Verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung [1 ed.] 9783428584796, 9783428184798

In einem Urteil aus dem Jahr 2002 stellte das BVerfG fest, dass die damals unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensi

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German Pages 274 Year 2022

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Verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung [1 ed.]
 9783428584796, 9783428184798

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Schriften zum Steuerrecht Band 174

Verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung

Von

David Rügamer

Duncker & Humblot · Berlin

DAVID RÜGAMER

Verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 174

Verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung

Von

David Rügamer

Duncker & Humblot · Berlin

Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung des Forschungsnetzwerks Alterssicherung und der Universität Passau Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Sommersemester 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 739 Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18479-8 (Print) ISBN 978-3-428-58479-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Steffi

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner im Sommersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau angenommenen Dissertationsschrift. Nachträglich berücksichtigt wurden die beiden vielbeachteten Urteile des Bundesfinanzhofs betreffend das Thema der doppelten Besteuerung vom 19. Mai 2021 (Az.: X R 33/19 und X R 20/19), die m. E. in einigen Punkten nicht überzeugen können (u. a. Fehlen einer verfassungsrechtlichen Grundlegung; Berücksichtigung von Leistungen an Hinterbliebene; kein Herausrechnen von Beitragsanteilen, die kalkulatorisch nicht der Finanzierung von an das Alter anknüpfenden Leistungen dienen); gegen beide Urteile sind beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. des BVerfG: 2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21). Berücksichtigt wurden außerdem bis September 2021 veröffentlichte Stellungnahmen aus der Literatur zu den beiden Urteilen des Bundesfinanzhofs. Allen, die zur Entstehung der vorliegenden Arbeit beigetragen haben, möchte ich nun Danke sagen. Das ist zuerst mein Doktorvater, Herr Professor Dr. Rainer Wernsmann. Ihm verdanke ich meine Begeisterung für das Steuerrecht. Er hat mich in meiner Zeit an seinem Lehrstuhl (zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter) in unterschiedlichster Art und Weise gefördert, hat mich während der Entstehung der Arbeit stets unterstützt, hat mich motiviert und hat zuletzt ausgesprochen zügig das Erstgutachten erstellt. Großer Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Joachim Schmitt für die ebenfalls sehr schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Die vorliegende Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium des von der Deutschen Rentenversicherung Bund getragenen Forschungsnetzwerks Alterssicherung gefördert. Sehr dankbar bin ich nicht nur für die finanzielle Unterstützung, sondern auch für die Möglichkeit des fachlichen Austauschs unter anderem im Rahmen der Graduiertenkolloquien. Ferner danke ich Markus Sailer von der Deutschen Rentenversicherung Bund für die lehrreichen Gespräche über das Rentenversicherungsrecht und über die Entstehung des Alterseinkünftegesetzes. Die Veröffentlichung der Arbeit wurde durch Druckkostenzuschüsse des Forschungsnetzwerks Alterssicherung und der Universität Passau unterstützt. Auch hierfür möchte ich danken. Für die sowohl in fachlicher als auch privater Hinsicht bereichernde Zeit am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Rainer Wernsmann möchte ich außerdem ganz herzlich allen Kolleginnen und Kollegen Danke sagen, vor allem Maria Renji, die als gute Seele des Lehrstuhls in jeder Situation Rat wusste, und Paul Wagner, mit

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Vorwort

dem ich während unserer Jahre am Lehrstuhl das Büro teilen durfte, was mir stets eine Freude war. Ebenso herzlich danke ich Gertraud Seiderer für die bibliothekarische Unterstützung und für ihre stets gute Laune bereitenden Worte. Einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Arbeit haben meine lieben Korrekturleserinnen und -leser geleistet: Dr. Lena Donaubauer, Dr. Clara Herz LL. M., Dr. Annegret Michel, David Rüll und Dr. Philipp Streckenbach LL. M. danke ich ganz herzlich für ihre sehr hilfreichen inhaltlichen und sprachlichen Anmerkungen. David Rüll möchte ich auch ganz besonders dafür danken, dass er sich unzählige Male die Zeit genommen hat, mit mir über verworrene Detailfragen der von mir bearbeiteten Thematik zu sprechen. Schließlich danke ich von ganzem Herzen meinen Eltern und meiner Partnerin, Steffi. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Ohne Euch wäre ich nicht so weit gekommen! Meine Eltern haben meinen bisherigen Lebensweg, insbesondere mein Studium und die Promotion, durch ihre bedingungslose Unterstützung überhaupt erst ermöglicht. Sie haben stets ein offenes Ohr für die kleinen und großen Sorgen des Alltags, was ich sehr zu schätzen weiß. Steffi, die mich nun schon seit über einem Jahrzehnt durchs Leben begleitet, gab mir stets Rückhalt, munterte mich auf, wann immer dies nötig war, und freute sich mit mir über Erfolge. Sie schenkt mir die erforderliche Energie, um neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen. München, im November 2021

David Rügamer

Inhaltsverzeichnis Einführung 15 I. Rechtfertigung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Zur Terminologie: „Doppelte Besteuerung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Begrenzung der Untersuchung auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1. Teil Ausgangslage 20 § 1 „Quelle“ und „dogmatische Herleitung“ sowie Inhalt des sog. Verbots der doppelten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Folgerichtigkeitsgebot als steuerrechtsspezifische Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG 24 1. Verfassungsrechtliche Verortung, Inhalt und Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Vorliegend maßgebliche Belastungsgrundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Vergleichssachverhalte mit intertemporalem Einkommenstransfer . . . . . 31 aa) Aufbewahren von Bargeld sowie Ein- und Auszahlungen auf bzw. von einem Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 bb) Anschaffung und Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien (Parallele: Versorgungsanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 cc) Sonstige Formen organisierter Alterssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Einkommensteuerliche Behandlung der Vergleichssachverhalte nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Aufbewahren von Bargeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 bb) Ein- und Auszahlungen auf bzw. von einem Bankkonto sowie Anschaffung und Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien . . . . . . . . 38 cc) Sonstige Formen organisierter Alterssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Schlussfolgerung für die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Inhaltsverzeichnis II. Objektives Nettoprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Kein Gebot der Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge aus dem einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Kein Gebot der Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge aus dem unmittelbar verfassungsrechtlichen objektiven Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Objektives Nettoprinzip: Abzugsgebot für Ausgaben, nicht Besteuerungsverbot für Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Keine absolute Obergrenze für die Besteuerung und kein Zwang zur Lebenseinkommensbesteuerung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . 59 III. Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen doppelt besteuerten Rentnern und „nur einmal“ besteuerten Rentnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

§ 2 Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . 66 1. Leibrenten und andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als dem Grunde nach steuerbare Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Renten wegen Alters, Erwerbsminderung und Todes . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) An den Bezug einer Rente anknüpfende Zusatzleistungen: Krankenversicherung der Rentner und Höherversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Leistungen zur Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 d) Sonstige Leistungen (Beitragserstattungen, Witwen- bzw. Witwerrentenabfindungen, Zinsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Umfang der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Abhängigkeit des Umfangs der Besteuerung vom Jahr des Rentenbeginns 82 b) Die sog. Öffnungsklausel in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Zweck und praktische Relevanz der Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . 88 bb) Aufteilung der erfassten Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Einmalleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Exkurs: Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst.  a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Sonderausgabenabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Sonderausgabenabzug nur für vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Abhängigkeit des Umfangs des Sonderausgabenabzugs vom Jahr der Beitragsentrichtung in der Zeit von 2005 bis 2024 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Inhaltsverzeichnis

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2. Steuerfreiheit der Arbeitgeberanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Die Besteuerungsmodelle der nachgelagerten (konsumorientierten) und vorgelagerten (kapitalorientierten) Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IV. Seit Anfang 2005: Systemwechsel von der sog. Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung: Endzustand und Übergangs­ phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Bis Ende 2004: Ertragsanteilsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Teil

Die Definition der doppelten Besteuerung 119

§ 3 Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Anerkannter Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Vergleich der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Beiträge mit der Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen . . . . . . . 123 2. Zugrundelegung von Nominalwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Varianten des anerkannten Definitionsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Abweichende Definitionsansätze: Vergleich des geltenden Rechts mit einem angeblich steuersystematisch sachgerechten Besteuerungsmodell . . . . . . . . . . . . . 129 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Verfassungsrechtliche Ableitung des anerkannten Definitionsansatzes . . . . . 135 2. Keine Anbindung der abweichenden Definitionsansätze an das Grundgesetz 138 3. Bagatellgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 § 4 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Zu berücksichtigende Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (prinzipielle Möglichkeit doppelter Besteuerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Bisherige Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Stellungnahme: Doppelte Besteuerung nur bei an das Alter anknüpfenden Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Versorgungsausgleich ohne Auswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Relevante einkommensteuerliche Entlastungsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Vorbemerkung: Notwendigkeit einer „klassischen“ Auslegung des Einkommensteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Steuerfreier Teil der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Sonderausgabenabzug für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

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Inhaltsverzeichnis 5. Steuerbefreiung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI gemäß § 3 Nr. 14 EStG . . . . . . 176 6. Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG und Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 10c EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Bestimmung der insgesamt während der Leistungsbezugsphase steuerunbelastet bezogenen Altersrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen . . 185 2. Keine Berücksichtigung möglicher Leistungen an etwaige Hinterbliebene mit höherer statistischer Lebenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

§ 5 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug nach altem Recht zwischen den Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug zwischen zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Veranlagungszeiträume mit Steuerfestsetzung auf 0 DM bzw. 0 Euro . . . . . . . . 208 IV. Herausrechnen von Rentenversicherungsbeiträgen, die kalkulatorisch nicht auf die Finanzierung von an das Alter anknüpfenden Leistungen entfallen . . . . . . . 210 1. Notwendigkeit des Herausrechnens bestimmter Beitragsanteile dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Bestimmung der Höhe der herauszurechnenden Beitragsanteile unter Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger . . . . . . . . . 212 a) Argumente für die Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Problem: Berücksichtigung der Bundeszuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 V. Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

3. Teil

Konsequenzen doppelter Besteuerung 224

§ 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG   . . . . 224 I. Grundsätzliche Möglichkeit der Rechtfertigung doppelter Besteuerung unter Typisierungsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer verfassungsgemäßen Typisierung . . 230 III. Lösungsansätze zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 236 § 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Milderung des Steuerzugriffs . . . . . . . 242 II. Feststellungslast für das Vorliegen doppelter Besteuerung beim Steuerpflichtigen 245

Inhaltsverzeichnis

13

Zusammenfassung 248 1. Teil: Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 1 „Quelle“ und „dogmatische Herleitung“ sowie Inhalt des sog. Verbots der doppelten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 2 Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen . . . . . . . . . . 249 2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 § 3 Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 § 4 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 § 5 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 § 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG . . . 253 § 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Einführung I. Rechtfertigung der Untersuchung Die einkommensteuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Gegenstand verfassungsrechtlicher und rechtspolitischer Diskussionen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. 3. 2002 (BVerfGE 105, 73) und das Alterseinkünftegesetz vom 5. 7. 20041 ist mit dem Problem der sog. doppelten Besteuerung ein Streitpunkt hinzugekommen, der heute zunehmend Rechtsprechung2, Fach­ literatur3 und Politik4 beschäftigt. Das Bundesverfassungsgericht stellte in BVerfGE 105, 73 fest, dass die damals unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen einerseits und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits für die Zeit ab dem Jahr 1996 nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war.5 Es forderte den Gesetzgeber auf, bis spätestens 1. 1. 2005 eine gleichheitsgerechte Neuregelung zu treffen,6 wobei es kein bestimmtes Besteuerungssystem vorschrieb7. Jedoch wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass „[d]er Gesetzgeber […] im Rahmen der gebotenen 1 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen v. 5. 7. 2004, BGBl. I 2004, S. 1427. 2 S. zuletzt BFH, Urteil v. 19. 5. 2021, X  R  33/19, DStR  2021, 1291 (Verfassungsbeschwerde anhängig, Az. des BVerfG: 2 BvR 1140/21) u. BFH, Urteil v. 19. 5. 2021, X R 20/19, DStRE 2021, 773 (Verfassungsbeschwerde anhängig, Az. des BVerfG: 2 BvR 1143/21). 3 S. zuletzt z. B. Kulosa, jM  2021, 337; Weber-Grellet, FR  2021, 759; Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588; Reddig, DB 2021, 1496; Musil, DStR 2020, 1881; Dommermuth, FR 2020, 385 u. 439; Rügamer, FR 2020, 399; Schindler / Braun, NWB 2020, 423; G. Siepe, DStR 2020, 423; Chirvi / Kiesewetter / Maiterth / Menzel / Tschinkl, StuW 2020, 249; Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130. 4 S. z. B. Wahlprogramm der CDU / CSU zur Bundestagswahl 2021, S. 59: „[…] werden wir eine Doppelbesteuerung von Renten verhindern […]“; Wahlprogramm DIE LINKE zur Bundestagswahl 2021, S. 23: „Die Doppelbesteuerung der Renten wollen wir abschaffen“; Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72 zur Öffentlichen Anhörung am 29. 1. 2020 mit schriftlichen Stellungnahmen; dazu BT-Drucks. 19/10282, 19/10629, 19/16494, 19/28937 u. BT-Plenarprotokoll 19/104, S. 12721 ff., 19/237, S. 30986: Anträge von DIE LINKE, AfD u. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beschlussempfehlung u. Bericht des Finanzausschusses sowie Beschluss des Bundestages; außerdem BT-Drucks. 19/27174, 19/31057 u. BT-Plenarprotokoll 19/237, S. 30985: Antrag der FDP, Beschlussempfehlung u. Bericht des Finanzausschusses sowie Beschluss des Bundes­tages; ferner BT-Drucks. 19/28581, 19/27103, 19/25772, 19/17088, 19/16287, 19/12472: Kleine Anfragen u. Antworten der Bundesregierung. 5 BVerfGE 105, 73 (Leitsatz 1 u. S. 110). 6 BVerfGE 105, 73 (75, 134). 7 BVerfGE 120, 169 (178 f.); ebenso bereits Arndt, ZBR 2002, 189 (189 f.); Weber-Grellet, DStR 2002, 443 (443).

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Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen [hat], dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird“8. Am 1. 1. 2005 trat das von der Rürup-Steuerkommission9 vorbereitete und im Wesentlichen deren Lösungsvorschlag entsprechende10 Alterseinkünftegesetz in Kraft,11 welches den Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts aus BVerfGE 105, 73 erfüllen soll(te)12. Für die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Alterseinkünftegesetz den schrittweisen Systemwechsel von der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung eingeleitet, der während einer langen Übergangsphase bis über das Jahr 2040 hinaus andauern wird.13 Die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist heute grundsätzlich in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG geregelt. Derzeit wird in der Literatur viel diskutiert, ob diese Vorschrift mit Blick insbesondere auf die Übergangsphase von der Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung verfassungsgemäß ist.14 Es stellt sich die Frage, ob es zu verfassungswidriger doppelter Besteuerung kommt. Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof wollen das Vorliegen doppelter Besteuerung nur (noch) im konkreten Einzelfall prüfen und halten § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG offenbar auch15 unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung für ver 8

BVerfGE 105, 73 (Leitsatz 3) und beinahe wortgleich BVerfGE 105, 73 (134 f.). Der vollständige Name der Kommission lautet „Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen“, s. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003. 10 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.570; Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1722). Eine Abweichung liegt darin, dass der Gesetzgeber die Rentenversicherungsbeiträge als nur begrenzt abziehbare Sonderausgaben eingeordnet hat, nicht als unbegrenzt abziehbare Werbungskosten, wie es die Kommission vorgeschlagen hatte, s. BFH BStBl. II 2006, 420 (424); Bareis, StbJb 2004/2005, S. 25 (34 ff.); s. auch unten § 2 II. 1. 11 Art. 18 Abs. 3 G. v. 5. 7. 2004, BGBl. I 2004, S. 1427. 12 BR-Drucks. 2/04, S. 1, 38. 13 BR-Drucks. 2/04, S. 2, 38; BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 34); BFH BStBl. II 2009, 710 (713 f.); Förster, DStR 2009, 141 (142 f.); Musil, StuW 2005, 278 (278 ff.); Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1722 f.); im Einzelnen s. unten § 2 III. u. IV. 14 Für die (teilweise) Verfassungswidrigkeit der Norm z. B. Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 195 ff., 203 ff., 227 f.; Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 340 (Dezember 2017); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 23 f. (Mai 2017); tendenziell kritisch auch Nöcker, jurisPR-SteuerR 44/2018 Anm. 2 unter D.; für die Verfassungsmäßigkeit der Norm hingegen Musil, StuW  2005, 278 (284); ders., DStR  2020, 1881; Weber-Grellet, FR 2017, 399 (400). 15 Zu den bereits ausdrücklich höchstrichterlich geklärten verfassungsrechtlichen Fragen betreffend die Neuregelungen durch das Alterseinkünftegesetz zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 17 f., 30 ff.); auch Kulosa, DStR  2018, 1413 (1414 f.) u. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 15 ff. (Mai 2017) jeweils mit Nachw. aus der Rspr. des BVerfG. 9

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fassungsgemäß.16 Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs soll dem im Einzelfall von doppelter Besteuerung betroffenen Steuerpflichtigen „aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen […] ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen [können]“17. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen überhaupt doppelte Besteuerung vorliegt. Zwar hat sich der Bundesfinanzhof vor Kurzem in einem Urteil aus dem Jahr 2021 umfassend hierzu geäußert.18 Letztlich müsste wegen des verfassungsrechtlichen Hintergrundes aber das Bundesverfassungsgericht entscheiden; gegen das soeben erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2021 ist eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig.19 Daneben herrscht auch Uneinigkeit darüber, warum doppelte Besteuerung verfassungswidrig ist.20 Insbesondere mit diesen beiden Fragen, also mit der Definition der doppelten Besteuerung und der „Quelle“21 bzw. „dogmatischen Herleitung“22 des Verbots der doppelten Besteuerung, befasst sich die vorliegende Untersuchung. Daneben wird auf die Konsequenzen der doppelten Besteuerung, also die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und auf den Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall, eingegangen.

II. Zur Terminologie: „Doppelte Besteuerung“ Die Terminologie im Zusammenhang mit dem vorliegend untersuchten Thema ist uneinheitlich. Das Bundesverfassungsgericht spricht in BVerfGE 105, 73 von „doppelter Besteuerung“.23 Die Bezeichnung wird in Rechtsprechung und Literatur vielfach übernommen. Es finden sich aber mindestens ebenso häufig ähnliche 16 Vgl. BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 32 f., 46 ff.); BFHE 254, 545 (Leitsatz 1 u. Rz. 20, 25, 27, 54); BFH / N V 2015, 1369 (Rz. 23); BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 1 u. 2); kritisch hierzu Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 1.: „Kann denn ein grundsätzlich verfassungsgemäßes Gesetz im Einzelfall derart verfassungswidrig sein, dass eine Vorlage an das BVerfG geboten und erfolgversprechend ist? Und noch gravierender: Kann ein grundsätzlich verfassungsmäßiges Gesetz ab einem bestimmten Zeitpunkt für sämtliche von ihm Betroffenen verfassungswidrig sein (vor dem Hintergrund, dass sich nach den Kriterien des BFH ungefähr ab 2025 für sämtliche Neurentner rechnerisch eine doppelte Besteuerung ergeben dürfte)?“. 17 BFHE 254, 545 (Rz. 24); s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). 18 S. BFH DStR 2021, 1291 (Leitsätze 3, 4 u. Rz. 19 ff.). 19 Az. des BVerfG: 2 BvR 1140/21. 20 Darauf weisen zuletzt auch Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 1. sowie WeberGrellet, FR 2021, 759 (762) hin; zum Stand der Diskussion s. nur Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017). 21 Musil, StuW 2005, 278 (283); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017). 22 Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 69. 23 BVerfGE 105, 73 (Leitsatz 3 u. S. 134 f.).

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Begriffe wie „Doppelbesteuerung“24, „Zweifachbesteuerung“25 etc. Nur vereinzelt werden terminologische Aspekte ausdrücklich thematisiert.26 Hier ist im Anschluss an BVerfGE 105, 73 von „doppelter Besteuerung“ die Rede.

III. Begrenzung der Untersuchung auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung Das Thema der doppelten Besteuerung wird im Folgenden nur mit Blick auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung untersucht. Das dient der Übersichtlichkeit und Geschlossenheit der Darstellung. Nicht in die Betrachtung einbezogen werden die knappschaftliche Rentenversicherung27 und die Alterssicherung der selbstständigen Landwirte28. Nicht untersucht wird das Problem der doppelten Besteuerung vorliegend auch mit Blick auf Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen29, die betriebliche Altersversorgung sowie sämtliche private Rentenversicherungen30. 24

S. z. B. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 42, 55); BFH BStBl. II 2011, 579 (Rz. 59); Förster, DStR 2010, 137 (141 f.); Musil, StuW 2005, 278 (282). 25 S. z. B. BVerfG NVwZ-RR 2005, 217 (217 f.); BFH BStBl. II 2009, 710 (721); Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 50 mit fehlerhafter wörtlicher Wiedergabe von BVerfGE  105,  73; Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  340 (Dezember 2017). 26 S. insbes. Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 66 ff.; am Rande auch Weber-Grellet, DStR 2012, 1253 (1257 Fn. 43), der den Begriff „inkongruente Besteuerung“ vorschlägt. 27 Zur Unterscheidung von allgemeiner Rentenversicherung und knappschaftlicher Rentenversicherung s. § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI; zur knappschaftlichen Rentenversicherung s. u. a. §§ 79 ff., §§ 132 ff. u. § 215 SGB VI; dazu z. B. Pott, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 16. 28 Zu dieser s. das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte v. 29. 7. 1994, BGBl. I 1994, S. 1890, 1891, zuletzt geändert durch Art. 85 G. v. 20. 8. 2021, BGBl. I 2021, S. 3932, welches gem. § 68 Nr. 4 SGB I als besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs gilt; dazu Deisler, in: Ruland /  Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 3; Sehnert, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 19 Rn. 46 ff. 29 Dazu vgl. Wernsmann / Neudenberger, FR 2017, 853; hierzu aber BFH BStBl. II 2018, 579. 30 Darauf geht ein Dommermuth, FR 2020, 385 ff u. 439 ff.; ders., Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29. 1. 2020, Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72, Anlage 4, S. 6 f. Bei privaten Rentenversicherungen außerhalb der Basisversorgung und einer Rürup-Rente geprüft wird das Vorliegen doppelter Besteuerung von FG Hessen EFG 2020, 191; BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 4 u. Rz. 22, 87 ff., 104 ff.) hat hierzu in der Revision entschieden, dass bei Rürup-Renten das Vorliegen doppelter Besteuerung zu prüfen sei (Rz. 87 ff.), „[b]ei den gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann [aber] gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden“ (Leitsatz 4); „Ein solcher Vergleich von Steuerbelastung in der Erwerbsphase und Steuerentlastung in der Auszahlungsphase verbietet

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IV. Gang der Darstellung Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil behandelt die verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Ausgangslage des Themas der doppelten Besteuerung. In § 1 wird zunächst erörtert, warum doppelte Besteuerung verfassungswidrig ist. Es wird also der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab dargelegt. Das ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil die Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen doppelte Besteuerung vorliegt, aus dem Grundgesetz abgeleitet werden muss. In § 2 wird die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen nach heutigem und früherem Recht behandelt. Hier geht es um den Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung. Außerdem wird auf Aspekte des Rentenversicherungsrechts (insbesondere das Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung) eingegangen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Definition der doppelten Besteuerung. Die Definition der doppelten Besteuerung ist die zentrale Frage zum Thema der doppelten Besteuerung. Zunächst wird in § 3 der Definitionsansatz dargelegt, der besagt, dass bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, zwei Vergleichsgrößen miteinander zu vergleichen sind. Anschließend werden die beiden Vergleichsgrößen in § 4 und § 5 im Detail erläutert. Im dritten Teil geht es um die Konsequenzen doppelter Besteuerung. In § 6 wird untersucht, ob § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verfassungsgemäß ist. Schließlich wird in § 7 die Frage behandelt, wie im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Prozess mit Steuerpflichtigen umzugehen ist, die (mög­licherweise) von doppelter Besteuerung betroffen sind. Am Ende der Arbeit findet sich eine Zusammenfassung der Ergebnisse.

sich für ertragsanteilsbesteuerte Renten bereits vom systematischen Ansatz […]. Grund hierfür ist, dass die Besteuerung mit dem Ertragsanteil gerade auf dem Leitbild beruht, der Rentenanspruch sei durch aus versteuertem Einkommen gezahlten Beiträgen erworben worden […]. Besteuert wird damit lediglich der erst in der Auszahlungsphase entstehende Zinsertrag, der gesetzlich typisiert wird“ (Rz. 111).

1. Teil

Ausgangslage § 1 „Quelle“ und „dogmatische Herleitung“ sowie Inhalt des sog. Verbots der doppelten Besteuerung Im Folgenden wird die Frage erörtert, ob und warum der Zustand, der als doppelte Besteuerung bezeichnet wird, gegen Vorgaben des Grundgesetzes verstößt. Man ist sich zwar einig, dass doppelte Besteuerung unzulässig ist. Jedoch ist die „Quelle“31 bzw. die „dogmatische Herleitung“32 des sog. Verbots der doppelten Besteuerung (und damit notwendigerweise auch dessen exakter Inhalt) umstritten.33 Will man die Frage nach der „Quelle“ bzw. „dogmatischen Herleitung“ des Verbots der doppelten Besteuerung beantworten, steht man vor dem Problem, dass auch der Inhalt des Verbots der doppelten Besteuerung zunächst nicht näher konkretisiert werden kann. Bekannt ist hingegen die Situation, in der doppelte Besteuerung möglicherweise auftritt: Doppelte Besteuerung ist das Ergebnis einer fehlerhaften Abstimmung zwischen der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Besteuerung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, andererseits. Es geht um eine fehlerhafte intertemporale Abstimmung mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Einkommensteuerzugriffe, die zusammen eine Mehrfachbelastung desselben „Etwas“34 verursachen. Dasselbe „Etwas“ meint hier dasselbe Einkommen im wirtschaftlichen (untechnischen) Sinne35 als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit, also das Steuergut bzw. Besteuerungsgut, welches durch die rechtliche 31

Musil, StuW 2005, 278 (283); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017). 32 Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 69. 33 Zum Stand der Diskussion s. z. B. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Melling­ hoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017); vgl. auch zuletzt (mit zu Recht kritischem Unterton) Kulosa, HFR  2021, 648, Anmerkung unter 1.: „[…] weiterhin nicht so richtig geklärt, auf welcher genauen dogmatischen Grundlage ein solcher Steuerzugriff verfassungswidrig sein soll“; „[…] ob das ‚In jedem Fall‘ eine klare verfassungsrechtliche Fundierung ersetzen kann, weiß niemand so recht. Die Klärung dieser Frage muss einem künftigen Verfahren vorbehalten bleiben“; Weber- ­Grellet, FR 2021, 759 (762): „Unklar sind m. E. weiterhin die dogmatischen Grundlagen des Verbots der doppelten Besteuerung“; dazu, dass Weber-Grellet annimmt, dass sich die Frage der doppelten Besteuerung überhaupt nicht stellt, s. sogleich im Text. 34 Vgl. BVerfGE 105, 73 (123): „Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf nicht ein zweites Mal, also doppelt, besteuert werden“ (Hervorhebung nur hier). 35 Gemeint ist also nicht der Begriff des Einkommens nach § 2 Abs. 4 EStG.

§  1  Verfassungsrecht 

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Normierung im EStG zum Steuerobjekt36 bzw. Steuergegenstand und schließlich zur quantifizierten Steuerbemessungsgrundlage wird.37 Auf die Frage, inwieweit es sich bei den von einem Steuerpflichtigen erhaltenen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und den von ihm zur Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge eingesetzten Einkünften andererseits tatsächlich um dasselbe „Etwas“ handelt, wird später noch einzugehen sein.38 Fest steht aber jedenfalls, dass irgendeine Form der (zumindest teilweisen) Identität zwischen den genannten Größen bestehen muss, wenn doppelte Besteuerung nicht denklogisch ausgeschlossen sein soll. Leugnet man diese Identität (wie dies nun von Weber-Grellet vertreten wird39), so spricht man der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 105, 73, doppelte Besteuerung sei zu vermeiden,40 jeden Sinn ab. Dass eine solche Identität (zumindest zwischen einem Teil der Beiträge und einem Teil der Leistungen) besteht, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht selten dadurch zum Ausdruck gebracht, dass Leistungen aus der 36 Vgl. auch Heine, ZRP 2002, 479 (481), der mit Blick auf die doppelte Besteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausführt, „dass ein gleiches Steuerobjekt beim gleichen Steuersubjekt nicht mehrfach zu einer gleichen oder gleichartigen Steuer herangezogen werden darf“; ähnlich Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 465 (478). 37 Zu den nicht immer einheitlich gebrauchten Begriffen Steuergut bzw. Besteuerungsgut, Steuerobjekt bzw. Steuergegenstand und Steuerbemessungsgrundlage Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 6.36 ff.; grundlegend zum hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 1974, S. 33 ff. 38 S. unten § 4 I. u. § 5 IV. 39 Weber-Grellet, FR  2021, 759 (760 f.): „Mit der Reform 2004 wurde das System der Rentenbesteuerung grundlegend geändert. Die Rente ist nicht mehr eine bloße Kapitalrückzahlung, sondern eine selbständige Einnahme im Rahmen einer selbständigen Einkunftsart (§ 22 Nr. 1 EStG); die entsprechenden Einnahmen beruhen auf Leistungen (Beitragsaufwendungen), die später zu Einkünften führen. Die Struktur dieser Renteneinkünfte unterscheidet sich nicht mehr von anderen Einkünften; Aufwendungen werden eingesetzt, um Einnahmen zu generieren. Die Einnahmen sind nicht bloße Rückzahlungen der geleisteten Beiträge, sondern originäre Einnahmen, die mit den ursprünglichen Aufwendungen in keinem (Rückzahlungs-)Zusammenhang stehen. Aufwendungen und Einnahmen stehen separat nebeneinander“ (S. 760); „Aus diesen Erwägungen folgt, dass sich aufgrund des mit dem neuem Recht verbundenen Systemwechsels die Frage nach einer doppelten Besteuerung nicht mehr stellt; Renteneinnahmen sind keine Kapitalrückzahlungen, sondern originäre Einahmen [sic!]. Infolge der Änderung der Grundlagen der Einkunftsart (nachgelagerte Vollbesteuerung) ist die Doppelbesteuerungsproblematik entfallen; der frühere Aspekt der Kapitalrückzahlung, der im alten System durchaus seine Berechtigung hatte, hat seine Grundlage verloren“ (S. 761); „Folgt man […] der […] dargelegten Auffassung, kommt es auf einen Vergleich steuerbelasteter Aufwendungen und steuerfreier Rentenbezüge nicht mehr an; die ganze Berechnungsproblematik wäre obsolet“ (S. 761); i. Erg. ebenso wohl schon Fischer, DStJG 24 (2001), S. 463 (477 f., 481 f.); tendenziell auch BFH BStBl. II 2006, 312 (326), wo der BFH für die gesetzliche Rentenversicherung aus steuerlicher Perspektive das Vorliegen eines Sparvorgangs anscheinend ablehnt und von einer reinen Risikoversicherung spricht; so i.Erg. auch (aber aus rentenversicherungsrechtlicher Perspektive) Künzler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 6; Ruland, in: Ruland / Becker /  Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 9. 40 S. BVerfGE 105, 73 (Leitsatz 3).

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1. Teil: Ausgangslage

gesetzlichen Rentenversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (trotz des Umlageverfahrens bei der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung41) als Kapitalrückfluss bzw. -rückzahlung bezeichnet werden,42 womit der Rückfluss bzw. die Rückzahlung zuvor entrichteter Beiträge gemeint ist. Hierzu passt, dass das Bundesverfassungsgericht in Rentenversicherungsbeiträgen auch „vermögensbildende […] Komponenten“ sieht, sodass die Beiträge „nicht eine reine Vermögensminderung, sondern [auch] eine Vermögensumschichtung“ bewirken.43 Die Notwendigkeit und Zulässigkeit des Abstellens auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung des Sachverhalts (und damit die Irrelevanz des Finanzierungsverfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung) ergibt sich daraus, dass bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes zu untersuchen ist, ob der Gesetzgeber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen, die gerade nicht von formalen bzw. technischen Umständen abhängt, in verfassungskonformer Art und Weise abgebildet hat.44 An den vorstehend geschilderten Ausgangsbefund muss man bei der verfassungsrechtlichen Einordnung der doppelten Besteuerung anknüpfen: Es ist zu untersuchen, ob das Grundgesetz für die intertemporale Abstimmung der oben genannten Steuerzugriffe (genauer: für die Belastungswirkung der Steuer45) Vorgaben macht und wenn ja, welche Vorgaben dies sind. Hieraus ergibt sich sowohl die

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S. § 153 SGB VI. S. BVerfGE 54, 11 (26, 29); 76, 256 (299 f.); 105, 73 (128); BFH BStBl. II 1986, 747 (748 f.); auch BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 31), allerdings mit einer auf den ersten Blick verwirrenden Differenzierung zwischen Vermögensumschichtung und -aufbau; Birk / Wernsmann, in: Ruland /  Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 23; Wernsmann, in: Hübschmann /  Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 511 (Oktober 2020); ebenso Seer, StuW 1996, 323 (329), der aber das „Bild einer Kapitalrückzahlung“ trotzdem für eine Fiktion hält. 43 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47). 44 Vgl. Hübschmann, in: Festschrift für Spitaler, 1958, S. 108 (120 ff.); auch Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (850): „Die Wahl des Finanzierungsverfahrens und die Modalitäten der Finanzierung der Renten […] beeinflussen nicht die steuerliche Leistungsfähigkeit der Rentenempfänger und können sich folglich auch nicht auf deren Besteuerung auswirken“; ferner Dorenkamp, DStZ 2002, 668 (669) mit Blick auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise in BVerfGE 105, 73. 45 Die Belastungswirkung der Steuernorm liegt im Geldentzug, den der Steuerpflichtige infolge der Verwirklichung des Steuertatbestandes erleidet. Sie ist zu unterscheiden von etwaigen Gestaltungs- bzw. Lenkungswirkungen. Dazu grundlegend Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 68 ff.; außerdem Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 66 ff., 345 ff.; ders., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 104 f. (November 2016); ders., NJW 2006, 1169 (1170 ff.); erwähnt wird die Unterscheidung auch bei Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 61 (April 2020); Kempny, JöR 64 (2016), S. 477 (478 f.); P. Kirchhof, in: Isensee /  Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 65 ff.; Weber-Grellet, FR 2011, 1028 (1029 Fn. 22) merkt an, dass das BVerfG die Unterscheidung nicht übernommen habe; tatsächlich ist keine Entscheidung ersichtlich, in der das BVerfG ausdrücklich auf die Unterscheidung Bezug nimmt, in der Sache hat das BVerfG aber durchaus schon dementsprechend differenziert, z. B. in BVerfGE 137, 350 (Rz. 43, 69 ff., insbes. 70). 42

§  1  Verfassungsrecht 

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„Quelle“ bzw. „dogmatische Herleitung“ des Verbots der doppelten Besteuerung als auch der grundsätzliche (verfassungsrechtliche) Inhalt des Verbots. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend auf die einzelnen verfassungsrechtlichen Vorgaben, die in der bisherigen Diskussion als „Quelle“ bzw. „dogmatische Herleitung“ des Verbots der doppelten Besteuerung genannt werden, eingegangen.46 Dabei wird gezeigt, dass sich im Ergebnis (in Übereinstimmung mit BVerfGE  105,  73) Vorgaben für die intertemporale Abstimmung zwischen der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Besteuerung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, lediglich aus dem Folgerichtigkeitsgebot ableiten lassen, welches eine bereichsspezifische Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt (s. unten I.). Nach einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots darf bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogene Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Diesen Nominalbetrag kann man zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs auch als das Ergebnis eines erfolgsneutralen Vermögenstauschs (so BVerfGE 105, 73) bzw. einer bloßen Umschichtung von Privatvermögen oder auch als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen bezeichnen. Keine Vorgaben für die intertemporale Abstimmung zwischen der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Besteuerung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, ergeben sich hingegen aus dem objektiven Nettoprinzip bzw. dem Leistungsfähigkeitsprinzip (s. unten II.), aus Art. 14 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG (s. unten III.) oder aus einer angeblichen Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen doppelt besteuerten Rentnern und nur einmal besteuerten Rentnern (s. unten IV.).

46 Anzumerken ist, dass der Vertrauensschutzgrundsatz in der Literatur nicht zur Begründung der Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung an sich herangezogen wird, sondern nur zur Begründung der Annahme, dass dem Gesetzgeber ausnahmsweise keine bzw. nur eine eingeengte Typisierungsbefugnis zustehe (dazu s. unten § 6 I.), s. Hey, DRV 2004, 1 (6): „Das Verbot der nochmaligen Besteuerung bereits versteuerter Beitragsleistungen setzt vor der Frage eines etwa zu gewährenden Vertrauensschutzes ein. Es ist zunächst keine Frage des Vertrauensschutzes, sondern der Steuersystematik“; „[…] so setzt das Vertrauensschutzprinzip den bei der Umsetzung des Verbots der Doppelbesteuerung zulässigen Typisierungen zusätzliche verfassungsrechtliche Grenzen“; Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 94: „Aus dem verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz lässt sich mithin kein eigenständiger Schutz des Betroffenen gegen jegliche mehrfache Steuerzugriffe ableiten. Vielmehr finden die Aspekte des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung Eingang in die Grundrechtsprüfung“.

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1. Teil: Ausgangslage

I. Folgerichtigkeitsgebot als steuerrechtsspezifische Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG Nicht selten wird angenommen, dass doppelte Besteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gegen das Folgerichtigkeitsgebot verstößt.47 Dem ist, wie im Folgenden dargelegt wird, zuzustimmen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Problem der doppelten Besteuerung in BVerfGE 105, 73 dem Folgerichtigkeitsgebot zugeordnet, indem es die Unzulässigkeit doppelter Besteuerung unter Hinweis auf das gegenwärtig geltende Einkommensteuerrecht (das eine Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots enthält48) begründet hat49.50 Das vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz anerkannte, aber in der Literatur nicht unumstrittene Folgerichtigkeitsgebot ist eine steuerrechtsspezifische Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG und bindet den einfachen Gesetzgeber im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes an selbst getroffene steuerliche Belastungsgrundentscheidungen (s. unten 1.). Dem EStG lässt sich (in Übereinstimmung mit BVerfGE 105, 73) die vorliegend maßgebliche Belastungsgrundentscheidung entnehmen, dass bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogene Nominal­ 47

S. Hey, DRV 2004, 1 (3 f.); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 75 f.; Kulosa, DStR 2018, 1413 (1415) u. ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017); Musil, StuW 2005, 278 (283); ders., DStR 2020, 1881 (1886 f., 1888 f.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017); zumindest implizit schließlich BFHE 254, 545 (Rz. 24); BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 21). 48 S. unten § 1 I. 2. 49 S. BVerfGE 105, 73 (122 f.): „Nach gegenwärtig geltendem Einkommensteuerrecht gilt grundsätzlich: Steuerbares Einkommen ist nur der erstmalige Zufluss (die erstmalige Realisierung) einer Vermögensmehrung, nicht dagegen der ‚erfolgsneutrale Vermögenstausch‘ (etwa Austausch von Forderung gegen Bargeld) oder der Vermögenskonsum. Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf nicht ein zweites Mal, also doppelt, besteuert werden. Eine ‚spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung kommt dagegen in Betracht, wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder ‚aufgeschoben‘ wurde“; beinahe wortgleich wiederholt werden diese Ausführungen in BVerfG FR 2016, 78 (Rz. 58); BVerfG NJW 2016, 469 (Rz. 41); BVerfG HFR 2011, 88 (Rz. 10). 50 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B  211 (Mai 2017); Rügamer, FR 2020, 399 (401). Nicht zur Kenntnis genommen wird dies anscheinend von BFH BStBl. II 2009, 710 (720); FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 63); FG Münster DStRE  2013, 1484 (1485); Schuster, DStR  2018, 2106 (2107); Weber-Grellet, FR  2017, 399 (399), wo sämtlich trotz abweichender Positionen hinsichtlich der „Quelle“ bzw. der „dogmatischen Herleitung“ des Verbots der doppelten Besteuerung ein Hinweis auf BVerfGE 105, 73 fehlt. Ebenso findet sich kein Hinweis auf BVerfGE 105, 73 in BFHE 254, 545 (Rz. 24) sowie in BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 21), wobei hier aber zumindest jeweils neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Verbot der Übermaßbesteuerung auch das Folgerichtigkeitsgebot erwähnt wird.

§  1  Verfassungsrecht 

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betrag51 des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden darf; andernfalls liegt verfassungswidrige doppelte Besteuerung vor (s. unten 2.). 1. Verfassungsrechtliche Verortung, Inhalt und Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots Das Folgerichtigkeitsgebot ist richtigerweise als bereichsspezifische52 Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG unter anderem betreffend die Ausgestaltung von steuerlichen Belastungsgrundentscheidungen53 zu verstehen,54 sodass bei der Konkretisierung und Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots strikt auf Art. 3 Abs. 1 GG Bezug genommen werden muss.55 Das Folgerichtigkeitsgebot spiegelt wider, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber bei grundlegenden Entscheidungen (hier: hinsichtlich der Erfassung und Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen, also hinsichtlich der einfachgesetzlichen Konkretisierung

51 Diesen Nominalbetrag kann man zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs auch als das Ergebnis eines erfolgsneutralen Vermögenstauschs (so BVerfGE 105, 73) bzw. einer bloßen Umschichtung von Privatvermögen oder auch als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen bezeichnen, s. unten § 1 I. 2. c). 52 Zur Notwendigkeit der bereichsspezifischen Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG BVerfGE 75, 108 (157); BVerfG NVwZ  2017, 617 (Rz. 38); P.  Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 314 (September 2015); Sachs, in: Isensee / K irchhof, HStR  VIII, 3. Aufl. 2010, § 183 Rn. 1 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 410, 479 (August 2015). 53 Die Terminologie des BVerfG ist uneinheitlich. Es ist von der „Belastungsgrundentscheidung“, der „Belastungsentscheidung“, der „Grundentscheidung“ oder dem „Ausgangstatbestand“ die Rede, s. exemplarisch BVerfGE 126, 268 (278, 280). 54 Der Begriff der Folgerichtigkeit findet sich auch in anderen Zusammenhängen, z. B. im Wahlrecht oder öffentlichen Wirtschaftsrecht. Teilweise wird der Begriff von ähnlichen Begriffen (Widerspruchsfreiheit, Systemgerechtigkeit, Rationalität, Konsistenz, Kohärenz etc.) abgegrenzt, teilweise wird er mit manchen dieser Begriffe gleichgesetzt, s. dazu insbes. O’Hara, Konsistenz und Konsens, 2018, S. 15 Fn. 67; außerdem Drüen, in: Festschrift für Spindler, 2011, S. 29 (38 f.); P. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 404 ff. (September 2015); Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578 ff.; Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 194 ff. 55 Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 192 ff., insbes. S. 202 ff.; vgl. auch Eichberger, in: Festschrift 100 Jahre BFH, Bd. 1, 2018, S. 501 (511 f.); Schmehl, in: Festschrift für Bryde, 2013, S. 457 (471 f.); außerdem Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 520a (Oktober 2020): „Bei näherer Betrachtung lassen sich nämlich alle Aussagen des Folgerichtigkeitskriteriums bereits unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG ableiten“; abweichend zur verfassungsrechtlichen Verortung P. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 408 (September 2015) u. ders., AöR 128 (2003), S. 1 (45), der nicht nur auf Art. 3 Abs. 1 GG abstellt, sondern auch auf das Rechtsstaats- und das Bundesstaatsprinzip, der aber auch Folgerichtigkeit dementsprechend umfassend versteht; dazu Thiemann, a. a. O., S. 197: „eine eher schiefe Perspektive“.

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1. Teil: Ausgangslage

des Leistungsfähigkeitsprinzips56) in Ermangelung geeigneter Vergleichsfälle57 notwendigerweise einen weiten Gestaltungsspielraum belässt, wohingegen der Gesetzgeber bei der weiteren Ausgestaltung jener grundlegenden Entscheidungen strengeren Bindungen unterliegen kann (aber nicht unterliegen muss).58 Dementsprechend formulieren beide Senate des Bundesverfassungsgerichts in jüngeren Entscheidungen wie folgt: „Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. […]. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag“59. Von den Anforderungen des Folgerichtigkeitsgebots ist der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung befreit, wenn er einen grundlegenden Systemwechsel regelt.60 Das Folgerichtigkeitsgebot hat seit vielen Jahren und auch heute noch einen festen Platz in den Maßstäbeteilen61 zahlreicher Entscheidungen beider Senate des Bundesverfassungsgerichts.62 Das Bundesverfassungsgericht hat sich also in seiner 56

Vgl. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 205: „Maßgröße der verfassungs­ gerichtlichen Gleichheitsprüfung ist in diesem Konzept also nicht ein abstraktes Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung, die dieses Prinzip erfahren hat […]“; Hey, StuW 2015, 3 (7): „Das Leistungsfähigkeitsprinzip bezeichnet den Vergleichsmaßstab, das Folgerichtigkeitsprinzip stellt Anforderungen an die Umsetzung dieses Maßstabs auf“; zum Leistungsfähigkeitsprinzip unten § 1 II. 4. 57 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 520a (Oktober 2020): „[…] so folgt dies daraus, dass der Gesetzgeber […] ein ‚weißes Blatt‘ beschreibt […]. Zu diesem Zeitpunkt existieren noch keine anderen gesetzlichen Vorschriften, zu jenen der Ausgangstatbestand in Relation gesetzt werden könnte“. 58 Vgl. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 203; auch Drüen, in: Festschrift für Spindler, 2011, S. 29 (44). 59 BVerfGE 148, 217 (Rz. 105) (Erster Senat); beinahe wortgleich BVerfGE 141, 1 (Rz. 96) (Zweiter Senat); sehr ähnlich BVerfGE 137, 350 (Rz. 41); 138, 136 (Rz. 123); 139, 1 (Rz. 40); 139, 285 (Rz. 72); 148, 147 (Rz. 96) (alle Erster Senat); außerdem zuletzt BVerfGE 152, 274 (Rz. 100) (Zweiter Senat): „Ausnahmen von einer […] folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes […] bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag“. 60 BVerfGE 122, 210 (241 ff.); 126, 268 (280 f.). 61 Zur vom BVerfG häufig verwendeten Gliederung der Begründung seiner Entscheidungen in Maßstäbe- und Subsumtionsteil Lepsius, in: Jestaedt / Lepsius / Möllers / Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (168 ff.). 62 S. zuletzt BVerfGE 152, 274 (Rz. 100) (Zweiter Senat) u. BVerfGE 148, 217 (Rz. 105) (Erster Senat) jeweils m. w. N.; grundlegend BVerfGE 84, 239 (271) (Zweiter Senat); der Erste Senat griff die Rspr. des Zweiten Senats zur Folgerichtigkeit erstmals in BVerfGE 117, 1 (30 f.) auf; zur Entwicklung der Rspr. Modrzejewski, in: Modrzejewski / Naumann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 5, 2019, S. 277 (284 ff.); zu den in der Literatur liegenden Ursprüngen des Folgerichtigkeitsgebots Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 195 f.

§  1  Verfassungsrecht 

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jüngeren Rechtsprechung entgegen teilweise geäußerter Einschätzungen keineswegs vom Folgerichtigkeitsgebot abgewandt.63 Jedoch fehlt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Folgerichtigkeitsgebot bislang tatsächlich hinsichtlich verschiedener Aspekte eine klare Linie.64 In der Literatur wird gegen das Folgerichtigkeitsgebot teilweise grundsätzliche Kritik vorgebracht.65 Orientiert man die Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots strikt an Art. 3 Abs. 1 GG, dann erübrigt sich die in der Literatur vorgebrachte Kritik aber richtigerweise.66 Wie ist nun das strikt an Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Folgerichtigkeitsgebot konkret zu prüfen? Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber67, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.68 Weil sich eine Ungleichbehandlung69 nur in einer Relation zeigen kann, setzt die Feststellung einer Ungleich­behandlung 63 Ebenso Eichberger, in: Festschrift 100 Jahre BFH, Bd. 1, 2018, S. 501 (512); G. Kirchhof, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 267 (April 2020); zurückhaltender Modrzejewski, in: Modrzejewski / Naumann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 5, 2019, S. 277 (301): „Zukunft […] offen“; anders Kempny, JöR 64 (2016), S. 477 (489 ff.), der meint, das BVerfG habe sich „weitgehend von der Lehre vom Gebot der Folgerichtigkeit abgewandt“; in diese Richtung auch Kischel, in: Epping / Hillgruber, BeckOK-GG, Art. 3 Rn. 153, 156 (August 2020); Hey, in: Festschrift 100 Jahre BFH, Bd. 1, 2018, S. 451 (469); dies., FR 2020, 578 (579). Kempny, a. a. O., S. 491 erklärt das Festhalten am Begriff der Folgerichtigkeit in den Maßstäbeteilen damit, dass das BVerfG versuche, „den Meinungswandel […] in der gerichtsüblich zurückhaltenden Art und Weise kundzutun und den (dem Gericht in der Regel wichtigen) Eindruck von Beständigkeit und Stetigkeit der Rechtsprechung nicht zu gefährden“. Allerdings meint Kempny, a. a. O., S. 492 mit Verweis auf die Geschichte des Leistungsfähigkeitsprinzips auch, es sei „angezeigt, mit Abschiedsworten vorsichtig zu sein“. 64 Dazu vgl. (jeweils zu unterschiedlichen Aspekten) Eichberger, in: Festschrift 100 Jahre BFH, Bd. 1, 2018, S. 501 (512); Modrzejewski, in: Modrzejewski / Naumann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 5, 2019, S. 277 (284 ff., S. 292 f., 299 ff.); O’Hara, Konsistenz und Konsens, 2018, S. 129 ff., 136; Thiemann, in: Emmenegger / Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 2, 2011, S. 179 (195 ff.); Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 517 ff. (Oktober 2020). 65 Kritik findet sich z. B. bei Kischel, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 175 (184 f.); ders., AöR 124 (1999), S. 174 (203 ff.); Lepsius, JZ 2009, 260 (262 f.); Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578 ff.; Tappe, JZ  2016, 27 (31 f.); für einen Überblick über die Kritik s. Drüen, in: Festschrift für Spindler, 2011, S. 29 (37 f.); G.  Kirchhof, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 268 (April 2020). 66 Vgl. Osterloh, in: Festschrift für Bryde, 2013, S. 429 (439 ff.); Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 193 f., 202, 206 ff.; gegen die vorgebrachte Kritik auch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.120; dies., StuW 2015, 3 (9 f.). 67 Trotz seines Wortlauts ist heute allgemein anerkannt, dass Art. 3 Abs. 1 GG auch Rechtsetzungsgleichheit verlangt, s. Pietzcker, in: Merten / Papier, HGR  V, 2013, § 125 Rn. 67 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 435 (Oktober 2020). 68 BVerfGE 145, 106 (Rz. 98); 148, 217 (Rz. 103); 152, 274 (Rz. 95) jeweils m. w. N. 69 Weil es beim Folgerichtigkeitsgebot nur um Ungleichbehandlungen geht, wird auf die Problematik des Gleichbehandlungsverbots nicht eingegangen, s. dazu Boysen, in: v. Münch /  Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 64 ff.

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1. Teil: Ausgangslage

einen Vergleich von mindestens zwei Sachverhalten voraus.70 Es ist die geregelte Behandlung bestimmter Sachverhalte mit der anders geregelten Behandlung anderer Sachverhalte zu vergleichen.71 Eine Gleichheitswidrigkeit kann nur vorliegen, wenn es zu Rechtsfolgenunterschieden bei Grundrechtsträgern kommt; ein Verstoß gegen ein (vermeintlich) im Gesetz vorgefundenes System, Prinzip etc. reicht nicht aus.72 Das Folgerichtigkeitsgebot fügt sich grundsätzlich in diese Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG ein: Bei der Prüfung des Folgerichtigkeitsgebots repräsentiert die Belastungsgrundentscheidung einen der beiden Vergleichssachverhalte; die Vorschrift, deren Folgerichtigkeit überprüft wird, regelt den anderen Vergleichssachverhalt.73 Dass die Belastungsgrundentscheidung oft Regelungen zusammenfasst, die mehrere tatsächliche Sachverhalte betreffen, ist zwar eine Besonderheit des Folgerichtigkeitsgebots, jedoch steht dem die Grundstruktur des Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegen, weil ein Vergleich auch bei mehr als zwei Sachverhalten möglich ist. Bei der Prüfung des Folgerichtigkeitsgebots sind in einem ersten Schritt Sachverhalte zu ermitteln, die dem Sachverhalt, welcher von der zur Prüfung stehenden Vorschrift geregelt wird, in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal (tertium comparationis) wertungsmäßig so ähnlich sind, dass Art. 3 Abs. 1 GG insoweit grundsätzlich eine Gleichbehandlung der Sachverhalte gebietet. Alle Sachverhalte müssen einem gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) unterfallen.74 Es geht hierbei um die bei jeder Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Wertungsfrage,75 ob die Sachverhalte wesentlich gleich sind, deren Verortung im Prüfungsaufbau des Art. 3 Abs. 1 GG freilich umstritten ist (Feststellung der Ungleichbehandlung oder Rechtfertigungsebene76), worauf es aber im Ergebnis nicht ankommt.77 Nur 70

Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 51. Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, 2011, S. 1470. 72 P. Kirchhof, in: Isensee / K irchhof, HStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 219 f. 73 Davon, dass sich das Folgerichtigkeitsgebot „bruchlos in die allgemeine Gleichheitskontrolle des Gesetzgebers einfügt“, geht i. Erg. auch Osterloh, in: Festschrift für Bryde, 2013, S. 429 (440 ff.) aus; vgl. außerdem Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 520a (Oktober 2020): „Bei näherer Betrachtung lassen sich nämlich alle Aussagen des Folgerichtigkeitskriteriums bereits unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG ableiten“. 74 Zur klassischen Strukturierung der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG unter Bezugnahme auf tertium comparationis, genus proximum und differentia specifica Heun, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 19, 24; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, 36. Aufl. 2020, Rn. 518, 520; kritisch Wollenschläger, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 80. 75 Zur Notwendigkeit von Wertungen bei der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 51 f.; Heun, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 25; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, 14. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 22, 25. 76 Zur Diskussion in der Literatur und zur uneinheitlichen Rspr. des BVerfG Wollenschläger, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 81 f. 77 Überzeugend Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, 14. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 25; Pietzcker, in: Merten / Papier, HGR V, 2013, § 125 Rn. 7, 39; tendenziell anders Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 51: „Aufgrund der jeder Gegenständlichkeit ermangelnden Allgemeinheit des Grundrechts schlagen Strukturfragen oftmals wesentlich unvermittelter auf […] die Ergebnisse der Grundrechtsprüfung im Einzelfall durch“. 71

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wenn und soweit die wesentliche Gleichheit der Sachverhalte besteht, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG im Ergebnis die Erstreckung einer Belastungsgrundentscheidung. Aus der steuerlichen Behandlung der relevanten Vergleichssachverhalte nach geltendem Recht ist in einem zweiten Schritt die Belastungsgrundentscheidung zu abstrahieren. Dabei muss (auch methodisch) besonders sorgfältig vorgegangen werden, zumal hier erneut Wertungen vorzunehmen sind. Keinesfalls darf dem Gesetzgeber eine Aussage unterstellt werden, die so nicht im Gesetz zum Ausdruck kommt.78 Die Belastungsgrundentscheidung muss eine Regel zur Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen darstellen, nach welcher der einfache Gesetzgeber (in den relevanten Vergleichssachverhalten) auch tatsächlich Steuerpflichtige behandelt.79 Andernfalls würde kein Vergleich der tatsächlich geregelten Behandlung unterschiedlicher Sachverhalte vorgenommen, was Art. 3 Abs. 1 GG aber verlangt.80 Eine Aussage des einfachen Gesetzgebers kann außerdem nur dann Belastungsgrundentscheidung sein, wenn ihr (zumindest hinsichtlich eines kleinen Teilbereichs) ein systemprägender Charakter zukommt.81 Das ergibt sich nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, jedoch macht es andernfalls keinen Sinn, die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG in der Form des Folgerichtigkeitsgebots zu strukturieren. Die Besonderheiten der Folgerichtigkeitsprüfung rechtfertigen sich gerade aus dem tatsächlichen Vorhandensein von systemprägenden Entscheidungen des Gesetzgebers. An dieser Stelle entsteht auch kein Widerspruch zur Ergebnisoffenheit des allgemeinen Gleichheitssatzes:82 Der Gesetzgeber ist nicht „ausweglos“ an eine 78 Vgl. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 206 ff.; außerdem Schmehl, in: Festschrift für Bryde, 2013, S. 457 (472), der vor einer zu formalen Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots warnt, welche „den Unterschied zwischen Gesetzessystematik und Steuersystematik verkenn[t] und damit zugleich zu einer Überbetonung der verfassungsrechtlichen Reichweite“ einfachgesetzlicher Prinzipien führt. 79 Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung im Steuerrecht und Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2014, S. 117, 143 ff. 80 Zu den diesbezüglichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG s. oben bei Fn. 71 u. Fn. 72. 81 Vgl. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 208: „Der Unterscheidung von System und Systemdurchbrechung kommt deshalb eine fundamentale Bedeutung zu. Die Frage ist daher nicht, ob sie getroffen werden muss, sondern nur wie sie zu treffen ist“; zur Relevanz des Bedeutungsgrades der gesetzgeberischen Aussage auch Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung im Steuerrecht und Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2014, S. 138 ff. 82 Der Begriff der Ergebnisoffenheit beschreibt, dass der Gesetzgeber einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich in verschiedener Weise beseitigen kann, nämlich indem er A ebenso wie B, B ebenso wie A oder A und B gemeinsam auf andere dritte Weise behandelt, s. Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, 36. Aufl. 2020, Rn. 574; aus der Rspr. vgl. BVerfGE 22, 349 (361); 85, 191 (211 f.); 93, 386 (402 f.); zum Begriff der Ergebnisoffenheit Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 42; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 5 AO Rn. 180 (April 2018); teilweise ist auch von der Relativität des Gleichheitssatzes die Rede, s. FG Hamburg DStRE 2012, 478 (483); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 288.

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1. Teil: Ausgangslage

einmal getroffene Belastungsgrundentscheidung gebunden, vielmehr kann er sie durch einfaches Gesetz aufheben, ersetzen oder ändern; das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von einem Systemwechsel.83 Die Anforderung, dass die Belastungsgrundentscheidung systemprägenden Charakter haben muss, spricht das Bundesverfassungsgericht an, wenn es davon ausgeht, dass die Belastungsgrundentscheidung mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffen wird, welche von Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes zu unterscheiden sei.84 Dafür, dass die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Sinne zu verstehen ist, spricht vor allem, dass es die Entscheidung, ob eine Aussage des Gesetzgebers eine Auswahl des Steuergegenstandes oder lediglich eine Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes darstellt, „nicht nach abstrakten Kriterien […], sondern […] jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstandes und der betreffenden Vergleichsgruppen“ treffen möchte, wobei es vor allem darauf ankommen soll „inwieweit […] der Sachverhalt, um […] dessen Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen“85. Nach der Bestimmung der im konkreten Fall relevanten Belastungsgrundentscheidung ist schließlich in einem dritten Schritt zu untersuchen, ob die zur Prüfung stehende Vorschrift der Belastungsgrundentscheidung entspricht. Zeigen sich Abweichungen von der Belastungsgrundentscheidung, liegt eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vor. 2. Vorliegend maßgebliche Belastungsgrundentscheidung Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 105, 73 im Ergebnis zutreffend die vorliegend maßgebliche Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots benannt, dass ein erfolgsneutraler Vermögenstauschs nicht zu steuerbarem Einkommen führt.86 Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht weder explizit dargelegt, was unter einem erfolgsneutralen Vermögenstausch zu verstehen ist, noch hat es erläutert, aus welchen Normen des EStG sich die Belastungsgrundentscheidung ergibt. Im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Folgerichtigkeitsgebots ist die einkommensteuerliche Behandlung des Vorgangs aus der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen und dem Erhalt von Leistungen aus 83

S. BVerfGE 122, 210 (241 ff.); 126, 268 (280 f.). S. z. B. BVerfGE 152, 274 (Rz. 100) u. BVerfGE 120, 1 (30). 85 BVerfGE  120, 1 (30); vgl. dazu Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 311 ff. u. ders., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 516b (Oktober 2020), welcher der Bezeichnung von Steuern und Steuerarten in der Finanzverfassung des GG bei der Abgrenzung Indizwirkung beimisst. 86 S. BVerfGE 105, 73 (122 f.). 84

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der gesetzlichen Rentenversicherung mit derjenigen anderer Sachverhalte zu vergleichen, in denen es auch zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt und die deshalb als Spar- oder Investitionsvorgänge beschrieben werden können (s. unten aa)). Eine systemprägende Gemeinsamkeit der einkommensteuerlichen Behandlung jener Vergleichssachverhalte, und damit eine Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers, liegt darin, dass jeweils der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens höchstens einmal in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wird, entweder zum Zeitpunkt des Ansparens bzw. Investierens oder zum Zeitpunkt des Entsparens bzw. der Auflösung der Investition (s. unten bb)). Daraus ergibt sich, dass bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogene Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden darf (s. unten cc)). a) Vergleichssachverhalte mit intertemporalem Einkommenstransfer In einem ersten Schritt sind bei der Prüfung des Folgerichtigkeitsgebots die relevanten Vergleichssachverhalte zu ermitteln. Vorliegend müssen diese Sachverhalte und der Vorgang aus der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen und dem Erhalt von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal wesentlich gleich sein.87 Wie bereits oben aufgezeigt wurde, geht es bei der doppelten Besteuerung um eine fehlerhafte intertemporale Abstimmung mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Einkommensteuerzugriffe auf dasselbe „Etwas“.88 Dementsprechend muss man Sachverhalte in den Blick nehmen, in denen ein besteuerbares „Etwas“ überhaupt zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten besteuert werden kann. Das setzt denklogisch einen intertemporalen Transfer des besteuerbaren „Etwas“ voraus (der also jedenfalls in gewissem Umfang auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben sein muss89); man kann von einem „intertemporale[n] Einkommenstransfer“90 sprechen. Liegt ein solcher vor, dann sind die Vergleichssachverhalte und der Vorgang bei der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich gleich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. 87

Vgl. oben § 1 I. 1. S. oben § 1 (vor I.). 89 Vgl. oben § 1 (vor I.). 90 Diesen Begriff (genauer: „personenbezogener intertemporaler Einkommenstransfer“) gebraucht z. B. Fischer, DStJG 24 (2001), S. 463 (477 f., 481 f.), der das Vorliegen eines intertemporalen Einkommenstransfers bei der gesetzlichen Rentenversicherung aber ablehnt. Der Begriff des intertemporalen Einkommenstransfers findet sich ansonsten vor allem in wirtschaftswissenschaftlicher Literatur und hat dort keine einheitliche Bedeutung, s. z. B. Heuer, Besteuerung der staatlichen Alterssicherung im grenzüberschreitenden Kontext, 2009, S. 8 f.; Krätzschmar, Alterssicherung und Besteuerung, 1995, S. 8, 164; Wagner, Umverteilung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 1984, S. 2. 88

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1. Teil: Ausgangslage

aa) Aufbewahren von Bargeld sowie Ein- und Auszahlungen auf bzw. von einem Bankkonto Die unmittelbarste und offensichtlichste Form des intertemporalen Einkommenstransfers dürfte wohl die Aufbewahrung von Bargeld (bildhaft: in einer Spardose) sein. Das in die Spardose eingelegte Bargeld und das zu einem späteren Zeitpunkt wieder entnommene Bargeld (dieselben Scheine und Münzen) sind ohne Zweifel dasselbe „Etwas“. Ebenso offensichtlich ist der intertemporale Einkommenstransfer bei einem Bankkonto (Sparkonto)91. Hier wird  – untechnisch gesprochen – Bargeld lediglich in anderer Form, nämlich virtuell, „gespeichert“: Das eingezahlte Bargeld, der Buchwert auf dem Konto und das später wieder ausgezahlte Bargeld sind, soweit der Buchwert und das ausgezahlte Bargeld dem Nominalbetrag nach mit dem insgesamt eingezahlten Bargeld übereinstimmen, dasselbe „Etwas“; Zinsen sind hingegen Erträge aus diesem „Etwas“. Nichts Anderes kann gelten, wenn man in der Überlegung das Bargeld durch (rein virtuelle) Auf- und Abbuchungen auf bzw. vom Konto ersetzt. bb) Anschaffung und Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien (Parallele: Versorgungsanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung) Auf weitere Sachverhalte mit intertemporalen Einkommenstransfers fällt der Blick, wenn man den Vorgang bei der gesetzlichen Rentenversicherung aus (steuer-) technischer Perspektive betrachtet: Durch die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen wird eine Versorgungsanwartschaft angeschafft,92 bei der es sich richtigerweise um ein nicht abnutzbares finanzielles Wirtschaftsgut handelt93.94 91

Ein Vergleich der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Sparbuch findet sich z. B. bei Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2002, 420 (424); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 298 Fn. 452. 92 BVerfG BStBl.  II 2016, 801 (Rz. 47); BFH BStBl.  II 1986, 747 (748 f.); Wernsmann, StuW 1998, 317 (319); vgl. außerdem BVerfGE 105, 73 (124). 93 Zum Begriff des Wirtschaftsguts im Bereich der Überschusseinkünfte, der von demjenigen im Bilanzsteuerrecht abweicht, Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 9 EStG Rn. 530 (Oktober 2020) m. w. N.; zur Dreiteilung der Wirtschaftsgüter in materielle, immaterielle und finanzielle Wirtschaftsgüter und dazu, dass finanzielle Wirtschaftsgüter nicht abnutzbar sind, Tiedchen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 5 EStG Rn.  586, 591 (Januar 2019). 94 S. Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, S. 228 (240 f.): „Anschaffungskosten eines nicht abnutzbaren Vermögensgegenstandes, der der Einkünfteerzielung dienen soll […]. Vergleichbar mit dieser systematischen Einordnung sind die Altersvorsorgeaufwendungen […]“; vgl. auch BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 27 ff.) betreffend eine private Lebensversicherung; mit Blick auf Rentenversicherungsbeiträge BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47): „Anders als bei Werbungskosten bewirken die Aufwendungen daher nicht eine reine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung, weil der Steuerpflichtige für seine Aufwendungen einen entsprechenden Gegenwert in Form einer Anwartschaft erwirbt, auch wenn er diese in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung […] während der Aufbauphase nicht, etwa durch Beleihung oder Verpfändung, wirtschaftlich nut-

§  1  Verfassungsrecht 

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Auf die Anschaffung der Versorgungsanwartschaft entfällt aber bei genauerer Betrachtung nur ein Teil der Beiträge (Sparanteil); mit dem anderen Teil der Beiträge wird unter anderem der Risiko-Versicherungsschutz (Risiken in diesem Sinne: gesundheitliche Defizite, Erwerbsminderung und Tod95) für den jeweils aktuellen Versicherungszeitraum (Monat, Jahr etc.) finanziert, der sich mit Ablauf des jeweiligen Zeitraums verbraucht und der deshalb kein Wirtschaftsgut darstellt96.97 Wird eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht, dann wirkt sich dies bei bestimmten Leistungen (im Ergebnis nur bei Leistungen, die an das Alter anknüpfen, nicht aber bei Leistungen, die aufgrund des Risiko-Versicherungsschutzes erbracht werden98) auf die Versorgungsanwartschaft aus; in Anlehnung an § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG kann man formulieren, dass die Anwartschaft eingelöst wird. Die Anwartschaft wird – untechnisch ausgedrückt – in Geld „zurückgetauscht“ (vgl. BVerfGE 105, 73: „Austausch von Forderung gegen Bargeld“99), sodass es bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einem Kapitalrückfluss bzw. zu einer Kapital­r ückzahlung kommt.100 Die Versorgungsanwartschaft (als Wirtschaftsgut) dient also aus der subjektiven und einzelwirtschaftlichen Perspektive des Steuerpflichtigen101 lediglich als Vehikel, das angeschafft wird, um Einkommen für einen gewissen Zeitraum zu „speichern“. Dass die gesetzliche Rentenversicherung im Umlageverfahren finanziert wird, steht dieser Bewertung aufgrund der eingenommenen (wirtschaftlichen) Perspektive102 nicht entgegen; mit anderen Worten: Das Finanzierungsverfahren der zen kann“ (Hervorhebung nur hier); i. Erg. anders Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 22; Söhn, StuW 2003, 332 (335); zur umstrittenen steuerlichen Qualifizierung der durch die Beitragszahlung erlangten Rechtsposition auch Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 25 f. m. w. N. 95 Zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung s. unten § 2 I. 1. 96 Das gilt mit dieser Begründung nur für den Bereich der Überschusseinkünfte. Im Bereich des Bilanzsteuerrechts wird Risiko-Versicherungsschutz zwar grundsätzlich nach h. M. ebenfalls nicht als Wirtschaftsgut angesehen, jedoch wird dies damit begründet, dass die Versicherung als Dauerschuldverhältnis zu behandeln sei, s. Stockmann, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 5 EStG Rz. 1454 (Januar 2019); zur h. M. auch Anzinger, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 5 EStG Rz. 1786 (Januar 2019), der aber selbst a. A. ist. 97 Dazu ausführlich unten § 4 I. 2. Zu dieser Unterscheidung mit Blick auf eine private Lebensversicherung BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 27 ff.); zur Übertragung der Unterscheidung auf die gesetzliche Rentenversicherung Schneider, BB 1997, 2649 (2649); Rügamer, FR 2020, 399 (402). Die Ausführungen in BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47) könnte man durchaus im Sinne der hier vorgeschlagenen Unterscheidung lesen, weil dort nur von der „Aussicht des Versicherten auf eine Altersrente“ die Rede ist, nicht auch von einer solchen auf andere Leistungen, und weil es dort heißt, dass die Rentenversicherungsbeiträge „nicht eine reine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung“ bewirken, was man ohne weiteres so verstehen kann, dass sie beides zugleich bewirken. 98 Vgl. unten § 4 I. 2. 99 BVerfGE 105, 73 (123); dazu vgl. auch unten § 1 I. 2. c). 100 S. oben § 1 (vor I.). 101 Für die Maßgeblichkeit dieser Perspektive bei der steuerlichen Einordnung der Vorgänge im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung Söhn, StuW 1986, 324 (329); Seer, StuW 1996, 323 (329). 102 Zur Notwendigkeit und Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Beurteilung des Sachverhalts s. oben § 1 (vor I.).

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1. Teil: Ausgangslage

gesetzlichen Rentenversicherung beeinflusst die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht und spielt deshalb für die Besteuerung keine Rolle.103 Zunächst bestätigt die Betrachtung des Vorgangs bei der gesetzlichen Rentenversicherung aus technischer Perspektive, dass bei dem bereits erwähnten Bankkonto zu Recht von einem intertemporalen Einkommenstransfer ausgegangen wird: Mit der Einzahlung auf das Bankkonto wird eine Forderung (nicht abnutzbares finanzielles Wirtschaftsgut) gegen die Bank auf Aus- bzw. Rückzahlung des Kontoguthabens angeschafft104.105 Mit der Auszahlung vom Bankkonto wird diese Forderung gegen die Bank eingelöst, indem sie wieder in Geld „zurückgetauscht“ wird (vgl. BVerfGE 105, 73: „Austausch von Forderung gegen Bargeld“106). Außerdem legt es die Betrachtung des Vorgangs bei der gesetzlichen Rentenversicherung aus technischer Perspektive nahe, dass es in allen Fällen, in denen ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut angeschafft und später wieder in Geld „zurück­ getauscht“ wird, zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt. Zu denken ist zum Beispiel an die Anschaffung und spätere Veräußerung von Grund und Boden107 oder Aktien. Die Beschränkung auf nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter ergibt sich daraus, dass als abnutzbar einzuordnende Wirtschaftsgüter entweder (anders als die Versorgungsanwartschaft) nicht werthaltig sind und sich deshalb nicht als „Einkommensspeicher“ eignen oder zwar prinzipiell werthaltig sind, aber (anders als die Versorgungsanwartschaft) gerade nicht als „Einkommensspeicher“ angeschafft werden, sondern zur tatsächlichen Benutzung108. Das bei der Anschaffung der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter aufgewendete Einkommen (Anschaffungskos 103 Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (850); s. auch oben § 1 (vor I.). 104 Das Vertragsverhältnis, welches zwischen der Bank und dem Kunden hinsichtlich des Kontoguthabens abgeschlossen wird (daneben besteht ein Vertragsverhältnis hinsichtlich der Kontoführung), wird als unregelmäßige Verwahrung gem. § 700 BGB oder als Darlehen gem. §§ 488 ff. BGB eingeordnet. Aus diesem Vertrag steht dem Kunden ein Anspruch auf Ausbzw. Rückzahlung des Kontoguthabens zu, s. BGH NJW 2015, 3025 (Rz. 39, 41); Mansel, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, § 700 Rn. 3; Kropf, WM 2017, 1185 (1185 f.). 105 Vgl. BFH BStBl. II 1986, 747 (748): „Sparbeiträge zur Ansammlung des Geldkapitals […] als rechtsbegründende Anschaffungskosten“; FG Köln DStRE 2015, 841 (841 aE). 106 BVerfGE 105, 73 (123); dazu vgl. auch unten § 1 I. 2. c). 107 Grund und Boden und aufstehendes Gebäude sind im Steuerrecht jeweils selbstständige Wirtschaftsgüter, wobei das Gebäude abnutzbar ist, Grund und Boden hingegen nicht, s. BFH BStBl. II 2002, 741 (742); Tiedchen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 5 EStG Rn. 608 (Januar 2019). 108 Angesprochen sind damit zum einen z. B. antike Gebrauchsgegenstände, die nach der Rspr. je nach den Umständen des Einzelfalls als abnutzbar (bei bestimmungsgemäßer Nutzung) oder nicht abnutzbar (bei Verwendung als Ausstellungsstück) einzuordnen sind, s. (mit Kritik an der Rspr.) Tiedchen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 5 EStG Rn.  591 (Januar 2019). Angesprochen ist aber auch der Fall der Anschaffung z. B. eines Gebäudes, das im Laufe der Zeit einen verhältnismäßig geringen Wertverlust erleidet und deshalb durchaus (zumindest im Rahmen der Alterssicherung) als „Einkommensspeicher“ dienen könnte, das aber vom Stpfl. typischerweise primär zur Eigennutzung („Konsum“) oder zur Vermietung („Ertrag“) angeschafft wird.

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ten) und den Erlös aus der Veräußerung kann man, soweit der Erlös dem Nominalbetrag nach mit den Anschaffungskosten übereinstimmt, als dasselbe besteuerbare „Etwas“ auffassen. Auch hier kommt es dem Steuerpflichtigen vor allem darauf an, Einkommen mit Hilfe des Wirtschaftsgutes für die Zukunft zu „speichern“. cc) Sonstige Formen organisierter Alterssicherung Neben den bereits dargestellten Vergleichssachverhalten ist auch an sämtliche Formen der organisierten Alterssicherung zu denken, die neben der gesetzlichen Rentenversicherung existieren, z. B. an die Beamtenversorgung, an die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersversorgung (Pensions- bzw. Direktzusage, Unterstützungskassen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen109) oder die zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge (Riester-Verträge und Rürup-Verträge110).111 Freilich liegt hier ein Vergleich mit der gesetzlichen Rentenversicherung auf den ersten Blick ohnehin nahe, geht es doch in allen Fällen um Alterssicherung. Jedoch gibt es zwischen den unterschiedlichen Formen der organisierten Alterssicherung eben auch signifikante Unterschiede, etwa bei den Finanzierungsverfahren oder beim Leistungsspektrum, die gegen eine wesent­ liche Gleichheit der Sachverhalte sprechen könnten. Dass es tatsächlich auch bei den sonstigen Formen der organisierten Alterssicherung (in gewissem Umfang) zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt, dass insoweit also die wesentliche Gleichheit der Sachverhalte zu bejahen ist, ergibt sich aber daraus, dass auch dort stets eine Versorgungsanwartschaft (als nicht abnutzbares finanzielles Wirtschaftsgut) existiert.112 Das wird durch § 2 Versorgungsausgleichsgesetz bestätigt, der in allen Fällen von einer „Anwartschaft auf Versorgung“ ausgeht.113 Die Ver 109

S. § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 1b Abs. 2 bis 4 BetrAVG. Als Riester-Verträge werden Altersvorsorgeprodukte bezeichnet, die nach § 5 AltZertG zertifiziert sind, als Rürup-Verträge solche, die nach § 5a AltZertG zertifiziert sind; es gibt jeweils verschiedene Vertragsarten, die unterschiedliche Leistungen vorsehen. 111 Eine aktuelle Übersicht über die verschiedenen Formen der Alterssicherung in Deutschland findet sich Alterssicherungsbericht 2020 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, online verfügbar unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rente/alters sicherungsbericht-2020.pdf;jsessionid=37611EFE28538BA177FE8E38A3237689.delivery1-re plication?__blob=publicationFile&v=1, letzter Abruf am 20. 9. 2021. 112 Auf die Existenz einer Versorgungsanwartschaft hat auch BVerfGE 105, 73 (124 f.) bei der Begründung der wesentlichen Gleichheit von gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenversorgung abgestellt. 113 Insofern nicht nachvollziehbar sind die folgenden Ausführungen aus dem Gesetzentwurf zum JStG 2007 in BR-Drucks. 622/06, S. 83 betreffend diejenigen Formen der Alterssicherung, deren Leistungen § 22 Nr. 5 EStG unterfallen: „Der Leistungsempfänger erwirbt in der Ansparphase mit den geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen einen Versicherungsschutz. Erst mit dem Renteneintritt werden die Beitragszahlungen zu einem steuerrechtlich relevanten vermögenswerten Recht. Die späteren Altersbezüge sind zwar beitragsbezogen, enthalten jedoch keine Rückzahlungen von Beiträgen. Für eine ‚versicherungsrechtliche Lösung‘, die eine erfolgswirksame Berücksichtigung der Beiträge impliziert, ist insofern kein Raum“. 110

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1. Teil: Ausgangslage

sorgungsanwartschaft wird zunächst durch einen Teil114 der Beiträge (des Steuerpflichtigen, seines Arbeitgebers oder „des Staates“115) angeschafft (bei der Beamtenversorgung durch „fiktive“ Beiträge116) und später bei bestimmten117 Leistungen eingelöst, indem sie wieder in Geld „zurückgetauscht“ wird (vgl. BVerfGE 105, 73: „Austausch von Forderung gegen Bargeld“118); jene Leistungen und die auf sie entfallenden Beiträge bzw. Beitragsanteile sind dasselbe besteuerbare „Etwas“. dd) Zusammenfassung Damit sind einige Sachverhalte zusammengetragen, in denen es (wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung) zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt, in denen also ein besteuerbares „Etwas“ bei demselben Steuerpflichtigen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten besteuert werden kann. Alle genannten Sachverhalte lassen sich als Spar- oder als Investitionsvorgang bezeichnen.119 Sparen120 und Investieren121 werden im steuerlichen Kontext also zu Recht gleich 114 Wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung werden auch bei sonstigen Formen der organisierten „Alterssicherung“ nicht nur Leistungen bei Alter, sondern auch bei Erwerbsminderung bzw. Dienstunfähigkeit, Unfall, Tod etc. erbracht, s. § 2 BeamtVG für die Beamtenversorgung; s. Schipp, in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, BetrAVG, Vorbem. vor § 1 Rn. 36 ff. für die betriebliche Altersversorgung. Demnach wird nur mit einem Teil der Beiträge die Versorgungsanwartschaft angeschafft (ein anderer Teil entfällt auf den Risiko-Versicherungsschutz und auf Verwaltungskosten) und nur bestimmte Leistungen sind das Ergebnis eines intertemporalen Einkommenstransfers, s. dazu mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung unten § 4 I. 2. 115 Als Beitragstragung „durch den Staat“ stellt sich z. B. die Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI des EStG dar; dazu, dass es sich bei der Zulage um einen Teil der Beitragsleistung handelt, Wernsmann, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 32 Rn. 17. 116 Vgl. BVerfGE 105, 73 (124 f.): Bei der Beamtenversorgung und bei der gesetzlichen Rentenversicherung „geht es darum, dass während und auf Grund einer nichtselbständigen Tätigkeit als Gegenleistung im weiteren Sinn Anwartschaftsrechte auf Versorgungsleistungen im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit aus anderen Gründen erworben werden“; „Aus dieser Sicht – bezogen auf die wirtschaftliche Begründung und auf den Bestand einer vermögenswerten Rechtsposition zu Beginn des Renten- oder Versorgungsbezugs – zeigt sich, dass der Unterschied zwischen den ‚echten‘ Beiträgen der Arbeitnehmer zur Rentenversicherung und den nur ‚fiktiven‘ Beiträgen der Beamten eher rechtstechnischer Art ist“; ebenso BVerfGE 139, 19 (Rz. 80); noch offengelassen in BVerfGE 54, 11 (31 f.). 117 S. Fn. 114. 118 BVerfGE 105, 73 (123); dazu vgl. auch unten § 1 I. 2. c). 119 Mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung spricht z. B. Dorenkamp, DStZ 2002, 668 (670) von „Ersparnisbildung“ und „Ersparnisauflösung“; s. auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 511 (Oktober 2020) mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung: „Sparvorgang“. 120 Zum Begriff des Sparens z. B. Wollny, in: Strickrodt / Hartz, Handwörterbuch des Steuerrechts, 1981, S. 1232 (Stichwort: Sparen). 121 Zum Begriff des Investierens z. B. Haberstock, in: Strickrodt / Hartz, Handwörterbuch des Steuerrechts, 1981, S. 811 ff. (Stichwort: Investition).

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gesetzt,122 weil es jeweils zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass beim Investieren typischerweise ein Wertzuwachs erzielt werden soll, wofür die Möglichkeit eines Wertverlustes (mit freilich im Einzelfall je nach Investitionsobjekt sehr unterschiedlich ausgeprägten Risiken) in Kauf genommen wird, wohingegen es beim Sparen primär um die Wertkonservierung geht. Beim Investieren mag es also weniger wahrscheinlich sein, dass der intertemporale Einkommenstransfer gelingt, jedoch ist kein Unterschied ersichtlich, der es wertungsmäßig rechtfertigen würde, das Vorliegen eines solchen beim Sparen zu bejahen, beim Investieren hingegen zu verneinen. Nicht in allen angeführten Sachverhalten lässt sich der Umfang des intertemporalen Einkommenstransfers ohne Weiteres beziffern. Beim Aufbewahren von Bargeld und beim Bankkonto wird der gesamte in die Spardose eingelegte bzw. auf das Bankkonto eingezahlte Nominalbetrag intertemporal transferiert. Bei der Anschaffung und anschließenden Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien gilt dasselbe für den Nominalbetrag der Anschaffungskosten, sofern es im Laufe der Zeit nicht zu einem Wertverlust am Wirtschaftsgut kommt. Bei einem Bankkonto anfallende Zinsen sowie Wertsteigerungen an Grund und Boden bzw. Aktien sind kein intertemporal transferiertes Einkommen, sondern Erträge aus diesem. Problematisch (und in abstrakter Form nicht möglich) ist die Bestimmung des Umfangs des intertemporalen Einkommenstransfers hingegen bei den sonstigen Formen der organisierten Alterssicherung: Wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird hier nur ein Teil der Beiträge intertemporal transferiert. Ein anderer Teil der Beiträge deckt Verwaltungskosten und bei manchen Formen der sonstigen organisierten Alterssicherung dient ein weiterer Teil der Beiträge der Finanzierung eines Risiko-Versicherungsschutzes. Nur manche Leistungen sind das Ergebnis eines intertemporalen Einkommenstransfers, also Rückfluss bzw. Rückzahlung zuvor entrichteter Rentenversicherungsbeiträge. Andere Leistungen werden aufgrund des Risiko-Versicherungsschutzes erbracht.123 b) Einkommensteuerliche Behandlung der Vergleichssachverhalte nach geltendem Recht Der Benennung der Vergleichssachverhalte schließt sich die Frage an, wie diese nach geltendem Einkommensteuerrecht behandelt werden. Sofern eine systemprägende Gemeinsamkeit besteht, kann aus den entsprechenden Regelungen eine Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots abstrahiert 122 Z. B. bei Lang, DStJG  24 (2001), S. 49 (73); ebenso Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, 2004, S. 59; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.76; aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive konkret im Zusammenhang mit der Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (132). 123 S. oben Fn. 114 und mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung unten § 4 I. 2.

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1. Teil: Ausgangslage

werden.124 Weil die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Bezug zu den Gewinneinkunftsarten aufweisen, wird auch die Behandlung der geschilderten Sachverhalte nur im Kontext der Überschusseinkunftsarten betrachtet. aa) Aufbewahren von Bargeld Das Einlegen von Bargeld in eine Spardose ist einkommensteuerlich irrelevant, insbesondere liegen freilich keine Werbungskosten gemäß § 9 EStG vor,125 sodass der Betrag des in die Spardose eingelegten Geldes nicht steuermindernd von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen werden kann. Die Entnahme von Bargeld aus einer Spardose lässt sich keiner Einkunftsart nach § 2 Abs. 1 EStG zuordnen,126 sodass der Betrag des aus der Spardose entnommenen Geldes, der nominal dem Betrag des eingelegten Geldes entspricht, die Bemessungsgrundlage nicht erhöht. bb) Ein- und Auszahlungen auf bzw. von einem Bankkonto sowie Anschaffung und Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien Bei der Einzahlung auf ein Bankkonto sowie bei der Anschaffung von Grund und Boden oder Aktien werden bei technischer Betrachtung nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter angeschafft.127 Die Anschaffungskosten können nicht steuermindernd von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Insbesondere ist man sich im Ergebnis trotz unterschiedlicher Begründungen einig, dass die Anschaffungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter (die der Einnahmenerzielung dienen) im Grundsatz keine Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen.128 Die Unterschiede in den Begründungen fallen zusammen mit den Streitigkeiten über 124

Vgl. oben § 1 I. 1. Es fehlt bereits an einer Aufwendung i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, weil keine Vermögensminderung gegeben ist, die im Umkehrschluss zu § 8 Abs. 1 EStG zu verstehen ist als Abfließen von Geld, d. h. Ausscheiden des Geldes aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen durch Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, s. BFH BStBl. II 1990, 830 (836); 1994, 289 (289); 2012, 24 (Rz. 14); Kreft, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 9 EStG Rn.  65 (Oktober 2020). 126 Außerdem fehlt ein Zufluss von Gütern im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG „von außen“. 127 S. oben § 1 I. 2. a) bb). 128 S. BFH BStBl. II 1978, 455 (Leitsatz u. S. 455); 1989, 934 (Leitsatz u. S. 934 f.); 2010, 469 (Rz. 23); 2018, 168 (Rz. 16); BFH / N V 2011, 36 (Rz. 10); BFH FR 2000, 1085 (1085 f.); Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 9 EStG Rn. 521 (Oktober 2020); v. Bornhaupt / Geserich, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 91, B 100 ff. (Oktober 2016); Kreft, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 9 EStG Rn. 185 ff, insbes. 187 (Oktober 2020); Oertel, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 9 Rn. 16; Thürmer, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 9 EStG Rn. 110, 138 (Mai 2020); Wernsmann, StuW 1998, 317 (319). 125

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die dogmatische Einordnung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG129 und über den genauen Inhalt des Begriffs der Vermögensminderung als Voraussetzung für eine Aufwendung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG130. Man braucht hier bei der Argumentation nicht auf das Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. das Nettoprinzip oder das Vermögensneutralitätsprinzip zurückzugreifen.131 Vielmehr zeigt ein Gegenschluss zu § 17 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 4 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG, wo Anschaffungskosten jeweils erst bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns in Abzug zu bringen sind, dass Anschaffungskosten für nicht abnutzbare ebenso wie für abnutzbare Wirtschaftsgüter im Grundsatz keine nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG zu berücksichtigenden Werbungskosten sind.132 In § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG werden zudem Werbungskosten eigenständig neben den Anschaffung- und Herstellungskosten erwähnt, was bestätigt, dass das Gesetz begrifflich differenziert. Anknüpfungspunkt zur Umsetzung dieses Ergebnisses im Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Begriff der Aufwendungen: Aufwendungen setzen eine Vermögensminderung voraus, an der es bei Anschaffungskosten richtigerweise stets fehlt, weil der Steuerpflichtige bei saldierender Betrachtung einen Gegenwert erhält.133 Dieser Auslegung des Aufwendungsbegriffes steht auch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG nicht entgegen, weil die Vorschrift nicht voraussetzt, dass Anschaffungskosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern begrifflich Werbungskosten sind. Zum einen ist in dieser Vorschrift von Aufwendungen nicht die Rede.134 Zum anderen geht es in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG nach überzeugender (aber umstrittener) Auffassung in der Sache nicht um den steuermindernden Abzug der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschafsgutes, sondern um die Berücksichtigung des Wertverzehrs, der am Wirtschaftsgut durch seinen Einsatz zur Einnahmenerzielung eintritt; dafür spricht schon die gesetzliche Bezeichnung als „Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung“; außerdem wäre andernfalls nicht zu erklären, warum Absetzungen für Abnutzungen etc. nur bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern zu gewähren sind.135 Der Wertverzehr stellt begrifflich Werbungskosten dar, wohingegen die Anschaffungs- und Herstellungskosten bei der Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG 129

Zur Diskussion v.  Bornhaupt / Geserich, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 100 ff. (Oktober 2016); Thürmer, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 9 EStG Rn. 108 ff. (Mai 2020); zur hier vertretenen Position sogleich im Text. 130 Zur Diskussion Thürmer, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 9 EStG Rn. 107 (Mai 2020); zur hier vertretenen Position sogleich im Text. 131 Vgl. aber Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 9 EStG Rn. 521 (Oktober 2020); Thürmer, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 9 EStG Rn. 110, 138 (Mai 2020); in der Sache auch Oertel, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 9 Rn. 15 f. 132 Vgl. die Argumentation in BFH BStBl. II 2010, 469 (Rz. 23); BFH FR 2000, 1085 (1085 f.). 133 So z. B. Knobbe-Keuk, DB 1985, 144 (147). 134 v. Bornhaupt / Geserich, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 101 f. (Oktober 2016). 135 Zum Streit über die materielle Rechtfertigung der Absetzung für Abnutzung etc. (Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten vs. Berücksichtigung des Wertverzehrs) v. Bornhaupt / Geserich, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. I 35 ff. (Oktober 2016).

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1. Teil: Ausgangslage

lediglich als (praktikable) Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Absetzungsbeträge dienen.136 Zu erörtern bleibt die einkommensteuerliche Behandlung der Auszahlung von einem Bankkonto sowie der Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien. Auf den ersten Blick verwundert, dass sich im EStG ein Tatbestand findet, der die Auszahlung von einem Bankkonto dem Grunde nach als steuerbaren Vorgang erfassen dürfte: Niemand bestreitet, dass Zinsen aus einem Bankguthaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als „Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen“ steuerbar sind.137 Der Begriff der Kapitalforderung kann sich hier also nur auf die vertragliche Forderung des Steuerpflichtigen gegen die Bank auf Aus- bzw. Rückzahlung des Kontoguthabens138 beziehen.139 Was passiert nun mit der Kapitalforderung, wenn eine Auszahlung vom Bankkonto vorgenommen wird? Man wird wohl nicht umhinkommen, in diesen Fällen eine „Einlösung“ der Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG anzunehmen (zumal der Bundesfinanzhof die Erweiterungen des Veräußerungsbegriffs in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG weit auslegt140), sodass im Ergebnis § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG dem Grunde nach einschlägig ist. Trotzdem erhöht der Betrag des vom Bankkonto ausgezahlten Geldes, der (abgesehen von Zinsen) insgesamt nominal dem Betrag des eingezahlten Geldes entspricht, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht, weil sich hier stets die Einnahmen aus der Einlösung der Kapitalforderung (der Betrag des ausgezahlten Geldes) und die Anschaffungskosten für die Kapitalforderung (der Betrag des eingezahlten Geldes) entsprechen, sodass kein Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG entsteht; Zinsen unterfallen § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und spielen deshalb im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ebenfalls keine Rolle. Die Steuerbarkeit der Veräußerung von Grund und Boden ergibt sich dem Grunde nach aus § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (bei Unterschreiten der Mindesthaltefrist), diejenige der Veräußerung von Aktien aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG.141 Der steuerbare Veräußerungsgewinn berechnet sich gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG in beiden Fällen grundsätzlich durch Abzug unter anderem der Anschaffungskosten vom Veräußerungserlös. Demnach kann sich die Veräußerung des Wirtschaftsgutes hier durchaus auf die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auswirken, was letztlich davon ab 136

So z. B. Knobbe-Keuk, DB  1985, 144 (146 f.); v.  Bornhaupt / Geserich, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 101 (Oktober 2016). 137 S. nur Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.496. 138 Zur Einordnung der Situation nach Zivilrecht s. oben Fn. 104. 139 In diesem Sinne zum Begriff der Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Jochum, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 20 Rn. C/7 9 ff., insbes. Rn. C/7 11 (August 2020). 140 S. die Zusammenstellung der Rspr. bei Ratschow, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 20 EStG Rn. 390 ff. (Mai 2019). 141 Bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Aktien kann auch § 17 EStG einschlägig sein; auf die Norm wird hier nicht weiter eingegangen, weil sie den Veräußerungsgewinn den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet; in der Sache enthält § 17 EStG aber eine Regelung, die den folgenden Ausführungen im Text entspricht.

§  1  Verfassungsrecht 

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hängt, wie sich der Wert des Wirtschaftsgutes seit dessen Anschaffung entwickelt hat. Jedenfalls erhöht der Veräußerungserlös die Bemessungsgrundlage insoweit nicht, als er nominal den Anschaffungskosten entspricht. cc) Sonstige Formen organisierter Alterssicherung Beamtenrechtliche Versorgungbezüge sind grundsätzlich in vollem Umfang gemäß § 19 Abs. 1 EStG steuerbar.142 Während seiner aktiven Dienstzeit entrichtet der Beamte keine „echten“, sondern lediglich „fiktive“ Beiträge;143 seine Bezüge sind im Hinblick auf die künftige Versorgung niedriger festgesetzt.144 Dem Beamten fließt insoweit während der aktiven Dienstzeit kein steuerbarer Vorteil zu, sodass sich keine steuerlichen Folgen ergeben.145 Die „fiktiven“ Beiträge erhöhen die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer also in keinem Fall, wohingegen die erhaltenen Versorgungsbezüge in den meisten Fällen grundsätzlich vollumfänglich in die Bemessungsgrundlage eingehen. Ähnlich verhält es sich bei manchen Formen der betrieblichen Altersversorgung, namentlich bei Pensions- bzw. Direktzusagen und Unterstützungskassen: Alleine aufgrund einer Pensions- bzw. Direktzusage oder einer Zuwendung des Trägerunternehmens an eine Unterstützungskasse (für welche es ausweislich des § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG charakteristisch ist, dass sie keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt) fließt dem Arbeitnehmer kein Arbeitslohn zu; Bezüge, die später aufgrund der Pensionszusage oder aus der Unterstützungskasse geleistet werden, sind grundsätzlich in vollem Umfang nach § 19 Abs. 1 EStG steuerbar.146 142

Das bei Erreichen einer Altersgrenze (und bei Dienstunfähigkeit, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG) gewährte Ruhegehalt unterfällt § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, s. Eisgruber, in: Kirchhof /  Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 19 Rn. 74. Auch Leistungen an Hinterbliebene sind im Rahmen des § 24 Nr. 2 EStG steuerbar. Dass sämtliche Versorgungsbezüge nach dem BeamtVG und entsprechendem Landesrecht dem Grunde nach gem. § 19 Abs. 1 EStG steuerbar sind, ergibt sich schon aus § 19 Abs. 2 EStG, vgl. BFH BStBl. II 2009, 150 (150); bei der Anwendung von § 19 Abs. 2 EStG ist die dienstrechtliche Einordnung der Bezüge maßgeblich, s. Geserich, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 19 EStG Rn. 339 (Juli 2019). Einige Arten von Versorgungsbezügen sind steuerfrei gestellt, z. B. Unfallfürsorgeleistungen gem. § 3 Nr. 6 Satz 2 EStG, s. Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 6 EStG Rn. 5 (April 2019). Zu beachten ist, dass bei Versorgungsbezügen § 19 Abs. 2 EStG eine Verminderung der Bemessungsgrundlage bewirkt. 143 BVerfGE 105, 73 (124 f.); vgl. auch BVerfGE 76, 256 (299). 144 BVerfGE 54, 11 (31 f.); 105, 73 (115); 114, 258 (298); 139, 19 (Rz. 80). 145 BVerfGE 54, 11 (31 f.); 105, 73 (125); Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 10. 146 BMF BStBl. I 2018, 147 (Tz. 8, 146); Pflüger, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 19 EStG Rn. 386 ff., 395 ff., 470 ff. (August 2018); auch Ahrend / Förster / Rößler, in: Stöckler /  Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Pensionsverpflichtungen, Rn. 1636 f., 1651, 1666 ff. (Juli 2016); 3. Teil Unterstützungskassen, Rn. 525 f. (Oktober 2016). Wie bei den Versorgungsbezügen der Beamten sind auch hier Leistungen an Hinterbliebene im Rahmen des § 24 Nr. 2 EStG steuerbar und § 19 Abs. 2 EStG bewirkt eine Verminderung der Bemessungsgrundlage.

