Verfassungsstaat und Verfassung.: Studie zur Verfassungstheorie des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit. [1 ed.] 3428189485, 9783428189489

Die glücklich-geniale Errungenschaft des demokratischen Verfassungsstaates ist in der Krise. Um sie zu verteidigen, gilt

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German Pages 179 [180] Year 2023

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Verfassungsstaat und Verfassung.: Studie zur Verfassungstheorie des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit. [1 ed.]
 3428189485, 9783428189489

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Verfassungstheoretische Gespräche Band 2

CHRISTIAN BUMKE

Verfassungsstaat und Verfassung Studie zur Verfassungstheorie des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit

Duncker & Humblot · Berlin

BUMKE

Verfassungsstaat und Verfassung

Verfassungstheoretische Gespräche

Band 2

Verfassungsstaat und Verfassung Studie zur Verfassungstheorie des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit

Von

Christian Bumke

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 978-3-428-18948-9 (Print) ISBN 978-3-428-58948-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Folke Schuppert zum 80. Geburtstag

Vorwort Julian Krüper und Heiko Sauer waren so freundlich, mich zu ihren „Verfassungstheoretischen Gesprächen“ einzuladen. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich. Aus dem am 16. Januar 2020 in Bonn gehaltenen Vortrag ist über die Zeit diese Studie entstanden. Für Anregungen und konstruktive Kritik bedanke ich mich sehr bei Niklas Ettwig, Mehrdad Payandeh, Ralf Poscher, Fritz Schäfer und Andreas Voßkuhle. An der Herstellung der druckfertigen Fassung wirkten Niklas Ettwig, Leon Mark Möller, Jonas Saathoff, Jonas Schulz, Claire Vander Stichelen und insbesondere Fritz Schäfer mit – vielen Dank für die sorgfältige Arbeit. Berlin, Februar 2023

Christian Bumke

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Kapitel Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre A. Kartographische Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Drei Gestaltungsvariablen

..............................

II. Erste Abteilung: Einsicht in die Dinge oder die Gesetze des Sozialen 1. Gelingensbedingungen

...............................

2. Typologien und Schichtenmodelle

22 22 22 28 29

......................

31

III. Zweite Abteilung: Grundfragen einer Verfassung und eines demokratischen Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

1. Erster Unterabschnitt: Die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Zweiter Unterabschnitt: Der demokratische Verfassungsstaat . . .

37

a) Typenprägende Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

aa) Kollektive und individuelle Selbstbestimmung . . . . . . . .

38

bb) Recht und Politik

.............................

38

cc) Gesamtgesellschaftliche Grundfragen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

b) Verfassungsstaatliche Grundmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

IV. Dritte Abteilung: Verständnisfolien

.......................

45

1. Arbeitsweisen und Eigenanteil als Orientierungspunkte . . . . . . .

47

2. Generelle und spezielle Verständnisfolien und die Frage ihrer Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

3. Die Beziehungen zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

4. Verfassungsinterpretatorische Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . .

50

V. Rückblick und Verbleibendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

10

Inhaltsverzeichnis

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

....................

53

Disziplinäre Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

II. Autoritätsanspruch verfassungstheoretischer Aussagen . . . . . . . . . .

55

I.

1. Kein Passierscheinerfordernis für den Übergang von Verfassungstheorie zu Verfassungsrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

2. Eine (un-)mögliche Unterscheidung: Rechtsnorm oder Rechtssatz

58

2. Kapitel Verfassungstheorie als Grundbaustein eines liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit

63

A. Verfassungsstaatlicher Typus als verständnisleitender Rahmen und Fixpunkt der Verfassungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Methodisch-konzeptionelle Vergewisserung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64

II. Die Familie liberaler demokratischer Verfassungsstaaten mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

III. Konzeptionelles Vorverständnis

..........................

68

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

..........................

71

Konzept der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

1. Verfassung als Text, Recht und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Verfassung im Sinne der Verfassungsurkunde und ihr Verhältnis zur Verfassung im Sinne des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . .

76

3. Bedeutung der Verfassung im Sinne der Verfassungsurkunde

I.

..

79

a) Die rechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

b) Die politische Dimension

..........................

82

c) (Un-)Unterscheidbarkeit von Recht und Politik . . . . . . . . . .

82

d) Die kulturelle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

4. Verfassungsfunktionen

...............................

II. Verfassungsgerichtsbarkeit und demokratische Ordnung . . . . . . . .

86 88

1. Legitimation und Grundverständnis der verfassungsstaatlichen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Verfassungsgericht und demokratischer Gesetzgeber . . . . . . . . .

93

Inhaltsverzeichnis 3. Verfassungsinterpretation

11

.............................

98

a) Grundsatzkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Verlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 e) Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Instrumentelle Festlegungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

(1) Ausschluss von Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Auszeichnung für das Verstehen maßgeblicher Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Inhaltlich-strukturelle Festlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Institutionelle Festlegungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

III. Das Politische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenständigkeit des Verfassungsrechts

110

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

a) Vorrang und Vorbehalt der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Verfassungsrechtlicher Anleitungsanspruch gegenüber der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Ausschluss außerverfassungsrechtlicher Legitimation . . . . . . 116 d) Funktionen des Verfassungsrechts

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

2. Entpolitisierung und Repolitisierung der Verfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Verfassungsgerichtsbarkeit als eigenständige Form der Entpolitisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Fragwürdigkeit verfassungsgerichtlicher Entpolitisierung . . . 122 c) Hoffnungen und Sorgen einer (Re-)Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes als Teil der Grundmechanik des demokratischen Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . 127 1. Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes als urwüchsige Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Die Aufgaben der Grundmechanik des demokratischen Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

12

Inhaltsverzeichnis a) Keine Rechtfertigung und kein „Grenzbegriff“ des demokratischen Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Das Volk als alleiniges Zurechnungssubjekt menschlicher Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Bindung und elementare Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . 134

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

Einleitung Das Bedürfnis nach Verfassungstheorie entsteht in dem Moment, in dem sich das Verfassungsrecht als eigenständige Schicht etabliert und wenigstens punktuell das Politische domestiziert, wenn also der Ausgang politischer Auseinandersetzungen auch von verfassungsrechtlichen Beurteilungen abhängt. Es ist deshalb kein Zufall, dass in Deutschland das Nachdenken über die Verfassung, ihr Konzept und ihren Charakter, ihr Entstehen und die Bedingungen ihres Gelingens, ihre Funktionen und Wirkweisen, die Grundsätze ihrer Interpretation und die von ihr erhobenen Ordnungs- und Gestaltungsansprüche einschließlich ihrer Leit- und Strukturprinzipen während der Weimarer Republik einsetzte. Die geschriebene Verfassung war zwar schon mit dem Aufkommen der konstitutionellen Monarchien im deutschsprachigen Raum zu einem zentralen Bezugspunkt im politischen Denken avanciert, doch blieb ihre rechtliche Relevanz begrenzt.1 1 Mehrere Gründe verhinderten eine weitergehende rechtliche Bedeutung: Erstens wurde der Gedanke der Verfassungsbindung zwar wirkmächtig; er führte aber noch nicht zu der Vorstellung, dass das Verfassungsrecht den politischen Prozess anleiten und in umfassender Weise Maßstab allen staatlichen Handelns sein sollte. Mit dem Aufkommen der konstitutionellen Monarchie setzte sich der Gedanke einer Bindung des Monarchen an die Verfassung weitgehend durch. Dem stand nach weit verbreiteter Meinung auch das sog. monarchische Prinzip nicht entgegen (repräsentativ für diese Vorstellung sind die auf dem 3. und 4. Deutschen Juristentag gefassten Beschlüsse bezüglich der Befugnisse der Gerichte, die Verfassungsmäßigkeit einer fürstlichen Verordnung und die formelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu prüfen, siehe Schriftführer-Amt der ständigen Deputation (Hrsg.), Verhandlungen des Dritten Deutschen Juristentages, 1863, S. 61 ff.; dass., Verhandlungen des Vierten Deutschen Juristentages, 1864, S. 67 ff.; über die damalige Litr. informieren sorgfältig Schack, Die Prüfung der Rechtmässigkeit von Gesetz und Verordnung, 1918; Oswald, Das richterliche Prüfungsrecht gegenüber Gesetzen und Verordnungen in der konstitutionellen Monarchie und unter der Weimarer Reichsverfassung, 1974). Aus dem Bindungsgedanken und der Aufgabe der Gerichte, das geltende Recht zu erkennen und anzuwenden, wurde die Befugnis der Gerichte zur Prüfung abgeleitet, ob eine fürstliche Verordnung verfassungsgemäß erlassen und insbesondere ob es nicht einer Mitwirkung der Landesstände bedurft hätte; mit anderen Worten ging es da-

14

Einleitung

Heute hat sich die Verfassungstheorie in dem umschriebenen Sinne als fester Bestandteil der deutschen Staatsrechtslehre etabliert: kein ge-

rum, ob der Fürst seinen Kompetenzbereich überschritten hatte. Diese Prüfungsbefugnis besaß hohe politische Brisanz (näher Ogorek, ZNR 11 (1989), S. 12 ff.). Sie wurde von verschiedenen Obergerichten praktiziert und führte mitunter zum Einsatz von Militärgewalt, um „bürgerlichen“ Widerstand zu brechen (vgl. Herrmann, Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 85 ff.). Deutlich unsicherer gestaltete sich demgegenüber das staatswissenschaftliche Gespräch mit Blick auf Prüfungsbefugnisse gegenüber Gesetzen. Gelegentlich nahm ein Obergericht eine entsprechende Prüfungsbefugnis für sich in Anspruch und zog dabei sogar die wohlerworbenen Rechte als Grenze für den Gesetzgeber heran (z. B. OAG Lübeck, Seuffert’s Archiv 2 (1877), S. 129 ff.). Doch blieb diese Praxis sehr vereinzelt (zur bislang nicht systematisch erschlossenen Rechtspraxis bezüglich Verordnungen und Gesetzen Konschegg, Ursprung und Wandlung des richterlichen Prüfungsrechtes in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1936, S. 44 ff.; Frotscher, Der Staat 10 (1971), S. 383 ff.). Aus der Logik richterlicher Entscheidungstätigkeit heraus sprachen sich viele für eine parallele Prüfung der förmlich-kompetenziellen Verfassungsvoraussetzungen aus. Nur gelegentlich fanden sich unter Rückgriff auf die US-amerikanische Rechtsentwicklung Plädoyers für eine umfassende Verfassungsbindung des Gesetzgebers (bspw. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd. 1, 1860, S. 66 ff.; Reichensperger, Redebeitrag, in: Schriftführer-Amt der ständigen Deputation (Hrsg.), Verhandlungen des Dritten Deutschen Juristentages, 1863, S. 25; Planck, Jher. Jb. 9 (1868), S. 288, 361). Die in dieser Hinsicht repräsentativen Überlegungen Mohls machen deutlich, dass die entscheidenden Fragen der konstitutionellen Monarchie nicht auf der Ebene des Rechts, sondern auf der Ebene der Politik lagen. Die neue Ordnung wurde auch von Mohl nicht über verfassungsrechtliche, sondern über politische Kategorien erschlossen. Im Mittelpunkt standen die Landesstände und die Frage einer „parlamentarischen Regierungsweise“ (vgl. Mohl, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 1, 1855, S. 281 ff., 288 ff.). Darüber hinaus stand der allgemeine Grundsatz richterlicher Prüfungsbefugnis unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Regelung in der Verfassung. So schloss Art. 106 Abs. 2 der (revidierten) Preußischen Verfassung von 1850 das richterliche Prüfungsrecht gegenüber einer fürstlichen Verordnung aus (zu den verschiedenen Regelungen in den deutschsprachigen Ländern bis Mitte des 19. Jh. Planck, Jher. Jb. 9 (1868), S. 288, 381 ff.). Und auf der Ebene des Reichsrechts setzte sich nach 1871 die von Laband entwickelte Auslegung des Art. 17 der Reichsverfassung in Literatur und Praxis durch (näher Hornauer, Das Reichsgericht zur Frage des richterlichen Prüfungsrechts (1919–1933), 2009, S. 24 ff., 43 ff.). Danach war dem Kaiser mit der Ausfertigungsbefugnis auch die Kompetenz vorbehalten, über die formell-kompetenzielle Verfassungsmäßigkeit der Reichsgesetze zu entscheiden (Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 4. Aufl. 1901, S. 42 ff.; Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 395 ff.).

Einleitung

15

haltvoller verfassungsrechtlicher Text, der nicht explizit oder implizit auf verfassungstheoretischen Einsichten und Überzeugungen aufbaut. Stabilität und Verlässlichkeit, aber auch ihre Selbstverständlichkeit gewinnt die Verfassungstheorie aus der Entfaltung des Verfassungsrechts und einer

Zweitens wurden die Grundrechte nicht als Grenze für den Gesetzgeber, sondern als Ausdruck und Ausgangspunkt für die neue konstitutionelle Ordnung verstanden. Sie waren Teil der im Entstehen begriffenen bürgerlichen Rechtsordnung, die auf dem Prinzip allgemeiner und gleicher Rechtsfähigkeit aufbaute. Die Pressefreiheit beispielsweise sollte vor exekutiven Übergriffen bewahren; Schutz versprach man sich vom Gesetz (näher Grimm, Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987, S. 192 ff., 308 ff.; Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003, S. 341 ff.). Deshalb konnte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch der Gedanke durchsetzen, dass sich die Bedeutung der Grundrechte weitgehend im Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erschöpft (paradigmatisch Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 103: „Alle Freiheit ist einfach Freiheit vor gesetzwidrigem Zwange“). Drittens lassen sich zwar verschiedene Prototypen einer Verfassungsgerichtsbarkeit ausmachen (Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, S. 1 ff.; Hoke, Verfassungsgerichtsbarkeit in den deutschen Ländern in der Tradition der deutschen Staatsgerichtsbarkeit, in: Starck / Stern / Bachof (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, 1983, S. 25, Kap. III–VII). Ungeachtet der vielfach bestehenden Vorbehalte gegenüber einer solchen Einrichtung bauten alle diese Spielarten aber auf dem Gedanken der Gerichte als einem neutralen Dritten auf, der bloß über kompetenzielle Grenzen entschied. Deshalb kam eine solche Einrichtung beispielweise bei föderalen Fragen in Betracht. Niemand kam jedoch auf die Idee, in der Justiz den „Hüter der Reichsverfassung“ (so die Charakterisierung des Kaisers durch Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 4. Aufl. 1901, S. 46) zu sehen (näher Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003, S. 121 ff.). Viertens verlor der Verfassungsgedanke nach der gescheiterten Revolution an Selbststand. Die Verfassung wurde zu einem praktisch-pragmatischen Instrument. Das beste Beispiel dafür ist das Verständnis der Reichsverfassung von 1871 als bloßes Organisationsstatut. Die Schaffung nationaler Einheit, die Gründung eines Reiches und die Wiederherstellung des Kaisertums waren herausragende politische Ereignisse. Die Verfassung war allerdings nur ein Mittel unter vielen, um diese Dinge zu verwirklichen. Dazu passte die Haltung des sog. staatsrechtlichen Positivismus. Dieser sah in der Verfassung ein Reichsgesetz wie jedes andere (sehr klar formuliert von Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 4. Aufl. 1901, S. 39; Meyer / Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 689 f.). Aus diesem Grunde konnte auch jedes Gesetz – sofern nur die Erfordernisse für eine Verfassungsänderung beachtet wurden – von den Vorgaben der Verfassung(surkunde) abweichen.

16

Einleitung

weithin anerkannten Verfassungspraxis. In ihr spiegelt sich die Idee des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit in der Weise wider, wie sie unter dem Grundgesetz Wirklichkeit geworden ist. Ein anderes Bild, nämlich das elementarer Unsicherheit, zeigt die Verfassungstheorie, sobald sie aus ihrer grundgesetzlichen Einbindung herausgelöst wird, um ihre Arbeitsweisen, Gegenstände, Befunde und Debatten systematisch zu erschließen.2 Die Veränderung ist leicht erklärt, wenn mit dieser Herauslösung disziplinäre Grenzen aufgegeben werden und man sich den Diskussionen zuwendet, die weltweit unter den Stichworten „Constitution“, „Constitutional Theory“ und „Consti-

Fünftens wurde über die konstitutionelle Monarchie staatstheoretisch und nicht verfassungstheoretisch nachgedacht. Die Kategorie des Staates erlaubte es, den verfassungspolitischen Streit zwischen Fürsten- und Volkssouveränität zugunsten der Staatssouveränität aufzulösen. Fürst und Landesstände wurden zu Organen des Staates (dieser Zugang vereinte so konträre Zugriffe wie die von Schulze, Das preussische Staatsrecht auf Grundlage des deutschen Staatsrechts, 1872, S. 131 f., 149 ff., und Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 3. Aufl. 1880, S. 1 ff.; näher zu den elementaren Differenzen Schönberger, Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997, S. 21 ff., 37 ff.). In dieser neuen politischen Ordnung war die Verfassung ein Element unter anderen (symptomatisch Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 3. Aufl. 1880, S. VI, der in der Vorrede vom „modernen Verfassungsstaat“ spricht, aber weder der Kategorie der Verfassung noch der des Verfassungsstaates rechtliche Bedeutung beimisst). Die entscheidenden Fragen hingen nicht an der Verfassung, sondern daran, wie die Beziehungen zwischen Fürsten, Landesständen und Bürgern konzeptionell gedacht wurden. Dies zeigt insbesondere die radikale Verengung auf die Kategorie des Staatswillens durch Gerber als allein maßgeblichen Bezugspunkt staatstheoretischen Denkens. Insgesamt markierte die Verfassung eine maßgebliche Scheidelinie zwischen den alten monarchischen Ordnungen und den vielfältigen Erscheinungsformen der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert. Die Bedeutung der Verfassung lag jedoch in erster Linie auf dem politischen Gebiet (näher Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003, S. 121 ff.). Die Rechtsordnungen des 19. Jahrhunderts waren deshalb noch weit davon entfernt, sich mithilfe der Verfassung gegenüber ihrer Umwelt abzuschließen und sich als selbstbezügliche Funktionssysteme zu errichten (a. A. wohl Jansen, Recht und gesellschaftliche Differenzierung, 2019, S. 264). 2 Man denke nur an die Debatten über das Konzept der Verfassung, die Gelingensbedingungen einer Verfassung, das Phänomen des Verfassungswandels sowie den „Mythos“ der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes. Mit Blick auf das englischsprachige Schrifttum teilt diese Einschätzung Barber, The Constitutional State, 2010, S. 1.

Einleitung

17

tutionalism“ geführt werden. Es handelt sich um eine überbordende Fülle an disziplinären und interdisziplinären Zugängen, Perspektiven, Fragen, Interessen und Gegenständen.3 Dieses Sammelsurium mag sich vielleicht noch in Umrissen erfassen lassen. Gewöhnlich fügen sich die 3 Zu den vielfältigen Richtungen und Fragen s. bspw. im Allgemeinen Whittington, Constitutionalism, in: ders. / Kelemen / Caldeira (Hrsg.), The Oxford Handbook of Law and Politics, 2008, S. 281; Barber, The Constitutional State, 2010, S. 1 ff.; Hensel / Bock / Dircksen / Thamer, Constitutional Cultures, 2012; Neves, Transconstitutionalism, 2013; Riberi / Lachmayer (Hrsg.), Philosophical or Political Foundation of Constitutional Law?, 2014; Almeida, Cardozo Pub. Law, Policy & Ethics J. 13 (2014), S. 1 ff.; Möller, Formwandel der Verfassung, 2015; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017; Levy u. a. (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Deliberative Constitutionalism, 2018; Albert / Contiades / Fotiadou (Hrsg.), The Law and Legitimacy of Imposed Constitutions, 2019; Buratti, Western Constitutionalism, 2. Aufl. 2019; Biagi / Frosini / Mazzone (Hrsg.), Comparative Constitutional History, 2020; Gebeye, A Theory of African Constitutionalism, 2021; Waluchow / Kyritsis, Constitutionalism, 2022; Loughlin, Against Constitutionalism, 2022. Mit Blick auf die Verfassungsgerichtsbarkeit bspw. Scheinin / Krunke / Aksenova (Hrsg.), Judges as Guardians of Constitutionalism and Human Rights, 2016; Brinks / Blass, The DNA of Constitutional Justice in Latin America, 2018; Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019; Linares-Cantillo / Valdivieso-León / García-Jaramillo (Hrsg.), Constitutionalism, 2021. Zur historsichen Entwicklung Lehnert (Hrsg.), Konstitutionalismus in Europa, 2014; Adams / Meuwese / Hirsch Ballin (Hrsg.), Constitutionalism and the Rule of Law, 2017; Balkin, The Cycles of Constitutional Time, 2020. Zum internationalen Recht Kumm, German Law Journal 7 (2006), S. 341 ff.; Thornhill, A Sociology of Transnational Constitutions, 2016; Dixon / Landau, Competitive democracy and the constitutional minimum core, in: Ginsburg / Huq (Hrsg.), Assessing Constitutional Performance, 2016, S. 268 ff.; Atilgan, Global Constitutionalism, 2018; Fassbender, The United Nations Charter as the Constitution of the International Community, 2009 (die Diskussion um die UN-Charta als Verfassung der internationalen Gemeinschaft konzeptionell zusammenfassend); Kjaer, Constitutionalism in the Global Realm, 2014; Petersmann, Multilevel Constitutionalism for Multilevel Governance of Public Goods, 2017 (mit Blick auf die allgemeine Debatte im internationalen Recht); Tschentscher, VVDStRL 75 (2016), S. 407 ff.; Krieger, VVDStRL 75 (2016), S. 439 ff.; Oates, Constituent Power and the Legitimacy of International Organizations, 2020. Zur Europäischen Union etwa Bogdandy / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009; Grimm, Die Zukunft der Verfassung II, 2012; Lehnert (Hrsg.), Konstitutionalismus in Europa, 2014; Haltern, Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, S. 529 ff., 818 ff.; ders., Europarecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, § 2; Patberg, Constituent Power in the European Union, 2020; Pernice, Der Europäische Verfassungsverbund, 2020, S. 625 ff.; Schütze, European Constitutional Law, 3. Aufl. 2021, Teil I.2; Bogdandy, Strukturwandel des öffentlichen Rechts, 2022. S. f. die Nachw. auf S. 23 in Fn. 2.

18

Einleitung

Beiträge jedoch nicht zu Forschungsgesprächen zusammen, sodass kaum gesicherte Wissensbestände, gemeinsam verfolgte Forschungsfragen oder bestehende Forschungslücken auszumachen sind. Um sich nicht in diesen Debatten zu verlieren, hält die vorliegende Studie an einer disziplinären Ausrichtung fest. Ihr Gegenstand ist die Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre. Doch auch dann ist nicht viel Halt gewonnen. Verschieden gelagerte Gründe sind dafür verantwortlich. Gewöhnlich wird versucht, mithilfe der Kategorie der Verfassung Orientierung zu gewinnen und Ordnung zu erzeugen. Das adäquate Konzept einer Verfassung soll das verfassungstheoretische Denken und Arbeiten anleiten. Doch erweist sich der Gebrauch geschriebener Verfassungen als zu vielschichtig, um diesen auf ein einziges anleitendes Konzept zu stützen. Selbst wenn bestimmte Verwendungsweisen als maßgeblich ausgezeichnet werden, ist das Konzept der Verfassung mit der Orientierungs- und Ordnungsaufgabe überfordert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bildete sich die geschriebene Verfassung als ein Instrument der Politik heraus, auf das bald – wie Linda Colley eindrücklich geschildert hat – weltweit in den verschiedensten Zusammenhängen und mit den unterschiedlichsten Zielsetzungen zurückgegriffen wurde.4 Diese Vielfalt lässt sich nicht auf ein einziges aussagekräftiges Konzept zurückführen. Der Verfassungsbegriff gewinnt zwar an Kontur, sobald er mit drei Grundgedanken verknüpft wird, die zunächst unabhängig voneinander aufkamen und sich später zur Idee einer demokratischen Verfassungsordnung verbanden. Es handelt sich um die Vorstellung politischer Selbstbestimmung (demokratischer Gedanke),

4 Colley, The Gun, the Ship and the Pen, 2021; auf einer ähnlichen Linie liegen die Studien von Bruce Ackerman über Konstitutionalisierungsvorgänge (Ackerman, Revolutionary Constitutions, 2019). Das Moment der Gewalt betont Bofill, Law, Violence and Constituent Power, 2021. Als weltweite „Erfolgsgeschichte“ des demokratischen Verfassungsstaates nimmt Buratti, Western Constitutionalism, 2. Aufl. 2019, die Entwicklung wahr. Zur Entwicklungsgeschichte auch Gosewinkel / Masing, Einführung in die Texte, in: dies. (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa 1789–1949, 2006, S. 9 ff.; Hsueh, Hybrid Constitutions, 2010, S. 113 ff. Zu Anfängen geschriebener Verfassungen darüber hinaus bspw. McIlwain, Constitutionalism: Ancient and Modern, 2. Aufl. 1947; Hofmann, Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 ff. Zur Begriffsgeschichte Mohnhaupt, Verfassung I, in: Brunner / Conze / Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, 1990, S. 831 ff.; Grimm, Verfassung II, in: ebd., S. 863 ff.

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die Begründung politischer Ordnung (konstitutioneller Gedanke) und die Begrenzung politischer Macht (liberaler Gedanke).5 Dieses inhaltliche Profil vermag jedoch nicht zu verhindern, dass dem Konzept der Verfassung zu viel abverlangt wird, solange es als maßgeblicher Schlüssel für verfassungstheoretisches Nachdenken dienen soll. Gewöhnlich werden Erwartungen in rechtlicher, institutioneller, realgesellschaftlicher, kultureller und legitimatorischer Hinsicht an eine Verfassung herangetragen. Das spiegelt sich in umfangreichen Funktionskatalogen. Selbst wenn die Verfassung als ein Geflecht aus Normen, Praxen, Symbolen, Entwicklungen, Narrativen, Einsichten und Überzeugungen verstanden wird, erscheint es aber kaum denkbar, dass ein solches Institut in der Lage ist, all diese Erwartungen zu erfüllen und die erhofften Leistungen zu vollbringen. Verfassungstheorie, das ist die Grundüberzeugung dieser Studie, muss deshalb einen anderen Ausgangspunkt wählen. Ein adäquates Konzept der Verfassung ist immer ein Zweites. Das Erste und Maßgebliche hingegen ist der Gegenstand der Verfassung – das Verfasste. Nur von ihm aus lässt sich ein aussagekräftiges Konzept der Verfassung entwickeln. Der Gegenstände gibt es viele. Es kann sich um die Europäische Union, aber auch um eine internationale Organisation handeln, beispielsweise um die Vereinten Nationen. Für die Verfassungstheorie der deutschen Staatsrechtslehre liegt es nahe, ihren Gegenstand im demokratischen Verfassungsstaat zu sehen. Doch stellt dieser – zumindest gegenwärtig  – keine aussagekräftige Ordnungsform mehr dar. Demokratische Verfassungsstaaten können einem politischen oder rechtlichen Konstitutionalismus folgen; sie können geschriebene oder ungeschriebene Verfassungen besitzen; sie können liberal oder autoritär verfasst sein; und sie können die Verfassungsgerichtsbarkeit als abhängige oder unabhängige Gewalt ausgestalten oder sogar ganz auf sie verzichten. Der Fokus muss also enger gestellt werden. Und das ist einer der beiden Gründe, warum sich diese Arbeit auf den liberalen demokratischen Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit konzentriert. Der zweite ergibt sich aus den gegenwärtigen Anfechtungen praktischer und theoretischer Art, denen diese glücklich-geniale menschliche Errungenschaft ausgesetzt ist. Der Beitrag, den die Verfassungstheorie zu ihrer Selbstvergewisserung und Erhaltung leisten kann, ist bescheiden. Er tut trotzdem Not, da die im

5

So bereits Hardin, Liberalism, Constitutionalism, and Democracy, 1999.

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Folgenden betretene theoretisch-konzeptionelle Ebene zu lange als selbstverständlich hingenommen und nicht eingehender analysiert worden ist.6

6 Sehr klar wird der hier eingenommene Standpunkt von Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 2 ff., formuliert. Die vorliegende Studie greift den Impuls und das Projekt auf. Zur weltweiten Entwicklung des liberalen demokratischen Verfassungsstaates s. die zusammenfassenden Bemerkungen von Chapman, Comparisons of Measures of Democracy, in: Sarsar / Datta (Hrsg.), Democracy in Crisis Around the World, 2021, S. 233 ff., und Lindstaedt, Democratic Decay and Authoritarian Resurgence, 2021, S. 17 ff. Aus der Fülle der jüngeren Literatur zur Krise der liberalen Demokratie Graber / Levinson / Tushnet (Hrsg.), Constitutional Democracy in Crisis?, 2018; van Beek (Hrsg.), Democracy under Threat, 2019; sehr lehrreich Przeworski, Krisen der Demokratie, 2020. Zu möglichen Gründen die Überblicke von Smilova / Schmidt-Gleim, Liberal Democracy in Crisis, in: Schmidt-Gleim / Smilova / Wiesner (Hrsg.), Democratic Crisis Revisited, 2022, S. 9 ff.; Wiesner, Doing and Undoing Representative Democracy, in: ebd., S. 33 ff. Mit Blick auf die EU bspw. Garben / Govaere / Nemitz (Hrsg.), Critical Reflections on Constitutional Democracy in the European Union, 2019. Mit Blick auf die Krise der Verfassungsgerichtsbarkeit bspw. Preuß, Judical Power in Processes of Transformation, in: Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019, S. 342 ff. Detaillierte empirische Daten finden sich bei V-Dem Institute, Democracy Report 2022, 2022; Hartmann / Thiery, Globale Ergebnisse BTI 2022, 2022. Zur Entwicklung speziell in Polen Granat, Constitutional judiciary in crisis, in: Szente / GárdosOrosz (Hrsg.), New Challenges to Constitutional Adjudication in Europe, 2018, S. 132 ff.; Garlicki, Constitutional Court and Politics, in: Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019, S. 141 ff.; Brzozowski, Whatever works, in: Gárdos-Orosz / Szente (Hrsg.), Populist Challenges to Constitutional Interpretation in Europe and Beyond, 2021, S. 174 ff.; Hlebowicz, Lawless and Unjust, in: Johansen / Akande (Hrsg.), Nationalism, 2021, S. 47 ff.; Drinóczi / Bień-Kacała (Hrsg.), Rule of Law, Common Values and Illiberal Constitutionalism, 2021; Stambulski, Consitutional Populism and the Rule of Law in Poland, in: Krygier / Czarnota / Sadurski (Hrsg.), Anti-Constitutional Populism, 2022, S. 336 ff. Bezüglich Ungarn Szente / GárdosOrosz, Judicial deference or political loyalty?, in: dies. (Hrsg.), New Challenges to Constitutional Adjudication in Europe, 2018, S. 89 ff.; Dooley, Political Trends in Central and East Europe, in: Sarsar / Datta (Hrsg.), Democracy in Crisis Around the World, 2021, S. 55 ff.; Gárdos-Orosz, Constitutional interpretation under the new Fundamental Law of Hungary, in: dies. / Szente (Hrsg.), Populist Challenges to Constitutional Interpretation in Europe and Beyond, 2021, S. 143 ff.; Tamas, From Youth Movement to Right-Wing Authoritarianism, in: Johansen / Akande (Hrsg.), Nationalism, 2021, S. 163 ff.; Drinóczi / Bień-Kacała (Hrsg.), Rule of Law, Common Values and Illiberal Constitutionalism, 2021; Bodnár, Disarming the Guardians, in: Krygier / Czarnota / Sadurski (Hrsg.), Anti-Constitutional Populism, 2022, S. 254 ff. Methodologisch liegt der Studie ein basales Rationalitätsverständnis zugrunde. Es verlangt, nachprüfbare Gründe zu benennen, Kritik zu entkräften, um die Be-

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Von diesen Annahmen ausgehend verfolgt die Studie zwei Ziele. Das erste besteht darin, den Status verfassungstheoretischer Analysen, Urteile und Interpretationen zu klären und das bisherige verfassungstheoretische Forschungsgespräch zu ordnen. An einer Ordnung der Fragen und Debatten fehlt es bislang. Dieses Fehlen dürfte für die eine Unsicherheit und das andere Missverständnis verantwortlich sein. Das zweite und zentrale Ziel ist es, die Verfassungstheorie des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit als spezifische Verfassungstheorie eben dieses verfassungsstaatlichen Typus in ersten Umrissen zu entwerfen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass wir uns intensiv mit Idee und Wirklichkeit des demokratischen Verfassungsstaates auseinandersetzen müssen, um ein klares Konzept und eine ebenso klare Wertvorstellung von dieser bewahrenswerten Form menschlichen Zusammenlebens zu gewinnen. Vorweg schließlich noch ein Wort zur Literatur, die unüberschaubar ist: Die Nachweise beschränken sich auf eine beispielhafte Auswahl jüngerer Arbeiten, die es erlauben, die jeweiligen Diskussionen zu erschließen.

dingtheiten und Vorannahmen und die nur relative Verlässlichkeit der eigenen Überlegungen zu wissen und diese Punkte, wo nötig, zu explizieren. Ein solches Verständnis ist kompatibel mit einer wissenschaftstheoretischen Haltung, die sich weigert, auf die Differenz zwischen gesellschaftspolitischer Relevanz und wissenschaftlicher Analyse zu achten. Eine solche Indifferenz erzeugt zwar Mühsal, aber die Grundgebote rationalen Denkens, Argumentierens und Arbeitens werden dadurch nicht in Frage gestellt. Es gibt deshalb keine gewichtigen Sachgründe, Ansätze aus den Feldern von Legal Gender Studies, Critical Race Theory oder Post- und De-Colonial Studies auszugrenzen. Soweit das Konzept der Rationalität von solchen Ansätzen als „patriarchal“ oder „westlich“ abgelehnt wird (bspw. Mackinnon, Signs: Journal of Women in Culture and Society 8 (1983), S. 635, 644 f.), wenden sich die Vorbehalte m. E. nicht gegen das hiesige basale Rationalitätsverständnis.

1. Kapitel

Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre A. Kartographische Skizze Weite und Vielgestaltigkeit der verfassungstheoretischen Gespräche machen es unmöglich, eine Karte für das Ganze der Verfassungstheorie zu zeichnen. Einzelne Blätter lassen sich aber sehr wohl anlegen. Die thematische Vielfalt kann dabei auf drei Abteilungen zurückgeführt werden. Sie handeln von der „Einsicht in die Dinge oder die Gesetze des Sozialen“ (1. Abt.), den „Grundfragen einer Verfassung und eines demokratischen Verfassungsstaates“ (2. Abt.) und den verfassungstheoretischen „Verständnisfolien“ für das Verfassungsrecht (3. Abt.).

I. Drei Gestaltungsvariablen Innerhalb der Abteilungen hängt die Gestaltung der einzelnen Karten vor allem von drei Variablen ab, nämlich 1.) den maßgeblichen Betrachtungsgegenständen, 2.) der gewählten Tätigkeit und 3.) dem ontologischepistemologischen Grundverständnis. Die Zahl der möglichen Gegenstände ist groß. Es kommen positive Verfassungsrechtsordnungen wie die grundgesetzliche Ordnung, die vorhandenen Familien von Verfassungsstaaten wie der demokratische Verfassungsstaat mit geschriebener Verfassung und unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit (z. B. Deutschland, USA, Südafrika), konzeptionelle Typen wie der (demokratische) Verfassungsstaat, Staatenverbände, internationale Organisationen oder Verfassungen im Allgemeinen wie im Besonderen in Betracht. Ferner hängt der konkrete Betrachtungsgegenstand davon ab, ob der Blick auf Texte, Normen, Akteure, gesellschaftliche Praxen oder eine Kombination derselben gerichtet wird. Schließlich kann die Betrachtung zwischen generalisierendem oder individualisierendem Zugriff variieren.

A. Kartographische Skizze

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Überschaubarer ist das Feld der Tätigkeiten. Sie lassen sich auf drei elementare Arbeitsweisen zurückführen: So kann 1.) analysiert, 2.) beurteilt und 3.) interpretiert werden.1 Analysen sind gewöhnlich auf die Beschreibung, Erklärung oder übergreifende Ordnung ihres Gegenstandes gerichtet. Die Beschreibung kann das Zusammentragen rechtlicher oder außerrechtlicher Wissensbestände, die Ausarbeitung eines Konzepts bzw. Begriffs oder die Rekonstruktion einer Praxis betreffen. Erklärungen differieren aufgrund ihrer unterschiedlichen methodologischen Grundlagen beträchtlich. Man denke nur an die Unterschiede, die zwischen einer rechtstheoretischen, diskurstheoretischen, systemtheoretischen, dekonstruktivistischen und (verhaltens-)ökonomischen Erklärung bestehen. Gegenwärtig setzen viele verfassungstheoretische Analysen  – ob beschreibender oder erklärender Art – vergleichend an, wobei der Vergleich historisch, systematisch, typologisch, regional oder global ausgerichtet sein kann.2 1

Neben der Interpretation existiert die Fortbildung des Rechts. Die Verfassungstheorie kann insofern Vorschläge unterbreiten. In der Sache handelt es sich um eine beurteilende Tätigkeit, in die gewöhnlich zugleich Elemente der Analyse und Interpretation eingehen. 2 Zu den Grundlagen Jackson, Harv. L. Rev. 119 (2005), S. 109 ff.; Schönberger, VRÜ 43 (2010), S. 6 ff.; Baines / Barak-Erez / Kahana (Hrsg.), Feminist Constitutionalism, 2012; Hirschl, Comparative Matters, 2014; Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018, S. 1 ff., 49 ff.; Baer, JöR 63 (2015), S. 389 ff. Lehrreich zu den Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichens ohne typologische Grundlage Frankenberg, Comparative Constitutional Studies, 2018; Ginsburg, The State of the Field, in: Law (Hrsg.), Constitutionalism in Context, 2022, S. 23 ff. Zum Verfassungsrecht im Allgemeinen Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982; Bogdandy / Villalón / Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 1, 2007; dies. (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 2, 2008; Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012; Ginsburg (Hrsg.), Comparative Constitutional Design, 2012; Tushnet / Fleiner / Saunders (Hrsg.), Routledge Handbook of Constitutional Law, 2013; Jacobsohn / Schor (Hrsg.), Comparative Constitutional Theory, 2018; Dixon / Stone (Hrsg.), The Invisible Constitution in Comparative Perspective, 2018; Masterman / Schütze (Hrsg.), The Cambridge Companion to Comparative Constitutional Law, 2019; Albert, Constitutional Amendments, 2019; Landau / Lerner (Hrsg.), Comparative Constitution Making, 2019; Smith / Beeman (Hrsg.), Modern Constitutions, 2020; Negretto (Hrsg.), Redrafting Constitutions in Democratic Regimes, 2020; Thaler, Grundlagen und Entwicklung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2020; van der Walt, The Concept of Liberal Democratic Law, 2020 (konservative Radikalkritik); Law (Hrsg.), Constitutionalism in Context, 2022; Dorsen / Rosenfeld / Sajó / Baer / Mancini, Comparative Constitutionalism,

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

Ihre präskriptive Natur unterscheidet die Beurteilungen von den deskriptiven Analysen. Beurteilungen können auf die Rechtfertigung eines Gegenstandes oder seine Kritik gerichtet sein. Eine Kombination aus Analyse und Beurteilung stellen gesellschaftstheoretische Entwürfe einer

4. Aufl. 2022. S. f. den Reader Tushnet (Hrsg.), Comparative Constitutional Law, Bd. 1–3, 2017. Zum Globalen Süden: Dann / Riegner / Bönnemann (Hrsg.), The Global South and Comparative Constitutional Law, 2020; Dann / Thiruvengadam (Hrsg.), Democratic Constitutionalism in India and the European Union, 2021. Speziell zu Afrika siehe etwa Visser u. a. (Hrsg.), Constitution-Building in Africa, 2015; Fombad (Hrsg.), Constitutional Adjudication in Africa, 2017; ders. / Steytler (Hrsg.), Decentralisation and Constitutionalism in Africa, 2019; Klug, Constituting the State in Postcolonial Africa, in: Smith / Beeman (Hrsg.), Modern Constitutions, 2020, S. 261 ff.; Gebeye, A Theory of African Constitutionalism, 2021; Fombad / Steytler (Hrsg.), Democracy, Elections, and Constitutionalism in Africa, 2021. Für Mittel- und Südamerika s. Albert u. a. (Hrsg.), Constitutional Change and Transformation in Latin America, 2019; Robinson / Bulkan / Saunders, Fundamentals of Caribbean Constitutional Law, 2. Aufl. 2021. Zur Verfassungsgerichtsbarkeit Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, 1992; Tushnet, Weak Courts, Strong Rights, 2008; Vilhena / Baxi / Viljoen (Hrsg.), Transformative Constitutionalism, 2013; Scheinin / Krunke / Aksenova (Hrsg.), Judges as Guardians of Constitutionalism and Human Rights, 2016; Bogdandy / Grabenwarter / Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 6, 2016; Jakab / Dyevre / Itzcovich (Hrsg.), Comparative Constitutional Reasoning, 2017; Brewer Carías, Constitutional Courts as Positive Legislators, 2011; Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018; Delaney / Dixon (Hrsg.), Comparative Judicial Review, 2018; Szente / Gárdos-Orosz (Hrsg.), New Challenges to Constitutional Adjudication in Europe, 2018; Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019; Jestaedt / Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung II, 2019; Bogdandy / Grabenwarter / Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 7, 2021; Calabresi, The History and Growth of Judicial Review, 2021. Zur historischen Entwicklung: Müßig (Hrsg.), Reconsidering Constitutional Formation I. National Sovereignty, 2016; dies., Reconsidering Constitutional Formation II. Decisive Constitutional Normativity, 2018; Villalón, Die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, in: Bogdandy / Grabenwarter / Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 7, 2021, S. 1 ff. Zur Verfassungsvergleichung durch Verfassungsgerichte grdl. Martini, Vergleichende Verfassungsrechtsprechung, 2018; Ferrari (Hrsg.), Judicial Cosmopolitanism, 2020; Voßkuhle, Judikative Verfassungsvergleichung und der europäische „dialogue des juges“, 2022. Zur Verfassungsentwicklung Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982; Jacobsohn, Constitutional Identity, 2010; Jestaedt / Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung I, 2017; dies. (Hrsg.), Verfassungsentwicklung II, 2019; dies. (Hrsg.), Verfassungsentwicklung III, 2021; Contiades / Fotiadou (Hrsg.), Routledge Handbook of Comparative Constitutional Change, 2021.

