ff. explizit als "lexical/derivational/inflectional continuum" angesprochen), als zwingend erforderlich; auf dieser Skala finden dann unterschiedliche Derivationsmorpheme ihren jeweiligen Platz (wie beispielsweise die lat./griech. Präfixe des Dt., z.B. anti-, ziemlich nahe an der "reinen" Wortbildung mit völliger Transparenz - im Gegensatz dazu etwa das Präfix ver- in vergessen, das als völlig lexikalisiert anzusprechen ist). Die Skala bietet aber auch die Möglichkeit, für ein und dasselbe Affix eine unterschiedliche Stellung je nach dem Grad seiner (synchronen) Transparenz zu klassifizieren: die Berufsbezeichnungen Bäcker, Maler, Lehrer, etc., sowie der Typ Gräber, Finder etc. stehen dann nahe an der "reinen" Wortbildung, weniger transparent wären Sucher (an einer Kamera) und Kocher (als Haushaltsgerät), und völlig opak und damit lexikalisiert wären z.B. Kürschner, Taler, Pfeiler, etc. Vergleichbares liegt auch bei unter- in z.B. unterschätzen vs. unternehmen vor. Das folgende Schema soll dies veranschaulichen: reine Lexik

reine Wortbildung antiautoritär Bäcker Maler

unterschätzen

Sucher Kocher

unternehmen

vergessen Taler Pfeiler

Die Skala repräsentiert zugleich unterschiedliche diachrone Stadien innerhalb der Synchronie, denn es scheint im Sprachwandel eine universale Tendenz zu geben, die aus syntaktischen Phrasen über Juxtapositionen zu Komposita, dann Derivaten, und schließlich Lexemen fuhren kann (vgl. Dressier 1987:115). Da die semantische Klassifizierung der nisl. rf-Verben bei Anderson 1990 m.E. dem sprachlichen Befund nicht optimal entspricht, erfolgt hier ein neuer Vorschlag zur Einteilung dieser Verben aufgrund ihrer Semantik; dabei lassen sich verschiedene Haupt- und Untertypen unterscheiden, wobei die gegebenen Beispiele nur eine (zum Teil kleine) Auswahl darstellen:2

Ich danke Kolbrün Sigur3ard6ttir B.A. aus Freiburg für ihre Hilfe bei der Beurteilung der nisl. Beispiele.

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Thomas Birkmann

I: Verb-Ableitungen aus (a) Adjektiven, (b) Substantiven oder (c) Verben; alle drei Typen sind sehr häufig und scheinen produktiv zu sein; die Untertypen im einzelnen: Ia: Adjektiv —» Fientiv Das rf-Verb drückt aus, daß das Subjekt die Eigenschaft des Adjektivs annimmt; die Reihe kann erweitert sein um ein kausatives Aktivum. äkafur dapur digur eldri glaöur heidinn grœnn veikur vtenn öflugur

'eifrig' 'traurig' 'dick' 'älter' 'froh' 'heidnisch' 'grün' 'schwach, krank' 'gut, schön' 'stark, mächtig'

dapra

gleöja 'erfreuen'

veikja 'schwächen' veenka 'verbessern' öflga 'stark machen'

dkafast 'erregt werden, sich ereifern' daprast 'traurig werden' digrast 'dicker werden, sich ausbreiten' eldast 'altem, älter werden' glebjast 'froh, erfreut werden' heidnast 'heidnisch werden' granast 'ergrünen, grün werden' veikjast 'schwach, krank werden' vankast "besser werden' öflgast 'stark werden'

Ib: Substantiv -> Faktitiv Das i/-Verb drückt aus, daß das Subjekt zu dem Basis-Substantiv wird oder sich wie es verhält; semantische Distanz ist möglich (etwa im Beispiel sät). bjdlfi draugur gleit hamur mägur sài târ vandrœdi