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1. Teil: Ausgangslage

Bei Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen, die der betrieblichen Altersversorgung dienen, gehören Beiträge und Zuwendungen des Arbeitgebers an diese Einrichtungen beim Arbeitnehmer gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.147 Teilweise sind die Arbeitgeberbeiträge aber steuerbefreit, z. B. nach § 3 Nr. 63 oder Nr. 56 EStG. Für Eigenbeiträge des Arbeitnehmers ist gegebenenfalls ein Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG bzw. eine Zulagenförderung nach §§ 79 ff. EStG (bei der es sich in der Sache um durch den Staat getragene Beiträge handelt148) möglich.149 Darüber hinaus kommt für Eigenbeiträge des Arbeitnehmers grundsätzlich auch ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStG in Betracht.150 Bei Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen hängt es demnach von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit die Arbeitgeberbeiträge die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erhöhen und inwieweit die Eigenbeiträge des Steuerpflichtigen steuermindernd von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können. Die Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen unterfallen § 22 Nr. 5 EStG.151 Beim Umfang der Besteuerung wird hier ausweislich des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG danach unterschieden, inwieweit die Beiträge, auf denen die Leistungen beruhen, aus versteuertem oder aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden; § 22 Nr. 5 EStG soll so „eine intertemporale Korrespondenz i. S. einer Abstimmung der steuerlichen Belastung in der Anspar- und der Auszahlungsphase“152 herstellen. Beiträge wurden im vorstehenden Sinne aus unversteu 147

Ausführlich auch zum Folgenden BMF BStBl. I 2018, 147 (Tz. 8 ff.); Ahrend / Förster / Rößler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 4. Teil Direktversicherung, Rn. 175 ff. (Februar 2013); Demmler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5. Teil Pensionskassen, Rn. 500 ff. (Juni 2021); Stöckler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5a. Teil Pensionsfonds, Rn. 310 ff. (Oktober 2020). 148 Dazu, dass es sich bei der Altersvorsorgezulage um einen Teil der Beitragsleistung handelt, Wernsmann, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 32 Rn. 17. 149 S. § 82 Abs. 2 EStG; zu beachten ist § 3 Nr. 63 Satz 2 EStG. 150 BMF BStBl.  I 2017, 820 (Tz.  13); Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 372, E 420 (Februar 2007); Demmler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5. Teil Pensionskassen, Rn. 511 f. (Juni 2021); Stöckler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5a.  Teil Pensionsfonds, Rn. 310 (Oktober 2020); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 282 (September 2016) merkt an, dass betriebliche Versorgungsträger in aller Regel nicht bereit sein dürften, ihre Verträge nach § 5a AltZertG zertifizieren zu lassen, was gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG aber Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist. 151 BMF BStBl. I 2018, 147 (Tz. 148); Ahrend / Förster / Rößler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 4. Teil Direktversicherung, Rn. 190 (Februar 2013); Demmler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5. Teil Pensionskassen, Rn. 519 (Juni 2021); Stöckler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5a. Teil Pensionsfonds, Rn. 342 (Oktober 2020). 152 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  G  4 (Mai 2017).

§  1  Verfassungsrecht 

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ertem Einkommen entrichtet, wenn einer der in § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG genannten Tatbestände einschlägig war.153 Soweit Leistungen auf Beiträgen beruhen, die aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden, geht gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG154 nur ein Teil der Leistung in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein, namentlich je nach Art der Leistung nur der Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG),155 nur der Unterschiedsbetrag zwischen der Leistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b156 oder c EStG) oder nur die Zinsen aus dem in den Beiträgen enthaltenen Sparanteil (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG).157 Soweit Leistungen auf Beiträgen beruhen, die aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden, werden sie nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage einbezogen.158 Folglich hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit die Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erhöhen. Leistungen aus Riester-Verträgen unterfallen § 22 Nr. 5 EStG; die entsprechenden Beiträge des Steuerpflichtigen sind (in begrenzter Höhe) nach § 10a EStG als Sonderausgaben abziehbar bzw. werden nach §§ 79 ff. EStG durch Zulagen gefördert.159 Auch hier hängt es also von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit die Beiträge des Steuerpflichtigen steuermindernd von der Bemessungsgrundlage 153

In § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG werden drei Fallgruppen genannt, in denen Beiträge aus unversteuertem Einkommen gezahlt wurden: 1) Sonderausgabenabzug n. § 10a EStG für Eigenbeiträge des Steuerpflichtigen; 2) Steuerbefreiung für Arbeitgeberbeiträge, z. B. n. § 3 Nr. 63 EStG; 3) Beitragstragung „durch den Staat“, z. B. Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI des EStG, vgl. oben Fn. 148. 154 Allerdings betrifft § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG auch einen Fall, in dem die Beiträge aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden (der aber praktisch wenig relevant sein dürfte, vgl. Fn. 150): Wenn es sich um eine Rente handelt, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b, Abs. 2 Satz 2 EStG erfüllt, sodass die Beiträge als Sonderausgaben abgezogen werden konnten, verweist § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, s. BMF BStBl. I 2018, 147 (Tz. 151); Ahrend / Förster / Rößler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 4. Teil Direktversicherung, Rn. 211 (Februar 2013); Stöckler, in: Stöckler / Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 5a. Teil Pensionsfonds, Rn. 347 (Oktober 2020); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 498 (September 2016). 155 Dazu, dass der Verweis des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG praktisch wenig relevant sein dürfte, vgl. Fn. 154. 156 § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG verweist auf § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der jeweils für den Vertrag geltenden Fassung. Seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes entspricht § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG im Grundsatz der Regelung des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG, s. BGBl. I 2004, S. 1427 (1432). Zuvor waren gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, steuerbar. 157 Zum Ganzen Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. G 65 ff. (Mai 2017). 158 Für eine Ausnahme s. Fn. 154. 159 Wernsmann, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 32 Rn. 13 ff.

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1. Teil: Ausgangslage

der Einkommensteuer abgezogen werden können und inwieweit die Leistungen die Bemessungsgrundlage erhöhen. dd) Zusammenfassung Gemeinsam ist der einkommensteuerlichen Behandlung aller Vergleichssachverhalte, dass jeweils der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens höchstens einmal in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wird.160 Dies geschieht in den meisten Fällen entweder in voller Höhe zum Zeitpunkt des Ansparens bzw. Investierens161 (beim Aufbewahren von Bargeld, bei der Ein- und Auszahlung auf bzw. von einem Bankkonto sowie bei der Anschaffung und anschließenden Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien) oder in voller Höhe zum Zeitpunkt des Entsparens bzw. der Auflösung der Investition162 (bei beamtenrechtlichen Versorgungbezügen, bei Pensions- bzw. Direktzusagen und bei Unterstützungskassen). Bei den von § 22 Nr. 5 EStG erfassten Sachverhalten kann der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer aber je nach den Umständen des Einzelfalls auch teilweise zum Zeitpunkt des Ansparens bzw. Investierens und teilweise zum Zeitpunkt des Entsparens bzw. der Auflösung der Investition erhöhen. Dass auch im Anwendungsbereich des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG (also soweit die Beiträge aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden) gerade der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens (also der Nominalbetrag der aus versteuertem Einkommen entrichteten Beiträge)  nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden soll, wird besonders deutlich in § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG und in § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG n. F.163, wo ausdrücklich 160

Nicht näher untersucht wurde, ob der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens nach geltendem Recht in allen relevanten Vergleichssachverhalten prinzipiell genau einmal in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird, woraus sich ein Gebot der Einmalbe­ steuerung (als Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots) ergäbe, sodass Minderbesteuerungen (auch) bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungswidrig wären; vom Vorliegen einer Minderbesteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gehen i.Erg. z. B. Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 aus. Ob ein verfassungsrechtliches Gebot der Einmalbesteuerung existiert, ist umstritten; gegen ein solches Gebot Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (848 f.); dafür Seer, StuW 1996, 323 (329). Gegen eine Herleitung eines Gebots der Einmalbesteuerung aus einer Belastungsgrundentscheidung i. V. m. dem Folgerichtigkeitsgebot sprechen Normen wie § 20 Abs. 9 oder § 19 Abs. 2 EStG. Minderbesteuerungen aufgrund der Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG werden für unproblematisch gehalten, s. BFHE 254, 545 (Rz. 24); BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 21); Hey, DRV 2004, 1 (7). 161 Man kann von vorgelagerter Besteuerung sprechen, s. dazu unten § 2 III. 162 Man kann von nachgelagerter Besteuerung sprechen, s. dazu unten § 2 III. 163 S. oben Fn. 156.

§  1  Verfassungsrecht 

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nur der Unterschiedsbetrag zwischen der Leistung und der Summe der auf sie (aus versteuertem Einkommen) entrichteten Beiträge der Besteuerung unterliegt; weil es sich bei § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG um den Auffangtatbestand im Rahmen des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG handelt, liegt es nahe, dass hier der Kerngedanke aller Regelungen des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG am klarsten zum Ausdruck kommt. Auch § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F.164 bezieht nur Zinsen aus den entrichteten Beiträgen zu Lebensversicherungen in die Bemessungsgrundlage ein, nicht aber den Nominalbetrag der Beiträge. Am wenigsten deutlich wird die Nichteinbeziehung des Nominalbetrags des intertemporal transferierten Einkommens am Wortlaut des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG, der auf die Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG verweist, weil dort der Umfang der Besteuerung in einem Prozentsatz (Ertragsanteil) ausgedrückt wird. Allerdings handelt es sich bei der prozentualen Aufteilung der erfassten Leistungen lediglich um eine typisierende und pauschalierende Vereinfachung, welche den Besonderheiten der Leistungsform der Rente Rechnung trägt.165 Die vorstehend beschriebene Gemeinsamkeit bei der einkommensteuerlichen Behandlung der Vergleichssachverhalte hat (hinsichtlich des Teilbereichs der Besteuerung von intertemporalen Einkommenstransfers) systemprägenden Charakter,166 sodass es sich um eine Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots handelt. Dafür spricht zunächst, dass kein Sachverhalt mit intertemporalem Einkommenstransfer ersichtlich ist, bei dessen einkommensteuerlicher Behandlung der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens mehrfach (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden soll. Insbesondere ergibt sich dies freilich auch nicht aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, der neben sämtlichen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch Leistungen aus Rürup-Verträgen erfasst167. Folglich braucht hier nicht thematisiert werden, inwieweit im Rahmen des Folgerichtigkeitsgebots der Prüfungsgegenstand (hier: § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) bei der Bestimmung der Belastungsgrundentscheidung berücksichtigt werden darf oder muss. Außerdem lässt sich dem Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 entnehmen, dass der Gesetzgeber sich der Parallelität zumindest der Regelungen des § 20 Abs. 4 Satz 1, des § 17 Abs. 2 Satz 1 sowie des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG bewusst ist,168 was jedenfalls deren Systemhaftigkeit nahelegt. Schließlich ist auch die Ähnlichkeit zwischen den soeben genannten Vorschriften und § 22 Nr. 5 Satz 2 164

S. oben Fn. 156. Zum Prinzip der Ertragsanteilsbesteuerung vgl. unten § 2 IV. 2. (mit Blick auf das alte Recht). 166 Zu dieser Anforderung an Belastungsgrundentscheidungen s. oben § 1 I. 1. 167 Wernsmann, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 32 Rn. 46 f. 168 Vgl. BR-Drucks. 220/07, S. 91. 165

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1. Teil: Ausgangslage

Buchst. c EStG so deutlich, dass es kaum denkbar ist, dass diese zufällig (ohne planvolles Einfügen in ein System) entstanden ist.169 c) Schlussfolgerung für die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung Aus dem Vorstehenden folgt für die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, dass der bereits bei der Beitragsentrichtung in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogene Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden darf; mit anderen Worten: Der in bestimmten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung enthaltene Nominalbetrag des Rückflusses bzw. der Rückzahlung der aus versteuertem Einkommen (d. h. in die Bemessungsgrundlage einbezogenem Einkommen) entrichteten Rentenversicherungsbeiträge170 darf nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Wird dieses Gebot nicht beachtet, dann liegt doppelte Besteuerung vor. Das vorstehend dargelegte Verständnis der doppelten Besteuerung stimmt mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 105, 73 überein. Das ergibt sich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der doppelten Besteuerung annimmt, dass ein erfolgsneutraler Vermögenstausch nicht zu steuerbarem Einkommen führt.171 Der Begriff des erfolgsneutralen Vermögenstauschs, welcher der bei der Bilanzierung üblichen Terminologie172 sehr ähnlich ist, taucht in BVerfGE 105, 73 zwar erstmals auf; er findet sich sowohl vor als auch nach BVerfGE 105, 73 weder in Literatur noch Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen. Jedoch konkretisiert das Bundesverfassungsgericht den Begriff in der Entscheidung, woraus sich erschließt, was das Bundesverfassungsgericht unter doppelter Besteuerung versteht. Zum einen stellt das Bundesverfassungsgericht dem erfolgsneutralen Vermögenstausch die erfolgswirksamen Tatbestände „erstmaliger Zufluss“ (mit Blick auf die Überschusseinkünfte173) bzw. „erstmalige Realisierung“ einer Vermögens 169 Dagegen spricht aber die folgende Aussage im Zusammenhang mit § 22 Nr. 5 EStG in BR-Drucks. 622/06, S. 83: „Die späteren Altersbezüge sind zwar beitragsbezogen, enthalten jedoch keine Rückzahlungen von Beiträgen“. Allerdings scheint es an dieser Stelle im Gesetzentwurf primär darum zu gehen, die nachgelagerte Besteuerung zu rechtfertigen. 170 Zur Frage, inwieweit es sich bei (welchen) Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung um den Rückfluss bzw. die Rückzahlung von zuvor entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen handelt, s. unten § 4 I. 2. u. § 5 IV. 171 S. BVerfGE 105, 73 (122 f.). 172 Zu dieser z. B. Hennrichs, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 9.23 f.: vermögensneutrale und -wirksame Geschäftsvorfälle, Aktivtausch, Passivtausch, Aktiv-/Passivtausch, ergebnisneutrale und ergebniswirksame (vermögenswirksame) Geschäftsvorfälle. 173 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

§  1  Verfassungsrecht 

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mehrung (mit Blick auf die Gewinneinkünfte174) gegenüber.175 Daraus lässt sich zunächst schlussfolgern, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Begriff des Vermögens an dieser Stelle eine Ansammlung von Einkommen bezeichnet, welches bereits der Einkommensteuer unterlegen hat. Folglich können Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts nur insoweit das Ergebnis eines erfolgsneutralen Vermögenstauschs sein (sodass im Falle ihrer Besteuerung doppelte Besteuerung vorliegt), als sie auf Beiträgen beruhen, die aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden.176 Dazu passt, dass das Bundesverfassungsgericht anschließend ausführt: „Eine ‚spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung kommt dagegen in Betracht, wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder ‚aufgeschoben‘ wurde“177. Außerdem legt es die angesprochene Gegenüberstellung nahe, dass auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Einkommen im Rahmen der Feststellung einer doppelten Besteuerung bereits dann der Besteuerung unterliegt bzw. steuerlich erfasst wird178, wenn es in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wird, und nicht erst, wenn es zu einer tariflichen Belastung kommt: Die beiden Tatbestände „erstmaliger Zufluss“ und „erstmalige Realisierung“ beziehen sich alleine auf eine Veränderung der Bemessungsgrundlage und haben nichts mit der tariflichen Einkommensteuer zu tun. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass das Bundesverfassungsgericht an der entsprechenden Stelle in BVerfGE 105, 73 von steuerbarem Einkommen spricht;179 von Steuerbarkeit, steuerbarem Einkommen, steuerbaren Einkünften etc. ist üblicherweise ausschließlich mit Blick auf die Bemessungsgrundlage die Rede.180 Zum anderen benennt das Bundesverfassungsgericht als Beispiel für einen erfolgsneutralen Vermögenstausch den „Austausch von Forderung gegen Bargeld“.181 Damit weist das Bundesverfassungsgericht unter anderem auf die Auszahlung von Bargeld von einem Bankkonto hin, bei der eine Forderung gegen die Bank auf Aus- bzw. Rückzahlung des Kontoguthabens gegen Bargeld getauscht wird (technisch kann man in Anlehnung an § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG von einer Einlösung der Forderung sprechen).182 Das macht deutlich, dass auch das Bundesverfassungs­ gericht in BVerfGE 105, 73 implizit davon ausgeht, dass – wie oben dargelegt183 – 174 Zum sog. Realisationsprinzip Krumm, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 5 EStG Rn. 241 ff. (März 2018). 175 S. BVerfGE 105, 73 (122 f.). 176 Rügamer, FR 2020, 399 (402). 177 BVerfGE 105, 73 (123). 178 In BVerfGE 105, 73 (123) finden sich beide Formulierungen: „Was bereits der Einkommen­ steuer unterlegen hat, darf nicht ein zweites Mal, also doppelt, besteuerte werden. Eine ‚spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung kommt dagegen in Betracht, wenn […]“. 179 S. BVerfGE 105, 73 (122). 180 S. nur Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.121 ff. 181 BVerfGE 105, 73 (122 f.). 182 S. dazu oben § 1 I. 2. a) bb). 183 S. oben § 1 I. 2. a) aa) u. bb).

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1. Teil: Ausgangslage

einerseits der Vorgang aus der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen und dem Erhalt von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und andererseits derjenige aus der Ein- und Auszahlung auf bzw. von einem Bankkonto in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal (intertemporaler Einkommenstransfer) wesentlich gleich sind im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG.184 Der Begriff des erfolgsneutralen Vermögenstauschs erscheint mit Blick auf die Erbringung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch technisch als passend, weil hier bei bestimmten Leistungen (nicht bei allen) eine Versorgungsanwartschaft getauscht wird gegen Bargeld bzw. Buchgeld.185 Abschließend ist anzumerken, dass mit dem Begriff des erfolgsneutralen Vermögenstauschs in der Sache nichts anderes gemeint ist als mit dem gängigeren Ausdruck der bloßen Umschichtung von Privatvermögen.186 Warum das Bundesverfassungsgericht nicht diesen Ausdruck verwendet, erschließt sich nicht, zumal es ihn in BVerfGE  105,  73 in anderem Zusammenhang gebraucht.187 Auch der Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit bloßer Umschichtungen von Privatvermögen wird als Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots angesehen.188 Dieser Grundsatz wird üblicherweise § 17, § 20 Abs. 2 und § 23 EStG entnommen.189 Diese Vorschriften betreffen Sachverhalte, in denen es – wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung – zu einem intertemporalen Einkommenstransfer kommt;190 das belegt die inhaltliche Übereinstimmung des Ausdrucks der bloßen Umschichtung von Privatvermögen mit dem Begriff des erfolgsneutralen Ver 184

Rügamer, FR 2020, 399 (402). S. oben § 1 I. 2. a) bb). 186 I. Erg. ebenso FG München v. 8. 5. 2007 – 9 V 181/07, juris-Rz. 10; inzident auch BFH / N V 2015, 1369 (Rz. 29); BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 31), allerdings mit einer auf den ersten Blick verwirrenden Differenzierung zwischen Vermögensumschichtung und -aufbau; Dorenkamp, DStZ 2002, 668 (669 f.); Heine, ZRP 2002, 479 (481). 187 S. BVerfGE 105, 73 (113, 121) mit Blick auf den Zweck der Ertragsanteilsbesteuerung; zur Ertragsanteilsbesteuerung s. unten § 2 IV. 2. 188 S. BFH BStBl. II 2006, 420 (426): „Insoweit wird zu erwägen sein, ob der Gesetzgeber wegen des Gebots der folgerichtigen Umsetzung des Prinzips der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Vermögensumschichtungen überhaupt berechtigt ist, […]“; wohl auch Fischer, FR 2001, 613 (620): „[…] die durch das Einkommensteuerrecht vorgegebenen Strukturen […]. Zu diesen Strukturen gehören […] die Nichtsteuerbarkeit der Vermögensumschichtung […]. Werden diese Grundsätze nicht beachtet, könnte dies zu – rechtfertigungsbedürftigen – Abweichungen von durch den Steuergesetzgeber statuierten Sachgesetzlichkeiten führen“. 189 Deutlich BFH BStBl. II 2001, 391 (392), wo aber nur § 23 und § 17 EStG (und außerdem § 22 Nr. 1 EStG a. F.) erwähnt werden: „Der Gesetzgeber hat eine abschließende – positive und negative – Regelung für die Besteuerung von Vorgängen im Bereich der Umschichtung von Sachen und Rechten des Privatvermögens getroffen. Diese Vorgänge sollen nur dann der Einkommensteuer unterliegen, wenn die Voraussetzungen des § 23 EStG (ggf. § 22 Nr. 1 oder § 17 EStG) vorliegen“; s. auch BFH BStBl. II 1993, 298 (299); 2000, 82 (84); 2000, 188 (191); Gröpl, FR 2001, 568 (573); zum früher gelten Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit von Wertsteigerungen des Privatvermögens, der durch § 17, § 22 Abs. 2 und § 23 EStG „seine systemprägende Bedeutung eingebüßt hat“, s. Gröpl, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 8 Rn. A 36 (April 2015). 190 S. oben § 1 I. 2. a) bb). 185

§  1  Verfassungsrecht 

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mögenstauschs. Dazu passt, dass mit Blick auf § 23 Abs. 3 Satz 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG im Zusammenhang mit dem Ausdruck der bloßen Umschichtung von Privatvermögen formuliert wird, dass diese Vorschriften als steuerbare Einkünfte nur „Vermögensänderung[en], nicht jedoch die Substanz des Vermögens“191 erfassen; dasselbe gilt freilich für § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG, der nach dem Vorbild der vorgenannten Vorschriften konstruiert ist.192

II. Objektives Nettoprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip Vielfach, unter anderem auch vom Bundesfinanzhof, wird vertreten, dass sich die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung aus einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ergebe.193 Teilweise wird auch eine unmittelbare Verletzung des dem objektiven Nettoprinzip übergeordneten Leistungsfähigkeitsprinzips angenommen.194 Nachfolgend wird dargelegt, dass beides letztlich nicht zu überzeugen vermag.195 Dem objektiven Nettoprinzip kann doppelte Besteuerung nicht widersprechen, weil Rentenversicherungsbeiträge aufgrund ihres atypischen materiellen Charakters (Vermögensumschichtung durch Anschaffung einer Versorgungsanwartschaft) weder nach einem einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip, welches in Verbindung mit dem Folgerichtigkeitsgebot verfassungsrechtliche Wirkung entfaltet, von der Bemessungsgrundlage abziehbar sein müssen (s. unten a)), noch nach einem 191 BFH BStBl. II 2000, 82 (84); beinahe wortgleich BFH BStBl. II 1993, 298 (299); Gröpl, FR 2001, 568 (573). 192 S. BR-Drucks. 220/07, S. 91. 193 So BFH BStBl.  II  2009, 710 (720); FG Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 63); FG Münster DStRE 2013, 1484 (1485); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2107); Stützel, DStR 2010, 1545 (1547, 1549 f.); Weber-Grellet, FR 2017, 399 (399), der den Verfassungsverstoß aber ausdrücklich in der Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge sieht (anders nun wohl Weber- ­Grellet, FR 2021, 759 (761); s. unten Fn. 237); tendenziell auch BFH BStBl. II 2010, 348 (Rz. 76): „Die Übergangsregelung […] verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip […], solange das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird“; ebenso BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 66); auch Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 127 (Februar 2013) u. Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 138 (November 2020) erwähnen das objektive Nettoprinzip, scheinen aber i. Erg. eher unmittelbar auf das Leistungsfähigkeitsprinzip abzustellen. 194 So Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 127 (Februar 2013); Mues, in: Littmann /  Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 138 (November 2020); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 298 Fn. 452 u. S. 321; zumindest implizit auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 21); BFHE 254, 545 (Rz. 24). 195 Ausdrücklich gegen ein Abstellen auf das objektive Nettoprinzip auch Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017); einen Verstoß gegen das (unmittelbar verfassungsrechtliche) Leistungsfähigkeitsprinzip lehnt auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 73 ff. unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Wahrung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ab.

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1. Teil: Ausgangslage

unmittelbar verfassungsrechtlichen objektiven Nettoprinzip (s. unten b)). Davon geht implizit auch das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es mit Blick auf die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine vorgelagerte Besteuerung, bei der die Rentenversicherungsbeiträge gerade nicht von der Bemessungsgrundlage abziehbar sind,196 im Grundsatz für verfassungsgemäß hält.197 Selbst wenn man aber annimmt, dass das objektive Nettoprinzip die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge gebietet, ist die Schlussfolgerung, dass das objektive Nettoprinzip auch doppelter Besteuerung entgegensteht, abzulehnen, da es sich beim objektiven Nettoprinzip um ein Abzugsgebot für Ausgaben handelt, nicht um ein Besteuerungsverbot für Einnahmen (s. unten c)). Gegen die Begründung der Verfassungswidrigkeit der doppelten Besteuerung unter Berufung auf einen Verstoß unmittelbar gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip spricht schließlich, dass die Ableitung einer absoluten Obergrenze für die Besteuerung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip jenseits einiger Extremfälle grundsätzlich abzulehnen ist und dass das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Lebenseinkommensbesteuerung jedenfalls nicht (verfassungsrechtlich) zwingend vorgibt (s. unten d)). 1. Kein Gebot der Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge aus dem einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip Das objektive Nettoprinzip ist im Grundsatz allgemein anerkannt. Umstritten ist aber, ob es sich um eine unmittelbar verfassungsrechtliche Vorgabe handelt (aus der Finanzverfassung, aus Art. 3 Abs. 1 GG oder aus Freiheitsgrundrechten).198 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der einfache Gesetzgeber jedenfalls im Rahmen des Folgerichtigkeitsgebots verfassungsrechtlich an das einfachgesetzliche objektive Nettoprinzip gebunden, welches in § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG zum Ausdruck komme.199 Geht man davon aus, dass sich das objektive Nettoprinzip aus einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers im Sinne des Folgerichtigkeits­ 196

Zu den Begriffen der vorgelagerten und nachgelagerten Besteuerung s. unten § 2 III. Deutlich BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 49); ebenso bereits BVerfGE 120, 169 (178). 198 Offengelassen BVerfG BStBl.  II 2016, 801 (Rz. 38); BVerfGE 122, 210 (233 f.);  126, 268 (279 f.); für den unmittelbaren Verfassungsrang Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 44 (April 2020); Englisch, Beihefter zu DStR 34/2009, 92 (92 ff.), auch zu den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Verortungen; Tipke, BB 2007, 1525 (1527); Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 502 (Oktober 2020); ders., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 317 ff.; zurückhaltender Seiler, DStJG  34 (2011), S. 61 (65 ff.); gegen den unmittelbaren Verfassungsrang P. Kirchhof, in: Isensee / K irchhof, HStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 217; Schneider, Beihefter zu DStR 34/2009, 87 (89). 199 S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 38); BVerfGE 122, 210 (234); 126, 268 (279 f.); ebenso P. Kirchhof, in: Isensee / K irchhof, HStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 217; Schneider, Beihefter zu DStR 34/2009, 87 (89). 197

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gebots ergibt, die in § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG zum Ausdruck kommt, dann ist der Inhalt des objektiven Nettoprinzips aus diesen Vorschriften abzuleiten.200 Das Bundesverfassungsgericht beschreibt den Inhalt des objektiven Nettoprinzips demgemäß (im Grunde durch die bloße Wiederholung des Wortlauts der besagten Normen) dahingehend, dass „betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG oder als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG von der Bemessungsgrundlage abziehbar sind“201. Doppelte Besteuerung kann also überhaupt nur dann gegen das einfachgesetzliche objektive Nettoprinzip verstoßen, wenn es sich bei Rentenversicherungsbeiträgen um beruflich oder betrieblich veranlasste Aufwendungen in diesem Sinne handelt. Es geht im Rahmen der Prüfung des Folgerichtigkeitsgebots aber nicht darum, ob der einfachgesetzliche Tatbestand des § 9 Abs. 1 oder des § 4 Abs. 4 EStG verwirklicht ist. Vielmehr ist die Frage zu beantworten, ob die Rentenversicherungsbeiträge und die von § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 oder § 4 Abs. 4 EStG erfassten Aufwendungen wesentlich gleich sind im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG.202 Wäre dies der Fall, dann würde das einfachgesetzliche objektive Nettoprinzip (genauer: das Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers, die in § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG zum Ausdruck kommt) die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge von der Bemessungsgrundlage gebieten; richtigerweise ist die wesentliche Gleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG aber zu verneinen.203 Bei der Beurteilung der wesentlichen Gleichheit kommt es nicht darauf an, dass der einfache Gesetzgeber die Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz  1 Buchst.  a EStG einfachgesetzlich  als Sonderausgaben eingeordnet hat.204 Im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ist der materielle Charakter der Rentenversicherungsbeiträge mit demjenigen der Aufwendungen, die von § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG erfasst werden, zu vergleichen. Einen Vergleich der Rentenversicherungsbeiträge mit den von § 9 Abs. 1 EStG erfassten Aufwendungen hat auch das Bundesverfassungsgericht angestellt, als es im Jahr 2016 über die Verfassungsmäßigkeit der einfachgesetzlichen Qualifizierung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Sonderausgaben (nicht als Werbungskosten) 200

Vgl. F. Kirchhof, BB 2017, 662 (665): „Im Ergebnis wird damit das objektive Nettoprinzip verfassungsrechtlich gesichert, sein Ausmaß wird aber von seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung im jeweiligen Steuergesetz dirigiert“; vgl. auch oben § 1 I. 1. 201 BVerfGE 126, 268 (280); vgl. zuletzt auch BVerfGE 152, 274 (Rz. 109). 202 Zur Prüfung des Folgerichtigkeitsgebots s. oben § 1 I. 1. 203 Gegen ein verfassungsrechtliches Gebot der Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbei­ trägen i. Erg. auch BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 49); ebenso bereits BVerfGE 120, 169 (178). 204 S. aber Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017), die zwar nicht zwischen dem Inhalt des objektiven Nettoprinzips nach einfachem Recht bzw. nach Verfassungsrecht differenzieren, die aber feststellen: „Wie das BVerfG nunmehr klargestellt hat, handelt es sich bei den Vorsorgeaufwendungen […] nicht um Werbungskosten, sondern um Sonderausgaben […]. Demnach kann das objektive Nettoprinzip die Quelle des Doppelbesteuerungsverbots nicht sein“.

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1. Teil: Ausgangslage

zu entscheiden hatte. Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem überzeugenden Ergebnis, dass dem einfachen Gesetzgeber bei der Qualifizierung der Rentenversicherungsbeiträge ein weiter Spielraum zustehe; er sei von Verfassungs wegen weder dazu gezwungen, die Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten einzuordnen, noch daran gehindert, sie als Sonderausgaben zu qualifizieren.205 Dabei hat es die folgenden Eigenheiten der Rentenversicherungsbeiträge gegenüber typischen (vorweggenommenen) Werbungskosten betont: Rentenversicherungsbeiträge bezwecken nicht nur die Erzielung eigener Einkünfte, sondern es geht dem Steuerpflichtigen auch um die Absicherung etwaiger Hinterbliebener;206 Rentenversicherungsbeiträge finanzieren auch Leistungen, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führen;207 und schließlich: Rentenversicherungsbeiträge bewirken „nicht eine reine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung, weil der Steuerpflichtige […] [eine] Anwartschaft erwirbt“208. Diese Eigenheiten, insbesondere die zuletzt genannte, belegen einen deutlichen Unterschied zwischen den Rentenversicherungsbeiträgen und den von § 9 Abs. 1 EStG erfassten Aufwendungen gerade in Bezug auf die in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geregelten Abzugsvoraussetzungen, welche den Inhalt der Belastungsgrundentscheidung, also den Inhalt des einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzips, prägen.209 Daher ist die wesentliche Gleichheit i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen, sodass das einfachgesetzliche objektive Nettoprinzip die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge nicht gebietet. 2. Kein Gebot der Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge aus dem unmittelbar verfassungsrechtlichen objektiven Nettoprinzip Wenn man mit der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung annimmt, dass sich das objektive Nettoprinzip unmittelbar aus dem Grundgesetz ergibt,210 dann kann man seinen Inhalt freilich nicht dem einfachen Recht entnehmen. Es ist also zumindest prinzipiell nicht ausgeschlossen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom unmittelbar verfassungsrechtlichen objektiven Nettoprinzip (anders als vom einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip) erfasst werden. Im Ergebnis ist die Ableitung eines zwingenden Gebots der Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen aus dem unmittelbar verfassungsrechtlichen 205

S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 44, 48, 49). BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 46). 207 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 46): „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 9 ff., 15 f. SGB VI) und ergänzende Leistungen (§§ 9 ff., 20 ff. SGB VI) sowie der Krankenversicherungszuschuss (§ 106 SGB VI)“. 208 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47); s. außerdem oben § 1 I. 2. a) bb). 209 Dazu, dass Aufwendungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach überzeugender Auffassung eine Vermögensminderung voraussetzen, an der es bei den Rentenversicherungsbeiträgen nach der Feststellung des BVerfG in BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47) jedenfalls hinsichtlich eines Teils der Beiträge fehlt, s. oben § 1 I. 2. b) bb). 210 S. die Nachw. in Fn. 198. 206

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objektiven Nettoprinzip aber abzulehnen.211 Doppelte Besteuerung verstößt also auch nicht gegen das unmittelbar verfassungsrechtliche objektive Nettoprinzip. Zunächst ist zu beachten, dass es sich beim objektiven Nettoprinzip und bei dem ihm übergeordneten Leistungsfähigkeitsprinzip212 um Rechtsprinzipien handelt, nicht um Rechtssätze.213 Rechtsprinzipien haben im Unterschied zu Rechtssätzen weder einen exakt umgrenzten Tatbestand noch zeitigen sie Rechtsfolgen. Man kann nicht eindeutig beantworten, ob sie anwendbar sind oder nicht. Sie sind Optimierungsgebote in dem Sinne, dass sie einen rechtsethischen Konsens zum Ausdruck bringen und dessen möglichst optimale Verwirklichung verlangen.214 Rechtsprinzipien bedürfen der Konkretisierung, wobei Wertungen vorzunehmen sind, sodass teilweise auch mehrere konkurrierende Konkretisierungen möglich sind.215 Das steht konkreten Schlussfolgerungen aus dem objektiven Nettoprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip zwar nicht grundsätzlich entgegen, es gebietet aber Zurückhaltung gegenüber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; es ist stets genau zu prüfen, was das Grundgesetz tatsächlich zwingend fordert.216 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss aus dem Jahr 211 Gegen ein verfassungsrechtliches Gebot der Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbei­ trägen i. Erg. auch BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 49); ebenso bereits BVerfGE 120, 169 (178). 212 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip s. sogleich unten § 1 II. 4.; dazu, dass es sich beim objektiven Nettoprinzip um ein Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips handelt, Englisch, Beihefter zu DStR 34/2009, 92 (92); Tipke, BB 2007, 1525 (1526 f.). 213 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.11 ff.; nur zum Leistungsfähigkeitsprinzip Birk, in: Festschrift für P. Kirchhof, 2013, Bd. 2, § 147 Rn. 17; nur zum objektiven Nettoprinzip Seiler, DStJG 34 (2011), S. 61 (69). 214 Zum Ganzen Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.11 f.; Drüen, DStJG 37 (2014), S. 9 (43 ff.); die Beschreibung von Prinzipien als Optimierungsgebote geht zurück auf Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 75 ff. 215 Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 40 (April 2020). 216 S. mit Blick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 268: „Offene und abstrakte Formulierungen stehen jedoch nicht konkreten Folgerungen […] entgegen. Dies zeigen viele Verfassungsprinzipien […] und die Grundrechte, die Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich […] für bindend erklärt“; „Stets muss allerdings im Blick behalten werden, was die Verfassung tatsächlich fordert und inwieweit sie dem Gesetzgeber Spielräume belässt“; s. außerdem Birk, in: Festschrift für P. Kirchhof, 2013, Bd. 2, § 147 Rn. 2: „Aber wer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip konkrete Antworten auf Rechtsfragen oder Regelungsaufträge für den Gesetzgeber ableiten will, missversteht seinen Bedeutungsgehalt. Es bedarf gesetzlicher Konkretisierung und Entfaltung“; Drüen, DStJG 37 (2014), S. 9 (48): „Da das Leistungsfähigkeitsprinzip verschiedene Wertungen und Gewichtungen eröffnet und erfordert, darf es hinsichtlich der rechtlichen Aussagen nicht überschätzt werden, die konkret und konsentiert aus ihm ableitbar sind“; „Stets ist der Gefahr zu begegnen, unter Berufung auf das Leistungsfähigkeitsprinzip Erwünschtes in die Verfassung hineinzuinterpretieren“; Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 45, 80: „Verfassungsrechtlich überzeugende und konsensfähige Konkretisierungen […] können jedenfalls nur gelingen, wenn sie aus den konkreteren verfassungsrechtlichen Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips abgeleitet werden“ (S. 45); „Zu einer merkwürdigen Verdrehung der Perspektiven kommt es allerdings, wenn dabei nicht die verfassungsrechtliche Einzelnorm, sondern davon losgelöst das Prinzip zum Dreh- und Angelpunkt weitergehender Betrachtungen gemacht wird“ (S. 80).

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1. Teil: Ausgangslage

1976 zutreffend angemerkt: „Das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erweist sich allerdings, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen, als vieldeutig […]“217. Die Ableitung konkreter Schlussfolgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. dem objektiven Nettoprinzip betreffend die Rentenversicherungsbeiträge wird zusätzlich durch den atypischen materiellen Charakter der Rentenversicherungsbeiträge („nicht eine reine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung“218) erschwert.219 Der Inhalt des unmittelbar verfassungsrechtlichen objektiven Nettoprinzips wird mit Blick auf das ihm übergeordnete Leistungsfähigkeitsprinzip folgendermaßen erläutert: Nur das für die Steuerzahlung disponible Einkommen vermittle Leistungsfähigkeit; Beträge, die zur Erzielung des Einkommens aufgewendet werden (Erwerbsaufwendungen), seien gerade nicht disponibel und müssten deshalb aus der Bemessungsgrundlage ausgegrenzt werden.220 Im Ausgangspunkt überzeugt das, weil grundsätzlich nur derjenige Steuern zahlen kann, der tatsächlich zahlungsfähig ist, was das Vorhandensein von Geld voraussetzt.221 Vor diesem Hintergrund kann man argumentieren, dass Rentenversicherungsbeiträge abziehbar sein müssen, weil dem Steuerpflichtigen in der Höhe, in der er Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, keine Geldmittel zum Zwecke der Steuerzahlung zur Verfügung stehen. Die entscheidende und im Ergebnis nicht eindeutig zu beantwortende222 Frage lautet aber: Ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige für seine Rentenversicherungsbeiträge (jedenfalls für einen Teil) eine Versorgungsanwartschaft als Gegenwert erhält?223 Der Steuerpflichtige verliert – untechnisch ausgedrückt – keine finanzielle Leistungsfähigkeit, sondern „speichert“ diese nur an anderer Stelle bzw. in anderer Form als in 217

BVerfGE 43, 108 (120); beinahe wortgleich BVerfGE 47, 1 (29); dazu Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 45 Fn. 21: „Insofern beansprucht die klassische Feststellung unverändert Geltung […]“. 218 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47); s. außerdem oben § 1 I. 2. a) bb). 219 Vgl. zu diesem Argument mit Blick auf ebenfalls, wenn auch in anderer Hinsicht, atypische sog. gemischte Aufwendungen Thiemann, in: Emmenegger / Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 2, 2011, S. 179 (197): „Wie diese ‚gemischten‘ Aufwendungen zu behandeln sind, beantwortet das objektive Nettoprinzip zumindest nicht ohne weiteres, weil es als Makroprinzip zunächst nur eine prinzipielle, binäre Unterscheidung trifft“. 220 Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 44 (April 2020); Tipke, BB  2007, 1525 (1527); die gleiche Überlegung findet sich aber z. B. auch in BVerfGE  99, 88 (96): „Der Gesetzgeber erfaßt sämtliche Einkunftsarten nach dem Nettoprinzip, das die durch Erwerbstätigkeit bedingten Aufwendungen zum Abzug zuläßt, weil sie das disponible, für die Einkommenbesteuerung verfügbare Einkommen mindern“. 221 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 486 (Oktober 2020) m. w. N. 222 Vgl. auch Drüen, in: Tipke / K ruse, AO / FGO, § 3 AO Rn. 50a (Januar 2017): „Selbst wenn man davon ausgeht, dass Leistungsfähigkeit i. S. von ‚Zahlungsfähigkeit‘ zu verstehen ist, bleibt noch ungeklärt, welche Belastungen und Aufwendungen als Minderung der Zahlungsfähigkeit anzuerkennen sind“. 223 S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 47); s. außerdem oben § 1 I. 2. a) bb).

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Geld. Muss man also möglicherweise die Annahme, dass Leistungsfähigkeit im Sinne von Zahlungsfähigkeit zu verstehen ist, hier und in anderen vergleichbaren Fällen modifizieren oder zumindest weniger formal interpretieren? Bei genauem Hinsehen wirkt sich die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen in kaum anderer Weise auf die Disponibilität des Einkommens und auf die Zahlungsfähigkeit aus als z. B. der Erwerb einer Immobilie oder von Aktien mit dem Ziel, aus den Erträgen (Vermietung; Dividenden) und gegebenenfalls aus der späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter den Lebensunterhalt im Alter zu bestreiten. In diesen Fällen würde vermutlich kaum jemand behaupten, dass die entsprechenden Anschaffungskosten von Verfassungs wegen (entgegen der geltenden einfachgesetzlichen Rechtslage224) zwingend von der Bemessungsgrundlage abziehbar sein müssten.225 Dann kann aber Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber auch nicht vorschreiben, dass die Rentenversicherungsbeiträge abziehbar sein müssen. Gegen den Vergleich kann man nicht einwenden, dass der Steuerpflichtige zur Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge verpflichtet sei, wohingegen er sein Einkommen freiwillig zur Anschaffung einer Immobilie oder von Aktien einsetzt, denn der Steuerpflichtige hat sich zumindest prinzipiell freiwillig für eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit entschieden. Freilich könnte man entgegenhalten, dass diese Entscheidung in der Regel faktisch nicht von Freiwilligkeit geprägt ist. Dann stellt sich aber (auch in anderen Grenzfällen) die Frage, bei welchem Grad der Freiwilligkeit die Grenze zwischen zu berücksichtigenden und nicht zu berücksichtigenden Aufwendungen zu ziehen ist, die kaum sinnvoll zu beantworten sein dürfte. Das macht deutlich, dass man nicht mit letzter Sicherheit sagen kann, ob die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in einer Art und Weise mindert, die den Abzug der Beiträge von 224

S. oben § 1 I. 2. b) bb). Vgl. Birk, in: Festschrift für Ruland, 2007, S. 425 (431): „Sollte auch der, der spart, um später ein Mietshaus zu kaufen, das Ersparte als vorab entstandene Werbungskosten absetzen können? Sicherlich wird man das verneinen müssen“; P. Kirchhof, in: Isensee / K irchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 187: „Der Gleichheitssatz veranlaßt vielmehr die Prüfung, ob abziehbar nicht lediglich die mit der Nutzung einer Erwerbsgrundlage verbundenen Aufwendungen sein sollen, während die Aufwendungen in die Erwerbsgrundlage als vermögensbildende oder vermögenserhaltende Maßnahmen nicht absetzbar sind“; Englisch, Beihefter zu DStR 34/2009, 92 (93): „Muss der Steuerpflichtige Aufwendungen tätigen, um eine individuelle Erwerbsgrundlage zu schaffen oder zu erhalten, so stehen die dafür verwendeten Mittel […] nicht mehr in einer Weise zu seiner Disposition, die eine Heranziehung zur solidarischen Lastentragung rechtfertigen könnte. […]. Manifestieren sich die Erwerbsaufwendungen in Vermögenswerten – insbes. Betriebsvermögen, Investitionsobjekten oder Arbeitsmitteln –, so ist dieser Schluss aus sozialstaatlicher Warte nicht mehr gleichermaßen zwingend; es muss dann aber zumindest ein nachfolgender Wertverzehr berücksichtigt werden“; vermutlich lediglich sprachlich ungenau ist die folgende Formulierung bei Waldhoff, in: Isensee / K irchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 112 (dafür spricht zumindest der dortige Verweis auf P.  Kirchhof, a. a. O.), unter die man auch Anschaffungskosten fassen könnte: „In seiner Ausprägung als objektives Nettoprinzip nimmt das Leistungsfähigkeitsprinzip […] diejenigen Aufwendungen von der steuerlichen Belastung aus, die für den Erwerb und für die Sicherung der Einkommensquelle erforderlich sind“. 225

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1. Teil: Ausgangslage

der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer als zwingend erscheinen lässt. Die Konsequenz hieraus kann nur sein, dass dem Gesetzgeber an dieser Stelle ein Gestaltungsspielraum zukommt. 3. Objektives Nettoprinzip: Abzugsgebot für Ausgaben, nicht Besteuerungsverbot für Einnahmen Das objektive Nettoprinzip kann der doppelten Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung entgegen vielfach vertretener Auffassung auch deshalb nicht entgegenstehen, weil es sich beim objektiven Nettoprinzip um ein auf Ausgaben bezogenes – freilich nur prinzipielles (!) – Abzugsgebot handelt, nicht um ein auf Einnahmen bezogenes Besteuerungsverbot. Selbst wenn man also entgegen der vorstehenden Ausführungen annimmt, dass das objektive Nettoprinzip die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge gebietet, überzeugt die Annahme, dass sich die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung aus dem objektiven Nettoprinzip ergibt, nicht. Das objektive Nettoprinzip besagt, dass Erwerbsaufwendungen prinzipiell von der Bemessungsgrundlage abziehbar sein müssen.226 Erwerbsaufwendungen sind Ausgaben des Steuerpflichtigen. Bei der doppelten Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „eine etwaige Grundrechtsbeeinträchtigung […] letztlich erst dann bewirkt, wenn beim Rentenbezug ein zu hoher Besteuerungsanteil angesetzt [wird]“227. Es geht also bei der Abwehr der doppelten Besteuerung um die Abwehr der Besteuerung von Einnahmen des Steuerpflichtigen. Dazu passend nehmen Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof an, dass sich aus dem Verbot doppelter Besteuerung kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge ableiten lasse; der Gesetzgeber könne dem Verbot der doppelten Besteuerung auch durch einen schonenderen steuerlichen Zugriff auf die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung tragen.228 Die gerichtliche Überprüfung der doppelten Besteuerung findet dementsprechend erst in den Veranlagungszeiträumen des Leistungsbezugs statt.229 Warum sollte man nun einer Grundrechtsbeeinträchtigung, die durch die Besteuerung der Einnahmen aus Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt wird, entgegenhalten können, dass bestimmte Ausgaben des Steuerpflich 226

S. oben § 1 II. 1. u. 2. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 59). 228 BVerfGE 120, 169 (179); BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 58); BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 85). 229 S. BVerfGE 120, 169 (178 f.); BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 57 ff.); BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 84 ff.); 2006, 420 (426) zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 22); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 48); zustimmend Wernsmann, Beihefter zu DStR 17/2008, 37 (47); dagegen aber noch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 346 (November 2013) (Altauflage); Stützel, DStR 2010, 1545 (1549). 227

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tigen, konkret die Rentenversicherungsbeiträge, eigentlich hätten abziehbar sein müssen? Mit anderen Worten: Warum sollte aus der Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge zwingend die Steuerfreiheit (zumindest eines Teils) der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung folgen?230 Gegen eine derartige Schlussfolgerung spricht sich die h. M. bei der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG aus. Diese Vorschrift wird als Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips angesehen.231 Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Zwar stellt § 3c Abs. 1 EStG unter der Voraussetzung eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs für bestimmte Einnahmen und Ausgaben im Ergebnis eine Verbindung zwischen der steuerlichen Behandlung der Einnahmen und derjenigen der Ausgaben her. Allerdings besteht diese Verbindung nach dem Wortlaut nur in eine Richtung; als Rechtfolge ordnet § 3c Abs. 1 EStG nur die Nichtabziehbarkeit von Ausgaben an. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 3c Abs. 1 EStG nicht den Umkehrschluss erlaubt, dass Einnahmen, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit nicht abziehbaren oder nicht abgezogenen Ausgaben stehen, steuerfrei sind.232 Daraus ergibt sich: Aus dem einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip (in Verbindung mit dem Folgerichtigkeitsgebot233) lässt sich die Verfassungswidrigkeit der doppelten Besteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls auch deshalb nicht schlussfolgern, weil § 3c Abs. 1 EStG den Inhalt des einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzips (genauer: den Inhalt der entsprechenden Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers) mitbestimmt234 und (zumindest nach h. M.) gerade nicht besagt, dass sich aus der Nichtabziehbarkeit von Ausgaben des Steuerpflichtigen die Steuerfreiheit von Einnahmen ergibt, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesen Ausgaben stehen. 230 Diese Frage hat in der Sache ursprünglich auch der BFH, der später annimmt, dass sich die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung aus dem objektiven Nettoprinzip ergibt, s. BFH BStBl. II 2009, 710 (720), mit zweifelndem Unterton aufgeworfen, s. BFH BStBl. II 2006, 420 (426): „Zu den das Einkommensteuerrecht tragenden Grundprinzipien rechnet das objektive Nettoprinzip. […]. Dieser verfassungsrechtliche Aspekt könnte allenfalls dann berührt sein, wenn man eine den Werbungskostenabzug begründende betragsmäßige Relation herstellt zu der ab dem Jahre 2040 geltenden Besteuerung der Alterseinkünfte mit dem vollen Nennbetrag des Zuflusses“. 231 S. Hey, Beihefter zu DStR 34/2009, 109 (111); Desens, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3c EStG Rn. 1, 6 (Juni 2019); Valta, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 3c EStG Rn. 6c (August 2019). 232 S. BFH BStBl. II 1968, 581 (581); 1977, 220 (221); 1992, 686 (688); Desens, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3c EStG Rn. 7 (Juni 2019); Valta, in: Blümich, EStG / KStG /  GewStG, § 3c EStG Rn. 8 (August 2019). 233 S. oben § 1 I. 1. 234 Vgl. Desens, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3c EStG Rn. 6 (Juni 2019): „Soweit das objektive Nettoprinzip aber weiter konkretisierungsbedürftig ist, findet diese Konkretisierung im Wortlaut des [§ 3c] Abs. 1 [EStG] ihre gesetzliche Grenze“.

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1. Teil: Ausgangslage

Freilich ist auch an dieser Stelle nicht ausgeschlossen, dass das unmittelbar verfassungsrechtliche objektive Nettoprinzip inhaltlich vom einfachgesetzlichen objektiven Nettoprinzip abweicht. Allerdings lässt sich m. E. auch unmittelbar aus dem Grundgesetz kein Argument herleiten, das es als zwingend erscheinen lässt, dass das objektive Nettoprinzip (als Rechtsprinzip mit seinem verfassungsrechtlichen Inhalt235) nicht nur Abzugsgebot für Ausgaben ist, sondern auch Besteuerungsverbot für Einnahmen, die in bestimmter Art und Weise auf nicht abziehbaren oder nicht abgezogenen Ausgaben beruhen.236 Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der grundrechtsdogmatischen Rechtsfigur der Kompensation von Grundrechtseingriffen,237 die vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz anerkannt wird,238 weil diese Rechtsfigur mit Blick auf das Steuerrecht nur besagt, dass eine Kompensation steuerlicher Nachteile (hier: Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge) durch steuerliche Vorteile (hier: Nichtbesteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung) im Rahmen der Grundrechtsprüfung unter bestimmten Voraussetzungen in dem Sinne zu berücksichtigen ist, dass eine Grundrechtsverletzung ausscheidet.239 Daraus wird aber, soweit ersichtlich, nicht gefolgert, dass ein Nachteil von Verfassungs wegen durch einen Vorteil kompensiert werden muss, sodass diese Aussage auch nicht aus dem Gedanken der Kompensation heraus in das verfassungsrechtliche objektive Nettoprinzip integriert werden darf. 235

Vgl. oben § 1 II. 3. Dazu passt, dass in der Literatur angenommen wird, dass § 3c Abs. 1 EStG das objektive Nettoprinzip in verfassungskonformer Art und Weise ausgestaltet, s. Desens, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3c EStG Rn. 6 (Juni 2019); Valta, in: Blümich, EStG / KStG /  GewStG, § 3c EStG Rn. 9 (August 2019). 237 So aber möglicherweise Weber-Grellet, FR 2017, 399 (399): „Grundsätzlich verhält es sich so, dass nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips alle Erwerbsaufwendungen abziehbar sein müssen; die Abziehbarkeit darf grundsätzlich nicht beschränkt werden. Die Nichtabziehbarkeit ist aber unschädlich, wenn die nicht abgezogenen Beiträge nur zu steuerfreien Einnahmen geführt haben, wenn sich also die Nichtabziehbarkeit steuerlich nicht ausgewirkt hat. Die Nichtabziehbarkeit der Beiträge muss durch die Steuerfreiheit der Bezüge kompensiert werden. Die Nichtabziehbarkeit ist hingegen schädlich, wenn diese Beiträge zu steuerbaren Einnahmen führen“; nun wohl anders Weber-Grellet, FR 2021, 759 (761): „Der (vom X. Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen abgeleitete)  Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase kann daher auch nicht – entgegen früher geäußerter Auffassung – auf das objektive Nettoprinzip gestützt werden. Das objektive Nettorprinzip [sic!] verlangt zwar grundsätzlich den Abzug aller Aufwendungen, die mit den Einnahmen in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Das objektive Nettorprinzip [sic!] begründet aber keine Kongruenz zwischen Ausgaben und Einnahmen. Der beschränkte Abzug von Aufwendungen auf der Ausgabenseite führt nicht zu einer (anteiligen oder betragsmäßigen) Kürzung der Einnahmen. Das Verbot des Abzugs von Aufwendungen (dem Grund und / oder der Höhe nach) legitimiert sich aus seiner eigenen Systemhaftigkeit, strahlt aber nicht auf die Einnahmeseite aus. Ausgaben und Einnahmen sind einkommensteuerrechtlich selbständig“. 238 S. nur BVerfGE 116, 164 (184, 187). 239 Vgl. BVerfGE 116, 164 (184, 187); Hey, AöR 128 (2003), S. 226 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 460  (Oktober 2020); umfassend zur Thematik Haller, Die Verrechnung von Vor- und Nachteilen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG, 2007. 236

§  1  Verfassungsrecht 

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Festzuhalten ist zuletzt, dass zwischen der Annahme des Bundesfinanzhofs, doppelte Besteuerung verletze das objektive Nettoprinzip, und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 3c Abs. 1 EStG ein Widerspruch besteht.240 4. Keine absolute Obergrenze für die Besteuerung und kein Zwang zur Lebenseinkommensbesteuerung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein „Leitbegriff des steuerverfassungsrechtlichen Diskurses“241. Es ist nahezu allgemein anerkannt242 und wird zumeist als steuerrechtsspezifische Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG angesehen, teilweise aber (zusätzlich) auch aus dem Sozialstaatsprinzip, den Freiheitsgrundrechten oder der Finanzverfassung abgeleitet.243 Das Bundesverfassungsgericht stellt alleine auf den allgemeinen Gleichheitssatz ab: „Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit […], der gebietet, die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten“244. Es muss – so das Bundesverfassungsgericht – „[i]m Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit […] darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss“245. Allerdings, das wurde soeben bereits erwähnt, schreibt das Bundesverfassungsgericht dem Leistungsfähigkeitsprinzip in der Regel keine konkreten Gehalte zu, vielmehr stellt es auf das Folgerichtigkeitsgebot246 ab, wenn es (wie hier) um konkrete 240 Anschaulich wird das, wenn man die oben im Text angesprochene Aussage zum Umkehrschluss aus § 3c Abs. 1 EStG, die sich in BFH BStBl. II 1968, 581 (581); 1977, 220 (221); 1992, 686 (688) findet, mit der folgenden Formulierung in BFH BStBl. II 2009, 710 (720) vergleicht: „Das Verbot der ‚Doppelbesteuerung‘ beruht auf der Überlegung, dass Einnahmen nur dann steuerlich erfasst werden dürfen, wenn die entsprechenden Aufwendungen für die Erzielung dieser Einnahmen zuvor abgezogen werden konnten (‚objektives Nettoprinzip‘)“. 241 Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 42. 242 Drüen, DStJG 37 (2014), S. 9 (47): „Für die Besteuerung von Einkommen […] der einzig sachgerechte Maßstab“; F. Kirchhof, BB 2017, 662 (662): „generell anerkanntes Prinzip für das gesamte Steuerrecht in Deutschland“; Lang, DStJG 24 (2001), S. 49 (56): „Negation des Leistungsfähigkeitsprinzips wirft […] Steuerrecht[…] in einen Rechtsnihilismus zurück“; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 267 m. Nachw. auch zur Kritik: „von der als herrschend zu bezeichnenden Auffassung […] im Steuerrecht anerkannt“. 243 Zu den verfassungsrechtlichen Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips ausführlich Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 46 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 286 ff. 244 BVerfGE 152, 274 (Rz. 99) m. w. N. aus der Rspr. des BVerfG. 245 BVerfGE 152, 274 (Rz. 99) m. w. N. aus der Rspr. des BVerfG. 246 Zum Folgerichtigkeitsgebot s. oben § 1 I. 1.

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1. Teil: Ausgangslage

Schlussfolgerungen geht.247 In der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts ist die „Maßgröße der verfassungsgerichtlichen Gleichheitsprüfung […] also nicht ein abstraktes Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung, die dieses Prinzip erfahren hat“248. Das Bundesverfassungsgericht formuliert in einem Beschluss aus dem Jahr 1976 ausdrücklich: „Das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erweist sich allerdings, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen, als vieldeutig […]“249. Ebenfalls wurde bereits angesprochen, dass auch in der Literatur betont wird, dass aufgrund des Prinzipiencharakters des Leistungsfähigkeitsprinzips Zurückhaltung gegenüber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geboten ist, wenn konkrete Schlussfolgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abgeleitet werden sollen; es ist stets genau zu prüfen, was das Grundgesetz tatsächlich zwingend fordert.250 Vor diesem Hintergrund sprechen gegen die Annahme, aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebe sich ohne Weiteres ein Verbot der doppelten Besteuerung mit Blick auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, vor allem zwei Punkte: Zum einen erschließt es sich nicht, warum das Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung eine absolute Obergrenze ausgerechnet bei der einmaligen Erfassung desselben Einkommensbestandteils in der Bemessungsgrundlage setzen sollte. Zwar ist es jedenfalls dann, wenn man das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht alleine in Art. 3 Abs. 1 GG verankert,251 nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip bestimmte Formen der Besteuerung auch absolut, also unabhängig von einem Vergleich mit anderen, verbietet, z. B. die Besteuerung eines Steuerpflichtigen, der überhaupt nicht leistungsfähig ist (was auch immer darunter zu verstehen wäre).252 Jedoch ist abgesehen von einigen Extremfällen (Vernichtung der Steuerquelle; erdrosselnde Steuer; Besteuerung des Existenz­ minimums) praktisch nicht bestimmbar, wo diese absolute Obergrenze liegen sollte.253 Das hängt, darauf hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang 247

Vgl. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 84 f., 205: „In der Judikatur des BVerfG hat sich der Folgerichtigkeitsgedanke als so leistungsfähig erwiesen, dass das Gericht auf eine weitergehende gleichheitsgrundrechtliche Konturierung, also eine Bestimmung des absoluten gleichheitsgrundrechtlichen Gehalts des Leistungsfähigkeitsprinzips, weitgehend verzichten konnte und das Folgerichtigkeitsgebot das Leistungsfähigkeitsprinzip praktisch substituiert hat“ (S.  205); ders., in: Emmenegger / Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 2, 2011, S. 179 (182 f.). 248 Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 205; vgl. auch Hey, StuW 2015, 3 (7): „Das Leistungsfähigkeitsprinzip bezeichnet den Vergleichsmaßstab, das Folgerichtigkeitsprinzip stellt Anforderungen an die Umsetzung dieses Maßstabs auf“. 249 BVerfGE 43, 108 (120); beinahe wortgleich BVerfGE 47, 1 (29); dazu Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 45 Fn. 21: „Insofern beansprucht die klassische Feststellung unverändert Geltung […]“. 250 S. die Nachw. oben in Fn. 216. 251 Vgl. die Nachw. oben in Fn. 243. 252 Vgl. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 288 f. 253 Vgl. Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 42 (April 2020): „[…] Aussagekraft bzgl. der (zulässigen) Höhe der Besteuerung ist begrenzt;

§  1  Verfassungsrecht 

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mit dem Halbteilungsgrundsatz bei Art. 14 Abs. 1 GG hingewiesen, vor allem damit zusammen, „dass die zu bewertende Intensität der Steuerbelastung insbesondere bei der Einkommensteuer […] erst durch die Relation zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage [bestimmt wird]“254. Alleine die doppelte Einbeziehung desselben Einkommensbestandteils in die Bemessungsgrundlage sagt noch nichts über die Intensität der Steuerbelastung aus. Der Gesetzgeber könnte möglicherweise (je nachdem, in welchem Umfang Einkommensbestandteile doppelt in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden) dieselbe Intensität der Steuerbelastung bewirken, indem er den Steuersatz moderat anhebt, was das Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich nicht verbietet. Also kann das Leistungsfähigkeitsprinzip auch der doppelten Einbeziehung der Einkommensbestandteile in die Bemessungsgrundlage nicht entgegenstehen. Zum anderen mag das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar eine intertemporale Perspektive bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung erlauben (teilweise wird insoweit aber auch eine andere Ansicht vertreten255),256 es schreibt dem Gesetzgeber aber jedenfalls nicht vor, dass dieser die Einkommensbesteuerung von Verfassungs wegen zwingend am Gesamtlebenseinkommen der Steuerpflichtigen auszurichten hat; dafür lassen sich (auch in Anbetracht des Prinzipiencharakters des Leistungsfähigkeitsprinzips) schlicht keine Gründe finden.257 Nur wenn dies aber der Fall wäre, ließe sich sinnvoll behaupten, dass die Besteuerung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungswidrig ist, soweit es sich bei diesen Leistungen um die Rückzahlung bzw. den Rückfluss von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen handelt, denn die Überprüfung der doppelten Besteuerung macht eine Betrachtung beinahe des gesamten Lebens eines Steuerpflichtigen erforderlich, weil zwischen

weder führt es zu einem progressiven Tarif […], noch enthält es unterhalb der Vernichtung der Steuerquelle einen vom Erdrosselungsschutz der Freiheitsrechte und der Garantie des stfreien Existenzminimums unterscheidbaren Schutz gegen übermäßige Belastung“. 254 BVerfGE 115, 97 (116). 255 S. z. B. Lehner, JZ 2002, 765 (773 f.) mit Blick auf BVerfGE 105, 73: „Die Berechtigung der primären Orientierung am Gebot der Folgerichtigkeit resultiert daraus, dass nur auf diese Weise eine die Erwerbsphase der Versorgungsanwartschaft und die Bezugsphase der Versorgungsleistung umspannende gleichheitsrechtliche Prüfung möglich ist. Dagegen verengt das Leistungsfähigkeitsprinzip die gleichheitsrechtliche Perspektive grundsätzlich auf eine Besteuerungsperiode, das Kalenderjahr“. 256 Zur Diskussion darüber, ob theoretisch das Lebenseinkommen oder das Periodeneinkommen der geeignetste Leistungsfähigkeitsindikator ist, s. z. B. Hey, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 17 ff. (April 2020); Ismer, DStJG 34 (2011), S. 91 (100 ff.); Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, 2004, S. 117 ff.; Lang, DStJG 24 (2001), S. 49 (63 ff.); Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 322 ff. 257 Ismer, DStJG 34 (2011), S. 91 (100 ff., 120): „Die Entscheidung zwischen einer Lebenseinkommensbesteuerung und einer Abschnittsbesteuerung ist grundsätzlich nicht verfassungsdeterminiert, zumal das Leistungsfähigkeitsprinzip unscharf definiert ist“ (S. 120); Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 326.

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1. Teil: Ausgangslage

dem Zeitpunkt der ersten Beitragsentrichtung und dem Zeitpunkt des letzten Leistungsbezugs in aller Regel mehrere Jahrzehnte liegen. Sofern man von vornherein annimmt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip die verfassungsrechtliche Prüfung auf eine Besteuerungsperiode verengt,258 scheidet das Leistungsfähigkeitsprinzip offensichtlich als Grund für die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung aus. In BVerfGE 105, 73 erwähnt das Bundesverfassungsgericht das Leistungsfähigkeitsprinzip dementsprechend auch nicht im Zusammenhang mit der doppelten Besteuerung, sondern nur bei der Darlegung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs und allgemein mit Blick auf die erforderliche Neuregelung.259

III. Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG Nicht selten wird vertreten, dass sich die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung (auch) aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebe.260 Die Eigentumsfreiheit schütze das sog. konsolidierte Vermögen261, das entstehe, wenn einkommensteuerlich erfasstes Einkommen angespart wird, gegen weitere einkommensteuerliche Belas­ tungen.262 Hierbei wird die auf P. Kirchhof zurückgehende Konzeption zur Vermögensteuer, dass „[d]as auf Dauer zugeordnete Vermögen […], wenn es die Kontrollstelle der progressiven Einkommensteuer […] passiert hat […] [,] in die Privatheit entlassen worden ist“263, die sich auch im Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 findet,264 auf die Einkommensteuer übertragen; es wird angenommen, sie müsse bei der Einkommensteuer erst recht gelten.265 258

S. den Nachw. soeben in Fn. 255. S. BVerfGE 105, 73 (125 f., 134 f.). 260 S. Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 465 (478 Fn. 67); Gröpl, FR 2001, 620 (626); Hey, DRV 2004, 1 (4); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 79; Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (899 f.); ders., in: Festschrift für Krasney, 1997, S. 411 (430 f.); Seer, StuW 1996, 323 (331); wohl auch Birk / Wernsmann, DB  1999, 166 (171 f.), die unter Hinweis auf P.  Kirchhof ausführen: „Erfolgt eine Systemumstellung von einer vorgelagerten auf eine nachgelagerte Besteuerung, so muß jedoch eine doppelte steuerliche Belastung vermieden werden. D. h. Einkommensteile, die bereits versteuert worden sind, dürfen nicht erneut zum Gegenstand eines einkommensteuerlichen Zugriffs gemacht werden. Dieses Einkommen hat die Schranke der ESt. bereits passiert“. 261 Zu diesem Begriff s. Sondervotum Böckenförde in BVerfGE  93, 121 (149 ff., insbes. 153 f.). 262 Gröpl, FR 2001, 620 (626); Hey, DRV 2004, 1 (4). 263 P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (248). 264 S. BVerfGE 93, 121 (137 f.). 265 Hey, DRV 2004, 1 (4); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 79; zu Recht kritisch zu dieser Schlussfolgerung Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 160 f.: „Jedoch erscheint zweifelhaft, ob die zu einer wiederkehrenden Sollertragsteuer entwickelten Grundsätze auf die Einkommensbesteuerung übertragen werden können. […] eine schrittweise Konfiskation des Vermögens nicht droht. Anders als bei der Vermögenssteuer [sic!] wird die Privatnützigkeit des Eigentums nicht generell in Frage gestellt“. 259

§  1  Verfassungsrecht 

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Das überzeugt letztlich nicht.266 Auch das Bundesverfassungsgericht sieht doppelte Besteuerung in BVerfGE 105, 73 wohl nicht als ein Problem des Art. 14 GG an.267 Die Frage, inwieweit die Auferlegung von öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten überhaupt an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist, ist umstritten.268 Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in einem Nichtannahmebeschluss von 2016 ausdrücklich offengelassen, „ob und inwieweit das Rentenstammrecht oder die tatsächlich gezahlten Renten als wiederkehrende Bezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen beruhen, überhaupt durch Art. 14 GG vor dem Zugriff des Steuergesetzgebers geschützt sind“269. Darauf kommt es hier aber nicht an. Denn eigentlich geht es lediglich darum, ob doppelte Besteuerung als unverhältnismäßig zu bewerten ist. Diese Frage stellt sich, sofern man die Belastungswirkung der Steuer270 nicht an Art. 14 Abs. 1 GG misst, ebenso bei Art. 2 Abs. 1 GG271.272 Richtigerweise kann nicht angenommen werden, dass doppelte Besteuerung unverhältnismäßig ist.273 Es lässt sich argumentieren, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Abwägung erfordert, wohingegen eine absolute Obergrenze für die Besteuerung ausgerechnet bei der einmaligen Erfassung desselben Einkommensbestandteils in der Bemessungsgrundlage völlig unflexibel ist, sodass den unterschiedlichen in die Abwägung einzustellenden Belange nicht angemessen Rechnung getragen werden kann.274 Insbesondere spricht gegen die Annahme, dass doppelte Besteuerung unverhältnismäßig sei, aber die Tatsache, dass aufgrund der Interdependenz von Bemessungsgrundlage und Steuersatz eine absolute Obergrenze für die Besteuerung  – jenseits einiger Extremfälle  – praktisch 266 Ebenso bereits Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 160 ff.; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017); auch Musil, DStR 2020, 1881 (1887). 267 Vgl. BVerfGE 105, 73 (131): „Alle wesentlichen steuerpflichtigen Einnahmen sind [zwar] eigentumsrechtlich geschützt. Nicht der grundrechtliche Eigentumsschutz begründet [jedoch] bei den Sozialversicherungsrentnern eine mögliche Sperre für eine Steuerpflicht von Einnahmen, sondern ausschließlich das Verbot, solche Einnahmen einkommensteuerlich doppelt zu belasten“. 268 Zur Diskussion s. z. B. Dederer, in: Kahl / Waldhoff / Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rn. 179 ff. (Dezember 2017); Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp /  Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 530 ff. (Oktober 2020). 269 BVerfG FR 2016, 78 (Rz. 55). 270 Zur Unterscheidung zwischen der Belastungswirkung und der Gestaltungs- bzw. Lenkungswirkung einer Steuer s. oben Fn. 45. 271 Einen Verstoß doppelter Besteuerung gegen Art. 2 Abs. 1 GG bejaht wohl Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1170 f., 1173), s. sogleich Fn. 273. 272 Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 161 f. 273 Vgl. aber BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 21) u. BFHE 254, 545 (Rz. 24): „Übermaßbesteuerung“; Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1173): „Allerdings weist das BVerfG […] mit Recht darauf hin, dass auch schon vor Erreichen der Erdrosselungsschwelle verfassungsrechtliche Grenzen einer angemessenen, dem Einzelnen noch zumutbaren Besteuerung erreicht sein können. Als Beispiel ließe sich etwa das vom BVerfG […] aufgestellte Verbot der Doppelbesteuerung bei der Altersbesteuerung (keine Besteuerung von Sozialversicherungsrenten, soweit die Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen entrichtet wurden) nennen“. 274 Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 161.

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1. Teil: Ausgangslage

nicht bestimmbar ist: Alleine die doppelte Einbeziehung desselben Einkommensbestandteils in die Bemessungsgrundlage sagt noch nichts über die Intensität der Steuerbelastung insgesamt aus, auf die es aber bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung ankommt.275

IV. Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen doppelt besteuerten Rentnern und „nur einmal“ besteuerten Rentnern Teilweise wird wohl angenommen, dass sich das sog. Verbot der doppelten Besteuerung auch daraus ergebe, dass doppelte Besteuerung eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen Rentnern, die doppelt besteuert werden, einerseits und Rentnern, die „nur einmal“ (entweder vollständig nachgelagert oder vollständig vorgelagert276) besteuert werden, andererseits darstelle.277 Dem ist zu widersprechen, weil diese Annahme zu stark vereinfacht. Zum einen ist die Schlussfolgerung, dass sich die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der doppelten Besteuerung (das sog. Verbot der doppelten Besteuerung) aus der vorgeblichen Ungleichbehandlung ergibt, nicht mit der Ergebnisoffenheit bzw. Relativität des Gleichheitssatzes vereinbar. Diese Begriffe beschreiben, dass der Gesetzgeber einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich in unterschiedlicher Art und Weise beseitigen kann. Der Gesetzgeber kann A ebenso wie B, B ebenso wie A oder A und B gemeinsam auf andere dritte Weise behandeln.278 Alleine aus 275

Vgl. BVerfGE 115, 97 (115 f.); außerdem s. bereits soeben oben § 1 II. 4. im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. 276 Zu den Begriffen der nachgelagerten und der vorgelagerten Besteuerung s. unten § 2 III. 277 S. Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 73 f.: „Verstößt der Gesetzgeber gegen die Vorgabe der Einmalbesteuerung, […] beansprucht er die davon betroffenen Steuerpflichtigen gegenüber den übrigen Beziehern von Alterseinkünften ungleich höher. Im Ergebnis belastet er Steuerpflichtige, die eine gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemessen an ihren Einkünften aufweisen, unterschiedlich“; Schild, Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts, 2017, S. 162: „Im Hinblick auf die Altersbesteuerung lässt sich das Verbot der Doppelbesteuerung auch damit begründen, dass eine doppelte steuerliche Erfassung in der Vorsorge- und in der Versorgungsphase eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Art. 3 I GG) gegenüber solchen Fällen darstellt, die rein nachgelagert besteuert werden“; wohl auch Gröpl, FR 2001, 620 (626); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (899); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 211 (Mai 2017), wobei dort jeweils von einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen (nicht aber speziell von Rentnern) die Rede ist, was es denkbar erscheinen lässt, die Idee in die Nähe der hier vertretenen Begründung der Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung über das Folgerichtigkeitsgebot zu stellen, denn auch dort geht es um die (Un-)Gleichbehandlung der unterschiedlichen Vergleichssachverhalte, s. oben § 1 I. 1. 278 Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, 36. Aufl. 2020, Rn. 574; aus der Rspr. vgl. BVerfGE 22, 349 (361); 85, 191 (211 f.); 93, 386 (402 f.); zum Begriff der Ergebnisoffenheit Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 42; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 5 AO Rn. 180 (April 2018); zum Begriff der Relativität des Gleichheitssatzes

§ 2 Einfaches Recht 

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einer Ungleichbehandlung zwischen doppelt und „nur einmal“ besteuerten Rentnern ergibt sich also nicht die Unzulässigkeit gerade der doppelten Besteuerung. Der Gesetzgeber könnte ebenso auch alle Rentner doppelt besteuern, um die Ungleichbehandlung zu beseitigen.279 Zum anderen ist auch zweifelhaft, ob praktisch überhaupt Konstellationen denkbar sind, in denen Rentner, die im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG wesentlich gleich280 sind, unterschiedlich (teilweise doppelt und teilweise „nur einmal“) besteuert werden: Die einkommensteuerliche Gesamtbelastung eines Steuerpflichtigen in Erwerbsphase und Rentenbezugsphase hängt von zahlreichen unterschiedlichen Faktoren ab, insbesondere auch von der konkreten Erwerbsbiographie des Steuerpflichtigen.

§ 2 Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen In § 1 wurde dargelegt, warum doppelte Besteuerung verfassungswidrig ist. Im Folgenden wird nun die einfachgesetzliche Ausgangslage für das Thema der doppelten Besteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erörtert, also die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen gemäß dem EStG. Zwar findet die Überprüfung der doppelten Besteuerung erst in den Veranlagungszeiträumen des Leistungsbezugs statt,281 weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „eine etwaige Grundrechtsbeeinträchtigung […] letztlich erst dann bewirkt [wird], wenn beim Rentenbezug ein zu hoher Besteuerungsanteil angesetzt [wird]“282, und nicht bereits durch die zu geringe steuerliche Entlastung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet wurden.283 Jedoch wird doppelte Besteuerung gerade durch das Zusammenspiel FG Hamburg DStRE 2012, 478 (483); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 288. 279 Die Unzulässigkeit doppelter Besteuerung ergibt sich erst aus der Berücksichtigung weitere Vergleichssachverhalte, sodass eine Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Folgerichtigkeitsgebots notwendig ist, s. oben § 1 I. 1. 280 Zu dieser Anforderung des Art. 3 Abs. 1 GG s. oben § 1 I. 1. 281 S. BVerfGE  120, 169 (178 f.); BVerfG  BStBl.  II 2016, 801 (Rz. 57 ff.); BFH  BStBl.  II 2010, 414 (Rz. 84 ff.); 2006, 420 (426); zuletzt auch BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 22); BFH DStRE  2021, 773 (Rz. 48); zustimmend Wernsmann, Beihefter zu DStR  17/2008, 37 (47); auch Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 143 (November 2020); dagegen aber noch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 346 (November 2013) (Altauflage); Stützel, DStR 2010, 1545 (1549). 282 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 59). 283 Vgl. BVerfGE 120, 169 (179); BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 58); BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 85): kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbei-

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1. Teil: Ausgangslage

von nur beschränkter steuerlicher Entlastung der zur Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge eingesetzten Einkünfte einerseits und zu starker steuerlicher Belastung der Leistungen andererseits herbeigeführt.284 Deshalb müssen im Folgenden zum einen die Vorschriften des EStG über die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Blick genommen werden, wobei nur das seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes am 1. Januar 2005 geltende Recht von Bedeutung ist (s. unten I.). Bei der Ertragsanteilsbesteuerung nach altem Recht stellte sich das Problem der doppelten Besteuerung hingegen nicht, weil die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur in geringem Umfang steuerlich belastet wurden.285 Zum anderen sind aber auch die Vorschriften über die steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen relevant (s. unten II.). Hier sind neben der heutigen Rechtslage auch alte Fassungen des EStG zu berücksichtigen, weil Steuerpflichtige, die heute und in nächster Zukunft Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, einen (im Laufe der Zeit abnehmenden) Teil ihrer Rentenversicherungsbeiträge vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes entrichtet haben. Das Zusammenspiel der Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der steuerlichen Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen andererseits wird oft modellhaft mit den Begriffen der vor- bzw. nachgelagerten Besteuerung, hin und wieder auch mit den Begriffen der kapital- bzw. konsumorientierten Besteuerung beschrieben (s. unten III.). Seit 2005 findet ein Systemwechsel von der zuvor geltenden sog. Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung statt (s. unten IV.).

I. Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung Im Folgenden wird dargelegt, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG entgegen nicht selten vertretener Auffassung sämtliche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als steuerbare sonstige Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG einordnet; einige Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, vor allem Sach- und Dienstleistungen, sind nach träge aus dem Verbot der doppelten Besteuerung; Gesetzgeber kann dem Verbot der doppelten Besteuerung auch durch schonenderen Zugriff auf Leistungen Rechnung tragen. 284 S. oben § 1 (vor I.). 285 Zur Ertragsanteilsbesteuerung nach altem Recht s. unten § 2 IV. 2.; vgl. auch BFH BStBl. II 2017, 1187 (Rz. 35): „Eine doppelte Besteuerung kann aus systematischen Gründen nicht bei Alterseinkünften eintreten, die der Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen, unabhängig davon, ob die zugrunde liegenden Beiträge steuerlich entlastet wurden oder nicht“; ebenso zuletzt BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 111).

§ 2 Einfaches Recht 

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§ 3 EStG steuerfrei286 (s. unten 1.). Der Umfang der Besteuerung hängt nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG grundsätzlich vom Jahr des Rentenbeginns ab (s. unten 2.). 1. Leibrenten und andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als dem Grunde nach steuerbare Einnahmen Der Tatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG benennt als steuerbare Einnahmen die Leibrenten und andere Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen287 erbracht werden. Dem nicht ganz einfach zu fassenden Begriff der „Leibrente“288 kommt hier für die Anwendung der Vorschrift neben dem umfassenden Begriff der „anderen Leistungen“ keine eigenständige Bedeutung zu.289 Der Begriff der „Leistungen“ in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz  1 EStG muss nicht, kann aber durchaus mit dem (auch für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im SGB VI verbindlichen) Begriff der Sozialleistung im Sinne des § 11 Satz  1 SGB  I290 übereinstimmen.291 Steuerrecht und 286 Ein Überblick über die steuerfreien Leistungen findet sich bei BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz.197); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 279 (September 2016); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 173 (Mai 2017). 287 Die Formulierung im Plural erklärt sich aus dem Nebeneinander von allgemeiner und knappschaftlicher Rentenversicherung, s. § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI; vgl. Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 178 (September 2017); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 160 (Mai 2017). 288 Zum Begriff der Leibrente Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 262 ff. (September 2016); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 141 ff. (Mai 2017). 289 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 152 (Mai 2017); vgl. zuletzt auch BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 26): „Nach diesen Maßstäben stellen die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente des Klägers steuerbare Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dar, wobei der Senat offenlassen kann, ob es sich dabei isoliert betrachtet […] um eine Leibrente oder um andere Leistungen iSd Vorschrift handelt“. 290 Zum Begriff der Sozialleistung z. B. BSGE 102, 10 (Rz. 19): „Der Begriff der Sozialleistung ist – auch für die anderen Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs verbindlich (vgl. § 37 Satz 1 SGB I) – in § 11 SGB I definiert. Gegenstand der sozialen Rechte sind danach die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Sozialleistungen sind also solche Leistungen, die der Verwirklichung eines der in §§ 3–10 SGB  I genannten sozialen Rechte dienen, im Sozialgesetzbuch geregelt sind und die dem Träger der sozialen Rechte dadurch zugute kommen, dass bei ihm eine vorteilhafte Rechtsposition begründet wird“; s. auch Ross, in: Hauck / Noftz, SGB I, § 11 Rn. 8 ff. (Juli 2017). Die begriffliche Zuordnung zu den Sozialleistungen ist im Sozialrecht vor allem relevant ist für die Anwendbarkeit der §§ 38 ff. SGB I betreffend die Entstehung, Fälligkeit, Verjährung etc. von Ansprüchen, s. Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 76. 291 Vgl. BVerfG  BStBl.  II 1992, 212 (214): „Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind danach, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, nach dem steuerrecht-

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1. Teil: Ausgangslage

Sozialversicherungsrecht haben jeweils ihre eigene Teleologie und stehen insoweit gleichrangig nebeneinander; es gibt also keine teleologische Prävalenz des Sozialversicherungsrechts.292 Zutreffend wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass dem Einleitungssatz des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG („Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch“) nicht zwingend zu entnehmen ist, dass „Leistungen“ im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG nur wiederkehrende Bezüge sein können; auch einmalige Leistungen sind nach Wortlaut und Systematik erfasst.293 Deshalb ist der Wille des Gesetzgebers, dass auch einmalige Leistungen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG unterliegen sollen,294 bei der Auslegung uneingeschränkt zur Geltung zu bringen. Mit Blick auf die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist dieser Aspekt indes wenig relevant, weil fast alle Einmalleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 EStG steuerfrei sind.295 Der Begriff der „Leistungen“ in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG ist also umfassend zu verstehen: „Leistungen“ in diesem Sinne sind alle Einnahmen gemäß § 8 Abs. 1 EStG aus der gesetzlichen Rentenversicherung, also alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen. Das Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung ist umfangreich und inhomogen.296 Das zeigt bereits der (nicht abschließende) Leistungskatalog des § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung

lichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren. Es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis“; tendenziell anders BFH DStR 2021, 88 (Rz. 19); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017). 292 Vgl. betreffend das Verhältnis des Zivilrechts zum Steuerrecht Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 1.34 ff.; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 5.70 ff. jeweils m. w. N.; Tipke, StRO I, 1993, S. 92 ff. 293 Zuletzt BFH DStR 2021, 88 (Rz. 14); BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 21 ff.); BFH / N V 2014, 330 (Rz. 15 ff.) (Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; Az. des BVerfG: 2 BvR 143/14); BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 195); 2016, 645; Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 104 (November 2020); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 EStG Rn. 113 (Juni 2018); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 150 f. (Mai 2017); anders aber Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 277, 284 (September 2016). 294 Vgl. BT-Drucks. 15/3004, S. 19; allerdings ist zuzugeben, dass es dort nur um Einmalleistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen geht. 295 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 150 (Mai 2017); zu den steuerfreien Einmalleistungen s. im Einzelnen unten § 2 I. 1. c) u. d). 296 So mit Blick auf den weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der einfachgesetzlichen Kategorisierung der Rentenversicherungsbeiträge BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 48).

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werden erbracht an Versicherte und Hinterbliebene.297 Versicherte sind nach §§ 1 bis 6 SGB  VI pflichtversicherte Personen (insbesondere Arbeitnehmer298, aber auch bestimmte Selbstständige299), nach § 7 SGB VI freiwillig versicherte Personen sowie gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI Personen, für die aufgrund eines Versorgungsausgleichs300 oder eines Rentensplittings301 Rentenanwartschaften übertragen oder begründet worden sind302. Ein Großteil der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung knüpft tatbestandlich an das Überschreiten einer Altersgrenze, die Erwerbsminderung oder den Tod eines Versicherten an:303 Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt Renten wegen Alters, Erwerbsminderung

297

S. aber auch § 15a SGB VI (Leistungen zur Kinderrehabilitation) oder §§ 294 ff. SGB VI (Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921), wo jeweils Leistungen an Personen vorgesehen sind, die weder Versicherte noch Hinterbliebene sind. 298 S. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. 299 Gem. § 2 SGB  VI sind einige Selbstständige kraft Gesetzes versicherungspflichtig, z. B. selbstständige Lehrer, Künstler oder Publizisten und bestimmte Handwerker. Gem. § 4 Abs. 2 SGB VI können grundsätzlich alle Selbstständigen auf Antrag zu Pflichtversicherten werden. 300 Der im Versorgungsausgleichsgesetz im Allgemeinen geregelte und in den §§ 120f bis 120h SGB VI für die gesetzliche Rentenversicherung ergänzte Versorgungsausgleich betrifft (seit 1977) Fälle der Ehescheidung sowie (seit 2005) Fälle der Auflösung eingetragener Lebenspartnerschaften und sieht als konsequente Ergänzung des Zugewinnausgleichs grundsätzlich die hälftige Teilung der ehe- bzw. lebenspartnerzeitbezogenen Versorgungsanrechte vor, s. Liebich, in: Hauck / Noftz, SGB VI, § 8 Rn. 19 (September 2019); Wagner, in: Eichenhofer / R ische /  Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 18 Rn. 1. 301 Das Rentensplitting nach den §§ 120a bis 120e SGB VI können Verheiratete und eingetragene Lebenspartner ausweislich des § 46 Abs. 2b SGB VI als Alternative (im Sinne einer eigenständigen Sicherung) zur herkömmlichen Hinterbliebenenversorgung mit Unterhaltsersatzfunktion wählen. Es ist rechtstatsächlich bislang kaum bedeutsam, was zurückzuführen sein dürfte auf die engen Anspruchsvoraussetzungen, die praktische Irrelevanz unter Lebenden sowie die mit dem Splitting verbundene Spekulation über die Vorversterbenswahrscheinlichkeit des Partners, s. Liebich, in: Hauck / Noftz, SGB VI, § 8 Rn. 23 (September 2019); Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 863 f. 302 Die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherten Personen, die das Gesetz weder den Pflichtversicherten noch den freiwillig Versicherten zuordnet, gehören in den meisten Fällen bereits aus anderem Grund als Pflichtversicherte oder freiwillig Versicherte zum Kreis der Versicherten: Beim Rentensplitting müssen beide Ehegatten bzw. Lebenspartner bereits Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung sein, d. h. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist insoweit rein deklaratorisch; beim Versorgungsausgleich ist das bei der internen Teilung durch Übertragung von Anrechten n. § 10 Versorgungsausgleichsgesetz ebenso der Fall, bei der externen Teilung durch Begründung von Anrechten n. § 14 Versorgungsausgleichsgesetz hingegen nicht, sodass hier § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI konstitutiv wirkt, s. Liebich, in: Hauck / Noftz, SGB VI, § 8 Rn. 45, 69 (September 2019). 303 Im sozialversicherungsrechtlichen Kontext werden Alter, Erwerbsminderung und Tod üblicherweise als die von der gesetzlichen Rentenversicherung „(ab)gesicherten Risiken“ bezeichnet, s. Eichenhofer, Sozialrecht, 12. Aufl. 2021, Rn. 319 ff.; Künzler, in: Eichenhofer / R ische /  Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 2; Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 707; Ruland, in: Ruland / Becker /  Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 36.

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1. Teil: Ausgangslage

und Todes (s. unten a)). Anknüpfend an diese Renten erbringt sie Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner und unter Umständen auch Steigerungsbeträge aus Beiträgen zur Höherversicherung (s. unten b)). Für den Fall der Erwerbsminderung sind außerdem Leistungen zur Teilhabe vorgesehen (s. unten c)). Schließlich gibt es sonstige Leistungen, die nicht deshalb erbracht werden, weil der Versicherte alt, erwerbsgemindert oder tot ist (s. unten d)). a) Renten wegen Alters, Erwerbsminderung und Todes Bei Überschreiten bestimmter Altersgrenzen werden an Versicherte gemäß § 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB VI Renten erbracht. Dasselbe gilt nach § 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB VI im Fall der Erwerbsminderung. Renten sind laufende (monatlich auszuzahlende) Geldleistungen.304 Die Alters- und Erwerbsminderungsrenten sollen das weggefallene Einkommen bzw. den weggefallenen Lohn ersetzen305 und so der wirtschaftlichen Sicherung des Versicherten dienen.306 Beim Tod des Versicherten werden nach § 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI auch an etwaige Hinterbliebene Renten erbracht (Witwen- bzw. Witwerrente, Erziehungsrente307 und Waisenrente).308 Die Renten wegen Todes sollen den Wegfall des vom verstorbenen Versicherten geleis 304

S. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI; Westphal, in: Kreikebohm / Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 118 Rn. 6. 305 BVerfGE 48, 346 (38, 41); BT-Drucks. 2/2437, S. 57 f.; Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 37. Den Alters- und Erwerbsminderungsrenten kommt aber nicht in einem umfassenden Sinne Einkommens- bzw. Lohnersatzfunktion zu: Zum einen ersetzen sie das vor Rentenbeginn zuletzt erzielte Einkommen ausweislich der §§ 63 ff. und des § 154 Abs. 3 SGB VI nicht in voller Höhe, s. Künzler, in: Eichenhofer /  Rische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 26. Zum anderen werden die Altersrenten ab Erreichen der Regelaltersgrenze n. § 34 Abs. 2 SGB VI auch dann erbracht, wenn im Alter weiterhin Einkommen bzw. Lohn erwirtschaftet wird. 306 S. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I; Körner, in: Körner / Leitherer / Mutschler / Rolfs, Kasseler Kommentar, § 23 SGB I Rn. 2 (September 2017). 307 Zu den Besonderheiten der Erziehungsrente s. sogleich Fn. 308. 308 Das SGB VI kennt auch den Begriff der Hinterbliebenenrente, z. B. findet er Verwendung in § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder § 99 Abs. 2 SGB VI. Rechtstechnisch ist die Hinterbliebenenrente ein Unterfall der Rente wegen Todes, bei der sich der Anspruch auf die Rente aus der Versicherung des Verstorbenen ableitet, s. § 66 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI. Im Gegensatz zur Hinterbliebenenrente steht rechtstechnisch die Rente aus eigener Versicherung, s. § 99 SGB VI. Praktisch ist die Hinterbliebenenrente der Regelfall der Rente wegen Todes. Die einzige Rente wegen Todes, die nicht auch Hinterbliebenenrente ist, ist die Erziehungsrente; sie ist eine Rente aus eigener Versicherung des Hinterbliebenen, s. § 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Dass die Erziehungsrente keine Hinterbliebenenrente ist, belegt auch die Gegenüberstellung in § 97 Abs. 4 SGB VI; zum Ganzen Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 799; Ruland, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 36 hält die Ausgestaltung der Erziehungsrente für „systemwidrig“, was m. E. überzeugt; in diese Richtung auch Künzler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Renten­versicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 92: „[e]ine besondere Form der Hinterbliebenenrente“.

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teten Unterhalts kompensieren;309 auf diese Weise sollen sie der wirtschaftlichen Sicherung der Hinterbliebenen dienen.310 Hervorzuheben ist die Regelaltersrente nach § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 35 SGB VI, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers die üblicherweise zu erbringende Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt.311 Die Regelaltersrente wird ab Überschreiten der Regelaltersgrenze geleistet, welche momentan (bis zum Jahr 2029) stufenweise von 65 bis auf 67 Jahre angehoben wird.312 Nach überzeugender allgemeiner Meinung erfasst § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG alle in § 33 SGB VI aufgezählten Rentenarten.313 Meist werden sie dem Begriff der „Leibrente“ subsumiert.314 b) An den Bezug einer Rente anknüpfende Zusatzleistungen: Krankenversicherung der Rentner und Höherversicherung315 Bei denjenigen Beziehern einer Rente wegen Alters, Erwerbsminderung oder Todes, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, trägt316 die gesetzliche Rentenversicherung nach § 249a SGB V die Hälfte der Krankenver 309

BVerfGE 97, 271 (284 f.); Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 798, 855; Rolfs, in: Hauck / Noftz, SGB  I, § 23 Rn. 54, 60 (Juni 2018); Seewald, in: Körner / Leitherer / Mutschler / Rolfs, Kasseler Kommentar, § 4 SGB I Rn. 47 (Juni 2013); etwas anders Ruland, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 37: Vermischung von Einkommens- und Unterhaltsersatzfunktion. Auch die Unterhaltsersatzfunktion der Renten wegen Todes ist nicht in einem umfassenden Sinne zu verstehen, vgl. Fn. 305. 310 S. § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB I; Körner, in: Körner / Leitherer / Mutschler / Rolfs, Kasseler Kommentar, § 23 SGB I Rn. 2 (September 2017). 311 S. BT-Drucks. 11/4124, S. 162. 312 S. § 35 Satz 2, § 235 SGB VI; dazu Rolfs, NZS 2017, 164 (164). 313 S. BFH BStBl. II 2014, 557 (Rz. 16); Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 37, 38; Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 279 (September 2016); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 96 (November 2020); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 161 f. (Mai 2017) jeweils m. w. N.; auch BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 195); BR-Drucks. 2/04, S. 68. 314 S. die Nachw. in Fn. 313; keine exakte Zuordnung hingegen bei BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 195); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 279 (September 2016); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 96 (November 2020). 315 Nicht mehr relevant ist der nach § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerfreie Kinderzuschuss n. § 270 SGB VI, der auch eine Zusatzleistung zur Rente war und letztmalig im Oktober 2011 gezahlt wurde, s. BT-Drucks. 18/8487, S. 56; zum Kinderzuschuss Häusler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel  15 Rn. 76; ausführlich Krauß, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 57 Rn. 44 f. 316 Die Beitragstragung ist im Sozialversicherungsrecht von der Beitragszahlung zu unterscheiden. Bei der Beitragstragung geht es darum, wer für die Beiträge wirtschaftlich einzustehen hat, wer sie also aus eigenen Mitteln aufbringen muss; bei der Beitragszahlung geht es um die technische Abwicklung der Beitragsentrichtung, s. Axer, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 14 Rn. 57.

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1. Teil: Ausgangslage

sicherungsbeiträge. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V behält die gesetzliche Rentenversicherung in diesen Fällen die von den Rentnern zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge bei der Auszahlung der Rente ein und leitet diese zusammen mit den von ihr zu tragenden Krankenversicherungsbeiträgen direkt der gesetz­ lichen Krankenversicherung zu.317 Wenn die Rentner freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, gewährt die gesetzliche Rentenversicherung nach § 106 SGB VI einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Rentner für die Krankenversicherung in Höhe des halben Betrages, der sich bei Anwendung des Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt. Der Zuschuss ist zwar nicht Bestandteil der Rente, sondern eine Zusatzleistung (in Form einer Geldleistung), er wird aber gemeinsam mit der Rente an den Rentner ausgezahlt.318 Die Zuschüsse nach § 106 SGB VI und die von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V getragenen Krankenversicherungsbeiträge sind jedenfalls im Ergebnis beim Steuerpflichtigen (Rentner) nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei. Bei den Zuschüssen nach § 106 SGB VI handelt es sich richtigerweise um nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1, § 8 Abs. 1 EStG steuerbare „andere Leistungen“, weil dem Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung Geld zufließt; § 3 Nr. 14 Alt. 1 EStG ist folglich konstitutiv.319 Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 14 Alt. 1 EStG soll der Steuervereinfachung dienen, wobei die tatsächlich bewirkte Vereinfachung aber gering sein dürfte:320 Ohne § 3 Nr. 14 Alt.  1 EStG käme in Höhe der Zuschüsse, die dann zur Entrichtung der Krankenversicherungsbeiträge eingesetzt werden, ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst.  a EStG in Betracht; dieser „Umweg“ soll durch § 3 Nr. 14 Alt.  1 EStG vermieden werden.321 In der Sache dient § 3 Nr. 14 Alt. 1 EStG also, wie § 10 317

Genauer: Gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen gezahlt und gem. § 255 Abs. 3 Satz 4 SGB V leitet die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beiträge dann an den Gesundheitsfonds weiter; zum Gesundheitsfonds s. Ebsen / Wallrabenstein, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 15 Rn. 172. 318 Häusler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 17 Rn. 51. 319 I. Erg. ebenso BMF BStBl. I 2016, 645: „Zusatzleistungen“, d. h. Leistungen n. §§ 106, 107, 269 SGB VI; Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr.  14 EStG Rn. 1 (Juni 2019): „Zuschüsse […] wären ohne die StBefreiung […] in voller Höhe als wiederkehrende Bezüge zu versteuern“; von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 14 Rn. B 14/12 (Mai 2009): „Zuschuss […] als wiederkehrende Bezüge […] in vollem Umfang steuerbar“; anders offenbar (ohne Begründung) Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.138: „Zu den Fiskalzweckbefreiungen gehören auch die klarstellenden Befreiungen, die nicht steuerbare Einnahmen ausscheiden […]: § 3 Nr. […] 14 (Versicherungszuschüsse an Rentner)“. 320 Zur kaum vorhandenen Vereinfachungswirkung von  Beckerath, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 14 Rn. B 14/19 (Mai 2009). 321 BT-Drucks. 10/716, S. 11 f.; Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 14 EStG Rn. 1 (Juni 2019). Der Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge scheidet wegen der Existenz des § 3 Nr. 14 EStG insoweit gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG

§ 2 Einfaches Recht 

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Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG, der Steuerfreistellung des Existenzminimums; auch Krankenversicherungsbeiträge für einen Schutz auf Sozialhilfeniveau sind Teil des einkommensteuerlich zu verschonenden Existenzminimums.322 Auch die von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V getragenen Krankenversicherungsbeiträge führen entgegen der wohl h. M. zu steuerbaren Einnahmen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1, § 8 Abs. 1 EStG, sodass auch § 3 Nr. 14 Alt. 2 EStG konstitutiv ist:323 Zwar fließt dem Rentner aufgrund der Beitragstragung nach § 249a SGB V kein Geld zu, jedoch wendet die gesetzliche Rentenversicherung dem Rentner Krankenversicherungsschutz zu, worin ein Gut liegt, das in Geldwert besteht, konkret ein Sachbezug.324 Der Rentner erspart sich aufgrund der Beitragstragung gewissermaßen eigene Aufwendungen für die Krankenversicherung.325 Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 14 Alt. 2 EStG dient, wie diejenige des § 3 Nr. 14 Alt. 1 EStG, der Steuerfreistellung des Existenzminimums. An den Bezug jeder Rentenart können auch die zusätzlich zur Rente gezahlten Steigerungsbeträge aus dafür gesondert entrichteten Beiträgen zur Höherversicherung im Sinne des § 269 SGB VI anknüpfen. Beiträge zur Höherversicherung konnten in der Vergangenheit zusätzlich neben Beiträgen entrichtet werden, die auf Grund der Versicherungspflicht oder der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung zu entrichten waren.326 Die Höherversicherung stellt(e) eine Form der Zusatzversorgung dar, die strukturell einer Privatversicherung ähnelt(e) und die vor allem für höherverdienende Beschäftigte mit einem Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung interessant war.327 aus, s. Bleschick, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 10 Rn. 35a. Die Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 1 EStG betrifft hingegen nur steuerfreie Zuschüsse zu Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für einen anderen Veranlagungszeitraum als denjenigen der Zuschussgewährung geleistet hat, s. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 411 (Dezember 2017). 322 BVerfGE 120, 125 (155 ff.). 323 Anders Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 14 EStG Rn. 1 (Juni 2019); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 14 Rn. B 14/12 (Mai 2009). 324 Vgl. BFH BStBl. II 2019, 371 (Rz. 9 ff.): Durch den Arbeitgeber finanzierter Versicherungsschutz (private Zusatzkrankenversicherung) als Arbeitslohn (Sachbezug). 325 Dazu, dass Aufwendungen Dritter zugunsten des Steuerpflichtigen, die dazu führen, dass der Steuerpflichtige sich selbst Aufwendungen erspart, Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG darstellen Kister, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 8 EStG Rn. 27 (September 2016). 326 S. § 1234 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung, § 11 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz u. § 33 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz (jeweils in der am 31. 12. 1991 gültigen Fassung); außerdem § 234 SGB VI (in der bis zum 31. 12. 1997 gültigen Fassung); zur historischen Entwicklung der Höherversicherung BSGE 42, 232 (Rz. 14 ff.). 327 Vgl. BVerfG NZS 2007, 533 (533); Kamprad, in: Hauck / Noftz, SGB VI, § 269 Rn. 3 (Oktober 2005); ausführlich Krauß, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 54 Rn. 21 ff.; Voelzke, in: Schulin, a. a. O., § 18 Rn. 4, 41 f.