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guten Ordnung dar, sofern sie sich bemühen, Maßstäbe in Auseinandersetzung mit den vorhandenen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Anschauungen zu entwickeln. Die beiden bekanntesten Vorschläge stammen insoweit von John Rawls und Jürgen Habermas.3 Interpretationen – in dem hier verstandenen Sinne – sind weder deskriptiv noch präskriptiv. Sie zielen darauf, das rechtlich Gesollte mithilfe von anerkannten hermeneutischen Instrumenten, insbesondere den juristischen Argumentationsformen, zu verstehen.4 Charakteristisch für jede Interpretation ist erstens die Überzeugung, dass es einen Gegenstand  – die Norm  – gibt, der sich interpretatorisch erschließen lässt, obwohl die Interpret:innen wissen, dass dieser Gegenstand Unschärfen aufweist, die sich auf keinem analytischen Weg beseitigen lassen.5 Die Unschärfen sind nicht nur der maßgebliche Grund, warum es überhaupt interpretatorischer Anstrengungen bedarf, sie erklären auch den gewöhn3 Rawls, A Theory of Justice, 1971, hat den universellen Geltungsanspruch seines philosophischen Gesellschaftsentwurfs später zurückgenommen und diesen zu einer politischen Theorie existierender liberaler Demokratien fortgeschrieben, die sich sehr gut als Explikation des in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Typus eines liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit lesen lässt, s. zusammenfassend ders., Justice as Fairness, 2001. Als rationale Rekonstruktion begreift Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, seinen Entwurf eines deliberativen Verfassungsstaates. Doch reichen die von ihm erhobenen Geltungsansprüche (ebd., S. 135 ff., 187 ff.) deutlich weiter. Er beansprucht gesellschaftstheoretische bzw. -philosophische Richtigkeit für seinen Aufriss. S. f. den Entwurf von Haverkate, Verfassungslehre, 1992. Legitimatorische Fragen behandeln daneben bspw. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 27 ff.; Barber, The Constitutional State, 2010; Levy u. a. (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Deliberative Constitutionalism, 2018. 4 Es handelt sich um eine Grundannahme, die ich unten auf den S. 59 ff. und an anderer Stelle (Bumke, Erzeugung und Gebrauch von Wissen in der Rechtsdogmatik, in: Augsberg / Schuppert (Hrsg.), Wissen und Recht, 2022, S. 443, 451 ff.) zu plausibilisieren versuche. Die Bemühungen in der aktuellen Hermeneutik weisen in eine andere Richtung. Dort wird versucht, die Kompatibilität mit naturwissenschaftlich geprägten wissenschaftstheoretischen Ansätzen aufzuzeigen, so Mantzavinos, Naturalistische Hermeneutik, 2006, S. 65 ff.; Detel, Geist und Verstehen, 2011, Kap. 8; kritisch aber Scholz, Texte interpretieren, in: Borkowski u. a. (Hrsg.), Literatur interpretieren, 2015, S. 147 ff. 5 Hinzu kommen unterschiedliche Sichtweisen auf die Norm. Sie lässt sich als ein abstrakter, statischer Gegenstand begreifen, der mit seiner Entstehung eine gewisse (ggfs. noch unterbestimmte) Gestalt gewinnt. Alternativ lässt sich eine Norm aber auch als ein prozesshaftes Gebilde denken, das mit jeder neuen Entscheidung seine Gestalt verfestigt oder verändert.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

lich vorhandenen Eigenanteil der Interpret:innen an ihren Interpretationen  – ein Eigenanteil, der sich in schwierigen Fällen einer (rechts-) wissenschaftlichen Herleitung entzieht. Zweitens ist für Interpretationen das Changieren zwischen deskriptiver Beschreibung und präskriptiver Beurteilung charakteristisch. Die Interpret:in erhebt mit ihrer Interpretation einer Norm den Anspruch, deren Inhalt erfasst zu haben, stellt also einen deskriptiven Satz auf. Im selben Moment wird aber auch die Gültigkeit dieses Verständnisses behauptet: Die Norm soll gerade so verstanden werden, wie sie laut der Interpretation zu verstehen ist. Das Interpretieren ist demzufolge eine spezifische Weise, sich einem unscharfen Gegenstand zu nähern und diesen unter Beseitigung seiner Unschärfe zu erkennen. Auch ohne weitere Erläuterung dürfte einsichtig sein, wie wichtig es schon zur Vermeidung unfruchtbarer Streitigkeiten ist, auf den unterschiedlichen Status der Sätze (deskriptiv, präskriptiv, interpretativ) und die jeweils verfolgten Ansprüche zu achten. Schließlich können Anlage und Kartengestaltung vom ontologischepistemologischen Grundverständnis abhängen; sie müssen es jedoch nicht in der gleichen Weise, wie dies beim Betrachtungsgegenstand und der Tätigkeit der Fall ist.6 Elementare Differenzen verlieren sich gegebenenfalls im Rahmen detaillierter Analysen, Beurteilungen oder Interpretationen. Zwei illustrierende Beispiele genügen, um sich des möglichen Einflusses dieser Variablen bewusst zu bleiben. Zu denken ist erstens an die Wahl zwischen kelsenianischem Rigorismus und hartschem Pragmatismus.7 Ein zweites Beispiel wäre der Streit über das Verhältnis zwischen

6 Lehrreich Arvind / Stirton, Slaying the misshapen monster, in: Kyritsis / Lakin (Hrsg.), The Methodology of Constitutional Theory, 2022, S. 103 ff.; einige vorläufige Überlegungen dazu finden sich bei Bumke, Konzepte der Verfassungsentwicklung, in: Jestaedt / Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung I, 2017, S. 39, 44 ff.; explizit zum Thema für den Bereich des Politischen bspw. Paipais, Political Ontology and International Political Thought, 2017. 7 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 1, 68 ff., 78 f., einerseits und andererseits Hart, The Concept of Law, 2. Aufl. 1994, S. 1 ff., 79 ff., 193 ff. Sofern sich eine kelsenianische Forscher:in auf Strukturfragen des Verfassungsrechts etwa nach der rechtlichen Bedeutung des Prinzips der Gewaltenteilung einlässt (so knüpft bspw. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, immer wieder an Unterscheidungen und Einschätzungen von Kelsen an) oder verfassungsinterpretatorischen Fragen nachgeht (vgl. Jestaedt / Reimer, in: Bonner Kommentar GG, Art. 6 Abs. 2 u. 3), so sind diese nicht von vornherein inkompatibel mit Überlegungen und Argumenten, die sonst auf diesen Themenfeldern entwickelt werden.

A. Kartographische Skizze

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Staat und Verfassung.8 Die vorliegende Untersuchung lässt diese Auseinandersetzung in der Überzeugung hinter sich, dass beide Ausdrücke eine spezifische Bedeutung erst als Elemente des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit gewinnen. Dieses Gebilde stellt eine spezifische Form, Ordnung, Herrschafts- und Existenzweise dar. Staat wie Verfassung haben gleichermaßen Anteil an dieser Erscheinung mitmenschlich-bürgerschaftlichen Zusammenlebens. Weder lässt sich der Staat hier vor der Verfassung noch die Verfassung vor dem Staat denken. Beides muss Hand in Hand gehen, damit dieses spezifische Gemeinwesen Gestalt und Dasein gewinnt. Folglich werden Verfassungs- und Staatstheorie auch nicht als Gegensätze begriffen.9 Die drei vorgestellten Gestaltungsvariablen bilden den maßgeblichen Grund für die Vielfalt und Heterogenität verfassungstheoretischen Denkens und Arbeitens. Hat man die drei Variablen vor die Klammer gezogen, wird es möglich, ein Kartenwerk für die verfassungstheoretischen Gespräche anzulegen.10 Es baut auf den nunmehr näher vorzustellenden drei thematischen Abteilungen auf.

8 Statt aller einerseits Isensee, Die Staatlichkeit der Verfassung, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 6, und andererseits Möllers, Staat als Argument, 2000; s. auch die Aufarbeitung der Diskussion durch Frick, Die Staatsrechtslehre im Streit um ihren Gegenstand, 2018, Kap. III. Sich dem Konzept des Verfassungsstaates von der Unterscheidung zwischen Staat und Verfassung nähernd Barber, The Constitutional State, 2010; ders., The Principles of Constitutionalism, 2018, S. 9 ff. Unterschiedliche Einschätzungen zur Bedeutung der Gegenüberstellung für die Verfassungstheorie finden sich bspw. bei Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 14 ff., und Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 14 f. 9 Demgegenüber betont Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, 2003, S. 77 ff., die Notwendigkeit, bewusst und explizit an der Kategorie des Staates festzuhalten. 10 Aus diesen Gründen und den folgenden Schilderungen im Haupttext ist es m. E. auch nicht möglich, die Verfassungstheorie methodologisch zweifelsfrei als eigenständige Disziplin zu kennzeichnen. Siehe aber Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 50 ff.; Ingold, Verfassungstheorie, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Aufl. 2021, S. 111 ff. Die thematische Offenheit betont dagegen Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 45 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

II. Erste Abteilung: Einsicht in die Dinge oder die Gesetze des Sozialen Bereits in den Anfängen war das Bestreben, verlässliche Einsichten in die Dinge zu gewinnen sowie die Gesetze des Sozialen zu entschlüsseln, ein entscheidendes Motiv für verfassungs- und staatstheoretische Bemühungen. Rudolf Smend machte die „Integration“ als Grundmechanismus der Verwirklichung des Staates als „reale[m] Willensverband“ aus und schloss daraus, die wahre Bedeutung der Grundrechte sei nicht in ihren konkreten normativen Gehalten zu finden, sondern in einem Wert- oder Gütersystem.11 Und wenige Jahre nach Smends „Verfassung und Verfassungsrecht“ verwarf Hermann Heller zwar die Annahme eines einzigen Grundmechanismus, um den Staat als organisatorische Wirkungs- und Entscheidungseinheit zu begreifen.12 Dafür war die Zahl der relevanten Erklärungsfaktoren zu groß und ihr Zusammenspiel zu komplex. Doch auch er versuchte sich daran, die eigenartige Verbindung nackter und sozialer Tatsachen zu entschlüsseln, des Normalen und Konventionellen einerseits und des Normativen andererseits.13 Als einen wichtigen Faktor machte er das Moment der Organisation aus, mit dessen Hilfe sich trotz gesellschaftlicher Heterogenität eine Ordnung namens Staat errichten ließ.14 Ein anderes wesentliches Element sah er in der Bereitschaft aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, gewaltlos um die politische Macht zu streiten – von ihm als „soziale Homogenität“ bezeichnet.15 Verfassung und Verfassungsrecht als eigenständiges, wirklichkeitsprägendes geistiges Gebilde, das sich mit gewöhnlichen Mitteln juristischer Tätigkeit bearbeiten lässt, Spielräume des Politischen begrenzt und mit dem Gerichte wie mit jedem anderen positiven Recht umgehen können, war für Heller

11

Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 3. Aufl. 1994, S. 119, 127 ff., 136 ff., 190 ff., 260 ff. Näher Korioth, Integration und Bundesstaat, 1990, Teil 2; Linden, Politische Integration im vereinten Deutschland, 2006, S. 156 ff. 12 Heller, Staatslehre, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 3, 2. Aufl. 1992, S. 92, 339 ff. 13 Ebd., S. 114 f., 130 ff. 14 Ebd., S. 363, spricht Heller von der Organisation als „Bildungsgesetz“ des Staates. 15 Ebd., S. 235 f., 246 f., 341; s.  f. ders., Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 2, 2. Aufl. 1992, S. 421 ff.

A. Kartographische Skizze

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demzufolge ein voraussetzungsvolles Phänomen. Sehr vieles musste für dessen Gelingen zusammenkommen.16

1. Gelingensbedingungen Unsere Einsichten in die Gesetze des Sozialen sind mit Blick auf das gesellschaftliche Ganze bescheiden geblieben. Angesichts der zwischenzeitlichen gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Ausdifferenzierungen finden sich bloß gelegentlich noch erklärende Gesamtentwürfe verfassungstheoretischer Provenienz. Ein Beispiel ist die von Gunther Teubner entwickelte Theorie eines „gesellschaftliche[n] Konstitutionalismus“.17 Wie schon Smend verknüpft Teubner Einsicht und normative Anleitung miteinander – ein naheliegendes Verfahren, das am Glauben hängt, soziale Gesetzmäßigkeiten freigelegt zu haben. So schließt Teubner aus der „Eigenverfassung“ der „gesellschaftlichen Funktionssysteme“ (z. B. Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Familie) auf ein an die „Politik“ (= hoheitliche Gewalt) gerichtetes Verbot, mit rechtlichen Mitteln eigene Ziele innerhalb dieser Funktionssysteme zu verfolgen.18 Anstelle solcher Gesamtentwürfe beschränkt sich die Verfassungstheorie für gewöhnlich darauf, einzelne Gelingensbedingungen der Verfassung, des Verfassungsrechts oder des demokratischen Verfassungsstaates zu thematisieren.19 Zwei intensivere Debatten werden unter den Stichworten „Verfassungsvoraussetzungen“ und „Verfassungsfunktionen“ geführt.20 Die Charak16

Heller, Staatslehre, in: ders., Gesammelte Schriften, 2. Aufl. 1992, S. 92, 363 ff., 373 ff., 385 ff. Heller unterscheidet zwischen fünf Verfassungsbegriffen (ebd., S. 391). Näher Henkel, Hermann Hellers Theorie der Politik und des Staates, 2011, S. 482 ff. 17 Teubner, Verfassungsfragmente, 2012. 18 Ebd., Kap. 3 u. 6. 19 Tulis / Macedo, The Limits of Constitutional Democracy, 2010; Mittal / Weingast, JLEO 29 (2013), S. 278 ff.; Galligan / Versteeg (Hrsg.), Social and Political Foundations of Constitutions, 2013; Bamforth / Leyland (Hrsg.), Accountability in the Contemporary Constitution, 2013. Zum Erfolg von Verfassungen Ginsburg / Huq (Hrsg.), Assessing Constitutional Performance, 2016. Gelingensbedigungen stehen im Zentrum des „Sociological Constitutionalism“, siehe zu ihm Thornhill, A Sociology of Constitutions, 2011; Blokker / Thornhill (Hrsg.), Sociological Constitutionalism, 2017. 20 Mit sehr unterschiedlichen Vorverständnissen Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 169 ff.; Arvind / Stirton,

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terisierung als „Voraussetzung“ oder „Funktion“ einer Verfassung bietet offenbar genügend rechtlichen Halt, um die Staatsrechtslehre zu Aussagen, Einschätzungen und Urteilen über reale Wirkungen und Wirkungszusammenhänge zu bewegen. Bedacht werden unter anderem das sog. Böckenförde-Diktum,21 die von Konrad Hesse betonte „normative Kraft der Verfassung“22 sowie die Möglichkeiten und das Vermögen einer Verfassung, die staatliche Einheit zu bilden und zu erhalten, Organe einzurichten und deren Zusammenspiel zu ordnen, die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu stabilisieren und Bürger:innen vor einer übermächtigen Staatsgewalt zu schützen. Breit ist daneben die Palette der Gelingensbedingungen, auf die die Staatsrechtslehre je nach Lage der Dinge zu sprechen kommt.23 Zu denken ist nur an das Zusammenspiel zwischen Konflikt, Kompromiss und Konsens, an den Umgang mit unsicher-unübersichtlichen Szenarien, die Herausforderungen durch populistische Bewegungen, die Momente wirtschaftlicher Stabilität, den Gedanken sozialer Gerechtigkeit, die ambivalente Bedeutung der Nationalidee für ein funktionierendes Gemeinwesen oder die alte Frage nach der integrativen Kraft der Verfassung und des demokratischen Verfassungsstaates. In diesem Zusammenhang gelangt das verfassungstheoretische Nachdenken immer wieder an den Punkt des Geistigen, des Imaginierten. Worin besteht das Gemeinsame und worauf gründet das Geteilte? Von Kultur, Geschichte, Gewalt und Tod, Mythos oder anderen Erscheinungen säkularer Epiphanie wird gesprochen. Die Frage nach dem Gemeinsamen führt in die Welt des Symbolischen und der Narrative, der

Slaying the misshapen monster, in: Kyritsis / Lakin (Hrsg.), The Methodology of Constitutional Theory, 2022, S. 103–130 (beide mit Blick auf die Verfassungstheorie); Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 21 Rn. 67 ff.; Jestaedt, Verfassungstheorie als Disziplin, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 1 Rn. 36 ff.; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 2. Zu den Verfassungsfunktionen s. die Nachw. auf S. 86 in Fn. 61. 21 Böckenförde, Der säkularisierte Staat, 2007, S. 71. Näher Dreier, Staat ohne Gott, 2. Aufl. 2018, S. 189 ff. 22 Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, in: Krüper / Payandeh / Sauer (Hrsg.), Konrad Hesses normative Kraft der Verfassung, 2019, S. 1 ff., und bspw. die in diesem Sammelband vereinten Beiträge. 23 Thornhill, A Sociology of Constitutions, 2011; Galligan / Versteeg (Hrsg.), Social and Political Foundations of Constitutions, 2013; Ginsburg / Huq (Hrsg.), From Parchment to Practice, 2020.

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Selbstverständnisse und des Selbstverständlichen.24 Verlässliche Einsichten lassen sich hier wohl nur gewinnen, sofern konkretere Phänomene, z. B. das Konzept einer politischen Mitte, in den Blick genommen werden.

2. Typologien und Schichtenmodelle Neben dem Nachdenken über Gelingensbedingungen besitzen Typologien eine lange Tradition. Sich Staat und Verfassung typologischschichtend zu nähern, versucht man sowohl innerhalb als auch außerhalb der Staatsrechtslehre. Das Forschungsgespräch geprägt haben insoweit die „Verfassungslehre“ von Karl Loewenstein und Carl Friedrichs „Der Verfassungsstaat der Neuzeit“.25 Die Untersuchungen sind vergleichend angelegt und bauen auf historisch-systematisierenden Erkundungen auf. Soziale Gesetzmäßigkeiten werden so zwar nicht erkennbar. Dafür erlaubt der typologische Zugriff, die prägenden und charakteristischen Elemente, Strukturen und Schichten eines Gegenstandes herauszuarbeiten. Auf diese Weise lassen sich historisch-teleologische Entwicklungsmodelle aufstellen; mit ihrer Hilfe kann man dann verfolgen, wie sich Entwicklungsschichten herausgebildet, verändert und überlagert haben.26 Typologien schaffen Ordnung und Orientierung für das verfassungstheoretische Nachdenken. Mitunter werden sie auch herangezogen, um praktische oder theoretische Herausforderungen in der Gegenwart zu erklären. In 24 Grdl. für das Konzept imaginierter Gesellschaften Anderson, Imagined Communities, 2. Aufl. 1991; s. f. Neves, Symbolische Konstitutionalisierung, 1998; Haltern, Recht und soziale Imagination, in: Gephart (Hrsg.), Rechtsanalyse als Kulturforschung, 2012, S. 89 ff.; Mandelbaum, The Nation / State Fantasy, 2020; Haltern, Mythos als Integration, in: van Ooyen / Möllers (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2. Aufl. 2015, S. 47 ff. Weitere Momente an der Kategorie der Transzendenz festmachend Vorländer, Demokratie und Transzendenz, in: ders. (Hrsg.), Demokratie und Transzendenz, 2013, S. 11 ff. 25 Loewenstein, Verfassungslehre, 1959; Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, 1953. Aus jüngerer Zeit lassen sich anführen die Arbeiten von Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 ff., 397 ff.; ders., Die Zukunft der Verfassung II, 2012, S. 11 ff.; Fenske, Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009; Vesting, Staatstheorie, 2018. S. f. Winterhoff, Verfassung – Verfassunggebung – Verfassungsänderung, 2007, S. 69 ff., 95 ff.; Buratti, Western Constitutionalism, 2. Aufl. 2019. 26 Vgl. Schuppert, Staat als Prozess, 2010, S. 137 ff.

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diesem Sinne sind Dieter Grimm und Niklas Luhmann davon überzeugt, dass die historischen Formationen, in denen das Konzept des demokratischen Verfassungsstaates in den USA erstmals reale Gestalt annahm, zu einer Antinomie zwischen demokratischem Verfassungsstaat und dem Wohlfahrtsstaat führen.27 Denn der demokratische Verfassungsstaat gründe – so die beiden – auf der Überzeugung gesellschaftlicher Selbstorganisation und damit dem Gedanken eines sog. Nachtwächterstaates. Typologien lassen sich kaum am historisch-systematischen Material widerlegen. Ihre Qualität bemisst sich deshalb nach ihrer Fruchtbarkeit für das verfassungstheoretische Denken und Arbeiten.

III. Zweite Abteilung: Grundfragen einer Verfassung und eines demokratischen Verfassungsstaates Die zweite Abteilung erstreckt sich über ein sehr weites Feld. Ihr Gegenstand sind die Grundfragen einer jeden Verfassungstheorie und betreffen die konzeptionellen Grundlagen eines demokratischen Verfassungsstaates. Der äußere Aufbau hängt vom Verhältnis der Kategorien „demokratischer Verfassungsstaat“ und „Verfassung“ ab. Die Weite der Verfassungskategorie spricht für ein sich wechselseitig überlagerndes Nebeneinander, also die Bildung zweier Unterabschnitte mit den zugehörigen Kartenblättern. Auf den ersten Blick scheint es darüber hinaus zu thematischen Überschneidungen mit der ersten und dritten Abteilung zu kommen. Die Verfassungsfunktionen sind beispielsweise ein Thema, das in allen Abteilungen vorkommt. Doch Darstellung und Betrachtungsweise unterscheiden sich. In der ersten Abteilung liegt der Fokus auf den tatsächlichen Gegebenheiten, den gesellschaftlichen Zusammenhängen, Wirkungen und Anfechtungen einer Verfassung, des Verfassungsrechts und der zugrunde liegenden Verfassungspraxis. Und in der dritten Abteilung dienen die Funktionen der Anleitung von Verständnis und Umgang mit dem Verfassungsrecht in seiner gegenwärtigen Gestalt. In der zweiten Abteilung werden nun Momente, die in den anderen Abteilungen behandelt wer27 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 468 ff.; Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 ff., 397 ff.; Grimm, Verfassung II, in: Brunner / Conze / Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, 1990, S. 863 ff.

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den  – die tatsächlichen Erfahrungen und normativen Festlegungen  –, aufgegriffen und eingebunden in das allgemeine Nachdenken über die Aufgaben, Erwartungen, Potentiale und Leistungen einer Verfassung und ihre spezifische Gestalt als Grundbaustein eines demokratischen Verfassungsstaates. Diese Unterschiede erklären und erfordern eine wiederkehrende, aber variierende Thematisierung.28

1. Erster Unterabschnitt: Die Verfassung Im ersten Unterabschnitt finden sich Kartenblätter über Konzepte, Erscheinungsformen, Eigenschaften, Inhalte, Funktionen und Entwicklungen einer Verfassung.29 Der leitenden Fragen gibt es viele. Fragen, die die Identität einer Verfassung betreffen, lauten etwa: Was zeichnet eine Verfassung als „Verfassung“ aus?30 Was unterscheidet geschriebene und unge28

Aufgrund der drei verschiedenen Arbeitsweisen und der drei thematischen Abteilungen genügt es m. E. nicht, nur zwischen empirischen und normativen Funktionen zu unterscheiden (so aber bspw. Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 39 f.). 29 Siehe etwa Schmitt, Verfassungslehre, 1928, Abschn. I; Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates, 1945; Badura, Verfassung und Verfassungsgesetz, in: FS Scheuner, 1973, S. 19 ff.; Vorländer, Verfassung und Konsens, 1981, S. 275 ff., 351 ff.; Grey, Constitutionalism, in: Pennock / Chapman (Hrsg.), Constitutionalism, 1979, S. 189 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 69 ff.; Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 11 ff.; Hofmann, JöR 51 (2003), S. 1 ff.; Vermeule, The System of the Constitution, 2011; Hardin, Why a Constitution?, in: Galligan / Versteeg (Hrsg.), Social and Political Foundations of Constitutions, 2013, S. 51 ff.; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 1. Aus vergleichender Sicht Frankenberg, Comparative Constitutional Studies, 2018, S. 195 ff.; s. f. Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002; Winterhoff, Verfassung – Verfassunggebung – Verfassungsänderung, 2007; Schiffbauer, Formale Verfassungslehre, 2021, Teil 2, und den Überblick bei Ingold, Verfassungstheorie, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Aufl. 2021, S. 111, 117 ff. 30 Einen informativen Überblick bietet Grimm, Types of Constitutions, in: Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012, S. 98 ff.; s. f. bspw. van Alstyne, J. Legal Edu. 37 (1987), S. 174 ff.; Hardin, Liberalism, Constitutionalism, and Democracy, 1999, S. 82 ff.; Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, § 2; Paul/Paul/ Miller (Hrsg.), What should Constitutions do?, 2011; Krygier, Tempering Power, in: Adams / Meuwese / Hirsch Ballin (Hrsg.), Constitutionalism and the Rule of Law, 2017, S. 34 ff.; Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 38 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

schriebene Verfassungen?31 Gibt es Momente, die autoritäre und liberale, alte und junge, geschriebene und ungeschriebene, staatliche, bündische und internationale Verfassungen teilen?32 Gibt es typische oder gar notwendige Inhalte einer Verfassung, etwa den Gedanken kollektiver Selbst-

31 Walters, The Unwritten Constitution as a Legal Concept, in: Dyzenhaus / Thorburn (Hrsg.), Philosophical Foundations of Constitutional Law, 2016, S. 33 ff.; Craig, Written and Unwritten Constitutions, in: Bookman u. a. (Hrsg.), Pragmatism, Principle, and Power in Common Law Constitutional Systems, 2022, S. 263 ff. 32 Lehrreich Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018, S. 49 ff. Für das hier verfolgte Projekt und angesichts der weltweiten Etablierung autoritärer Demokratien ist die Unterscheidung zwischen freiheitlich-liberalen und autoritären Verfassungen zentral. Die maßgeblichen Abgrenzungskriterien bilden „freie Wahlen“ und die Bereitschaft der Regierung, ihre politische Macht aufzugeben: auch hierzu anschaulich ebd., S. 74 ff.; Przeworski, Krisen der Demokratie, 2020, S. 14 ff. Näher zu den autoritären bzw. populistischen Verfassungen Ginsburg / Simpser (Hrsg.), Constitutions in Authoritarian Regimes, 2014; García / Frankenberg (Hrsg.), Authoritarian Constitutionalism, 2019; Frankenberg, Autoritarismus, 2020; Belov (Hrsg.), Populist Constitutionalism and Illiberal Democracies, 2021; Szente, Populism and Populist Constitutionalism, in: GárdosOrosz / Szente (Hrsg.), Populist Challenges to Constitutional Interpretation in Europe and Beyond, 2021, S. 3, 10 ff.; Gamper, An ‚Instrument of Goverment‘ or ‚Instrument of Courts‘?, in: Gárdos-Orosz / Szente (Hrsg.), Populist Challenges to Constitutional Interpretation in Europe and Beyond, 2021, S. 43 ff. Am Bspl. Singapurs Rajah, Authoritarian Rule of Law, 2012; Tushnet, Cornell L. Rev. 100 (2015), S. 391 ff. Allgemein zu den Beweggründen des Populismus Pappas, Populism and Liberal Democracy, 2019, S. 79 ff.; Forgas / Crano / Fiedler (Hrsg.), The Psychology of Populism, 2021; und der Überblick bei Lewandowsky, Populismus, 2022. Tushnet / Bugarič, Power to the People, 2021 (z. B. S. 1 f., 53), unterscheiden zwischen einem guten, auf die Stärkung bürgerschaftlicher Kräfte gerichteten Populismus und autoritären Varianten. Deshalb sehen sie auch keinen notwendigen Gegensatz zwischen Populismus und Konstitutionalismus. Mir scheint die rasante weltweite Ausbreitung autoritärer Demokratien in eine andere Richtung zu weisen. In diesem Sinne auch Voßkuhle, Europa, Demokratie, Verfassungsgerichte, 2021, S. 219 ff.; skeptisch stimmt auch Heydarian, Subaltern Populism, in: Krygier / Czarnota / Sadurski (Hrsg.), Anti-Constitutional Populism, 2022, S. 138 ff.; Chatterjee, I Am the People, 2020, unterscheidet wie Tushnet und Bugarič sowie Mouffe, Für einen linken Populismus, 2018, zwischen einem guten (Links-) und einem schlechten (Rechts-)Populismus. Doch thematisiert er klar die Gefahr eines Abgleitens in einen Autoritatismus (ebd., S. 144 ff.); s. f. die lehrreich-informative Analyse von Moffitt, Populism, 2020, die auf Schwächen dieses Standpunktes aufmerksam macht.

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bestimmung, einer verfassungsgebenden Gewalt oder der rule of law?33 Welchen symbolischen Gehalt besitzt die Verfassung?34 Der Aspekt der Zeit wird in Gestalt folgender Fragen berührt: Wie ist es um die Stabilität und Flexibilität der Verfassung bestellt?35 Auf welche Weise sind Änderungen oder Entwicklungen möglich?36 Wie haben sich die Bedeutung und Rolle von Verfassungen über die Zeit verändert und welche Kontinuitäten lassen sich beobachten?37 Gibt es zeitlose Momente der Identität,

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Näher Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, Kap. 4; Barber, The Principles of Constitutionalism, 2018. Wird die Aufgabe der Verfassung ausschließlich in der Begrenzung staatlicher Gewalt gesehen (sog. „negative constitutionalism“, ebd., S. 2 ff.), geht die Verbindung zum demokratischen Verfassungsstaat verloren. Diese Strategie verfolgte Schmitt, Verfassungslehre, 1928, §§ 12, 16, 17, mit seiner Gegenüberstellung von „rechtsstaatliche[m]“ und „politische[m] Bestandteil der modernen Verfassung“. Das Vorgehen erlaubte es ihm überdies, den demokratischen Gedanken mit autoritären Herrschaftsformen zu verbinden, näher Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 103 ff. 34 Mit sehr unterschiedlichen Akzentsetzungen Corwin, Am. Pol. Sc. Rev. 30 (1936), S. 1071 ff.; Neves, Symbolische Konstitutionalisierung, 1998; Vorländer, Integration durch Verfassung?, in: ders. (Hrsg.), Integration durch Verfassung, 2002, S. 9 ff.; s. f. die Nachw. auf S. 31 in Fn. 24. 35 Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, S. 42 ff.; Schuppert, AöR 120 (1995), S. 32 ff. 36 Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972; Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982; Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008; Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 270; Peuker, Verfassungswandel durch Digitalisierung, 2020, Kap. 2; Contiades / Fotiadou (Hrsg.), Routledge Handbook of Comparative Constitutional Change, 2021; Gärditz, Verfassungsentwicklung und Verfassungsrechtswissenschaft, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 4. Zur Verfassungsänderung bspw. Masing, Der Staat 44 (2005), S. 1 ff.; Winterhoff, Verfassung  – Verfassunggebung  – Verfassungsänderung, 2007, Kap. D und E; Albert, Constitutional Amendments, 2019. Einen Blick auf die Praxis bietet bspw. Nikolopoulos, Der Kampf um den Konsens, 2014. Zum Ansatz eines Verfassungsrevisionsrechts Michael, RW 5 (2014), S. 426 ff. 37 Vorländer, Die Verfassung, 3. Aufl. 2012; ein evolutionäres Modell für die Herausbildung des Konstitutionalismus entwickelt Almeida, Cardozo Pub. Law, Policy & Ethics J. 13 (2014), S. 1 ff.; eine stufenweise verlaufende Entwicklungsgeschichte zeichnet Brunkhorst, Critical Theory of Legal Revolutions, 2014, nach. S. f. die Nachw. auf S. 31 in Fn. 25 f.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

die nur auf revolutionären Wegen überwunden werden können?38 Und schließlich kreisen Fragen um die Verfassungswirklichkeit: Wie ist die Verfassung mit diesem Thema verwoben?39 Welche Funktionen soll eine Verfassung für die politische, gesellschaftliche oder rechtliche Ordnung übernehmen?40 Wie kann es ihr gelingen, transitorische Prozesse anzuleiten? Auf welche Weise kann sie indigene Positionen einbeziehen? Wie lässt sich eine Verfassung als bindender, Spielräume begrenzender Entwurf, Plan oder Rahmen verstehen?41 Die Kartenblätter, die sich mit Blick auf diese Fragen zeichnen lassen, haben weiße Flecken – ein vertrauter Anblick wissenschaftlicher Topographie. Hinzu kommen viele Ausschnitte, bei denen heterogene oder gar widersprüchliche Angaben zu verzeichnen sind. Verbreitete Einschätzungen, also eine Art normativen Wissens, betreffen gewöhnlich nur einzelne Punkte. Wohl nur mit Blick auf die Verfassungsfunktionen lässt sich von breit geteilten Einsichten sprechen.42 Wahrscheinlich ist für diesen Umstand die Tatsache verantwortlich, dass die Funktionskataloge gewöhnlich mit Blick auf das Grundgesetz entwickelt und beurteilt werden.

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Näher mit sehr unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen Rosenfeld, The Identity of the Constitutional Subject, 2010; Jacobsohn, Constitutional Identity, 2010; Wischmeyer, AöR 140 (2015), S. 415 ff. Zur Diskussion um die Identitätskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nur Polzin, Verfassungsidentität, 2018; Pracht, Residualkompetenzen des Bundesverfassungsgerichts, 2022, Teil 4. 39 Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 60 ff., 169 ff., und die konträren Annäherungen von Hillgruber, VVDStRL 67 (2008), S. 7, 8 ff., sowie Volkmann, VVDStRL 67 (2008), S. 57, 75 ff.; s. f. Hennis, Verfassung und Verfassungswirklichkeit, 1968; Uhl, Die Stabilisierungsfunktion der Verfassung im politischen Prozess, 2011. 40 S. die Nachw. auf S. 86 in Fn. 61. 41 In der deutschsprachigen Diskussion wird darüber vor allem anhand des Stichworts „Grundgesetz als Rahmen- oder Grundordnung“ nachgedacht, näher Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, Teil 3; Reese, Die Verfassung des Grundgesetzes, 2013, S. 235 ff. 42 S. die Nachw. auf S. 86 in Fn. 61.

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2. Zweiter Unterabschnitt: Der demokratische Verfassungsstaat Die tatsächlichen sozialen Gegebenheiten müssen keinen konzeptionellen Entwürfen folgen. Der demokratische Verfassungsstaat ist ein kontingentes, aber nicht beliebiges Menschenwerk.43 Er kann auf diese oder jene Weise entstanden sein, sich in kontinuierlicher oder brüchigsprunghafter Weise entwickelt haben, innere Widersprüche aufweisen – und trotzdem kann er das Leben seiner Bürger:innen prägen. Aufgrund seiner weltweiten Verbreitung und vor allem seiner Bedeutung, die er für uns und unser gesellschaftliches Selbstverständnis besitzt, bildet seine konzeptionelle Erfassung eine der zentralen Aufgaben der Verfassungstheorie. Das Kartenwerk soll also Rechenschaft ablegen über den Stand dieser Forschung; es soll die Debatten und unser Wissen über den demokratischen Verfassungsstaat verzeichnen und ordnen. Unterscheiden lässt sich zwischen den typenprägenden Grundfragen, der verfassungsstaatlichen Grundmechanik, den maßgeblichen Akteur:innen und Institutionen sowie Kritik und Rechtfertigung. Nähere Betrachtung verdienen die Grundfragen und die Grundmechanik. Denn jede Konzeption eines demokratischen Verfassungsstaates setzt sich aus den struktur- und inhaltsbildenden Antworten auf die Grundfragen und die Grundmechanik zusammen.

a) Typenprägende Grundfragen Der demokratische Verfassungsstaat ist nicht nur in seiner Realität vielgestaltig, sondern auch auf der Ebene seiner konzeptionellen Erfassung. Diese Vielfalt lässt sich ordnen, indem sie als eine Kombination denkbarer Antworten auf grundlegende Fragen verstanden wird, die sich zu einer Reihe verfassungsstaatlicher Typen zusammenfassen lassen. Einer von ihnen ist der liberale demokratische Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit. Konzeptionell formend sind die folgenden drei Fragenkreise.

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Näher Schuppert, Staatswissenschaft, 2003, Teil 5; Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009, Kap. 1.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

aa) Kollektive und individuelle Selbstbestimmung Der erste betrifft die kollektive und individuelle Selbstbestimmung der Bürger:innen und das Verhältnis der beiden zueinander.44 Wie gestaltet sich die kollektive Selbstbestimmung des Volkes? Handelt es sich um eine autoritäre oder liberale Demokratie, um ein präsidiales oder parlamentarisches Regierungssystem? Wird nach den Grundsätzen des Mehrheits- oder Verhältnismäßigkeitsprinzips gewählt? Und in welchem Verhältnis stehen repräsentativ- und unmittelbar-demokratische Elemente? Mit diesen Entscheidungen demokratischer Selbstgestaltung geht eine für das verfassungsstaatliche Selbstverständnis entscheidende Frage einher, die da lautet, ob der Prozess der Schaffung und Verabschiedung einer Verfassung als konstituierendes Moment für die politische Gemeinschaft verstanden wird oder ob sich die Bedeutung dieses Vorgangs in der Kreation eines bindend-begrenzenden Dokuments erschöpft.45 Weiter stellt sich die Frage, wie die individuelle Selbstbestimmung der Bürger:innen gestaltet wird. Existiert ein grundrechtlicher Schutz und wer wird von ihm erfasst? Wie sind Schutz und Durchsetzung der Grundrechte institutionell ausgeformt? Schließlich ist das Verhältnis der beiden Selbstbestimmungsformen zu klären: Werden kollektive und individuelle Selbstbestimmung als gleichursprünglich gedacht oder wird die eine Form auf die andere zurückgeführt?

bb) Recht und Politik Im zweiten Fragenkreis wird das Verhältnis zwischen Recht und Politik festgelegt. Wie ist dieses Verhältnis gestaltet?46 Handelt es sich beim 44 Vereinfacht lassen sich drei Grundpositionen unterscheiden, nämlich der rousseausche Vorrang kollektiver Selbstbestimmung, der lockesche Vorrang individueller Selbstbestimmung und der Gleichrang beider, für den der liberale demokratische Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit steht. S. f. die Nachw. auf S. 89 in Fn. 66. 45 Näher Möllers, Verfassungsgebende Gewalt – Verfassung – Konstitutionalisierung, in: Bogdandy / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 227, 229 ff. 46 Aus der allgemeinen Diskussion s. bspw. Gebhardt (Hrsg.), Verfassung und politische Kultur, 1999; Dixon / Landau, Competitive Democracy and the Constitutional Minimum Core, in: Ginsburg / Huq (Hrsg.), Assessing Constitutional Performance, 2016, S. 268 ff.; Bustamante / Gonçalves Fernandes (Hrsg.), Demo-

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demokratischen Verfassungsstaat um eine Spielart des politischen oder des rechtlichen Konstitutionalismus?47 Wird einzelnen politischen Institutionen ein umfassender oder eingeschränkter Vorrang vor den gerichtlichen Institutionen eingeräumt? Ist der Vorrang der Politik auf das Instrument der Verfassungsänderung begrenzt und ist die Änderungsbefugnis wiederum verfassungsrechtlichen Schranken unterworfen?48 Existiert ein Verfassungsgericht?49 Sind die Berufung der Richter:innen, die gerichtliche Organisation und das Verfahrensrecht so ausgestaltet, dass das Gericht sich als eine vom Politischen faktisch wie rechtlich unabhängige Institution klassifizieren lässt?50 Und wie steht es um die Beziehung zwischen Verfassungsgericht und demokratischem Gesetzgeber? Wird die „coun-

cratizing Constitutional Law, 2016. Zur Schwierigkeit, eine Differenz auszumachen Lafont, Democracy without Shortcuts, 2020, S. 234 ff. S. f. die Nachw. auf S. 110 f. in Fn. 124. 47 Näher zu dieser Unterscheidung und der zugehörigen inhaltlichen Diskussion, die ihren Ursprung nicht nur zufällig in England nahm, grdl. Griffith, Mod. L. Rev. 42 (1979), S. 1 ff.; darauf aufbauend Bellamy, Political Constitutionalism, 2007; wohlabgewogene Auseinandersetzungen finden sich bei Gardbaum, The New Commonwealth Model of Constitutionalism, 2013; Kavanagh, King’s L. J. 30 (2019), S. 43 ff. Statt von politischem Konstitutionalismus lässt sich auch von einem „dünnen“ Konstitutionalismus sprechen („thin constitutionalism“), so das Konzept von Tushnet / Bugarič, Power to the People, 2021, S. 12 ff. Für einen politischen Konstitutionalismus als Antwort auf die Herausforderungen der Einbindung der nationalen Rechtsordnungen in internationale Rechtsregime und den Populismus Loughlin, Against Constitutionalism, 2022, insbes. S. 191 ff. Die Vertreter:innen der radikalen bzw. agonalen Demokratietheorie hängen sehr unterschiedlichen Spielarten eines politischen Konstitutionalismus an, wobei nur selten verfassungsstaatliche Fragen im Mittelpunkt stehen, so aber bei Tully, Strange Multiplicity, 1995, insbes. S. 183 ff. Einen Überblick bieten Westphal, Die Normativität agonaler Politik, 2018, S. 317 ff.; Michelsen, Die Verfassung der agonalen Demokratie, in: Westphal (Hrsg.), Agonale Demokratie und Staat, 2021, S. 199. Zu einem Mittelweg grdl. Hogg / Bushell, Osgoode Hall L. J. 35 (1997), S. 75; darauf aufbauend Gardbaum, The New Commonwealth Model of Constitutionalism, 2013; Young, Democratic Dialogue and the Constitution, 2017. 48 S. die Nachw. auf S. 35 in Fn. 36. 49 Robertson, The Judge as Political Theorist, 2010; Häberle, Verfassungsgerichtsbarkeit  – Verfassungsprozessrecht, 2014, S. 17 ff., 189 ff.; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 9; Grimm, Verfassungsgerichtsbarkeit, 2021. S. f. die Nachw. auf S. 95 in Fn. 86. 50 Redish, Judicial Independence and the American Constitution, 2017; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 153 ff.; Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 149 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

ter-majority“ als demokratisches Grundproblem oder als Ausdruck eines geglückten verfassungsstaatlichen Konzepts verstanden?51

cc) Gesamtgesellschaftliche Grundfragen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts Der dritte Fragenkreis umfasst gesamtgesellschaftlich prägende Fragen seit dem 19. Jahrhundert. Dessen zentrales Thema war die soziale Frage. Und jeder demokratische Verfassungsstaat muss sich zu ihr verhalten: Welche Bedeutung wird dem Gedanken sozialer Gerechtigkeit beigemessen und welche Antwort wird bezüglich der wohlfahrtsstaatlichen

51 Namensprägend Bickel, The Least Dangerous Branch, 2. Aufl. 1986, S. 16 ff. Demokratie und Konstitutionalismus können demnach in einem kategorialen Widerstreit (bspw. Shapiro, Judicial Power and Democracy, in: Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019, S. 21 ff.; Christiano, The Constitution of Equality, 2008, S. 278 ff.) oder einem produktiven Spannungsverhältnis stehen (bspw. schon sehr früh Constant, Grundprinzipien der Politik, die auf alle repräsentativen Regierungssysteme und insbesondere auf die gegenwärtige Verfassung Frankreichs angewandt werden können, in: ders., Werke, Bd. 4: Politische Schriften, 1972, S. 9, 17 ff.; s. f. Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 118 ff. Als harmonisch wird die Beziehung bspw. von Dworkin, Gleichheit, Demokratie und die Verfassung, in: Preuß (Hrsg.), Revolution, Fortschritt und Verfassung, 1994, S. 171 ff., und Barak, The Judge in a Democracy, 2006, S. 20 ff., wahrgenommen. Zur Diskussion s. f. die kluge Analyse von Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009, Kap. III; Chiassoni / Spaić (Hrsg.), Judges and Adjudication in Constitutional Democracies, 2010; Gardbaum, The New Commonwealth Model of Constitutionalism, 2013, S. 21 ff. Die Kritik an einer zu konservativen oder progressiven Rechtsprechung des US-Supreme Court führt in den USA wiederkehrend zur elementaren Infragestellung der Verfassungsgerichtsbarkeit überhaupt (aus jüngerer Zeit bspw. Weiner, The Political Constitution, 2019; Hutchinson, Democracy and Constitutions, 2021). Näher die Studie von Friedman, L&C Probl. 67 (2004), S. 149 ff., und darauf aufbauend Balkin, The Cycles of Constitutional Time, 2020, S. 109 f. Eine Gegenkritik (für einen Teil dieser Ansätze) findet sich bei Grimm, Verfassungsgerichtsbarkeit, 2021, S. 357 ff.; s. f. Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 366 ff.; Harel, Wozu Recht?, 2018, S. 274 ff. Eine gänzlich andere Thematik wird berührt, wenn es um die mitunter scharfe Kritik an der Entscheidungstätigkeit der Verfassungsgerichte geht, die auf Rationalisierung, Reflexion und öffentliche Meinungsbildung zielt. Anschauliche Beispiele dafür sind Jestaedt / Lepsius / Möllers / Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, 2011; van Ooyen, Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa, 9. Aufl. 2022.