'Idiot' 'Gespenst' 'Streit' 'Haut, Federkleid' 'Schwager' 'Seele' 'Träne' 'Schwierigkeit'

bjälfast draugast glettast hamast mœgjast sâlast târast vandreòast

'sich wie ein Idiot verhalten' 'wie ein Gespenst umherlaufen' 'mit jmdm. streiten' 'in Wut geraten, zum Berserker werden' 'sich verschwägern' 'sterben' 'weinen' 'in Schwierigkeiten sein'

Ic: Kausativ —> Fientiv Das aktive Verb hat kausative Bedeutung, das rf-Verb drückt aus, daß der verursachte Zustand am Subjekt eintritt. Diese Gruppe ist sehr groß; semantische Distanz ist möglich (etwa im Beispiel styrkja). auka auöga breyta Hfga leysa magna mykja

'vermehren' "bereichern' 'verändern' "beleben" 'lösen, entscheiden' 'verstärken' 'weich machen'

aukast aubgast breytast Hfgast leysast magnast mykjast

"wachsen, größer werden" 'sich bereichern, reich werden' 'sich ändern' "belebt werden' 'sich klären, sich entscheiden" 'stark werden' 'weich werden'

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Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?

styrkja pyngja pynna ara

'stärken, bestärken' 'erschweren' 'verdünnen' 'verrückt machen'

styrkjast pyngjast pynnast grast

'genesen' 'schwerer werden' 'dünn(er) werden1 'rasend werden'

Bei diesem Typ ergibt sich leicht und oft eine semantische Nähe zum Passiv, bis zur Austauschbarkeit; etwa bei: feda

'gebären'

feòast = vera fieddur 'geboren werden'

Vom System kann aber auch abgewichen werden, wie im Falle von minnka e-5 'vermindern' minnka 'weniger werden'. Id: Kausativ —> Aktiv-Reflexiv —> Fientiv Für diese im lexikalischen System gut repräsentierten Dreierserien werden den st-Verben in den Grammatiken und Lehrbüchern reflexive oder mediale Bedeutung zugesprochen. Sie stehen in semantischer Opposition zu den aktiv-reflexiven Verben mit dem vollen Reflexivpronomen sig bzw. sfr. meida Verletzen' - meidasig 'sich (selbst) verletzen' - meidast verletzt wenden (unabsichtlich)' festa befestigen' - festa sig '(aus eigener Schuld) feststecken1 - festast '(aufgrund eines Zufalls) feststecken' eigna 'zuteilen, zuschreiben' - eignasfr 'sich aneignen, Anspruch erheben auf - eignast bekommen' haJla 'schräg stellen' - hallasfr 'sich hinkgen, sich lehnen' - hallast 'schief stehen, sich neigen' hneigja verbeugen' - hneigja sig 'sich verbeugen, knicksen' - hneigjast 'die Neigung haben zu etwas' hressa vid 'instand setzen' - hressa sig 'sich erfrischen, stärken' - hressast 'genesen' kl&da 'kleiden, bekleiden' - klteda sig 'anziehen' - klabast 'anhaben' spegla 'spiegeln' - spegla sig 'sich im Spiegel betrachten' - speglast 'sich widerspiegeln' Diese Dreierserien gehören wohl eindeutig in den Bereich der Wortbildung. Das System kann zudem in vielerlei Hinsicht gestört sein, woraus ein höherer Lexikalisierungsgrad resultiert: bada 'jemanden baden' - baia sig = badast "baden' dreifa 'verbreiten' - dreifa s£r = dreifast 'sich verbreiten' leggja 'legen etc.' - leggja sig 'sich hinlegen' - leggjast 'sich hinlegen, krank werden' setja 'setzen, stellen' - setjast 'sich hinsetzen (aktiv)' opna 'öffnen' - opnast 'sich öffnen (passiv)' klte&a ür 'ausziehen' - afkladast 'sich ausziehen' jafna 'ebnen, beilegen, schlichten'-ja/ha sig 'sich erholen' - ja/hast 'sich messen können mitjemandem' grenna sig 'abmagern' - grennast 'abnehmen' In allen diesen Fällen sehe ich von der Semantik her keine Möglichkeit, das -st als "Flexk>ns"-Element anzusprechen; gleiches gilt wohl auch fiür die folgende Gruppe:

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Thomas Birkmann

II: Verbpaare, bei denen die st-Verben unterschiedliche Bedeutungsgruppen realisieren: IIa: Reziproke Bedeutung berja elska bitta skrifa sld tala tuska

'schlagen' "Heben" 'treffen' 'schreiben' 'schlagen' 'sprechen' 'schlagen'

berjast elskast hittast skrifast sldst talast tuskast

'miteinander kämpfen' 'sich gegenseitig lieben' 'sich treffen' 'sich gegenseitig Briefe zusenden' 'sich gegenseitig schlagen' 'miteinander reden' 'miteinander raufen'

Diese Gruppe scheint nicht produktiv zu sein, gegenüber dem Aisl. hat sie durch Mitgliederverlust (wie bei *herjast, *mundast, *klakast vid, *strtiast u.a.) oder semantischen Wandel (aisl. stanga 'mit den Hörnern stoßen' - stangask 'sich gegenseitig mit Hörnern stoßen' vs. nisl. stanga 'id.' - stangast (d) 'etwas widerspricht sich') an Zahl eher abgenommen. IIb: Modale/Potentielle Bedeutung finna heyra

'finden, entdecken' 'hören'

finnast heyrast

'sich treffen, erscheinen, zu finden sein' 'zu hören sein'

IIc: Identische (oder so gut wie identische) Paare dvelja bidja mala dä

= = = =

dveljast biöjast malast ddst a5

'sich aufhalten' "bitten' 'sagen' "bewundern' (bei Gegenständen nur das st-Veib)

Wie IIa hat auch diese Gruppe gegenüber dem Aisl. eher abgenommen (z.B. *bannast, *klifrast). Von "Flexion" zu sprechen ist hier jedenfalls völlig ausgeschlossen. Ild: Opake Bedeutung Die Bedeutung des st- Verbs läßt sich aus dem Aktivum synchron nicht herleiten. anda bua eiga farà fata fltekja heita Idta

'atmen' 'wohnen' 'habere müssen, sotten' 'gehen etc.' 'mit Kleidern versehen' verwickeln' 'heißen' 'lassen etc.'

andast búast vid eigast farast fatast ßtekjast heitast vid Idtast

'sterben' 'erwarten' "heiraten 'umkommen' 'fehlschlagen' 'sich umhertreiben' "bedrohen' 'so tun als ob" - 'sterben' (2 Lexeme!)

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Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung

Uta taka viröa prtfa

'schauen, sehen' 'nehmen etc.' 'schätzen' 'sauber machen'

Mtast takast virdast prifast

'gut/schlecht gefallen' 'gelingen' 'scheinen' 'gedeihen'

Die st-Verben dieser Paare sind als völlig lexikalisiert anzusprechen, selbst von "Wortbildung" zu sprechen erscheint in diesen Fällen als wenig sinnvoll. Gleiches gilt für die Gruppe III: III: Die sogenannten Deponentien: st-Verben, zu denen es kein Aktivum gibt: abbast ferdast heppnast idrast lukkast ottast seilast skjöplast sveitast vesenast { pyrpast

'zudringlich werden' eldast 'reisen' gegjast 'gelingen' heykjast d "bereuen' leiöast 'gelingen' ndlgast 'furchten' rembast 'sich strecken' skjdtlast 'sich irren' streitast viÔ 'sich abmühen' vasast { 'sich beschäftigen mit' veslast upp 'sich drängen' pöknast

'alt werden' 'starren, schauen' 'aufgeben' 'sich unwohl fühlen' 'sich nähern' 'sich blähen' 'sich irren' 'sich abmühen mit' 'sich einmischen' 'dahinsiechen' "belieben, gefallen'