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1. Teil: Ausgangslage

Dementsprechend werden die Steigerungsbeträge an eine eher kleine Gruppe von Rentnern gezahlt. Außerdem werden die Steigerungsbeträge nur noch während einer Übergangszeit gezahlt, weil die Möglichkeit zur Höherversicherung bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr besteht; letztmalig konnten für das Jahr 1997 Beiträge zur Höherversicherung entrichtet werden.328 Richtigerweise unterfallen auch die Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI der Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG.329 Es handelt sich bei den zusätzlich zur Rente zu zahlenden Steigerungsbeträgen um Geld, das dem Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zufließt. Insbesondere ist auf die Steigerungsbeträge trotz der strukturellen Ähnlichkeit der Höherversicherung mit einer Privatversicherung nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übertragbar, dass die Leistungen aus der zusätzlichen Kapitalversorgung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG erfasst werden, sondern lediglich die enthaltenen Erträge von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG, weil es sich bei den Leistungen aus der zusätzlichen Kapitalversorgung nicht um Leistungen der Basisversorgung im Sinne des dem Alterseinkünftegesetz zugrunde liegenden Drei-Schichten-Modells handelt.330 Die Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI sind nämlich, obwohl die Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Form der Zusatzversorgung darstellt, der Basisversorgung im Sinne des Drei-Schichten-Modells zuzuordnen, weil bei den Steigerungsbeträgen durch ihre zwingende Verknüpfung mit Renten331 sichergestellt ist, dass sie tatsächlich für die Versorgung im Alter, bei Erwerbsminderung oder Tod verwendet werden.332 Dem steht freilich nicht entgegen, dass aus der Höherversicherung höhere Leistungen als aus der gesetz­lichen Rentenversicherung erbracht werden, denn das ist auch bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen der Fall, deren Leistungen ausweislich des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG zur Basisversorgung gehören.333

328

BVerfG NZS 2007, 533 (533); Krauß, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 54 Rn. 22. 329 So zuletzt auch (mit ausführlicher Begründung) BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 1 u. Rz. 22 ff.) u. in der Vorinstanz FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 27 f.); ebenso BMF BStBl. I 2016, 645: „Zusatzleistungen“, d. h. Leistungen n. §§ 106, 107, 269 SGB  VI; Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 160 (Mai 2017). 330 S. BFH BStBl. II 2018, 579 (Leitsatz; Rz. 19 ff.). 331 S. Krauß, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 54 Rn. 24. 332 I. Erg. (inzident) ebenso BFH BStBl. II 2016, 657 (Rz. 32): „Wenn Leistungen eines ausländischen Versorgungsträgers über ein gesetzlich garantiertes Minimum hinausgehen, steht dies der Einordnung einer ausländischen Versicherung als Bestandteil der Basisversorgung nach deutschem Vorstellungsbild nicht entgegen, da auch die deutsche gesetzliche Rentenversicherung in der Vergangenheit eine Höherversicherung kannte“; auf diese Entscheidung des BFH weist auch FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 28) hin; s. nun auch BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 25 ff.). 333 FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 28).

§ 2 Einfaches Recht 

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c) Leistungen zur Teilhabe Nach §§ 9 bis 32 SGB VI erbringt die gesetzliche Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe sollen eine Erwerbsminderung des Versicherten beenden, verringern, vermeiden oder hinauszögern.334 Sie sind deshalb gegenüber den Erwerbsminderungsrenten vorrangig.335 Bei den Leistungen zur Teilhabe handelt es sich ganz überwiegend um Sach- oder Dienstleistungen, z. B. ärztliche Behandlung, Arzneimittel oder orthopädische Hilfsmittel.336 Eine Leistung zur Teilhabe in Form einer Geldleistung stellt z. B. das Übergangsgeld gemäß §§ 20, 21 SGB VI dar, welches den Wegfall des Erwerbseinkommens während der Durchführung von Teilhabeleistungen (zumindest teilweise) kompensieren soll (Einkommens- bzw. Lohnersatzfunktion).337 Entgegen der wohl h. M. sind auch Leistungen zur Teilhabe aus der gesetz­lichen Rentenversicherung in der Form von Sach- und Dienstleistungen338 als „andere Leistungen“ nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar,339 da dem Steuerpflichtigen mit der Sach- oder Dienstleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG Güter (erfasst werden auch Dienstleistungen340) zufließen, die in Geldeswert bestehen. Jedoch sind nach § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG Sachleistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen steuerfrei. Hierunter sind auch Dienstleistungen zu fassen.341 Das kann man aber nicht damit begründen, dass die Auslegung des Begriffs der Sachleistung 334 S. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI u. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB I; Köbl, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 21 Rn. 19; Rolfs, in: Hauck / Noftz, SGB I, § 23 Rn. 15 (Juni 2018). 335 S. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. 336 Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, 6. Aufl. 2019, § 4 Rn. 34; Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 788. 337 BSGE 53, 229 (Rz. 30); Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 791; Rolfs, in: Hauck / Noftz, SGB I, § 23 Rn. 22, 24 (Juni 2018); Zabre, in: Kreikebohm /  Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 20 Rn. 1. 338 Zu den Leistungen n. § 249a SGB V s. schon oben § 2 I. 1. b). 339 Anders aber von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 1 Rn. B 1/35 (Mai 2015), der sich allerdings entweder noch auf § 22 a. F. bezieht oder entgegen der h. M. (s. oben § 2 I. 1.) annimmt, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG nur wiederkehrende Bezüge erfasst: „Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1 dürfte ausscheiden. Häufig wird es bei den Sachleistungen schon an wiederkehrenden Leistungen fehlen. Werden die Sachleistungen […] wiederkehrend erbracht, begründet allein die äußere Form der wiederkehrenden Leistung keine Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 1“; Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr.  1 EStG Rn. 2 (April 2019): „[§ 3] Nr. 1 Buchst. b […] deklaratorische[…] StBefreiung[…]“; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.138: „Zu den Fiskalzweckbefreiungen gehören auch die klarstellenden Befreiungen, die nicht steuerbare Einnahmen ausscheiden […]: § 3 Nr. 1 (Versicherungsleistungen)“; wie hier möglicherweise Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 173 (Mai 2017). 340 S. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. 341 I. Erg. ebenso Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr.  1 EStG Rn. 15 (April 2019).

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1. Teil: Ausgangslage

in § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG primär am Sozial(versicherungs)recht zu orientieren sei:342 Zwar werden in § 3 EStG häufig technische Begrifflichkeiten aus anderen Gesetzen verwendet, sodass man sich bei der Auslegung an den in Bezug genommenen Vorschriften orientieren muss,343 jedoch unterscheidet § 11 Satz 1 SGB I für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung344 gerade zwischen Sach- und Dienstleistungen. Die innere Rechtfertigung für die weite Auslegung des Begriffs der Sachleistung in § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG liegt vielmehr darin, dass ein Zweck des § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG auch die Verwaltungsvereinfachung durch Vermeidung aufwendiger Leistungsbewertungen sein dürfte;345 bei Dienstleistungen ist die Bewertung vermutlich oft noch aufwändiger als bei Sachleistungen. Dass der Wortlaut des § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG („Sachleistungen“) der Einbeziehung von Dienstleistungen nicht entgegensteht, zeigt ein Vergleich mit der Terminologie des § 8 Abs. 2 EStG, der Dienstleistungen den „Sachbezügen“ zuordnet. Das Übergangsgeld gemäß §§ 20, 21 SGB VI ist nach wohl h. M. ebenfalls nicht steuerbar.346 Auch dem ist zu widersprechen: Das Übergangsgeld stellt eine Geldzahlung an den Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar; es handelt sich um eine „andere Leistung“ nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG.347 Im Ergebnis ist das Übergangsgeld aber nach § 3 Nr. 1 Buchst. c EStG (konstitutiv) steuerfrei gestellt.

342 So aber von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 1 Rn. B 1/91 (Mai 2015); wohl auch Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr.  1 EStG Rn. 15 (April 2019). 343 Es gibt aber keine teleologische (!) Prävalenz des Sozialversicherungsrechts im Verhältnis zum Sozialrecht, s. oben § 2 I. 1. 344 Dass § 11 S. 1 SGB I auch für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im SGB VI gilt, ergibt sich aus § 37 Satz 1 SGB I, s. nur BSGE 102, 10 (Rz. 19). 345 Die Zweckbestimmung bei den Steuerbefreiungen des § 3 EStG ist aber oft schwierig, s. von Beckerath, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 3 Rn. 2; von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 1 Rn. B  1/56 (Mai 2015) beschreibt den Zweck der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG folgendermaßen: „Sie will sicherstellen, dass die Versicherungsleistungen keine Besteuerung auslösen. Der Versicherungsschutz soll mit ‚Netto‘-Leistungen erbracht werden können“. 346 S. von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 1 Rn. B 1/36 (Mai 2015), der sich allerdings, wie bei den Sachleistungen (s. oben Fn. 339), entweder noch auf § 22 a. F. bezieht oder entgegen der h. M. (s. oben § 2 I. 1.) annimmt, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG nur wiederkehrende Bezüge erfasst: „Wenn die Übergangsgelder in einem Betrag […] geleistet werden, sind schon deshalb keine wiederkehrenden Bezüge (§ 22 Nr. 1) gegeben […]. Bei lange dauernden Rehabilitationsmaßnahmen mögen zwar Zahlungen wiederholt erbracht werden. Allein diese äußere Form des Bezugs kann jedoch keine Steuerbarkeit begründen“; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.138 (s. oben Fn. 339); ähnlich Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 1 EStG Rn. 2 (April 2019), der aber eine Steuerbarkeit bei „länger dauerndem Bezug“ für möglich hält. 347 So möglicherweise auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 173 (Mai 2017).

§ 2 Einfaches Recht 

77

d) Sonstige Leistungen (Beitragserstattungen, Witwen- bzw. Witwerrentenabfindungen, Zinsen) Schließlich gibt es Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht (oder jedenfalls nicht primär) deshalb erbracht werden, weil der Versicherte alt, erwerbsgemindert oder tot ist. Zu erwähnen ist etwa die Erstattung von zu Recht entrichteten Beiträgen gemäß § 210 SGB VI348 bzw. von zu Unrecht entrichteten Beiträgen gemäß § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV349. Der Bundesfinanzhof hat hierzu erst kürzlich entschieden, dass Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI als „andere Leistungen“ gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind.350 Nicht überzeugen kann es zwar, dass der Bundesfinanzhof zur Begründung dieses Ergebnisses primär auf die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d SGB I vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI als „Leistungen“ abstellt;351 denn Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht haben jeweils ihre eigene Teleologie, sodass die Begriffe nicht notwendigerweise übereinstimmen 348

Die Beitragserstattung n. § 210 SGB VI betrifft Fälle, in denen es für die erstattungsberechtigte Person (Versicherter, Hinterbliebener) entweder unmöglich ist, noch Leistungsrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erlangen, weil bestimmte Leistungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden können, z. B. das Zurücklegen bestimmter Wartezeiten, oder in denen das Fortbestehenlassen der Versicherung wirtschaftlich unsinnig ist, etwa weil der Betroffene nicht auf den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen ist, z. B. wegen einer Verbeamtung, s. BSGE 86, 262 (Rz. 22); Liebich, in: Hauck / Noftz, SGB VI, § 210 Rn. 1 (Mai 2017). Das BVerfG bezeichnet § 210 SGB VI als Billigkeitsregelung, „die dem Versicherten das Gefühl ersparen soll, seine Beiträge ‚umsonst‘ geleistet zu haben“, s. BVerfG NJW 1988, 250 (251). Auf den ersten Blick erscheint diese Annahme des BVerfG sinnvoll, insbesondere wenn man die Regelung des § 210 Abs. 5 SGB VI berücksichtigt. Im Ergebnis kann sie aber nicht völlig überzeugen, weil der Versicherte für einen Teil seiner Beiträge Versicherungsschutz, d. h. die Übernahme der versicherten Gefahr, als „Gegenleistung“ erhalten hat, sodass er seine Beiträge auch dann nicht „umsonst“ geleistet hat, wenn sich kein Risiko verwirklicht hat, s. unten § 4 I. 2. 349 Die in § 26 Abs. 2 u. 3 SGB IV geregelte Beitragserstattung betrifft Fälle, in denen Beiträge ohne Rechtsgrund entrichtet wurden und ist damit eine gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, s. Udsching, in: Hauck / Noftz, SGB IV, § 26 Rn. 1a (Juli 2015); inzident auch BSGE 123, 180 (Rz. 16). 350 S. BFH DStR 2021, 88 (Leitsatz 1 u. Rz. 12 ff.); ebenso die Vorinstanz FG Düsseldorf DStRE 2019, 729 (729 f.); zustimmend mit Blick auf Beitragserstattungen an Versicherte, aber anders mit Blick auf solche an Hinterbliebene (s. dazu Fn. 354) Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 175 (September 2019); gegen die Steuerbarkeit von Beitragserstattungen Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167, B 173 (Mai 2017), die mit § 10 Abs. 4b EStG argumentieren, s. dazu sogleich im Text; gegen die Steuerbarkeit auch Bergkemper, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 3 EStG Rn. 1 (April 2020) u. von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 3 Rn. B 3/7 (März 2018), die sich aber offenbar noch auf die alte Rechtslage vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes beziehen, wenn sie zu Begründung lediglich ausführen, dass es sich bei Beitragserstattungen nicht um Arbeitslohn handele. 351 S. BFH DStR 2021, 88 (Rz. 18 f.).

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1. Teil: Ausgangslage

müssen.352 Jedoch ist dem zusätzlich vom Bundesfinanzhof angeführten Argument zuzustimmen, dass der Gesetzgeber durch die Änderung des § 3 Nr. 3 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007353 gezeigt hat, dass er Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI jedenfalls seit der Neufassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG durch das Alterseinkünftegesetz als steuerbare Einnahmen ansieht;354 es deutet nichts darauf hin, dass die Regelung des § 3 Nr. 3 EStG lediglich deklaratorischen Charakter haben soll.355 Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich auch hinreichend deutlich in der umfassenden Formulierung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG niedergeschlagen. Die vorstehend dargelegte Argumentation mit der Neufassung des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 lässt sich auf Beitragserstattungen nach § 26 SGB IV übertragen, weil auch diese in § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG erwähnt werden. Folglich sind auch Beitragserstattungen nach § 26 SGB IV gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar.356 Sowohl Beitragserstattungen nach § 210 SGB  VI als auch solche nach § 26 SGB IV sind aber gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG ist die Steuerfreiheit von Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI zwar auf solche „an den Versicherten“ beschränkt, sodass Beitragserstattungen nach § 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI an Hinterbliebene nicht erfasst sind. Jedoch ist § 3 Nr. 3 Buchst.  b EStG auf Beitragserstattungen an Hinterbliebene richtigerweise analog anzuwenden:357 Die Interessenlage ist im Hinblick auf die 352

S. oben § 2 I. 1. S. BGBl. I 2006, 2878; durch das JStG 2007 hat § 3 Nr. 3 EStG seine heute Fassung erhalten; zuvor lautete § 3 Nr. 3 EStG: „Steuerfrei sind Kapitalabfindungen auf Grund der gesetzlichen Rentenversicherung und auf Grund der Beamten-(Pensions-)Gesetze“. 354 S. BFH DStR 2021, 88 (Rz. 20 ff.). Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG müsste man diese Argumentation auf Beitragserstattungen „an den Versicherten“ beschränken. Mit anderen Worten: Aus der Neufassung des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG lässt sich zunächst nicht schlussfolgern, dass Beitragserstattungen an Hinterbliebene n. § 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB  VI steuerbar sind. M. E. beruht die Beschränkung auf Beitragserstattungen „an den Versicherten“ in § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG aber auf einem Versehen des Gesetzgebers, s. dazu sogleich im Text, sodass davon auszugehen ist, dass sämtliche Beitragserstattungen n. § 210 SGB VI gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steuerbar sind. 355 Im Gesetzgebungsverfahren regte der Bundesrat zunächst eine Überprüfung an, ob § 3 Nr. 3 EStG a. F. aufzuheben sei, weil eine Besteuerung auch der Kapitalabfindungen dem System der nachgelagerten Besteuerung entspreche, s. BR-Drucks. 622/06 (Beschluss), S. 4. Der Finanzausschuss empfahl dann aber die heutige Fassung des § 3 Nr. 3 EStG, s. BTDrucks. 16/3325, S. 5, und begründete dies damit, dass mit der Neufassung der Vorschrift ihr Anwendungsbereich präzisiert werden solle, s. BT-Drucks. 16/3368, S. 16. 356 I. Erg. anders Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167, B 173 (Mai 2017). 357 Zumindest hilfsweise für eine Anwendung des § 3 Nr. 3 Buchst.  b EStG auch Heß /  Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 183 (September 2019): „Beitragserstattungen an Hinterbliebene nach § 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI sind nicht zu erfassen; sie sind nicht steuerbar. Sollte die Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG angenommen werden, ist § 3 Nr. 3b EStG anzuwenden“. 353

§ 2 Einfaches Recht 

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Bewertung der steuerlichen Leistungsfähigkeit bei Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI „an den Versicherten“ und bei solchen an Hinterbliebene im Wesent­lichen dieselbe, weil es in beiden Fällen um die Erstattung von Aufwendungen geht, deren eigentlicher Zweck verfehlt wurde. Dass in dem einen Fall die erstattungsberechtigte Person auch die Person ist, welche die Aufwendungen getätigt hat (Erstattung „an den Versicherten“), im anderen Fall hingegen nicht (Erstattung an Hinterbliebene), ist unerheblich, weil von vornherein (für den Versicherten und etwaige Hinterbliebene) klar war, dass die Aufwendungen auch zu Ansprüchen etwaiger Hinterbliebener führen können bzw. sollen. Die Planwidrigkeit der deshalb zu bejahenden Regelungslücke ergibt sich daraus, dass § 3 Nr. 3 Buchst.  b EStG die Steuerfreiheit bei Beitragserstattungen nach § 75 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte gerade nicht auf Erstattungen „an den Versicherten“ beschränkt, obwohl auch dort Erstattungen an Hinterbliebene vorgesehen sind. Eine weitere sonstige Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung stellen die Witwen- bzw. Witwerrentenabfindungen bei Wiederheirat gemäß § 107 SGB VI dar, die den Start in eine neue Ehe bzw. Lebenspartnerschaft erleichtern sollen und verhindern sollen, dass eine Wiederheirat aus rein wirtschaftlichen Gründen unterbleibt, weil der Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente gemäß § 46 Abs. 1 und 2 SGB VI durch eine Wiederheirat ausgeschlossen wird.358 Auch die Rentenabfindungen nach § 107 SGB VI sind gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar;359 die oben angesprochene Argumentation des Bundesfinanzhofs zu den Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI mit der Neufassung des § 3 Nr. 3 EStG lässt sich hierher übertragen. Nach § 3 Nr. 3 Buchst. a EStG sind die Rentenabfindungen im Sinne des § 107 SGB VI aber steuerfrei. Bis vor einiger Zeit gingen die Finanzverwaltung und Teile der Literatur überzeugend davon aus, dass auch von der gesetzlichen Rentenversicherung bei nicht rechtzeitiger Erbringung von Geldleistungen gezahlte Zinsen nach § 44 SGB I gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind.360 Der Bundesfinanzhof hat jedoch entschieden, dass „[a]us der Systematik des § 22 Nr. 1 EStG folgt, dass Zinsen, die [wie solche nach § 44 SGB I] unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, nicht als ‚andere Leistungen‘ nach [§ 22 Nr. 1] Satz 3 Buchst. a steuerpflichtig sein können, da § 22 Nr. 1 EStG subsidiär zu anderen Einkunftsarten ist. […]. Die Formulierung von § 22 Nr. 1 Satz 3 ‚Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch‘ [führe] […] nicht zu einer Rückausnahme der in Satz 1 358

S. BVerfGE 55, 114 (127); Rolfs, in: Hauck / Noftz, SGB I, § 23 Rn. 63 (Juni 2018); vgl. auch BT-Drucks. 2/2437, S. 80: „Mit der Erhöhung […] soll ein Anreiz zur Eheschließung gegeben und auch damit den sogenannten Rentenkonkubinaten (Onkelehen) entgegengewirkt werden“. 359 I. Erg. ebenso BMF BStBl. I 2016, 645: „Zusatzleistungen“, d. h. Leistungen n. §§ 106, 107 SGB VI; wohl auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 163, B 173 (Mai 2017). 360 S. BMF BStBl. I 2013, 1987 (Tz. 196); noch immer Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 38.

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1. Teil: Ausgangslage

angeordneten Subsidiarität. Vielmehr [handele] […] es sich um eine Konkretisierung der in Satz 1 als Oberbegriff genannten ‚wiederkehrenden Bezüge‘“361. Die Finanzverwaltung hat sich der Auffassung des Bundesfinanzhofs angeschlossen.362 Die Schlussfolgerung des Bundesfinanzhofs ist sprachlich und systematisch aber keineswegs zwingend. Außerdem besteht ein Widerspruch zu der Annahme des Bundesfinanzhofs, „dass der Besteuerungsgegenstand […] des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG autonom durch die Begriffe ‚Leibrenten und andere Leistungen‘ in Verbindung mit den Aufzählungen und Definitionen in den nachfolgenden Doppelbuchst. aa und bb umschrieben wird“, woraus der Bundesfinanzhof ableitet, dass „[d]ie ‚anderen Leistungen‘ des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG […] unabhängig davon vor[liegen], ob sie gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG wiederkehrend sind“363. Hier sieht der Bundesfinanzhof § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG also gerade nicht als Konkretisierung des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG an, sondern als von § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG unabhängigen Tatbestand. Die Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass die Zinsen im Sinne des § 44 SGB I dem § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterfallen, hat zur Folge, dass für die Zinsen gemäß § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich ein Steuersatz von 25  Prozent gilt. Häufig wird der persönliche Durchschnittssteuersatz einer Person, die Geldleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, aber (deutlich) unter 25 Prozent liegen,364 sodass nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen der günstigere persönliche Steuersatz nach § 32a EStG anzuwenden ist. Abschließend sei zur hier vertretenen Auffassung, dass Beitragserstattungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind, mit Blick auf § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG noch das Folgende angemerkt: Der Bundesfinanzhof und Teile der Literatur gehen davon aus, dass jedenfalls eine steuerliche Doppelberücksichtigung der Beitragserstattungen zu vermeiden sei, sodass auf die Beitragserstattungen entweder nur § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG oder nur § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG angewendet werden könne;365 beide Vorschriften seien nicht aufeinander abgestimmt.366 Beitragserstattungen könnten ihrer Rechtsnatur nach nicht gleichzeitig steuerbare Ein 361 BFH BStBl.  II 2016, 523 (Rz. 17 f.); ausdrücklich zustimmend Killat, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 279 (September 2016); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 EStG Rn. 113 (Juni 2018). 362 S. BMF BStBl. I 2016, 645. 363 Beide Zitate aus BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 22); s. dazu auch oben § 2 I. 1. 364 Beispielsweise ergibt sich für das Jahr 2020 ein persönlicher Durchschnittssteuersatz von knapp 25 % (nur Einkommensteuer: 24,28 %; mit Solidaritätszuschlag: 25,62 %) bei einer alleinstehenden Person erst bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 50.000 Euro und bei verheirateten bzw. verpartnerten Personen erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 100.000 Euro. 365 BFH DStR 2021, 88 (Rz. 30); ebenso die Vorinstanz FG Düsseldorf DStRE 2019, 729 (730); Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 175 (September 2019); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017). 366 BFH DStR 2021, 88 (Rz. 32); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017).

§ 2 Einfaches Recht 

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nahmen und rückfließende negative Sonderausgaben sein.367 Der Bundesfinanzhof und ein Teil der Literatur wollen im Ergebnis nur § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG anwenden,368 ein anderer Teil der Literatur hingegen nur § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG369.370 Zuzustimmen ist letztlich jedoch keiner dieser Auffassungen. Richtigerweise sind beide Vorschriften nebeneinander zur Anwendung zu bringen. Befolgt man strikt den Wortlaut des Gesetzes, dann sind Beitragserstattungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar und in allen Fällen nach § 3 Nr. 3 Buchst.  b EStG steuerfrei.371 Damit ist klar, dass in keinem Fall eine steuerliche Doppelberücksichtigung droht. Es entfällt die praktische Notwendigkeit einer nur alternativen Anwendung von entweder § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG oder § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG. Deshalb kann und muss auf Beitragserstattungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG angewendet werden; die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut einschlägig. Die Annahme, dass Zahlungen ihrer Rechtsnatur nach nicht zugleich steuerbare Einnahmen und rückfließende negative Sonderausgaben sein könnten, lässt sich nicht in einer für die Auslegung des EStG relevanten Art und Weise begründen, weil dies bei den Beitragserstattungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Wortlaut des Gesetzes ja gerade der Fall ist. Demnach stehen der Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG auch keine (jedenfalls keine bei der Auslegung zu berücksichtigenden) steuersystematischen Bedenken entgegen. Die Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 2 und 3 EStG auf Beitragserstattungen überzeugt außerdem wertungsmäßig, weil so die steuerliche Entlastung, die dem Steuerpflichtigen durch den Sonderausgabenabzug im Zusammenhang mit der früheren Beitragsentrichtung entstanden ist, rückgängig gemacht wird; es wäre nicht verständlich, wenn die steuerliche Entlastung trotz der Beitragserstattung bestehen bliebe.372 367 BFH DStR 2021, 88 (Rz. 30); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017). 368 So BFH DStR 2021, 88 (Rz. 28 ff.); ebenso die Vorinstanz FG Düsseldorf DStRE 2019, 729 (730); Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 175 (September 2019). 369 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017). 370 Die Finanzverwaltung will zumindest auf Beitragserstattungen nach § 26 SGB IV die Regelung des § 10 Abs. 4b EStG anwenden, s. BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 57); ob sie die Beitragserstattungen als steuerbare Einnahmen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG einordnet oder nicht, ist unklar, jedenfalls ergibt es sich nicht aus BMF BStBl. I 2013, 1087. 371 Die Befürchtung von Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017), dass bei Beitragserstattungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 EStG einmal nicht vorliegen könnten, ist mit Blick auf die Voraussetzungen der Norm nicht nachvollziehbar; allenfalls könnte man erwägen, ob § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG Beitragserstattungen n. § 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI an Hinterbliebene entsprechend seinem Wortlaut nicht erfasst; m. E. ist aber eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG geboten, s. oben im Text. 372 Vgl. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 167 (Mai 2017).

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1. Teil: Ausgangslage

2. Umfang der Besteuerung Im Folgenden wird aufgezeigt, dass der Umfang der Besteuerung der von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG erfassten und nicht nach § 3 EStG steuerfreien Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung373 gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG grundsätzlich vom Jahr des Rentenbeginns abhängt, wobei Leistungen bei einem Rentenbeginn ab dem Jahr 2040 grundsätzlich vollumfänglich der Besteuerung unterliegen; von 2005 bis 2040 steigt der Umfang der Besteuerung in Abhängigkeit vom Jahr des Rentenbeginns schrittweise an (s. unten a)).374 Eine besondere Beschränkung des Umfangs der Besteuerung, die der Vermeidung doppelter Besteuerung dienen soll, folgt aus der sog. Öffnungsklausel in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG (s. unten b)). Schließlich wird im Rahmen eines Exkurses dargelegt, dass die Öffnungsklausel entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verfassungswidrig ist (s. unten c)). a) Abhängigkeit des Umfangs der Besteuerung vom Jahr des Rentenbeginns Nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Tabelle hängt der Umfang der Besteuerung vom Jahr des Rentenbeginns ab und steigt von 2005 bis 2040 kontinuierlich an.375 Die Gruppe der Rentner, die jeweils eine Rente mit demselben Rentenbeginn beziehen und für die deshalb derselbe „Besteuerungsanteil in %“ gilt, wird oft als (Rentner-)Kohorte bezeichnet.376 Der Hintergrund der zeitlichen Staffelung ist, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppel 373

Nach Verwaltungsauffassung und Rspr. des BFH sind jedenfalls sämtliche Renten i.S.d § 33 SGB VI n. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steuerbar und nicht gem. § 3 EStG steuerfrei. M. E. gilt das Gleiche für Steigerungsbeträge n. § 269 SGB VI und Zinsen n. § 44 SGB I. Hinsichtlich der Zinsen sind BFH und Finanzverwaltung anderer Auffassung, die Steigerungsbeträge hat der BFH zuletzt § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG subsumiert, s. oben § 2 I. 1. 374 Die durch das Jahressteuergesetz 2020 eingefügte Regelung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 9 EStG hat hingegen nichts mit dem Umfang der Besteuerung zu tun, sondern soll der Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf die Rentenbezugsmitteilung nach § 22a EStG dienen, indem sie eine Erbenermittlung entbehrlich macht, s. BT-Drucks. 19/22850, S. 90. 375 Für Folgerenten ist aber § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG zu beachten; dazu BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 224 ff.); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 290 (September 2016); Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 199 (September 2019); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 124 ff. (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 198 f. (Mai 2017). 376 S. BFH BStBl. II 2009, 710 (716); 2017, 1187 (Rz. 29); Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 37b; Lindberg, in: Frotscher / Geurts, EStG, § 22 Rn. 151b (August 2018); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 117 (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 196 (Mai 2017).

§ 2 Einfaches Recht 

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buchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG eine von drei Übergangsregelungen377 darstellt, die bei der Besteuerung unter anderem der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen seit 2005 ablaufenden Systemwechsel hin zur sog. nachgelagerten Besteuerung bewirken.378 Die nur schrittweise Erhöhung des Besteuerungsumfangs ist – so die Begründung des Gesetzgebers – aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich, weil eine sofortige Vollbesteuerung der Renten ab 2005 eindeutig verfassungswidrige doppelte Besteuerung verursacht hätte.379 Bei Rentnerkohorten mit Rentenbeginn ab 2040 unterliegt die Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG zu 100 Prozent der Besteuerung, d. h. sie wird in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, also in das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG, einbezogen. Demnach sind § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG und die Einschränkung in Satz 1 („soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen“) ab dem Jahr 2040 für Neurenten ohne Anwendungsbereich. Für Rentnerkohorten mit Rentenbeginn bis 2039 sieht § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 4 EStG einen „steuerfreien Teil der Rente“ vor, dessen Höhe vom Jahr des Rentenbeginns380 und vom Jahresbetrag der Rente (inklusive anderer Leistungen)381 abhängt. Grundsätzlich kommt es auf den Jahresbetrag der 377 Übergangsregelungen finden sich außerdem in § 10 Abs. 3 Satz  4 u. 6 EStG, s. unten § 2 II. 1. c), und in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, s. unten § 2 I. 2. b). 378 Dazu s. unten § 2 IV. 1. 379 S. BR-Drucks. 2/04, S. 39; Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 42; vgl. auch BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 66). 380 Zum Rentenbeginn BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 219 ff.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 197 (Mai 2017). Die Situation, dass eine andere Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor dem Beginn einer Rente bezogen wird, sodass nach dem Wortlaut des Gesetzes unklar ist, nach welchem Jahr sich der „Besteuerungsanteil in %“ richtet, kann nach der Rspr. des BFH nicht auftreten, weil nach dieser keine andere Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die unabhängig von einer Rente bezogen werden kann, steuerpflichtig ist, s. oben § 2 I. 1. Geht man aber mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass Zinsen n. § 44 SGB I gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind, dann kann dieser Fall theoretisch eintreten, weil n. § 44 Abs. 1 SGB I nicht nur Ansprüche auf Renten bei nicht rechtzeitiger Erbringung zu verzinsen sind, sondern auch solche auf andere Geldleistungen, z. B. auf das Übergangsgeld gemäß §§ 20, 21 SGB VI; nach BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 222) ist dann das Jahr des Zuflusses der Zinsen maßgeblich. 381 S. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 218): „Jahresbetrag der Rente ist die Summe der im Kalenderjahr zugeflossenen Rentenbeträge einschließlich der bei Auszahlung einbehaltenen eigenen Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung. Steuerfreie Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen sind nicht Bestandteil des Jahresbetrags der Rente. Zum Jahresbetrag der Rente gehören auch die im Kalenderjahr zugeflossenen anderen Leistungen“; m. E. sind als andere Leistungen Steigerungsbeträge n. § 269 SGB VI und Zinsen n. § 44 SGB I zu berücksichtigen, jedoch sind BFH und Finanzverwaltung hinsichtlich der Zinsen anderer Auffassung, s. oben § 2 I. 1. d); zum Jahresbetrag der Rente auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 200 (Mai 2017), die zutreffend darauf hinweisen, dass es sich bei der Einbeziehung der anderen Leistungen um eine Analogie handelt; die Einbeziehung anderer Leistungen lehnt hingegen ab Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 284 (September 2016).

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1. Teil: Ausgangslage

Rente in dem Jahr an, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt,382 was Verzerrungen in Abhängigkeit vom Monat des Rentenbeginns (vor oder nach der regelmäßigen Rentenanpassung zum 1. Juli383) vermeiden soll;384 der „steuerfreie Teil der Rente“ für das Jahr des Rentenbeginns wird aber anhand des Jahresbetrags der Rente dieses Jahres bestimmt;385 bei Renten mit Rentenbeginn vor dem Jahr 2005 wird auf den Jahresbetrag der Rente im Jahr 2005 abgestellt.386 Der „steuerfreie Teil der Rente“ ist ein absoluter Betrag in Euro, kein Prozentsatz.387 Üblicherweise ist – vermutlich in Anlehnung an den legaldefinierten Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG – vom Rentenfreibetrag die Rede.388 Allerdings handelt es sich beim „steuerfreien Teil der Rente“ nicht um einen Freibetrag im klassischen Sinne,389 weil die Renten nach dem Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG („Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch Leibrenten und andere Leistungen […], soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen“) insoweit überhaupt nicht als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen, also bereits nicht steuerbar sind.390 Ein 382

Das ergibt sich mittelbar aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG; s. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 231); BFH / N V 2016, 549 (Leitsatz 1 u. Rz. 11 ff.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 201 (Mai 2017); kritisch Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 287 (September 2016). 383 S. § 63 Abs. 7, § 65, § 68 SGB VI; dazu Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 127 ff. 384 S. BR-Drucks. 2/04, S. 70: „Dies vermeidet, dass in Abhängigkeit vom Renteneintrittsmonat im Jahr des Rentenbeginns sowie [sic!] vor oder nach einer Rentenanpassung (vgl. § 65 SGB VI) bei ansonsten gleichem Sachverhalt ein unterschiedlicher steuerfreier Teil der Rente dauerhaft festgeschrieben wird“; verständlich wird dies vor dem Hintergrund, dass die RürupSteuerkommission eine Berechnung des „steuerfreien Teils der Rente“ auf Grundlage des mit 12 Monaten vervielfachten Betrags der Bruttorente im Zugangsmonat vorgeschlagen hatte, s. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 44. 385 Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 202 (September 2019); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 119 Beispiel 2 (November 2020). 386 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 231); BFH BStBl. II 2009, 710 (722): teleologische Reduktion; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 201 (Mai 2017). 387 S. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG: „Unterschiedsbetrag“; FG Baden-Württemberg EFG 2012, 123 (Rz. 23); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 119 (November 2020). 388 S. z. B. BFH BStBl. II 2020, 386 (Rz. 9 ff.); Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 44; Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 39; Lindberg, in: Frotscher / Geurts, EStG, § 22 Rn. 152a (August 2018); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 119 (November 2020). 389 Deshalb formulieren Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 202 (Mai 2017) zu Recht zurückhaltend: „Dieser wird jedes Jahr nach Art eines Freibetrags auf die Rentenzahlung angewendet“. 390 Anders BFH BStBl. II 2006, 420 (422 f.): „Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa Satz 4 EStG den nicht der Besteuerung unterliegenden Teil der Rente als Freibetrag ausgestaltet hat. Auch dieser Teil der zufließenden Renteneinnahmen stellt mithin steuerbares Einkommen dar, das lediglich deshalb steuerfrei zu lassen ist, um dem Regelungsauftrag des BVerfG in BVerfGE 105, 73 […] zu entsprechen“; wie hier

§ 2 Einfaches Recht 

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Freibetrag (im klassischen Sinne) bewirkt hingegen, dass grundsätzlich steuerbare Einnahmen in Höhe eines bestimmten Betrages nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.391 Den Teil der Rente (genauer: den Teil des „Jahresbetrags der Rente“), der nicht der „steuerfreie Teil der Rente“ ist, also den absoluten Betrag in Euro, der jährlich in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wird, bezeichnet § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 4 EStG als den „der Besteuerung unterliegenden Anteil“ der Rente. Das Gesetz unterscheidet hiervon (sprachlich wenig trennscharf) den in der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG festgelegten „Besteuerungsanteil in %“. Man sollte deshalb besser nicht vom Besteuerungsanteil sprechen, wenn der „der Besteuerung unterliegende Anteil“ der Rente gemeint ist.392 Für die Rentnerkohorten mit Rentenbeginn bis 31. 12. 2005 hat der Gesetzgeber den „Besteuerungsanteil in %“ in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG auf 50 Prozent festgelegt. Nach dem Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz orientiert sich der Prozentsatz am typischen Fall des ehemaligen Arbeitnehmers, bei dem in der Zeit bis zum Jahr 2004 wegen des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils393 mindestens die Hälfte der Rentenversicherungsbeiträge steuerunbelastet geblieben sei, sodass bei typisierender Betrachtung 50 Prozent der Rente besteuert werden könnten, ohne dass es zu doppelter Besteuerung kommt.394 Auch bei der Besteuerung von Renten ehemaliger Selbstständiger, denen gerade kein steuerfreier Arbeitgeberanteil zustand, ist der Prozentsatz nach dem Gesetzentwurf angemessen, weil die Selbstständigen, anders als Arbeitnehmer, bis zum Jahr 2004 beim Sonderausgabenabzug einen ungekürzten Vorwegabzug395 erhalten hätten.396 Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch die Erwerbsbiographien von selbstständig Tätigen typischerweise Phasen der Beschäftigung als Arbeitnehmer aufweisen.397 Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof aber Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 116 ff. (November 2020): „Der steuerbare Anteil der Rente (sog Besteuerungsanteil […]) ergibt sich aus der Tabelle […]“ (Rn. 116); „Der steuerfreie (nicht steuerbare) Teil der Rente bestimmt sich gemäß […]“ (Rn. 119). 391 Vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1, § 16 Abs. 4 Satz 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 EStG; dazu, dass es sich bei § 16 Abs. 4 EStG um eine sachliche Steuerbefreiung, nicht um eine tarifliche Regelung handelt, BFH BStBl. II 1976, 360 (Leitsatz 1 u. S. 361 f.); 1992, 437 (Leitsatz 1 u. S. 438); dasselbe gilt für § 17 Abs. 3 Satz 1 EStG, s. Schneider, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 17 Rn. D 43 (Juni 2015). 392 So aber z. B. BFH BStBl. II 2011, 910 (Rz. 10); 2014, 557 (Rz. 14); Killat, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 284 (September 2016). 393 S. dazu unten § 2 II. 2. 394 S. BR-Drucks. 2/04, S. 69; ebenso bereits Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 57; dazu, dass diese Überlegung nicht überzeugen kann, s. unten § 6 II. und vgl. ausführlich unten § 3 II. u. III. 395 S. dazu unten § 2 II. 1. b). 396 S. BR-Drucks. 2/04, S. 69. 397 S. BR-Drucks. 2/04, S. 69; ebenso bereits Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 57.

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1. Teil: Ausgangslage

halten es für verfassungsgemäß, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG für die Renten ehemaliger Selbstständiger und für diejenigen ehemaliger Arbeitnehmer den gleichen „Besteuerungsanteil in %“ vorsieht.398 Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 5 bis 7 EStG gilt der einmal ermittelte „steuerfreie Teil der Rente“ grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs und wird insbesondere nicht aufgrund der regelmäßigen Rentenanpassungen (jährlich zum 1. Juli)399 neu berechnet.400 Das führt dazu, dass Rentenerhöhungen, die auf einer regelmäßigen Rentenanpassung beruhen, vollständig der Einkommensteuer unterliegen,401 weil der „der Besteuerung unterliegende Anteil der Rente“ in jedem Veranlagungszeitraum ausweislich des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG durch Abzug des (festgeschriebenen) „steuerfreien Teils der Rente“ vom (erhöhten) „Jahresbetrag der Rente“ errechnet wird; es kann durchaus auch zu einem Hineinwachsen eines Rentners in die Besteuerung kommen.402 Diese Auswirkungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.  aa Sätze  5 bis 7 EStG sind nach überzeugender Auffassung des Bundesfinanzhofs verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden403 und erklären sich vor dem Hintergrund, dass auch die regelmäßigen Erhöhungen von Beamtenpensionen (durch die Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze) nach § 19 EStG vollständig der Einkommensteuer unterliegen.404 Es geht hier also um die 398

S. BVerfG BStBl.  II 2016, 310 (Rz. 36 ff.); BFH BStBl.  II 2009, 710 (716 ff.) (Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; Az. des BVerfG: 2 BvR 201/09); BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 46). 399 S. § 63 Abs. 7, § 65, § 68 SGB VI; dazu Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 127 ff. 400 Zu den Fällen, in denen der „steuerfreie Teil der Rente“ ausnahmsweise neu berechnet wird BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 232 ff.); Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 206 ff. (September 2019); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn.  288 (September 2016); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 121 f. (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 203 ff. (Mai 2017). 401 BFH BStBl. II 2009, 710 (722); BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 3 u. Rz. 96); BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 217); Lindberg, in: Frotscher / Geurts, EStG, § 22 Rn. 152a (August 2018); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 119 (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 202 (Mai 2017). 402 Das wurde von H. Rische im Rahmen der Rürup-Steuerkommission „aus sozialen Gründen“ kritisiert, s. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 44 Fn. 22; ebenso Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (909 f.): „sozialpolitisch nicht vermittelbar“. Die Bundesregierung geht in BT-Drucks. 19/25772, S. 2 davon aus, dass z. B. 63.000 Steuerpflichtige „nur aufgrund der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2020 im Veranlagungszeitraum 2020 ein über dem Grundfreibetrag (9.408 €) liegendes zu versteuerndes Einkommen haben und somit nur aufgrund der erhöhten Rentenbezüge steuerbelastet sein werden“. 403 BFH BStBl. II 2009, 710 (722); BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 3 u. Rz. 96 ff.). 404 Insbesondere bewirkt auch der bis zum Jahr 2040 schrittweise abschmelzende Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG nichts anderes, weil § 19 Abs. 2 Sätze 8 bis 12 EStG (parallel zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 5 bis 7 EStG) vorsieht, dass der einmal berechnete Versorgungsfreibetrag grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs festgeschrieben ist und insbesondere regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs nicht zu einer Neuberechnung des Versorgungsfreibetrags führen; vgl. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 5, 59 f.

§ 2 Einfaches Recht 

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von BVerfGE 105, 73 angemahnte einkommensteuerliche Gleichbehandlung von Beamtenpensionen und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.405 b) Die sog. Öffnungsklausel in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG Aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Sätze 1 und 2 EStG ergibt sich, dass Leibrenten und andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen406 unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag407 teilweise („soweit“) nur einer Ertragsanteilsbesteuerung408 unterliegen.409 Die Ertragsanteilsbesteuerung bewirkt eine geringere steuerliche Belastung als die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. In § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG wird nicht die Steuerbarkeit der erfassten Einnahmen begründet,410 sondern es wird auf Antrag der Umfang der Besteuerung von Einnahmen begrenzt, die bereits nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind. Voraussetzung für die Ertragsanteilsbesteuerung ist nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, dass die erfassten Leistungen auf bis zum 31. 12. 2004 geleisteten Beiträgen beruhen, die oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden; der Betrag des Höchstbeitrags muss dabei 405

S. BR-Drucks. 2/04, S. 79: „Die Festschreibung des […] steuerfreien Teils der Jahresbruttorente […] ist erforderlich, um einer ansonsten in der Übergangsphase auftretenden erneuten Vergrößerung der Besteuerungsunterschiede zwischen Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen entgegenzuwirken“; hierauf weist auch BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 96) hin. 406 Aus der Zusammenschau mit § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG ergibt sich, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG grundsätzlich alle Leibrenten und andere Leistungen i. S. d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG betrifft. Im Ergebnis ist § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG aber auf Leistungen aus Rürup-Verträgen (Rentenversicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) nicht anwendbar, weil diese erst 2005 eingeführt wurden; Leistungen aus Rürup-Verträgen können also nicht auf Beiträgen beruhen, die bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet wurden. 407 Zum Antragserfordernis (keine Anwendung der Öffnungsklausel von Amts wegen) sowie zu den Anforderungen an den Antrag (konkludent, formlos etc.) s. BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 2 u. Rz. 37, 39 ff.). 408 Zur Systematik einer Ertragsanteilsbesteuerung vgl. unten § 2 IV. 2. 409 S. Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 231 (September 2019); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn.  311 (September 2016); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 190 (November 2020); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG /  GewStG, § 22 EStG Rn. 91 (Juni 2018); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 260 (Mai 2017). Dazu, dass der Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG fehlerhaft formuliert ist, s. unten im Text am Ende des Abschnitts. 410 So aber wohl Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 190 (November 2020) u. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 267 (Mai 2017): Einmalleistungen „nicht steuerbar“.

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1. Teil: Ausgangslage

mindestens zehn Jahre überschritten worden sein.411 Wegen des Erfordernisses, dass Beiträge in bestimmtem Umfang bis zum 31. 12. 2004 entrichtet worden sein müssen, stellt sich § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG als Übergangsregelung dar,412 deren Anwendungsbereich durch Zeitablauf erlischt. aa) Zweck und praktische Relevanz der Öffnungsklausel Die Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG war im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz zunächst nicht enthalten.413 Nachdem im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vielfach die Kritik geäußert wurde, dass die geplante Neuregelung vor allem bei Selbstständigen, die nicht vom gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteil profitieren konnten, aber auch bei bestimmten Arbeitnehmergruppen, doppelte Besteuerung verursachen könnte,414 bat der Bundesrat in seiner Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 2 GG um Überprüfung, wie in diesen Fällen doppelte Besteuerung vermieden werden könne.415 Der Finanzausschuss empfahl daraufhin die Einfügung des heutigen § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG416 und erklärte, dass mit dieser „Öffnungsklausel […] der Befürchtung einer drohenden doppelten Besteuerung auch in außergewöhnlichen Fällen begeg 411

Die Finanzverwaltung hat die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG ausführlich konkretisiert in BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 238 ff.); zu den Voraussetzungen Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 231 ff. (September 2019); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 191 ff. (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B  260 ff. (Mai 2017); Kritik an einigen Konkretisierungen durch die Finanzverwaltung findet sich bei Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 313, 315 (September 2016). 412 BFH / N V 2016, 388 (Rz.  35). 413 Vgl. BR-Drucks. 2/04, S. 14. 414 S. Finanzausschuss Protokoll Nr. 15/47, S. 12 f., 27 f.; s. außerdem die schriftlichen Stellungnahmen anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 28. 1. 2004, online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0113/ parlament/gremien15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle/Stellungnahmen/index.html, letzter Abruf am 20. 9. 2021: insbes. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, S. 5 f., 11 ff. u. Hey, S. 14 f.; auch Bund der Steuerzahler, S. 1 f., 4 f.; Deutscher Führungskräfteverband, S. 3, 6, 10; Deutscher Gewerkschaftsbund, S. 2 ff.; Deutscher Steuerberaterverband, S. 4; Bomsdorf, S. 2 ff.; Eekhoff, S. 7 ff.; eher zurückhaltend Bareis, S. 2; lediglich Rürup, S. 4, 6 bejahte ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung. 415 S. BR-Drucks. 2/04 (Beschluss), S. 1 f.: „Im Wesentlichen wären folgende Bezieher von Rentenleistungen von einer Zweifachbesteuerung betroffen: […] Selbständige, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. […] Selbständige, die freiwillig in die gesetzliche Pflichtversicherung eingetreten sind. […] Selbständige, die Beiträge an berufsständische Versorgungswerke erbringen. […] Der Bundesrat hält es aber für problematisch, dass eine Doppelbesteuerung für einzelne Personengruppen, z. B. für bestimmte Arbeitnehmergruppen und für […] Selbständige […] derzeit noch nicht sicher ausgeschlossen ist“; BRDrucks. 2/1/04, S. 3 ff.; BR-Plenarprotokoll 769, S. 12. 416 S. BT-Drucks. 15/2986, S. 21.

§ 2 Einfaches Recht 

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net werden“417 solle. Der Zweck des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG ist demnach die Vermeidung doppelter Besteuerung.418 Der Bundesfinanzhof beschreibt die Funktionsweise der Öffnungsklausel dahingehend, dass eine „Doppelbesteuerung […] bei Vorliegen der Voraussetzungen der typisierenden Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu Gunsten des Steuerpflichtigen gesetzlich vermutet“419 wird. Allerdings geht der Bundesfinanzhof auch davon aus, dass „[u]nabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel […] im konkreten Einzelfall zusätzlich das Verbot der Doppelbesteuerung beachtet werden [muss]“420. Die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG dürften nur bei wenigen Steuerpflichtigen vorliegen.421 Bei Steuerpflichtigen, die ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesorgt haben, wird die Öffnungsklausel nur äußerst selten eingreifen, weil diese Steuerpflichtigen grundsätzlich nur dann Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung422 gezahlt haben können, wenn sie den Höchstbeitrag und zusätzlich Beiträge zur Höherversicherung im Sinne des § 269 SGB VI423 entrichtet haben.424 In der Regel wird § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG in Fällen zur Anwendung kommen, in denen der Steuerpflichtige (auch) Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist,425 da an berufsständische Versorgungseinrichtungen meist Beiträge in 417

BT-Drucks. 15/3004, S. 20. Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 47; Mues, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 192 (November 2020); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 EStG Rn. 91 (Juni 2018); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 260 (Mai 2017); vgl. zuletzt auch BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 38). 419 BFH BStBl. II 2011, 579 (Rz. 92); auch BFH BStBl. II 2011, 591 (Rz. 30); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 38); ebenso Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 192 (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 260 (Mai 2017). 420 BFH BStBl. II 2011, 579 (Rz. 92); auch BFH BStBl. II 2011, 591 (Rz. 43); BFH / N V 2016, 388 (Rz. 36); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 50). 421 Ebenso Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 231 (September 2019). 422 Der Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus der Anwendung des Beitragssatzes auf die Beitragsbemessungsgrenze, s. heute § 157 SGB VI. Die nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG maßgeblichen Höchstbeiträge für die Jahre 1927 bis 2004 sind in der Anlage zu BMF BStBl. I 2013, 1087 zusammengestellt. 423 Zur Höherversicherung nach altem Recht s. oben § 2 I. 1. b). 424 Zu beachten ist, dass Beiträge zur Höherversicherung auch entrichtet werden konnten, wenn durch Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge nicht der Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurde, s. § 1408 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung u. § 130 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (jeweils in der am 31. 12. 1991 gültigen Fassung). 425 Vgl. auch Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 191 (November 2020): „Einen Antrag […] werden vor allem Selbstständige stellen, die […] hohe Beiträge an ihre berufsständischen Versorgungseinrichtungen geleistet haben, […] [a]ber auch […] Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung […], sofern sie neben ihren Pflichtbeiträgen sog Höherversicherungsbeiträge geleistet haben“. Ein Musterbeispiel ist der von FG Hessen EFG 2020, 191 und nun auch von BFH DStRE 2021, 773 entschiedene Fall, in dem der Kläger (neben Leistungen aus 418

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1. Teil: Ausgangslage

einer Höhe geleistet werden konnten bzw. mussten, die den Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung deutlich überstieg.426 Sofern Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung und an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet wurden, sind zur Beantwortung der Frage, ob in einem Jahr im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden, sämtliche Beiträge zusammenzurechnen.427 bb) Aufteilung der erfassten Leistungen Wenn die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz  2 EStG erfüllt sind, dann sind die erfassten Leistungen aufzuteilen („soweit“).428 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass „[d]er Teil der Leibrenten oder anderen Leistungen, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruht, […] vom Versorgungsträger nach denselben Grundsätzen zu ermitteln [ist] wie in Leistungsfällen, bei denen keine Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags geleistet wurden“429. Damit ist gemeint, dass für jedes Jahr lediglich die Summe der Beiträge, welche den Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen, in die „Rentenformel“ des Versorgungsträgers einzusetzen ist.430 Daraus ergibt sich dann der Teil der Leistungen, der nach dem Regelwerk des Versorgungsträgers auf diesen Beiträgen beruht. Bei Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen hält die Finanzverwaltung aber mehreren privaten Rentenversicherungsverträgen, u. a. aus einem Rürup-Vertrag, die für § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG aber keine Rolle spielen, s. oben Fn. 406) eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Steigerungsbeträge n. § 269 SGB VI sowie Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung bezieht und an die gesetzliche Rentenversicherung sowie an die berufsständische Versorgungseinrichtung „höchst umfangreiche[…] Vorsorgeaufwendungen“ (FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 79)) entrichtet hat. 426 S. BR-Drucks. 2/04 (Beschluss), S. 2: „Von einzelnen berufsständischen Versorgungseinrichtungen ist bekannt, dass nach deren Satzung Pflichtbeiträge in Höhe der 2,5-fachen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben werden“; nichts anderes gilt freilich heute, allerdings spielt das für die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG („bis zum 31. Dezember 2004“) keine Rolle. 427 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 242), wo Beiträge zur Rürup-Verträgen (Rentenversicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) nicht etwa versehentlich nicht erwähnt werden, sondern deshalb, weil § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG auf Leistungen aus Rürup-Verträgen nicht anwendbar ist, s. oben Fn. 406; auch BFHE 258, 317 (Rz. 31); BFH / N V 2016, 388 (Rz. 22); Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 Rn. 314 (September 2016); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 263 (Mai 2017). 428 BFHE 258, 317 (Rz. 24 ff.); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 191 (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 266 (Mai 2017). 429 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 248); s. auch Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG /  KStG, § 22 Rn. 318 (September 2016). 430 So überzeugend FG Düsseldorf EFG 2010, 793 (Rz. 23).

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unter bestimmten Voraussetzungen als Vereinfachungsregel auch eine beitragsproportionale Aufteilung der Leistungen für zulässig.431 Auch wenn ein Steuerpflichtiger sowohl an die gesetzliche Rentenversicherung als auch an eine berufsständische Versorgungseinrichtung Beiträge entrichtet hat, muss § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG auf jede Leibrente oder andere Leistung getrennt angewendet werden, sodass der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung beruhende Anteil jeder Leistung getrennt ermittelt werden muss.432 Dies macht eine Zuordnung der zuvor (zur Beantwortung der Frage, ob in einem Jahr Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden) zusammengerechneten433 Beiträge erforderlich.434 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag vorrangig der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind,435 was zur Folge hat, dass die Öffnungsklausel vorrangig auf Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen anzuwenden ist.436 Auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Öffnungsklausel im Ergebnis nur dann anzuwenden, wenn bereits die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung den Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung überstiegen haben,437 was nur bei der Entrichtung von Höherversicherungsbeiträgen (zusätzlich zum Höchstbeitrag) der Fall sein kann.438 431

S. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 249): Es wird „zugelassen, dass die tatsächlich geleisteten Beiträge und die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge zum im entsprechenden Jahr maßgebenden Höchstbeitrag ins Verhältnis gesetzt werden. Aus dem Verhältnis der Summen der sich daraus ergebenden Prozentsätze ergibt sich der Prozentsatz für den Teil der Leistung, der auf Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags entfällt“; FG Düsseldorf EFG 2010, 793 (Rz. 34) bezweifelt wohl, dass diese beitragsproportionale Aufteilung eine zutreffende Gesetzes­ auslegung darstellt; ausdrücklich keine Bedenken hat FG München EFG 2014, 1089 (Rz. 22). 432 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 248); BFHE 258, 317 (Rz. 32); BFH / N V 2016, 388 (Rz. 23); ein ausführliches Beispiel findet sich bei OFD Magdeburg v. 29. 4. 2010 – S 2255–85-St 224, juris. 433 S. oben im Text bei Fn. 427. 434 BFHE 258, 317 (Rz. 32); BFH / N V 2016, 388 (Rz. 24); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 268 (Mai 2017). 435 S. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 253). 436 BMF BStBl.  I  2013, 1087 (Tz.  255); OFD Frankfurt am Main Rundvfg. v. 27. 1. 2016 – S 2255 A-37-St 220, juris (unter IV.); s. auch FG München EFG 2013, 2004 (Rz. 26): „Damit wird im Ergebnis der Anteil der gesetzlichen Rente, der auf Beiträgen beruht, die den Höchstbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen und damit der günstigeren Ertragsanteilsbesteuerung zu unterwerfen sind, bei Bezug der gesetzlichen Rente geringer“. 437 OFD Magdeburg v. 29. 4. 2010, S 2255-85-St 224, juris (unter I. 2.). 438 S. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 255): „Aufgrund der Zahlung von Höherversicherungsbeiträgen […] wurden auch an die gesetzliche Rentenversicherung Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Diese Beiträge sind der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen. Die gesetzliche Rentenversicherung hat auf der Grundlage der Entgeltpunkte des Jahres […] den Anteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu ermitteln, der auf Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags entfällt. Dabei gelten die fiktiven Entgeltpunkte für die Höherversicherungsbeiträge innerhalb der Rentenversicherung vorrangig als oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet“.

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1. Teil: Ausgangslage

Für den Steuerpflichtigen wirkt sich die Auffassung der Finanzverwaltung vorteilhaft aus, wenn die von ihm bezogenen Leistungen aus der berufsständischen Versorgungseinrichtung höher sind als diejenigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, was zumeist der Fall sein dürfte.439 Der Bundesfinanzhof hat die Auffassung der Finanzverwaltung mit ausführlicher und überzeugender Begründung gebilligt.440 Das zentrale Argument des Bundesfinanzhofs ist, dass die vorrangige Zuordnung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zwei typisierende Annahmen des Gesetzgebers zutreffend abbilde: Zum einen die Annahme, dass „bei Beiträgen in die […] gesetzliche Rentenversicherung bis zum Erreichen des jährlichen Höchstbeitrags […] das Verbot der Doppelbesteuerung auch dann beachtet [sei], wenn solche Beiträge von Selbständigen als Pflicht- oder freiwillige Beiträge erbracht wurden“441, und zum anderen die Annahme, „dass gerade auf hohen Beiträgen zu berufsständigen [sic!] Versorgungseinrichtungen beruhende Renten sonst vom Verbot der Doppelbesteuerung betroffen sein könnten“442. cc) Einmalleistungen Die h. M. geht davon aus, dass Einmalleistungen, soweit auf sie die Öffnungsklausel Anwendung findet, überhaupt nicht der Besteuerung unterliegen, also insbesondere auch keiner Ertragsanteilsbesteuerung, weil sie keinen Ertrag aus einem Rentenrecht im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG enthielten.443 Zwar gibt es keine Einmalleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, für die die Öffnungsklausel relevant werden könnte,444 jedoch stellt sich mit Blick auf die Argumentation der h. M. die Frage, wie sich die Anwendung des

439

Vgl. Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 Rn. 316 (September 2016). S. BFH / N V 2016, 388 (Leitsatz u. Rz. 24 ff.). 441 BFH / N V 2016, 388 (Rz.  43). 442 BFH / N V 2016, 388 (Rz.  43). 443 S. BFH / N V 2010, 1275 (Rz. 38); 2014, 328 (Rz. 19); Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 47; Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 Rn.  318 (September 2016); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 190 f. (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 267 (Mai 2017); i.Erg. ebenso BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 256 f.). 444 Die meisten Einmalleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind ohnehin gem. § 3 EStG steuerfrei und Zinsen n. § 44 SGB I unterfallen nach Verwaltungsauffassung und Rspr. des BFH nicht § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, s. oben § 2 I. 1. c) u. d). Sofern man mit der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass Zinsen n. § 44 SGB I grundsätzlich doch von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG erfasst werden, muss man m. E. annehmen, dass diese Zinsen im Ergebnis nicht i. S. d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG auf Beiträgen beruhen, weil sie nicht „Gegenleistung“ für die Entrichtung von Beiträgen sind. Das überzeugt auch mit Blick auf den Zweck der Öffnungsklausel (Vermeidung doppelter Besteuerung), weil man Zinsen n. § 44 SGB I jedenfalls nicht als Rückfluss bzw. Rückzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen ansehen kann, sodass sie grundsätzlich nicht von doppelter Besteuerung betroffen sein können, vgl. oben § 1 (vor I.). 440

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§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG auf Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI auswirkt. Die Steigerungsbeträge sind nach den Vorschriften des SGB VI keine Rente, sondern eine Zusatzleistung,445 sodass man Zweifel haben könnte, ob sie Erträge aus einem Rentenrecht enthalten; jedoch können die steuerrechtliche und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung freilich auch voneinander abweichen.446 Das FG Hessen hat in einer Entscheidung angenommen, dass es sich bei den Steigerungsbeträgen um einen Bestandteil der Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG handelt. Das FG Hessen geht dabei von einem einheitlichen „Rentenstammrecht“ aus. Die Steigerungsbeträge werden, soweit auf sie die Öffnungsklausel Anwendung findet, der Ertragsanteilsbesteuerung unterworfen.447 Im Ergebnis überzeugt das, weil die Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI auf Beiträgen beruhen und zwingend mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verknüpft sind (sie erhöhen die Rente schlicht um einen bestimmten Betrag in Euro),448 sodass eine Ertragsanteilsbesteuerung in der Sache ebenso sinnvoll sein kann wie bei einer Leibrente. Zu kritisieren ist aber, dass ein sog. Renten(stamm)recht449 offenbar allgemein als Voraussetzung für die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.  bb EStG angesehen wird. Das betrifft sowohl die Argumentation der h. M. hinsichtlich der Einmalleistungen als auch diejenige des Finanzgerichts hinsichtlich der Steigerungsbeträge. Hingewiesen sei zunächst darauf, dass darin ein Widerspruch zur Annahme der h. M. liegt, dass eine Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG kein Renten(stamm)recht voraussetzt.450 Das Erfordernis eines Renten(stamm)rechts scheint sich aber aus dem Wortlaut des § 22

445 S. § 269 Abs. 1 Satz 1 SGB VI: „zusätzlich zum Monatsbetrag einer Rente“; s. außerdem die amtliche Überschrift der §§ 269 bis 270a SGB VI: „Zusatzleistungen“. 446 S. oben § 2 I. 1. 447 Zum Ganzen FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 28 f.); hierzu BFH DStR 2021, 773 (Rz. 23 ff., 37 ff.): „Nach diesen Maßstäben stellen die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente des Klägers steuerbare Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dar, wobei der Senat offenlassen kann, ob es sich dabei isoliert betrachtet – wofür die rentenförmige Auszahlung der Beträge sprechen könnte – um eine Leibrente oder um andere Leistungen im Sinne der Vorschrift handelt“ (Rz. 26); „Aus alledem ergibt sich, dass die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung bei steuerrechtlicher Beurteilung der Basisversorgung zuzuordnen sind und als Teil der Rente geleistet werden“ (Rz. 28); „Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass das FA die Öffnungsklausel […] anwenden konnte, da es an dem hierfür erforderlichen Antrag für das Streitjahr fehlt“ (Rz. 37). 448 S. oben § 2 I. 1. b). 449 Die Begriffe Rentenrecht, Rentenstammrecht und Stammrecht werden, soweit ersichtlich, synonym gebraucht, vgl. auch BFH BStBl. II 1989, 551 (555). 450 Gegen das Erfordernis eines Renten(stamm)rechts Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 112 (September 2019); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 58 (November 2020); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 141 (Mai 2017); unklar Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 EStG Rn. 36 f. (Juni 2018).

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1. Teil: Ausgangslage

Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG zu ergeben. Jedoch ist der Wortlaut des Gesetzes an dieser Stelle fehlerhaft formuliert, was auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist und deshalb im Rahmen der Auslegung korrigiert werden kann und muss. Richtigerweise müsste die Formulierung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG in Anlehnung an § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a. F. (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) lauten:451 „Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch Leibrenten und andere Leistungen, die nicht solche im Sinne des Doppelbuchstaben aa sind, insoweit, als [nicht: „und bei denen“ (!)] in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind“. Die vom alten Recht abweichende kumulative Verknüpfung der beiden Satzteile des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG („und“), die das Renten(stamm)recht als Anwendungsvoraussetzung der Ertragsanteilsbesteuerung erscheinen lässt, ist offensichtlich fehlerhaft, weil sie dazu führt, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG insgesamt überhaupt keine Anordnung über den Umfang der Besteuerung trifft. Dem Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz lässt sich keine Erklärung für die Abweichung entnehmen; sie stellt sich als gesetzgeberisches Versehen dar.452 Eine Anordnung über den Umfang der Besteuerung ergibt sich erst aus der Formulierung „insoweit, als“. Mit dieser Formulierung stellt sich das Renten(stamm)recht aber nicht mehr als Anwendungsvoraussetzung für die Ertragsanteilsbesteuerung dar, sondern lediglich als ein technisches Vehikel, das der Bemessung des Umfangs der Besteuerung dient. Bestätigt wird die hier vorgeschlagene Lesart des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 1 EStG durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Sätze 3 und 4 EStG, wo der Ertrag des Renten(stamm)rechts fingiert (Satz 3: „gilt“) und durch das Gesetz vorgegeben wird (Satz 4). Zur hier vertretenen Auffassung passt, dass der Bundesfinanzhof mit Blick auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a. F. (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) angenommen hat, dass die Ertragsanteilsbesteuerung ein Renten(stamm)recht nicht voraussetzt.453 c) Exkurs: Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG Die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG bewirkt durch die Anknüpfung an starre (in Zahlen gefasste) Tatbestandsmerkmale (10-Jahre-Grenze; Entrichtung von Beiträgen oberhalb des Betrags des 451 Der Gesetzgeber wollte mit § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG die Ertragsanteilsbesteuerung nach dem Konzept des alten Rechts für bestimmte Leistungen (mit im Vergleich zum alten Recht niedrigeren Ertragsanteilen) weiterführen, s. BR-Drucks. 2/04, S. 70 f. 452 Vgl. BR-Drucks. 2/04, S. 70 f. 453 S. BFH BStBl. II 1989, 551 (554).

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Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung), dass wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird: Zwischen dem Steuerpflichtigen, der die 10-JahresGrenze und / oder den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gerade überschritten hat, und dem Steuerpflichtigen, bei dem dies ganz knapp nicht der Fall ist, wird sich kein wesentlicher Unterschied mit Blick auf das Risiko doppelter Besteuerung ausmachen lassen, deren Vermeidung den Zweck der Öffnungsklausel darstellt.454 Deshalb liegt eine vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung vor.455 Der Bundesfinanzhof und Teile der Literatur gehen davon aus, dass diese Ungleichbehandlung „vor dem Hintergrund der Administrierbarkeit und Praktikabilität […] [des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG] als verfassungsgemäß anzusehen“456 sei. Dem ist, wie nachfolgend dargelegt wird, im Ergebnis zu widersprechen; § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG ist verfassungswidrig.457 § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG enthält eine typisierende und pauschalierende Regelung. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Vorschrift den Zweck, doppelte Besteuerung zu vermeiden. Diesen normativen Leitgedanken hat der Gesetzgeber aber im gesetzlichen Tatbestand nicht direkt zum Ausdruck gebracht, sondern er hat durch das Anknüpfen an bestimmte Merkmale (Entrichtung von Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung; 10-Jahre-Grenze) Sachverhalte erfasst, in denen es typischerweise zu doppelter Besteuerung kommen soll.458 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Vergröberung (durch Typisierung bzw. Pauschalierung) und der damit notwendigerweise einhergehenden Ungleichbehandlungen ergibt sich nicht bereits aus dem eigentlichen Zweck der in Rede stehenden Regelung (hier: Vermeidung doppelter Besteuerung); vielmehr bedarf es eines gesonderten sachlichen Grundes gerade für die Vergröberung.459 Diesbezüglich als Rechtfertigungsgrund allgemein anerkannt ist die Notwendigkeit der Verwaltungsvereinfachung bzw. 454

Zum Zweck der Öffnungsklausel BT-Drucks. 15/3004, S. 20; Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 47; Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 192 (November 2020); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 EStG Rn. 91 (Juni 2018); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 260 (Mai 2017). 455 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 270 (Mai 2017). 456 BFH BStBl. II 2011, 579 (Rz. 91); s. auch BFH / N V 2014, 41 (Rz. 12); aus der Lit. Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 193 (November 2020); mit bloßem Hinweis auf die Rspr. Heß / Golombek, in: Lademann, EStG, § 22 Rn. 233 (September 2019); Lindberg, in: Frotscher / Geurts, EStG, § 22 Rn. 157g (August 2018). 457 Ebenso bereits Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 270 (Mai 2017); Zweifel an der „Angemessenheit“ der 10-Jahres-Grenze hat auch Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 Rn.  317 (September 2016). 458 Zur Beschreibung gesetzgeberischer Typisierungen in diesem Sinne im Allgemeinen Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 170 ff. 459 Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 172.

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1. Teil: Ausgangslage

-praktikabilität.460 In der Literatur wird teilweise angenommen, dass vergröbernde Regelungen auch bei Alternativlosigkeit zulässig seien, also dann, „wenn sich der betreffende Regelungsgedanke tatbestandlich von vornherein nicht anders abbilden lässt“461, was vorliegend aber keine Rolle spielt, weil der Zweck der Vermeidung doppelter Besteuerung durchaus mit Hilfe einer abstrakten Generalklausel im Sinne einer allgemeinen Härtefallklausel hätte verfolgt werden können.462 Soll die durch eine typisierende bzw. pauschalierende Regelung verursachte Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung bzw. -praktikabilität gerechtfertigt werden, so muss die Regelung zur Verwaltungsvereinfachung zunächst geeignet sein.463 Die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG erspart der Finanzverwaltung im Vergleich zu einer gedachten allgemeinen Härtefallklausel (ohne Typisierung bzw. Pauschalierung) auf den ersten Blick die aufwändige Prüfung, ob im konkreten Fall doppelte Besteuerung vorliegt. Allerdings fordern Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof die „strikte“ Vermeidung doppelter Besteuerung „in jedem Fall“.464 Der Bundesfinanzhof nimmt an, dass „[u]nabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel […] im konkreten Einzelfall zusätzlich das Verbot der Doppelbesteuerung beachtet werden“465 muss. Kommt es im konkreten Einzelfall zu doppelter Besteuerung, dann soll dem Steuerpflichtigen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs „aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen […] ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen“466. Denkt man diese Konzeption des Bundesfinanzhofs zu Ende, so kann damit (de lege lata) nur gemeint sein, dass der Steuerpflichtige bei Vorliegen doppelter Besteuerung einen Anspruch auf einen Billigkeitserlass nach §§ 163, 227 AO hat.467 Daraus folgt, dass die Finanzverwaltung oder das Finanzgericht (bei Vorliegen hinreichend gewichtiger Anhaltspunkte) die Prüfung, ob ein Steuerpflichtiger von doppelter Besteuerung betroffen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanz 460 S. BVerfGE 100, 195 (205); 127, 224 (245 f., 254); 135, 126 (Rz. 71); 148, 147 (Rz. 136); 152, 274 (Rz. 102); Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.145; Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 173; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 453 (Oktober 2020). 461 Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 173 f., der als Beispiel den Bereich der gemischten Aufwendungen nennt. 462 Vgl. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017): „In verfassungsrechtl. Hinsicht ist dem Gesetzgeber daher das Fehlen einer solchen, allgemein geltenden Härteklausel vorzuhalten“; dazu auch unten § 6 III. 463 Deutlich BVerfGE 135, 126 (Rz. 70 ff.); Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.147; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 454 (Oktober 2020); s. auch Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 175: „Zu fragen ist also etwa, inwieweit durch die konkrete normative Ausgestaltung die Verwaltungspraktikabilität gefördert wird“. 464 Zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BFHE 254, 545 (Rz. 23) m. w. N. 465 BFH BStBl. II 2011, 579 (Rz. 92); auch BFH BStBl. II 2011, 591 (Rz. 43); BFH / N V 2016, 388 (Rz. 36). 466 BFHE 254, 545 (Rz. 24); s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). 467 S. unten § 7 I.

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hofs ohnehin in jedem Einzelfall vorzunehmen hat.468 Deshalb ist § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG zur Verwaltungsvereinfachung nicht geeignet, sondern erzeugt sogar zusätzlichen Verwaltungsaufwand.469 Man könnte zwar anführen, dass die Finanzverwaltung in der Praxis einen Festsetzungserlass wohl kaum ohne Antrag des Steuerpflichtigen prüfen und vermutlich den Antrag in der Regel ablehnen wird (möglicherweise in vielen scheinbar unproblematischen Fällen sogar ohne „echte“ Prüfung), wogegen dann nur wenige Steuerpflichtige Rechtsbehelfe ergreifen werden, sodass der vorstehend beschriebene Verwaltungsaufwand praktisch sehr gering ausfallen dürfte. Jedoch ist mit Blick auf eine solche (überspitzt ausgedrückt) „Strategie des Aussitzens“, die der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zuwiderläuft, kaum eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

II. Einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen Nachfolgend geht es um die einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen. Behandelt wird die seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes geltende Rechtslage, ebenso wie die Rechtslage nach alten Fassungen des EStG. Das alte Recht ist vorliegend relevant, weil Steuerpflichtige, die heute und in nächster Zukunft Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, einen (im Laufe der Zeit abnehmenden) Teil ihrer Rentenversicherungsbeiträge unter Geltung dieses alten Rechts entrichtet haben. Die Rahmenbedingungen für die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ergeben sich aus dem SGB VI. Eine Pflicht zur Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen besteht nur für in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige Personen im Sinne der §§ 1 bis 6 SGB VI (insbesondere Arbeitnehmer, aber auch bestimmte Selbstständige)470.471 Freiwillig versicherte Personen im Sinne des § 7 SGB VI sind zwar nicht beitragspflichtig, haben aber eine Berechtigung zur Beitragsentrichtung.472 Im Rentenversicherungsrecht wird  – wie im gesamten Sozialversicherungsrecht – hinsichtlich der Entrichtung der Beiträge unterschieden zwischen der Verteilung der Beitragslast (Beitragstragung), also der Frage, wer die Beiträge wirt 468 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 30): „Wird […] substantiiert vorgetragen, dass das Verbot einer doppelten Besteuerung verletzt sei, ist es Aufgabe des FG, dem nachzugehen. Auch insoweit gilt der Amtsermittlungsgrundsatz“. 469 So bereits Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 270 (Mai 2017). 470 Zum Kreis der Versicherten s. oben § 2 I. 1. 471 BSGE 41, 297 (Rz. 12); Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 780. 472 Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl.  2009, S. 781; Voelzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 18 Rn. 8, 36.

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1. Teil: Ausgangslage

schaftlich aus eigenen Mitteln aufzubringen hat, und der (technischen) Zahlung der Beiträge.473 Die Verteilung der Beitragslast ist nach §§ 168 ff. SGB VI in Abhängigkeit von der Situation des jeweiligen Versicherten ganz unterschiedlichen Personen bzw. Stellen zugewiesen. Bei Arbeitnehmern werden die Beiträge gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI grundsätzlich vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber je zur Hälfte getragen (Arbeitnehmeranteile bzw. Arbeitgeberanteile),474 es gibt aber Ausnahmen, z. B. trägt bei Arbeitnehmern, die Kurzarbeitergeld beziehen, der Arbeitgeber die Beiträge nach § 168 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI alleine. Kraft Gesetzes oder auf Antrag pflichtversicherte Selbstständige tragen ihre Beiträge nach § 169 Nr. 1 SGB VI grundsätzlich selbst. Auch hier gibt es aber Ausnahmen, etwa für versicherungspflichtige selbstständige Künstler und Publizisten, deren Beiträge gemäß § 169 Nr. 2 SGB VI von der Künstlersozialkasse getragen werden.475 Freiwillig Versicherte tragen ihre Beiträge gemäß § 171 SGB VI stets selbst. Nach § 173 SGB VI sind Beiträge, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, von demjenigen unmittelbar an den Rentenversicherungsträger zu zahlen, der die Beiträge zu tragen hat.476 Beim Grundsatz des § 173 SGB VI bleibt es im Ergebnis 473

S. BSGE 86, 262 (Rz. 22); Axer, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6.  Aufl. 2018, § 14 Rn. 56 ff.; Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 780. 474 Abweichend von § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geht BSGE 86, 262 (Rz. 32 ff., 47 ff.) wegen § 28g Sätze 1 bis 3 SGB IV bei § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Zusammenhang mit der Beitragserstattung in einem Fall, in dem der Arbeitgeber sein Abzugsrecht n. § 28g Satz 2 SGB IV nicht geltend gemacht hat, davon aus, dass die gesamte Beitragslast dem Arbeitgeber zugeordnet ist. Der Arbeitgeber dürfe diese nur im Einzelfall nach § 28g SGB IV auf den Arbeitnehmer abwälzen, müsse dies aber nicht tun; im Anschluss BSGE 92, 113 (Rz. 92): „Als einzige Rechtsfolge der […] Last der Beschäftigten, die vom Arbeitgeber geschuldeten Beiträge (anteilig) zur Hälfte zu tragen, bestimmt das Gesetz, dass der Arbeitgeber lediglich die Befugnis hat, einen Betrag von höchstens der Hälfte seiner Beitragsschuld durch anteiligen Abzug vom geschuldeten Arbeitslohn re zu finanzieren [sic!]“. In gewisser Hinsicht liegt eine Abweichung von § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auch darin, dass teilweise angenommen wird, dass der Arbeitnehmer bei „ökonomischer Betrachtung“ auch den Arbeitgeberanteil zu tragen hätte, s. dazu (ablehnend) Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 586 ff. 475 Zu beachten ist aber, dass § 169 Nr. 2 SGB VI die Beitragstragung nur gegenüber dem Rentenversicherungsträger regelt, nicht aber im Verhältnis zwischen Künstlersozialkasse und Versichertem. Gem. § 15 Satz 1 Künstlersozialversicherungsgesetz hat der Versicherte an die Künstlersozialkasse als Beitragsanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung die Hälfte des sich aus den entsprechenden Vorschriften des SGB VI ergebenden Beitrages zu zahlen, s. Wehrhahn, in: Körner / Leitherer / Mutschler / Rolfs, Kasseler Kommentar, § 169 SGB VI Rn. 4 (März 2016). 476 Auf den ersten Blick nicht ganz eindeutig verwendet das Gesetz in § 173 SGB VI den Begriff des Beitragsschuldners, der an keiner anderen Stelle im SGB VI auftaucht. Richtigerweise ist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch und mit § 24 Abs. 2 SGB IV derjenige als Beitragsschuldner zu bezeichnen, der die Beiträge zahlen muss (und nicht derjenige, der sie zu tragen hat), s. BSGE 86, 262 (Rz. 33); Axer, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 14 Rn. 57; Schmidt, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 49 Rn. 178; Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 178; auch Preis, in: Fuchs / P reis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 742; anders aber Preis, a. a. O., S. 780. Andere Personen als der Beitragsschuldner sind weder verpflichtet noch berechtigt, die Beiträge zu zahlen, s. BSGE 86, 262 (Rz. 34).

§ 2 Einfaches Recht 

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aber nur für freiwillig Versicherte und die Mehrheit der pflichtversicherten Selbstständigen.477 Eine abweichende Regelung sieht § 174 Abs. 1 SGB VI insbesondere für Arbeitnehmer vor. Hier gelten für die Zahlung der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberanteile die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag: Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 und § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat grundsätzlich der Arbeitgeber die Beiträge an die Krankenkassen als Einzugsstellen zu zahlen.478 Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile gilt dabei gemäß § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV als aus dem Vermögen des Arbeitnehmers bewirkt. Die einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen ist in ihren Grundlinien seit langer Zeit unverändert geregelt: Vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge sind und waren als Sonderausgaben steuermindernd abziehbar (s. unten 1.). Bei Arbeitnehmern sind und waren die Arbeitgeberanteile steuerfrei (s. unten 2.). 1. Sonderausgabenabzug Heute sind Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen479 gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG dem Grunde nach als Sonderausgaben abziehbar. Erstmals war in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1955480 die Rede vom Sonderausgabenabzug für Beiträge „zu den gesetzlichen Rentenversicherungen“. Auch zuvor waren die Rentenversicherungsbeiträge aber bereits als Sonderausgaben abziehbar, nämlich als Beiträge zur „Angestellten- bzw. Invalidenversicherung“.481 Die Rürup-Steuerkommission hatte 2003 in ihrem Abschlussbericht, der das Alterseinkünftegesetz vorbereitete, die Einordnung der Rentenversicherungsbeiträge als unbegrenzt abziehbare Werbungskosten vorgeschlagen.482 Der Gesetzgeber ist diesem Vorschlag mit dem Alterseinkünftegesetz (nach hier vertretener Auffassung zu Recht483) nicht gefolgt, sondern hat es bei der Qualifizierung der Rentenversicherungsbeiträge als begrenzt abziehbare Sonderausgaben belassen.484 477

BSGE 86, 262 (Rz. 37); Segebrecht, in: Kreikebohm / Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 173 Rn. 4; Wehrhahn, in: Körner / Leitherer / Mutschler / Rolfs, Kasseler Kommentar, § 173 SGB VI Rn. 4 (Juli 2017). 478 Axer, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 14 Rn. 57; Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 743. 479 Die Formulierung im Plural im Wortlaut des Gesetzes erklärt sich aus dem Nebeneinander von allgemeiner und knappschaftlicher Rentenversicherung, s. § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI; s. oben Fn. 287. 480 BGBl. I 1954, S. 441. 481 S. exemplarisch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1953, BGBl. I 1953, S. 1355. 482 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 4, 13, 21 f. 483 Vgl. oben § 1 I. 2. a) bb) u. b) bb). 484 Art. 1 Nr. 7 G. v. 5. 7. 2004, BGBl. I 2004, 1427; BR-Drucks. 2/04, S. 4, 56 f.; zu dieser Abweichung des Gesetzentwurfs zum Alterseinkünftegesetz vom Abschlussbericht der RürupSteuerkommission s. BFH BStBl. II 2006, 420 (424); Bareis, StbJb 2004/2005, S. 25 (34 ff.).

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1. Teil: Ausgangslage

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es zwar möglicherweise systematisch vorzugswürdig sein könnte, die Rentenversicherungsbeiträge einfachgesetzlich als Werbungskosten einzuordnen, dem Gesetzgeber stehe aber wegen des „doppelgesichtigen Charakters von Altersvorsorgeaufwendungen […], der sowohl in die Einkunfts- als auch in die Vermögenssphäre weist,“ ein weiter Spielraum zu, der mit der Zuweisung zu den Sonderausgaben nicht überschritten sei485.486 Der Sonderausgabenabzug ist und war stets auf vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge beschränkt, bei Arbeitnehmern sind und waren die Arbeitgeberanteile nicht abziehbar (s. unten a)). Außerdem gibt es seit langem einen Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug der Rentenversicherungsbeiträge (s. unten b)). In der Zeit von 2005 bis 2024 hängt der Umfang der als Sonderausgaben abziehbaren Rentenversicherungsbeiträge zudem vom Kalenderjahr der Beitragsentrichtung ab (s. unten c)). a) Sonderausgabenabzug nur für vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG differenziert nicht danach, wer die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung getragen hat. Die Nichtabziehbarkeit der Arbeitgeberanteile als Sonderausgaben ergibt sich erst aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG:487 Demnach ist es eine Voraussetzung für den Abzug u. a. von Rentenversicherungsbeiträgen, dass sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Jedoch sind die Arbeitgeberanteile gerade nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei. Eine dem heutigen § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG entsprechende Regelung wurde 1971 in das EStG ein 485

BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 48); dazu BVerfG, a. a. O., Rz. 47: „Altersvorsorgeaufwendungen in Form von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungseinrichtungen weisen zudem neben ihrer Bestimmung zur Erzielung zukünftiger Einkünfte anders als üblicherweise vorweggenommene Werbungskosten zugleich vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten auf. Durch die in der Aufbauphase geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen werden Anwartschaften begründet, die nach Abschluss der Aufbauphase zu geldwerten Rechtspositionen erstarken. […] Anders als bei Werbungskosten bewirken die Aufwendungen daher nicht eine reine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung, weil der Steuerpflichtige für seine Aufwendungen einen entsprechenden Gegenwert in Form einer Anwartschaft erwirbt, auch wenn er diese in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung […] während der Aufbauphase nicht, etwa durch Beleihung oder Verpfändung, wirtschaftlich nutzen kann“. 486 Zur Diskussion über die Frage der Einordnung der Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten oder Sonderausgaben Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, S. 228 (239 ff.); Fischer, FR 2007, 76; Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 265 ff. (September 2008); ders., FR 2006, 905; Wernsmann, StuW 1998, 317. 487 Bleschick, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 10 Rn. 35a; Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 305 (Dezember 2017); Söhn, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. M 18 (September 2008); Wernsmann, StuW 1998, 317 (321).

§ 2 Einfaches Recht 

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gefügt,488 konkret in § 10 Abs. 1 Satz 4 EStG 1971489. Nach dem zugehörigen Gesetzentwurf wurde diese Regelung lediglich zur Klarstellung in § 10 EStG aufgenommen.490 Der Bundesfinanzhof ging auch vor Schaffung dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bereits von der Nichtabziehbarkeit der Arbeitgeberanteile als Sonderausgaben aus.491 Die Abziehbarkeit der Arbeitgeberanteile als Sonderausgaben ergibt sich heute auch nicht etwa aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 6 EStG, demgemäß die Arbeitgeberanteile zu den als Sonderausgaben abziehbaren Rentenversicherungsbeiträgen hinzuzurechnen sind. Vielmehr betrifft diese Regelung die Berechnung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug. Sie ist im Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 Satz  5 EStG zu sehen,492 nach dem die Arbeitgeberanteile im Ergebnis den als Sonderausgaben abziehbaren Betrag (nicht: den Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug) vermindern. Das auf den ersten Blick wenig sinnvolle Vorgehen, die Arbeitgeberanteile zunächst den abziehbaren Aufwendungen hinzuzurechnen und anschließend wieder von diesen abzuziehen, gewährleistet die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern, die steuerfreie Arbeitgeberanteile erhalten, und Steuerpflichtigen, die ihre Rentenversicherungsbeiträge vollständig selbst zu tragen haben, z. B. pflichtversicherte Selbstständige oder freiwillig versicherte Personen. Dadurch wird verhindert, dass Arbeitnehmern durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG und § 3 Nr. 62 EStG insgesamt eine höhere maximale einkommensteuerliche Entlastung im Zusammenhang mit der Entrichtung von Altersvorsorgeaufwendungen (Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen oder zu Rürup-Verträgen) gewährt wird als denjenigen Personen, die ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vollständig selbst zu tragen haben.493 Nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, warum zur Erreichung dieses Ziels nicht lediglich der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug bei Arbeitnehmern um den Arbeitgeberanteil gekürzt wird. Der Hintergrund hierfür dürfte sein, dass eine solche Regelung die Berechnung der als Sonderausgaben abziehbaren Altersvor-

488

S. Art. 3 Nr. 2 u. Art. 4 § 5 G. v. 21. 12. 1970, BGBl. I 1970, 1770; s. auch BFH BStBl. II 1993, 149 (150). 489 BGBl. I 1971, S. 1881. 490 S. BT-Drucks. 6/1130, S. 5. 491 S. BFH BStBl. III 1958, 266: „Der Gedanke, auch diese Arbeitgeberanteile müßten bei den Arbeitnehmern zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen werden, liegt so fern, daß er bisher nicht aufgetaucht ist“ (juris-Rz. 7; Stellungnahme des beigetretenen Bundesfinanzministeriums); „Zutreffend weist der Bundesminister der Finanzen darauf hin, daß der gesetzliche Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung auch nicht zum Arbeitslohn gehört und daß bisher niemand verlangt hat, beim Arbeitnehmer den Arbeitgeberanteil als Sonderausgabe zum Abzug zuzulassen“ (juris-Rz. 9); s. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 305 (Dezember 2017). 492 Deshalb hätte die Regelung vom Gesetzgeber sinnvollerweise in § 10 Abs. 3 EStG eingeordnet werden müssen, vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 75 (Dezember 2017). 493 Vgl. BFH BStBl. II 2010, 282 (Rz. 50 f.); 2010, 414 (Rz. 54 f.).

102

1. Teil: Ausgangslage

sorgeaufwendungen während des seit 2005 ablaufenden Systemwechsels hin zur sog. nachgelagerten Besteuerung494 verzerrt hätte, da in dieser Zeit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG nur ein bestimmter Prozentsatz der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abziehbar ist.495 Der Prozentsatz würde sich ohne die vorherige Hinzurechnung des Arbeitgeberanteils bei Arbeitnehmern verhältnismäßig anders in absoluten Eurobeträgen auswirken als bei Steuerpflichtigen, die ihre Rentenversicherungsbeiträge vollständig selbst zu tragen haben, was unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten problematisch wäre. Dass es darum geht, lässt auch die im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz ursprünglich vorgesehene Konstruktion vermuten, nach der einerseits der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug (nicht: der als Sonderausgaben abziehbare Betrag) dauerhaft um den Arbeitgeberanteil gekürzt werden sollte und andererseits eine Hinzurechnung der Arbeitgeberanteile zu den als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen nur während des momentan ablaufenden Systemwechsels erfolgen sollte.496 b) Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug Der Sonderausgabenausgabenabzug für Rentenversicherungsbeiträge ist seit Langem der Höhe nach begrenzt. Heute findet sich der Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG, zu denen auch die Rentenversicherungsbeiträge zählen, in § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG.497 Als Höchstbetrag wird hier seit 2015498 nicht ein fester Betrag in Euro bezeichnet, sondern der Höchstbetrag ist dynamisch an den Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (West499) gekoppelt, welcher regelmäßig angepasst (erhöht) wird.500 Aktuell 494

Dazu s. unten § 2 IV. 1. Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  359 (Dezember 2017): „Diese Hinzurechnung und spätere Kürzung bewirkt im Erg., dass der Übergangsfaktor auch den stfreien ArbG-Anteil erfasst“. 496 S. BR-Drucks. 2/04, S. 5 f. 497 Vorliegend nicht behandelt wird die Kürzung des Höchstbetrags gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 EStG, weil sie nur Personengruppen betrifft, die vorliegend nicht von Interesse sind. Die Kürzung betrifft Beamte, Richter, Soldaten etc. (Nr.  1 Buchst.  a), beherrschende GmbH-­ Gesellschafter-Geschäftsführer, AG-Vorstandsmitglieder (Nr. 1 Buchst. b) sowie Abgeordnete (Nr. 2); dazu s. nur Bleschick, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 10 Rn. 25a. 498 S. Art. 5 Nr. 8 Buchst. c Doppelbuchst. aa, Art. 16 Abs. 2 G. v. 22. 12. 2014, BGBl. I 2014, S. 2417; vgl. dazu BT-Drucks. 18/3441, S. 57. 499 S. BT-Drucks. 18/3441, S. 57; BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 59). Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, da in der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung nicht von der Beitragsbemessungsgrenze (West) die Rede ist, sondern von der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) einerseits und der Beitragsbemessungsgrenze andererseits, s. § 3 VO 2021 v. 30. 11. 2020, BGBl. I 2020, S. 2612; anders wohl Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 351 (Dezember 2017). 500 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 351 (Dezember 2017) äußert Kritik daran, dass der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug deshalb im Ergebnis durch Rechtsverordnung, s. sogleich unten Fn. 501, geändert wird. 495

§ 2 Einfaches Recht 

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beträgt der Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung jährlich 25.786,80 Euro.501 Damit liegt der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug von Beiträgen zur (allgemeinen502) gesetzlichen Rentenversicherung deutlich über dem Höchstbeitrag zur (allgemeinen) gesetzlichen Rentenversicherung von aktuell jährlich 15.847,20 Euro (West) bzw. 14.954,40 Euro (Ost),503 sodass der Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG den Abzug der (allgemeinen) Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben grundsätzlich faktisch nicht begrenzt. Zu bedenken ist allerdings, dass der Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Satz  1 EStG nicht nur für Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gilt, sondern darüber hinaus auch für die übrigen Altersvorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG, also auch für Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen oder Rürup-Verträgen. In Fällen, in denen gleichzeitig unterschiedliche Altersvorsorgeaufwendungen entrichtet werden, kann der Höchstbetrag also durchaus relevant werden. In der Zeit von 2005 bis 2014 lag der Höchstbetrag für Altersvorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG a. F. bei jährlich 20.000 Euro.504 Auf diese Höhe festgelegt wurde der Höchstbetrag durch das Alterseinkünftegesetz.505 Im Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, dass der Betrag damals „weit oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (zur Zeit [damals] 11.934 €)“ lag und „daher auch Steuerpflichtigen, die den Höchstbeitrag […] entrichten, ein zusätzliches Vorsorgevolumen ein[räumte]“506.

501 Der jährliche Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung errechnet sich durch Anwendung des jeweils aktuellen Beitragssatzes in der knappschaftlichen Rentenversicherung auf die jeweils aktuelle jährliche Beitragsbemessungsgrenze der knappschaftlichen Rentenversicherung. Die Beitragsbemessungsgrenze ergibt sich aus der SozialversicherungsRechengrößenverordnung und beträgt aktuell im Jahr 2021 jährlich 104.400 Euro, s. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VO 2021 v. 30. 11. 2020, BGBl. I 2020, S. 2612. Der Beitragssatz ergibt sich aus der Beitragssatzverordnung und liegt momentan im Jahr 2021 bei 24,7 Prozent, s. Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 9. 12. 2020, BGBl. I 2020, S. 2764; zum Ganzen s. auch BT-Drucks. 18/3441, S. 57; BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 59). 502 Zum Nebeneinander von allgemeiner und knappschaftlicher Rentenversicherung s. § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. 503 Der jährliche Höchstbeitrag zur allgemeinen Rentenversicherung errechnet sich durch Anwendung des jeweils aktuellen Beitragssatzes in der allgemeinen Rentenversicherung (2021: 18,6 Prozent) auf die jeweils aktuelle jährliche Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung West bzw. Ost (2021: 85.200 Euro bzw. 80.400 Euro); zu den Zahlenwerten vgl. die Nachw. in Fn. 501. 504 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 351 (Dezember 2017). 505 S. Art. 1 Nr. 7 Buchst. c, Art. 18 Abs. 3 G. v. 5. 7. 2004, BGBl. I 2004, S. 1427. Im Referentenentwurf zum Alterseinkünftegesetz war zunächst eine Koppelung des Höchstbetrags an den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten vorgesehen, s. Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 401 (September 2008), die dann aber so nicht in den Gesetzentwurf übernommen wurde. 506 BR-Drucks. 2/04, S. 58.