A. Kartographische Skizze

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Verfasstheit gegeben?52 Viele Fragen bewegten das 20. Jahrhundert. Aus verfassungstheoretischer Perspektive hoben sich derer wenigstens zwei ab. Die erste Frage wies nach innen – ihr Thema waren Gleichheit und Gleichberechtigung der Bürger:innen.53 Das beinhaltete für die meisten Staaten die Überwindung des Kolonialismus54 und die Anerkennung indigener Rechte und indigenen Rechtsdenkens.55 Die zweite Frage betraf die Außenbeziehungen. Aufbauend auf der Überzeugung gleichberechtigter staatlicher Souveränität ging es um die Öffnung und Einbindung

52

Überblick über historische Antworten bei Ritter, Der Sozialstaat, 3. Aufl. 2010; zum Zusammenhang von demokratischer und sozialer Ordnung s. f. Hockerts, Der deutsche Sozialstaat, 2011, S. 325 ff. und passim; über die historischen Strukturbedingungen und Entwicklungsprozessen sozialer Ungleichheit im deutschsprachigen Raum Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, 1995, S. 106 ff., 700 ff.; aus gesamteuropäischer Sicht Fischer, in: ders. u. a. (Hrsg.), Handbuch der Europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 5, 1985, S. 45 ff., 179 ff.; klassisch zum Problemfeld Tönnies, Die Entwicklung der sozialen Frage bis zum Weltkriege, 4. Aufl. 1926, insbes. Kap. 1 und 5. 53 Klassisch zur historischen Situation von Frauen in Deutschland Frevert, Frauen-Geschichte, 1986; einen Überblick über die rechtliche Entwicklung bieten Floßmann / Neuwirth, Frauenrechtsgeschichte und historische Geschlechterordnungen, 2017. Zur Rolle des Rechts bei und seinem Umgang mit rassistischen Diskriminierungen siehe Liebscher, Rasse im Recht  – Recht gegen Rassismus, 2021. 54 Siehe zum Realgeschichtlichen nur Reinhard, Die Unterwerfung der Welt, 2016, Kap. XI, XXI, XXII. Aus der Überfülle der verfassungstheoretischen Literatur beschränkt auf den Aspekt des Transitorischen Fowkes, Building the Constitution, 2016, S. 121 ff.; Sumit, Performance of constitutions, in: Ginsburg / Huq (Hrsg.), Assessing Constitutional Performance, 2016, S. 203 ff.; Fombad, Constitutional Adjudication and Constitutional Justice in Africa’s Uncertain Transition, in: ders. (Hrsg.), Constitutional Adjudication in Africa, 2017, S. 351 ff.; Vos, Between Promise and Practice, in: Adams / Meuwese / Hirsch Ballin (Hrsg.), Constitutionalism and the Rule of Law, 2017, S. 226, 246 ff.; Dyzenhaus / Diamond, The Resilient Constitution, in: Linares-Cantillo / Valdivieso-León / García-Jaramillo (Hrsg.), Constitutionalism, 2021, S. 277 ff.; zum Hintergrund transitorischer Gerechtigkeit statt aller Murphy, The Conceptual Foundations of Transitional Justice, 2017. 55 Berger, A Long and Terrible Shadow, 2. Aufl. 1999; Baxi, The Future of Human Rights, 3. Aufl. 2012; Robinson / Bulkan / Saunders, Fundamentals of Caribbean Constitutional Law, 2. Aufl. 2021, S. 56 f.; Charters, A Māori Perspective on Constitutional Issues, Especially Executive Power, in: Bookman u. a. (Hrsg.), Pragmatism, Principle, and Power in Common Law Constitutional Systems, 2022, S. 13 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

in regionale und internationale Gemeinschaften.56 Die Beziehungen zwischen dem nationalen Verfassungsstaat und dem supranationalen Staatengebilde der Europäischen Union sowie die damit einhergehenden verfassungstheoretischen und verfassungsrechtsdogmatischen Fragen haben sich zu einem Diskussionsschwerpunkt der Staatsrechtslehre entwickelt. Auch die diesbezüglichen Festlegungen prägen die verfassungsstaatliche Typologie.57 Schließlich betrifft die wesentliche Frage des 21. Jahrhunderts unser Verständnis und den Umgang mit der Natur.58 Drei weitere Fragen dürfen in diesem Reigen gesamtgesellschaftlicher Relevanz nicht vergessen werden: Es handelt sich erstens um die Rolle, die den Religionen und den religiösen Gemeinschaften eingeräumt wird,59 zweitens die Bedeutung, die der Nationalgedanke und das nationale

56 Statt aller Nolte, VVDStRL 67 (2008), S. 129 ff.; Poscher, VVDStRL 67 (2008), S. 160 ff.; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 12; Bomhoff / Dyzenhaus / Poole (Hrsg.), The Double-Facing Constitution, 2020; s. f. die Nachw. auf S. 17 in Fn. 3. 57 S. die Nachw. auf S. 17 in Fn. 3, und ferner aus der Fülle der Litr. Korioth, VVDStRL 62 (2003), S. 117 ff.; Bogdandy, VVDStRL 62 (2003), S. 156 ff.; Mayer, VVDStRL 75 (2016), S. 7 ff.; Heinig, VVDStRL 75 (2016), S. 65 ff.; zusammenfassende Darstellung aus grundgesetzlicher Perspektive durch Masing, Verfassung im internationalen Mehrebenensystem, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 2. S. f. für das Verhältnis der nationalen und europäischen Gerichtsräume Voßkuhle, Europa, Demokratie, Verfassungsgerichte, 2021, S. 265 ff., 305 ff. 58 Vgl. McNeill / Engelke, Mensch und Umwelt im Zeitalter des Anthropozän, in: Iriye / Osterhammel (Hrsg.), Geschichte der Welt, Bd. 6, 2013, S. 357 ff.; Latour, Das Parlament der Dinge, 2015, S. 131 ff. und passim; aus verfassungstheoretischer Perspektive Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 64 ff.; speziell zur internationalen Diskussion um Rechte der Natur statt vieler Kauffman / Sheehan, The Rights of Nature, in: Turner / Dinah (Hrsg.), Environmental Rights, 2019, S. 342 ff.; aus dem deutschsprachigen Schrifttum etwa Kersten, Rechte der Natur und die Verfassungsfrage des Anthropozän, 2020, S. 87 ff. 59 Siehe aus (deutscher) historischer Perspektive für das 19. Jahrhundert Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 1, 1990, S. 428 ff.; für die Weimarer und NS-Zeit Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland, 1995, S. 205 ff., und für die Nachkriegszeit Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, 2008, S. 363 ff.; zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung siehe Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3. Aufl. 2017, S. 150 ff., und im Überblick Heinig, Prekäre Ordnungen, 2018. Aus der gegenwärtigen Diskussion siehe nur Augsberg / Ladeur, Toleranz – Religion – Recht, 2007; Schuppert, Governance of Diversity, 2017; Dreier, Staat ohne Gott, 2. Aufl. 2018.

A. Kartographische Skizze

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Selbstverständnis der Bürger:innen besitzen,60 und drittens die Aufnahme von Fremden und ihre gesellschaftliche Integration.61 Die drei Fragen machen nochmals deutlich, dass aus der konzeptionellen Bedeutung nicht auf vorhandene Gestaltungsspielräume einer politischen Gemeinschaft geschlossen werden kann – von vornherein ausgeschlossen sind sie indes auch nicht. Konzept und gesellschaftliche Wirklichkeit bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen.

b) Verfassungsstaatliche Grundmechanik Jeder demokratische Verfassungsstaat weist eine Grundmechanik auf, die sein Ingangsetzen betrifft. Fehlt diese Grundmechanik, handelt es sich womöglich um einen Verfassungsstaat, doch dürfte es im Umgang mit ihm genügen, auf die Kategorie der Verfassung zurückzugreifen. Weitergehende charakteristische Momente fehlen dann und entsprechend braucht auch kein eigenes Kartenblatt für ihn angelegt zu werden. Im Zentrum der Grundmechanik stehen die Unterscheidung und das Zusammenspiel zwischen verfassungsgebender und verfassungsgebundener Gewalt des Volkes.62 Beide Seiten gehören zusammen und sind aufeinander bezogen. Der demokratische Verfassungsstaat gründet nicht in einer willkürlichen Wahl nationaler Urgewalt, sondern – ideell und damit konzeptionell – in der einsichtig-alternativlosen Entscheidung eben für den demokratischen Verfassungsstaat.63 Der Gedanke einer verfassungsgebenden Gewalt ist nur für diese Art der Herrschaft, Ordnung und Form eines Gemeinwesens erforderlich. Denn nur diese Art baut auf dem Gedanken der Begründung und Begrenzung politischer Gemeinschaft auf. Doch werden die Figuren und ihre Beziehungen oft anders verstanden.64 60

Siehr, Die Deutschenrechte des Grundgesetzes, 2001, S. 126 ff.; Schulz, Verfassung und Nation, 2004; Leonhard, Labile Loyalitäten, in: Atkinson u. a. (Hrsg.), Nationalstaat und Europäische Union, 2016, S. 15 ff.; s. f. die Nachw. auf S. 85 in Fn. 57. 61 Bast, Aufenthaltsrecht und Migrationssteuerung, 2011; Eichenhofer, Begriff und Konzept der Integration im Aufenthaltsgesetz, 2013; Harbou / Markow (Hrsg.), Philosophie des Migrationsrechts, 2020; Siehr, Der Staat als Personalverband, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 9. 62 Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 3. 63 So das hier vorgeschlagene Grundverständnis, näher S. 127 ff. 64 S. die Nachw. auf S. 128 f. in Fn. 174.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

Gerade die Eintragungen auf dem hiesigen Kartenblatt weisen eine große Widersprüchlichkeit auf. Die Zeichnung ist also nur eine von vielen. Mit der Annahme einer verfassungsgebenden Gewalt gewinnt der Prozess der Verfassungsgebung unvermeidlich eine besondere Bedeutung.65 Auch er zählt deshalb zur Grundmechanik. Er ist einerseits Teil einer realen Geschichte und weist andererseits über diese Geschichte hinaus. Denn er ist zugleich mit den Standards dieses Prozesses und den Fragen nach der Einrichtung, Rolle und Bedeutung der verfassungsgebenden Versammlung verknüpft. Auch hier finden sich eine Vielzahl widersprüchlicher Eintragungen.66 Ebenso zentral wie die Unterscheidung zwischen verfassungsgebender und verfassungsgebundener Gewalt ist für die Mechanik das namensgebende Institut der Verfassung. Diesbezüglich lässt sich weitgehend auf die Blätter des ersten Unterabschnitts zurückgreifen. Doch weist die Verfassung für den demokratischen Verfassungsstaat ein charakteristisches Moment auf, das an dieser Stelle wenigstens ein eigenständiges Kartenblatt rechtfertigt. Gemeint ist die besondere symbolische Bedeutung, die der Verfassung in Form der Verfassungsurkunde im demokratischen Verfassungsstaat zukommt und sich in ihrer gedanklichen Maßgeblichkeit für die Politik, das Recht und unter Umständen sogar für das gesellschaftliche Selbstverständnis widerspiegelt.67 Auf diesem Blatt ist dann auch der Streit zu verorten, ob und auf welchem Weg sich der Verfassungsgedanke überhaupt vom Konzept des demokratischen Verfassungsstaates lösen lässt.68

65

Winterhoff, Verfassung – Verfassunggebung – Verfassungsänderung, 2007, Kap. B; Rosenfeld, The Identity of the Constitutional Subject, 2010, S. 147 ff., 185 ff.; Klein / Sajó, Constitution-Making, in: Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012, S. 419 ff.; Albert / Guruswamy / Basnyat (Hrsg.), Founding Moments in Constitutionalism, 2019; Ackerman, Revolutionary Constitutions, 2019. 66 Einführend Elster u. a. (Hrsg.), Constituent Assemblies, 2018. 67 Näher S. 79 ff. 68 S. die Nachw. auf S. 17 in Fn. 3.

A. Kartographische Skizze

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IV. Dritte Abteilung: Verständnisfolien Schon die erste „Verfassungslehre“, die Carl Schmitt 1928 unter anderem mit dem Ziel veröffentlichte, einen „systematischen Aufbau einer Verfassungstheorie“ zu präsentieren, bestand aus der Verbindung zwischen Verfassungstheorie, der konkreten Reichsverfassung von 1919 und dem in der Weimarer Republik entwickelten Verfassungsrecht.69 Seitdem sind viele – wahrscheinlich sogar die meisten – verfassungstheoretischen Unternehmungen Schmitt auf diesem Weg gefolgt.70 Unter der Führung von Ernst-Wolfgang Böckenförde entwickelte sich Mitte der 1970er Jahre das Projekt, „eine systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielsetzung und die inhaltliche Reichweite der Verfassung als solcher und ihrer Teile“ auszuarbeiten, zu einem Diskussionsschwerpunkt im Bereich der Grundrechte.71 Der Parlamentarische Rat hatte zwar prägnante Worte für das Grundgesetz gefunden und es bestanden auch keine Zweifel an dessen grundsätzlicher Ausrichtung und Zielsetzung.72 Trotzdem war der Text offen und unbestimmt. Es 69

Schmitt, Verfassungslehre, 1928, Vorwort. Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 54 ff. (unter dem Stichwort „Verfassungsstruktur“); Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 39 ff., 54 ff.; Kirchhof, Verfassung, Theorie und Dogmatik, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 273 Rn. 19 ff., 37 ff., 60 ff.; Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35 ff.; Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020. Wird die Verständnisfolie auf die Summe aller inhaltlichen Deutungsvorschläge beschränkt, dann muss sie um die Kategorie der adäquaten Methode der Verfassungsinterpretation ergänzt werden. In diesem weiteren Sinne versteht Fallon, Cal. L. Rev. 87 (1999), S. 535 ff., den Ausdruck „constitutional theory“. Von der Unausweichlichkeit solcher Verständnisfolien zu unterscheiden ist 1.) die individual-psychologische Frage, ob und welche Verfassungstheorie die Richter:innen eines Verfassungsgerichts besitzen, und 2.) die Frage, ob sich aus den Entscheidungen eines Verfassungsgerichts Verständnisfolien rekonstruieren lassen. In diese Richtung zielen die Überlegungen von van Ooyen, Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa, 9. Aufl. 2022. Posner, N. Y. Uni. L. Rev. 73 (1998), S. 1, 10 f., wendet sich gegen das Bemühen, eine generelle Verfassungstheorie i. S. einer umfassenden Interpretationstheorie oder eines Konzepts zur Anleitung der Tätigkeit und dem Abstecken der Kompetenzen des US-Supreme Courts auszuarbeiten. 71 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 83, 116 ff.; einen Überblick über die Diskussionen bietet Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 39 ff. 72 Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 1998, S. 122 f.; s. f. Hilf, Die sprachliche Struktur der Verfassung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 262. 70

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

fehlten die erforderlichen Anhaltspunkte, um verlässlich die konkreten normativen Inhalte des Grundgesetzes anzugeben.73 Mitunter mangelte es auch am nötigen normativen Wissen, etwa bei der Frage, wie sich die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte bewerkstelligen lässt, wenn dieser zu Eingriffen in dieselben ermächtigt wird.74 Die vertrauten juristischen Arbeitsinstrumente gelangten hier an ihre Grenzen. Daraus resultierten die theoretische Notwendigkeit und die praktische Unumgänglichkeit verfassungstheoretischer Reflexions-, Konstruktions- und Konzeptionsarbeit. Ganz in diesem Sinne betonte Böckenförde, dass es sich bei theoretischen Bemühungen nicht um eine „ideologische Zutat“ zur interpretatorischen Arbeit handle.75 Zwischenzeitlich sind skeptische Stimmen aufgekommen. So plädiert Matthias Jestaedt nachdrücklich dafür, eine klare Linie zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsrechtsdogmatik zu ziehen.76 Doch wird auch weiterhin die Aufgabe der Verfassungstheorie darin gesehen, „pointierte Interpretation[en] […] des Grundgesetzes“ zu erarbeiten.77 Wie nun gestaltet sich die letzte Abteilung unseres verfassungstheoretischen Kartenwerks? Ihr Gegenstand sind in erster Linie Verständnisfolien, mit deren Hilfe sich das grundgesetzlich Gesollte erschließen lässt. Verständnisfolien sind das Ergebnis theoretischer Reflexion, Konstruktion und konzeptioneller Einhegung. Unsicherheit herrscht über die Maßstäbe für ihre Auswahl.78 In enger sachlicher Beziehung finden sich daneben Kartenblätter, auf denen man die Beziehungen zwischen Verfassungstheorie und dem Verständnis des Verfassungsrechts in Praxis

73

Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 11 ff. (mit Blick auf die Grundrechte). Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 1998, S. 40 ff.; Poscher, Das Grundgesetz als Verfassung des verhältnismäßigen Ausgleichs, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 3 Rn. 23 ff. 75 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 116 f. 76 Statt aller Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 73 ff. 77 Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 18. Dieser spricht an dieser Stelle außerdem von „Erklärungen“, im Weiteren werden m. E. aber ausschließlich zuspitzende Interpretationen vorgestellt, s. ebd., Abschn. 4–7. 78 Die Verfassung bzw. den Verfassungstext will Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 83 ff., 142 ff., als Maßstab heranziehen. Zur naheliegenden Kritik an diesem Vorgehen Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 94 ff. Weitere Maßstäbe werden bei Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 133 ff., verhandelt. Zur entsprechenden US-amerikanische Diskussion Fallon, Cal. L. Rev. 87 (1999), S. 535, 549 ff. 74

A. Kartographische Skizze

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und Staatsrechtslehre – kurz: der Verfassungsrechtsdogmatik – behandelt.79 Schließlich werden die Methoden der Verfassungsinterpretation thematisiert.80 Viele der dort auftretenden Fragen lassen sich zwar als Teil der allgemeinen Methodenlehre aus der Verfassungstheorie ausgrenzen. Doch es bleiben einige methodische Fragen übrig, etwa das Verhältnis zwischen Verfassungsänderung und Verfassungsinterpretation, deren genuin verfassungstheoretischer Status sich kaum in Abrede stellen lässt. Für sie findet sich hier ein passendes Kartenblatt.

1. Arbeitsweisen und Eigenanteil als Orientierungspunkte Zwecks besserer Orientierung ist zunächst an zwei Überlegungen zu erinnern. Zum Ersten geht es um die eingangs unterschiedenen drei Arbeitsweisen: Analyse, Beurteilung und Interpretation. Kombiniert oder einzeln können sie die Grundlage für eine Verständnisfolie sein und prägen dann das Selbstverständnis und den Anspruch dieser Folie. Um eine rekonstruierende Analyse handelt es sich beispielsweise bei der von Uwe Volkmann aufgestellten These, dass dem Grundgesetz, wie es gegenwärtig rechtlich entfaltet ist, als Verständnisfolie „die Theorie der Verfassung als Gerechtigkeitsordnung“ zugrunde liegt.81 Hingegen ist Böckenfördes Plädoyer für ein Verständnis des Grundgesetzes im Sinne einer „Rahmenordnung“ Teil eines interpretatorischen Verstehens des grundgesetzlich Gebotenen.82 Zum Zweiten geht es um den Eigenanteil der Untersuchenden, den gewöhnlich jede fruchtbare Verständnisfolie aufweist. Dieser kann unterschiedliche Ausmaße und vielgestaltige Formen annehmen.83 Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Es ist nicht der Eigenanteil, der dafür sorgt, dass sich eine Beurteilung oder Interpretation als epistemologisch problematischer erweist als eine Analyse. Das Ergebnis einer Analyse kann 79

Näher S. 55 ff. Näher S. 98 ff. 81 Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35, 54 ff. Ein vergleichbares Beispiel aus dem englischen Sprachraum bietet für den Gedanken der Gewaltenteilung Vile, Constitutionalism and the Separation of Powers, 1967, S. 315 ff. 82 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 85 ff. S. f. die Nachw. auf S. 49 in Fn. 86. 83 Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 128 ff.; Bumke, Rechtsdogmatik, 2017, S. 129 f. 80

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

sich im Gegenteil als weit spekulativer darstellen als beispielsweise eine schlichte interpretatorische Analogie. Nicht die Verlässlichkeit im Einzelfall, sondern die strukturellen Schwierigkeiten intersubjektiver Kontrolle begründen die verbreitete wissenschaftstheoretische Skepsis gegenüber Beurteilung und Interpretation. Beides ist bei der Anlage der einzelnen Kartenblätter, aber auch bei deren Studium zu bedenken. Anderenfalls lassen sich fehlerhafte Einschätzungen und unfruchtbare Streitigkeiten kaum vermeiden.

2. Generelle und spezielle Verständnisfolien und die Frage ihrer Ausrichtung Die Sammlung eingehend diskutierter Verständnisfolien setzt sich aus wenigen generellen und vielen speziellen Vorschlägen zusammen. Die entscheidende Strukturfrage betrifft die Grundanlage einer Verständnisfolie: Auf welchem Abstraktionsniveau setzt sie an? Böckenförde beispielsweise sah die Aufgabe der Verständnisfolien darin, den Charakter der Verfassung und der Grundrechte als solchen zu erfassen.84 Entsprechend dem Motto „one size fits all“ sollten die Folien in der Folge für alle Grundrechte in der gleichen Weise deren normative Gehalte verständlich machen. Ein und dieselbe Verständnisfolie also für alle Grundrechte. Im Gegensatz dazu spricht sich z. B. Jens Kersten für eine Ausrichtung am Spezifischen aus.85 Mit dem Gedanken der „Assemblage“ will er Regelungsvielfalt und -heterogenität des Grundgesetzes einfangen. Der Erklärungs- und Anleitungsanspruch einer Verständnisfolie kann danach nur von begrenzter Reichweite sein. Dazu passt, dass Kersten die Aufgabe der Verfassungstheorie im interpretierenden Zuspitzen sieht. Auf inhaltlicher Ebene lässt sich vieles beispielhaft anführen. Allgemeiner Aufmerksamkeit erfreuen sich aber nur wenige Verständnisfolien. Zu nennen sind vor allem die von Böckenförde geprägten Alternativen zwi-

84 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 83, 116; generell angelegt sind auch die Zugänge von bspw. Dworkin, Law’s Empire, 1986; Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35, S. 39 ff. 85 Hierzu und zum Folgenden Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 38 ff.

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schen Rahmen- und Grundordnungscharakter des Grundgesetzes86 und zwischen Werttheorie der Grundrechte sowie liberaler, institutioneller, demokratisch-funktionaler und sozialstaatlicher Grundrechtstheorie.87 Beschränkt sich der Blick auf Teilbereiche des Grundgesetzes, so bildet die Alternative zwischen Religionsverfassungsrecht und Staatskirchenrecht ein anschauliches Beispiel.88

3. Die Beziehungen zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsrechtsdogmatik Je spezieller die Anlage einer Verständnisfolie, desto mehr nähert sie sich dogmatischen Konzeptionen des Merkmals einer Verfassungsnorm an. Zur Illustration kann man auf die Auseinandersetzungen um das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates verweisen.89 Wo und wie lässt sich in solchen Fällen zwischen verfassungstheoretischer Verständnisfolie und verfassungschtsrechtsdogmatischem Verständnis unterscheiden? In ihrer allgemeinen Form ist diese Frage das Thema eines weiteren, eigenständigen Kartenblattes. Gegenwärtig intensiv diskutiert wird die Notwendigkeit einer kategorialen Unterscheidung zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsrechtsdogmatik im Wege einer methodologisch-disziplinären Grenzziehung.90 Die Alternative besteht in bloß graduellen Unterscheidungen, die entweder an unterschiedliche Grade des Abstrahierens und Generalisierens oder an die Art anknüpfen, in der typischerweise argumentiert und nachgedacht wird.

86 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 86 f. Näher Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, Teil 3; Reese, Die Verfassung des Grundgesetzes, 2013, S. 235 ff. 87 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 119 ff., und mein kurzer Debattenüberblick in Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 39 ff. 88 Zusammenfassend Walter, Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, 2006, S. 607 ff.; Heinig / Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007. 89 Näher die Aufarbeitung der widerstreitenden Verständnisse durch Bornemann, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, 2020. 90 Grdl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009; s. f. Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 19 ff.; Ingold, Verfassungstheorie, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Aufl. 2021, S. 111, 125 ff.

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4. Verfassungsinterpretatorische Grundfragen Über kurz oder lang führen die Erarbeitung und der Umgang mit Verständnisfolien zu Fragen nach der adäquaten Interpretation der Verfassung. Denn die Folien sollen ein verlässlich-rationales Verstehen des grundgesetzlich Gesollten ermöglichen oder wenigstens dazu beitragen.91 Und dieses Gesollte lässt sich – abgesehen von einfachen Konstellationen, wie etwa der Frage nach den Farben (nicht nach den konkreten Farbnuancen) der Bundesflagge – nur mithilfe interpretatorischer Anstrengungen bestimmen. Gleichgültig ist, auf welche Weise die Verständnisfolie erarbeitet wurde. Selbst die rekonstruierende Analyse baut auf dem Mo91

Die Frage nach der richtigen Interpretationsmethode bildet den zentralen Bezugspunkt der US-amerikanischen Diskussion um das richtige Verfassungsverständnis, die heute beherrscht wird von der theoretisch unfruchtbaren Debatte um die verschiedenen Strömungen des Originalismus. Zu Herkommen und Entwicklung O’Neill, Originalism in American Law and Politics, 2005; Garber, Born Populist, in: Gárdos-Orosz / Szente (Hrsg.), Populist Challenges to Constitutional Interpretation in Europe and Beyond, 2021, S. 253 ff. Für den Versuch, den Gegensatz zwischen Originalismus und Reformismus („progressive constitutionalism“  – Kahn, The Cultural Study of Law, 1999, S. 7: „reform is at the heart of our legal culture“) unter Rückgriff auf die Tradition des Common-law-Denkens zu überwinden, s. Strauss, The Living Constitution, 2010, S. 33 ff.; in eine ähnliche Richtung Vermeule, Common Good Constitutionalism, 2022. Fruchtbare Beiträge zur Verfassungsinterpretation finden sich bspw. bei Dworkin, Law’s Empire, 1986; Barak, Purposive Interpretation in Law, 2005, S. 370 ff.; Marmor, Interpretation and Legal Theory, 2. Aufl. 2005; Greenawalt, Interpreting the Constitution, 2015; Tripković, The Metaethics of Constitutional Adjudication, 2017, insbes. S. 191 ff.; Endicott, Constitutional Interpretation, in: King / Bellamy (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Constitutional Theory, 2023 (i. E.). Die deutschsprachige Diskussion bewegt sich vielfach in den traditionellen Bahnen der Gesetzesauslegung (repräsentativ Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 271). Sie hat sich aber seit den 1960er Jahren auch deutlich geöffnet, vgl. nur Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1978; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999; Cremer, Anwendungsorientierte Verfassungsauslegung, 2000; Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, 2015, S. 317 ff.; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, 2016, Teil 2. Zum Kreis der Verfassungsinterpreten grdl. für den deutschsprachigen Raum Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, 2. Aufl. 1996, S. 155 ff., mit seiner These von der „offene[n] Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“. In der USamerikanischen Diskussion finden sich Analysen bürgerschaftlicher Interpretation bzw. der Weisen, wie Verfassungsverständnis gesellschaftlich vermittelt wird, bspw. Donnelly, Wm. & Mary Bill Rts. J. 27 (2019), S. 911 ff.

A. Kartographische Skizze

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ment interpretatorischen Verstehens auf. Nur tritt an die Stelle eigener Bemühungen entweder die Interpretation anderer Akteur:innen, seien es das Bundesverfassungsgericht, die Staatsrechtslehre oder eine andere Verfassungsinterpret:in, oder die Frage des verfassungsrechtlich Gebotenen wird offengelassen, indem eine Verständnisfolie den „Möglichkeitsraum“ des grundgesetzlich Gesollten nicht auf eine Verständnisalternative begrenzt.92 Drei Diskussionsschwerpunkte lassen sich ausmachen: Der erste betrifft den interpretatorischen Umgang mit Verfassung und Verfassungsrecht im Allgemeinen. Führen beispielsweise Offenheit und Unbestimmtheit des Verfassungstextes zu einem generell größeren Eigenanteil der Interpret:innen, der es rechtfertigt, dieses Moment auch konzeptionell hervorzuheben und von „Konkretisierung“ statt nur von Interpretation zu sprechen?93 Ist eine Verfassung eher aus ihrer Entstehungsgeschichte oder vor gegenwärtigen Herausforderungen zu interpretieren und wer ist an diesen interpretatorischen Bemühungen beteiligt?94 Wie steht es um das Phänomen des Verfassungswandels? Lassen sich daraus Einsichten für die Verfassungsinterpretation gewinnen?95 Den zweiten Schwerpunkt bilden die Stellung und Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts im Verhältnis zum Gesetzgeber und zur Fachgerichtsbarkeit.96 Welche funktionell-rechtlichen Leitlinien ergeben sich aus diesem Gefüge für die 92 Peter Häberle hat für die Verfassungstheorie den Gedanken des „Möglichkeitsdenkens“ erschlossen (Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, 2. Aufl. 1996, S. 19 ff.). 93 Statt aller Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 60 ff.; Stern / Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3/2, 1994, S. 1693 ff.; ablehnend Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 155 ff. 94 Zur allgemeinen Frage näher Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, 2015, S. 322 ff. 95 Voßkuhle, Gibt es und wozu nutzt eine Lehre vom Verfassungswandel?, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 ff.; Poscher, Verfassungswandel, in: Jestaedt / Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung I, 2017, S. 201 ff.; Peuker, Verfassungswandel durch Digitalisierung, 2020, S. 137 ff.; s. f. die Nachw. auf S. 35 in Fn. 36. 96 Dem spannungsreichen Wechselspiel zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht gehen bspw. nach Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, 1985; Häberle, Verfassungsgerichtsbarkeit – Verfassungsprozessrecht, 2014, S. 49 ff.; Young, Democratic Dialogue and the Constitution, 2017, S. 221 ff.; Lepsius, Reaktionsweisen des Gesetzgebers auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen, in: Jestaedt / Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung II, 2019,

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

Auslegungs- und Anwendungsarbeit des Verfassungsgerichts? Existiert ein Gebot der Selbstbeschränkung oder Zurückhaltung? Der dritte Schwerpunkt schließlich resultiert aus dem Bemühen, interpretatorische Vorgaben aus dem Grundgesetz herzuleiten. Schon sehr früh hat das Bundesverfassungsgericht im Umgang mit verfassungsrechtlichen Spannungslagen angenommen, dass das Grundgesetz als Einheit zu verstehen ist.97 Aus dem Institut der Verfassungsänderung wurden Schlüsse für die inhaltlichen Grenzen einer Um- oder Neuinterpretation einzelner Merkmale des Grundgesetzes gezogen.98 Und ganz allgemein wird immer wieder darüber diskutiert, ob sich aus dem Grundgesetz Anforderungen an eine Verfassungstheorie ergeben.99

V. Rückblick und Verbleibendes Ein resümierender Blick auf den in groben Zügen vorgestellten Atlas der Verfassungstheorie macht deutlich, dass diese mehr ist als ein bloßes Sammelsurium an Aspekten, die mit dem Phänomen einer Verfassung verknüpft sind. Umgekehrt lässt sich aber auch kein einzelner Standpunkt, keine spezifische Perspektive, keine allgemeine Gruppe von Fragen und keine methodische Haltung – sofern nicht die Vielfalt selbst zum Spezifikum erhoben wird – ausmachen, die die Verfassungstheorie für sich schon als solche auszeichnet.100 Ihre charakteristische Offenheit innerhalb der Staatsrechtslehre und im Verhältnis zu anderen Disziplinen, gepaart mit der Tragweite ihrer Ergebnisse, aber vor allem ihre mitunter als fragwürdig oder gar verstörend empfundene Nähe zu konkreten verfassungsrechtlichen Beurteilungen verlangen jedoch nach weiterer Aufklärung. Diese ist Gegenstand des übrigen Kapitels, wenn nach der disziplinären Stellung der Verfassungstheorie innerhalb und außerhalb der StaatsrechtsS. 125 ff. S. f. die Überblicke bei Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 530 ff.; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck GG, Art. 93 Rn. 43 ff. 97 Näher Stern / Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3/2, 1994, S. 1651 f., 1741 ff., und zu weiteren Ansätzen ebd., S. 1648 ff., 1689 ff., 1740 ff. 98 Gegenwärtig intensiver diskutiert wird diese Grenze für das Erfordernis der Zweigeschlechtlichkeit als Definitionselement einer Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG: Heiderhoff, in: v. Münch / Kunig GG, Art. 6 Rn. 58 ff. m. w. N. 99 S. die Nachw. auf S. 46 in Fn. 78. 100 Gegenteilige Positionen finden sich auf S. 27 in Fn. 10.

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

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lehre gefragt und der Autorität nachgegangen wird, die verfassungstheoretische Aussagen, Urteile und Interpretationen für sich beanspruchen.

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie I. Disziplinäre Stellung Die deutsche Staatsrechtslehre beschäftigt sich neben den Phänomenen der Verfassung und des demokratischen Verfassungsstaates mit vielen anderen Gegenständen und Fragen. Doch ebenso selbstverständlich setzt sie sich mit dem Grundgesetz und der darauf gründenden Ordnung auseinander. Es wird über Verfassungsrecht im Allgemeinen und normative Gehalte im Besonderen nachgedacht. Wird der grundgesetzliche Rechtsstoff aufgearbeitet und geordnet, wird das Gebäude der allgemeinen und besonderen Lehren betreten oder wird dazu beigetragen, schwierige Verfassungsfragen zu beantworten, dann lassen sich diese Tätigkeiten unter dem Ausdruck „Verfassungsrechtsdogmatik“ zusammenfassen. Wie verhält sich diese Verfassungsrechtsdogmatik zur Verfassungstheorie? Lässt sich eine klare Grenze ziehen oder sind vielmehr graduelle Übergänge zwischen den Disziplinen unvermeidbar?101 Diese Frage tauchte bereits auf einem der Kartenblätter auf. Ihr ist nunmehr weiter nachzugehen. Aufgrund der bisherigen Erkundungen steht fest, dass sich eine sichere Grenzziehung, wenn überhaupt, nur von Seiten der Verfassungsrechtsdogmatik bewerkstelligen lässt. Denn es gibt – soweit bislang ersichtlich – kein allein die Verfassungstheorie auszeichnendes Moment, durch welches sie sich in dem kartographierten Sinne von anderen Disziplinen unterscheidet, seien sie innerhalb oder außerhalb der Rechtswissenschaft angesiedelt. Soll demgegenüber die Verfassungsrechtsdogmatik eine exklusive disziplinäre Sphäre darstellen, muss sie entweder durch eine spezifische Methode, ihren genuin rechtlichen Standpunkt, ihre besonderen Gegenstände oder die Art ihrer Sätze von der Verfassungstheorie und anderen nichtdogmatischen Disziplinen abgrenzbar sein.

101 Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, Teil 1; Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 73 ff.; Kersten, Die Notwendigkeit der Zuspitzung, 2020, S. 19 ff.; Ingold, Verfassungstheorie, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Aufl. 2021, S. 111, 125 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

Als nicht maßgeblich kommt zunächst der Umstand in Betracht, dass viele Fragen und Tätigkeiten der Verfassungsrechtsdogmatik keine verfassungstheoretischen Bezugspunkte besitzen. Zu denken ist etwa an dogmatische Ordnungsbildung oder die adäquate dogmatische Erklärung, wie Grundrechte auf die Beziehungen Privater einwirken können.102 Mithilfe solcher thematischer Unterschiede lassen sich allenfalls graduelle Grenzen errichten. Um eine kategoriale Differenz zu bewerkstelligen, kommt deshalb wohl nur die Methode in Betracht. Denn selbst am genuin rechtlichen Standpunkt wird es bei den Verständnisfolien nicht fehlen, solange sie ihre Aufgabe erfüllen sollen, das grundgesetzlich Gebotene zu erschließen. Vielleicht lässt sich eine scharfe Grenze ziehen, weil sich das juristische Interpretieren einzelner Merkmale einer Verfassungsnorm mithilfe der anerkannten hermeneutischen Auslegungskanones als eine sehr spezifische Tätigkeit darstellt. Als kategorial könnte sich diese Grenze aber nur erweisen, wenn im Rahmen solcher Interpretationen niemals auf Momente zurückgegriffen werden müsste, die aus der Sphäre der Verfassungstheorie stammen, wenn also, mit anderen Worten, die Verfassungsrechtsdogmatik ihre Arbeit allein und abschließend aus sich heraus erledigen könnte. Dazu wäre insbesondere erforderlich, dass sie keiner verfassungstheoretischen Verständnisfolien bedürfte. Eine solche Vorstellung steht nicht nur in einem Spannungsverhältnis zur Offenheit und Unbestimmtheit des Verfassungstextes. Ihr widersprechen darüber hinaus sowohl die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Verfassungstheorie als auch die Debatten über die Verfassungsinterpretation. Und schließlich findet sich kein einziges praktisches Beispiel, bei dem es der Verfassungsrechtsdogmatik gelungen ist, die normativen Inhalte einer Grundgesetznorm ausschließlich mit den anerkannten Auslegungskanones zu bestimmen. Das Fehlen kategorial-disziplinärer Grenzen stellt jedoch kein Problem für die Verfassungstheorie dar. Der kartographische Überblick hat gezeigt, dass die Verfassungstheorie charakteristische Themenbereiche und Fragen kennt. Auf der Basis institutioneller Strukturen, offener personaler Netzwerke und der jeweiligen Forschungsgespräche erwächst 102 Näher zu einigen der verschiedenen Arbeitsweisen und Tätigkeiten der Rechtsdogmatik Bumke, Erzeugung und Gebrauch von Wissen in der Rechtsdogmatik, in: Augsberg / Schuppert (Hrsg.), Wissen und Recht, 2022, S. 443 ff.; Bumke / Schäfer, The Nature and Value of Conceptual Legal Scholarship, in: Kuntz / Miller (Hrsg.), Methodology in Private Law Theory, 2023 (i. E.).

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

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daraus die disziplinäre Identität der Verfassungstheorie. Je nach Arbeitsweise, Gegenstandsfokus, Themenbereich und Fragestellung ergeben sich Nähen oder Überschneidungen zu anderen rechtswissenschaftlichen und nichtrechtswissenschaftlichen Disziplinen. Vielfältige Berührungspunkte mit den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften, insbesondere den Politik-, Sozial- und Geschichtswissenschaften, finden sich in den ersten beiden Abteilungen der Verfassungstheorie. Die dritte Abteilung weist zumeist Verbindungen zur übrigen Rechtswissenschaft auf, insbesondere zur Verfassungsrechtsdogmatik.

II. Autoritätsanspruch verfassungstheoretischer Aussagen Wenn es einen Grund zur Sorge geben sollte, dann ist dieser nach den bisherigen Überlegungen nicht in der fehlenden disziplinären Eigenständigkeit zu finden. Vielmehr resultiert er aus den verfassungstheoretischen Traumgebilden, die für sich grundgesetzliche Wirklichkeit in Anspruch nehmen wollen. Mit wenigen Strichen lassen sich programmatische Leitbilder und andere Formen interpretatorischer Zuspitzung zeichnen. Wie aber können Traum und normative Wirklichkeit unterschieden werden?103 Wie ist es um den Erklärungs-, Beurteilungs- und Deutungsanspruch, also die Autorität verfassungstheoretischer Sätze bestellt? Eng verknüpft ist diese Frage mit der Grundsorge der Staatsrechtslehre, dass die wahren Herren der Verfassung und des demokratischen Verfassungsstaates die Verfassungsinterpret:innen sind.

1. Kein Passierscheinerfordernis für den Übergang von Verfassungstheorie zu Verfassungsrechtsdogmatik Als Reaktion finden sich vielfältige Bemühungen, das positive Verfassungsrecht vor fantastischen Deutungen der Verfassungstheorie abzuschirmen. In seiner naiven Form geschieht dies mithilfe des schlichten Einwands, bei diesem oder jenem handle es sich um einen bloßen Gedanken der Verfassungstheorie, der für das Verfassungsrecht nicht verbindlich sei. Nun besitzt ein solcher Hinweis ungefähr dieselbe Überzeugungs103

Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 169 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

kraft wie der Versuch eines Kindes, sich unsichtbar zu machen, indem es seine Hände vor die Augen hält. Es existiert kein Raum, in dem sich, losgelöst von allem Übrigen und lediglich ausgestattet mit den Instrumenten juristischer Hermeneutik, das reine, unberührte Verfassungsrecht studieren und interpretieren ließe. Anspruchsvollere Abschirmversuche greifen deshalb auf den Gedanken eines Passierscheins zurück.104 Ihn muss vorweisen, wer Annahmen, Konzepte, Aussagen oder Urteile im verfassungstheoretischen Werkraum erarbeitet hat und diese im Rahmen der Verfassungsrechtsdogmatik verwenden will. Wie aber gelangt man an einen gültigen Passierschein? Die wohl höchsten Anforderungen werden unter der Bezeichnung „Positivierungsnachweis“ aufgestellt.105 Danach muss für jede verfassungstheoretische Aussage, Beurteilung oder Interpretation nachgewiesen werden, dass sie als Bestandteil des positiven Verfassungsrechts anzusehen ist.106 Das Passierscheinerfordernis markiert also den Übergang von der Verfassungstheorie zur Verfassungsrechtsdogmatik. Dabei wird ein Kontroll-, Transformations- und Zulassungsverfahren eingeführt, dessen Maßstäbe und Mechanik sich ausschließlich aus der Verfassungsrechtsdogmatik, den anerkannten Instrumenten juristischer Hermeneutik und dem positiven Verfassungsrecht ergeben (sollen). Gleichgültig wie dieses Passierscheinverfahren im Einzelnen ausgestaltet wird, steht jedes Verfahren vor demselben Grundproblem, nämlich zu zeigen, dass Verfassungsrechtsdogmatik, juristische Hermeneutik und Verfassungsrecht aus sich heraus in der Lage sind, Kriterien zu entwickeln, um hinreichend verlässlich über die Zulassungsberechtigung eines verfassungstheoretischen Satzes zu entscheiden. Meines Erachtens ist es noch keinem Vorschlag gelungen, dieses Grundproblem zu lösen, und aus strukturell-inhaltlichen Gründen lässt es sich auch nicht lösen. Um es zu bewältigen, genügt nicht zu zeigen, dass Dogmatik, Hermeneutik und Verfassungsrecht in der Lage sind, einen Widerstand zu erzeugen, an dem verfassungstheoretische Einsichten, Urteile oder Interpretationen – etwa in Form einer Verständnisfolie für ein bestimmtes Grundrecht – zerbrechen können. Diese Widerstandsfähigkeit führt zwar dazu, dass sich die 104 Diskussionsprägend Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 73 ff. 105 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 77 ff. 106 Auf dieses Erfordernis bspw. zurückgreifend Sauer, Der Staat 58 (2019), S. 7 ff.