Auch die Mitglieder dieser sehr großen Gruppe können nur als lexikalisierte Einheiten angesehen werden. Einige Deponentien haben zwar durchaus reflexive (sveitast) oder medial/ fientive (skjöplast) Bedeutung, aber insgesamt ist die Gruppe doch sehr inhomogen, einige Mitglieder (etwa ättasf. hann öttast dyr 'er hat Angst vor Tieren') können ein direktes Objekt haben, was zeigt, daß der Tiefenkasus des ehemaligen Reflexivpronomens völlig getilgt wurde. Die weiteren in der Literatur genannten Kriterien zur Abgrenzung von Flexionsmorphologie und Derivation sind für unser Problem nicht ausschlaggebend bzw. nicht besonders relevant: - Es trifft natürlich zu, daß flexionsmorphologische Operationen wortartkonstant sind, wogegen in der Derivation Wortartveränderungen (z.B. Substantiv > Adjektiv: Glück > glücklich) eintreten können (Wurzel 1984:41). Im Falle der j/-Verben sind Ausgangs- wie Zielformen Verben, aber das Kriterium schafft keine klare Abgrenzung: (1) kann auch bei Derivation die Wortart erhalten bleiben, und (2) kann selbst in der Flexion ein Wortartenwechsel eintreten, wie z.B. die infiniten Formen des Lateinischen (Infinitiv, Gerundium, Gerundiv, Supin) belegen. - Ein bei Aronoff 1976:2 aufgeführtes Kriterium wurde von Wurzel 1984:42f. überzeugend zurückgewiesen: Konstruktionen, die mit einem Derivationsmorphem gebildet sind, sollen danach im Syntagma durch eine Form ohne dieses ersetzbar sein, wohingegen dies für Kon-

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Thomas Birkmann

struktionen mit Flexionsmorphemen nicht zuträfe. Das Kriterium wird schon durch die Existenz von Suppletivformen in vielen Sprachen widerlegt; fiir die nisl. st-Verben würde es wenn man es heranziehen wollte - eher fiir Derivation sprechen. Dies belegt schon die Existenz der Gruppe IIc, deren Mitglieder (mit oder ohne j/-Suffix) frei austauschbar sind. Ein weiteres Kriterium wäre die Vollständigkeit im Paradigma, die für Flexionsformen zu fordern ist, bzw. der strikte Parallelismus zwischen Ausgangsformen und abgeleiteten Formen in der Flexion. Daß dieses Kriterium keineswegs ausnahmslos gilt, zeigen schon defektive Paradigmen etwa bei den englischen {can, may, must...) und schwedischen {mäste) Modalverben, zu denen u.a. kein Infinitiv gebildet werden kann. Bei strenger Anwendung des Kriteriums wären die finiten Formen dieser Verben als Derivationskategorien einzustufen, gegen alle linguistische Intuition. Analog könnte man schon weit eher argumentieren, daß die zahlreichen Lücken im Parallelismus bei den nisl. st-Verben (Verben ohne rf-Form, die Gruppe III der sogenannten Deponentien ohne Aktivum) diese in den Bereich der Derivation weisen. Nach Sichtung aller dieser Kriterien kann die Suffigierung von -st im Neuisländischen als reiner Derivationsprozeß im Sinne der oben gegebenen Definition von Carstairs gelten: No Single property or "meaning" can be associated with it. Ein Teil der Verben (etwa Id, IIa) kann auf der Wortbildungsskala ziemlich weit links - nahe der idealen Wortbildung - eingeordnet werden, andere (wie Ild, III) gehören weit nach rechts, zur Lexik. Die Behandlung dieser Verben in allen Grammatiken und Lehrbüchern als Flexionsformen ist also im Grunde den Verhältnissen nicht adäquat. Andererseits steht das Suffix -st hinter den - wenn auch morphonologisch modifizierten - Pers./Num. -Endungen des Verbs, was der natürlichen Serialisierung von Wortbildung und Flexion widerspricht. Hier dürfte man vielleicht Tendenzen zum Sprachwandel erwarten, und m.E. sind die - allerdings nur in der 1.P1. - umgangssprachlich relativ häufigen Umstellungen vom Typ vid köllumst > vid köllustum auf diesem Hintergrund gut verstehbar: die Sprecher fassen offensichtlich -st- als Wortbildungselement auf und stellen eine natürlichere Linearisierung der Morpheme her. In einer morphologisch so stabilen Sprache wie dem Isländischen sind ihre Chancen, sich durchzusetzen, allerdings eher als gering einzustufen. Dennoch fällt schon bei oberflächlichem Vergleich der nisl. st-Verben mit ihren aisl. skEntsprechungen auf, wie zahlreiche Veränderungen eingetreten sind: eine grobe Schätzung würde für 50% des Materials Wandlungen angeben, v.a. Lexemersatz, semantische Verschiebungen und Neuzuordnungen. Es ist hier nicht der Ort, die diachronen Aspekte des Themas darzustellen, aber es ist ganz deutlich so, daß alle oben unterschiedenen semantischen Gruppen auch schon im Aisl. vertreten sind, die Größe der einzelnen Gruppen unterscheidet sich allerdings vom Nisl. Das mag mit der Überlieferungslage zusammenhängen, oder mit Tendenzen zum Wandel. Dennoch scheint es berechtigt, bereits für das Aisl. das Mediopassiv als eine Wortbildungskategorie einzustufen, und dann hätten wir nicht nur einen weiteren Verstoß gegen die natürliche lineare Ordnung von Wortbildung und Flexion, sondern wir hätten im Aisl. dann auch einen Fall von flektierten Wortbildungsmorphemen, zu dem mir keine Parallelen bekannt sind. Deren Ersetzung durch das einheitliche Morphem -st zum Nisl. kann dann aber als ein weiterer Beleg für die These dienen, daß die Sprecher diese