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1. Teil: Ausgangslage

Dass der Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen heute der Höhe nach überhaupt beschränkt ist, hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Alterseinkünftegesetzes mit dem Ziel der Missbrauchsvermeidung begründet.507 Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof haben dies verfassungsrechtlich nicht beanstandet.508 In der Zeit bis Ende 2004 (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) war der Sonderausgabenabzug für Rentenversicherungsbeiträge immer durch feste Höchstbeträge je Kalenderjahr beschränkt, die stetig, aber in unregelmäßigen Abständen und aus unterschiedlichen Gründen, angehoben wurden.509 Ein wichtiger Unterschied im Vergleich zur seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes geltenden Rechtslage, der auch in der Diskussion über die doppelte Besteuerung eine wichtige Rolle spielt,510 liegt darin, dass sich die Höchstbeträge in der Zeit bis Ende 2004 nicht nur auf Altersvorsorgeaufwendungen bezogen, sondern darüber hinaus einheitlich auch auf andere Vorsorgeaufwendungen, also auf Beiträge zu Kranken-, Unfall-, Pflege-511, Haftpflicht-, Arbeitslosen- und Lebensversicherungen sowie an Bausparkassen512.513 Zuletzt (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) hatte der Höchstbetrag vier Bestandteile:514 Erstens den 1961 eingeführten515 Vorwegabzug516, der bei Ar­

507

S. BR-Drucks. 2/04, S. 38. S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 50 ff.); BFH BStBl.  II 2010, 282 (Rz. 42 ff.); dazu auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  335 (Dezember 2017) m. w. N. aus der Rspr.: „Damit ist diese Frage für die Praxis geklärt“; Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  335 (November 2013) (Altauflage)  hielt die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Vorsorgeaufwendungen der Höhe nach für verfassungswidrig: „Es ist weder erkennbar noch vom Gesetzgeber oder vom BFH begründet worden, dass die herangezogenen – vermeintlich – ‚missbräuchlichen Gestaltungen‘ hinreichendes Gewicht haben, um die Abzugsbeschränkung rechtfertigen zu können“. 509 Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 96, S 1, S 11 (September 2008). 510 S. unten § 5 I. 511 Beiträge zu Pflegeversicherungen sind seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 als Sonderausgaben abziehbar, s. Art. 26 Nr. 2, Art. 68 Abs. 1 G. v. 26. 5. 1994, BGBl. 1994, S. 1014. Für Beiträge zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung gab es jedoch einen eigenständigen Höchstbetrag, s. sogleich unten im Text. 512 Die Abziehbarkeit von Beiträgen zu Bausparkassen als Sonderausgaben wurde ab 1996 gestrichen, s. Art. 3 Nr. 2 G. v. 15. 12. 1995, BGBl. 1995, S. 1783. 513 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 361 (Dezember 2017); s. z. B. § 10 Abs. 1 Nr. 2 u. 3, Abs. 3 Nr. 3 EStG 1961, BGBl. I 1961, S. 1253; § 10 Abs. 1 Nr. 2 u. 3, Abs. 3 Nr. 2 EStG 1971, BGBl. I 1971, S. 1881; § 10 Abs. 1 Nr. 2 u. 3, Abs. 3 EStG 1981, BGBl. I 1981, S. 1249; § 10 Abs. 1 Nr. 2 u. 3, Abs. 2, Abs. 3 EStG 1990, BGBl. I 1990, S. 1898; § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 514 S. § 10 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210; Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 1 (September 2008). 515 S. Art. 1 Nr. 4 G. v. 13. 7. 1961, BGBl. I 1961, S. 981; Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 42 (September 2008). 516 S. § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 508

§ 2 Einfaches Recht 

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beitnehmern anfangs um die steuerfreien Arbeitgeberanteile517 und später nach einigen verkomplizierenden Änderungen518 aus Vereinfachungsgründen ab 1993 pauschal um 16 Prozent der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu kürzen war,519 und der so „insbesondere den selbständig Tätigen einen Ausgleich dafür bieten [sollte], daß der gesetzliche Beitragsanteil des Arbeitgebers zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten beim Arbeitnehmer nicht als beschränkt abzugsfähige Sonderausgabe, sondern als steuerfreier Arbeitslohn behandelt wird“520. Die Kürzung des Vorwegabzugs bei Arbeitnehmern gewährleistete also die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen (sowie anderen Steuerpflichtigen, die ihre Vorsorgeaufwendungen selbst zu tragen hatten) hinsichtlich der einkommensteuerlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen.521 Zusammenveranlagten Ehegatten stand ein verdoppelter Vorwegabzug gemeinsam zu, der auch dann gekürzt wurde, wenn nur ein Ehegatte Arbeitnehmer war und der gegebenenfalls auch um mehr als die Hälfte des verdoppelten Vorwegabzugs, sogar „bis auf null“, gekürzt wurde (überschießende Kürzung).522 Zuletzt hatte der Vorwegabzug eine Höhe von jährlich 3.068 Euro (bzw. 6.136 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten).523 Die Kürzung des Vorwegabzugs bei Arbeitnehmern führte jedenfalls ab 1993 dazu, dass (unter den Arbeitnehmern) praktisch nur Geringverdiener Aussicht auf einen nennenswerten Vorwegabzug hatten.524 Zweitens: Seit jeher ein Bestandteil des Höchstbetrags war der Grund 517

S. z. B. § 10 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. d) EStG 1961, BGBl. I 1961, S. 1253: „[…] diese Beträge vermindern sich, wenn in dem Gesamtbetrag der Einkünfte solche aus nichtselbstständiger Arbeit enthalten sind, um den vom Arbeitgeber geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung“. 518 Zu diesen Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 43 ff. (September 2008). 519 S. Art. 1 Nr. 8 Buchst. b G. v. 21. 12. 1993, BGBl. I 1993, S. 2310; § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210; Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 49 (September 2008); Tiedtke / Reuß, DStR 1994, 957 (957 f.). 520 BT-Drucks. 3/2573, S. 21, wo es weiter heißt: „Dem Gedanken des Ausgleichs und dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung entspricht es am besten, den zusätzlichen Höchstbetrag nicht nur bestimmten Berufsgruppen, sondern grundsätzlich allen Steuerpflichtigen zuzubilligen, jedoch bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit etwaige gesetzliche Beitragsanteile des Arbeitgebers zur Rentenversicherung auf den zusätzlichen Höchstbetrag anzurechnen“. 521 BFH  BStBl.  II  1995, 119 (121); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 362 (Dezember 2017); Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 42 (September 2008); ders., StuW 1990, 356 (361). 522 S. BFH BStBl. III 1966, 676 (Leitsatz); BFH / N V 2001, 773 (Leitsatz); Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 100, S 133, S 254, S 342 (September 2008). 523 S. § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 524 Tiedtke / Reuß, DStR 1994, 957 (958). Das ergibt sich aus einer einfachen Überlegung: Wenn der Vorwegabzug um 16 Prozent der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu kürzen ist, dann lässt sich aus der Höhe des Vorwegabzugs und dem Prozentsatz errechnen, ab welcher Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit der Vorwegabzug auf null gekürzt wird. Im Jahr 1994 wurde Alleinstehenden ein Vorwegabzug von 6.000 DM gewährt, d. h. er wurde ab einem Arbeitslohn von 37.500 DM auf null gekürzt. Im Jahr 2004 lag der Vorwegabzug für Alleinstehende bei 3.068 Euro, sodass der Vorwegabzug ab einem Arbeitslohn von 19.175 Euro auf null gekürzt wurde.

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1. Teil: Ausgangslage

höchstbetrag, der sich zuletzt auf jährlich 1.334 Euro (bzw. 2.668 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten) belief.525 Drittens gab es seit 1995526 den zusätzlichen Höchstbetrag in Höhe von zuletzt jährlich 184 Euro, der sich aber nur auf Beiträge zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung bezog und nur Steuerpflichtigen gewährt wurde, die nach dem 31. 12. 1957 geboren waren.527 Der zusätzliche Höchstbetrag sollte für jüngere Personen, „denen das Pflegefallrisiko noch nicht deutlich vor Augen steht“, einen steuerlichen Anreiz schaffen, sich entsprechend abzusichern.528 Schließlich konnten viertens Vorsorgeaufwendungen, die nach den bisher erwähnten Bestandteilen des Höchstbetrags nicht als Sonderausgaben abziehbar waren, zur Hälfte abgezogen werden, höchstens aber bis zu 50 Prozent des Grundhöchstbetrags; das Gesetz bezeichnete diesen Bestandteil des Höchstbetrags als hälftigen Höchstbetrag.529 Um den vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes zuletzt geltenden vierteiligen Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen voll auszuschöpfen, musste der Steuerpflichtige Vorsorgeaufwendungen in Höhe des Vorwegabzugs, des Grundhöchstbetrags, des zusätzlichen Höchstbetrags (sofern er nach dem 31. 12. 1957 geboren war) sowie des doppelten hälftigen Höchstbetrags entrichten.530 Das Niveau des vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes geltenden Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen ist (im Gegensatz zum Niveau des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug für Alters­ vorsorgeaufwendungen seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes531) als sehr gering einzuschätzen.532 In der Literatur wurden deshalb verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Höchstbetrag mit Blick auf die hinreichende Berücksichtigung existenziell notwendiger Vorsorgeaufwendungen geäußert.533 Der Bundes 525 S. § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210; dazu Söhn, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 350 ff. (September 2008). 526 S. Art. 26 Nr. 2, Art. 68 Abs. 1 G. v. 26. 5. 1994, BGBl. 1994, S. 1014. 527 S. § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 528 BT-Drucks. 12/5262, S. 171. 529 S. § 10 Abs. 3 Nr. 4 EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 530 Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 4, S 377, S 396 (September 2008). 531 S. soeben oben im Text. 532 S. insbes. die Berechnungen und Einschätzungen von Laux, DB  1974, 1880 (1880 f.); ders., BB-Beilage 4/1978, 8 ff.; ders., DStR 1980, 671; ders., BB-Beilage 6/1981, 9 ff.; ders., BB-Beilage 7/1993, 20; ders., BB-Beilage 10/1996, 16; ders., BB-Beilage 3/2001, 17; ders., BB-Beilage 4/2002, 15; ders., BB-Beilage 4/2004, 14; im Anschluss Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (836); auch Arndt, in: Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, August 2001, S. 6 (7); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (990); Seer, StuW 1996, 323 (333 f.); Söhn, StuW 1990, 356 (361 f.); speziell mit Blick auf Selbstständige Eichborn, DB 2000, 944. 533 S. z. B. Eichborn, DB 2000, 944; Fischer, FR 2003, 770 (773 f.); Seer, StuW 1996, 323 (333 f.); Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 22 (September 2008); ders., StuW 1990, 356 (361 f.).

§ 2 Einfaches Recht 

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finanzhof hat den Umfang des Höchstbetrags hingegen als verfassungsgemäß angesehen.534 Die von Arbeitnehmern selbst zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge (nicht nur Rentenversicherungsbeiträge) waren schon bei bescheidenem Arbeitsentgelt nicht mehr voll als Sonderausgaben abziehbar, z. B. im Jahr 2004 bei Alleinstehenden ab einem jährlichen Arbeitsentgelt von 11.978 Euro, bei Verheirateten ab 23.956 Euro.535 Mit steigendem Arbeitsentgelt mussten die selbst zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zunehmend aus versteuertem Einkommen aufgebracht werden: Bei Alleinstehenden waren im Jahr 2004 ab einem Arbeitsentgelt von 25.000 Euro 61,4 Prozent der selbst zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar, bei einem Arbeitsentgelt über 61.800 Euro sogar 82,3 Prozent.536 Kaum anders war die Situation bei Personen, die ihre Vorsorgeaufwendungen vollständig selbst zu tragen hatten (kein Arbeitgeberanteil bei den Sozialversicherungsbeiträgen). Bei ihnen wurde zwar der Vorwegabzug nicht gekürzt, weil ihnen kein Arbeitgeberanteil zustand, sodass sie Vorsorgeaufwendungen in größerem Umfang als Sonderausgaben abziehen konnten als Arbeitnehmer. Allerdings war die Höhe des Vorwegabzugs (und diejenige des Höchstbetrags insgesamt) gemessen an den vollständig selbst zu tragenden Vorsorgeaufwendungen gering.537 c) Abhängigkeit des Umfangs des Sonderausgabenabzugs vom Jahr der Beitragsentrichtung in der Zeit von 2005 bis 2024 Während der Zeit von 2005 bis 2024 ist der Umfang des Sonderausgabenabzugs für Rentenversicherungsbeiträge (und andere Altersvorsorgeaufwendungen) zusätzlich durch § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG begrenzt: Im Jahr 2005 waren nur 60 Prozent der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abziehbar.538 Der Prozentsatz erhöht sich je Kalenderjahr um 2 Prozent. Im Jahr 2025 sind erstmals 100 Prozent der Vorsorgeaufwendungen abziehbar.

534

S. nur BFH BStBl. II 2003, 179. Laux, BB-Beilage 4/2004, 14. 536 Laux, BB-Beilage 4/2004, 14. 537 Vgl. Eichborn, DB 2000, 944 ff., insbes. unter II. 2. b) u. c), der für das Jahr 2000 davon ausgeht, dass von Selbstständigen etwa 15.000 DM jährlich für eine Mindestvorsorge aufgewendet werden mussten, wobei der Höchstbetrag der voll als Sonderausgaben abziehbaren Vorsorgeaufwendungen lediglich bei 8.610 DM und der maximale Abzugsbetrag einschließlich des hälftigen Höchstbetrags bei 9.915 DM lag; s. auch Seer, StuW 1996, 323 (333): „Noch auffälliger wird das Mißverhältnis zwischen dem indisponiblen Vorsorgeaufwand und der Bemessung der steuerlichen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen bei Selbständigen, wie das Beispiel eines freiberuflichen Rechtsanwalts zeigt: […]“. 538 S. § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG i. d. F. des Alterseinkünftegesetzes v. 5. 7. 2004, BGBl. I 2004, 1427. Durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. bb, Art. 5 G. v. 24. 6. 2013 wurden mit Wirkung zum 1. 7. 2013 in § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG die Wörter „2005 sind 60 Prozent“ durch die Wörter „2013 sind 76 Prozent“ ersetzt. 535

108

1. Teil: Ausgangslage

Hintergrund der zeitlichen Staffelung ist, dass § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG zu den Übergangsregelungen gehören,539 die bei der Besteuerung unter anderem der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen seit 2005 ablaufenden Systemwechsel hin zur sog. nachgelagerten Besteuerung bewirken.540 Die sofortige vollständige Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben ab 2005 kam nach der Begründung des Gesetzgebers aus fiskalischen Gründen nicht in Betracht, weil sie zu nicht verkraftbaren Steuermindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe (jährlich) geführt hätte.541 Für die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG geregelte zeitliche Staffelung des Umfangs der Besteuerung der Renten zwischen 2005 und 2039 ist der Zeitpunkt des Rentenbeginns maßgeblich.542 Die in § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG vorgesehene zeitliche Staffelung des Umfangs des Sonderausgabenabzugs für Rentenversicherungsbeiträge zwischen 2005 und 2024 knüpft hingegen an den Zeitpunkt der Beitragsentrichtung an. Die einkommensteuerliche Entlastung der Rentenversicherungsbeiträge ist also, weil sie nicht auch an den (voraussichtlichen) Zeitpunkt des Rentenbeginns angebunden ist, unabhängig davon, in welchem Umfang später die Rente der Einkommensteuer unterliegt.543 In der Literatur wird kritisiert, dass deshalb „[d]er Umfang der späteren Besteuerung […] mit dem Umfang des Abzugs der Beiträge […] noch nicht einmal ansatzweise abgestimmt“ sei, worin ein Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit liege.544 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch im Anschluss an den Bundesfinanzhof entschieden, dass die Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG grundsätzlich (vorbehaltlich der Prüfung, ob es zu doppelter Besteuerung kommt) mit verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang steht.545 Auf den Zusammenhang zwischen der prozentualen Begrenzung des Abzugs der Rentenversicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG während der Zeit von 2005 bis 2024 und den Regelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 6 EStG sowie des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG, nach denen die Arbeitgeberanteile zunächst den als Sonderausgaben abziehbaren Rentenversicherungsbeiträgen hinzuzurechnen sind und anschließend vom als Sonderausgaben abziehbaren Betrag abzuziehen sind, wurde bereits oben hingewiesen.546

539

Übergangsregelungen finden sich außerdem in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG, s. dazu oben § 2 I. 2. a), und in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, s. dazu oben § 2 I. 2. b). 540 Dazu s. unten § 2 IV. 1. 541 BR-Drucks.  2/04, S. 39; Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 35; vgl. auch BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 66). 542 S. oben § 2 I. 2. a). 543 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 64). 544 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017); s. auch Stützel, DStR 2010, 1545 (1547). 545 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 62 ff.); BFH / N V 2010, 412 (Rz. 67 ff.). 546 S. oben § 2 II. 1. a).

§ 2 Einfaches Recht 

109

2. Steuerfreiheit der Arbeitgeberanteile Heute sind die Arbeitgeberanteile der Rentenversicherungsbeiträge im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI im Ergebnis nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei.547 Diese Regelung wurde 1971 „zur Herbeiführung einer eindeutigen Rechtsgrundlage“548 in das EStG übernommen.549 Bereits zuvor gehörten vom Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Verpflichtung getragene Rentenversicherungsbeiträge ausweislich der Lohnsteuerdurchführungsverordnung nicht zum Arbeitslohn.550 Nach h. M. ist § 3 Nr. 62 EStG hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung lediglich deklaratorisch.551 Es liege kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn vor, weil die Arbeitgeberanteile vom Arbeitnehmer nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu beurteilen seien. Der Arbeitgeber erbringe die Arbeitgeberanteile aufgrund einer eigenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Die Arbeitgeberanteile seien wegen des Umlageverfahrens nicht „fremdnützig“ für den Arbeitnehmer, sondern würden den aktuellen Rentnern etc. zugewendet. Der einzelne Arbeitnehmer erhalte „weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs“. Es würden „[w]eder seine spätere Rente noch sein Teilhaberrecht (prozentuale Rangstelle) noch ein sonstiges Recht […] (auch nur der rechtlichen Möglichkeit nach) erhöht“552. Der Vorgang könne auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht so behandelt werden, als ob der Arbeitgeber die Beiträge an den Arbeitnehmer zahle und der Arbeitnehmer sie dann zur Finanzierung seiner Zukunftssicherung einsetze.553 Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob § 3 Nr. 62 EStG hinsichtlich der Arbeitgeberanteile als deklaratorisch oder als konstitutiv zu bewerten ist, in BVerfGE 105, 73 angesprochen, aber offengelassen.554 Die h. M. vermag nicht zu überzeugen: Durch die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen (sowohl durch die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberanteile) wird eine Versorgungsanwartschaft angeschafft, bei der es sich um ein nicht 547

S. nur von Beckerath, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 3 Rn. 162. BT-Drucks. 6/1130, S. 5. 549 S. Art. 3 Nr. 1, Art. 4 § 5 G. v. 21. 12. 1970, BGBl. I 1970, 1770. 550 S. § 2 Abs. 4 LStDV 1970, BGBl. I 1969, 1033; § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV 1949, WiGBl. 1949, 157; von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 62 Rn. B 62/2 (März 2018) weist außerdem auf § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDB 1939 hin. 551 S. BFH BStBl.  II 2003, 34 (Leitsatz  1 u. S. 35); von  Beckerath, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 62 Rn. B 62/11 (März 2018); Bergkemper, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, § 3 Nr. 62 EStG Rn. 3 (Oktober 2019); Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 590 f.; Tormöhlen, in: Korn, EStG, § 3 Nr. 62 Rn. 1.1 (Juli 2018); Valta, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 3 Nr. 62 EStG Rn. 1 (November 2020). 552 Zur Argumentation und den wörtlichen Zitaten BFH BStBl. II 2003, 34 (35). 553 S. von Beckerath, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 62 Rn. B 62/11 (März 2018). 554 S. BVerfGE 105, 73 (95). 548

110

1. Teil: Ausgangslage

abnutzbares finanzielles Wirtschaftsgut handelt.555 Die Annahme, dass darin kein einkommensteuerlich relevanter Vorteil des Arbeitnehmers liegen soll, erschließt sich nicht.556 Darauf, dass die gesetzliche Rentenversicherung im Umlageverfahren finanziert wird, kommt es bei der steuerlichen Bewertung der Vorgänge gerade nicht an.557 Richtigerweise hat § 3 Nr. 62 EStG also auch hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung konstitutive Bedeutung.558

III. Die Besteuerungsmodelle der nachgelagerten (konsumorientierten) und vorgelagerten (kapitalorientierten) Besteuerung In § 2 I. und § 2 II. wurden die Vorschriften über die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die einkommensteuer­liche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen erläutert. Das Zusammenspiel dieser beiden Regelungskomplexe lässt sich modellhaft mit den Begriffen der nach- bzw. vorgelagerten559 oder konsum- bzw. kapitalorientierten560 Besteuerung beschreiben.561 Die Begriffe bezeichnen in abstrakt-theoretischer Art und Weise Besteuerungsmodelle. Sie dienen im Bereich der Steuerrechtswissen 555

S. oben § 1 I. 2. a) bb). S. auch Birk, Altersvorsorge und Alterseinkünfte im Einkommensteuerrecht, 1987, S. 41 f.: „Da die durch die Arbeitgeberbeiträge finanzierten Rentenanwartschaften […] das Vermögen des Steuerpflichtigen (wenn auch nicht dessen subjektive Leistungsfähigkeit) erhöhen, muß davon ausgegangen werden, daß insoweit geldwerte Güter […] als Lohnbestandteile zufließen“; ebenso Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (837). 557 S. oben § 1 (vor I.). 558 So schon Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (837). 559 S. z. B. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 49, 52); Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 5; BR-Drucks. 2/04, S. 2, 38; Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, S. 228 (231 f., 235 f.); Fischer, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 22 Rn. 36a; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.565 ff.; Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 42 ff.; Musil, StuW 2005, 278 (278 ff.); Söhn / Müller-Franken, StuW 2000, 442 (442 ff.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 8, B 157 (Mai 2017). 560 S. z. B. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.195; Gröpl, FR 2001, 568 (570 f.); Richter, FR  2001, 1000 (1000 ff.); Söhn / Müller-Franken, StuW  2000, 442 (450 f.); Wiegard, ifo Schnelldienst 21 (2000), S. 8 (8 ff.). 561 Vermutlich sind meist nur die Altersrenten (und ggf. weitere an das Alter anknüpfende Leistungen) gemeint, wenn diese Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung gebraucht werden. In den in Fn. 559 u. Fn. 560 nachgewiesenen Fundstellen ist die Rede von der Besteuerung der „Alterseinkünfte“, der „Altersbezüge“, der „Altersvorsorgeaufwendungen und Renteneinkünfte“, der „Alterssicherung“, der „Versorgungsbezüge im Alter“, der „Altersvorsorge“ oder des „Alterseinkommens“. Der Bundesfinanzhof spricht auch bei den Erwerbsminderungsrenten von nachgelagerter Besteuerung, s. BFH BStBl. II 2016, 624 (Leitsatz 2 u. Rz. 23). 556

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schaft lediglich der (vereinfachenden) Beschreibung der Besteuerungssystematik, nicht hingegen deren (verfassungs-)rechtlicher Rechtfertigung.562 Verwendung finden die Begriffe nicht nur im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern z. B. auch mit Blick auf die Besteuerung von anderen Formen der Altersversorgung oder von Unternehmen.563 Nachgelagerte Besteuerung bedeutet im Allgemeinen, dass gespartes bzw. investiertes Einkommen zum Zeitpunkt des Ansparens bzw. Investierens aus der Bemessungsgrundlage ausgegrenzt wird (Sparbereinigung der Einkünfte), dann aber später zum Zeitpunkt der Ersparnisauflösung oder als Lebensendvermögen steuerlich nachbelastet wird; es wird also ein Besteuerungsaufschub gewährt.564 Bei der vorgelagerten Besteuerung findet die steuerliche Belastung des gesparten bzw. investierten Einkommens hingegen (gewissermaßen umgekehrt) zum Zeitpunkt des Ansparens bzw. Investierens statt. Wer mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung von vor- oder nachgelagerter Besteuerung spricht, geht also davon aus, dass es im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung (zumindest teilweise)  zu einem Spar- oder Investitionsvorgang kommt, was in der Sache überzeugt.565 Die Begriffe vor- oder nachgelagerte Besteuerung können schon aus rein sprachlichen Gründen überhaupt nur dann gebraucht werden, wenn es um die entweder vor- oder nachgelagerte Belastung desselben (intertemporal transferierten) besteuerbaren „Etwas“ geht.566 Deshalb sollten die Begriffe nur mit Blick auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet werden, die an das Alter anknüpfen, weil nur diese sich als das Ergebnis eines intertemporalen Einkommenstransfers darstellen.567 Teilweise wird die nachgelagerte Besteuerung als eine Methode der konsumorientierten Einkommensbesteuerung bezeichnet.568 Der Begriff der konsumorientierten Einkommensbesteuerung entstammt der finanzwissenschaftlichen Optimalsteuerlehre und beschreibt, dass die Besteuerung erst im Zeitpunkt der Einkommensverwendung ansetzt. Der konsumorientierten Einkommensbesteuerung wird die kapitalorientierte Einkommensbesteuerung gegenübergestellt, wel 562

Vgl. in diesem Zusammenhang Söhn / Müller-Franken, StuW 2000, 442 (450): „Eine Konsumorientierung der Besteuerung ist tatsächliche Folge, nicht aber (verfassungs-)rechtliche Rechtfertigung der getroffenen Regelung“; zustimmend Fischer, FR 2001, 613 (615 Fn. 22). 563 S. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, 2004, passim; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.76 f. m. w. N. 564 Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, 2004, S. 45 ff., insbes. S. 59, 395; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.76. 565 S. oben § 1 I. 2. a) dd). 566 Vgl. oben § 1 I. 2. a). 567 S. dazu unten § 4 I. 2. 568 S. Gröpl, FR  2001, 568 (570) u. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.75 ff. m. w. N., die als weitere Methode der konsumorientierten Einkommensbesteuerung neben der Sparbereinigung die Zinsbereinigung nennen; kritisch dazu Abschlussbericht Rürup-­ Steuerkommission, 2003, S. 23; Söhn / Müller-Franken, StuW 2000, 442 (450 f.); Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1722).

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1. Teil: Ausgangslage

che durch die traditionelle Einkommensteuer verwirklicht werde, bei der die Besteuerung bereits im Zeitpunkt eines Vermögenszugangs ansetzt.569 Die konsum­ orientierte und die nachgelagerte Einkommensbesteuerung einerseits unterscheiden sich von der kapitalorientierten und der vorgelagerten Einkommensbesteuerung andererseits ausschließlich hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem auf angespartes bzw. investiertes Einkommen zugegriffen wird.570 Mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung bedeutet nachgelagerte Besteuerung, dass der steuerliche Zugriff erst in der Phase des Rentenbezugs stattfindet. Bei der vorgelagerten Besteuerung erfolgt der Steuerzugriff hingegen in der Phase der Entrichtung der Rentenversicherungbeiträge.571 Konkreter: Bei der nachgelagerten Besteuerung werden die Einkommensbestandteile, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen. Später erhöhen die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollumfänglich.572 Bei der vorgelagerten Besteuerung verhält es sich umgekehrt.

IV. Seit Anfang 2005: Systemwechsel von der sog. Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung Am 1. 1. 2005 trat in Reaktion auf BVerfGE 105, 73 das Alterseinkünftegesetz in Kraft. Die seither geltenden Vorschriften über die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen bewirken bei der Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Systemwechsel hin zur nachgelagerten Besteuerung, der schrittweise während einer relativ langen Übergangsphase abläuft (s. unten 1.).573 Bis zum Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes unterlagen die Sozialversicherungsrenten der sog. Ertragsanteilsbesteuerung, die im Jahr 1955 eingeführt wurde (s. unten 2.).

569 Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 15 (April 2020); Lang, DStJG 24 (2001), S. 49 (76 f.). 570 Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, 2004, S. 59, 395; Lang, DStJG 24 (2001), S. 49 (77). 571 Vgl. Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, S. 228 (235); auch BFH BStBl. II 2009, 710 (714); Förster, DStR 2009, 141 (142); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 45; Musil, StuW 2005, 278 (279). 572 Gröpl, FR 2001, 568 (569); Musil, StuW 2005, 278 (279); Söhn / Müller-Franken, StuW 2000, 442 (443). 573 BR-Drucks. 2/04, S. 2, 38; BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 34); BFH BStBl. II 2009, 710 (713 f.); Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, S. 228 (232); Förster, DStR 2009, 141 (142 f.); Musil, StuW 2005, 278 (278 ff.); Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1722 f.); kritisch Eisgruber, Das Alterseinkünftegesetz, 2004, S. 4 f.

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1. Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung: Endzustand und Übergangsphase Seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes gilt das Folgende: Bei Rentnerkohorten mit Rentenbeginn ab 2040 werden die Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.  aa Satz  3 EStG in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen.574 Ab 2025 können vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz  1 Buchst. a, Abs. 3 EStG in der Regel in voller Höhe575 als Sonderausgaben von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen werden.576 Die Arbeitgeberanteile bei Arbeitnehmern sind nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei und gehen deshalb nicht in die Bemessungsgrundlage ein.577 Demnach findet der Steuerzugriff in der Regel alleine in der Phase des Rentenbezugs statt. In diesem Endzustand kommt es also in der Regel zu einer nachgelagerten Besteuerung. Die Übergangsphase hin zur nachgelagerten Besteuerung wird ausgestaltet durch die Übergangsregelungen in § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG und § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG.578 Die steuerliche Belastung der Renten nimmt in der Zeit von 2005 bis 2039 schrittweise (je Rentnerkohorte) zu.579 Die steuerliche Belastung der zur Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge eingesetzten Einnahmen nimmt in der Zeit von 2005 bis 2024 schrittweise (je Jahr) ab.580 Die besagte Übergangsphase wird, anders als es die Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG vermuten lässt, über das Jahr 2040 hinaus andauern. Dies hängt damit zusammen, dass der steuerfreie Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs des Steuerpflichtigen gilt, sodass das Übergangsrecht solange relevant bleibt, bis der letzte Rentner mit Rentenbeginn vor dem Jahr 2040 verstorben ist.581

574

S. oben § 2 I. 2. a). Der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen n. § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG kann aufgrund seiner Höhe praktisch nur in Fällen begrenzend wirken, in denen neben den Rentenversicherungsbeiträgen gleichzeitig andere Altersvorsorgeaufwendungen entrichtet werden, z. B. Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, s. oben § 2 II. 1. b). 576 S. oben § 2 II. 1. 577 S. oben § 2 II. 2. 578 Eine Übergangsregelung enthält auch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, s. oben § 2 I. 2. b). 579 S. oben § 2 I. 2. a). 580 S. oben § 2 II. 1. c). 581 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  337 (Dezember 2017), der annimmt, dass dies „erst nach dem Jahr 2080 der Fall sein“ dürfte. Die meisten Rentner mit Rentenbeginn vor dem Jahr 2040 werden freilich wesentlich früher versterben. 575

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1. Teil: Ausgangslage

Als Begründung für den nur schrittweisen Systemwechsel während einer relativ langen Übergangsphase führt der Gesetzgeber verfassungsrechtliche und fiskalische Gründe an: Die sofortige vollständige steuerliche Entlastung der Beitragszahlungen hätte zu fiskalisch nicht verkraftbaren Steuermindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe (jährlich) geführt und die sofortige Vollbesteuerung der Renten hätte eindeutig verfassungswidrige doppelte Besteuerung verursacht.582 2. Bis Ende 2004: Ertragsanteilsbesteuerung Die bis Ende 2004 geltende Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde und wird als Ertragsanteilsbesteuerung bezeichnet.583 Nach § 22 EStG a. F.584 unterlagen die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als „Leibrenten“585 nicht in voller Höhe der Besteuerung, sondern nur insoweit als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten waren. Den Ertrag des Rentenrechts nannte das Gesetz in einer Klammerdefinition Ertragsanteil. Der Ertragsanteil konnte in Abhängigkeit vom Alter des Rentenberechtigten bei Rentenbeginn aus einer im Gesetz enthaltenen Tabelle entnommen werden. Der Gesetzgeber erläuterte die hinter der Ertragsanteilsbesteuerung stehende Idee in den Gesetzgebungsunterlagen folgendermaßen: Die einzelnen Rentenbezüge würden aufgrund eines Rentenstammrechts gezahlt, dessen Erwerb sich (vorbehaltlich einer betrieblichen Veranlassung) ausschließlich in der einkommensteuerlich irrelevanten Vermögenssphäre abspiele.586 Bei den Sozialversicherungsrenten habe der Rentenberechtigte das Rentenstammrecht teilweise durch die Zahlung seiner eigenen Rentenversicherungsbeiträge und teilweise unentgeltlich erworben, was für die Besteuerung aber unberücksichtigt bleibe.587 Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts und der Systematik des Gesetzes sollten nur die Erträge des Rentenstammrechts (auch, aber nicht nur Zinsen588) 582

S. BR-Drucks. 2/04, S. 39; Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 35, 42; vgl. auch BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 66). 583 S. z. B. BVerfGE 105, 73 (90); Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (843); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 42; Söhn, StuW 1986, 324 (326). 584 S. z. B. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002, BGBl. I 2002, S. 4210. 585 S. nur BVerfGE 54, 11 (13); BFH BStBl. II 1970, 9 (10). Die gesetzliche Rentenversicherung wurde in § 22 EStG a. F. – anders als in § 22 EStG n. F. – nicht ausdrücklich erwähnt. 586 BT-Drucks. 2/481, S. 86. 587 BT-Drucks. 2/481, S. 87. 588 Vgl. BT-Drucks. 2/481, S. 86: „Wenn der Empfänger […] die voraussichtliche Laufzeit der Rente überlebt, so sind mit Wirkung von diesem Zeitpunkt ab der Rentenbarwert und die Zwischenzinsen […] durch die bisherigen Bezüge verzehrt. Die weiteren Bezüge […] gehen über den Barwert und die Verzinsung hinaus. Der Begriff des Rentenertrags deckt sich deshalb nicht immer mit dem Begriff der Zinsen. Vielmehr kann die Rentenzahlung in vollem Umfang Ertrag des Stammrechts sein“.

§ 2 Einfaches Recht 

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besteuert werden, nicht aber dessen Verzehr, der in den Gesetzgebungsunterlagen Kapitalrückzahlungsanteil genannt wird.589 Dabei sollte der Ertrag des Stammrechts und damit die Steuerlast auf die gesamte Laufzeit der Rente verteilt werden. Der Ertrag sollte nur, aber auch stets, pro rata temporis besteuert werden, um soziale Härten aufgrund einer Vollbesteuerung der Leibrenten im fortgeschrittenen Lebensalter und verwaltungsmäßige Schwierigkeiten zu vermeiden.590 Es wurde also unterstellt, dass jede einzelne (monatliche) Rentenleistung sowohl aus Kapitalrückzahlungsanteil als auch aus Ertragsanteil bestand.591 Unter anderem vom Bundesverfassungsgericht wurde im Zusammenhang mit der Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Kapitalrückzahlungsanteil592 später als Rückfluss oder Rückzahlung zuvor angesparten Kapitals beschrieben.593 Das entspricht zwar nicht exakt den Erläuterungen in den Gesetzgebungsunterlagen.594 Auch kann man die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei technischer bzw. formaler Betrachtung spätestens seit der Einführung des reinen Umlageverfahrens bei der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1969 nicht mehr als Kapitalrückfluss bezeichnen, weil die Beiträge seither nicht mehr individuell angespart werden.595 Bei der insoweit maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtung war und ist ein Kapitalrückfluss aber auch bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzunehmen.596 Ohnehin ist unklar, was ansonsten mit dem Kapitalrückzahlungsanteil gemeint sein soll. Die vom Gesetzgeber formulierte Idee des Verzehrs eines Rentenstammrechts bleibt eine künstliche und wenig verständliche Konstruktion,597 wenn man 589

BT-Drucks. 2/481, S. 86 f. BT-Drucks. 2/481, S. 87. 591 Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 51. 592 Oft ist auch nur vom „Kapitalanteil“ die Rede, s. BVerfGE 54, 11 (14); 86, 369 (371); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (890); Arndt, in: Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, August 2001, S. 6 (8). 593 BVerfGE 105, 73 (75); s. auch Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (843); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 43. 594 Vgl. die Kritik von Welter, StuW 1980, 332 (334 f. u. 337): „Was immer man sich unter diesem ‚Rentenstammrecht‘ vorstellen mag, so setzt es jedenfalls nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht voraus, daß die Bezüge aus einem irgendwie gebildeten Kapitalstock fließen“; „Unmißverständlich hat der Gesetzgeber jedenfalls den Gedanken steuerfreier Kapitalrückzahlung durch die Vorstellung ersetzt, daß ein einkommensteuerlich irrelevanter Erwerb eines ‚Rentenstammrechts‘ auf der Vermögensebene stattfinde, das auch nach völliger Aufzehrung steuerpflichtige Erträge abwerfe“; ähnlich Zitzelsberger, DStZ 1984, 467 (472); wohl zustimmend Söhn, StuW 1986, 324 (329 Fn. 50). 595 BVerfGE 54, 11 (28 f.); P. Kirchhof, in: Schriftenreihe des Sozialgerichtsverbandes 17 (1978), S. 127 (129 f.). 596 S. oben § 1 (vor I.). 597 S. Friauf, DStZ 1974, 51 (59): „Dieses Stammrecht aber ergibt sich nicht aus der Natur der Sache. Es handelt sich bei ihm vielmehr […] um eine recht ‚künstliche‘ gesetzgeberische Konstruktion“; auch Welter, StuW 1980, 332 (334 f.): „Was immer man sich unter diesem ‚Rentenstammrecht‘ vorstellen mag […]“. 590

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1. Teil: Ausgangslage

nicht den Gedanken des Kapitalrückflusses ergänzt. Dafür spricht auch die in den Gesetzgebungsunterlagen gebrauchte Begrifflichkeit des Kapitalrückzahlungsanteils sowie der historische Hintergrund der Ertragsanteilsbesteuerung, auf den im Folgenden eingegangen wird. Die Ertragsanteilsbesteuerung wurde 1955 für alle Leibrenten eingeführt.598 Damit reagierte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsunterlagen auf mehrere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs betreffend die Besteuerung privater Veräußerungsrenten.599 Der Bundesfinanzhof hatte die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die von der vollen Steuerbarkeit der Veräußerungsrenten ausging, aufgegeben (und wegen der Uneindeutigkeit des geltenden Rechts eine Neuregelung der Rentenbesteuerung durch den Gesetzgeber angeregt600): Bei privaten Veräußerungsrenten sei nach den allgemeinen Grundgedanken des Einkommensteuerrechts „eine steuerpflichtige Rente im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG nur insoweit gegeben, als die durch die Veräußerung erzielten Einnahmen den Wert des veräußerten Vermögensgegenstandes übersteigen“601, also nur insoweit als die Rente keine bloße Vermögensumschichtung ist.602 Letztlich ging es um die Vermeidung doppelter Besteuerung.603 Allerdings hatte der Bundesfinanzhof auch dargelegt, dass die für Veräußerungsrenten entwickelten Grundsätze nicht für Renten gelten sollten, die durch Einmalprämien oder laufende Prämien erworben werden, wenn die Prämien als Sonderausgaben abgezogen wurden, da in dem Abzug der Prämien der Ausgleich für die volle Versteuerung der Rente zu sehen sei.604 Weil die Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben abziehbar waren, blieben demnach die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung – wenngleich eine ausdrückliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs hierzu nicht ersichtlich ist605 – 598

S. Art. 1 Nr. 25 u. Art. 2 Abs. 1 G. v. 16. 12. 1954, BGBl. I 1954, S. 373; s. auch BVerfGE 54, 11 (15); Birk / Wernsmann, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 833 (843); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 50 f.; Seer, StuW 1996, 323 (324); Söhn, StuW 1986, 324 (327). 599 BT-Drucks. 2/481, S. 85 ff. 600 BFH BStBl. III 1952, 290 (292). 601 BFH BStBl. III 1952, 290 (Leitsatz 1 u. S. 292); s. außerdem BFH BStBl. III 1953, 105; 1953, 236; zuvor bereits FG Düsseldorf, Urteil v. 16. 7. 1952 – II 60/52, DB 1952, 615, dessen Rechtsauffassung BFH BStBl. III 1952, 290 (Rz. 8) ausdrücklich beitrat; dazu auch Friauf, DStZ 1974, 51 (55); Seer, StuW 1996, 323 (324); Söhn, StuW 1986, 324 (327). 602 S. BFH BStBl. III 1952, 290 (Rz. 7): „Übereinstimmung besteht darüber, daß die Rechtsprechung teilweise zu wirtschaftlichen Ergebnissen führt, die unerwünscht erscheinen, und daß hiernach als Einkünfte Beträge versteuert werden müssen, die wirtschaftlich betrachtet lediglich Vermögensumschichtungen darstellen“; auch BStBl. III 1953, 105 (Rz. 7); vgl. außerdem BVerfGE 105, 73 (113). 603 S. BVerfGE 54, 11 (16 f.). 604 Für durch Einmalprämien erworbene Renten BFH BStBl. III 1953, 105 (Rz. 7) unter Hinweis auf BFH BStBl. III 1952, 290; für durch laufende Prämien erworbene Renten BFH BStBl. III 1954, 139 (Rz. 5, 6); vgl. auch Friauf, DStZ 1974, 51 (55); P. Kirchhof, in: Schriftenreihe des Sozialgerichtsverbandes 17 (1978), S. 127 (129); Söhn, StuW 1986, 324 (327). 605 Vgl. aber zumindest BFH BStBl. III 1959, 463 (juris-Rz. 9): „Mit Recht hat allerdings Hoffmann (Finanz-Rundschau 1956 S. 512) darauf hingewiesen, daß die Änderung in der

§ 2 Einfaches Recht 

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auch nach der geänderten Rechtsprechung grundsätzlich in voller Höhe steuerpflichtige Einkünfte.606 Trotzdem wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsunterlagen die Ertragsanteilsbesteuerung bei der gesetzlichen Neuregelung 1955 auf sämtliche Leibrenten, ausdrücklich auch auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, erstrecken.607 Nach der Neuregelung war es für die Besteuerung unerheblich, ob der Rente überhaupt eigene Leistungen des Rentenbeziehers gegenüberstanden und ob diese Leistungen gegebenenfalls als Sonderausgaben (oder sonst steuermindernd) abziehbar waren.608 Die Abweichung von der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat der Gesetzgeber nicht nachvollziehbar begründet.609 Der Bundesfinanzhof mutmaßte später, dass der Gesetzgeber „offenbar nur des Vereinfachungszwecks wegen […] bewußt nicht zwischen entgeltlich und unentgeltlich erworbenen Renten unterschieden“610 hat. Rechtsprechung und Literatur haben den Willen des historischen Gesetzgebers im Ergebnis akzeptiert und die Ertragsanteilsbesteuerung auch auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung angewandt.611 Allerdings wurde schon früh (und letztlich bis BVerfGE 105, 73) kritisiert, dass die Ertragsanteilsbesteuerung für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbarende Begünstigung (im Verhältnis zu Beamtenpensionen) darstellte. Es wurde unter anderem auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, welche die Einführung der Ertragsanteilsbesteuerung veranlasst hatte, argumentiert, dass die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur zu einem unerheblichen Teil auf eigenen aus versteuertem Einkommen entrichteten Beiträgen der Rentenbezieher beruhten, sodass die nur teilweise Besteuerung im Rahmen der Ertragsanteilsbesteuerung im Ergebnis (zur Vermeidung doppelter Besteuerung) nicht gerechtfertigt sei.612 Dieser Aspekt spielte schließlich auch eine entscheidende Rolle, als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2002 in BVerfGE 105, 73 Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sich nur auf (entgeltliche) Veräußerungsrenten, nicht auf Versorgungsrenten bezogen habe und daß es infolgedessen nahegelegen hätte, im EStG 1955 nur die Behandlung der Veräußerungsrenten neu zu regeln“. 606 Friauf, DStZ 1974, 51 (55); P. Kirchhof, in: Schriftenreihe des Sozialgerichtsverbandes 17 (1978), S. 127 (129). Wegen ihrer geringen Höhe waren die Renten aber aufgrund verschiedener Abzugsbeträge real steuerfrei, s. P. Kirchhof, a. a. O., S. 129. 607 BT-Drucks. 2/481, S. 87. 608 Friauf, DStZ 1974, 51 (55) m. w. N.; auch BT-Drucks. 2/481, S. 87; BVerfGE 54, 11 (16). 609 Friauf, DStZ 1974, 51 (56); Seer, StuW 1996, 323 (325); vgl. außerdem das in Fn. 605 wiedergegebene Zitat aus BFH BStBl. III 1959, 463; s. zur Begründung des Gesetzgebers BTDrucks. 2/481, S. 87. 610 BFH BStBl. III 1959, 463 (juris-Rz. 9). 611 BVerfGE 54, 11 (13); BFH BStBl. II 1970, 9 (10); Seer, StuW 1996, 323 (325) m. w. N. 612 Friauf, DStZ 1974, 51 (59 f.); P. Kirchhof, in: Schriftenreihe des Sozialgerichtsverbandes 17 (1978), S. 127 (129); Rupp / v. Zezschwitz / v. Olshausen, Zur Ungleichheit in der Einkommenbesteuerung der Versorgungsbezüge und Sozialrenten, 1970. S. 27 ff.; Seer, StuW 1996, 323 (329 f.); Söhn, StuW  1986, 324 (332 f.); s. auch den Vortrag der Beschwerdeführer in BVerfGE 54, 11 (20 f.).

118

1. Teil: Ausgangslage

die Ertragsanteilsbesteuerung in ihrer konkreten Ausgestaltung (im Vergleich zur Vollbesteuerung der Beamtenpensionen) für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte, „soweit einerseits Versorgungsbezüge bis auf einen Versorgungs-Freibetrag […] zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören und andererseits Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG nur mit Ertragsanteilen besteuert werden, deren Höhe unabhängig davon festgesetzt ist, in welchem Umfang dem Rentenbezug Beitragsleistungen der Versicherten aus versteuertem Einkommen vorangegangen sind“613.

613

BVerfGE 105, 37 (110).

2. Teil

Die Definition der doppelten Besteuerung Die zentrale und am meisten diskutierte Frage betreffend das Thema der doppelten Besteuerung lautet: Welcher Zustand ist gemeint, wenn von verfassungswidriger doppelter Besteuerung die Rede ist? Mit anderen Worten: „[W]ann bzw. in welchen Fällen“614 oder „unter welchen Voraussetzungen“615 liegt doppelte Besteuerung vor? Wie ist doppelte Besteuerung „im Einzelnen zu ermitteln“616? Angesprochen ist die „Berechnung“617, die „Ermittlung“618, der „Begriff“619 bzw. die „Definition“620 der doppelten Besteuerung.621 Einige grundlegende Aspekte sind hier bereits geklärt. Umstritten sind vor allem zahlreiche sehr ins Detail gehende Einzelheiten. Der Bundesfinanzhof hat viele der diskutierten Fragen zunächst in einem Urteil aus dem Jahr 2016 im Rahmen einer „Segelanweisung“622 (als obiter dictum623) zusammengefasst.624 In einem Urteil aus dem Jahr 2021 hat der Bundesfinanzhof nun viele dieser Fragen beantwortet, wenngleich sie teilweise nicht entscheidungserheblich waren.625 Eine Entscheidung des 614

Schuster, DStR 2018, 2106 (2107). BFH / N V 2015, 1369 (Rn. 15). 616 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (846). 617 BFHE 254, 545 (Leitsatz 3). 618 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (Überschrift); Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416). 619 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (846); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017). 620 Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (900); auch Dommermuth, FR 2020, 385 (388); Rügamer, FR 2020, 399 (Überschrift). 621 S. außerdem FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 100): „Berechnungen zur Ermittlung einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung“; Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 153: „Berechnungsmethode zur Ermittlung […] doppelter Besteuerungen“. 622 Vgl. Schuster, jM 2017, 119 (120); zum Begriff der „Segelanweisung“ s. auch die CatoGlosse in FR 2019, 559 f. 623 Zu Obiter dicta in „Segelanweisungen“ Kanzler, DStR 2013, 1505 (1507 f.). 624 S. BFHE 254, 545 (Rz. 42 ff.); s. zu den vom BFH angesprochenen Fragen dann FG Baden-­ Württemberg, EFG 2020, 116 (Rz. 48 ff.); hierzu Dommermuth, FR 2020, 385 ff. u. 439 ff.; Rügamer, FR 2020, 399 ff. 625 S. BFH DStR 2021, 1291 (Leitsätze 3, 4 u. Rz. 19 ff.); zur fehlenden Entscheidungserheblichkeit Kulosa, jM 2021, 337 (341 f.): „Streng genommen handelt es sich bei all diesen Ausführungen zur Unbeachtlichkeit der weiteren Abzugsbeträge im Rahmen der Vergleichsrechnung aber um ein obiter dictum. […]. Wären der Grundfreibetrag und / oder weitere Beträge ebenfalls als steuerfreier Rentenbezug […] in die Vergleichsrechnung einzustellen gewesen, wären die Revisionen natürlich erst recht zurückzuweisen gewesen. […]. Allerdings 615

120

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Bundesverfassungsgerichts, auf die es wegen des verfassungsrechtlichen Hintergrundes – dazu sogleich – letztlich ankommt626, steht noch aus. Gegen das soeben erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2021 ist eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig.627 Im Folgenden wird zunächst der Definitionsansatz behandelt (s. unten § 3). Anschließend geht es um die Konkretisierung der nach dem Definitionsansatz zu vergleichenden Größen (s. unten § 4 und § 5). Vorab sei noch angemerkt: Weil doppelte Besteuerung ein verfassungswidriger Zustand ist, muss deren Definition aus dem Grundgesetz abgeleitet werden. Daher kann auch die Annahme nicht überzeugen, dass dem einfachen Gesetzgeber ein Spielraum bei der Auswahl der „richtigen“ Definition zukommt.628 Das ergibt sich daraus, dass ein staatliches Verhalten immer dann verfassungswidrig ist, wenn es den Tatbestand einer Rechtsnorm des Grundgesetzes erfüllt, deren Rechtfolge ein Verbot des staatlichen Verhaltens bzw. ein an den Staat gerichtetes objektivrechtliches Gebot, das Verhalten zu unterlassen, ist.629 Unter welchen Voraussetzungen der Tatbestand einer solchen Norm verwirklicht ist, unter welchen Voraussetzungen also doppelte Besteuerung vorliegt, muss freilich dem Grundgesetz selbst entnommen werden. Man mag das für eine Selbstverständlichkeit halten oder als praktisch wenig relevante Frage der Methodik abtun. Das könnte erklären, warum sich bislang kein ausdrücklicher Hinweis auf die Notwendigkeit der Ableitung der

hatte das […] Bundesfinanzministerium den Senat selbst darum gebeten, nun, 16 Jahre nach dem Inkrafttreten des AltEinkG, endlich Maßstäbe für die erforderliche Vergleichsrechnung zu benennen. Und da der Senat das Ergebnis und die Begründung eigentlich ziemlich zwingend fand […], ist er dieser Bitte nachgekommen“; Wick, DStR 2021, 1303 (1304): „Die Ausführungen des X. Senats stellen insoweit zwar vordergründig bloße obiter dicta dar. An der Verbindlichkeit der getroffenen Aussagen dürfte allerdings kein Zweifel bestehen, zumal sie lediglich der Entlastung des Begründungsumfangs und damit der besseren ‚Lesbarkeit‘ des parallel gesprochenen Revisionsurteils X R 20/19 […] dienen, in dem schwerpunktmäßig andere Rechtsfragen behandelt worden sind“; auch Reddig, DB 2021, 1496 (1497). 626 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wick, DStR 2021, 1303 (1303): „Bemerkenswert ist, dass sich das neue BFH-Urteil letztlich allein auf verfassungsrechtlicher Ebene bewegt“. 627 Az. des BVerfG: 2 BvR 1140/21. 628 So aber möglicherweise Musil, StuW 2005, 278 (282): „Die vorgetragenen Argumente sind im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Untersuchung nicht im Detail zu würdigen. […]. Man wird vom Gesetzgeber nur verlangen können, dass er einem von mehreren vertretbaren Berechnungsansätzen folgt“; kritisch hierzu zu Recht Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017): „Wegen der erheblichen Auswirkungen der rechnerischen Grundannahmen auf die Frage, ob überhaupt bzw. in welchem Umfang eine Zweifachbesteuerung vorliegt, muss jede verfassungsrechtl. Prüfung der Übergangsregelungen sich zunächst mit der Plausibilität und Sachgerechtigkeit der Grundannahmen auseinandersetzen (aA wohl Musil, StuW 2005, 278 [282])“. 629 Vgl. zur Rechtsfolgenseite der Grundrechte Kempny, Der Staat 53 (2014), 577 (600 f.); speziell dazu, dass auch Normen, die bloße Zielsetzungen formulieren (Finalnormen), Verbote enthalten (können), Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, 11. Aufl. 2020, Rn. 127; speziell zu Ge- und Verboten in Gleichheitssätzen Manssen, Staatsrecht II, 18. Aufl. 2021, § 32. III.

§  3  Definitionsansatz 

121

Definition der doppelten Besteuerung aus dem Grundgesetz findet, sondern lediglich vereinzelt dahingehende Andeutungen.630 Ein ausdrücklicher Hinweis auf diesen Umstand ist aber angebracht, weil die beschriebene Notwendigkeit in der bisherigen Diskussion vielfach nicht hinreichend berücksichtigt wird. Das betrifft vor allem die Argumentation in Detailfragen bei der Definition der doppelten Besteuerung. Hier wird oft nicht erklärt, warum ein bestimmtes Argument gültig sein soll.631 Nur durch eine Anbindung der Argumentation an das Grundgesetz können aber methodisch nachvollziehbar die „richtigen“ von den „falschen“ Argumenten getrennt werden, was vorliegend in Anbetracht der Komplexität der zu beantwortenden Fragen besonders wichtig ist. Fehlendes Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verknüpfung zwischen der Definition der doppelten Besteuerung und dem Grundgesetz zeigt sich auch, wenn der Definitionsansatz der herrschenden Meinung als nicht „zweckmäßig“ abgelehnt wird, weil nach diesem „[e]ine diagnostizierte Doppelbesteuerung […] erheblich mit einer Veränderung exogener und damit nicht vom Steuergesetzgeber beeinflussbarer Parameter“632 variiere; das ist kein (rechtlich) relevanter Beurteilungsmaßstab.633 Schließlich sei als Negativbeispiel die folgende Formulierung angeführt (die eine falsche Prüfungsreihenfolge benennt): „Die Untersuchung erfolgt in zwei Schritten. Zunächst ist bereits unklar, unter welchen Voraussetzungen eine doppelte Besteuerung angenommen werden kann. Dieser Frage ist in einem ersten Schritt nachzugehen. In einem zweiten Schritt ist zu klären, auf welche Grundgesetzbestimmungen sich die Feststellung des BVerfG stützt, Doppelbesteuerungen seien zu vermeiden“634.

§ 3  Definitionsansatz Bundesverfassungsgericht, Bundesfinanzhof und der ganz überwiegende Teil der Literatur gehen in der Sache von demselben Definitionsansatz aus, nach dem zur Beantwortung der Frage, ob doppelte Besteuerung vorliegt, mit Blick auf einen Steuerpflichtigen die Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge (in Euro) mit der Summe bestimmter insgesamt steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (in

630

S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 57): „Welche Faktoren im Einzelnen bei der Prüfung einer Doppelbesteuerung von Verfassungs wegen Berücksichtigung finden dürfen und müssen, bedarf jedoch derzeit keiner Entscheidung“ (Hervorhebung nur hier); Hey, DRV 2004, 1 ff., die unter B. „Verfassungsrechtliche Vorgaben“ behandelt und daraus unter C. „Folgerungen für die Ermittlung des steuerfreien Rentenzuflusses sowie der steuerfreien Rentenbeiträge im Hinblick auf die notwendige Vermeidung von Doppelbesteuerung“ (Hervorhebung nur hier) ableitet. 631 Vgl. unten § 4 II. 1. 632 Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (133). 633 Dazu s. nochmals unten § 3 III. 634 Musil, StuW 2005, 278 (282).

122

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Euro) bei Zugrundelegung von Nominalwerten zu vergleichen ist (s. unten I.). Insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur werden vereinzelt hiervon abweichende Definitionsansätze vorgeschlagen, denen die Vorstellung zugrunde liegt, dass die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung richtigerweise zu genau demjenigen Prozentsatz nachgelagert besteuert werden sollten, zu dem die Rentenversicherungsbeiträge aus nicht versteuertem Einkommen entrichtet wurden, und im Übrigen nur mit einem Ertragsanteil oder überhaupt nicht (s. unten II.). Im Ergebnis kann nur der anerkannte Definitionsansatz der h. M. überzeugen, weil nur dieser sich aus dem Grundgesetz herleiten lässt,635 wohingegen die anderen vertretenen Definitionsansätze nichts mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu tun haben, sodass sie abzulehnen sind (s. unten III.).

I. Anerkannter Definitionsansatz Der Bundesfinanzhof nimmt an, dass doppelte Besteuerung vorliegt, „wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der Altersbezüge“636 bzw. wenn „die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen“637. Ob doppelte Besteuerung dabei bis zu einer gewissen Bagatellgrenze hinzunehmen ist, hat der Bundesfinanzhof offengelassen;638 in der Literatur ist dies umstritten.639 Der Bundesfinanzhof sieht sich mit seinem Definitionsansatz auf einer Linie mit dem Bundesverfassungsgericht.640 In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs findet sich zudem die Aussage, dass doppelte Besteuerung „ausgeschlossen [ist], wenn

635 Zu Recht wird in der Literatur aber kritisiert, dass der BFH den Definitionsansatz in der Sache nicht begründet, s. Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (591): „Es wäre noch zu betrachten, wie der BFH sein Vorgehen begründet − indessen ist hierzu u.E. nichts Konkretes festzustellen. Es gibt Rückverweisungen auf andere Urteile und letztlich auf einen Beschluss des BVerfG, das sich mit der Feststellung ‚Damit übersteigt bereits die Summe der vom Beschwerdeführer steuerfrei bezogenen Renteneinkünfte die Summe der geleisteten Beträge[…]‘ zufriedengab. Auch hier wird von den Gerichten auf die Plausibilität der Aussage vertraut und diese als hinreichend betrachtet“. 636 BFH BStBl. II 2017, 1187 (Rz. 32); wortgleich BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 52); ähnlich BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 54): „darauf beruhenden Altersrenten“ statt „Altersbezüge“. 637 BFHE 254, 545 (Rz. 46). 638 BFHE 254, 545 (Rz. 46); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 82) mit Blick auf eine doppelte Besteuerung i. H. v. 42 Euro im Streitjahr. 639 Für eine Bagatellgrenze Schuster, jM 2017, 119 (122); dagegen Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017); Dommermuth, FR 2020, 385 (395); Reddig, DB 2021, 1496 (1501). 640 So ausdrücklich BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 52); 2016, 733 (Rz. 54); 2017, 1187 (Rz. 32); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 48).

§  3  Definitionsansatz 

123

die Summe der steuerfrei ausgezahlten Rentenanteile die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenbeiträge übersteigt“641. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang zwar in keiner Entscheidung abstrakt einen Definitionsansatz formuliert, jedoch hat es mehrmals im Kontext konkreter Prüfungen festgestellt, dass eine doppelte Besteuerung nicht vorliegt, wobei es z. B. formuliert hat: „Damit übersteigt die Summe der nicht der Besteuerung unterliegenden Rentenzahlungen die Summe der vom Beschwerdeführer geleisteten Rentenversicherungsbeiträge selbst dann, wenn sämtliche dieser Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen geleistet worden sind“642. Sehr ähnliche Definitionsansätze werden auch im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission643, im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz644 und in der Literatur645 angeführt. 1. Vergleich der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Beiträge mit der Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen Wenngleich das aufgrund der abstrakten Begrifflichkeiten nicht immer deutlich zum Ausdruck kommt, so wird doch in der Sache in allen soeben angeführten Fundstellen davon ausgegangen, dass zur Beantwortung der Frage, ob doppelte Besteuerung vorliegt, die folgenden zwei Größen (mit Blick auf einen Steuer­ pflichtigen) miteinander zu vergleichen sind: Einerseits die Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge (in 641 BFH / N V 2015, 1369 (Leitsatz 3); s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 22): Doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, „wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen“; ferner BFH DStRE  2021, 773 (Rz. 48); im Kontext einer konkreten Prüfung ebenso bereits BFH BStBl. II 2009, 710 (721): „[D]er Kläger [hat] bereits […] mehr steuerfreie Renteneinkünfte bezogen, als er vorher aus versteuertem Einkommen Beiträge gezahlt hat […] [, sodass] ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung nicht vorliegt“; auch BFH BStBl. II 2011, 567 (Rz. 69); 2011, 579 (Rz. 61); 2011, 591 (Rz. 44); 2018, 62 (Rz. 27 f., 35). 642 BVerfG FR 2016, 78 (Rz. 59); vgl. außerdem BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 50); BVerfG NJW 2016, 469 (Rz. 42). 643 S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51: „Eine Zweifachbesteuerung wird demnach dann vermieden, wenn der nicht in die Bemessungsgrundlage eingehende Renten­zufluss mindestens so hoch wie der aus versteuertem Einkommen geleistete Rentenbeitrag ist“. 644 S. BR-Drucks. 2/04, S. 40: „Eine doppelte Besteuerung wird demnach vermieden, wenn das Steuerrecht es ermöglicht, dass Rentenzahlungen in einem Umfang steuerunbelastet zufließen, der mindestens dem Umfang der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge entspricht“. 645 S. Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 154; Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017); Musil, StuW  2005, 278 (282); Weber-Grellet, DStR  2012, 1253 (1257); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B  213 (Mai 2017).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Euro646) und andererseits die Summe bestimmter insgesamt steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (in Euro).647 Wie die beiden Vergleichsgrößen zu konkretisieren sind, ist freilich sehr umstritten.648 Um Missverständnissen vorzubeugen, sei insbesondere auf zwei Streitpunkte hingewiesen, die in der soeben vorgenommenen Bezeichnung der Vergleichsgrößen (zur sprachlichen Vereinfachung) nicht ausgewiesen werden: Zum einen ist umstritten, bei welchen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung es überhaupt zu doppelter Besteuerung kommen kann.649 Insoweit ist es ungenau, dass oben unspezifisch auf die „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen“ abgestellt wird. Zum anderen wird diskutiert, ob bestimmte Anteile der Rentenversicherungsbeiträge in der Vergleichsrechnung nicht zu berücksichtigen sind, weil sie nicht der Finanzierung solcher Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, die grundsätzlich doppelter Besteuerung unterliegen können.650 Deshalb ist es ebenfalls ungenau, dass oben pauschal von der „Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ die Rede ist. 2. Zugrundelegung von Nominalwerten Nach h. M. ist der beschriebene Vergleich anhand von Nominalwerten vorzunehmen. Zur Begründung wird in der Sache nur vorgetragen, dass der Besteuerung nach geltendem Recht aus überzeugenden Gründen das Nominalwertprinzip zugrunde liegt, sodass dies auch für die Überprüfung, ob doppelte Besteuerung gegeben ist, gelten müsse.651 Das Nominalwertprinzip besagt, dass eine Geldeinheit stets mit einer Geldeinheit gleichzusetzen ist. Nicht berücksichtigt wird die Entwicklung der realen Kaufkraft im Laufe der Zeit: Ein Euro entspricht einem Euro bzw. eine Deutsche Mark entspricht einer Deutschen Mark,652 unabhän-

646

Die Umrechnung von DM in Euro erfolgt gemäß dem Umrechnungskurs 1 Euro = 1,95583 DM, der unwiderruflich festgelegt ist, s. Art. 1 VO (EG) Nr. 2866/98, ABl. Nr. L 359, S. 1; s. auch Art. 4 u. 5 VO (EG) Nr. 1103/97, ABl. Nr. L 162, S. 1. 647 Besonders deutlich wird das z. B. in BFHE  254, 545 (Rz. 37 ff.); s. zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 15, 33, 85) u. BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 54 f., 69 f.). 648 S. dazu unten § 4 und § 5. 649 Zu dieser Frage s. unten § 4 I. 650 Zu dieser Frage s. unten § 5 IV. 651 Ausführlich BFH BStBl. II 2011, 567 (Rz. 70 ff.); 2011, 579 (Rz. 63 ff.); BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 51 ff.); insoweit nicht mehr aktuell BVerfGE  54,  11 (26 ff.); außerdem BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 36): „ständige[…] höchstrichterliche[…] Rechtsprechung sowohl des BVerfG […] als auch des erkennenden Senats“; BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 22 ff.); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 48); ebenso bereits Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51; BR-Drucks. 2/04, S. 40; in der Literatur wird der Rspr. zumeist beiläufig zugestimmt, s. Förster, DStR 2009, 141 (145); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); Weber-Grellet, DStR 2012, 1253 (1257); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 227 (Mai 2017). 652 Zur Umrechnung von DM in Euro s. Fn. 646.

§  3  Definitionsansatz 

125

gig davon, zu welchem Zeitpunkt die Geldeinheit vereinnahmt oder verausgabt wurde.653 Kritisiert wird, dass dies in Anbetracht der großen Zeitspanne, die bei einem Steuerpflichtigen typischerweise zwischen der Entrichtung der ersten Rentenversicherungsbeiträge und dem Bezug der Altersrente liegt, „zu einer deutlichen Verschlechterung der rechnerischen Ausgangslage der Stpfl.“654 führe und „in erheblichem Maße dazu bei[trage], dass die Hürden für die Annahme einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung sehr hoch hängen“655, sodass „sich in der Praxis nur in Extremfällen eine rechnerische doppelte Besteuerung ergeben könne[…]“656. Zur Veranschaulichung wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass z. B. ein Steuerpflichtiger durch die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von 119 DM im Jahr 1956 denselben Prozentsatz der späteren Leistungen finanziert wie durch die Entrichtung von Beiträgen in Höhe von 1450 DM im Jahr 1996.657 Manche fordern vor diesem Hintergrund – weil „die Frage der Doppelbesteuerung […] nicht über das Nominalwertprinzip ausgehebelt werden sollte“658 – ein Hochrechnen (Indexierung) der früher entrichteten Beiträge.659 Vereinzelt wird der von der h. M. anerkannte Definitionsansatz im Zusammenhang mit Kritik am Nominalwertprinzip auch gänzlich verworfen.660

653

Zum Nominalwertprinzip Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 47 (April 2020); Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 512 (Oktober 2020). 654 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017); ähnlich Schuster, BetrAV 2016, 475 (479): „Zudem belastet die Anwendung des Nominalwertprinzips die Steuerpflichtigen angesichts des jahrzehntelangen Betrachtungszeitraums erheblich“. 655 Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416). 656 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017). Unklar bleibt, wohin diese Kritik führen soll; Kulosa hält den Ansatz von Nominalwerten trotz seiner Kritik für „folgerichtig“. Auch drängt sich die Frage auf, ob es Fälle geben soll, in denen theoretisch doppelte Besteuerung vorliegt, die sich lediglich in der Praxis nicht zeigt. 657 Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22  Rn.  139 (Februar 2013) unter Hinweis auf BFH BStBl. II 2011, 567; die Zahlen entstammen dem Klägervortrag der Entscheidung (eine der Jahreszahlen wurde falsch übernommen), s. BFH BStBl. II 2011, 567 (Rz. 11): „Im Streitfall seien – vereinfacht ausgedrückt – durch Zahlung von 119 DM im Jahr 1956 und durch 1.450,75 DM im Jahr 1995 jeweils 2,5 % der späteren Rente finanziert worden“. 658 Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 150 (Februar 2013). 659 Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 150 (Februar 2013): „Denkbar wäre ein Hochrechnen beispielsweise anhand des Maßstabs der jeweils zu gleichen Entgeltpunkten […] führenden Beitragsleistungen“; s. auch Stützel, DStR 2010, 1545 (1551 f.), der allgemein eine Indexierung fordert; vgl. ferner Ermel, NWB-EV 2010, 194 (195); bereits Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2002, 420 (426 ff.), die sich damals mit Blick auf die anstehende Neuregelung mit der Frage befassten, welchen Anteil der Altersrente der Gesetzgeber zukünftig steuerlich belasten darf, empfahlen im Ergebnis eine Berechnung über die Entgeltpunkte; dafür auch Ruland, in: Presseseminar VDR 2002, S. 29 (36). 660 S. G. Siepe, DStR 2020, 423 (424 ff.): „Diese Berechnungsmethode zur Ermittlung einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung durch bloße Gegenüberstellung der nominellen Beitragszahlungen mit den nominellen Rentenzuflüssen ist weder systemgerecht noch verfassungskonform“ (S. 426); zum von Siepe vertretenen Definitionsansatz s. unten § 3 II.

126

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

3. Varianten des anerkannten Definitionsansatzes Teilweise wird auf Grundlage des angesprochenen Vergleichs das Vorliegen661, teilweise das Nichtvorliegen662 doppelter Besteuerung definiert. Mit einem unterschiedlichen Definiendum kann freilich (je nach Formulierung der Definition) ein inhaltlicher Unterschied einhergehen, worauf auch der Bundesfinanzhof (wenn auch auf fehlerhafter „Tatsachengrundlage“) hingewiesen hat.663 Es ist jedoch nicht erkennbar, dass damit vorliegend ein inhaltlicher Unterschied zum Ausdruck gebracht werden soll. Ebenfalls keine inhaltliche Bedeutung wird in der Regel den Abweichungen bei der Bezeichnung der zu vergleichenden Größen beigemessen, wenngleich manchmal Begrifflichkeiten eingesetzt werden, die im Steuerrecht oder im Rentenversicherungsrecht eigentlich Unterschiedliches zum Ausdruck bringen. Synonym verwendet werden mit Blick auf eine der Vergleichsgrößen z. B. die Formulierungen „steuerliche Entlastung der […] Altersrenten“664 bzw. „Altersbezüge“665, „steuerliche[…] Belastung der Leistungen“666, „[s]teuerfreier Rentenzufluss“667, „Summe der […] steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse“668, „Summe der nicht steuerbaren Zuflüsse“669 oder „Summe der steuerunbelastet bleibenden Teile der […] Rentenbe 661 S. z. B. BFH BStBl. II 2017, 1187 (Rz. 32); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 154. 662 S. z. B. BFH / N V 2015, 1369 (Leitsatz 3); BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 22); Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017). 663 S. BFH / N V 2015, 1369 (Rz. 11 ff.). Zur fehlerhaften „Tatsachengrundlage“: Der BFH hat in diesem Beschluss eine tatsächlich nicht vorhandene Abweichung zwischen den Formulierungen im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission und im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz thematisiert. Der BFH gibt die Formulierung aus dem Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission im Wortlaut falsch wieder; ergänzt werden die Worte „nur dann“. Gerade mit dem Vorhandensein dieser Worte begründet der BFH anschließend seine Feststellung, dass zwar beide Definitionsansätze die Frage beantworteten, unter welchen Voraussetzungen doppelte Besteuerung definitiv ausgeschlossen sei, dass aber nur im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission die Frage beantwortet werde, unter welchen Voraussetzungen es zu doppelter Besteuerung komme. Der Fehler des BFH ist darauf zurückzuführen, dass der BFH an dieser Stelle wörtlich aus einer anderen Entscheidung, namentlich BFH BStBl. II 2009, 710 (721), zitiert, wo der Definitionsansatz der Rürup-Steuerkommission (gerade nicht im Rahmen eines wörtlichen Zitats) um die Worte „nur dann“ ergänzt wurde, um dessen inhaltliche Aussage zur umstrittenen Frage, ob durch den Grundfreibetrag ein steuerunbelasteter Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt wird, zu verdeutlichen; zu dieser Frage s. unten § 4 II. 3. 664 BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 54). 665 BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 52); 2017, 1187 (Rz. 32). 666 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 213 (Mai 2017). 667 Hey, DRV 2004, 1 (7); wortgleich Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alters­ einkünften, 2009, S. 154 f.; Musil, StuW 2005, 278 (282). 668 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 22). 669 Weber-Grellet, DStR 2012, 1253 (1257).

§  3  Definitionsansatz 

127

züge“670. Obwohl teilweise von „Altersrenten“671, teilweise etwas weiter gefasst von „Altersbezügen“672, teilweise allgemein von „Renten“673 und teilweise sogar ganz umfassend von „Leistungen“ oder „Zuflüssen“ die Rede ist, deutet nichts darauf hin, dass hier implizit Stellung genommen werden soll zu der umstrittenen Frage, bei welchen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung es überhaupt zu doppelter Besteuerung kommen kann.674 Mit Blick auf die andere Vergleichsgröße werden synonym gebraucht z. B. die Ausdrücke „steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen“675, „Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenbeiträge“676 bzw. „aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen“677, „Summe der […] aus versteuertem Einkommen geleisteten entsprechenden Altersvorsorgeaufwendungen“678, „Summe der nicht entlasteten Beiträge“679 oder „bereits versteuerte[…] Rentenversicherungsbeiträge“680. Der, soweit erkennbar, einzige Fall, in dem mit Hilfe der bei der Bezeichnung der Vergleichsgrößen verwendeten Begriffe bewusst mit Bezug auf eine bestimmte Sachfrage differenziert wird, ist die Abweichung zwischen dem Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission einerseits, wo vom „nicht in die Bemessungsgrundlage eingehende[n] Rentenzufluss“681 die Rede ist, und dem Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz andererseits, wo auf die „Höhe des steuerunbelasteten Zuflusses“682 abgestellt wird.683 Damit sollen unterschiedliche Positionen in der um 670

Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017). 671 S. § 33 Abs. 2 SGB VI. 672 Damit könnten neben den Altersrenten auch andere an das Alter anknüpfende Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemeint sein, also Steigerungsbeträge n. § 269 SGB VI und die Leistungen n. § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner, s. oben § 2 I. 1. b). 673 Damit könnten Renten wegen Alters, wegen Erwerbsminderung und wegen Todes gemeint sein, s. § 33 Abs. 1 SGB VI; zu den Renten s. auch oben § 2 I. 1. a). 674 Zu dieser Frage s. unten § 4 I. 675 BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 52); 2016, 733 (Rz. 54); 2017, 1187 (Rz. 32); ähnlich Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B  213 (Mai 2017): „steuerliche[…] Belastung der Beiträge“. 676 BFH / N V 2015, 1369 (Leitsatz 3); beinahe wortgleich Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51; BR-Drucks. 2/04, S. 40. 677 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 22). 678 Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416); beinahe wortgleich ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017); auch Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 679 Weber-Grellet, DStR 2012, 1253 (1257). 680 Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 174 f. Hierzu sei angemerkt, dass die vom Stpfl. getragenen Rentenversicherungsbeiträge als Aufwendungen des Stpfl. begrifflich nicht steuerbar, steuerpflichtig oder versteuert sein können. Anders verhält es sich wegen § 3 Nr. 62 EStG mit den bei Arbeitnehmern vom Arbeitgeber getragenen Beiträgen; vgl. Söhn / Müller-Franken, StuW 2000, 442 (443). 681 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51. 682 BR-Drucks. 2/04, S. 40. 683 Diesen Unterschied zwischen dem Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission und dem Gesetzentwurf behandelt BFH BStBl. II 2009, 710 (721).

128

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

strittenen Frage zum Ausdruck gebracht werden, ob der Grundfreibetrag einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des oben formulierten Definitionsansatzes bewirkt.684 Kein vom Definitionsansatz der h. M. abweichendes Konzept wird vertreten, wenn teilweise in der Literatur angenommen wird, dass doppelte Besteuerung bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegt, wenn „ein Steuersubjekt mit demselben Steuerobjekt erneut zu einer Steuer herangezogen“685 wird. Diese an die anerkannte Umschreibung der Doppelbesteuerung im internationalen Kontext686 bzw. an die übliche Terminologie betreffend die Systematisierung steuerlicher Mehrfachbelastungen687 angelehnte Formulierung ist bereits zu abstrakt, als dass sie mit dem Definitionsansatz der h. M. in Widerspruch stehen könnte. Sie ist keineswegs falsch,688 aber sie ist praktisch nicht handhabbar. Dementsprechend greifen die Autoren, die die abstrakte Formulierung anführen, im Ergebnis doch auf den Definitionsansatz der h. M. zurück und leiten diesen gewissermaßen aus der abstrakten Formulierung ab.689 Ebenfalls keine Abweichung vom Definitionsansatz der h. M. stellt die folgende Passage aus dem Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission dar (was der eindeutigen Intention der Rürup-Steuerkommission entspricht690): „Eine Zweifachbesteuerung liegt vor, wenn und soweit ein Rückfluss von aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenbeiträgen während der Rentenbezugsphase in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wird“691. Diese Formulierung lässt sich ohne weiteres in den Definitionsansatz der h. M. umformen. Im Ergebnis nicht nachvollziehbar ist der Hinweis des Bundesfinanzhofs, dass die Formulierung „keine Aussage darüber [enthalte], unter welchen Voraussetzungen die Rentenbezüge ein Rückfluss von aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträgen sind“692. Das trifft zwar zu, jedoch beantwortet auch die anerkannte Definition der h. M. diese Frage nur scheinbar in dem Sinne, dass sämtliche aus versteuertem Einkommen geleistete Beiträge später mit den Rentenbezügen zurück­ 684

Zu dieser Frage s. unten § 4 II. 3. Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV  2003, 465 (478); unter Hinweis auf diese zuletzt ähnlich Karrenbrock, DStR 2018, 844 (846); außerdem bereits Heine, ZRP 2002, 479 (481). 686 S. dazu Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 15.2 ff. 687 S. dazu Korezkij, StuW 2003, 125; Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 1974, S. 36 ff.; Mellinghoff, DStJG 22 (1999), S. 127 (131 ff.). 688 Vgl. oben § 1 (vor I.). 689 Vgl. Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 465 (478 f.); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (846 f.). 690 Deutlich wird die Intention der Rürup-Steuerkommission daran, dass die in Rede stehende Passage im Abschlussbericht dem Definitionsansatz der (heute) h. M. unmittelbar nachfolgt und mit der Phrase „Anders ausgedrückt:“ eingeleitet wird, s. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51. 691 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51. 692 BFH / N V 2015, 1369 (Rz. 15). 685

§  3  Definitionsansatz 

129

fließen.693 Tatsächlich ist dies aber nicht abschließend geklärt, was darin zum Ausdruck kommt, dass – worauf oben bereits hingewiesen wurde – zum einen umstritten ist, bei welchen Leistungen es zu doppelter Besteuerung kommen kann,694 und zum anderen, ob bestimmte Anteile der Rentenversicherungsbeiträge im Rahmen der Vergleichsbetrachtung herauszurechnen sind, weil sie nicht der Finanzierung solcher Leistungen dienen, die doppelter Besteuerung unterliegen können.695

II. Abweichende Definitionsansätze: Vergleich des geltenden Rechts mit einem angeblich steuersystematisch sachgerechten Besteuerungsmodell In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird teilweise ein Definitionsansatz vertreten, der erheblich von dem soeben geschilderten Ansatz der h. M. abweicht. Chirvi / Maiterth sprechen von einem „[s]ystemkonformen Maßstab zur Identifikation einer Doppelbesteuerung“696:697 Doppelte Besteuerung liege vor, wenn MSystem > 1. Minderbesteuerung liege vor, wenn MSystem < 1. Eine systematisch zutreffende Besteuerung liege vor, wenn MSystem = 1. Dabei bestimme sich MSystem folgendermaßen:

MSystem =

∑ steuerpflichtige Renten ∑ adäquate steuerpflichtige Renten

Die adäquate steuerpflichtige Rente betrage dabei:    adäquat steuerpflichtige Rente = (Anteil steuerfreie Beiträge × Rente) +       (Anteil versteuerte Beiträge × Rente × Ertragsanteil) Der Anteil steuerfreier Beiträge ergebe sich aus:

Anteil steuerfreie Beiträge =

∑ steuerfreie Beiträge ∑ sämtliche Beiträge

Chirvi / Maiterth definieren doppelte Besteuerung also durch einen Vergleich zwischen der Summe der nach geltendem Recht tatsächlich steuerpflichtigen Rente (in Euro)698 einerseits und einer Summe (in Euro), die bei nach Auffassung der 693 Vgl. beispielhaft BFHE 254, 545 (Rz. 46): Doppelte Besteuerung liege vor, wenn „die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen“. 694 Zu dieser Frage s. unten § 4 I. 695 Zu dieser Frage s. unten § 5 IV. 696 Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (133). 697 Zum Folgenden Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (134). 698 Diese Summe berechnen sie, indem sie den Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf den kumulierten Rentenbetrag (in Euro) anwenden, s. Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (134) bei „Beispiel 1“.

130

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Autoren steuersystematisch sachgerechter Besteuerung der Renten steuerpflichtig sein müsste, andererseits. Steuersystematisch sachgerecht wäre die Besteuerung der Renten nach Chirvi / Maiterth, „wenn die mit den steuerfreien Beiträgen korrespondierenden Renten voll besteuert werden (nachgelagerte Besteuerung) […] [und] [d]er Teil der Renten, der aus versteuerten Beiträgen stammt […] im Rahmen der Ertragsanteilsbesteuerung […] [besteuert wird] (vorgelagerte Besteuerung)“699. Gemeint ist Folgendes: Wenn beispielsweise 60 Prozent der Beiträge aus unversteuertem Einkommen und 40  Prozent aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden, dann sollen 60 Prozent der Rente einer Vollbesteuerung und 40 Prozent nur einer Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen.700 Wenn die Besteuerung nach geltendem Recht von dieser angeblich steuersystematisch sachgerechten Besteuerung abweicht, dann nehmen Chirvi / Maiterth an, dass doppelte Besteuerung bzw. Minderbesteuerung vorliege. Dem Definitionsansatz von Chirvi / Maiterth entspricht derjenige von G. Siepe: „Eine Doppelbesteuerung wird folglich nur dann vermieden, wenn der zu versteuernde Rentenbetrag (gesetzlicher Besteuerungsanteil) nicht höher ist als der Gesamtbetrag aus einer Ertragsanteilsbesteuerung der mit den versteuerten Beiträgen korrespondieren Rentenanteile und einer Vollversteuerung der mit unversteuerten Beiträgen und beitragsfreien Zeiten korrespondierenden Rentenanteile“701. Ein ähnlicher Definitionsansatz findet sich bei Schindler / Braun: „Eine Doppelbesteuerung der Rente liegt vor, wenn der steuerfrei gestellte Anteil des Renteneinkommens geringer ist als der versteuerte Anteil der Rentenbeiträge resp. der Entgeltpunkte“702. Außerdem heißt es dort: „Die Differenz D zwischen versteuertem Anteil der Rentenbeiträge und steuerfreiem Anteil des Renteneinkommens gibt das Maß der Doppelbesteuerung an. Eine Doppelbesteuerung liegt also vor, wenn D > 0 gilt. Im Fall D = 0 liegt keine Doppelbesteuerung vor“703. Denselben Definitionsansatz wie Schindler / Braun befürworten nun auch Kempny / Siegel, die annehmen, dass es zu doppelter Besteuerung kommt, „wenn Rentenzahlungen zu einem höheren Anteil besteuert werden, als es dem Anteil der steuerlich absetzbaren Rentenversicherungsaufwendungen an der Gesamtsumme

699

Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (133 f.). Vgl. Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (134) bei „Beispiel 1“. 701 G. Siepe, DStR 2019, 2568 (2569); s. auch ders., DStR 2020, 423 (426); nicht ganz klar ist hingegen, ob bereits G. Siepe / W. Siepe, Doppelbesteuerung von Neurenten ab 2015, 2016 und dies., Rentenbesteuerung erneut auf dem Prüfstand: Zweifachbesteuerung ab Rentenbeginn in 2015, 2016 das von ihnen so genannte „beitragsproportionale Berechnungsverfahren“ als Definition der doppelten Besteuerung zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts angesehen haben oder lediglich als Reformvorschlag de lege ferenda. 702 Schindler / Braun, NWB 2020, 784 (786). 703 Schindler / Braun, NWB 2020, 784 (786); im letzten Satz dürfte wohl gemeint sein, dass im Fall D ≤ 0 keine doppelte Besteuerung vorliege. 700

§  3  Definitionsansatz 

131

der Rentenversicherungsaufwendungen entspricht“704. Kempny / Siegel weisen ausdrücklich darauf hin, dass ihr Definitionsansatz von demjenigen des Bundesfinanzhofs (und damit von demjenigen der h. M.) abweicht.705 Der Regelungsvorschlag von Kempny / Siegel beruht aber in der Sache doch auf dem Definitionsansatz der h. M.706 Die folgende Formulierung von Kempny / Siegel lässt vermuten, dass sich die Autoren dessen auch bewusst sind: „Dies [die Besteuerung gemäß dem Regelungsvorschlag, Anm. d. Verf.] hätte zur Folge, dass von der LebensgesamtrentenAuszahlungssumme G die Differenz G minus B besteuert würde. Das wäre syste-

704

Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (588); s. dort auch S. 589: „Folglich liegt eine Doppelbelastung dann vor, wenn die den steuerlich absetzbaren Rentenversicherungsaufwendungen (a %) zuzurechnenden Rentenzahlungen mit einem Hundertsatz nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert werden, der mehr als a % beträgt“; S. 591: „Bei dieser Betrachtung wird jedoch übersehen, dass hier ein steuerfreier ‚Rentengewinn‘ i. H. v. (über) (157149 – 133276 =) 23873 € vorliegt – gleichzeitig aber der Anteil der steuerwirksam berücksichtigten Rentenversicherungsaufwendungen vielleicht nur z. B. a = 44 % betragen hat, so dass die Besteuerung mit 54 % nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 Tabellenzeile ‚2007‘ EStG zu einer Teil-Doppelbesteuerung führt“; „Die Lösung über eine Aufteilung der gesamten Aufwendungen […] ist möglicherweise auch bereits von anderer Seite eingebracht worden“ (i. V. m. dem in Fn. 35 enthaltene Hinweis auf „BFH v. 27. 5. 2015, X B 168/14, juris, Rz. 23“ u. „Cirvi [sic!] / Maiterth, StuW 2019, 130, 134“; dazu hier sogleich bzw. soeben im Text); S. 592: „Diese [doppelte Besteuerung] droht bei einem Anteil der steuerlich berücksichtigten Aufwendungen von weniger als dem in der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Hundertsatz“. 705 Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (588): „Der Beitrag weist nach, dass der Grundansatz des BFH der Korrektur bedarf, da er sowohl zu ungerechtfertigter Über- wie Unterbesteuerung führen kann“; „Zur Beantwortung der Frage, ob eine Doppelbesteuerung vorliegt, hat er [der BFH, Anm. d. Verf.] einen Weg eingeschlagen, der u.E. nicht als zielführend anzusehen ist und daher im Einzelfall zu einem unzutreffenden Ergebnis führen kann“; s. dort auch S. 592: „Er [der BFH, Anm. d. Verf.] hat nicht erkannt, dass der von ihm angestellte Vergleich der Summen aus versteuerten Einzahlungen einerseits und zu erwartenden steuerfreien Auszahlungen (einschließlich der von ihm im Vorbeigehen angenommenen steuerfreien ‚Rentengewinne‘) andererseits keine hinreichende Gewähr dafür bietet, eine Doppelbesteuerung auszuschlie­ ßen“. 706 Vgl. Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (589 ff.): „Das Problem der jedenfalls in manchen Fällen der Übergangszeit verfassungswidrigen Besteuerung von Rentenzahlungen […] ist u.E. vom Gesetzgeber dergestalt zu lösen, dass bei Eintritt des betreffenden Rentenfalls der Gesamtbetrag der zu Gunsten des jeweiligen Stpfl. aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge zu ermitteln ist und dieser Gesamtbetrag anteilig auf ‚steuerlich absetzbar gewesen‘ mit dem Betrag A (a %) und ‚aus versteuertem Einkommen getragen‘ mit dem Betrag B (b %) aufzuteilen ist (mit a % + b % = 100 %). Sodann sind von den jährlichen betreffenden Rentenzahlungen a % stets zu besteuern, während b % steuerfrei zu belassen sind, bis der Betrag B durch Rückzahlungen ausgeglichen ist. Diese Kappung der Steuerfreiheit ist aus (sozial-)politischen Gründen besser im Wege einer oben vorgestellten pauschalierenden Hilfslösung zu bewirken, wonach die Rückzahlung des Betrags B gleichmäßig auf die statistisch bei Rentenbeginn zu erwartenden Rentenzahlungsjahre verteilt wird“ (S. 592) (Hervorhebungen nur hier); „Zum Beginn der Auszahlungsphase wird (anhand der jeweils jüngsten verfügbaren amtlichen Sterbetafeln) die statistisch zu erwartende Rentenbezugsdauer R festgestellt. Die Summe B wird alsdann durch R geteilt und hieraus ein jährlicher Rentenfreibetrag ermittelt, der dem Stpfl. für die gesamte Auszahlungsdauer gewährt wird“ (S. 590).

132

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

matisch richtig: Das eingezahlte Nominalkapital würde steuerfrei zurückgezahlt, alles darüber hinaus würde besteuert“707. Wie Chirvi / Maiterth und G. Siepe definieren auch Schindler / Braun sowie Kempny / Siegel doppelte Besteuerung durch einen Vergleich der Besteuerung nach geltendem Recht mit einer angeblich steuersystematisch sachgerechten Besteuerung, bei welcher die Renten nur zu dem Prozentsatz einer Vollbesteuerung unterliegen, zu dem die Rentenversicherungsbeiträge aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden. Während Chirvi / Maiterth und G. Siepe davon ausgehen, dass die Renten im Übrigen, d. h. zu dem Prozentsatz, zu dem die Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden, einer Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen sollen (bzw. dürfen), nehmen Schindler / Braun und Kempny / Siegel an, dass die Renten insoweit überhaupt nicht besteuert werden dürfen.708 Für das oben erwähnte Beispiel, in dem 60 Prozent der Beiträge aus unversteuertem und 40 Prozent aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden, bedeutet der Ansatz von Schindler / Braun und Kempny / Siegel, dass doppelte Besteuerung gegeben ist, wenn der „steuerfrei gestellte Anteil des Renteneinkommens“ geringer ist als 40 Prozent, was nach Schindler / Braun und Kempny / Siegel der Fall sein soll, wenn der konkret einschlägige Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG größer ist als 60 Prozent.709 Der von Chirvi / Maiterth, G.  Siepe, Schindler / Braun und Kempny / Siegel im Rahmen ihrer Definitionsansätze zugrunde gelegte Aufteilungsmaßstab für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung weist eine deutliche Parallele zur anerkannten Auslegung des § 22 Nr. 5 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a EStG710 sowie des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG711 auf:712 Bei der Anwendung des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG wird zur Aufteilung der Leistungen, die zum Teil

707

Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (590). Vgl. auch Chirvi / Kiesewetter / Maiterth / Menzel / Tschinkl, StuW 2020, 249 (252 Fn. 25): „Schindler / Braun […] stellen bei ihrem Maßstab auf das Verhältnis von Anteil der steuerfreien Renten zu Anteil der versteuerten Beiträge ab. Dies ähnelt unserem Maßstab, vernachlässigt aber die gebotene Ertragsanteilsbesteuerung bezogen auf die aus versteuertem [sic!] Beiträgen resultierenden Renten“; Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (591 Fn. 35): „Cirvi [sic!] / Maiterth, StuW 2019, 130, 134, beziehen indessen bei der von ihnen als ‚systemkonform‘ bezeichneten Aufteilung einen Ertragsanteil bezüglich der ‚versteuerten‘ Beiträge ein“. 709 Den „steuerfrei gestellten Anteil des Renteneinkommens“ entnehmen Schindler / Braun unmittelbar § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, s. Schindler / Braun, NWB 2020, 784 (786 f.); vgl. auch Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (589): „Folglich liegt eine Doppelbelastung dann vor, wenn die den steuerlich absetzbaren Rentenversicherungsaufwendungen (a %) zuzurechnenden Rentenzahlungen mit einem Hundertsatz nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert werden, der mehr als a % beträgt“. 710 S. oben § 1 I. 2. b) cc). 711 S. oben § 2 I. 2. b) bb). 712 Auf die Verbindungen des Aufteilungsmaßstabs zu § 22 Nr. 5 EStG und zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG weisen auch G. Siepe / W. Siepe, Doppelbesteuerung von Neurenten ab 2015, 2016, S. 19 f. hin. 708

§  3  Definitionsansatz 

133

auf geförderten und zum Teil auf nicht geförderten Beiträgen713 beruhen, entweder ein versicherungsmathematisches Verfahren oder das sog. beitragsproportionale Verfahren angewendet.714 Das beitragsproportionale Verfahren besagt, genau wie der von Chirvi / Maiterth, G. Siepe, Schindler / Braun und Kempny / Siegel zugrunde gelegte Aufteilungsmaßstab, dass die Leistungen nach dem Verhältnis der Summe der steuerfreien und bzw. oder nicht geförderten Beiträge zur Summe der insgesamt geleisteten Beiträge ohne Berücksichtigung von Zinseffekten aufzuteilen sind; das versicherungsmathematische Verfahren stellt ebenfalls auf dieses Verhältnis ab, jedoch wird eine Aufzinsung vorgenommen.715 Eine beitragsproportionale Aufteilung von Leistungen hält die Finanzverwaltung als Vereinfachungsregel in bestimmten Fällen auch bei § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG für zulässig, wenn es bei Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen um die Frage geht, welcher Teil der Leistungen auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung beruht;716 die Aufteilung von Leistungen, die nicht aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen stammen, sei hingegen vom Versorgungsträger nach denselben Grundsätzen vorzunehmen wie in Leistungsfällen, in denen keine Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags geleistet wurden.717 713

Von „geförderten“ und „nicht geförderten“ Beiträgen ist im Zusammenhang mit § 22 Nr. 5 EStG die Rede in BMF BStBl. I 2004, 1061; 2018, 93; 2018, 147. Man könnte ebenso von Beiträgen sprechen, die aus unversteuertem bzw. versteuertem Einkommen entrichtet wurden. In BMF BStBl. I 2018, 93 (vor Tz. 1) ist mit Blick auf die private Altersvorsorge die Rede von „Förderung durch Zulage und Sonderausgabenabzug“; s. auch oben § 1 I. 2. b) cc), insb. Fn. 153. 714 S. BMF BStBl. I 2018, 93 (Tz. 141); 2018, 147 (Tz. 155) mit Verweis auf BMF BStBl. I 2004, 1061 (Tz. 3); 2012, 311, wonach das beitragsproportionale Verfahren neben dem versicherungsmathematischen Verfahren grundsätzlich immer in Betracht kommt, es sei denn, es führt zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen. Nach BMF BStBl. I 2018, 93 (Tz. 141) scheidet die Anwendung des beitragsproportionalen Verfahrens für einen längeren Zeitraum (mehr als zwei Beitragsjahre) aus, wenn es um Beiträge geht, die nach dem 31. 12. 2001 zugunsten eines zertifizierten Altersvorsorgevertrags geleistet wurden. 715 S. BMF BStBl. I 2004, 1061 (Tz. 2. 2. 3 u. Tz. 3). 716 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 249): Es wird „zugelassen, dass die tatsächlich geleisteten Beiträge und die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge zum im entsprechenden Jahr maßgebenden Höchstbeitrag ins Verhältnis gesetzt werden. Aus dem Verhältnis der Summen der sich daraus ergebenden Prozentsätze ergibt sich der Prozentsatz für den Teil der Leistung, der auf Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags entfällt“. 717 BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 248); auch Killat, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG /  KStG, § 22 Rn. 318 (September 2016); Nacke, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 22 Rn. 92 (Juni 2018). Was damit genau gemeint ist, wird bislang kaum thematisiert, s. aber zu einem früheren (gleichlautenden) BMF-Schreiben FG Düsseldorf EFG 2010, 793 (Rz. 23): „Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Finanzverwaltung, dass im Grundsatz – so jedenfalls versteht der Senat die Ausführungen […] des BMF-Schreibens […] – die Berechnung so vorzunehmen ist, dass die den Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung übersteigenden Beiträge eines jeden Kalenderjahres zu ermitteln und sodann in die konkrete Rentenformel des Versorgungsträgers ‚einzusetzen‘ sind. Die Jahresrente wird damit faktisch aufgespalten in einen Anteil, der sich ergäbe, wenn der Steuerpflichtige maximal Beiträge bis zum Höchstbetrag geleistet hätte, und in den Anteil, der auf den über dem Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehenden Anteil der Beiträge beruht“.

134

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Bei der von Chirvi / Maiterth und G. Siepe als steuersystematisch sachgerecht empfundenen generellen Aufteilung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in einen der Vollbesteuerung unterliegenden Teil und einen der Ertragsanteilsbesteuerung unterliegenden Teil handelt es sich um ein vom geltenden Recht abweichendes Besteuerungsmodell,718 das bei der Schaffung des Alterseinkünftegesetzes zwar diskutiert,719 aber vom Gesetzgeber im Ergebnis verworfen wurde.720 Auch die von Schindler / Braun und Kempny / Siegel als sachgerecht unterstellte Besteuerung weicht freilich vom geltenden Recht ab. Chirvi / Maiterth erwähnen selbst, dass ihre „adäquate steuerpflichtige Rente“ bisher nur „Reformvorschlag zur Rentenbesteuerung“ war; trotzdem soll sie auch „zur Identifikation einer Doppel- oder Minderbesteuerung herangezogen“ werden können.721 Der Bundesfinanzhof dürfte anderer Auffassung sein; mit Blick auf einen Definitionsansatz, der demjenigen von Schindler / Braun und Kempny / Siegel entspricht, hat der Bundesfinanzhof ausgeführt: „Das Konzept des Klägers, die Rentenbezüge zu genau demjenigen Prozentsatz von der Steuer freizustellen, mit dem die Vorsorge­ aufwendungen tatsächlich der Steuer unterlagen, wäre vor diesem Hintergrund keine Überprüfung der Doppelbesteuerung. Es wäre ein Besteuerungsmodell, in dem die Besteuerung unmittelbar an das Leibrentenstammrecht bzw. den Rentenanspruch anknüpfte und dieses in einen dem Grunde nach steuerverhafteten und einen dem Grunde nach steuerfreien Teil zerlegte. […]. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG gegen diesen Ansatz entschieden“722. Es wäre deshalb nur konsequent, wenn der Bundesfinanzhof den Definitionsansatz von Chirvi / Maiterth und G. Siepe ebenfalls in diesem Sinne beurteilen würde.

718

Zwar kann § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG i. Erg. bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer solchen Aufteilung führen, jedoch betrifft die Vorschrift nur Fälle, in denen Rentenversicherungsbeiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Chirvi / Maiterth und G. Siepe unterstellen in der Sache, dass die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung eigentlich (sachgerecht) so besteuert werden müssten, wie es § 22 Nr. 5 Satz 1 u. Satz 2 Buchst. a EStG für Renten aus Altersvorsorgeverträgen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen vorsieht. 719 Befürwortet wurde dieses Besteuerungsmodell z. B. von Ruland, Die Besteuerung von Alterseinkünften, DRV Schriften Bd. 39 (Presseseminar VDR 2002), S. 29 (35); s. auch Brall /  Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 465 (485 ff.). 720 Im Gesetzentwurf werden vor allem Vereinfachungsgründe als Motiv angeführt, s. BRDrucks. 2/04, S. 68: „Die Regelung [§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG] wirkt steuervereinfachend, da sie eine Aufteilung der Leibrenten in einen nach Doppelbuchstaben aa und einen nach Doppelbuchstaben bb (Ertragsanteilsbesteuerung) zu besteuernden Teil entbehrlich macht“. 721 Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (134). 722 BFH / N V 2015, 1369 (Rz.  23).