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

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Arbeit am und der Umgang mit dem Verfassungsrecht als im Grundsatz rationaler Vorgang verstehen lässt. Deshalb ist auch noch niemand auf die Idee gekommen, die Verfassungstheorie von diesem Kompatibilitätserfordernis freizusprechen, sofern sie Sätze aufstellt, die für das Verständnis des grundgesetzlich Gesollten relevant sein sollen. Doch erweisen sich diese unter Umständen im Einzelfall mächtigen Kräfte im Allgemeinen als zu schwach, zu unspezifisch und zu unsicher, um das Verfassungsrecht umfassend vor verfassungstheoretischen Einflüssen abzuschirmen.107 Drei verschiedene Konstellationen sind dafür verantwortlich: In der ersten erweisen sich inhaltlich divergierende Verständnisfolien als gleichermaßen mit Einsichten, Argumenten und Vorgaben der Dogmatik, Hermeneutik und des Verfassungsrechts kompatibel. Keine der Folien zerbricht am Widerstand ( fehlender Widerstandsgehalt).108 In der zweiten Konstellation hängt das Verständnis der Einsichten, Argumente und Vorgaben von verfassungstheoretischen Annahmen ab. Je nach verfassungstheoretischem Verständnis werden Argumente unterschiedlich verstanden und divergierende Schlüsse gezogen ( fehlende Reinheit).109 In der dritten Konstellation herrscht Uneinigkeit innerhalb der Dogmatik, der Hermeneutik oder den Lesarten des Verfassungsrechts ( fehlende Einigkeit).110 In 107 Ein Plädoyer für die Widerstandskraft von Text und Systematik hält Tribe, Harv. L. Rev. 108 (1995), S. 1221, 1235 ff. Skeptisch zur Determinationskraft des Textes Fallon, Cal. L. Rev. 87 (1999), S. 535, 545 ff. Näher zur partiellen Unmöglichkeit einer solchen Grenzziehung Bumke, Erzeugung und Gebrauch von Wissen in der Rechtsdogmatik, in: Augsberg / Schuppert (Hrsg.), Wissen und Recht, 2022, S. 443, 453 ff. 108 Ein Beispiel bietet der Streit um das richtige Grundrechtsmodell. Verfassungstext und Entstehungsgeschichte geben weder Anhaltspunkte noch leisten sie einen Widerstand, s. näher Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 63 ff. 109 Ein Beispiel dafür bildet die Studie von Sauer, Der Staat 58 (2019), S. 7 ff., der zeigen will, dass das Verständnis des Bundesverfassungsgerichts zwar verfassungstheoretisch denkbar ist, aber nicht dem geltenden Verfassungsrecht entspricht. M. E. hängen die unterschiedlichen Deutungen des positiven Verfassungsrechts von divergierenden Vorverständnissen ab. Die Situation ähnelt insoweit der früheren Debatte um die Subjektivierung der grundrechtlichen Schutzpflicht. Die beträchtlichen Unsicherheiten spiegeln sich repräsentativ wider bei Stern / Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3/1, 1988, S. 984 f., 993 f. 110 Es liegen dann paradigmatische Differenzen – wie etwa im Streit um die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes für die Rechtsprechung  – vor, näher Bumke, Einführung in das Forschungsgespräch über die richterliche Rechtsarbeit, in: ders. (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 1, 5 ff.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

keiner dieser drei Konstellationen existiert ein neutraler Ort, um anhand unabhängiger Maßstäbe verlässlich zu entscheiden, welche Position sich zurecht auf ihr dogmatisches, hermeneutisches, verfassungsrechtliches oder verfassungstheoretisches Verständnis beruft. Jede verfassungsrechtsdogmatische Strömung mag von ihrem Verständnis überzeugt sein. Aber keine verfügt über bessere Instrumente oder genauere Maßstäbe als eine Strömung, die unter Wahrung der Gebote rationalen Denkens, Argumentierens und Arbeitens eine abweichende Position einnimmt. Rationale Uneinigkeit ist kein dogmatisches Grenzphänomen, sondern eine Alltagserfahrung der Rechtsdogmatik. Aus den genannten Gründen sollte auf das Erfordernis eines Passierscheins verzichtet werden. Möglich und nötig ist aber, dass verfassungstheoretische Aussagen, Urteile und Interpretationen mit Dogmatik, Hermeneutik und verfassungsrechtlichen Vorstellungen kompatibel sind. Nicht weiter entschieden ist damit über den Autoritätsanspruch der Verfassungstheorie. Doch dürfte das Kompatibilitätserfordernis zumindest in die Richtung eines zurückhaltenden Autoritätsverständnisses weisen. Verfassungstheorie ist interessant, überaus wichtig und zum Teil unausweichlich, um die Phänomene der Verfassung und des demokratischen Verfassungsstaates zu begreifen. Darüber hinaus trägt sie dazu bei, die eigene Rechtsordnung und das politische und gesellschaftliche Dasein besser zu verstehen. Doch ihre Aussagen, Urteile und Interpretationen weisen keine besondere Qualität auf. Die Verfassungsrechtsdogmatik kann der Verfassungstheorie deshalb gelassen und mit der gebotenen Zurückhaltung begegnen. Einen Grund, ihr zu misstrauen, gibt es jedoch nicht.

2. Eine (un-)mögliche Unterscheidung: Rechtsnorm oder Rechtssatz Ein weiterer Vorbehalt gegenüber dem Autoritätsanspruch verfassungstheoretischer Aussagen ist nicht speziell gegen die Verfassungstheorie, sondern allgemeiner gegen eine weitverbreitete Grundhaltung in der Rechtswissenschaft gerichtet. Schon Hans Kelsen forderte in diesem Sinne in seinem heute mehr denn je lesenswerten Vorwort zur ersten Auflage der „Reinen Rechtslehre“ die Rechtswissenschaft zum „Verzicht auf die eingewurzelte Gewohnheit [auf], im Namen der Wissenschaft vom

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

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Recht, unter Berufung also auf eine objektive Instanz, politische Forderungen zu vertreten, die nur einen höchst subjektiven Charakter haben können, auch wenn sie, im besten Glauben […] auftreten“.111 Heutzutage wird meist dazu geraten, dem Vorwurf illegitimer Beanspruchung von Autorität dadurch zu entgehen, dass man den Unterschied zwischen deskriptiver Analyse und präskriptivem Urteil berücksichtigt.112 Diesem Rat sollte auch die Verfassungstheorie folgen. Es handelt sich um eine elementare Unterscheidung. Analysen folgen anderen Regeln als Urteile und sind an anderen Maßstäben zu messen. Es gibt jedoch ein Problem: Beim Interpretieren hilft die Unterscheidung nicht weiter. Sicherlich lassen sich einzelne Momente innerhalb einer Interpretation ausmachen, die einen analysierenden oder beurteilenden Charakter aufweisen. Aber das Verstehen des rechtlich Gebotenen ist eine Tätigkeit, die sich kategorial von Analyse und Beurteilung unterscheidet. Als Ausweg wird vorgeschlagen, scharf zwischen dem System Recht, also der Rechtsordnung, und dem System Wissenschaft, also der Rechtswissenschaft, zu unterscheiden und so auf die Differenz zwischen „Rechtsnorm“ und „Rechtssatz“ im Sinne Hans Kelsens zu achten.113 Die Rechtsnorm ist danach Teil der Rechtsordnung. Rechtssätze hingegen sind rechtswissenschaftliche Aussagen über die Rechtsnormen. Sie sind Teil der Wissenschaft, aber nicht des Rechts. Danach sind also alle Interpretationen Teil der Wissenschaft und nicht des Rechts. In dem trivialen Sinne, dass die Interpretation einer Wissenschaftler:in gewöhnlich keine Rechtsquelle ist und auch nicht mit dem Rechtsakt eines Gerichts, einer Behörde oder eines Parlaments zu verwechseln ist, erscheint diese Zuordnung zweifelsfrei. In diesem trivialen Sinne geht sie aber nicht mit 111

Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl. 1934, S. XI. Statt vieler Dreier, Rechtswissenschaft als Wissenschaft, in: ders. (Hrsg.), Rechtswissenschaft als Beruf, 2018, S. 1, 50 ff.; Stark, Interdisziplinarität der Rechtsdogmatik, 2020, S. 89 ff. 113 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 72 ff. Außerdem wird auf die Unterscheidung zurückgegriffen, um zwischen dem Text und seiner Bedeutung zu unterscheiden, repräsentativ Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 42 ff. Zu den Schwierigkeiten einer solchen Unterscheidung Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 1998, Fn. 135, und oben der weitere Haupttext. Gerade in jüngerer Zeit wird Kelsens Unterscheidung vermehrt aufgegriffen und darauf gestützt zwischen Rechtssystem und rechtswissenschaftlichem System unterschieden, sorgfältig ausgearbeitet von Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, 2015, §§ 3, 7; Stark, Interdisziplinarität der Rechtsdogmatik, 2020, S. 44 ff. 112

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

dem von Kelsen eingeforderten Verzicht einher. Die akteursbezogene Zuordnung führt zu keiner inhaltlichen Beschränkung. Der von Kelsen angemahnte Verzicht würde dagegen wohl verlangen, dass die Rechtswissenschaft sich auf die Tätigkeit der Analyse beschränkt, also weder beurteilt noch interpretiert. Kelsens Forderung war wissenschaftstheoretisch begründet. Ziel war es, die Rechtswissenschaft zu einer wahren Wissenschaft zu erheben. Und ein Problem waren die überzogenen Ansprüche, die die deutsche Jurisprudenz seit dem 19. Jahrhundert mit ihren Aussagen erhob.114 Um ihnen zu entgehen, bedarf es indes weder eines so radikalen Schrittes, noch müssen Objektivität und Wahrheit als Produkte oder Eigenschaften wissenschaftlichen Arbeitens verworfen werden. Es genügt, sich 1.) der unterschiedlichen Qualität und Verlässlichkeit von Analysen, Beurteilungen und Interpretationen und 2.) der verschiedenen Maßstäbe bewusst zu werden, denen Überlegungen auf ihrem Feld genügen müssen.115 Es mag Bereiche geben, in denen Wahrheit und Objektivität sinnvolle Bezugspunkte bilden. Doch genauso sicher ist, dass es viele andere Bereiche auf dem Gebiet der Verfassungstheorie gibt, in denen die Arbeit anhand anderer Maßstäbe zu beurteilen ist.116 Die deutsche Verfassungstheorie sollte über dieses Mindestmaß wissenschaftstheoretischer Aufklärung verfügen. Interpretatorische Bemühungen müssen deshalb aber nicht generell aus der rechtswissenschaftlichen Arbeit ausgegrenzt werden. Doch unabhängig von diesem Weg stößt die Gegenüberstellung von Recht und Rechtswissenschaft im Bereich der Interpretation auf ein grundsätzliches Problem, an dem sie meines Erachtens scheitern muss. Betrachten wir die Situation genauer. Den Ausgangspunkt bildet ein autoritativer Text, etwa ein Satz der Verfassung, wie er sich in Art. 19 Abs. 3 GG findet: „Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“ Es handelt sich um eine Zeichenfolge, die jede Person versteht, die der deutschen Spra114

Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. III ff. Näher zu dem zugrundeliegenden wissenschaftstheoretischen Verständnis Bumke, Rechtsdogmatik, 2017, S. 122 ff. 116 Eine Maßstabslehre der Rechtsdogmatik fehlt bislang. Die Diskussion beschränkt sich auf die Frage, ob „Wahrheit“ oder „Richtigkeit“ den entscheidenden Maßstab bilden, s. statt aller Dreier, Rechtswissenschaft als Wissenschaft, in: ders. (Hrsg.), Rechtswissenschaft als Beruf, 2018, S. 1, 2 ff. Den Anschluss an die angloamerikanische Reason-Debatte für die Rechtfertigung von Urteilen und Bewertungen sucht Stark, Interdisziplinarität der Rechtsdogmatik, 2020, S. 278 ff. 115

B. Status und Autorität der Verfassungstheorie

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che mächtig ist und über ein ausreichendes Sachwissen verfügt.117 Der autoritative Text ist die Rechtsnorm im kelsenschen Sinne. Gelegentlich findet sich noch der ergänzende Hinweis, dass genau genommen die Bedeutung des autoritativen Textes die Rechtsnorm ist.118 Statt von Bedeutung lässt sich auch vom Inhalt des Textes sprechen. Verschiedene Texte können denselben Inhalt haben. Text und Inhalt gehören zusammen und sind nicht identisch mit der bloßen Zeichenfolge.119 Weiterhin lassen sich Recht und Rechtswissenschaft leichthin unterscheiden: Alle rechtswissenschaftlichen Aussagen über den Inhalt des autoritativen Textes sind Rechtssätze, während der Inhalt des autoritativen Textes selbst die Norm und damit Teil des Rechts ist. Nun kommt es immer wieder vor, dass Fragen in Bezug auf die Norm gestellt werden. Es wird nach ihrem Inhalt gefragt, und um ihren Inhalt zu klären, werden der Text, sein Inhalt, wird mit anderen Worten die Norm interpretiert. Am Ende der Interpretation sind der Text und die Norm verstanden. Es wird etwa, um bei dem genannten Beispiel zu bleiben, interpretatorisch herausgearbeitet, dass der Ausdruck „juristische Person“ in Art. 19 Abs. 3 GG jede organisatorisch hinreichend verfestigte Personengemeinschaft und darüber hinaus jeden rechtlich verselbständigten Rechtsträger erfasst. Das ist der Inhalt des autoritativen Textes. Ein rechtswissenschaftlicher Text kann einen Rechtssatz enthalten, der diesen Inhalt wiedergibt und ihn mit der Aussage verknüpfen, dass die Norm in der Praxis so verstanden wird. Wie aber stellt sich die Situation dar, wenn der rechtswissenschaftliche Text die Norm in dieser Weise interpretiert und mit der Aussage schließt, dass dies der Inhalt der Norm ist? Sicherlich lässt sich weiterhin zwischen der Interpretation und der Norm unterscheiden. Aber das Ergebnis der Interpretation ist ein bestimmter Norminhalt. Dieser Norminhalt ist immer nur als Ergebnis einer Interpretation vorhanden. Und die Interpretation wiederum ist ein Werk, das nicht identisch sein kann mit dem autoritativen Text und seinem Inhalt. Um die Differenz zwischen Interpretation und Norm zu wahren, ließe

117 Näher zur Wissenskomponente als Basis des Sprachverstehens Busse, Sprachverstehen und Textinterpretation, 2. Aufl. 2015, S. 189 ff. 118 Statt aller Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 42 ff. 119 Man denke nur an unterschiedliche Schreibweisen desselben Wortes, die Möglichkeit, mit zwei verschiedenen Ausdrücken denselben Gegenstand zu bezeichnen oder denselben Inhalt mittels verschiedener Sätze auszudrücken.

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1. Kap.: Verfassungstheorie als Zweig der deutschen Staatsrechtslehre

sich ein abstrakter Gegenstand denken, der die Norm ist und der sich vom Text und seinem Inhalt unterscheidet. Dieser Gegenstand ist teilidentisch mit dem Text und seinem Inhalt und mehr oder weniger – je nach der Fehlerhaftigkeit der einzelnen Interpretationen – identisch mit all seinen anerkannten Interpretationen. Diesen abstrakten Gegenstand könnte man dann dem Recht zuordnen – er ist die Norm – und die Interpretationen, soweit sie nicht der Praxis entstammen, der Rechtswissenschaft. Doch auch dann bleibt die Ambivalenz bezüglich des interpretatorisch Erschlossenen. Es handelt sich um Sätze der Rechtswissenschaft, die die Norm wiedergeben, und nicht bloß um Sätze über den Inhalt der Norm. Trotz der Differenz zwischen abstraktem Gegenstand und Interpretation scheidet der Gegenstand als Maßstab der Interpretation aus. Denn es gibt keinen anderen Weg als die Interpretation, um auf den abstrakten Gegenstand zuzugreifen. Die Unterscheidung zwischen Rechtsnorm und Rechtssatz fällt an diesem Punkt notwendigerweise in sich zusammen. Die Paradoxie ist perfekt: Für das interpretatorische Verstehen einer Norm ist die Annahme konstitutiv, dass ein Gegenstand „Norm“ existiert, der sich mittels interpretatorischer Anstrengungen erschließen lässt. Doch ist es zugleich unmöglich, dieses Gegenstandes anders als im Wege einer Interpretation habhaft zu werden. Während es in den Bereichen der Analyse und Beurteilung stets möglich ist, zwischen der Rechtsordnung und ihrer rechtswissenschaftlichen Erkundung und Bewertung zu unterscheiden, ist die Unterscheidung im Bereich der Interpretation nur im Sinne einer regulativen Idee vorhanden. Im Raum denkbarer Interpretationen existiert die Norm nur in der Summe ihrer interpretatorischen Aussagen.120

120 Das bedeutet dann aber auch, dass es mit Blick auf die interpretatorische Arbeit unmöglich ist, zwischen Rechtserkenntnis und Rechtserzeugung zu unterscheiden. Die Aufgabe der Staatsrechtslehre kann also nicht in der „Erkenntnis […] und Bezeugung des Verfassungsrechts“ gesehen werden, so aber Hillgruber, VVDStRL 67 (2008), S. 7, 49 ff., unter Rückgriff auf die von Matthias Jestaedt ( Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 230 ff.) eingeführte Unterscheidung zwischen Rechtserkenntnis- und Rechtserzeugungsdogmatik; näher dazu Stark, Interdisziplinarität der Rechtsdogmatik, 2020, S. 89 ff.

2. Kapitel

Verfassungstheorie als Grundbaustein eines liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit Ausgehend von den gewonnenen Einsichten lässt sich das weitere Vorhaben in der zweiten Abteilung des Kartenwerkes bei den Grundfragen des demokratischen Verfassungsstaates lokalisieren. Gelingensbedingungen und soziale Gesetzmäßigkeiten interessieren genauso wenig wie Verständnisfolien. Es wird analysiert und gelegentlich beurteilt. Interpretationen unterbleiben. Der Fokus ist auf den Typus des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit gerichtet. Seine Grundlage bildet die weltweit existierende Familie entsprechender Verfassungsstaaten. Das Ziel ist es, die Verfassungstheorie als einen der Grundbausteine dieses Verfassungstypus in ersten Grundzügen auszuarbeiten.

A. Verfassungsstaatlicher Typus als verständnisleitender Rahmen und Fixpunkt der Verfassungstheorie Da eine gehaltvolle Verfassungstheorie (im Sinne der zweiten Abteilung) nicht ohne einen verständnisleitenden Rahmen auskommen kann, müssen zunächst Idee und Wirklichkeit der liberalen demokratischen Verfassungsstaaten mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit in den Blick genommen werden.1 Eine umfassende Analyse und konzeptionelle Ausarbeitung dieses Verfassungstypus überschreiten indes Fähigkeiten, Kompetenzen und Wissen des Autors. Das Gebot rationaler Nachvoll1 Eine Verwandtschaft hat dieses Vorgehen zu Ansätzen, die auf sehr unterschiedliche Weise Grundelemente oder Prinzipien des Konstitutionalismus bzw. eines demokratischen Verfassungsstaates herausarbeiten, in diesem Sinne bspw. Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017; Barber, The Principles of Constitutionalism, 2018, S. 9 ff.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

ziehbarkeit verlangt aber darzulegen, mit welchem Vorverständnis von diesem Typus gesprochen und auf ihn Bezug genommen wird.

I. Methodisch-konzeptionelle Vergewisserung Zuvor bedarf es noch einer kurzen Vergewisserung über die Vorgehensweise. Denn der grundsätzliche Einwand liegt nahe, dass es sich bei dem im Folgenden gewählten konzeptionellen Fixpunkt um ein Fantasiegebilde handelt, mit dem der Verfassungstheorie und damit letztlich auch dem Grundgesetz das eigene Wunschbild unterlegt wird. Dieser Einwand lässt sich auf verschiedene Weise ausbuchstabieren. Zunächst könnte man an Unterbestimmtheit und den Vorwurf von Zirkularität denken. Wie soll ein Typus anleitende Kraft entfalten, der sich im Zustand eines bloßen Postulats befindet? Diese Bedenken reduzieren sich auf ein zumutbares Maß, sobald es gelingt, einige tatsächliche strukturelle und inhaltliche Momente aufzuzeigen, die den Typus prägen. Sie bilden das Vorverständnis, auf dem die weitere Studie aufbaut. Eine weitere Möglichkeit, den grundsätzlichen Einwand zu verstehen, stellt die Gefahr mangelnder Rationalität dar. Dahinter steht die Vermutung, dass es sich bei dem anvisierten Typus um ein Konzept handelt, das auf einer Reihe paradigmatischer Differenzen beruht. Charakteristisch für ein solches „essentially contested concept“ im Sinne von Walter Bryce Gallie ist die Tatsache, dass über die Zeit konkurrierende Konzeptionen erarbeitet werden, die in sich schlüssig und nachvollziehbar sind, ohne dass sich rational entscheiden ließe, welche Konzeption den anderen überlegen ist.2 Relativität des Fixpunktes wäre die Konsequenz. Diese Folge ist nicht so unangenehm, wie es zunächst scheinen mag. Denn zum einen prägen paradigmatische Differenzen auch sonst das Denken und Arbeiten der Staatsrechtslehre. Zum anderen könnte sich zeigen, dass die nachteiligen Auswirkungen auf die Verfassungstheorie ähnlich wie bei den ontologisch-epistemologischen Grundannahmen überschaubar sind. Die Relativität bliebe, nur ließe sich daraus kein durchgreifender Vorbehalt gegen das weitere Vorhaben herleiten. In seiner letzten Form könnte man den Einwand schließlich als Ideologievorwurf verstehen. Wird mit dem Herausstellen eines bestimmten Typus des demokratischen Verfassungsstaates in unlauterer Weise verdeckt, dass es sich dabei nur um eine 2

Gallie, Proceedings of the Aristotelian Society 56 (1955/56), S. 167 ff.

A. Verfassungsstaatlicher Typus als verständnisleitender Rahmen

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Spielart von Elitenherrschaft handelt?3 Solange ein solcher Vorwurf nicht mit der Verurteilung der Ordnung als illegitim einhergeht, lässt sich diese Art von Kritik als realistischer Seitenblick und Ansatz für eine funktionale Erklärung der gesellschaftlichen Gegebenheiten in die eigene Arbeit integrieren. Ein Grund, die gewählte Zugangsweise zu verwerfen, lässt sich darin dann aber nicht sehen.

II. Die Familie liberaler demokratischer Verfassungsstaaten mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit Ein Typus, der Idee und Wirklichkeit eines Verfassungsstaates adäquat widerzuspiegeln vermag, muss erfahrungsbasiert und erklärender Natur sein.4 Seine Bestandteile sind historisch-vergleichend auf der Grundlage kultur-, sozial-, politik- und rechtswissenschaftlicher Analysen zu erarbeiten. Dies ist der maßgebliche Grund, warum die umfassende analytischkonzeptionelle Ausarbeitung eines solchen Typus die hier vorhandenen Möglichkeiten auf grundsätzliche Weise überschreitet. Beobachtungsgegenstand ist eine Familie demokratischer Verfassungsstaaten mit gemeinsamen Merkmalen, die wiederum eine beträchtliche Bandbreite unterschiedlicher Erscheinungsformen aufweisen können. Es ist deshalb gut möglich, dass sich die Familienzugehörigkeit nicht stets eindeutig beantworten lässt. Doch ist dies nicht weiter misslich, da sich damit nur der Kreis der Beobachtungsgegenstände vergrößert oder verkleinert und auch der Maßstab für den Typus nicht Wahrheit, sondern fruchtbare

3 In diese Richtung Holmes, Constitutions and Constitutionalism, in: Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012, S. 189 ff. (im Sinne einer funktionalen Erklärung); Wilkinson, Authoritarian Liberalism and the Transformation of Modern Europe, 2021, der den hier charakterisierten Typus eines Verfassungsstaates als Spielart des autoritären Liberalismus einordnet und verwirft. Ein konkretes Beispiel bildet die Diskussion um den südafrikanischen Supreme Court, dazu etwa Fowkes, Building the Constitution, 2016, S. 110 ff. 4 Einen Maßstab, den es heranzuziehen gilt, ist m. E. der von John Rawls (Rawls, A Theory of Justice, 1971, S. 46 ff.) entwickelte Gedanke eines „reflective equilibrium“, mit dessen Hilfe prinzipielle Überlegungen und konkrete Erfahrungen und Einschätzungen aufeinander bezogen werden können. Im Bereich der Moralphilosphie wurde der Gedanke vielfach aufgegriffen, so bspw. von Scanlon, Being Realistic about Reasons, 2014, S. 71 ff.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Einsicht ist. Über die Familienzugehörigkeit entscheiden die folgenden vier Merkmale:5 − Das erste ist der rechtliche Konstitutionalismus, der den Staat prägt. Das bedeutet, dass der Verfassung nicht nur verbindliche Wirkung zugemessen wird, sondern auch – im Unterschied zum politischen Konstitutionalismus – das Rechtssystem in Gestalt eines Gerichts und nicht das politische System abschließend über die Verfassungsmäßigkeit staatlichen Verhaltens entscheidet.6 Die Grenze zu ziehen kann schwerfallen, wie das Beispiel Kanadas zeigt. Art. 33 Abs. 1 der Canadian Charter of Rights and Freedoms erlaubt es der Legislative, Gesetze von der verfassungsgerichtlichen Kontrolle am Maßstab der Charter auszuschließen.7 Der Vorbehalt spricht für einen Ausschluss Kanadas aus der verfassungsstaatlichen Familie. Allerdings lässt sich diese Regelung auch als eine Art dritter Weg zwischen politischem und rechtlichem Konstitutionalismus begreifen.8 Das zeigt zunächst der Blick auf die kanadische Praxis. So hat der Bundesgesetzgeber bislang keinen Gebrauch von der Exklusionsbefugnis gemacht. Wird das Institut als eine Art außerordentliches Dialoginstrument zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht verstanden,9 das den Vorrang des Rechtlich-Juridischen vor dem Politischen nicht in Frage stellt, spricht auch das für eine Familienzugehörigkeit.10 5 Andere Annäherungen an diesen Typus finden sich bspw. bei Hardin, Liberalism, Constitutionalism, and Democracy, 1999; Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009. Sehr viel weiter und unspezifischer wird der Kreis, wo eine Familie der „westlichen Verfassungsstaaten“ gebildet wird (so Buratti, Western Constitutionalism, 2. Aufl. 2019). Ausgeblendet bleibt im Folgenden das praktisch wie theoretische wichtige Moment einer föderalen oder bundesstaatlichen Ordnung, s. näher statt aller Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 126. 6 Statt aller Grimm, Types of Constitutions, in: Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012, Abschn. III.4. 7 Nach Abs. 3 ist die Freizeichnung auf fünf Jahre begrenzt. Doch besteht nach Abs. 4 die Möglichkeit einer erneuten fünfjährigen Freizeichnung. 8 Ausführlich zu diesen und weiteren Formen eines solches dritten Weges Gardbaum, The New Commonwealth Model of Constitutionalism, 2013. 9 Näher zu diesem Gedanken Young, Democratic Dialogue and the Constitution, 2017. 10 Bezüglich der Familienzugehörigkeit Großbritanniens hängt die Frage an diesem Punkt davon ab, wie weit die Souveränität des Parlaments heute verfassungsrechtlich betrachtet noch reicht. Grenzenlos ist die Souveränität nicht mehr. Rechtsstaatliche und demokratische Kernelemente stehen wohl nicht zur Disposition, s. Laws, The Constitutional Balance, 2021, S. 110 ff., wobei der ge-

A. Verfassungsstaatlicher Typus als verständnisleitender Rahmen

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− Das zweite Merkmal betrifft die politische Ordnung im Sinne einer liberalen, nicht autoritären Demokratie.11 Das bedeutet, dass in regelmäßigen Abständen faire und freie Wahlen unter Bedingungen stattfinden, die auch nichtregierenden Parteien und Gruppen eine realistische Chance geben, bei diesen Wahlen erfolgreich zu sein. Prägend ist darüber hinaus der grundrechtliche Schutz des Individuums einschließlich seiner Würde und Freiheit, der Entfaltung und Autonomie der Person sowie gleichberechtigter Gleichheit.12 − Das dritte Merkmal betrifft die Verfassung. Sie muss geschriebener Natur sein. Es muss entweder ein Kerndokument wie in Deutschland und den USA oder eine kleine Gruppe von Kerndokumenten wie in Österreich existieren, die sich als Teil eines historischen Gründungsaktes begreifen lassen, auf den das verfassungsstaatliche Selbstverständnis rekurriert.13 Charakteristisch ist die Verbindung von Dokument und Gründungsakt. Nicht entscheidend ist das Vorhandensein von grundlegenden Texten, sondern die Kombination aus Gründungsdokument und Gründungsernaue Grenzverlauf mangels Entscheidungspraxis unsicher und umstritten ist, vgl. Goldsworthy, Parliamentary Sovereignty, 2010, S. 280 ff. Im ausländischen Schrifttum stößt man immer noch auf das Bild einer schrankenlosen Souveränität z. B. bei Thaler, Grundlagen und Entwicklung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2020, S. 102. 11 Einen Überblick über gängige Demokratietheorien geben Lembcke / Ritzi / Schaal (Hrsg.), Zeitgenössische Demokratietheorie, Bd. 1, 2. Aufl. 2022 u. Bd. 2, 2016; eine gute Orientierung bietet auch Schmidt, Demokratietheorien, 6. Aufl. 2019; für einen lehrreichen Blick in die Wirklichkeit Lijphart, Patterns of Democracy, 2. Aufl. 2012. 12 Als problematisch kann sich der Gleichheitsgedanke erweisen, wenn vergangenes Unrecht ausgeblendet und nicht weiter mithilfe positiver Maßnahmen kompensiert wird, wie dies mit der Durchsetzung des Prinzips der „Colorblindness“ in den USA geschehen ist. Zum Grundsatz näher Stone / Seidman / Sunstein / Tushnet / Karlan, Constitutional Law, 8. Aufl. 2018, S. 530 ff., 569 ff. Zur Kritik an diesem Prinzip und der immer noch bestehenden „White Supremacy“ Harris, Harv. L. Rev. 106 (1993), S. 1707 ff.; Bell, Race, Racism, and American Law, 6. Aufl. 2008, S. 8 ff. 13 Zur Situation in Österreich Berka, Verfassungsrecht, 8. Aufl. 2021, S. 22 ff. Gelegentlich findet sich der Gedanke, dass der Urkundencharakter kein essentielles Merkmal darstellt, da das Verfassungsrecht sich stets in schriftlicher Form ausdrücke, mit anderen Worten kein kategorialer Unterschied zwischen einer Ordnung mit geschriebener und einer mit ungeschriebener Verfassung besteht. Die nachfolgenden Überlegungen unter B. I. sollten deutlich machen, dass dieser Gedanke nicht überzeugt, weil er die Besonderheiten einer geschriebenen Verfassung nicht zu erfassen und auszudrücken vermag.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

eignis. Eine solche Kombination findet sich in Deutschland und meines Erachtens auch in Österreich. Die Gründung der Fünften Französischen Republik und die Verabschiedung ihrer Verfassung dürften einen Grenzfall bilden.14 Großbritannien fällt hier aus dem Kreis der Familienmitglieder heraus. − Das vierte Merkmal ist ein unabhängiges Verfassungsgericht. Der Gerichtscharakter ist konstitutiv für das Verfassungsorgan und sein Handeln. Seine Richter:innen sind unabhängig, d. h. es wird gewährleistet, dass die politischen Kräfte keine willfährigen Personen berufen und auch die Entscheidungen in einem politisch-rechtlichen Klima ergehen, das konkrete personenbezogene Sanktionen als Reaktion ausschließt.15 Zusammenfassend lässt sich von einer Familie liberaler demokratischer Verfassungsstaaten mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit sprechen. Zu dieser Familie zählen beispielsweise Deutschland, Frankreich, Indien, Österreich, Südafrika und die USA. Diese Gruppenbildung zielt nicht darauf, „gute“ von „schlechten“ Verfassungsstaaten zu scheiden, sondern einen prägnanten, aussagekräftigen und erfahrungsbasierten verfassungsstaatlichen Typus zu umschreiben. Auf dieser Grundlage sollte es gelingen, die derzeitige konzeptuelle Leerstelle „des“ Verfassungsstaates zu besetzen. Wenn im Weiteren vom Typus des liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit oder von der Familie der entsprechenden Staaten gesprochen wird, ist abkürzend schlicht vom „demokr atischen Verfassungsstaat“ die Rede. Die Kapitälchen dienen dazu, die vier Familienmerkmale auszudrücken.

III. Konzeptionelles Vorverständnis Hier sind weder der Ort noch das Vermögen vorhanden, den Typus des demokratischen Verfassungsstaates anhand gehaltvoll-detaillierter Analysen der verfassungsstaatlichen Familie auszuarbeiten. Gerade deshalb bedarf es erläuternder Worte zum konzeptionellen Vorverständ14

Vgl. Ackerman, Revolutionary Constitutions, 2019, S. 169 ff. Redish, Judicial Independence and the American Constitution, 2017, S. 52 ff.; und sehr lehrreich Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 149 ff. Mit Blick auf die familiäre Zugehörigkeit Polens spricht manches dafür, dass das dortige Verfassungsgericht keine hinreichend unabhängige Institution mehr bildet, s. die Nachw. auf S. 20 f. in Fn. 6. 15

A. Verfassungsstaatlicher Typus als verständnisleitender Rahmen

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nis. Über die Eigenschaft hinaus, erfahrungsbasiert und seinem Anspruch nach erklärungsmächtig zu sein, wird der Typus des demokr atischen Verfassungsstaates als entwicklungsoffen verstanden. Entscheidend ist kein einzelnes historisches Moment, und deshalb wachsen und ändern sich auch die Themen, zu denen sich der Typus verhalten muss. Neben den klassischen Herausforderungen der Gewaltenteilung, der Gestaltung der Verfassungs- und Staatsorgane, den Grundrechten und den Regeln über die politische Teilhabe der Bürger:innen sind im 19. Jahrhundert die soziale Frage, im 20. Jahrhundert der Gedanke offener Staatlichkeit und im 21. Jahrhundert die ökologischen Grundlagen des Lebens hinzugekommen.16 Im Mittelpunkt des Konzepts steht eine Gesellschaft, die sich als Nation gleicher und freier Bürger:innen begreift und ihre Ordnung auf den Idealen individueller und kollektiver Selbstbestimmung aufbaut. Hiervon ausgehend dürfte jede Form gesellschaftlicher Macht, sei sie politischer, rechtlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Natur, als regulatorische Aufgabe des demokr atischen Verfassungsstaates anzusehen sein. Die Antworten, die auf die Grundfragen bezüglich Rechtsstaat, Demokratie, sozialer Frage, offener Staatlichkeit, Nation und Migration sowie ökologischer Existenz gegeben werden, können sehr unterschiedlich ausfallen. Demokratische Verfassungsstaaten – sei es der hier im Mittelpunkt stehende Typus oder ein anderer Typus eines liberalen demokratischen Verfassungsstaates – entstehen nicht am Reißbrett, sondern in einer konkreten historisch-politischen Situation. Gefangen in ihrer Zeit wirken vielfältige Faktoren und Zufälle auf sie ein.17 Als kollektive Lebensfor16

Näher S. 40 ff. Ein lehrreiches Beispiel bildet die Gründung des US-amerikanischen Verfassungsstaates, der die Entrechtung der People of Colour und das Institut der Sklaverei anerkannte. Ackerman, We the People, Bd. 1, 1991, S. 3 ff., hat die These entwickelt, dass sich an diesem Punkt der Vorrang der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes vor dem Konzept des demokratischen Verfassungsstaates zeige. Aufgrund dessen sei es denkbar, dass der Gedanke gleicher Freiheit aller Bürger:innen erneut aufgekündigt und durch ein Privileg für gläubige Christen ersetzt werde. Durch diese Möglichkeit unterscheidet sich, Ackermanns Auffassung zufolge, diese verfassungsstaatliche Ordnung von der des Grundgesetzes. Nach der hier entwickelten Ansicht handelt es sich um historisch Bedingtes, aber nicht um eine legitime Ausformung eines demokr atischen Verfassungssta ates. Denn dieser gründet auf dem Gedanken gleicher Würde. Der ursprüngliche USamerikanische Verfassungsstaat litt dagegen m. E. an einem inhärenten Widerspruch, der sich – wie auch das Feilschen der Eliten – historisch erklären, aber nicht konzeptionell rechtfertigen lässt. 17

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

men sind sie komplexe und voraussetzungsvolle Unterfangen. Anfänglich mehr Entwurf als Realität, können sich über die Zeit Praxen herausbilden, die Stabilität und Wandel, Konflikt und Kompromiss, Vielfalt und Gemeinsamkeit, Verständliches und Fremdes zu einer gesamtgesellschaftlichen Existenz verbinden. Der Anfang, das konstitutive Moment der Verfassungsgebung, vermag die weitere Geschichte nur in schwachem Sinne zu prägen – man denke nur an die Geschichte der Weimarer Republik. Die urkundlichen Festschreibungen der Verfassung stecken nicht mehr als einen diffus-spekulativen Plan ab. Sie sind Teil eines Aktes der Begründung, Formung und Begrenzung von Herrschaft. Die weiteren Verfestigungen, sich ausbildende Strukturen, Vorstellungen, Praktiken, Wandlungen sowie eruptive Veränderungen erwachsen pragmatischen Kompromissen, verdeckten und offenen Konflikten, öffentlichen Debatten, strategischem Verhalten und wechselnden Machtkonstellationen. Nach den bisherigen Erfahrungen handelt es sich bei den verschiedenen Spielarten eines liberalen demokratischen Verfassungsstaats jedoch um die einzige Kulturform, die es Abermillionen von Menschen bei allen individuellen Unterschieden und Unvereinbarkeiten hinweg erlaubt, einigermaßen friedlich zusammenzuleben. Im Unterschied zu anderen Nationalstaaten entsteht so ein Ort, an dem gesellschaftliche Stabilität und Dynamik zugleich möglich sind. Bislang scheinen sich Freiheit und Autonomie, Gleichheit und Gleichberechtigung, Wohlstand und Wohlfahrt, aber auch Gemeinschaft und Ordnung, nur in dieser Lebensform über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander zu verbinden. Die konzeptionellen Bemühungen stoßen auf beträchtliche Hindernisse, die sich aus der Komplexität, Unübersichtlichkeit und Heterogenität der einschlägigen Phänomene, der Zahl seiner Elemente sowie unserem beschränkten Wissen über das Funktionieren einer Gesellschaft ergeben. Nochmals erschwert wird die Arbeit dadurch, dass sich mit dem demokr atischen Verfassungsstaat über den erklärenden Anspruch hinaus auch eine Anleitung für eine gute Herrschafts- und Gesellschaftsordnung abzuzeichnen scheint. Es werden also auch präskriptive und legitimatorische Ansprüche erhoben. Drohen die konzeptionellen Bemühungen dann im Widerstreit von Weltanschauungsfragen zerrieben zu werden? Das Risiko dürfte überschaubar sein, da sich Fragen dieser Art nicht theoretisch, sondern nur mit dem praktischen Eintreten einer Antwort klären lassen. Groß ist hingegen die Gefahr, das Verhältnis zwischen inhaltlicher Offenheit und erforderlichen Festlegungen aufgrund tiefer

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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eigener Überzeugungen zulasten der Offenheit zu verschieben. Jedoch sind inhaltliche Festlegungen unvermeidlich. Es bedarf beispielsweise eines Verständnisses von Demokratie, welches erlaubt, einen Unterschied zwischen einem freiheitlich-demokratischen und einem autoritär-demokratischen Gemeinwesen zu machen, ohne dass das Konzept zu viele Spielarten demokratischer Ordnung ausschließt. Als Grundlage für ein solches Verständnis dürfte sich etwa die voraussetzungsarme Demokratiekonzeption von Adam Przeworski eignen.18 Doch gibt es auch Themen wie den Liberalismus, bei dem selbst ein minimalistisches Konzept, etwa der von Judith N. Shklar entwickelte Liberalismus der Furcht,19 zu deutlichen Ausgrenzungen führt. Hier können Analysen wie die von Russell Hardin und Helena Rosenblatt über die Geschichte des Liberalismus helfen, einen praktikablen Möglichkeitsraum abzustecken.20

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie Eingedenk der konzeptionellen Vorfestlegungen stehen die weiteren verfassungstheoretischen Erkundungen vor einer doppelten Aufgabe. Zunächst gilt es zu zeigen, wie sehr es sich für die Verfassungstheorie bezahlt macht, wenn sie Halt und Orientierung bei einem bestimmten verfassungsstaatlichen Typus sucht. Gelingt dies, wäre ein fruchtbarer Weg für künftige verfassungstheoretische Forschungen gewiesen. Doch das wichtigere Ziel besteht darin, die maßgeblichen Grundzüge einer Verfassungstheorie zu skizzieren, die für den hier interessierenden verfassungsstaatlichen Typus charakteristisch sind. In diesem Sinne versteht sich die Arbeit als Beitrag zur inhaltlichen Konturierung und Konzeptualisierung dieses Typus eines Verfassungsstaates.