Das neuisländische Mediopassiv: Flexion oder Wortbildung?

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Kategorie als Wortbildung auffassten und - zumindest in dieser Hinsicht - einen natürlicheren Zustand herzustellen bestrebt waren.

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James E. Cathey

Variation and Reduction in Modern Faroese Vowels

The Faroe Islands were settled by Norwegian speakers in the early 9th century. In the handful of articles that have appeared to date on Modern Faroese phonology most have primarily focused on the diachrony. Here we will consider primarily the synchronic phonology of the vowels, informing our analysis with techniques from recent phonological theory in order to clarify, if not entirely to explain. The result of the present analysis is the claim that there are no underlying long vowels. The long vowels derive from underlying short vowels, and certain short vowels derive from diphthongs. We must refer briefly to the diachrony in order to note that among the changes that have occurred since settlement diphthongization of Old Norse long vowels has been a defining characteristic, although both short and long monophthongs are also present in the inventory of Modern Faroese vowels.1 Because synchronic phonemes have diverged from their historical roots, the overtly etymologizing orthography of Modern Faroese serves poorly as a guide to the phonological system.2 For example, the forms dagur 'day' (nom.sg.), dags (gen.sg.), degi (dat.sg.), and dag (acc.sg.) are pronounced, respectively, [deavur], [da§s], [de:ji], and [dea]. Here the orthography conceals that Old Norse /a/ in an open syllable was lengthened to long / » / , which then diphthongized in the period before Modern Faroese.3 The [e:] in [de:ji] is derived from an umlauted form in Old Norse; it has a different history and is no longer an allophone of /a/. Short /a/ is maintained in dags, but long /a:/ has been diphthongized and thus completely eliminated from the phonological inventory. With the exception of /a:/ there is a set of long and short vowels with quantity correlation as presented as Table 1. Table 1: Quantity Correlation [i:] [e:] [o:] [u:] [0:]

skip [Ji:p] 'ship' seta [se:ta] 'set' tola [to:la] 'suffer' gulur [gu:lur] 'yellow' meta [maita] 'meet'

[1] [e] [d] [u] [œ]

skips Lfips] (gen.sg.) setti [set:i] (past) toldi [toldi] (past) gult [gult] (neut.nom./acc.sg.) metti [m