§  3  Definitionsansatz 

135

III. Stellungnahme Da mit dem Begriff der doppelten Besteuerung ein verfassungswidriger Zustand beschrieben wird, muss der Definitionsansatz aus dem Grundgesetz abgeleitet werden.723 Das verfassungsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers weist den einfachen Gesetzgeber an, Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht in die Bemessungsgrundlage724 der Einkommensteuer einzubeziehen, als es sich bei diesen um den Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens handelt, welcher bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde.725 Wird diese Weisung nicht befolgt, so liegt verfassungswidrige doppelte Besteuerung vor. 1. Verfassungsrechtliche Ableitung des anerkannten Definitionsansatzes Der Definitionsansatz der h. M.726 beantwortet die Frage, ob der einfache Gesetzgeber die Weisung befolgt: Die Vergleichsgröße „Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“727 bildet diejenigen Leistungen zahlenmäßig ab, welche von Verfassungs wegen nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden dürfen, weil sie intertemporal transferiertes Einkommens darstellen, das bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde; die Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“728 beziffert, inwieweit der Gesetzgeber diese nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehenden Leistungen tatsächlich nicht in die Bemessungsgrundlage einbe-

723

S. oben 2. Teil (vor § 3). Nicht überzeugend ist daher die Annahme von Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017), dass nur aus Praktikabilitätsgründen auf die Bemessungsgrundlage abgestellt würde, dass aber „[e]ine auf die konkrete StFestsetzung abstellende Betrachtung […] exakter“ wäre, s. dazu auch unten § 5 III. 725 S. oben § 1 I. 2. Mit einfacheren (aber weniger präzisen) Worten könnte man auch sagen: Das Folgerichtigkeitsgebot weist den einfachen Gesetzgeber an, Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit sie das Ergebnis eines erfolgsneutralen Vermögenstauschs bzw. einer bloßen Umschichtung von Privatvermögen sind oder soweit sie sich als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen darstellen. 726 Zu diesem s. oben § 3 I. 727 Zu beachten ist, dass umstritten ist, ob bestimmte Anteile der Rentenversicherungsbeiträge in der Vergleichsrechnung nicht zu berücksichtigen sind, weil sie nicht der Finanzierung solcher Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, die grundsätzlich doppelter Besteuerung unterliegen können; s. dazu unten § 5 IV. 728 Zu beachten ist, dass noch nicht geklärt ist, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen können; s. dazu unten § 4 I. 724

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

zieht. Der Definitionsansatz der h. M. lässt sich also aus dem Grundgesetz herleiten und überzeugt deshalb.729 Auch dass die Vergleichsgrößen anhand von Nominalwerten zu bestimmen sind, wie es die h. M. annimmt,730 gibt das Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit der einschlägigen Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers vor. Das folgt daraus, dass auch in den Vorschriften, aus denen sich die einschlägige Belastungsgrundentscheidung ergibt, gerade der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens berücksichtigt wird: Bei § 17 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 4 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG wird im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Nominalbetrag der Anschaffungskosten in Abzug gebracht; bei § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG kommt es auf den Nominalbetrag der Beiträge an.731 In dieselbe Richtung weist die Argumentation der h. M., dass der Besteuerung nach geltendem Recht das Nominalwertprinzip zugrunde liegt, sodass dies auch für die Überprüfung, ob doppelte Besteuerung gegeben ist, gelten müsse.732 Allerdings fehlt bei der Argumentation der h. M. die entscheidende Verknüpfung mit dem Folgerichtigkeitsgebot. Die teilweise gegen die Zugrundelegung von Nominalwerten vorgebrachte Kritik733 erweist sich in Anbetracht der Vorgaben des Folgerichtigkeitsgebots als nicht überzeugend. Wollte man die Zugrundelegung von Nominalwerten bei der Überprüfung, ob doppelte Besteuerung gegeben ist, in Zweifel ziehen, müsste man begründen, dass die Geltung des Nominalwertprinzips bei der Anwendung der soeben genannten Vorschriften, aus denen sich die einschlägige Belastungsgrundentscheidung ergibt, verfassungsrechtlich unzulässig ist.734 Das Folgerichtigkeitsgebot könnte dann aufgrund seiner Verwurzelung in Art. 3 Abs. 1 GG keine Verbindlichkeit der verfassungswidrigen Belastungsgrundentscheidung bewirken.735 Zurückzuweisen ist der grundsätzlich gegen den Definitionsansatz der h. M. vorgebrachte Einwand, dass dieser wegen des Anknüpfens an einen Vermögensvergleich steuersystematisch nicht zur nachgelagerten Rentenbesteuerung passe, weil diese eine Konsumsteuer (sparbereinigte Einkommensteuer) darstelle.736 Unabhängig davon, ob die Behauptung in der Sache überhaupt zutrifft, ist jedenfalls nicht erkennbar, warum das für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der 729

Rügamer, FR 2020, 399 (403). S. oben § 3 I. 2. 731 Zur Herleitung der vorliegend maßgeblichen Belastungsgrundentscheidung s. oben § 1 I. 2. 732 S. BFH BStBl. II 2011, 567 (Rz. 70 ff.); BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 51 ff.); außerdem s. bereits oben § 3 I. 2. 733 Zu dieser s. oben § 3 I. 2. 734 Zu messen ist das Nominalwertprinzip insoweit am Leistungsfähigkeitsprinzip, s. Hey, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, Einführung zum EStG Rn. 47 (April 2020); Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 512 (Oktober 2020). 735 Das ergibt sich daraus, dass durch den Gleichheitssatz nicht der Vorrang der Verfassung im Übrigen ausgehebelt werden darf, s. Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 424 (Oktober 2020) m. w. N. 736 So aber Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (131). 730

§  3  Definitionsansatz 

137

Besteuerung eine Rolle spielen sollte. Es fehlt eine Anbindung der Kritik an das Grundgesetz, welches den alleinigen Prüfungsmaßstab bei der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit darstellt; auf die Steuersystematik kommt es nicht an, soweit sich diese nicht in einer Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots niederschlägt. Die notwendige Anbindung an das Grundgesetz fehlt auch der Kritik, dass die mit dem Ansatz der h. M. erzielten Ergebnisse abhängig sind von exogenen, nicht vom Gesetzgeber beeinflussbaren Parametern, z. B. von der Reallohnentwicklung, der Rentenbezugsdauer, dem Renteneintrittsalter oder der Lebenserwartung.737 Dieser Umstand mag zwar aus ökonomischer bzw. statistischer Perspektive ein Problem darstellen. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive kann es hingegen nicht verwundern, dass die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung eines Sachverhalts zumindest mittelbar auch vom besteuerten Sachverhalt abhängt; der Gesetzgeber muss die Charakteristika des Sachverhalts bei der gesetzlichen Regelung freilich berücksichtigen. Ebenfalls nicht überzeugen kann schließlich das Vorbringen, dass nach dem Ansatz der h. M. „das für die Rentenbesteuerung geltende Leitbild unberücksichtigt bleibt, dass für die aus versteuerten Vermögensrechten zufließenden Rentenanteile die Ertragsanteilsbesteuerung zutreffend ist und nicht die Steuerfreistellung von Rentenzuflüssen in Höhe der versteuerten Beiträge“738. Hier könnte man zwar eine Anbindung der Kritik an das Grundgesetz darin sehen, dass mit dem angesprochenen „Leitbild“ eine Belastungsgrundentscheidung im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots gemeint ist. Jedoch ergibt sich jenes „Leitbild“ als Belastungsgrundentscheidung weder aus dem vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes geltenden Recht, weil der Gesetzgeber durch das Alterseinkünftegesetz insoweit jedenfalls einen Systemwechsel vorgenommen hat,739 noch lässt sich dem geltenden Recht eine derartige Belastungsgrundentscheidung entnehmen: Man verkennt den Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers, wenn man annimmt, dass bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung von Verfassungs wegen (zumindest teilweise) eine Ertragsanteilsbesteuerung gelten müsste, nur weil eine solche bei anderen Renten vorgesehen ist.740 Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowohl eine 737

S. Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (133); auch Schindler / Braun, NWB 2020, 784 (786): „Dies hat freilich das Problem, dass eine stochastische Größe, die Lebenserwartung, eingeführt wird“. 738 G. Siepe, DStR 2020, 423 (428). 739 Vgl. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 28): „Die Kläger übersehen, dass der Gesetzgeber das System der Rentenbesteuerung zum 01. 01. 2005 […] grundlegend umgestellt hat. Selbst wenn zuvor die Ertragsanteilsbesteuerung als ‚Leitbild‘ gedient haben mag, war dies nach der durch […] BVerfGE 105, 73 ausgesprochenen Beanstandung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Daher ist das neue gesetzliche ‚Leitbild‘ die nachgelagerte Besteuerung der Altersbezüge und Altersvorsorgeaufwendungen“; zur Möglichkeit gesetzgeberischer Systemwechsel s. oben § 1 I. 1. 740 Zur Bedeutung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots s. oben § 1 I. 1.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

nachgelagerte als auch eine vorgelagerte Besteuerung grundsätzlich verfassungsgemäß geregelt werden kann.741 Außerdem übersieht die Kritik, dass es sich bei der Ertragsanteilsbesteuerung nur um ein auf die Besonderheiten der Leistungsform Rente zugeschnittenes typisierendes und pauschalierendes Instrument handelt, welches in der Sache gerade bewirken soll, dass der Nominalbetrag des intertemporal transferierten Einkommens, der bereits einmal in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wurde, nicht ein weiteres Mal in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird (womit dann doppelte Besteuerung vermieden wird). Anschaulich wird das in § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG, wo § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG (als lex specialis) für bestimmte Renten auf die Ertragsanteils­besteuerung verweist und der Auffangtatbestand des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG (als lex generalis) für andere Leistungen den Kerngedanken aller Regelungen des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG zum Ausdruck bringt, dass ein bestimmter Nominalbetrag nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden soll („Unterschiedsbetrag zwischen der [nominellen Summe der] Leistung und der [nominellen] Summe der auf sie entrichteten Beiträge“).742 2. Keine Anbindung der abweichenden Definitionsansätze an das Grundgesetz Mit Blick auf die insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vertretenen alternativen Definitionsansätze743 bleibt festzustellen, dass sich diese nicht aus den grundgesetzlichen Vorgaben für die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben und deshalb abzulehnen sind. Denn es lässt sich dem Grundgesetz nicht das Gebot entnehmen, dass Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zwingend so besteuert werden müssen, wie es Chirvi / Maiterth und G. Siepe als steuersystematisch sachgerecht ansehen (teilweise Ertragsanteilsbesteuerung); nichts anderes kann in Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers für das Besteuerungsmodell gelten, auf welches Schindler / Braun und Kempny / Siegel abstellen. Der Abgleich der Besteuerung nach geltendem Recht mit einem Besteuerungsmodell, das nicht zwingend durch das Grundgesetz vorgegeben ist, kann nicht der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts dienen. Dies hat, darauf wurde bereits hingewiesen, auch der Bundesfinanzhof klargestellt.744

741

Deutlich BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 49); ebenso bereits BVerfGE 120, 169 (178). S. auch oben § 1 I. 2. b) dd). 743 Zu diesen s. oben § 3 II. 744 Vgl. BFH / N V 2015, 1369 (Rz. 23): „Das Konzept […], die Rentenbezüge zu genau demjenigen Prozentsatz von der Steuer freizustellen, mit dem die Vorsorgeaufwendungen tatsächlich der Steuer unterlagen, wäre vor diesem Hintergrund keine Überprüfung der Doppelbesteuerung. Es wäre ein Besteuerungsmodell […]“; s. dazu bereits oben § 3 II. 742

§  3  Definitionsansatz 

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3. Bagatellgrenze Wie bereits oben angesprochen hat der Bundesfinanzhof offengelassen, ob doppelte Besteuerung bis zu einer gewissen Bagatellgrenze hinzunehmen ist.745 Das FG Hessen hat zuletzt eine Bagatellgrenze bejaht, hat sich aber nicht zu deren Höhe geäußert.746 Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, doppelte Besteuerung sei „strikt“ zu vermeiden,747 könnte durchaus dahingehend zu verstehen sein, dass eine Bagatellgrenze ausgeschlossen ist.748 Weil es bei der Prüfung der doppelten Besteuerung letztlich darum geht, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt,749 ist bei der Beantwortung der Frage, ob eine Bagatellgrenze zu bejahen ist, zunächst davon auszugehen, dass es beim Gleichheitssatz grundsätzlich keinen allgemeinen Bagatellvorbehalt gibt.750 In der Literatur wird für die doppelte Besteuerung aber vereinzelt eine Bagatellgrenze „unterhalb der im Ertragsteuerrecht häufig üblichen Bagatellgrenze von 10 %“ für akzeptabel gehalten.751 Gegen eine Bagatellgrenze wird allerdings zu Recht vorgebracht, dass bereits unterschiedliche Ungenauigkeiten bzw. Vereinfachungen bei der Definition der doppelten Besteuerung bewirken könnten, dass in Bagatellfällen rechnerisch keine doppelte Besteuerung vorliegt, sodass die Annahme einer Bagatellgrenze letztlich zu einer „mehrstufigen Bagatellschwelle“ führen könnte.752 Ebenso ist nicht auszuschließen, dass sich Ungenau 745

BFHE 254, 545 (Rz. 46); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 82). FG Hessen EFG 2020, 191 (Rz. 52) stellte im entschiedenen Fall fest, dass es bei einigen privaten Leibrenten (nicht aber bei Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung) zu doppelter Besteuerung kommt, jedoch „bewegt sich [diese] im Rahmen der von vielen Unwägbarkeiten geprägten Ermittlung in einem derart geringfügigen Bereich, dass die Kläger sie nach Auffassung des Senats hinzunehmen haben“; in der Revision hat BFH DStRE 2021, 773 (Leitsatz 4) nun entschieden: „Bei den gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden“. 747 S. z. B. BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 46). 748 Darauf weist Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  341 (Dezember 2017) hin; s. auch Reddig, DB 2021, 1496 (1501), der sich auf die „in jedem Fall“Formulierung des BVerfG bezieht. 749 S. oben § 1. 750 Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 63 m. w. N.; vgl. auch BVerfGE 148, 147 (Rz. 141): „Das steuerliche Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG verlangt im Grundsatz jedoch auch bei geringen Steuerbelastungen Beachtung. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit solche Geringfügigkeitsargumente überhaupt verfassungsrechtlich tragfähig sind“. 751 Schuster, jM 2017, 119 (122). 752 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (Dezember 2017), der aber entgegen hier vertretener Auffassung das Abstellen auf Nominalwerte für eine Ungenauigkeit bzw. Vereinfachung hält. Richtigerweise ist das Abstellen auf Nominalwerte ver 746

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

igkeiten bzw. Vereinfachungen zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken; dann wäre eine Bagatellgrenze sinnvoll. Insgesamt ist jedoch kaum abschätzbar, wie sich die Ungenauigkeiten und Vereinfachungen bei der Definition der doppelten Besteuerung im Ergebnis auswirken. Daher sollte auf eine (letztlich „willkürliche“753) Bagatellgrenze verzichtet werden, weil sich diese eben auch zulasten des Steuerpflichtigen auswirken kann, was im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes zu vermeiden ist.

§ 4 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ Bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ stellen sich drei Fragen. Erstens: Welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind überhaupt zu betrachten? Im Ergebnis sind richtigerweise nur Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI) sowie die in Verbindung mit Renten wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI relevant, weil nur diese Leistungen überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen können; keine Rolle spielen insbesondere die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 33 Abs. 3 SGB VI und die Renten wegen Todes nach § 33 Abs. 4 SGB VI (s. unten I.). Zweitens: Welche einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge bewirken einen steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes? Nach überzeugender Auffassung ist dies nur für den steuerfreien Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG zu bejahen, nicht hingegen für den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 14 EStG, den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG oder den Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c EStG (s. unten II.). Drittens: Wie bestimmt sich die Summe der insgesamt während der Leistungsbezugsphase steuerunbelastet bezogenen Altersrenten? Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Summe der jährlich steuerunbelastet bezogenen Altersrenten zu multiplizieren mit der weiteren statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen (gemäß der Sterbetafel des statistischen Bundesamts) im Zeitpunkt des Rentenbeginns; Leistungen an etwaige Hinterbliebene sind an dieser Stelle richtigerweise (entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs) nicht zu berücksichtigen (s. unten III.). fassungsrechtlich vorgegeben, s. soeben oben § 3 III. 1. Es ist also gerade nicht so, dass in bestimmten Fällen eigentlich doppelte Besteuerung vorliegt und dies nur wegen des Abstellens auf Nominalwerte „rein rechnerisch“ übersehen wird. 753 So auch Dommermuth, FR 2020, 385 (395).

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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I. Zu berücksichtigende Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (prinzipielle Möglichkeit doppelter Besteuerung) Im Laufe ihres Lebens kann eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Person ganz unterschiedliche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten; auch werden Leistungen an Hinterbliebene von Versicherten erbracht.754 Mit der Frage, welche dieser Leistungen überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können und demgemäß bei der Beantwortung der Frage, ob doppelte Besteuerung vorliegt, betrachtet werden müssen, hat man sich bislang trotz des umfangreichen und inhomogenen Leistungsspektrums der gesetzlichen Rentenversicherung kaum beschäftigt (s. unten 1.). Die Frage ist richtigerweise aus dem Grundgesetz heraus zu beantworten: Doppelte Besteuerung kann nur bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auftreten, die sich als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens darstellen, was im Ergebnis nur für die Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI) sowie die in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI zu bejahen ist (s. unten 2.). Für die Frage, ob eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung von doppelter Besteuerung betroffen sein kann, spielt es keine Rolle, wenn ein Versorgungsausgleich durchgeführt wurde (s. unten 3.). 1. Bisherige Diskussion Das Bundesverfassungsgericht hatte in BVerfGE  105,  73 wohl vor allem die Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB  VI im Blick, als es formulierte, dass „die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen [seien], dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird“755. Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung von doppelter Besteuerung betroffen sein können, wenn er die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, deren Zweck die Vermeidung doppelter Besteuerung sein soll,756 auf alle Leibrenten und anderen Leistungen bezieht. In der seit BVerfGE 105, 73 geführten Diskussion über das Thema der doppelten Besteuerung standen jedenfalls die Altersrenten im Mittelpunkt. Die Frage, ob daneben auch andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversiche-

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Zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung s. oben § 2 I. 1. BVerfGE 105, 73 (Leitsatz 3) (Hervorhebung nur hier). 756 S. BT-Drucks. 15/3004, S. 20; zur Öffnungsklausel s. oben § 2 I. 2. b). 755

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

rung theoretisch doppelter Besteuerung unterliegen können, wurde bislang weder grundsätzlich aufgeworfen noch beantwortet. Lediglich für „Hinterbliebenenrenten“757 ist umstritten, ob sie von doppelter Besteuerung betroffen sein können.758 Der Bundesfinanzhof hat das nun in einem Urteil aus dem Jahr 2021 bejaht.759 Bei der Prüfung, ob in Bezug auf eine Hinterbliebenenrente doppelte Besteuerung vorliegt, seien „dem Hinterbliebenen auch die steuerfreien Rententeilbeträge und die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beitragszahlungen des ursprünglichen Rentenbeziehers zuzurechnen“760, d. h. im Ergebnis ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die Summe der vom verstorbenen Versicherten aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zu vergleichen mit der Summe der vom Hinterbliebenen steuerunbelastet bezogenen Hinterbliebenenrenten und der vom verstorbenen Versicherten steuerunbelastet bezogenen Renten. Das Gericht scheint davon auszugehen, dass dies eine zwingende Folge seiner – richtigerweise abzulehnenden761 – Auffassung ist, dass zukünftig zu erwartende steuerunbelastete Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene des Versicherten bei der Prüfung einer doppelten Besteuerung des Versicherten zu berücksichtigen sind.762 Bei der Berechnung müsse es auch dann auf die statistische Lebenserwartung der Hinterbliebenen ankommen, wenn eine Witwen- bzw. Witwerrente wegen einer Wiederheirat ende763.764

757 Zum Begriff der Hinterbliebenenrente im SGB VI s. oben Fn. 308. Ob in der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur dieses Begriffsverständnis zugrunde gelegt wird oder ob der Begriff der Hinterbliebenenrente mit dem Begriff der Rente wegen Todes gem. § 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI gleichgesetzt wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen; ausdrücklich gleichgesetzt werden die Begriffe z. B. von Dommermuth, FR 2020, 385 (392). 758 Gegen die grundsätzliche Möglichkeit doppelter Besteuerung Mues, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 163 (November 2020); Kulosa, DStR 2018, 1413 (1417); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017); dafür aber Schuster, DStR 2018, 2106 (2110); inzident ebenso Dommermuth, FR 2020, 385 (392, 396); auch die Finanzverwaltung scheint davon auszugehen, dass es bei Hinterbliebenenrenten zu doppelter Besteuerung kommen kann, weil sie auch bei diesen die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG anwenden will, deren Zweck die Vermeidung doppelter Besteuerung ist, s. BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 243); zur Öffnungsklausel s. oben § 2 I. 2. b). 759 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60): „Vergleichsrechnung zur Überprüfung, ob es in Bezug auf eine Hinterbliebenenrente zu einer doppelten Besteuerung kommt“; noch offengelassen in BFH / N V 2018, 614 (Rz. 27) mit Blick auf eine Witwerrente aus einem berufsständischen Versorgungswerk. 760 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60). 761 S. unten § 4 III. 2. 762 Ausdrücklich ergibt sich dieser Zusammenhang nicht aus BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60). Dafür sprechen aber die Formulierung in Rz. 60 („Ergänzend“; „zur Folge hat“) sowie die Gliederung der Entscheidung (II. 3. b) aa) bis ee) bzw. Rz. 38 bis 60). 763 Dass Witwen- bzw. Witwerrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Wiederheirat enden, ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2 Satz 1 SGB VI. 764 S. BFH / N V 2018, 614 (Rz. 27 f.); in der Sache nun auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 54), wobei es dort um die Frage geht, ob Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene des Versicherten bei der Prüfung einer doppelten Besteuerung des Versicherten zu berücksichtigen sind.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Abgelehnt wird die Möglichkeit doppelter Besteuerung von Hinterbliebenenrenten in der Literatur teilweise mit der Begründung, dass eine Berücksichtigung der Hinterbliebenenrenten unnötig kompliziert sei.765 Außerdem wird als Argument die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betreffend die Nichtvererblichkeit des Verlustvortrags nach § 10d EStG766 genannt767 und es wird angenommen, dass dem Hinterbliebenen keine Beiträge zuzurechnen seien, sodass er auch keine Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet haben könnte768. Andererseits wird vorgebracht, dass der Versicherte seine Beiträge tatsächlich nicht nur für seine eigene Altersversorgung etc. entrichte, sondern auch zur Absicherung etwaiger Hinterbliebener, was nicht unberücksichtigt bleiben dürfe.769 Deshalb sei zum einen bei der Prüfung, ob bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung an den Versicherten doppelte Besteuerung auftritt, der Anteil der Rentenversicherungsbeiträge herauszurechnen, der kalkulatorisch auf die Finanzierung der Hinterbliebenenrente entfällt.770 Zum anderen sei auch bei den Hinterbliebenenrenten, sobald diese tatsächlich bezogen werden, zu prüfen, ob sie doppelter Besteuerung unterliegen.771 Dabei sei die Summe der vom verstorbenen Versicherten kalkulatorisch für die Hinterbliebenenrente aus versteuertem Einkommen entrichteten Beiträge zu vergleichen mit der Summe der vom Hinterbliebenen nach dessen weiterer statistischer Lebenserwartung voraussichtlich steuerunbelastet bezogenen Hinterbliebenenrente.772 Bei Erwerbsminderungsrenten nach § 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB  VI wird nicht selten implizit von der prinzipiellen Möglichkeit doppelter Besteuerung ausgegangen.773 Ausdrücklich widersprochen wird dem, soweit ersichtlich, bislang nicht. 765

S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017). S. BFH BStBl. II 2008, 608; dazu und zur früher gegenteiligen Rspr. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, 2020, S. 352 ff. 767 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017). 768 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  347 (Dezember 2017). Bei dieser Annahme, die auch Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 163 (November 2020) rezipiert, handelt es sich m. E. überhaupt nicht um ein Argument, sondern lediglich um eine Umformulierung der zu beantwortenden Frage: Es ist gerade zu begründen oder zu widerlegen, ob dem Hinterbliebenen die Beiträge des verstorbenen Versicherten für die Hinterbliebenenversorgung zuzurechnen sind. 769 S. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110); vgl. bereits dies., BetrAV 2016, 475 (478 f.). 770 S. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110); vgl. bereits dies., BetrAV 2016, 475 (478 f.); zu der umstrittenen Frage, ob bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, bestimmte Beitragsanteile herauszurechnen sind, s. unten § 5 IV. 771 S. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110). 772 S. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110). Dieser Prüfungsansatz weicht von demjenigen ab, den nunmehr BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60) befürwortet, s. dazu soeben im Text, was damit zusammenhängt, dass der BFH – entgegen der von Schuster und auch hier vertretenen Auffassung – das Aufteilen der Rentenversicherungsbeiträge und Herausrechnen bestimmter Beitragsanteile bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ ablehnt, s. dazu unten § 5 IV. 773 Vgl. BFH / N V 2012, 20 (Rz. 6); FG Münster EFG 2010, 1129 (Rz. 28); Dommermuth, FR 2020, 385 (392); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 162 (Mai 2017). 766

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

2. Stellungnahme: Doppelte Besteuerung nur bei an das Alter anknüpfenden Leistungen Doppelte Besteuerung ist ein verfassungswidriger Zustand. Deshalb muss auch die Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, aus dem Grundgesetz heraus beantwortet werden.774 Aus dem Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers ergibt sich, dass bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung von Verfassungs wegen der Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden darf, soweit dieser bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde. Mit anderen Worten: Der Rückfluss bzw. die Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen darf nicht die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erhöhen.775 Daraus folgt, dass eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt nur dann doppelter Besteuerung unterliegen kann, wenn sie sich als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens (oder mit anderen Worten: als Rückfluss bzw. Rückzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen) darstellt. Ob eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung sich in diesem Sinne als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens darstellt, muss durch einen wertenden Vergleich der Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit denjenigen Sachverhalten ermittelt werden, aus denen sich die soeben angesprochene Belastungsgrundentscheidung ergibt.776 Es muss wesentliche Gleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen.777 Das folgt daraus, dass Art. 3 Abs. 1 GG die Erstreckung einer Belastungsgrundentscheidung nur insoweit gebietet, als eine wesentliche Gleichheit der Sachverhalte besteht.778 Bei wertender (wirtschaftlicher) Betrachtung779 ist für die Sachverhalte, aus denen sich die hier maßgebliche Belastungsgrundentscheidung ergibt, charakteristisch, dass aus der Perspektive des Steuerpflichtigen jeweils Einkommen für die Zukunft gespeichert werden soll.780 Unterschiede bestehen nur hinsichtlich der Form der Speicherung: Teilweise wird das Einkommen (eher) unmittelbar,781 774

Vgl. oben 2. Teil (vor § 3). S. oben § 1 I. 2. 776 Zu den relevanten Sachverhalten s. oben § 1 I. 2. a). 777 Dazu, dass die Beurteilung der wesentlichen Gleichheit i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG Wertungen erfordert, s. oben § 1 I. 1. 778 S. oben § 1 I. 1. 779 Zur Notwendigkeit und Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Beurteilung des Sachverhalts s. oben § 1 (vor I.). 780 Vgl. oben § 1 I. 2. a). 781 Vgl. oben § 1 I. 2. a) aa): Aufbewahren von Bargeld sowie Ein- und Auszahlungen auf bzw. von einem Bankkonto. 775

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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teilweise mit Hilfe eines technischen Vehikels, namentlich eines Wirtschaftsguts,782 gespeichert. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung wird aus der Perspektive des Steuerpflichtigen (trotz des Umlageverfahrens) Einkommen mit Hilfe eines Wirtschaftsguts (der Versorgungsanwartschaft) gespeichert.783 Unbedingt notwendig zur wertungsmäßig richtigen Erfassung der gesetzlichen Rentenversicherung unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten ist aber die folgende (bislang nur vereinzelt vertretene784 und nun vom Bundesfinanzhof in einem Urteil aus dem Jahr 2021 mit letztlich nicht überzeugender Argumentation inzident abgelehnte785) Differenzierung: Die gesetzliche Rentenversicherung hat eine Doppelfunktion. Sie dient zum einen der Absicherung gegen die „echten“ Risiken Erwerbsminderung und Tod (unter Zurücklassung von Hinterbliebenen) und ist insoweit eine „echte“ (Risiko-) Versicherung; zum anderen dient sie dem Sparen für das Alter und ist insoweit gerade keine „echte“ (Risiko-)Versicherung.786 Erwerbsminderung und der eigene Tod sind für den Versicherten „echte“ Risiken, weil diese Ereignisse für ihn unerwünscht sind und weil er ihren Eintritt verhindern bzw. zumindest hinauszögern will. In den Worten der Versicherungstheorie: Erwerbsminderung und der (vorzeitige) eigene Tod sind ungewisse Ereignisse, die die Vermögensgestaltungsziele bzw. Wirtschaftspläne des Versicherten durchkreuzen.787 Das Alter stellt sich hin 782

Vgl. oben § 1 I. 2. a) bb): Anschaffung und Veräußerung von Grund und Boden oder Aktien. S. oben § 1 I. 2. a) bb). 784 S. Schneider, BB 1997, 2649 (2649); auch Rügamer, FR 2020, 399 (402); im Anschluss außerdem Dommermuth, FR 2020, 385 (393 mit Fn. 69) u. ders., FR 2020, 439 (440 mit Fn. 17) zur „Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge um kalkulatorisch nicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf Altersrente entfallende Anteile“, der aber kurz zuvor in Dommermuth, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29. 1. 2020, Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72, Anlage 4, S. 17 zur „Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge“ noch die gegenteilige Auffassung vertreten und die Doppelfunktion der gesetzlichen Rentenversicherung (Sparen und Risikoabsicherung) überhaupt nicht erwähnt hat. 785 S. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 38 ff.); vgl. dazu unten Fn. 801 u. Fn. 809. 786 Schneider, BB 1997, 2649 (2649); außerdem Rügamer, FR 2020, 399 (402); anders offenbar BFH BStBl. II 2006, 312 (326), wo der BFH für die gesetzliche Rentenversicherung aus steuerlicher Perspektive das Vorliegen eines Sparvorgangs anscheinend ablehnt und von einer reinen Risikoversicherung spricht, woraus man m. E. konsequenterweise schlussfolgern müsste, dass es entgegen BVerfGE 105, 73 bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt keine doppelte Besteuerung geben kann, s. oben § 1 (vor I.); deutlich gegen die Annahme eines Sparvorgangs (aus rentenversicherungsrechtlicher Perspektive) auch Künzler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 6 u. Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6.  Aufl. 2018, § 17 Rn. 9; ebenso wohl Fischer, DStJG 24 (2001), S. 463 (477 f., 481 f.). 787 In der Versicherungstheorie wird die Funktion einer Versicherung heute mit der Vermögensgestaltungstheorie und der damit eng verwandten Plansicherungstheorie erklärt. Demnach dient eine Versicherung der Absicherung der Vermögensgestaltungsziele bzw. Wirtschaftspläne des Versicherten gegen ungewisse Ereignisse, die seine Ziele bzw. Pläne stören; die Versicherung gewährleistet, dass die Ziele bzw. Pläne trotz der Störung verwirklicht werden, s. (auch zu anderen Theorien) Looschelders, in: Langheid / Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, Bd. 1, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 11 m. w. N.; ausführlich Dreher, Die Versicherung als 783

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

gegen nicht als „echtes“ Risiko dar, weil sein Eintritt für den Versicherten nicht unerwünscht ist, vielmehr arbeitet der Versicherte gewissermaßen auf das Überschreiten der gemäß SGB VI maßgeblichen Altersgrenzen hin.788 Versicherungstheoretisch ausgedrückt: Das Altern stört nicht die Vermögensgestaltungsziele bzw. Wirtschaftspläne des Versicherten, sondern es wird bei deren Festlegung gerade berücksichtigt.789 Zu widersprechen ist der Annahme, dass die gesetzliche „Rentenversicherung auch in ihrer das Alter sichernden Dimension […] Versicherung [sei], weil es bis zum Tag des Rentenbeginns individuell unsicher ist, ob der Versicherte die Regelaltersgrenze erreicht […] [, sodass] [e]in Vergleich mit Alterssparverträgen […] weder möglich noch sinnvoll“790 ist. Dass dieser Gedanke nicht zutrifft, ergibt sich daraus, dass auch beim Sparen z. B. auf einem Bankkonto bis zuletzt individuell unsicher ist, ob der Sparende den Zeitpunkt des Entsparens erlebt. Der Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt lediglich darin, dass der Sparende über den Zeitpunkt des Entsparens beim Bankkonto selbst entscheidet. Die Vorstellung, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung gespart wird, manifestiert sich nicht zuletzt auch darin, dass es ganz üblich ist, von einer Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung zu sprechen.791 Eine Rendite gibt es bei Sparvorgängen oder Investitionen, nicht aber bei einer „echten“ Risikoversicherung.792 Rechtsprodukt, 1991, S. 38 ff. Gegen das Heranziehen dieser grundlegenden Erkenntnisse der sich primär mit dem privatrechtlichen Versicherungswesen beschäftigenden Versicherungstheorie im Zusammenhang mit einer Sozialversicherung bestehen m. E. keine Bedenken, weil es hier nur um eine wertende Betrachtung geht, nicht etwa um die Anwendung konkreter (technischer) Normen; zur von der h. M. bejahten Frage, ob es sich bei der Sozialversicherung überhaupt um eine Versicherung handelt und nicht um staatliche Fürsorge, s. Fuchs, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 31 ff.; ausführlich Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 6, 18 ff. 788 In der rentenversicherungsrechtlichen Literatur wird zwar überwiegend betont, dass die gesetzliche Rentenversicherung insgesamt Risikoversicherung sei, sodass kein Sparvorgang stattfinde, s. die Nachw. in Fn. 786, jedoch finden sich durchaus auch Andeutungen, die mit Blick auf die an das Alter anknüpfenden Leistungen in eine andere Richtung weisen. Beispielsweise wird aufgrund „der Dynamisierung […] der Rentenleistungen, dem Ansteigen der Lebenserwartung und der Absenkung der Rentenaltersgrenzen […] eine Funktionsverschiebung“ diagnostiziert, sodass nun „[v]orherrschend […] die Vorstellung vom ‚wohlverdienten Ruhestand‘ [sei], für den man durch Beitragszahlung vorgesorgt hat und den jedermann möglichst lange […] genießen möchte“, s. Köbl, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 21 Rn. 2. Außerdem wird angenommen, dass „sich in der jeweiligen Altersgrenze das gesetzliche Urteil darüber ausdrücke, daß Erwerbsarbeit nicht mehr zugemutet wird“, was mit dem Bild eines Risikos m. E. nicht vereinbar ist, s. Ebsen, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 5 Rn. 40. 789 Vgl. Fn. 787. 790 Künzler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 12 Rn. 6. 791 S. Ruland, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 167 m. w. N.; außerdem z. B. LSG Hessen BetrAV 2010, 481 (Rz. 36); Eckhoff, in: Festschrift für Igl, 2017, S. 407 (414). 792 S. Schneider, BB 1997, 2649 (2649): „Eigentlich dürfte sich die Frage nach einer Rendite bei reinen Risikoversicherungen gar nicht stellen. […]. Es wäre pervers, zu sagen: Die höchste ‚Rendite‘ ergibt sich in einer Lebensversicherung bei frühzeitigem Tod, in einer Krankenver-

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Aus der vorstehend beschriebenen Differenzierung folgt zum einen, dass man die Rentenversicherungsbeiträge gedanklich in unter anderem einen Risikoanteil und einen Sparanteil aufspalten kann (ein weiterer Beitragsanteil dient der Finanzierung von Verwaltungskosten der Rentenversicherungsträger793).794 Diese Aufspaltung nimmt der Bundesfinanzhof für steuerliche Zwecke auch bei Prämien einer privaten (Kapital-)Lebensversicherung vor.795 Es ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, diese wertende Beurteilung nicht auf die gesetzliche Rentenversicherung zu übertragen, insbesondere kann es für die Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen kaum auf die Organisationsform des Versicherungsträgers (privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich) ankommen. Auch kann es dafür keine Rolle spielen, wie sich die Versicherung intern finanziert (Kapitaldeckungs- oder Umlageverfahren), woran die Beitragsbemessung anknüpft (individuelles Risiko oder Erwerbseinkommen) oder ob in der Versicherung auch ein sozialer Ausgleich stattfindet.796 Der Sparanteil der Rentenversicherungsbeiträge wird bei wirtschaftlicher Betrachtung (trotz des Umlageverfahrens) für die Zukunft gespeichert (angespart),797 sodass insoweit die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht gemindert wird.798 Der Risikoanteil der Rentenversicherung bei chronisch-schweren Krankheiten, in der Arbeitslosenversicherung bei wiederholter Langzeit-Arbeitslosigkeit, in der Haftpflichtversicherung bei einer Vielzahl von Haftpflichtschäden mit möglichst hohen Schadenssummen usw“. 793 Aus Art. 104a Abs. 5 i. V. m. Art. 87 Abs. 2 GG lässt sich zwar entnehmen, dass je nach Rentenversicherungsträger (Rentenversicherung Bund oder Regionalträger) entweder der Bund oder die Länder die Verwaltungsausgaben, also die Verwaltungs- und Personalkosten, tragen. Jedoch betrifft Art. 104a GG nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, nicht aber das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sodass Art. 104a Abs. 5 GG eine Beteiligung des Bürgers (hier: des Versicherten) an den Verwaltungsausgaben der Rentenversicherungsträger nicht ausschließt. Zur Bedeutung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungsträger in diesem Zusammenhang s. unten § 5 IV. 2. b). 794 I. Erg. ebenso Schneider, BB 1997, 2649 (2649); außerdem Rügamer, FR 2020, 399 (402). 795 S. BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 29 f.): „Die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Bruttoprämie setzt sich zusammen aus der Sparprämie, deren verzinsliche Ansammlung das Deckungskapital ergibt, aus der Risikoprämie, die zur Deckung der im laufenden Jahr eintretenden Versicherungsfälle benötigt wird, aus der Kostenprämie, aus der einmalige und laufende Kosten zu bestreiten sind sowie aus Sicherheitszuschlägen zum Ausgleich nicht vorhergesehener Abweichungen zwischen dem kalkulierten und dem tat sächlichen Kapitalbedarf“. 796 Die aufgezählten typischen Unterschiede zwischen dem „privatrechtlichen Versicherungswesen“ und einer „Sozialversicherung“ spricht BVerfGE 103, 197 (216 f.) mit Blick auf die Abgrenzung zwischen Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 12 GG an. 797 Schneider, BB 1997, 2649 (2649); außerdem Rügamer, FR 2020, 399 (402); vgl. mit Blick auf eine private (Kapital-)Lebensversicherung auch BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 29). 798 Vgl. BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 27–30), wo der BFH bei einer aus betrieblichem Anlass abgeschlossenen privaten (Kapital-)Lebensversicherung die Sparprämie, s. Fn. 795, als Anschaffungskosten für den Lebensversicherungsanspruch als zu aktivierendes Wirtschaftsgut ansetzt, sodass insoweit kein Betriebsausgabenabzug möglich ist (weil keine Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anzunehmen ist). In Höhe der Risikoprämie, der Kostenprämie und der Sicherheitszuschläge kann hingegen ein Betriebsausgabenabzug vorgenommen werden (weil von einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszugehen ist).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

sicherungsbeiträge dient der Finanzierung des Versicherungsschutzes gegen die „echten“ Risiken der Erwerbsminderung und des Todes für den aktuell laufenden Versicherungszeitraum (Monat, Jahr). Die „Gegenleistung“ der gesetzlichen Rentenversicherung für den Risikoanteil ist richtigerweise bereits der Versicherungsschutz, d. h. die Übernahme der versicherten Gefahr, nicht etwa erst die Geldleistung, die erbracht wird, falls sich eines der „echten“ Risiken verwirklicht.799 Der Versicherungsschutz verbraucht sich mit Ablauf des jeweiligen Versicherungszeitraums, sodass auch der Risikoanteil der Rentenversicherungsbeiträge des einzelnen Versicherten als verbraucht anzusehen ist800 (das bewertet der Bundesfinanzhof nun im schon erwähnten Urteil aus dem Jahr 2021 ohne überzeugende Begründung anders801). Insoweit kommt es zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.802 Das muss unabhängig davon gelten, ob sich im jeweiligen Versicherungszeitraum beim Versicherten ein „echtes“ Risiko verwirklicht hat oder nicht (dies verkennt der Bundesfinanzhof im Urteil aus dem Jahr 2021803), weil 799 Mit Blick auf die Sozialversicherung Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 337; mit Blick speziell auf (gesetzliche und private) Krankenversicherungen auch BFH BStBl. II 2006, 312 (326); zum im Versicherungsprivatrecht geführten Streit über den genauen Inhalt der vom Versicherer geschuldeten Leistung (Gefahrtragungs-, Geldleistungs-, modifizierte Gefahrtragungstheorie usw.) Looschelders, in: Langheid / Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, Bd. 1, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 40 ff. 800 Schneider, BB 1997, 2649 (2649); außerdem Rügamer, FR 2020, 399 (402); vgl. mit Blick auf eine private (Kapital-)Lebensversicherung auch BFH BStBl. II 2011, 552 (Rz. 29). 801 S. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 38 ff.), wo der BFH annimmt, dass zu erwartende steuerunbelastete Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene des Versicherten der Summe der vom Versicherten steuerunbelastet bezogenen Leistungen im Sinne des Definitionsansatzes hinzuzurechnen sind; dazu, dass dies richtigerweise abzulehnen ist, s. unten § 4 III. 2. Daraus folgt, dass der BFH – entgegen der hier vertretenen Auffassung – davon ausgeht, dass auch der Risikoanteil der Rentenversicherungsbeiträge (zumindest soweit er Hinterbliebenenrenten betrifft) angespart wird und deshalb doppelter Besteuerung unterliegen kann. Zu Begründung seiner Auffassung führt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 39) letztlich nur aus: „Diese künftige Hinterbliebenenrente der Klägerin hat ihre Grundlage gleichermaßen in dem zwischen dem Kläger und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund bestehenden Versicherungsverhältnis; die Anwartschaft wurde durch die vom Kläger geleisteten Beiträge mit erworben. Steuerlicher Ausdruck dieser Verbindung ist § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 8 EStG, wonach der für die Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente maßgebende Prozentsatz dem für die ursprüngliche Rente geltenden Prozentsatz entspricht“. Die Argumentation überzeugt jedoch nicht, denn der BFH legt nicht dar, dass und warum die angesprochene „Verbindung“ zwischen den Rentenversicherungsbeiträgen des Versicherten und den Hinterbliebenenrenten an dessen Hinterbliebene (die notwendige Voraussetzung der Möglichkeit einer doppelten Besteuerung ist) bei wirtschaftlicher Betrachtung bestehen soll. Den § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG bezeichnet der BFH schon selbst nur als den „steuerlichen Ausdruck“ dieser „Verbindung“. 802 S. Fn. 798. 803 S. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 45), wo mit Blick auf Hinterbliebenenrenten zwischen Fällen mit und solchen ohne Risikoverwirklichung differenziert wird: „Bei Rentnern, die keine Hinterbliebenen hinterlassen [Fall ohne Risikoverwirklichung, Anm. d. Verf.], […] wird kein Rentenfreibetrag aus einer etwaigen Hinterbliebenenrente angesetzt. Sie gelangen daher bereits früher in den Bereich einer rechnerischen doppelten Besteuerung als solche Rentner, bei denen nach dem statistisch zu erwartenden Verlauf voraussichtlich eine Rente an Hinterbliebene gezahlt werden wird [Fall mit Risikoverwirklichung, Anm. d. Verf.]. Diese rechnerische

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bei wertender Betrachtung aus den Risikoanteilen aller Mitglieder der Versichertengemeinschaft die Summe aller Leistungen finanziert wird, die die gesetzliche Rentenversicherung anknüpfend an die Verwirklichung „echter“ Risiken erbracht hat; eine individuelle Zuordnung der Risikoanteile zum einzelnen Versicherten entspräche nicht dem Charakter einer Versicherung.804 Aus der oben beschriebenen Differenzierung folgt zum anderen, dass im Ergebnis nur diejenigen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen können, die an das Alter des Versicherten (genauer: an das Überschreiten einer Altersgrenze) anknüpfen. Nur diese Leistungen stellen sich als Auszahlung gespeicherten (intertemporal transferierten) Einkommens (als Auszahlung der Sparanteile der Rentenversicherungsbeiträge) dar. Nur für diese Leistungen ist die wesentliche Gleichheit mit den Sachverhalten, aus denen sich die vorliegend maßgebliche Belastungsgrundentscheidung ergibt, zu bejahen. An das Alter des Versicherten knüpfen die Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI805 (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI806) sowie die in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI807 an. Nicht von doppelter Besteuerung können hingegen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sein, die an die Erwerbsminderung oder den Tod des Versicherten anknüpfen (weil mit Blick auf diese Leistungen vom Versicherten nicht gespart wird), also die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 33 Abs. 3 SGB VI und die Renten wegen Todes nach § 33 Abs. 4 SGB VI808 Wirkung ist sachgerecht, da in beiden Fällen dieselben Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden, aus einem Versicherungsverhältnis mit zu versorgenden Hinterbliebenen aber insgesamt voraussichtlich höhere Rentenleistungen zu erwarten sind als bei einem – sonst gleichen – Versicherungsverhältnis ohne Hinterbliebene“. 804 Anders offenbar Schneider, BB 1997, 2649 (2649): „Dieser Prämienanteil ist ‚verloren‘, wenn diese vorzeitigen Versicherungsfälle nicht eingetreten sind“; „Der Versicherte erhält von seinem Risikoanteil der Prämien nichts ausbezahlt, wenn nicht vorzeitig ein versicherter Risikofall eingetreten ist“ (Hervorhebungen nur hier). 805 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. a). 806 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. b). 807 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. b). Hier muss man sich die Vorgänge „in der gesetzlichen Rentenversicherung“ bei wertender Betrachtung m. E. so vorstellen, dass ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge für die spätere Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner angespart wird. Sobald eine Rente wegen Alters bezogen wird, „zahlt“ die gesetzliche Rentenversicherung entweder die Krankenversicherungsbeiträge direkt an die Krankenversicherung oder sie schüttet Geld an den Rentner aus, mit welchem dieser die Krankenversicherungsbeiträge „zahlt“. 808 Zu beiden Rentenarten s. oben § 2 I. 1. a). M. E. können auch Erziehungsrenten n. § 47 SGB VI, die Renten wegen Todes sind, nicht von doppelter Besteuerung betroffen sein, obwohl sie im SGB VI als Renten aus der eigenen Versicherung des Hinterbliebenen ausgestaltet sind, s. oben Fn. 308. Diese Ausgestaltung ist systemwidrig, s. Ruland, in: Ruland / Becker / A xer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 36, und kann deshalb bei einer wertenden Betrachtung übergangen werden. Für dieses Ergebnis spricht, dass n. § 97 SGB VI auch bei Erziehungsrenten sonstiges Einkommen auf die Rente angerechnet wird; zu diesem Argument s. sogleich im Text.

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(jeweils inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI und der Leistungen nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI) (auch diesen Aspekt beurteilt der Bundesfinanzhof im angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021 mit Blick auf Hinterbliebenenrenten ohne überzeugende Begründung anders809), die Leistungen zur Teilhabe nach §§ 9 bis 32 SGB VI810 sowie die Witwen- bzw. Witwerrentenabfindungen gemäß § 107 SGB VI811. Auch Zinsen nach § 44 SGB I812 können keinesfalls doppelter Besteuerung unterliegen, weil sie noch nicht einmal in einem entfernten Sinne „Gegenleistung“ für entrichtete Rentenversicherungsbeiträge sind. Für die vorstehend vorgeschlagene Differenzierung spricht auch, dass sie eine im Grundsatz in der Systematik des SGB VI angelegte Unterscheidung nachvollzieht: Bei der Regelaltersrente im Sinne des § 35 SGB VI (die der gesetzliche Normalfall der Renten wegen Alters ist und damit gewissermaßen die an das Alter anknüpfenden Leistungen repräsentiert) gibt es ausweislich des § 34 Abs. 2 SGB VI keine Hinzuverdienstgrenze, d. h. die (abstrakte) Bedürftigkeit des Leistungsbeziehers spielt keine Rolle. Bei den Renten wegen Erwerbsminderung und denjenigen wegen Todes wird hingegen sonstiges Einkommen nach §§ 96a, 97 SGB VI berücksichtigt, d. h. hier spielt die (abstrakte) Bedürftigkeit des Leistungsbeziehers sehr wohl eine Rolle. Der Umstand, dass für die Gewährung einer Leistung die (abstrakte) Bedürftigkeit des Leistungsempfängers maßgeblich ist, zeigt, dass diese Leistung zur Risikoabsicherung erbracht wird (denn durch die Risikoverwirklichung entsteht bei typisierender Betrachtung ein (abstrakter) Bedarf) und gerade nicht nur deshalb, weil angespartes Einkommen vorhanden ist.813 In diesem Sinne wird mit Blick auf die vor einiger Zeit teilweise erhobene Forderung, die Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs. 2 SGB VI auch auf die Regelaltersrente zu erstrecken,814 erklärt, dass dann „die gesetzliche Rentenversicherung zu einer echten Versicherung zurückgeführt [würde], [dass dann aber auch] die ihr heute noch zukommende ‚Sparfunktion‘, die sie im übrigen auch mit der häufigsten Form der privaten Vorsorge, der Kapitallebensversicherung, verbindet, […] verloren [ginge]“815.

809 S. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60), dazu s. schon oben § 4 I. 1. Nicht überzeugend ist die Position des BFH, weil das Gericht diese anscheinend aus seiner Auffassung ableitet, dass zukünftig zu erwartende steuerunbelastete Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene des Versicherten bei der Prüfung einer doppelten Besteuerung des Versicherten zu berücksichtigen sind, s. oben Fn. 762, was richtigerweise abzulehnen ist, s. unten § 4 III. 2. 810 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. c). 811 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. d). 812 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. d). 813 Rügamer, FR 2020, 399 (402 f.). 814 So bereits Waltermann, NZA 1994, 822 (829); weitere Nachw. und eine ausführliche Stellungnahme zu dieser Forderung finden sich bei Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 455 ff.; teilweise wird aber auch die ersatzlose Aufhebung aller Hinzuverdienstgrenzen gefordert, s. Preis, in: Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 804; s. auch Rolfs, a. a. O., S. 453 f. 815 Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 344.

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Mit Blick auf die „Hinterbliebenenrenten“ ist noch anzumerken: Zuzustimmen ist auch der bereits gegen die Möglichkeit der doppelten Besteuerung von „Hinterbliebenenrenten“ angeführten Argumentation mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betreffend die Nichtvererblichkeit des Verlustvortrags nach § 10d EStG.816 Der Bundesfinanzhof begründet die Nichtvererblichkeit des Verlustvortrags, indem er hinweist auf den Grundsatz der Individualbesteuerung, auf das Wesen der Einkommensteuer als Personensteuer, auf das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, darauf, dass die einzelne natürliche Person Zurechnungssubjekt der Einkommensteuer ist (§ 2 Abs. 1 EStG) und darauf, dass die persönliche Steuerpflicht einer Person mit dem Tod dieser Person endet.817 Vereinfacht ausgedrückt geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass die einkommensteuerliche Behandlung eines Erben nicht als bloße Fortsetzung der einkommensteuerlichen Behandlung des Erblassers anzusehen ist. Dafür, dass der Bundesfinanzhof diesen Gedanken von der Frage der Vererblichkeit des Verlustvortrags auf die Frage der Möglichkeit doppelter Besteuerung von „Hinterbliebenenrenten“ hätte übertragen müssen, spricht auch, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in beiden Fällen darum geht, ob ein „Einkommensteuerminderungsanspruch“ von einer verstorbenen Person (Erblasser bzw. Versicherter) auf eine andere Person übergeht, die von der verstorbenen Person Rechte ableitet (Erbe bzw. Hinterbliebener).818 Gleichwohl hat der Bundesfinanzhof nun – wie bereits erwähnt – in einem Urteil aus dem Jahr 2021 die Möglichkeit der doppelten Besteuerung von Hinterbliebenenrenten bejaht,819 wobei das Gericht diese Auffassung anscheinend auf seine in der Entscheidung vorstehende Argumentation betreffend die Frage, ob künftig zu erwartende Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene des Steuerpflichtigen bei der Prüfung der doppelten Besteuerung des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sind,820 stützt.821 Dort führt der Bundesfinanzhof aus, dass die Berücksichtigung der Hinterbliebenenrenten den Grundsatz der Individualbesteuerung nicht verletzte, weil „es nicht um die konkrete Besteuerung einer vom Kläger [Steuerpflichtiger, Anm. d. Verf.] zu unterscheidenden dritten Person (hier: der Klägerin) [Hinterbliebene, Anm. d. Verf.] [geht], sondern um die Prüfung, ob beim Kläger selbst eine doppelte Besteuerung eintritt“822. Diese (außerdem auch 816

Zu diesem Argument Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 347 (Dezember 2017); s. schon oben § 4 I. 1. 817 S. BFH BStBl. II 2008, 608 (612). 818 Zum Verlustvortrag s. BFH BStBl. II 2008, 608 (612): „Sieht man vom Verlustrücktrag ab, so hat der Verlustabzug den Rechtscharakter eines aufschiebend, durch die Entstehung künftiger positiver Gesamtbeträge der Einkünfte bedingten Einkommensteuerminderungsanspruchs“; zur doppelten Besteuerung s. BFHE 254, 545 (Rz. 24): „Kann der […] Steuerpflichtige […] nachweisen, dass es […] zu einer solchen doppelten Besteuerung kommt, […] [kann ihm] ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen“; s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). 819 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60). 820 Zu dieser Frage s. unten § 4 III. 2. 821 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 60), s. dazu oben Fn. 762. 822 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 42).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

aus anderen Gründen in der Sache nicht überzeugende823) Überlegung greift jedenfalls bei der Frage, ob Hinterbliebenenrenten doppelter Besteuerung unterliegen können, nicht, da es (wie bei Frage der Vererblichkeit des Verlustvortrags) gerade um die Beurteilung der Besteuerung einer vom Steuerpflichtigen zu unterscheidenden dritten Person (nämlich: des / der Hinterbliebenen) geht. Schließlich bleibt festzustellen, dass Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI bzw. § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV824 bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, vollständig auszuklammern sind. Es ist in jedem Fall klar, welche Beiträge erstattet werden, und die Beitragserstattungen sind stets nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei.825 Ob und inwieweit es sich bei den unterschiedlichen Arten der Beitragserstattungen um eine Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens handelt, kann deshalb dahinstehen. 3. Versorgungsausgleich ohne Auswirkung Die Frage, wie bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, mit Fällen umzugehen ist, in denen im Rahmen eines Versorgungsausgleichs826 Anwartschaften auf Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen oder begründet worden sind, wurde bereits in der bisherigen Diskussion angesprochen.827 Bislang haben sich hierzu weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bundesfinanzhof828 geäußert. Angesichts der Häufigkeit von Ehescheidungen kommt diesem Problem große praktische Bedeutung zu.829 In der Sache besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hinterbliebenenrenten830, weil in beiden Fällen (beim Versorgungsausgleich aber nur hinsichtlich eines Teilbetrags) der „Beitragszahler“831 nicht mit dem Leistungsbezieher identisch 823

S. unten § 4 III. 2. Zu diesen s. oben § 2 I. 1. d). 825 S. oben § 2 I. 1. d). 826 Zum Versorgungsausgleich s. oben Fn. 300. 827 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  347 (Dezember 2017); ders., DStR 2018, 1413 (1417); Schuster, DStR 2018, 2106 (2110). 828 S. auch Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 2.: „Auch enthält die Entscheidung keine Äußerung zu der Frage, welche Beurteilung nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren gilt“. 829 Kulosa, DStR 2018, 1413 (1417); Schuster, DStR 2018, 2106 (2110). Die Anzahl der Ehescheidungen pro Jahr schwankte in den letzten Jahrzehnten nicht unerheblich und lag meist zwischen etwa 150.000 und 190.000 Scheidungen pro Jahr, s. Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 1.4, 2016, S. 18. Zu beachten ist aber, dass ein Versorgungsausgleich nur bei etwa 60 bis 75 Prozent der Ehescheidungen durchgeführt wird, s. Radenacker / Kreyenfeld / Stracke / Mika, NZFam 2019, 937 (937 ff., insbes. 940); zu eingetragenen Lebenspartnerschaften scheinen keine statistischen Daten zu existieren. 830 S. Fn. 757. 831 Hier ist nicht der technische Begriff der Zahlung von Beiträgen n. §§ 173 ff. SGB VI gemeint, welcher von der Beitragstragung (Beitragslast) n. §§ 168 ff. SGB VI zu unterscheiden ist. 824

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ist.832 Da bei den Hinterbliebenenrenten umstritten ist, ob sie von doppelter Besteuerung betroffen sein können833 (richtigerweise ist das zu verneinen834), kann man durchaus auch hier die Frage stellen, ob nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs derjenige Teil der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der bei der ausgleichsberechtigten Person auf Beiträgen der ausgleichspflichtigen Person beruht, überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen kann. Von der Möglichkeit doppelter Besteuerung bei diesen Leistungsteilen geht jedenfalls der Gesetzgeber aus, wenn er die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, deren Zweck die Vermeidung doppelter Besteuerung sein soll,835 im Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich auf Sachverhalte mit Versorgungsausgleich erstreckt.836 Auch in der Literatur wird die Möglichkeit der doppelten Besteuerung bei den angesprochenen Leistungsteilen bejaht.837 Dem ist zuzustimmen: Im Rahmen des Versorgungsausgleichs werden in Entgeltpunkten bezifferte Versorgungsanwartschaften übertragen bzw. begründet.838 Die Versorgungsanwartschaften werden nach hier vertretener Auffassung nur durch die Sparanteile der Rentenversicherungsbeiträge angeschafft.839 Da die Entgeltpunkte entrichtete Rentenversicherungsbeiträge abbilden, kommt es im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei wertender Betrachtung also zu einer teilweisen Übertragung der von der ausgleichspflichtigen Person entrichteten Sparanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen auf die ausgleichsberechtigte Person, sodass man die ausgleichsberechtigte Person so behandeln muss, als hätte sie die übertragenen Beiträge selbst entrichtet. Die Annahme, dass nur die Sparanteile interpersonal transferiert werden (nicht auch die Risikoanteile), widerspricht auf den ersten Blick § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 Versorgungsausgleichsgesetz, nach dem im

832 Vgl. Kulosa, DStR 2018, 1413 (1417) u. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110), die Hinterbliebenenrenten und Fälle mit Versorgungsausgleich in einer Fallgruppe („Fälle, in denen der Beitragszahler nicht mit dem Rentenbezieher identisch ist“) zusammenfassen; zuletzt auch Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 2.: „[…] Beurteilung nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren […]. Man wird hier im Ausgangspunkt ähnliche Zurechnungsüberlegungen wie bei den Hinterbliebenenrenten anstellen können“. 833 S. oben § 4 I. 1. 834 S. oben § 4 I. 2. 835 S. BT-Drucks. 15/3004, S. 20; zur Öffnungsklausel s. oben § 2 I. 2. b). 836 Zur Anwendung der Öffnungsklausel in Fällen mit Versorgungsausgleich BMF BStBl. I 2013, 1087 (Tz. 258 ff.); dazu Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 198 (November 2020); außerdem mit überzeugender Kritik Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 269 (Mai 2017); Kritik andeutend auch Killat, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 22 EStG Rn. 318 (September 2016). 837 Vgl. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  347 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2110). 838 S. §§ 43 u. 39 Versorgungsausgleichsgesetz, § 76 SGB VI sowie das Beispiel bei Wagner, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 18 Rn. 54. 839 S. oben § 1 I. 2. a) bb) u. § 4 I. 2.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Versorgungsausgleich ein Anrecht auszugleichen ist, sofern es der Absicherung im Alter oder bei Invalidität (Erwerbsminderung) dient und (jedenfalls soweit es um Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung geht) auf eine Leistung in Form einer Rente gerichtet ist.840 Allerdings kann die ausgleichsberechtigte Person eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht alleine aufgrund der im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Versorgungsanwartschaften erhalten, weil nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nur besteht, wenn bestimmte Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt worden sind; diese Voraussetzung kann mit im Versorgungsausgleich übertragenen Wartezeitmonaten aber nicht erfüllt werden.841 Das bestätigt die Annahme, dass im Rahmen des Versorgungsausgleichs nur die Sparanteile übertragen werden, da der Versicherungsschutz gegen das „echte“ Risiko der Erwerbsminderung auch von der ausgleichsberechtigten Person durch eigene Rentenversicherungbeiträge (Risikoanteile) finanziert werden muss, die mit Ablauf des jeweiligen Versicherungszeitraums (ebenso wie der Versicherungsschutz) als verbraucht anzusehen sind.842 Ein weiteres Indiz dafür, dass nur die Sparanteile übertragen werden, liefert § 109 Abs. 6 SGB VI, der zeigt, dass sich der Versorgungsausgleich vor allem an der Regelaltersrente ausrichtet, also an einer Rente, die sich als Rückzahlung von Sparanteilen darstellt. Bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, sind also aufgrund eines Versorgungsausgleichs bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ weder bei der ausgleichsberechtigten noch bei der ausgleichspflichtigen Person Besonderheiten zu beachten. Anders ist dies aber bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“.843

II. Relevante einkommensteuerliche Entlastungsbeträge Die Frage, welche einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge844 einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im

840

Dazu Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015, Rn. 147 ff. Das ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 55 u. § 52 SGB VI, s. nur Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015, Rn. 614. 842 S. oben § 4 I. 2. 843 S. unten § 5 V. 844 Dieser Begriff wird hier in einem untechnischen und umfassenden Sinne gebraucht. Den Begriff verwendet auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017). Nicht ganz präzise ist der Ausdruck „steuerliche Abzugsbeträge“, den z. B. BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38) gebraucht, weil auch diskutiert wird, ob § 3 Nr. 14 EStG einen relevanten Entlastungsbetrag enthält; eine Steuerbefreiung von Einnahmen lässt sich aber nicht als „Abzugsbetrag“ bezeichnen. 841

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Sinne des Definitionsansatzes bewirken, ist in der Literatur umstritten.845 Zwar hat der Bundesfinanzhof zu dieser Frage in einem Urteil aus dem Jahr 2021 Stellung genommen846, das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher aber noch nicht geäußert. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 14. 6. 2016847 keine Aussage zu dieser Frage getroffen, sodass nicht verständlich ist, warum zuletzt das FG Baden-Württemberg und ebenso T. Dommermuth in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages Anfang 2020 mehrmals auf diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verweisen.848 Die Frage, welche einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge relevant sind, ist durch Auslegung jeweils derjenigen Vorschrift des EStG zu beantworten, die den in Rede stehenden Entlastungsbetrag vorsieht, wobei zu beachten ist, dass das Steuerentlastungspotential eines Entlastungsbetrags nur einmal zur Verfügung steht (s. unten 1.). Vor diesem Hintergrund erscheint es überzeugend, einen relevanten steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung alleine in Höhe des steuerfreien Teils der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG anzunehmen (s. unten 2.). Kein steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes wird richtigerweise bewirkt durch den Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (s. unten 3.), durch den Sonderausgabenabzug für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (s. unten 4.) sowie durch die Steuerbefreiung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner gemäß § 3 Nr. 14 EStG (s. unten 5.). Aus Praktikabilitätsgründen ebenfalls nicht als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes zu berücksichtigen sind in Anbetracht ihres geringen zahlenmäßigen Gewichts der Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG und der Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c EStG (s. unten 6.). Ein Indiz dafür, dass auch das Bundesverfassungsgericht vermutlich nur den steuerfreien Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa 845

Zum Meinungsstand s. die Auswertung der Literatur in BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 61 ff.); außerdem Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 160 ff. (November 2020); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 221 ff. (Mai 2017). 846 BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 61 ff.); noch offengelassen in BFHE  254, 545 (Rz. 42) u. BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38). 847 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 56 f.). 848 S. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 59, 62, 67, 69); Dommermuth, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29. 1. 2020, Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72, Anlage 4, S. 15 Fn. 36, S. 18 Fn. 63: „Vom BVerfG wird hingegen wird [sic!] die Auffassung vertreten, der Werbungskostenpauschbetrag sei ein steuerfreier Zufluss, der bei der Ermittlung des steuerfreien Rentenbezugs berücksichtigt werden müsse“, S. 18 Fn. 66: „Das BVerfG sieht dies anders“, S. 19 Fn. 68: „Auch in dieser Frage ist das BVerfG anderer Auffassung“.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Satz 4 EStG als steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes ansehen wird, ergibt sich aus BVerfGE 120, 125.849 Hier berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht bei der mit Blick auf die Notwendigkeit der Steuerfreistellung des Existenzminimums850 vorzunehmenden Prüfung, in welchem Umfang Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen nach geltendem Recht einkommensteuerlich entlastet werden, als relevante einkommensteuerliche Entlastung lediglich den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. c EStG a. F. (Streitjahr 1997).851 Das Bundesverfassungsgericht führt aus: „An dieser von ihm selbst getroffenen Grundentscheidung muss sich der Gesetzgeber festhalten lassen und sie folgerichtig umsetzen. Wieweit dem Gesetzgeber neben diesem Abzug von der Bemessungsgrundlage noch andere steuersystematische Lösungen zur Freistellung des Existenzminimums zur Verfügung gestanden hätten oder für künftige Regelungen zur Verfügung stehen, spielt keine Rolle und bedarf hier keiner Entscheidung“852. Andere Entlastungbeträge berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis nicht, insbesondere erwähnt es den Grundfreibetrag an dieser Stelle überhaupt nicht. 1. Vorbemerkung: Notwendigkeit einer „klassischen“ Auslegung des Einkommensteuergesetzes Das Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers weist den einfachen Gesetzgeber an, bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung den Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen, soweit dieser bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde; andernfalls liegt verfassungswidrige doppelte Besteuerung vor. Mit anderen Worten: Der Rückfluss bzw. die Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen darf nicht die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erhöhen.853 Soll überprüft werden, ob diese Vorgabe des Folgerichtigkeitsgebots eingehalten wird, muss die Frage beantwortet werden, inwieweit das EStG diejenigen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die überhaupt von doppelter 849 Auf das Folgende weist im Zusammenhang mit dem Grundfreibetrag bereits Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017) hin; s. zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 69). 850 S. BVerfGE 120, 125 (Leitsatz): „Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall können Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein“. 851 S. BVerfGE 120, 125 (158 ff.). 852 BVerfGE 120, 125 (158). 853 S. oben § 1 I. 2.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Besteuerung betroffen sein können, steuerlich unbelastet lässt. Die Beantwortung dieser Frage wird in der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ beziffert.854 Die Frage, inwieweit das EStG Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen können, steuerlich unbelastet lässt, ist richtigerweise durch Auslegung derjenigen Normen zu beantworten, welche die diskutierten einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge enthalten.855 Das scheint auf den ersten Blick selbstverständlich. Jedoch könnte man Zweifel haben, ob eine Auslegung überhaupt durchführbar ist, weil es hier – anders als im Normalfall bei der Anwendung von Rechtsnormen – nicht darum geht, den Aussagegehalt einer Norm zu ermitteln, um die Rechtsfolge für einen konkreten Sachverhalt zu bestimmen. Vielmehr geht es um die Beantwortung einer abstrakten Frage, die sich bei der Anwendung der jeweiligen Norm auch überhaupt nicht stellen kann (Inwieweit bewirkt die Norm eine einkommensteuerliche Entlastung bestimmter Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung?).856 Allerdings ist nicht ersichtlich, mit welcher anderen Methode (als der Auslegung) man stattdessen den Aussagegehalt einer Rechtsnorm ermitteln sollte. Jedenfalls geht es an dieser Stelle nicht um ökonomische Fragen (die mit ökonomischen Methoden zu beantworten wären).857 Folglich sind die anerkannten Auslegungsgesichtspunkte (Auslegungsmethoden, Kanones)858 heranzuziehen, wobei ein Auslegungsergebnis umso überzeugender859 ist, je mehr Auslegungsgesichtspunkte es tragen.860 Auch das Bundesverfassungsgericht führt bei einer Fragestellung, die der vorliegenden ähnelt, eine „klassische“ Auslegung durch: Im Rahmen der verfassungsrecht­ 854

S. oben § 3 III. Rügamer, FR 2020, 399 (404). 856 Die Zweifel könnte man damit begründen, dass normalerweise auch der Sachverhalt, auf den eine Rechtsnorm angewendet werden soll, die Auslegung der Rechtsnorm beeinflusst, s. nur Drüen, in: Tipke / K ruse, AO / FGO, § 4 AO Rn. 205 ff. (Oktober 2020) m. w. N. 857 So aber anscheinend Musil, DStR 2020, 1881 (1889, 1892): „Dabei wird aber übersehen, dass es sich bei der Modellbetrachtung im Kern um einen wirtschaftlichen Rationalitäten folgenden Belastungsvergleich handelt. Dieser ist grundsätzlich unabhängig von der Frage durchzuführen, aus welchem rechtlichen Grund eine Be- oder Entlastung bestimmter Einkommensteile erfolgt“ (S. 1889); „Ob und inwieweit entsprechende Beträge einzubeziehen sind, ist eine Frage der ökonomischen Konsistenz und Plausibilität des Modells“ (S. 1892); in eine ähnliche Richtung wie hier wohl auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 70): „Daher reicht – entgegen der Auffassung des BMF – allein der Umstand, dass ein steuerlicher Abzugstatbestand faktisch eine entlastende Wirkung (auch) auf die Besteuerung von Renteneinnahmen hat, nicht aus, um einen solchen Abzugstatbestand in die Vergleichs- und Prognoserechnung zur Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen einzubeziehen“. 858 Zu den anerkannten Auslegungsgesichtspunkten s. nur Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 269 ff. 859 Dazu, dass die Auslegung als Methode ein einzig richtiges Auslegungsergebnis nicht gewährleisten kann, sondern lediglich rationale Nachvollziehbarkeit erzeugt, Frieling, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers, 2017, S. 18 f. m. w. N. 860 Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 279. 855

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

lichen Überprüfung, ob existenzsichernde Aufwendungen einkommensteuerlich verschont werden, nimmt das Bundesverfassungsgericht eine „Bestimmung des einkommensteuerlichen Entlastungsbetrags“ vor und lehnt dabei die Entlastungswirkung einer bestimmten Norm unter Hinweis auf deren Wortlaut und einschlägige Gesetzgebungsmaterialien ab.861 Nach in der Literatur vielfach vertretener und auch vom Bundesverfassungsgericht praktizierter Auffassung ist es das Ziel der Auslegung, eine Rechtsnorm grundsätzlich gemäß dem Willen (im Sinne einer normativ zu konstruierenden Intention) des jeweiligen Normgebers (als gedachtes Zurechnungssubjekt; hier: Bundestag) auszulegen und zur Anwendung zu bringen (subjektiv-historische Auslegung).862 Das überzeugt, weil nur so die Autorität des demokratisch legitimierten Gesetzgebers gegenüber den subjektiven Gerechtigkeits­vorstellungen des Rechtsanwenders (insbesondere des Richters) gesichert wird.863 Ein Aspekt, der bei der Beantwortung der Frage, inwieweit das EStG im Sinne des Definitionsansatzes Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich unbelastet lässt, besonders wichtig ist, liegt darin, dass einem einkommensteuerlichen Entlastungsbetrag ein bestimmtes Steuerentlastungspotential in Euro zuzuweisen ist, welches nur ein einziges Mal zur Verfügung steht.864 Relevant wird das im Zusammenhang mit Entlastungsbeträgen, die der verfassungsrechtlich gebotenen einkommensteuerlichen Verschonung des Existenzminimums dienen. So kann z. B. der Grundfreibetrag in Höhe von aktuell 9.744 Euro logischerweise nur die steuerliche Entlastung von Einnahmen in Höhe von 9.744 Euro bewirken. Anstelle einer „klassischen“ Auslegung derjenigen Normen, welche die diskutierten einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge enthalten, werden in der bisherigen Diskussion teilweise allgemeine Kriterien865 zur Beantwortung der Frage, welche Entlastungsbeträge einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes bewirken, formuliert. Beispielsweise wird im Sinne eines allgemeinen Kriteriums angenommen, dass „[d]er ‚steuerfreie Rentenzufluss‘ […] die Bezugsgröße zu den aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträgen […] [bildet, sodass] [f]ür Zwecke des intertemporalen Korrespondenzprinzips […] nur solche Steuerfreistellungen in der Auszahlungsphase herangezogen werden [dürfen], die ihren Grund in der 861

S. BVerfGE 120, 125 (158 f.). S. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 246 ff., insbes. 251 ff. m. w. N. und unter Hinweis u. a. auf BVerfGE  132, 134 (167 f.); 134, 33 (63 ff.); auch Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1363). 863 S. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 255 f.  m. w. N.; Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1363). 864 Rügamer, FR 2020, 399 (404). 865 Die im folgenden angesprochenen „allgemeinen“ Kriterien werden zwar jeweils nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet, jedoch sind sie entsprechend abstrakt und losgelöst von den Vorschriften formuliert, die die einzelnen diskutierten Entlastungsbeträge enthalten. Außerdem werden die Kriterien tatsächlich als abstrakter Prüfungsmaßstab eingesetzt. 862

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Versteuerung in der Einzahlungsphase haben. In der Nacherwerbsphase sind dies nur solche Befreiungen, die im Hinblick auf die Besteuerung der Beitragsleistungen gewährt werden“866. Außerdem wird vorgeschlagen, dass „als steuerfreier Rentenzufluss nur solche Beträge anzusehen [sind], die durch rentenspezifische Vergünstigungen von der Besteuerung verschont bleiben“867. Ein weiteres allgemeines Kriterium wird folgendermaßen erklärt: „Die Antwort auf diese Frage hängt einerseits davon ab, ob die genannten Abzüge im Interesse einer am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Besteuerung vorzunehmen sind oder ob es sich um (aus sozialpolitischen Gründen gewährte) Steuervergünstigungen handelt. Nur in letzterem Fall kann überhaupt von einer Steuerfreistellung die Rede sein. Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass es im Falle der Einbeziehung in die Ermittlung der voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der betreffenden Steuerpflichtigen kommt“868. Ein Entlastungsbetrag ist demnach nur zu berücksichtigen, wenn er „eine sozialpolitisch motivierte rentenspezifische Vergünstigung dar[stellt]“869. Ebenfalls ein allgemeines Kriterium wird aufgestellt, wenn vertreten wird, „dass sämtliche quantifizierbaren Steuerminderungselemente hinzurechnungsgeeignet sind, die bei der Veranlagung von Rentnern typischerweise und regelmäßig zum Tragen kommen“870.

866

Hey, DRV 2004, 1 (8). Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (679 f.); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (900 f.). Zur Begründung des Kriteriums wird auf die folgende Passage aus BVerfGE 105, 73 (129) verwiesen: „Hiernach ist von einer tatsächlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase, die eine Entlastung in der Nacherwerbsphase rechtfertigt, immer dann auszugehen, wenn in der Erwerbsphase eine ‚Regelbesteuerung‘ ohne spezielle Vergünstigungen stattgefunden hat“. An dieser Stelle in BVerfGE 105, 73 geht es zwar nicht um die Frage der doppelten Besteuerung, jedoch immerhin um das Zusammenspiel zwischen „steuerliche[r] Belastung in der Nacherwerbsphase“ und „steuerliche[r] Belastung in der Erwerbsphase“ beim Vergleich zwischen den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Beamtenpensionen, s. BVerfGE 105, 73 (128 f.), sodass eine Übertragung des Gedankens aus BVerfGE 105, 73 auf die hier zu beantwortende Frage nicht von vorherein ausscheidet; anders Musil, StuW 2005, 278 (283 Fn. 63). 868 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (847). 869 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848 unter 4. 1. 2.3). Die konsequente Anwendung dieses Kriteriums müsste dazu führen, dass ausgerechnet der steuerfreie Teil der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG nicht zu einem steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes führt (was keinesfalls überzeugt, s. unten § 4 II. 2.), weil man nicht annehmen kann, dass der steuerfreie Teil der Rente aus sozialpolitischen Gründen gewährt wird: Als sozialpolitische Gründe kann man in einem engeren Sinne die Umverteilung von Gütern (Redistribution) und in einem weiteren Sinne zusätzlich die wirtschaftspolitisch, umweltpolitisch etc. motivierte Verhaltenslenkung auffassen, vgl. nur Tipke, StRO I, 1993, S. 122. Karrenbrock geht im Ergebnis von einem steuerunbelasteten Bezug von Leistungen in Höhe des steuerfreien Teils der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG aus, wendet aber das von ihm angeführte allgemeine Kriterium nicht auf diesen an. 870 Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 143 (Februar 2013). 867

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Derartige Kriterien bringen allerdings, selbst wenn sie auf anerkannte Auslegungsgesichtspunkte zurückführbar sind, die Gefahr mit sich, dass nicht methodisch überzeugend argumentiert wird. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit der Argumentation sollte auf die Formulierung und Anwendung solcher allgemeiner Kriterien verzichtet werden. 2. Steuerfreier Teil der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG Es besteht Einigkeit darüber, dass der steuerfreie Teil der Rente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG871 einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes bewirkt.872 Das überzeugt. Die durch Auslegung zu beantwortende Frage lautet: Bewirkt § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG, dass Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, einkommensteuerlich unbelastet bleiben? Richtigerweise besteht bei der Auslegung eine Bindung an eine hinreichend verlässlich feststellbare Regelungsabsicht des Normsetzers (subjektiv-historische Auslegung).873 Ausweislich des Gesetzentwurfs zum Alterseinkünftegesetz soll der steuerfreie Teil der Rente gerade die einkommensteuerliche Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge ausgleichen und so doppelte Besteuerung vermeiden,874 sodass mangels entgegenstehender Auslegungsgesichtspunkte anzunehmen ist, dass dieser Entlastungsbetrag als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes zu berücksichtigen ist. Der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG vorgesehene Entlastungsbetrag bezieht sich zwar nach dem Wortlaut der Norm nur auf Renten. Da aber § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sämtliche Leistungen 871

Zum steuerfreien Teil der Rente s. § 2 I. 2. a). S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52; BR-Drucks. 2/04, S. 41: Verweis auf Berechnungen der Rürup-Steuerkommission und zusätzliche Berücksichtigung des Grundfreibetrags; BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3, Rz. 33 f.); BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38); BFHE  254, 545 (Rz. 39); FG  Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 50); Brall / Bruno-­ Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (679 f.); Hey, DRV 2004, 1 (7 ff.); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (849); Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 143 (Februar 2013); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 161 (November 2020); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 221 (Mai 2017). 873 Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 251; s. auch oben § 4 II. 1. 874 S. BR-Drucks. 2/04, S. 69; darauf weisen auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017) u. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 221 (Mai 2017) hin. 872

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfasst,875 ist anzunehmen, dass sich auch die einkommensteuerliche Entlastungswirkung des steuerfreien Teils der Rente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG grundsätzlich auf alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erstrecken kann. Damit ist der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG geregelte Entlastungsbetrag dem Grunde nach geeignet, doppelte Besteuerung bei allen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu vermeiden, die nach hier vertretener Auffassung theoretisch von doppelter Besteuerung betroffen sein können, namentlich bei den Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI, bei den an diese Renten anknüpfenden Steigerungsbeträgen nach § 269 SGB VI sowie bei den in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI.876 3. Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG Zu der Frage, ob der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes bewirkt, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der Bundesfinanzhof hat die Frage in einem Urteil aus dem Jahr 2021 verneint.877 Das Bundesverfassungsgericht hat sie bislang offengelassen.878 Im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz wird der Grundfreibetrag anteilig (Anteil der Renteneinnahmen an den Gesamteinnahmen) als steuerunbelasteter Leistungsbezug berücksichtigt879, im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission hingegen nicht880. In der Literatur ist die Frage umstritten, wobei eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags ganz überwiegend abgelehnt wird.881 875

S. oben § 2 I. 1. Zur Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, s. oben § 4 I. 877 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3, Rz. 33, 66 ff.); ebenso in der Vorinstanz FG BadenWürttemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 61 ff.); ferner BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 68); noch offengelassen in BFHE 254, 545 (Rz. 42); BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38). 878 S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 56 f.). 879 S. BR-Drucks. 2/04, S. 41 f. 880 S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 51 f. 881 Für die anteilige (!) Berücksichtigung des Grundfreibetrages Lüsch, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 148 (Februar 2013); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., jM 2017, 119 (121 f.); dies., BetrAV 2016, 475 (477); gegen die Berücksichtigung des Grundfreibetrags Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24; Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680); Dommermuth, FR 2020, 385 (398); Hey, DRV 2004, 1 (8 f.); Intemann / Cöster, DStR 2005, 1921 (1925); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 166 (November 2020); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901 f.); Rügamer, FR 2020, 399 (404 f.); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548, 1551); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 222 (Mai 2017); tendenziell auch Musil, StuW 2005, 278 (282); wohl auch Förster, DStR 2009, 141 (146). 876

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Der Frage, ob der Grundfreibetrag als steuerliche Entlastung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen ist, kommt bei der Definition der doppelten Besteuerung angesichts der Höhe des Grundfreibetrags zentrale Bedeutung zu.882 Doppelte Besteuerung dürfte im Regelfall ausgeschlossen sein, wenn man den Grundfreibetrag als steuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt.883 Durch Auslegung884 zu beantworten ist die Frage, ob der Grundfreibetrag eine einkommensteuerliche Entlastung solcher Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt, die überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können. Das sind nach hier vertretener Auffassung Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI sowie in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachte Leistungen nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI.885 Der Wortlaut des § 32a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 EStG ergibt zunächst nur, dass der Grundfreibetrag Einnahmen in Höhe von momentan 9744 Euro (im Veranlagungszeitraum 2021) in dem Sinne einkommensteuerlich entlastet, dass bei einem zu versteuernden Einkommen bis zu diesem Betrag keine Einkommensteuer anfällt. Man kann dem in § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG geregelten Entlastungsbetrag daher grundsätzlich ein Steuerentlastungspotential in Höhe von momentan 9744 Euro zuweisen.886 Nach dem Wortlaut des § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG und der in § 2 EStG niedergelegten Systematik (s. § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG) steht dieses Steuerentlastungspotential für das gesamte zu versteuernde Einkommen zur Verfügung, d. h. es spricht insoweit nichts dagegen, es auch auf Einnahmen aus solchen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen, die doppelter Besteuerung unterliegen können. Gerade daraus, dass sich § 32a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 EStG nach seinem Wortlaut und der Systematik des § 2 EStG nicht speziell auf (bestimmte) Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht (keine „rentenspezifische Vergünstigung“) bzw. dass der Grundfreibetrag allen Steuerpflichtigen (und damit nicht nur Rentnern) zusteht, wird jedoch mehrheitlich gefolgert, dass der Grundfreibetrag nicht als einkommensteuerliche Entlastung speziell von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes eingeordnet werden könne.887 Warum sich das Steuerentlastungspotential des Grundfrei 882 Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 222 (Mai 2017). 883 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  B  222 (Mai 2017). 884 S. oben § 4 II. 1. 885 Zur Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, s. oben § 4 I. 886 S. schon oben § 4 II. 1. 887 S. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 62); Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24; Brall / Bruno-Latocha / L ohmann,

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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betrags nicht auf sämtliche Einnahmen (unabhängig von ihrer Quelle) beziehen können sollte, also z. B. auch auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, erschließt sich nicht;888 hierzu wird auch keine Begründung genannt. Außerdem wird argumentiert: Sofern ein Rentner neben den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung andere Einkünfte, z. B. aus Vermietung und Verpachtung, bezieht (was häufig der Fall ist889), sei nicht einsichtig, warum der Grundfreibetrag gerade auf die Einnahmen aus Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden sollte.890 Zu bedenken ist aber, dass eine Aufteilung des Grundfreibetrags möglich ist. Demgemäß wird, sofern eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes grundsätzlich bejaht wird, für Fälle, in denen auch andere Einkünfte bezogen werden, nur eine anteilige Berücksichtigung des Grundfreibetrags gefordert.891 Eine Aufteilung des Grundfreibetrags solle gemäß dem Verhältnis der Einnahmen aus den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu den Gesamteinnahmen erfolgen.892 Das erscheint plausibel.893 In der Literatur wird zwar eingewendet, dass eine anteilige Zuordnung des Grundfreibetrags nicht mit der in § 2 Abs. 3 EStG niedergelegten Systematik der synthetischen Einkommensteuer zu vereinbaren sei.894 Allerdings hat dieser Einwand in Anbetracht der zahlreichen Durchbrechungen des Grundsatzes der synthetischen Einkommensteuer im geltenden Recht895 wenig Überzeugungskraft. Der Bundesfinanzhof bezeichnet die Möglichkeit einer Aufteilung des Grundfreibetrags in einem Urteil aus dem Jahr 2021 nun als unpraktikabel und nicht sachgerecht, weil „nicht prognostizierbar [wäre], wie sich der Anteil der Renteneinkünfte am Gesamtbetrag der Einkünfte DRV 2003, 673 (680); Hey, DRV 2004, 1 (9); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901 f.); Stützel, DStR 2010, 1545 (1551). 888 Kritisch zu diesem Argument auch Musil, StuW 2005, 278 (282 f.): „Einbeziehung nur rentenspezifischer Vergünstigungen keine zwingende steuersystematische Vorgabe“. 889 Dem Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz legte der Gesetzgeber unter Hinweis auf eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts die Annahme zugrunde, dass 36 Prozent der Rentenempfänger keine anderen Einkünfte haben, dass 44 Prozent anderweitige Nebeneinkünfte haben und dass 20 Prozent der Rentenempfänger überwiegend anderweitige Einkünfte haben, s. BR-Drucks. 2/04, S. 41. 890 Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 222 (Mai 2017). 891 S. BR-Drucks. 2/04, S. 42; Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 148 (Februar 2013); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., BetrAV 2016, 475 (477). 892 S. BR-Drucks. 2/04, S. 42. 893 Hilfsweise zustimmend auch FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 65). 894 S. Hey, DRV 2004, 1 (9); wohl auch Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680): „Der Einkommensteuertarif trifft alle Einkunftsarten gleichermaßen. Bezieht der Steuerpflichtige neben seiner Rente noch andere Einkünfte, kann nicht bestimmt werden, welcher Teil der effektiven Steuerbelastung, die sich aus der Anwendung des Steuertarifs ergibt, der Einkunft ‚Rente‘ zugerechnet werden kann“; ebenso Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (902). 895 S. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.1 m. w. N.; G. Kirchhof, Beihefter zu DStR 49/2009, 135 (140 f.).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

während der  – ggf. jahrzehntelangen  – Rentenbezugsdauer entwickeln könnte“ und weil sich bei Steuerpflichtigen, die ausschließlich Renteneinkünfte beziehen „dann schon theoretisch kaum jemals eine doppelte Besteuerung ergeben [könnte]. Demgegenüber käme es bei Steuerpflichtigen, die über sehr hohe anderweitige Einkünfte verfügen, rechnerisch wesentlich schneller zu einer doppelten Besteuerung“896. Das erste Argument des Bundesfinanzhofs ist durchaus nachvollziehbar. Das zweite Argument überzeugt demgegenüber schon im Ausgangspunkt nicht, weil lediglich behauptet wird, dass das in Rede stehende Ergebnis nicht sachgerecht sei; darin liegt keine Begründung.897 Zurückzuweisen ist das vorgeblich aus der Systematik des EStG entnommene Argument, dass eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes Vorschriften über die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage einerseits und tarifliche Vorschriften zur Bestimmung der Einkommensteuerschuld andererseits (in unzulässiger Weise) vermenge.898 Dieser Aspekt wird bereits im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission angedeutet, wenn dort erläutert wird, dass bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, entweder nach einer „steuersystematische[n] Auslegung“ darauf abgestellt werden könne, ob eine „Rentenzahlung nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage eingerechnet“ wird, oder darauf, ob „bei isolierter Betrachtung der Rentenzahlung keine einkommensteuerliche Tarifbelastung eintritt“, wobei „[d]er Unterschied [darin] besteht […], dass im zweiten Fall der zu versteuernde Rentenanteil zusätzlich um den Grundfreibetrag gemindert wird“899. Es ist freilich richtig, dass der Grundfreibetrag nach geltendem Recht in § 32a EStG, also in derjenigen Vorschrift, die den Einkommensteuertarif enthält, geregelt ist. Ebenso ist nicht zu bestreiten, dass die Bemessungsgrundlage einer Steuer (in der Regel: Betrag in Euro; Messfunktion900) vom Steuertarif (in der Regel: Prozentsatz; Belastungsfunktion901) getrennt werden muss.902 Allerdings ist 896

Zu beiden wörtlichen Zitaten s. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 74). Mit anderen Worten: Der Bundesfinanzhof geht hier bei der Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen es zu doppelter Besteuerung kommt, davon aus, dass es im Ergebnis jedenfalls doppelte Besteuerung geben müsse. Darin liegt ein denklogischer Fehler. 898 So aber Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680); Dommermuth, FR 2020, 385 (398); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 166 (November 2020); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901); vgl. auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 222 (Mai 2017): „Die Berücksichtigung des Grundfreibetrages scheidet […] auch aus steuersystematischen Gründen aus. Der Grundfreibetrag wird auf der Ebene des Steuertarifs berücksichtigt. Zu diesem Zeitpunkt steht das zu versteuernde Einkommen aber bereits fest. Die Renten werden also auch bei Anwendung des Grundfreibetrags doppelt besteuert, wenn auch mit einem Tarif von 0 %“. 899 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 50 f.; im Ergebnis hält „[d]ie Kommission […] die erste Auslegung – auch im Interesse des Steuerpflichtigen – für zutreffend“ (S. 51). 900 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.87 m. w. N. 901 S. den Nachw. in Fn. 900. 902 Zur Unterscheidung zwischen Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz s. nur Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 6.44 ff. 897

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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der Grundfreibetrag in der Sache keine tarifliche Bestimmung:903 Die Integration des Grundfreibetrags in die sog. Nullzone des Tarifs nach geltendem Recht könnte durch einen Abzug des Grundfreibetrags von der Bemessungsgrundlage ersetzt werden, ohne dass sich an der Entlastungswirkung des Grundfreibetrags etwas ändern würde.904 Deshalb vermengt eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes nichts, was in der Sache nicht ohnehin zusammengehört. Dass es alleine auf die formalsystematische Einordnung des Grundfreibetrags in § 32a EStG bei der vorliegend zu beantwortenden Frage nicht ankommen kann, zeigt die Überlegung, dass es andernfalls der einfache Gesetzgeber in der Hand hätte, durch eine rein formale Umdeklarierung (Verschiebung) des Grundfreibetrags, die an der steuerlichen Belastung der Steuerpflichtigen im Ergebnis nichts ändern würde, Einfluss auf die Definition der doppelten Besteuerung und damit auf die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung zu nehmen. Nicht überzeugen kann es außerdem, wenn teilweise versucht wird, die Zweifel an der Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes mit Hilfe der folgenden Modellüberlegung zu veranschaulichen: Eine Standardrente mit Rentenbeginn im Jahr 2005 soll angeblich „im Falle der Berücksichtigung des Grundfreibetrags und der Aufwendungen des Rentners für die Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner als steuerfreier Rentenzufluss zu 143 Prozent (!) besteuert werden [können], ohne dass sich rechnerisch eine Zweifachbesteuerung ergäbe, obwohl in den 45 Beitragsjahren in erheblichem Umfang Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet worden waren“905. Ob der angegebene Prozentsatz zutrifft, vermag hier nicht beurteilt zu werden. Allerdings ist diese Überlegung schon im Ausgangspunkt nicht geeignet, um zu bestätigen, dass die Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes falsch ist: Zum einen ist es keineswegs auszuschließen, dass nach geltendem Recht nicht tatsächlich in zu geringem Umfang einkommensteuerlich auf Leistungen aus der gesetzlichen Renten-

903

Auch BVerfG und BFH betonen, dass es dem Gesetzgeber überlassen ist, in welcher Weise er der verfassungsrechtlichen Vorgabe der Verschonung des Existenzminimums Rechnung trägt, s. BVerfGE 87, 153 (169 f.); BFH BStBl. II 2001, 778 (780); 2018, 96 (Rz. 31). Das Urteil in BFH BStBl. II 2001, 778 wird auch von Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680 Fn. 29) u. Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901 Fn. 41) angeführt, womit jeweils die Aussage belegt wird, dass der Grundfreibetrag nicht als sachliche Steuerbefreiung ausgestaltet ist, sondern als Teil der Tarifvorschriften; diese Feststellung des BFH bezieht sich aber nur auf die formale Gestaltung des geltenden Rechts, s. BFH BStBl. II 2001, 778 (779). 904 S. Tipke, StRO II, 1993, S. 687 m. w. N., der einen Abzug des Grundfreibetrags von der Bemessungsgrundlage für angemessen hält; ebenso Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.87; Nacke, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 32a Rn. 11 (April 2017) m. w. N. 905 Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (902); ebenso bereits Brall / Bruno-­ Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680); s. auch Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24 Fn. 98.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

versicherung zugegriffen wird,906 sodass aus dem über 100 Prozent liegenden Wert nichts geschlussfolgert werden kann; die Definition der doppelten Besteuerung muss gerade erst beziffern, in welchem Umfang ein einkommensteuerlicher Zugriff zulässig ist. Zum anderen kommt es bei der Beantwortung der Frage, ob doppelte Besteuerung vorliegt, nach h. M. nicht auf Prozentwerte, sondern auf absolute Beträge in Euro an;907 die Modellüberlegung führt hingegen einen Prozentwert an. Im Ergebnis ist die Berücksichtigung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG als einkommensteuerliche Entlastung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes aber trotzdem abzulehnen. Das ergibt sich, wie nachfolgend dargelegt wird, daraus, dass der Grundfreibetrag die einkommensteuerliche Freistellung des (sächlichen) Existenzminimums bezweckt und durch diesen Zweck verbraucht wird, sodass kein Steuerentlastungspotential übrig bleibt, das eine einkommensteuerliche Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge, die mit bestimmten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgezahlt werden, ausgleichen könnte. Darauf, dass der Grundfreibetrag die einkommensteuerliche Freistellung des (sächlichen908) Existenzminimums bezweckt, wird in der Diskussion über die Berücksichtigung der Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes vielfach hingewiesen.909 Allerdings stellt dieser Hinweis alleine kein vollständiges Argument gegen eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes dar. Hinzufügen muss man den Gedanken, dass das Steuerentlastungspotential des Grundfreibetrags durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums verbraucht wird (dazu sogleich).910 Den Zweck einer Norm bestimmt der historische Gesetzgeber. Ziel der Auslegung ist es, eine Rechtsnorm gemäß dem Willen des historischen Gesetzgebers 906 Vom Vorliegen einer Minderbesteuerung nach geltendem Recht bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gehen z. B. Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 aus. 907 S. oben § 3 I. u. III. 908 Vgl. dazu BVerfGE 120, 125 (Leitsatz): „Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall können Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein“; s. auch Nacke, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 32a Rn. 11 (April 2017). 909 Zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 67 f.); auch FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 62); Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680); Hey, DRV 2004, 1 (8); Intemann / Cöster, DStR 2005, 1921 (1925); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Musil, StuW 2005, 278 (282); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901 f.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 222 (Mai 2017). 910 Rügamer, FR 2020, 399 (404); s. auch oben § 4 II. 1.; auch in BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 68) formuliert der BFH ohne nähere Begründung nur: „Angesichts dieses Normzwecks kann der Grundfreibetrag nicht  – nochmals  – herangezogen werden, um die steuerliche Belastung einer speziellen Einkunftsart zu reduzieren oder als Puffer zur Abfederung verfassungsrechtlich unzulässiger doppelter Steuerzugriffe im Bereich der Einkunftserzielung zu dienen“.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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auszulegen.911 Im Rahmen der genetischen Auslegung sind die Regelungsabsichten des Gesetzgebers anhand der Gesetzgebungsmaterialien zu ermitteln.912 Es lässt sich eindeutig nachvollziehen, dass der Gesetzgeber mit dem Grundfreibetrag die Steuerfreistellung des (sächlichen) Existenzminimums bezweckt.913 Dieser Zweck des Grundfreibetrags ist allgemein anerkannt.914 Allerdings könnte man sich bei völlig unbefangener Betrachtung durchaus die Frage stellen, ob der Gesetzgeber dem Grundfreibetrag nicht (auch) den (weiteren) Zweck zuweist, bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Vermeidung doppelter Besteuerung steuerlich zu entlasten, wenn er im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz davon ausgeht, „[d]ass der Grundfreibetrag einen Teil des zu versteuernden Renteneinkommens im Ergebnis zusätzlich steuerfrei stellt“915. Ungeachtet der Schwierigkeiten, die eine genetische Auslegung unter Bezugnahme auf Gesetzgebungsmaterialien mit sich bringt,916 ist jedenfalls zu beachten, dass das Steuerentlastungspotential des Grundfreibetrags nur ein einziges Mal zur Verfügung steht,917 sodass der Grundfreibetrag nicht gleichzeitig die Steuerfreistellung des Existenzminimums und die einkommensteuerliche Entlastung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zwecke der Vermeidung doppelter Besteuerung bewirken kann (dazu sogleich). Daraus folgt, dass der Gesetzgeber sich gewissermaßen für einen Zweck entscheiden muss. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber den (eigentlichen) Zweck des Grundfreibetrags (einkommensteuer­ liche Verschonung des sächlichen Existenzminimums) aufgeben wollte, finden sich jedoch keine. Damit hätte der Gesetzgeber nämlich einen offensichtlich verfassungswidrigen Zustand geschaffen, weil das (sächliche) Existenzminimum dann nicht mehr steuerfrei gestellt worden wäre.918 Bei der Konzeption des Altersein 911