18 Przeworski, Krisen der Demokratie, 2020, S. 14 ff. Hilfreich erscheint mir auch der funktionale Zugang, den Warren, Am. Pol. Sc. Rev. 111 (2017), S. 39 ff., entwickelt. 19 Shklar, Der Liberalismus der Furcht, 2013. 20 Hardin, Liberalism, Constitutionalism, and Democracy, 1999, S. 41 ff., 322 ff., sowie die lehrreiche Studie von Rosenblatt, The Lost History of Liberalism, 2018. Einen Eindruck von der Vielfalt und Widersprüchlichkeit vermitteln die Beiträge in Fischer / Hunholz (Hrsg.), Liberalismus, 2019, s. insb. den Überblick von dens., Liberalismus heute, in: ebd., S. 7 ff., sowie Reder / Fischer / Finkelde, ZPTh 11 (2020), S. 179 ff. Vgl. auch Möllers, Freiheitsgrade, 2020.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Im kartographischen Teil wurden die typenprägenden Grundfragen und die Grundmechanik eines demokratischen Verfassungsstaates vorgestellt. Nicht alle diese Aspekte sind für eine Verfassungstheorie, die sich als Grundbaustein des in Rede stehenden Verfassungstypus versteht, gleichermaßen von Bedeutung. Im Mittelpunkt steht hier – wie sollte es anders sein? – die Verfassung (unter I.). Welche Phänomene machen eine Verfassung aus, welche Eigenschaften besitzt sie, welches Konzept lässt sich daraus entwickeln und welche Wirkungen vermag die Verfassung in den verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen zu entfalten? Eine weitere wichtige Teilfrage gilt dem Verhältnis zwischen der Verfassung und der überbordenden und stetig weiter anwachsenden Masse an Verfassungsrecht. Das Verfassungsrecht wird maßgeblich interpretatorisch vom Verfassungsgericht gewonnen. Dieses Recht begrenzt die Spielräume des demokratischen Gesetzgebers. Damit gelangen zwei zentrale Institutionen und das Verhältnis zwischen Verfassung und Demokratie in den Blick (unter II.). Wie diese beiden Institutionen zueinander stehen (sollen), wird herkömmlich unter Stichworten wie „Paradoxie der Demokratie“ oder „Counter-majority-Problem“ diskutiert. Dauer und Intensität der Debatten machen deutlich, dass dabei ein wesentlicher Aspekt der Verfassungstheorie berührt wird. Ist für den hier interessierenden Typus die Einhegung des Politischen durch das Rechtliche konstitutiv, betrifft die entscheidende strukturelle Frage schließlich die Beziehung zwischen den gesellschaftlichen Funktionssystemen von Recht und Politik (unter III.). Neben der Eigenständigkeit des Verfassungsrechts ergibt sich vor allem das Problem, wie es der Politik gelingt, den Vorrang des Rechts als eine Form der Entpolitisierung umzusetzen. Auf der Ebene der Grundmechanik wird sich die Verfassungstheorie schließlich mit den Gedanken und dem Zusammenspiel zwischen verfassungsgebender und verfassungsgebundener Gewalt auseinandersetzen müssen (unter IV.). Denn nur wenige Themen in der Staatsrechtslehre erfreuen sich so widersprüchlicher Einschätzungen wie das der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes, deren Rolle vom legitimatorischen Fundament des demokratischen Verfassungsstaates über einen Grenzbegriff des Rechts bis zum irreführenden Mythos reichen soll.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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I. Konzept der Verfassung 1. Verfassung als Text, Recht und Praxis Wenigstens drei Wege lassen sich in der deutschen Staatsrechtslehre ausmachen, um sich dem Konzept der Verfassung zu nähern. Auf dem ersten Weg werden meist verschiedene Merkmale angeführt, die als charakteristisch für die Verfassung eines demokratischen Verfassungsstaates anzusehen sind. Die Bestimmung der Merkmale kann vergleichend-historisierend oder typologisch-differenzierend erfolgen. Vergleichend-historisierend setzte beispielsweise Karl Loewenstein an, wenn er, aufbauend auf einer Studie von Kenneth Wheare, fünf „Grundbestandteile“ vorstellte, die das „unreduzierbare Minimum einer echten Verfassung“ bilden.21 Auch Dieter Grimm legte immer wieder vergleichend-historisierende Studien über die Verfassung an.22 Der typologisch-differenzierende Zugriff benennt demgegenüber prägnante Unterscheidungen und lokalisiert das präferierte Verfassungsverständnis darin. In dieser Weise verfuhr beispielsweise Uwe Volkmann.23 Beim zweiten Weg werden die Aufgaben, die mit einer Verfassung bewältigt werden sollen, zum konzeptionellen Ausgangspunkt gemacht. Rudolf Smend ging diesen Weg voran. Konrad Hesse ist ihm gefolgt.24 Hesse identifizierte zwei maßgebliche Aufgaben jeder Verfassung, nämlich die Herstellung und Bewahrung der „politischen Einheit des Staates“ und den Entwurf einer „inhaltlich bestimmte[n] […] legitime[n] Ordnung“. Von diesen Aufgaben ausgehend verstand er die Verfassung als „rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens“, charakterisierte ihre Struktur und ging ihren Funktionen nach.25

21

Loewenstein, Verfassungslehre, 1959, S. 131, unter Verweis auf Wheare, Modern Constitutions, 1951, S. 32 ff. 22 S. die Nachw. auf S. 31 in Fn. 25. 23 Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, § 2. 24 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 3. Aufl. 1994, S. 119, 136 ff., 187 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 5 ff. 25 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 6, 14, 17.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Der dritte Weg ist ontologischer Natur. Er will seine Einsichten aus der Verfassung als einem spezifischen Gegenstand gewinnen. Carl Schmitt schlug diesen Weg mit seiner Unterscheidung zwischen Verfassung und Verfassungsgesetz ein. Er sah in der Verfassung eine „Gesamt-Entscheidung über die Art und Form der politischen Einheit“ durch die „verfassungsgebende Gewalt“ des Volkes. Die unmittelbare, der rechtlichen Ordnung vorgelagerte „politische Entscheidung“ eines substantiell26 verbundenen Volkes bildete demzufolge den Ursprung der politischen und rechtlichen Ordnung und zugleich deren Legitimationsquelle. Das Verfassungsgesetz als Norm setzte die Verfassung als Entscheidung voraus und war deshalb sekundär und kontingent – in ihr konnte sich die Verfassung ausdrücken; sie musste es aber nicht.27 Umsichtig beschritten schließen die drei Wege einander nicht aus. Merkmale wie Aufgaben verweisen auf die spezifischen Eigenschaften eines Gegenstandes. Andersherum besitzt dieser Merkmale und lässt sich nach seinen Aufgaben befragen. Allen drei Wegen eignet ein prägender Verständnishintergrund, bei dem es sich um einen Typus des demokratischen Verfassungsstaates oder eine seiner konkreten Erscheinungsformen handelt. Gemeinsam ist den Annäherungsweisen, dass sie über die Verfassungsurkunde hinausgehen. Das ist gut nachvollziehbar. Denn ein papierenes Dokument verspricht keinen ausreichenden Halt, um den vielfältigen Vorstellungen zu begegnen, die in rechtlicher, politischer, staatlicher, realgesellschaftlicher, kultureller und legitimatorischer Hinsicht an die Verfassung herangetragen werden.28 Doch um was für ein Fundament soll es sich handeln und welchen Ort erhält die Verfassungsurkunde darin? Denn diese ist ein unverzichtbarer Teil der Grundmechanik eines liberalen demokratischen Verfassungsstaates mit unabhängiger

26

„Substantiell“ oder „existenziell“ sind Attribute, die sich weder ontologisch noch erkenntnistheoretisch auf rationale Weise charakterisieren oder analysieren lassen. Sie dienen dazu, eine kollektive Entität zu kennzeichnen und gegenüber anderen Entitäten abzugrenzen. Darüber hinaus lassen sie sich nutzen, um den Mechanismus von Inklusion und Exklusion in Gang zu bringen und konkrete, missliebige Menschen aus einer Bürgerschaft auszugrenzen. S. auch Fn. 184 auf S. 130. 27 Schmitt, Verfassungslehre, 1928, § 3. 28 Es müsste sich dafür um ein „Zauberpergament“ handeln, das es eben nicht ist. Näher zu dieser Charakterisierung Preuß, Revolution, Fortschritt und Verfassung, 1990, S. 11.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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Verfassungsgerichtsbarkeit. Sie ist zentral als Instrument, Bezugspunkt und Symbol nicht nur für die Konstitution einer politischen Gemeinschaft, sondern auch für das alltägliche Selbstverständnis. Und dann ist da noch das Verfassungsrecht als ein kontinuierlich wachsender und sich wandelnder Korpus normativer Verfassungsvorgaben. Wie fügt sich dieser Korpus in das Verfassungsverständnis ein und in welcher Beziehung steht er zur Verfassungsurkunde? Das Grundproblem wurzelt meines Erachtens nicht in diesen Fragen, sondern in einem Verständnis, das die Verfassung als allein maßgeblichen Schlüssel begreift, um nicht nur den demokr atischen Verfassungsstaat in Gang zu bringen, sondern ihn auch auszuformen, anzuleiten und aufrechtzuerhalten.29 Vieles muss für den liberalen demokratischen Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit zusammenkommen, aber keines seiner Elemente, keine Entscheidung, kein Prozess, keine Institution und keine glückende Praxis lässt sich am Ende als allein maßgeblich auszeichnen. Vielmehr ist der demokr atische Verfassungsstaat ein Gesamtkunstwerk – eine Form mitmenschlichbürgerschaftlichen Zusammenlebens. Die Verfassung als ein Teil dieses Gesamtkunstwerkes braucht und kann nicht die Gesamtverantwortung für dessen Gelingen tragen. Schraubt man die Erwartungen zurück, wird es leichter, mit den verschiedenen Gegenständen umzugehen, die Verfassung sind. Denn es handelt sich nicht um einen, sondern um drei Gegenstände: Erstens ist die Verfassung eine institutionelle Praxis, also ein Geflecht aus Normen, Handlungen, Symbolen, Entwicklungen, Narrativen, Einsichten und Überzeugungen. Es ist diese institutionelle (Verfassungs-)Praxis, an die gewöhnlich verfassungstheoretische Beobachtungen und Erwartungen anknüpfen und auf der Aussagen über Merkmale und Aufgaben einer Verfassung gründen.30 Zweitens ist die Verfassung eine schriftliche Urkunde mit einem spezifischen Verfassungstext. Und drittens ist die Verfassung der Korpus anerkannter verfassungsrechtlicher Regeln als Teil der verfas-

29 Skeptisch zur Leistungsfähigkeit des Verfassungsbegriffs Volkmann, VVDStRL 67 (2008), S. 57, 58 f.; Jones, Constitutional Idolatry and Democracy, 2020 (für die Verfassungsurkunde). 30 Balkin, Constitutional Redemption, 2011, S. 114 f., unterscheidet insoweit zwischen Urkunde und Institution.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

sungsstaatlichen Rechtsordnung – mit anderen Worten das Verfassungsrecht.31 Diese Dreiteilung ermöglicht es, den Beziehungen zwischen der Verfassungspraxis, der Verfassungsurkunde und dem Verfassungsrecht sowie ihrer jeweiligen tatsächlichen Relevanz nachzugehen.32 Dabei handelt es sich nicht um eine ontologische Notwendigkeit, sondern um einen Vorschlag, was Verfassung ist, adäquater und erklärungsmächtiger als bisher zu konzeptualisieren. Mit dem spezifischen verfassungsstaatlichen Typus ist ein Rahmen vorhanden, um die drei Gebilde in ihrer Eigenständigkeit zu erkennen. Zugleich wird es möglich, nicht nur auf eine holistische Vorstellung von Verfassung zu verzichten, die Atlas gleich den demokr atischen Verfassungsstaat in Gänze schultern muss, sondern auch die Verfassung als Text nicht durch die Annahme einer Verfassung im materiellen Sinne zu relativieren.33

2. Verfassung im Sinne der Verfassungsurkunde und ihr Verhältnis zur Verfassung im Sinne des Verfassungsrechts Dass sich diese Sichtweise als fruchtbar erweist, soll zunächst am Verhältnis zwischen Verfassungsurkunde und Verfassungsrecht veranschaulicht werden. Die Verfassungsurkunde ist ein Text, der unter bestimmten historischen Umständen mit der Absicht verabschiedet wurde, einen liberalen demokratischen Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit zu errichten und zu verwirklichen. Es handelt sich um einen

31 Das Verfassungsrecht erwächst zwar aus einer gesellschaftlichen Praxis. Als dogmatisch durchdrungenes und geordnetes Regelwerk lässt es sich m. E. trotzdem klar von der Verfassung im praktisch-institutionellen Sinne unterscheiden. In eine ähnliche Richtung weisen die Überlegungen von Heller, Staatslehre, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 3, 2. Aufl. 1992, S. 92, 373 ff., 385 ff. 32 Zur Verfassungsurkunde als Gegenstand rechtsvergleichender empirischer Forschung Elkins / Ginsburg, Annu. Rev. Pol. Sci. 24 (2021), S. 321 ff. 33 Näher Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 58 ff.; gewöhnlich wird jedoch versucht, der Gefahr einer Relativierung der Verfassungsurkunde durch die Verbindung von Form und Inhalt zu begegnen, so bspw. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 78; Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 14 f.; s. f. Colón-Ríos, Constituent Power and the Law, 2020, S. 186 ff.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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Sprechakt.34 Er ist Teil einer Sprache und hat als solcher einen Inhalt. Wie sich der Zusammenhang zwischen Text und Inhalt gestaltet, hängt unter anderem von sprachtheoretischen Überzeugungen ab. Die schriftliche Zeichenfolge ist nicht der Text, sondern sein Medium. Der Text entsteht aus ihr und besitzt ihre Form. Der Text hat einen Inhalt, weil es sich um einen Text handelt. Der Text ist das, was man als sprach- und sachkundige Person versteht, wenn man die Zeichenfolge liest oder hört. Insoweit bräuchte nicht zwischen Text und Inhalt unterschieden zu werden. Dass diese Unterscheidung dennoch sinnvoll ist, liegt daran, dass die Sätze eines Textes verschieden gestaltet sein und trotzdem einen übereinstimmenden Inhalt haben können. Umgekehrt ist der Satz auch mehr als sein Inhalt. Er besitzt eine Syntax und weist eine bestimmte Zeichenfolge auf. Die Verfassungsurkunde ist ein autoritativer Text; er besitzt Gesetzescharakter. Er beansprucht – das ist Teil seines Inhalts – Vorrang vor allen Rechtsakten, die im demokr atischen Verfassungsstaat geschaffen werden, außerdem Maßstäblichkeit für sämtliche Geschehnisse in diesem Gemeinwesen.35 Der Inhalt des Textes sind die Normen der Verfassung. Weil man um den Normcharakter weiß, wird beispielsweise die Formulierung in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG – „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – nicht im Sinne eines Aussagesatzes missverstanden. Was Normen wie die Menschenwürdegarantie genau besagen, ist meist unsicher. Um ihren Inhalt zu verstehen, müssen sie interpretiert werden. Norm und Text gehören zusammen. Der Inhalt der Norm, verstanden als das Ergebnis eines interpretatorischen Verstehensvorgangs, ist davon zu unterscheiden. Die Interpretation nimmt auf die Norm und ihren Text Bezug. Doch legt sie Dinge frei, die den Vorgang schlicht sachkundigen Textverstehens überschreiten.36 Die Interpretation kann verlässlich und muss auch kein irrationaler Vorgang sein. In jedem Fall ergänzt sie Text und Norm, anderenfalls wäre sie nicht vonnöten. Verfassungsinterpretationen bauen häufig auf anderen Interpretationen auf. Die 34 Näher statt vieler Müller-Mall, Performative Rechtserzeugung, 2012. Zum Verhältnis zwischen Norm und Text Möllers, Die Möglichkeit der Normen, 2015, S. 278 ff. 35 Vgl. Corwin, Court over Constitution, 1938, S. 115 ff.; Grey, Stan. L. Rev. 37 (1984), S. 1, 13 ff.; Strauss, The Living Constitution, 2010, S. 101 ff.; Redish, Judicial Independence and the American Constitution, 2017, S. 26 ff., 199, der aber nicht hinreichend scharf zwischen Text und Verfassungsrecht unterscheidet. 36 Näher S. 60 ff.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Basis bildet eine Analyse des gegenwärtig in der Verfassungsrechtspraxis und der Staatsrechtslehre Anerkannten und Umstrittenen. Dies wird als verfassungsrechtliche Gegebenheit zugrunde gelegt. Mitunter lassen sich weitere Quellen, etwa die Materialien zur Entstehungsgeschichte, heranziehen. Aus ihnen können sich juristische Argumente für die Interpretation ergeben. Das Verfassungsrecht erwächst aus der interpretatorischen Tätigkeit in der Verfassungsrechtspraxis, insbesondere derjenigen des Verfassungsgerichts. Das Gericht geht aber über die Interpretation hinaus, wenn Vorgaben wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entwickelt werden, die nicht unmittelbar interpretatorisch an Normen der Verfassung angebunden sind.37 Das Verfassungsrecht lässt sich demnach als Summe aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Verfassungsrechtspraxis anerkannten und praktizierten Regeln beschreiben,38 die das verfassungsrechtlich Gesollte beinhalten. Die Verfassungsnormen39 bilden einen klar abgrenzbaren Teil des Verfassungsrechts. Sie sind Ausgangs- und Endpunkt aller interpretatorischen Bemühungen; so bedarf auch das im Wege der Fortbildung geschaffene Verfassungsrecht einer hermeneutischen Versicherung und Rückanbindung an die Normen der Verfassung.40 Das Verfassungs37 Näher zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz statt aller Poscher, Das Grundgesetz als Verfassung des verhältnismäßigen Ausgleichs, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 3. Vielfältigste Phänomene zählen zum Verfassungsrecht: Grundsätze, Prinzipien, Regeln, Postulate, Topoi, Hintergrundvorstellungen, Leitbilder und Verständnisfolien. In der US-amerikanischen Diskussion wird zwischen Verfassungsrecht und Verfassungsnormen i. S. sozialer Normen unterschieden, wobei darunter wiederum sehr unterschiedliche Phänomenen diskutiert werden, vgl. Tribe, The Invisible Constitution, 2008, Teil 2 und 3. Daneben findet sich dort die Unterscheidung zwischen Wille (= geschriebene Verfassung) und Vernunft [reason] (= ungeschriebene Verfassung), näher Kahn, The Cultural Study of Law, 1999, S. 8 ff.; McLean, The unwritten constitution, in: Jacobsohn / Schor (Hrsg.), Comparative Constitutional Theory, 2018, S. 395 ff. 38 Der Ausdruck „Regel“ wird in einem weiten, alle soeben in Fn. 37 aufgeführten Phänomene erfassenden Sinne verstanden. 39 Mit dem Ausdruck „Verfassungsnorm“ sind die mit und in dem Text der Verfassungsurkunde ausgedrückten Sollenssätze gemeint. 40 Wenn  – wie hier  – zwischen Verfassungstext, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis unterschieden wird, dann werden alle drei Gegenstände mit den unter den Ausdrücken „Normativität“ bzw. „Verbindichkeit“ zusammengefassten Phänomenen in Verbindung stehen. Aus meiner Sicht sind Unterscheidungen, die „Normativität“ auf bestimmte Gegenstände beschränken wollen und andere, etwa alle Interpretationen, davon freizeichnen, zu grob, um konkrete Analysen anzu-

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recht ist zugleich jedoch viel mehr als die Verfassungsnormen – schon allein mengenmäßig, aber das ist trivial. Vor allem ist das Verfassungsrecht der Stoff, der maßgeblich zum Funktionieren des demokr atischen Verfassungsstaates beiträgt – indem es ein organisatorisch-prozedurales Gehäuse für das Politische bildet, die Verfassungsorgane gestaltet, das Zusammenspiel der zentralen politischen Akteure lenkt und inhaltliche Möglichkeitsräume absteckt. Das Verfassungsrecht ist mehr als ein Regelwerk. Es ist Ausdruck einer institutionellen Verfassungspraxis, die dieses Regelwerk hervorbringt, mit ihm umgeht und es verändert.

3. Bedeutung der Verfassung im Sinne der Verfassungsurkunde Die Dreigestaltigkeit der Verfassung erlaubt es, sowohl den verschiedenen Beziehungen als auch der spezifischen Bedeutung der drei Verfassungsgegenstände für den demokratischen Verfassungsstaat nachzugehen. Diese Bedeutungsdimensionen sollen nun am Beispiel der Verfassungsurkunde erläutert werden. Dabei bietet es sich an, von Recht, Politik und Kultur als drei zentralen gesellschaftlichen Funktionssystemen auszugehen.41

a) Die rechtliche Dimension In der rechtlichen Dimension besteht die zentrale Leistung der Verfassungsurkunde darin, hochpolitische Geschehnisse in schlichte Rechtsakte zu transformieren. Das Mittel dazu ist die Verfassung verstanden als Gesetz.42 Als Gesetz muss der Text der Verfassung wie jeder andere leiten. So besitzt zwar die Interpretation einer Verfassungsnorm für sich genommen keinen normativen Gehalt; das ändert sich aber, wenn die Interpretation als Verfassungsrecht in die Verfassungspraxis eintritt (diese Differenzierung findet sich noch nicht in Bumke, Rechtsdogmatik, 2017, S. 130 f.). Davon wiederum sind konkrete Rechtsfolgen, die an einen Rechtsakt wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geknüpft sind, zu unterscheiden, für die sich der Ausdruck „Verbindlichkeit“ vorbehalten lässt. 41 Aufbauend auf Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993. 42 Zur ideengeschichtlichen Entwicklung Grimm, Verfassung II, in: Brunner / Conze / Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, 1990, S. 863, 883 f., 886 ff. Grdl. Ausarbeitung des Gedankens findet sich bei Story, Commen-

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Gesetzestext ausgelegt und angewandt werden. Der Umgang mit der Verfassung wird so zur gewöhnlichen Rechtsarbeit, die von Gerichten und anderen juristisch geschulten Akteur:innen erledigt werden kann. Nur deshalb kann das Verfassungsrecht trotz seines brisanten Inhalts und seiner außerordentlichen Ansprüche gegenüber der Sphäre des Politischen zu einem selbstverständlichen Bestandteil einer Rechtsordnung werden. Die Bedeutung dieses Kunststücks für die Ordnung und den Erhalt des Verfassungsstaates lässt sich nicht überschätzen. Für sein Gelingen muss Verschiedenes zusammenkommen: Es muss sich eine Überzeugung in Praxis und Wissenschaft herausbilden, wonach das interpretatorische Verstehen auch im Fall der Offenheit und Unbestimmtheit des Verfassungstextes als ein rechtliches Geschehen zu begreifen ist, sich also von politisch bestimmten Geschehnissen unterscheiden lässt.43 Zugleich muss die Erzeugung von Verfassungsrecht als ein Vorgang angesehen werden, der sich nicht von anderen Fällen gerichtlicher Rechtserzeugung unterscheidet. Dies wiederum ist nur möglich, wenn das Verfassungsgericht mit seinen Richter:innen als eine klar von der Politik geschiedene Institution angesehen wird. Das Gericht muss sich zudem selbst auf diese Weise begreifen und entsprechend agieren. Das schließt geteilte basale Überzeugungen über die Methoden der Verfassungsinterpretation zumindest in der Verfassungsrechtspraxis ein. Das Verfassungsgericht muss sich also im politischen Raum in einer Weise bewegen, die eine klare Differenz zu den politischen Institutionen zeigt.44

taries on the Constitution of the United States, Bd. 1, 5. Aufl. 1891, S. 244 f., 251 ff.; s. f. Barak, Purposive Interpretation in Law, 2005, S. 370. 43 Dafür muss sich eine gelingende gesellschaftliche, insbesondere verfassungsorganschaftlich fundierte Praxis herausbilden. Ein Ausschnitt dieser Thematik wird unter dem Stichwort „invisible constitution“ und „constitutional norms“ diskutiert, grdl. Tribe, The Invisible Constitution, 2008; Dixon / Stone (Hrsg.), The Invisible Constitution in Comparative Perspective, 2018; Postema, Ratio Juris 35 (2022), S. 99 ff. Zu den daraus erwachsenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Verfassungsrecht und konstitutionellen Konventionen Ahmend, Mich. L. Rev. 120 (2022), S. 1361, 1398 ff. Unter dem Stichwort geht Goldsworthy, The Implicit and the Implied in a Written Constitution, in: Dixon / Stone (Hrsg.), The Invisible Constitution in Comparative Perspective, 2018, S. 109 ff., dem impliziten Verfassungsrecht nach. Aus der deutschsprachigen Diskussion s. nur Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, 2000. 44 S. die Nachw. auf S. 99 in Fn. 94.

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Das Verfassungsgesetz als festgeschriebener Text ist darüber hinaus zeitlos. Es gibt nur den Text und seine Interpretation auf der Basis juristischer Methoden und Argumentation. Der Text tritt an die Stelle der politischen Verhandlungen und Kompromisse. Der Text kennt keinen „dilatorischen Formelkompromiss“ als politische Strategie.45 Denn der Text transformiert. Aus dem Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse wird ein für alle gleichermaßen verbindliches Gesetz. Wird der Text als verbindliches Gesetz angesehen, dann ist er in jedem seiner Worte gleichermaßen bindend und anwendbar. Der Text weist nur noch unterschiedliche Grade interpretatorischer Offenheit und Unbestimmtheit auf. Streiten lässt sich über die Justiziabilität einzelner Verfassungsnormen.46 Doch weder Offenheit noch Unbestimmtheit weisen die Antwort. Denn beides sind dem Recht ebenso wohlvertraute wie selbstverständliche Phänomene, die seinem Regelungsanspruch noch nie ernsthaft entgegenstanden. Mit dem Text sind auch die Verfassungsnormen zeitlos gestellt. Deren Ausrichtung auf ihren Entstehungszeitpunkt oder die Gegenwart ist ein bedeutsamer interpretatorischer Schritt bei der Transformation der Normen in das bestehende Verfassungsrechtsverständnis. Eine Rechtspraxis kann auf dem Text aufbauen und eine Verfassungsrechtsordnung errichten. Diese Ordnung wird, wie die sie erschaffende Praxis, zum Objekt der Rechtswissenschaft, die das Geschehen aufarbeitet, ordnet, reflektiert und beurteilt. Werden Vorrang und Vorbehalt der Verfassung von der Praxis aufgegriffen, so führt dies zur Schließung der rechtlichen Ordnung. Die Frage des Verfassungsmäßigen richtet sich dann allein nach Rechtsnormen, die von Institutionen aufgestellt werden, die ihrerseits wieder durch Rechtsnormen geschaffen worden sind.47 Die 45 Grdl. zu dieser – aus meiner Sicht zweifelhaften – Figur des Verfassungsrechts Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 31 f.; zur gegenwärtigen Diskussion in der Staatsrechtslehre Koutnatzis, Kompromisshafte Verfassungsnormen, 2010, S. 178 ff., 228 ff., der stattdessen von „politischen“ Kompromissen sprechen möchte und als Beispiel u. a. den Asylkompromiss (Art. 16a GG) analysiert (ebd., S. 452 ff.). Zu dem hiermit eng verknüpften Gedanken des Konsenses und seiner Bedeutung mit Blick auf die Verfassung Vorländer, Verfassung und Konsens, 1981, S. 275 ff., 351 ff. 46 Bspw. wurde darüber intensiver mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG diskutiert, vgl. Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 28. 47 Gleichsinnig, aber auf sehr verschiedenen Grundlagen aufbauend Kelsen, VVDStRL 5 (1929), S. 30, 31 ff., 51 ff.; ders., Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 228 ff., 275 ff.; Hofmann, Legitimität und Rechtsgeltung, 1977, S. 53 ff.; Luh-

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Eigenschaft, ein Rechtstext zu sein, bildet folglich die Voraussetzung dafür, dass sich das Verfassungsrecht als eigenständiger Raum im Verhältnis zur Sphäre politischer Gestaltung etablieren kann.

b) Die politische Dimension Bei der zweiten Dimension handelt es sich um die Sphäre des Politischen. In dieser Dimension zeigt sich die Verfassungsurkunde als ein Element, auf das der demokr atische Verfassungsstaat bei seiner Entstehung und Entwicklung notwendig angewiesen ist. Beurkundet werden durch die Verfassung nicht nur die Begründung und Ordnung politischer Herrschaft, sondern auch eine politische Gemeinschaft von Bürger:innen sowie deren elementare Rechte und Pflichten. Zugleich beinhaltet das Verfassungsdokument einen im Einzelnen offenen Entwurf für die künftige politische Ordnung. Dieser Entwurf umfasst unter anderem die Errichtung der zentralen staatlichen Organe, die Gliederung der staatlichen Gewalten, die Festlegung von Kompetenzen und Befugnissen und die Grundzüge einer demokratischen Ordnung, insbesondere die Mitwirkung der Bürger:innen mittels Abstimmungen und Wahlen sowie eine Antwort auf die Frage, wer die bereits vorhandene Bürokratie künftig führen soll.48

c) (Un-)Unterscheidbarkeit von Recht und Politik Doch handelt es sich bei der Differenz zwischen Recht und Politik nicht um eine Illusion, ein Spiel mit Worten, das einem realistischen Blick nicht standzuhalten vermag?49 Lässt sich ernsthaft in Abrede stel-

mann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 38 ff., 470 ff.; Jansen, Recht und gesellschaftliche Differenzierung, 2019, S. 264 ff. 48 Diese Überlegungen lassen sich auf die verschiedenen Verfassungsfunktionen zurückführen, s. die Nachw. auf S. 86 in Fn. 61. 49 Skeptisch Mendes, Constitutional Courts and Deliberative Democracy, 2013, Kap. 8; Segall, Supreme Myths, 2012; van Ooyen, Das Politische der Verfassungsgerichtsbarkeit im Vergleich, 3. Aufl. 2020, S. 41 ff.; Rosenfeld, Judicial Politics versus Ordinary Politics, in: Landfried (Hrsg.), Judicial Power, 2019, S. 36 ff.; einen Gegenakzent setzt Grimm, Verfassungsgerichtsbarkeit, 2021, S. 89 ff., 378 f. (der eine grundlegende Differenz der amerikanischen und der europäischen Verfassungsgerichtsbarkeit darin sieht, „dass erstere die relative Autonomie der

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len, dass, wenn schon keine parteipolitischen, so doch immerhin allgemeinpolitische Überzeugungen der Richter:innen im Spiel sind, wenn etwa die Beziehungen Deutschlands zur Europäischen Union verfassungsrechtlich abgesteckt werden oder man Aufgabe, Bedeutung und Grenzen der Meinungsfreiheit ausbuchstabiert? Zu dieser Vorstellung passen politikwissenschaftliche Ansätze, welche die Verfassungsgerichte als einen politischen Akteur unter vielen analysieren und daraus Einsichten für das politische Geschehen gewinnen.50 Ist aber das Bild der Ununterscheidbarkeit nicht ebenso einseitig? Immerhin zeigen die systemtheoretischen Arbeiten Niklas Luhmanns, dass sich in einer Gesellschaft wie der unsrigen Recht und Politik als eigenständig-unabhängige (autopoietische)  gesellschaftliche Funktionssysteme etablieren, die in ihrer Codierung, Programmierung und ihren Funktionen eindeutig unterschieden werden können.51 Freilich, auf der Handlungsebene begegnen wir den einzelnen Richter:innnen mit ihrer individuellen Lebensgeschichte, ihren Erfahrungen und Überzeugungen, ihren menschlichen Beziehungen und ihrer Einbindung in gesellschaftliche Zusammenhänge und Gruppen. Hier kann die gesuchte Differenz nicht in einem unterschiedlichen Ausmaß von Bindung und Eigenanteilen der Akteur:innen bestehen. Offenheit und Unbestimmtheit des Verfassungstextes schließen eine solche Unterscheidung aus.52 Ferner vermögen systemische Funktionsgrenzen keine Muster und Praktiken des menschlichen Denkens festzulegen. Nicht nur deshalb spiegelt sich die Differenz auch nicht in unterschiedlichen psychischen Zuständen der Richter:innen wider. Vielmehr erscheint die Unterscheidung zwischen Recht und Politik als Ausdruck einer gelingenden gesell-

Rechtsanwendung bestreitet, während die letztere sie annimmt“; dies betont auch Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018, S. 65 f.). Die Unterscheidung setzt nicht voraus, dass rechtserzeugende Momente der Rechtsprechung innewohnen und auch politische Überzeugungen (neben vielen anderen, auch sozialen Prägungen) Bedeutung für das verfassungsgerichtliche Entscheiden haben. Näher Lepsius, APuZ 71 (2021), S. 13 ff.; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 93 Rn. 43 ff. S. f. die Nachw. auf S. 96 f. in Fn. 89. 50 Dazu die Nachw. auf S. 119 f. in Fn. 143. 51 Näher Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993. 52 Statt von Politik wird auch von Moral gesprochen. Der unterschiedlichen Einordung wird hier keine Bedeutung beigemessen. Praktisch führt sie freilich in sehr unterschiedliche disziplinäre Forschungsfelder und Debatten.

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schaftlichen Praxis, die charakteristische Elemente und Eigenschaften besitzt, um gerade diese Differenz hervorzubringen. Es handelt sich um eine komplexe und fragile soziale Tatsache, die jedoch nicht immer und überall, etwa in jeder Äußerung einer Richter:in im Beratungszimmer, greifbar sein muss.53 In dieser oft fehlenden Greifbarkeit dürfte der maßgebliche Grund dafür liegen, warum die Differenz manchen als illusionär erscheinen mag. Vieles muss zusammenkommen, damit die Praxis dennoch gelingt und sich aufrechterhalten lässt. Institutionelle Faktoren wie der Gerichtscharakter einschließlich des Prozessrechts zählen dazu, ebenso individuelle Faktoren wie die Bereitschaft und das Selbstverständnis jeder einzelnen Richter:in, sich als Richter:in zu begreifen, die der Verfassung verpflichtet ist. Hinzu kommen andere, komplexe soziale Tatsachen, wie etwa die Vorstellung, dass das interpretatorische Verstehen des grundgesetzlich Gebotenen mehr ist als Ausdruck einer individuellen, politisch motivierten Entscheidung. Dabei wird die Differenz zwischen Recht und Politik nicht dadurch in Frage gestellt, dass einzelne Richter:innen politisch, moralisch oder religiös motiviert sind oder ein Verfassungsgericht aufgrund politischer Rücksichtnahme agiert. Letzteres ist schon deshalb nicht stets auszuschließen, weil die Autorität des Gerichts zu einem Gutteil auf der öffentlichen Meinung gründet und die Institution selbst Teil der politischen Ordnung ist. Wichtig für das Funktionieren der sozialen Praxis und die Aufrechterhaltung der Differenz dürfte aber sein, dass all diese Momente die Eigenrationalität des Verfassungsrechts nicht grundsätzlich in Frage stellen.

d) Die kulturelle Dimension Auf der kulturellen Ebene steht die Verfassungsurkunde sowohl für Abkehr und Überwindung einer früheren wie auch für Begründung und Anfang einer neuen Ordnung. Als Urkunde eines spezifischen historischen Ereignisses, Symbol für diesen Moment wie für eine verheißene Zukunft, fungiert die Verfassung als Projektionsfläche von Narrativen, Diskursen und Gefühlen.54 Die Verfassungsurkunde kann zu einem Teil 53

S. die Nachw. auf S. 96 f. in Fn. 89. Dazu die Nachw. auf S. 31 in Fn. 24. S. f. Balkin, Constitutional Redemption, 2011. 54

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real-imaginierter gemeinsamer Geschichte, geteilter Erfahrungen und Überzeugungen, mit anderen Worten zu einem Teil der Verfassung im praktisch-institutionellen Sinne werden. Die integrative Funktion der Verfassung als institutionelle Praxis wurzelt in einem Gemenge aus Handlungen und Geschehnissen, Überzeugungen und bloßem Hinnehmen, öffentlicher Meinung und sozialen Medien. Es bilden sich Strukturen heraus, sie werden zum Gegenstand von Erzählungen, Überzeugungen sowie zum Bestandteil eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Es sind Erzählungen über das Gemeinsame, die verfassungsstaatliche Ordnung, die staatlichen Einrichtungen, über Geschichte und Ereignisse, das Leben, die Eigenheiten und Unterschiede der Bürger:innen. Dieses Verbindende vermag die Verfassungsurkunde jenseits aller weltanschaulich-politischen, sozial-ökonomischen und sonstigen Konflikte zu symbolisieren. Wie lässt sich Gemeinsamkeit in einer heterogen-fragmentierten Gesellschaft mit ihren vielen Nischen und medialen Blasen herstellen, wie erhalten? Substantielle Eigenschaften, seien sie natürlicher oder kultureller Art, existieren nicht.55 Trotzdem werden sie in Form ethnischer oder kultureller Identitäten immer wieder beschworen. Kollektive Entitäten werden erdacht, die unabhängig von einzelnen Mitgliedern über die Zeit hinweg existieren.56 Das monströse Potential dieses Gedankens ist bekannt. Dem Nationalismus in diesem Sinne ist ein destruktiv-diskriminierendes Moment eingeschrieben.57 Er kann jedoch eine humane Gestalt annehmen, in dem er sich mit den Vorstellungen kollektiver und indivi55

S. dazu bereits die Bemerkung auf S. 74 in Fn. 26. Näher Peters, Die Integration moderner Gesellschaften, 1993; Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, Kap. 1 und 2; McCrone / Bechhofer, Understanding National Identity, 2015. 57 Aus der Überfülle der Litr. zur Bildung von Nationen und der Bedeutung und den Folgen des Nationalismus Anderson, Imagined Communities, 2. Aufl. 1991; Gellner, Nations and Nationalism, 1983; ders., Nationalism, 1997. Einen hilfreichen Überblick bietet Özkırımlı, Theories of Nationalism, 3. Aufl. 2017. Ein konziser Abriss der Entwicklungsgeschichte und der Bedeutung für die Gegenwart findet sich bei Greenfeld, Nationalism, 2019, die idealtypisch zwei Grundformen des Nationalismus und Nationengedankens gegenüberstellt, nämlich ein bürgerschaftlich-individuelles Verständnis, bei dem Nation und Demokratie miteinander verknüpft sind, und ein ethnisch-kollektives Verständnis, bei dem diese Verbindung nicht besteht und das offen ist für autoritäre Herrschaftsformen (näher ausbuchstabiert bei dies., Nationalism, 1992, S. 9 ff.). Aus der jüngeren Diskussion Luccarelli / Forlenza / Colatrella, Bringing the Nation Back In, 2020; am Bspl. der deutschen Geschichte Walser Smith, Germany, 2020 (mit der fruchtbaren Unterscheidung zwischen Nation und (destruktivem) Nationalismus). 56

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dueller Selbstbestimmung, friedlichen Zusammenlebens und politischer Gemeinschaft verbindet – eben mit der Idee des demokr atischen Verfassungsstaates.58 Auch diese Lebensform ist auf einen funktionierenden Zusammenhalt angewiesen.59 Doch genügen dafür ein diffuses Zugehörigkeitsgeflecht und die Bereitschaft im Umgang mit anderen, diese trotz ihrer Andersartigkeit als Mitbürger:innen anzuerkennen. Für diese Art von emotional-kognitiver Haltung kann die Verfassungsurkunde als gemeinschaftsstiftendes Symbol fungieren. In unserer pluralen Wirklichkeit kann sich die Verfassung in Verbindung mit dem Nationalgedanken aber eben auch als zweischneidig erweisen. Als nationales Gut kann sie genutzt werden, um Grenzen für Fremdes oder Assimilation einzufordern. Leider besitzen wir nur ein bescheidenes Wissen über die maßgeblichen Einflussfaktoren und die komplizierte Mechanik bürgerschaftlicher Verbundenheit, die als politische Einheit adressiert wird.60

4. Verfassungsfunktionen Ein Weg, sich der Verfassung, ihrer Aufgaben und ihrer Leistungen weiter zu versichern, besteht darin, ihre Funktionen zu studieren. Die in der Literatur aufgestellten Funktionskataloge unterscheiden sich in der Zahl ihrer Elemente und der Art ihrer Einteilungen.61 Doch in der Sache 58 In diesem Sinne bspw. Tamir, Why Nationalism, 2019. Die Möglichkeit eines solchen Nationengedankens verwerfend bspw. Sharma, Home Rule, 2020; Mandelbaum, The Nation / State Fantasy, 2020. 59 Hermann Heller hat dafür den Ausdruck „soziale Homogenität“ geprägt. M. E. handelt es sich um einen Merkposten für ein Gewebe schwieriger gesellschaftspraktischer, -empirischer und -theoretischer Fragen. Für einen „Abschied vom Begriff der Homogenität“ plädiert Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 297; abl. auch Möllers, Demokratie, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 5 Rn. 104, der den angesprochenen Fragen aber nachgeht (Rn. 95 ff.). 60 Gleichsinnig Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 75 ff., 78 ff. 61 S. nur Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 82 ff.; Eichenberger, ZSR 110 n. F. (1991), S. 143, 172 ff.; Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35 ff.; Uhl, Die Stabilisierungsfunktion der Verfassung im politischen Prozess, 2011; Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, § 3; Lang, Funktionen der Verfassung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 266.

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besteht kein nennenswerter Streit. Ein repräsentativer Vorschlag stammt von Andreas Voßkuhle. Er unterscheidet sechs Funktionen, nämlich 1.) die Bildung und Erhaltung staatlicher Einheit, 2.) die Ordnungs- und Organisationsfunktion, 3.) die Stabilisierungsfunktion, 4.) die Leitbildfunktion, 5.) die Kontroll- und Rationalisierungsfunktion und 6.) die Schutzfunktion.62 Über Verfassungsfunktionen wird aus unterschiedlichen Gründen, in unterschiedlichen Zusammenhängen und mit unterschiedlichen Zielen nachgedacht. Wissen und Einschätzungen um die Funktionen erlauben es z. B., über die Bedeutung des Verfassungsrechts für die politische Praxis nachzudenken oder konkrete interpretatorische Bemühungen anzureichern, um das von der Verfassung Gebotene an ihnen auszurichten. Die Funktionen sollen sich im Selbstverständnis der Verfassungsorgane widerspiegeln. Sie sollen auf Missstände aufmerksam machen. Sie sollen der Praxis des Verfassungsgerichts zugrundeliegen und seine Beziehungen zum demokratischen Gesetzgeber anleiten. Die Funktionen sind mit dem Dasein des demokr atischen Verfassungsstaates verbunden; sie gewinnen in ihm Gestalt und Gehalt. Sich an ihnen auszurichten und sie zu verwirklichen, trägt zum Bestand des demokr atischen Verfassungsstaates bei. Verfassungsfunktionen bezeichnen Aufgaben und erhoffte Leistungen. Sie sind Erwartung und Erinnerung, Aufruf und Verwirklichung.63 Die Dreiteilung der Verfassung in die Verfassungsurkunde, das Verfassungsrecht und die Verfassungspraxis sowie ihre Kopplung mit einem verfassungsstaatlichen Typus eröffnen meines Erachtens einen analytischen Rahmen, um sehr viel präziser und fokussierter als bislang die verschiedenen Verfassungsfunktionen zu untersuchen. Nochmals vergrößern lässt sich dieses analytische Potential, sofern die thematische Ausrichtung der drei kartographischen Abteilungen, also die Einsicht in die Dinge, die Grundfragen und die Verständnisfolien, einbezogen wird. Der Funktionskatalog wird auf diesem Weg nicht neu geschrieben werden, aber die einzelnen Funktionen lassen sich weiter erhellen. Denn bei einer funktionalen Betrachtung zählen die Gegenstände mit ihren Eigenschaften zu den maßgeblichen Variablen: Die Verfassungsurkunde erfüllt beispielsweise die Leitbildfunktion oder die Ordnungs- und Organisationsfunk62

Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35, S. 46 ff. Vgl. Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 39 f. 63

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tion in einer anderen Weise als das Verfassungsrecht, dieses wiederum wirkt anders als die Verfassungspraxis. Vor allem erklärt die verfassungsstaatliche Einbindung aber, warum die Funktionsthematik immer wieder über die Verfassung in ihrer Dreigestalt hinausweist. Denn einzelne Funktionen, etwa die Formierung und Erhaltung staatlicher Einheit, die Stabilisierungsfunktion oder einzelne Momente einer Funktion, etwa im Bereich der Ordnungsbildung, sind am Ende Ausdruck einer glückenden gesamtgesellschaftlichen Praxis und Lebensweise einschließlich der dazugehörigen verfassungsstaatlichen Einrichtungen.64

II. Verfassungsgerichtsbarkeit und demokratische Ordnung Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit stehen – so wird es immer wieder betont  – in einem Spannungsverhältnis zum Gedanken demokratischer Selbstbestimmung. Wie stellen sich diese Beziehungen im demokr atischen Verfassungsstaat dar und wie sind sie verfassungstheoretisch einzuordnen? Die Verfassungsurkunde und der Prozess der Verfassungsgebung sind zeitgebunden. Sie sind Ausdruck und Ergebnis historischer Gegebenheiten. Manch klare Intention oder guter Wunsch mögen mit der Urkunde verbunden gewesen sein, manch kluge Erfahrung, aber auch manch falsche Einschätzung. Die Verfassungsurkunde ist ein planerischer Aufriss für eine unbekannte Zukunft, die über das Gelingen des mit ihr konstituierten demokr atischen Verfassungsstaates entscheidet. Die Verfassung bindet politische Mehrheiten, die nach demokratischen Grundsätzen zustande gekommen sind. Nicht zuletzt darin besteht ihr Sinn. Wie aber lässt es sich rechtfertigen, dass nicht jede spätere Generation erneut berechtigt ist, über die Verfassung zu beschließen? Weshalb vermögen die Toten dauerhaft über die Lebenden zu herrschen?65

64 Zu den Schwierigkeiten und der Komplexität dieser Vorgänge Preuß, Revolution, Fortschritt und Verfassung, 1990, S. 73 ff. 65 Näher Loughlin / Walker, Introduction, in: dies. (Hrsg.), The Paradox of Constitutionalism, 2007, S. 1 ff.; Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 28 ff.

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1. Legitimation und Grundverständnis der verfassungsstaatlichen Demokratie Der demokr atische Verfassungsstaat fußt auf den Gedanken individueller und kollektiver Selbstbestimmung.66 Andere Spielarten des Konstitutionalismus mögen allein auf einem der beiden Gedanken aufbauen. So wird der politische Konstitutionalismus sein Fundament im Wesentlichen in der kollektiven Selbstbestimmung suchen, während der liberale Konstitutionalismus seine Wurzeln vor allem in der individuellen Selbstbestimmung findet.67 Für den hier in Rede stehenden Verfassungsstaat ist die Annahme konstitutiv, dass es sich bei individueller und kollektiver Selbstbestimmung um zwei eigenständige und gleichursprüngliche Legitimationsquellen hoheitlicher Herrschaft und gesellschaftlicher Macht handelt. Beide rekurrieren auf gelingende gesellschaftliche Praxen. Keine vermag vollständig in einem inhaltlichen Prinzip, wie z. B. dem kategorischen Imperativ oder in einem überpositiven Regelwerk, aufzugehen. Als weitere Garanten dieser Ordnung treten die Gebote der Rationalität und der Erwartungsgewährleistung hinzu; dabei geht es um eine verlässliche Koordination und Kooperation hoheitlicher und gesellschaftlicher Akteur:innen sowie Fragen der Zuordnung von Gütern über die Zeit.68

66 So Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 151 ff.; Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 29 ff. Im Gegensatz hierzu führt Christiano, The Constitution of Equality, 2008, beide Stränge auf den Gedanken der öffentlichen Gleichheit zurück. Sehr unterschiedliche Einschätzungen bestehen über das Verhältnis dieser beiden Seiten zueinander, die auch und vor allem unter den Stichworten „Konstitutionalismus / Demokratie“ bzw. „Constitutionalism / Democracy“ diskutiert werden (s. die Nachw. auf S. 40 in Fn. 51 und sogleich Fn. 67). S. dazu auch die aus meiner Sicht hilfreichen konzeptionellen Überlegungen von Walker, NJLP 39 (2010), S. 206, 213 ff., und die Analyse von Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009, Kap. III; lehrreich f. Holmes, Verfassungsförmige Vorentscheidungen und das Paradox der Demokratie, in: Preuß (Hrsg.), Revolution, Fortschritt und Verfassung, 1994, S. 133 ff. 67 Für den Vorrang der kollektiven Selbstbestimmung bspw. Lafont, Democracy without Shortcuts, 2020, S. 17 ff., und für den Vorrang der individuellen Selbstbestimmung bspw. Weinrib, Dimensions of Dignity, 2016, S. 141 ff. Informative Überblicke über die verschiedenen Positionen zum Verhältnis von Demokratie und Konstitutionalismus bieten Bellamy, Political Constitutionalism, 2007, S. 90 ff., und zur deutschsprachigen Diskussion Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, 1998, Teil 4. 68 Näher statt aller O’Hara, Konsistenz und Konsens, 2018, S. 53 ff., 230 ff.