S. oben § 4 II. 1. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 347 ff., insbes. 350; Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1363). 913 Sehr deutlich wird das z. B. in den Gesetzgebungsunterlagen zum Jahressteuergesetz 1996, mit dem der Gesetzgeber u. a. auf die in BVerfGE 87, 153 enthaltene Aufforderung des BVerfG zur hinreichenden Steuerfreistellung des Existenzminimums reagiert hat, wobei im Gesetzentwurf zunächst eine Steuerfreistellung des Existenzminimums außerhalb des § 32a EStG vorgeschlagen worden ist, die aber letztlich nicht Gesetz wurde, s. BT-Drucks. 13/901, S. 11 f., 123 f.; 13/1558, S. 25, 27, 138 ff.; zu der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Tarifgestaltung s. Bareis, BB 1995, 645 ff.; ders., DStR 1995, 157 (161 ff.); Siegel, DStR 1995, 164. 914 S. nur BFH BStBl. II 2001, 778 (778); Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, 23. Aufl. 2020, Rn. 631; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 8.81; Nacke, in: Littmann /  Bitz / P ust, EStG, § 32a Rn. 11 (April 2017); Wagner, in: Blümich, EStG / KStG / GewStG, § 32a EStG Rn. 39 (Juni 2020). 915 BR-Drucks. 2/04, S. 41. 916 Vgl. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 351 ff. 917 S. schon oben § 4 II. 1. 918 Vgl. Hey, DRV 2004, 1 (8): „Es handelt sich hierbei um eine besonders strenge verfassungsrechtliche Vorgabe, bei der der Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum hat“; Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017): „Dieser verfassungsrechtl. verankerte Zweck ist für den Gesetzgeber nicht disponibel“; zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Steuerfreistellung des Existenzminimums s. nur BVerfGE 120, 125 (154 f.). 912

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

künftegesetzes ist der Gesetzgeber vielmehr irrig von der Vorstellung ausgegangen, dass das Steuerentlastungpotential des Grundfreibetrags mehrfach zur Verfügung stehe. Berücksichtigt man diesen Irrtum, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber dem Grundfreibetrag im Ergebnis nur den Zweck der Steuerfreistellung des (sächlichen) Existenzminimums zuweist. Durch den Zweck der Steuerfreistellung des (sächlichen) Existenzminimums wird der Grundfreibetrag (genauer: sein Steuerentlastungpotential) verbraucht, sodass kein Steuerentlastungpotential übrig bleibt, das eine einkommensteuerliche Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge, die mit der Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgezahlt werden, ausgleichen könnte.919 Was damit gemeint ist, veranschaulicht die folgende Überlegung:920 Betrachtet sei ein Fall, in dem der Steuerpflichtige eine Rente wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI bezieht, die exakt der Höhe des Grundfreibetrags entspricht, und in welchem dem Steuerpflichtigen außerdem keine weiteren Geldmittel zur Bestreitung seiner Ausgaben zur Verfügung stehen. Dabei sei unterstellt, dass die Höhe des Grundfreibetrags zutreffend bemessen ist. Das Grundgesetz verlangt, dass der Steuerpflichtige die Ausgaben zur Deckung seines Existenzminimums aus steuerlich unbelastetem Einkommen tätigen können muss.921 Die Höhe dieser Ausgaben entspricht der Höhe des Grundfreibetrags, weil dieser – das wird hier unterstellt – zutreffend bemessen ist. Der Grundfreibetrag kann im betrachteten Fall aber nicht gewährleisten, dass der Steuerpflichtige die Ausgaben zur Deckung seines Existenzminimums vollumfänglich aus steuerlich unbelastetem Einkommen tätigen kann, weil ein Teil der Rente wegen Alters, nämlich der Teil, der sich als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen darstellt, bereits einkommensteuerlich belastet ist. Im Sinne des vorstehend Gesagten wird in der Literatur ausgeführt, dass es bei einer Berücksichtigung des Grundfreibetrags als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes „über den Umweg einer Doppelbesteuerung von Renteneinkünften letztlich doch wieder zu einer zumindest teilweisen Einbeziehung des Existenzminimums in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage [käme]“922. Außerdem wird gleichbedeutend angenommen, dass eine solche Berücksichtigung des Grundfreibetrags „dazu führt, dass der Grundfreibetrag bei Rentnern durch den Rückfluss der bereits versteuerten Rentenversicherungsbeiträge verbraucht ist“923. Derselbe Gesichtspunkt wird ferner dann angesprochen, wenn davon die Rede ist, dass „in die Vergleichsbetrachtung nur belastbare Einkommensbestandteile einbezogen werden [dürfen]. Existenzsichernde Aufwendungen dürfen dagegen auch keiner Einmalbesteuerung unterworfen werden“924. 919

Rügamer, FR 2020, 399 (404). S. Rügamer, FR 2020, 399 (404). 921 BVerfGE 87, 153 (Leitsatz 1). 922 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848). 923 Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2004, 409 (430). 924 Hey, DRV 2004, 1 (8). 920

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Abschließend sei angemerkt, dass die für eine Berücksichtigung des Grundfreibetrags als steuerliche Entlastung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes vorgebrachte Argumentation mit der „Rüge des BVerfG im Rentenurteil v. 6. 3. 2002, der Gesetzgeber habe es im Zusammenhang mit der Anhebung des Grundfreibetrags im JStG 1996 unterlassen, den ‚Multiplikatoreffekt‘ (durch die damalige Ertragsanteilsbesteuerung der Renten wurden bei deren Besteuerung Freibeträge um ein Mehrfaches des absoluten Abzugsbetrags in der steuerlichen Bemessungsgrundlage wirksam) dieser Anhebung bei den Beziehern von Sozialversicherungsrenten zumindest deutlich zu dämpfen“925, nicht nachvollziehbar ist. Denn es ist nicht ersichtlich, was die mit der Ertragsanteilsbesteuerung zusammenhängende Problematik des „Multiplikator­ effekts“926 mit der vorliegenden Frage zu tun haben soll.927 4. Sonderausgabenabzug für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG Auch Personen, die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, sind gesetzlich oder privat kranken- und pflegeversichert und müssen deshalb entsprechende Beiträge entrichten. Bei Rentnern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, trägt die gesetzliche Rentenversicherung nach § 249a SGB  V die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge; die andere Hälfte trägt der Rentner selbst. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V behält die gesetzliche Rentenversicherung in diesen Fällen die von den Rentnern zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge bei der Auszahlung der Rente ein und leitet diese zusammen mit den von ihr zu tragenden Krankenversicherungsbeiträgen direkt der gesetzlichen Krankenversicherung zu. Wenn die Rentner freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, tragen sie die Krankenversicherungsbeiträge vollständig selbst, jedoch gewährt die gesetzliche Rentenversicherung nach § 106 SGB  VI einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Rentner für die Krankenversicherung (in Höhe des halben Betrages, der sich bei Anwendung des Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt), der gemeinsam mit der Rente an die Rentner ausgezahlt 925 Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); s. auch dies., jM 2017, 119 (122); dies., BetrAV 2016, 475 (477): „Diese Aussage [des BVerfG] könnte dafür sprechen, dass zumindest während der Übergangsphase […] der Grundfreibetrag bei der Prüfung einer möglichen doppelten Besteuerung zu berücksichtigen ist“. 926 Dazu BVerfGE 105, 73 (104, 121 f., 132 f.). 927 Vgl. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 63); Hey, DRV 2004, 1 (9); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 71 f.): „Gegenteiliges folgt nicht aus dem in der Entscheidung zur Rentenbesteuerung enthaltenen Hinweis des BVerfG auf den Multiplikatoreffekt des Grundfreibetrags […]. Dieser Hinweis bezog sich ausschließlich auf die frühere Ertragsanteils­ besteuerung der Renten aus der Basisversorgung. […]. Bei dem seit 2005 geltenden, betragsmäßig festgeschriebenen Rentenfreibetrag ist ein derartiger Multiplikatoreffekt hingegen ausgeschlossen“ (Rz. 71).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

wird.928 Die Beiträge zur Pflegeversicherung haben alle Rentner seit April 2004 gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 SGB XI alleine zu tragen; es gibt seitdem auch keinen Zuschuss mehr zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung für Rentner, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind oder verpflichtet sind, sich privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern (§ 106a SGB VI a. F.).929 Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI gilt § 255 SGB V auch für die Pflegeversicherungsbeiträge, sodass bei Versicherungspflichtigen auch diese bei der Auszahlung der Rente einbehalten werden. Vom Rentner gemäß § 249a SGB V selbst getragene und auch nicht nach § 106 SGB VI bezuschusste Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V oder zu einer privaten Krankenversicherung nach §§ 192 ff. VVG können, soweit sie der Basisabsicherung auf einem sozialhilfegleichen Versorgungsniveau dienen, nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG als Sonderausgaben abgezogen werden; das Gleiche gilt nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG für Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nach SGB XI oder zu einer privaten Pflege-Pflichtversicherung nach § 23 SGB XI, § 192 Abs. 6 VVG.930 Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht durch einen Höchstbetrag begrenzt.931 Dass Krankenversicherungsbeiträge, die gemäß § 249a SGB V von der gesetzlichen Rentenversicherung getragen werden, und nach § 106 SGB VI bezuschusste Krankenversicherungsbeiträge nicht als Sonderausgaben abziehbar sind, ergibt sich aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, weil die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V und § 106 SGB VI gemäß § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei sind.932 928

Zum Ganzen s. bereits oben § 2 I. 1. b). Ruland, in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 156; auch Häusler, in: Eichenhofer / R ische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 17 Rn. 75. 930 Dazu Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  85 ff. (Dezember 2017). Angemerkt sei, dass bisher, soweit ersichtlich, in der Sache nicht diskutiert wird, ob ein Sonderausgabenabzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen n. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG als steuerunbelasteter Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes zu berücksichtigen ist. Zwar wird § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG vereinzelt erwähnt, jedoch dann in der Sache erkennbar nicht behandelt, s. z. B. Dommermuth, FR 2020, 385 (397). Die Nichtberücksichtigung von § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG in der bisherigen Diskussion erscheint sinnvoll, weil ein Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG bei Rentnern in der Regel ausscheiden dürfte: Entweder wird (bei höheren Renten oder zusätzlichen Einkünften) der kleine Höchstbetrag des § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG i. H. v. 1900 Euro, der hier wegen § 3 Nr. 14 EStG einschlägig ist, bereits durch die n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbaren Aufwendungen ausgeschöpft sein, vgl. das Beispiel in Fn. 942 u. 943, sodass n. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG ein Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht mehr möglich ist. Oder der Rentner wird (bei niedrigen Renten) keine Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG tätigen, z. B. für Chefarztbehandlung, Einzelzimmer etc., sondern nur Aufwendungen zur Basisabsicherung, die n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbar sind. 931 Dazu Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  391 (Dezember 2017). 932 FG Berlin EFG 1992, 661 (Leitsatz 1); Bleschick, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 10 Rn. 35a; s. auch oben § 2 I. 1. b). Außerdem liegen bereits keine Aufwendungen des Steuer 929

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

171

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob in Höhe der vom Steuerpflichtigen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG933 als Sonderausgaben abgezogenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein steuerunbelasteter Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes anzunehmen ist. Der Bundesfinanzhof hat dies im Urteil aus dem Jahr 2021 verneint.934 Das Bundesverfassungsgericht hat über die Frage bislang nicht entschieden.935 Im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission und im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz wird angenommen, dass der Sonderausgabenabzug für Krankenund Pflegeversicherungsbeiträge einen steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt.936 In der Literatur ist die Frage umstritten; mehrheitlich wird die Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs als einkommensteuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes abgelehnt.937 Zunächst ist dazu festzustellen, dass dem Sonderausgabenabzug jedenfalls ein Steuerentlastungspotential innewohnt, weil als Sonderausgaben abgezogene Aufpflichtigen i. S. d. § 10 Abs. 1 EStG vor, soweit die gesetzliche Rentenversicherung Beiträge gem. § 249a SGB V trägt. Hingegen steht § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG dem Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die übrigen Krankenversicherungsbeiträge (soweit nicht § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI einschlägig ist) und für die Pflegeversicherungsbeiträge nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht schon deshalb teilweise entgegen, weil die Renten in der Zeit bis zum Jahr 2040 gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nur anteilig erfasst werden, d. h. es ist trotz der teilweisen Nichtsteuerbarkeit (!) der Renten, s. oben § 2 I. 2. a), ein ungekürzter Sonderausgabenabzug für die aus den Renten entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge möglich, s. BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 200). Hier könnte man m. E. durchaus das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG unter Hinweis darauf, dass die Renten nicht teilweise steuerfrei, sondern teilweise nicht steuerbar sind, verneinen; auf dieses Argument mit Blick auf die Ertragsanteilsbesteuerung nach altem Recht hinweisend, aber für das neue Recht i. Erg. anders Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 305 (Dezember 2017), der die Verwaltungsauffassung als Billigkeitsregelung einordnet. 933 Zu § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG s. oben Fn. 930. 934 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3, Rz. 33, 75 ff.); ebenso in der Vorinstanz FG BadenWürttemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 68 f.); ferner BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 68); noch offengelassen in BFHE 254, 545 (Rz. 42); BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38). 935 S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 56 f.). 936 S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52; BR-Drucks. 2/04, S. 41: Verweis auf Berechnungen der Rürup-Steuerkommission und zusätzliche Berücksichtigung des Grundfreibetrags. 937 Für die Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs Dommermuth, FR 2020, 385 (397 f.); Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 146 (Februar 2013); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., jM  2017, 119 (122): „Selbstverständlichkeit“; dies., BetrAV  2016, 475 (477); ebenso Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  341 (November 2013) (Altauflage); wohl auch Musil, StuW  2005, 278 (282); gegen die Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV  2003, 673 (680); Hey, DRV 2004, 1 (9 f.); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 164 (November 2020); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (902 ff.); Rügamer, FR 2020, 399 (404 f.); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

wendungen des Steuerpflichtigen gemäß § 2 Abs. 4 EStG die Bemessungsgrundlage schmälern. Der Umfang des Steuerentlastungspotentials des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG hängt von der Höhe der im Einzelfall vom Steuerpflichtigen selbst getragenen und nicht bezuschussten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab. Der Beitragssatz für Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt momentan bei 14,6 Prozent (allgemeiner Beitragssatz) der beitragspflichtigen Einnahmen,938 hinzu kommt der kassenindividuelle Zusatzbeitrag939. Der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung beträgt 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen.940 Daraus ergibt sich beispielsweise für einen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Rentner, der eine Altersrente i. H. v. monatlich 1000 Euro (als Vollrente941) erhält, bei einem unterstellten kassenindividuellen Zusatzbeitragssatz von 1 Prozent, dass der Rentner jährlich 1302 Euro942 nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Sonderausgaben abziehen kann (Steuerentlastungspotential).943 938

S. § 247 Satz 1, § 240 Abs. 2 Satz 5, § 241 SGB V. Bei in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentnern wird der Beitragsbemessung grundsätzlich der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt, s. § 237 Satz 1 Nr. 1 SGB V. 939 S. § 242 SGB V. Auch der Zusatzbeitrag ist im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbar, s. BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 99). 940 S. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI; zu den beitragspflichtigen Einnahmen s. § 57 SGB XI, der u. a. auf § 237 SGB V verweist; dazu s. Fn. 938. 941 Zu beachten ist, dass die n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Satz 4 EStG grundsätzlich pauschal um 4 Prozent zu kürzen sind, weil dieser Beitragsanteil, der der Finanzierung des Krankengeldes dient, nicht der Basisabsicherung zuzurechnen ist. Die Kürzung ist bei Personen, die eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, nicht vorzunehmen, weil diese Personen keinen Anspruch auf Krankengeld oder vergleichbare Leistungen haben, s. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; vgl. auch den Hinweis hierauf im Zusammenhang mit der Thematik der doppelten Besteuerung in BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 77). Bei Teilrenten kann eine Kürzung aber ggf. erforderlich sein. Auch Beiträge zu einer privaten Basiskrankenversicherung sind um 4 Prozent zu kürzen, falls sich im Basistarif ein Anspruch auf Krankengeld ergeben kann; zum Ganzen BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 101 ff.). 942 Bei einer Rente i. H. v. monatlich 1000 Euro beträgt der allgemeine Krankenversicherungsbeitrag 146 Euro (14,6 Prozent) und der kassenindividuelle Zusatzbeitrag (bei einem unterstellten Beitragssatz von 1 Prozent) 10 Euro; die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentner tragen gem. § 249a SGB V jeweils nur die Hälfte dieser Beiträge selbst, d. h. hier 73 Euro bzw. 5 Euro. Der Pflegeversicherungsbeitrag, welcher vom Rentner vollständig selbst zu tragen ist, beträgt im Beispiel 30,50 Euro (3,05 Prozent). In der Summe ergibt sich ein monatlicher Gesamtbeitrag von 108,50 Euro (jährlich: 1302 Euro). 943 Im Beispiel ergibt sich, dass der Rentner (bei einem unterstellten kassenindividuellen Zusatzbeitragssatz von 1 Prozent) 10,85 Prozent seiner kranken- und pflegeversicherungsbeitragspflichtigen Einnahmen n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Sonderausgaben abziehen kann. Dieser Prozentwert ist unter Geltung der aktuellen Beitragssätze grundsätzlich auf andere Fallgestaltungen übertragbar, wenn der Rentner eine Vollrente bezieht; bei Teilrenten ist BMF BStBl. I 2017, 820 (Tz. 101 ff.) zu beachten, s. oben Fn. 941. Auch die Deutsche Rentenversicherung Bund geht für 2021 von der Annahme aus, dass der „Eigenanteil des Rentners an der KVdR / PVdR […] 11 %“ beträgt, s. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Aktuelle Daten 2021, S. 2, online verfügbar unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken-und-Berichte/statistikpublikationen/aktuelle_daten. pdf?__blob=publicationFile&v=8, letzter Abruf am 20. 9. 2021.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Das Steuerentlastungspotential des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezieht sich auf diejenigen Einnahmen, die zur Entrichtung der vom Rentner selbst getragenen und nicht bezuschussten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eingesetzt werden.944 Bei Rentnern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, sind dies jedenfalls die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, weil die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI bei der Zahlung der Renten einbehalten werden.945 Auch bei den übrigen Rentnern ist davon auszugehen, dass die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge typischerweise aus der Rente entrichtet werden. Demnach kann das Steuerentlastungspotential des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch Renten wegen Alters gemäß § 33 Abs. 2 SGB VI zugeordnet werden, also Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die grundsätzlich von doppelter Besteuerung betroffen sein können.946 Gegen die Berücksichtigung des in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG angelegten Steuerentlastungspotentials als steuerunbelasteter Bezug von Leistungen (konkret: Renten wegen Alters) aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird sehr ähnlich argumentiert wie gegen die Berücksichtigung des Steuerentlastungspotentials des Grundfreibetrags:947 Der Sonderausgabenabzug stehe nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und der Systematik des § 2 EStG allen Steuerpflichtigen zu und sei nicht speziell auf (bestimmte) Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen (keine „rentenspezifische Vergünstigung“).948 Dieser Einwand überzeugt allerdings nicht.949 Zwar bezieht sich das Steuerentlastungspotential des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht speziell auf Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. 944

Schon im Ausgangspunkt anders Stützel, DStR 2010, 1545 (1548): „Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der Rentner […] stellen Einkommensverwendung dar und sind erst bei Verausgabung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung steuerfrei. Es widerspricht sowohl der Denklogik als auch der Steuersystematik, steuerpflichtige Einnahmen aufgrund ihrer steuerfreien Verwendung als originär steuerfrei einzustufen“; wohl auch Hey, DRV 2004, 1 (10): „Im Übrigen wäre selbst ein überhöhter Vorsorgeabzug in der Rentenauszahlungsphase ungeeignet, um eine Doppelbesteuerung von in der Einzahlungsphase aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträgen auszugleichen“. 945 Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017) annimmt, dass „[d]ie Rentenbeträge, die sogleich für die Leistung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung verwendet werden, […] dem Stpfl. letztlich nicht zur Verfügung [stehen] und […] daher nicht zur Kompensation des aus versteuertem Einkommen geleisteten Teils der früheren Altersvorsorgeaufwendungen angerechnet werden [können]“; ebenso Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 164 (November 2020). Es geht nicht um die Höhe der Renten, sondern um deren steuerliche Be- bzw. Entlastung. 946 Zur Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, s. oben § 4 I. 947 Zur Argumentation mit Blick auf den Grundfreibetrag s. oben § 4 II. 3. 948 Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (680); Hey, DRV 2004, 1 (10); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (903). 949 Kritisch zu diesem Argument auch Musil, StuW 2005, 278 (282 f.): „Einbeziehung nur rentenspezifischer Vergünstigungen keine zwingende steuersystematische Vorgabe“.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Sofern jedoch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus diesen Renten finanziert werden, ist nicht ersichtlich, warum das Steuerentlastungspotential des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht auf die Renten bezogen werden sollte; der Einwand wird in der bisherigen Diskussion auch nicht näher erläutert. Wie beim Grundfreibetrag steht der Berücksichtigung des in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG angelegten Steuerentlastungspotentials als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes aber im Ergebnis entgegen, dass der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG der Steuerfreistellung des Existenzminimums dient950.951 Wie beim Grundfreibetrag ist auch hier wiederum hinzuzufügen, dass das Steuerentlastungspotential des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums verbraucht wird, sodass kein Steuerentlastungspotential übrig bleibt, das eine einkommensteuerliche Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge, die mit den Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgezahlt werden, ausgleichen könnte. Das veranschaulicht die folgende Überlegung: Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen, soweit sie der Finanzierung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus dienen, aus unversteuertem Einkommen entrichtet werden können. Zwar sind die vom Steuerpflichtigen selbst getragenen und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung bezuschussten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zur Finanzierung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 4 EStG in voller Höhe als Sonderausgaben abziehbar. Jedoch gewährleistet der Sonderausgabenabzug nicht, dass die von ihm erfassten Beiträge vollumfänglich aus steuerlich unbelastetem Einkommen entrichtet werden können, weil die vom Steuerpflichtigen selbst getragenen und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung bezuschussten Beiträge aus der Rente wegen Alters finanziert werden, die insoweit einkommensteuerlich belastet ist, als sie sich als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen darstellt.952

950

Zur Ermittlung des Zwecks einer Norm, die einen hier möglicherweise relevanten einkommensteuerlichen Entlastungsbetrag regelt, insbes. zur Bedeutung des Gesetzentwurfs zum Alterseinkünftegesetz in diesem Zusammenhang, vgl. oben § 4 II. 3.; zum Zweck des Sonderausgabenabzugs n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG s. BR-Drucks. 168/09, S. 21 ff.; BT-Drucks. 16/12254, S. 20 f. Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG wurde durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung, BGBl. I 2009, 1959, eingeführt. Mit diesem Gesetz reagierte der Gesetzgeber u. a. auf BVerfGE  120,  125. In diesem Beschluss hat das BVerfG Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in bestimmtem Umfang als Teil des einkommensteuerlich zu verschonenden Existenzminimums eingeordnet; zum Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung s. Wernsmann, NJW 2009, 3681 ff. 951 Zuletzt BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 75 f.); ebenso bereits FG  Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 69); Hey, DRV 2004, 1 (10); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017). 952 Vgl. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017).

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Zwar mag darin möglicherweise kein nach der anerkannten Methodik der Auslegung zu berücksichtigender Aspekt liegen. Jedoch ist es im Ergebnis äußerst fragwürdig und erklärungsbedürftig, dass das Vorliegen verfassungswidriger doppelter Besteuerung von der Höhe der Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung abhängig wäre, wenn man den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG als steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt.953 Der Gesetzgeber könnte dann die in der doppelten Besteuerung liegende finanzielle Überbelastung des Steuerpflichtigen theoretisch durch die Erhöhung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitragssätze, also durch eine weitere finanzielle Belastung der Steuerpflichtigen, vermeiden, was unlogisch erscheint. Bislang haben die Befürworter einer Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs diesen Zusammenhang nicht erklärt.954 Das für die Berücksichtigung des in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG angelegten Steuerentlastungspotentials als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes angeführte Argument, dass „[d]er Eigenanteil des Rentners zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung, den der Rentenversicherungsträger unmittelbar an dessen Krankenkasse abführt, […] Teil seines Rentenanspruchs [ist] und […] deshalb in die Ermittlung des steuerfrei bleibenden Rentenanspruchs einbezogen werden [muss]“955, übersieht, dass es nicht um die Höhe der Rente geht, sondern um die steuerliche Be- bzw. Entlastung der Rente. Zur steuerlichen Be- bzw. Entlastung trifft das genannte Argument aber keine Aussage. Nicht überzeugen kann auch der folgende Begründungsversuch: „Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung [sind]  – im Gegensatz zu dem das Existenzminimum ebenfalls sichernden Grundfreibetrag – aufgrund des prozentualen Beitragssatzes […] von der Höhe der gesetzlichen Rente […] unmittelbar abhängig. Sie mindern daher automatisch den für den Bezieher verfügbaren Rentenbetrag. Da sich der steuerpflichtige Rentenanteil i. S. v. § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 6 EStG jedoch auf den Bruttorentenbetrag vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bezieht, vergrößert jener Abzug als sonstige Vorsorgeaufwendungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den jeweiligen steuerfreien Rentenanteil“956. Zwar sind die Prämissen dieser Argumentation richtig. Auch ist die Schlussfolgerung formal nicht falsch. Jedoch erklärt die Schlussfolgerung allenfalls, dass § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 953

Darauf weisen hin Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV  2003, 465 (480); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  344 (Dezember 2017); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 76). 954 Vgl. zuletzt Dommermuth, FR 2020, 385 (397 f.), der auf diesen Punkt nicht eingeht und der vielmehr sogar aus der unmittelbaren Abhängigkeit der Höhe der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von der Höhe der Rente ein Argument für die Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG herleiten möchte, s. sogleich im Text. 955 Schuster, BetrAV 2016, 475 (477); s. auch dies., jM 2017, 119 (122). 956 Dommermuth, FR 2020, 385 (397 f.); als Essenz des Begründungsversuchs von Dommer­ muth wird diese Passage auch verstanden von Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 164 (November 2020).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

ein Steuerentlastungspotential enthält, sie erklärt aber nicht, warum man dieses Steuerentlastungspotential als steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewerten sollte; die (auch hier vertretene)  Argumentation, dass der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG der Steuerfreistellung des Existenzminimums dient, wodurch sein Steuerentlastungspotential verbraucht wird, wird schlicht ohne Begründung geleugnet.957 5. Steuerbefreiung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI gemäß § 3 Nr. 14 EStG Nach § 249a SGB V trägt die gesetzliche Rentenversicherung bei Rentnern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge. Bei Rentnern, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, gewährt die gesetzliche Rentenversicherung nach § 106 SGB VI einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Rentner für die Krankenversicherung in Höhe des halben Betrages, der sich bei Anwendung des Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt.958 Die von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V getragenen Krankenversicherungsbeiträge und die Zuschüsse nach § 106 SGB VI sind beim Rentner nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei.959 Ob in Höhe der von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V getragenen Krankenversicherungsbeiträge bzw. in Höhe der Zuschüsse zu den Aufwendungen des Rentners für die Krankenversicherung nach § 106 SGB VI wegen § 3 Nr. 14 EStG von einem steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes auszugehen ist, ist in der Literatur umstritten, überwiegend wird dies aber verneint.960 Dieser in der 957

S. Dommermuth, FR 2020, 385 (398): „[…] wäre dies nicht sachgerecht, ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und könnte auch nicht mit dem Argument der Sicherung des Existenzminimums entkräftet werden“. 958 Zum Ganzen s. oben § 4 II. 4. und bereits § 2 I. 1. b). 959 S. oben § 2 I. 1. b). 960 Für die Berücksichtigung der nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfreien Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung Dommermuth, FR 2020, 385 (397); Lüsch, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 147 (Februar 2013); gegen die Berücksichtigung Hey, DRV  2004, 1 (10); Karrenbrock, DStR  2018, 844 (848); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 165 (November 2020); Rügamer, FR  2020, 399 (404 f.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017); ebenso Schuster, DStR 2018, 2106 (2109 f.); dies., jM 2017, 119 (122); dies., BetrAV 2016, 475 (477 f.), die die n. § 3 Nr. 14 EStG steuerfreien Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Kürzung der in die Vergleichsbetrachtung einzustellenden Rentenversicherungsbeiträge berücksichtigen möchte, s. dazu unten § 5 IV.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Literatur mehrheitlich vertretenen Auffassung hat sich im Urteil aus dem Jahr 2021 zumindest hinsichtlich der Leistungen nach § 249a SGB V961 nun auch der Bundesfinanzhof angeschlossen.962 Das Bundesverfassungsgericht hat über die Frage bisher nicht entschieden.963 Im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission werden „die über die Eigenbeiträge der Rentner hinausgehenden Zahlungen der Rentenversicherungsträger an die Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner […] nicht als steuerfreies Einkommen berücksichtigt, obwohl sie wie ein Arbeitgeberbeitrag für Arbeitnehmer steuerfrei gezahlt werden“964. Jedoch wird die Nichtberücksichtigung im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission nicht für sachlich zwingend gehalten, sondern vielmehr nur für eine aus Vorsichtsgründen zugrunde gelegte Prämisse.965 Dem Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz lässt sich eine eindeutige Aussage nicht entnehmen, vermutlich wird aber von derselben Annahme ausgegangen wie im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission.966 Zuerst sei angemerkt: Es macht bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Unterschied, ob der Rentner die Krankenversicherungsbeiträge aus einer höher bemessenen Altersrente ohne Zuschuss der Rentenversicherung selbst zu tragen hat oder ob die gesetzliche Rentenversicherung bei einer niedriger bemessenen Altersrente einen entsprechenden Teil der Beiträge trägt bzw. bezuschusst. In der Summe ist die finanzielle Belastung des Rentners durch die Krankenversicherungsbeiträge stets die gleiche. Deshalb sind einerseits § 3 Nr. 14 EStG (Steuerbefreiung für von der gesetzlichen Rentenversicherung getragene bzw. bezuschusste Krankenversicherungsbeiträge) und andererseits § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG967 (Sonderausgabenabzug für vom Rentner selbst getragene und nicht bezuschusste Krankenversicherungsbeiträge) bei der Frage, ob diese steuerlichen Entlastungsbeträge einen 961 Vgl. dazu Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 2.: „So äußert der BFH sich ausdrücklich nur zur Nichteinbeziehung der nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfreien Beitragsanteile der Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung der Rentner. In § 3 Nr. 14 EStG ist aber auch die Steuerfreiheit von Zuschüssen zu den Beiträgen geregelt. Hierzu fehlt eine Äußerung des BFH. M. E. wird man aber die zu den Beitragsanteilen gegebene Begründung übertragen können. Dass ein Teil der Literatur die Beitragsanteile als nicht steuerbar, die Zuschüsse aber als steuerfrei ansieht, dürfte verfassungsrechtlich ohne Belang sein“. 962 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3, Rz. 33, 78 ff.); ebenso in der Vorinstanz FG BadenWürttemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 71); noch offengelassen in BFHE 254, 545 (Rz. 42), wo nur „Zuschüsse der Rentenversicherungsträger zu den Krankenversicherungsbeiträgen“ erwähnt werden; BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38). 963 S. BVerfG  BStBl.  II 2016, 801 (Rz. 56 f.), wobei die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung n. § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI hier aber überhaupt nicht erwähnt werden. 964 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 54; Hinweis: Zu diesem Zeitpunkt gab es, anders als heute, s. oben § 4 II. 4., noch „Zahlungen der Rentenversicherungsträger an die […] Pflegeversicherung der Rentner“. 965 Vgl. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 54: „[…] so dass mit den genannten Prämissen der vorhandene Spielraum bei weitem nicht ausgeschöpft wird“. 966 S. BR-Drucks. 2/04, S. 41: Verweis auf Berechnungen der Rürup-Steuerkommission und zusätzliche Berücksichtigung des Grundfreibetrags. 967 Dazu s. soeben oben § 4 II. 4.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewirken, zwingend gleich zu bewerten.968 Zwar kommt der Steuerfreistellung des § 3 Nr. 14 EStG ein Steuerentlastungspotential zu,969 weil sie bewirkt, dass die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI, die nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbar sind,970 nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden;971 der Umfang des Steuerentlastungspotentials des § 3 Nr. 14 EStG hängt von der Höhe der im Einzelfall von der gesetzlichen Rentenversicherung getragenen bzw. bezuschussten Krankenversicherungsbeiträge ab.972 Auch bezieht sich das Steuerentlastungspotential des § 3 Nr. 14 EStG (in Verbindung mit 968

Vgl. auch die Hinweise auf einen Zusammenhang bei Kulosa, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017): „Hinzu kommt, dass nach der hier vertretenen Auffassung schon der SA-Abzug für die eigenen Krankenversicherungsbeiträge des Rentners nicht in die Betrachtung einzubeziehen ist; dies muss dann erst recht für die vom Rentenversicherungsträger übernommenen Beiträge gelten“; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017): „Nichts anderes kann dann […] gelten […]“; BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 78) u. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 71): „aus denselben Gründen“; abzulehnen ist daher die Auffassung von Schuster, DStR 2018, 2106 (2109 f.); dies., jM 2017, 119 (122); dies., BetrAV 2016, 475 (477 f.), s. oben Fn. 937 u. Fn. 960. 969 I. Erg. anders Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017), s. sogleich Fn. 970; anders wohl auch Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848): „Bei wirtschaftlicher Betrachtung zeigt sich jedoch, dass eine Begünstigung des Steuerpflichtigen gar nicht gegeben ist“. 970 Die h. M. bewertet jedenfalls die Leistungen n. § 249a SGB V als nicht steuerbar, s. oben § 2 I. 1. b). Auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017) verneint mit der h. M. das Vorliegen steuerbarer Einnahmen bei den Leistungen n. § 249a SGB V und schlussfolgert daraus, dass „der hälftige Beitragsanteil nicht in die Vergleichsrechnung einbezogen werden [darf], die für Zwecke der Prüfung einer doppelten Besteuerung vorzunehmen ist“ (hierauf spielt möglicherweise BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 81) an). Dies müsse „[a]us Gleichbehandlungsgründen“ auch für die Zuschüsse n. § 106 SGB VI gelten. Das ist m. E. so nicht richtig: Verneint man die Steuerbarkeit der Leistungen i. S. d. § 249a SGB V, kann man zwar § 3 Nr. 14 EStG ein entsprechendes Steuerentlastungspotential nicht zuschreiben, jedoch bleibt es dabei, dass der Rentner die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. S. d. § 249a SGB V ohne steuerliche Belastung erhält. Man müsste das in der Nichtsteuerbarkeit liegende Steuerentlastungspotential dann in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG verorten. Die Frage, ob dieses Steuerentlastungspotential als steuerliche Entlastung im Sinne des Definitionsansatzes zu bewerten ist, bleibt aber zu beantworten; ihre Beantwortung kann nicht davon abhängen, welcher Vorschrift man das Steuerentlastungspotential zuschreibt. 971 I. Erg. zutreffend, aber in der Konstruktion (wegen der Vermengung von fehlender Steuerbarkeit und Steuerfreiheit) dogmatisch nicht überzeugend, ist die Auffassung von Dommermuth, FR 2020, 385 (397): „[…] zwar nach der Rechtsprechung grundsätzlich als nicht steuerbar gilt, jedoch trotzdem klarstellend unter die steuerfreien Einnahmen […] subsumiert wird. Damit […] nach außen wie steuerbare Einnahmen […] behandelt, die gleichzeitig steuerfrei sind. Analog dazu […] die vom Rentenversicherungsträger übernommene Beitragshälfte zur gesetzlichen Krankenkasse […]. Wenn dieses Argument für […] pflichtversicherte Rentner zu gelten hat, muss es auch die Zuschüsse erfassen […] §§ 106 und ggf. 315 SGB VI“. 972 Vgl. mit Blick auf den Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG soeben oben § 4 II. 4.

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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einer Rente wegen Alters) auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich von doppelter Besteuerung betroffen sein können, namentlich auf die in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen gemäß § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI.973 Jedoch bezweckt § 3 Nr. 14 Alt. 1 und Alt. 2 EStG die Steuerfreistellung des Existenzminimums974.975 Durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums wird das Steuerentlastungspotential des § 3 Nr. 14 EStG verbraucht, sodass kein Steuerentlastungspotential übrig bleibt, das eine einkommensteuerliche Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge, die mit den Leistungen im Sinne des § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI zurückgezahlt werden, ausgleichen könnte.976 Vereinzelt wird dieser Argumentation zwar im Ergebnis widersprochen, jedoch wird dabei lediglich darauf verwiesen, dass die von § 3 Nr. 14 EStG erfassten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum einen zwar steuerbar, aber steuerbefreit sind, und zum anderen (anders als der Grundfreibetrag) der Höhe nach unmittelbar von der Höhe der Renten abhängen.977 Der erste Punkt vermag jedoch allenfalls zu belegen, dass § 3 Nr. 14 EStG ein Steuerentlastungspotential enthält, nicht aber, dass dieses vorliegend zu berücksichtigen ist. Warum der zweite Punkt von Bedeutung sein soll, erschließt sich nicht; die Abhängigkeit der Höhe der von § 3 Nr. 14 EStG erfassten Leistungen von der Höhe der Renten hat vielmehr die äußert fragwürdige Konsequenz, dass das Vorliegen verfassungswidriger doppelter Besteuerung von der Höhe der Beiträge in der Krankenversicherung abhängig wäre, wenn man das Steuerentlastungspotential des § 3 Nr. 14 EStG als steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt.978 Anzumerken ist noch, dass mit Blick auf § 3 Nr. 14 EStG, soweit ersichtlich, nicht mit dem Aspekt der „rentenspezifischen Vergünstigung“979 argumentiert wird. So 973 Zur Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, s. oben § 4 I. 974 Zum Zweck des § 3 Nr. 14 EStG s. oben § 2 I. 1. b). 975 Hey, DRV  2004, 1 (10); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017); auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 78 ff.); FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 71, 69). 976 Dazu vgl. bereits oben § 4 II. 3. u. 4. im Zusammenhang mit dem Grundfreibetrag und dem Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG; vgl. auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 224 (Mai 2017); außerdem Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017): „Vielmehr handelt es sich […] um einen zweckgebundenen Vorteil in Gestalt der Verschaffung von Krankenversicherungsschutz, der sich darin verbraucht. Da auch dieser Verwendungszweck verfassungsrechtl. privilegiert ist, kann derselbe Vorteil dann nicht ein zweites Mal zur rechnerischen Vermeidung einer unzulässigen doppelten Besteuerung herangezogen werden“. 977 So die Argumentation von Dommermuth, FR 2020, 385 (397). 978 Zu diesem Aspekt mit Blick auf den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG s. bereits oben § 4 II. 4. 979 Dazu s. bereits oben § 4 II. 1.; als Argument herangezogen wird dieser Aspekt hingegen mit Blick auf den Grundfreibetrag und den Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, s. oben § 4 II. 3. u. 4.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

weit vertreten wird, dass „als steuerfreier Rentenzufluss nur solche Beträge anzusehen [sind], die durch rentenspezifische Vergünstigungen von der Besteuerung verschont bleiben“980, müsste konsequenterweise das Steuerentlastungspotential des § 3 Nr. 14 EStG als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt werden, weil die von § 3 Nr. 14 EStG erfassten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI nur Rentnern zustehen. Das bestätigt, dass der Aspekt der „rentenspezifischen Vergünstigung“ kein valides Kriterium darstellt, auf das zur Beantwortung der Frage, welche einkommensteuerlichen Entlastungsbeträge als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes zu bewerten sind, abgestellt werden kann. 6. Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG und Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 10c EStG Umstritten ist schließlich, ob der Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG981 (jährlich 102 Euro) und der Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 10c EStG982 (jährlich 36 Euro) einen steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewirken. Der Bundesfinanzhof hat dies im Urteil aus dem Jahr 2021 verneint.983 Das Bundesverfassungsgericht hat hierüber bislang nicht entschieden.984 Im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission wird ein steuerunbelasteter Leistungsbezug in Höhe beider Pauschbeträge bejaht985 und im Anschluss daran wohl auch im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz986. 980 Brall / Bruno-Latocha / L ohmann, DRV 2003, 673 (679 f.); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (900 f.). 981 Für die Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags Brall / Bruno-Latocha /  Lohmann, DRV 2003, 673 (680); Dommermuth, FR 2020, 385 (398 f.); Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Lüsch, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 144 (Februar 2013); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (901); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., jM 2017, 119 (121) (anders noch dies., BetrAV 2016, 475 (477)); gegen die Berücksichtigung Hey, DRV 2004, 1 (7 f.); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 167 (November 2020); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548, 1551); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  B  225 (Mai  2017); ebenso Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (November 2013) (Altauflage). 982 Für die Berücksichtigung des Sonderausgabenpauschbetrags Lüsch, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 145 (Februar 2013); gegen die Berücksichtigung Dommermuth, FR 2020, 385 (399); Hey, DRV 2004, 1 (7); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / P ust, EStG, § 22 Rn. 168 (November 2020); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548, 1551); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 226 (Mai 2017). 983 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3 u. Rz. 33, 61 ff., 82 f.); ebenso in der Vorinstanz FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 58 f., 67); ferner BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 68); noch offengelassen in BFHE 254, 545 (Rz. 42); BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 38). 984 S. BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 56 f.). 985 S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52. 986 S. BR-Drucks. 2/04, S. 41: Verweis auf Berechnungen der Rürup-Steuerkommission und zusätzliche Berücksichtigung des Grundfreibetrags.

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Beiden Pauschbeträgen kommt ein Steuerentlastungspotential (in Höhe von jährlich 102 Euro bzw. 36 Euro) zu, weil ihre Berücksichtigung die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer schmälert. Da Rentner typischerweise sämtliche Aufwendungen aus ihrer Rente bestreiten, also auch solche Aufwendungen, die steuerlich als Werbungskosten oder Sonderausgaben einzuordnen sind, kann sich das Steuerentlastungspotential beider Pauschbeträge auch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, die nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich von doppelter Besteuerung betroffen sein können, namentlich auf die Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI987.988 Dem steht richtigerweise beim Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c EStG auch nicht entgegen, dass dieser sich nicht auf Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Rentenversicherungsbeiträge) bezieht.989 Denn es stellt sich nicht die Frage, ob das Steuerentlastungspotential des § 10c EStG die steuerliche Belastung der Einnahmen verringert, aus denen in der Erwerbsphase die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden, sondern es geht vielmehr darum, ob das Steuerentlastungspotential des § 10c EStG in der Rentenbezugsphase die steuerliche Belastung der Altersrenten mindert. In der Rentenbezugsphase entrichtet der Rentner ohnehin keine Rentenversicherungsbeiträge, allerdings zahlt er aus seiner Altersrente z. B. Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder Spenden (§ 10b EStG), auf die sich der Sonderausgabenpauschbetrag des § 10c EStG sehr wohl erstreckt. Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschbetrag sollen der Vereinfachung dienen. Sie ersparen zum einen dem Steuerpflichtigen den Einzelnachweis von geltend gemachten Aufwendungen und zum anderen der Verwaltung die entsprechende Ermittlungsarbeit.990 Die Pauschbeträge werden von Amts wegen als Werbungskosten bzw. Sonderausgaben berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige keine oder niedrigere Aufwendungen geltend macht. Weist der Steuerpflichtige höhere Aufwendungen nach, werden diese angesetzt.991 Weil die Pauschbeträge dann freilich nicht zusätzlich abgezogen werden,992 kann ihr Steuerentlastungspotential in solchen Fällen jedenfalls nicht als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt werden.993 987

Zur Frage, welche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt von doppelter Besteuerung betroffen sein können, s. oben § 4 I. 988 Abzulehnen ist deshalb die Annahme von Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG /  KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017), dass der Sonderausgabenpauschbetrag „nichts mit den Rentenbezügen zu tun [hat]“; ebenso abzulehnen Dommermuth, FR 2020, 385 (399): „[…] nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der jeweiligen Rente der Schicht 1 entsteht […]“. 989 Darauf stellen aber Hey, DRV  2004, 1 (7) u. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 226 (Mai 2017) ab. 990 Oertel, in: Kirchhof / Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 9a Rn. 2; Hutter, in: Blümich, EStG /  KStG / GewStG, § 10c EStG Rn. 1 (Mai 2019). 991 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, 23. Aufl. 2020, Rn. 1066; Hutter, in: Blümich, EStG /  KStG / GewStG, § 10c EStG Rn. 1 (Mai 2019). 992 Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut von § 9a Satz 1 und § 10c Satz 1 EStG („wenn“). 993 I. Erg. ebenso mit Blick auf den Sonderausgabenpauschbetrag FG Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 67); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Gegen die Berücksichtigung des Steuerentlastungspotentials des Werbungskosten- und des Sonderausgabenpauschbetrags als steuerunbelasteter Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des Definitionsansatzes wird argumentiert, dass die Pauschbeträge nur der pauschalen Berücksichtigung von Werbungskosten bzw. Sonderausgaben (und damit der Verwirklichung des objektiven bzw. subjektiven Nettoprinzips) dienen, nicht aber der Kompensation der einkommensteuerlichen Vorbelastung der Rentenversicherungsbeiträge.994 Es ist zwar richtig, dass die Pauschbeträge einer vereinfachenden Berücksichtigung von Werbungskosten bzw. Sonderausgaben dienen. Jedoch verbraucht dieser Zweck das Steuerentlastungspotential der Pauschbeträge insoweit nicht, als tatsächlich keine Werbungskosten bzw. Sonderausgaben anfallen995.996 Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, das tatsächlich nicht verbrauchte Steuerentlastungspotential der Pauschbeträge als steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes zu berücksichtigen.997 994

Mit Blick auf den Werbungskostenpauschbetrag zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 62 f.); ebenso bereits FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 59); Kulosa, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 341 (November 2013) (Altauflage) (anders jetzt Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  344 (Dezember 2017)); Schuster, BetrAV 2016, 475 (477) (im Widerspruch hierzu später Schuster, DStR 2018, 2106 (2109)); Stützel, DStR 2010, 1545 (1548, 1551); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 225 (Mai 2017); mit Blick auf den Sonderausgabenpauschbetrag zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 82); ebenso bereits FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 67); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  344 (Dezember 2017). 995 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017) nimmt an, dass Werbungskosten bei Rentnern typischerweise überhaupt nicht oder jedenfalls in deutlich geringerem Umfang als der Höhe des Werbungskostenpauschbetrags n. § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG anfielen; die tatsächliche Höhe der von § 10c EStG erfassten Sonderausgaben liege hingegen meistens oberhalb des Pauschbetrags; ebenso mit Blick auf den Werbungskostenpauschbetrag Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); mit Blick auf den Sonderausgabenpauschbetrag Dommermuth, FR 2020, 385 (399). Diese Einschätzungen vermögen hier nicht beurteilt zu werden. 996 Rügamer, FR 2020, 399 (404 f.); vgl. bereits mit Blick auf den Werbungskostenpauschbetrag Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848): „Dabei entsteht zwar in Höhe der Differenz zwischen Pauschbetrag und tatsächlich niedrigeren Werbungskosten ein Begünstigungseffekt“. 997 Dafür wohl Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  344 (Dezember 2017): „[…] darf der WK-Pauschbetrag uE in die Betrachtung einbezogen werden […]. Soweit absehbar sind [sic!], dass tatsächlich WK anfallen, sind diese (ggf. in geschätzter Höhe) zugunsten des Stpfl. abzuziehen“; Dommermuth, FR 2020, 385 (399): „[…] muss der anteilige Werbungskosten-Pauschbetrag Berücksichtigung finden, wenn die tatsächlichen Werbungskosten geringer ausfallen“; zumindest im Ausgangspunkt erkennt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 64 f.) diesen Gedanken an, wenn dort ausgeführt wird: „Etwas anderes würde zwar gelten, wenn die Höhe des Pauschbetrags die Höhe der tatsächlich anfallenden Werbungskosten im typischen Fall deutlich überstiege, so dass der Pauschbetrag als verdeckte Steuersubvention zugunsten der Rentner anzusehen wäre. Diese Auffassung hat zwar das BMF in seiner Stellungnahme vertreten; hierfür liegen aber keine durchgreifenden rechtstatsächlichen Anhaltspunkte vor und sind auch vom BMF nicht vorgebracht worden“ (Rz. 64); „Da im Rahmen der Vergleichsrechnung zumindest die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abgezogen werden müssten“ (Rz. 65).

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Dies würde allerdings stets relativ aufwendige Ermittlungen zu der Frage erforderlich machen, in welchem Umfang im Einzelfall tatsächlich Werbungskosten bzw. Sonderausgaben angefallen sind.998 Angesichts des geringen zahlenmäßigen Gewichts der Pauschbeträge (der Werbungskostenpauschbetrag, der für unterschiedliche Einkünfte gilt, wäre gegebenenfalls sogar noch aufzuteilen999), sollten diese deshalb aus Praktikabilitätsgründen überhaupt nicht als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes berücksichtigt werden.1000 Das Abstellen auf Praktikabilitätserwägungen erscheint insbesondere deshalb unproblematisch, weil sich die Nichtberücksichtigung der Pauschbeträge (ebenso wie die Nichtberücksichtigung jedes anderen diskutierten Entlastungsbetrags) zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt: Die Höhe der tatsächlichen steuerlichen Belastung der Rente eines Steuerpflichtigen nach geltendem Recht ist unabhängig davon, ob „rechnerisch“ doppelte Besteuerung vorliegt. Wenn „rechnerisch“ doppelte Besteuerung vorliegt, ist die tatsächliche steuerliche Belastung der Rente der Höhe nach keine andere, sie ist aber verfassungswidrig. Beim Vorliegen doppelter Besteuerung hat der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs „aus verfassungsrechtlichen Gründen […] ein[en] Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase“1001. Dieser Anspruch stellt für den Steuerpflichtigen einen Vorteil dar. Deshalb ist auch das „rechnerische“ Vorliegen doppelter Besteuerung (bei gleichbleibender tatsächlicher steuerlicher Belastung der Rente) für den Steuerpflichtigen vorteilhaft.1002 Je weniger steuerliche Entlastungsbeträge man bei der Definition der doppelten Besteuerung als steuerunbelasteten Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewertet, desto eher liegt doppelte Besteuerung vor,1003 sodass sich die Nichtberücksichtigung eines Entlastungsbetrags im Ergebnis zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. 998 Insoweit ist das Steuerentlastungspotential der Pauschbeträge durch die steuerliche Entlastung der tatsächlich angefallenen Werbungskosten bzw. Sonderausgaben verbraucht und darf keinesfalls als steuerunbelasteter Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewertet werden, vgl. mit Blick auf den Werbungskostenpauschbetrag Hey, DRV 2004, 1 (7 f.): „Derartige […] Werbungskosten müssen zusätzlich zu dem zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen freizustellenden Rentenanteil steuerlich berücksichtigt werden“; Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 344 (Dezember 2017); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 65): „Da im Rahmen der Vergleichsrechnung zumindest die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abgezogen werden müssten“. 999 Zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 65); ebenso bereits FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 59). 1000 Jedenfalls mit Blick auf den Werbungskosten- und wohl auch mit Blick auf den Sonderausgabenpauschbetrag zuletzt BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 65, 83); ebenso bereits Rügamer, FR 2020, 399 (404 f.); mit Blick auf den Werbungskostenpauschbetrag schon zuvor FG BadenWürttemberg EFG 2020, 116 (Rz. 59) u. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (848); ohne Begründung anders Dommermuth, FR 2020, 385 (399). 1001 BFHE 254, 545 (Rz. 24); s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). 1002 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 33). 1003 Zum Definitionsansatz s. oben § 3 I.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

III. Bestimmung der insgesamt während der Leistungsbezugsphase steuerunbelastet bezogenen Altersrenten Nach dem Definitionsansatz ist in die Vergleichsbetrachtung die Summe bestimmter insgesamt während der gesamten Leistungsbezugsphase steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (in Euro) einzustellen.1004 Nach hier vertretener Auffassung kommt es zu einem steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes alleine in Höhe des nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG steuerfreien Teils einer Altersrente im Sinne des § 33 Abs. 2 SGB VI.1005 Bei der Prüfung, ob ein konkreter Steuerpflichtiger von doppelter Besteuerung betroffen ist, ist die tatsächliche Höhe der insgesamt steuerunbelastet bezogenen Altersrenten erst nach dem Tod des Steuerpflichtigen bekannt. Daher könnte das Vorliegen doppelter Besteuerung erst nach dem Tod des Steuerpflichtigen geprüft werden, sofern man der Berechnung die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde legen wollte.1006 Damit würde freilich dem Steuerpflichtigen, der von verfassungswidriger doppelter Besteuerung betroffen ist, unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der Rechtsschutz versagt.1007 Es ist offensichtlich, dass die Überprüfung der doppelten Besteuerung zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen erfolgen muss. Abzulehnen ist die Annahme, dass zu Beginn der Rentenbezugsphase nur Zahlungen an den Steuerpflichtigen erbracht werden, die auf Rentenversicherungsbeiträgen beruhen, welche aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden, sodass erst am Ende der Rentenbezugsphase doppelte Besteuerung auftreten könnte und damit auch erst dann eine Überprüfung möglich sei.1008 Richtigerweise ist davon auszugehen, dass jede Rentenzahlung sowohl auf einkommensteuerlich vorbelasteten als auch auf nicht vorbelasteten Rentenversicherungsbeiträgen beruht; davon geht erkennbar auch die Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG aus.1009 Deshalb ist es zu Recht allgemeine Meinung, dass die Überprüfung, ob ein Steuerpflichtiger von doppelter Besteuerung betroffen ist, ab dem Beginn der Rentenbezugsphase möglich ist.1010 1004

S. oben § 3 I. S. oben § 4 I. und § 4 II. 1006 Vgl. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017). 1007 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 36). 1008 So aber (ohne nähere Begründung) FG Baden-Württemberg, Urteil v. 4. 6. 2014 – 8 K 389/11, juris-Rz. 22: „Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich im Streitjahr erst im zweiten Jahr des Rentenbezugs befindet. Wenn man zu seinen Gunsten annimmt, dass die ihm ab dem Jahr 2007 zufließenden Rentenbeträge zunächst als aus unversteuerten Einkünften geleistet gelten, so liegt beim Kläger, der sich im Streitjahr noch relativ am Anfang seiner (statistisch berechneten) knapp 17 Jahre voraussichtlichen Rentenbezugs befindet, 2008 unter keinem Gesichtspunkt eine Doppelbesteuerung vor“. 1009 BFHE 254, 545 (Leitsatz 2, Rz. 33 ff.). 1010 S. BFHE 254, 545 (Leitsatz 2, Rz. 34); BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 22); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 48); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 338 (Dezem 1005

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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Die Konsequenz daraus ist, dass die Summe der insgesamt steuerunbelastet bezogenen Leistungen im Sinne des Definitionsansatzes (in Euro) zumindest teilweise zukunftsbezogen im Rahmen einer Prognose unter Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen ermittelt werden muss (s. unten 1.); auch von konkreten Einzelfällen losgelöste Modellberechnungen sind freilich auf statistische Annahmen angewiesen.1011 Mögliche Leistungen an etwaige Hinterbliebene mit höherer statistischer Lebenserwartung sind an dieser Stelle richtigerweise nicht zu berücksichtigen (s. unten 2.). 1. Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind in die Summe der insgesamt steuerunbelastet bezogenen Leistungen grundsätzlich „die bislang vereinnahmten sowie die zum Zeitpunkt des Bezugsbeginns der Rente der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen einzubeziehen“1012. Die Einbeziehung künftig zu erwartender Leistungen kann unterbleiben, wenn schon die Summe der bis zum Vergleichszeitpunkt steuerunbelastet bezogenen Leistungen die Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge übersteigt, sodass feststeht, dass keine doppelte Besteuerung vorliegt.1013 Die Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen ist unter Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen zu ermitteln.1014 Erforderlich ist eine Multiplikation der statistischen Restlebenserwartung mit der Summe der jährlich steuerunbelastet bezogenen Leistungen im Sinne des Definitionsansatzes. Der Bundesfinanzhof stellt dabei stets auf die weitere statistische Lebenserwartung des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Rentenbeginns ab,1015 nicht auf diejenige im späteren Zeitpunkt der Vornahme der Prognose durch ber 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 143 (November 2020); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017). 1011 S. dazu noch unten § 6 II. 1012 BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 56); s. auch BFH BStBl. II 2009, 710 (721): „[…] die bislang vom Kläger steuerfrei erhaltenen und entsprechend der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden nicht der Besteuerung unterliegenden Rentenzahlungen […]“; BFH / NV 2013, 375 (Rz. 13); 2014, 328 (Rz. 23 ff.); 2015, 1369 (Rz. 25 ff.). 1013 BFH BStBl. II 2014, 58 (Rz. 53); BFH / NV 2010, 2270 (Rz. 13); 2015, 1369 (Rz. 25). 1014 BFH BStBl. II 2009, 710 (721); 2018, 62 (Rz. 35); BFHE 254, 545 (Rz. 42); BFH / NV 2010, 2270 (Rz. 13); BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 34); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 54); auch BVerfG FR 2016, 78 (Rz. 59); FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 54). 1015 BFHE 254, 545 (Rz. 42): „im Zeitpunkt des Renteneintritts“; BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 35): „im Zeitpunkt von dessen Renteneintritt“; BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 56): „zum Zeitpunkt des Bezugsbeginns der Rente“; BFH / NV 2014, 328 (Rz. 25): „im Zeitpunkt des ersten Rentenbezuges“; BFH / NV 2014, 330 (Rz. 33): „im Zeitpunkt seines ersten Rentenbezugs“; zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 34); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 61); s. ferner FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 54).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

die Finanzbehörde oder das Finanzgericht. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwischenzeitlich verstorben ist; alleine das vorzeitige Versterben eines Steuerpflichtigen vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung führt also nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht dazu, dass bei diesem Steuerpflichtigen von verfassungswidriger doppelter Besteuerung auszugehen ist, wenngleich die Summe der tatsächlich steuerunbelastet bezogenen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (möglicherweise sogar deutlich) hinter der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zurückbleibt.1016 Die statistische Restlebenserwartung im Zeitpunkt des Rentenbeginns entnimmt der Bundesfinanzhof der (alleine nach Geschlecht differenzierenden) Sterbetafel1017 des Statistischen Bundesamts für Gesamtdeutschland.1018 Maßgeblich ist die im Zeitpunkt des Rentenbeginns letztverfügbare Sterbetafel, also diejenige, die in diesem Zeitpunkt zuletzt durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht wurde.1019 Den Vorgang der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen ordnet der Bundesfinanzhof technisch wohl als Schätzung nach § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO ein.1020 Dazu passt, dass der Bundesfinanzhof sich im Rahmen des § 118 Abs. 2 FGO an die Feststellung des Finanzgerichts über die Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen gebunden sieht,1021 denn die Schätzung gehört zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO.1022 Allerdings nimmt der Bundesfinanzhof offenbar auch an, dass er prüfen darf, ob das Finanzgericht bei der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen die „richtige“ statistische Restlebenserwartung des Steuerpflich-

1016

S. BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 56); BFH / NV 2010, 2270 (Rz. 15); 2013, 375 (Rz. 14). Für „[e]ine kleine Lektion Sterbetafelkunde“ s. Moench, DStR 1993, 898 (898 f.); zum Unterschied zwischen abgekürzten und allgemeinen Sterbetafeln und dazu, dass seit der Sterbetafel 2000/2002 der Zusatz „abgekürzt“ entfällt, s. Statistisches Bundesamt, Sterbetafel 2017/ 2019, 2020, S. 4 f., online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/GesellschaftUmwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/Publikationen/Downloads-Sterbefaelle/ periodensterbetafel-erlaeuterung-5126203197004.pdf?__blob=publicationFile, letzter Abruf am 20. 9. 2021. 1018 BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 35); BFH / NV 2014, 328 (Rz. 25); 2014, 330 (Rz. 33); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 35); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 61); das übersieht offenbar Dommermuth, FR 2020, 385 (394): „Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich allerdings bisher nicht konkret zu der anzuwendenden Sterbetafel geäußert“. 1019 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 36 f.); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 61). 1020 S. BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 9): „Für die Schätzung der steuerfrei zufließenden Teilbeträge der künftigen Rentenzahlungen hat sich das FG auf die folgenden Annahmen gestützt: […]“. 1021 S. BFH / NV 2010, 1253 (Rz. 69). 1022 BFH BStBl. II 2020, 850 (Rz. 28); BFHE 267, 146 (Rz. 29); Lange, in: Hübschmann /  Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 118 FGO Rn. 160 (August 2020); Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 118 Rn. 31. 1017

§  4  Vergleichsgröße Leistungsbezugsphase 

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tigen zugrunde gelegt hat.1023 Das könnte sich vor dem Hintergrund erklären, dass der Bundesfinanzhof eine Schätzung im Revisionsverfahren „darauf überprüfen [kann], ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d. h., ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist“1024. Ebenso denkbar ist aber, dass der Bundesfinanzhof die statistische Restlebenserwartung des Steuerpflichtigen für eine offenkundige und damit gemäß § 291 ZPO i. V. m. § 155 Satz 1 FGO nicht beweisbedürftige Tatsache hält,1025 die auch im Revisionsverfahren durch den Bundesfinanzhof selbst in den Prozess eingeführt werden darf.1026 Dafür spricht, dass der Bundesfinanzhof in der Vergangenheit bereits in einem Revisionsverfahren von einer anderen Restlebenserwartung als derjenigen, die das Finanzgericht in der Vorinstanz zugrunde gelegt hatte, ausgegangen ist1027 und in einem weiteren Revisionsverfahren die Restlebenserwartung berücksichtigt hat, obwohl das Finanzgericht hierüber zuvor keine Feststellung getroffen hatte.1028 In der Literatur wird zumeist zustimmend auf das Vorgehen des Bundesfinanz­ hofs bei der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet

1023 Vgl. BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 35), wo der BFH die Frage anspricht (und letztlich offenlässt), ob das FG die weitere statistische Lebenserwartung anhand der richtigen Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes (Sterbetafel 2009/2011 oder Sterbetafel 2007/2009) ermittelt hat; BFH / NV 2010, 1253 (Rz. 69): „vom FG zu Recht unterstellten statistischen Lebenserwartung von 20 Jahren“ (Hervorhebung nur hier). 1024 BFH BStBl. II 2020, 850 (Rz. 28); s. auch Lange, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO /  FGO, § 118 FGO Rn. 163 (August 2020); Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Aufl.  2019, § 118 Rn. 31. 1025 Statistische Erkenntnisse werden nicht selten als offenkundige Tatsachen eingeordnet, s. BAG NZA 1999, 444 (445): „Dies entspricht den allgemein zugänglichen statistischen Erkenntnissen, die zu den offenkundigen Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO gehören“; BGH NJW 1992, 2088 (Leitsatz  4) für den „statistische[n] monatliche[n] Indexstand der Lebenshaltungskosten“; BGH NJW-RR 1993, 1122 (Leitsatz 2) für „Zahlenangaben in statistischen Jahrbüchern“; Krumm, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 81 FGO Rn. 8a (Oktober 2019); Schallmoser, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 81 FGO Rn.  16 (März 2013). 1026 Vgl. BVerwGE 58, 146 (Rz. 17): „Die Berücksichtigung dieses Umstandes im Revisionsverfahren ist unbedenklich. Es handelt sich um eine nicht beweisbedürftige Tatsache, deren Beachtung der raschen und endgültigen Streitentscheidung dient, ohne schützenswerte Interessen des Klägers zu beeinträchtigen“; vgl. auch Rüsken, in: Gosch, AO / FGO, § 126 FGO Rn. 58.1 (Februar 2019); zum Zivilprozessrecht Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 291 Rn. 5. 1027 S. BFH / NV 2014, 330 (Rz. 33): „Der Kläger, der im Zeitpunkt seines ersten Rentenbezugs das 60. Lebensjahr vollendet hatte, hatte nach der Sterbetafel 2004/2006 des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de)  noch eine statistische Lebenserwartung von 20,58 Jahren“; vorgehend FG Münster, Urt. v. 16. 5. 2012 – 12 K 1280/08 E, juris-Rz. 38: „bei einer weiteren Lebenserwartung von 16,82 Jahren (Mann / Westen) im Alter von 65 J. (www.lebenserwartung. info / index-Dateien / ledeu.htm)“. 1028 S. BFH / NV 2014, 328 (Rz. 25); vorgehend FG Niedersachsen, Urt. v. 27. 3. 2012 – 12 K 74/11, juris.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

bezogenen Leistungen hingewiesen.1029 Es wird zu Recht angemerkt, dass die Auffassung des Bundesfinanzhofs, alleine das vorzeitige Versterben eines Steuerpflichtigen vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung führe nicht zum Vorliegen verfassungswidriger doppelter Besteuerung,1030 zeigt, dass die in der Rechtsprechung aufgestellte These eines „strikt“ und „in jedem Fall“1031 zu beachtenden Verbots der doppelten Besteuerung nicht mit Absolutheit zu verstehen ist.1032 Zuletzt wurde vereinzelt Kritik an der Zugrundelegung der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts geäußert.1033 Diese sei „grundsätzlich ungeeignet“1034. Stattdessen solle auf die Heubeck-Richttafeln1035 abgestellt werden, die „Arbeitnehmer betreffen, die größte Gruppe der Bezieher von gesetzlicher Rente der Schicht 1“1036. Es wird argumentiert, die Heubeck-Richttafeln „prognostizieren […] Sterblichkeitstrends und beziehen im Gegensatz zu der rein vergangenheitsorientierten Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes auch die voraussichtliche künftige Entwicklung der jeweiligen Lebenserwartung mit ein“1037. Letztlich, so wird behauptet, erschienen „[d]ie Werte von Heubeck 2018G, die sich zwischen den beiden Extremen aus der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes und [der außerdem in die Diskussion miteinzubeziehenden Sterbetafel] DAV 2004R befinden, […] für die Zwecke der Prüfung der Doppelbesteuerung von Renten [als] eine gute und zielgruppenorientierte Kompromissbasis“1038. Dieser Argumentation ist der Bundesfinanzhof nun im schon mehrfach erwähnten Urteil aus dem Jahr 2021 entgegengetreten: „Die […] ‚Richttafeln-Heubeck‘

1029 S. etwa Karrenbrock, DStR  2018, 844  (847); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 344 (Dezember 2017); Schuster, BetrAV 2016, 475 (476); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017). 1030 S. oben Fn. 1016. 1031 Zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BFHE 254, 545 (Rz. 23) m. w. N. 1032 S. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  B  228 (Mai 2017). 1033 Kritisch Dommermuth, FR 2020, 385 (394, 396), der aber übersieht, dass der BFH sich für die Anwendungen der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts ausspricht, s. oben Fn. 1018; im Anschluss auch Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 162 (November 2020). 1034 Dommermuth, FR 2020, 385 (394). 1035 Vgl. BMF BStBl. I 2018, 1107 zur Bedeutung der Heubeck-Richttafeln bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen n. § 6a EStG. 1036 Dommermuth, FR  2020, 385 (396); s. auch Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 162 (November 2020). Auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar ist, dass auch bei Selbstständigen auf die „Richttafeln Heubeck 2018G“ abgestellt werden soll, obwohl diese offenbar nur Arbeitnehmer betreffen. 1037 Dommermuth, FR 2020, 385 (396). 1038 Dommermuth, FR 2020, 385 (396); nach Dommermuth „hat eine heute 67-jährige weib­ liche / männliche Person nach der aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes 2016/2018 eine durchschnittliche weitere statistische Lebenserwartung von 19,40/16,42 Jahren, während die Richttafeln Heubeck 2018G bei Rentenbeginn 2020 21,89/18,58 Jahre und bei Rentenbeginn 2030 23,01/19,94 Jahre sowie DAV 2004R 2. Ordnung bei Rentenbeginn 2020 24,21/20,65 Jahre und bei Rentenbeginn 2030 25,29/21,59 Jahre aufweisen“.

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[…] erscheinen ua deswegen als nicht geeignet, da sie auch prognostische Elemente enthalten, die nicht mit dem einkommensteuerrechtlichen Stichtagsprinzip im Einklang stehen“1039. Stellungnahme: Hinsichtlich der Kritik an der Zugrundelegung der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts wird nicht begründet, warum aus rechtlichen Gründen entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1040 auf eine andere Sterbetafel abgestellt werden sollte oder müsste. Den Kritikern geht es um die „sinnvollste Sterbetafel“1041 oder um eine „möglichst realitätsnahe und damit differenzierte Sterbetafel […], die […] vor dem Hintergrund des steuerlichen Massenverfahren[s] aber auch administrierbar ist“1042. Die entscheidende Frage ist jedoch, nach welchem rechtlichen Maßstab zu beurteilen ist, auf welche Sterbe­ tafel es ankommt. Zunächst lässt der Umstand, dass offenbar unterschiedliche statistische Erkenntnisse zur Restlebenserwartung existieren, Zweifel an der (möglicherweise vom Bundesfinanzhof vertretenen) Annahme aufkommen, bei der statistischen Restlebenserwartung des Steuerpflichtigen handele es sich um eine offenkundige Tatsache.1043 Im Prozess kann jedenfalls der Beweis des Gegenteils angetreten werden, also der Beweis, dass das Gericht fälschlicherweise von der Offenkundigkeit einer Tatsache ausgeht oder dass diese Tatsache nicht besteht.1044 Da die Sterbetafel Grundlage der Schätzung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen ist,1045 muss sich der Maßstab für die Auswahl der heranzuziehenden Sterbetafel aus § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2

1039

BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 35). S. oben Fn. 1018. 1041 Dommermuth, FR 2020, 385 (394 Fn. 84). 1042 Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 162 (November 2020). 1043 S. oben Fn. 1025, Fn. 1027 u. Fn. 1028. 1044 BVerfG NJW 2021, 50 (Rz. 15); Huber, in: Musielak / Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 291 Rn. 3; Prütting, in: Krüger / Rauscher, Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 1, 6. Aufl. 2020, § 291 Rn. 19. 1045 Der BFH ordnet den Vorgang der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen wohl als Schätzung ein, s. oben Fn. 1020; vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn. 344 (Dezember 2017): „da die Betrachtung hier ohnehin zukunftsbezogen ist und daher weitestgehend mit Schätzungen gearbeitet werden kann und muss“. M. E. überzeugt die Einordnung als Schätzung: Das verfahrensrechtliche Instrument zur Vermeidung doppelter Besteuerung im atypischen Einzelfall ist richtigerweise der Billigkeitserlass n. §§ 163, 227 AO, s. unten § 7 I. Bei der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen handelt es sich um ein tatsächliches Verhältnis, das für die Bemessung der Steuer im Rahmen des § 163 AO („Steuern können niedriger festgesetzt werden“) maßgebend ist, also um eine Besteuerungsgrundlage, s. § 199 Abs. 1 AO. Da die Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen ex ante nicht mit Gewissheit feststellbar ist (insbes. aufgrund der Ungewissheit über den tatsächlichen Zeitpunkt des Todes des Steuerpflichtigen), ist sie gem. § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO zu schätzen. 1040

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FGO ergeben. Dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich lediglich die Vorgabe des § 162 Abs. 1 Satz 2 AO entnehmen, dass bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Anerkannt ist, dass es das Ziel einer Schätzung ist, „die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen“1046. Das „Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein“1047. Die Frage, welche Sterbetafel diejenige Restlebenserwartung ausweist, die (im Einzelfall) der Wirklichkeit am nächsten kommt, kann nur nach den Regeln der Statistik beantwortet werden. Zu bedenken ist aber auch, dass eine Schätzung anerkanntermaßen erst dann rechtswidrig ist, „wenn sie den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen verlässt und das Schätzungsergebnis mithin unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig und unwahrscheinlich ist“1048. Deshalb erscheint es notwendig, der Finanzbehörde bzw. dem Finanzgericht auch bei der Auswahl der Sterbetafel einen gewissen Spielraum zuzusprechen. Da die in der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts ausgewiesene Restlebenserwartung jedenfalls nicht als unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig oder unwahrscheinlich bewertet werden kann, ist es unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zugrunde gelegt wird. Im Interesse einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung sollte an dieser bisherigen Praxis des Bundesfinanzhofs festgehalten werden.1049 Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts offenbar eine geringere Restlebenserwartung ausweist als die Heubeck-Richttafeln,1050 d. h. es wäre für den Steuerpflichtigen von Nachteil, wenn anstelle der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts die Heubeck-Richttafeln bei der Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen zugrunde gelegt würden, weil sich nach den Heubeck-Richttafeln eine höhere Summe steuerunbelastet bezogener Leistungen im Sinne des Definitionsansatzes ergeben würde, sodass „rechnerisch“ das Vorliegen doppelter Besteuerung weniger wahrscheinlich wäre.1051

1046

BFH BStBl. II 2015, 743 (Rz. 60); Rüsken, in: Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 162 AO Rn. 36; Seer, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 162 AO Rn. 29 (Oktober 2017). 1047 BFH BStBl. II 2020, 99 (Rz. 22); Seer, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 162 AO Rn.  29 (Oktober 2017). 1048 BFH / NV  2011, 2032 (Rz.  21); Seer, in Tipke / Kruse, AO / FGO § 162 Rn.  98 (Oktober 2017) m. w. N. 1049 Mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsanwendung (allerdings in regionaler Hinsicht) argumentiert auch BFH BStBl. II 2006, 228 (231), wo es um die Frage geht, ob die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts für Gesamtdeutschland heranzuziehen ist, oder eine solche, die nach Wohnsitz (Ost / West) differenziert. 1050 S. oben Fn. 1038; darauf weist auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 35) hin. 1051 Dazu, dass das „rechnerische“ Vorliegen doppelter Besteuerung für den Steuerpflichtigen vorteilhaft ist, s. oben § 4 II. 6.

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Zuletzt sei nochmals auf einen bereits oben erwähnten Aspekt in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betreffend die Ermittlung der Höhe der künftig zu erwartenden steuerunbelastet bezogenen Leistungen hingewiesen, der zwar erklärungsbedürftig erscheint, der aber unter rechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden ist: Der Bundesfinanzhof stellt auf die weitere statistische Lebenserwartung des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Rentenbeginns ab,1052 nicht auf diejenige im späteren Zeitpunkt der Vornahme der Schätzung durch die Finanzbehörde oder das Finanzgericht. Das kann durchaus einen (wenn auch meist nur geringfügigen) Unterschied machen, weil die Statistiken über die Lebenserwartung entsprechend der tatsächlichen Veränderungen der Lebenserwartung laufend fortgeschrieben werden.1053 Näher an der Wirklichkeit wäre daher eine Schätzung, die auf die statistische Restlebenserwartung im Zeitpunkt der Vornahme der Schätzung abstellt. Allerdings erscheint das Schätzungsergebnis auch beim Abstellen auf die Restlebenserwartung im Zeitpunkt des Renten­beginns jedenfalls nicht als unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig oder unwahrscheinlich, sodass die Schätzung aus diesem Grund nicht etwa als rechtswidrig zu bewerten ist.1054 Eine Begründung für das Abstellen auf die Restlebenserwartung im Zeitpunkt des Rentenbeginns nennt der Bundesfinanzhof nicht.1055 Möglicherweise soll so der Anschein eines Widerspruchs zu der Auffassung des Bundesfinanzhofs vermieden werden, dass alleine das vorzeitige Versterben eines Steuerpflichtigen vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung nicht dazu führt, dass bei diesem Steuerpflichtigen von verfassungswidriger doppelter Besteuerung auszugehen ist.1056 Da sich das Nichtvorliegen verfassungswidriger doppelter Besteuerung in Fällen des vorzeitigen Versterbens eines Steuerpflichtigen aber, wie der Bundesfinanzhof überzeugend darlegt, schlicht aus der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers ergibt (der Gesetzgeber durfte bei der Konzeption des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppel­buchst. aa EStG von der statistischen Lebenserwartung ausgehen),1057 könnte 1052

S. oben Fn. 1015. Als Beispiel kann BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 35) dienen, wo sich für den Steuerpflichtigen aus der Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamts eine Restlebenserwartung von 17,48 Jahren ergeben hat und aus der Sterbetafel 2007/2009 eine Restlebenserwartung von 17,22 Jahren. 1054 Zum Maßstab für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Schätzung s. soeben oben im Text bei Fn. 1048. 1055 In BFH / NV 2018, 614 (Rz. 28) erklärt der BFH lediglich das Abstellen auf die durchschnittliche statistische Restlebenserwartung an sich, nicht aber dasjenige speziell auf die Restlebenserwartung im Zeitpunkt des Rentenbeginns, mit „Gründen der Vereinfachung und Vorhersehbarkeit“. 1056 S. die Nachw. in Fn. 1016. 1057 S. BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 56) m. w. N.: „Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, es stelle eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung dar, wenn die Rentenzahlungen mit dem gesetzlich festgelegten Anteil der Besteuerung unterworfen werden, auch wenn der Steuerpflichtige vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung verstirbt. In einem solchen Fall verwirkliche sich das typische Rentenrisiko; während bei einem Teil der Steuerpflichtigen die Lebenszeit die statistische Lebenserwartung unterschreite, werde diese bei anderen überschritten“. 1053

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

bei der Prüfung, ob ein konkreter Steuerpflichtiger im Einzelfall von doppelter Besteuerung betroffen ist, ebenso auf die Restlebenserwartung im Zeitpunkt der Vornahme der Schätzung abgestellt werden, ohne dass ein Widerspruch entstünde. 2. Keine Berücksichtigung möglicher Leistungen an etwaige Hinterbliebene mit höherer statistischer Lebenserwartung Der Bundesfinanzhof hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2016 die Frage aufgeworfen, „ob der steuerfreie Jahresbetrag der Rente mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung lediglich des Steuerpflichtigen selbst zu multiplizieren ist […] oder ob auch die auf statistischen Durchschnittswerten beruhende – höhere – Lebenserwartung eines Ehegatten mit Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen ist“1058. Obgleich sich diese Formulierung des Bundesfinanzhofs so verstehen ließe, war damit nicht die Frage aufgeworfen, ob der eigenen statistischen Restlebenserwartung des Steuerpflichtigen schlicht eine darüber hinausgehende Restlebenserwartung etwaiger Hinterbliebener mit einem möglichen Leistungsanspruch hinzuzurechnen ist. Denn es wäre keinesfalls sinnvoll, den Betrag der vom Steuerpflichtigen jährlich steuerunbelastet bezogenen Leistungen mit der Summe dieser beiden Restlebenserwartungen zu multiplizieren, weil die Höhe der Leistungen an Hinterbliebene freilich von der Höhe der Leistungen an den Steuerpflichtigen abweicht. Vielmehr – das hat nun auch das Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2021 bestätigt1059 – ging es dem Bundesfinanzhof um die Frage, ob steuerunbelastete Leistungen an etwaige Hinterbliebene des Versicherten bzw. Steuerpflichtigen, die künftig zu erwarten sind, der Summe der steuerunbelastet bezogenen Leistungen im Sinne des Definitionsansatzes hinzugerechnet werden sollen.1060 Diese Frage hat der Bundesfinanzhof nunmehr im angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021 bejaht.1061 In der Literatur bestand dagegen vor dem Urteil des Bundesfinanzhofs zu Recht Einigkeit, dass die Leistungen an etwaige Hinterbliebene an dieser Stelle nicht zu 1058

BFHE 254, 545 (Rz. 42). Vgl. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 38 ff.). 1060 So wurde die Fragestellung des BFH auch allgemein verstanden, vgl. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 55 ff.); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (847); Rügamer, FR 2020, 399 (405); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017); in Anlehnung an die Formulierung des BFH wohl nur sprachlich ungenau Kulosa, DStR 2018, 1413 (1417): „Zudem ist beim Beitragszahler nur die voraussichtliche eigene Rentenbezugsdauer anzusetzen, nicht aber die ggf. hinzutretende Rentenbezugsdauer eines Hinterbliebenen“; ebenso ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  347 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109): „[…] oder ggf. die höhere Lebenserwartung seines Ehegatten in die Berechnung einzubeziehen ist“. 1061 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 3 u. Rz. 33, 38 ff.); ferner BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 64); zustimmend Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (590 Fn. 22). 1059

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berücksichtigen sind.1062 Dieser Auffassung hatte sich auch das FG Baden-Württemberg in der Vorinstanz angeschlossen.1063 Gegen die Berücksichtigung von Leistungen an etwaige Hinterbliebene wird hier – wie bei der Frage, ob „Hinterbliebenenrenten“ von doppelter Besteuerung betroffen sein können1064 – mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung argumentiert,1065 was überzeugt.1066 Der Bundesfinanzhof beurteilt dies nun anders: Der Grundsatz der Individualbesteuerung spiele an dieser Stelle keine Rolle, „[d]enn vorliegend geht es nicht um die konkrete Besteuerung einer vom Kläger zu unterscheidenden dritten Person (hier: der Klägerin), sondern um die Prüfung, ob beim Kläger selbst eine doppelte Besteuerung eintritt. Im Rahmen der hierfür erforderlichen, aus Sicht des Tages des Renteneintritts vorzunehmenden Prognoserechnung dürfen aber – wie dargelegt – auch Wahrscheinlichkeitserwägungen herangezogen werden“1067. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, dass der Grundsatz der Individualbesteuerung hier nicht einschlägig sein soll, enthalten die Ausführungen des Bundesfinanzhofs aber nicht, denn man könnte (in Anlehnung an die Formulierung des Bundesfinanzhofs) ebenso annehmen, dass es vorliegend um die konkrete Besteuerung des Steuerpflichtigen (BFH: Kläger) gehe, der eine von der Hinterbliebenen (BFH: Klägerin) zu unterscheidende dritte Person ist. Jedenfalls ist es so, dass Verhältnisse einer Person (BFH: Klägerin) bei der Besteuerung einer anderen Person (BFH: Kläger) berücksichtigt werden sollen, womit der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Individualbesteuerung – der nur ein Rechtsprinzip ohne exakt umgrenzten Tatbestand darstellt1068 – eröffnet sein dürfte. Der Bundesfinanzhof legt weder dar, dass oder warum es bei der Frage der doppelten Besteuerung des Steuerpflichtigen (BFH: Kläger) nicht um die „konkrete Besteuerung“ einer Person gehen sollte, noch erläutert das Gericht, dass oder warum im Kontext einer „Prognoserechnung“ bzw. „Wahrscheinlichkeitserwägung“ dem Grundsatz der Individualbesteuerung keine Bedeutung zukommen sollte. 1062 S. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (847); Kulosa, DStR 2018, 1413 (1417); ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  347 (Dezember 2017); Rügamer, FR 2020, 399 (405); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., jM 2017, 119 (121); dies., BetrAV 2016, 475 (477); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017); auch Dommermuth, FR 2020, 385 (396), der allerdings die äußerst fragwürdige Anmerkung macht, dass der BFH „diese Frage zwar bisher nicht beantwortet [hat], dem FG Baden-Württemberg bei seiner Zurückverweisung für die Beurteilung im zweiten Rechtsgang jedoch freie Hand gegeben [hat]“. 1063 S. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 50, 55 f.). 1064 Richtigerweise ist dies zu verneinen, s. oben § 4 I. 1. u. 2. 1065 S. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 55 f.) unter Hinweis auf BFH BStBl. II 2008, 608 (612) betreffend die Nichtvererblichkeit des Verlustvortrags i. S. d. § 10d EStG; ebenso bereits unter Hinweis auf diese Rspr. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG /  KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017); s. außerdem Karrenbrock, DStR 2018, 844 (847); Schuster, DStR 2018, 2106 (2109); dies., jM 2017, 119 (121); dies., BetrAV 2016, 475 (477). 1066 S. auch oben § 4 I. 2. am Ende. 1067 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 42). 1068 S. Lehner / Waldhoff, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 77 (Dezember 2018); zu Rechtsprinzipien s. schon oben § 1 II. 2.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Zu Recht wird auch darauf hingewiesen, dass zu Beginn der Rentenbezugsphase des Steuerpflichtigen kaum verlässlich prognostiziert werden kann, ob und in welcher Höhe künftig Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung an Hinterbliebene des Steuerpflichtigen zu erwarten sind, weil dies nicht nur von der statistischen Restlebenserwartung der Hinterbliebenen abhängt, sondern von nicht wenigen weiteren Faktoren (Ehescheidung bzw. Auflösung der Lebenspartnerschaft; Wiederheirat nach dem Tod des Steuerpflichtigen; Kindererziehung; Erwerbsminderung; zusätzliches Einkommen1069).1070 Der Bundesfinanzhof sieht hierin im Urteil aus dem Jahr 2021 letztlich kein Hindernis für die Berücksichtigung der Hinterbliebenenrenten. Das Gericht nimmt an, dass „[d]as Risiko, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen einer zwischenzeitlichen Scheidung der Eheleute nicht entstehen oder wegen einer Wiederheirat des Hinterbliebenen entfallen könnte […] schon aus Gründen der Vereinfachung und Vorhersehbarkeit“ nicht zu berücksichtigen sei.1071 Eine zu erwartende Anrechnung zusätzlichen Einkommens des Hinterbliebenen auf die zukünftige Hinterbliebenenrente sei hingegen in die Prognose einzustellen, wobei der Steuerpflichtige die Darlegungs- und Feststellungslast trage, weil „eine Einkommensanrechnung die Höhe der Hinterbliebenenrente und damit des steuerfreien Rentenbezugs mindert, das Risiko für den Eintritt einer verfassungsrechtlich unzulässigen doppelten Besteuerung also erhöht“1072. An anderer Stelle in der Entscheidung führt der Bundesfinanzhof aus: „Der Senat verkennt nicht, dass ein Außerachtlassen der Hinterbliebenenrente zu einer erheblichen Vereinfachung der […] Prognoserechnung führen würde […]. Indes reicht das Vereinfachungsbedürfnis nicht so weit, dass es zum vollständigen Wegfall eines erforderlichen und wesentlichen Berechnungsparameters führen kann“1073. In der Zusammenschau der angeführten Passagen aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs wird deutlich, dass die Argumentation des Bundesfinanzhofs mit Vereinfachungsgesichtspunkten im vorliegenden Zusammenhang aufgrund der Komplexität und des Detaillierungsgrades der Fragestellung nicht überzeugt, weil sie mehr oder weniger beliebig eingesetzt werden kann. Die Frage, wann – in den Worten des Bundesfinanzhofs – ein „Berechnungsparameter“ (hier: Hinterblie-

1069

Zur Bedeutung dieser Faktoren s. §§ 46 u. 97 SGB VI. S. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  B  228 (Mai 2017). 1071 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 54). 1072 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 53). 1073 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 43). Anzumerken ist, dass in der vom BFH zitierten Fundstelle Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 228 (Mai 2017) nicht mit Vereinfachungsgesichtspunkten argumentiert wird. Vielmehr wird dort angenommen, dass eine Prognose nicht möglich ist: „[…] ist einer verlässlichen Prognose jedoch nicht zugänglich, sondern wäre Spekulation“. Mit Vereinfachungsgesichtspunkten argumentiert hingegen Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017): „Aus Vereinfachungsgründen ist uE der gesamte Komplex der Hinterbliebenenrenten für die Betrachtung, ob es beim individuellen Stpfl. zu einer doppelten Besteuerung kommt, außer Ansatz zu lassen“; s. zuletzt auch Kulosa, jM 2021, 337 (341). 1070

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benenrenten insgesamt; Ehescheidung bzw. Auflösung der Lebenspartnerschaft; Wiederheirat nach dem Tod des Steuerpflichtigen; zusätzliches Einkommen) „erforderlich“ bzw. „wesentlich“ ist, ist kaum sinnvoll anhand objektiver Kriterien zu beantworten.1074 Ein weiteres Argument gegen die Berücksichtigung möglicher Leistungen an Hinterbliebene lässt sich aus dem verfassungsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebot ableiten. Nach der vorliegend maßgeblichen Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers können Leistungen an Hinterbliebene überhaupt nicht von doppelter Besteuerung betroffen sein, weil sie sich nicht als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens (genauer: als Auszahlung der intertemporal transferierten Sparanteile der Rentenversicherungsbeiträge) darstellen:1075 Mit Blick auf Leistungen an Hinterbliebene, also mit Blick auf den eigenen Tod, spart der Steuerpflichtige in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht, weil der eigene Tod ein „echtes“ Risiko ist, dessen (unerwünschte) Verwirklichung der Steuerpflichtige möglichst hinauszögern will. Bei den Leistungen an Hinterbliebene geht es um die Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung als „echte“ (Risiko-)Versicherung. Das zeigt auch § 97 SGB VI, nach dem bei den Renten wegen Todes sonstiges Einkommen des Hinterbliebenen und damit dessen (abstrakte) Bedürftigkeit berücksichtigt wird. Die Berücksichtigung der (abstrakten) Bedürftigkeit des Leistungsempfängers macht deutlich, dass eine Leistung zur Risikoabsicherung erbracht wird und gerade nicht nur deshalb, weil angespartes Vermögen vorhanden ist.1076 Dem vorstehend Gesagten widerspricht nun in der Sache der Bundesfinanzhof im bereits mehrfach angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021: „Diese künftige Hinterbliebenenrente der Klägerin hat ihre Grundlage gleichermaßen in dem zwischen dem Kläger und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund bestehenden Versicherungsverhältnis; die Anwartschaft wurde durch die vom Kläger geleisteten Beiträge mit erworben. Steuerlicher Ausdruck dieser Verbindung ist § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 8 EStG, wonach der für die Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente maßgebende Prozentsatz dem für die ursprüngliche Rente geltenden Prozentsatz entspricht“1077. Die Argumentation überzeugt jedoch nicht, denn der Bundesfinanzhof legt nicht dar, dass und warum die angesprochene „Ver-

1074 Für eine Fragestellung, die eine Argumentation mit Vereinfachungsgesichtspunkten ohne Weiteres zulässt, weil dort die „Erforderlichkeit“ bzw. „Wesentlichkeit“ des „Berechnungsparameters“ in Euro bemessen und mit anderen „Berechnungsparametern“ verglichen werden kann, s. oben § 4 II. 6.: Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschbetrag als vorliegend relevante einkommensteuerliche Entlastungsbeträge? 1075 Dazu und zum Folgenden s. ausführlich oben § 4 I. 2.; s. auch Rügamer, FR 2020, 399 (405); anders Dommermuth, FR 2020, 385 (392 f., 396 f.), der zwar inzwischen, s. oben Fn. 784, ebenfalls davon ausgeht, dass die gesetzliche Rentenversicherung eine Doppelfunktion hat (Sparen und Risikoabsicherung), der aber trotzdem auch bei Renten wegen Todes (und bei Renten wegen Erwerbsminderung) das Vorliegen doppelter Besteuerung prüft. 1076 Vgl. Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 343 f. 1077 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 39).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

bindung“ zwischen den Rentenversicherungsbeiträgen des Versicherten und den Hinterbliebenenrenten an dessen Hinterbliebene (die notwendige Voraussetzung der Möglichkeit einer doppelten Besteuerung ist) bei wirtschaftlicher Betrachtung – entgegen der hier ausgeführten Begründung – bestehen soll. Den § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG bezeichnet der Bundesfinanzhof schon selbst nur als den „steuerlichen Ausdruck“ dieser „Verbindung“.

§ 5 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ Es ist allgemeine Meinung, dass Rentenversicherungsbeiträge, die der Steuerpflichtige selbst getragen hat1078, dann nicht im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichtet sind, wenn sie tatsächlich als Sonderausgaben1079 steuermindernd berücksichtigt wurden.1080 Seit Inkrafttreten des Alters­ einkünftegesetzes, also seit dem Veranlagungszeitraum 2005, werden im Steuerbescheid die als Sonderausgaben abgezogenen Altersvorsorgeaufwendungen (Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen etc.) separat ausgewiesen, weil für Altersvorsorgeaufwendungen seither ein eigener Höchstbetrag gilt.1081 Die im Steuerbescheid ausgewiesenen Beträge sind vorliegend maßgeblich.1082

1078

Zur Beitragstragung s. oben § 2 II. Zum Sonderausgabenabzug für vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge s. oben § 2 II. 1. 1080 S. nur Kulosa, DStR 2018, 1413 (1416): „im Grundsatz unbestritten“; BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 55); vgl. auch BVerfGE 105, 73 (98); ebenso Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52 u. BR-Drucks. 2/04, S. 39. 1081 S. oben § 2 II. 1. b). 1082 Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 152 (November 2020); vgl. auch BFH BStBl. II 2016, 733 (Rz. 55): „In Bezug auf die […] in den Jahren seit 2005 geleisteten freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind hingegen die tatsächlich abziehbaren Beiträge gemäß § 10 Abs. 3 EStG  n. F. zugrunde zu legen“; ebenso BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 104). Fraglich ist, was gilt, wenn der Höchstbetrag für den Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen überschritten ist, was angesichts seiner Höhe nur selten der Fall sein wird. Möglich ist dies jedoch auch bei Personen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, nämlich dann, wenn diese neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung weitere Altersvorsorgeaufwendungen entrichten, z. B. an eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Dann stellt sich  – wie für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes  – die Frage, wie der Höchstbetrag zwischen den Aufwendungen aufzuteilen ist. In Betracht kommt m. E. nur eine gleichrangige Aufteilung zwischen den Altersvorsorgeaufwendungen, vgl. die Argumentation sogleich unten bei § 5 I.; so jetzt auch BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 72 ff.). 1079

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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Anerkannt ist auch, dass bei Arbeitnehmern die gemäß § 3 Nr. 62 EStG (oder seinen Vorgängernormen) steuerfreien Arbeitgeberanteile1083 im Sinne des Definitionsansatzes aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden.1084 Diskutiert werden die folgenden Fragen. Erstens: Wie ist der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug nach altem Recht (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) auf die unterschiedlichen Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen? Richtigerweise ist bei der Aufteilung von der Gleichrangigkeit sämtlicher Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen) auszugehen (s. unten I.). Zweitens: Wie ist der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug zwischen zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern aufzuteilen? Nach überzeugender Auffassung ist die Aufteilung im Verhältnis der von den Ehegatten bzw. Lebenspartnern jeweils als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen vorzunehmen (s. unten II.). Drittens: Können auch in einem Veranlagungszeitraum, in dem die Einkommensteuer auf 0 Euro bzw. 0 DM festgesetzt wurde, Rentenversicherungsbeiträge im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichtet worden sein? Das ist zu bejahen, weil es bei der Betrachtung alleine auf die Bemessungsgrundlage ankommt, nicht aber auf die tarifliche Belastung (s. unten III.). Viertens: Sind „aus dem geleisteten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung solche Anteile herauszurechnen […], die kalkulatorisch nicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf Altersrente entfallen“1085? Richtigerweise sind die Beitragsanteile herauszurechnen, die nicht Sparanteile sind, also diejenigen Beitragsanteile, die kalkulatorisch nicht der Finanzierung der an das Alter anknüpfenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, wobei die Höhe der herauszurechnenden Beitragsanteile unter Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger zu bestimmen ist (s. unten IV.). Fünftens: Wie ist die Durchführung eines Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen? Zuzustimmen ist der Auffassung, dass die „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ bei der im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtigen Person entsprechend dem Umfang der übertragenen Anrechte zu kürzen und bei der ausgleichsberechtigen Person dementsprechend zu erhöhen ist (s. unten V.)

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Zu den steuerfreien Arbeitgeberanteilen s. oben § 2 II. 2. S. nur Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  342 (Dezember 2017): „Diese Annahme ist – soweit ersichtlich – unbestritten“; BFH BStBl. II 2009, 710 (720); 2016, 733 (Rz. 55); Förster, DStR 2009, 141 (145); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 214 (Mai 2017); vgl. auch BVerfGE 105, 73 (98); ebenso Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52 u. BR-Drucks. 2/04, S. 39. 1085 BFHE 254, 545 (Rz. 45). 1084

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I. Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug nach altem Recht zwischen den Vorsorgeaufwendungen Der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug von Rentenversicherungsbeiträgen galt vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes einheitlich für sämtliche Vorsorgeaufwendungen, d. h. nicht nur für Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch für Beiträge zu Kranken-, Unfall-, Pflege-1086, Haftpflicht-, Arbeitslosen- und Lebensversicherungen sowie an Bausparkassen. Aufgrund des niedrigen Niveaus des Höchstbetrags konnten oft nicht die gesamten Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden.1087 Deshalb stellt sich (im Rahmen der Definition der doppelten Besteuerung) die Frage, wie der Höchstbetrag zwischen den unterschiedlichen Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen ist, d. h. welcher Anteil des Höchstbetrags den Rentenversicherungsbeiträgen zugeordnet werden kann, wenn der Höchstbetrag überschritten wurde. In der bisherigen Diskussion werden mit Blick auf die Aufteilung des Höchstbetrags üblicherweise Aussagen über das Rangverhältnis zwischen den unterschiedlichen Arten von Vorsorgeaufwendungen getroffen.1088 Gemeint ist damit das Folgende: Die als vorrangig bezeichneten Vorsorgeaufwendungen sind auch dann (aber: nur soweit der Höchstbetrag reicht) als durch den Sonderausgabenabzug steuerlich entlastet anzusehen, wenn die Summe aller Vorsorgeaufwendungen den Höchstbetrag überschritten hat, wohingegen die als nachrangig bezeichneten Vorsorgeaufwendungen dann (im Sinne des Definitionsansatzes) als aus versteuertem Einkommen entrichtet gelten. Unter den als gleichrangig bezeichneten Vorsorgeaufwendungen soll der Höchstbetrag entsprechend dem Verhältnis der geleisteten Vorsorgeaufwendungen aufgeteilt werden. Im Abschlussbericht der Rürup-Steuerkommission wurden „die Rentenbeiträge nicht vorrangig, sondern nur gleichwertig wie die übrigen Sozialabgaben berücksichtigt“1089. Andere Vorsorgeaufwendungen als die Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht in die Betrachtung einbezogen.1090 Dieselben Annahmen hat der Gesetzgeber im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz zugrunde gelegt.1091 1086

Für Beiträge zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung gab es jedoch einen eigenständigen Höchstbetrag, s. oben § 2 II. 1. b). 1087 Zum Vorstehenden s. oben § 2 II. 1. b). 1088 Vgl. z. B. BFH BStBl.  II 2009, 710 (720 f.); BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 86 ff.); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 216 f. (Mai 2017). 1089 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 54. 1090 Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 52. 1091 BR-Drucks.  2/04, S. 39: „Die abziehbaren und die nicht abziehbaren Rentenversicherungsbeiträge werden im Gesamtzusammenhang aller Sozialversicherungsbeiträge nach dem Grundsatz der gleichrangigen Abziehbarkeit dieser Beiträge ermittelt“. Vgl. außerdem BRDrucks. 2/04, S. 70 mit Blick auf Beiträge zu privaten Leibrentenversicherungen: „[D]ie Beiträge wurden entweder als Sonderausgaben abgezogen, sie waren steuerfrei nach § 3 Nr. 62 EStG, der Sonderausgabenabzug war nicht steuerwirksam, weil die Sonderausgabenhöchst-

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Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach entschieden, dass die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung als gleichrangig anzusehen sind.1092 Die Aufteilung des Höchstbetrags auf diese Beiträge ist anhand der Beitragssätze vorzunehmen.1093 Auch das Bundesverfassungsgericht hat, worauf der Bundesfinanzhof ausdrücklich hinweist,1094 bereits in BVerfGE 105, 73 ausgeführt und später wiederholt, dass es „notwendig [ist], dass dem Sonderausgabenabzug nicht nur isoliert oder vorrangig die Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers zugeordnet werden, sondern diese nur anteilig, nämlich als Teil der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, was zu einer geringeren Entlastungsquote des Sonderausgabenabzugs führt“1095. In einem Urteil aus dem Jahr 2021 nimmt der Bundesfinanzhof nun an, dass „[d]en Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung […] solche Vorsorgeaufwendungen gleichgestellt [sind], die bei nicht gesetzlich Versicherten an die Stelle der Sozialversicherungsbeiträge treten. Maßgebende Gesichtspunkte für die Gleichstellung dieser Vorsorgeaufwendungen sind das Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Leistung entsprechender Beiträge, eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung der Beiträge oder eine über die Besteuerung lediglich der  – ggf. typisierten  – Erträge hinausgehende Einkommensteuerpflicht späterer Versicherungsleistungen“1096. Den Sozialversicherungsbeiträgen gleichgestellt sind demnach beispielsweise Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse, zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen und zu privaten Pflege-Pflichtversicherungen1097 sowie Beiträge zu privaten Krankenversicherungen, soweit diese der Finanzierung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus dienten.1098 Mit Blick auf Beiträge zu privaten Kranken- und beträge bereits durch Pflichtbeiträge zu einer gesetzlichen Sozialversicherung ausgeschöpft waren“; das spricht dafür, dass der Gesetzgeber des Alterseinkünftegesetzes von der Nachrangigkeit von Beiträgen zu kapitalbildenden Lebensversicherungen gegenüber Sozialversicherungsbeiträgen ausgeht, s. dazu sogleich unten im Text. 1092 BFHE 254, 545 (Rz. 51); BFH BStBl. II 2009, 710 (720); 2011, 567 (Rz. 37); 2016, 733 (Rz. 55); BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 4 u. Rz. 87, 89 ff.); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 77). 1093 BFH BStBl. II 2009, 710 (720); 2011, 567 (Rz. 37); 2016, 733 (Rz. 55). 1094 S. BFH BStBl. II 2009, 710 (720). 1095 BVerfGE 105, 73 (98); vgl. auch (mit Blick auf die Frage, welcher Anteil des Vorwegabzugs auf Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen entfällt) BVerfGE 120, 125 (146): „Das Bundesverfassungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass eine Aufspaltung anhand der Gesamtsozialversicherungsbeiträge […] bei einer Würdigung der Entlastungswirkungen des Sonderausgabenabzugs die größere Plausibilität für sich beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 105, 73 [98 f.]). Daran wird festgehalten“; hierauf weist nun auch BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 89) hin. 1096 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 92). 1097 Zu beachten ist, dass es für Beiträge zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung einen eigenständigen Höchstbetrag gab, s. oben § 2 II. 1. b). 1098 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 93 f.); für Krankenversicherungsbeiträge tendenziell bereits BFHE  254, 545 (Rz. 45): „[O]b für Zwecke der erforderlichen Vergleichsrechnung die […] Höchstbeträge für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen auch durch Beiträge […] zu solchen privaten Krankenversicherungen, deren Leistungen über das Versorgungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, aufgezehrt werden“ (Hervorhebung nur hier).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Pflegeversicherungen, die der Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus dienten, wurde eine Gleichstellung mit den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen bereits vor dem angesprochenen Urteil des Bundesfinanzhofs (u. a. vom FG Baden-Württemberg in der Vorinstanz) vertreten.1099 Argumentiert wurde dabei mit dem Rechtsgedanken des heutigen § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG1100 und damit, dass die Aufwendungen insoweit der Sicherung des Existenzminimums dienten und daher in der Vergangenheit eine verfassungsrechtliche Verpflichtung bestand, sie zum steuerlichen Abzug zuzulassen.1101 In der Literatur wurde in der Vergangenheit nicht selten die Auffassung vertreten, dass die Rentenversicherungsbeiträge generell nur nachrangig (auch gegenüber den übrigen Sozialversicherungsbeiträgen) zu berücksichtigen seien.1102 Daran wird teilweise auch nach der anderslautenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Gleichrangigkeit der Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung1103) festgehalten.1104 Es wird angenommen, dass sich die Notwendigkeit einer „[v]orrangige[n] Berücksichtigung der aktuell existenzsichernden Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherung“ aus der Teleologie der Vorsorgeaufwendungen ergebe, weil die steuerliche Berücksichtigung des aktuellen Existenzminimums Vorrang habe vor derjenigen des zukünftigen Existenzminimums.1105 Für die Nachrangigkeit der Rentenversicherungsbeiträge spreche außerdem, dass nach altem Recht ihr „Abzug […] bei gleichzeitiger Steuerbefreiung der Auszahlungen durch die Ertragsanteilsbesteuerung einen Fremdkörper“ dargestellt hätte.1106 Ferner müssten die Rentenversicherungsbeiträge auch deshalb als nachrangig angesehen werden, weil nur so die von BVerfGE 105, 73 geforderte Gleichbehandlung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten, „die keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisten, denen aber bisher trotzdem dieselben Höchstbeträge für den Ab 1099 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 78); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); zustimmend auch Dommermuth, FR 2020, 439 (439 f.). 1100 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 78). 1101 Vgl. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 78, 82); auch Schuster, DStR 2018, 2106 (2108); Dommermuth, FR 2020, 439 (439 f.). 1102 S. Brall / Bruno-Latocha / Lohmann, DRV 2003, 465 (481); dies., DRV 2004, 409 (431); Hey, DRV 2004, 1 (11 ff.); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 182 ff.; Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (904 f.); ausdrücklich dagegen Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017). 1103 S. die Nachw. in Fn. 1092. 1104 S. Karrenbrock, DStR  2018, 844 (849); G.  Siepe, DStR  2020, 423 (426 ff.); ders., DStR  2019, 2568 (2570); Stützel, DStR  2010, 1545 (1551); der Rspr. stimmen hingegen zu Dommermuth, FR  2020, 385 (394 f.); Förster, DStR  2009, 141 (145); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  342 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1105 Hey, DRV 2004, 1 (11 f.); auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 182 ff.; Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (905). 1106 Hey, DRV 2004, 1 (12 f.); auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 182 ff.

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zug von Vorsorgeaufwendungen zugestanden wurden“, erreicht würde.1107 Dem zuletzt genannten Argument ist der Bundesfinanzhof nun im schon angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021 ausdrücklich entgegengetreten: „Diese Ungleichbehandlungen [von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten] hat das BVerfG aber nur in der Weise beanstandet, dass es den Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 zu einer Neuregelung verpflichtet hat. Auch im Rahmen der – retrospektiv vorzunehmenden – Vergleichsrechnung zur Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung besteht keine Verpflichtung, die unterschiedlichen Besteuerungssysteme schon für Zeiträume vor 2005 einander anzugleichen“1108. Schließlich wird zur Begründung der Nachrangigkeit der Rentenversicherungsbeiträge auf die folgende Passage aus BVerfGE 105, 73 verwiesen:1109 „Soweit Sozialversicherungsrenten auf Arbeitnehmerbeiträgen beruhen, ist in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Ersten Senats (BVerfGE 54, 11 [26 ff.]) eine noch hinreichende sachliche Begründung einer Ertragsanteilsbesteuerung zu bejahen. […]. Der Erste Senat (BVerfGE 54, 11 [32]) hat gleichwohl im Sonderausgabenabzug von Rentenbeiträgen u. a. deshalb keinen Einwand gegen die Ertragsanteilsbesteuerung gesehen, weil es sich bei den Sonderausgaben um Abzugsmöglichkeiten von Vorsorgeaufwendungen handele, die allen Steuerpflichtigen offen stünden. Das führe dazu, dass die Rentenbeitragspflichtigen ihre Abzugsmöglichkeiten bereits durch ihre Beitragsleistung verbrauchten, während andere Steuerpflichtige, insbesondere auch die Beamten, sonstige Vorsorgeaufwendungen (Prämien für Lebensversicherungen oder bis einschließlich 1995 für Bausparkassen) nach diesen Abzugstatbeständen geltend machen könnten. Hiernach ist von einer tatsächlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase, die eine Entlastung in der Nacherwerbsphase rechtfertigt, immer dann auszugehen, wenn in der Erwerbsphase eine ‚Regelbesteuerung‘ ohne spezielle Vergünstigungen stattgefunden hat“1110. 1107 Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (904); zuvor schon Brall / Bruno-Latocha /  Lohmann, DRV 2003, 465 (481); dies., DRV 2004, 409 (431); auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 182 ff.; Karrenbrock, DStR 2018, 844 (849); G. Siepe, DStR 2020, 423 (426 ff.); ders., DStR 2019, 2568 (2570); Stützel, DStR 2010, 1545 (1551). Nicht ganz klar ist, ob Brall / Bruno-Latocha / Lohmann, Hopf, Ruland u. Siepe möglicherweise übersehen haben, dass der Vorwegabzug nach altem Recht (zum Vorwegabzug und den anderen Bestandteilen des Höchstbetrags, s. oben § 2 II. 1. b)) seit langer Zeit nicht nur für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, sondern auch für Beamte gekürzt wurde, s. nur Söhn, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. S 96, S 108, S 176, S 296 (September 2008). Karrenbrock u. Stützel unterscheiden hingegen ausdrücklich zwischen den Bestandteilen des Höchstbetrags und beziehen ihre Argumentation nur auf den Grundhöchstbetrag und den hälftigen Höchstbetrag. Stützel, DStR 2010, 1545 (1551) weist außerdem ausdrücklich darauf hin, dass „[d]er Vorwegabzug […] nur Selbständigen uneingeschränkt zur Verfügung [stand], während er bei Arbeitnehmern und Beamten um 16 % ihres Bruttolohns gekürzt wurde“. 1108 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 91). 1109 S. z. B. Brall / Bruno-Latocha / Lohmann, DRV  2003, 465 (481); dies., DRV  2004, 409 (431); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (904); G. Siepe, DStR 2020, 423 (426 ff.); ders., DStR 2019, 2568 (2570). 1110 BVerfGE 105, 73 (128 f.).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Neben der Annahme, dass die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung als gleichrangig anzusehen sind, hatte der Bundesfinanzhof zunächst offengelassen, „ob für Zwecke der erforderlichen Vergleichsrechnung die […] Höchstbeträge für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen auch durch Beiträge insbesondere zu Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu solchen privaten Krankenversicherungen, deren Leistungen über das Versorgungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, aufgezehrt werden“1111. In einem Urteil aus dem Jahr 2018 hat der Bundesfinanzhof dann erstmals über Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen entschieden. Diese seien als nachrangig zu den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung anzusehen.1112 In der Literatur ist die Auffassung des Bundesfinanzhofs teilweise auf Zustimmung gestoßen.1113 Begründet hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung im Anschluss an die Vorinstanz damit, dass es andernfalls (also bei Annahme einer Gleichrangigkeit) zu einer nicht gerechtfertigten1114 doppelten steuerlichen Begünstigung der kapitalbildenden Lebensversicherungen komme, nämlich durch die steuerliche Entlastung der Beiträge einerseits und die Besteuerung der Auszahlungen nur mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG andererseits.1115 Als weiteres Argument für die Nachrangigkeit der Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen wird genannt, dass diese Aufwendungen nicht der Sicherung des Existenzminimums dienten und daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht notwendigerweise steuerlich entlastet werden mussten.1116 Zudem habe auch keine gesetzliche Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zu kapitalbildenden Lebensversicherungen bestanden.1117 Schließlich werden auch Vereinfachungsgründe angeführt, „[d]enn die Betrachtung kann bei Außerachtlassung der sonstigen Vorsorgeaufwendungen regelmäßig auf die Sozialversicherungsbeiträge begrenzt werden, die auch für die entfernte Vergangenheit zumeist mit vertretbarem Aufwand feststellbar sein werden“1118.

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BFHE 254, 545 (Rz. 45); zuvor ebenso BFH BStBl. II 2009, 710 (720 f.), allerdings nur für „Beiträge zu Haftpflicht-, Unfall- und Lebensversicherungen“. 1112 BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 29 ff.); s. zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 4 u. Rz. 98); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 78). 1113 S. Dommermuth, FR 2020, 385 (395); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1114 S. dazu FG Baden-Württemberg EFG 2016, 572 (Rz. 56): „Diese Begünstigung ist mit den hinter dem AltEinkG stehenden Rechtsgedanken nicht vereinbar und im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG nicht gerechtfertigt“. 1115 BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 30) im Anschluss an FG Baden-Württemberg EFG 2016, 572 (Rz. 56); vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  342 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1116 FG  Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 82); s. nun auch BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 99). 1117 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 99). 1118 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 101).

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

203

Das Bundesverfassungsgericht scheint in einer neueren Entscheidung ebenso von der Nachrangigkeit von Beiträgen zu kapitalbildenden Lebensversicherung auszugehen, wenn es annimmt, dass die „steuerliche Entlastung [der Beiträge zu privaten Leibrentenversicherungen] von der vollständigen Steuerfreiheit (z. B. nach § 3 Nr. 62 Satz 2 Buchstabe a EStG) über einen teilweisen Sonderausgabenabzug bis zu einer vollständig fehlenden steuerlichen Berücksichtigung [reichte], weil die Sonderausgabenhöchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a. F. bereits anderweitig (z. B. durch Pflichtbeiträge) ausgeschöpft waren“1119. Eine sehr ähnliche Formulierung findet sich im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz,1120 was vermuten lässt, dass ebenso der Gesetzgeber des Alterseinkünftegesetzes die Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen für nachrangig hält. Zuletzt hat der Bundesfinanzhof im bereits mehrfach angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021 auch über „[a]lle anderen Vorsorgeaufwendungen“1121, insbesondere über „Beiträge zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen“1122, entschieden. Diese seien – aus denselben Gründen wie die Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen (insbesondere: keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur einkommensteuermindernden Berücksichtigung der nicht existenzsichernden Aufwendungen; Vereinfachungsgründe) – nur nachrangig zu berücksichtigen.1123 Damit hat sich der Bundesfinanzhof einer zuvor bereits in der Literatur und auch vom FG  Baden-Württemberg in der Vorinstanz vertretenen Argumentation angeschlossen.1124 In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wurde aber teilweise auch die Gleichrangigkeit sonstiger Vorsorgeaufwendungen befürwortet, weil sich Gegenteiliges weder aus dem Wortlaut des § 10 EStG a. F. noch aus dem Sinn und Zweck des Sonderausgabenabzugs herleiten lasse und weil andernfalls der gesetzlich vorgesehene Sonderausgabenabzug für diese Vorsorgeaufwendungen nachträglich rückgängig gemacht würde.1125 Stellungnahme: Im Ergebnis kann nur eine Gleichrangigkeit sämtlicher Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen) überzeugend begründet werden,1126 sodass der Höchstbetrag im Verhältnis der 1119

BVerfG FR 2016, 78 (Rz. 46) (Hervorhebung nur hier); vgl. auch BFH BStBl. II 2018, 62 (Rz. 31); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  342 (Dezember 2017). 1120 S. oben Fn. 1091. 1121 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 97). 1122 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 100). 1123 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 4 u. Rz. 87, 97, 100 f.). 1124 Für Beiträge zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen s. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 82); Förster, DStR 2009, 141 (145); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108); zustimmend auch Dommermuth, FR 2020, 439 (440). 1125 Für sämtliche anderen Beiträge, die als Vorsorgeaufwendungen abziehbar waren FG Baden-Württemberg EFG  2016, 572 (Rz. 55); für „Beiträge zu Unfall-, Haftpflicht-, Erwerbsund Berufsunfähigkeitsversicherungen sowie zu reinen Risiko-LV“ Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017). 1126 Ebenso bereits Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 216 f. (Mai 2017); zum Nachfolgenden s. auch Rügamer, FR 2020, 399 (406 f.).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

entrichteten Vorsorgeaufwendungen auf alle Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen ist. Die gegenteilige Auffassung des Bundesfinanzhofs ist abzulehnen: Die Frage, wie der Höchstbetrag zwischen den unterschiedlichen Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen ist, ist durch Auslegung zu beantworten.1127 Eine Rangfolge der Vorsorgeaufwendungen kann schon deshalb nicht durch Auslegung des § 10 EStG a. F. begründet werden, weil sich die Frage nach der Rangfolge der Vorsorgeaufwendungen nach altem Recht nicht stellte und für die Auslegung eine subjektiv-­historische Perspektive maßgeblich ist, d. h. Ziel der Auslegung ist es, eine Rechtsnorm grundsätzlich gemäß dem Willen des jeweiligen Normgebers auszulegen1128. Hinsichtlich einer Frage, die sich überhaupt nicht stellte, wird sich kein Wille des Normgebers (auch kein hypothetischer Wille) ermitteln lassen. Die Tatsache, dass sich die Frage nicht stellte, ist auch der Grund dafür, dass in der bisherigen Diskussion aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte keine Erkenntnisse für ihrer Beantwortung abgeleitet werden konnten.1129 Ein Rückgriff auf (objektiv-)teleologische Erwägungen (des Rechtsanwenders) kann hier nur zu beliebigen Ergebnissen führen.1130 Insbesondere spielt es keine Rolle, ob es in der Vergangenheit eine verfassungsrechtliche Verpflichtung gab, die Vorsorgeaufwendungen steuerlich zu entlasten.1131 Der damalige Gesetzgeber hat eindeutig sämtliche Vorsorgeaufwendungen dem Grunde nach als Sonderausgaben eingeordnet. Das kann nicht heute retrospektiv bezweifelt werden.1132 Ob der Umfang der steuerlichen Entlastung bestimmter (existenzsichernder) Vorsorgeaufwendungen in der Vergangenheit aus verfassungsrechtlicher Perspektive ausreichte, war eine Frage der Verfassungsmäßigkeit des damaligen Rechts, nicht eine Frage seiner Anwendung. Die zur Begründung der Nachrangigkeit von Beiträgen zu kapitalbildenden Lebensversicherungen vorgebrachte Argumentation, dass eine doppelte steuer 1127

Vgl. oben § 4 II. 1. S. oben § 4 II. 1. 1129 Vgl. BFH BStBl. II 2009, 710 (720): „ohne dass aus der Gesetzgebungsgeschichte oder der Normstruktur erkennbar wäre“; Hey, DRV 2004, 1 (11): „Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich keine Rangfolge entnehmen“; „Der gesetzgeberische Wille gibt ebenfalls keinen Hinweis auf ein bestimmtes Rangverhältnis“; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 216 (Mai 2017): „Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür“. 1130 Zu den Problemen der teleologischen Auslegung s. nur Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 357 ff. 1131 S. aber die Nachw. in Fn. 1096, Fn. 1101, Fn. 1105, Fn. 1116 u. Fn. 1124. 1132 Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  342 (Dezember 2017): „Ansonsten würde der gesetzlich vorgesehene SA-Abzug für diese Versicherungsarten nachträglich rückgängig gemacht“; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 217 (Mai 2017): „Bei der Zuordnung des Sonderausgabenabzugs zu den einzelnen Vorsorgeaufwendungen handelt es sich um eine Feststellung in der Vergangenheit liegender Tatsachen. Die Gesetzesauslegung hat die zu dieser Zeit geltenden Rechtsnormen zu beachten. Die Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg führt zu einer rückwirkenden Anwendung des Alterseinkünftegesetzes und verstößt damit gegen den Vorrang des Gesetzes. Es stellt die Entscheidung des früheren Gesetzgebers in Frage, Lebensversicherungen zu begünstigen“; ohne Begründung anders BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 88). 1128

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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liche Begünstigung kapitalbildender Lebensversicherungen zu vermeiden sei,1133 ist nicht schlüssig: Die Annahme, dass es zu einer steuerlichen Belastung der Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen komme (sodass im Ergebnis eine doppelte Begünstigung vermieden werde), wenn man diese als nachrangig ansieht, ist unzutreffend. Eine Veränderung der (damaligen) einkommensteuerlichen Belastung der Beiträge kann nicht nachträglich (durch Auslegung) herbeigeführt werden. Die behauptete Belastung existiert lediglich virtuell in der Argumentation.1134 Auch die vom Bundesfinanzhof für die Nachrangigkeit der sonstigen Vorsorgeaufwendungen angeführten Vereinfachungsgesichtspunkten1135 stellen keine überzeugende Begründung dar. Oben wurde bereits dargelegt, dass dieses Argument mehr oder weniger beliebig eingesetzt werden kann.1136 Die folgenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 105, 73 an der Stelle, auf die der Bundesfinanzhof bei der Begründung der Gleichrangigkeit der Sozialversicherungsbeiträge hinweist,1137 lassen vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 105, 73 eine gleichrangige Berücksichtigung sämtlicher Vorsorgeaufwendungen befürwortete:1138 „Schließlich ist zusätzlich zu beachten, dass die Entlastungsquote durch den Sonderausgabenabzug auch bei anteiliger Berücksichtigung sonstiger möglicher Vorsorgeaufwendungen sinkt, die nicht zu den Sozialversicherungsbeiträgen gehören, wie etwa Beiträge zur Kraftfahrzeug- oder zur privaten Haftpflichtversicherung“1139. Die teilweise als Beleg der Annahme, Rentenversicherungsbeiträge seien nachrangig gegenüber allen anderen Vorsorgeaufwendungen, angeführte Passage aus BVerfGE 105, 731140 kann im Kontext der Entscheidung richtigerweise nicht so verstanden werden. An dieser Stelle der Entscheidung setzt sich das Bundesverfassungsgericht lediglich mit Ausführungen aus einer älteren Entscheidung, konkret aus BVerfGE 54, 11, auseinander.1141 Es heißt dort: „Allerdings ist eine effektive steuerliche Belastung der Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung nur eingeschränkt festzustellen (vgl. oben A. I. 5. c) aa) im Zusammenhang mit Tabelle 5). Der Erste Senat (BVerfGE 54, 11 [32]) hat gleichwohl […]“1142. Schon hier ist erkennbar, dass das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 105, 73 gerade nicht davon ausgeht, dass die Arbeitnehmeranteile an den Rentenversicherungsbeiträge (wegen einer angeblichen Nachrangigkeit gegenüber allen anderen Vorsorgeauf 1133

S. die Nachw. in Fn. 1115. Rügamer, FR 2020, 399 (406 f.). 1135 S. BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 101); oben Fn. 1118 u. Fn. 1123. 1136 S. oben unter § 4 III. 2. nach Fn. 1070. 1137 S. oben Fn. 1094. 1138 Auf die folgende Passage aus BVerfGE 105, 73 weisen in diesem Zusammenhang auch Werns­ mann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 216 (Mai 2017) hin. 1139 BVerfGE 105, 73 (98). 1140 S. soeben oben im Text bei Fn. 1109. 1141 S. BVerfGE 105, 73 (128 f.) unter a). 1142 BVerfGE 105, 73 (129) (Hervorhebung nur hier). 1134

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

wendungen beim Sonderausgabenabzug) vollständig aus versteuertem Einkommen entrichtet wurden. Besonders deutlich wird das außerdem an der vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Stelle in BVerfGE 105, 73 („A. I. 5. c) aa) im Zusammenhang mit Tabelle 5“), die oben bereits wiedergegeben wurde.1143

II. Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug zwischen zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern Ob doppelte Besteuerung vorliegt, ist jeweils für einen Steuerpflichtigen zu prüfen. Auch bei zusammenveranlagten Ehegatten und Lebenspartnern1144 muss eine getrennte Prüfung stattfinden.1145 Weil zusammenveranlagte Personen gemäß § 26b, § 2 Abs. 4 EStG beim Sonderausgabenabzug gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden, stellt sich im Rahmen der Bestimmung der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge die Frage, wie bei Überschreiten des (verdoppelten) Höchstbetrags1146 für den Sonderausgabenabzug der dann aus versteuertem Einkommen entrichtete Betrag zwischen den zusammenveranlagten Personen aufzuteilen ist, wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner Rentenversicherungsbeiträge oder andere Vorsorgeaufwendungen entrichtet haben1147. Üblicherweise ist, womit in der Sache dasselbe gemeint ist, von der Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug die Rede.1148 Die Frage stellt sich mit Blick sowohl auf die Zeit vor als auch die Zeit nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes.1149 1143

S. oben im Text bei Fn. 1095. S. § 2 Abs. 8 EStG. 1145 Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22  Rn.  B  218 (Mai 2017). 1146 Zum Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug s. oben § 2 II. 1. b). Wenn der Höchstbetrag nicht überschritten ist, dann sind sämtliche selbst getragenen Rentenversicherungsbeiträge beider Ehegatten bzw. Lebenspartner vollumfänglich als Sonderausgaben abziehbar, d. h. die Summe der im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge erhöht sich nicht, s. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof /  Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 218 (Mai 2017). 1147 Wenn nur ein Ehegatte bzw. Lebenspartner Rentenversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen entrichtet hat, dann ist der aus versteuertem Einkommen entrichtete Betrag vollständig dieser Person zuzuordnen, s. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 218 (Mai 2017). 1148 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 45); Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850); Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz /  Pust, EStG, § 22 Rn. 153 (November 2020); Schuster, DStR  2018, 2106 (2108); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 218 (Mai 2017). 1149 Vgl. FG  Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 90, 96); BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 102 f., 105); nur mit Blick auf die Zeit vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes wird die Frage hingegen angesprochen bei Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 153 (November 2020); Schuster, DStR  2018, 2106 (2108); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn.  B 218 (Mai 2017). 1144

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

207

Der Bundesfinanzhof hatte die Frage zunächst offengelassen.1150 In der Literatur wird mehrheitlich vertreten, dass der Höchstbetrag hälftig auf die Ehegatten bzw. Lebenspartner aufzuteilen sei.1151 Teilweise wird hinzugefügt, dass ein nicht ausgeschöpfter Rest des halben Höchstbetrags des einen Ehegatten bzw. Lebenspartners dem anderen Ehegatten bzw. Lebenspartner zuzuordnen sei.1152 Als Argument werden der Grundsatz der Individualbesteuerung1153, Vereinfachungsgründe1154 sowie die Tatsache angeführt, dass der Gesetzgeber für den Fall der Zusammenveranlagung gerade eine Verdopplung der Höchstbeträge vorgesehen hat1155. Die vorgenannte Literaturauffassung ist abzulehnen. Mit dem FG Baden-Württemberg ist vielmehr davon auszugehen, dass der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug zwischen zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern im Verhältnis der von ihnen jeweils als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen ist.1156 Dabei spielt es keine Rolle, wenn in der Zeit vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes der gemeinsame verdoppelte Vorwegabzug bei Ehegatten überschießend gekürzt wurde1157.1158 Der Auffassung des FG Baden-Württemberg hat sich im Urteil aus dem Jahr 2021 nun auch der Bundesfinanzhof angeschlossen.1159 Die Frage, wie der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug zwischen zusammenveranlagten Ehegatten aufzuteilen ist, ist richtigerweise durch Auslegung der zum Zeitpunkt des Sonderausgabenabzugs maßgeblichen Rechtsnormen zu beantworten. Die Regelung des § 26b EStG zeigt bereits seit Einführung der heutigen Ehegattenbesteuerung im Jahr 19581160, dass zusammenveranlagte Ehegatten (heute: auch Lebenspartner) nach der Bildung der Summe der Einkünfte auf der Ebene des § 2 Abs. 3 EStG und damit auch beim Sonderausgabenabzug auf der Ebene des § 2 Abs. 4 EStG als Einheit behandelt werden. Damit geht notwendigerweise die Gleichheit der Ehegatten bzw. Lebenspartner einher. Die Gleichheit der Ehegatten bzw. Lebenspartner wird nur verwirklicht, wenn man den (verdoppel 1150 S. BFHE 254, 545 (Rz. 45), wo der BFH offengelassen hat, „wie der Vorwegabzug in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten zuzuordnen ist“. 1151 S. Karrenbrock, DStR  2018, 844 (850); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG /  KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108); Wernsmann /  Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 218 (Mai 2017). 1152 S. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 218 (Mai 2017). 1153 S. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1154 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10  EStG Rn.  342 (Dezember 2017); Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1155 S. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850). 1156 S. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 90 f., 96), das eine hälftige Aufteilung ausdrücklich ablehnt; der Auffassung des FG Baden-Württemberg stimmen zu Dommermuth, FR 2020, 439 (440); Rügamer, FR 2020, 399 (407). 1157 Zur überschießenden Kürzung des Vorwegabzugs s. oben § 2 II. 1. b). 1158 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 93). 1159 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 4 u. Rz. 87, 102 f.). 1160 S. Art. 1 Nr. 22 G. v. 18. 7. 1958, BGBl. I 1958, S. 473.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

ten) Höchstbetrag im prozentualen Verhältnis der von den Ehegatten bzw. Lebenspartnern jeweils geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen aufteilt. Die Ehegatten bzw. Lebenspartner unterscheiden sich insoweit als (zumeist) unterschiedlich hohe Vorsorgeaufwendungen geleistet und als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Diese Unterschiedlichkeit muss zur Verwirklichung der Gleichheit der Ehegatten bzw. Lebenspartner nachvollzogen werden. Eine hälftige Aufteilung ist also in der Regel1161 eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.1162

III. Veranlagungszeiträume mit Steuerfestsetzung auf 0 DM bzw. 0 Euro Der Bundesfinanzhof hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2016 die Frage aufgeworfen, „ob in Veranlagungszeiträumen, in denen die Einkommensteuer tatsächlich auf 0 DM/€ festgesetzt worden ist, überhaupt davon die Rede sein kann, ein Teil der Altersvorsorgeaufwendungen sei aus versteuertem Einkommen geleistet worden“1163. Im schon mehrfach erwähnten Urteil aus dem Jahr 2021 hat der Bundesfinanzhof nun entschieden, dass „nicht danach differenziert [werden dürfe], ob die Einkommensteuer im jeweiligen Veranlagungszeitraum 0 DM/€ betragen hat“1164, weil „der Senat im Rahmen der vorzunehmenden Vergleichsrechnung niemals auf den durch den Sonderausgabenabzug vermiedenen Einkommensteuerbetrag, sondern stets nur auf die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgestellt hat“1165, und weil „der Verzicht auf diese Differenzierung eine weitere Verkomplizierung der Vergleichsrechnung“1166 verhindert. In der Literatur ist umstritten, wie Rentenversicherungsbeiträge, die in Veranlagungszeiträumen mit einer Steuerfestsetzung auf 0 DM bzw. 0 Euro entrichtet wurden, im Rahmen der Definition der doppelten Besteuerung zu bewerten sind. Teilweise wird angenommen, dass Rentenversicherungsbeiträge aus solchen Veranlagungszeiträumen „außer Ansatz bleiben, unterlagen sie doch niemals der Besteuerung“1167. Teilweise wird ausgeführt, dass „[e]ine auf die konkrete StFestsetzung abstellende Betrachtung […] zwar exakter“ wäre, dass es aber aus

1161 Freilich ist eine hälftige Aufteilung zutreffend, wenn beide Ehegatten gleich hohe Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht haben. 1162 S. Rügamer, FR 2020, 399 (407); zustimmend Dommermuth, FR 2020, 439 (440). 1163 BFHE 254, 545 (Rz. 45); zuvor bereits Schuster, BetrAV 2016, 475 (479). 1164 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 110); ebenso bereits BFH / NV 2013, 375 (Rz. 15), wo der BFH mit Blick auf das Vorbringen des Klägers, „es komme bei der Überprüfung der Doppelbesteuerung nicht auf die Beiträge und Renten an, sondern auf die Summe der jeweils darauf entrichteten Steuern“, darauf hinweist, dass sich „[d]ie Doppelbesteuerung […] auf das Steuersubstrat [bezieht]; die tatsächlich entrichteten Steuern sind Folge der Besteuerung“. 1165 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 111). 1166 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 111). 1167 Schuster, DStR 2018, 2106 (2108).

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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Praktikabilitätsgründen vertretbar erscheine, „bei einer abstrakten Betrachtung des als SA abziehbaren Betrags zu bleiben, nicht aber auf die konkrete estl. Auswirkung abzustellen“1168. Ebenso findet sich die Auffassung, dass es bereits theoretisch, also nicht erst aus Praktikabilitätsgründen, auf die Summe der Rentenversicherungsbeiträge ankomme, die in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird, nicht hingegen auf die tarifliche Belastung.1169 Davon ging in der Vorinstanz zum oben angesprochenen Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2021 auch das FG Baden-Württemberg aus.1170 Begründet wird dies damit, dass die Null-Festsetzung sich erst aufgrund von Abzugsbeträgen ergebe, die bei der Berechnung der doppelten Besteuerung unberücksichtigt bleiben müssten (Grundfreibetrag etc.1171).1172 Argumentiert wird außerdem, dass „Gegenstand der […] nachgelagerten Besteuerung […] nicht die Nachverlagerung von Steuerzahlungen, sondern die Nachverlagerung der steuerlichen Erfassung von Bemessungsgrundlagenkomponenten [ist]“1173. Der zuletzt genannten Auffassung ist im Ergebnis zuzustimmen: Auch bei einer Steuerfestsetzung auf 0 Euro bzw. 0 DM wurden Rentenversicherungsbeiträge im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichtet, wenn sie nicht als Sonderausgaben abgezogen wurden oder gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren. Das hat nichts mit Vereinfachungs- oder Praktikabilitätserwägungen zu tun. Vielmehr erklärt sich das mit Blick auf die Vorgaben des Grundgesetzes. Das verfassungsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot gibt in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers vor, dass bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung diejenigen intertemporal transferierten Einkommensbestandteile, die bereits bei der Entrichtung der Renten­ versicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen wurden, nicht ein weiteres Mal in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden dürfen; andernfalls kommt es zu doppelter Besteuerung.1174 Dass es vorliegend alleine darauf ankommt, in welchem Umfang die Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden (nicht aber auf die tarifliche Belastung), ergibt sich also letztlich daraus, dass die Normen des EStG, die die hier maßgebliche Belastungsgrundentscheidung des einfachen

1168

Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 342 (Dezember 2017); zustimmend Dommermuth, FR 2020, 439 (440 mit Fn. 20); kritisch hinsichtlich des Abstellens auf Praktikabilitätsgesichtspunkte Schuster, DStR 2018, 2106 (2109). 1169 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 227 (Mai 2017). 1170 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 88). 1171 Vgl. mit Blick auf die Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ oben § 4 II. 1172 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 88); zustimmend Rügamer, FR 2020, 399 (405 f.). 1173 Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850). 1174 S. ausführlich oben § 1 I. 2.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Gesetzgebers zum Ausdruck bringen, die (Nicht-)Einbeziehung von Einkommensbestandteilen in die Bemessungsgrundlage betreffen.1175

IV. Herausrechnen von Rentenversicherungsbeiträgen, die kalkulatorisch nicht auf die Finanzierung von an das Alter anknüpfenden Leistungen entfallen Oben wurde bereits erörtert, dass die gesetzliche Rentenversicherung eine Doppelfunktion hat.1176 Sie dient zum einen der Absicherung gegen die „echten“ Risiken Erwerbsminderung und Tod und ist insoweit eine „echte“ (Risiko-)Versicherung. Zum anderen dient sie dem Sparen für das Alter und ist insoweit gerade keine „echte“ (Risiko-)Versicherung. Die Rentenversicherungsbeiträge kann man bei wirtschaftlicher Betrachtung dementsprechend in einen Sparanteil, einen Risikoanteil und außerdem einen Anteil, der der Finanzierung von Verwaltungskosten der gesetzlichen Rentenversicherung dient, aufspalten. Nur der Sparanteil wird angespart und damit intertemporal transferiert. Der Risikoanteil dient der Finanzierung des Versicherungsschutzes gegen die „echten“ Risiken der Erwerbsminderung und des Todes für den aktuell laufenden Versicherungszeitraum und ist mit Ablauf des Versicherungszeitraums als verbraucht anzusehen. Als Auszahlung der intertemporal transferierten Sparanteile der Rentenversicherungsbeiträge stellen sich nur diejenigen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar, die an das Alter des Versicherten anknüpfen, konkret die Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI1177 (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI1178) sowie die in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI1179. Richtigerweise können nach den Vorgaben des Grundgesetzes nur diese Leistungen überhaupt von verfassungswidriger doppelter Besteuerung betroffen sein, weil doppelte Besteuerung gerade dann vorliegt, wenn intertemporal transferierte Einkommensbestandteile mehrmals (doppelt) zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden.1180 Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum der Bundesfinanzhof mit Blick auf die Definition der doppelten Besteuerung in einem Urteil aus dem Jahr 2016 die Frage gestellt hat, „ob aus dem geleisteten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung solche Anteile herauszurechnen sind, die kalkulatorisch nicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf Altersrente entfallen“1181. In der Literatur wird 1175 Zu den Normen, die die hier maßgebliche Belastungsgrundentscheidung zum Ausdruck bringen, s. oben § 1 I. 2. b) u. c). 1176 Zum Folgenden s. oben § 4 I. 2. 1177 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. a). 1178 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. b). 1179 Zu diesen s. oben § 2 I. 1. b). 1180 S. oben § 1 I. 2. 1181 BFHE 254, 545 (Rz. 45); zuvor bereits Schuster, BetrAV 2016, 475 (478 f.).

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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diese Frage vereinzelt als „[d]er gewichtigste aller offenen Punkte bei der Prüfung einer möglichen doppelten Besteuerung“ bezeichnet.1182 Ob bestimmte Anteile der Rentenversicherungsbeiträge bei der Definition der doppelten Besteuerung herauszurechnen sind, ist umstritten.1183 Der Bundesfinanzhof hat sich vor Kurzem in einem Urteil aus dem Jahr 2021 gegen das Herausrechnen von Beitragsanteilen ausgesprochen.1184 Soweit ein Herausrechnen von Beitragsanteilen befürwortet wird, wird diese Forderung teilweise auf solche Beiträge beschränkt, die der Finanzierung von „Zusatzleistungen der Rentenversicherung [dienen], die nicht zu steuerpflichtigen Einkünften des Versicherten führen“1185. 1. Notwendigkeit des Herausrechnens bestimmter Beitragsanteile dem Grunde nach Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für das Herausrechnen von Beitragsanteilen. Richtigerweise sind die Beitragsanteile herauszurechnen, die nicht Sparanteile sind, also diejenigen Beitragsanteile, die kalkulatorisch nicht der Finanzierung der an das Alter anknüpfenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, d. h. der Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI) sowie der in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI. Dem Grunde nach ergibt sich die Notwendigkeit des Herausrechnens dieser Beitragsanteile schlicht daraus, dass die Rentenversicherungsbeiträge – entgegen der nun vom Bundesfinanzhof im angesprochenen Urteil aus dem Jahr 2021 vertretenen Auffassung – nur teilweise (bei wirtschaftlicher Betrachtung) angespart und damit intertemporal transferiert werden.1186 Nur intertemporal transferiertes Einkommen kann doppelter Besteuerung unterliegen.1187 Rechnet man diese Bei 1182

S. Schuster, jM 2017, 119 (120 f.). Gegen das Herausrechnen FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 84 ff.); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017); für das Herausrechnen Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850); Schuster, BetrAV 2016, 475 (478 f.); dies., jM  2017, 119 (121); dies., DStR  2018, 2106 (2107 f., 2110); auch Rügamer, FR  2020, 399 (407 f.); im Anschluss außerdem Dommermuth, FR 2020, 385 (393 mit Fn. 69) u. ders., FR 2020, 439 (440 mit Fn. 17), der aber kurz zuvor in Dommermuth, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29. 1. 2020, Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72, Anlage 4, S. 17 noch die gegenteilige Auffassung vertreten hat. 1184 BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 4 u. Rz. 44 ff., 84, 106 ff.). 1185 Schuster, DStR 2018, 2106 (2108). 1186 Vgl. Rügamer, FR  2020, 399 (407) u. oben § 4 I. 2., wo auch auf die nun von BFH DStR 2021, 1291 vertretene Auffassung eingegangen wird. Auch das FG Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 84), das ein Herausrechnen von Beitragsanteilen im Ergebnis ablehnt, meint: „Hieraus wird in der Literatur nachvollziehbar geschlossen, dass eine entsprechende Kürzung der in die Berechnung einzubeziehenden Rentenbeiträge in dem Umfang vorzunehmen sei, in dem die Beiträge für andere Leistungen als Altersrenten verwendet werden“. 1187 S. soeben oben im Text. 1183

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

tragsanteile bei der Definition der doppelten Besteuerung nicht heraus, bewertet man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zwangsläufig ungenau.1188 Nachvollziehbar wird dieser Aspekt auch dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Steuerpflichtige sich ohne den von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährten Versicherungsschutz anderweitig gegen die „echten“ Risiken der Erwerbsminderung und des Todes versichern müsste (oder zumindest typischerweise versichern würde), was Kosten und damit eine Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verursachen würde.1189 2. Bestimmung der Höhe der herauszurechnenden Beitragsanteile unter Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger Als schwierig erweist sich die Beantwortung der Frage, wie der herauszurechnende Beitragsanteil der Höhe nach zu bestimmen ist, weil eine entsprechende versicherungsmathematische Kalkulation in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht existiert.1190 Allerdings ist  – entgegen der wohl vom Bundesfinanzhof im Urteil aus dem Jahr 2021 vertretenen Auffassung – die Beantwortung der Frage gemessen an ihrer Bedeutung (dazu sogleich) keineswegs so komplex, dass auf das Herausrechnen der entsprechenden Beitragsanteile aus Vereinfachungsgründen verzichtet werden könnte.1191 Sinnvollerweise sollte, wie es bereits in der Literatur vorgeschlagen1192, aber vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil aus dem Jahr 2021 abgelehnt wurde1193, von dem prozentualen Anteil der Ausgaben der Rentenversicherungsträger für Altersrenten etc.1194 an den Gesamtausgaben eines Jahres auf 1188

Vgl. oben § 4 I. 2. Vgl. Karrenbrock, DStR 2018, 844 (850). 1190 FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 85); BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 107): „Auf die entsprechende Anfrage des FG hat die DRV Bund im Klageverfahren ausgeführt, es sei nicht möglich, den Anteil der Beitragsleistungen, der nicht in die Finanzierung der Altersrenten fließe, eindeutig anzugeben“. 1191 So aber tendenziell BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 109): „Nicht zuletzt sprechen für die Nichteinbeziehung der kalkulatorischen Anteile praktische Erwägungen und Vereinfachungsgesichtspunkte“. Die Argumentation mit Vereinfachungsgesichtspunkten ist im vorliegenden Zusammenhang ohnehin problematisch, weil sie mehr oder weniger beliebig eingesetzt werden kann, s. oben unter § 4 III. 2. nach Fn. 1070. 1192 S. Schuster, BetrAV 2016, 475 (479): „Ein Ansatz wäre das Verhältnis der gesamten Zahlungen der Rentenversicherung für Altersrenten zu den Aufwendungen für alle sonstigen von ihr erbrachten Leistungen. Doch auch dann muss noch entschieden werden, ob man für alle Beitragsjahre einen einheitlichen Prozentsatz bestimmt oder der Wert für jedes Beitragsjahr neu berechnet wird“. 1193 BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 107 f.); ebenso in der Vorinstanz FG  Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 84 ff.). 1194 Angesprochen sind die Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI) sowie die in Verbindung mit einer Rente wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI. 1189

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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den individuellen prozentualen Anteil des Sparanteils an den gesamten Rentenversicherungsbeiträgen eines Versicherten für dasselbe Jahr geschlossen werden. Ein ähnlicher Gedanke „in die andere Richtung“, also ein Schluss vom Verhältnis der Einnahmen der Rentenversicherungsträger auf die Zusammensetzung einer konkreten Leistung, wird auch in BVerfGE 105, 73 sowie in der Literatur angedeutet.1195 Im Ergebnis ergibt sich aus der hier vertretenen Auffassung, dass z. B. im Jahr 1960 der Sparanteil der Rentenversicherungsbeiträge bei 44,1 Prozent lag, sodass die in diesem Jahr aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge1196 bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung gegeben ist, um 55,9 Prozent zu kürzen sind;1197 im Jahr 1991 entrichtete Rentenversicherungsbeiträge sind um 46,9 Prozent und im Jahr 2005 entrichtete um 28,3 Prozent zu kürzen.1198 Dies mag im Ergebnis kein versicherungsmathematisch exaktes Ergebnis liefern, jedoch ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung auch eine nur näherungsweise Bestimmung des Sparanteils bzw. des herauszurechnenden Beitragsanteils zulässig.1199 1195

Vgl. BVerfGE 105, 73 (90): „Nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG wird für den ‚typischen‘ Renteneintritt eines 65-Jährigen angenommen, dass bei diesem 73 v.H. der laufenden Rente die Rückzahlung geleisteter Beiträge ausmachten. Dieser Kapitalrückfluss wird unterstellt, obwohl die Rentenzahlungen nicht allein auf eigene Beiträge, sondern nicht unerheblich auf den Arbeitgeberanteil und auf den Bundeszuschuss zurückzuführen sind. Allein der Bundeszuschuss machte im Jahr 1996 in den alten Ländern 20,2 v.H. und in den neuen Ländern 24,6 v.H. der Gesamteinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aus, im Jahr 1998 (bezogen auf die alten und neuen Länder) 24,1 v.H. und im Jahr 1999 23,5 v.H.“; aus der Literatur vgl. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 233 (Mai 2017). 1196 Sinnvoll erscheint es, zunächst die Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge eines Jahres zu bestimmen und anschließend eine Kürzung dieser Summe vorzunehmen: Es macht zum einen wegen der prozentualen Kürzung keinen Unterschied, ob man vor oder nach der Aufteilung der Rentenversicherungsbeiträge in solche, die aus versteuertem Einkommen und solche die aus unversteuertem Einkommen entrichtet wurden, kürzt; die zweite Alternative ist aber rechnerisch einfacher. Zum anderen wird so unterstellt, dass sämtliche Beitragsanteile (Sparanteil, Risikoanteil, Verwaltungskostenanteil) in gleichem Maße sowohl aus versteuertem als auch aus unversteuertem Einkommen entrichtet werden, was sinnvoll erscheint. 1197 Dieser Prozentwert errechnet sich folgendermaßen: Im Jahr 1960 lagen die Gesamt­ ausgaben der Rentenversicherung (Alte Bundesländer) bei 10.024 Mio. Euro (umgerechnet). Auf Altersrenten entfielen 4.072 Mio. Euro. Auf die KVdR entfielen 727 Mio. Euro, davon sind aber nur die Ausgaben im Zusammenhang mit Altersrenten zu berücksichtigen (348 Mio. Euro), die sich ergeben, wenn man das Verhältnis zwischen den Ausgaben für Altersrenten (4.072 Mio. Euro) und den gesamten Rentenausgaben (8.506 Mio. Euro) auf die KVdR-Ausgaben überträgt. Demnach ergeben sich Ausgaben i. H. v. 4.420 Mio. Euro für an das Alter anknüpfende Leistungen (nicht berücksichtigt werden Steigerungsbeträge n. § 269 SGB VI, weil zu diesen keine Zahlen vorliegen). Diese machen 44,10 Prozent der Gesamtausgaben aus. Zu den Zahlenwerten s. Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd. 22, Oktober 2020, S. 239, 241. 1198 Vgl. die Erläuterung der Berechnung soeben in Fn. 1197. 1199 Weil das Herausrechnen von Beitragsanteilen dazu führt, dass „rechnerisch“ erst später doppelte Besteuerung vorliegt, sodass sich das Herausrechnen von Beitragsanteilen zulasten des Steuerpflichtigen auswirkt, könnte man erwägen, ob an dieser Stelle zugunsten des Steuerpflichtigen ein „Sicherheitsabschlag“ bei den Kürzungssätzen vorzusehen ist. Dazu, dass das „rechnerische“ Vorliegen doppelter Besteuerung für den Steuerpflichtigen vorteilhaft ist, s. oben § 4 II. 6.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

a) Argumente für die Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger Für das Abstellen auf das Ausgabenverhältnis der Rentenversicherungsträger spricht zunächst die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung im Umlageverfahren, weil das Umlageverfahren ausweislich des § 153 Abs. 1 SGB  VI gerade eine auf ein Kalenderjahr bezogene Verknüpfung zwischen den Ausgaben der Rentenversicherungsträger und deren Einnahmen herstellt,1200 zu denen gemäß § 153 Abs. 2 SGB VI insbesondere die Rentenversicherungsbeiträge gehören. Dafür, dass von den Verhältnissen auf der globalen Ebene der Rentenversicherungsträger auf die individuellen Verhältnisse eines Versicherten geschlossen werden kann (angedeutet wird dies auch in BVerfGE 105, 731201),1202 lässt sich argumentieren, dass so im Rahmen der vorliegenden wertungsmäßigen Betrachtung alle Versicherten in Abhängigkeit von der Höhe ihres Einkommens gleichmäßig an der Finanzierung sämtlicher Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung beteiligt werden, was eine logische Fortsetzung der in den §§ 157 ff. SGB VI vorgesehenen Bemessung der Höhe der Rentenversicherungsbeiträge nach der Höhe der Einkommen der Versicherten darstellt. Es lässt sich dem Gesetz jedenfalls an keiner Stelle die Wertung entnehmen, dass die einzelnen Versicherten in einem anderen Verhältnis an der Finanzierung der einzelnen Ausgaben beteiligt werden, etwa an den Verwaltungskosten mit einer für alle Versicherten gleich hohen Kopfpauschale, an den Kosten für die „echten“ Risikoabsicherungsleistungen bei Erwerbsminderung oder Tod in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen individuellen Risiko (Geschlecht, Alter, Vorerkrankungen etc.) und nur an den an das Alter anknüpfenden Leistungen in Abhängigkeit von der Höhe ihres Einkommens. Auch hat der Versicherte keinen Einfluss darauf, für welche Leistungen seine Rentenversicherungsbeiträge verwendet werden, sodass er nicht etwa im Einzelfall ein abweichendes Finanzierungsverhältnis bestimmen könnte.1203 Vor dem Hintergrund des vorstehend Gesagten erscheint es nicht als Problem, dass „von der Mittelverwendung durch die DRV in der Beitragsphase ein[…] Zurechnungszusammenhang zum Anspruchs 1200 Dass sich die Verknüpfung auf ein Kalenderjahr bezieht, verkennt anscheinend BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 108): „Hinzu kommen die Gesichtspunkte, die das FG in überzeugender Weise aus dem Charakter der gesetzlichen Rentenversicherung als umlagefinanziertem System abgeleitet hat. Danach kann von derjenigen Mittelverwendung, die für den Zeitpunkt der jeweiligen Beitragsleistung noch feststellbar sein mag, kein Zurechnungszusammenhang zu den – erst viel später anfallenden – Altersbezügen des einzelnen Rentners hergestellt werden“ (Hervorhebung nur hier). 1201 S. soeben oben Fn. 1195. 1202 Insoweit wohl kritisch FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 85): „Anschließend müsste unterstellt werden, dass in diesem Verhältnis die Beitragsanteile dem Erwerb von Ansprüchen auf die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Leistungen dienten“ (Hervorhebung nur hier). 1203 Das FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 85) weist darauf hin, dass der Versicherte „keinen Einfluss darauf hat, für welche Leistungen seine Beiträge verwendet werden“, es sieht darin aber wohl ein Argument gegen die hier vertretene Auffassung.

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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erwerb, der sich erst in der Leistungsbezugsphase realisiert“, hergeleitet wird,1204 zumal auch nach § 63 Abs. 1 SGB  VI die Höhe zumindest aller Renten (in der „Leistungsbezugsphase“) im Grundsatz vor allem vom Umfang der (in der „Beitragsphase“) entrichteten Beiträge abhängt. Dass sich der Anteil der Ausgaben für Altersrenten (und die übrigen an das Alter anknüpfenden Leistungen) an den Gesamtausgaben der Rentenversicherungsträger in der Vergangenheit von Jahr zu Jahr erhöht hat,1205 spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung.1206 Der Grund dafür liegt schlicht in der demographischen Alterung. Wertungsmäßig erscheint es überzeugend, dass bei den einzelnen Versicherten mit im Laufe der Zeit steigender Lebenserwartung auch der Sparanteil der Rentenversicherungsbeiträge ansteigt. Auch die Tatsache, dass es im Vergleich von Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherungsträger stets entweder Fehlbeträge oder Überschüsse gibt,1207 ist kein überzeugendes Argument gegen die hier vertretene Auffassung.1208 Zum einen werden Fehlbeträge nach § 153 Abs. 1 SGB VI aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt, die gemäß § 216 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aus Überschüssen angespart wird, sodass das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben bei einer Betrachtung über einen längeren Zeitraum eben doch ausgeglichen ist; bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, wird gerade ein längerer Zeitraum betrachtet, sodass sich etwaige Ungenauigkeiten in die eine oder die andere Richtung gewissermaßen aufheben. Zum anderen ist der Umfang der Fehlbeträge und Überschüsse im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der Rentenversicherungsträger zumeist gering, sodass dies bei einer nur näherungsweisen Bestimmung des Sparanteils bzw. des herauszurechnenden Beitragsanteils außer Acht bleiben kann. Die hier vertretene Auffassung hat zur Konsequenz, dass im Rahmen der wertenden Betrachtung alle Versicherten in Abhängigkeit von der Höhe ihres Einkommens gleichmäßig an der Finanzierung auch der Verwaltungskosten der Rentenversiche 1204 Als problematisch erscheint dies aber dem FG  Baden-Württemberg EFG  2020, 116 (Rz. 86); ebenso BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 108): „Danach kann von derjenigen Mittelverwendung, die für den Zeitpunkt der jeweiligen Beitragsleistung noch feststellbar sein mag, kein Zurechnungszusammenhang zu den – erst viel später anfallenden – Altersbezügen des einzelnen Rentners hergestellt werden“. 1205 Vgl. Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd. 22, Oktober 2020, S. 239, 241 f. 1206 Anders wohl FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 86); anders wohl auch BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 108): „Danach kann von derjenigen Mittelverwendung, die für den Zeitpunkt der jeweiligen Beitragsleistung noch feststellbar sein mag, kein Zurechnungszusammenhang zu den  – erst viel später anfallenden  – Altersbezügen des einzelnen Rentners hergestellt werden. Welche Anteile der Beiträge und sonstigen Einnahmen der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils für welche Leistungen verwendet wurden bzw. werden, ist – wie bereits das FG ausgeführt hat – entscheidend von den sich im Zeitablauf ändernden Vorgaben des Gesetzgebers sowie den demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig“. 1207 Vgl. Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd. 22, Oktober 2020, S. 239. 1208 Anders wohl FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 86).

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

rungsträger beteiligt werden, was sinnvoll erscheint.1209 Der Verwaltungskostenanteil der Rentenversicherungsbeiträge wird nicht angespart und muss deshalb bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, herausgerechnet werden. b) Problem: Berücksichtigung der Bundeszuschüsse Problematisch ist im vorstehend behandelten Kontext schließlich die Berücksichtigung der Bundeszuschüsse. Anders als der Bundesfinanzhof dies nun in seinem Urteil aus dem Jahr 2021 vertritt, ergibt sich daraus aber – wie im Folgenden dargelegt wird – kein zwingendes Argument gegen das Herausrechnen bestimmter Beitragsanteile.1210 Neben den von Versicherten und etwaigen Arbeitgebern entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen stellen die Bundeszuschüsse nach § 153 Abs. 2 SGB VI eine weitere Einnahmenquelle der gesetzlichen Rentenversicherung von nicht unerheblichem Umfang dar, z. B. machten die Bundeszuschüsse im Jahr 1960 25,4 Prozent, im Jahr 1991 18,5 Prozent und im Jahr 2005 26,6 Prozent der Gesamteinnahmen aus.1211 Die hier entscheidende Frage lautet: Sind die Bundeszuschüsse bestimmten Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger (für bestimmte Leistungen oder für die Verwaltungskosten) zuzuordnen oder dienen sie der Finanzierung sämtlicher Ausgaben? Im Folgenden wird erläutert, dass Letzteres zutrifft. Wäre Ersteres der Fall, dann könnte nicht, wie es vorliegend vertreten wird, ohne Weiteres vom prozentualen Anteil der Ausgaben der Rentenversicherungsträger für Altersrenten etc. an den Gesamtausgaben eines Jahres auf den individuellen prozentualen Anteil des Sparanteils an den gesamten Rentenversicherungsbeiträgen eines Versicherten für dasselbe Jahr geschlossen werden. Vielmehr müsste dann die Zuordnung der Bundeszuschüsse zu bestimmten Leistungen zusätzlich durch Abschläge oder Zuschläge berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht scheint in BVerfGE 105, 73 davon auszugehen, dass zumindest in allen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anteil enthalten ist, dessen Finanzierung aus den Bundeszuschüssen erfolgt.1212 In der Li 1209

S. soeben oben im Text; zur Bedeutung des Art. 104a Abs. 5 GG in diesem Zusammenhang s. oben Fn. 793. Nicht ganz klar ist, was das FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 86) meint, wenn es im Kontext seiner Kritik an der hier vertretenen Auffassung ausführt: „Weiter ist zu bedenken, dass etwa die Verwaltungskosten anteilig auf die verschiedenen Rentenarten aufgeteilt werden müssten“. 1210 Vgl. aber BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 107): „Allerdings erhalten diese Träger nicht nur Beitragseinnahmen, sondern in erheblichem – und im Zeitablauf sehr unterschiedlichem – Umfang auch Bundeszuschüsse […]. Die Zuordnung insbesondere der pauschal bemessenen Bundeszuschüsse zu den einzelnen Ausgabenpositionen erscheint dem Senat aber nicht mit hinreichender Eindeutigkeit möglich“. 1211 Vgl. Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd. 22, Oktober 2020, S. 238. 1212 Vgl. BVerfGE 105, 73 (127): „Mit Blick auf das Leitbild der Ertragsanteilsbesteuerung sind bei den Rentenbezügen drei verschiedene Finanzierungsanteile zu unterscheiden: die Beiträge der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber und der Bundeszuschuss“.

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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teratur wird das teilweise ebenso beurteilt,1213 teilweise wird aber auch Kritik geübt: Die Annahme übersehe „die Funktion des Bundeszuschusses […], nicht beitragsgedeckte (‚versicherungsfremde‘) Leistungen der Rentenversicherung ordnungspolitisch sachgerecht aus Steuermitteln zu finanzieren. Nicht alle Renten enthalten einen Anteil des Bundeszuschusses“1214. In der sozialversicherungsrechtlichen Literatur ist, wenn es um die Funktion der Bundeszuschüsse geht, oft von deren Multifunktionalität die Rede.1215 Die Bundeszuschüsse sollten einerseits die Ausgaben kompensieren, die den Rentenversicherungsträgern im Zusammenhang mit der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben oder Aufgaben anderer Sozialleistungsträger entstehen (Entlastungsund Ausgleichsfunktion); hierher gehören die versicherungsfremden bzw. nicht beitragsgedeckten Leistungen.1216 Andererseits erfülle der Bund mit den Bundeszuschüssen seine Pflicht zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung (Sicherungs- und Garantiefunktion), die sich letztlich aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergebe1217.1218 Teilweise wird in 1213 Vgl. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 233 (Mai 2017): „Macht der Bundeszuschuss ca. 27 % der Rentenzahlung aus“. 1214 Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (892 Fn. 14). 1215 S. Hüfken, in: Eichenhofer / Rische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 23 Rn. 35; Schmidt / Thiede, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 48 Rn. 85. 1216 Butzer / Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2017, S. 25 f.; Hüfken, in: Eichenhofer / Rische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel  23 Rn. 35; Michaelis, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 85 (115); Quartier, in: VDR / Ruland, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, Kapitel 9 Rn. 42; Schmidt / Thiede, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 48 Rn. 86. 1217 S. z. B. BSGE 47, 148 (157): „Art 20 Abs 1 GG enthält den Auftrag des Verfassungsgebers, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nach sozialen Grundsätzen zu organisieren. Eine der daraus folgenden Aufgaben ist es, für das Funktionieren eines staatlichen Sozialversicherungssystems zu sorgen. Auf diese Aufgabe des Bundes wurde bereits bei den Verhandlungen des parlamentarischen Rates hingewiesen. Bei der Frage nach den Zuschüssen des Bundes zu den Lasten der Sozialversicherung handelt es sich danach ‚um ein Gebiet, auf dem der Bevölkerung eindeutig gesagt werden könne, daß der Bund sich als Treuhänder aller Menschen fühle, die der Sozialversicherung unterlägen und die Garantie dafür übernähme, daß die Leistungen der Sozialversicherung unter allen Umständen aufrechterhalten blieben‘ (vgl Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 41. Sitzung vom 15. Januar 1949, S 516). Unter diesem Blickwinkel enthält Art 120 Abs 1 GG eine vom Verfassungsgeber für einen bestimmten Sachbereich vorgenommene Konkretisierung der Sozialstaatsklausel“; auf dieses Urteil des BSG weisen Schmidt / Thiede, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 48 Rn. 88 hin. 1218 Butzer / Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2017, S. 25 f.; Hüfken, in: Eichenhofer / Rische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel  23 Rn. 35; Michaelis, in: Cramer / Förster / Ruland, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 85 (115); Quartier, in: VDR / Ruland, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, Kapitel 9 Rn. 42; Schmidt / Thiede, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 48 Rn. 87 f.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

der Literatur dabei die Entlastungs- und Ausgleichsfunktion deutlich in den Vordergrund gerückt.1219 Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass die Rentenversicherungsträger auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Aufgaben anderer Sozialleistungsträger erfüllen und dass hierin ein Grund dafür liegt, dass die Rentenversicherungsträger Bundeszuschüsse erhalten. Jedoch ist damit noch nichts darüber gesagt, ob die Bundeszuschüsse im Rahmen der hier angestellten wertenden Betrachtung bestimmten Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger zugeordnet werden können. Zur Beantwortung dieser Frage ist vielmehr eine genauere Betrachtung der gesetzlichen Regelungen über die Bundeszuschüsse erforderlich. Die Bundeszuschüsse in ihrer heutigen Form existieren seit der Rentenreform 1957.1220 Ab 1957 waren die Bundeszuschüsse in § 1389 Abs. 1 RVO bzw. § 116 Abs. 1 AVG geregelt.1221 Beide Regelungen sahen vor, dass der Bund zu den Ausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter bzw. Angestellten, die nicht Leistungen der Alterssicherung sind, einen Zuschuss leistet. Hierin könnte möglicherweise eine gesetzliche Zuordnung der Bundeszuschüsse zu bestimmten Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger liegen, die zur Folge hat, dass Altersrenten und weitere an das Alter anknüpfende Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht als teilweise aus den Bundeszuschüssen finanziert anzusehen sind. Allerdings war nicht gesetzlich definiert, was unter den nicht der Alterssicherung dienenden Leistungen zu verstehen war, sodass eine gesonderte Rechnungslegung nicht erfolgen konnte.1222 Es war auch nicht festgelegt, wie die Rentenversicherungsträger die Bundeszuschüsse zu verwenden hatten.1223 Die Bundeszuschüsse wurden also faktisch zur Gesamtdeckung der Haushalte der Rentenversicherungsträger eingesetzt.1224 Die in § 1389 Abs. 1 RVO bzw. § 116 Abs. 1 AVG vorgesehene Zweckbestimmung hatte lediglich programmatische1225 bzw. nominelle1226 Bedeutung. Dafür spricht auch, dass bei der Fortschreibung der Höhe der Bundeszuschüsse nach § 1389 Abs. 2 RVO bzw. § 116 Abs. 2 AVG eine Änderung der 1219

Insbes. von Ruland, in: VDR / Ruland, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, Kapitel 19 Rn. 55 ff.; ders., in: Ruland / Becker / Axer, Sozialrechtshandbuch, 6.  Aufl. 2018, § 17 Rn. 184 f. 1220 Zur vorherigen Rechtslage, die ebenfalls unterschiedliche Erstattungen u. Zuschüsse des Bundes (bzw. des Reichs) vorsah, s. Rische, in: VDR / Ruland, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, Kapitel 32 Rn. 74 ff. 1221 S. Art. 1, Art. 3 § 8 G. v. 23. 2. 1957, BGBl. I 1957, S. 45; Art. 1, Art. 3 § 7 G. v. 23. 2. 1957, BGBl. I 1957, S. 88; s. auch Schmidt / Genzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 50 Rn. 3 f. 1222 Schmidt / Genzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 50 Rn. 4. 1223 Butzer / Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2017, S. 22. 1224 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 95. 1225 Butzer / Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2017, S. 24 Fn. 29. 1226 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 95.

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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Höhe der Ausgaben der Rentenversicherungsträger keine Rolle spielte1227; wenn die Bundeszuschüsse tatsächlich der Finanzierung bestimmter Ausgabenpositionen gedient hätten, wäre zu erwarten gewesen, dass die Fortschreibung der Höhe der Bundeszuschüsse von der Entwicklung der Höhe ebendieser Ausgaben abhängig gemacht worden wäre. Außerdem lässt sich als Argument ein Umkehrschluss aus dem im Jahr 1977 in Kraft getretenen1228 § 30 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 SGB IV anführen, der einen Kostenerstattungsanspruch vorsieht, wenn einem Sozialversicherungsträger Aufgaben eines anderen Sozialversicherungsträgers oder eines Trägers der öffentlichen Verwaltung übertragen werden; hier geht es also gerade um die Finanzierung ganz bestimmter trägerfremder Aufgaben.1229 Im Ergebnis muss deshalb im Rahmen der hier angestellten wertenden Betrachtung davon ausgegangen werden, dass die Bundeszuschüsse nach § 1389 Abs. 1 RVO bzw. § 116 Abs. 1 AVG der Finanzierung sämtlicher Ausgaben der Rentenversicherungsträger dienten. Seit 1992 sind die Bundeszuschüsse in § 213 Abs. 1 SGB VI geregelt.1230 Nach § 213 Abs. 1 SGB VI leistet der Bund zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung Zuschüsse. Anders als noch § 1389 Abs. 1 RVO bzw. § 116 Abs. 1 AVG enthält § 213 Abs. 1 SGB VI keinerlei Einschränkung auf bestimmte Ausgaben der Rentenversicherungsträger. Im entsprechenden Gesetzentwurf wird nicht explizit begründet, warum die Einschränkung des alten Rechts nicht übernommen wurde.1231 Es heißt dort: „Die Vorschrift ist ein wesentliches Element des Konzepts für die langfristige finanzielle Stabilisierung der Rentenversicherung. Sie stellt sicher, daß sich der Bund an den Belastungen, die sich aus dem absehbaren Wandel der Bevölkerungsstruktur im Bereich der Rentenversicherung ergeben werden, angemessen mit zusätzlichen finanziellen Mitteln beteiligt“1232. Bereits aus dem Wortlaut des § 213 Abs. 1 SGB VI ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Bundeszuschüsse nach § 213 Abs. 1 SGB VI bestimmten Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger zugeordnet werden können. Bestätigt wird das durch die gerade wiedergegebenen Ausführungen aus dem Gesetzentwurf. Außerdem kann auch hier, wie soeben mit Blick auf § 1389 RVO bzw. § 116 AVG, mit der Regelung über die Fortschreibung der Höhe der Bundeszuschüsse in § 213 Abs. 2 SGB VI argumentiert werden, die nicht auf die Ausgabensituation der Rentenversicherungsträger abstellt1233, sowie mit § 30 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 SGB IV.

1227 Vgl. Schmidt / Genzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 50 Rn. 6. 1228 S. Art. 1, Art. 2 § 21 G. v. 23. 12. 1976, BGBl. I 1976, S. 3845. 1229 Zum Gegensatz zwischen den Bundeszuschüssen und der Kostenerstattung n. § 30 Abs. 2 SGB IV vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 636 ff. 1230 S. Art. 1, Art. 85 Abs. 1 G. v. 18. 12. 1989, BGBl. I 1989, S. 2261; s. auch Schmidt / Genzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 50 Rn. 20 f. 1231 Vgl. BR-Drucks. 120/89, S. 193 zu § 208 des Entwurfs. 1232 BR-Drucks. 120/89, S. 193 zu § 208 des Entwurfs. 1233 Schmidt / Genzke, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 50 Rn. 22.

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Eine weitere Form der Bundeszuschüsse ist mit dem zusätzlichen Bundeszuschuss seit 1998 in § 213 Abs. 3 SGB VI vorgesehen.1234 Demnach zahlt der Bund zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen an die Rentenversicherung einen zusätzlichen Bundeszuschuss. Hier scheint nach dem Wortlaut des § 213 Abs. 3 SGB VI eindeutig eine Zuordnung des zusätzlichen Bundeszuschusses zu bestimmten Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger vorgesehen zu sein, nämlich zu Ausgaben für nicht beitragsgedeckte Leistungen. Zweifel daran ergeben sich aber aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zunächst hatte der Gesetzgeber für § 213 Abs. 3 SGB VI durch Gesetz vom 16. 12. 1997 eine Formulierung vorgesehen, welche die sog. nicht beitragsgedeckten bzw. versicherungsfremden Leistungen nicht erwähnte, sondern als Motiv für den zusätzlichen Bundeszuschuss das Ziel eines niedrigeren Beitragssatzes in der Rentenversicherung benannte.1235 Diese Fassung des § 213 Abs. 3 SGB VI ist so aber offenbar nie in Kraft getreten.1236 Vielmehr hat der Gesetzgeber dem § 213 Abs. 3 SGB VI wenige Tage später durch Gesetz vom 19. 12. 1997 den heutigen Wortlaut gegeben.1237 Den Gesetzgebungsunterlagen lässt sich nichts Eindeutiges über die Motivlage für dieses Vorgehen entnehmen. Im Gesetzentwurf des Gesetzes vom 19. 12. 1997 wurde § 213 Abs. 3 SGB VI überhaupt nicht behandelt.1238 Zum Bundeszuschuss wurde dort aber allgemein ausgeführt: „Um die Lohnzusatzkosten zu senken, soll der Bund an die gesetzliche Rentenversicherung einen zusätzlichen Bundeszuschuß zahlen […]. Damit kann der Beitragssatz dauerhaft niedriger als sonst erforderlich festgesetzt werden“1239. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens brachte die Fraktion der SPD einen Änderungsantrag ein, der den heutigen Wortlaut des § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI vorschlug; eine Begründung hierfür enthält der Änderungsantrag nicht.1240 Der Änderungsantrag wurde vom Bundestag abgelehnt.1241 Der vom Bundesrat angerufene1242 Vermittlungsausschusses empfahl jedoch wiederum den Wortlaut, der schon im Änderungsantrag der Fraktion der SPD vorgeschlagen wurde.1243 Der Vermittlungsvorschlag wurde dann vom Bundestag angenom 1234

S. Art. 1 Nr. 3 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 G. v. 19. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 3121. S. Art. 1 Nr. 70 Buchst. c G. v. 16. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 2998: „(3) Um den Beitragssatz in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten niedriger festsetzen zu können, zahlt der Bund an die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten in jedem Kalenderjahr einen zusätzlichen Bundeszuschuss in Höhe des Betrages, der dem kassenmäßigen Mehraufkommen eines Prozentpunktes des allgemeinen Umsatzsteuersatzes dieses Jahres entspricht“. 1236 Art. 33 Abs. 14 G. v. 16. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 2998 machte das Inkrafttreten der Regelung davon abhängig, dass die Refinanzierung des zusätzlichen Bundeszuschusses durch ein Gesetz zur Erhöhung der Umsatzsteuer sichergestellt ist. 1237 S. Art. 1 Nr. 3 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 G. v. 19. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 3121. 1238 S. BT-Drucks. 13/8704, S. 3. 1239 BT-Drucks. 13/8704, S. 8. 1240 S. BT-Drucks. 13/8870, S. 2, 5 f. 1241 S. BT-Plenarprotokoll 13/201, S. 18180. 1242 S. BR-Plenarprotokoll 719, S. 548. 1243 S. BT-Drucks. 13/9419, S. 2. 1235

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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men.1244 In der Literatur wird die Annahme geäußert, dass die Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses darin begründet lag, dass andernfalls der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung hätte deutlich angehoben werden müssen, was verhindert werden sollte.1245 Demnach könnte auch die in § 213 Abs. 3 SGB VI enthaltene Zweckbestimmung (pauschale Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen), ebenso wie die in § 1389 Abs. 1 RVO bzw. § 116 Abs. 1 AVG vorgesehene Zweckbestimmung, lediglich programmatische bzw. nominelle Bedeutung haben. Entscheidend dafür, dass auch der zusätzliche Bundeszuschuss trotz des Wortlauts des § 213 Abs. 3 SGB VI im Rahmen der vorliegenden Betrachtung letztlich nicht der Finanzierung bestimmter Ausgabenpositionen der Rentenversicherungsträger zuzuordnen ist, spricht, dass äußerst umstritten ist, wie die sog. nicht beitragsgedeckten bzw. versicherungsfremden Leistungen von den beitragsgedeckten bzw. versicherungsimmanenten (auch: versicherungskonformen) Leistungen abzugrenzen sind; auch eine gesetzliche Definition gibt es nicht.1246 Solange aber unklar ist, was nicht beitragsgedeckte Leistungen sind, kann eine Zuordnung des zusätzlichen Bundeszuschusses zu diesen Leistungen faktisch nicht erfolgen.1247

V. Versorgungsausgleich Oben wurde dargelegt, dass im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ weder bei der ausgleichsberechtigten noch bei der ausgleichspflichtigen Person Besonderheiten zu beachten sind.1248

1244

S. BT-Plenarprotokoll 13/210, S. 19152. Butzer / Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2017, S. 19 m. w. N. 1246 Zur sehr umfangreichen Diskussion ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 31 ff.; auch Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 193 ff.; Schmidt / Thiede, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, 1999, § 48 Rn. 73 ff.; ferner Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag, Sachstand: Nicht beitragsgedeckte versicherungsfremde Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung als Ausdruck des Solidaprinzips, Juni 2016, S. 4 f. 1247 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 646 (allerdings nicht speziell mit Blick auf den zusätzlichen Bundeszuschuss): „Will man sie als Kostenerstattung […] für die Wahrnehmung trägerfremder Aufgaben werten (und nicht bloß als Ausdruck der Garantiestellung des Bundes für die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des jeweiligen Sozialversicherungszweigs), müßten sie einzelnen Aufgaben zugeordnet werden (können). Dies ist indes erst dann (und auch nur dann!) möglich, wenn feststeht, welche Aufgaben der Gesetzgeber den betroffenen Sozialversicherungsträgern unter Inanspruchnahme einer anderen Bundeskompetenz als Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG […] übertragen hat, für deren Wahrnehmung er den Träger nun anstelle einer Kostenerstattung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB IV einen Bundeszuschuß gewährt“. 1248 S. oben § 4 I. 3. 1245

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2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung

Anders ist dies bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs kommt es bei wertender Betrachtung zu einer teilweisen Übertragung der von der ausgleichspflichtigen Person entrichteten Sparanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen auf die ausgleichsberechtigte Person.1249 Das muss auch bei der Prüfung, ob doppelte Besteuerung vorliegt, berücksichtigt werden, weil es andernfalls zu einer deutlichen Verzerrung der „Berechnungsergebnisse“ käme. Die ausgleichsberechtigte Person muss so behandelt werden, als hätte sie Rentenversicherungsbeiträge entrichtet, die sie tatsächlich nicht entrichtet hat (im Umfang der im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf sie übertragenen bzw. für sie begründeten Versorgungsanwartschaften). Die ausgleichspflichtige Person muss hingegen gewissermaßen „spiegelbildlich“ so behandelt werden, als hätte sie einen Teil der tatsächlich entrichteten Rentenversicherungsbeiträge nicht entrichtet. Deshalb ist der in der Literatur vertretenen Auffassung zuzustimmen, dass bei der ausgleichspflichtigen Person bei der Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ die Summe der von der ausgleichspflichtigen Person tatsächlich entrichteten Beiträge entsprechend dem Umfang der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte zu kürzen ist.1250 Bei der ausgleichsberechtigten Person ist die Summe der von ihr entrichteten Rentenversicherungsbeiträge in diesem Umfang zu erhöhen.1251 Zu klären ist noch, wie diese Kürzung bzw. Erhöhung im Detail durchzuführen ist. Jedenfalls muss die entsprechende Berechnung berücksichtigen, dass sich der Versorgungsausgleich nach § 1 Abs. 1 VersAusglG nur auf die Ehezeitanteile der Anrechte erstreckt, d. h. es sind auch bei der Prüfung der doppelten Besteuerung nur die in der Ehezeit entrichteten Rentenversicherungsbeiträge aufzuteilen.1252 Außerdem ist davon auszugehen, dass aus versteuertem Einkommen und aus unversteuertem Einkommen entrichtete Beiträge gleichmäßig zwischen der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person aufzuteilen sind, d. h. es ist nicht etwa anzunehmen, dass z. B. nur aus versteuertem Einkommen entrichtete Rentenversicherungsbeiträge übertragen werden. Nach hier vertretener Auffassung muss ferner zwischen den Sparanteilen, den Risikoanteilen und den Verwaltungskostenanteilen der Rentenversicherungsbeiträge unterschieden werden, weil im Rahmen des Versorgungsausgleichs richtiger­ 1249

S. oben § 4 I. 3. Schuster, DStR 2018, 2106 (2110); in der Sache ebenso Kulosa, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017). 1251 Schuster, DStR 2018, 2106 (2110); in der Sache ebenso Kulosa, in: Herrmann / Heuer /  Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 347 (Dezember 2017). 1252 Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  347 (Dezember 2017): „Hier sind uE die Altersvorsorgeaufwendungen der Ehezeit aufzuteilen“ (Hervorhebung nur hier). 1250

§  5  Vergleichsgröße Beitragsphase 

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weise nur die Sparanteile übertragen werden.1253 Es ist deshalb vor der rechnerischen Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs eine Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge vorzunehmen.1254 Da die Übertragung der Versorgungsanwartschaften im Versorgungsausgleich technisch in Entgeltpunkten beziffert wird,1255 wohingegen es nach der Definition der doppelten Besteuerung auf absolute Beträge in Euro ankommt, ist schließlich eine entsprechende Umrechnung erforderlich. Vereinfachend könnte man z. B. den Anteil der übertragenen Entgeltpunkte an den zuvor bei der ausgleichspflichtigen Person vorhandenen Entgeltpunkten auf die absoluten Beträge in Euro übertragen.

1253

S. oben § 4 I. 3. S. dazu soeben oben § 5 IV. 1255 S. §§ 43 u. 39 Versorgungsausgleichsgesetz, § 76 SGB VI sowie das Beispiel bei Wagner, in: Eichenhofer / Rische / Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kapitel 18 Rn. 54. 1254

3. Teil

Konsequenzen doppelter Besteuerung Wenn hier von den Konsequenzen doppelter Besteuerung die Rede ist, dann sind die folgenden beiden Fragen angesprochen: Ist § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verfassungswidrig? Dies ist mit einer in der Literatur nicht selten vertretenen Auffassung zu bejahen (s. unten § 6). Und: Wie ist im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Prozess mit Steuerpflichtigen umzugehen, die möglicherweise von doppelter Besteuerung betroffen sind? Der Bundesfinanzhof nimmt an, dass dem von doppelter Besteuerung betroffenen Steuerpflichtigen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs zusteht; für das Vorliegen doppelter Besteuerung trägt der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Beweislast (s. unten § 7).

§ 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG   Oben wurde dargelegt, dass der Zustand, der als doppelte Besteuerung bezeichnet wird, gegen Vorgaben des Grundgesetztes (nach hier vertretener Auffassung alleine gegen das Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers) verstößt.1256 Deshalb stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Vorschriften des EStG, die doppelte Besteuerung gegebenenfalls verursachen, verfassungswidrig sind. Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof haben bereits entscheiden, dass es beim Thema der doppelten Besteuerung um die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst.  a Doppelbuchst.  aa EStG geht, nicht um die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkungen des Sonderausgabenabzugs für Rentenversicherungsbeiträge in der Vergangenheit1257.1258 Aus dem Verbot der doppelten Besteuerung ergebe sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der 1256

S. oben § 1. Zu diesen s. oben § 2 II. 1. 1258 Vgl. BVerfGE 120, 169 (178 f.); BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 57 ff.); BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 84 ff.); 2006, 420 (426); zustimmend Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alters­ sicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 25; Wernsmann, Beihefter zu DStR 17/2008, 37 (47); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 234 (Mai 2017); auch Mues, in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 22 Rn. 143 (November 2020); dagegen aber noch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 346 (November 2013) (Altauflage); Stützel, DStR 2010, 1545 (1549). 1257

§ 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 a aa EStG    

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Rentenversicherungsbeiträge, vielmehr könne der Gesetzgeber dem Verbot der doppelten Besteuerung auch durch einen schonenderen Zugriff auf die Leistungen Rechnung tragen.1259 Das Bundesverfassungsgericht nimmt an, „dass eine etwaige Grundrechtsbeeinträchtigung in Gestalt der Doppelbesteuerung letztlich erst dann bewirkt wird, wenn beim Rentenbezug ein zu hoher Besteuerungsanteil angesetzt und damit aufgrund des Zusammenspiels von nur eingeschränkter Entlastung in der Aufbauphase und der Belastung in der Rückflussphase ein nochmaliger steuerlicher Zugriff auf das Steuersubstrat erfolgt“1260. Dogmatisch erklären lässt sich das vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz anerkannten grundrechtsdogmatischen Rechtsfigur der Kompensation von Grundrechtseingriffen, die besagt, dass eine Kompensation steuerlicher Nachteile (hier: Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge)  durch steuerliche Vorteile (hier: Nichtbesteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung) unter bestimmten Voraussetzungen dazu führt, dass eine Grundrechtsverletzung im Ergebnis ausscheidet.1261 In der Literatur ist umstritten, ob § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der doppelten Besteuerung genügt, wobei dies vor allem mit Blick auf die Rechtslage während der Übergangsphase von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung1262 diskutiert wird.1263 Teilweise werden auch mit Blick auf die Besteuerung nach vollständiger Systemumstellung verfassungsrechtliche Zweifel geäußert.1264 1259 BVerfGE 120, 169 (179); BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 58); BFH BStBl. II 2010, 414 (Rz. 85). 1260 BVerfG BStBl. II 2016, 801 (Rz. 59). 1261 Dazu BVerfGE  116, 164 (184, 187); Hey, AöR  128 (2003), S. 226 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn.  460 (Oktober 2020); umfassend Haller, Die Verrechnung von Vor- und Nachteilen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG, 2007. 1262 Zur Übergangsphase und zum Endzustand s. oben § 2 IV. 1. 1263 Für die (teilweise) Verfassungswidrigkeit der Norm z. B. Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 195 ff., 203 ff., 227 f.; Kulosa, in: Herrmann /  Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 23 f. (Mai 2017); tendenziell kritisch auch Nöcker, jurisPR-SteuerR  44/2018 Anm. 2 unter D.; für die Verfassungsmäßigkeit der Norm hingegen Musil, StuW 2005, 278 (284); ders., DStR 2020, 1881; Weber-Grellet, FR 2017, 399 (400); ders., in: Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 22 Rn.7: „eine VerfWidrigkeit ist definitiv ausgeschlossen“. 1264 S. etwa Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 231 (Mai 2017), die überzeugend annehmen, dass doppelte Besteuerung, die sich aus der Überschreitung des dauerhaft geltenden Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug n. § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG ergibt, nicht durch das Ziel der Missbrauchsvermeidung zu rechtfertigen ist, weil es jedenfalls keinen Missbrauch darstellt, wenn der Höchstbetrag durch die Zahlung von Wieder­ auffüllungsbeiträgen gem. § 187 SGB VI im Rahmen eines Versorgungsausgleichs überschritten wird, was in Anbetracht der Häufigkeit von Ehescheidungen, s. oben Fn. 829, auch im Rahmen einer typisierenden Regelung nicht vernachlässigt werden darf. Der Gesetzgeber muss entweder die auf Beiträgen oberhalb des Höchstbetrags des § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG beruhenden Leistungen steuerfrei stellen oder den Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG aufheben.

226

3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

Rürup-Steuerkommission und Gesetzgeber gingen freilich von der Verfassungsmäßigkeit ihres Vorschlags bzw. des Entwurfs zum Alterseinkünftegesetz auch unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung aus.1265 Allerdings wurde diesbezüglich bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens von verschiedenen Seiten teilweise sehr deutliche Kritik geäußert,1266 die letztlich (nur) zur Einfügung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG führte.1267 Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof wollen das Vorliegen doppelter Besteuerung nur (noch) im konkreten Einzelfall prüfen und halten § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG offenbar auch1268 unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung für verfassungsgemäß.1269 Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist davon auszugehen, dass sich die Unzulässigkeit doppelter Besteuerung aus Art. 3 Abs. 1 GG (nach hier vertretener Auffassung aus dem Folgerichtigkeitsgebot in Verbindung mit einer Belastungsgrundentscheidung des

1265

Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 53 ff.; BR-Drucks. 2/04, S. 45. S. Finanzausschuss Protokoll Nr. 15/47, S. 12 f., 27 f.; s. außerdem die schriftlichen Stellungnahmen anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 28. 1. 2004, online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0113/ parlament/gremien15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle/Stellungnahmen/index.html, letzter Abruf am 20. 9. 2021: insbes. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, S. 5 f., 11 ff. u. Hey, S. 14 f.; auch Bund der Steuerzahler, S. 1 f., 4 f.; Deutscher Führungskräfteverband, S. 3, 6, 10; Deutscher Gewerkschaftsbund, S. 2 ff.; Deutscher Steuerberaterverband, S. 4; Bomsdorf, S. 2 ff.; Eekhoff, S. 7 ff.; eher zurückhaltend Bareis, S. 2; lediglich Rürup, S. 4, 6 bejahte ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung. S. außerdem BR-Drucks. 2/04 (Beschluss), S. 1 f.; BR-Drucks. 2/1/04; BR-Plenarprotokoll 769, S. 12; BT-Drucks. 15/2592, S. 1; nur noch am Rande BR-Drucks. 340/04 (Beschluss), S. 1. S. ferner BR-Plenarprotokoll 800, S. 264, 300: W. Döring (FDP) sprach sich im Bundesrat u. a. wegen drohender doppelter Besteuerung für die Ablehnung des Gesetzes aus. S. schließlich BR-Plenarprotokoll 800, S. 264, 273 u. BR-Drucks. 454/2/04: Abgelehnter Antrag des Landes Rheinland-Pfalz, demgemäß der Bundesrat beschließen sollte, dass zur Vermeidung doppelter Besteuerung bei Selbstständigen weitere Maßnahmen zu ergreifen seien. 1267 Zur Öffnungsklausel s. oben § 2 I. 2. b) u. c). 1268 Zu den bereits ausdrücklich höchstrichterlich geklärten verfassungsrechtlichen Fragen betreffend die Neuregelungen durch das Alterseinkünftegesetz zuletzt BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 17 f., 30 ff.); auch Kulosa, DStR  2018, 1413 (1414 f.) u. Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 15 ff. (Mai 2017) jeweils mit Nachw. aus der Rspr. des BVerfG. 1269 Vgl. BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 32 f., 46 ff.); BFHE 254, 545 (Leitsatz 1 u. Rz. 20, 25, 27, 54); BFH / NV 2015, 1369 (Rz. 23); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 1 u. 2); kritisch hierzu Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 1: „Kann denn ein grundsätzlich verfassungsgemäßes Gesetz im Einzelfall derart verfassungswidrig sein, dass eine Vorlage an das BVerfG geboten und erfolgversprechend ist? Und noch gravierender: Kann ein grundsätzlich verfassungsmäßiges Gesetz ab einem bestimmten Zeitpunkt für sämtliche von ihm Betroffenen verfassungswidrig sein (vor dem Hintergrund, dass sich nach den Kriterien des BFH ungefähr ab 2025 für sämtliche Neurentner rechnerisch eine doppelte Besteuerung ergeben dürfte)?“. 1266

§ 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 a aa EStG    

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einfachen Gesetzgebers) ergibt.1270 Doppelte Besteuerung kann entgegen teilweise vertretener Auffassung – wie jede andere Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG – prinzipiell unter Typisierungsgesichtspunkten gerechtfertigt werden (s. unten I.). Allerdings erfüllt § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit Blick auf die Übergangsphase von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung die Voraussetzungen einer verfassungsgemäßen Typisierung nicht, weil doppelte Besteuerung jedenfalls um das Jahr 2040 ganze Rentnerkohorten betrifft und damit nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen, sodass die Norm insoweit1271 richtigerweise als verfassungswidrig zu bewerten ist (s. unten II.). Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit dürfte im Ergebnis nur eine Korrektur der im Gesetz vorgesehenen Typisierung unter Berücksichtigung der „richtigen“ Definition der doppelten Besteuerung in Betracht kommen, konkret eine weitere Verlängerung der Übergangsphase über das Jahr 2040 hinaus mit einem flacheren Anstieg des „Besteuerungsanteils in %“ (s. unten III.).

I. Grundsätzliche Möglichkeit der Rechtfertigung doppelter Besteuerung unter Typisierungsgesichtspunkten Das Bundesverfassungsgericht geht heute davon aus, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, die (stufenlos) vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können.1272 Zwar verlangt das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Folgerichtigkeitsgebot bis heute einen „besonderen sachlichen Grund“, wenn eine Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers nicht folgerichtig ausgestaltet wird.1273 Allerdings bewirkt das Folgerichtigkeitsgebot jedenfalls in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache nicht zwangs­läufig eine Verschärfung des Rechtfertigungsmaßstabs.1274 Der Erste Senat des Bundes 1270

S. oben § 1. Dazu, dass es auch nach Beendigung der Übergangsphase, im Endzustand, zu doppelter Besteuerung kommt, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist, s. oben Fn. 1264. 1272 S. nur BVerfGE 152, 274 (Rz. 96) m. w. N.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 438 ff., insbes. 445a  (Oktober 2020); Wollenschläger, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 99 ff. 1273 S. zuletzt BVerfGE 152, 274 (Rz. 100) (Zweiter Senat) u. BVerfGE 138, 136 (Rz. 123); 148, 217 (Rz. 105) (beide Erster Senat) jeweils m. w. N. 1274 S. Modrzejewski, in: Modrzejewski / Naumann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 5, 2019, S. 277 (293 ff., 299 f.) mit Nachw. aus der Rspr. des BVerfG. In der Literatur wird bzw. wurde in der Vergangenheit aber nicht selten angenommen, dass das BVerfG den „besonderen sachlichen Grund“ mit erhöhten Rechtfertigungsanforderungen (Verhältnismäßigkeitsprüfung) gleichsetze, s. Kempny, JöR 64 (2016), S. 477 (485); O’Hara, Konsistenz und Konsens, 2018, S. 135; Thiemann, in: Emmenegger / Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 2, 2011, S. 179 (189 f.). 1271

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

verfassungsgerichts formuliert heute im Zusammenhang mit dem Folgerichtigkeitsgebot, dass der Rechtfertigungsmaßstab abhänge von „Umfang und Ausmaß der Abweichung“1275 von der Belastungsgrundentscheidung bzw. vom „Ausmaß der Abweichung und ihrer Bedeutung für die Verteilung der Steuerlast insgesamt“1276. Auch der Zweite Senat nimmt in einer aktuellen Entscheidung an, dass „Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) […] eines besonderen sachlichen Grundes [bedürfen], der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag ([…]; stRspr)“1277. Jedenfalls bedarf es zunächst eines hinreichenden rechtfertigenden Grundes, damit eine Ungleichbehandlung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.1278 Für die Rechtfertigung der durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG möglicherweise während der Übergangsphase von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung bewirkten doppelten Besteuerung kommen nur Vereinfachungszwecke in Betracht: Es ist grundsätzlich allgemein anerkannt, dass der Gesetzgeber zugunsten der verwaltungsmäßigen Handhabbarkeit „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen [darf], ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen“1279. Das gilt richtigerweise auch im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Vermeidung doppelter Besteuerung.1280 In der Literatur wird aber teilweise angenommen, dass dem Gesetzgeber hier ausnahmsweise keine Typisierungsbefugnis zustehe.1281 Zur Begründung wird zum einen angeführt, dass Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof die „strikte“ Vermeidung doppelter Besteuerung „in jedem

1275

BVerfGE 138, 136 (Rz. 123); 139, 1 (Rz. 40); 139, 285 (Rz. 72). BVerfGE 148, 147 (Rz. 96); 148, 217 (Rz. 105). 1277 BVerfGE 152, 274 (Rz. 100) (Hervorhebung nur hier). In BVerfGE 145, 106 (Rz. 105) hat der Zweite Senat die Frage offengelassen: „Unabhängig von der Frage, ob sich allein aus dem Erfordernis eines ‚besonderen sachlichen Grundes‘ für Abweichungen von einem steuerrechtlichen Ausgangstatbestand erhöhte Begründungsanforderungen gegenüber einem bloßen ‚sachlich einleuchtenden Grund‘ für die Differenzierung im Sinne des Willkürverbots ergeben […]“. 1278 Zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.128 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn.  446 ff. (Oktober 2020). 1279 BVerfGE 152, 274 (Rz. 101) m. w. N.; s. auch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.145 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn.  451 ff. (Oktober 2020). 1280 S. bereits Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 54; BR-Drucks. 2/04, S. 40 f.; Musil, StuW 2005, 278 (284); ders., DStR 2020, 1881 (1887 f.); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 212, B 234 (Mai 2017). 1281 S. Förster, DStR 2009, 141 (146); Hey, DRV 2004, 1 (6 f.); Intemann / Cöster, DStR 2005, 1921 (1926); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (907 f.); wohl Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  340 (Dezember 2017). 1276

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Fall“1282 fordern.1283 Die Formulierungen in der Rechtsprechung dürften indes nicht so zu verstehen sein, dass dem Gesetzgeber keine Typisierungsbefugnis zustehen soll, was zur Folge hätte, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bereits dann verfassungswidrig wäre, wenn nur ein einziger Steuerpflichtiger von doppelter Besteuerung betroffen wäre. Es wird zwar verlangt, dass doppelte Besteuerung „in jedem Fall“ zu vermeiden ist, jedoch geht es bei dem zugehörigen Prüfungsschritt gerade nicht mehr um die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung (wo die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers eine Rolle spielt).1284 Vielmehr geht es darum, dass einem einzelnen Steuerpflichtigen, der aufgrund der atypischen Umstände seines Einzelfalls von doppelter Besteuerung betroffen ist, eine „Milderung des Steuerzugriffs“ verschafft werden soll.1285 Zum anderen wird die Ablehnung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers un­ter Hinweis auf den (im Rechtsstaatsprinzips und in den Grundrechten verwurzelte1286)

1282 Vgl. zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 46, 49); BFHE  254, 545 (Rz. 23) m. w. N. Angeknüpft wird bei diesen Formulierungen stets an die folgende Passage aus BVerfGE 105, 73 (134 f.): „Sowohl bei den weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß vertrauensschützender Übergangsregelungen ist der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. […]. Im Übrigen ist auch für die Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer Entscheidungsraum eröffnet“ (Hervorhebung nur hier). Rein sprachlich hätte man hier die Wendung „In jedem Fall“ ebenso auch i. S. v. „jedenfalls“ verstehen können. 1283 S. Intemann / Cöster, DStR  2005, 1921 (1926); Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (907 f.). 1284 Deutlich z. B. BFHE  254, 545 (Rz. 27): „Aus dem systematischen Aufbau dieser Entscheidung [gemeint ist BVerfG BStBl. II 2016, 310] folgt daher eindeutig, dass auch für das BVerfG – wie für den erkennenden Senat – eine verfassungsrechtliche Prüfung in derartigen Fällen nicht schon mit der Bejahung der generellen Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Übergangsregelung ihr Bewenden hat, sondern zusätzlich – sofern der konkrete Streitfall Anlass dazu gibt – zu prüfen ist, ob es im jeweiligen Einzelfall zu einer ‚strikt verbotenen‘ doppelten Besteuerung gekommen ist“. 1285 S. BFHE 254, 545 (Rz. 24): „Kann der jeweilige Steuerpflichtige aber nachweisen, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer solchen doppelten Besteuerung kommt, ändert dies – auf der abstrakten Ebene – zwar nichts daran, dass er etwaige Abzugsbeschränkungen während der Beitragsphase hinnehmen muss. Ihm kann aber aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gebote der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der folgerichtigen Ausgestaltung der Besteuerung, Verbot einer Übermaßbesteuerung) ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen“; s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21); dazu s. unten § 7 I. 1286 Spindler, DNotZ  2007, 105 (105 f.) m. w. N.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 401.

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

Vertrauensschutzgrundsatz begründet;1287 die Übergangsregelung dürfe „Keinmalbesteuerung“ verursachen, in keinem Fall aber doppelte Besteuerung.1288 Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen überzeugend1289 entschieden, dass die Regelungen des Alterseinkünftegesetzes, insbesondere die Übergangsregelung § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG und die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, zwar eine unechte Rückwirkung verursachen, aber dabei die Grenze der Zumutbarkeit einhalten, weil die Gründe, die die Rechtsänderung rechtfertigen gewichtiger und dringlicher sind als das Interesse der Steuerpflichtigen am Fortbestand der früheren Ertragsanteilsbesteuerung.1290 Dabei hat das Bundesverfassungsgericht es schon für zweifelhaft gehalten, ob bei den Steuerpflichtigen überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung der früheren Rechtslage entstehen konnte, weil bereits seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 54, 11 aus dem Jahr 1980 erkennbar gewesen sei, dass die Ertragsanteilsbesteuerung rechtlich angreifbar war.1291 Jedenfalls, so das Bundesverfassungsgericht, fällt gegenüber einem etwaigen Vertrauen in den Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung aber entscheidend ins Gewicht, dass der Gesetzgeber mit dem Alterseinkünftegesetz dem verfassungsgerichtlichen Auftrag zur Neuordnung der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften aus BVerfGE 105, 73 nachgekommen ist, wobei der Gesetzgeber nicht (als Alternative zur nun geltenden Regelung) auf eine Neuordnung nur für die Zukunft verwiesen werden durfte, weil dann der frühere verfassungswidrige Zustand über einen erheblichen Zeitraum fortgedauert hätte.1292 Vor diesem Hintergrund vermag eine Verneinung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers unter Hinweis auf den Vertrauensschutzgrundsatz nicht zu überzeugen.

II. Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer verfassungsgemäßen Typisierung Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen die folgenden Voraussetzungen vorliegen, damit eine gesetzliche Typisierung verfassungsgemäß ist:1293 Der Gesetzgeber muss bei der Typisierung den typischen Fall 1287 S. Förster, DStR 2009, 141 (146); Hey, DRV 2004, 1 (6 f.); wohl auch Intemann / Cöster, DStR 2005, 1921 (1926). 1288 Hey, DRV 2004, 1 (7). 1289 Zustimmend auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 18 (Mai 2017). 1290 BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 58). 1291 BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 65). 1292 BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 69). 1293 Zu diesen Voraussetzungen s. nur zuletzt BVerfGE 152, 274 (Rz. 102 f.) m. w. N.; s. auch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rn. 3.148; Wernsmann, in: Hübschmann /  Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn.  454 (Oktober 2020).

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realitätsgerecht im Gesetz abbilden. Es muss ein rechtes Verhältnis zwischen den Vorteilen der Typisierung und der durch sie bewirkten Ungleichbehandlung bestehen. Außerdem müssen die aufgrund der Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten (hier: doppelte Besteuerung) nur unter Schwierigkeiten vermeidbar gewesen sein, sie dürfen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung muss gering sein. Demnach hängt die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit Blick auf die momentane Übergangsphase von der früheren Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung entscheidend davon ab, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner ist und welches Ausmaß1294 eine möglicherweise auftretende doppelte Besteuerung jeweils hat.1295 Das Auftreten geringfügiger doppelter Besteuerung in atypischen Einzelfällen (etwa bei atypischen Erwerbsbiographien) wäre für die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift jedenfalls unschädlich. Sollte doppelte Besteuerung hingegen der im Gesetz angelegte Regelfall sein oder zumindest mehr als eine verhältnismäßig kleine Zahl von Rentnern betreffen oder teilweise ein sehr großes Ausmaß erreichen, so wäre § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verfassungswidrig. Die Rürup-Steuerkommission kam bei ihren Modellberechnungen zu dem Ergebnis, dass ihr Lösungsvorschlag nur in seltenen Fällen (sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Selbstständigen) eine geringfügige doppelte Besteuerung während der Übergangsphase verursachen könnte.1296 Aufgrund der Berechnungen der Rürup-Steuerkommission und des Bundesfinanzministeriums ging der Gesetzgeber im Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz ebenfalls davon aus, dass die Regelungen des Gesetzentwurfs doppelte Besteuerung während der Übergangsphase in allen realitätsgerechten Fällen vermeiden.1297 In der Literatur werden zur Frage, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner ist, unterschiedliche Einschätzungen geäußert („praktisch keine doppelte Besteuerung“ bis hin zu „doppelte Besteuerung als Regelfall“)1298 und auch hinsichtlich

1294 Gemeint ist die Höhe des Betrags (in Euro), der doppelt in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer eingeht. 1295 Vgl. Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24; auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 337 (Dezember 2017): „Der rechnerische Umfang der Zweifachbesteuerung – der wiederum die Grundlage für die verfassungsrechtl. Folgerungen darstellt […]“. 1296 S. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 53 ff. 1297 S. BR-Drucks. 2/04, S. 45. 1298 S. einerseits Chirvi / Maiterth, StuW  2019, 130 (138 f., 142): „Der vorliegende Beitrag zeigt, dass beim Übergang zur nachgelagerten Rentenbesteuerung kein Doppelbesteuerungs-, sondern ein Minderbesteuerungsproblem besteht“ (S. 142); Weber-Grellet, FR 2017, 399 (400): „Daher dürfte es im Gros der Fälle eigentlich nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen. Das mag im Einzelfall anders sein“; andererseits zuletzt (mit Blick auf BFH DStR  2021, 1291) ­Förster, BFH / PR 2021, 258: „[…] ergibt sich, dass künftige Rentnerjahrgänge in vielen Fällen von einer doppelten Besteuerung betroffen sein werden. In Einzelfällen mag dies auch schon für

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

des Ausmaßes der doppelten Besteuerung werden unterschiedlichste Eurobeträge genannt1299. Die unterschiedlichen Ergebnisse beruhen teilweise darauf, dass von verschiedenen Definitionen der doppelten Besteuerung ausgegangen wurde.1300 Teilweise ergeben sie sich aber auch daraus, dass bei den Berechnungen unterschiedliche statistische Daten verwendet wurden. Die Berechnungen können hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden und es können insbesondere auch keine eigenen Modellberechnungen angestellt werden, sodass keine Aussage darüber getroffen werden kann, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner und das Ausmaß der doppelten Besteuerung sind. gegenwärtige Rentner gelten, die ihre Rente noch nicht allzu lange beziehen und in ihrer aktiven Zeit selbstständig tätig waren. […]. Es lässt sich grob abschätzen, welche Gruppen von Rentnern besonders früh oder besonders stark von einer doppelten Besteuerung betroffen sein werden: Frühere Selbstständige […] keinen steuerfreien Arbeitgeberanteil […]. Männer werden stärker betroffen sein als Frauen, […] aufgrund ihrer statistisch deutlich geringeren Lebenserwartung […]. Unverheiratete werden stärker betroffen sein als verheiratete Rentner […], da Hinterbliebenenrenten die Summe des steuerfreien Rentenbezugs bei gleicher Beitragsleistung erhöhen. […] künftige Rentnerjahrgänge stärker betroffen sein als heutige oder frühere Rentnerjahrgänge, weil der Rentenfreibetrag mit jedem Renteneintrittsjahrgang geringer wird“; außerdem Karrenbrock, DStR 2018, 844 (851): „Keinesfalls kann davon ausgegangen werden, dass eine Doppelbesteuerung im Regelfall vermieden wird“; Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 337 (Dezember 2017): „Rechnerisch ausgeschlossen sind Zweifachbesteuerungen lediglich bei ArbN, die vor dem VZ 2015 in den Rentenbezug eingetreten sind […]. Bei allen anderen Personengruppen (dh. ArbN mit einem Renteneintritt ab VZ 2015, bei Selbständigen in Einzelfällen bereits ab VZ 2005) kommen Zweifachbesteuerungen in Betracht“; ders., jM 2021, 337 (343): „Als grobe Faustformel kann man aber abschätzen, dass es bei männlichen früheren gut verdienenden Selbständigen wohl etwa ab dem Renteneintrittsjahrgang 2015 nicht nur in Einzelfällen zu einer doppelten Besteuerung kommen dürfte. Bei früheren Arbeitnehmern wird wohl ab dem Renteneintrittsjahrgang 2025 weitgehend flächendeckend mit doppelten Besteuerungen zu rechnen sein, wobei die konkreten Beträge anfänglich noch eher gering sein werden“; G. Siepe / W. Siepe, Doppelbesteuerung von Neurenten ab 2015, 2016, S. 27: „Die weitaus meisten Neurentner ab Rentenbeginn in 2015 und vor 2070 werden künftig von der Doppelbesteuerung betroffen sein“; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 234 (Mai 2017): „dürfte […] die Mehrheit der Rentner, die zwischen 2018 und 2068 in den Ruhestand eintreten, von Doppelbesteuerung betroffen sein“; auch Brall / Bruno-Latocha / Lohmann, DRV 2003, 465 (481 f., 483); Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (906); vgl. auch Dommermuth, FR 2020, 439 (444 ff.); VDR, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 28. 1. 2004, online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag. de/archive/2005/0113/parlament/gremien15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle/Stellung nahmen/index.html, letzter Abruf am 20. 9. 2021. 1299 Vgl. z. B. Dommermuth, FR 2020, 439 (444 ff.); G. Siepe / W. Siepe, Doppelbesteuerung von Neurenten ab 2015, 2016, S. 8 ff.; Ruland, in: Festschrift für Selmer, 2004, S. 889 (906); VDR, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 28. 1. 2004, online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0113/parlament/gremien15/ a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle/Stellungnahmen/index.html, letzter Abruf am 20. 9. 2021. 1300 Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 337 (Dezember 2017): „Der rechnerische Umfang der Zweifachbesteuerung – der wiederum die Grundlage für die verfassungsrechtl. Folgerungen darstellt – ist davon abhängig, welche rechtl. Maßstäbe für die Konkretisierung dieses Begriffs gelten“.

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Festzuhalten ist aber, dass die Richtigkeit etwaiger Berechnungen zunächst davon abhängt, dass den Berechnungen eine aus rechtlicher Perspektive überzeugende Definition der doppelten Besteuerung zugrunde gelegt wird.1301 Insbesondere darf nicht – wie dies aber bereits der Gesetzgeber und die Rürup-Steuerkommission getan haben1302 und wie dies auch in der Literatur teilweise ausdrücklich1303 und teilweise implizit im Rahmen von Modellberechnungen1304 vertreten wird – vom prozentualen Anteil der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge an den insgesamt entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen auf den mindestens erforderlichen steuerfreien prozentualen Anteil der späteren Leistungen geschlossen werden; dieser Schlussfolgerung liegt ein fehlerhaftes Verständnis vom Definitionsansatz der doppelten Besteuerung zugrunde.1305 Angemerkt sei noch, dass es nach der hier vertretenen Definition der doppelten Besteuerung in (wohl deutlich) weniger Fällen zu doppelter Besteuerung kommt als 1301 Zu der nach hier vertretener Auffassung richtigen Definition der doppelten Besteuerung s. oben Teil 2. 1302 S. BR-Drucks. 2/04, S. 69: „Der anfängliche Besteuerungsanteil von 50 Prozent orientiert sich am typischen Fall des rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers, bei dem in der Erwerbsphase bis 2004 mindestens die Hälfte der Altersvorsorgeaufwendungen (Arbeitgeberanteil) steuerunbelastet waren; eine Zweifachbesteuerung wird damit typisierend ausgeschlossen“; Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 57. 1303 S. Schindler / Braun, NWB  2020, 784 (786): „Eine Doppelbesteuerung der Rente liegt vor, wenn der steuerfrei gestellte Anteil des Renteneinkommens geringer ist als der versteuerte Anteil der Rentenbeiträge resp. der Entgeltpunkte“; verwandte Definitionsansätze finden sich auch bei Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (133 f.); G. Siepe, DStR 2019, 2568 (2569); Kempny /  Siegel, DStZ 2021, 588; ausführlich dazu oben § 3 II. u. III. 1304 S. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 345 (Dezember 2017): „Wer von 1960 bis 2004 45 Jahre lang Arbeitslohn in dieser Höhe bezogen hat, hat 29 % seiner Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet; […] Das Zahlenmaterial verdeutlicht, dass ehemalige ArbN bis zu einem Besteuerungsanteil auf ihre Rentenbezüge von etwa 70 % unabhängig von der Höhe des bezogenen Arbeitslohns keine Zweifachbesteuerung zu befürchten haben“; Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn /  Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 233 (Mai 2017): „Macht der Bundeszuschuss ca. 27 % der Rentenzahlung aus, beträgt der Arbeitnehmeranteil an der Rentenzahlung ca. 36,5 %. Bis zu einem Besteuerungsanteil von 74 %, der im Jahr 2017 erreicht sein wird, scheidet eine Doppelbesteuerung daher selbst dann aus, wenn unterstellt wird, dass der gesamte Arbeitnehmeranteil aus versteuertem Einkommen geleistet wird“; ebenso bereits Broer, BB 2004, 527 (529): „Für diese Arbeitnehmer wurden maximal 42,16 % der gesamten Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen entrichtet, durchschnittlich waren es 29,04 %. Folglich müssten bei Arbeitnehmern, die in der gesamten Erwerbsbiographie Einkünfte in Höhe des durchschnittlichen Bruttoarbeitentgelts erhalten haben, nur 18,5 % der Rente steuerfrei bleiben. Um eine Doppelbesteuerung sicher auszuschließen, könnte der maximale Wert (hier 33,5 %) steuerfrei gestellt werden“. 1305 Ausführlich dazu s. oben § 3 II. u. III.; vgl. außerdem BFH / NV 2015, 1369 (Rz. 23): „Das Konzept des Klägers, die Rentenbezüge zu genau demjenigen Prozentsatz von der Steuer freizustellen, mit dem die Vorsorgeaufwendungen tatsächlich der Steuer unterlagen, wäre vor diesem Hintergrund keine Überprüfung der Doppelbesteuerung. Es wäre ein Besteuerungsmodell, in dem die Besteuerung unmittelbar an das Leibrentenstammrecht bzw. den Rentenanspruch anknüpfte und dieses in einen dem Grunde nach steuerverhafteten und einen dem Grunde nach steuerfreien Teil zerlegte. […]. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG gegen diesen Ansatz entschieden“.

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

dies zumeist angenommen wird, weil vorliegend das Herausrechnen von Rentenversicherungsbeiträgen, die kalkulatorisch nicht auf die Finanzierung von an das Alter anknüpfenden Leistungen entfallen, befürwortet wird.1306 Festzuhalten ist ferner, dass die Berechnungen außerdem auf statistischen Daten beruhen müssen,1307 die den typischen Fall „des Rentners“ realitätsgerecht abbilden.1308 Das bedeutet aber nicht, dass in die Berechnung zwingend Durchschnittswerte einzustellen sind, denn der typische Fall ergibt sich insbesondere bei einer großen Streubreite von denkbaren Sachverhalten (hier: inhomogene Erwerbsbiographien) nicht notwendigerweise aus einer Durchschnittsbetrachtung.1309 Eine Orientierung an Durchschnittswerten ist nur möglich, wenn die Abweichungen vom Durchschnitt gering sind.1310 Sinnvollerweise sollten, wie dies ohnehin in der Regel praktiziert wird, Berechnungen für unterschiedliche Konstellationen durchgeführt werden, z. B. für Arbeitnehmer bzw. Selbstständige, für Frauen bzw. Männer, für Alleinstehende bzw. Verheiratete.1311 So dürfte der typische Fall am ehesten zutreffend abgebildet werden. Zwar kann hier keine Aussage darüber getroffen werden, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner und das Ausmaß der doppelten Besteuerung sind. Jedoch lässt sich, worauf in der Literatur bereits mehrfach hingewiesen wurde1312, mit einer einfachen Überlegung zeigen, dass die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Übergangsregelung verfassungswidrig ist, weil die Anforderung des Bundesverfassungsgerichts an eine verfassungsgemäße gesetzliche Typisierung, dass die aufgrund der Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten (hier: doppelte Besteuerung) nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen dürfen,1313 nicht erfüllt ist: Nimmt man die Rentner mit Rentenbeginn im Jahr 2040 in den Blick, dann zeigt sich, dass bei die 1306

S. oben § 5 IV. Vgl. Weise, Finanzarchiv 37 (1979), S. 396 (408): „Konkrete Aussagen über die […] steuerliche Leistungsfähigkeit der Rentner machen Vorhandensein und Kenntnis statistischer Daten erforderlich“. 1308 Nur dann sind die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine verfassungs­ gemäße gesetzliche Typisierung erfüllt, s. zu diesen Anforderungen soeben oben im Text. 1309 Vgl. Hey, DRV 2004, 1 (13). 1310 Hey, DRV 2004, 1 (13). 1311 Vgl. Abschlussbericht Rürup-Steuerkommission, 2003, S. 53 ff.; Chirvi / Maiterth, StuW 2019, 130 (136 ff.); Dommermuth, FR 2020, 439 (444 ff.); G. Siepe / W. Siepe, Doppelbesteuerung von Neurenten ab 2015, 2016, S. 8 ff. 1312 S. z. B. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 337, 340 (Dezember 2017); Wernsmann, Beihefter zu DStR 17/2008, 37 (47); Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 233 (Mai 2017); ebenso bereits Hey, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 28. 1. 2004, S. 15; VDR, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 28. 1. 2004, S. 5; beide Stellungnahmen sind online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0113/ parlament/gremien15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle/Stellungnahmen/index.html, letzter Abruf am 20. 9. 2021. 1313 Zu dieser Anforderung s. nur BVerfGE 152, 274 (Rz. 103) m. w. N. 1307

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sen nach der hier befürworteten Definition der doppelten Besteuerung (und ebenso nach der nun vom Bundesfinanzhof vertretenen Definition) die Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“1314 jedenfalls bei 0 Euro liegt, weil es für diese Rentner keinen steuerfreien Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG mehr gibt,1315 der richtigerweise als einziger einkommensteuerlicher Entlastungsbetrag für die Definition der doppelten Besteuerung relevant ist1316.1317 Jedoch haben Rentner mit Rentenbeginn im Jahr 2040 jedenfalls in der Zeit von 2005 bis 2024 wegen § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG1318 Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen entrichtet, sodass die Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“1319 stets größer 0 Euro ist. Nach dem überzeugenden Definitionsansatz der h. M.1320 liegt demnach bei allen Rentnern mit Rentenbeginn im Jahr 2040 doppelte Besteuerung vor. Kaum anders wird dies bei Rentnern aussehen, deren Rentenbeginn kurz vor oder nach dem Jahr 2040 liegt. Damit ist belegt, dass doppelte Besteuerung nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft,1321 wenn man davon ausgeht, dass in den Jahren um 2040 je Jahr etwa genauso viele Personen erstmalig eine Altersrente beziehen wie in den vergangenen Jahrzehnten, in denen die Anzahl der jährlichen Rentenzugänge bei den Renten wegen Alters zwischen ca. 650.000 und 1. 000. 000 schwankte.1322 Selbst wenn man annimmt, dass an die Typisierung hier keine hohen Anforderungen zu stellen sind, weil es um eine Übergangsregelung geht1323 oder weil das Thema der Rentenbesteuerung eine hohe Komplexität aufweist1324, kann bei derart vielen Betroffenen nicht mehr von einer verhältnismäßig kleinen Zahl die Rede sein. 1314

S. hierzu oben § 4. Vgl. oben § 2 I. 2. a). 1316 S. oben § 4 II. 1317 Mit Blick auf BFH DStR 2021, 1291 s. ebenso Kulosa, jM 2021, 337 (341): „Den eigentlichen Kern der aktuellen BFH-Rechtsprechung bildet aber die Aussage, dass über die Rentenfreibeträge hinaus keine weiteren Abzugsbeträge oder Steuerfreistellungen in die Ermittlung des steuerfreien Rentenbezugs einzubeziehen sind. […]. Zugleich ist damit klar, dass bei allen ab dem Jahr 2040 in den Rentenbezug eintretenden Personen die Höhe des steuerfreien Rentenbezugs in der Vergleichsrechnung mit Null anzusetzen ist. Bei diesen Personen bewirkt daher jeder aus versteuertem Einkommen geleistete frühere Rentenbeitrag eine unzulässige doppelte Besteuerung“. 1318 Dazu s. oben § 2 II. 1. c). 1319 S. hierzu oben § 5. 1320 S. hierzu oben § 3. 1321 Vgl. auch Wernsmann / Neudenberger, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 22 Rn. B 234 (Mai 2017). 1322 Vgl. Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd. 22, Oktober 2020, S. 54. 1323 So z. B. Musil, StuW 2005, 278 (284). 1324 Vgl. BVerfGE 100, 59 (101): „Handelt es sich um die Regelung komplexer Lebenssachverhalte, so kann dem Gesetzgeber eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erkenntnissen und Erfahrungen eingeräumt werden. In dieser Zeit darf er sich mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen“; s. auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 456 (Oktober 2020) m. w. N. 1315

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

III. Lösungsansätze zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit Es wurden bereits verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Verfassungswidrigkeit der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltenen Übergangsregelung beseitigt werden kann. Jedenfalls ungeeignet ist der zuletzt von T. Dommermuth vorgebrachte Vorschlag, nach dem „die auf die jeweilige Rente der Schicht 1 tatsächlich entfallenden […] Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, soweit sie nach der gegenwärtig gültigen Rechtslage als Sonderausgaben abzugsfähig sind, und […] die gem. § 3 Nr. 14 EStG steuerfreien Zuschüsse und Beitragstragungen […] aus der Regelung des § 10 EStG und des § 3 Nr. 14 EStG herauszunehmen [sind], soweit sie Renten der Schicht 1 betreffen, und als zusätzliche steuerfreie Rentenanteile i. S. d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG einzuordnen [sind]“1325. T. Dommermuth meint, „[d]urch die Verschiebung jener beiden Komponenten […] wäre es […] nicht mehr möglich, ihnen die Qualifizierung als steuerfreie Rentenanteile mit dem Argument zu versagen, sie seien der Sicherung des Existenzminimums zuzuordnen und erfüllten daher einen anderen Zweck als den der teilweisen Steuerfreistellung der Rente“1326. Diese Annahme ist unter methodischen Gesichtspunkten keinesfalls haltbar. Der Zweck einer Vorschrift kann freilich nicht alleine durch die bloß formale Verschiebung einer Regelung geändert werden.1327 Letztlich widerlegt T. Dommermuth die Sinnhaftigkeit seines Vorschlags selbst, indem er darauf hinweist, dass „[i]m Endeffekt […] eine Umdeklarierung statt[fände], die die Steuerbelastung des einzelnen nicht änderte, die sich jedoch auf die Bewertung […] [von § 10 Abs. 1 Nr. 3 und § 3 Nr. 14 EStG] innerhalb der Prüfung der Doppelbesteuerung von Renten auswirken würde“1328. Denn es erschließt sich nicht, wie die in der doppelten Besteuerung liegende einkommensteuerliche Zuvielbelastung beseitigt werden soll, ohne dass sich die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen verringert. Abzulehnen ist auch der Vorschlag einer angeblich systemgerechten Kombination von Ertragsanteils- und Vollversteuerung,1329 weil dieser auf einem fehlerhaften Verständnis vom Definitionsansatz der doppelten Besteuerung beruht und sich deshalb nicht zur Vermeidung doppelter Besteuerung eignet.1330 Außerdem ist zweifelhaft, ob sich der Vorschlag ausgehend von der heutigen Rechtslage, nach Zurücklegen eines Teils der Übergangsphase, überhaupt noch verwirklichen ließe.1331

1325

Dommermuth, FR 2020, 439 (451). Dommermuth, FR 2020, 439 (451). 1327 Vgl. oben § 4 II. 1., 4. u. 5. 1328 Dommermuth, FR 2020, 439 (451). 1329 S. G. Siepe, DStR 2019, 2568. 1330 Ausführlich dazu s. oben § 3 II. u. III. 1331 Gegen diesen Vorschlag auch Dommermuth, FR 2020, 439 (450), der den Vorschlag für zu kompliziert und datenaufwändig hält. 1326

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Nicht sinnvoll erscheint ebenso eine Erhöhung des Grundfreibetrags.1332 Zwar könnte man bei einem (zum Zwecke der Vermeidung doppelter Besteuerung) deutlich erhöhten Grundfreibetrag durchaus vertreten, dass dieser einen steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewirkt, weil das Steuerentlastungspotential des (deutlich erhöhten) Grundfreibetrags dann teilweise nicht mehr durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums verbraucht wird1333.1334 Jedoch wäre eine Erhöhung des Grundfreibetrags eine wenig zielgerichtete Maßnahme, weil der Grundfreibetrag allen Steuerpflichtigen zusteht. Nicht ausgeschlossen erscheint es auf den ersten Blick, die Verfassungswidrigkeit der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltenen Übergangsregelung durch die Einführung einer zusätzlichen individuellen Steuerentlastung (z. B. in der Form eines Freibetrags) gerade für die von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner zu beseitigen (man könnte insoweit von einer Härteklausel sprechen); auch könnte die bestehende typisierende Regelung gänzlich durch eine auf individuelle Verhältnisse abstellende Regelung ersetzt werden.1335 Bei der Gestaltung einer entsprechenden Regelung müsste freilich von der „richtigen“ Defi 1332 Gefordert wird dies im Antrag der Fraktion DIE LINKE („Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden“) in BT-Drucks. 19/10282, S. 2. 1333 Zu dieser Argumentation vgl. oben § 4 II. 3. 1334 Anders Dommermuth, FR 2020, 439 (451). 1335 Die Möglichkeit einer zusätzlichen individuellen Entlastung neben der typisierenden Regelung wird angesprochen von Dommermuth, FR 2020, 439 (450 f.), der sie aber als zu kompliziert ablehnt; s. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  340 (Dezember 2017): „Verfassungsverstoß liegt im Fehlen einer gesetzlichen Härteklausel“; allgemein zum Konzept einer individuellen Lösung s. zuletzt Kempny / Siegel, DStZ  2021, 588 (589 ff.): „Das Problem der jedenfalls in manchen Fällen der Übergangszeit verfassungswidrigen Besteuerung von Rentenzahlungen […] ist u.E. vom Gesetzgeber dergestalt zu lösen, dass bei Eintritt des betreffenden Rentenfalls der Gesamtbetrag der zu Gunsten des jeweiligen Stpfl. aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge zu ermitteln ist und dieser Gesamtbetrag anteilig auf ‚steuerlich absetzbar gewesen‘ mit dem Betrag A (a %) und ‚aus versteuertem Einkommen getragen‘ mit dem Betrag B (b %) aufzuteilen ist (mit a % + b % = 100 %). Sodann sind von den jährlichen betreffenden Rentenzahlungen a % stets zu besteuern, während b % steuerfrei zu belassen sind, bis der Betrag B durch Rückzahlungen ausgeglichen ist. Diese Kappung der Steuerfreiheit ist aus (sozial-)politischen Gründen besser im Wege einer oben vorgestellten pauschalierenden Hilfslösung zu bewirken, wonach die Rückzahlung des Betrags B gleichmäßig auf die statistisch bei Rentenbeginn zu erwartenden Rentenzahlungsjahre verteilt wird“ (S. 592); „Zum Beginn der Auszahlungsphase wird (anhand der jeweils jüngsten verfügbaren amtlichen Sterbetafeln) die statistisch zu erwartende Rentenbezugsdauer R festgestellt. Die Summe B wird alsdann durch R geteilt und hieraus ein jährlicher Rentenfreibetrag ermittelt, der dem Stpfl. für die gesamte Auszahlungsdauer gewährt wird“ (S. 590); ebenso bereits (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) Broer, BB  2004, 527 (529): „Zu diesem Zweck wird die aus versteuertem Einkommen gezahlte Beitragssumme in einen jährlichen Freibetrag umgerechnet. Diesen Freibetrag kann man ermitteln, indem die aus versteuertem Einkommen gezahlten Beiträge durch die Restlebenserwartung dividiert wird“; vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 343 (November 2013) (Altauflage): „Verfassungskonformes Alternativmodell für die Übergangszeit: […]. Der Gesetzgeber hätte die sofortige volle Besteuerung der Renten anordnen und im Gegenzug den Angehörigen der Übergangsjahrgänge einen lebenslangen individuellen Rentenfreibetrag gewähren können. Zur

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

nition der doppelten Besteuerung ausgegangen werden.1336 Was hier praktisch mit Blick auf den entstehenden Verwaltungsaufwand möglich ist, vermag vorliegend nicht beurteilt zu werden; der Gesetzgeber hat sich jedenfalls bei der Schaffung des Alterseinkünftegesetzes mit Blick auf den drohenden Verwaltungsaufwand gegen eine an die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls anknüpfende Regelung entschieden.1337 An dieser Stelle ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung die „strikte“ Vermeidung doppelter Besteuerung „in jedem Fall“ fordert,1338 sodass ohnehin bei Vorliegen hinreichend gewichtiger Anhaltspunkte im Einzelfall geprüft werden muss, ob ein Steuerpflichtiger von doppelter Besteuerung betroffen ist.1339 Ein gewisser Verwaltungsaufwand (bei den Finanzbehörden oder bei den Finanzgerichten) entsteht also zwangsläufig.1340 Zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands könnte im Rahmen einer ergänzenden Härteklausel (neben der bestehenden typisierenden Regelung) dem Steuerpflichtigen nach dem Vorbild des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Hs. 2 EStG und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1341 die Nachweislast für die Höhe der von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge auferlegt werden;1342 Berechnung des Freibetrags wäre von der (typisierend zu ermittelnden) Summe aller im bisherigen Erwerbsleben aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auszugehen; diese Summe wäre durch die weitere statistische Lebenserwartung im Zeitpunkt des Renteneintritts zu dividieren“; ferner Brall / Bruno-Latocha / Lohmann, DRV 2003, 465 (484 ff.); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 219 f. 1336 Insbesondere darf nicht schlicht vom prozentualen Anteil der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge an den insgesamt entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen auf den mindestens erforderlichen steuerfreien prozentualen Anteil der späteren Leistungen geschlossen werden, vgl. soeben oben § 6 II. u. § 3 II. u. III. Ausführlich zu der nach hier vertretener Auffassung richtigen Definition der doppelten Besteuerung s. oben Teil 2. Dem vordergründig auf prozentuale Anteile abstellenden Konzept von Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (589 ff.), s. dazu soeben in Fn. 1335, liegt allerdings in der Sache der Definitionsansatz der h. M. zugrunde, s. oben § 3 II. 1337 Vgl. hierzu (kritisch) Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 343 (November 2013) (Altauflage): „Der Verwaltungsaufwand für eine solche individualisierende Betrachtung wäre bei weitem nicht so hoch gewesen, wie vom Gesetzgeber befürchtet, da die Beitragsdaten aller relevanten Zeiträume der Vergangenheit bei den Rentenversicherungsträgern […] vorhanden und längst EDV-gerecht aufbereitet sind“; vgl. bereits Brall / BrunoLatocha / Lohmann, DRV 2003, 465 (485 f.); auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, 2009, S. 219. 1338 Vgl. zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BVerfG BStBl. II 2016, 310 (Rz. 46, 49); BFHE 254, 545 (Rz. 23) m. w. N. 1339 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 30): „Wird […] substantiiert vorgetragen, dass das Verbot einer doppelten Besteuerung verletzt sei, ist es Aufgabe des FG, dem nachzugehen. Auch insoweit gilt der Amtsermittlungsgrundsatz“. 1340 Vgl. Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 343 (November 2013) (Altauflage): „Der BFH ist zudem inkonsequent, wenn er einerseits die gesetzliche Übergangsregelung mit Vereinfachungsaspekten rechtfertigt, andererseits aber für den – künftigen – Zeitpunkt des Zuflusses der Altersbezüge eine individualisierende Prüfung verlangt, ob eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung eintritt“. 1341 Vgl. BFHE 254, 545 (Rz. 52 ff.). 1342 Dies hat Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 343 (November 2013) (Altauflage) vorgeschlagen.

§ 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 a aa EStG    

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dies dürfte auch bei einer vollständig auf individuelle Verhältnisse abstellenden Regelung möglich sein. Ein Problem bei der Einführung einer zusätzlichen individuellen Steuerentlastung gerade für die von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner (neben der bestehenden typisierenden Regelung) liegt aber darin, dass trotzdem die eindeutig fehlerhafte Typisierung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen bliebe. Das Nebeneinander von eindeutig fehlerhafter Typisierung und einer korrigierenden Individualregelung, die nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, widerspricht dem Sinn der Typisierung. Eine Typisierung ist nur verfassungsgemäß, wenn sie zur Vereinfachung auch geeignet ist.1343 Deshalb ist zweifelhaft, ob das Regelungsgefüge aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und einer die falsche Typisierung korrigierenden Individualregelung verfassungsgemäß wäre. Gegen eine (die bestehende typisierende Regelung ersetzende) vollständig auf individuelle Verhältnisse abstellende Regelung1344 bestehen (bei Zugrundelegung der „richtigen“ Definition der doppelten Besteuerung) grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings ist zweifelhaft, ob ohne Weiteres von der bisherigen Übergangsregelung auf eine vollständig auf individuelle Verhältnisse abstellende Übergangsregelung umgestellt werden könnte. Hier drohen (z. B. mit Blick auf Altfälle) neue Ungleichbehandlungen. Letztlich sollte zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltenen Übergangsregelung eine Korrektur der dort vorgesehenen Typisierung unter Berücksichtigung der „richtigen“ Definition der doppelten Besteuerung1345 erfolgen (ggf. kann – je nach „Qualität“ der neuen Typisierung – zusätzlich eine Härteklausel erforderlich werden), konkret eine weitere Verlängerung der Übergangsphase über das Jahr 2040 hinaus mit einem flacheren Anstieg des „Besteuerungsanteils in %“, wie dies zuletzt auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach den jüngsten Urteilen des Bundesfinanzhofs vorgeschlagen hat.1346 Jedenfalls wäre doppelte Besteuerung wohl 1343

S. nur Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn.  454 (Oktober 2020). Dafür zuletzt wohl Kempny / Siegel, DStZ 2021, 588 (589 ff.); dazu s. oben Fn. 1335. 1345 Vgl. soeben Fn. 1336. 1346 S. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rente-scholz-besteuerung-1.5334403 (letzter Abruf am 20. 9. 2021): „Der Bild am Sonntag sagte Scholz: ‚[…]. Zweitens will ich die volle Besteuerung der Renten weiter nach hinten schieben – sie soll erst 2060 wirksam werden und nicht, wie bislang vorgesehen, schon 2040‘“. Gefordert wurde dies auch schon im Antrag der Fraktion DIE LINKE („Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden“) in BTDrucks. 19/10282, S. 2 u. ebenso anschließend im Antrag der Fraktion der AfD („Abschaffung der Renten-Doppelbesteuerung“) in BT-Drucks. 19/10629, S. 5. Dagegen aber Dommermuth, FR 2020, 439 (450 f.): Der Übergangszeitraum sei ohnehin zu lang, es würden auch Personen begünstigt, die nicht von doppelter Besteuerung betroffen sind und „die nachgelagerte Besteuerung [benötige] in einer Welt drastischer demografischer Verschiebungen von Jung zu Alt möglichst schnell möglichst hohe steuerpflichtige Rentenanteile […], um das Steueraufkommen trotz dieser Strukturänderungen zu stabilisieren“; kritisch auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn. 340 (Dezember 2017): „Es handelt es hier nicht etwa um eine Frage der weiteren Verlängerung der – ohnehin viel zu lang geratenen – Übergangszeit […], sondern um die Notwendigkeit einer besseren Abstimmung zwischen abziehbarem Aufwand einerseits und dem Umfang der Besteuerung andererseits“. 1344

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

ausgeschlossen, wenn der „Besteuerungsanteil in %“ erst für Steuerpflichtige mit Rentenbeginn ab dem Jahr 2070 auf 100 Prozent festgelegt würde.1347 Zu beachten ist aber auch, dass es durch die Entlastung der Sozialversicherungsrentner nicht erneut zu einer verfassungswidrigen Besserstellung der Sozialversicherungsrentner im Verhältnis zu den Beamtenpensionären, die BVerfGE 105, 73 beanstandet hatte, kommen darf;1348 die Sozialversicherungsrentner dürfen deshalb im Ergebnis nur insoweit entlastet werden, als dies zu Vermeidung doppelter Besteuerung erforderlich ist. Theoretisch würde auch die Einführung der sofortigen vollständigen Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben, d. h. eine Erhöhung des Prozentsatzes nach § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG auf 100 Prozent (die Olaf Scholz ebenfalls zuletzt vorgeschlagen hat1349), Abhilfe schaffen, allerdings sind im Jahr 2021 bereits 92 Prozent der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben abziehbar, sodass der Effekt dieser Erhöhung praktisch gering wäre.1350

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall Zuletzt soll es darum gehen, wie im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Prozess mit Steuerpflichtigen umzugehen ist, die (möglicherweise) von doppelter Besteuerung betroffen sind. Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof fordern die „strikte“ Vermeidung doppelter Besteuerung „in jedem Fall“.1351 Bislang hat, soweit ersichtlich, kein Gericht in einem konkreten Einzelfall das Vorliegen verfassungswidriger doppelter Besteuerung bejaht.1352 Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs soll der Steuerpflichtige bei Vorliegen doppelter Besteuerung einen 1347 Dahinter steht die Überlegung, dass ein Steuerpflichtiger nach momentan geltendem Recht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG seine Rentenversicherungsbeiträge ab 2025 vollumfänglich als Sonderausgaben abziehen kann, sodass bei einer unterstellten Erwerbsphase von 45 Jahren ab dem Jahr 2070 eine vollumfängliche Besteuerung der Altersrenten ohne doppelte Besteuerung möglich ist, vgl. dazu schon oben § 6 II. 1348 S. auch Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 4. c). 1349 S. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rente-scholz-besteuerung-1.5334403 (letzter Abruf am 20. 9. 2021): „Der Bild am Sonntag sagte Scholz: ‚Erstens möchte ich die Beiträge zur Rentenversicherung nicht erst 2025 steuerlich voll absetzbar machen, sondern vorher. […]‘“. 1350 So auch Dommermuth, FR 2020, 439 (450); Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 4. c). 1351 Zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BFHE 254, 545 (Rz. 23) m. w. N. 1352 BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 46 ff.) stellte im entschiedenen Fall zwar fest, dass „[d]ie […] nachgelagerte Besteuerung der gesetzlichen Altersrente einschließlich der Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung abzgl. des individuellen Rentenfreibetrags nach Maßgabe der vom Senat vertretenen Berechnungsgrundsätze und -parameter […] eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften zur Folge [hat], so dass jene Rente für das Streitjahr rechnerisch iHv 42 € doppelt besteuert worden wäre […]. [Jedoch liegt] [d]iese verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässige doppelte Besteuerung […] unterhalb der Steuerentlastung der Kläger iHv … € wegen der dem Kläger vom FA rechtswidrig aufgedrängten Anwendung der Öffnungsklausel. Aufgrund der Saldierungspflicht des Senats ist eine Rechtsverletzung der Kläger daher ausgeschlossen“ (Rz. 46) (Hervorhebungen nur hier).

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall  

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„Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs“ haben. Was damit gemeint ist, ist bislang nicht geklärt (s. unten I.). Die Feststellungslast für das Vorliegen einer doppelten Besteuerung im Einzelfall liegt nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beim Steuerpflichtigen; entsprechende Berechnungen sind aber durch die Finanzbehörde bzw. das Finanzgericht durchzuführen. In aller Regel dürfte eine Entscheidung nach objektiver Beweislast bzw. Feststellunglast nicht in Betracht kommen, weil fast immer eine Schätzung der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge möglich sein wird (s. unten II.). Nach den jüngsten Urteilen des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 20211353 ist aus dem Bundesfinanzministerium zu vernehmen, dass jedem Steuerpflichtigen, der eine doppelte Besteuerung seiner Altersbezüge vermutet, die Möglichkeit der Überprüfung gegeben werden soll. Derzeit wird vom Bundesfinanzministerium und den obersten Finanzbehörden der Länder ein BMF-Schreiben zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesfinanzhofs (betreffend die konkret erforderlichen Berechnungen) erarbeitet.1354 Mit BMF-Schreiben vom 30. 8. 2021 wurden die Finanzbehörden (vor dem Hintergrund der beiden beim Bundesverfassungsgericht gegen die jüngsten Urteile des Bundesfinanzhofs anhängigen Verfassungsbeschwerden1355) angewiesen, die Einkommensteuer für Leibrenten und andere Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (für Veranlagungszeiträume ab 2005) gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festzusetzen.1356 Damit sind Steuerpflichtige nun nicht mehr gezwungen, ihren Fall durch Einspruch offenzuhalten, um von einer zukünftigen höchstrichterlichen Entscheidung oder einer gesetzlichen Neuregelung zu profitieren.1357 Nach dem BMF-Schreiben vom 30. 8. 2021 ist in Steuerbescheide, die einen entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk enthalten, der folgende Hinweis betreffend die Feststellungslast aufzunehmen: „Sollte nach einer künftigen Entscheidung des BVerfG oder des BFH dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen“1358.

1353

BFH DStR 2021, 1291 u. BFH DStRE 2021, 773. So die Ankündigungen im Rahmen des vom Bundesfinanzministerium veranstalteten 2. Steuerforums der Finanzverwaltung am 7. 9. 2021. 1355 Az. des BVerfG: 2 BvR 1140/21 (betreffend BFH DStR 2021, 1291) u. 2 BvR 1143/21 (betreffend BFH DStRE 2021, 773). 1356 BMF-Schreiben v. 30. 8. 2021, IV A 3 – S 0338/19/10006 :001, DStR 2021, 1236. 1357 Zum Zweck der vorläufigen Steuerfestsetzung s. nur Gercke, in: Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 165 Rn. 2. 1358 BMF-Schreiben v. 30. 8. 2021, IV A 3 – S 0338/19/10006 :001, DStR 2021, 1236. 1354

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

I. Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Milderung des Steuerzugriffs Der Bundesfinanzhof nimmt an, dass einem von doppelter Besteuerung betroffenen Steuerpflichtigen „aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gebote der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der folgerichtigen Ausgestaltung der Besteuerung, Verbot einer Übermaßbesteuerung) ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen [kann]“1359. Schon an dieser Formulierung („besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls“) wird deutlich, dass es dem Bundesfinanzhof nur um atypische Einzelfälle geht. Dazu passt auch, dass der Bundesfinanzhof die Pflicht zur Verwirklichung des Anspruchs jeweils beim Finanzgericht verortet sieht, nicht etwa beim Gesetzgeber.1360 Der Bundesfinanzhof will das Vorliegen doppelter Besteuerung nur (noch) im konkreten Einzelfall prüfen und hält § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG offenbar auch unter dem Gesichtspunkt der doppelten Besteuerung für verfassungsgemäß, d. h. er nimmt an, dass im Regelfall keine doppelte Besteuerung auftritt.1361 Sofern man die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Typisierung mit der hier vertretenen Auffassung1362 für verfassungswidrig hält, kann der vom Bundesfinanzhof benannte Anspruch auf Milderung des Steuerzugriffs nicht zum Tragen kommen. Das wird auch daran deutlich, dass zur konkreten Umsetzung des Anspruchs ein Billigkeitserlass (§§ 163, 227 AO)1363 oder eine analoge Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG1364 vorgeschlagen werden.1365 Denn zum einen kommen Billigkeitsmaßnahmen jedenfalls nicht zur „Reparatur“ einer verfassungswidrigen 1359

BFHE 254, 545 (Rz. 24); s. auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). BFHE 254, 545 (Rz. 30): „Wird aber – wie von den Klägern im Streitfall – substantiiert vorgetragen, dass das Verbot einer doppelten Besteuerung verletzt sei, ist es Aufgabe des FG, dem nachzugehen. Auch insoweit gilt der Amtsermittlungsgrundsatz“. 1361 Vgl. BFHE 254, 545 (Leitsatz 1 u. Rz. 20, 25, 27, 54); BFH / NV 2015, 1369 (Rz. 23); zuletzt auch BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 1 u. 2). 1362 S. oben § 6 II. 1363 Birk / Wernsmann, in: Ruland / Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, 2008, § 9 Rn. 24 Fn. 91; s. auch Nöcker, jurisPR-SteuerR 44/2018 Anm. 2 unter D.: „Vor einer konkreten Normenkontrolle kann es nötig sein, die Finanzverwaltung zunächst zu einer Billigkeitsentscheidung im konkreten Einzelfall aufzufordern“; Reddig, DB 2021, 1496 (1501): „Jedenfalls im Einzelfall (!) könnte die Finanzverwaltung […] gem. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO helfen […]. Eine dauerhafte Lösung kann (und sollte) dies im Hinblick auf die strengen Vorgaben des Großen Senats aus dem Jahr 2016 zur Befugnis der Verwaltung, Billigkeitsregelungen jenseits des Gesetzes zu treffen, natürlich nicht sein“. 1364 Weber-Grellet, FR 2017, 399 (400); ders., in: Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 22 Rn. 7; auch Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, 23. Aufl. 2020, Rn. 826. 1365 Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  340 (Dezember 2017): „Abhilfe kann weder durch eine verfassungskonforme Auslegung noch durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall geschaffen werden“. 1360

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall  

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gesetzlichen Typisierung, bei der der typische Fall nicht realitätsgerecht im Gesetz abgebildet wird, in Betracht.1366 Nur in atypischen Einzelfällen kann den Grundrechten im Zusammenhang mit typisierenden Regelungen mit Hilfe von Billigkeitsmaßnahmen Geltung verschafft werden.1367 Und zum anderen liegt die Analogievoraussetzung der planwidrigen Regelungslücke mit Blick auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG nicht vor: Der Gesetzgeber hatte zwar den Plan, doppelte Besteuerung während der Übergangsphase in allen realitätsgerechten Fällen zu vermeiden.1368 Jedoch verfolgte der Gesetzgeber diesen Plan vor allem mit der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltenen typisierenden Übergangsregelung.1369 Dem Gesetzgeber ging es darum, die aufwendige Prüfung, ob im Einzelfall doppelte Besteuerung vorliegt, zu vermeiden. Auch die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG ist aufgrund der Anknüpfung an in Zahlen gefasste Tatbestandsmerkmale (10-JahreGrenze; Entrichtung von Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung) relativ einfach handhabbar. Würde man nun § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG dergestalt analog anwenden, dass man das Vorliegen doppelter Besteuerung zur Voraussetzung der teilweisen Ertragsanteilsbesteuerung der Renten macht, würde dies dazu führen, dass in jedem Einzelfall (jedenfalls dann, wenn es entsprechende Anhaltspunkte gäbe) zu prüfen wäre, ob doppelte Besteuerung vorliegt. Damit würde man nicht den Plan des Gesetzgebers verwirklichen, sondern man würde ihm zuwiderhandeln. Eine allgemeine Härteklausel hat der Gesetzgeber des Alterseinkünftegesetzes gerade nicht vorgesehen.1370 Nach hier vertretener Auffassung besteht also (weil die in § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst.  a Doppelbuchst.  aa EStG enthaltene Typisierung als verfassungswidrig beurteilt wird) keine sinnvolle Möglichkeit einer Überprüfung der doppelten Besteuerung im Einzelfall, weder durch die Finanzverwaltung1371 noch durch die Rechtsprechung. Jedenfalls könnte einer festgestellten doppelten Besteuerung nicht abgeholfen werden, weil weder die Voraussetzungen eines Billigkeitserlas 1366

S. nur Rüsken, in: Klein, AO, 15. Aufl.  2020, § 163 Rn. 40 m. w. N.; zuletzt Kulosa, HFR 2021, 648, Anmerkung unter 1: „Der Ausweg ins Billigkeitsverfahren ist wohl dadurch versperrt, dass die Zahl der betroffenen Fälle (jedenfalls in Zukunft) einfach zu groß ist, was nach traditioneller Dogmatik nicht mehr im Billigkeitsverfahren gelöst werden kann, sondern die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes als solches in Frage stellt“. 1367 S. nur von Groll, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 227 AO Rn.  180 (Januar 2016) m. w. N. 1368 S. BR-Drucks. 2/04, S. 45. 1369 Zu dieser s. oben § 2 I. 2. a). 1370 Vgl. auch Kulosa, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG / KStG, § 10 EStG Rn.  340 (Dezember 2017). 1371 Rechtspolitisch wird die Möglichkeit einer Überprüfung durch die Finanzverwaltung gefordert, s. z. B. Bruno-Latocha, Schriftliche Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29. 1. 2020, Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/72, Anlage 5, S. 6 f.; auch BT-Drucks. 19/10282, S. 2: Antrag von DIE LINKE.

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

ses (§§ 163, 227 AO) noch diejenigen einer analogen Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG vorliegen. Vielmehr muss wegen der Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG angestrebt werden.1372 Zu beantworten bleibt noch die Frage, wie der vom Bundesfinanzhof formulierte Anspruch des Steuerpflichtigen auf Milderung des Steuerzugriffs konkret umzusetzen ist, wenn man die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Typisierung entgegen der hier vertretenen Auffassung1373 für verfassungsgemäß hält (etwa, weil eine Definition der doppelten Besteuerung zugrunde gelegt wird, die von der hier vertretenen Definition abweicht). Die folgenden Ausführungen gehen also von der Annahme aus, dass es nur in atypischen Einzelfällen zu doppelter Besteuerung kommt. Auch dann ist mit der soeben angeführten Argumentation davon auszugehen, dass eine analoge Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, die (vor Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung) gegenüber einem Billigkeitserlass vorrangig wäre1374, ausscheidet. Es war gerade nicht der Plan des Gesetzgebers, dass im Rahmen der Anwendung des § 22 EStG allgemein zu prüfen ist, ob im Einzelfall doppelte Besteuerung vorliegt. An dieser Bewertung ändert sich auch dadurch nichts, dass man unterstellt, dass es nur in atypischen Einzelfällen zu doppelter Besteuerung kommt. Denn davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen und er hat trotzdem bewusst keine allgemeine Härteklausel vorgesehen. Jedoch sind die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses (§§ 163, 227 AO) wegen sachlicher Unbilligkeit zu bejahen. „Die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen in besonderen Einzelfällen flankiert die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers“1375. Der Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit kommt anerkanntermaßen gerade dann in Betracht, wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall zu einem Grundrechtsverstoß (hier: doppelte Besteuerung) führen würde; der Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit dient dann der Gesetzeskorrektur im atypischen Einzel 1372

Vgl. FG Baden-Württemberg EFG 2020, 116 (Rz. 48): „Eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung […], die ggf. eine Ermäßigung des steuerpflichtigen Teils der Rente im Wege einer verfassungskonformen Auslegung […] oder […] Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erfordern würde“; Nöcker, jurisPR-SteuerR 44/2018 Anm. 2 unter D.: „Vor einer konkreten Normenkontrolle kann es nötig sein, die Finanzverwaltung zunächst zu einer Billigkeitsentscheidung im konkreten Einzelfall aufzufordern“; ders., jurisPR-SteuerR 25/2021 Anm. 1 unter C.: „Nicht behandelt hat der BFH die Frage, was konkret die Folge einer festgestellten doppelten Besteuerung der Rente ist – ob er also den Einzelfall bereits dem BVerfG zur Prüfung und Feststellung der Verfassungswidrigkeit vorzulegen hat – oder ggf. zunächst das Finanzamt zur abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) auffordern muss“. 1373 S. oben § 6 II. 1374 S. Loose, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 227 AO Rn. 45, 71 (April 2020) u. Oellerich, in: Gosch, AO / FGO, § 163 AO Rn. 53 (Januar 2017) jeweils m. w. N. 1375 BFH BStBl. II 2013, 498 (Rz. 57).

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall  

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fall.1376 Ausnahmsweise besteht dabei auch eine verfassungsrechtliche Pflicht, den Grundrechten im Rahmen eines Billigkeitserlasses Geltung zu verschaffen,1377 sodass das in §§ 163, 227 AO vorgesehene Ermessen auf null reduziert ist und der Steuerpflichtige einen entsprechenden Anspruch hat. Davon ist beim Vorliegen doppelter Besteuerung in Anbetracht des vom Bundesfinanzhof angenommenen „Anspruch[s] auf eine Milderung des Steuerzugriffs“1378 und der Forderung der Rechtsprechung nach einer „strikten“ Vermeidung doppelter Besteuerung „in jedem Fall“1379 auszugehen.

II. Feststellungslast für das Vorliegen doppelter Besteuerung beim Steuerpflichtigen Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil aus dem Jahr 2016 im Rahmen eines obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Feststellungslast für das Vorliegen doppelter Besteuerung beim Steuerpflichtigen liegt, weil dieser aus dem Vorliegen der doppelten Besteuerung eine für ihn günstige Rechtsfolgen, nämlich die Milderung der Besteuerung seiner Altersbezüge, ableiten will.1380 Diesen Hinweis hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen aus dem Jahr 2021 wiederholt.1381 Er entspricht der allgemeinen Grundregel, dass jeder Beteiligte die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm trägt, ohne deren Anwendung sein Begehren keinen Erfolg haben würde.1382 Es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend Ausnahmen von dieser Grundregel eingreifen.1383 Der Steuerpflichtige muss demnach Darlegungen machen zur Erwerbsbiographie und dem Rentenversicherungsverlauf.1384 Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass dem Steuerpflichtigen entsprechende Unterlagen in aller Regel vorliegen werden.1385 Die Feststellungslast erstreckt sich aber auch auf die frühere einkommensteuerrechtliche Behandlung der Rentenversicherungsbeiträge des Steuerpflichtigen.1386 Allerdings ist – darauf weist der Bundesfinanzhof ausdrücklich hin – keine lückenlose Vorlage der Einkommensteuerbescheide aus der Vergangenheit erforder 1376 S. nur Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, 23. Aufl. 2020, Rn. 278; Loose, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 227 AO Rn. 77 (April 2020) m. w. N. 1377 BFH BStBl. II 1995, 824 (826); Loose, in: Tipke / Kruse, AO / FGO, § 227 AO Rn.  77 (April 2020). 1378 BFHE 254, 545 (Rz. 24); BFH DStR 2021, 1291 (Leitsatz 2 u. Rz. 21). 1379 Zu diesen und ähnlichen Formulierungen in der Rspr. BFHE 254, 545 (Rz. 23) m. w. N. 1380 BFHE 254, 545 (Rz. 52). 1381 BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 22); DStRE 2021, 773 (Rz. 51). 1382 Dazu Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Auflage 2019, § 96 Rn. 181. 1383 Zu den Ausnahmen Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Auflage 2019, § 96 Rn. 182 ff. 1384 BFHE 254, 545 (Rz. 53); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 51). 1385 BFHE 254, 545 (Rz. 53). 1386 BFHE 254, 545 (Rz. 54); BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 51).

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3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung

lich.1387 Vielmehr könne unter Zugrundelegung der Rentenversicherungsverläufe im Rahmen eines „einfachen Rechenvorgangs“ der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung für jeden Veranlagungszeitraum ermittelt werden, der dann die Tatsachengrundlage für die Anwendung der jeweils gültigen Fassung des § 10 Abs. 3 EStG bilde.1388 In dem oben angesprochenen Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2016 wird nicht ganz klar, ob nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die bloße Vorlage der Rentenversicherungsverläufe ausreicht oder ob der Steuerpflichtige auch eigene Berechnungen anstellen muss. Da es sich bei den Berechnungen bereits um Rechtsanwendung handelt, ist richtigerweise davon auszugehen, dass diese vom Finanzgericht durchzuführen sind.1389 In einem Urteil aus dem Jahr 2021 hat nun auch der Bundesfinanzhof allgemein klargestellt, dass die „Berechnung einer möglichen doppelten Besteuerung, die sich aus den […] vorgebrachten Tatsachen hätte ableiten lassen, […] nicht von den Darlegungserfordernissen umfasst, sondern […] gerade Bestandteil der dem Gericht obliegenden Rechtsanwendung [ist]“1390. Weiter führt der Bundesfinanzhof aus, dass der Anteil der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zu schätzen ist, falls dem Steuerpflichtigen einzelfallbezogene Angaben ausnahmsweise nicht möglich oder zumutbar sind.1391 Vorstehend mit Blick auf den finanzgerichtlichen Prozess Gesagtes gilt im Verwaltungsverfahren entsprechend.1392 Gegen die soeben dargelegte Auffassung des Bundesfinanzhofs zur Feststellungslast wird die Kritik vorgebracht, dass der Bundesfinanzhof „damit eine fast 1387 BFHE 254, 545 (Rz. 56); das übersieht anscheinend Karrenbrock, DStR 2018, 844 (851): „So werden in Unkenntnis der Entscheidungen des BFH nur wenige Steuerpflichtige entsprechende Unterlagen über einen entsprechend langen Zeitraum aufbewahren“; in BFH DStR 2021, 1291 (Rz. 22) ist von „gewisse[n] Darlegungserleichterungen“ die Rede; s. zuletzt auch Kulosa, jM 2021, 337 (342): „Der von unterschiedlicher Seite gegen die Finanzverwaltung erhobene Vorwurf, sie verlange von den Rentnern die Aufbewahrung und Vorlage sämtlicher Einkommensteuerbescheide der gesamten Zeit der Erwerbstätigkeit, geht damit ins Leere. Die Vorlage von Steuerbescheiden wird in aller Regel nicht erforderlich sein, um eine doppelte Besteuerung hinreichend genau ermitteln oder ausschließen zu können“. 1388 BFHE 254, 545 (Rz. 56). Das gilt aber nur eingeschränkt, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung (abweichend vom BFH) annimmt, dass bei der Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug nach altem Recht von der Gleichrangigkeit sämtlicher Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen) auszugehen ist; s. dazu oben § 5 I. 1389 S. Nöcker, NWB 2016, 3432 (3433): „Dazu kann er sich auch der Rentenversicherungsverläufe bedienen, aus denen das Finanzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die weiteren Tatsachen herleiten muss“; anders wohl Giesl, in: EStG-eKommentar, § 22 EStG Rn. 57.1 (Januar 2018): „[D]abei verkennt der BFH m. E. jedoch völlig die Tatsache, dass nicht jeder Rentenempfänger über das nötige steuerliche Fachwissen verfügt, das dieser Berechnung zu Grunde gelegt wird“. 1390 BFH DStRE 2021, 773 (Rz. 52). 1391 BFHE  254, 545 (Rz. 57 f.); BFH DStR  2021, 1291 (Rz. 22); BFH DStRE  2021, 773 (Rz. 51). 1392 S. auch Nöcker, jurisPR-SteuerR 25/2021 Anm. 1 unter D.: „Nichts anderes gilt für das Steuerverfahren beim Finanzamt“.

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall  

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unüberwindbare Hürde für die Beweisführung geschaffen [hat]“1393 und dass „[d]iese Aussage […] auch dem vom BVerfG aufgestelltem Grundsatz [widerspricht], dass es in keinem Fall zu einer doppelten Besteuerung kommen darf“1394. Allerdings sind die Anforderungen des Bundesfinanzhofs bei näherem Hinsehen keineswegs unerfüllbar. Es müssen lediglich Unterlagen vorgelegt werden, die in der Regel auch vorhanden sein werden. Berechnungen müssen vom Steuerpflichtigen nicht zwingend durchgeführt werden. Zu kritisieren ist aber ein anderer Punkt: Die Frage nach der objektiven Beweislast bzw. Feststellunglast stellt sich erst, wenn das Gericht alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung ausgeschöpft hat; die Entscheidung nach objektiver Beweislast bzw. Feststellunglast ist ultima ratio.1395 Insbesondere darf eine Entscheidung nach objektiver Beweislast bzw. Feststellunglast nicht getroffen werden, wenn eine Schätzung nach § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO möglich ist.1396 Vorliegend dürfte, darauf weist der Bundesfinanzhof selbst hin, fast immer eine Schätzung der Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge in Betracht kommen. Deshalb war die deutliche Stellungnahme des Bundesfinanzhofs zur Feststellungslast jedenfalls nicht erforderlich.

1393 Giesl, in: EStG-eKommentar, § 22 EStG Rn. 57.1 (Januar 2018); vgl. auch (wenngleich im Ergebnis kaum kritisch) Weber-Grellet, FR 2017, 399 (400): „Aufgrund der Entscheidung des X. Senats stehen dem Steuerpflichtigen alle Türen offen, diesen Nachweis, der allerdings höchst aufwendige Ermittlungen erfordert, zu führen“. 1394 Giesl, in: EStG-eKommentar, § 22 EStG Rn. 57.1 (Januar 2018). 1395 Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Auflage 2019, § 96 Rn. 180; Schmidt, Die Problematik der objektiven Beweislast im Steuerrecht, 1998, S. 257 f. 1396 Söhn, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 88 AO Rn.  343 (März  2010); auch Schmidt, Die Problematik der objektiven Beweislast im Steuerrecht, 1998, S. 258; vgl. ferner Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Auflage 2019, § 96 Rn. 180: „Für die Anwendung der Beweislastregeln ist demnach kein Raum, wenn die Tatsachen zB auf der Grundlage eines verminderten Beweismaßes […] festgestellt werden können“.

Zusammenfassung 1. Teil: Ausgangslage § 1 „Quelle“ und „dogmatische Herleitung“ sowie Inhalt des sog. Verbots der doppelten Besteuerung Bei der Bestimmung der „Quelle“ bzw. „dogmatischen Herleitung“ des Verbots der doppelten Besteuerung ist davon auszugehen, dass sich Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (trotz des Umlageverfahrens bei der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung) teilweise als Kapitalrückfluss bzw. -rückzahlung darstellen. Deshalb wird untersucht, welche Vorgaben das Grundgesetz für die intertemporale Abstimmung der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Besteuerung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, andererseits macht. Die Untersuchung zeigt, dass sich derartige Vorgaben (in Übereinstimmung mit BVerfGE 105, 73) nur aus dem Folgerichtigkeitsgebot ableiten lassen, welches eine bereichsspezifische Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt. Das Folgerichtigkeitsgebot bewirkt eine verfassungsrechtliche Bindung des einfachen Gesetzgebers an selbst getroffene Belastungsgrundentscheidungen. Dem EStG lässt sich die Belastungsgrundentscheidung entnehmen, dass bei der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der bereits bei der Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogene Nominalbetrag des im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung intertemporal transferierten Einkommens nicht (ein weiteres Mal) in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden darf. Diesen Nominalbetrag kann man zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs auch als das Ergebnis eines erfolgsneutralen Vermögenstauschs (so BVerfGE  105,  73) bzw. einer bloßen Umschichtung von Privatvermögen oder auch als Rückfluss bzw. Rückzahlung von aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen bezeichnen. Keine Vorgaben für die intertemporale Abstimmung zwischen der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Besteuerung der Einkünfte, aus denen die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, ergeben sich hingegen aus dem objektiven Nettoprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Aus dem objektiven Nettoprinzip ergibt sich schon kein Gebot der Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge. Außerdem ist das objektive Nettoprinzip ein Abzugsgebot für Ausgaben, nicht aber ein Besteuerungsverbot für Einnahmen.

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Unmittelbar aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergibt sich die Verfassungswidrigkeit der doppelten Besteuerung deshalb nicht, weil aus diesem abstrakten Prinzip keine absolute Obergrenze für die Besteuerung abgeleitet werden kann und weil das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Lebenseinkommensbesteuerung jedenfalls nicht zwingend vorschreibt. Auch aus Art. 14 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich kein Verbot der doppelten Besteuerung, weil auch aus den Freiheitsgrundrechten (aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip) – abgesehen von äußersten Grenzen (keine Erdrosselung, keine konfiskatorische Wirkung) – keine absolute Obergrenze für die Besteuerung folgen kann. Schließlich vermag die Annahme einer Ungleichbehandlung zwischen doppelt besteuerten Rentnern und nur einmal besteuerten Rentnern die Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung wegen der Relativität des Gleichheitssatzes ebenfalls nicht zu begründen.

§ 2 Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen Verursacht wird doppelte Besteuerung (gegebenenfalls) durch das Zusammenspiel von nur beschränkter steuerlicher Entlastung der zur Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge eingesetzten Einkünfte einerseits und zu starker steuerlicher Belastung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits. Deshalb müssen zum einen die seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes im Jahr 2005 geltenden Vorschriften des EStG über die Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und zum anderen die heutigen und früheren Vorschriften (aus der Zeit vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) über die steuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen in den Blick genommen werden. Die Auseinandersetzung mit § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zeigt, dass alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen, steuerbar sind. Einige Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, vor allem Sach- und Dienstleistungen, sind nach § 3 EStG steuerfrei. Der Umfang der Besteuerung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung hängt nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG vom Jahr des Rentenbeginns ab. Bei Rentnern mit Rentenbeginn ab dem Jahr 2040 unterliegen die Renten vollumfänglich der Einkommensteuer. Bei Rentenbeginn bis zum Jahr 2039 steigt der Besteuerungsanteil schrittweise (je Rentnerkohorte) an. Das hängt damit zusammen, dass momentan ein durch das Alterseinkünftegesetz von 2005 eingeleiteter Systemwechsel von der Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung stattfindet.

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Die der Vermeidung doppelter Besteuerung dienende Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG erweist sich als verfassungswidrig. Sie bewirkt Ungleichbehandlungen, die nicht durch die Notwendigkeit der Verwaltungsvereinfachung bzw. -praktikabilität gerechtfertigt werden können. Die einkommensteuerliche Behandlung der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen ist in ihren Grundlinien seit langer Zeit unverändert geregelt. Vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge sind und waren nach § 10 EStG als Sonderausgaben steuermindernd abziehbar. Bei Arbeitnehmern sind und waren die Arbeitgeberanteile gemäß § 3 Nr. 62 EStG (oder seinen Vorgängernormen) steuerfrei. Bis zum Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes galt für den Sonderausgabenabzug sämtlicher Vorsorgeaufwendungen (Beiträge zu Renten-, Kranken-, Unfall-, Pflege-, Haftpflicht-, Arbeitslosen- und Lebensversicherungen sowie an Bausparkassen) ein einheitlicher Höchstbetrag, der sehr niedrig bemessen war. Seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes gibt es nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG einen eigenen Höchstbetrag für Altersvorsorgeaufwendungen, der sehr großzügig bemessen ist. In der Zeit von 2005 bis 2024 hängt der Umfang des Sonderausgabenabzugs für Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG wegen des Systemwechsels von der Ertragsanteils­besteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung vom Jahr der Beitragsentrichtung ab; der abziehbare Anteil nimmt im Laufe der Zeit zu.

2. Teil: Die Definition der doppelten Besteuerung § 3  Definitionsansatz Zur Beantwortung der Frage, ob doppelte Besteuerung vorliegt, sind mit Blick auf einen Steuerpflichtigen die folgenden beiden Größen zu vergleichen: einerseits die Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge (in Euro) und andererseits die Summe bestimmter insgesamt steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (in Euro). Übersteigt die zuerst genannte Vergleichsgröße die zweite Vergleichsgröße, dann liegt doppelte Besteuerung vor. Eine Bagatellgrenze ist abzulehnen. In die Vergleichsbetrachtung sind Nominalwerte einzustellen. Dieser Definitionsansatz lässt sich aus einer Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers ableiten, die in Verbindung mit dem Folgerichtigkeitsgebot Verfassungsrang hat. Nicht überzeugen können die insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vertretenen (vom soeben geschilderten Definitionsansatz abweichenden) Definitionsansätze, denen die Vorstellung zugrunde liegt, dass die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung richtigerweise zu genau demjenigen Prozentsatz nachgelagert besteuert werden sollten, zu dem die Rentenversicherungsbeiträge aus nicht versteuertem Einkommen entrichtet wurden, und im Übrigen nur

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mit einem Ertragsanteil oder überhaupt nicht. Denn diese Definitionsansätze lassen sich nicht auf verfassungsrechtliche Vorgaben zurückführen.

§ 4 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe bestimmter steuerunbelastet bezogener Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ Es ergibt sich, dass nur Renten wegen Alters nach § 33 Abs. 2 SGB VI (inklusive etwaiger Steigerungsbeträge nach § 269 SGB VI) sowie die in Verbindung mit Renten wegen Alters erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner nach § 249a SGB V bzw. § 106 SGB VI überhaupt doppelter Besteuerung unterliegen können. Ohne Bedeutung für die Frage, ob eine Leistung von doppelter Besteuerung betroffen sein kann, ist es, wenn ein Versorgungsausgleich durchgeführt wurde. Nicht von doppelter Besteuerung können aber betroffen sein die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 33 Abs. 3 SGB VI und die Renten wegen Todes nach § 33 Abs. 4 SGB VI. Der Grund dafür ist, dass sich nur an das Alter anknüpfende Leistungen als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens (oder mit anderen Worten: als Rückfluss bzw. Rückzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen) darstellen. Die Rentenversicherungsbeiträge lassen sich dementsprechend unter anderem in einen Sparanteil und einen Risikoanteil aufspalten (ein weiterer Beitragsanteil dient der Finanzierung von Verwaltungskosten der Rentenversicherungsträger). Nur der Sparanteil wird intertemporal transferiert. Der Risikoanteil der Rentenversicherungsbeiträge dient der Finanzierung des Versicherungsschutzes gegen die „echten“ Risiken der Erwerbsminderung und des Todes für den aktuell laufenden Versicherungszeitraum. Mit Ablauf des jeweiligen Versicherungszeitraums ist der Risikoanteil der Rentenversicherungsbeiträge als verbraucht anzusehen. Einen steuerunbelasteten Leistungsbezug im Sinne des Definitionsansatzes bewirkt nur der steuerfreie Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG, nicht aber der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 14 EStG, der Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG oder der Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c EStG. Das ergibt sich in den meisten Fällen letztlich daraus, dass die genannten Entlastungsbeträge die einkommensteuerliche Freistellung des Existenzminimums bezwecken und durch diesen Zweck das Steuerentlastungspotential der Entlastungsbeträge verbraucht wird. Daher bleibt kein Steuerentlastungspotential übrig, das eine einkommensteuerliche Vorbelastung von zurückfließenden Rentenversicherungsbeiträgen ausgleichen könnte. Lediglich beim Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG und beim Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c EStG, die nur ein geringes zahlenmäßiges Gewicht haben, sind Praktikabilitätsgründe ausschlagge-

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bend, was unproblematisch ist, weil sich die Nichtberücksichtigung der Pauschbeträge zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. Zur Ermittlung der Summe der insgesamt steuerunbelastet bezogenen Altersrenten ist die Summe der jährlich steuerunbelastet bezogenen Altersrenten zu multiplizieren mit der weiteren statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Rentenbeginns. Maßgeblich ist die statistische Restlebenserwartung nach der Sterbetafel des statistischen Bundesamts. Leistungen an etwaige Hinterbliebene sind an dieser Stelle nicht zu berücksichtigen, weil sich diese nicht als Auszahlung intertemporal transferierten Einkommens darstellen und daher nicht von doppelter Besteuerung betroffen sein können.

§ 5 Konkretisierung der Vergleichsgröße „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ Vom Steuerpflichtigen selbst getragene Rentenversicherungsbeiträge sind dann nicht im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichtet, wenn sie tatsächlich gemäß § 10 EStG als Sonderausgaben steuermindernd berücksichtigt wurden. Bei Arbeitnehmern sind die gemäß § 3 Nr. 62 EStG (oder seinen Vorgängernormen) steuerfreien Arbeitgeberanteile aus unversteuertem Einkommen entrichtet. Der nach altem Recht (vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) für sämtliche Vorsorgeaufwendungen (Beiträge zu Renten-, Kranken-, Unfall-, Pflege-, Haftpflicht-, Arbeitslosen- und Lebensversicherungen sowie an Bausparkassen) einheitliche Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 3 EStG a. F. ist auf die unterschiedlichen Vorsorgeaufwendungen dergestalt aufzuteilen, dass bei der Aufteilung von der Gleichrangigkeit sämtlicher Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen) auszugehen ist. Eine Rangfolge der Vorsorgeaufwendungen kann schon deshalb nicht begründet werden, weil sich die Frage nach der Rangfolge der Vorsorgeaufwendungen nach altem Recht nicht stellte und für die Auslegung eine subjektiv-historische Perspektive maßgeblich ist. Der damalige Gesetzgeber hat eindeutig sämtliche Vorsorgeaufwendungen dem Grunde nach als Sonderausgaben eingeordnet. Das kann nicht heute retrospektiv bezweifelt werden. Zwischen zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern ist der Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug im Verhältnis der von den Ehegatten bzw. Lebenspartnern jeweils als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen. Das gilt mit Blick sowohl auf die Zeit vor als auch die Zeit nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes. Das ergibt sich daraus, dass nur so die Gleichheit der Ehegatten bzw. Lebenspartner verwirklicht wird. Die Ehegatten bzw. Lebenspartner unterscheiden sich insoweit als (zumeist) unterschiedlich

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hohe Vorsorgeaufwendungen geleistet und als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Diese Unterschiedlichkeit muss zur Verwirklichung der Gleichheit der Ehegatten bzw. Lebenspartner auch in der Definition der doppelten Besteuerung nachvollzogen werden. Auch in einem Veranlagungszeitraum, in dem die Einkommensteuer auf 0 Euro bzw. 0 DM festgesetzt wurde, können Rentenversicherungsbeiträge im Sinne des Definitionsansatzes aus versteuertem Einkommen entrichtet worden sein, weil es bei der Betrachtung alleine auf die Bemessungsgrundlage ankommt, nicht aber auf die tarifliche Belastung. Das ergibt sich letztlich daraus, dass die Normen des EStG, die die hier maßgebliche Belastungsgrundentscheidung des einfachen Gesetzgebers im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots zum Ausdruck bringen, die (Nicht-)Einbeziehung von Einkommensbestandteilen in die Bemessungsgrundlage betreffen. Aus der Summe der vom Steuerpflichtigen insgesamt entrichteten Rentenversicherungsbeiträge sind die Beitragsanteile herauszurechnen, die nicht Sparanteile sind, also diejenigen Beitragsanteile, die kalkulatorisch nicht der Finanzierung der an das Alter anknüpfenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dienen. Der Grund dafür ist, dass die Risikoanteile und die Verwaltungskostenanteile mit Ablauf eines bestimmten Zeitraums als verbraucht anzusehen sind und daher gerade nicht intertemporal transferiert werden. Die Höhe der herauszurechnenden Beitragsanteile ist unter Bezugnahme auf die Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger zu bestimmen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Einnahmen der Rentenversicherungsträger aus Bundeszuschüssen stammt. Wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, so ist bei der im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtigen Person die „Summe der insgesamt aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge“ entsprechend dem Umfang der im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Anrechte zu kürzen und bei der ausgleichsberechtigen Person dementsprechend zu erhöhen.

3. Teil: Konsequenzen doppelter Besteuerung § 6 Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG Doppelte Besteuerung kann – wie jede andere Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG – prinzipiell unter Typisierungsgesichtspunkten gerechtfertigt werden. Nach den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer gesetzlichen Typisierung hängt die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit Blick auf die momentane Übergangsphase von der früheren

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Ertragsanteilsbesteuerung hin zur nachgelagerten Besteuerung entscheidend davon ab, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner ist und welches Ausmaß eine möglicherweise auftretende doppelte Besteuerung jeweils hat. Da vorliegend keine eigenen Modellberechnungen angestellt werden können und auch existierende Berechnungen nicht nachvollzogen werden können, kann keine Aussage darüber getroffen werden, wie groß die Gruppe der von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner und das Ausmaß der doppelten Besteuerung sind. Trotzdem lässt sich mit einer relativ einfachen Überlegung zeigen, dass die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Übergangsregelung verfassungswidrig ist, weil doppelte Besteuerung jedenfalls um das Jahr 2040 ganze Rentnerkohorten betrifft und damit nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen, was aber Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Typisierung ist. Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz  3 Buchst.  a Doppelbuchst.  aa EStG dürfte im Ergebnis nur eine Korrektur der im Gesetz vorgesehenen Typisierung unter Berücksichtigung der „richtigen“ Definition der doppelten Besteuerung in Betracht kommen, konkret eine weitere Verlängerung der Übergangsphase über das Jahr 2040 hinaus mit einem flacheren Anstieg des „Besteuerungsanteils in %“. Jedenfalls ungeeignet ist der Vorschlag einer bloßen „Umdeklarierung“ der in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 3 Nr. 14 EStG enthaltenen steuerlichen Entlastungs­ beträge, denn es erschließt sich nicht, wie die in der doppelten Besteuerung liegende einkommensteuerliche Zuvielbelastung beseitigt werden soll, ohne dass sich die Steuerbelastung der Steuerpflichtigen verringert. Gegen die Einführung einer zusätzlichen individuellen Steuerentlastung gerade für die von doppelter Besteuerung betroffenen Rentner spricht, dass dann trotzdem die eindeutig fehlerhafte Typisierung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen bliebe, was Zweifel aufkommen lässt, ob das Regelungsgefüge aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und einer die falsche Typisierung korrigierenden Individualregelung verfassungsgemäß wäre.

§ 7 Umgang mit doppelter Besteuerung im Einzelfall Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs soll der Steuerpflichtige bei Vorliegen doppelter Besteuerung einen Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs haben. Sofern man die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Typisierung mit der hier vertretenen Auffassung für verfassungswidrig hält, kann der vom Bundesfinanzhof benannte Anspruch auf Milderung des Steuerzugriffs nicht zum Tragen kommen. Es liegen weder die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses (§§ 163, 227 AO) noch diejenigen einer analogen Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG

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vor. Demnach besteht keine sinnvolle Möglichkeit einer Überprüfung der doppelten Besteuerung im Einzelfall. Wegen der Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG muss eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG angestrebt werden. Hält man die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthaltene Typisierung entgegen der hier vertretenen Auffassung für verfassungsgemäß, z. B. weil eine Definition der doppelten Besteuerung zugrunde gelegt wird, die von der hier vertretenen Definition abweicht, so ist der vom Bundesfinanzhof formulierte Anspruch des Steuerpflichtigen auf Milderung des Steuerzugriffs im Rahmen eines Billigkeitserlasses (§§ 163, 227 AO) wegen sachlicher Unbilligkeit zu verwirklichen. Der Bundesfinanzhof hat darauf hingewiesen, dass die Feststellungslast für das Vorliegen doppelter Besteuerung beim Steuerpflichtigen liegt. Das entspricht grundsätzlich einer allgemeinen prozessrechtlichen Grundregel. Trotzdem ist der ausdrückliche Hinweis des Bundesfinanzhofs zu kritisieren, zumal er im Rahmen eines obiter dictum erfolgt ist, weil eine Entscheidung nach Feststellunglast nicht getroffen werden darf, wenn eine Schätzung nach § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO möglich ist. Mit Blick auf die Summe der aus versteuertem Einkommen entrichteten Rentenversicherungsbeiträge dürfte jedoch fast immer eine Schätzung in Betracht kommen.

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Sachverzeichnis 0 DM bzw. 0 Euro, VZ mit Steuerfestsetzung auf  197, 208 ff. Absolute Obergrenze für die Besteuerung ​ 60 f., 63 f. Abzugsbeträge, einkommensteuerliche ​ 154 ff. Aktien, Erwerb und Veräußerung von ​ 32 ff., 38 ff. 54 f. Allgemeine Handlungsfreiheit  23, 62 ff. Allgemeine Rentenversicherung  18, 67 Alterseinkünftegesetz  15 f., 66, 88, 97, 99, 102, 112 f., 230 Altersrenten  70 f., 140 ff., 161, 162, 168, 173, 179, 181, 210 ff. Altersvorsorgeaufwendungen  101 ff., 127, 196 Analoge Anwendung der Öffnungs­k lausel ​ 242 ff. Anschaffungskosten für nicht abnutzbares Wirtschaftsgut  38 ff., 54 f. Anspruch auf Milderung des Steuerzugriffs  17, 58, 96, 151, 183, 224, 229, 240 f., 242 ff. Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteile  98 f., 100 ff., 104 ff., 109 f., 113, 197 Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Sonder­ ausgabenabzug nach altem Recht für ​ 104, 198 ff. Argumentation, Gültigkeit der  121 Atypische Einzelfälle  230 ff., 242 ff. Aufteilung des Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug  197, 198 ff., 206 ff. Austausch von Forderung gegen Bargeld ​ 33, 34, 36, 47 Bagatellgrenze  122, 139 f. Bankkonto  32 ff., 38 ff., 46 ff., 146 Bargeld, Aufbewahren von  32, 38 Bausparkassenbeiträge, Sonderausgaben­ abzug nach altem Recht für  104, 198 ff.

Beamtenpensionen  15, 35 f., 41, 117 f. Bedürftigkeit des Leistungsempfängers ​ 150, 195 Begriff doppelter Besteuerung  119 ff. Beitragserstattungen  77 ff., 80 f., 152 Beitragslast bzw. tragung  97 ff. Beitragsproportionalität  91, 132 f. Belastungsfunktion des Steuertarifs  164 Belastungsgrundentscheidung  23 ff., 30 ff., 37 ff., 45 f., 50 f., 137, 144, 156, 209 Belastungswirkung der Steuer  22 Bemessungsgrundlage  21, 44 f., 46 ff., 164 f., 197, 208 ff. Berechnung doppelter Besteuerung  119 ff. Berufsständische Versorgungseinrichtungen  18, 87, 89 ff., 101 ff., 133, 196, 199 Besonderer sachlicher Grund  227 f. Besteuerung nach geltendem Recht  37 ff., 65 ff. Besteuerungsanteil  85 f., 227 Besteuerungsaufschub  46 ff. Betriebliche Altersversorgung  18, 35 f., 41 ff. Beweislast  224, 240 f., 245 ff. Billigkeitserlass  242 ff. Bundeszuschüsse  216 ff. BVerfGE 105, 73  15, 46 ff., 63, 112, 117 f., 200 f., 205 f., 213, 214, 216 f. Definition doppelter Besteuerung  119 ff., 233 Definitionsansatz, alternativer  122, 129 ff., 138 Definitionsansatz, anerkannter  121 ff., 135 ff. Definitionsansatz, Zweckmäßigkeit  121 Dogmatische Herleitung des Verbots der doppelten Besteuerung  17, 20 ff., 44 ff., 46 ff. Doppelbesteuerung 18 Doppelbesteuerung, internationale  128

Sachverzeichnis Doppelfunktion der gesetzlichen Rentenversicherung  145 ff., 210 f. Doppelte steuerliche Begünstigung kapitalbildender Lebensversicherungen  202, 204 f. Ehegatten, Höchstbetrag Sonderausgabenabzug  197, 206 ff. Eigentumsfreiheit  23, 62 ff. Einkommensspeicher  32 ff., 54 f., 144 ff. Einkommensteuerbescheide  196, 241, 245 f. Einkommensteuermilderungsanspruch 17, 58, 96, 151, 183, 224, 229, 240 f., 242 ff. Einmalleistungen  68, 92 ff. Einzelfallprüfung  16, 185, 188, 226, 240 ff. Entgeltpunkte  125, 130, 153, 223 Entlastungsbeträge, einkommensteuer­ liche  140, 154 ff., 183 Erfolgsneutraler Vermögenstausch  23, 30, 46 ff., 135 Ergebnisoffenheit des Gleichheitssatzes  29, 64 Ermittlung doppelter Besteuerung  119 ff. Ertragsanteilsbesteuerung  16, 66, 87, 93, 112, 114 ff., 132, 137 Erwerbsbiografie  64 f., 85, 231, 234, 245 Erwerbsminderungsrenten  33, 70 f., 140 ff., 154, 210 ff. Erziehungsrenten 70 Existenzminimum  156, 158, 166 ff., 174, 179, 200, 202 Exogene Parameter  121, 137 Fehlbeträge, Rentenversicherungsträger 215 Feststellungslast  194, 224, 240 f., 245 ff. Finanzamt  224, 240 ff. Finanzausschuss, Öffentliche Anhörung  15, 155 Finanzgerichtlicher Prozess  224, 240 ff. Finanzielles Wirtschaftsgut  32 ff., 109 f., 144 ff. Finanzierungsverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung  22, 33 f., 109 f., 115, 145, 147, 214 Folgerichtigkeitsgebot  23, 24 ff., 50 f., 195, 209, 227 f. Freiwillig versicherte Personen  69, 97 ff.

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Gefahrtragung als Leistung bzw. geldwertes Gut  73, 77, 148, 154 Genus Proximum  28 Gesamtsozialversicherungsbeitrag  99, 199 Gesetzentwurf zum Alterseinkünftegesetz ​ 85, 88, 94, 102 f., 123, 127 f., 160, 161, 167, 171, 177, 180, 198, 203, 231 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers  26, 52, 53 ff., 60, 100, 120, 137 f., 191 Gleichrangigkeit der Vorsorgeaufwendungen  198 ff., 203 ff. Grund und Boden, Erwerb und Veräußerung von  32 ff., 38 ff., 54 f. Grundfreibetrag  127 f., 140, 155, 161 ff., 237 Grundhöchstbetrag  105 f., 201 Grundrechtsbeeinträchtigung  56, 65, 225 Gültigkeit von Argumenten  121 Haftpflichtversicherungsbeiträge, Sonderausgabenabzug nach altem Recht für ​ 104, 198 ff. Hälftiger Höchstbetrag  106 f., 201 Härteklausel  237 ff., 243 Herausrechnen von Rentenversicherungsbeiträgen  197, 210 ff., 232 f. HeubeckTafeln  188 ff. Hineinwachsen in die Besteuerung  86 Hinterbliebene, Leistungen an  68 f., 70 f., 140 ff., 185, 192 ff., 210 ff. Hinzuverdienstgrenze  150, 195 Historische Auslegung  158, 160, 166 ff., 204 Höchstbeitrag  87 ff., 90 ff., 102 f. Höchstbetrag Sonderausgabenabzug  102 ff., 197, 198 ff. Höherversicherung  73 f., 91, 140 ff., 161, 162, 210 Identität von Beitrag und Leistung  21 f., 111, 195 f. Immobilien, Erwerb und Veräußerung von  32 ff., 38 ff., 54 f. In jedem Fall, Vermeidung doppelter Besteuerung  188, 228 f., 238, 240 Indexierung 125 Individualbesteuerung, Grundsatz der  151, 193, 207

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Inkongruente Besteuerung  18 Interdependenz von Bemessungsgrundlage und Steuersatz  61, 63 Internationale Doppelbesteuerung  128 Intertemporale Abstimmung von Steuerzugriffen  22 ff. Intertemporaler Einkommenstransfer  23, 31 ff., 44 f., 46 ff., 111, 135 ff., 141, 144 ff., 153 f., 156, 195 f., 209, 210 ff. Investieren  31, 36 f., 44, 111 f., 146 Jahr der Beitragsentrichtung  107 ff. Jahr des Rentenbeginns  82 ff., 108, 185 f., 191 Jahresbetrag der Rente  83 ff. Kapitalbildende Lebensversicherungen  202 Kapitalgedeckte Altersvorsorge  18, 35 f. Kapitalorientierte Besteuerung  66, 110 ff. Kapitalrückfluss bzw. -rückzahlung  22 f., 33, 115 f., 135, 144 ff., 156, 168, 174 Kapitalrückzahlungsanteil  114 ff. Kaufkraft 124 Knappschaftliche Rentenversicherung  18, 67, 102 Kohorte  82 ff., 113, 227 Kombination von Ertragsanteils- und Vollversteuerung 236 Kompensation von Grundrechtseingriffen ​ 58, 225 Konkrete Normenkontrolle  244 Konsolidiertes Vermögen  62 Konsumorientierte Besteuerung  66, 110 ff., 136 Krankenversicherung der Rentner  71 ff., 140 ff., 155, 161, 162, 169 ff., 176 ff., 210 Krankenversicherungsbeiträge, Sonderausgabenabzug nach altem Recht für  104, 198 ff. Krankenversicherungsbeiträge, Tragung und Zuschuss der  71 ff., 140 ff., 155, 161, 162, 169 ff., 176 ff., 210 Kreis der Versicherten  69 Künstlersozialkasse 98 Landwirte  18, 199 Lebenseinkommensbesteuerung  61 f.

Lebenspartner, Höchstbetrag Sonderausgabenabzug  197, 206 ff. Lebensversicherungsbeiträge, Sonderausgabenabzug nach altem Recht für  104, 198 ff., 202 Leibrente 67 Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Arten von  68 ff., 141 Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Besteuerung der  66 ff. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, steuerunbelasteter Bezug von ​ 154 ff. Leistungen zur Teilhabe  75 f., 149 f. Leistungsbegriff  67 f. Leistungsfähigkeitsprinzip  23, 49 f., 59 ff., 211 f. Mehrfachbelastungen, steuerliche  20, 128 Messfunktion der Bemessungsgrundlage ​164 Methodik  29, 120 f., 135 ff., 155, 156 ff., 165, 175, 177, 189 f., 204, 207 f., 218 ff., 236 Milderung des Steuerzugriffs, Anspruch auf ​17, 58, 96, 151, 183, 224, 229, 240 f., 242 ff. Missbrauchsvermeidung  104, 225 Mittelverwendung der Rentenversicherungsträger  197, 212 ff. Modellberechnungen  185, 230 ff. Multiplikatoreffekt 169 Nachgelagerte Besteuerung  16, 66, 110 ff., 112 ff., 136, 137 f. Nachhaltigkeitsrücklage 215 Nachrangigkeit bestimmter Vorsorgeaufwendungen  198 ff. Nicht abnutzbares Wirtschaftsgut  32 ff., 38 ff., 109 f., 144 ff. Nicht beitragsgedeckte Leistungen  217 ff. Nichtvererblichkeit des Verlustvortrags ​ 143, 151 f. Nominalwerte bzw. -beträge  31, 44 f., 46 ff., 121 f., 124 f., 136, 156 Nullfestsetzung  197, 208 ff. Nullzone des Tarifs  165 Objektive Beweislast  224, 240 f., 245 ff. Objektives Nettoprinzip  23, 49 ff.

Sachverzeichnis Offenkundige Tatsachen  187, 189 Öffentliche Anhörung Finanzausschuss  15, 155 Öffnungsklausel  87 ff., 226 Öffnungsklausel, analoge Anwendung der  242 ff. Öffnungsklausel, Verfassungswidrigkeit der  94 ff. Pflegeversicherungsbeiträge, Sonderausgabenabzug für  104, 106, 155, 169 ff., 198 ff. Pflichtbeitragszeiten 154 Plansicherungstheorie  145 ff. Praktikabilitätserwägungen bei der Definition der doppelten Besteuerung  135, 139 f., 143, 155, 183, 191, 194 f., 202 f., 205, 207, 208 f., 212, 223 Prävalenz  67 f. Private Rentenversicherungen  18 Private Veräußerungsrenten  116 f. Prognose  163 f., 185 f., 193, 194 Prozess, finanzgerichtlicher  224, 240 ff. Quelle des Verbots der doppelten Besteuerung  17, 20 ff., 44 ff., 46 ff. Rangverhältnis von Vorsorgeaufwendungen ​198  ff. Reallohnentwicklung 137 Rechtsprinzipien  53, 60, 193 Reformmöglichkeiten  227, 236 ff. Regelaltersrente  71, 150 Relativität des Gleichheitssatzes  29, 64 Rendite 146 Renten wegen Todes  33, 70 f., 140 ff., 195, 210 ff. Rentenanpassung bzw. -erhöhungen  86 Rentenbeginn  82 ff., 137, 140, 185 f., 191 Rentenbezugsdauer 137 Rentenfreibetrag  83 ff., 140, 155, 160 f., 235 Rentenspezifische Vergünstigung  159, 162 f., 173, 179 f. Rentensplitting 69 Rentenstammrecht  63, 93 f., 114 ff., 134 Rentenversicherungsbeiträge, Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteile  98 f., 100 ff., 104 ff., 109 f., 113, 197

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Rentenversicherungsbeiträge, Herausrechnen von  197, 210 ff., 232 f. Rentenversicherungsbeiträge, Spar und Risikoanteil  33, 147 ff., 153 f., 195, 197, 210 ff., 222 f. Rentenversicherungsbeiträge, steuerliche Behandlung der Entrichtung von  97 ff. Rentenversicherungsbeiträge, steuersystematische Einordnung  50 ff., 99 f. Rentenversicherungsbeiträge, verfassungsrechtliche Vorgaben für die Abziehbarkeit von  50 ff. Rentenversicherungsrecht  68 ff. Rentenversicherungsverlauf 245 Richtervorlage 244 RiesterVerträge  18, 35 f., 43 f. Risikoanteil  33, 147 ff., 153 f., 197, 210 ff., 222 f. RisikoVersicherung  21, 33, 37, 77, 145 ff., 153 f., 195, 210 ff., 214, 222 f. Rückfluss bzw. -rückzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen  22 f., 33, 115 f., 135, 144 ff., 156, 168, 174 Rückwirkung 230 RürupSteuerkommission  16, 99 f., 123, 127 f., 161, 164, 171, 177, 180, 198, 226, 231, 233 RürupVerträge  18, 35 f., 101 ff. Schätzung  186 f., 189 ff., 240 f., 246 f. Selbstständige  69, 85 f., 88, 97 ff., 101, 104 ff., 226, 231 f. Sonderausgabenabzug für Arbeitslosen, Haftpflicht, Lebens, Unfallversicherungsbeiträge u. Bausparkassenbeiträge nach altem Recht  104, 198 ff. Sonderausgabenabzug für Kranken und Pflegeversicherungsbeiträge  104, 106, 140, 155, 169 ff., 198 ff. Sonderausgabenabzug für Rentenversicherungsbeiträge  99 ff., 196 Sonderausgabenabzug, Höchstbetrag ​ 102 ff., 197, 198 ff. Sonderausgabenpauschbetrag  140, 155, 180 ff. Sozialhilfegleiches Versorgungsniveau ​ 199 f. Sozialleistungen 67

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Sachverzeichnis

Sparanteil  33, 147 ff., 153 f., 195, 197, 210 ff., 222 f. Sparbereinigung  111, 136 Spardose  32, 38 Sparen  31, 33, 36 f., 44, 62, 111 f., 115, 145 ff., 153 f., 195, 197, 210 ff., 222 f. Sparten der Sozialversicherung  199 Spielraum der Finanzbehörden und gerichte 190 Spielraum des Gesetzgebers  26, 52, 53 ff., 60, 100, 120, 137 f., 191 Stammrecht  63, 93 f., 114 ff., 134 Statistische Lebenserwartung  137, 140, 142, 143, 184 ff., 192 Statistisches Bundesamt  188 ff. Steigerungsbeträge  73 f., 92 f., 140 ff., 161, 162, 210 Sterbetafel  140, 186 ff. Steuerbescheide  196, 241, 245 f. Steuerentlastungspotential  155, 158, 162, 166 ff., 171 ff., 178 f., 181 f. Steuerfreier Teil der Rente  83 ff., 140, 155, 160 f., 235 Steuergegenstand 21 Steuerliche Mehrfachbelastung  20, 128 Steuerobjekt  21, 128 Strikte Vermeidung doppelter Besteuerung ​ 188, 228 f., 238, 240 Subjektiv-historische Auslegung  158, 160, 166 ff., 204 Synthetische Einkommensteuer  163 Systemprägender Charakter  29 f., 37 ff., 45 f. Systemwechsel  16, 26, 30, 66, 82 ff., 88, 107 ff., 112 ff., 137 Tarifliche Belastung  46 ff., 164 f., 197, 208 ff. Tatsächliche Feststellungen  186 Teilhabeleistungen  75 f. Terminologie  17, 126 ff. Tertium Comparationis  28 Tragung Krankenversicherungsbeiträge ​ 71 ff., 140 ff., 155, 161, 169 f., 176 ff., 210 Typischer Fall  230 ff. Typisierung  45, 85, 95 f., 138, 191, 227 ff., 230 ff., 239 f.

Übergangsgeld  75 f. Übergangsregelungen  82 ff., 88, 107 ff., 112 ff., 224 ff., 234 f. Überschießende Kürzung  105, 207 Überschüsse, Rentenversicherungsträger ​215 Umdeklarierung, rein formale  165, 236 Umlageverfahren  22, 33 f., 109 f., 115, 145, 147, 214 Umschichtung von Privatvermögen  22 f., 46 ff., 49 ff., 114 ff., 135 Unfallversicherungsbeiträge, Sonderausgabenabzug nach altem Recht für  104, 198 ff. Veräußerungsrenten, private  116 f. Verbot der doppelten Besteuerung  20 ff. Vereinfachungserwägungen bei der Definition der doppelten Besteuerung  139 f., 143, 155, 183, 191, 194 f., 202 f., 205, 207, 208 f., 212, 223 Verfassungsbeschwerde  17, 120, 241 Verfassungswidrigkeit der Öffnungsklausel  94 ff. Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung  224 ff., 234 f. Verfassungswidrigkeit des dauerhaften Höchstbetrags für den Sonderausgabenabzug 225 Verfassungswidrigkeit doppelter Besteuerung  20 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  63 f., 227 Verlustvortrag  143, 151 f. Vermögensgestaltungstheorie  145 ff. Vermögensteuerbeschluss des BVerfG  62 Vermögensumschichtung im Privatvermögen  22 f., 46 ff., 49 ff., 114 ff., 135 Verschärfung des Rechtfertigungsmaßstabs  227 f. Versicherung, echte  21, 33, 37, 77, 145 ff., 153 f., 195, 210 f. Versicherungsfremde Leistungen  217 ff. Versicherungsimmanente bzw. versicherungskonforme Leistungen  221 Versicherungsmathematisch  132 f., 212 f. Versicherungspflichtige Personen  69, 97 ff. Versicherungsschutz als Leistung bzw. geldwertes Gut  33, 73, 77, 148, 154

Sachverzeichnis Versicherungstheorie  145 ff. Versorgungsanwartschaft  32 ff., 46 ff., 49 ff., 54 f., 109 f., 145, 153 Versorgungsausgleich  35, 69, 141, 152 ff., 197, 221 ff. Vertrauensschutz  23, 229 f. Verwaltungskosten der Rentenversicherungs­ träger  36 f., 147, 210, 214 ff., 216, 222 f. Verwaltungskostenanteil  36 f., 147, 210, 216, 222 f. Verwaltungsvereinfachung  72, 76, 82, 95 ff., 117, 133, 181, 228, 238 f. Verwaltungsverfahren  224, 240 ff. Voraussetzungen doppelter Besteuerung ​ 119 ff. Vorgelagerte Besteuerung  50, 66, 110 ff., 137 f. Vorläufige Steuerfestsetzung  241 Vorrangigkeit bestimmter Vorsorgeaufwendungen  198 ff. Vorsorgeaufwendungen, Höchstbetrag Sonderausgabenabzug  102 ff., 197, 198 ff. Vorteilhaftigkeit des Vorliegens doppelter Besteuerung  183, 245 Vorwegabzug  85, 104 ff., 201, 207 Waisenrenten 70 Wartezeit  77, 154 Werbungskostenbegriff  38 ff. Werbungskostenpauschbetrag  140, 155, 180 ff.

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Wiederheirat  79, 142, 194 f. Wiederkehrende Bezüge  68 Willkürverbot 227 Wirtschaftliche Betrachtungsweise  22, 33 f., 109, 115, 144, 147 f., 177, 195 f., 210 f. Wirtschaftsgut  32 ff., 38 ff., 54 f., 109 f., 144 ff. Wirtschaftspläne, Versicherungstheorie ​ 145 ff. Wirtschaftswissenschaftlicher Definitionsansatz  129 ff., 138 Witwen bzw. Witwerrenten  70, 142 Witwen- bzw. Witwerrentenabfindungen ​ 79, 149 f. Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen ​97  ff. Zeitpunkt der Überprüfung der doppelten Besteuerung  65, 184 f., 191 Zinsen aus der gesetzlichen Rentenversicherung  79 f., 149 f. Zusammenveranlagung von Ehegatten bzw. Lebenspartnern  105 f., 197, 206 ff. Zusätzlicher Höchstbetrag  106 Zuschuss Krankenversicherungsbeiträge ​ 71 ff., 140 ff., 155, 161, 162, 169 f., 176 ff., 210 Zweckmäßigkeit des Definitionsansatzes  ​121 Zweifachbesteuerung 18