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Erwartungsgewährleistung ist maßgebliche Aufgabe des Rechts.69 Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Fragen nach der guten gesellschaftlichen Ordnung und den richtigen Grundsätzen menschlichen Zusammenlebens nicht allein mithilfe des menschlichen Verstandes beantworten lassen. Das legitimatorische Bauwerk schließt einen Freibrief über die politische Ordnung aus. Auch die verfassungsgebende Gewalt des Volkes kann diese Fesseln nur in illegitimer Weise lösen. Denn sie vermag für sich genommen keine gesellschaftliche Ordnung zu legitimieren.70 Der Gedanke kollektiver Selbstbestimmung führt im demokr atischen Verfassungsstaat zur Demokratie als Form politischer Ordnung. Demokratie bedeutet Herrschaft auf Zeit und verlangt die realistische Möglichkeit eines Herrschaftswechsels.71 Gleiche, freie und geheime Wahlen aller erwachsenen Staatsbürger:innen sind das A und O. Daneben können Volksabstimmungen – auch unter deliberativen Aspekten – eine selbständige und tragende Säule demokratischer Selbstbestimmung bilden. Die Schaffung und Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Demokratie stellt bei alledem ein sehr aufwendiges institutionelles Geschäft dar. Das gilt nicht nur für die Vorbereitung und Durchführung fairer Wahlen und Abstimmungen, sondern ebenso für die vielgestaltigen Formen und Prozesse öffentlicher und sozial-medialer Meinungsbildung und die Pluralität gesellschaftlicher Lebensformen.72 Als Reaktion auf nachteilig-kurzsichtige Entscheidungen in zentralen Politikfeldern wie der Geldpolitik, aber auch als ergänzende Formen der politischen Kontrolle, haben sich in jüngerer Zeit verstärkt unabhängige institutionelle Stellen etabliert.73 Notwendig ist darüber hinaus die Bereitschaft konkurrieren69

Näher statt aller Luhmann, Rechtssoziologie, 3. Aufl. 1987, Kap. 2. Näher S. 132 ff. 71 Zum Konzept des demokr atischen Verfassungssta ates passt sehr gut die deliberative Demokratietheorie (s. sogleich Fn. 72). Demgegenüber gerät die radikale Demokratietheorie unausweichlich in konzeptionelle Spannungen mit dem demokr atischen Verfassungssta at (s. Fn. 47 auf S. 39). 72 Näher Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 121 ff.; Tanasoca, Deliberation Naturalized, 2020. Grdl. für die deutschsprachige Diskussion Schmalz-Bruns, Reflexive Demokratie, 1995, der vor allem aufbaut auf Habermas, Faktizität und Geltung, 1992; s. auch Lafont, Democracy without Shortcuts, 2020. In jüngerer Zeit ist das Bewusstsein für die Leistungsfähigkeit und den Wert von „deliberativen mini-publics“ als eine spezifische Form der Öffentlichkeitsbeteiligung gewachsen, näher Curato u. a., Deliberative Mini-Publics, 2021; Tushnet / Bugarič, Power to the People, 2021, S. 259 ff. 73 Näher Tushnet, The New Fourth Branch, 2021. 70

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der gesellschaftlicher Gruppen, ihre Macht gegebenenfalls abzutreten und politische Minderheiten nicht zu diskriminieren. Denn Demokratie bedeutet nicht nur Herrschaft der Mehrheit, sondern auch Kompromissbildung.74 Stets handelt es sich um die Herrschaft elitärer Gruppen – sei es in Gestalt einer Partei oder einer charismatischen Einzelperson, die eine Gefolgschaft um sich versammelt oder eine Bewegung anführt. Die Idee der Herrschaftsfreiheit ist dabei für alle – nicht nur für die Minderheiten, sondern auch für die Mehrheit selbst – eine trügerische Illusion.75 Es ist Aufgabe des Verfassungsgesetzes, ein Grundgefüge aus Organen, Kompetenzen, Verfahren und inhaltlichen Vorgaben für die Demokratie mit ihren staatlichen Gewalten zu errichten. Es ist Aufgabe des Verfassungsrechts, diese Normen interpretatorisch zu entfalten und dem Gemeinwesen und der Politik einen rechtlichen Rahmen in der Zeit zu geben. Und es ist Aufgabe der Verfassung im praktisch-institutionellen Sinne, mit der gesellschaftlichen Lebensform Schritt zu halten und sie zugleich anzuleiten. Verfassungspraxis und Verfassungsrecht besitzen einen dynamischen Charakter  – sie sind zeit- und lebensformgeprägt. Die damit einhergehende Einschränkung kollektiver Selbstbestimmung wird durch die Regeln über die Änderbarkeit der Verfassung relativiert. Doch spätestens das Festschreiben änderungsfester Gehalte  – wie beispielsweise in Art. 79 Abs. 3 GG  – oder die Annahme, dass auch eine Änderung der Verfassung ihre Identität nicht antasten darf, führen zu einer endgültigen Beschränkung kollektiver Selbstbestimmung. Nun ist die Ewigkeit kein sinnvoller Maßstab in menschlichen Angelegenheiten.

74 Eine deutlich gegenteilige Akzentsetzung findet sich bei Vertreter:innen der sog. radikalen Demokratietheorie, s. Mouffe, Agonistik, 2014, sowie die Nachw. auf S. 39 in Fn. 47. 75 Einführend in das Thema „Eliten“ und ihre gesellschaftliche Bedeutung Higley, Continuities and Discontinuities in Elite Theory, in: Best / Higley / Cotta u. a. (Hrsg.), The Palgrave Handbook of Political Elites, 2018, S. 25 ff.; Kroll, Eliten und Elitenkritik als Forschungsfeld der Sozialgeschichte vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, in: Heinsohn u. a. (Hrsg.), Eliten und Elitenkritik vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, 2021, S. 9 ff. S. f. mit sehr unterschiedlichen Akzentsetzungen Hirschl, Towards Juristocracy, 2004, S. 31 ff., 50 ff.; Ansell / Samuels, Inequality and Democratization, 2014; Levy, The ‚Elite Problem‘ in Deliberative Constitutionalism, in: ders. u. a. (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Deliberative Constitutionalism, 2018, S. 351 ff.; Lafont, Democracy without Shortcuts, 2020, S. 79 ff.; Wilkinson, Authoritarian Liberalism and the Transformation of Modern Europe, 2021; Higley, Elites, Non-Elites, and Political Realism, 2021.

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Revolutionen gehen oft mit unnötigem Leid und Blutvergießen einher. Und mit der Zeit können sich grundlegend neue Herausforderungen und elementare Wandlungen derjenigen Grundüberzeugungen ergeben, welche die Verfassungsgebung einst getragen haben. Deshalb wird man kaum um die Möglichkeit einer Verfassungsablösung umhinkommen. Unsicher und umstritten sind derweil die prozeduralen und etwaigen inhaltlichen Anforderungen, die an eine solche Ablösung unter dem Grundgesetz zu stellen sind.76 Am Ende bleibt im demokr atischen Verfassungsstaat dementsprechend stets ein Moment fehlender kollektiver Selbstbestimmung. Welche Relevanz hat dieses Moment? Führt es gar zu einem Paradox? Zunächst lässt es sich relativieren. Denn das Gebot politischer Klugheit und Erfahrung spricht dafür, nicht alle zwanzig Jahre eine gelingende gesellschaftliche Praxis aufzukündigen, um nach einer neuen konstitutionellen Grundlage Ausschau zu halten.77 Als zeitgeschichtliches Argument kann man ergänzend darauf verweisen, dass die konkreten historischen Bedingungen beim Gründungsprozess selten den Anforderungen entsprechen, die heutzutage an einen Akt kollektiver Selbstbestimmung gestellt werden. Am Ende sind solche Relativierungen jedoch nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr die Einsicht in die Gebundenheit kollektiver Selbstbestimmung. In der Konsequenz sind die kompensatorischen Instrumente der Verfassungsänderung und der Verfassungsablösung als vollwertiger Ausgleich für diese Gebundenheit anzusehen. Dabei ist es meines Erachtens eine ideengeschichtlich tiefsitzende Fehlvorstellung, dass der kollektive Mehrheitswille in der Lage sei, beliebige gesellschaftliche Ordnungen zu legitimieren. Neben Regeln zur Errichtung und Wahrung einer freiheitlichen Demokratie muss vielmehr immer auch die individuelle Selbstbestimmung als Ausdruck gleicher Würde und Freiheit

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Einen Überblick über die prozedural diskutierten Anforderungen mit Blick auf Art. 146 GG geben Michael, in: Bonner Kommentar GG, Art. 146 Rn. 671 ff.; Eggert, Verfassungsablösung, 2021, S. 205 ff. 77 Näher Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 35 ff. S. f. die Nachw. auf S. 35 in Fn. 36. Welcher Zeitraum für einen aus demokratietheoretischer Sicht bedeutsamen Generationenwechsel anzunehmen ist, wird nicht einheitlich gesehen. So kommt bspw. Tuck, The Sleeping Sovereign, 2015, S. 263 f., auf 42 Jahre. Er sieht auch keinen Grund, warum dann nicht ein neuer Verfassungsgebungsprozess in Gang gebracht werden sollte.

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aller Bürger:innen gesichert und gewährleistet werden; nur so vermag das Recht seine Aufgaben zu erfüllen.78

2. Verfassungsgericht und demokratischer Gesetzgeber Eine große Herausforderung für das verfassungstheoretische Denken könnte sich aus der sog. „counter-majoritarian difficulty“ 79 ergeben: Wie – so lautet die typische Frage im US-amerikanischen Raum – lässt es sich rechtfertigen, dass eine kleine Gruppe von bloß mittelbar demokratisch legitimierten und dem Volk weitgehend unverantwortlichen Richter:innen ein Gesetz aufhebt, das vom unmittelbar demokratisch legitimierten und dem Volk verantwortlichen Gesetzgeber geschaffen wurde?80 Eine kurze Antwort würde auf Eigenschaften verweisen, welche die hier interessierende verfassungsstaatliche Familie besitzt. Es mag sein, dass sich der US-Supreme Court zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine

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S. die Nachw. auf S. 89 in Fn. 66. Namensprägend Bickel, The Least Dangerous Branch, 2. Aufl. 1986, S. 16 ff. 80 Eine von vielen als grundlegend erachtete Kritik findet sich bei Waldron, Y. L. J. 115 (2006), S. 1346 ff.; eine Gegenkritik findet sich bspw. bei Christiano, The Constitution of Equality, 2008, S. 283 ff.; zur parallelen Diskussion vor dem Hintergrund des politischen Konstitutionalismus Tomkins, Univ. Tor. L. J. 60 (2010), S. 1 ff.; Craig, ICON 9 (2011), S. 112 ff. S. f. Barak, The Judge in a Democracy, 2006, S. 226 ff.; Sultany, Harv. C. R.-C. Lib. L. Rev. 47 (2012), S. 371 ff., sowie die Nachw. auf S. 40 in Fn. 51 sowie S. 89 in Fn. 67. Ergänzt wird diese Frage um die – vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitete – Sorge vor einem Jurisdiktionsstaat (Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, 1990, S. 61 f.; ausführlich in diesem Sinne Pokol, Juristocracy, 2021; zur Diskussion Nußberger, VVDStRL  81 (2022), S. 7, 24 ff.). Diese Sorge ist aus mehreren Gründen unberechtigt: Das Verfassungsgericht ist nicht der wahre Souverän. Es vermag nur auf Antrag tätig zu werden. Es verfügt über sehr begrenzte Kapazitäten, um (Senats-)Entscheidungen zu fällen und zu begründen. Es besitzt ferner keine Vollzugsinstrumente und kann keine tatsächliche Gewalt ausüben. Schließlich ist es nicht nur auf die Anerkennung und das Vertrauen der Bürger:innen angewiesen, sondern auch von der Bereitschaft der übrigen Verfassungsorgane abhängig, die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zu beachten. Überdies hat die rücksichtslose und rasante Demontage der Verfassungsgerichtsbarkeit in Polen und Ungarn gezeigt, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit eine höchst fragil-empfindliche Einrichtung ist (s. die Nachw. auf S. 20 f. in Fn. 6). 79

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

verfassungsgerichtliche Stellung anmaßte.81 Unter dem Grundgesetz kann indessen kein Zweifel daran bestehen, dass das Bundesverfassungsgericht gerade auch geschaffen wurde, um den Gesetzgeber zu kontrollieren und verfassungswidrige Gesetze zu verwerfen.82 Die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit mit entsprechender Verwerfungskompetenz lässt sich deshalb schlicht als konstitutives Element des demokr atischen Verfassungsstaates ansehen. Doch ist diese Antwort mangels Begründung in der Sache unbefriedigend. Um die verfassungsgerichtliche Kontrolle des Gesetzgebers zu rechtfertigen, werden oft instrumentelle Argumente vorgebracht. Es wird also entweder auf die Defizite im gesetzgeberischen Willensbildungsprozess (z. B. Berücksichtigung der Interessen unzureichend repräsentierter Gruppen) oder die punktuelle Überlegenheit eines Verfassungsgerichts abgestellt (z. B. Berücksichtigung langfristiger Gemeinwohlinteressen oder die Interessen zukünftiger Generationen). Eine Grundschwierigkeit dieses Rechtfertigungsansatzes liegt in der Deutungsoffenheit empirischer Beobachtungen. Was lässt sich beispielsweise daraus schließen, dass sich die Entscheidungen eines Verfassungsgerichts gewöhnlich in einem vom Mainstream der öffentlichen Meinung getragenen Raum bewegen? Lässt sich schlussfolgern, dass die fehlende rechtliche Verantwortung gerade nicht ausschließt, dass das Gericht den Willen des Volkes repräsentiert? Oder bedeutet es, dass die Existenz der Institution für die politischen Verhältnisse keinen Unterschied macht?83 Viel spricht dafür, allenfalls ergänzend auf den instrumentellen Legitimierungsansatz zurückzugreifen.84 Alternativ kommt ein pragmatisch-politischer Ansatz in Betracht, der erklären, aber nicht rechtfertigen will. Danach gründet die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit auf dem politischen Kalkül der 81 Dass eine Herleitung aus der Verfassung mit guten Gründen möglich ist, zeigen aber Corwin, Marbury v. Madison and the Doctrine of Judicial Review, in: ders., Corwin on the Constitution, Bd. 2: The Judiciary, 1987, S. 91 ff., und aus jüngerer Zeit Prakash / Yoo, Univ. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 887 ff. 82 Über den Status des Gerichts wurde genauso gestritten (vgl. Collings, Democracy’s Guardians, 2015, S. 5 ff.) wie über die Reichweite der verfassungsgerichtlichen Kontrolle etwa mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 28). Die Kontrolle des Gesetzgebers stand jedoch angesichts der in Art. 93 GG aufgestellten Regelungen außer Zweifel. 83 Vgl. Chemerinsky, The Case Against the Supreme Court, 2014, S. 267 ff. 84 Eine ausführlichere Kritik findet sich bei Harel, Wozu Recht?, 2018, S. 179 ff., 246 ff.

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gesellschaftlichen Eliten, die sich mithilfe des Verfassungsgerichts vor missbräuchlicher, antidemokratischer Machterhaltung durch die gerade herrschende Gruppe schützen wollen.85 Doch vermag dieser Ansatz weder die unterschiedlichen Befugnisse von Verfassungsgerichten zu erklären, wie sie etwa in den USA oder Kanada bestehen, noch zum Verständnis oder einer sachlichen Begründung der Institution beizutragen. Denn letztlich handelt es sich aus dieser Perspektive um einen bloßen Spielball politischen Kalküls – eine Sichtweise, die allerdings im Niedergang der Verfassungsgerichtsbarkeit in Ungarn und Polen eine Bestätigung ihrer Position sehen könnte. Welches sind nach alledem nun die Gründe, die dafür sprechen, eine unabhängige Verfassungsgerichtsbarkeit einzurichten?86 Am Anfang 85 In diesem Sinne Holmes, Constitutions and Constitutionalism, in: Rosenfeld / Sajó (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, 2012, S. 189 ff. 86 Gehaltvolle Rechtfertigungen finden sich bspw. bei Ely, Democracy and Distrust, 1980 (auf den Erhalt des demokratischen Entscheidungsprozess begrenzt, dazu in rechtsvergleichender Perspektive skeptisch Landau / Dixon, U.C. Davis L. Rev. 53 (2020), S. 1313 ff.); Ebsen, Das Bundesverfassungsgericht als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, 1985, Teil 3; Sunstein, Designing Democracy, 2001 (auf dem Gedanken deliberativer Demokratie aufbauend); Robertson, The Judge as Political Theorist, 2010; Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Jestaedt / Lepsius / Möllers / Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 281 ff. Anknüpfend an den Schutz der Individualrechte Fallon, Harv. L. Rev. 121 (2008), S. 1694 ff., und präzisierend ders., The Nature of Constitutional Rights, 2019, S. 179 ff.; insbesondere das individuelle Recht auf Gehör und unabhängige Kontrolle hervorhebend Harel, Wozu Recht?, 2018, S. 256 ff.; Lafont, Democracy without Shortcuts, 2020, S. 228 ff. S. f. die konzise, auf den Gedankengängen Hans Kelsens aufbauende Rechtfertigung von Voßkuhle, Nicht nur dem Anfang wohnt ein Zauber inne!, 2021. Als wichtige Legitimationsgrundlage stellt Bassok, The Changing Understanding of Judicial Legitimacy, in: Scheinin / Krunke / Aksenova (Hrsg.), Judges as Guardians of Constitutionalism and Human Rights, 2016, S. 50 ff., die öffentliche Meinung heraus. S. f. Christiano, The Constitution of Equality, 2008, S. 260 ff.; Marmor, Constitutionalism, Liberalism, and Democracy, in: Linares-Cantillo / ValdiviesoLeón / García-Jaramillo (Hrsg.), Constitutionalism, 2021, S. 35 ff.; Calabresi, The History and Growth of Judicial Review, 2021, S. 387 ff. Zur Diskussion um eine integrative Kraft des Bundesverfassungsgerichts Schuppert / Bumke, Bundesverfassungsgericht und gesellschaftlicher Grundkonsens, 2000; Vorländer, Integration durch Verfassung?, in: ders. (Hrsg.), Integration durch Verfassung, 2002, S. 9 ff. Zu Inhalt und Bedeutung gerade des Moments der Unabhängigkeit der Verfassungsgerichte Redish, Judicial Independence and the American Constitution, 2017, S. 52 ff., und lehrreich Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 149 ff.

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steht die Beobachtung, dass politische und andere Formen gesellschaftlicher Macht so gut wie immer dazu neigen, missbraucht und mithilfe unlauterer Mittel erhalten zu werden.87 Der demokr atische Verfassungsstaat ist darauf die ideelle, konzeptionelle, institutionelle und praktische Antwort. Es geht darum, gesellschaftliche Macht zu legitimieren, zu gewährleisten, zum Wohl der Bürger:innen zu nutzen und gerade vor Missbrauch zu bewahren. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist integraler Bestandteil dieses demokr atischen Verfassungsstaates. Sie lässt sich als sein „Schlussstein“ bezeichnen, da sie erst sicherstellt, dass die demokratische Ordnung und die Rechte des Einzelnen nicht zur Disposition der Politik stehen.88 Ob das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab: Dem demokr atischen Verfassungsstaat muss das Kunststück gelingen, das politisch Strittige in die Sphäre des Rechts zu transformieren, sodass es sich in der Logik des Rechts und mit seinen Instrumenten wie jede andere Rechtsfrage bearbeiten lässt. Der Gegenstand behält dann seine politische Brisanz, aber der Umgang mit ihm verändert sich. Das Recht ist die Domäne der Gerichte. Über Positionen, die sich aus dem Recht ergeben, das Verständnis der Rechtsnormen und den Streit um das Recht entscheiden Gerichte. Es muss gelingen, eine gesellschaftliche Praxis hervorzubringen, die diese Transformation immer wieder vollbringt, und die von den übrigen politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Praxen gerade als Rechtspraxis verstanden wird.89 87 So die politikwissenschaftliche Studie von Lemieux / Watkins, Judicial Review and Contemporary Democratic Theory, 2018, S. 9 ff., 45 ff., 130 ff. Skeptisch vor dem Hintergrund der Rspr. des US-Supreme Court Chemerinsky, The Case Against the Supreme Court, 2014; Tushnet, Oxf. J. Leg. Stud. 30 (2010), S. 49, 55 ff.; Butler, The Democratic Constitution, 2017, S. 4 ff. 88 Zur Charakterisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit als Schlussstein, Krönung oder Vollendung des Rechtsstaates m. w. N. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 788 mit Fn. 148 und S. 841 f. mit Fn. 490 f. 89 Gleichsinnig Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 93 Rn. 17, und zu den sogleich im Haupttext angeführten Kriterien mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht ebd., Rn. 19 f. Den offenen, prozesshaften Charakter betont aus politikwissenschaftlicher Warte Brodocz, Die Macht der Judikative, 2009, S. 216 ff.; s. f. Levinson, Harv. L. Rev. 124 (2011), S. 657 ff. Das Bemühen, diese Praxis auf der Grundlage einer deliberativen Theorie konzeptionell zu erfassen, findet sich bei Mendes, Constitutional Courts and Deliberative Democracy, 2013, insbes. Kap. 5. Zur diskursiven Entscheidungsfindungspraxis des Bundesverfassungsgerichts Kranenpohl, Hinter dem Schleier des Beratungsgeheimnisses, 2010; Masing, Entscheidung in unterschiedlichen Spruchkörpern, in: Jestaedt / Suzuki

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Bei der Institution muss es sich um ein Gericht mit unabhängigen Richter:innen handeln, deren Entscheidungen grundsätzlich von den übrigen hoheitlichen Einrichtungen beachtet werden. Es muss ein Gerichtsverfahren existieren, das sicherstellt, dass das Gericht nur auf Antrag und nur unter den rechtlich festgelegten Voraussetzungen über einen bestimmten Streitgegenstand zwischen bestimmten Beteiligten entscheidet. Im Verfahren muss die Neutralität des Gerichts gewahrt bleiben. Die Entscheidung muss sich als eine rechtliche darstellen. Es muss juristisch argumentiert und mit den Verfassungsnormen wie mit anderen Rechtsnormen umgegangen werden. Das Gericht muss ausgehend von den anerkannten rechtsdogmatischen Lehren eigene Präjudizien und Rechtsprechungslinien beachten. Es kann von Vergangenem abweichen, aber nur aus guten juristischen Gründen. Seine über den Einzelfall hinausweisenden Interpretations- und Regelungsvorstellungen müssen sich der allgemeinen öffentlichen und der speziellen rechtlichen Auseinandersetzung stellen. Dies kann auch zu einem künftigen Umentscheiden aufseiten des Gerichts führen. Vor allem müssen die Richter:innen den Anspruch erheben und leben, mit ihren juristischen Bemühungen das durch die Verfassung Gebotene interpretatorisch zu verstehen. Mögen die Beratungen auch geheim sein, so muss die Verfassungspraxis doch davon ausgehen, dass in den Beratungen am Ende das juristische Argument zählt. Außerdem wichtig ist das Bewusstsein und Wissen der Richter:innen um die Lage und Abhängigkeit eines Verfassungsgerichts im politischen Raum. All dies schließt – wie alle wissen – inhaltliche Anreicherungen („Konkretisierungen“) nicht aus. Unter den geschilderten institutionellen, rechtlichen und praktischen Voraussetzungen werden sie jedoch nur zum Problem, wenn sie nicht länger als Teil einer rechtlichen Auseinandersetzung, sondern als Ausdruck politischer Präferenzen der Beteiligten oder als von anderen gesellschaftlichen Praxen determiniert verstanden werden. Die Verfassungsgerichtsbarkeit im demokr atischen Verfassungsstaat ist nach alledem mehr als die Summe der rechtlichen Regeln über Verfahren, Organisation und Kompetenzen eines Verfassungsgerichts (Hrsg.), Verfassungsentwicklung II, 2019, S. 177 ff.; grdl. nunmehr Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, Teil A. Zur Bedeutung politischen Präferenzen der Richter:innen für die Entscheidungsfindung s. einerseits Dregger, Die Verfassungsinterpretation am US-Supreme Court, 2019, S. 254 ff. (die Relevanz verneinend), andererseits die gleichfalls empirischen Studien von Grendstad / Shaffer / Waltenburg, Policy Making in an Independent Judiciary, 2015.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

und seiner Richter:innen. Sie existiert nur als gelingende gesellschaftliche Praxis. Wie fragil sie ist, zeigen die jüngsten machtpolitischen Entwicklungen in Europa. Verfassungsgerichte lassen sich entmachten und instrumentalisieren. Davor – und nicht vor einer vermeintlich maßlosen90 Gerichtsbarkeit – sollten wir uns meines Erachtens sorgen.

3. Verfassungsinterpretation Die grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit, die gelegentlich in der öffentlichen politischen Debatte und häufiger in gesellschaftstheoretischen Betrachtungen zu finden sind, speisen sich nicht in erster Linie aus einem demokratietheoretischen Dilemma. Kernproblem sind stattdessen die Offenheit des Verfassungsgesetzes und die Notwendigkeit, diese Offenheit zu schließen, um über die Verfassungsmäßigkeit eines Aktes, Ereignisses oder Verhaltens entscheiden zu können.91 Gäbe es einen für alle Akteur:innen gleichermaßen zugänglichen Weg, um das, was der Verfassungstext gebietet, verlässlich zu verstehen, würde sich kaum Widerstand gegen die verfassungsgerichtliche Kontrolle regen.92 90

Näher Fn. 80 auf S. 93. Näher Fn. 126 auf S. 112. 92 Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018, S. 71 f. Näher zu Deutungsmacht und Autorität Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 93 Rn. 33; Brodocz, Die Macht der Judikative, 2009, S. 98 ff., 216 ff. In diesem Sinne formuliert der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle (Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 93 Rn. 31): „Der berühmte Ausspruch von Chief Justice Ch.  E.  Hughes: ‚We are under  a Constitution, but the Constitution is what the judges say it is!‘ hat einen wahren Kern, darf indes nicht mit Willkür oder schlichter politischer Dezision gleichgesetzt werden.“ Bekannt ist auch der Ausspruch von Rudolf Smend (Smend, Das Bundesverfassungsgericht, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 1994, S. 581, 582): „Das Grundgesetz gilt nunmehr praktisch so, wie das Bundesverfassungsgericht es auslegt, und die Literatur kommentiert es in diesem Sinne.“ S. f. Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 341 ff. Kritisch zur Deutungsmacht und Rechtserzeugungstätigkeit des Bundesverfassungsgerichts Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt / Lepsius / Möllers / Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 ff. Über die Abhängigkeit von dieser Deutungsmacht und die damit einhergehende Autorität der Verfassungsgerichte sowie die Nichtbefolgung einzelner verfassungsgerichtlicher Entscheidungen Friedman, U. Pa. L. Rev. 148 (2000), S. 971 ff., der von „bounded independence“ spricht (ebd., S. 1057 ff.); Lembcke, Hüter der Verfassung, 2007, S. 303 ff., 355 ff.; Whittington, Political Foundations of Judicial Supremacy, 2007 (in Auseinander91

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Die Interpretation von Rechtsnormen und ihre Anwendung sind Teil der Streitentscheidung und zählen zum Urgeschäft der Gerichte. Diese Arbeit setzt sich aus sehr verschiedenen Tätigkeiten zusammen. Es müssen z. B. historische Quellen sorgfältig ausgewertet werden; es muss geprüft werden, ob eine Prognose fehlerhaft war, oder geklärt werden, welche Eigenschaften ein Gegenstand besitzt; oder es muss zwischen widerstreitenden rechtlich geschützten Positionen abgewogen werden. Um diese Aufgaben zu bewältigen, entwickeln Gerichte Instrumente und Methoden. Diese Mittel lassen sich analysieren, kritisieren und operationalisieren. Es besteht eine gute Chance, dass sich ihre Eigenschaften, ihr Lösungsvermögen und ihre Leistungsgrenzen klären lassen. Zu diesen Instrumenten zählt nicht zuletzt ein weltweit verbreiteter Kanon juristischer Argumentformen, die auf Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und das Telos einer Norm rekurrieren.93 Das interpretatorische Geschäft ereignet sich zudem nicht in einem leeren kognitiven Raum, sondern ist Teil einer reichen gesellschaftlichen Praxis, von der schon die Rede war. Relevanz gewinnen unter anderem die Gestalt der Institution, etwa die kollektive Struktur des Gerichts, das vorgeschriebene Verfahren, das rechtsdogmatische Lehrgebäude, bisherige Rechtsprechungslinien und die Präjudizien, das gegenwärtige Rechtsverständnis und schließlich das Selbstverständnis, an die Verfassungsnormen gebunden zu sein und die Aufgabe zu haben, das Gebotene interpretatorisch zu verstehen.94

setzung mit anderen Verfassungsorganen). Die Rede von einer „judicial supremacy“ der Verfassungsgerichte (so bspw. Gardbaum, What is judicial supremacy?, in: Jacobsohn / Schor (Hrsg.), Comparative Constitutional Theory, 2018, S. 21 ff.) führt m. E. angesichts der Abhängigkeiten der Verfassungsgerichte und der Fragilität der verfassungsrechtlichen Praxis in die Irre. Das Thema der Nichtbefolgung wird in den USA intensiv diskutiert, näher Alexander / Schauer, Harv. L. Rev. 110 (1997), S. 1359 ff. S. f. die Nachw. sogleich in Fn. 94. 93 Näher Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2 Bde., 2001. 94 Zur Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und seiner Deutungsmacht Vorländer (Hrsg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, 2006; Brodocz, Die Macht der Judikative, 2009. Bezüglich der Rolle der Staatsrechtslehre herrscht das von Bernhard Schlink geprägt Bild vom „Verfassungsgerichtspositivismus“ der Staatsrechtslehre vor; hierzu skeptisch Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 6 f. (m. N. zur Diskussion); Gärditz, Verfassungsentwicklung und Verfassungsrechtswissenschaft, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 4 Rn. 98 ff.; Grimm, Verfassungsgerichtsbarkeit, 2021, S. 244 ff. S. f. die Nachw. soeben auf S. 98 f. in Fn. 92.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Trotzdem bleibt eine empfindliche Offenheit des Deutungs- und Verständnisraumes, in dem sich die verfassungsgerichtliche Tätigkeit bewegt. Dies ist der Ort, an dem über die Grundsätze, Instrumente und Methoden der Verfassungsinterpretation gestritten wird.95 Aber selbst ein Konsens in Methodenfragen würde die Offenheit nicht beseitigen können. Der folgende Überblick soll in Erinnerung rufen, wie auf die Offenheit reagiert wird. Entsprechend ihrer Zielsetzung lassen sich fünf Strömungen unterscheiden, die mit Blick auf die Verstehensproblematik entweder auf Grundsatzkritik, Aufklärung, Verlagerung, Auflösung oder Eingrenzung hinauslaufen.

a) Grundsatzkritik Grundsatzkritik will den Schleier lüften und das wahre Wesen der Verfassungsinterpretation zeigen. Für sie handelt es sich um ein illusionistisches Theater mit dem Ziel, die Wirklichkeit zu verbergen.96 Diese Wirklichkeit besteht in der Herrschaft einer Elite, die sich  – je nach Einschätzung – aus Jurist:innen, Kapitalist:innen, den Mächtigen oder gesellschaftlichen Strukturen zusammensetzt. Bei der Verfassungsinterpretation geht es am Ende um Politik, Machtausübung und Machterhalt. Aus dieser Perspektive ist jede rationalisierend-reflexive methodische Bemühung von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sie zur Verschleierung der wahren Verhältnisse beiträgt. Das bedeutet aber auch, dass Kritik im Umgang mit der Deutungs- und Verständnisoffenheit nicht weiterzuhelfen vermag.

b) Aufklärung Aufklärung will entschlüsseln und rationalisieren, um den Prozess der Verfassungsinterpretation besser zu begreifen und um diesen Vorgang angemessener anzuleiten. Sie setzt entweder bei entscheidungsrelevanten Faktoren an oder konzentriert sich auf Eigenschaften des Materials oder der Tätigkeiten.

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S. Fn. 91 auf S. 50. Bspw. Menke, Kritik der Rechte, 2015; Loick, Juridismus, 2017.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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aa) Faktoren Entscheidungserhebliche institutionelle Faktoren werden beispielsweise thematisiert, wenn auf spieltheoretische Konsequenzen aufmerksam gemacht wird, die sich aus dem Umstand ergeben, dass die verfassungsgerichtliche Entscheidung von einer Personengruppe getroffen wird.97 Um inhaltliche Faktoren geht es, wenn das mögliche Vorhandensein bewusster und unbewusster Vorurteile thematisiert und über Strategien nachgedacht wird, ihnen zu begegnen. Auch das klare Bewusstsein für die verständnisprägende Kraft impliziter oder expliziter theoretischer, konzeptioneller oder weltanschaulicher Vorverständnisse gehört hierher. In der deutschsprachigen Methodendiskussion finden sich Bemühungen, möglichst alle als rechtsbedeutsam erachteten Faktoren systematisch zu erfassen, die über den engen Raum der sog. klassischen Auslegungskanones hinausgehen, etwa in Form einer aufmerksamen Analyse des „Realbereichs“ einer Rechtsvorschrift oder durch das Erwägen der Folgen, die mit einer Entscheidung verbunden sind.98 Hier kann es auch darum gehen, die verborgenen, diskriminierend-inkonsistenten Momente einer Rechtsordnung in den Blick zu bekommen. Werden personenbezogene Faktoren wie Herkommen, Erfahrung, Überzeugungen oder Präferenzen der Richter:innen angesprochen, stellt sich neben dem Aspekt ihrer praktischen Relevanz die Schwierigkeit, mit ihnen angemessen umzugehen.

bb) Eigenschaften Eigenschaftsbezogene Aufklärung setzt oft an sprachtheoretischen Einsichten an.99 Die Diversität der Sprachtheorie führt dazu, dass die gewonnenen Einsichten in verschiedene, mitunter gegenläufige Richtungen 97

Vgl. Vermeule, Judging under Uncertainty, 2006. Repräsentativ Müller / Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, 11. Aufl. 2013, S. 235 ff., 263 ff.; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, 2016, Teil 2. 99 Für einen Überblick s. etwa Tiersma / Solan (Hrsg.), The Oxford Handbook of Language and Law, 2012; exemplarisch Lanius, Strategic Indeterminacy in the Law, 2019; Marmor, The Language of Law, 2014; aus dem deutschsprachigen Schrifttum z. B. Busse, Juristische Semantik, 1993, S. 228 ff., Kuntz, Die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung aus sprachphilosophischer Perspektive, AcP 215 (2015), S. 387 ff., und die Nachw. sogleich in Fn. 100 f. 98

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

weisen. Um es an zwei Beispielen zu illustrieren: Ansätze, die auf der analytischen Sprachphilosophie aufbauen, betonen den kategorialen Unterschied zwischen Auslegung und Fortbildung einer Verfassungsnorm. Diese aus der juristischen Methodenlehre wohlvertraute Unterscheidung baut hier aber nicht auf der kaum brauchbaren Kategorie der Lücke auf, sondern rekurriert auf ein empirisch ermittelbares, mit dem Verfassungstext Gemeintes.100 Dieses Gemeinte mag sich als mehr oder weniger hilfreich für das Verstehen erweisen. Wichtig ist in jedem Fall die Einsicht, dass neben dem Gemeinten ein breiter Bereich existiert, in dem das Verstehen der Verfassungsnorm nicht mithilfe sprachlicher Einsichten möglich ist. Völlig anders gestaltet sich der Raum der Verfassungsinterpretation aus Sicht eines skeptisch-dekonstruierenden Sprachverständnisses. Das Geschriebene wird als fließend wahrgenommen. Stabile Relationen, etwa in Form von Referenz oder Intension, erweisen sich als illusionär. Momente des Agierens und Reagierens rücken in den Mittelpunkt und strukturelle Gewalt oder das „Eingeschriebensein“ als Eigenschaften der Sprache werden hervorgehoben.101 Die beiden skizzierten Sichtweisen zeigen ein Grundproblem aufklärender Rezeption: So wichtig diese ist, so unsicher gestaltet sich ihre Transformation in das Recht. Denn anhand welcher Maßstäbe sollen die theoretischen Grundlagen eines Aufklärungsansatzes beurteilt, soll zwischen dem einen oder anderen Ansatz gewählt werden? Keine Lösung kann freizeichnende Ignoranz vonseiten der Staatsrechtslehre sein. Ansetzen lässt sich auch nicht bei der einzelnen Forscher:in. Sie wäre schlicht überfordert. Wenigstens einfordern lässt sich für das Forschungsgespräch, dass eine Karte mit den verschiedenen theoretischen Positionen angefertigt wird. Für und Wider sind zu diskutieren, die Konsequenzen einer Rezeption zu bedenken. Damit lässt sich das Problem nicht aus der Welt schaffen. Es lässt sich auf diese Weise aber auf ein zumutbares Maß reduzieren.

100 Poscher, Droit & Philosophie 9 (2017), S. 107 ff.; ders., The Hermeneutics of Law, in: Forster / Gjesdal (Hrsg.), The Cambridge Companion to Hermeneutics, 2019, S. 326 ff. 101 Bspw. Augsberg, Die Lesbarkeit des Rechts, 2009; Rübben, Bedeutungskampf, 2015.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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c) Verlagerung Einige aufklärerische Ansätze plädieren für eine Verlagerung der Verstehensthematik. Danach lassen sich interpretatorische Fragen nicht mit juristischen Mitteln beantworten. Stattdessen muss auf die Maßstäbe anderer Disziplinen zurückgegriffen oder eingesehen werden, dass sich die Thematik überhaupt nicht rational bewältigen lässt. Als Alternative werden beispielsweise ökonomische Beurteilungen am Maßstab volkswirtschaftlicher Auswirkungen bestimmter Rechtsauffassungen in Betracht gezogen. Wird eine rationale Bewältigung für unmöglich erachtet, enden die Überlegungen in Modellen für Prognosen über das künftige Entscheidungsverhalten der Richter:innen.

d) Auflösung Zur Auflösung der Verstehensproblematik gelangen alle, die mit Ronald Dworkin oder Robert Alexy davon überzeugt sind, dass es stets eine einzige richtige Antwort auf die sich im Verfassungsrecht stellenden interpretatorischen und anwendungsbezogenen Fragen gibt.102 Ein solcher Richtigkeitsanspruch geht über die Vorstellung einer regulativen Idee hinaus. Es liegt allein an kognitiven Unsicherheiten, fehlendem Wissen, dem vorhandenen Zeitdruck oder intellektuellem Unvermögen, warum sich kein Konsens über die richtige Lösung einstellt. Das darin zum Ausdruck kommende Verständnis der Philosophenkönige kann im Politischen nur den Ausdruck unzureichender kognitiver Fähigkeiten und begrenzten Wissens sehen. Der demokratische Verfassungsstaat ist für diese Position allenfalls die zweitbeste Lösung gesellschaftlicher Fragen. Die Konzepte für die praktische Bewältigung der interpretatorischen Fragen sind auf die Berücksichtigung aller potentiell entscheidungserheblichen Gründe gerichtet.103 Dworkin hat in seiner Theorie der Integrität den Maßstab der überzeugendsten Interpretation vorgeschlagen. Eine

102 Dworkin, Justice for Hedgehogs, 2011, S. 23 ff.; Alexy, Law’s Ideal Dimension, 2021, Kap. 6. 103 S. nur Stark, Interdisziplinarität der Rechtsdogmatik, 2020, S. 278 ff.; skeptisch gegenüber diesem Vorgehen Möllers, Die Möglichkeit der Normen, 2015, S. 23 ff.

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solche Interpretation soll vorliegen, wenn das größtmögliche Maß an Kohärenz unter allen anerkannten interpretatorischen Vorstellungen erreicht ist und zudem alle elementaren politischen Prinzipien einbezogen worden sind, die sich in der bisherigen Rechtsentwicklung als tragfähig erwiesen haben.104 Alexys Ansatz knüpft unter Einbeziehung der Rechtsdogmatik an die herkömmlichen Instrumente und interpretatorischen Arbeitsweisen an. Sie werden zum Bestandteil einer umfassenden Diskurstheorie für den Umgang mit praktischen Fragen. Im Mittelpunkt der diskursiven Auseinandersetzung steht dann das Konzept der Abwägung von Prinzipien.105 In der deutschsprachigen Staatsrechtslehre führt dies mitunter zu dem Fehlschluss, dass sich alle Verstehensfragen mithilfe einer Abwägung beantworten lassen. Übersehen wird dabei der entscheidende interpretatorische Schritt, der darin besteht, von den Verfassungsnormen aus ein gehaltvolles inhaltliches Konzept für die Positionen zu entwickeln, zwischen denen überhaupt erst abzuwägen ist.106

e) Eingrenzung Das Gros der Ansätze spricht sich für instrumentelle, inhaltlich-strukturelle oder instiutionelle Festlegungen aus, um den Raum interpretatorischer Verstehensweisen auf ein kalkulierbares Maß einzugrenzen.

aa) Instrumentelle Festlegungen Bei den Instrumenten der Interpretation wird angesetzt, um entweder ihren Gebrauch zu untersagen oder ein Instrument als maßgeblich für das Verstehen auszuzeichnen.

104 Dworkin, Law’s Empire, 1986, S. 225 ff.; ders., Justice for Hedgehogs, 2011, S. 123 ff., 157 ff. 105 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 493 ff.; ders., Law’s Ideal Dimension, 2021, Teil 3. 106 Näher O’Hara, Rationales Entscheiden jenseits von Abwägung, in: Lübbe / Grosse-Wilde (Hrsg.), Abwägung, 2022, S. 327 ff.; s. f. Poscher, Das Grundgesetz als Verfassung des verhältnismäßigen Ausgleichs, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 3 Rn. 77 ff.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

(1)

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Ausschluss von Instrumenten

Das wichtigste Beispiel für ein Verbot betrifft das Instrument der Abwägung.107 Die Abwägung bereitet aus zwei Gründen große Sorgen: Zum einen wird im Ausgleich zwischen widerstreitenden, durch die Verfassung geschützten Positionen die Kernaufgabe des Gesetzgebers gesehen. Diese für ein demokratisches Gemeinwesen zentrale Angelegenheit wird – jener Auffassung nach – durch das Abwägungsinstrument vom Verfassungsgericht usurpiert. Die Folge soll eine dramatische Verengung demokratischer Gestaltungsspielräume sein, eine Verrechtlichung der Politik und eine Politisierung des Verfassungsrechts. Aus diesen Gründen kommt für Abwägungsgegner nur bei evident-einseitiger, willkürlicher Bevorzugung einer verfassungsrechtlich geschützten Position durch die Staatsgewalt ein Eingreifen des Verfassungsgerichts in Betracht.108 Zum anderen wird mit der Abwägung die Befürchtung verbunden, dass sich der Regelcharakter des Rechts in individuelle Einzelfallentscheidungen auflöst. Das soll nicht nur die fachgerichtliche Praxis überfordern, sondern auch eine zentrale Leistung des Rechts gefährden, nämlich die Gewährleistung kontinuierlicher Erwartungsstabilisierung.109 Zur Entkräftung dieser Sorgen erfolgen Verweise auf die weltweite Verbreitung der Abwägung als Instrument verfassungsgerichtlicher Kontrolle,110 auf die rationale Rekonstruierbarkeit der Abwägung und die

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Bespielhaft dafür stehen die Überlegungen von Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, 1990, S. 66 ff. 108 So Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 76 ff., 193 ff. 109 Diese Sorge mag in einigen Fallkonstellationen berechtigt sein, bei denen sich, wie im Pressewesen und bei den Grenzen der Meinungsfreiheit, gewöhnlich zwei gleichermaßen schützenswerte Grundrechtspositionen gegenüberstehen und die Grenze sich deshalb stets nur einzelfallbezogen ziehen lässt. Doch lassen sich in vielen Fällen, insbesondere bei gesetzlichen Regeln, auch generalisierende Abwägungen vornehmen, sodass es zu keiner einzelfallbezogenen Auflösung kommen muss. 110 Näher zur Entwicklung und Rezeption Barak, Proportionality, 2012; Jackson, Y. L. J. 124 (2015), S. 3094 ff.; Steiner / Lang / Kremnitzer, Introduction, in: dies. (Hrsg.), Proportionality in Action, 2020, S. 1 ff.; Poscher, Das Grundgesetz als Verfassung des verhältnismäßigen Ausgleichs, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 3 Rn. 22 ff.; Marketou, Local Meanings of Proportionality, 2021, S. 2 ff.

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Direktionskraft von Rechtsprinzipien.111 All das ist meines Erachtens ungeeignet, die Sorgen aufzulösen. Speziell der letzte Aspekt läuft auf nicht mehr als ein Glaubensbekenntnis hinaus. Die naheliegende experimentelle Überprüfung der Direktionskraft ist bislang nicht in Angriff genommen worden.112 Vor allem aber fehlt das Bewusstsein dafür, dass – wie erwähnt – die entscheidenden inhaltlichen Fragen der Abwägung eben vorgelagert sind. Antworten darauf lassen sich nur im Wege eines interpretatorischen Verstehens des von der Verfassung Gebotenen gewinnen. Damit ist man an den Ausgangspunkt der Überlegungen zurückgekehrt. Abwägungen mögen unausweichlich sein, ihre Folgen erscheinen indes beherrschbar, weil die für das Verfassungsrecht maßgeblichen inhaltlichen Fragen nicht mit ihrer Hilfe beantwortet werden. Um diese inhaltlich-interpretatorische Arbeit zu rechtfertigen, lassen sich am Ende nur die Idee und Wirkweise eines demokr atischen Verfassungsstaates mit seiner Verfassung im praktisch-institutionellen Sinne, dem Verfassungsrecht und der Verfassungsgerichtsbarkeit mit ihren charakteristischen Eigenschaften (z. B. dem Gerichtscharakter, den Rechtsprechungslinien u. a. m.) anführen.

(2) Auszeichnung für das Verstehen maßgeblicher Instrumente Sicherlich wird das Tableau der Motive nicht ausgeschöpft, wenn in der – scheinbar eindeutig zu erkennenden – Faktizität eines eindeutigen Wortlauts oder historischer Gegebenheiten113 der entscheidende Grund 111 Grdl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 75 ff., 100 ff., 143 ff. Die weiteren Entwicklungen zusammenfassend Borowski, Die rechtliche Abwägung, in: Lübbe / Grosse-Wilde (Hrsg.), Abwägung, 2022, S. 267 ff. Zur Kritik Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 222 ff.; Poscher, RW 1 (2010), S. 349 ff. 112 Siehe aber immerhin die empirisch ansetzenden Studien von Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, 2015; Kremnitzer / Steiner / Lang (Hrsg.), Proportionality in Action, 2020, und auch die überwiegend kritischen Rekonstruktionen in Lübbe / Grosse-Wilde (Hrsg.), Abwägung, 2022. 113 Der Umgang mit der Geschichte und den historischen Materialien kann sich sehr verschieden gestalten, wie die Vielzahl von Konzeptionen zeigen, die im Originalismus als Ausgangspunkt gewählt werden (s. die Nachw. auf S. 50 in Fn. 91). In der deutschsprachigen Diskussion stehen die Gesetzgebungsmaterialien im Mittelpunkt der Diskussion, s. Wischmeyer, Zwecke im Recht des Verfassungsstaates, 2015, S. 377 ff.; Frieling, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers, 2017; Sehl, Was will der Gesetzgeber?, 2019.

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gesehen wird, warum Instrumente, die diese Faktizität zu explizieren suchen, als maßgeblich für das interpretatorische Verstehen angesehen werden.114 Zweifel an Faktizität und Direktionskraft ergeben sich allerdings schon daraus, dass der Gebrauch jener Instrumente zu widerstreitenden Auslegungsergebnissen führen kann. Ergänzend genügt es an dieser Stelle, auf einige der durchgreifenden Bedenken gegenüber diesen Vorschlägen einzugehen: Bezüglich des Konzepts eines eindeutigen Wortlauts bedarf es keiner skeptischen Bedeutungstheorie, um zu zeigen, dass dieser Gedanke bei nicht trivialen Verstehensfragen einen Widerspruch in sich selbst darstellt. Denn auch ein klar und präzise formulierter Satz kann die Regeln seines Gebrauchs nicht abschließend festlegen. Werden der Entstehungskontext und die als selbstverständlich erachteten Anwendungssituationen in den Verstehensprozess einbezogen, so lässt sich vielmehr zeigen, wann und warum die eindeutige Bedeutung eines Satzes verloren geht. Historische Gegebenheiten stellen stets gedankliche Rekonstruktionen auf der Basis des Denkens, Wissens, Urteilens und der Erfahrung unserer Gegenwart dar. In diesem Sinne handelt es sich ausnahmslos um ahistorische Zuschreibungen, die genutzt werden, um hier und jetzt eine zeitlos gefasste Verfassungsnorm zu verstehen. Sicherlich entsteht dabei eine Art von Bindung. Diese Bindung lässt sich aber nicht aus der Bedeutung der Norm herleiten, sondern gründet in dem präferierten historischen Konstrukt. Eine Ausnahme wird man für die Intentionen der verfassungsgebenden Versammlung machen können. Doch dürfte es sich um einen seltenen Zufall handeln, dass der Verfassungsgeber über die Bedeutung einer Verfassungsnorm tatsächlich einmal in einer Weise nachgedacht hat, die weitere interpretatorische Bemühungen hinfällig macht. All dies stellt weder den Wert noch die Aussagekraft sorgfältiger historischer Quellenarbeit in Frage. Angesichts der oft spärlichen Tatsachen, auf denen eine Interpretation aufbauen kann, handelt es sich um eine wichtige Informationsquelle. Doch unabhängig davon, ob es überzeugende Gründe gibt, diese Quelle zur allein maßgeblichen Grundlage für das interpretatorische Verstehen einer Norm zu machen, dürfte die Arbeit in der Praxis immer wieder zu Ergebnissen führen, die weiterführender Interpretationen 114 Erfolgversprechender dürfte es deshalb sein, für eine möglichst empirisch gehaltvolle Entscheidungsgrundlage einzutreten („information-rich jurisprudence“), so Butler, The Democratic Constitution, 2017, S. 49 ff.; in diese Richtung, aber mit Blick auf die Bedeutung des Framings für die Entscheidungsfindung, Posner, N. Y. Uni. L. Rev. 73 (1998), S. 1, 11 ff.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

bedürfen und unterschiedliche Schlüsse auf das Gebotene erlauben. Insgesamt erweisen sich deshalb die instrumentellen Restriktionsbemühungen als unzulänglich, um die gestellte Aufgabe zu bewältigen.

bb) Inhaltlich-strukturelle Festlegungen Eingrenzungen, die bei inhaltlichen Aspekten ansetzen, sollen bestimmte Bereiche dem ordnend-reglementierenden Zugriff der Verfassungsgerichte entziehen. Mit der „political question doctrine“ und der „state action doctrine“ finden sich zwei anschauliche Beispiele dafür im US-amerikanischen Verfassungsrecht.115 Unter dem Grundgesetz wurde ein anderer Weg eingeschlagen. Es existieren keine bereichsbezogenen Enklaven. Jedes rechtserhebliche Geschehen muss sich an der Verfassung messen lassen. Eingeräumt werden dem Gesetzgeber und der Regierung allerdings Einschätzungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume. Sie betreffen einerseits die Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten und ihrer Entwicklung und andererseits den Ausgleich zwischen widerstreitenden Positionen, Interessen und Rechten. Ergänzt werden diese Spielräume um ein Konzept variierender bundesverfassungsgerichtlicher Kontrollintensität.116 Als Alternative dazu finden sich in der deutschsprachigen Literatur Vorschläge für thematische Begrenzungen. Meist wird dafür plädiert, die Beziehungen der Bürger:innen untereinander von verfassungsrechtlichen Vorgaben freizuzeichnen oder zumindest deren Eigenrationalität stärker zu berücksichtigen.117 Von einer inhaltlich-strukturellen Festlegung lässt sich darüber hinaus mit Blick auf konkurrierende Vorverständnisse sprechen. So zeitigt beispielsweise die Wahl eines der drei Grundrechtsmodelle  – also die Konzeptualisierung als Prinzipien, als Abwehrrechte oder als mehrdimensionale Gewährleistungen – spürbare Folgen für den Umgang mit 115 Näher zur „political question doctrine“ und ihrer Widersprüchlichkeit Harrison, Am. Uni. L. Rev. 67 (2017), S. 457 ff.; Stone / Seidman / Sunstein / Tushnet / Karlan, Constitutional Law, 8. Aufl. 2018, S. 137 ff.; zur „state action doctrine“ und ihrer Diffusität ebd., Kap. 9. 116 S. die Nachw. auf S. 51 f. in Fn. 96. 117 Bspw. Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, 1990, S. 67 ff.; Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, S. 215 ff., 219 ff.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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den Grundrechten, die sich gelegentlich unmittelbar auf die verfassungsrechtliche Beurteilung auswirken.118 Auch die Überlegung, nach sog. Sättigungspunkten Ausschau zu halten, lässt sich als Versuch einordnen, inhaltlich-strukturelle Festlegungen auszumachen. Sättigungspunkte markieren demzufolge ein Moment verfassungsgerichtlicher Übersteuerung, das sich dadurch auszeichnet, dass zu viele und zu detaillierte Vorgaben aus der Verfassung erschlossen wurden. Jedoch handelt es sich um ein diffiziles Werturteil, bei dem die Gefahr groß ist, Sättigung und inhaltliches Missfallen in eins zu setzen.119 Auf der Scheidelinie zwischen Struktur und Institution angesiedelt ist das Gebot richterlicher Zurückhaltung. Ob die gebotene Zurückhaltung gewahrt wird, ist stets aufs Neue zu beurteilen. Auch wenn sich das Gebot deshalb einer handhabbaren Operationalisierung entzieht, sollte man seinen über das Symbolisch-Rituelle hinausgehenden Gehalt für eine funktionierende Verfassungspraxis nicht unterschätzen.120 Denn diese Praxis baut gerade auf spezifischen Selbstverständnissen, Überzeugungen und Haltungen auf – nicht nur der Verfassungsrichter:innen, sondern auch der übrigen Akteur:innen, allen voran der Organwalter:innen der Verfassungsorgane. Wichtig ist insbesondere die Vorstellung, dass der Umgang mit der Verfassung und die Beurteilung anhand der Verfassung als eine Arbeit zu begreifen ist, die durch das Recht mit seinen vielfältigen Praxen und Verständnisweisen angeleitet wird und dadurch eine Differenz zum politischen Entscheidungsprozess darstellt.121

cc) Institutionelle Festlegungen Wird bei der Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit und ihrem Regelwerk angesetzt, um die Verfassungsinterpretation anzuleiten, vorhersehbar zu gestalten oder zu disziplinieren, ist für gewöhnlich eine einschneidende Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle das 118

Bumke, AöR 144 (2019), S. 1, 63 ff. Näher Schuppert / Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000, S. 63 f. 120 Näher Barak, The Judge in a Democracy, 2006, S. 263 ff.; Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 357 ff.; Voßkuhle, Europa, Demokratie, Verfassungsgerichte, 2021, S. 314 ff. 121 Dazu die Nachw. auf S. 96 f. in Fn. 89. 119

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Ziel.122 Mitunter soll sogar ihre institutionelle Unabhängigkeit beseitigt und die Verfassungsgerichtsbarkeit unter den Vorbehalt des Politischen gestellt werden. Ist eine Marginalisierung beabsichtigt, bietet es sich an, den Gerichtskörper zu vergrößern und zugleich qualifizierte Mehrheiten für eine gegen den Gesetzgeber oder die Regierung gerichtete Entscheidung zu verlangen. Doch führt dies zu einer Entfremdung, wenn nicht sogar zum Bruch mit der hiesigen verfassungsstaatlichen Familie. Noch im Kreis der Familienangehörigen lässt sich allerdings über die z. B. in der kanadischen Verfassung vorgesehene Möglichkeit nachdenken, dem demokratischen Gesetzgeber im Hinblick auf bestimmte verfassungsgerichtliche Judikate ein befristetes Vetorecht einzuräumen.123 Wird von einer solchen Befugnis nur mit Bedacht und auf der Basis gehaltvoller verfassungsrechtlicher Gründe Gebrauch gemacht, lässt sich das Instrument als Teil einer empfindlichen, weil leicht zerbrechlichen Ordnung aus „checks and balances“ einordnen. Der Offenheit der Verfassung lässt sich nicht entkommen. Sie hat ihre guten, aber auch beängstigenden Seiten. Sie macht den fruchtbaren Umgang mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen und elementarem Anschauungswandel möglich. Sie steht der Bindung an das von der Verfassung Gebotene nicht entgegen. Sie kann aber auch den Anfang eines Niedergangs bedeuten. Wichtig ist es angesichts dieser Ambivalenz, um die vielfältigen Bedingungen zu wissen, die zusammenkommen müssen, damit eine widerstandsfähige Verfassungspraxis zu existieren vermag.

III. Das Politische Die Lebensform des demokr atischen Verfassungsstaates prägt das Politische: die Sphäre der Politik mit ihren staatlichen Institutionen, den politischen Parteien und Gruppierungen einschließlich der politischen Debatten und Entscheidungen. Es geht um Entpolitisierung mit dem Ziel, politische Macht zu begrenzen und so zu kanalisieren, dass sie in einem institutionell fundierten Geflecht rechtlicher Praktiken und Entscheidungen aufgeht.124 Der Umfang der Entpolitisierung wird in der 122

Näher die Nachw. auf S. 93 in Fn. 80. Näher oben S. 66. 124 Einen Überblick über die Diskussionen bieten Meiering / Schäfer, (Ent-)Polisierung, in: dies. (Hrsg.), (Ent-)Politisierung?, 2020, S. 11 ff.; die hier entwickelte 123

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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Verfassung festgeschrieben. Die konkrete Reichweite der Entpolitisierung ist Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, verfassungsinterpretatorischer Bemühungen und allgemeiner, aber auch justizspezifischer politischer Debatten. Mit Blick auf die Verfassungstheorie wird man einerseits wissen wollen, welche Funktionen das Verfassungsrecht in diesem Zusammenhang erfüllt, und andererseits den Vor- und Nachteilen nachgehen müssen, die mit der Entpolitisierung für den demokr atischen Verfassungsstaat verbunden sind.

1. Eigenständigkeit des Verfassungsrechts Die Unterscheidung zwischen der Verfassungspraxis, der Verfassungsurkunde und dem Verfassungsrecht erlaubt es, die Eigenständigkeit des Verfassungsrechts als eine zentrale Leistung des demokr atischen Verfassungsstaates besser zu verstehen. Gelingt es, das Verfassungsrecht als ein dem Anspruch nach vom Politischen unabhängiges Phänomen zu etablieren, anhand dessen in konkreten gerichtlichen Verfahren politische Maßnahmen überprüft werden, vermag der demokr atische Verfassungsstaat nämlich ein einmaliges Kunststück zu vollbringen: die partielle Domestizierung des Politischen.125 Das Verfassungsrecht als eigenständiges, gegenüber dem Politischen verselbständigtes Phänomen speist sich dabei aus drei Quellen.

a) Vorrang und Vorbehalt der Verfassung Die erste Quelle bildet der Gedanke des Vorrangs und des Vorbehalts der Verfassung. Er begründet die Maßgeblichkeit und Maßstäblichkeit Sicht baut maßgeblich auf Wood / Flinders, Policy & Politics 42 (2014), S. 151 ff., auf. S. f. Fawcett u. a. (Hrsg.), Anti-politics, Depoliticization, and Governance, 2017; Schmidt-Gleim / Smilova / Wiesner (Hrsg.), Democratic Crisis Revisited, 2022. Das bedeutet nicht, dass die Politik zu einer Art Spielball des Rechts wird. Die Politik kann ein starkes Interesse an einer wirksamen Verfassungsgerichtsbarkeit haben, vgl. Garber, Annu. Rev. Pol. Sci. 8 (2005), S. 425 ff.; zur Möglichkeit einer (Re-)Politisierung Wiesner (Hrsg.), Rethinking Politicisation in Politics, Sociology and International Relations, 2021, S. 20 ff. 125 Näher anhand mehrerer Fallstudien Roux, The Politico-Legal Dynamics of Judicial Review, 2018, S. 296 ff.; s. f. Enzmann, Der demokratische Verfassungsstaat, 2009, Kap. II.

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des Verfassungsrechts und die Selbstbezüglichkeit der Rechtsordnung, die sich mit Niklas Luhmann als „operative Schließung des Rechtssystems“ beschreiben lässt.126 Maßgeblichkeit, Maßstäblichkeit und Selbstbezüglichkeit führen dazu, dass die Verfassung auch in schweren politischen Krisen ihren umfassenden Ordnungs- und Beurteilungsanspruch behält, also kein politischer Ausnahmezustand eintreten kann, in dem die Verfassung vollständig dispensiert wird.127 Denkbar ist indes, dass die Verfassung einen rechtlichen Ausnahmezustand kennt. Im demokratischen Verfassungsstaat liegt darin jedoch kein an die Politik adressierter Freibrief für beliebiges und verfassungsgerichtlich unkontrolliertes Handeln. In außergewöhnlichen Konstellationen – wie beispielsweise dem Transformationsprozess einer alten Ordnung in einen demokratischen Verfassungsstaat – lassen sich Verfassungsverletzungen mit einem Gedanken rechtfertigen, den das Bundesverfassungsgericht in der frühen Bundesrepublik entwickelt hat. Dabei geht es um Konstellationen, in denen die Verletzung einen Zustand herbeiführt, der näher an der Verfassung ist als der bisherige, sofern deren vollständige rechtsförmige Verwirklichung noch nicht möglich ist.128 Die Selbstbezüglichkeit der Rechtsordnung resultiert daraus, dass die Verfassung die Regeln für die Erzeugung von Recht einschließlich der Änderung der Verfassung festlegt, darüber hinaus ihren Vorrang gegenüber allen Rechtsakten statuiert und schließlich den Anspruch erhebt,

126

Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 38 ff.; Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 289 ff.; ders., VVDStRL 5 (1929), S. 30, 31 ff., 53 ff. Zu den gedanklichen Vorläufern zählen bspw. in prägnanter Verdichtung Reichensperger, Redebeitrag, in: Schriftführer-Amt der ständigen Deputation (Hrsg.), Verhandlungen des Dritten Deutschen Juristentages, 1863, S. 25, 30, unter Verweis auf Josef Story (wohl Story, Commentaries on the Constitution of the United States, Bd. 1, 5. Aufl. 1891, S. 285, s. f. S. 276 ff.; ders., Commentaries on the Constitution of the United States, Bd. 2, 5. Aufl. 1891, S. 393 f.: über den Gesetzescharakter der Verfassung und verfassungsgerichtliche Kontrolle; die Grundüberlegungen finden sich bereits in der US-Supreme Court-Entscheidung, Marbury v. Madison 5 US 137 (1803), S. 176 ff.). 127 Aus jüngerer Zeit mit sehr unterschiedlichen Akzentsetzungen Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, Kap. 11; Finke, Krisen, 2020; Kaiser, Ausnahmeverfassungsrecht, 2020; Barczak, Der nervöse Staat, 2. Aufl. 2021. 128 Näher Harms, Verfassungsrecht in Umbruchsituationen, 1999; Grigoleit, Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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alle Herrschaftsausübung an das Verfassungsrecht zu binden. Auf dieser Grundlage lässt sich eine Praxis errichten, deren Akteur:innen das Recht als eine sich selbst erzeugende und beurteilende Ordnung verstehen, diesem Grundverständnis gemäß mit dem Recht umgehen und sich in ihm bewegen. Die Verfassung erhebt dabei einen umfassenden Maßstabsanspruch: Bezüglich aller Geschehnisse im demokr atischen Verfassungsstaat lässt sich nach ihrer Verfassungsmäßigkeit fragen. Eingelöst werden Vorrang und Vorbehalt der Verfassung durch eine institutionell gefestigte Praxis aus Verfassungsgericht, den übrigen Verfassungsorganen, den übrigen Gerichtsbarkeiten und einer Bürokratie, die das Verfassungsrecht entfaltet, anwendet und beachtet. Diese Praxis drückt sich im stetigen Anwachsen des Korpus des Verfassungsrechts aus.

b) Verfassungsrechtlicher Anleitungsanspruch gegenüber der Politik Die zweite Quelle, aus der die verfassungsrechtliche Eigenständigkeit entspringt, gründet in den diffizilen Beziehungen zwischen Recht und Politik. Den Ausgangspunkt bilden die Gedanken demokratischer Selbstbestimmung, bürokratischer Herrschaft und politischer Führung. Das Gesetz als rechtliche Handlungsform ist das allzeit und allseits einsetzbare Instrument, um politische Vorstellungen zu verwirklichen und bürokratisches Handeln anzuleiten. Recht ist insoweit Instrument der Politik. Im liberalen demokratischen Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit wandelt sich diese Beziehung allerdings. Das Gesetz bleibt zwar ein zentrales politisches Steuerungsmittel, mit dessen Hilfe politische Mehrheiten ihre Vorstellungen über das gesellschaftliche Zusammenleben allseits verbindlich statuieren können. Mit der Errichtung einer Verfassung und dem anwachsenden verfassungsrechtlichen Korpus erhält die Politik aber zugleich einen Rahmen, der nicht nur die Einrichtung staatlicher Organe und die Gestaltung der Verfahren betrifft, sondern inhaltliche Vorstellungen aus dem Raum des Politischen in das Recht transferiert und zum Gegenstand rechtlicher Verstehensbemühungen macht. Das Verfassungsrecht soll die Politik anleiten.129 Das ist ein 129 S. nur Schuppert, Staatswissenschaft, 2003, Teil 5; Huber, Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik im europäischen Rechtsraum, in: Bogdandy / Grabenwarter / Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, 2021, S. 709. S. f. die Nachw. auf S. 110 f. in Fn. 124.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

hoher Anspruch, der sich ohne ein praktisch wirksames Rückgrat schnell zu einer bloßen Illusion verflüchtigt. Verschiedene institutionelle Momente müssen zusammenkommen, damit der Herrschaftsanspruch des Verfassungsrechts auch gesellschaftliche Realität werden kann. Es bedarf einer Einrichtung, die als Gericht organisiert und für die Interpretation und Anwendung des Verfassungsrechts zuständig ist. Da sich das Verfassungsrecht wie jedes andere Recht verstehen und bearbeiten lässt, vermag ein gerichtsförmiges Verfahren eine Unterscheidung zwischen Politik und Recht zu erzeugen. Denn das Politische muss in die Kategorien des Verfassungsrechts und der juristischen Argumentation transformiert werden, um sich im Verfassungsrecht niederzuschlagen. Genauso wichtig ist eine politische Praxis – allen voran der Verfassungsorgane, der bürokratischen Führung, aber auch der öffentlichen Meinung –, welche sich trotz aller, mitunter heftigster Kritik an die Verfassung gebunden begreift und deshalb das Verfassungsrecht zumindest im Grundsatz beachtet.130 Die Verfassung schließt sich jedoch nicht vollständig gegenüber dem Politischen ab. Mit dem Institut der Verfassungsänderung sieht sie einen rechtlich vorgegebenen Weg vor, verfassungsrechtliche Fragen zu politisieren oder politische Streitigkeiten zu entpolitisieren.131 Die Hürden, die für eine Verfassungsänderung überwunden werden müssen, markieren nicht nur die Differenz zur gewöhnlichen politischen Gesetzgebung, sondern sie legen – jedenfalls vonseiten des Rechts – auch die Formen der Politisierung fest. Sind die Hürden zu niedrig, steht das Verfassungsrecht unter dem Vorbehalt des Politischen. Verfassungsordnungen sind in diesem Fall eine Spielart des politischen Konstitutionalismus.132 Sind die Hürden dagegen zu hoch, droht eine partielle Entnormativierung der Verfassung. Auf die eine oder andere Weise werden in diesem Fall Bestandteile der Verfassung nicht mehr als verbindlich erachtet. Darüber hinaus kann die Gestaltung der Hürden auch die Formen der Politisierung beeinflussen. 130 Zur großen Bedeutung „weicher“ Faktoren im Unterschied zum institutionellen Setting Bugarič, Populist Constitutionalism, in: Krygier / Czarnota / Sadurski (Hrsg.), Anti-Constitutional Populism, 2022, S. 27, 51 ff.; s. f. Barak, The Judge in a Democracy, 2006, S. 101 ff.; Clark, The Supreme Court, 2019; dem Aspekt des Vertrauens und der Vertrauenserzeugung geht Schaal, Vertrauen, Verfassung und Demokratie, 2004, nach. Zum wichtigen Moment der Akzeptanz Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 93 Rn. 34 m. w. N.; s. f. Lembcke, Hüter der Verfassung, 2007, S. 167 ff., 303 ff. 131 S. die Nachw. auf S. 110 f. in Fn. 124. 132 S. Fn. 47 auf S. 39.

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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Setzen sie beispielsweise gewöhnlich eine Einbeziehung der politischen Opposition voraus, zwingen sie die politische Auseinandersetzung zum Kompromiss. Die Verfassung kann einzelne ihrer Bestandteile dem Zugriff der verfassungsändernden Gewalt entziehen. Art. 79 Abs. 3 GG steht paradigmatisch dafür. Ob auch ohne eine ausdrückliche Regel jede Verfassung einen änderungsfesten Kern besitzt, ist eine Frage, die unterschiedlich beantwortet, meist jedoch verneint wird.133 Nach den bisherigen Erkundungen kommt ein solcher Gedanke nur im Rahmen des rechtlichen Konstitutionalismus in Betracht. Aber auch dort ist es nicht möglich, aus der Verfassung selbst – sei es aus der institutionellen Praxis, der Urkunde oder dem Verfassungsrecht – auf eine entsprechende inhärente Grenze zu schließen.134 Vergegenwärtigt man sich seinen verständnisleitenden Charakter, lässt sich allenfalls die funktional-konzeptionelle Notwendigkeit eines solchen Gebots als Element des demokr atischen Verfassungsstaates erweisen. So könnte man ein Gebot, die Verfassungsidentität zu wahren (Wahrungsgebot), aus dem Gedanken der Verfassungsbindung der Politik ableiten – aus einem Gedanken also, der für das in Rede stehende verfassungsstaatliche Konzept gerade prägend ist. Doch womöglich ließe sich die Verfassungsbindung auch mit einem gegenteiligen Schluss vereinbaren? Selbst bei restriktiver Handhabung kann sich ein Wahrungsgebot über die Zeit zu einem immer engeren Korsett entwickeln. Die interpretatorische Tätigkeit droht dann politisiert zu werden.135 Um dies zu verhindern, bedarf es eines Ventils. Ulrich Scheuner hat das mit Blick auf das Grundgesetz früh erkannt und Art. 146 GG (a. F.) in diesem 133 Bejahend Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 102 ff. In der Praxis der Verfassungsgerichte steht die Entscheidung des Supreme Court of India, Kesavananda Bharati v. State of Kerala, AIR 1973 SC 1461, am Anfang eines solchen Gedankens. Näher zu diesem Konzept Krishnaswamy, Democracy and Constitutionalism in India, 2009. Als Beispiel konstitutioneller Revolution gehen Jacobsohn / Roznai, Constitutional Revolution, 2020, der Entwicklung in Indien nach. Weitere Verfassungsgerichte haben diesen Gedanken aufgegriffen, s. dazu näher Roznai, The Straw that Broke the Constitution’s Back, in: Linares-Cantillo / ValdiviesoLeón / García-Jaramillo (Hrsg.), Constitutionalism, 2021, S. 147, 148 m. w. N. 134 In diesem Sinne aber bspw. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, 1953, S. 101 ff.; Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, 2003, S. 274 ff. 135 Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 57 ff. Wird die Frage nach den Integrationsgrenzen in der EU ausgeklammert, dürfte die Gefahr der Versteinerung aber nicht allzu groß sein. Überdies dürften sich die meisten Fragen im Wege sich wandelnder Interpretationen bewältigen lassen.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Sinne gedeutet.136 Spätestens seit der Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird die Frage in Deutschland unter dem Stichwort der Verfassungsablösung nach Art. 146 GG (n. F.) breiter diskutiert.137 Die Beobachtungen legen es nahe, Wahrungsgebot und Ventilgedanken – also Kern und Grenze – zusammen zu denken, um ein Übermaß an rigider Verfassungsbindung zu verhindern, ohne den Bindungsgedanken zugunsten des Politischen aufgeben zu müssen. In dieser Kombination fügt sich beides in das Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates ein.

c) Ausschluss außerverfassungsrechtlicher Legitimation Die dritte Quelle, aus der sich die Eigenständigkeit des Verfassungsrechts speist, hängt mit dem Paradox des Konstitutionalismus zusammen, dass nach der Gründungsgeneration keine spätere Generation befugt ist, über die Verfassung in ihrer Gesamtheit zu disponieren, es also mit anderen Worten zu einer Herrschaft der Toten über die Lebenden kommt.138 In der Folge ist die Frage nach der Legitimation staatlicher Herrschaft und gesellschaftlicher Macht allein anhand der Verfassung zu beantworten. Durch die Unterscheidung zwischen verfassungsgebender und verfassungsgebundener Gewalt wird es möglich, zwischen der im Recht des demokr atischen Verfassungsstaates verhandelbaren Frage nach der Legitimation eines staatlichen Aktes und der ihm vorausliegenden, unspezifischen Frage nach der Rechtfertigung des Gemeinwesens zu unterscheiden. Das Legitimationsthema gewinnt so eine konkrete, rechtlich fassbare Gestalt und wird zu einer inhärenten Operation der Verfassungsordnung. Das notwendige Maß demokratischer Legitimation und rechtsstaatlicher Verfasstheit bemisst sich dann allein nach Maßgabe der Verfassung. Möglich macht dies die Existenz eines außerhalb des demokr atischen Verfassungsstaates zu denkenden Subjekts – die verfassungsgebende Gewalt des Volkes. Dieses Subjekt lässt sich innerhalb 136

Scheuner, DÖV 1953, S. 581, 584. Konzepte der Verfassungsablösung entwickeln bspw. Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 78 ff.; Michael, in: Bonner Kommentar GG, Art. 146 Rn. 432 ff.; Eggert, Verfassungsablösung, 2021, S. 132 ff. 138 Näher Loughlin / Walker, Introduction, in: dies. (Hrsg.), The Paradox of Constitutionalism, 2007, S. 1 ff.; Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 28 ff. 137

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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des demokr atischen Verfassungsstaates nicht hinterfragen, da in ihm nur verfassungsgebundene Gewalt existiert.139 An diesem Punkt wiederholt sich die Frage nach der Abschottung des Rechts gegenüber dem Politischen; der Ventilgedanke wandelt sich zur Frage nach der Ablösbarkeit der bestehenden Verfassung durch eine neue. Im Mittelpunkt stehen dann Verfahrensfragen. Unter welchen Voraussetzungen darf eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden und welche Anforderungen sind an die Verabschiedung einer neuen Verfassung zu stellen? Der heutige Goldstandard besteht wohl darin, dass es sowohl zur Eröffnung als auch zum Abschluss des Verfassungsgebungsprozesses einer Abstimmung der Bürger:innen bedarf. Die Realität weltweit wich und weicht davon mal mehr und mal minder ab.140 Der theoretisch entscheidende Punkt betrifft die Gestaltungsmacht des Politischen. In diesem Zusammenhang wird auf die verfassungsgebende Gewalt des Volkes verwiesen. Doch wird sich noch zeigen, dass sich diese Gewalt nur als Element des demokr atischen Verfassungsstaates begreifen lässt.141 Die Frage nach den politischen Gestaltungsspielräumen im Prozess der Verfassungsgebung bemisst sich demzufolge nach dem jeweiligen Typus des demokratischen Verfassungsstaates. Umfasst sind grundsäztlich ebenso Spielarten des rechtlichen wie des politischen Konstitutionalismus. Auch Letzterer gründet auf der Gleichursprünglichkeit von kollektiver und individueller Selbstbestimmung. Doch vertraut er auf die unsichtbare Hand der politischen Kräfte bei der Wahrung einer fairen demokratischen Ordnung sowie auf ein ausreichendes Maß an Diskriminierungsschutz für Einzelne und Minderheiten. Damit steht dann aber gerade das hiesige Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates zur Disposition. Keine angenehme Aussicht für jene, die – wie der Autor – nicht daran glauben mögen, dass der politische Konstitutionalismus Ausdruck besonderer politischer Reife oder wahrer demokratischer Selbstbestimmung ist.

139 140 141

Dieses Thema wird unten auf S. 127 ff. noch einmal aufgegriffen. S. die Nachw. auf S. 92 in Fn. 76. Näher unten S. 132 ff.

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

d) Funktionen des Verfassungsrechts Der Text der Verfassung bildet den Ausgangs- und Endpunkt aller verfassungsrechtlichen Überlegungen. Er ist Teil der Verfassungsrechtspraxis. Gelingt diese Praxis, etabliert sich eine Verfassung im praktischinstitutionellen Sinne. Wird in diesem Prozess das Politische mithilfe des Verfassungsrechts überformt, so ist ein Grundmechanismus des demokr atischen Verfassungsstaates in Gang gesetzt. Kontingenz und Offenheit sind charakteristische Merkmale demokratischer Politik. Ausgehend von der Verfassungsurkunde soll das Verfassungsrecht einerseits einen möglichst großen, pluralen Raum für widerstreitende Interessen und Positionen gewährleisten und andererseits eine adäquate Organisation ermöglichen, Verfahrensregeln bereitstellen und (Rechts-)Macht zuweisen. Auf diesem verfassungsrechtlich abgesteckten Feld trifft – wenn alles gut geht – die Politik kollektive Entscheidungen, welche politische Überzeugungen verwirklichen, das Gemeinwohl fördern, die Grundrechte der Bürger:innen achten und ein Mindestmaß an Rationalität aufweisen. Bei alledem soll das Verfassungsrecht mittels inhaltlicher Festlegungen den zerstörerischen Momenten des Politischen begegnen, insbesondere der Gefahr, dass die politische Offenheit durch autoritäre Festschreibungen beseitigt wird. Worin aber unterscheidet sich die verfassungsrechtliche Festlegung von demokratiefeindlichen Politikfestschreibungen? Meines Erachtens weisen sowohl das zugrundeliegende Selbstverständnis als auch die gehegten Intentionen in gegenläufige Richtungen: Das Verfassungsrecht geht aus einem konkreten Streit hervor, der vor einem Gericht geführt wird, das diesen in der Rolle eines neutralen Dritten anhand der Verfassung entscheidet. Der Maßstab der Entscheidung setzt die Rückführbarkeit auf ein treffendes Verständnis des Verfassungstextes voraus. Er muss mit den bislang entwickelten Grundvorstellungen des demokr atischen Verfassungsstaates vereinbar sein und soll sich – sofern keine besonderen Gründe vorliegen, davon abzuweichen – in die bestehende verfassungsgerichtliche Entscheidungspraxis einfügen. Dazu gehört insbesondere die Intention, individuelle und kollektive Selbstbestimmung nach Maßgabe der Verfassung und unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung des Verfassungsrechts zu wahren. Darüber hinaus muss sich das Verfassungsrecht in der Verfassungsrechtspraxis bewähren und hat sich schließlich auch der verfassungspolitischen Kritik zu stellen. Die interpretatorische Arbeit beansprucht dabei, den Anforderungen an juristische

B. Grundzüge einer Verfassungstheorie

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Argumentation, allgemeine Rechtsanwendungsarbeit und Rechtsdogmatik zu genügen. Das Verfassungsrecht kann das aufgegebene Selbstverständnis und die gebotene Intention verfehlen. Es existiert kein Verfahren, um verlässlich zu entscheiden, ob eine Regel des Verfassungsrechts den skizzierten Anforderungen genügt. Doch zwischen sicherem Wissen und persönlicher Wertschätzung liegt ein weiter Bereich überzeugender und weniger überzeugender Beurteilungen und Plausibilisierungen. Im Gegensatz dazu intendieren demokratiefeindliche Politikfestschreibungen, das Plurale und Andere als Fremdes auszugrenzen. Es wird eine apolitische Homogenität der Bürger:innen bemüht, ein Volk als kollektive Einheit imaginiert. Innerhalb dieses Volkes sollen politische Gegensätze überwunden sein. Individuelle Selbstbestimmung und Minderheitenschutz stehen unter dem Vorbehalt des Politischen und einer irgendwie gearteten substantiellen Homogenität. Ein weiteres Ziel solcher Festschreibungen besteht gewöhnlich darin, künftige demokratische Machtwechsel zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.142

2. Entpolitisierung und Repolitisierung der Verfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit a) Verfassungsgerichtsbarkeit als eigenständige Form der Entpolitisierung Verfassungsrecht ist politisches Recht. Ein unabhängiges Verfassungsgericht ist ein politischer Akteur. Doch die Logik des Politischen ist im demokr atischen Verfassungsstaat mit seiner unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit durchbrochen, sofern es gelingt, eine gesellschaftlich relevante Differenz zwischen Politik und Recht zu etablieren.143 Aus 142 Näher die Nachw. auf S. 20 f. in Fn. 6 (mit Blick auf Polen und Ungarn) und allgemein Fn. 32 auf S. 34. 143 Zur Einordnung des Verfassungsgerichts als politischer Akteur Engst, The Two Faces of Judicial Power, 2021; als eine Art dritte Kammer im Gesetzgebungsprozess bzw. Vetospieler Volcansek, Eu. J. Pol. Res. 39 (2001), S. 347 ff.; Tsebelis, Veto Players, 2002; Brodocz, Die Macht der Judikative, 2009, S. 13 ff.; Brouard / Hönnige, Eu. J. Pol. Res., 2017, S. 1 ff. S. f. die lehrreiche Studie von Clark, The Supreme Court, 2019. Zum Zusammenspiel zwischen Politik und Verfassungsgericht Garber, Stud. Am. Pol. Dev. 7 (1993), S. 35 ff.; Landau, Courts and support structures, in: Delaney / Dixon (Hrsg.), Comparative Judicial Review, 2018,

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Sicht der Politik lässt sich die Etablierung dieser Differenz als Entpolitisierung beschreiben.144 Eine nähere Charakterisierung fällt allerdings schwer, denn Formen der Entpolitisierung und ihre Gründe variieren beträchtlich. Oft werden politisch unabhängige Organisationen oder Verfahren geschaffen, die an die Stelle herkömmlicher politischer Entscheidungsprozesse in Verwaltung, Regierung und Gesetzgebung treten. Die Bandbreite der dahinterstehenden politischen Motive lässt sich im Wesentlichen auf drei Gründe zurückführen. Den ersten – strategischen oder aus dem Gebot rationaler Herrschaftsausübung resultierenden – Grund bilden Sachgesetzlichkeiten und Expertenwissen.145 Viele Gegebenheiten, Zusammenhänge und künftige Verläufe lassen sich mit unserem Alltagsverständnis nicht adäquat erfassen und beurteilen. Um mit ihnen in rationaler, also für andere nachvollziehbarer und möglichst verlässlicher Weise umzugehen, bedarf es eines sachlich spezifizierten, oft mittels wissenschaftlicher Praxen entwickelten Wissens. Die darauf gestützten Entscheidungen bleiben Ausdruck politischer Bewertungen. Doch neigt die Politik mitunter dazu, sich der bleibenden Entscheidungsverantwortung unter Verweis auf (vermeintliche) Sachgesetzlichkeiten und Expertise zu entziehen.146 Der zweite Grund zielt darauf, Sachbereiche aufgrund ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung vor kurzfristigen Politikentscheidungen zu bewahren. Zu diesem Zweck werden Organisationen eingerichtet, die persönlich und sachlich von der Regierung unabhängig sind. Die praktisch wichtigsten Institutionen dieser Art sind wohl die nationalen und internationalen Zentralbanken.147 Den dritten Grund für die EinS. 226 ff. (der Relevanz des politisch-institutionellen Raumes nachgehend); Glatzmeier, Gerichte als politische Akteure, 2019. 144 Zum Phänomen bzw. Konzept der Entpolitisierung s. die Nachw. auf S. 110 f. in Fn. 124. 145 Näher statt aller Münkler, Expertokratie, 2020, S. 12 ff., 643 ff. 146 Dazu noch einmal Münkler, Expertokratie, 2020, S. 186 ff., 383 ff. 147 Zur Unabhängigkeit als Mechanismus, um Distanz zur Politik herzustellen, s. die zusammenfassenden Überlegungen bei La Spina, Afterword: The need for independent regulatory authorities in the perspective of contemporary constitutionalism, in: Iancu / Tănăsescu (Hrsg.), Governance and Constitutionalism, 2019, S. 191 ff.; Meinel, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, unabhängige Agenturen, ministerialfreie Räume, in: Kahl / Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2022, § 61 Rn. 14 ff., 21 ff., 33 ff., und mit Blick auf Zentralbanken Lastra, The institutional path of central banking independence, in: Conti-Brown / Lastra (Hrsg.), Research Handbook on Central Banking, 2018, S. 296 ff.; ausführlich sowohl im Allgemeinen wie mit Blick auf die Zentralbanken Tucker, Unelected Power, 2018, S. 92 ff., 147 ff., 391 ff.

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führung unabhängiger Kontrollinstanzen innerhalb politischer Einrichtungen bildet die Gewaltenteilung in Form von „checks and balances“.148 Diese Kontrolle kann unterschiedlich ausgerichtet sein. Sie kann dazu dienen, außerrechtliche Maßstäbe wie einen sorgfältigen Umgang mit finanziellen Mitteln zu revidieren oder besondere Aufmerksamkeit zu schaffen, etwa für verletzliche Personengruppen oder behördliche Missstände. Wo in diesem Raum von Möglichkeiten ist die Verfassungsgerichtsbarkeit situiert? Viele Stimmen der angloamerikanischen Diskussion sehen in ihr eine Entpolitisierung aus Gründen spezifischer Expertise.149 Sind die Richter:innen der Verfassungsgerichte nicht in besonderer Weise prädestiniert, die Verfassung auszulegen und das von ihr Gebotene zu verstehen? Ganz allein kann das die Verfassungsgerichtsbarkeit wohl nicht erklären. Denn zunächst einmal verfügen auch die übrigen Verfassungsorgane über ausgezeichnete Verfassungsjurist:innen. Der entscheidende Einwand ergibt sich jedoch daraus, dass kein genuin wissenschaftlicher Umgang mit interpretatorischen Fragen möglich ist. Keine wissenschaftliche Methode ermöglicht es, das von der Verfassung Gebotene verlässlicher zu verstehen als ein Verständnis, welches sich auf die in der Praxis gebräuchlichen Methoden und Praktiken stützt. Rechtliche Verstehensprozesse sind deshalb auch außerhalb des Verfassungsrechts oft unsicher und offen. Schon aus diesem Grund bedarf es besonderer Einrichtungen, die im Streitfall darüber entscheiden, was das Recht gebietet. Der demokr atische Verfassungsstaat baut auf der Unterscheidung von Recht und Politik auf. Das Verfassungsgericht soll die Unterscheidung praktisch einlösen und dazu beitragen, dass sich unter Einbeziehung der maßgeblichen politischen Akteur:innen eine Verfassungsrechtspraxis etabliert, in der das Politische durch das Verfassungsrecht eingehegt und punktuell dirigiert wird. Die verfassungsgerichtliche Entpolitisierung zählt zu den tragenden Säulen der politischen Ordnung eines spezifischen Typus des demokratischen Verfassungsstaates. Es handelt sich demnach um eine eigenständige, vierte Form der Entpolitisierung, die sich nicht auf die herkömmlicherweise diskutierten Gründe zurückführen lässt.150

148

Näher statt aller Tushnet, The New Fourth Branch, 2021. Näher Harel, Wozu Recht?, 2018, S. 179 ff.; Münkler, Expertokratie, 2020, S. 623 ff. 150 Grdl. zu einer solchen Sichtweise Robertson, The Judge as Political Theorist, 2010, wobei seine Verortung als vierte Gewalt hier nicht geteilt wird. 149

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

b) Fragwürdigkeit verfassungsgerichtlicher Entpolitisierung Entpolitisierung mittels Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit stößt nicht selten auf Kritik. Soweit dabei auf den Gedanken demokratischer Selbstbestimmung oder ein adäquates Konzept des demokratischen Verfassungsstaats rekurriert wird, ist sogleich auf sie zurückzukommen. Kritik, die am Konzept des Politischen anknüpft, wird im nächsten Abschnitt unter c) thematisiert. Vorbehalte dieser Provenienz setzen bei der Institution selbst an und verwerfen am Ende das Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates in seiner Gesamtheit. Eine solche Grundsatzkritik kann sich als produktiv erweisen, indem sie auf blinde Stellen von Konzeptualisierungsversuchen aufmerksam macht  – mehr lässt sich daraus aber, so viel sei schon gesagt, für das Nachdenken über den demokr atischen Verfassungsstaat nicht gewinnen. Im Bemühen um eine adäquate Konzeptualisierung und als Thema der Verfassungstheorie wird man demgegenüber fragen müssen, ob der verfassungsgerichtlichen Entpolitisierungslogik nicht eine inhärente Gefahr für das Politische innewohnt. Es geht um das Ausgreifen und Anwachsen sowie die kontinuierliche Verfeinerung und Verdichtung des Verfassungsrechts.151 Immer weitere und nicht unbedingt neue Fragen, die politischer Natur waren, werden auf diese Weise in verfassungsrechtliche Probleme transformiert. Ein lehrreiches Beispiel für einen solchen Vorgang bietet die Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG. Während zu Beginn der 1950er Jahre selbst eine rudimentäre Willkürkontrolle des Gesetzgebers noch Anlass für grundsätzliche Debatten über Legitimation und Reichweite verfassungsgerichtlicher Kontrolle war, zählen Verhältnismäßigkeits- und Folgerichtigkeitsprüfung heutzutage zum selbstverständlichen Kontrollinstrumentarium des Art. 3 Abs. 1 GG.152 Gerade weil es – meines Erachtens – gute Gründe für die intensivierte Kontrolle gibt, lässt sich das Problem nicht als Ausdruck mangelhafter interpretatorischer Bemühungen beiseitelegen. Es vergrößert sich nochmals, weil es keine „natürliche“ Grenze für den Konstitutionalisierungsprozess gibt. Verfassungsrecht entwickelt sich in oft kleinen, mitunter aber auch in großen, sprunghaften Schritten. Stets bedarf es der Anbindung an die Verfassung und einer Einbindung des neuen in das schon bestehende Ver151

S. nur Schuppert/Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000. Näher zur Entwicklung der Kontrollmaßstäbe Kingreen, in: Bonner Kommentar GG, Art. 3 Rn. 321 ff. 152

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fassungsrecht. Gerade die Berücksichtigung dieser Erfordernisse erlaubt dann wieder weitere Ausweitung und Verdichtung. Strukturell ähnelt der Vorgang einem vagen Begriff, bei dem sich – wie beim Verfassungsrecht – aus dem Vergleich der einzelnen Anwendungsfälle keine Grenze ergibt. Statt gerichtlicher Falllogik bedarf es gezielter Festsetzungen, um den Entpolitisierungsprozess zu unterbrechen. Ohne diese Unterbrechungen führt die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung in ein Entpolitisierungsdilemma: Wie ist es auf Dauer möglich, ein „Eigenrecht“ des Politischen zu wahren, ohne die Idee der Verfassungsbindung aufzugeben? Auf der konzeptionellen Ebene eröffnet die Differenz zwischen Verfassungstext und Verfassungsrecht einen Raum, Grenzen des Verfassungsrechts zu postulieren und zugleich auf der Bindung des Politischen an die Verfassung zu bestehen. Die Verfassungsurkunde mit ihren Normen lässt sich klar vom Verfassungsrecht und entsprechenden interpretatorischen Verstehensbemühungen unterscheiden. Die Politik hat sich dem Verfassungstext verschrieben und soll das Verfassungsrecht beachten. Doch über das Verständnis dieses Verfassungsrechts lässt sich streiten. Auf der pragmatischen Ebene gewinnen thematisch gezogene Grenzen verfassungsgerichtlicher Kontrolle – wie beispielsweise die „political question doctrine“ – an Attraktivität. Obwohl ihre Handhabung sperrig ist und sie in konkreten Streitfällen nur begrenzt dirigierende Wirkung entfalten, dürften solche Grenzen der Entpolitisierungsdynamik aufgrund ihrer thematisch-abstrakten Ausrichtung besser entgegenwirken, als es anzuerkennende Entscheidungsspielräume oder Bemühungen um eine präzise inhaltliche Maßstabsbildung tun.

c) Hoffnungen und Sorgen einer (Re-)Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit Die Hoffnungen und Sorgen einer (Re-)Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit sind zu einem Gutteil durch theoretische Vorannahmen geprägt. Sieht man im demokr atischen Verfassungsstaat eine gelungene Form und Ordnung einer Gesellschaft, die auf der Unterscheidung zwischen Recht und Politik aufbaut, werden eher liberal-deliberative als radikal-majoritäre Elemente in der Demokratie geschätzt; glaubt man nicht daran, dass das Wesen des Politischen im unüberbrückbaren Konflikt liegt, bei dem eine Seite gewinnt und die andere alles verliert, dominieren gegenüber einer (Re-)Politisierung der Verfassungs-

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

gerichtsbarkeit hingegen Skepsis und Unbehagen. Umgekehrt werden Hoffnungen auf sie gerichtet sein, wenn die Unterscheidung zwischen Recht und Politik für illusionär, das Verfassungsgericht als undemokratisch und vor allem das Politische im antagonistischen Machtkampf gesehen wird.153 Ein Weg, um zu einer Beurteilung zu gelangen, die nicht allein vom Vorverständnis bestimmt wird, könnte darin liegen, Fragen zu betrachten, welche die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung betreffen. Zwei elementare Aspekte, die im Folgenden herausgegriffen werden, sind das Wahlverfahren und das Verfahren der Entscheidungsfindung und -begründung. Die Wahl der Richter:innen eines Verfassungsgerichts ist ein eminent politischer Akt.154 Ein Dutzend oder weniger Menschen entscheiden, unabhängig von den übrigen Verfassungsorganen und den Bürger:innen, verbindlich über die Interpretation der Verfassung und ihre Beachtung in den Streitigkeiten vor dem Gericht. Zwar sind einzelne Richter:innen nicht sonderlich mächtig. Das Gericht als Ganzes verfügt indes über erhebliche Rechtsmacht. Das Wahlverfahren kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein.155 Immer wieder wurde die Wahl zum US-Supreme Court als vorbildlich herausgestellt. Demzufolge komme im Vorschlagsrecht der Präsident:in und der öffentlichen Anhörung im Senat das politische Moment sehr viel angemessener zum Ausdruck als im deutschen Verfahren, bei dem sich Findung und Wahl in einem der öffentlichen Meinungsbildung weitgehend entzogenen Raum abspielen.156 Tradition und Wahlregelung haben derweil in Deutschland zu einem System geführt, in dem die Kandidat:innen von einer breiten Mehrheit in der Politik getragen werden.157 Das begünstigt Positionen der politischen „Mitte“ und 153 Eine solche Vorstellung dürfte unter Vertreter:innen der radikalen Demokratietheorie und den Anhänger:innen eines politischen Konstitutionalismus weit verbreitet sein; s. die Nachw. auf S. 39 in Fn. 47. 154 Sajó / Uitz, The Constitution of Freedom, 2017, S. 351 ff. 155 Vgl. Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 150 ff.; Tietjen, Der geeignete Richter, 2022, S. 193 ff., 275 ff. 156 Zur Kritik am Wahlverfahren Kischel, Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStrR, Bd. 3, 3. Aufl. 2005, § 69 Rn. 36 ff.; einen Überblick über Reformvorschläge Tietjen, Der geeignete Richter, 2022, S. 297 ff. 157 Vgl. Magsaam, Mehrheit entscheidet, 2014, S. 294 ff., 315 ff., 328 ff.; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 94 Rn. 14 f.

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ein geteiltes Verfassungsverständnis, ohne dass dies harten Streit in der Sache ausschließen würde.158 Im Vergleich bemerkenswert ist der Umstand, dass früher die Wahl der Richter:innen zum US-Supreme Court ebenfalls von einer breiten Mehrheit im Senat getragen war.159 Zwar gab es auch knappe Mehrheitsentscheidungen, doch hat sich in den letzten Jahren ein durchgehend gegenläufiger Trend entwickelt. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump bestimmten schließlich nur noch knappe Mehrheitsentscheidungen die Wahlen.160 Wie auch immer sich diese Politisierung des Wahlaktes erklären lässt und sich auf das Selbstverständnis der Richter:innen auswirkt – solange die Richter:innenwahl auf breiter Mehrheitsentscheidung beruht, lässt sie sich als Zeichen verstehen, im Gericht eine vom Politischen geschiedene Einrichtung zu sehen. Zugleich erinnert das Phänomen an die beträchtliche Bedeutung ungeschriebener Konventionen, die sich auch bei der Entscheidungsfindung und -begründung beobachten lässt.161 Einer Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht ein langer – mindestens mehrtägiger, oft mehrwöchiger – Diskussionsprozess der acht Richter:innen voraus. Sie müssen sich nicht nur mehrheitlich auf ein Ergebnis, sondern auch auf die Grundzüge einer Begründung einigen. Dementsprechend muss der Senat ein einheitliches Verständnis über das vom Grundgesetz Gebotene entwickeln. Ganz anders gestalten sich die Findung und Begründung einer Entscheidung am US-Supreme Court. Früh kommt es hier zu einer Entscheidung. Im Anschluss daran wird von einer Richter:in eine Begründung für die Senatsentscheidung verfasst. Die anderen Richter:innen können sich mit eigenen Voten der Entscheidung anschließen oder „dissenting opinions“ verfassen. Es gibt also den Fall, einen Tenor und verschiedene Begründungsstränge. Der Fall und sein Tenor rücken in den Mittelpunkt.162 Auf diese beiden Elemente und nicht auf die Begründung mit dem dort entfalteten Verfassungsverständnis wird in der weiteren Rechtsentwicklung rekurriert. Die Begründungen bilden ein bloßes Reservoir an Topoi für künftige individuelle Argumentationen. 158

Näher Voßkuhle, Die Verfassung der Mitte, 2016. Zoffer / Grewal, Cal. L. Rev. 11 (2020), S. 437 ff. 160 Ebd., S. 454 ff. 161 Zum Folgenden Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 22 ff. 162 Näher Bumke / Schäfer, The Nature and Value of Conceptual Legal Scholarship, in: Kuntz / Miller (Hrsg.), Methodology in Private Law Theory, 2023 (i. E.), Abschn. B.II.2. 159

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Einzelne Konstellationen, Meinungspluralität und individuelle Interpretationsbemühungen prägen das Verfassungsverständnis.163 Zwei idealtypische Grundverständnisse lassen sich hier ausmachen: Auf der einen Seite steht ein deliberatives Bild der Verfassungsgerichtsbarkeit, welches auf kollektiven Interpretationsbemühungen fußt. Das zwingt zu einer Auseinandersetzung auf der Basis juristischer Argumente und rechtsdogmatischer Einsichten und Überzeugungen. Der Fall bildet den Ausgangs- und den Endpunkt der Bemühungen. Dabei richten sich diese Bemühungen jedoch auf mehr als bloß die konkrete Entscheidung, nämlich auf das interpretatorische Erschließen des von der Verfassung Gebotenen. Die andere Seite dagegen bildet ein pluralistisch-fragmentiertes Gerichtsbild, in dessen Zentrum die Entscheidung konkreter Fälle steht. Auch aus ihnen erwächst über die Zeit ein Geflecht verfassungsrechtlicher Vorgaben. Doch sind sie nicht Ausdruck einer gemeinsam entwickelten Überzeugung, sondern mehr individuelle Festsetzungen. Es fehlt am Zwang zur juristischen Auseinandersetzung; persönliche Einschätzungen prägen das Verfassungsdenken. Die beiden Grundverständnisse der Verfassungsgerichtsbarkeit stehen für zwei Arten der Entpolitisierung. Das deliberativ-ganzheitliche Modell baut auf einer kategorialen Trennung zwischen Recht und Politik auf. Demgegenüber bleibt das pluralistisch-fragmentierte Verfassungsverständnis dem Politischen verhaftet. Im Mittelpunkt steht das personenbezogene Entscheiden von Einzelfällen. Erst mithilfe des Gedankens der Präjudizienbindung entsteht ein von politischen Festlegungen unterscheidbares Geflecht verfassungsrechtlicher Vorgaben. Sinn oder Unsinn einer (Re-)Politisierung lässt sich nach alledem auch mit Blick auf Fragen der konkreten Ausgestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht abschließend beurteilen. Beobachten lässt sich aber immerhin, ob eine Ausgestaltung und das ihr zugrundeliegende institutionelle Selbstverständnis auf einer klaren Unterscheidung zwischen Recht und Politik aufbaut und ob verwandte Momente in beiden Bereichen sichtbar werden. Entsprechend lässt sich vermuten, dass dem pluralistisch-fragmentierten Verfassungsverständnis eine (Re-)Politisierung leichter fällt. Ob sich diese am Ende als Vor- oder Nachteil erweist, ist damit aber nicht entschieden. 163

Sehr skeptisch auch Lübbe-Wolff, Beratungskulturen, 2022, S. 113 ff.

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IV. Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes als Teil der Grundmechanik des DEMOKR ATISCHEN VERFASSUNGSSTA ATES Die eingangs gestellte Aufgabe, die Verfassungstheorie des demokr atischen Verfassungsstaates in ersten Umrissen zu skizzieren, lässt sich nicht ohne einen Blick auf die verfassungsgebende Gewalt des Volkes abschließen. Damit ist das letzte Thema dieser Studie benannt. Tief ist die Unsicherheit, die die Verfassungstheorie an diesem Punkt prägt. Für die einen ist sie ein „Grenzbegriff des Rechts“,164 für die anderen ein irreführender „Mythos“.165 Manche sehen in ihr die Büchse der Pandora, die zum Untergang der verfassungsstaatlichen Ordnung führt,166 während andere in der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes das legitimatorische Fundament dieser Ordnung erkennen.167 Mitunter wurde aus der Verfassung auf eine Pflicht aller staatlichen Organe geschlossen, Aktivierung und Aktivitäten der verfassungsgebenden Gewalt zu unterbinden.168 In der deutschen Diskussion dominierte die – lange Zeit praktisch und verfassungsrechtlich irrelevante  – Frage nach dem Verbleib der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes unter dem Grundgesetz.169 In verfasster und parlamentarisch repräsentierter Form zählte das deutsche Volk zu den konstitutiven Elementen des grundgesetzlichen Verfassungsstaates. Das verfassungsgebende Volk hingegen war selbst bei der Wiedervereinigung Deutschlands nicht vonnöten.170 Dementsprechend wurde der nach der 164

Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 90 ff. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 68 ff. 166 Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003, S. 292 ff. 167 Bryde, Verfassungsgebende Gewalt des Volkes und Verfassungsänderung im deutschen Staatsrecht, in: Bieber / Widmer (Hrsg.), Der europäische Verfassungsraum, 1995, S. 329, 334 ff. 168 Murswiek, Die verfassunggebende Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 209 ff., 234 ff. 169 Statt aller Möllers, Demokratie, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 5 Rn. 77 ff. m. w. N. 170 Zu den verfassungsrechtlich umstrittenen Fragen der Wiedervereinigung s. die zeitgenössischen Beiträge von Frowein / Isensee / Tomuschat / Randelzhofer, Deutschlands aktuelle Verfassungslage, 1990: Einerseits den Bericht von Jochen Abr. Frowein (S. 7 ff.), der gleichermaßen ein Vorgehen über Art. 23 und Art. 146 (a. F.) GG für möglich hielt und die Entscheidung über eine Beibehaltung des GG mit einer Volksabstimmung verbinden wollte (S. 15 f.); andererseits – wohl für die Staatsrechtslehre repräsentativer – den Bericht von Josef 165

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2. Kap.: Verfassungstheorie als Grundbaustein

Wiedervereinigung neu gefasste Art. 146 GG ganz überwiegend als verfassungsrechtliche Leerstelle verstanden.171 Die Diskussionslage änderte sich jedoch spätestens mit der Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Darin maß das Gericht der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes verfassungsrechtliche Bedeutung sowohl hinsichtlich der Grenzen einer Verfassungsänderung als auch mit Blick auf einen bundesstaatlich ausgerichteten europäischen Einigungsprozess bei.172 Auch wenn eine solche europäische Ordnung in weite Ferne gerückt ist, hat seitdem ein Umdenken stattgefunden, in dessen Verlauf die verfassungsgebende Gewalt des Volkes viel von ihrem Schrecken verloren und als verfassungsablösende Gewalt einen – wenn auch umstrittenen – Platz im positiven Verfassungsrecht gefunden hat.173 Wie lässt sich diese widersprüchliche Vielfalt erklären? Warum existieren so unterschiedliche Vorstellungen über die verfassungsgebende Gewalt des Volkes?174 Drei Gründe sind dafür im Wesentlichen verIsensee (S. 39 ff.), der sich für die „Staatsintegration“ der DDR und gegen eine Verfassungsrevision aussprach (S. 46 ff.), zudem eine Volksabstimmung dezidiert ablehnte (S. 58); zum Ganzen auch Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, 2012, S. 641 ff.; aus allgemeingeschichtlicher Sicht Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, 2. Aufl. 2001, S. 553 ff. 171 Eine sorgfältige Entfaltung dieser Position findet sich bei Isensee, Schlußbestimmung des Grundgesetzes, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 258 Rn. 75 ff.; s. auch die zusammenfassende Darstellung des Streits um die Interpretation des Art. 146 GG ebd., Rn. 57 ff. 172 BVerfGE 123, 267, 331 f., 347 ff. – Lissabon. Der schon vorher in Gang gekommene Meinungsumschwung lässt sich u. a. an folgenden drei Dissertationen ablesen: Moelle, Der Verfassungsbeschluß nach Artikel 146 Grundgesetz, 1996; Merkel, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes, 1996; und insbes. Stückrath, Art. 146 GG: Verfassungsablösung zwischen Legalität und Legitimität, 1997. S. f. die anschaulichen Entfaltung der Position durch Dreier, Gilt das Grundgesetz ewig?, 2009, S. 78 ff.; Michael, in: Bonner Kommentar GG, Art. 146 Rn. 423 ff.; Eggert, Verfassungsablösung, 2021, S. 132 ff. 173 Dezidiert a. A. Möllers, Demokratie, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 5 Rn. 79 f. m. w. N. in Fn. 311, der aber auch dem Art. 79 Abs. 3 GG keine Grenze für den europäischen Einigungsprozess entnimmt. Für ein Grundrecht auf Verfassungsablösung spricht sich aus Eggert, Verfassungsablösung, 2021, S. 232 ff. 174 Näher zu dem Phänomen und der rechtlichen Figur einer verfassungsgebenden Gewalt des Volkes aus jüngerer Zeit Boehl, Verfassungsgebung im Bundesstaat, 1997, Teil 2; Waldhoff, Entstehung des Verfassungsgesetzes, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 8; Schneider, Verfassungsgebende Gewalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 255;

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antwortlich, von denen der erste die Einbindung, der zweite die Aufgaben der verfassungsgebenden Gewalt und der dritte das Volk als Entität betrifft.175 Bei der Einbindung geht es um den konzeptionellen Raum, in den die verfassungsgebende Gewalt eingespannt wird. Er kann durch den Gedanken der Zurechnung, des Entscheidens, der Mitwirkung oder der (un-)begrenzten Gewalt geprägt sein.176 Die Aufgaben wiederum, die mithilfe der Figur bewältigt werden sollen, variieren zwischen Geltung, der tatsächlichen Anerkennung, der Anerkennungswürdigkeit (i. S. der Legitimation) und der elementaren Umgestaltung177 einer Verfassungsordnung.178 Schließlich muss das Volk als Gebilde verortet werden: Handelt es sich um eine 1.) politische, ethnische, ideelle oder kontingente, 2.) zeitlose, historisch gebundene und 3.) kollektiv-individualistische oder kollektiv-holistische Entität?179 Hinzu kommt 4.) die von Josef Isensee als „Widerspruch“ charakterisierte180 und im englischen Sprachraum Loughlin, EJPT 13 (2014), S. 218 ff.; Rubinelli, Constituent Power, 2020; ColónRíos, Constituent Power and the Law, 2020; Patberg, Constituent Power in the European Union, 2020; Bofill, Law, Violence and Constituent Power, 2021; Frost, Language, Democracy, and the Paradox of Constituent Power, 2021. 175 Näher zu diesen und weiteren Schwierigkeiten im Umgang mit der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes die im Entstehen befindliche Dissertation von Fritz Schäfer, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes, Diss. Bucerius Law School, Hamburg. 176 Näher Rubinelli, Constituent Power, 2020, S. 208 ff.; Patberg, Constituent Power in the European Union, 2020, S. 87 ff. 177 Aufgegriffen wird mit diesem Punkt die von Ackerman, We the People, Bd. 1, 1991, Teil 1, entwickelte Theorie über fundamentale Veränderungen des Verfassungsverständnisses, die auf gesellschaftliche Bewegungen zurückzuführen sind. In einem früheren, vorbereitenden Aufsatz hat er diesbezüglich von „constitutional moments“ gesprochen und diese wie folgt charakterisiert: „those rare moments when political movements succeed in hammering out new principles of constitutional identity that gain the considered support of a majority of American citizens after prolonged institutional testing, debate, decision“ (ders., Y. L. J. 99 (1989), S. 453, 545). Ausdruck und Konzept verlieren ihren Wert, wenn mit ihnen voraussetzungslos als sehr wichtig empfundene Entscheidungen eines Verfassungsgerichts ausgezeichnet werden (so bspw. Herdegen, Das Grundgesetz im Gefüge des westlichen Konstitutionalismus, in: ders. / Masing / Poscher u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 1 Rn. 31 ff.). 178 Näher Rubinelli, Constituent Power, 2020, S. 3 ff., 208 ff. 179 Näher zu den verschiedenen – idealtypisch unterschiedenen – Weisen, auf die sich das Volk als Subjekt der verfassungsgebenden Gewalt konstituieren kann Rosenfeld, The Identity of the Constitutional Subject, 2010, S. 149 ff. Zur Einheitsvorstellung vgl. Pettit, Ratio Juris 17 (2004), S. 52, 58 f. 180 Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 43 ff.

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intensiv diskutierte Frage der Verfasstheit des Volkes im vorverfassungsmäßigen Raum.181 Angesichts dieser Heterogenität lässt sich daran zweifeln, ob es überhaupt eine Figur der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes gibt, über die es sich zu streiten lohnt.182 Jedenfalls wird sich ein verlässlicher Ausgangspunkt nur gewinnen lassen, wenn die verfassungsgebende Gewalt des Volkes in das Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates eingebunden wird. Mit diesem Ziel werden nun einige wenige Momente der Grundmechanik des demokr atischen Verfassungsstaates studiert.

1. Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes als urwüchsige Kraft Doch zuvor muss ein Vorstellungsbild, das die verfassungsgebende Gewalt seit jeher prägt, zerstört werden, um irreführende Assoziationen zu unterbinden. Auf diesem Bild erscheint die verfassungsgebende Gewalt als eine naturwüchsige und nicht zu disziplinierende (Ur-)Kraft.183 Diese Kraft soll es einer überzeitlichen singulären Entität namens „Volk“ möglich machen, mittels existentieller Entscheidungen184 gesellschaftliche Ordnung zu erzeugen. Was auch immer dieses Volk will, ist geboten und legitim. Es lässt sich dabei nicht disziplinieren, kann jederzeit in Erscheinung treten, das Zepter an sich reißen und die bestehende Ordnung zu181

Lindahl, Constituent Power and Reflexive Identity, in: Loughlin / Walker (Hrsg.), The Paradox of Constitutionalism, 2007, S. 9 ff.; Rosenfeld, The Identity of the Constitutional Subject, 2010, Teil 1; Colón-Ríos, Constituent Power and the Law, 2020, S. 4 ff. 182 Die Heterogenität betonen auch Rubinelli, Constituent Power, 2020, S. 208 ff.; Colón-Ríos, Constituent Power and the Law, 2020, S. 296 ff. 183 Gegen eine solche Vorstellung argumentiert gleichfalls z. B. Schneider, Verfassungsgebende Gewalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 255 Rn. 33. 184 Gerne wird das Attribut „existenziell“ benutzt, um gesellschaftliche Ereignisse zu überhöhen und ihnen eine Bedeutung für den riesigen Personenverband zuzuweisen, der als Volk oder Nation adressiert wird. Aus solchen Ereignissen und ihren Zuschreibungen können sich verfestigende Zustände einschließlich wirkmächtiger Narrative ergeben, die es dem Volk oder der Nation erlauben, sich in einer bestimmten Weise selbst zu begreifen. Auch das Existenzielle bleibt aber nach den hier zugrundeliegenden ontologischen Grundannahmen eine soziale Tatsache.

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gunsten einer neuen verwerfen. Die Ursprünge dieser Vorstellung liegen in den Anfangsjahren der Französischen Revolution. Sieyès erklärte die französische Nation zur verfassungsgebenden Gewalt, die befugt sei, mithilfe geeigneter Repräsentanten eine für alle politischen Akteure verbindliche Verfassung auszuarbeiten. Er entwickelte diese Konzeption mit dem Ziel, die Stimmenverteilung in der 1788 von Ludwig XVI. einberufenen Versammlung der Generalstände zugunsten des Dritten Standes zu verändern.185 Doch die das politische Selbstverständnis prägende Kraft seiner Überlegungen reichte weiter: Aus den nicht privilegierten Untertanen des Königs wurden Bürger einer Nation, die sich als ihr eigener Herr eine Verfassung gaben, um die politisch Mächtigen zu bändigen. Darin bestand das wahrhaft Revolutionäre. Im Unterschied zur Amerikanischen Revolution war die verfassungsgebende Gewalt zugleich aber nur sehr lose mit dem Streben nach einer spezifischen gesellschaftlichen Existenzform verknüpft. Es fehlte an den dafür erforderlichen politischen und ideellen Traditionen und Erfahrungen, wie sie England für die europäischen Kolonialisten Nordamerikas bereitgehalten hatte. Das Konzept der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes als naturwüchsige Kraft weist drei grundlegende Schwächen auf. Erstens ist die zugrunde gelegte Deutung des Volkes zutiefst undemokratisch. Zweitens widerstreitet sie der für den demokr atischen Verfassungsstaat zentralen Idee von der „Gleichursprünglichkeit“ kollektiver und individueller Selbstbestimmung. Und drittens ist das Konzept nicht geeignet, irgendeine Herrschaftsform auf rationale Weise zu legitimieren. Existentielles lässt sich nur als Einheit denken. Der als maßgeblich gedachte Wille kann deshalb nicht sinnvoll als Mehrheitsentscheidung begriffen werden. Die Bürger:innen müssen im Volk aufgehen, damit ein einheitlicher Volkswille existieren kann. Dann fehlt es aber an einem tragfähigen Ausgangspunkt, um Würde, Freiheit und Gleichheit des Einzelnen als Rechte zu begreifen, die neben dem Volk und unabhängig von ihm bestehen und seine Willensbetätigung zu begrenzen vermögen. Rationale Herrschaftsbegründung fragt nach guten, also durchdachten, erklärbaren und wissensgetragenen Gründen. Der kollektive existentielle Wille scheidet hingegen als guter Grund aus. Er lässt sich nicht sinnvoll hinterfragen und sieht sich auch nicht in der Pflicht, die gewollte Ordnung als eine solche zu rechtfertigen, die dem Wohl ihrer Bürger:innen dient. Er vermag nur 185

Sieyès, Was ist der dritte Stand?, in: ders., Politische Schriften, 1975, S. 117,

164 ff.

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auf die Willkürlichkeit seiner selbst zu verweisen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit, auf die in diesem Zusammenhang ebenfalls legitimierend verwiesen wird, ist nicht mehr als eine zuschreibende Konstruktion. Denn das Subjekt „Volk“ lässt sich nicht unmittelbar beobachten.

2. Die Aufgaben der Grundmechanik des DEMOKR ATISCHEN VER FASSUNGSSTA ATES Als Baustein im Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates ist die verfassungsgebende Gewalt kein solitäres Gebilde, sondern immer Teil der verfassungsstaatlichen Grundmechanik, die sich aus den beiden Aggregatszuständen eines Volkes und dem Transformationsprozess zusammensetzt.

a) Keine Rechtfertigung und kein „Grenzbegriff “ des DEMOKR ATISCHEN VERFASSUNGSSTA ATES Die Aufgabe der Grundmechanik besteht nicht darin, den demokr atischen Verfassungsstaat zu rechtfertigen. Für die Legitimation dieser gesellschaftlichen Existenzweise kann es nicht genügen, auf einen dem Volk zurechenbaren demokratischen Entstehungsprozess zu verweisen. Die Zurechenbarkeit zum Volk sowohl in seiner verfassungsgebenden als auch in seiner verfassungsgebundenen Form ist zwar konstitutiv für das Selbstverständnis des demokr atischen Verfassungsstaates, aber vieles mehr muss hinzukommen, um ihn als verbindliche politische Ordnung zu rechtfertigen. Es ist die Gesamtkomposition mit ihren verschiedenen Elementen – etwa der Gleichursprünglichkeit kollektiver und individueller Selbstbestimmung, dem Gedanken gleicher Würde, offener Staatlichkeit und der Gewaltengliederung –, die es erlaubt, darin eine legitime, anerkennungswürdige gesellschaftliche Existenzweise zu sehen. Bei der verfassungsgebenden Gewalt kann es sich demzufolge nicht um einen „Grenzbegriff“ in dem Sinne handeln, dass damit der „normative Geltungsgrund der Verfassung“ bezeichnet wird.186 Ferner ergibt sich aus der Einbindung in das verfassungsstaatliche Konzept, dass Zurechnungs186

In diesem Sinne jedoch Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 90 ff.

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defizite bei der Entstehung eines demokr atischen Verfassungsstaates, wie sie für das Grundgesetz thematisiert werden, zu keinem legitimatorischen Makel führen.187 Die Figur vermag die grundgesetzliche Ordnung nicht zu rechtfertigen. So gesehen lässt sich auch verstehen, warum auf Wahlen oder allgemeine Akzeptanz verwiesen wird, um das Zurechnungsdefizit zu tilgen, ohne dass damit die Legitimationsthematik des demokr atischen Verfassungsstaates ausgeschöpft wäre.188

b) Das Volk als alleiniges Zurechnungssubjekt menschlicher Herrschaft Welche wenn nicht diese Aufgabe soll dann aber die Grundmechanik erfüllen? Drei Themenkreise lassen sich ausmachen: Da ist erstens die Frage nach dem Subjekt und der Zurechenbarkeit legitimer Herrschaft. Als zweites stellt sich die Frage nach der Bindung an die Verfassung und ihr Abschließen gegenüber außerkonstitutionellen Nachfragen. Und drittens soll die Grundmechanik elementare Veränderungen der gesellschaftlichen Existenzweise erklären, ohne dass es eines revolutionären Bruchs bedarf. Die Grundmechanik erlaubt es, das Volk als alleiniges Zurechnungssubjekt menschlicher Herrschaft zu begreifen. Die doppelte Daseinsform führt dazu, dass das Volk zugleich Ausgangs- und Endpunkt menschlicher Herrschaft darstellt. Herrschaft kann nur legitim sein, solange und soweit sie sich auf das Volk zurückführen lässt. Es handelt sich um eine notwendige, aber nicht um eine hinreichende Bedingung legitimer Herrschaft. Darüber hinaus bleiben zwei sehr wichtige Fragen offen. Denn es lässt sich der Mechanik nicht entnehmen, welche Eigenschaften und Elemente für die Annahme eines Volkes maßgeblich sind.189 Das Gleiche gilt für die Anforderungen an die Zurechenbarkeit. Welche Antworten auch immer gewählt werden, alle politischen Akteur:innen sind in der Pflicht 187 So aber bspw. Bryde, Verfassungsgebende Gewalt des Volkes und Verfassungsänderung im deutschen Staatsrecht, in: Bieber / Widmer (Hrsg.), Der europäische Verfassungsraum, 1995, S. 329, 337 f. 188 In diesem Sinne etwa Isensee, Legitimation des Grundgesetzes, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. 12, 3. Aufl. 2014, § 254. 189 S. nur die von Rosenfeld, The Identity of the Constitutional Subject, 2010, S. 149 ff., idealtypisch zusammengestellten Subjektvorstellungen und die konzeptionellen Vorüberlegungen ebd., S. 37 ff.

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zu plausibilisieren, dass sie in zurechenbarer Weise für das Volk – beispielsweise in Form einer verfassungsgebenden Versammlung – gehandelt haben. Innerhalb des demokr atischen Verfassungsstaates ist die Zurechnung dann nur als demokratische Zurechnung denkbar. Alle Staatsgewalt muss mittels demokratischer Prozeduren auf das Volk rückführbar sein und das Volk muss in diesen Prozeduren greifbar werden – sei es mittels gewählter Repräsentant:innen oder mittels unmittelbarer Abstimmungen.190 Da das Volk nach dem Sinn der Grundmechanik nur seinen Aggregatszustand wechselt, prägt der demokratische Gedanke die Zurechnungsthematik indes auch im vorkonstitutionellen Zustand.

c) Bindung und elementare Veränderungen Die zweite Leistung der Grundmechanik besteht in der Selbstbindung des Volkes im demokr atischen Verfassungsstaat. Der Wechsel des Aggregatszustands erklärt die Bindung des Volkes an die von ihm geschaffene Verfassung. Umgekehrt eröffnen die wechselnden Aggregatszustände die Möglichkeit, die Verfassung nicht als starr und zeitlos begreifen zu müssen. Elementare Veränderungen sind in geordneten Bahnen möglich. Maßgeblich sind die Normen der Verfassung über deren Identitätsänderung. Ist eine solche wie in Art. 79 Abs. 3 GG ausgeschlossen, bedarf es für eine Neuschöpfung eines besonderen Verfahrens in Form der Verfassungsablösung. Aus dieser Sicht ist Art. 146 GG als Ausgangspunkt für einen Aggregatswechsel zu verstehen, der jedoch verfassungsprozeduraler Ergänzungen bedarf, da das Verfahren bislang nicht näher geregelt wurde.191 Andere Formen elementarer Veränderungen der Verfassung sind ebenfalls denkbar, aber schwieriger zu greifen.192 190

S. dazu statt aller Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 289 ff.; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 82 ff. S. f. mit gegensätzlichen Akzentsetzungen Stückrath, Art. 146 GG: Verfassungsablösung zwischen Legalität und Legitimität, 1997, S. 254 ff.; Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, 2003. 191 Näher zu den diesbezüglich sehr unterschiedlichen Vorstellungen Michael, in: Bonner Kommentar GG, Art. 146 Rn. 671 ff. 192 Einen Vorschlag, um solche elementaren Veränderungen im verfassungsrechtlichen Denken und Handeln auszumachen, hat Ackerman, We the People, Bd. 1, 1991, S. 3 ff., 34 ff. vorgelegt. Gemessen an den dort entwickelten Anforderungen dürften sich unter dem Grundgesetz noch keine Veränderungen in diesem fundamentalen Sinne ausmachen lassen.

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Mit der Bindung geht drittens ein Ausschluss außerkonstitutioneller Nachfragen einher. Die Frage nach der herrschaftlichen Legitimation wandelt sich demnach zu einer Frage der Verfassung im Sinne des Verfassungsrechts. Diese Übersetzung führt zu einer thematischen Eingrenzung: Allein das Demokratieprinzip entscheidet über die Legitimation; es wird nur noch gefragt, ob eine staatliche Maßnahme über ausreichende demokratische Legitimation verfügt. Die Legitimation der Ordnung als Ganze lässt sich hingegen nicht im Rahmen des Verfassungsrechts thematisieren. Auf diesem Weg trägt die Grundmechanik des demokr atischen Verfassungsstaates zur Schließung seiner Rechtsordnung bei.193 Vieles mehr gäbe es bezüglich der Grundmechanik mit ihren beiden Bestandteilen der verfassungsgebenden und der verfassungsgebundenen Gewalt des Volkes zu klären. Doch sollten die skizzierten Überlegungen genügen, um nicht nur Sinn und Nutzen einer Einbindung in das Konzept des demokr atischen Verfassungsstaates zu plausibilisieren, sondern auch die in Angriff genommene Konturierung der Verfassungstheorie des demokr atischen Verfassungsstaates in ihren ersten Umrissen abzuschließen.

193

Zur Schließung der Rechtsordnung im Allgemeinen s. die Nachw. auf S. 81 f. in Fn. 47 und S. 112 in Fn. 126.

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Sachwortverzeichnis Constitutional Theory 16 ff. Constitutionalism 16 ff.

– Legitimation der Gesetzeskontrolle 94 ff.

Demokratie 18 f., 67, 71 f., 89 ff., 123 f. – autoritäre 34 Fn. 32 – Krise der 20 f. Fn. 6, 34 Fn. 32 – und Konstitutionalismus 40 Fn. 51 – und Nation 85 Fn. 57 demokratischer Verfassungsstaat (siehe auch liberaler demokratischer Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit; verfassungsgebende Gewalt des Volkes) – autoritärer 34 Fn. 32 – gesamtgesellschaftliche Grundfragen 40 ff. – Gesetzgeber und Verfassungsgericht 39 f., 51 f. Fn. 96, 66 – Grundfragen 32 ff. – Grundmechanik 43 ff., 127 ff., 132 ff. – Kritik/Infragestellung 20 f. Fn. 6 – Legitimation 116 ff. – Nation / Nationalismus 69 f., 84 ff., 85 Fn. 57 – Recht und Politik 38 ff. – Selbstbestimmung 38, 89 ff. – Bindung 92 f. – Verfassungsgerichtsbarkeit 39 f., 68

Interpretation siehe Verfassungstheorie

Gesetzgeber und Verfassungsgericht 39 f., 40 Fn. 51, 66, 88 ff., 93 ff. – (siehe demokratischer Verfassungsstaat)

Konstitutionalismus (siehe auch Constitutionalism) 13 ff. Fn. 1 – autoritärer 34 Fn. 32 – politischer (thin) 39 Fn. 47 – rechtlicher 39 Fn. 47, 66 – Verhältnis zur Demokratie 40 Fn. 51 Legitimation 89 ff., 116 ff. liberaler demokratischer Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit (siehe auch demokratischer Verfassungsstaat) 19 f., 63 ff., 68 ff., 89 ff., 116 ff. – Familie 68 – Grundmechanik 132 ff. – Konzept 25 Fn. 3, 68 ff. – Typus-Merkmale 65 ff. – Verfassungsgerichtsbarkeit 95 f. – Verfassungstheorie 71 f. Politik (das Politische) 110 ff. – Entpolitisierung 122 ff. – Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit 123 ff. Populismus 34 Fn. 32 positives Recht, Widerstandskraft 56 ff., 106 ff. Recht und Politik 38 ff., 82 ff., 110 ff.

178

Sachwortverzeichnis

– Domestizierung des Politischen 111 f. – Eigenständigkeit des Verfassungsrechts 111 ff. – Unterscheidbarkeit 82 ff. Rechtssatz und Rechtsnorm 58 ff. Verfassung – als institutionelle Praxis 75 f. – als Text 74 ff., 79 ff. – Text und Verfassungsrecht 76 ff. – als Verfassungsrecht 75 ff. – Arten 33 ff. – autoritäre 34 Fn. 32 – Autoritarismus 20 f. Fn. 6, 34 f. Fn. 32 f., 118 f. – autoritativer Text 60 ff., 77 f. – Begriff / Konzept 75 f. – Defizite 19 f. – Konturierung 18 f. – Verfassungsfunktionen 86 ff. – Zugänge 73 ff. – Beziehung zum Politischen 114 f. – constitutional moments 129 Fn. 177 – gelingende Praxis 30 f., 80 f., 80 Fn. 43, 83 f., 85 f., 114 Fn. 130, 95 f. – soziale Homogenität 86, 86 Fn. 59 – geschriebene (siehe auch Verfassungsurkunde) 18 f., 34 f., 67 – Grenzen der Veränderbarkeit 115 f. – Grundfragen 32 ff. – Herrschaft der Toten 116 f. – Integration 85 f. – kulturelle Dimension 84 ff. – politische Dimension 82 ff. – rechtliche Dimension 79 ff. – und Verfassungsrecht 76 ff., 79 ff.

– veränderungsfester Kern 115 Fn. 133 – Verfassungsfunktionen 86 ff., 118 f. – Verfassungsgesetz 74 f., 77, 81 f., 91 ff. – Versteinerungsgefahr 115 f. – Vorrang und Vorbehalt 112 Verfassungsbindung, 19. Jh. in Deutschland 13 ff. Fn. 1 Verfassungsdogmatik 49 – Beschränkung auf Rechtssätze 58 ff. – Widerstandskraft des Rechts 56 ff. Verfassungsfunktionen 86 ff., 118 f. verfassungsgebende Gewalt des Volkes 43 f., 127 ff. – Grenzbegriff des Rechts 132 f. – Rekonstruktion 128 ff. – Urkraft 130 f. – Kritik 131 f. – Zurechnungssubjekt 133 f. verfassungsgebundene Gewalt des Volkes 43 f. Verfassungsgericht siehe Verfassungsgerichtsbarkeit Verfassungsgerichtbarkeit 93 ff. – Autorität 98 f. Fn. 92 – counter-majoritarian difficulty 93 f. – deliberativ-diskursives Grundverständnis 125 f. – Entpolitisierung 119 ff. – Expertise 120 f. – Integration 95 Fn. 86 – Interpretation 109 f. – Legitimation/Rechtfertigung 94 ff. – pluralisch-individuelles Grundverständnis 126 – politischer Akteur 119 f. Fn. 143 – Politisierung 119 ff.

Sachwortverzeichnis – Unabhängigkeit (siehe demokratischer Verfassungsstaat, Gesetzgeber und Verfassungsgericht) 20 f. Fn. 6, 68, 97 – und Politik 82 f., 82 f. Fn. 49 – Vertrauen 114 Fn. 130 – Wahl der Richter:innen 124 f. Verfassungsinterpretation 98 ff. – Prägung durch Verfassungsgerichte 98 f. Fn. 92, 99 Fn. 94 Verfassungsrecht – Anleitung 118 f. – des Politischen 113 ff. – autoritäre Festlegungen 118 f. – Bindung 20 f. Fn. 6, 111 ff., 119 ff. – Elemente 78 Fn. 37 – Funktionen 118 f. – Politisierung 119 ff. Verfassungsrecht und Verfassungsgesetz 74 f., 77, 80, 81 f., 91 ff. Verfassungsstaat, autoritärer 34 Fn. 32 Verfassungstheorie siehe auch liberaler demokratischer Verfassungsstaat mit unabhängiger Verfassungsgerichtsbarkeit – Analyse 23 – Autorität 55 ff. – Bedürfnis 13 – Beurteilung 24 f. – disziplinäre Stellung 53 ff. – kategoriale Grenzen 53 ff. – Eigenanteil der Tätigen 47 f.

179

– Forschungsstand 22 ff. – Gelingensbedingungen 29 ff. – Interpretation 25 f., 59 ff., 77 ff., 80 ff., 98 ff. – Richtigkeitskriterien 56 ff., 61 f., – Text und Norm 60 ff., 77 ff., 80 ff. – Methodenlehre der Verfassungsinterpretation / Metainterpretation 45 Fn. 70, 50 ff. – Ontologie 26 f. – soziale Gesetzmäßigkeiten 28 ff. – Status 53 ff. – Tätigkeiten 23 ff., 47 – Typologien 31 ff. – und Verfassungsdogmatik 49, 55 ff. – Grenzziehung 55 ff. – Verfassungsstaat, Familie 65 ff. – Typus 63 ff. – Verständnisfolie 63 f. – Verständnisfolien siehe Verständnisfolien – wissenschaftlicher Charakter 59 f. Verfassungsurkunde (siehe auch Verfassung, als Text) 76 ff., 79 ff. – Bedeutungen 79 ff. Verständnisfolien 45 ff. – generelle/spezielle 48 f. – Grenzen der Rationalität 57 f. – Grundrechtstheorien 45 f., 48